Das Geschichtsdenken Augustins: zur Rezeption des Alten Testaments in "De ciuitate dei XV-XVIII"
 9783161620430, 9783161624865, 3161620437

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1 Gegenstand und methodische Herangehensweise
1.1 Erläuterungen zur Begrifflichkeit
1.2 Relevanz der Forschungsfrage für das Gesamtverständnis von De ciuitate dei
1.3 Herangehensweise und Ziel der Untersuchung
1.4 Methodische Vorüberlegungen
2 Beiträge der Forschung
2.1 Heinrich Scholz: Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte
2.2 Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen
2.3 Wilhelm Kamlah: Christentum und Geschichtlichkeit
2.4 Joseph Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche
2.5 Alois Wachtel: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus
2.6 Robert A. Markus: Saeculum. History and society in the theology of St. Augustine
2.7 Christof Müller: Geschichtsbewusstsein bei Augustinus
2.8 Augustin und das Judentum
2.9 Weitere Forschungsbeiträge zu De ciuitate dei
Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII
1 Das erste Weltzeitalter: Von Kain und Abel bis zur Sintflut
1.1 Augustins Behandlung von Kain und Abel vor De ciuitate dei
1.1.1 Die Deutung von Abel und Kain als Vorverweis auf Christus und die Juden
1.1.2 Die ‚ecclesia ab Abel‘ und die weitere Ausdeutung des Kainszeichens
1.1.3 Die Bevorzugung des Jüngeren vor dem Älteren
1.1.4 Die Debatte um die Sündlosigkeit Abels im Horizont des Pelagianischen Streits
1.2 Kain und Abel in De ciuitate dei: ‚Archetypen‘ der beiden ciuitates
1.2.1 Charakterisierung von Kain und Abel
1.2.2 Paulinische Erwählungsgedanken als Interpretamente von Gen 4
1.2.3 Der Konflikt zwischen Romulus und Remus als exemplum
1.2.4 Die Begründung des Konflikts zwischen Kain und Abel nach Augustin
1.2.5 Die Nachkommen Kains und die Gründung der Stadt Henoch
1.2.6 Die Langlebigkeit der ersten Menschen (ciu. XV 9–14)
1.2.7 Augustins Rezeption der Etymologien zu Kain, Abel, Seth, Henoch und Enosch
1.2.8 Wer ist der Vater von Kain, Abel und Seth?
1.3 Der weitere Verlauf des ersten Weltzeitalters
1.3.1 Der Beginn der Zeitrechnung
1.3.2 Das Zusammenwachsen der Nachkommen Kains und Seths
1.3.3 Die Sintflut als Reaktion Gottes auf die Boshaftigkeit der Menschheit
2 Das zweite Weltzeitalter: Von Noah bis zur Sprachverwirrung
2.1 Die Rezeption der Erzählungen von Noah und seiner Arche
2.1.1 Augustins Argumente für die Historizität der Sintfluterzählung
2.1.2 Die Arche als Sinnbild für die Kirche
2.1.3 Die Arche als Sinnbild für die Rettung im Endgericht
2.2 Der weitere Verlauf des zweiten Weltzeitalters
2.2.1 Die Nachkommen Noahs und die Entstehung der Völker der Erde
2.2.2 Der prophetische Sinn der Noahsöhne Sem, Ham und Japhet
2.2.3 Der ‚Turmbau zu Babel‘ – ein Ausdruck des Hochmuts
2.2.4 Vertiefende Fragen zur Turmbauerzählung und zur Bevölkerung der Erde
2.2.5 Die Nachkommen Sems bis hin zu Abraham
2.2.6 Das Hebräische als die ursprüngliche Sprache der Menschen
2.2.7 Rückblick: Die geschichtliche Dynamik der beiden ersten Weltzeitalter
3 Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David
3.1 Das Abrahambild Augustins vor dem Hintergrund der frühjüdischen, neutestamentlichen und frühchristlichen Auslegungen
3.1.1 Abraham im Frühjudentum
3.1.2 Abraham im Neuen Testament
3.1.3 Exkurs: Das Phänomen des Typos im Horizont antiken Geschichtsdenkens
3.1.4 Die Deutung Abrahams durch Irenäus, Tertullian und Ambrosius
3.1.5 Fazit
3.2 Augustins Rezeption der Abrahamerzählungen in De ciuitate dei
3.2.1 Das Haus Tharas und die Übersiedlung von Ur nach Harran
3.2.2 Die Berufung Abrahams und sein Wegzug nach Kanaan
3.2.3 Die Verheißungen an Abraham und ihre Bedeutung für die ciuitas dei
3.2.4 Die beiden Gefährdungen der Ahnfrau Sarah und die Loterzählung
3.2.5 Der erste Bundesschluss mit Abraham
3.2.6 Hagar, Ismael, der verheißene Isaak und der zweite Bundesschluss
3.2.7 Der Besuch der drei Männer bei der Eiche Mamre
3.2.8 Isaaks Geburt und seine von Gott geforderte Opferung
3.2.9 Kettura und das Lebensende Abrahams
3.3 Isaak und Jakob
3.3.1 Die Brautwerbung für Isaak
3.3.2 Die dritte Gefährdung einer Ahnfrau und der Segen an Isaak
3.3.3 Jakob und Esau als Repräsentanten der beiden ciuitates
3.3.4 Jakobs Traum in Bethel
3.3.5 Die vier Frauen Jakobs
3.3.6 Der Gotteskampf am Jabbok und Jakobs neuer Name Israel
3.3.7 Die Hungersnot und die Übersiedlung des Hauses Jakob nach Ägypten
3.3.8 Der Segen Jakobs an seinen Sohn Juda und an die beiden Söhne Josephs
3.4 Die Zeit von Mose bis David
3.4.1 Die formale Besonderheit von ciu. XVI 43
3.4.2 Zum Inhalt von ciu. XVI 43: Die Zeit von Mose bis David
3.4.3 Die Parallelisierung von Weltzeitaltern und Lebensaltern in ciu. XVI 43
3.4.4 Rückblick: Weitere Beobachtungen zur geschichtlichen Dynamik der Weltzeitalter
3.5 Die Behandlung des dritten Weltzeitalters in ciu. XVIII 1–20
3.5.1 Die Geschichte der ciuitas terrena im dritten Weltzeitalter
3.5.2 Erneute und vertiefende Aufnahme alttestamentlicher Erzählungen
4 Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft
4.1 Prophetie im Übergang vom dritten zum vierten Weltzeitalter
4.1.1 Das vierte Weltzeitalter und das „Zeitalter der Propheten“
4.1.2 Rückblick und Ausblick: Die erfüllten und die noch ausstehenden Verheißungen
4.1.3 Die Weissagungen im Alten Testament und ihr dreifacher Sinn
4.1.4 Der Lobgesang der Hanna und sein prophetischer Sinn
4.1.5 Die Weissagung, die an den Hohepriester Eli ergeht
4.1.6 Das wahre Hohepriestertum und das wahre Königtum
4.1.7 Die an Saul ergangene Weissagung der Zweiteilung Israels
4.2 David und Salomo als bildhafte Verheißungsträger
4.2.1 Die Geltung der den Davidssohn betreffenden Verheißungen
4.2.2 Die eigentliche Geltung des an David gerichteten Psalms 88
4.3 Die Bedeutung der Psalmen Davids
4.3.1 David als Psalmsänger
4.3.2 Die Weissagungen von Christus und der Kirche in Psalm 44
4.3.3 Die Weissagungen der Psalmen 109 und 21
4.3.4 Die Weissagung des Todes und der Auferstehung Christi in verschiedenen Psalmen
4.3.5 Ps 68 sagt den Unglauben der Juden an Christus voraus
4.4 Die Zeit nach David bis zur Babylonischen Gefangenschaft
4.4.1 Die prophetischen Weissagungen in den Schriften Salomos
4.4.2 Die Reichsteilung unter Rehabeam
4.4.3 Israels Götzendienst und die Sendung von Propheten
4.4.4 Die Sünden des Volkes Israel führen zur Eroberung des Nord- und des Südreiches
4.5 Die Behandlung des vierten Weltzeitalters in ciu. XVIII
4.5.1 Die Geburt Roms und der Untergang des Assyrerreiches
4.5.2 Weissagungen außerhalb Israels innerhalb des vierten Weltzeitalters
4.5.3 Von der Wort- zur Schriftprophetie
4.5.4 Die Weissagungen der ersten Schriftpropheten
4.5.5 Die Weissagungen Obadjas, Nahums und Habakuks
4.5.6 Die Weissagungen Jeremias und Zephanjas vor der Babylonischen Gefangenschaft
4.5.7 Die Propheten, die während der Babylonischen Gefangenschaft auftraten
4.5.8 Das Verhältnis der heidnischen Weisheit zur hebräischen Prophetie
5 Das fünfte Weltzeitalter: Von der Babylonischen Gefangenschaft bis zum Kommen Christi
5.1 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVII
5.2 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVIII
5.2.1 Die Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft und der Zweite Tempel
5.2.2 Esra und die Makkabäerbücher
5.2.3 Zur Entstehung und Eigenart der Septuaginta
5.2.4 Der Verlauf des fünften Weltzeitalters
6 Das sechste Weltzeitalter: Von der Inkarnation Christi bis zur Gegenwart Augustins
6.1 Die Inkarnation und das Wirken Jesu Christi
6.2 Der weitere Verlauf des sechsten Weltzeitalters
6.2.1 Das Schicksal der Juden im sechsten Weltzeitalter
6.2.2 Bürger der ciuitas dei außerhalb Israels
6.2.3 Das Schicksal der Kirche in der noch unerlösten Welt
6.2.4 Diskussion von Theorien, die das Ende des sechsten Weltzeitalters betreffen
Ergebnisse
Anhang
1 Schaubild zur Verteilung der sechs Weltzeitalter (WZA) auf ciu. XV-XVIII und zum jeweiligen biblischen Bezug
2 Schaubild zur inneren heilsgeschichtlichen Dynamik der sechs Weltzeitalter nach ciu. XV-XVIII
Literaturverzeichnis
1 Quellen
1.1 Bibelausgaben und Apostolische Väter
1.2 Augustin
1.2.1 Kritische Editionen
1.2.2 Kommentierte Übersetzungen
1.3 Andere antike Autoren
1.3.1 Kritische Editionen
1.3.2 Kommentierte Übersetzungen
2 Hilfsmittel, Lexika und Wörterbücher
3 Sekundärliteratur
Register
1 Bibelstellenregister
1.1 Altes Testament
1.2 Neues Testament
2 Quellenregister
2.1 Antikes Judentum
2.2 Frühes Christentum
2.3 Augustin
2.4 Andere antike Autoren
3 Namenregister
3.1 Biblische Namen
3.2 Namen aus der Antike
3.3 Moderne Autorinnen und Autoren (in Auswahl)
4 Sachregister
4.1 Begriffe
4.2 Lateinische Begriffe

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Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von

Albrecht Beutel

204

Raphael Zager

Das Geschichtsdenken Augustins Zur Rezeption des Alten Testaments in De ciuitate dei XV-XVIII

Mohr Siebeck

Raphael Zager, geboren 1991 in Alsfeld, Studium der evangelischen Theologie in Mainz, Tübingen und Strasbourg, 2022 Promotion in Tübingen, seit 2021 Vikar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an der Lutherkirche Wiesbaden.

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf. ISBN 978-3-16-162043-0 / eISBN 978-3-16-162486-5 DOI 10.1628/978-3-16-162486-5 ISSN 0340-6741 / eISSN 2568-6569 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­ onalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen in der Bembo gesetzt und auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in ­Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript wurde für den Druck geringfügig überarbeitet. Mit der Publikation geht eine intensive und erfüllende Phase zu Ende, auf die ich mit Dankbarkeit zurückschaue. Ich danke meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Volker Henning Drecoll, der mein Interesse an der Geschichte der Alten Kirche geweckt und mich in meinen ersten Tübinger Semestern als Tutor und studentische Hilfskraft an seinem Lehrstuhl angestellt hat. Aus unseren Gesprächen heraus entwickelte sich die Themenstellung, und ich bin ihm dankbar für die sachkundige, motivierende und verständnisvolle Begleitung und Förderung meines Vorhabens. Schließlich fand ich am Lehrstuhl ein diskussionsfreudiges Forschungsteam vor, und die Sitzungen des Oberseminars trugen zu mancherlei Klärung bei. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Leppin danke ich nicht nur für das Erstellen des Zweitgutachtens, sondern auch für sein stetes Interesse an meiner Arbeit, seine weiterführenden Impulse und die freundliche Aufnahme in sein Forschungskolloquium. Dankbar bin ich für die Gespräche mit Herrn Prof. em. Dr. Bernd Janowski, die mich nicht zuletzt in alttestamentlichen Fragestellungen vorangebracht haben. Wichtige Räume des theologischen Austausches waren für mich auch die Sozietät „Aktuelle Forschungen zum Neuen Testament“, die Jahrestagungen der „Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie“ und des „Bundes für Freies Christentum“ sowie der „Augustinus-Studientag“ in Tübingen. In diesem Zusammenhang danke ich Herrn Prof. Dr. Christof Landmesser, Herrn Prof. Dr. Paul-Gerhard Klumbies und Herrn Prof. Dr. Johannes Brachtendorf. Die Entstehung dieser Arbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die mir durch die Gerda Henkel Stiftung und das Evangelische Studienwerk Villigst e.V. gewährten Promotionsstipendien. Sie eröffneten mir nicht nur die Freiheit, dieses umfangreiche Forschungsvorhaben zu realisieren, sondern ich erfuhr auch stets Inspiration durch die ideelle Förderung sowie persönliche Begleitung. Stellvertretend danke ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Knut Berner.

VIII

Vorwort

Der Gerda Henkel Stiftung, der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau danke ich für die großzügige Gewährung von Druckkostenzuschüssen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. Albrecht Beutel für den freundlichen Austausch und die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Beiträge zur historischen Theologie“. Zudem danke ich Frau Dr. Katharina Gutekunst, Herrn Markus Kirchner, Frau Susanne Mang, Herrn Tobias Stäbler und allen beteiligten Mitarbeitenden des Verlags Mohr Siebeck für die kompetente Betreuung der Publikation. Dankbar bin ich ferner für die Freundschaft und den Austausch mit Max Bohley, Nico Buschmann, Dr. Marion Darilek, Lea Gund, Sonja Hug, David Burkhart Janssen, Dr. Jochen Müller, Dr. Andreas Rössler, Prof. Martin Schmid (†), Dr. Christine Schoen, Isabella Schuler, Jan Vicari, PD Dr. Christian Witt, Prof. Dr. Hans-Georg Wittig und Prof. Dr. Markus Wriedt. Zuletzt danke ich meiner Familie und insbesondere meinen Eltern, Dorothea und Prof. Dr. Werner Zager, die mich in vielerlei Hinsicht unterstützt haben: kontinuierliche fachliche Gespräche, Motivation und Begleitung auch durch schwierige Phasen hindurch und schließlich das Korrekturlesen der Druckvorlage. Die Widmung soll ein Ausdruck meiner tief empfundenen Dankbarkeit sein. Tübingen / Wiesbaden, im Mai 2023

Raphael Zager

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 Gegenstand und methodische Herangehensweise . . . . . . . . . . 1 1.1 Erläuterungen zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Relevanz der Forschungsfrage für das Gesamtverständnis von De ciuitate dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Herangehensweise und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . 7 1.4 Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2 Beiträge der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.1 Heinrich Scholz: Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2 Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen . . . . . . . 29 2.3 Wilhelm Kamlah: Christentum und Geschichtlichkeit . . . . . 33 2.4 Joseph Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.5 Alois Wachtel: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.6 Robert A. Markus: Saeculum. History and society in the theology of St. Augustine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.7 Christof Müller: Geschichtsbewusstsein bei Augustinus . . . . 66 2.8 Augustin und das Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.9 Weitere Forschungsbeiträge zu De ciuitate dei . . . . . . . . . . 74

Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII . . . . . . . . . . . 79 1 Das erste Weltzeitalter: Von Kain und Abel bis zur Sintflut . . . . . 79 1.1 Augustins Behandlung von Kain und Abel vor De ciuitate dei . . 79 1.1.1 Die Deutung von Abel und Kain als Vorverweis auf Christus und die Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

X

Inhaltsverzeichnis

1.1.2 Die ‚ecclesia ab Abel‘ und die weitere Ausdeutung des Kainszeichens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1.1.3 Die Bevorzugung des Jüngeren vor dem Älteren . . . . . . . 90 1.1.4 Die Debatte um die Sündlosigkeit Abels im Horizont des Pelagianischen Streits . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

1.2 Kain und Abel in De ciuitate dei: ‚Archetypen‘ der beiden ciuitates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1.2.1 Charakterisierung von Kain und Abel . . . . . . . . . . . . 97 1.2.2 Paulinische Erwählungsgedanken als Interpretamente von Gen 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1.2.3 Der Konflikt zwischen Romulus und Remus als exemplum . . 103 1.2.4 Die Begründung des Konflikts zwischen Kain und Abel nach Augustin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1.2.5 Die Nachkommen Kains und die Gründung der Stadt Henoch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1.2.6 Die Langlebigkeit der ersten Menschen (ciu. XV 9–14) . . . . 119 1.2.7 Augustins Rezeption der Etymologien zu Kain, Abel, Seth, Henoch und Enosch . . . . . . . . . . . . . . . 123 1.2.8 Wer ist der Vater von Kain, Abel und Seth? . . . . . . . . . 133

1.3 Der weitere Verlauf des ersten Weltzeitalters . . . . . . . . . . 138 1.3.1 Der Beginn der Zeitrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1.3.2 Das Zusammenwachsen der Nachkommen Kains und Seths . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1.3.3 Die Sintflut als Reaktion Gottes auf die Boshaftigkeit der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

2 Das zweite Weltzeitalter: Von Noah bis zur Sprachverwirrung . . . 148 2.1 Die Rezeption der Erzählungen von Noah und seiner Arche . 148 2.1.1 Augustins Argumente für die Historizität der Sintfluterzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2.1.2 Die Arche als Sinnbild für die Kirche . . . . . . . . . . . . 151 2.1.3 Die Arche als Sinnbild für die Rettung im Endgericht . . . . 156

2.2 Der weitere Verlauf des zweiten Weltzeitalters . . . . . . . . . 157 2.2.1 Die Nachkommen Noahs und die Entstehung der Völker der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.2.2 Der prophetische Sinn der Noahsöhne Sem, Ham und Japhet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2.2.3 Der ‚Turmbau zu Babel‘ – ein Ausdruck des Hochmuts . . . . 167 2.2.4 Vertiefende Fragen zur Turmbauerzählung und zur Bevölkerung der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2.2.5 Die Nachkommen Sems bis hin zu Abraham . . . . . . . . . 176 2.2.6 Das Hebräische als die ursprüngliche Sprache der Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2.2.7 Rückblick: Die geschichtliche Dynamik der beiden ersten Weltzeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Inhaltsverzeichnis

XI

3 Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David . . . . . . . . . . 190 3.1 Das Abrahambild Augustins vor dem Hintergrund der frühjüdischen, neutestamentlichen und frühchristlichen Auslegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3.1.1 Abraham im Frühjudentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3.1.2 Abraham im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . 192 3.1.3 Exkurs: Das Phänomen des Typos im Horizont antiken Geschichtsdenkens . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3.1.4 Die Deutung Abrahams durch Irenäus, Tertullian und Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.1.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

3.2 Augustins Rezeption der Abrahamerzählungen in De ciuitate dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3.2.1 Das Haus Tharas und die Übersiedlung von Ur nach Harran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3.2.2 Die Berufung Abrahams und sein Wegzug nach Kanaan . . . 215 3.2.3 Die Verheißungen an Abraham und ihre Bedeutung für die ciuitas dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.2.4 Die beiden Gefährdungen der Ahnfrau Sarah und die Loterzählung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.2.5 Der erste Bundesschluss mit Abraham . . . . . . . . . . . . 230 3.2.6 Hagar, Ismael, der verheißene Isaak und der zweite Bundesschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3.2.7 Der Besuch der drei Männer bei der Eiche Mamre . . . . . . 254 3.2.8 Isaaks Geburt und seine von Gott geforderte Opferung . . . . 258 3.2.9 Kettura und das Lebensende Abrahams . . . . . . . . . . . 267

3.3 Isaak und Jakob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Die Brautwerbung für Isaak . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Die dritte Gefährdung einer Ahnfrau und der Segen an Isaak . 271 Jakob und Esau als Repräsentanten der beiden ciuitates . . . . 272 Jakobs Traum in Bethel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Die vier Frauen Jakobs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Der Gotteskampf am Jabbok und Jakobs neuer Name Israel . . 283 Die Hungersnot und die Übersiedlung des Hauses Jakob nach Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3.3.8 Der Segen Jakobs an seinen Sohn Juda und an die beiden Söhne Josephs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

3.4 Die Zeit von Mose bis David . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 3.4.1 Die formale Besonderheit von ciu. XVI 43 . . . . . . . . . . 295 3.4.2 Zum Inhalt von ciu. XVI 43: Die Zeit von Mose bis David . . 299 3.4.3 Die Parallelisierung von Weltzeitaltern und Lebensaltern in ciu. XVI 43 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 3.4.4 Rückblick: Weitere Beobachtungen zur geschichtlichen Dynamik der Weltzeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

XII

Inhaltsverzeichnis

3.5 Die Behandlung des dritten Weltzeitalters in ciu. XVIII 1–20 . 319 3.5.1 Die Geschichte der ciuitas terrena im dritten Weltzeitalter . . . 319 3.5.2 Erneute und vertiefende Aufnahme alttestamentlicher Erzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

4 Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4.1 Prophetie im Übergang vom dritten zum vierten Weltzeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4.1.1 Das vierte Weltzeitalter und das „Zeitalter der Propheten“ . . 330 4.1.2 Rückblick und Ausblick: Die erfüllten und die noch ausstehenden Verheißungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 4.1.3 Die Weissagungen im Alten Testament und ihr dreifacher Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4.1.4 Der Lobgesang der Hanna und sein prophetischer Sinn . . . . 350 4.1.5 Die Weissagung, die an den Hohepriester Eli ergeht . . . . . 365 4.1.6 Das wahre Hohepriestertum und das wahre Königtum . . . . 372 4.1.7 Die an Saul ergangene Weissagung der Zweiteilung Israels . . 375

4.2 David und Salomo als bildhafte Verheißungsträger . . . . . . . 380 4.2.1 Die Geltung der den Davidssohn betreffenden Verheißungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 4.2.2 Die eigentliche Geltung des an David gerichteten Psalms 88 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

4.3 Die Bedeutung der Psalmen Davids . . . . . . . . . . . . . . 398 David als Psalmsänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Die Weissagungen von Christus und der Kirche in Psalm 44 . 400 Die Weissagungen der Psalmen 109 und 21 . . . . . . . . . 408 Die Weissagung des Todes und der Auferstehung Christi in verschiedenen Psalmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 4.3.5 Ps 68 sagt den Unglauben der Juden an Christus voraus . . . . 413 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

4.4 Die Zeit nach David bis zur Babylonischen Gefangenschaft . . 414 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4

Die prophetischen Weissagungen in den Schriften Salomos . . 414 Die Reichsteilung unter Rehabeam . . . . . . . . . . . . . 420 Israels Götzendienst und die Sendung von Propheten . . . . . 424 Die Sünden des Volkes Israel führen zur Eroberung des Nord- und des Südreiches . . . . . . . . . . . . . . . . 425

4.5 Die Behandlung des vierten Weltzeitalters in ciu. XVIII . . . . 427 4.5.1 Die Geburt Roms und der Untergang des Assyrerreiches . . . 427 4.5.2 Weissagungen außerhalb Israels innerhalb des vierten Weltzeitalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 4.5.3 Von der Wort- zur Schriftprophetie . . . . . . . . . . . . . 435 4.5.4 Die Weissagungen der ersten Schriftpropheten . . . . . . . . 436 4.5.5 Die Weissagungen Obadjas, Nahums und Habakuks . . . . . 440 4.5.6 Die Weissagungen Jeremias und Zephanjas vor der Babylonischen Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . 443

Inhaltsverzeichnis

XIII

4.5.7 Die Propheten, die während der Babylonischen Gefangenschaft auftraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 4.5.8 Das Verhältnis der heidnischen Weisheit zur hebräischen Prophetie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

5 Das fünfte Weltzeitalter: Von der Babylonischen Gefangenschaft bis zum Kommen Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 5.1 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVII . . . . 458 5.2 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVIII . . . . 461 5.2.1 Die Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft und der Zweite Tempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 5.2.2 Esra und die Makkabäerbücher . . . . . . . . . . . . . . . 465 5.2.3 Zur Entstehung und Eigenart der Septuaginta . . . . . . . . 467 5.2.4 Der Verlauf des fünften Weltzeitalters . . . . . . . . . . . . 471

6 Das sechste Weltzeitalter: Von der Inkarnation Christi bis zur Gegenwart Augustins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 6.1 Die Inkarnation und das Wirken Jesu Christi . . . . . . . . . . 476 6.2 Der weitere Verlauf des sechsten Weltzeitalters . . . . . . . . . 480 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

Das Schicksal der Juden im sechsten Weltzeitalter . . . . . . 480 Bürger der ciuitas dei außerhalb Israels . . . . . . . . . . . . 486 Das Schicksal der Kirche in der noch unerlösten Welt . . . . . 488 Diskussion von Theorien, die das Ende des sechsten Weltzeitalters betreffen . . . . . . . . . . . . . . . 493

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 1 Schaubild zur Verteilung der sechs Weltzeitalter (WZA) auf ciu. XV-XVIII und zum jeweiligen biblischen Bezug . . . . . . . . 519 2 Schaubild zur inneren heilsgeschichtlichen Dynamik der sechs Weltzeitalter nach ciu. XV-XVIII . . . . . . . . . . . . . . . 520

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 1 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 1.1 Bibelausgaben und Apostolische Väter . . . . . . . . . . . . . 521 1.2 Augustin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 1.2.1 Kritische Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 1.2.2 Kommentierte Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 526

XIV

Inhaltsverzeichnis

1.3 Andere antike Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 1.3.1 Kritische Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 1.3.2 Kommentierte Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 531

2 Hilfsmittel, Lexika und Wörterbücher . . . . . . . . . . . . . . . 532 3 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1 Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1.1 Altes Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 1.2 Neues Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 2 Quellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.1 Antikes Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.2 Frühes Christentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.3 Augustin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2.4 Andere antike Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 3 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 3.1 Biblische Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 3.2 Namen aus der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 3.3 Moderne Autorinnen und Autoren (in Auswahl) . . . . . . . . 586 4 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 4.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 4.2 Lateinische Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen der Bibelausgaben sowie der Hilfsmittel, Lexika und Wörterbücher richten sich nach Siegfried M. Schwertner, IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/Boston 2014. Gleiches gilt für das Verzeichnis der Sekundärliteratur. Folgende Ausnahmen sind zu beachten: ApV Die Apostolischen Väter BAug Bibliothèque augustinienne CAG 3 Corpus Augustinianum Gissense a Cornelio Mayer editum (CAG 3 = CAG-online) DNG Der Neue Georges GLEW Griechisch-lateinisches etymologisches Wörterbuch LSJO The Online Liddell-Scott-Jones Greek-English Lexicon LXX(S) Septuaginta NTG Novum Testamentum Graece SDEK Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare TLAug Thesaurus Linguae Augustinianae VLD-O Vetus Latina Database VLSabatier Bibliorum sacrorum Latinae versiones antiquae VTG.ASG Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientarum Gottingensis editum WAM Wörterbuch alttestamentlicher Motive Die Abkürzungen der Werke Augustins richten sich nach denjenigen des Augustinus-Lexikons (vgl. AugL 4 [2012–2018], S. XI-XXVI). Die Abkürzungen von Werken anderer antiker Autoren sind, wo es möglich war und sinnvoll erschien, angelehnt an „8.3 Primary Sources: Ancient Texts“ in: The SBL Handbook of Style for Biblical Studies and Related Disciplines, hg. v. Billie Jean Collins u. a., Atlanta 22014, S.  124–171. Auch diese Abkürzungen sind den jeweiligen Editionen im Literaturverzeichnis vorangestellt. Die Abkürzungen der kommentierten Übersetzungen sind im Literaturverzeichnis eigens aufgeschlüsselt. Im Fall von ciu. wird, der Edition CChr.SL 47.48 entsprechend, das betreffende Buch mit römischer Ziffer, das Kapitel mit arabischer Ziffer angegeben. Alle anderen Stellenangaben aus den Werken Augustins folgen der durchgängigen Verwendung von arabischen Ziffern nach CAG 3/AugL; auch die Zeilenangaben richten sich hier nach CAG 3. Die Klein- bzw. Großschreibung innerhalb von Zitaten folgt, teilweise in Abweichung von den hier aufgeführten Editionen, ebenfalls CAG 3. Im vorliegenden Band

XVI

Abkürzungsverzeichnis

werden die von Augustin verwendeten Bibelzitate in dem Wortlaut wiedergegeben, in dem sie in der betreffenden Schrift Augustins begegnen; sie erscheinen kursiv. Sofern nicht anders angegeben, folgen Hervorhebungen innerhalb von Zitaten aus modernen Werken dem jeweils zugrunde liegenden Original.

Einleitung 1  Gegenstand und methodische Herangehensweise 1.1 Erläuterungen zur Begrifflichkeit Der Titel der vorliegenden Untersuchung bedarf in mehrerlei Hinsicht einer Erklärung. Zum einen setzt er die Annahme voraus, dass das Alte Testament einen zentralen Faktor für das Geschichtsdenken Augustins darstellt. Diese Studie soll und kann also nicht das Ziel verfolgen, das Geschichtsdenken Augustins in all seinen Facetten zu analysieren, vielmehr will sie durch ihre Perspektivierung auf das Alte Testament einen Beitrag zu dessen Erhellung leisten. Zum anderen wird mit dem Begriff ‚Geschichtsdenken‘ dem Umstand Rechnung getragen, dass Augustin keine konsistente Geschichtstheorie ausgebildet hat.1 Das Nachdenken Augustins über die Geschichte hat sicherlich seinen stärksten Audsruck in dessen zwischen 413 und 426 entstandenem Werk De ciuitate dei (i.F.: ciu.)2 gefunden. Die Quellengrundlage dieser Untersuchung bilden die Bücher 15–18 des insgesamt 22 Bücher umfassenden Werkes, da diese sich mit der Geschichte der Menschheit im eigentlichen Sinne befassen. Im ersten, widerlegenden Hauptteil seines Werkes (Bücher 1–10) hatte Augustin gegen die (heidnische) Ansicht argumentiert, dass die Verehrung von Göttern für das Wohlergehen im Diesseits (1–5) bzw. im jenseitigen Leben (6–10) notwendig sei. Den zweiten, thetischen Hauptteil von ciu. (Bücher 11–22) unterteilte er in drei Abschnitte: Zwischen dem „Ursprung“ (exortus: 11–14) der beiden ciuitates und ihren „geschuldeten (End-)Zielen“ (debiti fines: 19–22) entfaltet er ihren geschichtlichen „Verlauf “ bzw. „Ablauf “ (procursus bzw. excursus) in den Büchern 15–18.3 Allerdings ist auch die in ciu. XI-XIV bzw. XIX-XXII dargelegte ‚Vor- und Nachgeschichte‘ der beiden ciuitates in erheblicher Weise von Augustins Auseinandersetzung mit dem Alten Testament geprägt, worauf hier allerdings nur sehr begrenzt eingegangen werden kann. 1 

Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  326; Preuss, Säkularität, S.  52 f. Werke Augustins werden nur bei der ersten Nennung im Haupttext ausgeschrieben, die anschließend (und auch in den Fußnoten) verwendeten Abkürzungen richten sich nach denjenigen des AugL (vgl. AugL 4 [2012–2018], S. XI–XXVI). 3 Vgl. ciu. XI 1, S.  321, Z.  27 – S.  322, Z.  35; s. dazu: Oort, De ciuitate dei, S.  351.355. 2 

2

Einleitung

Hatte es sich Augustin ursprünglich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der beiden ciuitates in ciu. parallel darzustellen, so führt er dies tatsächlich nur für die ersten beiden der insgesamt sechs Weltzeitalter durch (ciu. XV 1 – XVI 11). Vom dritten bis zum Ende des fünften Weltzeitalters fokussiert sich Augustin auf die Geschichte der ciuitas dei4 (ciu. XVI 12 – XVII 24), um die in diesem Zeitraum abgelaufenen Ereignisse der ciuitas terrena in den ersten Kapiteln des 18. Buches nachträglich zu ergänzen (ciu. XVIII 1–26). Bei der Darstellung der Geschichte des sechsten Weltzeitalters schließlich werden beide ciuitates wieder parallel behandelt (ciu. XVIII 46–54).

1.2 Relevanz der Forschungsfrage für das Gesamtverständnis von De ciuitate dei Augustins Darstellung des Geschichtsverlaufs ist stark von den Schriften des Alten Testaments bestimmt. Dieser Umstand verwundert nicht, sah Augustin doch die von Gott inspirierte und autorisierte Heilige Schrift als die allen anderen historiographischen Zeugnissen übergeordnete Quelle an. Dennoch handelt es sich nicht um eine bloße Nacherzählung der biblischen Geschichten, vielmehr lassen sich eigene Darstellungsabsichten und Schwerpunktsetzungen des Autors ausmachen. Bereits in der Auswahl der zugrunde gelegten alttestamentlichen Schriften ist eine solche Schwerpunktsetzung zu erkennen. So zeigt Augustin ein auffallendes Interesse am Buch Genesis, ebenso bindet er immer wieder Psalmenauslegungen in seine Geschichtsdarstellung ein.5 4  Die deutsche Übersetzung des Begriffes ciuitas gestaltet sich schwierig. Während in der älteren Literatur vorwiegend der Begriff „Staat“ begegnet, neigt die jüngere Forschung dazu, ciuitas im Deutschen mit „Stadt“ wiederzugeben. Dafür optiert, mit Verweis auf das Polis-Denken und die Übertragung der beiden ciuitates auf die Städte Jerusalem und Babylon, Oort (De ciuitate dei, S.  353 f.; ders., Jerusalem, S.  102–108; s. bereits Lof, Übersetzung, passim). Jedoch scheint es geboten, der Bedeutungsvielfalt von ciuitas in der Weise Rechnung zu tragen, dass bei der Übersetzung auf den jeweiligen Kontext geachtet wird. So ist die Ablehnung der Übersetzung von ciuitas mit „Staat“ zwar gerechtfertigt, allerdings erscheint „Stadt“ nur in in einem Teil der Fälle als angemessene Alternative. Oftmals legt es sich nahe, ciuitas mit „Bürgerschaft“ zu übersetzen (vgl. auch Kamlah, Christentum, S.  155–158; ­Scholz, Glaube, S.  84 f.). Die Äußerungen Augustins zeigen, dass er unter ciuitas ganz grundsätzlich eine Gruppe von Menschen verstanden hat, die zu einer Gemeinschaft verbunden sind: „concors hominum multitudo“ / „hominum multitudo aliquo societatis uinculo conligata“ (ciu. I 15, S.  17, Z.  47 f.; ep.  155,9, S.  439, Z.  20 – S.  4 40, Z.  2; ciu. XV 8, S.  464, Z.  62–67; s. dazu die Äußerungen von O’Meara, Charter, S.  39–41; Schultheiss, Art. Societas, Sp.  497; Preuss, Säkularität, S.  49–51). 5  Aus keiner alttestamentlichen Schrift zitiert Augustin so häufig wie aus dem Buch Genesis und den Psalmen (vgl. Rosen, Augustinus, S.  164). Ein Blick auf das Gesamtwerk Augustins zeigt, dass dieser sich mehrfach vor der Abfassung seines Spätwerkes ciu. intensiv mit dem Buch Genesis (Gn. adu. Man., Gn. litt. inp., conf. [Bücher 11 und 12], Gn. litt.) sowie mit dem Psalter (ps. c. Don., en. Ps.) beschäftigt hat. Hier bietet sich die Möglichkeit, Kontinuitäten und Wandlungen in der augustinischen Rezeption des Alten Testaments zu eruieren. Die Präferenz Augustins für das Buch Genesis, dem in der patristischen Exegese allgemein

1  Gegenstand und methodische Herangehensweise

3

Der Anlass zur Abfassung von ciu. war die Plünderung Roms durch die Westgoten am 24. August 410. Dieses Ereignis stellte eine zweifache Herausforderung für das Christentum dar: Zum einen fühlten sich die Gegner der Christen bestärkt, die die Abwendung der römischen Administration von der traditionellen Götterverehrung und ihre Hinwendung zur christlichen Religion für einen Fehler hielten.6 Ihnen erschien die Plünderung Roms als Straf handlung der vernachlässigten Götter und als ein Erweis der Ohnmacht des christlichen Gottes. Zum anderen wurden viele Christen von dieser Katastrophe tief verunsichert. Hatten sie doch in der Verbindung zwischen der Kirche und dem Römischen Imperium das sich durchsetzende Gottesreich erkennen wollen. Mit seinem Konzept der beiden ciuitates, deren endgültige Scheidung sich erst am Tage des Jüngsten Gerichts vollziehen wird, bot Augustin seinen verunsicherten Mitchristen ein neues Geschichtsverständnis, das die Wahrheit der christlichen Botschaft nicht vom Schicksal eines weltlichen Reiches abhängig machte. Mit dieser Haltung setzte sich Augustin auch von christlichen Autoren ab, die sich durch den als ‚Konstantinische Wende‘ charakterisierten Prozess zu einer positiven Verhältnisbestimmung zwischen weltlicher Herrschaft und christlicher Heilsgeschichte veranlasst gesehen hatten.7 eine große Bedeutung zukommt, lässt sich also bereits in seiner Auseinandersetzung mit den Manichäern feststellen (vgl. Drecoll, Testament, S.  101 f.); der hohe Stellenwert des Psalters ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass seine Rezitation „einen wesentlichen Teil der christlichen Gottesdienstliturgie bildete“ und er so gerade auch unter Laien als „das in der Alten Kirche bekannteste […] Buch des Alten Testaments“ zu gelten hat (Brennecke, Kirche, S.  31 f.). Auch unter den Manichäern, denen der junge Augustin als auditor angehört hat, war eine Psalmenfrömmigkeit ausgeprägt (vgl. u. a. conf. 3,14; s. dazu Drecoll/Kudella, Augustin, S.  42 f. mit Anm.  72; S.  66). Schließlich hat das besondere Gewicht, das Ambrosius von Mailand dem Psalmengesang und auch der (allegorischen) Auslegung des Psalters beimaß, Augustin nachhaltig beeinflusst (vgl. Gillingham, Psalms, S.  37 f.; Zerfass, Art. Psalmi, Sp.  979–981). 6  Mit der Schutzfunktion der römischen Gottheiten im Zusammenhang mit ciu. befasst sich u. a. Cu’aru, Event, S.  138–142. 7  Zu denken ist hier in erster Linie an die gegenüber dem Imperium Romanum positiv eingestellte Theologie des Eusebius von Caesarea, die in der älteren Forschung oftmals als ‚eusebianische Reichstheologie‘ bezeichnet wurde. Zur kritischen Auseinandersetzung Augustins mit dieser Haltung Eusebs vgl. u. a. Rohls, Geschichte, S.  161–163; vgl. auch das Kapitel „Augustins Absage an die eusebianische Reichstheologie“ bei Kamlah, Christentum, S.  175–183. Theodor E. Mommsen vertritt die These, dass Augustins Ablehnung dieser geschichtstheologischen Position, die Mommsen als „christian idea of progress“ bezeichnet, wesentlich mit dem Goteneinfall in Rom 410 zusammenhängt und dieser somit einen entscheidenden Anstoß zum Verfassen von ciu. gegeben habe (vgl. Mommsen, Idea, S.  369 f.). Jedoch ist vor dem Hintergrund jüngerer Forschungsergebnisse der vormals gerne gezeichnete Kontrast zwischen einer ‚Reichstheologie‘ Eusebs und einer geradezu apolitischen Theologie Augustins in zweierlei Hinsicht zu hinterfragen: Im Hinblick auf Euseb zeigen dessen Äußerungen zum römischen Kaisertum keineswegs eine uneingeschränkte Loyalität und eine blinde Verehrung des Kaisers durch den christlichen Theologen. Zwar versteht Euseb den römischen Kaiser als Abbild des göttlichen Herrschers „in Nachahmung des Logos-Christus“ (Wallace-Hadrill, Art. Eusebius, S.  541). Aber dieses Verhältnis ist nicht

4

Einleitung

Dass die Geschichte der Menschen, präziser: eines Volkes 8 bzw. eines weltlichen Reiches, durch den (Heils-) Willen der Götter bestimmt wird und das Ergehen der Menschen von ihrem Wohlverhalten abhängig ist, war nicht nur eine im Römischen Reich verbreitete Vorstellung. Auch das Selbstverständnis Israels und die Geschichtstheologie vieler alttestamentlicher Schriften sind von solchem Denken bestimmt.9 Augustins Konzept der beiden völkerübergreifend existierenden ciuitates, die in der Weltzeit vermischt sind und gleichermaßen von Übeln betroffen werden,10 schließt nicht nur eine exklusive Zuwendung Gottes an ein irdisches Volk aus. Es spricht auch vieles dafür, dass Augustin einen innerweltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang abgelehnt hat.11 Somit einfach gesetzt, vielmehr kann der Kaiser seiner Funktion als Repräsentant der göttlichen Herrschaft auch nicht gerecht werden. Aus Eusebs Äußerungen über Kaiser Konstantin (maßgeblich sind hier seine Schriften De laudibus Constantini und De uita Constantini) lassen sich Ideale eines christlichen Herrschers ableiten, die ein Regent auch verfehlen kann (vgl. dazu Singh, Theologian, S.  129 f.150–154; Schneider, Einleitung, S.  20–26.29–41). Dies wiederum berechtigt einen Theologen entsprechend zur Kritik. Im Hinblick auf Augustin hat u. a. Robert Austin Markus nachgewiesen, dass es diesem phasenweise möglich war, das römische Kaisertum mit der Herrschaft Christi auf Erden zu verbinden. Markus spricht für die Jahre vor der Abfassung von ciu. gar von einer „post-Theodosian euphoria“ bei Augustin (vgl. Markus, Saeculum, S.  29; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.6). Und selbst nach 410 ist die Haltung Augustins zum römischen Kaisertum wie auch dem Imperium an sich nicht als durchgängig negativ, sondern als ambivalent zu beurteilen (vgl. auch Preuss, Säkularität, S.  61–66). Greg Forster verortet Augustins Haltung zwischen Eusebs Position und dem Donatismus, der die Kirche als eine Gegengesellschaft zur römischen verstand (vgl. Forster, Rome, S.  100–108). 8  Dass der Begriff des ‚Volkes‘ im Hinblick auf die Spätantike nicht einer gewissen Problematik entbehrt, wurde in jüngster Zeit insbesondere von Mischa Meier verdeutlicht (vgl. Meier, Geschichte, S.  99–116). Dennoch scheint es vor dem Hintergrund der häufigen Verwendung des Begriffes populus durch Augustin gerechtfertigt, von ‚Volk‘ oder ‚Völkern‘ zu sprechen. Dabei sollte allerdings auf den spezifisch christlichen Bedeutungsgehalt von populus (etwa im Gegenüber zum Gebrauch dieses Begriffes bei den Römern oder im antiken Judentum) geachtet werden (vgl. dazu Hübner, Art. Populus, Sp.  790). 9  Zu denken ist hier u. a. an die deuteronomistische Darstellung des Exodus, der Landnahme, der Richter- und Königszeit. 10 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  91–94. Jürgen Habermas schreibt: Der „Auflösung der alten Fronten zwischen dem Volk Israel und seiner heidnischen Umgebung trägt nun die Interpenetration von Gottesstaat und Weltstaat Rechnung“ (Habermas, Geschichte, S.  612). 11  Otfried Höffe hebt die Ablehnung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs v. a. mit Verweis auf ciu. XX 2 hervor, wo Augustin feststellt, dass es Menschen nicht möglich ist zu begreifen, warum viele gute Menschen arm sind, während es auch böse gibt, die reich sind. Die Mehrzahl der „Gottesgerichte“ (iudicia dei) bleiben auch dem Glaubenden vor seinem Eintreten in die Seligkeit verborgen (vgl. Höffe, Positivismus, S.  270). Ähnlich äußert sich Christoph Horn, der in diesem Zusammenhang u. a. auf ciu. I 8–10 verweist, wo „das Glück des Ungerechten und das Unglück des Gerechten vom Schema Belohnung und Strafe abgelöst“ werden (Horn, Geschichtsdarstellung, S.  188 f.). Therese Fuhrer zufolge ist die Ablehnung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs bei Augustin auch vor dem Hintergrund seiner Gnadenlehre zu sehen, nach der der Mensch die „göttliche Gunst beziehungsweise Gnade“ eben nicht verdienen kann (Fuhrer, Augustinus, S.  137). Anders urteilt hier Johannes Brachtendorf, der davon ausgeht, dass Augustin nicht den Tun-Ergehen-Zusammenhang, sondern lediglich

1  Gegenstand und methodische Herangehensweise

5

wendet er sich sowohl explizit gegen das Selbstverständnis des Römischen Reiches als auch implizit gegen Kernelemente alttestamentlichen Geschichtsdenkens. Zugleich ist aber das Alte Testament für Augustin selbstverständlicher Teil der heiligen Schriften, und als solcher von Gott inspiriert und dadurch wahr. Hier zeigt sich nun die Brisanz der Forschungsfrage: Zwischen der Geschichtsvorstellung Augustins und derjenigen weiter Teile des Alten Testaments sind erhebliche Spannungen zu erwarten. Da Augustin zum einen von der aus heutiger, historisch-kritischer Sicht fragwürdigen Annahme ausgeht, dass die biblischen Schriften inhaltlich einhellig sind,12 und ihm zum anderen eine Sachkritik an biblischen Texten weitgehend fremd ist, dürften gewisse Inkonsequenzen innerhalb seiner Geschichtsdarstellung unvermeidlich sein. Vor allem Gerhard von Rad und die ihm folgende alttestamentliche Forschungsrichtung hatten die heilsgeschichtliche Verwurzelung als zentrales Element alttestamentlichen Glaubens hervorgehoben.13 Doch welchen Stellenwert hat die Geschichte des Volkes Israel im Denken Augustins? Wie geht er mit den Verheißungen um, die an die Erzeltern, an Mose oder später an die Könige ergehen, die offensichtlich auf eine Erfüllung innerhalb der irdischen Geschichte des erwählten Gottesvolkes abzielen? Neben den zu erwartenden Spannungen gilt es ebenso wahrzunehmen, dass Augustin wesentliche Aspekte seiner Geschichtsdarstellung dem Alten Testadessen Einsehbarkeit für den Menschen geleugnet habe (vgl. Brachtendorf, Art. De civitate dei, S.  146). 12  Vgl. u. a. ciu. XVIII 41, S.  636, Z.  15–17. 13  Gerhard von Rad schreibt im 1957 erschienenen ersten Band seiner „Theologie des Alten Testaments“: „Sie [sc. die alttestamentlichen Zeugnisse] beschränken sich darauf, das Verhältnis Jahwes zu Israel und zur Welt eigentlich nur in einer Hinsicht darzustellen, nämlich als ein fortgesetztes göttliches Wirken in der Geschichte. Damit ist gesagt, daß der Glaube Israels grundsätzlich geschichtstheologisch fundiert ist.“ (Rad, Theologie 1, S.  118; vgl. auch ders., Auslegung, S.  23: „Das A[lte] T[estament] ist ein Geschichtsbuch“; s. dazu Blum, Historiographie, S.  31–33) Welche Bedeutung diese fundamentale Einsicht für den christlichen Glauben hat, hatte Rudolf Bultmann bereits im Jahr 1948 formuliert: „Denn es ist das Eigentümliche der christlichen Theologie, daß in ihr die Rede ist vom Handeln Gottes in der Geschichte, von der Heilsgeschichte, und eben dieses ist ein und vielleicht das bedeutsamste Erbe der alttestamentlich-jüdischen Tradition.“ (Bultmann, Bedeutung, S.  240) Nicht nur die alttestamentliche Forschung, sondern die Theologie in der Breite ihres Fächerkanons widmete sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv dem Thema der Heilsgeschichte, wofür die 1961 von Wolf hart Pannenberg herausgegebene Programmschrift ‚Offenbarung als Geschichte‘ Zeugnis gibt. Auch in neueren Entwürfen einer ‚Theologie des Alten Testaments‘ wird der Einsicht von Rads, dass „das Thema der Geschichte zum historischen Nukleus des Alten Testaments gehört“ (Schmid, Theologie, S.  39), ungeachtet einiger berechtigter Kritik an von Rads methodischer Herangehensweise (vgl. a. a. O., S.  4 0–42) sowie an dessen Annahme einer bis auf die Frühzeit zurückgehenden „heilsgeschichtliche[n] Prägung der Religion Israels“ (vgl. a. a. O., S.  288–290), weiterhin Rechnung getragen, insofern das Thema der Geschichte zu den wesentlichen Themen alttestamentlicher Theologie(n) gezählt wird (vgl. a. a. O., S.  291– 307; s. auch Jeremias, Theologie, S.  65.140–146.189 f.327–331).

6

Einleitung

ment verdankt. So assoziiert er immer wieder die ciuitas dei mit der Stadt Jerusalem, während die Stadt Babylon sinnbildlich für die ciuitas terrena steht. Sein Konzept der beiden ciuitates begründet er in erster Linie mit entsprechenden Psalmversen.14 Der zur Charakterisierung der auf Erden existierenden ciuitas dei verwendete Begriff der „Pilgerschaft“ (peregrinatio) findet sich archetypisch im alttestamentlichen Motiv des ‚wandernden Gottesvolkes‘ angelegt.15 Weiter ist zu bedenken, dass Augustin, ähnlich wie das Alte Testament selbst, durch Etymologien in den Namen der Erzeltern spätere Begebenheiten prophetisch vorweggenommen sieht. Freilich ist Augustin dabei von der bereits erfolgten christlichen Rezeption dieser Etymologien beeinflusst, insbesondere durch Paulus. Auch stellt sich die Frage, ob Augustin mit seiner Vorstellung der „pilgernden Bürgerschaft Gottes“ (ciuitas dei peregrinans), die erst am Ende der Zeiten ihre Erfüllung im himmlischen Jerusalem findet, eine Hoffnung aufnimmt, die den durch die Einsicht in die menschliche Unzulänglichkeit und die Erfahrung der Gottesferne im Babylonischen Exil gereiften, späteren theologischen Ansätzen des Alten Testaments und des Frühjudentums nahesteht. Einen aktuellen Anlass zur Beschäftigung mit der christlichen Auslegungsgeschichte des Alten Testaments stellt nicht zuletzt der Berliner Streit um den Stellenwert des Alten Testaments für die christliche Theologie und Kirche dar. In einem 2013 publizierten Aufsatz vertritt Notger Slenczka in etwas abgeschwächter Weise die These Adolf von Harnacks, dass das Alte Testament „eine kanonische Geltung in der Kirche nicht haben sollte“.16 Wie bereits von Harnack setzt Slenczka dabei einen vom historisch-kritischen Denken geprägten Begriff von Kanonizität voraus, wonach sich eine christlich-kanonische „Aneignung eines Textes [sc. des Alten Testaments]“ ausschließt, „dessen ursprünglicher, historisch feststellbarer Sinn für die ihn kanonisierende Trägergemeinde in keiner Weise als Zeugnis für Christus bzw. den Glauben der Gemeinde an ihn verstanden werden kann“ – spreche doch das Alte Testament „zu anderen 14  Darüber hinaus werden innerhalb der Forschung bei der Erhellung der Traditionsgeschichte des ciuitates-Konzepts neben manichäischen Hintergründen auch judenchristliche Vorstellungen herangezogen (s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.1 mit Anm.  34; ausführlich zur Traditionsgeschichte des ciuitates-Konzepts vgl. Duchrow, Christenheit, S.  181–319). In seiner wenig beachteten Studie zu Augustins apologetischem Gebrauch des Alten Testaments in ciu. kommt John A. Laoye zu dem durchaus zutreffenden Ergebnis: „He [sc. Augustin] used the Old Testament, in particular, to buttress his arguments and to lend biblical support to some of the basic doctrines he discussed in the City of God. […] The Old Testament formed one of the basic ingredients with which he developed his views on the foundation, progress and the ultimate goal of the City of God and the earthly city.“ (Laoye, Apologetic use, S.  144) Auch Nikolaus Staubach kommt zu dem Ergebnis: „Von den Quellen und Einflüssen, die Augustinus zu seinem Modell der beiden ciuitates angeregt haben mögen, ist das Nächstliegende und Offenkundigste bislang am wenigsten beachtet worden: die bibelhermeneutische Tradition der spirituellen Sion-Jerusalem-Deutung.“ (Staubach, Quattuor, S.  352) 15 Vgl. Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  366. 16  Slenczka, Die Kirche, S.  83; vgl. S.  89–95.

1  Gegenstand und methodische Herangehensweise

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von einem anderen Gott“.17 Da das Alte Testament aufgrund seiner erheblichen theologischen Differenzen zum Neuen Testament nicht zum „Wesen des Christentums“ gezählt werden könne, sei es in der Christentumsgeschichte zu einer zunehmenden „Entfremdung“ vom Alten Testament gekommen, die im Sinne einer progressiv gedachten „religionsgeschichtlichen Entwicklung“ den Ausschluss des Alten Testaments aus dem christlichen Kanon zur notwendigen Konsequenz hat.18 Slenczka hat eine wichtige Debatte (neu) angestoßen, sowohl was die Notwendigkeit der Aktualisierung eines Kanonbegriffs angeht, der den Einsichten der historischen Kritik gerecht wird, als auch im Hinblick auf die Problematik der christlichen Vereinnahmung des Alten Testaments. Die These eines religionsgeschichtlichen Ablösungsprozesses des Christentums vom Alten Testament jedoch ist nicht nur theologisch fragwürdig, sondern auch historisch nicht haltbar. Die grundlegende Bedeutung, die viele christliche Theologen der ersten Jahrhunderte – von den Autoren der neutestamentlichen Schriften an – dem Alten Testament beimaßen und dessen Kanonizität dabei selbstverständlich voraussetzten, lässt den geforderten Ausschluss desselben aus dem Kanon durch eine Glaubensgemeinschaft, die sich wiederum in erster Linie auf diese frühchristlichen Zeugnisse und Traditionen stützt, problematisch erscheinen. Auch die Rezeption des Alten Testaments durch Augustin legt keineswegs den Schluss nahe, dass das Alte Testament lediglich die „Vorgeschichte“ darstelle, deren sich das Christentum innerhalb seiner „Entwicklung“ zu entledigen habe.19 Nicht nur das Neue Testament, auch die gesamte christliche Theologiegeschichte wäre ohne ihre alttestamentlichen Kontexte nicht verständlich.20

1.3 Herangehensweise und Ziel der Untersuchung Zunächst sollen durch einen forschungsgeschichtlichen Überblick Einsichten in die Schwerpunkte der Diskussion über das Geschichtsverständnis Augustins gewonnen werden. Daran schließt sich eine Quellenuntersuchung zu ciu. XV-­ XVIII an, um auf deren Grundlage die Frage beantworten zu können, in welcher Weise das Geschichtsdenken Augustins vom Alten Testament bestimmt worden ist. In abschließenden Thesen sollen diese sich aus der Quelle ergebenden Einsichten gebündelt und mit den Ergebnissen der bisherigen Forschung in ein Verhältnis gesetzt werden. 17 

A.a.O., S.  111. A.a.O., S.  92.119. 19  Vgl. a. a. O., S.  93. 20  Volker Henning Drecoll schreibt dazu: „Und so entpuppt sich die Frage nach der Geltung des Alten Testaments letztlich als die Frage nach der Bedeutung des Historischen für die christliche Theologie. […] Somit beantwortet der Blick auf die Alte Kirche die Frage, ob man an dem historischen Referenzrahmen der Septuaginta für die Deutung des Christusgeschehens vorbeigehen kann, eindeutig – mit Nein.“ (Drecoll, Testament, S.  110; vgl. a. a. O., S.  93–98.108–110) 18 

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Einleitung

Näherhin soll der quellenbasierte Hauptteil dieses Bandes untersuchen, auf welche Weise Augustin die alttestamentlichen Erzählungen in seine eigene, in ciu. entfaltete Geschichtsdarstellung integriert und wie er mit den Diskrepanzen, die zu seinem eigenen Geschichtsdenken bestehen, hermeneutisch umgeht. Außerdem soll gezeigt werden, welche alttestamentlichen Erzählungen und Motive für Augustin von besonderem Interesse sind, und welche eher randständig bleiben. Die Schrift ciu. bietet sich dafür besonders an, weil der Autor sich hier im Unterschied zu einer Vielzahl seiner Werke nicht auf eine einzelne bi­ blische Schrift konzentriert. Da er es sich nämlich zur Aufgabe gemacht hat, die gesamte Menschheitsgeschichte zu behandeln, muss er sich notwendig auch mit denjenigen Büchern des Alten Testaments befassen, denen er zuvor wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte.21 Ferner soll Augustins Rezeption des Alten Testaments, wo dies möglich ist und sinnvoll erscheint, mit seinen Aussagen in früheren Werken verglichen werden. Lassen sich bei diesen Vergleichen Wandlungen feststellen, resultiert daraus die Frage, ob diese sich biographisch, theologisch oder gesellschaftlich-politisch erklären lassen. Dabei gilt es wahrzunehmen, in welche christliche Auslegungstraditionen sich Augustin jeweils stellt, welche Interpretationen er neben der eigenen als ebenfalls möglich ansieht und welche er dezidiert ablehnt. Oftmals lassen sich in den Argumentationen Augustins (auch wenn ciu. XV-XVIII nicht vorrangig apologetisch ausgerichtet ist) Spuren seiner theologischen Auseinandersetzung mit häretischen Gruppierungen erkennen. Zu denken ist hier etwa an den Pelagianischen Streit, der zur Abfassungszeit von ciu. XV-XVIII schwelte und auf dessen Bedeutung für den Abfassungszweck von ciu. gerade in jüngerer Zeit hingewiesen wurde.22 Ferner ist die Beschäftigung Augustins mit dem Alten Testament immer auch von seiner Auseinandersetzung mit dem Manichäismus geprägt. Einige Vertreter dieser von der Großkirche als häretisch angesehenen synkretistischen Bewegung, der Augustin selbst als „Hörer“ (auditor) in jungen Jahren angehört hatte, hatten spezifische, 21  Das gilt beispielsweise für die vier libri regnorum (1/2 Sam; 1/2Kön), die im Gesamtwerk Augustins vergleichsweise wenig vertreten sind und, nach dem Urteil Anne-Marie la Bon­ nardières, in den Büchern ciu. XVII-XVIII den Höhepunkt ihrer Rezeption bei Augustin erfahren (vgl. Bonnardière, Les livres, S.  337; vgl. dazu die ihrem Urteil zugrunde liegende minutiöse Auflistung auf S.  340–360). 22 Vgl. Drecoll, Pelagius, S.  367 f.; ders., Art. Pelagius, Sp.  6 61. Dass bei der Auseinandersetzung des späten Augustin mit dem Alten Testament (und dessen Verhältnis zum Neuen Testament) neben dem antimanichäischen inbesondere auch der antipelagianische Kontext von großer Bedeutung ist, verdeutlicht auch Descotes, La notion, S.  168 f. Anthony Dupont kommt bei seiner Analyse zur Thematisierung der menschlichen Sterblichkeit in den Büchern ciu. XIV und XXII zu dem Ergebnis, dass die Ausführungen Augustins über den adamitischen corpus mortis gar nicht ohne ihren antipelagianischen Kontext zu verstehen sind (Dupont, Context, S.  23).

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ihren manichäischen Mythos23 stützende Auffassungen vom Alten Testament und werteten dessen Bedeutung gegenüber dem Neuen Testament tendenziell ab.24 Von beidem distanzierte sich Augustin als Christ zwar vehement, doch wird in der Forschung auch immer wieder auf die bleibenden Einflüsse manichäischen Denkens auf Augustin verwiesen,25 deren präziser Nachweis aber häufig schwerfällt. Ebenso ist der Donatismus, der für Augustin nicht nur eine theologische, sondern auch eine kirchenpolitisch große Herausforderung darstellte – gerade in Nordafrika war diese Gruppierung stark vertreten und konkurrierte mit der Großkirche –, als Gegenposition einiger (hauptsächlich ek­ klesiologischer) Argumentationsgänge in ciu. vorauszusetzen. Eine weitere Frontstellung, die insbesondere in den ersten zehn Büchern von ciu. ihren Niederschlag gefunden hat, die sich aber durchaus auch in ciu. XI-XXII zeigt, stellt Augustins Auseinandersetzung mit paganer Religion (vorwiegend in ihrer römischen Ausprägung) dar.26 An zwei prominenten alttestamentlichen Erzählungen soll die historische Kontextualisierung der Deutung Augustins in ciu. exemplarisch vertieft werden. Zum einen werden seine Auslegungen zu Kain und Abel vor der Abfassung von ciu. in den Blick genommen,27 zum anderen soll sein Abrahambild mit der vorausgegangenen frühjüdischen, neutestamentlichen und frühchristlichen 23  S.

einführend zum manichäischen Mythos: Böhlig, Art. Manichäismus, S.  31–33; auf die Problematik der Rekonstruktion des ‚einen‘ manichäischen Mythos verweisen Drecoll/ Kudella, Augustin, S.  15–33. 24  So erkannten viele Manichäer, ausgehend von einer dualistischen Weltsicht, im Gott des Alten Testaments den ‚Fürsten der Finsternis‘, den sie vom guten Gott des Neuen Testaments unterschieden. Abgesehen davon waren sie der Ansicht, dass das Alte Testament auf der historischen Ebene vielfach Absurditäten enthalte, die nicht durch eine figürliche Interpretation beseitigt werden dürften (vgl. dazu Landmesser/Koch, Ambiguität, S.  220). Durch die jüngere Forschung wurde allerdings die lange vorherrschende Annahme einer vollständigen Ablehnung des Alten Testaments durch die Manichäer relativiert. So kann etwa Evgenia Moiseeva an c. Fel. 1,17 zeigen, dass der Manichäer Felix in seiner Auseinandersetzung mit Augustin das Buch Genesis zur Verteidigung der Lehren Manis nutzte (vgl. Moiseeva, Genesis, S.  209). Auch ein entsprechender Gebrauch alttestamentlicher Zitate innerhalb des manichäischen Schrifttums lässt erkennen, dass alttestamentliche Texte, insbesondere das Buch Genesis, eine wichtige Referenz für den Manichäismus darstellen können (vgl. a. a. O., S.  199). In seiner im Jahr 1947 verfassten und erst vor wenigen Jahren publizierten Dissertation zur Biblia Manichaica bietet Alexander Böhlig einen Exkurs zu den „Beziehungen zwischen dem manichäischen und dem alttestamentlichen Psalter“. Bereits hier bricht sich eine neue Einsicht zum Einfluss des Alten Testaments auf den Manichäismus Bahn: „Auch die Manichäer standen ihm [sc. dem Alten Testament] unfreundlich gegenüber. Um so merkwürdiger erscheint es, wenn nicht nur Verwandtschaft zum Psalter, sondern direkte Zitate in manichäischen Hymnen auftauchen.“ (vgl. Böhlig, Bibel, S.  111) 25  Dieser Frage widmen sich u. a. Drecoll/Kudella, Augustin, S.   207–221; vgl. auch mit weiterführenden Literaturverweisen Drecoll, Art. Manichaei, Sp.  1152–1155. 26  Auf die Bedeutung dieser Frontstellung hat u. a. Joseph Ratzinger hingewiesen; vgl. Ratzinger, Volk, S.  195 f. 27  S. Abschnitt 1.1.

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Einleitung

Rezeption dieser Patriarchengestalt in ein Verhältnis gesetzt werden.28 Das erste Beispiel dient also dazu, aufzuzeigen, auf welche Weise sich Augustins Auslegung einer bestimmten alttestamentlichen Erzählung wandeln kann, im zweiten Beispiel soll herausgearbeitet werden, wie selbstständig der Zugriff Augustins auf das Alte Testament gegenüber der vorherigen Rezeption ist bzw. an welche Deutungstraditionen er sich anschließt. Hauptaugenmerk der Untersuchung wird allerdings auf der Rezeption alttestamentlicher Erzählungen und Motive und ihrer Relevanz für die Geschichtsdarstellung innerhalb von ciu. liegen. Unter einem alttestamentlichen Motiv werden hier charakteristische Denkstrukturen innerhalb eines alttestamentlichen Erzählzusammenhangs verstanden. Solche Motive sind etwa der ‚Tun-Ergehen-Zusammenhang‘, das Schema ‚Verheißung und Erfüllung‘ oder die Vorstellung, dass eine bestimmte Figur in einer Erzählung archetypisch für das Volk steht, das von ihr abstammen soll. Diese Motive erhalten bei frühjüdischen und christlichen Autoren – zumeist unter Anwendung allegorischer Auslegung – neue Deutungen. Dabei stehen diese neuen Deutungen häufig in einer Kontinuität zu den Deutungen, die ihnen bereits innerhalb der biblischen Schriften zukommen, weshalb hier von Transformationen gesprochen werden kann. So deutet Augustin beispielsweise zu Beginn des Buches 15 die Söhne Adams Kain, Abel und Seth in spezifischer Weise um. Werden Kain und Seth in der Bibel als Urväter von aus ihrer Nachkommenschaft hervorgehenden Völkern dargestellt, versteht Augustin sie als Archetypen der beiden ciuitates und ordnet sie so in sein Geschichtskonzept ein.

1.4 Methodische Vorüberlegungen Kirchenhistorisches Arbeiten ist idealerweise der Quellennähe und der Ergebnisoffenheit verpflichtet, weshalb ein Herantragen zuvor gefasster Hypothesen, die man dann an der Quelle ‚beweisen‘ möchte, kritisch zu sehen ist. Nichtsdestotrotz kommt keine Interpretation ohne ein gewisses Maß an Hypothesen aus. So liegt dieser Untersuchung die Hypothese zugrunde, dass alttestamentliche Motive eine entscheidende Bedeutung für Augustins Geschichtsdenken haben.29 Ob und gegebenenfalls in welcher Hinsicht sich diese Hypothese bewährt, wird die Studie zu zeigen haben. 28 

S. Abschnitt 3.1. Diese Hypothese basiert nicht nur auf eigener Quellenkenntnis, sondern auch auf Einsichten der Augustinus-Forschung. So formuliert etwa John O’Meara unter Bezugnahme auf ciu. XI 1, S.  321, Z.  1–5 und XX 1, S.  699, Z.  1–3: „Augustine’s first and final evidence on any point in the City of God is the declaration of the Scriptures […]. In his view the authority of Scripture is the most exalted, and is preeminent over everthing else whatsoever […]. This is not an idle declaration; with it corresponds Augustine’s practice. The whole approach of the book is from the viewpoint of the Scriptures, and the matter of the larger second part [sc. ciu. 29 

1  Gegenstand und methodische Herangehensweise

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Die Fragestellung ist methodisch einzuordnen in den Bereich der Auslegungsgeschichte der Bibel, die im Kontext der theologischen Disziplinen eine interdisziplinäre Schnittmenge zwischen den exegetischen Wissenschaften und der Kirchen- und Theologiegeschichte bildet. Da Augustin nicht zuletzt aufgrund des umfangreichen alttestamentlichen Schrifttums bei seiner eigenen Darstellung der biblischen Zeit Kürzungen vornehmen muss, werden inhaltliche Schwerpunkte in seiner Rezeption des Alten Testaments erkennbar. Dem großen Umfang des untersuchten Quellenabschnittes (insgesamt 148 Kapitel) ist es geschuldet, dass nicht jedem Gedanken und jeder Einzelinterpretation Augustins in gleicher Gründlichkeit nachgegangen werden kann. Auch können die Hintergründe, etwa die Augustins Betrachtungen vorausgehenden Darstellungen früherer antiker Autoren (sowohl aus dem paganen wie auch aus dem frühjüdischen und dem frühchristlichen Bereich), immer nur in exemplarischer Weise berücksichtigt und diskutiert werden. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine vornehmlich an theologischen und auslegungsgeschichtlichen Fragestellungen orientierte Darstellung handelt, werden philologische Fragestellungen nur in Einzelfällen eine Rolle spielen können. Als Textbasis von ciu. dient die Edition von Bernhard Dombart und Alfons Kalb (CChr.SL 47.48) aus dem Jahr 1955, die bisher noch durch keine neuere kritische Edition überholt wurde.30 Weil einem spätantiken Autor wie Augustin keine Kenntnisse unterstellt werden dürfen, die von einem historisch-kritisch arbeitenden Exegeten zu erwarten sind, werden sich die exegetischen Bezüge auf das beschränken müssen, was aus dem narrativen Zusammenhang des biblischen Endtextes ersichtlich ist – und zwar in der Textgestalt, wie sie Augustin vermutlich vorgelegen hat. Wesentlich ist auch, sich im Klaren darüber zu sein, welche exegetische Methodik und biblische Hermeneutik Augustin bei seinen Interpretationen anwendet. Unter methodischen Gesichtspunkten verfolgt diese vergleichende Analyse die Anliegen der Tendenzkritik. Es geht dabei also um die Beantwortung der Frage, welche Darstellungsabsicht Augustin mit seiner Rezeption des Alten Testaments innerhalb von ciu. verbindet. Aufgrund der enormen Fülle der Bibelzitate, die Augustin in ciu. XV-XVIII anführt, wird die im Einzelfall aufwendige Rekonstruktion, welche biblische Textgrundlage ihm jeweils vorgelegen haben mag, in den meisten Fällen unterXI-XXII] is, in addition, taken from the Bible.“ (O’Meara, Charter, S.  35; s. auch Obersteiner, Geschichtstheologie, S.  314) 30  Die Wahrnehmung der von dieser Edition abweichenden Lesarten wird sich in engen Grenzen halten müssen und nur dort stattfinden, wo sie der Entscheidung der Editoren von CChr.SL 47.48 vorzuziehen sind, eine Änderung des Textsinns darstellen und für die jeweilige Fragestellung von Relevanz sind. Die in diesem Band angeführten Übersetzungen habe ich selbst angefertigt, wobei ich – im Hinblick auf ciu. – die entsprechenden Arbeiten von Wilhelm Thimme (BAW [ciu.]), Gustave Combès (BAug 36) und Alfred Schröder (BKV [ciu.]) konsultiert habe.

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bleiben müssen.31 Die Beantwortung dieser Frage gestaltet sich nämlich komplex, nicht zuletzt eingedenk der Tatsache, dass Augustin wohl häufig aus dem Gedächtnis zitierte. So nutzte er verschiedene Versionen der Vetus Latina und zog zu deren Korrektur des Öfteren die Septuaginta heran, die er als autoritativen Referenztext ansah.32 Zudem hatte er zur Entstehungszeit von ciu. XV-­ XVIII schon partiellen Einblick in das Projekt des Hieronymus, eine lateinische Übersetzung des hebräischen Bibeltextes anzufertigen. Gerade auch in dem hier zu behandelnden Quellenabschnitt werden die Differenzen von Hebräischer Bibel und Septuaginta an einigen Stellen thematisiert, die für Augustin nicht nur ein philologisches, sondern auch ein theologisches Problem darstellten. Schließlich sei noch auf die Problematik der Auffassung Augustins von einem mehrfachen Sinn der Heiligen Schrift hingewiesen. Es fällt nämlich auf, dass Augustin in einigen Werken eine zum Teil sehr ausdifferenzierte Methodik und Terminologie entwickelt hat, wie die unterschiedlichen Schriftsinne zu verstehen und anzuwenden sind.33 Dabei gilt es aber zu bedenken, dass die in einem bestimmten Werk Augustins entfaltete Methodik nicht einfach auf andere Schriften übertragen werden kann, eingedenk der Tatsache, dass die Schriftauslegung Augustins im Laufe seines Lebens Wandlungen erfahren hat. Auch auf die variierenden Entstehungssituationen, Adressaten und Gattungen ist hier zu achten. Tatsächlich lassen sich erhebliche Unterschiede in den verschiedenen 31  Verwiesen

sei hier auf das großangelegte Projekt Anne-Marie la Bonnardières, Biblia Augustiniana (6 Bde.; Paris 1960–1975), das jedoch nicht fortgeführt wurde; entsprechende Bände zu den für ciu. XV-XVIII besonders relevanten biblischen Büchern Gen und Ps fehlen beispielsweise. 32  Es kursierten zu Zeiten Augustins in Nordafrika eine unüberschaubare Zahl von lateinischen Bibelübersetzungen, deren Qualität Augustin mitunter bemängelte (vgl. doctr. chr. 2,16, S.  94, Z.  21 – S.  95, Z.  25). In der Bibliothek Augustins befanden sich demnach „mehrere Textformen der altlateinischen Bibelübersetzungen“ (Altaner, Bibliothek, S.  177). Dass die Versionen der Vetus Latina, von Augustin Itala genannt, am Maßstab der LXX zu korrigieren sind, verdeutlicht er u. a. in doctr. chr. 2,22, S.  106, Z.  1–5. Vgl. die Ausführungen von Walter Groß zur biblischen Textgrundlage der unmittelbar vor ciu. XV-XVIII entstandenen qu. (Gross, Einleitung, S.  21–34). Donatien De Bruyne konnte zeigen, dass Augustin die von ihm zitierten Bibelstellen in ciu. teilweise selbst revidiert hat (vgl. De Bruyne, Citations, passim). Nicht nur bezogen auf ciu., sondern auch allgemein hat De Bruyne diese Praxis Augustins nachweisen können (vgl. ders., Réviseur; s. zur Forschungsdiskussion Bogaert/ Bochet, Art. Scriptura, Sp.  135 f.). 33  Vgl. etwa die inhaltlich übereinstimmenden Auflistungen in util. cred. 5, S.  7, Z.  2 6 – S.  8, Z.  15 und Gn. litt. inp.  2 ,5, S.  461, Z.  6 –16. Demnach können die heiligen Schriften secundum historiam, secundum allegoriam, secundum analogiam und secundum aetiologiam ausgelegt werden. Tiefgreifende Überlegungen Augustins zum mehrfachen Schriftsinn finden sich zudem innerhalb von doctr. chr. 3 (vgl. einführend Pollmann, Art. Doctrina, Sp.  559–563). Mit einer sich von Gn. litt. inp.  2 ,5 und util. cred. 5 deutlich unterscheidenden Darstellung eines vierfachen Schriftsinns beginnt Augustin sein Werk Gn. litt. Demnach gibt es folgende vier Weisen, derer man sich bei der Auslegung der heiligen Schriften bedienen könne: „quae […] aeterna intimentur, quae facta narrentur, quae futura praenuntientur, quae agenda praecipiantur uel admoneantur“ (Gn. litt. 1,1,1, S.  3, Z.  4 –10; vgl. 1,1, S.  3, Z.  4 – S.  5, Z.  13; s. dazu Brachtendorf, Einleitung, S.  20–23).

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Darstellungen des mehrfachen Schriftsinns, die von Augustin erhalten sind, ausmachen.34 Ferner ist bei Augustin oftmals eine Diskrepanz zwischen methodischem Anspruch und eigener exegetischer Praxis zu erkennen. Und so muss auch für ciu. XV-XVIII konzediert werden, was Walter Groß im Hinblick auf die wenig früher entstandenen Quaestiones in Heptateuchum (i.F.: qu.)35 festgestellt hat: Im Wesentlichen unterscheidet Augustin zwischen einem Wortsinn und einem übertragenen Sinn der Schrift, wobei die jeweils gebrauchte Terminologie, gerade für den zweiten, „äußerst vielgestaltig“ ist.36 So werden viele verschiedene Begriffe wie allegorica significatio, figurare, mystice significare, praefigurare, significatio spiritalis, typus u. a.m. für den übertragenen, geistlichen Sinn verwendet, ohne dass sich Augustin „um präzise Terminologie und Methode ­bemüh[en]“ würde.37 Ähnliches gilt für den historischen Sinn, für den Begrifflichkeiten wie ad litteram, ad uerbum, proprie oder auch secundum historiam ver­ wendet werden.38 Das grundsätzlich binäre Schriftverständnis Augustins39 – gerade auch im Hinblick auf das Alte Testament – ist u. a. vor dem Hintergrund der neuplato34  Dies

hat jüngst Johannes Brachtendorf detailliert nachgewiesen (vgl. Brachtendorf, Einleitung, S.  12–23). Auf die Bedeutung des Adressatenkreises für die Wahl der jeweiligen Auslegungsmethode weist u. a. Karla Pollmann hin (vgl. Pollmann, Augustine, S.  205–214). 35  Umstritten ist, ob Augustin die Arbeit an den qu. bereits nach seiner Rückkehr von seinem Aufenthalt in Karthago im September 419 abgeschlossen hatte, oder ob er sie noch einige Jahre fortsetzte (Vorschläge bis ins Jahr 423; vgl. Weidmann, Art. Quaestiones, Sp.  1024). Am überzeugendsten sind jedoch die Argumente für das Jahr 419; s. Abschnitt 1.1.2 mit Anm.  58. 36 Gross, Einleitung, S.  41. Die von Robert A. Markus vertretene These, im Spätwerk Augustins seien auch diese beiden Arten der Schriftauslegung kaum noch unterschieden worden, bestätigt sich im Hinblick auf ciu. XV-XVIII nicht. Zuzustimmen ist Markus aber darin, dass Augustin (gegenüber der Phase der antimanichäischen Auseinandersetzungen) mehr und mehr das Interesse an konkreten Definitionen der Schriftsinne verlor (vgl. Markus, Saeculum, S.  190). 37 Gross, Einleitung, S.  41; vgl. a. a. O., S.  41 f. Zum gesonderten Fall des Verhältnisses zwischen Allegorie und Typologie s. den entsprechenden Exkurs (Abschnitt 3.1.3). 38  Allerdings gilt es hier zu beachten, dass Augustin zwar von einer Auslegung ad litteram sprechen kann und auch zwei seiner Genesisauslegungen diese Bezeichnung im Titel tragen (Gn. litt.; Gn. litt. inp.), dass es aber einen sensus literalis bei Augustin nicht gibt. Insbesondere die Titel einiger französischer Übersetzungen legen dies aber fälschlicherweise nahe: „La Genèse au sens littéral“ (BAug 48/49), „Sur la Genèse au sens littéral, livre inachevé“ (BAug 50). Volker Henning Drecoll weist anhand der Genesisauslegungen Augustins nach, dass dieser, wenn er einen biblischen Text ad litteram auslegt, sich stets auf die hinter dem Buchstaben greif baren geschichtlichen Ereignisse, d. h. auf die res gestae, bezieht (vgl. Drecoll, Exegesis). Das zeigt sich nicht zuletzt an den Begrifflichkeiten, die Augustin als Synonyme zur Auslegungsweise ad litteram gebraucht: „ad litteram / ad proprietatem litterae / proprie / secundum proprietatem rerum gestarum“ (Brachtendorf, Einleitung, S.  21). 39  „In der Regel begnügt A[ugustin] sich mit einem zweifachen Schriftsinn, dem wörtlichen und dem übertragenen.“ (so urteilt Cornelius P. Mayer unter Bezugnahme auf Gn. litt. 1,1,1–3, S.  3, Z.  4 – S.  5, Z.  13: Art. Allegoria, Sp.  236) Auch in der Darstellung des dreifachen Sinns der alttestamentlichen Weissagungen in ciu. XVII 2 f. findet sich dies bestätigt (vgl. Helleman, Abraham, S.  45 f.; s. dazu Abschnitt 4.1.3).

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nischen Ontologie, der paulinischen Rede von ‚geistlich‘ und ‚fleischlich‘ bzw. ‚Geist‘ und ‚Buchstabe‘ (vgl. 2Kor 3,6),40 des innerbiblischen Schemas von Verheißung und Erfüllung und auch des Verhältnisses von res und signum zu verstehen, das für die Erkenntnislehre Augustins von großer Bedeutung ist.41 Augustin kennt zwar einen ‚vierfachen Schriftsinn‘,42 was sich u. a. in seinem Werk De Genesi ad litteram liber inperfectus (i.F.: Gn. litt. inp.)43 zeigt. Faktisch spielen aber von den dort genannten vier „Weisen“ (modi), das Alte Testament bzw. das „Gesetz“ (lex) auszulegen, nämlich secundum historiam, secundum allegoriam, secundum analogiam, secundum aetiologiam,44 die beiden letztgenannten eine marginale Rolle für seine Schriftauslegung innerhalb von ciu. XV-XVIII. Es scheint der Quelle am ehesten angemessen zu sein, Augustin in der jeweils von ihm verwendeten Terminologie zu folgen, ohne dabei aber vorauszusetzen, dass dieser Terminologie eine klare Definition und eine werkübergreifend konsistente Methodologie zugrunde läge. In diesem weiten Sinne sind die in der Quellenanalyse deskriptiv verwendenten Begriffe wie ‚allegorisch‘, ‚bildlich‘, ‚übertragen‘ oder ‚geistlich‘ bzw. ‚wörtlich‘, ‚im eigentlichen Sinn‘ oder ‚im historischen Sinn‘ zu verstehen. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen ‚Heilsgeschichte‘ / ‚heilsgeschichtlich‘: Hierbei sollen keine neuzeitlichen Konzeptionen einer ‚heilsgeschichtlichen Theologie‘45 in das Denken Augustins eingetragen werden, vielmehr wird mit der Verwendung dieser Termini dem Umstand Rechnung getragen, dass Augustin selbst auf der Grundlage der biblischen Geschichtstheologie(n) eine Vorstellung von Heilsgeschichte entwickelt hat, für die er zumeist die Begriffe dispensatio bzw. historia sacra gebraucht.46 Dabei versteht er dispensatio, 40 Vgl.

C. P. Mayer, Art. Caro, Sp.  745–747; Bochet, Art. Spiritalis, Sp.  540–542; zu Augustins Rezeption von 2Kor 3,6 im Kontext seines Schriftverständnisses vgl. Ring, Art. Littera, Sp.  1028. 41 Vgl. C. P. Mayer, Prinzipien, S.  72–75; ders., Art. Allegoria, Sp.  2 35; Catapano, Art. Signum, Sp.  435–440.445–447. 42 Vgl. util. cred. 5, S.  7, Z.  2 6 – S.  8 , Z.  15 oder Gn. litt. inp.  2 ,5, S.  4 61, Z.  6 –16 (vgl. dazu Drecoll  /  Kudella, Augustin, S.  120 f.129–131; Staubach, Quattuor, S.  353; s. auch Hoffmann, Fragen, S.  468–470). 43  Augustin hat die Arbeit an Gn. litt. inp. wohl in den Jahren 393/394 abgebrochen (vgl. Weber, Art. Genesi, Sp.  126 f.; Drecoll, Chronologie, S.  254). 44  Gn. litt. inp.  2 ,5, S.  4 61, Z.  8 –12. 45 Vgl. Pannenberg, Art. Geschichte, S.  6 60–666. Der Begriff ‚Heilsgeschichte‘ geht zurück auf den lutherischen Theologen und Vertreter der ‚Erlanger Theologie‘ Johann Christian Konrad von Hofmann (1810–1877); vgl. Mildenberger, Art. Hofmann, S.  478. 46  Vgl. dazu auch die Ausführungen Uta Heils, die ebenfalls davon ausgeht, dass „altkirchliche Autoren grundsätzlich ‚heilsgeschichtlich‘ dachten“, sich dabei aber einer anderen Terminologie bedienten (Heil, Rom, S.  525; vgl. a. a. O., S.  524–526). Dabei unterscheidet Heil zwischen dem „göttlichen Walten oder [der] Weltordnung“ (οἰκονομία; „lat. dispensatio oder auch ordo“) und „Gottes Fürsorge und Vorsehung für die Welt“ (πρόνοια; „lat. providentia und dispositio“); a. a. O., S.  525. Sicherlich geht Reinhart Koselleck zu weit, wenn er Augustin als den „Stifter einer von Gott gesteuerten Heilsgeschichte“ bezeichnet (Koselleck, Erfahrungswandel, S.  32). Vielmehr sind bereits die biblischen Schriften, auf denen Augustin

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trotz mancher Wandlungen in seinem Denken,47 als „planmäßige Offenbarung Gottes in seiner Schöpfung mittels wechselnder (verbaler oder nonverbaler) Heilsakte“,48 historia sacra hingegen als deren autoritativen Ausdruck in den heiligen Schriften.49

u. a. ihre eigenen Geschichtsdeutungen auf bauen, von einem solchen heilsgeschichtlichen Denken geprägt. 47  Insbesondere im Hinblick auf das gegenüber dem Begriff dispensatio spezifischere Konzept der dispensatio temporalis ist bei Augustin eine Wandlung festzustellen (vgl. Schwarte, Art. Dispensatio II, Sp.  492–498; s. dazu auch Einleitung, Abschnitt 2.7 mit Anm.  299). 48 H. Müller, Art. Dispensatio I, Sp.  490. 49  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  2 25; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.7.

2  Beiträge der Forschung Angesichts des beträchtlichen und stetig wachsenden Umfangs der Sekundärliteratur zu Augustin und seiner Schrift ciu. soll sich der folgende forschungsgeschichtliche Abriss auf eine Auswahl von Studien beschränken. Statt einer möglichst viele Forschungsbeiträge berücksichtigenden und damit nur resümierenden Darstellung des Forschungsstandes1 schien eine exemplarische, die jeweiligen Werke stärker durchdringende Herangehensweise ertragreicher zu sein. Kriterien der Auswahl waren zum einen, ob es sich um einen eigenständigen und gegebenenfalls für eine bestimmte Forschungsrichtung repräsentativen Entwurf handelt, zum anderen, ob das Geschichtsdenken Augustins und möglichst auch die Bedeutung des Alten Testaments in den Blick genommen wird. Darüber hinaus muss untersucht werden, wie Augustins ciuitas-Begriff, sein Kirchenverständnis und seine Bewertung der paganen Geschichte im Kontext seines Geschichtsdenkens bestimmt worden sind. An die hier in chronologischer Reihenfolge ihres Erscheinens behandelten Beiträge wurden also bestimmte Fragestellungen gerichtet, wobei es dennoch geboten erschien, dem jeweiligen Hauptanliegen der Autoren 2 gerecht zu werden.

2.1 Heinrich Scholz: Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte Die 1911 erschienene Untersuchung des Philosophen und evangelischen Theologen Heinrich Scholz (1884–1956), die er selbst als Kommentar zu Augustins de civitate dei untertitelt hat, ist von seiner Überzeugung geprägt, dass der „Kampf des Glaubens und des Unglaubens“ das bestimmende Thema von ciu. ist, „dem alle anderen Themen untergeordnet sind“.3 Die Leitbegriffe ciuitas terrena und ciuitas dei 1 Eine Darstellung des Forschungsstandes zu Augustins Geschichtsverständnis, die die Sekundärliteratur in großem Umfang aufarbeitet, bietet auf knappem Raum C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  7–9. 2  Um der besseren Lesbarkeit willen und eingedenk der anhaltenden Diskussionen über eine einheitliche und grammatikalisch korrekte geschlechtergerechte Sprache wird in der vorliegenden Studie gemäß den Empfehlungen der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) vom generischen Maskulinum oder der Doppelnennung femininer und maskuliner Formen Gebrauch gemacht. Insofern es der jeweilige Kontext einer Aussage nahelegt, sind mit diesem Usus ausdrücklich weibliche und andere Geschlechteridentitäten mitgemeint. 3 H. Scholz, Glaube, S.  2 f. Auf die nahezu wörtliche Übereinstimmung der Hauptthese von Scholz mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe ist in der Forschung mehrfach hingewiesen worden. In dessen „Noten und Abhandlungen“ zum West-Östlichen Divan findet sich im Abschnitt „Israel in der Wüste“ folgender Satz: „Das eigentliche, einzige und

2  Beiträge der Forschung

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seien „mystisch“ zu verstehende „Allegorieen [sic], in denen sich der Gegensatz des Unglaubens und des Glaubens verbirgt“.4 Glaube und Unglaube seien demnach als einander entgegengesetzte Prinzipien zu verstehen, als deren organisierte Formen die beiden ciuitates aufgefasst werden müssen: „Das Drama der Weltgeschichte ist dann der Prozeß, in dessen Fortgang Glaube und Unglaube zu zeigen haben, was sie können und was sie sind.“5 Die Darstellungsabsicht Augustins sei es gewesen, aufzuzeigen, dass sich durch die Geschichte hindurch mit dem Glauben die Wahrheit (des höchsten Gutes, also des einen Gottes) verbindet, mit dem Unglauben dagegen der Irrtum, was ihn „kraftlos, negativ, zerflossen“ erscheinen lässt.6 Scholz begreift ciu. nicht vornehmlich als eine Philosophie der Geschichte, sondern als ein apologetisches Werk, insofern hier ein „universeller Beweis für die Wahrheit des Christentums“ geführt werde, „dargestellt unter dem Schlachtenbilde einer Gigantomachie des Glaubens und des Unglaubens in der Weltgeschichte“.7 Für Augustin sei der dreieine und einzig wahre Gott zugleich höchstes Sein (summum esse) und höchstes Gut (summum bonum), wobei Letzteres mit einer „unendlichen Kraft“ gleichzusetzen sei, die „der unendlichen Zeit überlegen“ ist: Was „in dieser [unendlichen Zeit] durch Gott geschieht, ist immer Fortschritt, nie Wiederkehr des Gleichen“.8 Die Allmacht Gottes sei zu differenzieren in Allvermögen, Allwirksamkeit und Allbegründung der Dinge: Er hat alle Dinge „nach dem Gesetz der absteigenden Vollkommenheit ins Leben geru-

tiefste Thema der Welt- und Menschengeschichte, dem alle übrigen untergeordnet sind, bleibt der Conflict des Unglaubens und Glaubens.“ (Goethe, Divan, S.  123) Kritisch gegenüber dieser von Scholz und in der Folge von anderen (Werner Gent, Ernst Bloch, Karl Löwith, Hans von Campenhausen, Ulrich Duchrow) an ciu. herangetragenen Vorstellung äußern sich Ernst A. Schmidt (vgl. mit entsprechenden Belegen Schmidt, Zeit, S.  89–93; ders., Geschichtsverständnis, S.  371; s. dazu Abschnitt 3.5.1 mit Anm.  633), aber auch Christoph Horn (vgl. Horn, Geschichtsdarstellung, S.  178). 4  H. Scholz, Glaube, S.  70. Den Begriff „mystisch“ (mystice) verwendet Augustin selbst in Bezug auf die beiden ciuitates in ciu. XV 1, S.  453, Z.  12–20. Scholz geht davon aus, dass Augustin den sensus mysticus zwar nicht wie Origenes als eigenen Schriftsinn voraussetzt. Dennoch komme er, wenn auch nur an wenigen Stellen innerhalb von ciu., als „Spielart“ des allegorischen Sinns vor (vgl. H. Scholz, Glaube, S.  67 f.). 5  A.a.O., S.  19. 6  A.a.O., S.  3. 7  A.a.O., S. IV. Als einen Versuch, aus der Schrift ciu. eine „Geschichtsphilosophie Augustins“ zu rekonstruieren, kann die Dissertation von Georg J. Seyrich aus dem Jahr 1891 angesehen werden. Einen Überblick über die bis in die Gegenwart anhaltende Forschungsdebatte, ob in den Schriften Augustins eine Geschichtsphilosophie erkennbar wird oder nicht, bietet Matthias Mayer. Er selbst kommt zu dem Schluss, dass die „Augustinische Vorstellung von Geschichte“ aufgrund ihres teleologischen Charakters als „Geschichtsphilosophie“ anzusehen sei, „insofern sie in der Zeit unser Verhältnis zum Zeitlichen ordnet, uns zu ihm sinnvoll in Beziehung setzt und sie dasselbe durch die Verpflichtung jedes einzelnen zur imitatio Christi als veränder- und erneuerbar ausweist“ (M. Mayer, Philosophie, S.  429). 8 H. Scholz, Glaube, S.  29.

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fen“, durch seine „Macht einer souveränen Intelligenz“ wirkt er alles.9 Neben diesem allmächtigen Gott seien andere Gottheiten nicht als selbstständige Mächte aufzufassen; sie können – sofern es sich bei ihnen nicht ohnehin um menschliche Erfindungen handelt – allenfalls als „Blendwerke der Dämonen“ (praestigiae daemonum) gelten.10 Der „deterministische Allmachtsbegriff“, den Scholz bei Augustin voraussetzt, schließe zudem „jede Gegenwirkung“ aus.11 Das betreffe nun nicht nur die Dämonen, die trotz all ihres schädlichen Handelns letztlich wie alles Sein in einer Abhängigkeit zu Gott stehen, sondern auch die vermeintliche „dumpfe Macht eines blinden Schicksals“, die demzufolge nicht existieren kann12 – eine Einsicht mit weitreichenden Konsequenzen für das Geschichtsdenken Augustins. Im Unterschied zu Gott, der in Sein, Willen, Handeln und Wissen unveränderlich (immutabilis) ist, stelle die Veränderlichkeit das wesentliche Merkmal der Welt dar.13 Die Bewertung dieser veränderlichen Welt, die mit der Zeit geschaffen wurde, variiere bei Augustin, je nach dem, ob er sie „objektiv-ästhetisch“ als Kunstwerk (Gottes) oder „subjektiv-individualistisch“ als Wert betrachtet.14 Als positive Aspekte der Schönheit der Schöpfung könne Augustin – freilich nur unter der Voraussetzung, dass diese Güter nicht unter Vertauschung von uti und frui zum Selbstzweck werden, sondern zur Ehre Gottes gebraucht werden – den Frieden, die Geselligkeit und die materiellen Güter des menschlichen Lebens, die Fortpflanzung und auch Kulturleistungen des Menschen auf den Gebieten der Kunst oder der Wissenschaft nennen.15 Allerdings stehe seine Bewunderung für die Schönheit und die Wohlordnung der Schöpfung einem Pessimismus entgegen, der angesichts der von der Sünde korrumpierten Welt mit all ihren Übeln bei der Frage nach dem „Wert der Welt und des Erdenlebens“ nur zu einem negativen Ergebnis kommen kann.16 Konträr zu dem von Scholz festgestellten immerwährenden Fortschritt, von dem die Zeit durch die göttliche Wirksamkeit geprägt ist, stehe Augustins Beurteilung der irdischen Existenz des Menschen: „Schon das Leben in dieser Welt ist mehr ein Sterben als ein Leben zu nennen; ist doch die ganze Entwicklung des Menschen ein fortschreitender Sieg der lebenszerstörenden über die lebenserhaltenden Kräfte […].“17 Neben den persönlichen Übeln, wie etwa der 9 

A.a.O., S.  27 f. So H. Scholz (a. a. O., S.  21) mit Hinweis auf ciu. XVIII 18, S.  609, Z.  76–80. 11 H. Scholz, Glaube, S.  27. 12  A.a.O., S.  2 8. 13  A.a.O., S.  25. 14  A.a.O., S.  3 0 f. 15  Vgl. a. a. O., S.  32, mit Bezügen zu ciu. XIX 13, S.  678, Z.  1 – S.  679, Z.  32 und XXII 24. 16 H. Scholz, Glaube, S.  32. 17 A.a.O., S.   33. Scholz bezieht sich hier auf Augustins Beurteilung des menschlichen Lebens, das letztlich zwangsläufig auf den Tod zugeht (vgl. ciu. XIII 10, S.  391, Z.  1 – S.  392, 10 

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Krankheit, dem Hunger oder auch den seelischen Nöten sind im Bereich der Kultur insbesondere zwei Übel hervorzuheben: die Vielsprachigkeit der Völker und die Kriege, die sie gegeneinander führen.18 Allerdings sei die Haltung Augustins zum Krieg ambivalent: So würdigt er den Frieden zwar als „höchste[n] und unbedingteste[n] Weltwert“, und doch konnte er in zweifacher Hinsicht auch den Krieg als „sittliches Recht […] in seinen Grenzen“ anerkennen, da er erstens einen christlichen Beitrag zur Theorie des ‚gerechten Krieges‘ geleistet hat und zweitens „schon um des Alten Testaments willen“ die Existenz von ‚heiligen Kriegen‘ annehmen musste, die „Deo auctore geführt werden“.19 Als zwei wesentliche Beiträge Augustins zur Geschichtsphilosophie würdigt Scholz zum einen, dass er als erster die ‚Soziologie‘ (bzw. die socialis uita) in selbige eingeführt habe: „Augustin hat […] die Möglichkeit des geschichtlichen Lebens auf den geselligen Zusammenschluss der Individuen gegründet. Er hat erkannt, daß Geschichte nur da beginnt, wo Menschen sind, die sich zu geordnetem Mit- und Aufeinanderwirken verbinden.“20 Scholz macht bei Augustin einen dreistufigen „soziologischen Prozeß“ aus: Von der Familie als der kleinsten soziologischen Größe (die aber zugleich Vorbild der folgenden ist) ausgehend, bilde sich der „Geschlechterverband: civitas vel urbs“ und schließlich der Z.  4). Während die Todverfallenheit des Menschen hier mit der Wandelbarkeit (mutabilitas) begründet wird, muss doch auch an die theologische Begründung des Todes bei Augustin erinnert werden. Im Anschluss an Paulus (Röm 6,23) begreift er nämlich den Tod als Folge der Ursünde, die aus dem bösen Willen resultiert, der wiederum seinen Ermöglichungsgrund in der „wandelbaren Natur“ (natura mutabilis) hat (vgl. dazu u. a. ciu. XXII 1, S.  806, Z.  16–35). 18  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  33 f. 19  Vgl. a. a. O., S.  52. So geht Augustin u. a. in ciu. IV 15, S.  111, Z.  15–20 davon aus, dass die Kriege der Römer teilweise als gerechte Kriege angesehen werden müssen. Als Nachweis für Augustins Eingeständnis der Existenz von „heilige[n] Kriegen“ führt Scholz ciu. I 21, S.  22, Z.  1–13 an. Zwar begegnet hier der Begriff des heiligen Krieges nicht explizit, aber Augustin argumentiert, dass in den Fällen, wo Gott selbst das Töten und Kriegführen befiehlt, eine Ausnahme vorliegt, durch die das fünfte Gebot keine Geltung hat (als exemplum dafür wird hier der Gehorsam Abrahams gegenüber dem Gottesbefehl in Gen 22 angeführt; s. dazu Abschnitt 3.2.8 mit Anm.  348). Vgl. zur Thematik des Krieges bei Augustin den Beitrag von Therese Fuhrer, die u. a. nachweist, dass die Kerngedanken Augustins zum Krieg insbesondere im Kontext seiner Auseinandersetzung mit alttestamentlichen Kriegsereignissen und Gewalttaten in seiner antimanichäischen Schrift c. Faust. und den qu. begegnen (vgl. Fuhrer, Krieg, S.  23–26). 20 H. Scholz, Glaube, S.  47. Hierbei könnte man sich etwa auf ciu. XIX 5, S.  6 69, Z.  1–6 berufen, wo die socialis uita als notwendige Voraussetzung für die Bildung und die Entwicklung der ciuitas dei beschrieben wird. Und trotz aller Widrigkeiten (insbesondere verursacht durch das Streben nach Besitz und Ruhm) bildet sich auch innerhalb der ciuitas terrena eine socialis uita aus (a. a. O., S.  669, Z.  6 –8; s. dazu Burt, City, S.  195). Hinzuweisen wäre auch auf ciu. XII 22, S.  380, Z.  20–25, wo die „Einheit der Gesellschaft und das Band der Eintracht“ (societatis unitas uinculumque concordiae) als dem Menschen in seiner Schöpfung eingestifteter Wille Gottes beschrieben wird. Allerdings wird durch den Sündenfall diese Einheit empfindlich gestört, was in der Zerrissenheit der Menschheit in Völker und Sprachen ganz deutlich zu Tage tritt (s. dazu Horn, Geschichtsdarstellung, S.  184 f.).

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„internationale Völkerstaat: orbis“ als dritte Größe des gesellschaftlichen Zusammenschlusses. Zum anderen bezeichnet Scholz als den zweiten Beitrag Augustins zur Geschichtsphilosophie die „Idee der ursprünglichen, gottgewollten Einheit des Menschengeschlechts“, als deren „schönste[s] und kräftigste[s] Symbol […] die Abstammung aller von einem Elternpaare“ anzusehen ist.21 Die Vorstellung von der Einheit der ganzen Menschheit, die schon in der Areopagrede des Paulus anklingt und die sich über nationale Eingrenzungen hinwegsetzt, ermöglichte erst eine Philosophie der Geschichte.22 Das Alte Testament wird Scholz zufolge in ciu. insbesondere dann relevant, wenn es Augustin um den Nachweis der Wahrheit des Christentums geht. So hängen die fünf Argumente für die Wahrheit dieser einzig wahren und „absolute[n] Religion“, die Scholz in ciu. ausmacht, untrennbar mit den Schriften des Alten Testaments zusammen. Im Einzelnen handelt es sich bei diesen Argumenten um (1) den Altersbeweis, (2) den Weissagungsbeweis, (3) den Wunderbeweis, (4) den Einheitsbeweis und schließlich (5) den „Beweis des Geistes und der Kraft“.23 (1) Eine Haltung, die nicht nur für weite Teile der antiken Philosophie, sondern auch der frühchristlichen Theologie bestimmend ist, kann auf die Kurzformel πρεσβύτερον κρεῖττον (Das Ältere ist das Bessere) gebracht werden. Und so mühte sich auch Augustin unter Berufung auf Mose und Abraham um den Nachweis, dass das Christentum die älteste Weisheit sei.24 (2) Das Christentum habe „vor den übrigen Religionen den großen Vorzug, daß alles in ihm vorausgesagt ist“ – und zwar in den Weissagungen, Ereignissen und Institutionen 25, die in den Schriften des Alten Testaments enthalten und beschrieben sind. (3) Auch wenn im Leben und Wirken Jesu und in der Ausbreitung des Christentums (bis zur Gegenwart Augustins) die größten Wunder zu erkennen sind, so habe es doch auch in der Geschichte Israels mannigfaltige Wunder gegeben, wohingegen die in Kraft und Größe weit geringeren Wunder bei den Heiden 21 H.

Scholz, Glaube, S.  48. Hier könnte etwa auf ciu. XII 22, S.  380, Z.  25–27 verwiesen werden. Abgesehen von der Einheit der Menschheit in Adam (die vor dem Hintergrund der Ursünden-Lehre allerdings nicht so positiv gesehen werden sollte wie hier von Scholz) wird man jedoch festhalten müssen, dass sich diese Einheit im Geschichtsverlauf nach Augustin kaum zeigt, allenfalls in der Einheit der Glaubenden (also nur eines Teils der Menschheit) als Glieder des Leibes Christi. Ernst A. Schmidt merkt zu Recht an, dass der Einheitsgedanke kaum auf die ciuitas terrena bezogen werden könne, da ihr Wesen nach Augustin darin bestehe, „sich dauernd in sich selbst zu entzweien“ (Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  368–370). 22  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  4 8; kritisch bezieht Ernst A. Schmidt zu dieser These Stellung (vgl. Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  368). 23  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.   54 f.; die fünf Argumente werden auf den Seiten 55–61 ausgeführt. 24  Vgl. dazu ciu. XVIII 37.39 f. Zur Herkunft des Ausdrucks πρεσβύτερον κρεῖττον vgl. Pilhofer, Presbyteron, S.  18. 25  Scholz spricht davon, dass das „Christentum mit seinen Institutionen […] bis in die feinsten Verzweigungen hinein das vollendete Gegenbild der alttestamentlichen Theokratie“ sei. Veranschaulicht würde dies u. a. in ciu. VII 32, S.  213, Z.  10–18.

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nur Dämonenwerk sind. (4) Das Werk ciu. ist durchzogen von der Einschätzung, dass die Philosophie in sich zerstritten und widersprüchlich ist. Das Christentum dagegen sei „allein im Vollbesitz der Wahrheit“, wofür die „innere Einhelligkeit seiner Lehre“ als Erweis angesehen wird.26 (5) Von den Aspekten, die Scholz unter dem Argument „Beweis des Geistes und der Kraft“ aufzählt, sei hier nur der „strenge, unbedingte Monotheismus“27 genannt, ein deutlich erkennbares Erbe des Christentums aus dem Alten Testament und der Geschichte Gottes mit Israel. Augustin habe zwar auch nach seiner Konversion zum Christentum die Vernunft geschätzt, allerdings nur insofern sie vom Glauben geleitet wird. Da die menschliche Vernunft fehlgeleitet werden kann, findet sich die sichere Wahrheit nur in der Offenbarung.28 Viel wichtiger als die Auseinandersetzung etwa mit den sich widerstreitenden Philosophien oder der weltlichen Geschichtsschreibung sei deshalb das Vertiefen in die heiligen Schriften, da nur sie „mit der Wahrheit selbst identisch sind“. Die nur teilweise erfolgende Auseinandersetzung mit paganen Geschichtsdarstellungen innerhalb von ciu. sei durch diese Haltung Augustins zu erklären, die Scholz folgendermaßen auf den Punkt bringt: „Was Denkwürdiges in der Welt geschehen ist, findet sich viel besser und zuverlässiger in den heiligen Urkunden der Christenheit verzeichnet, die immer recht haben und jede fremde Überlieferung, sofern sie abweicht oder widerspricht, a priori ins Unrecht setzen.“29 Augustin postuliere nicht nur, dass „die Bibel die älteste Urkunde der Menschheit“ sei und damit nach dem Altersbeweis Priorität gegenüber allen anderen Schriften und Weisheiten habe, er stelle auch fest, da das „Alte Testament der Schatten ist, den das Neue vorauswirft“, dass „in Konkurrenzfällen selbstverständlich das Neue Testament die erste und übergeordnete Instanz“ sei.30 Ferner merkt Scholz zur Bibelhermeneutik Augustins an, dass dieser einen dreifachen Schriftsinn „in formeller Übereinstimmung mit Origenes“ vertrete: einen historischen, einen allegorischen (unter den Scholz auch den mystischen subsumiert) und den kombinierten.31 Zu Recht wird hervorgehoben, dass alle biblischen Erzählungen für Augustin reale Ereignisse beschreiben; man könne 26 H. Scholz, Glaube, S.  58. Vgl. in Bezug auf die Einhelligkeit der Schriften des Alten Testaments einschließlich des Spannungsverhältnisses zwischen Hebräischer Bibel und Septuaginta ciu. XVIII 41–44. 27 H. Scholz, Glaube, S.  6 0. 28  Vgl. a. a. O., S.  61 f. 29  Vgl. a. a. O., S.  6 4. 30  Vgl. a. a. O., S.  65. Belegt werden diese Aussagen zum Alter der Schrift mit ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  12–18, zum Verhältnis zwischen AT und NT als ‚Schatten und Licht‘ mit ciu. XVI 26, S.  531, Z.  60–63 und zur Priorität des NT gegenüber dem AT mit ciu. XX 4, S.  703, Z.  1–7 – hier entscheidet sich Augustin bei seiner Darstellung des Letzten Gerichts dafür, den neutestamentlichen Schriften aufgrund ihrer höheren „Würde“ (dignitas) den Vorzug gegenüber den alttestamentlichen zu geben. 31  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  67. Als Beispiel der Anwendung dieses dreifachen Schrift­

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in ihnen zwar auch einen bildlichen Sinn erkennen, doch „darf es nicht auf Kosten der veritas historiae geschehen“.32 Scholz’ ausführliche Analysen zur Vorgeschichte des Gedankens der beiden ciuitates und der Verwendung dieser Begriffe bei Augustin seien hier nur in ihren Ergebnissen zusammengefasst. Er weist u. a. anhand von Textvergleichen nach, dass Augustin, obwohl er selbst in ciu. XI 1 nur aus den Psalmen zitiert 33 und somit die Bibel als Herkunft seiner Idee der ciuitas dei erscheinen lässt, in Wahrheit wesentliche Punkte seines Konzepts der beiden ciuitates dem Apokalypse-Kommentar des Donatistenbischofs Tyconius verdankt. Scholz stellt gar die Vermutung an, „daß er [sc. Augustin] vielleicht auch den entscheidenden Anstoß zu seiner Zweistaaten-Konzeption von Ticonius [sic] empfangen hat“.34 Man müsse bei der Rede Augustins von den beiden ciuitates zwischen einem konstruktiv-idealistischen und einem deskriptiv-empirischen Blickwinkel des Verfassers differenzieren, will man dem Glauben und dem Unglauben als antithetischen Prinzipien einerseits, ihrer Realisation in den beiden ciuitates (und damit auch ihren irdischen Erscheinungsformen in den weltlichen Staaten und der Kirche) andererseits gerecht werden.35 sinns nennt Scholz Augustins Verständnis der Arche in ciu. XV 26. Auf einen entsprechenden Quellenbeleg aus den Schriften des Origenes verzichtet er dagegen. 32 H. Scholz, Glaube, S.  166, mit Hinweis auf ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  35–39. 33  Im Einzelnen sind das die Psalmen 86, 47 und 45 (vgl. ciu. XI 1, S.  321, Z.  1–16; die Psalmzählung der vorliegenden Untersuchung folgt generell derjenigen der Septuaginta, auf die auch Augustin durchgängig zurückgreift). Scholz identifiziert die von Augustin hier nicht weiter spezifizierten „ähnlichen Zeugnisse“ für die ciuitas dei mit Hebr 11,10.16; 12,22; 13,14; Off b 3,12; 21,2. 34 H. Scholz, Glaube, S.  79. Die Frage nach der Herkunft der ciuitas-Lehre Augustins ist in der Forschung vielfach behandelt worden und kann hier nicht im Einzelnen erörtert werden. Zur Einordnung sei nur darauf hingewiesen, dass neben der von Scholz durch Quellenanalysen plausibilisierten Rückführung auf Tyconius’ Apokalypse-Kommentar insbesondere manichäisches Gedankengut (vgl. u. a. Adam, Ursprung; ders., Fortwirken; Böhlig, Grundlagen), die Stoa (vgl. Thraede, Art. Gottesstaat, Sp.  61–64.76 f.; Duchrow, Christenheit, S.  212) oder aber neuplatonische Autoren wie Plotin und Porphyrios als Hintergrund der ciuitas-Lehre intensiv diskutiert worden sind (vgl. u. a. Armstrong, Platonism; O’Meara, Charter, S.  74–87). Johannes van Oort kommt bei seiner umfassenden Untersuchung zu dem Schluss, dass „the archaic Jewish-Christian tradition“ die Hauptquelle der ciuitates-Lehre darstellt und daneben die manichäischen, neuplatonischen Beeinflussungen oder diejenigen des Donatistenbischofs Tyconius deutlich geringer zu veranschlagen sind (vgl. Oort, Jerusalem, S.  364). Auch die Bedeutung Philos von Alexandrien wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben (vgl. a. a. O., S.  235–254.274–351; s. bereits Duchrow, Christenheit, S.  80–92). Abgesehen davon – und diese Annahme wird sich im Laufe der Quellenanalyse zu ciu. XV-XVIII immer wieder bestätigen – ist das Konzept der beiden ciuitates eng verbunden mit alttestamentlichen und neutestamentlichen Vorstellungen; es wird also zu einem Gutteil auf Augustins eigener exegetischer Auseinandersetzung mit der Bibel beruhen. Dafür spricht nicht zuletzt die breite Fundierung seines Konzepts auf den Psalmen in ciu. XI 1 (vgl. Fries, Weltgeschichte, S.  85 f.; O’Meara, Charter, S.  39 f.; Staubach, Quattuor, S.  352; Ratzinger, Herkunft, S.  428 f.; s. dazu auch Horn, Augustinus, S.  117). Am angemessensten scheint es jedenfalls, ein Zusammenspiel all jener genannten Einflüsse anzunehmen. 35  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  82.

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Wenn Scholz die gängige Übersetzung von ciuitas mit „Staat“ ebenso in Frage stellt wie diejenige mit „Stadt“, die allenfalls bei einer symbolischen Rede von den beiden ciuitates als himmlisches Jerusalem und Babylon angemessen sei, und schließlich dem Begriff „Bürgerschaft“ (societas als Synonym von ciuitas) den Vorzug gibt, nimmt er bereits wesentliche Erörterungen über den ciuitas-Begriff in der späteren Forschung vorweg.36 Die ciuitates seien ursprünglich „metaphysische Größen“, „Geistreiche“, „Glaubensgrößen“, die sich zu den Institutionen Staat und Kirche wie Urbilder zu ihren Abbildern verhalten.37 Während es zwischen den Weltstaaten und der empirischen Kirche Kooperationen und wechselseitige Abhängigkeiten geben könne,38 stünden die beiden ciuitates in einem diametralen Gegensatz zueinander, was Augustin oft auch in metaphorischer Sprache veranschauliche.39 Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Bürgerschaften liege im Glauben bzw. Unglauben und den daraus jeweils resultierenden Gesinnungen: Gottesliebe und Gehorsam (oboedientia) zeichnen die „Gottesfreunde“ aus, Selbstliebe und Hochmut (superbia) die „Weltmenschen“.40 Im Hinblick auf die empirischen Größen, Staat und Kirche, ist Augustins Position nach Scholz keineswegs konsistent. So überwiege zwar in ciu. die Ansicht, dass die beiden ciuitates nicht mit Staat und Kirche identisch seien, doch finden sich auch gegenteilige Aussagen, wenn etwa in ciu. V 14 „die ciuitas terrena geradezu den römischen Staat bedeutet“41 oder Augustin in den Kapiteln ciu. XX 6–9 die „Identität von Reich Gottes und Kirche“ behauptet.42 Scholz kann sich solche Äußerungen Augustins, die wirkungsgeschichtlich für die Legitimation von kirchlicher Macht und Hierarchie höchst bedeutsam wurden,43 durch den von ihm sogenannten „Spiritualismus“ Augustins erklären: Weil Augustin wesentliche „Hauptstücke“ der Eschatologie in die Gegenwart verlagerte, konnte er etwa die in Off b 20,4 genannten himmlischen Richterstühle als schon jetzt mit den „Vorsteher[n] und Leiter[n] der gegenwärtigen Kirche“ besetzt verstehen.44 Dominierend sei allerdings die Ansicht Augustins, dass die empirische Kirche als in der Welt gegen die gottfeindlichen Mächte kämpfendes

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Vgl. a. a. O., S.  84 f.; s. zu dieser Diskussion Einleitung, Abschnitt 1.1 mit Anm.  4. Vgl. a. a. O., S.  83.86 f. 38  Vgl. a. a. O., S.  129 f. 39  Vgl. a. a. O., S.  82.86 f.89. 40  Vgl. a. a. O., S.   87.91. Kritisch demgegenüber äußert sich Joseph Ratzinger, der für ­Scholz’ Themenstellung „Glaube und Unglaube“ keinen Rückhalt in der Quelle zu erkennen vermag. Stattdessen scheint es ihm angemessener zu sein, die beiden ciuitates als Liebesbzw. Kultgemeinschaften zu begreifen (vgl. Ratzinger, Volk, S.  377–380). 41 H. Scholz, Glaube, S.  8 8; vgl. die entsprechende Stelle in ciu. V 14, S.  148, Z.  43–52. 42  A.a.O., S.  109. 43  Vgl. zu den Auswirkungen der augustinischen Konzeption, auch für die Legitimation weltlicher Macht a. a. O., S.  134–136. 44  Vgl. a. a. O., S.  114.119, mit Bezugnahme auf ciu. XX 9, S.  717, Z.  59–65. 37 

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Reich (regnum militiae) lediglich eine „Vorstufe“ des eigentlichen Reiches Gottes (regnum gloriae) ist.45 Die Bewertung des Staates variiere ebenfalls: Einerseits ist für Augustin der Staat Folge der Sünde, sodass er in einem viel zitierten Satz keinen Unterschied zwischen „Reichen“ (regna) und „großen Räuberbanden“ (magna latrocinia) zu erkennen vermag.46 Andererseits würdigt Augustin den Staat als Verband vernünftiger Wesen, die sich selbst eine Rechtsordnung geben und sich insofern positiv von einer Anarchie unterscheiden; selbst Eroberungen anderer Staaten können als einer „Art von Naturgesetz“ folgend beurteilt werden, das letztlich auch „ein Stück der göttlichen Weltordnung“ darstellt.47 Der aus der Sünde resultierende Staat, der als organisierter Rechtsstaat wiederum die Sünde begrenzt, ist als weltliches Gut anzusehen, von dem gilt: Gott ist die Quelle aller Güter; also sind auch die irdischen Reiche von ihm, soweit sie als Güter verstanden werden: gleichviel, ob Gute oder Böse in ihnen regieren. Gott weiß, warum er es so fügt; er lenkt die Geschichte nach seinen uns vielfach verborgenen, ihm ewig offenbaren Absichten […].48

Daraus folge die schon von Paulus in Röm 13,1–7 eingeforderte Gehorsamspflicht der Christen gegenüber der staatlichen Ordnung, und sei sie noch so schlecht. Scholz zufolge operiert Augustin mit einem „doppelten Begriff von Geschichte“: So kann er sie einmal als Gesamtprozess von der Schöpfung bis zum Weltgericht verstehen (ciu. XI-XXII), oder lediglich als die sich auf der Erde abspielende Episode, die durch die Fortpflanzung der Geschlechter definiert ist (ciu. XV-XVIII).49 Kritisch ist hier die Abwertung der eigentlichen Geschichte gegenüber der „Methistorie“ [sic] durch Scholz zu sehen, sei doch die irdische Geschichte für Augustin lediglich ein „flüchtiges Zwischenspiel“50 – eine Ansicht, die sich allerdings hartnäckig in der Forschung festgesetzt hat. Als heuristische Kategorien zur Analyse des Geschichtsdenkens Augustins führt Scholz die „Logik der Geschichte“ und die „Dialektik der Geschichte“ 45 

Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  122. A.a.O., S.  99.101–104; zur betreffenden Stelle vgl. ciu. IV 4, S.  101, Z.  1. In Fortführung der Argumentation Hermann Reuters (vgl. Reuter, Studien, S.  138 f.) relativiert Scholz dieses Verdikt Augustins: Er habe den Staat mit der Räuberbande lediglich insofern gleichgesetzt, als in einem weltlichen Staat die „wahre“ bzw. „göttliche Gerechtigkeit“ (iustitiae ueritas / iustitia diuina) niemals herrschen könne. Dennoch müsse dem Staat ein gewisser Wert zugesprochen werden, insofern in ihm eine (wenn auch unvollkommene) Form der Gerechtigkeit, die iustitia ciuilis, walte. Zu einseitig erscheint daher auch die Kritik Franz Bliemetzrieders an der Interpretation von ciu. IV 4 durch Scholz, als habe dieser ein rein negatives Staatsverständnis bei Augustin konstatiert (vgl. Bliemetzrieder, Schrift, S.  110–114). 47 H. Scholz, Glaube, S.  101.105 f. 48  A.a.O., S.  106. Scholz bezieht sich hier auf ciu. IV 33, S.  126, Z.  1–4. 49 H. Scholz, Glaube, S.  139. 50  A.a.O., S. IVf. 46 

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ein. Vereinfacht gesagt versteht er unter Ersterer Aspekte, die die Geschichte als sinnhaft erscheinen lassen, unter Letzterer dagegen versammelt er Argumente, die dagegen sprechen, dass Augustin der Geschichte einen Eigensinn zugesprochen hat.51 Zur Logik der Geschichte gehöre erstens die „Theodicee“, die Vorstellung eines „göttlichen Weltplans“: Das deterministische Walten des allmächtigen und allwirkenden Gottes in der Geschichte überlasse nichts dem Zufall. Auch wenn dieser göttliche Plan den Menschen nur bruchstückhaft erkennbar ist, erweise sich Gott (spätestens durch das Weltgericht)52 als in seinen Urteilen gerecht. In diesem Licht erscheinen selbst die Leiden, von denen die Frommen wie die Bösen getroffen werden, als sinnvoll und begründet.53 Die Logik der Geschichte zeige sich zweitens als „Pädagogie“, insofern Gott „die Entwicklung der Menschheit“ leitet und mit der Geschichte „pädagogische Absichten“ verbindet. So fänden sich Gedanken eines fortschreitenden Erziehungsprozesses etwa in der Bewertung der Geschichte Israels oder auch im Hinblick auf die (das Volk Israel als Objekt der Erziehung ablösende) Kirche, und selbst in der Beziehung Gottes zum Römischen Reich könne Augustin eine „göttliche Pädagogie“ erkennen.54 Insgesamt am wenigsten durch die Quelle zu begründen ist Scholz’ dritter Aspekt der Logik der Geschichte, nämlich die „Geschichte als ästhetischer Prozeß“. Eine Sichtweise wie etwa diejenige Plotins, dass die Geschichte der Menschen als ein großes Schauspiel oder Drama zu verstehen sei, hat doch nur in sehr begrenzter Weise Augustins Geschichtsdenken bestimmt.55 Zu diesen drei Aspekten, die aufgrund ihrer Mehrzahl schon die Idee des einen und einzigen Sinns der Geschichte ausschließen, stehe die „Dialektik der Geschichte“ in einem Widerspruch, den vollständig aufzulösen Augustin nicht vermocht habe.56 Diese Dialektik leitet Scholz in erster Linie aus dem bereits skizzierten Gottesbegriff Augustins ab: „Das höchste Sein ist viel zu abstrakt und transzendent, um auf die Geschichte zu reagieren. In seiner ewigen Identität mit sich selbst steht es so hoch über aller Geschichte, daß man nicht sieht, wie es überhaupt an ihr teilnehmen kann.“57 Die Gottesattribute der Allwissenheit, der Allwirksamkeit, der Präszienz, der Prädestination und schließlich der aus all dem resultierende absolute Determinismus führten dazu, dass „für 51 

A.a.O., S.  140. innerweltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang wird damit implizit eine Absage erteilt: Böse wie Gute werden gleichermaßen von Übeln heimgesucht, die endzeitliche Strafe bzw. der Lohn werden nicht in der Welt vorweggenommen (vgl. a. a. O., S.  143). 53  Vgl. a. a. O., S.  140–144. 54  Vgl. a. a. O., S.  144–146. Zum pädagogischen Einwirken Gottes auf das Volk Israel vgl. ciu. X 14, S.  288, Z.  1–5, auf die Kirche: u. a. XVIII 49, S.  647, Z.  1–4 und schließlich auf Rom: V 19, S.  155, Z.  47 – S.  156, Z.  57. 55  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  146–148. 56  Vgl. a. a. O., S.  148. 57  A.a.O., S.  149. 52  Einem

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Gott die Geschichte als Progreß nicht existierend“ ist.58 Aber auch unabhängig vom Gottesbegriff könne die Geschichte gar keinen Eigenwert haben, da nach Augustin „die ganze Geschichte […] eine Folge des Sündenfalls“ sei: „die Leidenschaften und Affekte, die eigentlichen Hebel des geschichtlichen Lebens, sind gleichfalls erst eine Folge der Sünde“.59 Dieser pessimistischen Beurteilung des Ursprungs der Geschichte entspreche eine ebensolche hinsichtlich ihres Inhalts, insofern nämlich „die ganze Geschichte zur Inhaltslosigkeit [uanitas] verdammt“ sei.60 Obwohl Augustin sich angesichts der Singularität der Erlösung gegen die „stoische Doktrin der ewigen Wiederkehr des Gleichen“ gewandt habe, konnte er die Einzigartigkeit des Eintretens Christi in die Geschichte und damit die „epochenmachende Bedeutung des Christentums“ nicht recht zur Geltung bringen. Allein der Gedanke, dass das Christentum bereits seit der Schöpfung der Welt existiert, unterminiere den Gedanken des innergeschichtlichen „Fortschritts im höheren Sinne“.61 Von nachgeordneter Bedeutung scheinen Scholz die Periodisierungsmodelle zu sein, derer sich Augustin innerhalb von ciu. bedient: Die Parallelisierung der sechs Weltzeitalter mit den sechs Lebensaltern einerseits, mit den sechs Schöpfungstagen andererseits waren ihm durch die Tradition vorgegeben.62 Seine Lehre von den sechs Weltzeitaltern habe bereits vor Augustin zum „kirchlichen common-sense“ innerhalb der theologischen Wissenschaft wie auch der katechetischen Unterweisung gehört.63 Wesentlich Neues habe er nur durch seine These von der „Unberechenbarkeit des sechsten Weltzeitalters“ beigetragen.64 Eine andere Augustin ebenfalls bekannte Einteilung der Geschichte, nämlich diejenige in die Zeit ante legem, sub lege und sub gratia, habe keinen Eingang in ciu. gefunden.65 Die empirische Geschichte sei nach Augustin zweigeteilt: Sie ist einmal die „Geschichte des Gottesreichs auf Erden und […] die Geschichte der Weltreiche“.66 Allerdings finde bereits im ersten Weltzeitalter (mit den ‚Engelehen‘; Gen 6,1–4) eine Vermischung der „Dynastien des Glaubens und des Unglaubens“ statt. Als die beiden Katastrophen der Urzeit gelten die Sintflut und der 58 

A.a.O., S.  150. A.a.O., S.  152. Scholz beruft sich hier u. a. auf ciu. XIII 14, S.  395, Z.  1–5. 60 H. Scholz, Glaube, S.  152. Als Beispiele werden ciu. XVII 11, S.  575, Z.  18 f. und ciu. XXI 24, S.  790, Z.  78 – S.  791, Z.  80 angeführt. 61 H. Scholz, Glaube, S.  153; vgl. auch S.  174. 62  Vgl. a. a. O., S.  154–162. 63  A.a.O., S.  159. 64  A.a.O., S.   156.162; das sechste Weltzeitalter entziehe sich jeder chronologischen Begrenzung, so Augustin mit Bezug auf Apg 1,7 in ciu. XXII 30, S.  865, Z.  136 – S.  866, Z.  138. 65 H. Scholz, Glaube, S.  164; zu finden ist diese Dreiteilung der Geschichtsepochen bei Augustin in diu. qu. 66,7, S.  163, Z.  263–266. 66 H. Scholz, Glaube, S.  165. 59 

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Turmbau, der wiederum mit der Folge der Sprachverwirrung den „Schlußstein der Urgeschichte“ bilde.67 Mit dem Verlust der gemeinsamen Sprache, der zu Unruhen und Kriegen führte und den Scholz als „retardierend[es] Moment in dem Drama der Weltgeschichte“ bezeichnet, sei zugleich eine deutlichere Trennung der Weltmenschen von den Gottesfreunden verbunden.68 Ab Abraham stelle sich die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden in zwei aufeinanderfolgenden Epochen dar, diejenige der Verheißung im Judentum, die der Erfüllung im Christentum. Auch wenn die Epoche des Judentums in Augustins Sicht von Scholz als „Geschichte des Schattens“ klassifiziert wird, „dessen sonnenbeleuchtetes Urbild erst im Christentum erscheint“, so gibt es doch mit Abraham und David „zwei Glaubenshelden“, zwei Archetypen der Demut, des Gehorsams und des Glaubens. Ihnen gegenüber treten Gestalten wie Isaak, Jakob, Mose und Salomo zurück.69 Die Propheten kämen bei Augustin nicht als individuelle Personen, sondern ausschließlich als „inspirierte Organe einer höheren Macht [sc. des Gottesgeistes]“ in den Blick.70 Bei der Bewertung des Judentums durch Augustin müssten „zwei kontrastierende Gedankenreihen“ unterschieden werden: Würdige er Israel einerseits als bevorzugtes Gottesvolk, was sich insbesondere in seinem Besitz der Ursprache, den ihm gegebenen Verheißungen und seinem „unbeugsamen Willen zum Monotheismus“ äußere,71 so benenne er andererseits klar den im Volk Israel herrschenden Unglauben, die fortgesetzte und in dem „Frevel an Christus“ gipfelnde Sünde, die in der „Katastrophe vom Jahre 70“ ihre „gerechte Strafe“ finde.72 Scholz sucht für die „auffallend knappe und flüchtige“ Behandlung der Epoche des Christentums (gegenüber der ausführlichen Behandlung des Alten Testaments in ciu. XV-XVIII) innerhalb von ciu. neben dem formalen Grund des Platzmangels auch „innere Gründe“. So sei „die Geschichte des Alten Testaments“ unter der Prämisse des seit Anbeginn der Welt bestehenden Christentums (ecclesia ab Abel) „ja die, wenn auch umschattete, so doch durchaus substantielle Geschichte des Christentums, jedenfalls der Teil seiner Geschichte, der zugleich für seine Wahrheit beweisend ist, weil er alle inzwischen erfüllten

67 

A.a.O., S.  167. A.a.O., S.  168. 69  A.a.O., S.  170. 70  A.a.O., S.  171. 71  A.a.O., S.  171 f. Belegt wird dieser „unbeugsame Willen zum Monotheismus“ mit ciu. V 12, S.  142, Z.  11–16 und ciu. V 21, S.  157, Z.  12–14. Man wird Scholz hier sicher nicht missverstehen dürfen, indem man diesen „unbeugsamen Willen“ auf das empirische Volk Israel bezieht, das in seiner Geschichte doch immer wieder vom Glauben an den einen Gott abgefallen ist, wovon auch Augustin nicht schweigt. Hier sind wohl die Glieder der ciuitas dei gemeint, die innerhalb des Volkes Israel existieren. 72 H. Scholz, Glaube, S.  172. 68 

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Voraussetzungen enthält und dadurch das Christentum im eminenten Sinne beglaubigt“.73 Im Hinblick auf die Völkerwelt nimmt Scholz bei Augustin ein ambivalentes Verhältnis zu Rom wahr. Als „zweites Babylon“ (das mit seinen Protagonisten Nimrod und Ninus tatsächlich ausschließlich negativ gesehen wird) gründe Rom auf einem Brudermord, außerdem wirken insbesondere in seinen vielen Schauspielen die Dämonen.74 Letztlich überwiege bei Augustin allerdings eine freundliche Bewertung Roms, auch wenn er dem Glauben an ein „ewiges Rom“ ebenso eine Absage erteilen muss wie der von Eusebius vertretenen „Harmonie zwischen Kaisertum und Christentum“.75 Den „Naturgrundlagen der Tugend“ (uirtus, felicitas, honor), die sich in der römischen Geschichte zeigen, könne Augustin durchaus etwas Positives abgewinnen. Seine Wertschätzung der Opferbereitschaft der Römer für ihr Vaterland gehe sogar so weit, dass er sie als vorbildlich für das Verhältnis der Bürger der ciuitas dei zu ihrem himmlischen Vaterland ansieht.76 Die Geschichte Roms sei für Augustin „doch zuletzt die große Geschichte der vorwärtsstrebenden und vorwärtsdringenden Menschheit, so weit sie nicht unter die Heilsgeschichte fällt“. Auch wenn sie zur Geschichte des Unglaubens gehöre, so zeige sich in ihr eine Kraft, die „bereits eine Vorstufe des Glaubens“ darstelle.77 Das Weltgericht und das „Nachspiel im Himmel“ als „dritter Akt der Weltgeschichte“ ist Scholz zufolge für Augustin „der wichtigste und bedeutendste“, insofern er nämlich „Offenbarung im höchsten Stil“ sei: Der Kampf zwischen Glaube und Unglaube löst sich durch das Urteil Gottes auf in der „Katastrophe des Unglaubens und dem Triumph des Glaubens“.78 Als bedeutende Neuerung 73 

A.a.O., S.  172 f. Zudem, so der zweite „innere Grund“ nach Scholz, habe Augustin eine ausführliche Behandlung der Kirchengeschichte im engeren Sinne auch deshalb nicht für nötig erachtet, da die Kraft und die Wahrheit des Christentums sich ja noch gegenwärtig durch vielfache Wunder erweist. 74  A.a.O., S.  175 f.177. Augustin zufolge ist Babylon das erste Rom, Rom das zweite Babylon; vgl. ciu. XVIII 2, S.  594, Z.  60–66. 75 H. Scholz, Glaube, S.  180 f. 76  A.a.O., S.  179. Scholz bezieht sich hier auf ciu. V 16, S.  149, Z.  9 –16. 77 H. Scholz, Glaube, S.  181. 78  A.a.O., S.  181 f. Ernst A. Schmidt stellt dagegen in Frage, dass es nach Augustin am Ende der Geschichte zu einem ‚Sieg‘ der ciuitas dei über die ciuitas terrena kommt. Die „Erlösung der Gottesbürger im Vergleich mit der Verdammung der Erdenbürger“ könne nicht als ein Sieg im Kampf beider ciuitates begriffen werden (vgl. Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  371). Auch die Vorstellung eines Kampfes sei kaum durch die Quelle zu belegen, der einzige in diese Richtung weisende Satz: „pugnant ergo inter se mali et mali; item pugnant inter se mali et boni“ (ciu. XV 5, S.  458, Z. 36 f.) dürfe nicht als Beleg für einen Kampf zwischen beiden ciuitates begriffen, sondern müsse auf die zuvor genannten Individuen (Kain und Abel / Romulus und Remus) bezogen werden. Auch habe ein solcher Kampf (wie die beiden Bruderkonflikte) seine Ursache nicht in einem „fundamentalen Antagonismus“ beider ciuitates, sondern er gehe immer nur von den mali aus (Schmidt, Zeit, S.  91 mit Anm.  92). Auch Kurt Flasch ist der Meinung, dass in ciu. XI-XXII „das Nebeneinander, nicht etwa, wie man im-

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sieht Scholz die Tatsache an, dass Augustin wesentliche Elemente eschatologischer Hoffnungen in die Gegenwart vorverlegt hat. Konkret habe er die erste der beiden in Off b 20,4–6 als zukünftig vorausgesagten Auferstehungen (nämlich die partikulare der Märtyrer im Unterschied zur zweiten allgemeinen) als bereits geschehend angesehen und soteriologisch auf alle Gläubigen ausgeweitet: „Die erste Auferstehung ist die durch Christus und die Kirche bewirkte Erhebung der sündigen Menschheit in den Gnadenstand.“79 Auch die „Bindung des Teufels“ vermag Augustin in der Gegenwart darin zu erkennen, dass der Teufel zwar in den Gottesfeinden wirkt und durch sie gegen die Christen ankämpft, ihnen aber letztlich „nicht mehr schaden kann“.80 Von Interesse (auch im Hinblick auf die Frage des Schicksals der Juden im Weltgericht) ist Scholz’ Feststellung, dass Augustin im Gegensatz zu Origenes keine „Allbeseligung“ vertrete, die den „Ernst und die Strenge des göttlichen Strafgerichts“ verkenne. Eine Deutung des paulinischen Wortes, dass „Gott sich aller erbarmen“ wird (vgl. Röm 11,32), im Sinne einer Allerlösung weise Augustin entschieden zurück: Es gelte lediglich für alle „Gefäße der Barmherzigkeit“, also für die von Gott Erwählten, nicht jedoch für die Verdammten.81 Abgesehen von Darstellungsfehlern,82 einer „spitzen und frostigen Dialektik“ und den inneren Widersprüchen hebt Scholz schließlich den „unbestechlichen Wahrheitssinn“ als besondere Tugend Augustins hervor, von der sein Werk ciu. zeuge. So habe er nichts wider besseres Wissen falsch dargestellt, eigene Unsicherheiten und ungelöste Probleme offen zugestanden und schließlich selbst in der schärfsten Auseinandersetzung seinen Gegnern „ihre menschliche und wissenschaftliche Größe nicht geraubt, sondern durchaus gelassen“.83

2.2 Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen In seiner erstmals 1949 in englischer Sprache erschienenen Abhandlung 84 hat der deutsche Philosoph Karl Löwith (1897–1973), der sich selbst als Agnostiker verstand, den Versuch unternommen, die theologischen Grundlagen der Geschichtsmer wieder liest, de[r] Kampf der beiden civitates“ verfolgt werde (Flasch, Geschichte, S.  29 f.). 79 H. Scholz, Glaube, S.  110. 80  A.a.O., S.  111. 81  A.a.O., S.  189 mit Bezug auf ciu. XXI 24, S.  739, Z.  163–185; s. zu dieser Problematik Abschnitt 6.2.1. 82  Bezüglich der Komposition der Bücher ciu. XV-XVIII fällt Scholz folgendes Urteil: Die Darstellung Buch XV sei „einwandfrei“, diejenige des Buches XVI „soweit in Ordnung“, im folgenden Buch habe sich bereits „heillose Verwirrung“ die Bahn gebrochen und Buch XVIII zähle mit Buch XIII zu den beiden am „schlechtest komponierten“ Büchern (H. Scholz, Glaube, S.  9.14 f.). 83  A.a.O., S.  193 f. 84  Der ursprüngliche Titel des 1953 in deutscher Sprache erschienenen Werkes lautete: Meaning in History. The Theological Implications of the Philosophy of History.

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philosophie zu rekonstruieren. Dabei greift er in umgekehrter chronologischer Reihenfolge theologische und philosophische Denker auf, um an ihnen zu zeigen, dass das Geschichtsdenken bis in die Moderne hinein von zwei sich grundsätzlich widersprechenden Konzeptionen geprägt ist: Der (paganen) antiken Geschichtsauffassung, die auf einem periodischen bzw. zyklischen Denken fuße, stehe die jüdisch-christliche entgegen, die mit der Schöpfung sowohl einen Beginn, vor allem aber in ihrer „eschatologischen Ausrichtung“ ein Ende bzw. ein Ziel der Geschichte kennt.85 Löwith ist der Auffassung, dass alle Versuche einer Geschichtsdeutung entweder eine Variation einer dieser beiden Konzeptionen oder aber eine (letztlich zum Scheitern verurteilte) „Vermischung“ derselben darstellen.86 Trotz seiner grundsätzlichen Skepsis lässt sich eine gewisse Sympathie für die von ihm als „griechisch“ oder „antik“ klassifizierte Geschichtsauffassung feststellen.87 Auch Löwiths Auseinandersetzung mit Augustin ist von dieser Grundannahme geprägt: So stelle dessen Werk ciu. einen Gegenentwurf zu der „klassische[n] Anschauung der Weltzeit als einer ziellosen, periodischen Kreisbewegung“ dar, der es eine „Theologie der von Gott gelenkten Menschheitsgeschichte“ entgegensetze.88 Allerdings habe Augustin diese Widerlegung nicht theoretisch-kosmologisch führen können, da die christliche Weltanschauung sich im Gegensatz 85  Die Position, dass es in der Antike im Wesentlichen zwei Geschichtskonzeptionen gibt, nämlich die der Israeliten und die der Griechen, hat u. a. Gerhard von Rad in einem 1944 veröffentlichten Aufsatz prominent vorgetragen; sie stellt einen allgemeinen Konsens in den damaligen Altertumswissenschaften dar (vgl. Rad, Anfang, S.  149; s. dazu Blum, Historiographie, S.  31–33). 86  Vgl. Löwith, Weltgeschichte, S.  27–30. 87  Vgl. a. a. O., S.  13 f. Löwith beschreibt das Problem moderner Geschichtsphilosophie an anderer Stelle so: „Die moderne Überschätzung der Geschichte zur ‚Weltgeschichte‘ ist das Ergebnis unserer Entfremdung von der natürlichen Theologie des Altertums und von der übernatürlichen des Christentums, die beide der Geschichte einen Umriß gaben und einen übergeschichtlichen Horizont der Erfahrung und des Verständnisses.“ (Löwith, Christentum, S.  4 0) Die s.E. duch das jüdisch-christliche Erbe in die Geschichtsphilosophie eingebrachte Frage nach dem Sinn der Geschichte, die sich bis hin zu den Philosophien von Hegel und Marx ausgewirkt hat, sieht Löwith kritisch. Dass sich die „Griechen“ dagegen nicht „an[maßten], den letzten Sinn der Weltgeschichte zu ergründen“, und sich stattdessen darauf beschränkten, „von der sichtbaren Ordnung und Schönheit des natürlichen Kosmos ergriffen“ zu sein, hält Löwith für angemessener (Löwith, Weltgeschichte, S.  14; vgl. ders., Christentum, S.  39–42). 88 Löwith, Weltgeschichte, S.  173. Löwith bezieht sich hier auf ciu. XI 4, S.  323, Z.  1–6. Hauptquellen der von ihm vorausgesetzten „klassischen Theorie der ewigen Wiederkehr“ führt er auf S.  179, Anm.  15 auf; Vertreter seien u. a. Heraklit, Empedokles, Platon, Aristoteles sowie die lateinischen Stoiker Marc Aurel und Seneca. Vgl. dazu die berechtigte Kritik von Christoph Horn, der mit dem Hinweis auf etwa im Umfeld der Stoa vertretene „Theorien zeitlicher Linearität und historischen Fortschritts“ der These von der grundsätzlichen Opposition zwischen einer klassisch-antiken und einer jüdisch-christlichen Zeitauffassung wirksam den Boden entzogen hat (vgl. dazu die Überlegungen in Abschnitt 3.1.3). Damit weist Horn auch die „im Grunde attraktive“, aber „zu einfache“ These zurück, alle modernen Geschichtsphilosophien würden letztlich auf diesen

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zur „griechische[n] theoria“ nicht aus der Betrachtung der sichtbaren Welt ableiten lässt, sondern vielmehr auf einem „unbedingte[n] Vertrauen in Unsichtbares und daher Unbeweisbares“ gründe.89 Der Welt, verstanden als creatio ex nihilo, komme kein „eigentliche[s] Sein“ zu, das nur für Gott angenommen werden darf.90 Für Augustin stehe fest, dass der selbst unveränderliche und zeitlose Gott die veränderliche Welt mit der Zeit geschaffen hat.91 So kann die Annahme, die Welt habe weder Anfang noch Ende, nur als ein im Unglauben wurzelndes Missverständnis angesehen werden, das das Gottesattribut der Ewigkeit fälschlicherweise auf die Welt selbst bezieht.92 Zudem verkünde die Heilige Schrift, deren Wahrheit Augustin „durch die Erfüllung ihrer Weissagungen als bewiesen gilt“, dass die Welt sowohl einen konkreten zeitlichen Anfang hat als auch ein ebensolches Ende haben wird.93 Schließlich stellten „das Auftreten Christi und seine Auferstehung […] einmalige Begebenheiten von universaler Bedeutung“ innerhalb der Zeit dar, was ebenfalls im eminenten Widerspruch zum zyklischen Zeit- und Geschichtsverständnis der Antike stehe.94 Da es nach dem „Neuen des einmaligen Ereignisses Christus […] nichts wirklich Neues mehr geben“ könne, kenne Augustin beiden von Löwith (re-)konstruierten Zeitauffassungen basieren (Horn, Geschichtsdarstellung, S.  179 f.; s. auch Flasch, Einführung, S.  369.396 f.). 89 Löwith, Weltgeschichte, S.  174. 90  Vgl. ebd. 91  Vgl. a. a. O., S.  175, mit Hinweis auf das Kapitel ciu. XI 6. 92  Vgl. Löwith, Weltgeschichte, S.  175. Eine Auseinandersetzung mit der These von der Ewigkeit der Welt führt Augustin in ciu. XII 10.12–15.17–21; vgl. auch XI 4–6. Theodor E. Mommsen stellt die nachdenkenswerte These auf, dass die Kritik Augustins hier gar nicht in erster Linie die paganen Philosophen selber treffen sollte, sondern v. a. diejenigen (ungenannten) christlichen Theologen, die die pagan-antike Vorstellung einer Zyklizität bzw. Ewigkeit der Welt in ihr theologisches Denken integrierten – Mommsen denkt dabei insbesondere an Origenes. Damit würde Augustin eine bewusste Rückbesinnung auf die hebräische und frühchristliche „linear conception of history“ fordern, wie er sie selbst auch in ciu. vertritt (Mommsen, Idea, S.  355). Auch Alfons Fürst geht davon aus, dass sich die Kritik Augustins gegen Origenes richtet. Er weist allerdings zu Recht darauf hin, dass Augustin „die Überlegungen des O[rigenes] vermutlich mißverstanden“ habe, da dieser doch „keinen zyklischen Wechsel von Seligkeit und Elend“ konzipiert, sondern „die definitive Wiederherstellung aller Vernunftwesen nach einer unbekannten, aber endlichen Anzahl von aufeinanderfolgenden Welten“ erhofft habe (Fürst, Art. Origenes, Sp.  386). 93 Löwith, Weltgeschichte, S.  175 f. 94  A.a.O., S.  179. Man könnte hier, obwohl Löwith keine Quellenangabe macht, Augustins Auseinandersetzung mit dem Wort des Predigers, dass es „nichts Neues unter der Sonne gebe“ (Koh 1,9 f.), in ciu. XII 14 als Beleg anführen. Koh 1,9 f. ist Augustin zufolge lediglich auf die innerhalb der Natur stattfindenden Prozesse von Werden und Vergehen zu beziehen, nicht aber als biblische Legitimation der Theorie von den ewigen Kreisläufen der Weltzeit zu verstehen. Als Argument gegen diese Theorie wird hier auch die Einmaligkeit des Kreuzestodes und der Auferstehung Christi angeführt (vgl. ciu. XII 14, S.  369, Z.  48–51). Vgl. dazu auch die Verortung solcher Ablehnung der Kreislauf-Lehre seitens Augustins: Horn, Geschichtsdarstellung, S.  180 f.

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auch keine „Geschichte des Christentums zwischen dem ersten und dem zweiten Erscheinen Christi“.95 Man könnte in dieser Einsicht Löwiths einen inhaltlichen Grund für die auffallend knappe Behandlung der eigentlichen Kirchengeschichte in ciu. erkennen. Das „entscheidende Argument“ Augustins gegen die klassisch-antike „Theorie einer in sich geschlossenen ewigen Wiederkehr des Gleichen“ ist Löwith zufolge allerdings ein „moralisches“: Während im Christentum Glaube, Liebe und Hoffnung auf eine Zukunft bezogen sind, von der ein neues Leben, Erlösung und ewige Seligkeit erwartet werden, würde die „gottlose Lehre von nutzlosen Kreisläufen“ zur Hoffnungslosigkeit und Lähmung der Liebe verdammen, da sie eine „wirkliche Zukunft“ nicht kennt.96 Gegen die Auffassung, bei ciu. handele es sich um eine Geschichtsphilosophie, stellt Löwith die Einsicht: Augustin legt die Wahrheit der christlichen Lehre an der heiligen und profanen Geschichte aus, aber die Weltgeschichte selbst hat für ihn kein eigenes Interesse und keinen eigenen Sinn. Der Gottesstaat ist kein Ideal, das sich in der Geschichte verwirklicht, und die Kirche in ihrer irdischen Existenz ist auch nur eine Repräsentation der übergeschichtlichen ciuitas Dei.97

So werde auch das „zentrale Mysterium der Fleischwerdung Gottes“ nicht von der Geschichte selbst hervorgebracht, der Glaube an dieses Mysterium durchbreche „alle geschichtlichen Entwicklungen und Krisen“ – sie müssen aus der Perspektive des Glaubens belanglos erscheinen. Andererseits, sucht man mit Augustin den Sinn der Geschichte nicht in ihr selbst, sondern in einem „überweltliche[n] Ziel“, so erscheint ciu. als der erste Versuch, „eine Art Universalgeschichte als einen zweckvollen procursus von Anbeginn bis zum Ende […] aufzubauen“.98 Augustin lasse Löwith zufolge einen von Teilnahme, aber auch von Distanz gekennzeichneten Blick auf die Ereignisse seiner Zeit erkennen. Da er „im Prinzip jede weltgeschichtliche, d. h. politische Eschatologie verwarf “, konnte er auch Rom nicht im Sinne des Propheten Daniel mit dem vierten Reich 95 Löwith,

Weltgeschichte, S.  181. A.a.O., S.  177. Belegt wird dieses Argument Augustins mit ciu. XII 21, S.  377, Z.  16–36. 97 Löwith, Weltgeschichte, S.   180. Zu beachten ist hier allerdings die Definition von „Geschichtsphilosophie“ bei Löwith. Dieser erstmals im 18. Jahrhundert bei Voltaire greifbare Begriff mache nicht mehr den „Wille[n] Gottes und die göttliche Vorsehung“, sondern den „Wille[n] des Menschen und seine vernünftige Vorsorge“ zum „Leitprinzip“ der Geschichtsbetrachtung. Jedoch belässt es Löwith selbst nicht bei dieser aus seiner Sicht zu kurz greifenden säkularen Engführung und formuliert: „[…] der Ausdruck ‚Philosophie der Geschichte‘ [bezeichnet] die systematische Ausdeutung der Weltgeschichte am Leitfaden eines Prinzips, durch welches historische Geschehnisse und Folgen in Zusammenhang gebracht und auf einen letzten Sinn bezogen werden.“ (a. a. O., S.  11) 98  A.a.O., S.  181. Gegen die Annahme, Augustin habe eine ‚universale Geschichte‘ oder eine ‚universale Heilsgeschichte‘ gelehrt, argumentiert Karfíková, Geschichte, passim. Ein differenziertes Urteil fällt hingegen C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  304 f. 96 

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identifizieren. Weder das Fortbestehen noch der (drohende) Untergang des Imperium Romanum sei für Augustin „von entscheidender Bedeutung in der Ordnung der letzten Dinge“ gewesen.99 Rom komme innerhalb der Heilsgeschichte lediglich insofern eine Rolle zu, als es durch die „Wahrung des Friedens auf Erden“ eine Voraussetzung für die Ausbreitung des Evangeliums geschaffen habe. Löwith ist der Meinung, die Geschichte selber sei für Augustin nur ein „Interim“ zwischen den beiden zentralen „überhistorischen“ Offenbarungsereignissen: der Schöpfung auf der einen, dem eschatologischen Gericht und der allgemeinen Totenauferstehung auf der anderen Seite. „Nur durch diese Bezogenheit auf einen absoluten Anfang und ein absolutes Ende hat die Geschichte als Ganzes einen Sinn. Im Mittelpunkt der begrenzten Geschichte steht das Erscheinen Jesu Christi, das eschatologische Ereignis schlechthin.“100 Das „einzig wahre Heilsgeschehen“, das sich innerhalb der Weltzeit als „Fortschritt“ entfaltet, sei „nichts anderes als eine unermüdliche Pilgerschaft [der Bürger der ciuitas dei] zu einem letzten überirdischen Ziel“.101 Erst „mit den Augen des Glaubens gesehen“ erscheine die Profangeschichte wie auch die Heilsgeschichte als eine „vorherbestimmte ordinatio Dei“. Jedoch ist dieses menschliche Erkennen der göttlichen Ordnung immer nur bruchstückhaft und begrenzt auf das, was „Gott uns zu offenbaren beliebt“. Für Augustin enthülle „vor allem die Geschichte der Juden die gesamte Geschichte der Welt als sinnvoll gerichtet und Gottes Gericht unterstellt“.102

2.3 Wilhelm Kamlah: Christentum und Geschichtlichkeit Der Philosoph Wilhelm Kamlah (1905–1976), der auch evangelische Theologie studiert hatte, überschrieb die 1940 erschienene erste Auflage seiner Habilitationsschrift mit Christentum und Selbstbehauptung. Die zweite, erweiterte und hier 99 Löwith,

Weltgeschichte, S.  182. A.a.O., S.  183. 101  Ebd. Ein innerweltlicher „Fortschritt“ sei eigentlich gar nicht das Problem Augustins gewesen, lediglich im Gedanken des „Fortschreitens“ (procursus) „zu einer immer entschiedeneren Scheidung von Glaube und Unglaube“ sei ein entsprechendes Äquivalent zu der modernen Frage nach dem Fortschritt zu finden (a. a. O., S.  186). Gegen eine solche Auffassung von procursus argumentiert u. a. mit Bezug auf ep.  1A*,1 Mommsen, Idea, S.  371. Gegen die Auffassung, peregrinatio sei ein auf ein Ziel zulaufender Prozess, wendet sich Ernst A. Schmidt. Philologisch sei festzuhalten, dass Augustin nicht von einer peregrinatio ad …, sondern von einer peregrinatio a / ab … spreche und damit einen Zustand, nämlich den „Fremdlingsstatus“, d. h. das „Leben in der Fremde, fern von (der eigentlichen Heimat)“ meine (vgl. Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  366). 102 Löwith, Weltgeschichte, S.   184 f. Den letzten im Hinblick auf die Bedeutung des Alten Testaments für das Geschichtsdenken Augustins wichtigen Gedanken führt Löwith allerdings nicht weiter aus, sondern belässt es bei der Angabe von mehreren Kapiteln aus ciu. (IV 34; V 12.18.21; XVI 43; XVII 16; XVIII 45 ff.). 100 

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zur Grundlage genommene Auflage trägt dagegen den Titel Christentum und Geschichtlichkeit.103 Kamlah geht es um eine Verhältnisbestimmung des Christentums zu seiner ‚Geschichtlichkeit‘. Dieses Verhältnis ist wiederum einem historischen Wandel unterworfen, den Kamlah im ersten Hauptteil im Hinblick auf die Zeit der „Entstehung des Christentums“ nachzeichnet. Den zweiten Hauptteil widmet er dann gänzlich Augustins Werk ciu., in dem er die Haltung des christlich-eschatologischen Glaubens zur Geschichtlichkeit idealtypisch entfaltet findet: Eschatologischer Glaube und Geschichtlichkeit stünden, wie es sich bereits bei Jesus und der Urgemeinde gezeigt habe, in einem scharfen Gegensatz zueinander.104 Nicht zuletzt deshalb ist Kamlahs Entwurf von Interesse, da seine Grundthese letztlich eine Opposition von ‚israelitisch-jüdischer Geschichtlichkeit‘ und dem Geschichtsdenken Augustins in ciu. impliziert. Von der Existentialphilosophie Martin Heideggers beeinflusst, distanziert Kamlah sich von der historistischen Auffassung, Geschichte sei ein „objektive[r] Prozeß“, und befasst sich stattdessen mit der Geschichtlichkeit, auf der die Geschichte selbst erst basiert und die in der Verfassung des Einzelnen angelegt ist.105 Der Einzelne lebt in der Tradition, der Sprache, in seiner Angewiesenheit auf andere, die Geschichtlichkeit komme als seine „zweite Natur“ hinzu und wächst da, wo er eigenmächtig zur Selbstständigkeit strebt.106 Diese Selbstständigkeit wiederum kann die „in Gott gegründete Selbständigkeit des christlichen Glaubens“ oder aber die „Selbständigkeit der Vernunft“ sein. Letztere kann für sich genommen den Menschen in den „Abfall der eigensinnigen Selbstbehauptung“ treiben. Kamlah spricht sich dagegen für eine Neubegründung der Vernunft im Glauben an Gott aus, die dadurch gelingen könne, dass die Vernunft „nach einer [sie] ermöglichenden Begründung“ fragt, die außerhalb ihrer selbst liegt.107 103  Zu den verschiedenen Gründen, die Kamlah zu einer grundlegenden Überarbeitung und einer Änderung des Titels bewogen haben, s. Kamlah, Christentum, S.  347 f. Er nennt hier u. a. seine Beschäftigung mit dem Universalienproblem und der „Philosophie der Hingabe“. „Selbstbehauptung“ und „Geschichtlichkeit“ fungieren in der Terminologie Kamlahs zwar nicht als Synonyme, beschreiben aber ein ähnliches Phänomen. Die (politische oder kulturelle) Selbstbehauptung stellt gewissermaßen einen wesentlichen Aspekt der Geschichtlichkeit dar, ohne diese aber vollständig zu umfassen (vgl. auch a. a. O., S.  7–30). 104  A.a.O., S.  5 f.; vgl. Eisenhuth, Rezension, Sp.  42. 105 Kamlah, Christentum, S.  21. Martin Heidegger bestimmt die Geschichtlichkeit als „die Seinsverfassung des ‚Geschehens‘ des Daseins als solchen, auf dessen Grunde allererst so etwas möglich ist wie ‚Weltgeschichte‘ und geschichtlich zur Weltgeschichte gehören“ (Heidegger, Sein, S.  20). 106 Kamlah, Christentum, S.  2 3. 107  A.a.O., S.  13. Kamlah wendet sich somit einerseits gegen die die Vernunft überhöhende „rationalistische Auf klärung“, andererseits gegen einen sich durch die „Ächtung der Vernunft“ auszeichnenden Protestantismus (a. a. O., S.   8.11). Der Unterscheidung zwischen christlichem Glauben und der Vernunft entspricht in gewisser Weise seine Feststellung, dass die „abendländische Tradition […] eine zweifache Wurzel hat, die biblische und die griechische“ (a. a. O., S.  9). Die neuzeitliche Auf klärung und die mit ihr einhergehende „Entchrist-

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Allerdings geht Kamlahs Begriff von Geschichtlichkeit über das Schicksal des Einzelnen hinaus: „Das geschichtliche Geschehen ist nicht beliebig, sondern es ‚gilt uns allen‘.“108 Dieses „uns“ bzw. „wir“ meint nicht die universale Menschheit, sondern immer „eine begrenzte, besondere Gemeinschaft, je besondert nach geschichtlichem Ort und geschichtlicher Zeit“.109 Die Geschichtlichkeit eines Volkes etwa kann sich in politischer oder kultureller Selbstbehauptung gegenüber anderen Völkern ausdrücken, wie im Fall des Volkes Israel. Erst wenn eine solche Gemeinschaft entgrenzt wird, indem man einem geschichtlichen Ereignis (wie dem Kreuzestod Jesu) universale und nicht nur auf die eigene Gemeinschaft bezogene Bedeutung beimisst, kann die individuelle oder auch die kollektive Selbstbehauptung überwunden werden.110 Geschichtlichkeit darf aber nicht einfach als ein Gegensatz zum Christentum verstanden werden. Kamlah weist in seiner Untersuchung nach, dass es in der Geschichte des Christentums zwar anfangs einen Prozess der „Überwindung der israelitisch-jüdischen Geschichtlichkeit“ gegeben, sich aber bald eine neue, „christliche Geschichtlichkeit“ ausgebildet habe. In einem ersten Schritt möchte Kamlah zeigen, dass die Auf hebung der israelitisch-jüdischen Geschichtlichkeit bereits im Alten Testament (insbesondere in der frühen Prophetie) und im Frühjudentum begonnen hat. Israel habe sich ursprünglich als „Blutseinheit“ oder „Bundeseinheit“ begriffen und JHWH als ‚seinen‘ Herrn und damit Teil des „geschichtlichen Wir des Volkes“ geglaubt, dessen Eingreifen in die Geschichte im Sinne der Selbstbehauptung Israels erhofft wurde (nach dem Vorbild des Exodusgeschehens).111 Demgegenüber ging mit der Ausbildung des Monotheismus, dem Glauben an einen einzigen und allwirksamen Gott, nicht nur eine „Entmächtigung der Fremdgötter“, sondern auch eine zunehmende „Entmächtigung des Menschen“ selbst einher. Die prophetische Opposition verurteilte schon früh Phänomene der übersteigerten menschlichen Selbstbehauptung im politischen oder auch im ökonomischen Bereich.112 Der Zusammenbruch des Südreiches und das Babylonische Exil wurden als göttliches Gericht über Israel verstanden: Gott habe bewusst „die Selbstbehauptung des Volkes scheitern lassen“. Hier sieht Kamlah den Wandel vom „alten Israel“ zum „Judentum“ vollzogen: Es verstehe sich nun nicht mehr als ein sich politisch selbst lichung“ bewertet Kamlah als eine Radikalisierung der „rationale[n] Weltbemächtigung des antiken Geistes“ (a. a. O., S.  18). 108  A.a.O., S.  13. 109  A.a.O., S.  14. 110  Vgl. a. a. O., S.   15. Kamlah spricht hier auch von der „Universalität des Wir“: „Der ‚private Mensch‘ ist jetzt wortwörtlich der Mensch in seiner ‚geraubten‘ Besonderheit, in der er sich selbstmächtig behaupten will, während die Botschaft von den ‚Heilsereignissen‘ aus dieser Besonderung herausruft in die Allgemeinschaft der Glaubenden oder in die allgemeine ‚Bürgerschaft Gottes‘, wie Augustin zu sagen liebt.“ (ebd.) 111  A.a.O., S.  36.38. 112  A.a.O., S.  4 0 f.

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behauptendes Volk, sondern als „Gemeinde“, die auf die eschatologische „herrliche Wiederaufrichtung Israels“ durch Gott hofft.113 Jesus habe in seiner Verkündigung die in der alttestamentlichen Prophetie angelegte „Entgrenzung“ der jüdischen Geschichtlichkeit radikalisiert, die etwa auch im Gedanken der eschatologischen „Bekehrung aller Heiden“ bei Deuterojesaja ihren Ausdruck fand.114 Indem er das anbrechende Reich Gottes als den neuen Äon predigte, der im Unterschied zum alten Äon keine geschichtliche Erstreckung mehr hat, erteilte er jeder Hoffnung auf eine „geschichtlich-politische Zukunft“ eine Absage und verzichtete auf jede Form der Selbstbehauptung.115 Dieser Verzicht auf Selbstbehauptung geht bis hinein in das individuelle Verhalten: Nicht nur soll der Christ Gewaltverzicht üben, sondern auch auf die Durchsetzung seines eigenen Rechts gegenüber seinem Nächsten verzichten.116 Jesus habe dem Gesetz seinen „rechtlich-geschichtlichen Charakter“ genommen, indem er es (insbesondere im Doppelgebot der Liebe) in das Gewissen des Einzelnen gelegt habe, der dem Gotteswillen verpflichtet ist. Dieser Gotteswille ist die in seiner Gnade zum Ausdruck kommende vergebende Liebe, der der Glaubende in seinem Verhalten gegenüber seinem Nächsten zu entsprechen hat.117 In der Predigt und dem Selbstverständnis der urchristlichen Gemeinde habe sich dann die radikale Entgrenzung israelitisch-jüdischer Geschichtlichkeit bewahrt: Der Christusgläubige gehorcht in der Welt einer Fremdherrschaft. Sein König ist Christus, seine Bürgerschaft ist im Himmel [Phil 3,20], seine Polis ist die Gottesstadt, das himmlische Jerusalem der Zukunft [Gal 4,26; Hebr 11,8–10; 12,22; 13,14; Off b 3,12; 21,2]. Keinerlei sorgende Selbstbehauptung geht ihn noch an, auch die politische nicht. Der Ausdruck ‚die Fremdlinge‘ ist den Christen von Anfang an als Selbstbezeichnung geläufig [1Petr 1,1.17; 2,11; Hebr 11,13].118

Gerade aus diesen das eschatologische Selbstverständnis der urchristlichen Gemeinde charakterisierenden Sätzen, die in auffälliger Weise an Beschreibungen der ciuitas dei bei Augustin erinnern, wird deutlich, welchen Blick Kamlah auf die Geschichte des frühen Christentums wirft und mit welcher Darstellungsabsicht er seine Ausführungen „Zur Entstehung des Christentums“ seiner Analyse von ciu. vorschaltet. Denn die auf die Zeit der ersten Gemeinde folgenden Jahrhunderte nimmt er vornehmlich als von der „Ausbildung einer christlichen 113  A.a.O., S.  42. Dabei muss allerdings betont werden, dass diese prophetischen Deutungen der geschichtlichen Ereignisse in ihrer Wirkung begrenzte „Vorstöße“ bedeuten, tatsächlich gab es auch nach dem Exil Tendenzen politischer Selbstbehauptung, auch wenn das Volk Israel unter wechselnder Fremdherrschaft stand (vgl. a. a. O., S.  34). 114  A.a.O., S.  3 4. 115  A.a.O., S.  42.44. 116  Vgl. a. a. O., S.  4 8, mit Bezug auf Mt 5,40. 117  Vgl. a. a. O., S.  47. 118  A.a.O., S.  57 f.

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Geschichtlichkeit“ geprägt wahr. Insbesondere aufgrund der ausbleibenden Par ­usie sei es für das Christentum notwendig geworden, sich in der Geschichte als Gemeinschaft zu behaupten:119 Dazu zähle u. a. die gerade in der Eucharistie deutlich werdende Ausbildung eines ‚Wir‘ im Gegenüber zu den ‚Anderen‘, die Herausbildung hierarchischer Organisationsstrukturen („Frühkatholizismus“) oder auch die Entstehung eines „neuen Gesetzes“, das im Unterschied zum universalen Anspruch der jesuanischen Predigt wieder in seiner Geltung auf eine spezifische geschichtliche Gemeinschaft, nämlich die Christen, beschränkt war. Zudem hätte sich das Christentum in den ersten Jahrhunderten sowohl gegen die heidnische Philosophie als auch gegen innere Widersacher („Ketzer“) behaupten müssen und eine eigene, christliche Philosophie herausgebildet.120 Die „paradoxe Spannung“ zwischen „eschatologischem Selbstverständnis“ und „faktischer Geschichtlichkeit“, in der sich das frühe Christentum befand, sieht Kamlah auch in ciu. gegeben: Bei Augustin sei „die vernünftige Ausarbeitung des abendländischen Christentums zur universalen, aber geschichtlichen Religion […] zu einer ersten, die christliche Antike abschließenden Vollendung“ gekommen.121 Dabei habe er das Problem „Christentum und geschichtliche Selbstbehauptung“ explizit thematisiert, ja er war bereits durch den Anlass der Schrift dazu herausgefordert: Musste er doch hier das Christentum gegen diejenigen verteidigen, die den Einfall der Goten in Rom 410 n. Chr. als Rache der vernachlässigten römischen Götter deuteten und deswegen die Wiedereinführung des Staatskultes (unter Zurückdrängung der christlichen Religion) forderten – ein Ausdruck „römischer Selbstbehauptung“ gegenüber dem Christentum.122 Christliche Geschichtsschreibung dagegen, wie u. a. Augustin sie betreibt, ist so gesehen ein Ausdruck der christlichen Selbstbehauptung gegenüber der paganen Welt. Gegen die Auffassung, Augustin habe einen ‚doppelten Kirchenbegriff‘ vertreten, betont Kamlah, dass ecclesia bei Augustin immer einen „eschatologischen 119 

A.a.O., S.  64.67. a. a. O., S.  64–129. Die zahlreichen, schon wegen ihrer Begrifflichkeit aus Sicht der heutigen Forschung zu hinterfragenden Einzelbeobachtungen Kamlahs zur Geschichte des frühen Christentums können hier nicht im Einzelnen diskutiert werden. Allerdings zeigt er sich als ein Vertreter der These von der ‚Hellenisierung des Christentums‘, geht er doch davon aus, dass das Christentum als geschichtliche und „universale Religion“ erst durch die Rezeption der griechischen Philosophie zu einer solchen wurde: und zwar nicht in der Zeit des Urchristentums, sondern erst im 2. Jahrhundert bei den Apologeten (a. a. O., S.  99; s. dazu Vielhauer, Urchristentum, S.  256). Philipp Vielhauer kritisierte hier zu Recht, dass die „Tradition der griechischen Vernunft […] faktisch schon auf das Urchristentum eingewirkt und ihre nicht zu übersehenden Spuren im Neuen Testament hinterlassen“ habe (vgl. a. a. O., S.  273–276, Zitat: S.  276). 121 Kamlah, Christentum, S.  67.133. Diese paradoxe Spannung, in der das Christentum als geschichtliche und zugleich universale Religion nach Kamlah bis heute steht, hat Augustin durch seine Vermittlung von Glauben und Vernunft für das Denken seiner Zeit in herausragender Weise unternommen (vgl. Vielhauer, Urchristentum, S.  267 f.). 122 Kamlah, Christentum, S.  134. 120  Vgl.

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Sinn“ habe und so an keiner Stelle mit der „empirische[n] katholische[n] Kirche“ gleichzusetzen sei.123 Deshalb sei auch die Übersetzung von ecclesia mit „Gemeinde“ derjenigen mit „Kirche“ vorzuziehen, da sie den „alten eschatologischen Sinn von ἐκκλησία“ in sich trägt.124 Eine gewisse Doppelheit gebe es bei Augustin allenfalls insofern, als er von einer „Gemeinde-Jetzt“, die in der Weltzeit in ihrer pilgernden Existenz begriffen ist, und von einer „Gemeinde-Dann“, die von den mali erlöst zu vollkommener Seligkeit bei Gott gefunden hat, sprechen kann. Beides ist aber die ecclesia, einmal in ihrer vorläufigen, dann in ihrer vollendeten Form.125 Die communio sacramentorum, auch wenn sich mali unter sie mischen, ist nicht bloß eine äußerliche Sakramentsgemeinschaft, sondern in der Eucharistie haben die Erwählten Anteil an der Gemeinschaft der Heiligen.126 Insofern die „Gemeinde-Jetzt“ als unvollendetes corpus permixtum noch auf der Erde existiert, bildet sie auch eine Geschichtlichkeit aus. Erst „im Horizont der Erwählung“ – denn nur Gott selbst kennt die wahre Gemeinde „als seine ecclesia praedestinata“ – verliert die „Gemeinde-Dann“ ihre Geschichtlichkeit und entspricht damit wieder dem Ideal der eschatologischen Gemeinde, das Kamlah in der Verkündigung Jesu ausgemacht hat.127 Den Begriff ciuitas müsse bei Augustin im Sinne der griechischen πόλις verstanden und in den allermeisten Fällen mit „Bürgerschaft“, seltener mit „Stadt“ übersetzt werden, wobei die Stadt die „Wohnstatt der Bürgerschaft“ meint. Bürgerschaft / ciuitas bezeichne in erster Linie die „geschichtliche Existenz des Bürgerseins, […] die Existenz im Wir der Bürgergemeinde“.128 Folglich ist mit ciuitas dei nicht der „Gottesstaat“ gemeint, sondern die Bürgerschaft Gottes, die Gemeinde, die auf ihre eschatologische Vollendung zugeht. Augustin habe gerade nicht gesagt: „Die empirische katholische Kirche ist der Staat Gottes auf Erden“, wie es seine Interpreten im Mittelalter aus ciu. herauszulesen meinten. Mit seiner Aussage „Die Gemeinde Christi ist Gottes Bürgerschaft auf Erden“ liege Augustin ganz auf der Linie christlich-eschatologischer Tradition, die sich von Paulus an in der „ganzen alten Kirche“ wiederfindet. Wenn Kamlah schreibt, „Augustins Verständnis der Gemeinde ist die immer neu vollzogene Überwindung faktischer Geschichtlichkeit in die Eschatologie“, will er sich 123 

A.a.O., S.  137. Gegen Kamlah hält Bernhard Lohse fest, dass „Augustin sehr wohl das, was man die empirische, katholische Kirche […] nennt, vertreten hat, ohne darüber das eschatologische Moment, das der Kirche eignet, aus den Augen zu verlieren“ (B. Lohse, Eschatologie, S.  237). 124 Kamlah, Christentum, S.  139. Noch nicht in der Alten Kirche, sondern erst im Mittelalter verbinden sich laut Kamlah mit dem latinisierten Begriff ecclesia Vorstellungen von sacerdotium (Priestertum) und Hierarchie (vgl. ebd.). Kritik daran übt u. a. Ratzinger, Herkunft, S.  425. 125 Kamlah, Christentum, S.  140. 126  Vgl. a. a. O., S.  146, mit Verweis auf ciu. XXI 25, S.  795, Z.  59 – S.  796, Z.  8 8. 127 Kamlah, Christentum, S.  149. 128  A.a.O., S.  156.

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zum einen von denjenigen absetzen, die die ciuitas dei als „Gottesstaat“ oder gar als „Reich Gottes“ mit der „empirischen katholischen Kirche“ gleichsetzen, zum anderen aber auch von denen, die die ciuitas dei in den „Raum des ‚Idealen‘“ verschieben wollen und von da aus das vermeintliche „‚Schwanken‘ und ‚Schillern‘“ der Begriffe ecclesia und ciuitas dei bei Augustin zu erklären suchen.129 Da Kamlah wie dargestellt die „israelitisch-jüdische Geschichtlichkeit“ als im Christentum vollständig überwunden betrachtet,130 fehlt bei seinen Ausführungen zu Augustins ciu. bedauerlicherweise eine eingehende Auseinandersetzung mit dessen Rezeption der alttestamentlichen Schriften im Rahmen seiner Geschichtsdarstellung; ciu. XV-XVIII werden von Kamlah kaum herangezogen. Gerade vor dem Hintergrund seiner intensiven Auseinandersetzung mit den israelitisch-jüdischen Geschichtsvorstellungen und seines eigenständigen Konzepts von Geschichtlichkeit wäre eine solche Auseinandersetzung von großem Interesse gewesen. Dass die Geschichte neben der Natur eine eigenständige Thematisierung erfährt, beurteilt Kamlah als „Ergebnis der Verchristlichung des Abendlandes“. Das christliche Geschichtsverständnis wiederum wurzelt im Alten Testament, das erstmals die Geschichte als einen von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende von Gott bestimmten Prozess verstanden hat: In der „jüdischen Religion“ habe sich ein „ganzheitliches Sehen von ‚Heilsgeschichte‘“ ausgebildet, das im Christentum „zu voller Deutlichkeit“ gekommen sei.131 Während das einstmals in seiner Macht stets wachsende Imperium Romanum zur Zeit Augustins in eine Phase der Stagnation gefallen und zu einer Restitution der pax Augusta immer weniger imstande war, sei für Augustin das Wachstum der Gemeinde Gottes „der vorherrschende Aspekt seines heilsgeschichtlichen Denkens“ gewesen, auch wenn er davon überzeugt war, dass diese Gemeinde nicht innerhalb der Geschichte, sondern erst eschatologisch zur „allgemeinen Kirche der Heiligen Gottes“ werden könne.132 Damit wendet er sich der „ursprünglichen Eschatologie“ wieder zu und erteilt der Verquickung von „urchristlicher und römischer Reichseschatologie“, wie sie etwa bei Eusebius zu finden ist, eine Absage.133 Auch vor dem Hintergrund der Bekämpfung der „Moralität des Pelagianismus“ könne der späte Augustin die origenistische Anschauung einer „pädagogisch fortschreitenden Heilsgeschichte“, die die moralische Vollkommenheit der Menschheit zum Ziel hat, nicht teilen.134 Der Endzweck der Geschichte 129 

A.a.O., S.  159. Ähnlich äußert sich Flasch, Denken, S.  55. Judenchristentum der Jerusalemer Urgemeinde wird bei ihm zur bald zugrunde gehenden „jüdischen Sekte“, die frühe Kirche wird fortan vor allem als „Heidenkirche“ wahrgenommen (vgl. Kamlah, Christentum, S.  69). 131  A.a.O., S.  3 02 f. 132  A.a.O., S.  3 07. 133  A.a.O., S.  3 08 f. 134  A.a.O., S.  311. 130  Das

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liege bei Augustin in der Sammlung der von Gott vorherbestimmten Bürger, um die durch den Engelfall entstandene Lücke zu schließen. Das eschatologische Voranschreiten der Verkündigung […] erscheint hier nur noch als die zahlenmäßig voranschreitende Wiederherstellung der einst beschädigten Gottesstadt, als ein Vorgang also, der entweder ‚sinnlos‘ ist oder jedenfalls in seiner Monotonie nicht mehr erlaubt, am Lauf der Zeiten Stufen zu unterscheiden, nämlich besonderte Fortschritte der allgemeinen Menschheit, deren gerichtete Folge vom Ende als Ziel her verständlich würde.135

Das eigentliche geschichtliche Problem Augustins ist Kamlah zufolge „die Problematik des Imperium“ gewesen. Obwohl er sowohl das „römisch-heidnische“ als auch das „verchristlichte Reichsbewußtsein“ (Eusebius) entschieden bekämpft habe, so hoffte doch auch er auf die „Restitution des Reiches durch Gott“, auch wenn er dieses Reich nie als sacrum imperium, sondern lediglich als ein irdisches Gut verstanden habe.136 Zwar sei diese Hoffnung nur beiläufig zum Ausdruck gekommen,137 dennoch habe er bei aller von ihm geäußerten Kritik am Römischen Reich keinen Zweifel daran gelassen, dass das Römische Imperium selbstverständlicher Bestandteil der bestehenden Weltordnung ist. Kamlah ist der Meinung, Augustin selbst habe gar keinen Geschichtsbegriff im modernen Sinne gehabt,138 und so zeigten auch die die Weltgeschichte behandelnden Bücher ciu. XV-XVIII „so gut wie keine Bemühung um die historische Vergangenheit als solche“, sondern allenfalls einige Erörterungen von chronologischen Problemen. Vor allem handele es sich hier um „sehr ausführliche Exegesen alttestamentlicher Texte und Ereignisse, die Christus und seine Bürgerschaft präfigurieren“.139 Die „Zeitrhythmik“ Augustins sei bestimmt 135  A.a.O., S.  313; vgl. dazu auch Fries, Weltgeschichte, S.  91 f., der dieser weitgehenden ‚Sinn-Losigkeit‘ der innerweltlichen Geschichte in ciu. etwas Positives abgewinnen kann. Vielleicht liegt auch darin ein Grund für die in den Nachkriegsjahren signifikant gestiegene Beschäftigung mit Augustins ciu., da er ein (christliches) Geschichtsbild vermittelte, das die Standfestigkeit des Glaubens von den Wirren und Krisen der Weltgeschichte unabhängig zu machen sucht. Fries schreibt (sowohl passend auf die Krisen des 20. Jahrhunderts als auch im Hinblick auf die Gegenwart Augustins): „Kein Untergang des Abendlandes kann deshalb den Untergang der Wahrheit Jesu Christi bedeuten.“ (a. a. O., S.  92; vgl. auch Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  364 f.; Näf, Geschichtsschreibung, S.  144 f.; Koselleck, Geschichte, S.  344 f.) 136 Kamlah, Christentum, S.  317 f. 137  Vgl. a. a. O., S.  318. Kamlah nennt hier beispielhaft die Annahme Augustins, dass bei vorausgesetzter Korrespondenz des östlichen Weltreiches der Assyrer mit dem westlichen Weltreich der Römer Letzteres noch viele Jahre bestehen müsse, wenn es genau so alt werden soll wie das Assyrerreich, nämlich 1240 Jahre (vgl. ciu. IV 6, S.  103, Z.  20–25). 138  Vgl. Kamlah, Christentum, S.  330 f. 139  A.a.O., S.  332. Während man der zweiten Aussage zustimmen kann, muss die Auffassung Kamlahs, Augustin habe in ciu. XV-XVIII kein Interesse an der „historischen Vergangenheit“ gezeigt, zurückgewiesen werden. Immer wieder sind seine exegetischen Bemühungen darauf gerichtet, nachzuweisen, dass die biblischen Erzählungen auf tatsächlich geschehenen historischen Ereignissen beruhen.

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von Geborenwerden (succedere) und Sterben (cedere), wichtiger als das einzelne geschichtliche Ereignis sei das „Grundelement dieses ‚Laufes‘“, das auch in den die ciuitates in der Weltzeit charakterisierenden Begriffen procursus bzw. excursus deutlich wird.140 Gemäß Kamlahs Darstellung strebt der Mensch nach Augustin entweder nach dem wahren Frieden und nimmt seine irdische Existenz als Pilgerschaft wahr, oder aber er bleibt dieser Welt verhaftet und strebt als Glied der ciuitas terrena allein nach irdischen Gütern. Im zweiten Fall glaubt er „wie einst das Israel des Alten Bundes und wie noch heute die Heiden an die hier erfüllbare ‚Verheißung‘: Wenn er nur dies oder jenes, was er gerade entbehrt, gefunden haben wird, dann wird sein Leben befriedet sein [‚pax terrena‘].“ Den irdischen Frieden sucht zwar auch die ciuitas dei während ihrer irdischen Pilgerschaft zu befördern, allerdings als ‚irdisches Gut‘, nicht aber als Ziel ihrer Existenz.141 Während also die Glieder der ciuitas terrena mit Kamlah gesprochen in eigensinniger Selbstbehauptung begriffen sind, streben die Glieder der ciuitas dei letztlich auf einen Zustand völliger menschlicher Entmächtigung, aufgehoben in der Allmacht Gottes. Die Selbstbehauptung der Bürger der ciuitas dei beschränke sich auf den „Kampf [ihrer] moralischen Selbstbeherrschung“. Kamlah wirft Augustin vor, er habe „in der einzigen Absicht, den eschatologischen Sinn der christlichen Gemeinde neu zu schärfen und vernünftig zu verstehen, […] die faktische Geschichtlichkeit dieser Kirche“ übersehen, obwohl er selbst „zu deren dauerhafter Einbürgerung in dieser Welt“ sowohl in seiner Amtsausübung als Bischof, vor allem aber durch seine wirkmächtige Lehre entscheidend beigetragen habe.142

2.4 Joseph Ratzinger: Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche Die 1954 publizierte Dissertation Joseph Ratzingers (1927–2022) hat als wesentlicher Forschungsbeitrag zu ciu. von katholischer Seite zu gelten. Auch wenn der Autor das Geschichtsdenken Augustins nicht explizit thematisiert, so meint er doch durch seine Analysen zu den Begriffen ‚Volk Gottes‘ und ‚Haus Gottes‘, die er als Teilaspekte des übergreifenden ciuitas-Konzepts Augustins begreift, zeigen zu können, dass dieses Konzept im Wesentlichen aus Augustins Auseinandersetzung mit dem Alten Testament hervorgegangen ist.143 Insofern ist seine Studie von Interesse für die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung. 140 

A.a.O., S.  333. A.a.O., S.  325 f. 142  A.a.O., S.  339 f. 143  Vgl. Ratzinger, Volk, S.  53.231.241.247.322 f.346.413.415 u.ö. 141 

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Zur Einordnung der Arbeit Ratzingers ist einerseits auf die enge Bezogenheit hinzuweisen, die er zwischen historischer Forschung und Systematischer Theologie sieht,144 andererseits und damit zusammenhängend, darf seine Arbeit nicht gelöst werden aus ihrem zeitgeschichtlichen Kontext, den theologischen Diskussionen im Vorfeld des II. Vatikanums (1962–1965). Wenn er die Ekklesiologie dieses Konzils rückblickend als „wesentlich eucharistische Ekklesiologie“ definiert und in ihr eine Synthese „alle[r] wesentlichen Elemente der großen biblischen und patristischen Tradition“ erkennt, so fällt hier eine deutliche Parallele zu dem Ergebnis auf, zu dem er selbst bei seiner Dissertation gekommen war. Hatte sich doch für ihn die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem ciuitas-Konzept stehende „Leib-Christi-Lehre [Augustins] als eucharistische Ekklesiologie“ erwiesen.145 Die Fragestellung geht auf eine Preisausschreibung des Münchner Fundamentaltheologen Gottlieb Söhngen zurück, der unter dem Eindruck der Lektüre des Buches über die Ekklesiologie im Werden von Mannes D. Koster146 die Frage stellte, ob der Begriff ‚Volk Gottes‘ und nicht wie vordem angenommen die Leib-Christi-Theologie das Zentrum der Ekklesiologie Augustins bildet. Söhngen ergänzte die Fragestellung um den Begriff des ‚Hauses Gottes‘, der einerseits vor dem Hintergrund der archaischen Sozialisationsform der Familie bzw. Sippe möglicherweise als Vorform des ‚Volk Gottes‘-Begriffs gelten kann, mit dem andererseits die gesamte Thematik des Tempels und des Kultes (und dessen Transformation im Christentum) in den Blick kommt.147 Die Stoßrichtung der Ekklesiologie Augustins, wie sie insbesondere in ciu. entfaltet wird, sieht Ratzinger in erster Linie gegen die Heiden und gegen die Donatisten gegeben; den antipelagianischen Kampf meint er hier ausblenden zu können.148 Früher, im Kampf gegen die Manichäer habe Augustin die Heilige 144 

Vgl. dazu seine Ausführungen im Vorwort zur ersten Auflage, a. a. O., S.  43. das Vorwort zum ersten Band seiner Gesammelten Schriften, a. a. O., S.  8 f.: „Rückblickend kann ich nur tiefe Dankbarkeit empfinden, dass mir die ‚Preisarbeit‘ von damals nicht nur die Tür zu einer lebenslangen Freundschaft mit dem heiligen Augustinus geöffnet hat, sondern mich auf die Spur der eucharistischen Ekklesiologie führte und mir so ein Verstehen der Realität Kirche geschenkt hat, das mit den tiefsten Intentionen des II. Vatikanischen Konzils übereinstimmt und zugleich in die spirituelle Mitte christlicher Existenz hineinführt.“ Vgl. dazu auch seine Ausführungen im Vorwort zur zweiten Auflage (1992), a. a. O., S.  56 f. 146  Koster hatte in seinem 1940 erschienenen Buch den Nachweis zu führen versucht, dass das ‚Volk Gottes‘ der biblisch fundierte Leitbegriff einer Ekklesiologie sein solle. Demgegenüber müsse der derzeit in der Ekklesiologie (u. a. auch im I. Vatikanum) dominierende Begriff des ‚mystischen Leibes Christi‘ zurückgewiesen werden, auch weil der Leib Christi eine Metapher und nicht wie das ‚Volk Gottes‘ einen Sachbegriff darstelle (vgl. Koster, Ekklesiologie, passim; Ratzinger, Volk, S.  6 f., 51; Jelke, Rezension, S.  111 f.). 147  Vgl. Ratzinger, Volk, S.  50. 148  Vgl. a. a. O., S.  195 f. Sicher hat Ratzinger Recht, wenn er die gerne auf die Biographie Augustins angewendete Dreiteilung in eine antimanichäische (bis 400), eine antidonatistische (bis 411) und eine antipelagianische Phase (ab 411; s. dazu u. a. Rexer/Drecoll: B.I.3: 145 Siehe

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Schrift als „unabhängige Gottesautorität“ herangezogen, wobei, da sich ja immer auch die Gegner derselben zur Legitimation ihrer Ansichten bedienten, für Augustin der „Glaube der Kirche“ jener „objektive Halt“ war, um sich im „Wirrwarr der Schriftauslegungen“ zu orientieren.149 Da im Kampf gegen die Donatisten nun aber zwei Kirchen den wahren Glauben für sich beanspruchten, wurde für Augustin die Schrift selbst zur „unparteiische[n] Instanz“. Die Wahrheit der Kirche musste sich also aus der Schrift erweisen.150 Zu einem Schlüssel des Verständnisses der alttestamentlichen Texte wurde Ratzinger zufolge für Augustin Lk 24,44–47: Jesus Christus öffnet hier seinen Jüngern den Sinn der Schrift, der darin bestehe, dass in ihr Christi Tod und Auferstehung sowie die Völkerkirche verheißen werden. Davon ausgehend sah Augustin die Verheißung der ecclesia catholica in der ganzen Schrift gegeben.151 In diesem Zusammenhang war für ihn die Segnung aller Völker im Samen Abrahams (vgl. Gen 12,3; 22,18) ein zentrales Motiv, das schon für Paulus von großer Bedeutung war, der ‚Abrahams Samen‘ mit Christus selbst identifiziert hatte (vgl. Gal 3,6–18). Für Augustin ist daher die ecclesia catholica, die Kirche aus allen Völkern, das bereits im Alten Testament verheißene eine Volk aus Abrahams Samen, dessen alle Unterschiede nivellierende innere Einheit Jesus Christus ist. Nicht aus sich heraus wird die Kirche zu dem einen Volk Gottes (populus dei), sondern erst in der Segnung durch Christus.152 Die mater ecclesia stellt einen weiteren ekklesiologischen Kerngedanken Augustins dar, der – wie Ratzinger zeigen kann – eng verbunden ist mit dessen Rezeption alttestamentlicher Motivik. Wenn der Prophet Haggai von dem Götzendienst betreibenden Israel metaphorisch als der untreuen Mutter spricht, die die Ehe mit Gott gebrochen hat (vgl. Hag 2,4–15), so sehe Augustin darin „den alttestamentlichen Typus jenes Volkes, das sich von der Einheit der Liebe gelöst hat und mit fremden Herren buhlt und damit sich in einem eigentlichen Sinn als populus carnalis erweist“. Demgegenüber erscheine ihm die Kirche als Vita, S.  43) als zu schematisch bezeichnet und darin die Opposition Augustins gegen die Heiden als eigenständiges Phänomen vermisst. Gerade in jüngerer Zeit wurde nachgewiesen, dass die heidnische Philosophie, insbesondere die (Neu-)Platoniker (vgl. Tornau, Rhetorik – Philosophie, S.  48–53.61; ders., Zwischen Rhetorik, S.  112–125) und darunter wiederum v. a. Porphyrios (vgl. u. a. Trettel, Desires; Bochet, Porphyry; DeMarco, Porphyry; Erler, Imitari; Drecoll, Porphyrios), als wichtiger Gegner nicht nur des ersten, sondern auch des zweiten Hauptteils von ciu. anzusehen ist. Fragwürdig scheint allerdings, den Kampf gegen den Pelagianismus als für Augustins Darstellung der Kirche (und damit für Ratzinger auch dessen ciuitas dei-Lehre) unerheblich anzusehen. Viele Einzelbeobachtungen an ciu., dessen Abfassung ja fast vollständig in die ‚antipelagianische Phase‘ fällt, sprechen klar gegen eine Ausblendung des antipelagianischen Kontextes. 149 Ratzinger, Volk, S.  199 f. 150 A.a.O., S.   200 f., mit Verweis auf bapt. 2,9, S.  184, Z.  6 –11. Diese Schrift ist in den frühen Jahren nach 400 entstanden und fällt damit in die Zeit des antidonatistischen Wirkens Augustins (zur Datierung s. Abschnitt 1.2.2 mit Anm.  131). 151  Vgl. Ratzinger, Volk, S.  2 03 f.; s. auch S.  2 25 f.228. 152  Vgl. a. a. O., S.  2 03–206.

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die „rechtmäßige Ehefrau [sc. Gottes = die Braut Christi], die die rechte Liebe [caritas] hat und nicht wie die Buhlerin hinter den anderen Männern herläuft“.153 Damit wird in der Sicht Ratzingers die caritas zum Spezifikum der Zugehörigkeit zum wahren Volk Gottes.154 Wie Ratzinger darlegt, sind die Heiligen der Kirche (communio sanctorum) für Augustin zugleich die wahre caritas (insofern in ihnen durch die Christusgnade der Heilige Geist wirkt) und die wahre Kirche. Gerade auch vor dem Hintergrund des Donatistischen Streits musste er zu der Überzeugung gelangen, dass die „sichtbare katholische Kirche […] in ihrer ganzen Konkretheit die wahre und heilige Kirche Gottes [ist], außerhalb deren [sic] es kein Heil gibt“.155 Da es aber innerhalb der sichtbaren, noch unvollendeten Kirche auch solche gibt, die nur scheinbar die caritas haben (mali und haeretici), könne die ecclesia catholica nicht einfach mit der ecclesia sancta als ihrem „unsichtbaren Kern“ gleichgesetzt werden.156 Dennoch kann Ratzinger einen doppelten Kirchenbegriff, der Augustin bereits 411 von den Donatisten vorgeworfen und der von Forschern der „liberal-protestantischen Theologie“ wissenschaftlich zu belegen unternommen wurde, bei Augustin nicht erkennen, auch wenn er zugibt, dass „den ganzen Kirchenbegriff Augustins“ ein „Zwielicht […] umschattet“.157 Wie bereits bei den vorausgegangenen afrikanischen Theologen habe auch bei Augustin der 153 A.a.O., S.  212 f. An späterer Stelle differenziert Ratzinger den mater ecclesia-Gedanken bei Augustin in drei Aspekte. So könne unter diesem Begriff erstens die zum „inneren Geheimnis der Wahrheit“ führende kirchliche Lehrautorität, zweitens die in der irdischen Pilgerschaft begriffenen Heiligen und drittens die heilige Gemeinschaft der Engel im Himmel gemeint sein, denen ebenfalls eine „kirchenbegründende Kraft“ eignet (vgl. a. a. O., S.  370 f.). 154  Während Augustin in seinen Frühschriften das „innere Verstehen und Erschauen der wahren Wirklichkeit“ im intellectus als höchstes Ziel des Menschen angesehen hat, stellt nun – so Ratzinger –, nach einer „gewaltigen Entwicklung“ seines Heilsverständnisses, die caritas dieses höchste Ziel dar. Dabei verstehe Augustin die caritas als gottgewährtes Gnadengeschenk, als „innere[s] Leben, das alle anderen Heilsgüter erst zu Heilsgütern macht“, als Gabe „dessen, der an der communio der catholica teilhat“, ja schließlich als Gott selbst (s. mit Bezug auf Io. eu. tr. 9,8, S.  94, Z.  1 – S.  95, Z.  4 0; c. litt. Pet. 3,6, S.  167, Z.  17 – S.  168, Z.  12 [wo jeweils u. a. auf 1Joh 4,16 Bezug genommen wird]: a. a. O., S.  222 f.). Die große Bedeutung, die Ratzinger selbst während seines gesamten theologischen Schaffens der caritas als Wesensmerkmal der Kirche beigemessen hat, wird auch deutlich in der ersten Enzyklika, die er als Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 unter dem Titel „Deus caritas est“ veröffentlichte. Es geht ihm hier um die Liebe Gottes zu den Menschen und der darauf antwortenden Liebe der Menschen zu Gott und zum Nächsten. 155 Ratzinger, Volk, S.  216. Vehement bestreitet Ratzinger, dass es in der Vorstellung Augustins möglich gewesen sei, auch außerhalb der Rechtsgemeinschaft der ecclesia catholica das Heil zu erlangen (vgl. a. a. O., S.  217 mit Anm.  37). 156 A.a.O., S.  116. Die Terminologie des ‚unsichtbaren Kerns‘ als der ecclesia sancta überrascht, weist er doch an anderer Stelle die Anwendung von Luthers Unterscheidung zwischen ecclesia uisibilis und ecclesia inuisibilis auf die Kirchenlehre Augustins als unangemessen zurück, die zur Grundlage der von ihm sogenannten ‚idealistischen‘ (vorwiegend protestantischen) Deutung von ciu. geworden sei (vgl. a. a. O., S.  421). 157 A.a.O., S.  2 20.257. Den Vorwurf der Donatisten, Augustin hätte einen doppelten Kirchenbegriff, liest man in einer Zusammenfassung der betreffenden Konferenz von Karthago

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„Gedanke der Kirche […] seinen konkreten Halt im Sakrament der Christus-Teilhabe, im Leib-Christi-Mysterium der Eucharistie“ gehabt.158 Wenn Augustin vom ‚Volk Gottes‘ spricht, so könne (bezogen auf das Alte Testament) das Volk Israel im Wortsinn oder aber in seiner Funktion als Signum für das kommende, wahre Gottesvolk gemeint sein, ferner (ganz unvermittelt) das vollendete „‚wahre‘ pneumatische Gottesvolk“ und schließlich (bezogen auf die Kirche) das ‚Volk‘ der Kirche als „Gemeinschaft der Laien“ bzw. die „ganze sichtbare Kirchengemeinschaft“, die wesentlich eucharistische Gemeinschaft ist.159 In ihr erfüllen sich bereits jetzt die alttestamentlichen Verheißungen. Der populus dei bestehe in der „weltumspannenden Gesamtkirche“, deren Einheit sich „nach dem sakramental-rechtlichen Verhältnis zueinander“ bestimmt.160 In der donatistischen Rezeption alttestamentlicher Kultbestimmungen, etwa durch den Bischof Parmenianus, wird eine klare Trennlinie zwischen dem Laien-Volk und den Priestern gezogen, wobei von Letzteren (wie von den Priestern des israelitischen Kults) uneingeschränkte Heiligkeit erwartet wird. Da der Priester als mediator und Fürbitter zwischen Gott und dem Volk auftritt, würde eine Befleckung desselben unweigerlich dazu führen, dass seine Gebete für das Volk nicht erhört und seine kultischen Handlungen wirkungslos werden.161 Augustin dagegen integriert die Priester in das Volk, indem er darauf dringt, dass nur Christus selbst als mediator zwischen Gott und die Menschen treten kann.162 In seinem durch den Hebräerbrief gelenkten Blick auf die zeichenhafte aus dem Jahr 411 (vgl. breuic. III 19, S.  285, Z.  10–18; s. zu den Umständen der Konferenz Lancel, Art. Donatistae I, Sp.  619 f.). 158 Ratzinger, Volk, S.  2 29. Beispielhaft für die afrikanischen Theologen vgl. die Ausführungen Ratzingers zum „eucharistisch-sakramentalen Kirchenbegriff“ bei Cyprian von Karthago (a. a. O., S.  160–170). Für Ratzinger ist entscheidend, dass Augustin mit „mystisch“ (mystice) nicht eine Art von Innerlichkeit meint, wie es im modernen Sprachgebrauch der Fall ist (dieses Verständnis meint er u. a. bei Heinrich Scholz auszumachen). Der Ausdruck mysticus ist bei Augustin – so Ratzinger – vielmehr als Adjektiv zu sacramentum zu begreifen, was wiederum einerseits auf das Zeichen der Eucharistie, andererseits auf die als ‚Zeichen‘ begriffenen Worte und Geschehnisse des Alten und Neuen Testaments verweist (vgl. a. a. O., S.  378 f.). Volker Henning Drecoll gibt Ratzinger insofern Recht, als die Begriffe ciuitas dei, domus dei und corpus Christi bei Augustin nicht „vollkommen spiritualisiert“, sondern auf die „vorhandene Kirche“ bezogen verstanden werden müssen. Gerade auch unter Berücksichtigung des antidonatistischen und antipelagianischen Kontextes von ciu. müsse allerdings festgestellt werden, dass bei Augustin „nicht die Kirche als Kultgemeinschaft im Vordergrund steht, sondern als Schar der Erwählten und Prädestinierten, der reprobi beigemischt sind“ (Drecoll, Haus, S.  312). 159 Vgl. Ratzinger, Volk, S.  240: „Von diesem ‚Innen‘ der secreta caelorum [in die Christus eintritt] her gemessen steht dann wirklich das ganze Volk mitsamt den Bischöfen ‚außen‘, seufzt und – wir dürfen ergänzen: sündigt.“ 160 A.a.O., S.  2 34. 161  Vgl. a. a. O., S.  2 36. Ratzinger zitiert hier aus der nach 400 entstandenen Schrift Augustins gegen einen Brief des donatistischen Bischofs Parmenianus von Karthago (vgl. c. ep. Parm. 2,4.7 f.12.15). 162  Vgl. Ratzinger, Volk, S.  2 36. Die Vorstellung, dass Christus der einzig wahre media-

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Bedeutung des israelitischen Kultes könne nur Christus als der einzig unbefleckte (Hohe-)Priester gelten, der – wie einst der Hohepriester, als er in das Allerheiligste des Tempels trat – allein befähigt ist, nach seiner Auferstehung in die „innere Geheimniswelt Gottes“ (secreta caelorum) einzutreten. In seiner Versöhnungstat am Kreuz habe Christus für das wahre Gottesvolk das vollzogen, was in den einstigen Kulthandlungen des Hohepriesters am alttestamentlichen Versöhnungstag (mit dem Ziel der Versöhnung des Volkes Israel) vorausgebildet wurde.163 Die kirchliche Liturgie sei jedoch keine vollständige „‚Erfüllung‘ des alttestamentlichen Typus“: Während der Kult des Alten Testaments eine geschlossene, das Neue lediglich abbildende Wirklichkeit darstellt, bezeichnet Ratzinger den kirchlichen Kult im Sinne Augustins als eine „offene Wirklichkeit“, die zwar schon dem wahren Hohepriester Christus zugeordnet ist, dessen „große Heilsliturgie“ aber noch nicht umfassend darstellt.164 Im Anschluss an neutestamentliche Vorstellungen und die kirchliche Tradition könne Augustin unter dem ‚Leib Christi‘ einerseits den historischen Leib Christi (als Gegenüber zur Kirche), andererseits den ‚geistlichen Christus‘ (Christus spiritualis) verstehen, der die Menschen in seinen Leib hineinnimmt (Leib Christi ist nun gleichbedeutend mit Kirche).165 Augustin ist Ratzinger zufolge von der doppelten Prämisse ausgegangen, dass nur ein „gottförmiger Mensch […] wirkliches Gottesopfer“ sein könne und dass es (aufgrund des Sündenfalls des Menschen) nur einen einzigen „gottförmigen Menschen“ gibt: Jesus Christus.166 Wenn dieser also am Kreuz das einzige gottgemäße Opfer vollzogen hat, eröffnete er der Kirche (als dem ‚Leib Christi‘) die Möglichkeit, an diesem Opfer zu partizipieren. Der Opferkult der ciuitas terrena (= sowohl der heidnische als auch der israelitische) müsse demgegenüber als völlig unzulänglich erscheinen: Allein die civitas, die dem einen Gott opfert, ist im Recht. Ihr Opfer besteht in dem Einssein mit Christus. Das Opfer, das sie darbringt, ist sie selbst. Opferpriester und Opfergabe fallen hier zusammen [Christus als Hohepriester, s.o.]. Das Feuer, das die Opfer-

tor ist, durchzieht auch ciu. Eine besondere Bedeutung kommt der Vorstellung des mediator in der Christologie Augustins zu, insbesondere im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit Porphyrios nach dem Jahr 400 (vgl. Drecoll, Entstehung, S.  334–337; ders., Haus, S.  309 f. mit Anm.  47). Im Unterschied zu den von ihren Verehrern als Mittler missverstandenen Dämonen vereinigt der Mensch gewordene Christus als einziger die göttliche Eigenschaft der Seligkeit und die menschliche der Sterblichkeit in sich und ist so allein fähig, aus seinem Erbarmen heraus die Menschen aus ihrer Erbärmlichkeit und Versklavung an die Dämonen zu befreien und sie zur Seligkeit zu führen (vgl. ciu. IX 15; s. dazu Ratzinger, Volk, S.  271 f.). 163  A.a.O., S.  2 36–238. 164 A.a.O., S.  240 f. 165  Vgl. a. a. O., S.  2 83–287; s. auch Ratzingers Darstellung der Leib-Christi-Tradition vor Augustin auf S.  274–282. 166  A.a.O., S.  2 83, mit Bezug auf Io. eu. tr. 84,2, S.  538, Z.  29–31.

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gabe in den Besitz der Gottheit überführt, ist die von oben kommende caritas, der Altar, auf dem sich dies ereignet, unser Herz.167

Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Sakrament der sichtbaren Kirche sacrum signum, heiliges Zeichen,168 bleibt: „Dem corpus Christi entspricht darstellend das sacramentum corporis Christi.“ Zum Leib Christi gehört nur, wer wahrhaft am Sakrament partizipiert. Wahrhafte Partizipation am Sakrament setzt wiederum voraus, dass der Kommunikant durch die caritas eins mit dem Geist Christi ist.169 Im allgemeinen antiken Sprachgebrauch sind sowohl populus als auch ciuitas religiös bestimmte Begriffe, wobei mit populus bereits eine bestimmte (positive) Wertung verbunden ist.170 Im römischen Selbstverständnis konnte nur Rom selbst als der wahre populus (= das „[Heils-]volk“) in Frage kommen, während auf die anderen Völker als die gentes herabgeschaut wurde.171 Grundlegend für den populus ist dabei vor allem die religio (als Staatskult einerseits, als die Glieder des Volks verbindende Haltung gegenüber dem Staat und den Gottheiten andererseits [pietas]), die wiederum eine „rechtsetzende Kraft“ freisetzt, womit populus und lex eng einander zugeordnet sind.172 Augustins ciuitas-Verständnis ergibt sich nach Ratzinger als Reaktion auf diese „klassisch-römische civitas-Lehre“ einerseits, aus dessen Rezeption der Heiligen Schrift andererseits.173 Die Städte Babylon und Jerusalem habe Augustin als ‚Typen‘ zweier großer Gemeinschaften begriffen: Dabei stellt sich die ciuitas terrena als ganz dem Irdischen verhaftete Gemeinschaft dar, die sich aus reiner Begierde (cupido) und Selbstsucht als ciuitas zusammengefunden hat und sich darauf hin ihre Götter und ihre religio selbst schafft, während die ciuitas dei von Christus gegründet wurde und ihr Ziel in der himmlischen Gemeinschaft mit Gott hat.174 Weiter habe Augustin die beiden ciuitates als „Gemeinschaften mit zweierlei Liebe“ definiert: Während die ciuitas terrena in der bis zur Gottesverachtung reichenden Selbstliebe (amor sui / cupido) begriffen ist, geht die (Gottes-) Liebe (amor dei / caritas) der ciuitas dei bis hin zur Selbstverachtung.175 Aus diesem 167 Ratzinger,

Volk, S.  292. nur das Sakrament der Eucharistie, auch die sichtbare, noch unerlöste Kirche selbst kann Augustin als Zeichen für die erst eschatologisch offenbar werdende ‚wahre‘ Kirche verstehen (vgl. a. a. O., S.  289.414 u. a.). 169  Vgl. a. a. O., S.  414 f. 170  Vgl. a. a. O., S.  366.341. 171  Vgl. a. a. O., S.  3 41 f. Ratzinger sieht dieses römische Selbstverständnis u. a. bei Cicero gegeben. 172  A.a.O., S.  3 42 f. Der rechtliche und dessen Einheit garantierende Charakter Roms als communio iuris findet seine Parallele in der communio corporis Christi, die die „Welteinheit der christlichen Kirche“ ausmacht (vgl. a. a. O., S.  340). 173  Vgl. a. a. O., S.  3 46. 174  Vgl. a. a. O., S.  3 46.358 f. 175  A.a.O., S.  375, mit Bezug auf ciu. XIV 28, S.  451, Z.  1–4. Vgl. zu dieser Stelle in ciu. die Ausführung Lenka Karfíkovás: „Die ‚Selbstverachtung‘ (contemptus sui), die die Gottesliebe 168  Nicht

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Unterschied beider Liebesgemeinschaften resultiert auch ihr Unterschied als Kultgemeinschaften: Die pietas führt die Glieder der ciuitas terrena zur „Selbstvergötzung des heidnischen Staates“, während die christliche pietas sich im rechten Kult der „eucharistischen Gemeinschaft der Kirche“ realisiert.176 Zu bedenken sei im Hinblick auf die beiden bereits vorgeschichtlich als ‚Engelsvölker‘ existierenden ciuitates auch ihre kosmologische Verortung: Nach dem Engelfall und dem Fall des Menschen in Adam begegnen beide ciuitates jeweils zweigeteilt in verschiedenen Sphären. Dabei befinden sich mit den im obersten Himmel verbliebenen Engeln und den Bürgern der ciuitas terrena auf der Erde zwei Gruppen bereits dort, wo sie eigentlich ‚heimisch‘ sind. Dagegen halten sich die zunächst nur ‚vorverdammten‘ Dämonen im untersten Himmel und die auf der Erde pilgernden Glieder der ciuitas dei jeweils an einem „uneigentlichen Ort“ auf, der ihrem „wahren Rang“ nicht entspricht. Erst eschatologisch gelangen beide Gruppen zu ihrer eigentlichen Heimstätte.177 Wie Ratzinger gezeigt hat, ist der Begriff des ‚Hauses‘ bei Augustin zumeist ein Bildwort, das er der Schrift entlehnt. Mit dem ‚Haus Gottes‘ tritt zudem der gesamte Themenkomplex des Tempels in den Blick.178 Der heidnische bzw. alttestamentliche Tempel findet seine Entsprechung allerdings nicht in der christlichen Basilika, sondern in der ecclesia als lebendiger Gemeinde. Augustins Theologie des Hauses Gottes ist Ratzinger zufolge „keine theologische Ausdeutung des Kirchengebäudes“, sondern in bewusstem Gegensatz zum Tempelkult der Heiden und Israels eine Theologie der Gemeinde.179 Da der jüngere Augustin etwa zur Zeit seiner Priesterweihe den Heilsprozess als eine innere Reinigung des Ichs (homo interior) verstanden hatte, als eine Freilegung des Geistes des eigentlich heilen Menschen, konnte er dem äußerlichen Kult jegliche Bedeutung für diesen Heilsprozess absprechen.180 Wenn von der Einwohnung Gottes in den Tempel (des einzelnen Gläubigen) die Rede ist, ermit sich bringt, bedeutet damit die Anerkennung der eigenen Abhängigkeit von Gott, der konstitutiven Angewiesenheit auf ihn und der im Grund des geschaffenen Wesens liegenden Nichtigkeit.“ (Karfíková, Geschichte, S.  47). Wichtig ist zu beachten, dass die Gottesliebe (amor dei) als das Gegenteil der Selbstliebe (amor sui) die Nächstenliebe (caritas) impliziert. Reinhold Niebuhr schreibt dazu: „[…] he [sc. Augustine] is not insensible to the two faces of the love commandment and therefore does not define the amor dei in purely mystical terms as a flight from this world. He insists on the contrary that the amor dei is ‚social‘ and he offers the concord among brethren as a proof of the love of God.“ (Niebuhr, Realism, S.  136) Dieser Aspekt des amor dei wird zuweilen nicht wahrgenommen (vgl. etwa Bonner, Imperatori, S.  234; Näf, Geschichtsschreibung, S.  173). 176 Ratzinger, Volk, S.  376 f.; verwiesen wird hier u. a. auf ciu. IV 23, S.  117, Z.  25–27. 177  Vgl. dazu Ratzinger, Volk, S.  367–370. 178  Vgl. a. a. O., S.  321. Wo ‚Haus‘ (domus) bei Augustin unabhängig von seinem biblischen Bedeutungsgehalt begegnet, meint es häufig – ausgehend von Varros Unterscheidung der Gemeinschaft in vier Arten (Haus; ciuitas-Polis; Erdkreis; Kosmos) – die soziologische Größe der Familie als kleinste Form der Vergesellschaftung. 179 A.a.O., S.  412; vgl. S.  322 f. 180  Vgl. a. a. O., S.  324 f.

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eigne diese sich allein metaphysisch, die Kirche oder gar ihr Kult spielten hier keinerlei Rolle.181 Durch eine „ungeheure Entwicklung der Theologie Augustins“182 sei es dann allerdings zu einer vollständigen Neuformulierung des Haus- und Tempelgedankens gekommen: Zum wahren homo interior wird nun der inkarnierte Christus „einschließlich seines Leibes“; in der Zugehörigkeit zu diesem Leib liegt nun also „die innerste Wirklichkeit unseres Heiles“.183 Das Heil ist damit konkret an die geschichtliche Gestalt Jesu Christi gebunden. Zudem wird es nicht individuell, sondern immer in der Gemeinschaft der Glaubenden erfahren, worauf zum einen die Leib-Christi-Symbolik mit den ‚Gliedern‘, zum anderen die Tempelmetaphorik mit den ‚lebendigen Steinen‘ verweist. Ratzinger ordnet somit die Themenkreise ‚Tempel‘ (bzw. ‚Haus‘), ‚Leib Christi‘ und ecclesia eng aufeinander zu.184 Eine wichtige Einsicht Ratzingers besteht darin, dass die Kirche als ‚Tempel Gottes‘ in einem geschichtlichen Werden begriffen ist, was Augustin insbesondere durch drei Begriffe kenntlich macht: Dabei meint die „Erbauung“ (aedificatio) den Gesamtvorgang des Werdens der Gottesgemeinde, während mit den Begriffen „Erneuerung“ (renouatio) und „Weihung“ (dedicatio) zwei aufeinanderfolgende Phasen gemeint sind, in die sich dieser Gesamtvorgang unterteilen lässt. Aus ciu. XVIII 48 gehe hervor, dass Augustin die renouatio domus als „Umgestaltung der alttestamentlichen Gottesgemeinde zu derjenigen des Neuen Testaments“ in der Wiederherstellung des Tempels nach dem Babylonischen Exil vorgebildet sah. Mit der dedicatio ist dagegen die eschatologische Weihe gemeint, die der vollendete Tempel Gottes empfangen wird.185 Dass dieser 181 

Vgl. dazu a. a. O., S.  96–98. S.  98. Zu dieser Entwicklung trug nicht nur die von Ratzinger genannte sich für den Bischof Augustin ergebende Notwendigkeit bei, den christlichen Kult gegen den der Heiden zu verteidigen (vgl. a. a. O., S.  326). Von größerer Bedeutung werden dagegen die Entwicklung seiner Gnadenlehre und damit zusammenhängend seiner Ursündenlehre gewesen sein. Musste doch vor dem Hintergrund des peccatum originale nicht nur die Grundannahme des ursprünglich heilen Menschen in sich zusammenfallen, es reifte auch die Einsicht in die grundsätzliche Unfähigkeit des Menschen, zu seinem Heil durch innere Reinigung beizutragen. 183  A.a.O., S.  325 f. Allerdings bleibt trotz dieser von Ratzinger festgestellten deutlichen Veränderung des Heilsverständnisses bei Augustin auch in dessen späteren Schriften der Gedanke erhalten, dass nicht nur die Kirche, sondern auch der Einzelne der Tempel ist, insofern nämlich „jeder einzelne Christ [eine] mikrokosmische Spiegelung des Christus totus“ darstellt (a. a. O., S.  328; vgl. dazu u. a. ciu. X 3, S.  275, Z.  10–14). 184  „Jetzt [gegenüber dem früheren Heilsverständnis Augustins; R.Z.] liegt also der Tempel Gottes nicht mehr entscheidend im befreiten Geist des einzelnen Menschen. Denn die wahre Innerlichkeit des Menschen ist – der Leib Christi. Dieser aber besteht nicht anders als in der sichtbaren ecclesia, d.i. in der Gemeinde, die das Sakrament des Herrenleibes feiert. Sie ist also jetzt der eigentliche Tempel: Sein Opfer und die Stätte, wo er wohnt.“ (Ratzinger, Volk, S.  327) 185  A.a.O., S.  328 f. Konkret meint die ‚Weihe‘ die Auferstehung, die an Christus bereits geschehen ist, die aber für die Glaubenden noch eschatologisch aussteht. Ratzinger verweist hier auf Augustins Ausführungen zu Henoch in ciu. XV 19. 182 A.a.O.,

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Tempel noch unvollendet ist, komme zudem darin zum Ausdruck, dass Augustin an einigen Stellen biblischer Motivik folgend von der Kirche nicht als „Haus“ (domus), sondern als „Zelt“ (tabernaculum) spricht, das Gott im Leib Christi auf der Erde errichtet hat, womit neben dem „Vorläufigkeitscharakter“ Ratzinger zufolge auch der „Kriegscharakter“ der gegenwärtigen Kirche (als regnum militiae) hervorgehoben werden soll.186 Mit der Haus- und Tempelmetaphorik verbunden ist das Motiv des Christus fundamentum. Nicht nur das Haus der ecclesia, auch das des einzelnen Glaubenden muss auf einem festen Fundament gegründet sein, das nach 1Kor 3,11–15 nur in Christus bestehen kann. In seiner Rezeption dieser Verse sei Augustin zu dem Schluss gekommen, dass „das Fundament-Sein Christi […] an der Zugehörigkeit zur katholischen Sakramentsgemeinschaft und an der Rechtgläubigkeit“ hänge: „Wer in der catholica ist, hat damit [unabhängig von seinem Lebenswandel] den rechten Glauben und also das Fundament in Christus.“187 Nicht die Person des Petrus ist es, die als Felsen das Fundament der Kirche tragen soll (vgl. Mt 16,18), sondern sein Glaube an Christus, genauer: der im Glauben angenommene Christus bildet das Fundament der Kirche.188 Über den Glauben hinaus sei nach Augustin die caritas das Gefüge, das das ‚Haus Gottes‘ zusammenhält. Mit der caritas sind allerdings nicht die zum Glauben hinzukommenden ‚Werke‘ gemeint, sondern in allererster Linie die „Zugehörigkeit zur eucharistischen Gemeinschaft“.189 Gegenüber seinen differenzierten Analysen zum ‚Haus Gottes‘ muss Ratzingers abschließendes Urteil ernüchternd erscheinen. Dem Begriffsbereich ‚Haus Gottes‘ spricht er eine Eigenbedeutung für die Ekklesiologie Augustins ab. „Nirgends“ habe Augustin mit dem domus-Begriff „etwas spezifisch Neues ausgesagt“, was er nicht auch mit den anderen Begriffen für die Kirche zum Ausdruck gebracht habe. Durch seine spezifische Rezeption des ‚Haus Gottes‘-Begriffs als Bezeichnung für die Kirche als Tempel Gottes würde man vielmehr 186 Ratzinger,

Volk, S.  319 f. Die jüngst von Sean Hannan vorgetragene These, man solle ciuitas dei im Sinne eines „camp“, eines Zeltlagers, verstehen und unter dieser Prämisse die peregrinatio-Motivik in ciu. vor dem Horizont von Migrationsbewegungen deuten, lässt sich m.E. an der Quelle nicht ausreichend belegen (vgl. Hannan, Camp, S.  13–17). 187 Ratzinger, Volk, S.  331 mit Bezug auf ciu. XXI 21, S.  786, Z.  13–16. Ein Problem ergab sich für Augustin dadurch, dass angesichts der Verschränkung der domus- und der corpus-Vorstellung sich die Frage stellte, wo Christus nun seinen Platz habe. Steht er als Fundament des Hauses ‚unten‘ oder als Haupt des Leibes ‚oben‘? Dazu kommt die keineswegs konsistente biblische Tempel-Metaphorik. So wird Christus nicht nur als Fundament, sondern auch als Eckstein bzw. Schlussstein angesehen. Wiederum können statt Christus auch die Apostel als das die Kirche tragende Fundament fungieren. Augustin selbst versuchte, diese Problematik mit der Lehre des ‚Schwergewichts‘ zu lösen, das, wie Ratzinger bemerkt, nicht die physische Schwerkraft, sondern eine „metaphysische Richtungskraft“ meint (vgl. a. a. O., S.  333, mit Hinweis auf en. Ps. 29,2,10, S.  181, Z.  5 –8). 188  Vgl. Ratzinger, Volk, S.  255 f. 189  A.a.O., S.  257–259. Diesen Aspekt der Haus Gottes-Theologie führt Ratzinger insbesondere auf Augustins Auseinandersetzung mit den Donatisten zurück.

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auf den ‚Leib Christi‘ und das ‚Volk Gottes‘ als Grundbegriffe der Kirchenlehre Augustins verwiesen.190 Etwas anders verhält es sich also bei dem zweiten Begriff des ‚Volkes Gottes‘, wobei Ratzinger auch diesen wesentlich vom ‚Leib Christi‘ her versteht. Auf der Grundlage der „vorchristlichen Wirklichkeit des alttestamentlichen Gottesvolkes“ und der „außerchristlichen Wirklichkeit des heidnischen Götter-(Dämonen-)staates“ habe Augustin die Vorstellung von Kirche als einem „liturgischen populus“ entwickelt, der „die sakramentale Leib-Christi-Gemeinschaft“ bilde. Während die ciuitas dei auch die Engelwelt umfasst, meint populus dei die noch unerlöste Kirche, beides sind jedoch nur „umfassende Allgemeinbegriffe“, die ihre differentia specifica erst durch den „corpus-Christi-Begriff“ erhalten.191

2.5 Alois Wachtel: Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus Der Historiker und katholische Theologe Alois Wachtel (1910–1968) hat 1960 eine Studie vorgelegt, die sich in ihren acht Kapiteln unter verschiedenen Gesichtspunkten mit dem Geschichtsdenken Augustins auseinandersetzt. Im Anschluss an Ernst Troeltsch192 lehnt er es ab, eine Geschichtsphilosophie Augustins zu konstruieren, und hält es für angemessener, dessen „Geschichtsbewußtsein […] als Geschichtstheologie“ zu begreifen.193 Einleitend weist er darauf 190 

Vgl. a. a. O., S.  255 f.; verwiesen wird hier u. a. auf retr. 1,21,1, S.  62, Z.  17–19. Kritisch dazu äußert sich Volker Henning Drecoll, der im Hinblick auf die Verwendung des Begriffes domus dei bei Augustin auf die besondere Zuordnung des ekklesiologischen und des christologischen Aspekts hinweist: „Die domus dei verweist nicht nur in besonderer Weise auf die lebendigen Steine, ist also ekklesiologisch relevant, sondern weist insbesondere auch einen starken Christusbezug auf […] und betont dabei – stärker als dies etwa der Begriff der ciuitas dei oder auch das vor allem auf die Gemeinschaft bezogene Bild des corpus dei tun – Christus als den Urheber bzw. architectus, der die lebendigen Steine zusammenfügt.“ (Drecoll, Haus, S.  312) 191 Ratzinger, Volk, S.  414–417. 192  Ernst Troeltsch hatte das eigentliche Thema von ciu. in der „christlichen Heilswahrheit und ihre[m] Gegenteil“ gesehen, zu dessen Verdeutlichung sich Augustin der beiden ciuitates als „rhetorisch-bildliche Vergegenständlichung“ bedient habe. Die Darstellung der beiden ciuitates in ihrem exortus, progressus und debiti fines sähe zwar „bisweilen wie eine ernst genommene Geschichtskonstruktion“ aus, tatsächlich handele es sich aber um „eine Dogmatik in Form einer Darstellung von exortus, progressus und finis des höchsten Gutes oder Heiles“ (Troeltsch, Augustin, S.  16, Anm.  1). 193 Wachtel, Beiträge, S.  7. Ernst A. Schmidt lehnt für Augustin nicht nur den Begriff der Geschichtsphilosophie ab, sondern stellt auch denjengien der Geschichtstheologie zur Disposition. So sei nämlich zweifelhaft, ob Augustin „das für Geschichtstheologie im eigentlichen Sinn vorauszusetzende Objekt Geschichte überhaupt gekannt hat“. Seine „Geschichtstheologie“ habe wohl gerade darin bestanden, eine „Geschichtstheologie“ abgelehnt zu haben (Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  363). Allerdings ist schon die Voraussetzung kaum haltbar, Augustin habe das „Objekt Geschichte“ nicht gekannt, weshalb auch die Folgerung hinfällig ist. Und so räumt Schmidt selbst an anderer Stelle ein, Augustin habe in ciu. XV-XVIII „tatsächlich geschichtlich argumentiert und Geschichte dargestellt“ (a. a. O., S.  376).

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hin, dass die protestantische Forschung (Hermann Reuter, Heinrich Scholz, Ernst Troeltsch) die ciuitas dei einer „spiritualistischen Deutung“ unterzogen und sie so weniger als geschichtliche denn als geistige Größe wahrgenommen habe, während die katholische Forschung (Bruno Seidel, Otto Schilling, Joseph Mausbach, Joseph Ratzinger u. a.) bemüht gewesen sei, die „Identität der Civitas Dei mit der ‚katholischen Kirche‘ nachzuweisen“.194 Wachtel selbst kann als ein Vertreter der zweiten Deutung gelten, auch weil er durchgehend von der „Civitas Dei – Ecclesia“ als einer Größe spricht.195 Augustins Geschichtsdenken gründe zwar auf „theologischen Voraussetzungen“, allerdings führte ihn das nicht dazu, „echte[n] historische[n] Fragestellungen“ auszuweichen.196 Dies konnte er schon deshalb nicht, da ciu. auch Antworten auf die Kritik der heidnischen Opposition am Christentum angesichts des Goteneinfalls in Rom geben musste. Diese Antworten durften sich daher nicht auf „Beweise allein aus dem Glaubensgut“ stützen.197 Zunächst befasst Wachtel sich mit dem Neuplatonismus als einem Hintergrund des Geschichtsdenkens Augustins. Diese philosophische Strömung habe mit ihrer „bemerkenswerten Gleichgültigkeit gegenüber dem Staat“, insbesondere aber mit ihrem Ringen um die Frage nach der uita beata (sowohl hinsichtlich ihrer theoretisch-theologischen Fundierung als auch ihren praktisch-religiösen Konsequenzen) Augustin seit seinen frühen Jahren beeinflusst.198 Die uita beata im neuplatonischen Sinne kann als „individuelles Glücksstreben“ aufgefasst werden, das seine Verwirklichung – entweder auf dem Weg der theoretischen Erkenntnis oder der religiösen Reinigung der Seele von allem Irdischen – in der Gottesschau findet.199 Nicht das Ziel selbst, aber der Weg dorthin wurde von Augustin mehr und mehr als unzureichend empfunden. Und so fand er die Frage, wie der Mensch zu Gott kommen könne, im Christentum, präziser: in der Vorstellung Christi als „mediator Dei et hominum“ beantwortet. Dass alles Heil den Menschen „allein durch den sich seit jeher in der Geschichte offenbarenden Gottmenschen Jesus Christus vermittelt worden war“, bildete eine zentrale Einsicht, die Wachtel zufolge auch Augustins Darstellungsabsicht in ciu. bestimmte.200 So wollte er nämlich innerhalb der Geschichte nachweisen, dass die Mittlertätigkeit Christi sich auch auf die Zeit vor

194 Wachtel, Beiträge, S.   8; Literaturangaben ebd., Anm.  6. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Rosen, Augustinus, S.  160 mit Anm.  50; s. auch Flasch, Einführung, S.  386. 195  „Civitas Dei und Ecclesia sind […] nur verschiedene Bezeichnungen für die gleiche geschichtliche Gemeinschaft.“ (a. a. O., S.  111) 196  A.a.O., S.  9. 197  A.a.O., S.  12. 198  A.a.O., S.  15. 199  A.a.O., S.  17. 200  A.a.O., S.  2 3.

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seiner Inkarnation erstrecke und nicht erst mit dieser beginne.201 Sein frühes, noch von der neuplatonischen Philosophie geprägtes Verständnis Christi als eines „Lehrer[s] der Weisheit“ bzw. eines den Kosmos durchwirkenden Logos habe sich zugunsten seiner Funktion eines Heilsmittlers in der Geschichte gewandelt.202 Da Augustin die Wahrheit in der christlichen Heilslehre gefunden und den Glauben, nicht den Verstand als den eigentlichen Zugang zu dieser Wahrheit angesehen habe, was in der Formel „Intellectus […] merces est fidei“203 zum Ausdruck kommt, musste er die Versuche der Wahrheitsfindung seitens der antiken Philosophie für unzulänglich halten. Seine Feststellung, dass etwa die Lehren der Neuplatoniker weitgehend mit denjenigen des Christentums übereinstimmten, konnte er sich Wachtel zufolge nur so erklären, dass „die Erkenntnisse der heidnischen Philosophie aus der christlichen Offenbarung entlehnt worden seien“.204 Wenn diese christliche Offenbarung in den heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments ihren Niederschlag gefunden hat, so können nur sie die Grundlage wissenschaftlicher Betätigung bilden, wohingegen Einsichten profaner Wissenschaften allenfalls Hilfsmittel darstellen, die auch nur dann zu berücksichtigen sind, sofern sie den heiligen Schriften nicht widersprechen.205 Daraus folgert Wachtel, das „geschichtskritische Problem“ Augustins habe darin bestanden, nachzuweisen, dass „die Aussagen der Schrift und der Inhalt der Geschichte zusammenstimmten“, dass die Schrift also „genuiner Geschichtsbericht“ sei.206 Geschichte und Prophetie seien für Augustin die beiden „Weisen der Kundgabe Gottes“, die in der Bibel ihren Ausdruck gefunden haben. Allerdings seien in den Geschichtsdarstellungen der Bibel nur diejenigen res gestae ausgeführt, „die zugleich Verkündigung des künftigen Geschehens sind“.207 Die in der Schrift berichteten Vorgänge würden „alle auf ein zentrales Ereignis hinweisen“, nämlich die Inkarnation Christi.208 Diese erweise sich „als Ziel aller Ge201  A.a.O.,

S.  24. Insbesondere der Neuplatoniker Porphyrios habe Augustin zu diesem geschichtlichen Nachweis herausgefordert. Er hatte nämlich die Frage gestellt, warum, wenn Christus tatsächlich der universale Weg zum Heil ist, dieser Weg der Menschheit erst so spät eröffnet worden sei (vgl. a. a. O., S.  25, mit Verweis auf ciu. X 25; vgl. auch Wachtel, Beiträge, S.  70). 202  Vgl. a. a. O., S.  25 f. 203  Io. eu. tr. 29,6, S.  2 87, Z.  16. 204 Wachtel, Beiträge, S.  2 8, u. a. mit Hinweis auf ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  12–18. 205  Vgl. Wachtel, Beiträge, S.  2 8. 206  A.a.O., S.  29. 207  A.a.O., S.  31. Wachtel zitiert hier aus lib. arb. 3,61, S.  140, Z.  19–23. 208 Wachtel, Beiträge, S.  31. Gegen diese These Wachtels ist allerdings zu sagen, dass Augustin durchaus davon ausgegangen ist, dass es beispielsweise Prophetien gibt, die lediglich auf eine Erfüllung im irdischen Jerusalem abzielen und somit keinen Bezug zu Christus haben (vgl. etwa ciu. XVII 3, S.  553, Z.  1–24). Zudem enthält die biblische Geschichtsschreibung, der ja von Augustin ebenfalls ein prophetischer Charakter zugeschrieben wird, auch solche Elemente, die keinen höheren Sinn in sich tragen (vgl. ciu. XVI 2, S.  501, Z.  91–93).

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schichtsbewegung“, von der aus betrachtet „die Gegebenheiten des Kosmos und die Ereignisse und Einrichtungen in der Welt des Menschen als ein einheitlicher sinnvoller Zusammenhang“ erscheinen.209 Der von jeher feststehende Plan Gottes würde in der Geschichte immer wieder offenbart, wobei sich diese Offenbarungen nicht inhaltlich, sondern lediglich „durch die Deutlichkeit ihrer Kundgabe unterscheiden“. Die Einheitlichkeit dieses Plans konnte Augustin durch die typologische Methode nachweisen, indem er den inneren Zusammenhang der biblischen Ereignisse in ihrer gemeinsamen Zuordnung auf das zentrale Ereignis der Geschichte, die Menschwerdung Gottes in Christus, erkannte.210 Jedoch führe die typologische Methode ihn nicht zu einer Auflösung der Geschichte. Im Gegenteil halte er daran fest, dass „die erkennbaren Epochen der Geschichte Heilszeiten sind, in denen sich historische Tatbestände herausbilden, denen unabhängig von ihrer zukunftsgerichteten Vorbildlichkeit ein Eigenwert zuzusprechen sei“.211 In zweifacher Weise könne Augustin den neuplatonischen Gegensatz zwischen der „zeitenthobenen unveränderlichen Welt Gottes“ und der „geschichtlichen Welt der Menschheit“ als in Christus überwunden betrachten: Dieser werde zum einen als mit dem Gottvater wesensgleicher Logos zum Prinzip der Schöpfung, zum anderen vollziehe er als „Erlöserlogos“ innerhalb der Geschichte das Heilswirken an der Menschheit, wobei beides dem einheitlichen Plan Gottes folge.212 Wachtel sieht einen engen Zusammenhang zwischen Schöpfung und Geschichte in der Theologie Augustins gegeben, die u. a. ihren Ausdruck in seiner Zuordnung der sechs Weltzeitalter zu den sechs Schöpfungstagen gefunden habe. Die Geschichte erscheine ihm als eine durch den Sündenfall notwendig gewordene „Wiederaufnahme des Schöpfungswerkes Gottes“, die die Wiederherstellung des Idealzustandes zum Ziel hat. Diese Neuschöpfung vollziehe sich „in ebenso viel Stufen […] wie die ursprüngliche, durch den Abfall der Menschen nicht verwirklichte Schöpfung ‚Tage‘ gedauert“ habe.213 Die geschichtlich erfahrbare Zeit müsse nach Augustin zunächst einmal als Folge des Sündenfalls betrachtet werden: Durch den Verlust des Urzustandes wurde der Mensch der Vergänglichkeit und dem Tod preisgegeben; er sieht sich gefangen in der Zeit, aus der er erst durch den Glauben an Christus wieder befreit werden sollte.214 Die historische Zeit wird somit zugleich zum „Träger des sich [in Christus] vollziehenden Heilsgeschehens“ und ist teleologisch bestimmt, 209 Wachtel,

Beiträge, S.  31 f. A.a.O., S.  32. 211  A.a.O., S.  33. 212  A.a.O., S.  36. Diese Einsicht in das doppelte Wirken Christi stellt in gewisser Weise eine Auflösung der von Heinrich Scholz festgestellten, s.E. durch Augustin nicht aufgelösten Diskrepanz zwischen der „Logik“ und der „Dialektik der Geschichte“ dar; vgl. H. Scholz, Glaube, S.  148. 213 Wachtel, Beiträge, S.  38. 214  Vgl. a. a. O., S.  43–46. 210 

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insofern ihr die Aufgabe zukommt, die „Rückkehr der Menschheit zu Gott zu ermöglichen“.215 In der Inkarnation, als sich der ewige Gott in Christus der Zeitlichkeit ausgesetzt hat, habe sich eine „Begegnung von Zeit und Ewigkeit“ vollzogen. Durch den Glauben daran werde dem Menschen „ein Weg zur Aufhebung der Zeitlichkeit eröffnet“; die Neuschöpfung ist keinem Wandel und keinem Leid mehr unterworfen. Der erwählte glaubende Mensch lebt zwar noch in der Zeit, hat sie aber bereits „virtuell überwunden“.216 Jegliche Errungenschaften und Kulturleistungen, die der Mensch innerhalb der Zeit vollbracht hat, müssen im Licht des eigentlichen, jenseits der Zeit liegenden Ziels des Menschen als unbedeutend erscheinen.217 Nach Wachtel ist es das Hauptanliegen Augustins gewesen, in ciu. nachzuweisen, dass die Heilsmittlerschaft Christi die gesamte Geschichte seit der Schöpfung und dem Sündenfall durchzieht. Weniger das zeitliche Leben Christi als sein Werk, nämlich die ciuitas dei, habe Augustin interessiert. Bereits in den „Heils-“ bzw. „Vorbereitungszeiten“ vor Christi Geburt, insbesondere aber seit der Inkarnation und der Gründung der Kirche füllt sich die ciuitas dei durch das Heilswirken Christi mit Gliedern.218 Das paulinische Bild vom Haupt und dem Leib Christi übernehmend, begreife Augustin die Patriarchen und Propheten bereits als Glieder und Manifestationen Christi in der Geschichte, noch bevor dieser selbst in seiner Inkarnation als Haupt hinzutritt. „In den verschiedenen ‚Altersstufen‘ der Civitas – Ecclesia als Leib Christi bildet sich dieser Leib gliedweise heran.“219 Vor diesem Hintergrund müsse man auch Augustins Einteilung der Menschheitsgeschichte in sechs Lebensalter sehen, und zwar – ausgehend von der paulinischen Adam-Christus-Typologie – in zweierlei Hinsicht: Hinsichtlich der ciuitas terrena beziehen sich die Lebensalter auf Adam und zeichnen so eine Verfallsgeschichte dieses ‚alten Menschen‘ bis zum Greisenalter. Bezogen auf die ciuitas dei dagegen zeigen die Lebensalter das Wachstum des Leibes Christi an; im sechsten Weltzeitalter käme dieser Leib als der ‚neue Mensch‘ zu seiner Reife.220 Wachtel bezieht die Lebensalter auf das Volk Israel als populus dei, in dem Augustin zufolge die ciuitas dei zunächst vornehmlich existierte. Gekennzeichnet sei die Geschichte Israels durch ihr „Frühstadium“ (1.-3. Lebensalter), ihren 215 Wachtel, Beiträge, S.  41–43. Mit dieser Bestimmung der Zeit und seinem teleologischen Geschichtsbegriff habe sich Augustin vom „neuplatonischen Zeitbegriff“ entfernt, der in der „Lehre von der zyklischen Wiederkehr der Dinge seinen Ausdruck“ gefunden habe (vgl. a. a. O., S.  42). 216  A.a.O., S.  4 6 f. 217  Vgl. a. a. O., S.  4 4 f. 218  Vgl. a. a. O., S.  49. Wachtel kann die ersten fünf Epochen der Geschichte auch als „Verkündigungszeiten“ dessen verstehen, was sich im sechsten Weltzeitalter in Christus erfüllen sollte (vgl. a. a. O., S.  60). 219  A.a.O., S.  50; vgl. auch S.  54. 220  Vgl. a. a. O., S.  52 f.62 f.

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Höhepunkt im Reich Davids (4. Lebensalter) und ihr „Verfallsstadium“ (5. Lebensalter).221 Jedoch nur oberflächlich gesehen sei der im fünften Weltzeitalter beginnende Verfall Israels „ein Niedergang der Gesamtentwicklung des populus Dei“ gewesen, tatsächlich war er ein notwendiger Ablösungsprozess, der „im Wachstumsprozeß des populus Dei die Wende zu neuem Auf bruch“ einleitete. Es zeige sich, dass sich das Wachstum des Leibes Christi sich „nicht in einem biologisch gebundenen Volkstum, sondern in einer geistig geeinten Gemeinschaft“ vollziehe, die völkerübergreifend ist.222 Abgesehen von der „Sechszeitalterperiodik“, die Augustin seiner Darstellung zugrunde legt, ergebe sich durch den „Wendepunkt“ des geschichtlichen Erscheinens Christi eine „zweigliedrige Zeitenordnung“, die die Geschichte in eine Zeit der Verheißung und eine Zeit der Erfüllung unterteilt.223 Dass sich Augustin in ciu. nicht die durch die Abfolge Adam – Mose – Christus bestimmte dreiteilige Epochengliederung ante legem, sub lege, sub gratia zu eigen gemacht hat – einen Umstand, den Scholz bedauert hatte224 –, begründet Wachtel damit, dass sich zum einen das Gesetz nur auf Israel erstreckt hat und es sich somit nicht für die Charakterisierung einer Menschheitsepoche eigne, zum anderen aber dass sich die Gnadenzeit nicht auf eine historische Epoche beschränken lasse, da Augustin ja gerade hat zeigen wollen, dass es von Beginn der Menschheitsgeschichte an Glieder der ciuitas dei gab, die bereits sub gratia standen.225 Während die beiden ciuitates in den ersten beiden Weltzeitaltern noch nicht an ein Volk gebunden sind, geht seit Abraham und der kurz vor ihm vollzogenen Gründung Babylons die Geschichte der ciuitas dei weitgehend mit der Geschichte Israels, die der ciuitas terrena mit der Geschichte der Weltreiche parallel.226 Die „grundsätzliche Identität“, die Augustin im Anschluss an Orosius zwischen dem assyrischen und dem römischen Weltreich sieht, beruhe auf der Einsicht, dass beide sich hinsichtlich ihres Ursprungs, ihres Machtumfangs, ihrer Zielsetzungen, vor allem aber ihrer Ordnung der Religion und des Kultes gleichen.227 Die sich in der Geschichte vollziehende schrittweise Offenbarung konnte Augustin nur begrenzt als „heilspädagogische Erziehung“ verstehen. Im Hinblick auf die Menschheit (abgesehen von den wenigen Gliedern der ciuitas dei) habe er Wachtel zufolge keinerlei Fortschritt hinsichtlich ihrer Erkenntnis, ih221 

Vgl. a. a. O., S.  61. A.a.O., S.  61–63. 223  A.a.O., S.  6 0. 224  Vgl. H. Scholz, Glaube, S.  164. 225  Vgl. Wachtel, Beiträge, S.  55 f. 226  Vgl. a. a. O., S.  65. 227  A.a.O., S.  67, mit Verweis auf Orosius, Adv. pag. II 3, S.  87, Z.  2 –4: „ecce similis Babyloniae ortus et Romae, similis potentia, similis magnitudo, similia tempora, similia bona, similia mala“. 222 

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rer Sittlichkeit oder ihrer Gottesverehrung erkennen können.228 Und selbst Israel als Gottesvolk zeige sich immer wieder unfähig, sich des Heils bewusst zu werden und sein Verhalten dauerhaft am Willen Gottes auszurichten. Trotz der stetigen Heilsverkündigung durch die Propheten sei Israel außerstande gewesen, eine stabile gottesfürchtige Gemeinschaftsordnung auszubilden. Lediglich zu Beginn eines Weltzeitalters seien Anfänge einer solchen Gemeinschaft zu erkennen. Allerdings blieben diese „für sich genommen nicht mehr als Prototypen der künftigen geschichtlich endgültigen und universalen Ecclesia“.229 Die Heilsgeschichte bis zum sechsten Weltzeitalter stellt sich daher als ein „Prozeß ständiger Neuanfänge“ dar, denen jedoch regelmäßig Rückschläge folgen, was Wachtel auch in der Tagesstruktur, die Augustin den Weltzeitaltern durch die Parallelisierung mit den Schöpfungstagen gegeben hat, abgebildet sieht: Der Wechsel von Morgen und Abend spiegelt sich wider in den Neuanfängen und den Rückschlägen.230 Der ciuitas dei komme nach Augustin die geschichtliche Aufgabe zu, die durch den Engelfall in der himmlischen Gemeinschaft der Verehrer Gottes entstandene Lücke mit denjenigen Menschen aufzufüllen, die von Gott aus dem ebenfalls gefallenen Menschengeschlecht (massa damnata) zur ewigen Seligkeit auserwählt wurden.231 Dabei tritt sie in den ersten fünf Weltzeitaltern nur als „unscheinbares Gebilde“ auf, existiert zeitweise nur in einer einzigen Familie wie zur Zeit Noahs oder Abrahams. Erst im Reich Davids wächst die ciuitas dei deutlich an und verwirklicht sich in einem „staatlichen Gemeinwesen“, das allerdings von kurzer Dauer ist und in der Rückschau nur als „Vorbild der zukünftigen Gemeinschaft“ (der universalen Ecclesia) angesehen werden kann. Nach einem weitgehenden „Stillstand im Wachstum der Civitas Dei“ in den vor Christus liegenden Jahrhunderten findet die ciuitas dei in der durch Christus gegründeten Ecclesia ihre „geschichtliche Endform“.232 Wachtel hält es für unangemessen, bei Augustin einen doppelten (oder mehrfachen) Kirchenbegriff vorauszusetzen, indem ein Unterschied zwischen der „empirischen katholischen Kirche“ und der ciuitas dei als rein geistiger Größe gemacht werde.233 Gerade in seiner Auseinandersetzung mit den Donatisten 228 Wachtel,

Beiträge, S.  71. A.a.O., S.  72 f. 230  A.a.O., S.  72 f. Wachtel sieht diese für Augustin eigentümliche Verbindung der wechselvollen Heilsgeschichte mit den Schöpfungstagen bereits in dessen Werk Gn. adu. Man. 1,35–43 angelegt. Er erkennt darin „trotz des Titels des Werks […] ein letztes Nachwirken manichäischen Gedankenguts“, indem Geschichte als stete Folge von Neuanfängen Gottes verstanden werde, die durch die „Sündhaftigkeit der Menschen“ notwendig werden. Diese Auffassung stehe konträr zu der (eigentlich auch in ciu. in Angriff genommenen) „apologetischen Aufgabe[,] das Christentum als einen die Geschichte der Menschheit durchgehenden Heilsweg zu erweisen“ (a. a. O., S.  73). 231  Vgl. a. a. O., S.  107. 232  A.a.O., S.  109 f. 233 A.a.O., S.   105.114. Von „verschiedenen ‚Kirchenbegriffen‘“ bei Augustin ging bei229 

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habe Augustin immer wieder die „substantielle Einheit der Kirche“ betont, und auch ciu. sei letztlich eine „verteidigende Rechtfertigung der geschichtlichen Aufgabe der Ecclesia“ gewesen:234 „Als heranwachsender Leib Christi stellt sie [sc. die Ecclesia] das Ewige in der Zeit dar. Die Antinomie von Ewigkeit und Zeit ist für sie aufgehoben; als zeitenthobene Urschöpfung Gottes und in der Zeit bewirkte Neuschöpfung ist sie ebenso geschichtslos wie geschichtsverhaftet.“235 Obwohl Augustin durchaus einen Unterschied zwischen dem unvollkommenen Zustand der Kirche als corpus permixtum in der Weltzeit und ihrem künftigen vollendeten Zustand sehe, bedeute dies nicht, dass er eine parallel zur irdischen Kirche existierende „ideale unsichtbare Gemeinschaft“ vorausgesetzt habe.236 Die Pointe seiner Geschichtsauffassung sei es gerade gewesen, den „Dualismus zwischen dem veränderlichen mundus sensibilis und dem ewigen mundus intelligibilis“ überwunden zu haben, wobei er sich von der biblischen Botschaft des inkarnierten Christus leiten ließ: [Die] dem menschlichen Vermögen so unerreichbar ferne geistige Welt der Schöpfungsordnung [ist] mit Christus, ihrem Schöpfer, in den Erfahrungsbereich der irdischen Welt herabgestiegen […]. Schon aber ist sie nicht mehr, wie im Neuplatonismus, das Reich ewig thronender Ideen, sondern die beseligte Gemeinschaft geistiger Wesen, die als Civitas Dei vom Himmel herabkommt, um mit dem Menschen eine Gemeinschaft zu bilden […].237

Vor diesem Hintergrund müsse auch Augustins Annahme gesehen werden, dass die himmlischen Richterstühle (vgl. Off b 20,4) schon jetzt mit den Vorstehern und Leitern der gegenwärtigen Kirche besetzt sind.238 Keineswegs sei diese Auffassung aus „exegetische[r] Not“ heraus entstanden, wie es noch Reuter meinte,239 sondern sie entspreche ganz seinem Kirchenverständnis, dass nämlich die Kirche bereits jetzt das geschichtliche (freilich unvollendete) regnum caelorum sei.240 spielsweise Adolf von Harnack aus; vgl. Harnack, Dogmengeschichte, Bd.  3, S.  165. Die Unterscheidung zwischen einer geschichtlichen und einer unsichtbaren Kirche führt Wachtel auf den Kirchenbegriff Martin Luthers zurück, der dann den Blick (insbesondere innerhalb der protestantischen Theologie) auf die Ecclesia-Vorstellung Augustins bestimmt habe (vgl. Wachtel, Beiträge, S.129 f.). Eine direkte Herleitung des in der Reformation begegnenden Konzepts „der sichbaren und der unsichtbaren Kirche“ aus der Ekklesiologie Augustins nimmt etwa Hans von Soden vor (vgl. Soden, Vater, S.  103). 234 Wachtel, Beiträge, S.  114.116.130. 235  A.a.O., S.  118. 236  A.a.O., S.  121. Zur „Struktur des christlichen Geschichtsdenkens überhaupt“ gehöre das „Miteinander von Transzendenz und Geschichtlichkeit“. Eine Interpretation des ciuitas dei-Begriffes „im Sinne einer eschatologischen Entgeschichtlichung“, wie Wachtel sie u. a. bei Kamlah gegeben sieht, werde deshalb dem Geschichtsdenken Augustins nicht gerecht. Ähnlich argumentiert C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  238 f. 237 Wachtel, Beiträge, S.  151; vgl. S.  119. 238  Vgl. a. a. O. S.  127; vgl. dazu ciu. XX 9, S.  717, Z.  59–65. 239  Reuter, Studien, S.  116. 240  Ein differenzierteres Urteil fällt Bernhard Lohse, der der Meinung ist, dass in ciu. XX

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Im Blick auf den Begriff ciuitas gibt Wachtel zu bedenken, dass dieser semantisch gesehen einen lokalen, einen soziologischen, einen rechtlichen und einen religiösen Aspekt habe.241 Darauf hin betont er, dass Augustin „die wesentliche Eigenschaft der Civitas in ihrem personalen Charakter erblickt“. Es handelt sich also recht allgemein um einen Zusammenschluss von Menschen (societas hominum), der sich sowohl in einer Familie, in einem (Stadt-)Staat oder auch in einer Völkergemeinschaft realisieren kann.242 Ferner sei eine ciuitas nicht nur bei Augustin, sondern auch im Verständnis seiner Gegner immer an eine Gottheit gebunden und insofern eine „theopolitische Größe“.243 So kommt Wachtel zu dem Ergebnis, dass ciuitas in erster Linie als Kultgemeinschaft zu begreifen sei und Augustin in ciu. zu zeigen versuche, worin sich die christliche ciuitas dei von den anderen ciuitates unterscheide.244 Die ciuitas dei habe nämlich, da sie den „einzigen universalen Gott“ verehre, ein höheres Maß der Erkenntnis vom „Wesen des Göttlichen“ als alle anderen Gemeinschaften.245 Zudem habe sie ihr „Zielgut“ in der Einheit mit Gott, während die anderen Gemeinschaften einer „weltimmanenten Wertordnung“ verhaftet sind und so vornehmlich nach Verbesserung ihres irdischen Lebens streben – weshalb Augustin sie unter dem Namen ciuitas terrena zusammenfasst.246 Dass nur die christliche ciuitas die wahre ciuitas dei sein kann, erweise sich schließlich im Kult: „In dem Verständnis der Civitas Dei als eine im Kultopfer sich darbringende gott-menschliche Gemeinschaft offenbart sich für Augustinus das eigentliche Wesen der Civitas Dei.“247 Mit der Inkarnation Christi und dem die Kirche begründenden Pfingstgeschehen sei bereits das „Endereignis“ erreicht, auf das sich die Weltgeschichte zubewegt habe. Das sechste Weltzeitalter stehe „schon im Zeichen der Erfüllung“. Wesentlich neue Ereignisse, „die den in der Civitas Dei erreichten Status der Menschheit ändern können“, gäbe es keine mehr.248 Die noch bis zum Ende 9 die Kirche zwar als Reich Christi bzw. Himmelreich bezeichnet wird, damit aber lediglich ein „Aspekt von Kirche“ betont werden soll und nicht eine vollständige Identität zwischen diesen Begriffen gemeint ist: „Von daher läßt sich im Blick auf de civ. Dei 20,9 wohl sagen, daß die Kirche ‚auch‘ Reich Christi oder Himmelreich heißt, daß aber diese Prädikation nicht umkehrbar ist, daß man also nicht sagen kann, das Reich Christi heiße auch Kirche.“ (B. Lohse, Eschatologie, S.  240) 241  Vgl. Wachtel, Beiträge, S.  135. 242  A.a.O., S.  136; Wachtel zitiert hier aus ciu. XV 8, S.  4 64, Z.  65–67. 243 Wachtel, Beiträge, S.  139. 244  Vor dem Hintergrund des Verständnisses der ciuitas als Kultgemeinschaft erkläre sich auch, warum sich Augustin in ciu. so intensiv mit der „sakralrechtlichen Stellung der römischen Gottheiten“ auseinandergesetzt hat (vgl. a. a. O., S.  146 f.). 245  A.a.O., S.  140. 246  A.a.O., S.  140 f. Da sich diese Gemeinschaften an eine andere Gottheit als den einzigen wahren Gott, nämlich an die Dämonen (= die abgefallenen Engel), binden und von diesen wesentlich geformt werden, kann Augustin eine solche Gemeinschaft auch ciuitas diaboli oder societas daemonum nennen (vgl. a. a. O., S.  149 f.). 247  A.a.O., S.  145. 248  A.a.O., S.  73 f.

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ausstehende Zeitspanne diene lediglich dem Zweck, die von Gott festgelegte Anzahl der Glieder der ciuitas dei zu erreichen.249 Vor diesem Hintergrund musste Augustin die chiliastische Lehre von einem noch ausstehenden ‚Zwischenreich‘ (Millenium) ablehnen, da er in der „Ecclesia – Civitas Dei“ das „Reich Christi“ bereits jetzt verwirklicht sah.250 Ohnehin müssten die 1000 Jahre nicht numerisch, sondern als numerus perfectus begriffen werden. Die zentrale Frage eines Christen sei nicht die nach dem genauen Zeitpunkt des Endes, der als Setzung Gottes ihm zu wissen gar nicht zustehe (vgl. Apg 1,7), sondern die nach seinem Heil, die sich „in der Spanne seines eigenen Lebens entscheidet“.251 Auch die von Augustin wahrgenommenen Zerfallsprozesse des Imperium Romanum und dessen drohender Untergang durch die Einfälle etwa der Goten in Rom oder der Vandalen in Nordafrika hätten ihn nicht in eine Endzeitstimmung versetzt. Zum einen hatte er bereits in den ersten Büchern von ciu. nachgewiesen, dass Rom immer wieder von Überfällen heimgesucht wurde und nichts dagegen spreche, dass es auch die gegenwärtigen Krisen überdauere.252 Zum anderen dürfe man das Fortbestehen der Kirche nicht grundsätzlich vom Bestand des Römischen Reiches abhängig machen, auch wenn Augustin die Reichseinheit als gottgewollte Voraussetzung für die Ausbreitung des Evangeliums beurteilt habe.253 249 

A.a.O., S.  74, mit Hinweis auf en. Ps. 34,2,9, S.  318, Z.  4 –9. Beiträge, S.  75. Mit Bezug auf en. Ps. 9,27, S.  70, Z.  5 –11 meint Wachtel bei Augustin eine dreiteilige Gliederung des sechsten Weltzeitalters erkennen zu können: eine erste Verfolgungszeit (Zeit der Märtyrer), eine zweite Phase relativer Ruhe im Zeichen der Christianisierung der Herrschaft und schließlich eine dritte Phase, die wieder von Verfolgungen (seitens des Antichristen) geprägt ist, mit denen nun jedoch das Wirken von Häretikern und Bösen innerhalb der Kirche gemeint ist (vgl. Wachtel, Beiträge, S.  78). Diese Dreiteilung im Sinne von drei aufeinanderfolgenden Phasen findet sich m.E. allerdings kaum in ciu. wieder: Die mit der zweiten Phase verbundene äußere Ruhe und die innerkirchlichen Konflikte der dritten Phase erscheinen in ciu. XVIII 50–53 vielmehr als parallel ablaufende Prozesse. 251  A.a.O., S.  79.82; vgl. auch S.  100. 252  Vgl. a. a. O., S.  8 8.90–92. Wachtel weist hier u. a. auf den Vergleich der Dauer des Assyrischen Reiches mit der des Römischen Reiches hin, den Augustin in ciu. IV 6, S.  103, Z.  20–25 anbringt. Führe man sich, so Wachtel, die „grundsätzliche Identität“ vor Augen (Wachtel, Beiträge, S.  67), die Augustin zwischen diesen beiden Weltreichen sah, so könnte er davon ausgegangen sein, dass das Römische Reich ebenso lange bestehen werde wie das Assyrische (nämlich 1240 bzw. 1300 Jahre) und insofern noch lange fortbestehen müsse. Darüber hinaus finde sich bei Augustin der ebenfalls die Naherwartungen erheblich dämpfende Gedanke, dass die „Zeit der Ecclesia“ und damit das sechste Weltzeitalter ebenso lange dauern könnte wie die vorangegangenen fünf Weltzeitalter vor Christus, in denen die Ecclesia noch im Verborgenen pilgerte (vgl. a. a. O., S.  100, mit Bezug auf diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  4 0 – S.  107, Z.  82). Vor diesem Hintergrund ist die These, Augustin habe unzweifelhaft das Römische Reich als kurz vor seinem Ende stehend wahrgenommen (so etwa bei Petit, La chute, S.  4 0) zurückzuweisen. 253  Vgl. Wachtel, Beiträge, S.  93 f. Später stellt Wachtel die durch s. 105,9, S.  622, Z.  2 2– 250 Wachtel,

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2.6 Robert A. Markus: Saeculum. History and society in the theology of St. Augustine Die 1970 erschienene Arbeit des ungarischen Patristikers Robert Austin Markus (1924–2010), der zuletzt an der Universität von Nottingham lehrte, hat insbesondere die englischsprachige Forschung zu Augustins Geschichtsdenken stark beeinflusst.254 Charakteristisch ist für seinen Entwurf, dass er die Geschichtsthematik bei Augustin in enger Verbindung mit dessen Verständnis der Gesellschaft betrachtet, wobei ciu. seine wichtigste Quellengrundlage darstellt. Wie der Titel bereits verrät, ist der Ausgangspunkt der Analysen von Markus also das saeculum, d. h. das gegenwärtige Zeitalter, in dem sich Augustin selbst befindet. Von der Wahrnehmung der Verfasstheit der Gesellschaft und der Kirche in der eigenen Gegenwart wird der Blick in die zurückliegende Geschichte einerseits, die erwartete bzw. erhoffte Zukunft andererseits gerichtet.255 Markus ist beizupflichten, dass die Anthropologie und die Soteriologie Augustins, wie sie in ciu. begegnen, maßgeblich unter dem Eindruck seiner (Re-) Lektüre der paulinischen Briefe stehen.256 Die Verfasstheit des adamitischen Menschen und seine absolute Bedürftigkeit nach Gnade bilden den Ausgangspunkt für das geschichtliche Denken Augustins, und damit zusammenhängend auch für seine Vorstellung von Gesellschaft: Human life became a chronic conflict between sin and grace, and history the theatre in which this conflict was played out on a large scale. Henceforth Augustine could no longer see salvation as an ordered progression towards a distant goal; it was a sustained miracle of divine initiative. His previous confidence in man’s moral capabilities collapsed; the notion of a justice attainable by human effort or through the arrangements of social living was revealed as illusory.257

Erhellend sind Markus’ Beobachtungen, dass sich Augustin einige Jahre vor der Abfassung von ciu. noch der Meinung anschließen konnte, in der immer stärkeren Durchsetzung des Christentums in den politischen Strukturen des Römischen Reiches sei die sich fortsetzende Realisierung des Gottesreiches zu erkennen. Von dieser „post-Theodosian euphoria“258 sei etwa auch das Denken des 24 begründete Vermutung an, dass Augustin sich durchaus auch eine Zukunft der Kirche nach dem Untergang des Römischen Reiches habe vorstellen können. 254  Vgl. Bonner, Imperatori, S.  2 31. 255  Vgl. Markus, Saeculum, S.  2 2. 256 Dieses „re-reading of St. Paul“ datiert Markus auf die Mitte der 390er-Jahre; vgl. a. a. O., S. Xf.XXIII.80 f.; s. auch Yates, Books, S.  209 f. 257 Markus, Saeculum, S. XI. 258  A.a.O., S.  29. Markus’ Rede von der „post-Theodosian euphoria“ darf nicht isoliert von der sogenannten ‚Konstantinischen Wende‘ verstanden werden, die einige Jahrzehnte vorher eine ähnliche Euphorie unter christlichen Autoren hervorgerufen und u. a. zur positiven Bewertung des Imperium Romanum und des Kaisertums durch Euseb geführt hat­ (s. dazu Einleitung, Abschnitt 1.2 mit Anm.  7 ). Die „post-Theodosian euphoria“ erscheint daher als eine Art Wiederaufnahme positiver Verhältnisbestimmungen zwischen Christen-

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Ambrosius von Mailand bestimmt gewesen. So konnte Augustin in dieser Zeit, etwa in seiner Schrift Contra Faustum Manichaeum (i.F.: c. Faust.), in positiver Weise vom imperium Christianum sprechen.259 Einen Höhepunkt dieser Euphorie Augustins erkennt Markus in der Zeit der Regentschaft des Kaisers Honorius. Dessen Engagement für die Kirche bei gleichzeitigem Zurückdrängen des Heidentums durch entsprechende Gesetzgebung (in Fortsetzung der Politik seines Vaters Theodosius I.) fand Augustins ausdrückliche Zustimmung.260 Diese reichte bis zu der Überzeugung, in der kaiserlichen Politik das Eingreifen Gottes in die Geschichte im Sinne der Erfüllung alttestamentlicher Prophetien und Verheißungen erkennen zu können,261 wie Briefe und Predigten aus dieser Zeit belegen.262 Im Laufe der Zeit, insbesondere aber nach dem Goteneinfall in Rom, habe sich – so Markus – Augustins Verhältnisbestimmung zwischen Christentum und Römischem Reich gewandelt, was sich insbesondere in ciu. zeige.263 Wenn Augustin nun von den tempora christiana spreche, so meine er damit eine heilsgeschichtliche Epoche, die mit der Inkarnation Christi (und nicht etwa mit der Christianisierung des Römischen Reiches) ihren Anfang genommen hat und die einmünden wird in die Erfüllung der Verheißungen am Ende der Zeiten.264 Allen sich zwischen Inkarnation und Eschaton abspieleden Ereignissen käme keine entscheidende heilsgeschichtliche Bedeutung mehr zu. Markus geht von einer „disillusion with the Theodosian mirage of a Christian Empire“265 seitens Augustins aus, was er wiederum auf die durch den Goteneinfall in Rom im Jahr 410 ausgelöste Erschütterung zurückführt. Die sich an dieses Ereignis anschließenden Kontroversen hätten das Thema des römischen Staates erstmals zu einem Problem für Augustin werden lassen und bei ihm zu einem entspre-

tum und Römischem Reich im Licht der Regentschaft Theodosius I. – nach einer zwischenzeitlichen Phase christentumsfeindlicher Politik (vgl. a. a. O., S.  167). 259 Vgl. c. Faust. 22,60, S.  656, Z.  2 –9. Das Werk c. Faust. geht auf die frühen Jahre nach der Bischofsweihe Augustins zurück; es entstand wohl ca.  4 00–404 (vgl. Decret, Art. Faustum, Sp.  1245; Drecoll, Chronologie, S.  255). 260  Vgl. Markus, Saeculum, S.  33; s. auch R. Klein, Art. Honorius, Sp.  423 f. Uta Heil sieht einen deutlichen Zusammenhang zwischen den „kurz zuvor im November 408“ verschärften „anti-heidnischen Maßnahmen“ des Honorius und der Intensität der heidnischen Vorwürfe gegen das Christentum angesichts der Plünderung Roms durch die Goten im Jahr 410 gegeben (Heil, Rom, S.  521). 261  Vgl. Markus, Saeculum, S.  32; R. Klein, Art. Honorius, Sp.  424 mit Anm.  13 f. 262  Vgl. etwa ep.  185; s. Dolbeau 25, S.  248–267; 26, S.  366–417; s. dazu Maxfield, Providence, S.  340 f. 263  Vgl. Markus, Saeculum, S.  38. Reinhart Koselleck hat u. a. mit Bezug auf Augustin plausibel nachweisen können, dass Krisensituationen zu umfassenden Wandlungen von Methodik und Ansätzen des Geschichtsdenkens führen können (vgl. Koselleck, Erfahrungswandel, S.  46.71 f.; s. auch Löwith, Weltgeschichte, S.  13; C. Müller, Unheil, S.  99). 264  Vgl. mit Bezug auf ciu. XVIII 47: Markus, Saeculum, S.  38. 265  A.a.O., S.  4 4.

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chenden Umdenken geführt.266 Demgemäß macht Markus in ciu. eine weitaus ‚säkularere‘ Verhältnisbestimmung zwischen (römischem) Staat und Christentum aus, wobei er allerdings der Gefahr erliegt, einen modernen Begriff von ‚säkular‘ vorauszusetzen, der Augustins Denken, aber auch der hohen Bedeutung der religio im Römischen Reich nicht gerecht zu werden vermag.267 So findet sich etwa die Auffassung, Augustins „‚secularization‘ of the realm of ­politics implies a pluralistic, religiously neutral civil community“.268 Mit der neuen Verhältnisbestimmung zwischen Christentum und Römischem Reich sei etwas später auch eine entscheidende Wandlung des Geschichts-, Inspirations- und Prophetieverständnisses einhergegangen, die Markus auf das Jahr 414 datiert und in De Genesi ad litteram (i.F.: Gn. litt.), aber auch im Geschichtsverständnis der hinteren Bücher von ciu. ausmacht.269 Diese Wandlung habe zur Konsequenz gehabt, dass Augustin die Heilsgeschichte, die historia sacra, fortan nur noch in den durch den biblischen Kanon bezeugten Geschehnissen habe erkennen können: „Augustine had come to see ‚sacred history‘ as confined to the history to be found within the scriptural canon, and he came to deny this status to any other interpretations of historical events.“270 In kritischer Auseinandersetzung mit dem Begriff der ‚Heilsgeschichte‘ bei Oscar Cullmann unterscheidet Markus die ‚säkulare Geschichte‘ („secular history“) von der ‚sakralen Geschichte‘ („sacred history“), die für ihn allerdings nicht ganz deckungsgleich mit der ‚Heilsgeschichte‘ („salvation history“) ist.271 Dabei setzt er voraus, dass Augustin einen doppelten Begriff von Geschichte 266 

Vgl. ebd. Dass Markus selbst sich dieser Gefahr bewusst ist, zeigt sich a. a. O., S.  133. 268 Markus, Saeculum, S.  173. Augustin wird hier als Vordenker einer modernen, pluralistischen Gesellschaft gezeichnet, fast als habe er es beabsichtigt, zu einer solchen mit seinem Werk beizutragen. Dem wird man jedoch entgegensetzen müssen, dass Augustin das Ziel der irdischen Existenz beider ciuitates in deren eschatologischer Trennung (und damit der Auf hebung eines jeden irdischen Staates) sah. Der aus Bürgern beider ciuitates bestehende Staat läuft gerade nicht auf eine ideale Gesellschaftsform zu, vielmehr existieren die Glieder der ciuitates nach ihrer Trennung mit ihren jeweiligen Genossen (Dämonen bzw. Engeln) in der ewigen Höllenqual bzw. der ewigen Seligkeit. Zwar stammt die hier zitierte These aus dem siebten Kapitel der Arbeit, das den Versuch unternimmt, aus dem theologischen Denken Augustins über Gesellschaft und Geschichte Impulse für die Gegenwart zu gewinnen, allerdings stieß sie gerade aus historischer Perspektive auf Kritik (vgl. Maxfield, Providence, S.  349–351). Markus selbst hat in späteren Jahren auf diese reagiert und seine Position in gewisser Weise relativiert (vgl. Markus, Christianity, S.  50 f. 63). 269  Markus verweist hier v. a. auf das im Jahr 414 abgeschlossene Buch Gn. litt. 12 und die „later books“ von ciu., ohne diese Angabe zu präzisieren (vgl. Markus, Saeculum, S.  43; s. dazu Maxfield, Providence, S.  344). Setzt man allerdings das Jahr 414 an, so müssten von dieser Veränderung im Denken Augustins die Bücher ab ciu. VI betroffen sein (vgl. zur Datierung: Oort, De ciuitate dei, S.  349). Markus selbst denkt wohl in erster Linie an den zweiten Hauptteil, ciu. XI-XXII. 270 Markus, Saeculum, S.  43. 271  Vgl. a. a. O., S.  14.231; mit Bezug auf Cullmann, Heil. 267 

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gehabt und klar zwischen beiden Bedeutungen unterschieden habe: ‚History‘ könne demnach entweder das Gesamt vergangener Ereignisse oder aber den Bericht über dieselben meinen. Nur im letzteren Sinne, also als Geschichtsbericht, dürfe ‚history‘ verstanden werden, wenn von ‚sacred history‘ die Rede ist. M.a.W.: Eine von der Rezeption und Deutung der Ereignisse unabhängige ‚sacred history‘ vermag Markus bei Augustin nicht zu erkennen.272 Erst durch die göttliche Inspiration wird ein Verfasser dazu autorisiert, die sacred history niederzuschreiben, wodurch diese zugleich prophetische Qualität erhalte: „Divina historia, nostrae religionis historia, sacra historia, prophetica historia are used almost interchangeably, and are, of course, all identified with the canonical scriptures and constrasted with the historical books of pagan authors“.273 Die ganze Geschichte verläuft gemäß der göttlichen Providenz, allerdings ist sie uns als ‚sacred history‘ nur durch das Privileg der gottgegebenen Einsicht („prophetic insight“) zugänglich: „only ‚sacred history‘ tells us what God really has done, what meaning events have within the economy of salvation“.274 Zugleich ist damit impliziert, dass kein Versuch, eine „secular history“ zu verfassen, Aussicht darauf hat, den eigentlichen Sinn der Geschichte zu erkennen. Mit diesem Begriff von „sacred history“ sei für Augustin freilich das Problem verbunden gewesen, dass aufgrund des Mangels an „properly authorised historians“ nach dem Entstehen der kanonischen Schriften eine solche sacred history nicht fortgeschrieben werden könne.275 Mit der Wandlung des Geschichtsverständnisses ging nach Markus also auch eine solche des Prophetie- und des In­ spirationsverständnisses einher. Nicht mehr das Eintreffen bestimmmter Weissagungen, sondern die Kanonizität habe für Augustin fortan das Kriterium bei der Beurteilung der Wahrheit einer prophetischen Eingebung gebildet. Inspira272  Die definitorische Schwäche des Konzepts der ‚Heilsgeschichte‘ bei Oscar Cullmann erkennt Markus gerade darin, dass ihm keine entsprechende Differenzierung des Geschichtsbegriffes (in geschehene Ereignisse und den Bericht über dieselben) zugrunde liegt. Diesen Mangel wirft Markus im Übrigen der gesamten deutschsprachigen Theologie vor und empfiehlt ihr, eine Unterscheidung zwischen ‚Historie‘ und ‚Geschichte‘ einzuführen (vgl. Markus, Saeculum, S.  231 f.). 273  A.a.O., S.  15 f. 274  A.a.O., S.  17. 275  A.a.O., S.  2 32. Dies gilt es festzuhalten gegen Fehlinterpretationen wie etwa derjenigen Alexander Rüstows, wonach Augustin „in seiner mächtigen Schrift vom Gottesreich [sic] (De civitate dei) sich zum gültigen Deuter dieses apokalyptischen Zeichens [sc. des Goteneinfalls in Rom im Jahr 410] aufschwang und dadurch den Charakter des Christentums als einer Geschichtsreligion in folgenschwerer Weise weiterbildete (Rüstow, Ortsbestimmung, S.  192). Abgesehen von der in ciu. allgmein feststellbaren Zurückhaltung Augustins gegenüber heilsgeschichtlichen Deutungen von Ereignissen aus nachbiblischer Zeit (s. Abschnitt 6.2.4) liegt die Pointe seiner Auseinandersetzung mit der Katastrophe von 410 in ciu. ja gerade darin, sie nicht apokalyptisch aufzuladen, sondern eschatologisch zu relativieren und als ein den Bedingungen des irdischen Lebens geschuldetes Ereignis einzuordnen (vgl. Heil, Rom, S.  536; C. Müller, Unheil, S.  101.106 f.; Koselleck, Erfahrungswandel, S.  71 f.).

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tion und Kanonizität würden von ihm zwar nicht synonym gebraucht, aber als „coextensive“ (deckungsgleich) angesehen.276 Seine These von einem Wandel im Geschichts- und Prophetieverständnis Augustins konkretisiert Markus noch wie folgt: In seinen frühen Werken habe Augustin Prophetie und Geschichte als voneinander getrennte Weisen der Offenbarung Gottes betrachtet, der sich dem Menschengeschlecht entweder per historiam oder per prophetiam mitteile.277 Diese beiden Offenbarungsweisen hätten sich innerhalb der Bibel in „two kinds of texts“ niedergeschlagen, den Geschichtsbüchern, die von Vergangenem berichten, und den prophetischen Schriften, die von Künftigem künden.278 Eigentlich müsste auf beide Textarten der doppelte Schriftsinn (secundum historiam / secundum prophetiam) als voneinander unterschiedene Auslegungsweisen angewendet werden können, de facto seien diese aber im Denken Augustins verschmolzen.279 Das wiederum habe dazu geführt, dass die klare Unterscheidung zwischen Geschichte und Prophetie, die der frühe Augustin noch machte, mehr und mehr aufgehoben wurde. So konnte er nun das, was im gesamten biblischen Kanon zur Sprache kommt, sowohl als Geschichte als auch als Prophetie betrachten; darüber hinaus würden etwa in ciu. – so Markus – die Begriffe historia und prophetia „almost synonymous“ verwendet.280 276 Markus, Saeculum, S.  191; Markus bezieht sich hier auf ciu. XVIII 38, S.  633, Z.  9 – S.  634, Z.  36. Unbestritten gibt es bei Augustin einen engen Zusammenhang von Inspiration und Kanonizität (vgl. Ohlig, Art. Canon, Sp.  721 f.), insofern sich der größte und wesentliche Teil der wahren Prophetien innerhalb der heiligen Schriften befindet. Allerdings darf nicht unterschätzt werden, dass Augustin durchaus auch von der Existenz wahrer Prophetien (die die göttliche Inspiration voraussetzen; vgl. Dideberg, Art. Inspiratio, Sp.  633 f.) außerhalb des Kanons ausgeht (zu denken ist u. a. an die erythräische Sibylle in ciu. XVIII 23). 277  Vgl. Markus, Saeculum, S.  188. Darüber hinaus könne sich Gott auch Einzelpersonen quasi per priuatim offenbaren (Markus bezieht sich hier auf uera rel. 46, S.  216, Z.  1–6). 278 Markus, Saeculum, S.  189. 279  Vgl. a. a. O., S.  189 f. Markus macht solches Verschmelzen u. a. an Augustins Darstellung des vierfachen Schriftsinns in Gn. litt. inp.  2 ,5, S.  361, Z.  4 –13 fest, wo dieser, statt eine Erklärung des historischen Schriftsinns (secundum historiam) zu geben, was eigentlich zu erwarten gewesen wäre, eine Definition seines Geschichtsbegriffs (historia) mitteilt. Eine Unterscheidung zwischen (Auslegungs-)Methode und Textart (Geschichtsbuch oder prophetische Schrift) wird somit unterlaufen. 280  A.a.O., S.   190. Der ersten These ist insofern zuzustimmen, als Augustin in ciu. die Geschichtsbücher durchgehend auf ihren prophetischen Gehalt hin auslegt (ohne ihnen dabei allerdings ihren historischen Sinn zu nehmen, der immer wieder hervorgehoben und verteidigt wird). Der umgekehrte Fall, prophetische Schriften auf ihren historischen Sinn hin zu befragen, ist dagegen deutlich seltener (vgl. etwa die Diskussion um die Verweildauer Jonas im Fisch in ciu. XVIII 44, S.  641, Z.  19–39; s. dazu Abschnitt 5.2.3). Die zweite These, Augustin würde prophetia und historia in ciu. nahezu synonym verwenden, lässt sich m.E. aber genauso wenig halten wie diejenige, dass Augustin in ciu. kaum noch zwischen historischem und prophetischem Sinn der Schrift unterschieden hätte (s. dazu bereits Einleitung, Abschnitt 1.4 mit Anm.  36). Auch Markus’ Hinweis auf die Rede von der „prophetica historia“ in ciu. XVI 2, S.  501, Z. 96–101 vermag die These der Synonymität nicht zu stützen. Hier wird schlicht ausgedrückt, dass für Augustin die biblischen Geschichts-

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Vor dem Hintergrund des gewandelten Geschichts- und Prophetieverständnisses müsse u. a. auch Augustins Ablehnung der von Orosius vertretenen geschichtstheologischen Interpretation der Christenverfolgungen in ciu. XVIII 52 verstanden werden.281 Allerdings dürfe dieser Wandel im Geschichtsverständnis nicht so aufgefasst werden, als habe Augustin die Überzeugung von Gottes „ever-present activity“, seinem Wirken zu jeder Zeit und an jedem Ort, aufgegeben.282 Er habe also lediglich die Erkennbarkeit von Gottes Eingreifen in die Geschichte für die nachbiblische Zeit deutlich skeptischer gesehen als zuvor.283 Markus’ Rekonstruktion des Geschichtsbegriffes Augustins vermag auch zu erklären, warum die Kirchengeschichte im engeren Sinne in ciu. nur eine knappe Behandlung erfährt und warum die von Augustin gerade in ciu. XVIII vorgetragene pagane Geschichte recht isoliert wirkt und ohne merklichen Einfluss auf seine Gesamtdeutung der Geschichte in ciu. bleibt.

2.7 Christof Müller: Geschichtsbewusstsein bei Augustinus Die Dissertation des katholischen Theologen und Philosophen Christof Müller (geb. 1961) stellt eine der differenziertesten und umfangreichsten Auseinandersetzungen mit dem Geschichtsverständnis Augustins aus jüngerer Zeit dar. Ziel seiner Untersuchung ist es, zu einer „Gesamteinschätzung des Beitrages Augustins für das Geschichtsbewußtsein“ zu kommen, wobei die enorme Breite an Aspekten des Geschichtsdenkens Augustins, die Müller behandelt,284 mitunter zu der Frage geführt hat, was eigentlich sein leitendes Interesse ist und welcher Fachdisziplin seine Arbeit zuzuordnen ist.285 Da die vorangegangenen Forschungsbeiträge bisweilen der Gefahr erlegen seien, mit einer vorschnellen Rede von ‚Heilsgeschichte‘ oder ‚Geschichtstheologie‘ „neuzeitliche Sprachspiele zu unreflektiert in spätantikes Denken zurückbücher (der Kontext von ciu. XVI 2 ist das Buch Genesis) prophetischen Sinn in sich tragen. Dass Augustin durchgehend an einer „Antithetik“ zwischen historia und prophetia festhält, betont auch C. Müller, u. a. mit Verweis auf ciu. XVIII 44, S.  641, Z. 27–31 (vgl. C. Müller, Art. Historia, Sp.  373 f.). 281  Vgl. Markus, Saeculum, S.  54, s. dazu Abschnitt 6.2.4. 282  Vgl. a. a. O., S.  16. 283  Die Annahme Ernst A. Schmidts, mit dem Kommen Christi sei die Heilsgeschichte selbst an ein Ende gekommen und Gott habe seitdem „die Welt […] ihrer Weltlichkeit überlassen“, geht fehl, weil sie die Unterscheidung zwischen dem Eingreifen Gottes in die Geschichte und der Erkennbarkeit von diesem Eingreifen nicht vornimmt (Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  377). 284  So will Müller die philosophischen, theologischen und historiographischen Aspekte des Geschichtsdenkens Augustins beleuchten, weiter macht er sich zur Aufgabe, auch die „ontologischen und wissenschaftstheoretischen wie anthropologischen, soziologischen und heilsgeschichtlichen Prämissen, Aspekte und Implikate [sc. des augustinischen Geschichtsdenkens] zu sondieren und unter geschichtstheoretischer Perspektive zu bewerten […]“ (C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  9 f.). 285  Vgl. das recht harsche Urteil Karl-Hermann Kandlers, Rezension, Sp.  912.

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zuprojizieren“, unternimmt es Müller, die Geschichtsthematik bei Augustin ausgehend von den „spezifisch augustinische[n] Termini“ in den Blick zu nehmen.286 Als Schlüsselbegriffe macht er insbesondere historia (sacra) und dispensatio temporalis aus, anhand derer sich die augustinische Deutung von (Heils-)Geschichte verstehen lässt. Dabei meint dispensatio temporalis die „Einheit göttlichen Heilswirkens in der Zeit“, welche sich wiederum als historia sacra in der Heiligen Schrift niedergeschlagen hat.287 Augustin unterscheide die historia / historia profana, die Historiographie, die als menschliche Einrichtung dem Bereich des uti zuzuordnen sei, von der historia sacra, die er als exklusiven von Gott gestifteten Erlösungsweg ansieht. Die so verstandene historia sacra sei wiederum dem Menschen nur partiell begreiflich und dies auch nur durch das Zeugnis der Heiligen Schrift.288 Durch die theologische Prämisse, dass Gott der Herr aller Geschichte und nur die Bibel das von ihm autorisierte Zeugnis der historia sacra ist, folge zwangsläufig eine Abwertung aller profanen Historiographie, die allenfalls als Hilfsmittel, und auch nur insofern sie den biblischen Zeugnissen nicht widerspricht, von Nutzen sein könne.289 Müller sieht darin die Gefahr gegeben, dass „über dem Primat des ‚Prinzips Bibel‘ die Autonomie wissenschaftlicher Historiographie“ beschnitten wird.290 Wenn Augustin darüber hinaus feststellt, dass die paganen Geschichtsdarstellungen einander widersprechen und demgegenüber die „wunderbare Einhelligkeit“ (miranda consensio) der Bibel betont,291 so kann darin über Müller 286 C. Müller, Geschichte, S.  740; vgl. ders., Geschichtsbewußtsein, S.  175.303; so bereits Schmidt, Geschichtsverständnis, S 364 f. Nach Müller dürfe auch ciu. nicht als Geschichtstheologie oder -philosophie im eigentlichen Sinn verstanden werden, allenfalls könne man darin eine „theologische Geschichtsdeutung“ erkennen (C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  159 f.). 287  Vgl. a. a. O., S.  2 25. Johannes van Oort geht so weit, das Konzept der historia sacra als „the heuristic foundation for Augustine’s idea of history“ zu bezeichnen (Oort, The end, S.  7; vgl. auch a. a. O., S.  2). 288  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  164 f. 289  Vgl. a. a. O., S.  167 f. Mit Bezug auf trin. 14,11, S.  437, Z.  4 6–51 hält Müller fest, dass seriöse Geschichtsschreibung (historia grauis) für Augustin darin besteht, dass der hinter ihr stehenden Autorität vertraut werden kann. S. dazu auch die von doctr. chr. 2,42–44 ausgehenden Überlegungen Uta Heils zum Verhältnis zwischen profaner Geschichtsschreibung und Heilsgeschichte bei Augustin (vgl. Heil, Rom, S.  526–529). 290  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  169. 291  Vgl. a. a. O., S.  171. Müller verweist hier auf ciu. XII 11 und XVIII 8; dabei ist diese Auffassung Augustins am pointiertesten in ciu. XVIII 41, S.  636, Z.  15–27 zum Ausdruck gebracht. Wichtig ist allerdings festzuhalten, dass die ‚Einhelligkeit‘ der Schrift bei Augustin keineswegs eine bereits in der Entstehung der Schrift angelegte Mehrdeutigkeit (Christof Landmesser und Peter Koch sprechen von einer „strategischen Ambiguität in der Produktion“; Landmesser/Koch, Ambiguität, S.  263) einzelner Stellen ausschließt. Sein eigenes exegetisches Verfahren mit einzelnen Schriftstellen unter Anwendung eines mehrfachen Schriftsinns zeigt vielmehr seine Überzeugung, dass „sich die Bedeutung der Heiligen Schrift gerade nicht im Literalsinn erschöpft, vielmehr müssen andere Sinndimensionen erschlossen werden, um zur Wahrheit durchzudringen“ (a. a. O., S.  228). Freilich ergibt sich

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hinausgehend das Problem erkannt werden, dass Augustin die Heterogenität der biblischen Bücher, die nicht zuletzt auch eine Mannigfaltigkeit von Geschichtsauffassungen impliziert, nicht angemessen wahrnimmt.292 Müller ruft in Anlehnung an Jean Guitton in Erinnerung, dass das Geschichtsdenken Augustins wesentliche Konturen im Zuge seiner apologetischen Bemühungen gewonnen hat. So habe er es unternommen, gegen die Manichäer die Einheit von Altem und Neuem Bund geschichtlich zu begründen, gegen die Platoniker die „heilsgeschichtliche Berührung von Gott und Mensch, von Zeit und Ewigkeit“ aufzuweisen, gegen die Pelagianer das „prädestinatorische Wirken Gottes“ und die zentrale Stellung Christi innerhalb der Geschichte zu betonen und schließlich gegen die Donatisten die Universalität der Kirche geschichtlich nachzuweisen.293 Die Geschichtsdeutung Augustins sei wesentlich geleitet von einer religiösen, genauer: soteriologischen Fragestellung. Müller sieht die Oberbegriffe ‚Heil‘, ‚Mensch‘ und ‚Gott‘ als die zentralen „inhaltlichen Zugangsweisen“ Augustins zur Geschichtsthematik an. Absicht seiner „narrativen Theologie“, wie er sie insbesondere in De catechizandis rudibus (i.F.: cat. rud.)294 und ciu. entfaltet, sei es gewesen, aufzuzeigen, wie Gott dem Menschen (individuell und kollektiv) den Zugang zum Heil ermöglicht, wobei Christus als dem mediator hier eine entscheidende, zwischen Gott und dem Menschen vermittelnde Rolle zukommt.295 Müller zufolge versteht Augustin die Geschichte des Menschen vor allem als Unheils- und Sündengeschichte, insofern die menschliche Existenz von Leiden, Krieg und Tod geprägt sei. Als Ursache dafür wird die Ursünde Adams angesehen, die jedoch nicht einfach als individuelle Schuld des ersten Menschen begriffen wird. Vielmehr sei Adam als homo uetus der Repräsentant des gesamten Menschengeschlechts, in dem sich die Ursünde immer wieder neu aktualisiert.296 Gegenüber der Geschichte der Gott entfremdeten Menschheit als series calamitatis hebe sich die in ciu. narrativ entfaltete ‚Heilsgeschichte‘ als „umso daraus für Augustin die Herausforderung, die von ihm angenommene Einhelligkeit (consensio) der Schrift mit eben dieser Mehrdeutigkeit ins Verhältnis zu setzen. 292  Dass Augustin sich aufgrund der nicht mehr zu harmonisierenden Heterogenität bi­ blischer Zeugnisse an manchen Stellen dann doch zu einer Auswahl genötigt sieht, wird deutlich in ciu. XX. Hier rekonstruiert er aus den verschiedenen alt- und neutestamentlichen Zeugnissen zur Endzeit einen Ablauf der eschatologischen Ereignisse, wobei er dem Neuen Testament zumeist den Vorzug gibt. 293  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  163, mit Bezug auf Guitton, Le temps, S.  349. Man wird diesen vier Frontstellungen mindestens noch Augustins Auseinandersetzung mit paganen (v. a. römischen) Weltanschauungen hinzufügen müssen, die auch historische Argumentationen impliziert, wie es sich gerade in ciu. I-X zeigt. 294  Die Schrift cat. rud. kann aufgrund von widersprüchlichen Angaben zu ihrer Entstehung nur unpräzise auf die Jahre 400–405 datiert werden (vgl. C. P. Mayer, Art. Catechizandis, Sp.  795 f.). 295  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  160 f. 296  Vgl. a. a. O., S.  177 f.

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strahlender, aber auch umso gnadenhafter“ ab.297 Gleichwohl könne nach dem Urteil Müllers nur bedingt von einer ‚Heilsgeschichte‘ bei Augustin die Rede sein, wenn er bei diesem die Tendenz erkennt, Geschichte mit Schuld und Gottferne zusammenfallen zu lassen, Heil dagegen „dezidiert un- und außergeschichtlich“ zu verstehen.298 Paradoxerweise werde gerade das Leiden als Signum der Geschichte in der Passion Christi radikal zur Geltung gebracht, wodurch der Zugang zum Heil ermöglicht werde: „Leiden und Tod Christi werden gleichsam zum Paradigma von Geschichte überhaupt, da sich hier in Dichte erschließt, wie Gott die ‚series calamitatis‘ des ‚saeculum‘ für seinen heilvollen Plan in Dienst nimmt und zum Guten wendet.“299 Müller stellt weiter die Frage, ob Augustin ‚Offenbarung als Geschichte‘ habe begreifen können. Tatsächlich kenne Augustin neben der Wortoffenbarung auch die Geschichte als einen „Kommunikations- und Handlungszusammenhang“.300 Dadurch, dass Augustin die Offenbarung innerhalb der Geschichte allerdings vornehmlich als auf den Menschen bezogen versteht, und die Erkenntnis Gottes ‚an sich‘ erst im Eschaton erwartet, könne von einer ‚Selbstoffenbarung‘ Gottes innerhalb der Geschichte nicht die Rede sein.301 Mit Bezug 297 

A.a.O., S.  176; vgl. auch S.  185; hier wird verwiesen auf ciu. XIV 27, S.  451, Z.  23–36. A.a.O., S.  180. 299  A.a.O., S.  184. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, für Augustin sei die Passion, nicht die Inkarnation Christi das „Eigentliche der Rettungstat Gottes“ gewesen, geht wohl zu weit. Nicht nur würden damit zwei Aspekte des Heilswirkens Gottes in Christus gegeneinander ausgespielt, die für Augustin nicht voneinander zu trennen sind, auch würde übersehen, dass Christi Annahme menschlicher Gestalt in der Inkarnation durchaus bereits im Horizont seiner Passion, seiner Annahme des Leidens verstanden werden kann (Inkarnation Christi als Akt der humiliatio Gottes; s. dazu Quy, Art. Incarnatio, Sp.  566; C. P. Mayer, Art. Humiliatio, Sp.  4 49 f.). So lässt sich zwar beim späten Augustin ein Abrücken von seiner in uera rel. dargelegten Konzeption der dispensatio temporalis und damit eine Relativierung der „heilsgeschichtlichen Bedeutung der Inkarnation“ festellen (Schwarte, Art. Dispensatio II, Sp.  497, mit Bezug auf retr. 1,13,3, S.  37, Z. 23–34; vgl. a. a. O., Sp.  492–498), was nach Wilhelm Geerlings auf eine größere Gewichtung des Kreuzesopfers Christi innerhalb seiner Soteriologie einerseits, ein stärker trinitarisches Verständnis der Heilsökonomie andererseits zurückgeht (Geerlings, Christus, S.  50–63). Ob die dreiteilige Konzeption der Geschichte der beiden ciuitates in ciu. XI-XXII (exortus, excursus, debiti fines), die Vorstellung der ecclesia ab Abel und die Äußerung in retr. 1,13,3 allerdings tatsächlich die These zulassen, Augustin habe bereits in ciu. „der Menschwerdung Christi ihren geschichtlichen Epochencharakter“ genommen (so Schmidt, Zeit, S.  105), wird mit Recht bestritten (vgl. Schwarte, Art. Dispensatio II, Sp.  497). Dafür laufen auch in ciu. XV-XVIII die aus der Rezeption des Alten Testaments gewonnenen heilsgeschichtlichen Linien zu deutlich auf die Inkarnation und das Wirken Christi zu (vgl. wiederum Wachtel, Beiträge, S.  31). 300  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  187. Hier greift Müller einen wirkmächtigen theologischen Neuansatz des 20. Jahrhunderts auf, der seinen ersten Ausdruck in der 1961 von Wolf hart Pannenberg und anderen verfassten Programmschrift Offenbarung als Geschichte fand. 301  Vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  187 f. Damit wird, zumindest im Blick auf Augustin, einer zentralen These des Pannenberg’schen Programms widersprochen. 298 

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auf die Begegnung Moses mit Gott (vgl. Ex 33,12–23) sei Augustin davon ausgegangen, dass kein Sterblicher im Diesseits das Angesicht Gottes sehen dürfe, sodass selbst der in die raum-zeitliche Geschichte eintretende Gottessohn Jesus Christus nur den ‚Rücken‘, nicht aber das Angesicht Gottes erkennen lässt.302 Hinsichtlich der Offenbarung macht Müller den Gedanken eines innergeschichtlichen Fortschritts bei Augustin aus – freilich ein Fortschritt von „streng theologischer Natur“. So steigere sich die Eindeutigkeit der Offenbarung stufenweise und oftmals synchron zu den in ciu. als heilvolle Neubeginne konturierten Anfängen eines jeden Weltzeitalters, sodass mit Abraham, mit Mose, mit David und dem Propheten Samuel und schließlich auch mit dem Beginn der Schriftprophetie die Verheißungen in größerer Klarheit hervortreten als in der jeweils vorangegangenen Zeit. In dieser fortschreitenden Offenbarung komme das Erscheinen und Wirken Christi als die letzte, alles Vorige überbietende Steigerung der Offenbarung innerhalb der Geschichte zu stehen, das volle Erkennen Gottes und der historia sacra werde dem Menschen freilich erst im (außerhalb der Geschichte stehenden) Eschaton ermöglicht.303 Müller zufolge maß Augustin der Heiligen Schrift als Manifestation der göttlichen Offenbarung die Rolle bei, „dem von Endlichkeit und Verstrickung in die Sünde verengten Horizont des Menschen den Einblick in all die heilsrelevanten Inhalte [zu eröffnen], die er nicht aus sich selbst zu wissen vermag, sondern der ‚auctoritas‘ glauben muß“.304 Jedoch setzt solche Einsicht die Vermittlung des Heils voraus. Diese müsse „innerlich [intus] immer schon geschenkt sein, soll das Neue Testament wahrhaft als gnadenhaft neue und das Alte Testament tatsächlich als überholte und vergangene Wirklichkeit erfaßt werden“.305 Auf der einen Seite erkennt Müller bei Augustin ein großes Interesse am historischen Sinn der Schrift (ad litteram-Exegese), was u. a. auch durch sein hermeneutisches Konzept von res und signa begründet werden kann.306 Auf der anderen Seite reduziere sich seine Exegese oftmals auf die „Polarität von ‚fleischlich‘ und ‚geistlich‘“, weshalb Müller das „exegetische Konzept Augustins in Gefahr“ geraten sieht, „die Historizität der Bibel, ihrer Entstehung, ihrer Verfasser 302 

Vgl. a. a. O., S.  190, mit Bezug auf trin. 2,27; s. dazu auch Luneau, Moses, S.  328. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  190 f. Augustins Vorstellung einer stufenweise deutlicher werdenden Offenbarung hat zur Voraussetzung, dass der Inhalt im Wesentlichen der gleiche bleibt. Die Differenz zwischen Altem zum Neuen Testament wird vor ­a llem im Grad der Enthüllung gesehen (vgl. a. a. O., S.  205). 304  A.a.O., S.  191. Müller verweist hier auf die Stelle ciu. XI 3, S.  322, Z.  1 – S.  323, Z.  5, die er als „methodische Vorbemerkung zur folgenden Rekonstruktion des geschichtlichen Verlaufes der ‚ciuitates‘“ versteht. Die Heilige Schrift habe eine für den Glaubenden unerlässliche, wenn auch nur temporäre Funktion. Kurt Flasch schreibt unter Berufung auf ciu. XVIII 44, S.  640, Z.  9 –15: „Der Sinn der Beschäftigung mit ihr [sc. der biblischen Geschichte] soll ausschließlich darin liegen, daß wir uns aus ihr ‚erheben‘, um das zu erstreben, um wessentwillen sie aufgeschrieben wurde, das Ewige.“ (Flasch, Geschichte, S.  32) 305 C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  2 05. 306  Vgl. a. a. O., S.  192.194. 303  Vgl.

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und derer Aussageabsicht zwar zur Kenntnis zu nehmen, aber als uneigentlich zu überspringen und nur als ephemeren und peripheren Anstoß zur Schau der ‚ewigen‘ und ‚inneren Wahrheit‘ zu werten“.307 Zwar stellt sich die Religionsgeschichte durch Augustins Rede vom ‚Alten‘ und dem ‚Neuen Bund‘ als in einem „diachronen Wandel“ begriffen dar, jedoch werde dies durch das synchrone Konzept der beiden ciuitates nivelliert: Besteht doch die auf Erden pilgernde ciuitas dei, die ecclesia ab Abel bzw. die religio christiana schon immer.308 Freilich stelle sich „das räumlich-zeitliche Eigensein des Alten Bundes nur als defiziente ‚fleischliche‘ Vorstufe der Volloffenbarung in Christus dar“, auch wenn es bereits vor Christus Glieder der ciuitas dei gab, die größtenteils zum Volk Israel gehörten.309 Nur ein kleiner Teil Israels hoffe nicht auf irdische, sondern auf ewige Güter. Mit Christus finde dann die Scheidung Israels in fleischlich und in geistlich Gesinnte statt, die letztlich aus der jeweiligen Haltung gegenüber Christus resultiert.310 Augustin sei der Überzeugung gewesen, dass „das Alte Testament […] im eigentlichen [Sinne; R.Z.] für die Christusgläubigen verfaßt worden“311 ist. So gehöre beispielsweise das Mosaische Gesetz zur „Vorgeschichte des Heils in Christus“: Im pädagogischen Wirken Gottes kommt ihm vor allem die Rolle zu, den Menschen auf die Bruderliebe zu verpflichten und ihn so auf das universale Liebesgebot vorzubereiten, das mit dem Neuen Testament kommen sollte.312 Überhaupt sieht Müller die Kategorie der göttlichen ‚Erziehung‘ als für Augustins Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Testament wesentlich an: Durch die Furcht als ‚Grundexistential‘ der alttestamentlichen Sphäre weckt Gottes Pädagogik Sehnsucht nach Befreiung und bereitet somit die Menschen für den Empfang der Gnade in Christus vor, die Schriften des Alten Bundes machen Gottes Volk in weiser Didaktik sukzessive mit der Vorstellung der Menschwerdung des Gottessohnes und der Ausbreitung der Kirche vertraut.313 307 

A.a.O., S.  193. A.a.O., S.  197, mit Bezug auf retr. 1,13,3, S.  36, Z.  2 –9. 309  A.a.O., S.  198. 310  Vgl. ebd. 311  A.a.O., S.  2 04; verwiesen wird auf cat. rud. 6, S.  126, Z.  59–62. 312  A.a.O., S.  199 mit Anm.  243. Durch diese Auffassung werde das alttestamentliche Gesetz von Augustin zwar als zeitlich gebunden relativiert, aber durch eine solche Argumentation (Müller bezieht sich hier auf diu. qu. 53,4, S.  9 0, Z.  124 – S.  91, Z.  145) konnte er die bleibende Bedeutung des alttestamentlichen Gesetzes für die Christen verdeutlichen – gerade auch in Opposition zu den Manichäern, die es von vornherein ablehnten. 313  A.a.O., S.  2 03 f. Aus dem Kontext des Zitates wird nicht klar, was Müller genau mit der „Furcht als ‚Grundexistential‘ der alttestamentlichen Sphäre“ meint und was vor diesem Hintergrund „Befreiung“ bedeutet. Hier wird wohl ein alttestamentliches Gottesbild eines unnahbaren, strafenden und zu fürchtenden Gottes vorausgesetzt, der vom ‚liebenden Gott‘ des Neuen Testaments abgelöst wird. Ob aber darin die angesprochene ‚Befreiung‘ besteht, oder ob damit doch eher die (Augustin viel angemessenere) Befreiung des Menschen von seiner todverfallenen sündigen Existenz gemeint ist, bleibt offen. 308 

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Der Kult Israels schließlich müsse im Rahmen des einheitlichen göttlichen Heilsplans (dispensatio temporalis) begriffen werden: „Der gesamte Alte Bund spielt gemäß der ‚distributio temporum‘ die Rolle eines Schattens und Vorscheins des Neuen, die Riten und Symbole der Hebräer wurden zu ‚passender‘ Zeit aufgehoben, um den Sakramenten des Neuen Bundes zu weichen.“314 Nach Müller haben Augustin an der alttestamentlichen Prophetie weniger die darin enthaltenen Verheißungen und Hoffnungen interessiert, vielmehr verstand er prophetia „nach Art einer fragmentarischen Einsicht in einen von jeher gültigen Plan Gottes, dessen ewigem Auge das Geschehen auch der Zukunft immer schon vorliegt“.315 Den Propheten (unter die Augustin auch die Patriarchen oder etwa König David fasst) wurde die Inkarnation Christi bereits als zukünftiges Ereignis offenbart. Damit wurde ihnen die „Gnade der Wiedergeburt“ (gratia regenerationis) bereits zuteil,316 auch wenn sie „die volle und explizite christliche Lehre“ noch nicht kannten, die erst die Kirche nach dem Erscheinen Christi haben konnte. Der Glaube der Väter sei nach Augustin keineswegs ein „‚anonymes‘ Christentum“ gewesen, sondern er war bereits „bewußter Christusglaube“.317 Obwohl Augustin das Heil auch als geschichtliche Größe gedacht habe, bewegt sich sein Verständnis von ‚Heilsgeschichte‘ gemäß Müllers Urteil in engen Grenzen: Konkrete Gnade wird häufig in die ewige Prädestination hineingesaugt und ihrer Geschichtlichkeit entleert, das ‚semel‘ der Erlösung dokumentiert zwar die soteriologische Unverzichtbarkeit eines einzelnen räumlich-zeitlichen Geschehens [sc. des Heilswirkens Christi], interpretiert dessen Einmaligkeit jedoch vorrangig im Horizont des zeitlosen und unbeirrbaren Willens Gottes und sorgt sich weit weniger um eine echt geschichtstheologische oder -theoretische Auswertung.318

Die mannigfaltigen Einzelbeobachtungen Müllers zum Geschichtsbewusstsein Augustins fügen sich am Ende nur bedingt zu einem einheitlichen Bild zusammen.319 So kommt er im letzten Abschnitt seiner Arbeit zu dem Ergebnis, dass das Geschichtsdenken Augustins von einer grundsätzlichen Ambivalenz gekennzeichnet ist. Je nachdem, ob Augustin die Geschichte ‚von oben‘ (d. h. aus 314 

A.a.O., S.  227 f.; verwiesen wird hier auf ciu. X 5, S.  277, Z.  15–33. A.a.O., S.  200. 316  A.a.O., S.  213, Müller belegt dies mit einem Zitat aus ench. 119, S.  113, Z.  55–61. Ferner verweist er auf die These von W. Scholz, Christus, S.  136 f., wonach „der Schwerpunkt des Glaubens vor Christus auf der Inkarnation“ liege, „der nach Christus auf der Passion des Gottessohnes“ (C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  214, Anm.  344). 317  A.a.O., S.  214. 318  A.a.O., S.  211. 319  Das mag seinen Grund nicht zuletzt darin haben, dass sich seine Analysen auf nahezu das gesamte Oeuvre Augustins beziehen. Aus den sich teilweise erheblich voneinander unterscheidenden Entstehungskontexten und Darstellungsintentionen resultieren unweigerlich unterschiedliche und teils widersprüchliche Zugänge und Auffassungen Augustins zum Themenkreis der Geschichte. 315 

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theozentrischer Perspektive) oder ‚von unten‘ in den Blick nimmt, changiere auch sein Urteil darüber, ob der Geschichte ein Eigenwert zukommt, ob sie selbst einen Sinn in sich trägt bzw. ob in ihr so etwas wie ein Fortschritt erkannt werden kann. Seinen formalen Grund habe diese Ambivalenz darin, dass Augustin die Geschichtsthematik zumeist nur im Rahmen von anderen Fragestellungen streift und weder eine konsistente Begrifflichkeit oder gar eine Geschichtstheorie entwickelt hat. Noch wichtiger ist für Müller die folgende Erklärung: „Das Oszillierende und Doppelwertige des Geschichtlichen gründet im Denken Augustins indes zutiefst und zuletzt in der inhaltlichen Ebene: Er faßt es [sc. das Geschichtliche] als Ambivalenz von Unheil und Heil, von Sünde und ‚Heiligkeit‘, von Unsinn und Sinn.“320

2.8 Augustin und das Judentum Bei der Frage nach der Bedeutung des Alten Testaments für das Geschichtsdenken Augustins ist auch dessen Wertung des Judentums zu beachten. Einige wenige Studien zu dieser Thematik seien hier genannt; eine Auseinandersetzung mit ihnen soll dann an gegebenem Ort innerhalb der Quellenanalyse zu ciu. XV-XVIII erfolgen. Im Jahr 1946 hat Bernhard Blumenkranz seine Dissertation mit dem Titel Die Judenpredigt Augustins veröffentlicht. Diese Arbeit ist nach wie vor als grundlegend anzusehen, setzt sie sich doch nicht nur mit der Bewertung des Judentums durch lateinische Theologen vor Augustin auseinander, sondern stellt – basierend insbesondere auf dem Traktat Aduersus Iudaeos (i.F.: adu. Iud.)321 – Augustins Positionierung zu wesentlichen Aspekten jüdischen Glaubens und jüdischer Religiosität in pointierter Weise dar. Die Dissertation von Lisa A. Unterseher mit dem Titel The mark of Cain and the Jews. Augustine’s theology of Jews and Judaism, die Untersuchungen von Thomas Raveaux 322 sowie die vielfachen Arbeiten von Paula Fredriksen, darunter ihre umfassende Studie Augustine and the Jews. A christian defense of Jews and Judaism, haben die Thematik weiter vertieft und auf eine breitere Quellengrund320 C.

Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  325. Blumenkranz bietet eine Übersetzung dieses Traktats (vgl. Blumenkranz, Judenpredigt, S.  89–110), die auf der Edition MPL 42 (Sp.  51–64) beruht. Der Traktat adu. Iud. hat wohl nicht als eigenständiges Buch, sondern als eine Predigt Augustins zu gelten. Deshalb bedeutet die Nichterwähnung von adu. Iud. in den retr. nicht notwendigerweise, dass adu. Iud. nach 428 entstanden sein muss oder dass es sich um eine pseudepigraphe Schrift handelt. Eine genaue Datierung kann nicht vorgenommen werden, Johannes van Oort vermutet aber, dass adu. Iud. in den letzten Lebensjahrzehnten Augustins entstanden sein muss (vgl. Oort, Art. Iudaeos, Sp.  792). 322  Vgl. u. a. Raveaux, Adversus; ders., Juden. Mit der Wahrnehmung des Judentums durch Augustin hatte sich Raveaux bereits im Rahmen seiner Dissertation zu c. adu. leg. beschäftigt; vgl. ders., Contra. 321 

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lage gestellt.323 Ein umfangreicher Aufsatz Gregory W. Lees mit dem Titel Israel between the Two Cities: Augustine’s Theology of the Jews and Judaism ist für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse, da Lee sich insbesondere auf ciu. bezieht.324 In jüngster Zeit ist ein Sammelband mit dem Titel Augustinus – Christentum – Judentum. Ausgewählte Stationen einer Problemgeschichte erschienen. Neben einem Aufsatz über Augustins Judenbild wird in weiteren Beiträgen auch die verhängnisvolle Wirkungsgeschichte der antijüdischen Tendenzen Augustins im Mittelalter und in der Reformationszeit beleuchtet.325

2.9 Weitere Forschungsbeiträge zu De ciuitate dei Bei der Durchsicht der einzelnen Forschungsbeiträge lassen sich gewisse thematische Schwerpunkte ausmachen, um die die Diskussionen immer wieder kreisen. Dazu zählen u. a. der Kirchenbegriff Augustins bzw. das Verhältnis der ecclesia zur ciuitas dei, die Hintergründe des ciuitates-Konzepts Augustins, die Frage nach dem ‚Sinn‘ oder dem ‚Fortschritt‘ von Geschichte nach ciu., das Spezifische des Geschichtsdenkens Augustins im Vergleich zu nichtchristlichen Entwürfen, schließlich auch Augustins Denken über das politische Gemeinwesen und das Verhältnis weltlicher Ordnungen zu einer dem Willen Gottes entsprechenden christlichen Lebensführung. Im Folgenden seien noch einige Beiträge aufgeführt, die über die bereits genannten hinaus für die Fragestellung dieser Untersuchung von Bedeutung sind. So hat Cornelius Petrus Mayer mit seinem zweibändigen Werk über die Zeichen in der geistigen Entwicklung und in der Theologie Augustins, bestehend aus seiner Dissertation und Habilitationsschrift, wesentliche Grundlagen zum Verständnis des Zeichenbegriffs und der (Schrift-)hermeneutik Augustins geschaffen.326 Einen wichtigen Beitrag dazu hat zudem Isabelle Bochet geleistet, derzufolge die Hermeneutik Augustins in allererster Linie von der Heiligen Schrift selbst bestimmt ist, die zugleich den wesentlichen Hintergrund des theologischen und philosophischen Denkens Augustins bildet. Von daher erklärt sich der an den Sprachgebrauch Augustins angelehnte Titel der Arbeit Bochets: Le firmament de l’Écriture.327 Die von Christian Tornau vorgelegte Studie zu Augustins Argumentationstechnik in ‚De civitate Dei‘ vermittelt wichtige Einsichten in Augustins Bildungshintergrund sowie in seine rhetorischen Techniken und wie er Letztere für seine Auseinandersetzungen mit der paganen Philosophie in ciu. fruchtbar 323 Vgl. Unterseher, The mark; Fredriksen, Augustine and the Jews; dies., Jews, Judaism; dies., Israel; dies., Exaecati. 324 Vgl. Lee, Israel. 325 Vgl. Raveaux, Judenbild; Cluse, Echos; Wendebourg, Luther. 326  Vgl. C. P. Mayer, Zeichen 1 u. 2. 327  Vgl. Bochet, Le firmament, S.  25–31. Auf eine der Hauptthesen Bochets zu ciu., nämlich ihren neuen Ansatz zur inhaltlichen Struktur von ciu. XI-XXII, wird unter Abschnitt 4.5.8 genauer eingegangen.

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macht.328 Trotz der Fokussierung Tornaus auf ciu. I-V sind diese Einsichten auch für den zweiten Hauptteil von ciu. relevant – gerade wenn man, wie die neuere Forschung es nahelegt, die pagane Philosophie als eine der Gegenpositionen der Argumentation Augustins auch in ciu. XI-XXII voraussetzt. Karl-Heinz Schwarte kann mit seiner Arbeit zur Vorgeschichte der augustinischen Weltalterlehre, indem er sich gerade nicht auf eine reine ‚Vorgeschichte‘ beschränkt, maßgeblich zu einem besseren Verständnis der aetates-Konzeption Augustins und dessen Parallelisierung der aetates mit den Schöpfungstagen beitragen. Im Rahmen seiner Studie zur Traditionsgeschichte und systematische[n] Struktur der Zweireichelehre befasst sich Ulrich Duchrow intensiv mit dem Verständnis der beiden ciuitates Augustins und deutet sie nicht nur vor dem Hintergrund der biblischen Verhältnisbestimmungen zwischen (eschatologischer) Weltentzogenheit und bewusster Weltgestaltung, sondern zieht auch die Linien bis hin zur Reformationszeit aus. Johannes van Oort kommt nicht nur das Verdienst zu, in seiner Studie eingehend die von Augustin gebrauchte Symbolik der beiden Städte ‚Jerusalem‘ und ‚Babylon‘ erörtert zu haben, er hat auch die religions-, geistes- und theologiegeschichtlichen Kontexte des ciuitates-Konzepts umfassend aufgearbeitet und in überzeugender Weise in ein Verhältnis zueinander gesetzt.329 Die teilweise sehr detaillierten Kommentierungen von ciu. durch Carl Andresen, Gustave Bardy u. a., Pierre Piret, Gerard J. P. O’Daly und David Vincent Meconi stellen eine unverzichtbare Grundlage für eine vertiefende Auseinandersetzung mit diesem Werk Augustins dar.330 Nur wenige Forschende haben sich in den letzten Jahrzehnten so intensiv mit Augustins Rezeption des Alten Testaments befasst wie Martine Dulaey. Von ihren vielen Untersuchungen sei hier exemplarisch auf ihre umfangreichen Arbeiten zu den biblischen Gestalten Mose und David hingewiesen.331 Während viele Jahre vergleichsweise wenige (insbesondere monographische) Untersuchungen zu ciu. erschienen sind, wird in jüngster Zeit ein neues Interesse an diesem Hauptwerk Augustins erkennbar. Dies findet nicht nur seinen Ausdruck in internationalen Fachtagungen und den daraus hervorgehenden Publikationen. Darunter sind das Symposium Begegnung von Kulturen im Horizont von Augustins ‚De ciuitate dei‘ 332 im Jahr 2012, die durch das Päpstliche Patristische Institut Augustinianum durchgeführten und dokumentierten Konferenzen 333 und schließlich der 2021 erschienene Band zu ciu. in 328  Vgl.

Tornau, Zwischen Rhetorik. Schwarte, Vorgeschichte; Duchrow, Christenheit; Oort, Jerusalem. 330 Vgl. die kommentierten Textausgaben BAW [ciu.] u. BAug 36 sowie Piret, La destinée; O’Daly, A reader’s guide; Meconi (Hg.), Companion. 331 Vgl. Dulaey, La geste [1–2]; L’histoire [I-III]. 332  So der Untertitel des Tagungsbandes mit dem Titel Kampf oder Dialog?. Die Beiträge der Tagung sind von Christof Müller u. a. (Cass. 39/11 = ResSig 11; Würzburg 2015) herausgegeben worden. 333  Die Konferenzen wurden zu bestimmten Textbereichen durchgeführt und sind wie 329 Vgl.

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der Reihe „Studia Patristica“ zu nennen.334 Das gestiegene Interesse an ciu. schlägt sich zudem in neueren Übersetzungen von ciu.335 und schließlich in einigen Quellenuntersuchungen nieder, die den Fokus auf einzelne Bücher von ciu. richten und damit zu einer differenzierteren theologiegeschichtlichen Aufarbeitung dieses Werks beitragen. So beschäftigt sich Adam Trettel in seiner 2019 veröffentlichten Studie Desires in Paradise intensiv mit ciu. XIV, während David C. DeMarco in seiner 2021 publizierten Arbeit ausführlich ciu. X analysiert – unter besonderer Berücksichtigung der Auseinandersetzung Augustins mit Porphyrios.336 Auch die vorliegende Untersuchung bezieht sich auf einen abgegrenzten Quellenbereich, nämlich auf ciu. XV-XVIII. Dabei werden die bisher in der Forschung verhandelten Fragestellungen wieder aufgenommen und anhand der eigenen Analysen zu ciu. erörtert werden. Zugleich wird eine gewisse Perspektivierung vorgenommen, insofern sich das Interesse auf die Auseinandersetzung Augustins mit den biblischen Schriften in ciu. XV-XVIII richtet. Damit wird einer Einsicht Rechnung getragen, wie sie u. a. Jacob B. Obersteiner bereits im Jahr 1954 formuliert hat: Die Bibel, namentlich die des Alten Testamentes, ist der Fruchtboden, in dem das augustinische Geschichtsdenken wurzelt und aus dem es erwachsen ist. So muss letztlich die biblische Sinndeutung der Geschichte den Schlüssel zum Verständnis der augustinischen Geschichtsinterpretation bieten.337

Führt man sich vor Augen, dass sich für Augustin in allererster Linie in der Heiligen Schrift „Gottes Handeln mit der Welt und den Einzelnen verdichtet erkennen lässt“ und auch die Sprache Augustins im Laufe seines Lebens immer weiter mit biblischen Motiven und Begriffen angereichtert wird, nimmt es nicht wunder, dass der Exegese für die Theologie Augustins eine zentrale Bedeutung zukommt.338 So formuliert Volker Henning Drecoll in Bezug auf Augustin: „Theologie muss eigentlich Schriftauslegung sein, gerade als solche steht sie an der Spitze der Wissenschaften, die in ihrem Wert hochzuschätzen und der Theologie als Schriftauslegung zuzuordnen sind.“339 Eine Intention der folgenden Analysen ist es nicht zuletzt, die Bücher ciu. XV-XVIII aus ihrer etwas vernachlässigten Existenz, der bisweilen deutlich werdenden Abwertung als folgt unter dem Gesamttitel Lettura del De Civitate Dei in Rom erschienen: ciu. I-X: SEAug 86 / L ectio Augustini 15/17 (2003); ciu. XI-XVI: SEAug 115 / L ectio Augustini 21/22 (2009); ciu. XVII-XXII: SEAug 126 / L ectio Augustini 23/24 (2012). 334  Vgl. Dupont/Partoens (Hg.), Augustine. 335  Verwiesen sei hier etwa auf die von Patrick G. Walsh u. a. herausgegebene und kommentierte englischsprachige Übersetzung von ciu. Sie umfasst bislang neun Bände, die in Oxford in den Jahren 2005–2018 erschienen sind; bearbeitet wurden die Bücher ciu. I-XVI. 336 Vgl. Trettel, Desires; DeMarco, Porphyry. 337  Obersteiner, Geschichtstheologie, S.  314. 338  Drecoll, Exegese, S.  125 f. 339  A.a.O., S.  126.

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bloßer Paraphrase der biblischen und der weltlichen Geschichte, hervorzuholen. Es lohnt sich, diese vier Bücher im Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen und sie – gerade wegen ihres in weiten Teilen exegetischen Charakters – als eine Quelle zu würdigen, in der zentrale theologische Gedanken Augustins entfaltet werden.

Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII 1  Das erste Weltzeitalter: Von Kain und Abel bis zur Sintflut 1.1 Augustins Behandlung von Kain und Abel vor De ciuitate dei Die Erzählung von Kain und Abel wird in ciu. XV behandelt. Legt man die Datierung Johannes van Oorts zugrunde, sind die Bücher ciu. XIV-XVI um das Jahr 420 abgeschlossen gewesen.1 Im Folgenden soll nun versucht werden, die vor und während der Abfassungszeit von ciu. XV entstandenden Auslegungen Augustins von Gen 4 zu skizzieren und in ihrem jeweiligen theologiegeschichtlichen Kontext zu verorten, um dadurch ein angemesseneres Verständnis von ciu. XV zu ermöglichen.2

1.1.1 Die Deutung von Abel und Kain als Vorverweis auf Christus und die Juden Die frühesten Auseinandersetzungen Augustins mit der Erzählung von Kain und Abel begegnen innerhalb seiner antimanichäischen Schriften. Die Kritik der Manichäer am Alten Testament bezog sich insbesondere auf das aus ihrer Sicht dem Gott des Neuen Testaments widersprechende anthropomorphe und teils abgründige Gottesbild, das als unmoralisch beurteilte Verhalten der biblischen Gestalten – gerade auch solcher wie Abraham, David oder in diesem Fall Abel, die vonseiten der Kirche in der Regel als vorbildlich betrachtet wurden – und schließlich die alttestamentlichen Satzungen, die man (insbesondere im 1  Vgl.

Oort, De ciuitate dei, S.  349. Ab Buch ciu. XV ist eine Benutzung der qu. festzustellen, die wiederum nicht vor 419 enstanden sind (s. Einleitung, Abschnitt 1.4 mit Anm.  35). Damit ist ein terminus post quem für ciu. XV gegeben (vgl. O’Daly, Art. Ciuitate, Sp.  974). 2  Yves Congar unterteilt die augustinische Behandlung von Gen 4 in drei Phasen: Die erste Phase umschließt die antimanichäischen und die antidonatistischen Auseinandersetzungen Augustins bis ins Jahr 411. Die zweite Phase beginnt im Jahr 411, als in Augustin das Konzept der beiden ciuitates heranreift, die dritte Phase lässt Congar im Jahr 429 mit der Abfassung der Schrift c. Iul. imp. beginnen (vgl. Congar, Art. Abel). Tatsächlich weist diese Schrift noch einmal eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Gen 4 auf. Da ihre Abfassung aber nach den retr. und damit deutlich nach 420 erfolgt ist (vgl. Zelzer, Art. Iulianum, Sp.  824), kann eine Behandlung hier unterbleiben (vgl. c. Iul. imp.  2 ,54.62.101.180–184; 3,85; 6,7.11.22–23.27.30).

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

kultischen Bereich) als nutzlos oder gar obszön ansah. So gab es Augustin zufolge bei den Manichäern eine das gängige Werturteil über das Bruderpaar umkehrende Position, die durch die jeweilige Opfergabe begründet ist: Während Kain lediglich Erdfrüchte darbrachte,3 schlachtete sein Bruder Abel unschuldige Lämmer.4 Solche Kritikpunkte lassen sich etwa beim Manichäer Faustus von Mileve finden, dessen Denken im Wesentlichen durch Augustin überliefert ist.5 Hat Augustin bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu verstehen gegeben, dass die Geschichte von Kain und Abel den Konflikt der Juden mit Christus auf prophetische Weise vorwegnehme,6 so führt er diese Deutung in seiner zwischen 400 und 404 verfassten Schrift c. Faust. aus, die eine Widerlegung der Capitula des Faustus darstellt.7 Die Kapitel c. Faust. 12,9–12 sind Teil einer Aus3  Eine positive Wertung Kains findet sich bereits in einigen gnostischen Strömungen, so z. B. bei den sogenannten Kainiten, von denen u. a. Epiphanius berichtet (vgl. Schrenk, Art. Kain, Sp.  955). Von der Existenz der Kainiten, die nicht nur Kain, sondern auch Judas Iskariot verehren, scheint auch Augustin ausgegangen zu sein; vgl. haer. 18, S.  298, Z.  1–9. ­A lexander Böhlig nimmt eine Kenntnis gnostischer Kain- und Abeltraditionen bei Augustin an; er verweist u. a. auf das Johannesapokryphon, in dem Kain und Abel als „menschliche Bezeichnung des kosmischen Gegensatzpaares gerecht – ungerecht“ gedeutet werde (Böhlig, Grundlagen, S.  130; s. die entsprechenden Quellenverweise ebd., Anm.  9). 4  Diese ursprünglich gegen die (sich mit Abel identifizierenden) Juden gerichtete Position macht Heinrich Guttmann in c. Faust. 12,9 aus (vgl. Guttmann, Aggadot, S.  273). Der von Manichäern geübten Kritik an der Opferhandlung Abels hält Augustin entgegen, dass in der Zeit vor Christus von gottgewollten blutigen Opfern in der Heiligen Schrift berichtet wird, von denen dasjenige Abels das erste gewesen sei. Sie seien als Präfigurationen des einen Opfers Christi, seines zur Vergebung der Sünden in der Eucharistie genossenen Fleisches und Blutes zu verstehen (vgl. c. Faust. 22,17, S.  604, Z.  26 – S.  606, Z.  9; eine Verteidigung des Opfers Abels als gottgewollt findet sich zudem in: ciu. X 4, S.  276, Z.  8 –12). Inwiefern die alttestamentlichen Opfer wie dasjenige Abels – sofern sie dem einen wahren Gott geopfert worden sind – einen Sinn haben, geht auch aus einem Brief Augustins an Deogratias aus dem Jahr 409 hervor: Diese Opfer seien nicht verlangt worden, weil Gott sie brauche, sondern um der Menschen willen, die sie als prophetische Bilder des Zukünftigen erkennen sollen (vgl. ep.  102,17, S.  558, Z.  15 – S.  559, Z.  7–16). Schließlich erscheint in einer eventuell im Jahr 427 (vgl. zur Datierung: Hill, Sermons 10, S.  109, Anm.  1; die Datierung vieler s. wie auch dieses gestaltet sich allerdings äußerst schwierig, vgl. dazu einführend: Dolbeau, Art. Sermones, S.  305–317) gehaltenen Predigt die gottgefällige Opfergabe Abels als eines der unterschiedlichen guten Werke und Gaben, deren eigentlicher Wert (in Anlehnung an 1Kor 12,31–13,8) darin besteht, dass sie Manifestationen derjenigen „Liebe“ (caritas) sind, durch deren „Band“ (uinculum) alle Christen vereint sind (vgl. s. 350,3, S.  1534, Z.  28 – S.  1535, Z.  3; vgl. zur Vorstellung des einenden Bandes der Liebe Kol 3,14). 5  Aussagen des Faustus sind insbesondere dadurch erhalten geblieben, dass Augustin diese in seiner Schrift c. Faust. aufgenommen und widerlegt hat. Die dort zitierten Passagen gehen auf eine Verteidigungsschrift des Manichäismus zurück, die Faustus als Exilierter in seinen letzten Lebensjahren († vor 400; François Decret nimmt das Jahr 390 an) verfasst hatte. Außerdem berichtet Augustin in conf. 5 verschiedentlich von Faustus (vgl. Decret, Art. Faustus, Sp.  1253–1255; Jülicher, Art. Faustus 17). Der Quellenwert der Aussagen Augustins über den Manichäer Faustus ist vor dem Hintergrund ihrer Kontroverse allerdings kritisch zu sehen. 6 Vgl. diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  24–29. 7 Vgl. einführend zur Konzeption des Werkes: Decret, Art. Faustum, Sp.   1245–1249;

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einandersetzung Augustins mit der Meinung des Faustus (c. Faust. 12,1), dass die Propheten des Alten Testaments keinerlei Zeugnis über Christus abgeben würden, solche alttestamentlichen Zeugnisse auch gar nicht nötig seien, da ja Gott selbst bezeuge, dass Christus sein Sohn sei.8 Nachdem Augustin u. a. deutlich gemacht hat, dass für ihn nicht nur die Prophetenbücher, sondern auch die übrigen alttestamentlichen Schriften von Christus zeugen,9 legt er auch Gen 4 in diesem Sinne aus. So werden die von Gott abgelehnten Opfergaben Kains mit den „irdischen Werken“ (opera terrena) der Juden, die Opfergaben Abels mit dem „Glauben des Neuen Testaments“ ( fides noui testamenti) parallelisiert.10 Die Ermahnung Gottes an Kain, dass er sündige, wenn er zwar richtig opfere, nicht aber richtig teile (Gen 4,7a [LXX]), überträgt Augustin auf die Juden, die zur Zeit Jesu lebten: Denn diese haben zwar „früher“ (ante; d. h. vor dem Kommen Christi) nach den Vorschriften richtig geopfert, nun aber nicht richtig unterschieden11 zwischen der Zeit des Alten Testaments und der jetzt angebrochenen Zeit des Neuen Testaments. Dass sowohl Kain als auch die Juden die Ermahnung Gottes missachtet haben, von der Sünde abzulassen (Gen 4,7b) und die Sünde, wie Augustin ergänzt, „unterstützt von der Gnade des Nachlasses [sc. der Sünden]“ (adiutus indulgentiae gratia)12 , zu beherrschen, zeige sich in der Tötung des unschuldigen Abel ebenso wie derjenigen Christi.13 Die Juden haben also die Zeit der „Gnade der Vergebung der Sünden“ (gratia in peccatorum remissione)14 nicht erkannt und seien stattdessen in sündiger Selbstgerechtigkeit verharrt.15 Dies führte sie wiederum zum Hass gegen Christus, da sie haben erkennen müssen, dass dessen Werke im Unterschied zu ihren eigenen irdischen Werken von Gott angenommen werden. Durch die Vorstellung des corpus Christi integriert Augustin in seine Deutung von Kain und Abel zudem eine ekklesiologische Komponente. So stünden nämlich nicht nur Kain, sondern auch Abel paradigmatisch für Kollektive: der ältere Kain für das von Gott nicht angenommene „ältere Volk“ (populus maior), Wurst, Werke, S.  312–316. Eine ähnliche allegorische Auslegung von Gen 4, die sich nicht wesentlich von derjenigen in c. Faust. 12 unterscheidet und daher hier nicht näher ausgeführt wird, findet sich in en. Ps. 39,13, S.  435, Z.  1 – S.  436, Z.  45. 8 Vgl. c. Faust. 12,1, S.  328, Z.  25 – S.  329, Z.  15. 9 Vgl. c. Faust. 12,7, S.  335, Z.  2 2–27. 10  „sicut Cain sacrificium ex terrae fructibus reprobatur, Abel autem sacrificium ex ouibus et earum adipe suscipitur, ita noui testamenti fides ex innocentia gratiae deum laudans ueteris testamenti terrenis operibus anteponitur, quia etsi ante Iudaei recte illa fecerunt, in eo tamen infidelitatis rei sunt, quia Christo ueniente iam tempus noui testamenti a tempore ueteris testamenti non distinxerunt.“ (c. Faust. 12,9, S.  337, Z.  15–21) 11  Das Verb „teilen“ (diuidere) aus Gen 4,7 setzt Augustin bereits in dieser Interpretation mit „unterscheiden“ (distinguere) gleich. 12 Vgl. c. Faust. 12,9, S.  337, Z.  2 6. 13 Vgl. c. Faust. 12,9, S.  337, Z.  2 3 – S.  338, Z.  1. 14 Vgl. c. Faust. 12,9, S.  337, Z.  29 – S.  338, Z.  1. 15 Vgl. c. Faust. 12,9, S.  338, Z.  10–13.

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der jüngere Abel für das von Gott angenommene „jüngere Volk“ (populus mi­ nor), insofern er den getöteten Christus repräsentiert, der wiederum als Haupt der Kirche fungiert.16 Die allegorische Auslegung von Gen 4 setzt sich in c. Faust. über Gen 4,7 hinaus fort: Wie Kain nach dem Brudermord in Gen 4,9 auf Gottes Frage hin vorgibt, nicht zu wissen, wo sein Bruder sei, und zurückfragt, ob er denn seines Bruders Hüter sei, so stelle auch das Unwissen der Juden, auf das Zeugnis ihrer eigenen Schriften hin angesprochen, eine „falsche Verneinung“ (negatio falsa)17 dar. Die zu Gott rufende Stimme des Blutes, die den Brudermörder entlarvt (V. 10), deutet Augustin innerhalb eines abendmahlstheologischen Kontextes: Der das Blut des Getöteten aufnehmende Erdboden (V. 11) sei die Kirche, die auf den Empfang des Blutes Christi hin mit lauter Stimme ‚Amen‘ ruft.18 Die Verfluchung Kains (V. 11 f.) gelte auch dem jüdischen Volk, das von eben diesem Erdboden, der Kirche, verflucht ist – d. h. den Juden, die Christus nicht angenommen haben, mit anderen Worten nicht Teil der Heilsgemeinschaft sind, die an der Vergebung der Sünden durch den Empfang des Sakraments partizipiert.19 Die Kain treffende Verfluchung Gottes, dass seine Anstrengungen, die Erde20 zu bebauen, fruchtlos bleiben sollen, deutet Augustin auf dem Hintergrund von Gal 3,10: Die Juden, die an der Befolgung der ‚irdischen‘ Gesetze wie Beschneidung und Sabbatobservanz auch nach dem Tode Christi festhalten, würden dadurch den erhofften Ertrag gerade nicht erlangen. Die terra, die die Juden bebauen, versteht Augustin hier nicht mehr ekklesiologisch, vielmehr wird hier die (schon in früheren Auslegungen mit Kain verbundene) Konnota16  „itaque occiditur Abel minor natu a fratre maiore natu: occiditur Christus, caput populi minoris natu, a populo Iudaeorum maiore natu; ille in campo, iste in Caluariae loco.“­ (c. Faust. 12,9, S.  338, Z.  30–23; vgl. zur Bevorzugung des jüngeren Abel gegenüber dem älteren Kain Abschnitt 1.1.3) 17 Vgl. c. Faust. 12,10, S.  339, Z.  1. 18 Vgl. c. Faust. 12,10, S.  339, Z.  7–10. Bereits Irenäus von Lyon parallelisierte das Blut Abels mit dem Blut Christi, in dem das Blut all jener zusammengefasst sei, die es als Gerechte aufgrund von Verfolgungen vergießen mussten (vgl. Haer. V 14,1, S.  182, Z.  1 – S.  186, Z.  31; s. dazu auch Schrenk, Art. Kain, Sp.  956). Von der Kenntnis einer s.E. im Jahr 396/397 entstandenen lateinischen Übersetzung der Schrift Haer. durch Augustin geht Berthold Altaner aus, der eine Benutzung dieser Quelle durch Augustin u. a. an doctr. chr. plausibel nachweisen kann (vgl. Altaner, Irenäus, S.  203). 19  „maledictus est enim populus Iudaicus infidelis a terra, id est ab ecclesia, quae aperuit os suum in confessione peccatorum accipere sanguinem Christi, qui fusus est in remissionem peccatorum de manu persecutoris nolentis esse sub gratia, sed sub lege, ut esset ab ecclesia maledictus.“ (c. Faust. 12,11, S.  339, Z.  17–22) 20 Vgl. c. Faust. 12,10, S.  339, Z.  29 – S.  3 40, Z.  7. In en. Ps. 8,13 parallelisiert Augustin das ebene „Feld“ (campus), auf dem die wilden Tiere leben, mit dem Feld, auf dem Abel getötet wurde. Verbunden ist damit die moralische Vorstellung, dass der Ort des Gerechten und Gottesfürchtigen das steinige Gebirge, der Ort des Ungerechten und die fleischlichen Freuden Genießenden das flache Feld sei (vgl. en. Ps. 8,13, S.  56, Z.  20–27). Bei en. Ps. 8 handelt es sich um eine der frühesten Auslegungen von Gen 4; entstanden ist en. Ps. 1–14 wohl um 394/395 (vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  807).

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tion des ‚Irdischen‘ und damit Vergänglichen stark gemacht, was auch die Bestimmung der Beschneidung, des Sabbats, des Ungesäuerten und des Passahs als terrenus nahelegt. Im Folgenden bietet Augustin noch eine weitere Deutung von Gen 4,12: So sei die Beschäftigung mit dem Alten Testament an sich nicht sinnlos, doch gebe sie den Juden nicht den erwünschten Ertrag, sofern sie Christus nicht darin erkennen. Für sie liege noch immer der Schleier 21 auf dem Alten Testament, der sie den „verborgenen Ertrag“ (uirtus abscondita) der Gnade Christi nicht erkennen lasse.22 Den Gläubigen sei – versinnbildlicht durch den zerrissenen Tempelvorhang bei der Kreuzigung Jesu (Mt 27,51) – im Leiden Christi dieser Schleier fortgenommen worden, sodass sie nun an den „Geheimnissen der Sakramente“ (secreta sacramentorum) und damit an der vormals verborgenen uirtus teilhaben:23 an der Vergebung der Sünden durch die von den Juden verschuldete Kreuzigung Christi, an der Rechtfertigung durch seine Auferstehung.24 Den letzten Teil der Verfluchung Kains, dass er ‚stöhnend und zitternd‘ auf der Erde sein solle, bezieht Augustin auf die Zerstreuung des jüdischen Volkes in alle Welt nach dem Verlust seiner Staatlichkeit:25 Es stöhne aufgrund dieses Verlustes und zittere vor den „unzähligen christlichen Völkern“ (innumerabiles populi christiani).26 Die Vertreibung Kains von der Erde als Strafe für den Mord an Abel ist demnach die prophetische Andeutung des Verlustes der „irdischen Herrschaft“ (regnum terrenum)27 der Juden als Strafe für die Kreuzigung Christi. Augustin meint mit der facies terrae (Gen 4,14) hier offensichtlich wieder die Erde im Sinne der Heilsgemeinschaft (Gen 4,11), von der Kain bzw. das Volk der Juden vertrieben werden.28 Er rezipiert, wenn er das Land Nod mit commotio („Unruhe“ / „Bewegung“) assoziiert, die im Hebräischen angelegte Etymologie

21  Durch den erneuten Bezug auf den ‚Schleier‘ (2Kor 3,14–16) stellt Augustin eine Verbindung zu c. Faust. 12,4 her, wo er den Manichäern vorwirft, einen falschen Christus, nämlich ihren eigenen, zu verehren, wenn sie das alttestamentliche Zeugnis missachten. Schließlich sei der Christus, von dem das Neue Testament zeugt, ohne die Prophetien der hebräischen Väter gar nicht zu verstehen (vgl. c. Faust. 12,4, S.  332, Z.  28 – S.  333, Z.  27). 22 Vgl. c. Faust. 12,11, S.  3 40, Z.  10–14. 23 Vgl. c. Faust. 12,11, S.  3 40, Z.  14–17. 24 Vgl. c. Faust. 12,11, S.  3 40, Z.  17–25. 25  Wenn hier und im Folgenden von der ‚Staatlichkeit‘ Israels die Rede ist, soll damit kein moderner Staatsbegriff vorausgesetzt werden. Dass von Staatlichkeit im Hinblick auf das alte Israel geredet werden kann, zeigt sich u. a. bei Donner, Geschichte 1, S.  145–147.154– 157.169–232; s. auch Kessler, Sicherung, S.  140.142 f.147. 26 Vgl. c. Faust. 12,12, S.  3 41, Z.  5 –8. 27 Vgl. c. Faust. 12,12, S.  3 41, Z.  13. 28  Nod (‫)נֹוד‬, der Name der Gegend, in die Kain vertrieben wird, steht in einem etymologischen Zusammenhang mit den in Gen 4,12.14 verwendeten Formen von ‫נוד‬, was so viel wie „schwanken“, „sich hin und her bewegen“ bzw. „unstet / flüchtig sein“ bedeutet. Helmer Ringgren spricht in Bezug auf Gen 4 von einem „unsteten Umherschweifen des Nomaden als göttlicher Strafe“ (Ringgren, Art. ‫נּוד‬, Sp.  291).

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zu Nod 29 und bezieht sie auf den Zustand des jüdischen Volkes nach dem Verlust seiner Staatlichkeit. Gleichzeitig mit dem Verlust des Landes hätten die Juden auch ihre Existenz unter dem Angesicht Gottes verloren (exire a facie dei).30 Den Komparativ maior in der Antwort Kains (Gen 4,13 f.) versteht Augustin nun so, dass Kain der ihm drohende leibliche Tod (durch Tötung) als schlimmere Strafe erscheine als das Verborgensein vor dem Angesicht Gottes oder dass der Erdboden ihm keine Frucht bringen wird. Übertragen bedeutet dies also: Auch das Zittern der Juden vor irdischen Mächten beruhe auf einer Fehleinschätzung, die nach Augustin ihren Grund in der fleischlichen Ausrichtung der Juden hat. Der fleischliche Tod scheint ihnen schlimmer zu sein als der geistliche Tod, d. h. als Folge der Tötung Christi unter dem göttlichen Zorn zu stehen und keinen Anteil an der Frucht (d. h. der Gnade Christi) zu haben. Der mit dem „Kainszeichen“ (signum Cain)31 verbundene Schutz der siebenfältigen Vergeltung (Gen 4,15) wird so ausgelegt, dass das jüdische Volk durch die sieben Weltzeitalter hindurch nicht untergehen soll, bis es sich an deren Ende den christlichen Gläubigen unterwirft und die Juden anerkennen müssen, dass sie Christus getötet haben.32 29  Augustin wird diesen Zusammenhang nicht selbst, sondern wahrscheinlich mit Hilfe eines des Hebräischen Kundigeren hergestellt haben. So ist bei Hieronymus über die Gegend Nod zu lesen: „Quod LXX Naid transtulerunt, in Hebraeo Nod [‫ ]נוד‬dicitur, et interpretatur σαλευόμενος, id est instabilis et fluctuans, ac sedis incertae. Non est igitur terra Naid, ut uulgus nostrorum putat, sed expletur sententia dei, quod huc atque illuc uagus et profugus oberrauit.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 4,16, S.  7, Z.  20–25) Obwohl hier der Begriff commotio nicht expressis verbis fällt, so ergibt er sich doch aus dem Kontext, der wiederum Augustin beeinflusst haben könnte. Sicherlich wird er auch die Stelle im Onomasticon des Hie­ronymus wahrgenommen haben, die Nod folgendermaßen definiert: „Nod [bedeutet] (unruhige) Bewegung oder auch Schwanken.“ / „Naid motus siue fluctuatio.“ (Nom. hebr. Gen. N, S.  69, Z.  3) 30  Einen Zustand, den nach Augustin aber einzelne Juden durch Konversion zum Christentum zu überwinden imstande sind (vgl. c. Faust. 12,13, S.  342, Z.  14–16). 31  Der Begriff begegnet u. a. in en. Ps. 39,12, S.  435, Z.  35 f., und geht auf den biblischen Bericht zurück: „et posuit dominus deus Cain signum, ne eum occidat omnis, qui inuenerit.“ (Gen 4,15 nach c. Faust. 12,13, S.  342, Z.  3 f.) 32 Vgl. c. Faust. 12,12, S.  3 41, Z.  24 – S.  3 42, Z.  2 . Vgl. zu dieser Wahrnehmung des Judentums durch Augustin auch ciu. XVIII 46; s. dazu Abschnitt 6.2.1. Lisa A. Unterseher versteht die Auslegung des Kainszeichens, das von den christlichen Exegeten vor Augustin selten diskutiert wurde (vgl. Unterseher, Mark, S.  79), als den entscheidenden, ja ‚revolutionären‘ Beitrag Augustins zur christlichen Theologie des Judentums (vgl. a. a. O., S.  142). So sei er in c. Faust. nicht nur darum bemüht gewesen, den Wert der alttestamentlichen Satzungen gegen die manichäischen Vorwürfe zu verteidigen, sondern liefere durch seine Auslegung des Kainsmals auch eine theologische Rechtfertigung für die fortwährende Existenz der Juden und deren Ritualpraxis (vgl. a. a. O., S.  105–107). In ihrer Ausübung der mosaischen Gesetze ad litteram dienen sie den Christen als „Zeichen“ (signa) für die in Christus offenbarten göttlichen Wahrheiten, die sie selbst nicht in der Lage sind zu verstehen (vgl. a. a. O., S.  141 f.). Augustins ‚Theologie des Judentums‘, die, so Unterseher, nach c. Faust. keine wesentliche Änderung mehr erfahren habe (vgl. a. a. O., S.  162), korreliere zudem mit dem Rechtsstatus der Juden im Imperium Romanum, deren Existenz und

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Das bleibende ‚Kainszeichen‘ der Juden wirke sich nach Augustin also in deren Überleben auch nach dem Verlust der Staatlichkeit aus. Sichtbar schließlich sei das Zeichen in ihrer Toraobservanz (signum legis)33, die sie im Unterschied zu allen anderen von Rom unterworfenen Völkern weder unter paganer noch unter christlicher Herrschaft hatten aufgeben müssen.34 Der Gesetzesgehorsam als sichtbares Zeichen bezieht sich wohl insbesondere auf die in c. Faust. 12,10 aufgeführten rituellen und kultischen Vorschriften der Beschneidung und der Feste. In c. Faust. 6,2 führt Augustin die Ablehnung der alttestamentlichen Gebote durch Faustus auf dessen Unkenntnis darüber zurück, dass diese Gebote in praecepta uitae agendae und praecepta uitae significandae zu unterscheiden seien: Unter ersteren sind die moralischen Gebote zu verstehen (als Beispiel wird das zehnte Gebot angeführt), die auch nach dem Kommen Christi noch im wörtlichen Sinne einzuhalten sind. Letztere hingegen sind die rituellen Vorschriften, die insofern Relevanz haben, als sie als signa auf Zukünftiges verweisen und deren eigentlicher Sinn sich in Christus offenbart hat.35 So verweise die Beschneidung auf die künftige Beschneidung des Herzens,36 das Sabbatgebot auf die ewige Ruhe als Gegenstand der christlichen Hoffnung 37 und schließlich der Opferkult des Alten Testaments auf den Opfertod Christi.38 Da ihr Sinn allerdings in Christus offenbar geworden sei, ist Augustin zufolge die Einhaltung dieser praecepta uitae significandae im ‚fleischlichen Sinne‘ für die Christen obsolet geworden.39 Insgesamt bewegt sich die allegorische Auslegung von Kain und Abel in­ c. Faust. in den paulinischen Kategorien von den Werken des Gesetzes und dem durch die Gnade gewährten Glauben.40 In der jüdischen Befolgung der rituellen Gesetze auch nach dem Kommen Christi diagnostiziert Augustin eine insgesamt fleischliche, sündige und selbstgerechte Ausrichtung der Juden. Diese führte sie nicht nur zur Tötung Jesu, dem sie seine Anerkennung durch Gott neiden, diese fleischliche Ausrichtung der Juden setze sich auch, aufgrund des Religionsausübung zur Zeit Augustins unter kaiserlichem Schutz stand (vgl. a. a. O., S.  13– 21.33–42.137–141). 33 Vgl. c. Faust. 12,13, S.  3 42, Z.  9. 34 Vgl. c. Faust. 12,13, S.  3 42, Z.  4 –10. 35 Vgl. c. Faust. 6,2, S.  2 85, Z.  9 – S.  2 86, Z.  14. 36 Vgl. c. Faust. 6,3, S.  2 86, Z.  17–22. 37 Vgl. c. Faust. 6,4, S.  2 88, Z.  12–18. 38 Vgl. c. Faust. 6,3, S.  290, Z.  25 – S.  292, Z.  6. 39  Vgl. dazu Unterseher, Mark, S.  118–122. 40 Jedoch lehnte Augustin im Unterschied zu seinem Gegner Faustus die Geltung der alttestamentlichen Gesetze nicht generell ab, sondern differenzierte zwischen den weiterhin gültigen moralischen Geboten, insbesondere denjenigen des Dekalogs (mit Ausnahme des Sabbatgebotes) und den kultischen Satzungen, die nur in der Zeit des Alten Bundes zu befolgen waren und die für die Christen allein in einem geistlichen Sinne als Präfigurationen des Neuen Bundes von Relevanz sind (vgl. c. Faust. 19,13, S.  510, Z.  21 – S.  511, Z.  2; s. dazu Marafioti, Art. Lex A, Sp.  934 f.; Gross, Einleitung, S.  274–277; Blumenkranz, Judenpredigt, S.  130–148).

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Kainszeichens, in ihrer weiteren unsteten Existenz bis zum Eschaton fort. Auffällig ist die sich durchhaltende Gegenüberstellung der ‚Völker‘: Der einstmals erwählte populus Iudaeorum verliert als Folge der Kreuzigung Christi nicht nur diesen Heilsstatus an die Christen ‚aller Völker‘,41 sondern auch seine irdische Herrschaft. Ganz offensichtlich spielt Augustin mit der Furcht der Juden vor der irdischen Herrschaft der christlichen Völker42 auf die politische Situation nach der Konstantinischen Wende an. Das Erlangen irdischer Herrschaft durch Christen scheint so als gottgewollte heilsgeschichtliche Folge des Christusgeschehens.43 1.1.2 Die ‚ecclesia ab Abel‘ und die weitere Ausdeutung des Kainszeichens Es ist bezeichnend, dass die Deutung Abels als prophetische Präfiguration des leidenden Christus, wie sie in c. Faust. so ausführlich entfaltet wurde, schon wenige Jahre später bei Augustin in dieser Intensität nicht mehr begegnet.44 Abel erscheint nun vielmehr als ein Glied in einer Reihe von verfolgten Gerechten, die ihr Leben lassen mussten – und die so allenfalls als Kollektiv auf das Leiden Christi verweisen. So schreibt Augustin in einem um 412 an Honorius gerichteten Brief mit Bezug auf Mt 23,35, Abel sei einer der Väter der Zeit des Alten Bundes, die in ihrem Leiden und Sterben „Beispiele des Erduldens“ (exempla patientiae) seien, deren vergossenes gerechtes Blut über die Ungerechten kommen solle, die sie getötet haben.45 Auch in seinem zwischen 419 und 421, also zur Entstehungszeit von ciu. XV verfassten Werk Contra aduersarium legis et 41 Vgl.

c. Faust. 12,10, S.  339, Z.  8. c. Faust. 12,12, S.  341, Z.  5 –8. 43  Die Abfassung von c. Faust. fällt in eine Phase, in der Augustins heilsgeschichtliches Denken den Analysen Robert A. Markus’ zufolge von einer „post-Theodosian euphoria“ getragen gewesen sei (vgl. Markus, Saeculum, S.  29–33.167; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.6). Augustin war also der Meinung, in dem Schicksal Kains nach der Tötung seines Bruders werde die Unterdrückung des Judentums nach der Hinrichtung Jesu sinnbildlich vorweggenommen, worin man wiederum den (heils-)geschichtlichen Willen Gottes erkennen könne. Zwar hat Augustin als erster, wie schon Bernhard Blumenkranz richtig gesehen hat, durch seine später entwickelte spezifische Deutung des Kainsmals in der Zerstreuung der Juden „nicht so sehr eine Strafe als vielmehr eine zweckdienliche Fügung zur Ausbreitung des Christentums“ gesehen, dennoch lässt Augustin an anderen Stellen keinen Zweifel daran, dass er von der Schuld der Juden an der Hinrichtung Jesu und der darauffolgenden göttlichen Bestrafung überzeugt ist (vgl. Blumenkranz, Judenpredigt, S.  176.167 f.180). 44  Abgesehen von der kurzen Notiz Augustins am Ende von ciu. XV 7, in der er sich daran erinnert, eine solche Auslegung Kains und Abels in c. Faust. vorgenommen zu haben – freilich ohne diese weiter auszuführen (vgl. ciu. XV 7, S.  462, Z.  118–123). 45 Vgl. ep.  140,27, S.  177, Z.  17 – 178, Z.  19. Ein noch früherer Beleg für die Vorstellung, dass Abel das erste Glied der Kirche ist, findet sich in der ungefähr zeitgleich zu c. Faust. entstandenen Schrift bapt. 1,25, S.  161, Z.  1–8 (vgl. zum dort begegnenden Konzept der beiden ‚Mütter‘ Abschnitte 1.2.2 u. 3.2.6; vgl. zur ecclesia ab Abel Beumer, Idee, S.  161–164; Congar, Ecclesia). 42 Vgl.

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prophetarum (i.F.: c. adu. leg.) nimmt Augustin Mt 23,35 auf.46 Hier erscheint Abel als einer der lange vor Jesus lebenden Gerechten (qui longe ante uixerunt)47, die aus „demselben Volk“ (idem populus)48 wie diejenigen stammen, die sie verfolgt haben. Diese Verfolger aber bilden „eine einzige Masse der Ungläubigen“ (una massa impiorum)49, die es ihren Vätern in deren Sünden gleichtun. Etwa zur gleichen Zeit wie c. adu. leg. entstanden die qu., in denen sich Augustin u. a. mit der Erzählung in Ri 11,30–40 beschäftigt, nach der Jeftah aufgrund seines Gelübdes nach gewonnener Schlacht gegen die Ammoniter JHWH seine eigene Tochter als Brandopfer darbringen muss. Augustin stellt sich daran anschließend die Frage, inwiefern Menschenopfer Gottes Willen entsprechen können, und kommt dabei zu dem Schluss, dass Gott sie dann „schätzt“ (diligere), wenn es sich bei ihnen um gerechte Menschen handelt, die um der Wahrheit willen unter ungerechten Feinden leiden und durch sie zu Tode kommen. Abel erscheint hier als das erste dieser Definition entsprechende gottgefällige Menschenopfer.50 Diese Märtyrer sind allerdings von der Selbst­ opferung Jesu Christi qualitativ zu unterscheiden, der „sein Blut für uns vergossen und sich selbst Gott als Opfer dargebracht hat“,51 und gegenüber dessem heilvollen Kreuzestod alle anderen getöteten Gerechten als die tausenden Nachahmenden ebendieses Märtyrers (imitata martyrum milia) erscheinen.52 In einer seiner Predigten 53 legt Augustin das Gleichnis von den Arbeitern im 46 Vgl.

c. adu. leg. 2,17, S.  104, Z.  526 – S.  105, Z.  562. Zur Datierung vgl. Drecoll, Chronologie, S.  259; Thomas Raveaux legt sich auf das Jahr 420 fest (vgl. Raveaux, Art. Aduersarium Sp.  107 f.). 47 Vgl. c. adu. leg. 2,17, S.  105, Z.  553. 48 Vgl. c. adu. leg. 2,17, S.  105, Z.  556. Augustin ordnet Abel hier dem Volk Israel zu, auch wenn dieses de facto noch nicht existierte, zumindest wenn man dessen Ursprung in Jakob (= Israel) und seinen zwölf Söhnen sieht. Im frühen Christentum gab es durchaus Tendenzen, Abel ganz aus dem Volk Israel auszugliedern. So betrachtete beispielsweise Justin der Märtyrer Abel (neben anderen alttestamentlichen Gestalten wie etwa Lot, Henoch und Noah) als Beweis dafür, dass auch Unbeschnittene von Gott als gerecht angesehen werden können (vgl. Dial. 19,3, S.  100, Z.  9 – S.  101, Z.  14; s. dazu Schrenk, Art. Kain, Sp.  956). 49 Vgl. c. adu. leg. 2,17, S.  105, Z.  554. 50 Vgl. qu. 7,49,3, S.  359, Z.  894–903. 51  „praecipue autem quod sanguinem fudit ipse pro nobis et sacrificium se ipsum obtulit deo“ (qu. 7,49,3, S.  359, Z.  9 03 f.). 52 Vgl. qu. 7,49,3, S.  359, Z.  9 03–907. In ähnlicher Weise redet Augustin in en. Ps. 118 (als Entstehungszeitraum für die 32 ‚sermones‘ zu Ps 118 wird frühestens 419 angenommen, wahrscheinlich sind sie aber um oder nach 422 entstanden; vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  831) über Abel: Zwar ist Christus das fundamentum der Kirche (vgl. dazu Abschnitt 1.2.7, Anm.  310), doch war die Kirche von Anfang der Menschheit an präsent. Der heilige Abel ist ihre „Erstlingsfrucht  /  Erstlingsopfer“ (primitiae), der mit seinem vergossenen Blut ein „Zeugnis“ (testimonium) für das Blut abgegeben hat, das der „Mittler“ (mediator) in Zukunft vergießen wird (vgl. en. Ps. 118,29,9, S.  1767, Z.  24–32). 53  Die Datierung von s. 87 fällt wie bei vielen anderen Predigten Augustins schwer. So nimmt Edmund Hill zwar das Jahr 424 an (vgl. Hill, Sermons 3, S.  417, Anm.  1), jedoch führt François Dolbeau bei seinen Auflistungen der sicher datierbaren Predigten s. 87 nicht auf (vgl. Dolbeau, Art. Sermones, Sp.  305–309).

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Weinberg (Mt 20,1–16), die vom Weinbergbesitzer zu verschiedenen Tageszeiten zur Arbeit in den Weinberg gerufen werden und am Ende den gleichen Lohn empfangen, heilsgeschichtlich aus:54 Morgens habe Gott die „ersten Gerechten“ (primi iusti)55, darunter Abel und Noah, gerufen, mittags Mose und Aaron, nachmittags die heiligen Propheten und am Ende des Tages, zur elften Stunde, die Christen – und alle werden sie die gleiche „Glückseligkeit der Auferstehung“ ( felicitas resurrectionis)56 erhalten. Da in ciu. XV-XVI immer wieder inhaltliche Bezüge zu den qu. auszumachen sind, ist an dieser Stelle eine chronologische Verhältnisbestimmung beider Schriften angezeigt. Während ciu. XV-XVI im Jahr 420 abgeschlossen waren,57 enstanden die qu. wohl ein Jahr zuvor, etwa 419.58 Die Beschäftigung Augustins mit dem Heptateuch in den qu. ist also durchweg als Voraussetzung der Deutungen des Alten Testaments in ciu. zu verstehen. Zugleich liegt die Beschäftigung Augustins mit den qu. nur kurze Zeit zurück, als er ciu. XV und XVI verfasst: Daraus erklärt sich, dass in ciu. immer wieder Gedanken begegnen, die Augustin bereits in den qu. entwickelt hat. Freilich werden diese in ciu. oftmals erweitert, neu kontextualisiert oder in manchen Fällen auch widerlegt. Bisweilen lassen sich parallele Äußerungen finden, die sich bis in den Wortlaut hinein gleichen.59 Insgesamt lässt sich feststellen, dass Abel bald nach seiner Behandlung in ­c.  Faust., spätestens aber seit 412, nicht mehr, oder zumindest nicht in dieser singulären Weise, mit Christus in Verbindung gebracht wird. Vielmehr erscheint er als erstes Glied (aber eben nur als Glied) einer langen Reihe vorchristlicher Gerechter, die in der christlichen Kirche ihre Fortsetzung findet. Ja, Abel 54 Vgl.

s. 87,6, S.  532, Z.  41 – S.  533, Z.  21. s. 87,6, S.  533, Z.  4. 56 Vgl. s. 87,6, S.  533, Z.  5.8 f.15. 57 Vgl. Oort, De ciuitate dei, S.  3 49. 58  Obwohl neben 419 auch 421 und 423 als mögliches Entstehungsjahr der qu. diskutiert werden (vgl. Weidmann, Art. Quaestiones, Sp.  1024; Drecoll, Chronologie, S.  259), ist der Position Wilhelm Rütings, dass ciu. XV und XVI nach den qu. entstanden sind, zuzustimmen. Argumentiert er doch schlüssig und mit Quellenbelegen, dass Augustin zum einen in qu. keine der Positionen verwirft, die er in ciu. XV und XVI vertritt, während das Umgekehrte mehrmals der Fall ist (Rüting, Untersuchungen, S.  7 f.). Zudem hält Rüting fest: „Ansichten, die in den Quästionen in dubio gelassen werden, sind in De civ. dei entschieden, so z. B. daß der Name Hebräer von Heber und nicht von Abraham abzuleiten sei; […]. Umgekehrt findet man in den Quästionen kein Beispiel, daß eine in De civ. dei vertretene Ansicht bestimmter ausgesprochen oder geändert wäre.“ (a. a. O., S.  8) Walter Groß konkretisiert in der Einleitung zu seiner Edition der qu. die Entstehungssituation dieser Schrift: So habe Augustin nach einem Generalkonzil in Karthago im Mai 419 noch einige Zeit dort verbracht und „nutzte diesen von den Amtsgeschäften in seiner Diözese freien Aufenthalt und die hervorragenden Bibliotheken der Hauptstadt, um die Locutiones sowie die Q[uaestiones ad] H[eptateuchum] weitgehend oder vollständig zu erarbeiten“ (Gross, Einleitung, S.  12). 59 Eine exemplarische Zusammenstellung solcher Parallelen bietet Rüting, Untersuchungen, S.  8 f. 55 Vgl.

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wird nun selbst als ein Glied dieser Kirche aufgefasst, die Augustin fortan auch ecclesia ab Abel nennen kann.60 Seine Deutung Abels als paradigmatischer Bürger der ciuitas dei in ciu. XV fügt sich in diese Auslegungslinie ein. Die noch aufzuzeigende Auseinandersetzung Augustins mit der pelagianischen Rezeption Abels61 wird dafür einen hinreichenden Grund liefern. Demgegenüber setzt sich die Deutung Kains als prophetisches Bild des jüdischen Volkes, insbesondere in Verbindung mit der spezifischen Deutung des ‚Kainszeichens‘, auch noch in späteren Jahren fort. In einem um 414 an Paulinus gerichteten Brief begegnet die Auslegung von Ps 58,12 („Töte sie nicht, damit dein Gesetz nicht vergessen werde“62) im Hinblick auf die bereits in früheren Schriften ausgeführte dienende Funktion der Juden:63 Sie sollen aus dem Grund nicht getötet werden, damit die Heilige Schrift und mit ihr die auf Christus bezogenen Wahrheiten, die die Juden aufgrund ihrer fleischlichen Ausrichtung selbst nicht imstande sind zu verstehen, in Erinnerung behalten werden.64 In einer nur grob zwischen 411 und 415 datierbaren Predigt65 wird erneut der Zusammenhang zwischen Ps 58,12, der Vorstellung des Kainsmals und der gegenwärtigen Situation der Juden nach dem Verlust ihrer Staatlichkeit und ihres Kultes hergestellt: Die Juden, obwohl selbst „Feinde des christlichen Glaubens“

60  Vgl. zu den bereits genannten Stellen noch en. Ps. 90,2,1, S.  1266, Z.  36–41; aus späterer Zeit c. ep. Pel. 3,24, S.  516, Z.  26 – S.  517, Z.  2; ciu. XVIII 51, S.  650, Z.  64–69; s. dazu Lamirande, Art. Ecclesia, Sp.  693 f. 61  Vgl. Abschnitt 1.1.4. 62 „ne occideris eos, ne quando obliuiscantur legis tuae“ (Ps 58,12 nach ep.  149,9, S.  356, Z.  2 f.). Die Psalmenzählung folgt, wenn nicht anders angegeben, derjenigen der LXX. 63  Es ist anzunehmen, dass die Vorstellung der dienenden Funktion der Juden ursprünglich auf Augustins Beschäftigung mit Röm 9,1–13 zurückgeht, wo Paulus die ‚Kinder der Verheißung‘ (die Christen) als die wahre Nachkommenschaft Israels von den ‚Kindern nach dem Fleisch‘ (diejenigen Juden, die Christus nicht angenommen haben) unterscheidet. Sodann stellt der Apostel eine Parallele zu Jakob und Esau her, deren Verhältnis Gott bereits vor ihrer Geburt aufgrund seiner Gnadenwahl („Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.“ [Mal 1,2 f.]) folgendermaßen bestimmt hat: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (Gen 25,23). Diese von Paulus gezogene heilsgeschichtliche Parallele nimmt Augustin auch in einer Predigt auf (s. 5,5, S.  55, Z.  177 – S.  56, Z.  216). Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1.3. Ein wichtiger Anstoß war darüber hinaus die auch heilsgeschichtlich relevante Frage nach dem Grund der fortwährenden Existenz der Juden trotz ihrer Staatenlosigkeit und trotz der mit Christus als angebrochen geglaubten Zeit des Neuen Bundes. Sowohl die hergebrachte christliche Interpretation der „Zerstreuung als Strafe für die Kreuzigung“ als auch die von Augustin hinzugefügte „originelle Konzeption der Zerstreuung zur Zeugenschaft“ sind als Antwortversuche auf diese Frage zu verstehen. Allerdings eignet beiden Interpretationen der logische Fehler, dass bereits lange vor dem Tod Jesu große Teile des Judentums ‚zerstreut‘ in der Disaspora lebten (vgl. Blumenkranz, Judenpredigt, S.  180 f.) – ein Umstand, der Augustin durchaus bewusst gewesen ist (vgl. etwa ep.  102,8, S.  551, Z.  19 – S.  552, Z.  3). 64 Vgl. ep.  149,9, S.  356, Z.  1 – S.  357, Z.  9. 65 Vgl. Hill, Sermons 6, S.  89, Anm.  1; die Möglichkeit dieser Datierung von s. 201 ist allerdings aufgrund der Datierungsproblematik vieler Predigten Augustins fraglich (vgl. Dolbeau, Art. Sermones, S.  305–317).

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(inimici fidei christianae)66 , leisten diesem christlichen Glauben insofern einen Dienst, als sie gegenüber den Heiden für die jüdische Verfasserschaft der heiligen Schriften bürgen, deren Prophetien doch so offensichtlich in Christus erfüllt worden sind. Ansonsten könnten die Heiden den Christen vorwerfen, sie selbst hätten diese Schriften verfasst.67 Die Existenzberechtigung des zeitgenössischen Judentums liegt also nach Augustin in ihrer temporären heilsgeschichtlichen Funktion, durch ihre Bewahrung der Heiligen Schrift ein Zeugnis vor den Heiden abzugeben. Die Juden selbst freilich erwartet aufgrund ihrer „fleischlichen“ (carnaliter) Observanz des Gesetzes das Gericht.68 1.1.3 Die Bevorzugung des Jüngeren vor dem Älteren In einer Predigt über Ps 40, die etwa zwischen 400 und 411 eingeordnet werden kann,69 führt Augustin als heilsgeschichtliche Beispiele für Vers 13: „Um meiner Unschuld willen hast du mich erhöht und hast mich vor deinem Angesicht bestätigt auf ewige Zeit“,70 das Verhältnis zwischen Esau und Jakob sowie das zwischen Kain und Abel an, um beide exempla auf die Beziehung zwischen Juden und Christen zu übertragen.71 Schon Paulus hatte unter Berufung auf Gen 25,23 („Der Ältere soll dem Jüngeren dienen“72) in Jakob und Esau die Bevor-

66 

Bezogen auf Ps 58,11 f.; vgl. s. 201,3, S.  1033, Z.  2 –6. s. 201,3, S.  1033, Z.  4 –9. Diese auf die Heiden bezogene dienende Funktion der Juden wird erstmals in c. Faust. 13,10, S.  389, Z.  18 – S.  390, Z.  7, mit dem Kainsmal in einen Zusammenhang gebracht (vgl. auch c. Faust. 16,21, S.  463, Z.  8 – S.  464, Z.  464, Z.  9; s. dazu Unterseher, Mark, S.  135–137). 68 Vgl. s. 201,3, S.  1033, Z.  13–15. Obwohl Lisa A. Unterseher erkennt, dass es Augustin bei seiner Interpretation des Kainszeichens in c. Faust. nicht um den Wert der Juden per se geht, sondern nur insofern sie den Christen einen Dienst leisten, indem sie die Schriften bewahren (vgl. Unterseher, Mark, S.  142), gerät bei ihr aus dem Blick, dass Augustin keinen Zweifel daran lässt, dass die gottgewollte Existenz der Juden und ihre Funktion als Zeugenvolk eschatologisch ein Ende finden werden (s. dazu Abschnitt 6.2.1). Ihre Interpretation der augustinischen Deutung des Kainszeichens in c. Faust. als ‚revolutionärer‘ Beitrag zur christlichen Theologie des Judentums scheint mir, da sie diese eschatologische Dimension unterbewertet und so die Perspektive auf die gegenwärtige Situation der Juden verengt, von einem modernen Toleranzverständnis geleitet zu sein, das für Augustin nicht vorauszusetzen ist (vgl. a. a. O., S.  141 f.172 f.). Deutlich angemessener ist dagegen die Bewertung durch Paula Fredriksen: „Nonetheless, Augustine’s theology, for all its innovative and positive positions, does ultimately subordinate Judaism to Christianity. This is why he uses such terms as ‚servant‘ or ‚librarian‘ or ‚bookslave‘ to describe Judaism’s subservient role.“ (Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  372) 69  Vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  813 f. 70 „propter innocentiam meam suscepisti me, et confirmasti me in conspectu tuo in aeternum.“ (Ps 40,13 nach en. Ps. 40,14, S.  458, Z.  3 –5) 71  Die gegenwärtige Existenz der Juden als zerstreutes, staatenloses, aber dennoch überlebendes Volk wird hier ganz ähnlich wie in c. Faust. mit Hilfe des Kainszeichens interpretiert; vgl. dazu auch en. Ps. 58,1,21, S.  743, Z.  1 – S.  744, Z.  4 0. 72 „maior seruiet minori“ (Gen 25,23 nach en. Ps. 40,14, S.  459, Z.  13). 67 Vgl.

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zugung der Christen ( Jakob als Repräsentant des ‚wahren Israel‘) gegenüber den nicht erwählten Juden vorabgebildet gesehen (vgl. Röm 9,6–13). Die Erhöhung des Jüngeren über den Älteren ist ein bereits im Alten Testament häufig begegnendes heilsgeschichtliches Motiv (Abel und Kain; Jakob und Esau; Isaak und Ismael; Joseph und seine Brüder),73 das auch im Neuen Testament anklingt (vgl. das Gleichnis vom verlorenen Sohn und seinem Bruder [Lk 15,11–32]). Dieses Motiv wird von Augustin rezipiert, wobei er sich insbesondere von entsprechenden paulinischen Deutungen (vgl. u. a. Röm 9,6–13; Gal 4,21–31) leiten lässt. In en. Ps. 40,14 wird das bereits an Jakob und Esau profilierte heilsgeschichtliche Abhängigkeitsverhältnis auf Abel und Kain und schließlich auf das Verhältnis zwischen dem älteren Volk der Juden und den Christen als dem ‚jüngeren‘ Volk, dem eigentlichen populus dei, übertragen: Der unschuldige Abel (Christus) wurde von seinem älteren Bruder Kain (den Juden) getötet, der jedoch nun den Nachkommen dieses Abel (den Christen) als Sklave dient. Auch in ciu. XV-XVIII begegnet das Motiv der Bevorzugung des Jüngeren vor dem Älteren immer wieder und wird dort gnadentheologisch bzw. geschichtstheologisch entfaltet.74 1.1.4 Die Debatte um die Sündlosigkeit Abels im Horizont des Pelagianischen Streits Im Pelagianischen Streit spielt Abel insofern eine Rolle, als er von den Gegnern Augustins als Argument gegen die augustinische Lehre von der Ursünde angeführt wurde. Abel sei, obwohl direkter Nachkomme Adams, im Unterschied zu seinem Bruder Kain gerecht und ohne Sünde gewesen. Mit dieser Position konnte man sich durchaus auf die (moralischen) Auslegungen von Gen 4 stützen, wie sie z. B. bei Philo zu lesen sind.75 Von 411 an bis über die Zeit der Abfassung von ciu. XV hinaus wird Augustin diese Thematik beschäftigen. In seiner um 411/412 entstandenen Schrift De peccatorum meritis et remissione et de baptismo paruulorum (i.F.: pecc. mer.)76 widerlegt er die Annahme, bei der paulinischen Rede von den zwei Menschen (Röm 5,12–19) gehe es nicht um Adam und Christus, sondern um Adam und Abel.77 Dies würde nämlich nur unter der 73 Vgl.

Adams, Art. Bruder, S.  80–83. Drecoll, Art. Iacob, Sp.  463 f.; s. dazu Abschnitte 1.2.2, 3.2.6 u. 3.3.3. 75  Vgl. u. a. Philo, Sacr. §  2 , S.  2 02, Z.  6 – S.  2 03, Z.  4; QG I 59, S.  130, Z.  5 –14. Allerdings kann Christina Landman zeigen, dass Philo in Sacr. auch eine allegorische bzw. typologische Interpretation von Gen 4 vorgenommen hat, und geht sogar davon aus, dass sich Augustin insbesondere in ciu. auf diese zurückbezogen habe (vgl. Landman, Functioning, S.  18 f.24 f.). 76  Zur Datierung vgl. Delaroche, Art. Peccatorum, Sp.  575 f.; Drecoll, Chronologie, S.  257. 77  Um wessen Position es sich hierbei handeln soll, geht aus pecc. mer. nicht hervor. Dass Pelagius das Motiv des ‚gerechten Abel‘ (allerdings nicht in Bezug auf Röm 5) bereits zu einer früheren Zeit als in seinem Werk De natura vertreten hat, kann durch seinen Brief an Demetrias belegt werden, der den Adressaten Ende 412 erreichte, von dem Augustin allerdings erst im Jahr 414 Kenntnis hatte (vgl. Greshake, Einleitung, S.  25). Darin ist davon die 74 Vgl.

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Voraussetzung möglich sein, dass der Mensch selbst durch „Nachahmung“ (imi­ tatio) des sündigen Adam bzw. des gerechten Abel über seine Zugehörigkeit zum alten oder zum neuen Menschen entscheiden könne.78 Jedoch macht Augustin deutlich, dass es keineswegs nur die imitatio sein könne, die das Verhältnis des Menschen zu Adam oder zu Christus bestimmt, sondern dass dieses Verhältnis angemessener in den Kategorien von generatio und regeneratio zu beschreiben sei: Ferner, wenn daher Christus der eine ist, in dem alle gerechtfertigt werden, denn es macht nicht allein die Nachahmung seiner [sc. Christi] gerecht, sondern die durch den Geist erneuernde Gnade, dann ist auch Adam der eine, in dem alle gesündigt haben, weil nicht allein die Nachahmung seiner die Sünder macht, sondern die durch das Fleisch zeugende Strafe.79

Dass Augustin das Verhältnis der Ungerechten zu Kain und der Gerechten zu Abel durchaus mit Hilfe der Kategorie der imitatio verstehen konnte, zeigt eine etwa zur gleichen Zeit 80 gehaltene Predigt zu Ps 48, in der er von den zwei Söhnen Kain und Abel spricht, die aus Adam hervorgegangen sind. Obwohl Ps 48,20 den Ausdruck progenies („Nachkommenschaft“) vorgibt, beschreibt Augustin die Beziehung von Kain und Abel zu den beiden Gruppen, die der „Gerechtigkeit“ (iustitia) bzw. der „Ungerechtigkeit“ (iniquitas) anhängen, durch den Begriff des „Nachahmens“ (imitari), was auch die Metaphorik des Weges nahelegt, auf dem die beiden Gruppen ihren Vätern nachfolgen.81 Diese nur scheinbar konträr zu pecc. mer. stehende Deutung mag dem protreptischen Charakter dieser (Fasten-)Predigt geschuldet sein, ist aber dennoch mit pecc. mer. kompatibel: Stammen doch die heute lebenden Gerechten und Ungerechten in fleischlicher Hinsicht weder vom kinderlosen Abel noch von Kain ab, dessen Nachkommenschaft bei der Flut gänzlich vernichtet wurde.82 Hinsichtlich des (moRede, dass Abel der erste gewesen sei, der der ‚Lehrerin der Gerechtigkeit‘ gefolgt sei und dass auch Jesus selbst (Mt 23,35) Abels „Vollkommenheit“ (perfectio) rühme (vgl. Pelagius, Epistula ad Demetriadem 5, S.  70, Z.  6 –10). Später werden die Geschwisterpaare Kain und Abel sowie Esau und Jakob als Erweis dafür herangezogen, dass es „allein der Wille“ (sola uoluntas) sei, wenn in der gleichen (nach Pelagius: guten) Natur die Verdienste verschieden seien (vgl. a. a. O., S.  82, Z.  25 – S.  84, Z.  2). 78 Vgl. pecc. mer. 1,19, S.  18, Z.  2 3 – S.  19, Z.  5. 79  „porro si propterea Christus unus est in quo omnes iustificentur, quia non sola eius imitatio iustos facit, sed per spiritum regenerans gratia, propterea et Adam unus est in quo omnes peccauerunt, quia non sola eius imitatio peccatores facit, sed per carnem generans poena.“ (pecc. mer. 1,19, S.  19, Z.  8 –12) Vgl. zur imitatio in pecc. mer.: Drecoll, Art. Imitatio, Sp.  523. 80  Als Datierung werden vorgeschlagen 410 oder 412; vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  813 f. 81 Vgl. en. Ps. 48,2,11, S.  574, Z.  1–16. 82 Vgl. ciu. XV 24, S.  492, Z.  10–18. In einer schwer datierbaren (die Vorschläge reichen von 395 über 405 bis ins Jahr 410; vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  821 f.) Predigt zu Ps 101 führt Augustin aus, dass nach der Flut, nachdem die Generation der auf Adam zurück-

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ralischen) Verhaltens kann also durchaus der Begriff imitatio Verwendung finden, hinsichtlich der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Gruppe jedoch sind nach Augustin die Kategorien generatio und regeneratio vorzuziehen. Ob es tatsächlich eine pelagianische Position war, dass es sich bei den beiden Menschen in Röm 5,12–19 um Adam und Abel handele, lässt sich nicht belegen, es erscheint auch aus anderen Gründen als unwahrscheinlich, geht doch aus Röm 5,12–19 klar hervor, dass mit den beiden Menschen Adam und Christus gemeint sind. Eine derartige Uminterpretation hätte die Autorität des Apostels also erheblich in Frage gestellt. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass Augustin die soteriologische Unzulänglichkeit des pelagianischen Begriffes der imitatio hier anhand von Röm 5,12–19 hat erweisen wollen, indem er ‚probeweise‘ Abel an die Stelle Christi setzt. Die Verbindung zwischen dem pelagianischen Motiv des ‚gerechten Abel‘, dessen Gerechtigkeit man zu imitieren habe, und der paulinischen Adam-Christus-Typologie hat Augustin wohl selbst hergestellt. Diese Vermutung wird gestützt durch eine Passage aus einem zwischen 414 und 415 entstandenen Brief Augustins an Hilarius, in der er sich wieder zu Röm 5 äußert. Könnte man Paulus eine Vorstellung der imitatio unterstellen, wie sie die Pelagianer vertreten, hätte er nämlich nicht nur statt von Christus vom gerechten Abel, sondern auch statt von Adam vom „Teufel“ (diabolus) sprechen müssen, da dieser eigentlich der erste Sünder gewesen sei.83 Paulus spreche aber bewusst von Adam als dem ersten Menschen, der sündigte – was Augustin als Beleg dafür sieht, dass ein substanzhafter Zusammenhang, und nicht die imitatio, die Voraussetzung für die Auswirkung der Sünde Adams auf seine Nachkommenschaft (propago substantiae) sei,84 eine Voraussetzung, die der Teufel nicht erfüllt. Letztlich fehlt also nach Augustin beiden, dem Teufel wie Abel, das entscheidende Medium, um auf die ihnen nachfolgenden Menschen die von Paulus beschriebene Auswirkung der Sünde bzw. der Gerechtigkeit haben zu können: Weder sei für den Teufel als einem rein geistigen Wesen die „Unreinheit des Fleisches“ (inmunditia carnis) vorauszusetzen, durch die der fleischliche Adam seine „Nachkommenschaft“ (posteritas) schädigte. Noch sei der gerechte Abel wie Christus in der Lage gewesen, die „Gnade des Geistes“ (gratia spiritus) zu geben, um somit seine „Erben“ (hereditas) zu retten.85 gehenden Gerechten Abel, Seth und Henoch verstorben war, lediglich das Haus Noahs überlebte (vgl. en. Ps. 101,2,11, S.  1446, Z.  1–7). 83 Vgl. ep.  157,21, S.  470, Z.  5 –14. In einer zwischen 411 und 417 gehaltenen Predigt (zur Datierung vgl. Dolbeau, Art. Sermones, S.  312), in der sich Augustin in polemischer Weise gegen die Pelagianer und deren Haltung zur Kindertaufe wendet, begegnen ganz ähnliche Gedanken über Adam, den Teufel, Christus und Abel. Sie schließen damit, dass Christus nicht nötig gewesen wäre, sollte das Verhältnis des Menschen zu Adam bzw. Christus tatsächlich als imitatio und nicht als generatio bzw. regeneratio zu beschreiben sein (vgl. s. 294,15, S.  1344, Z.  18 – S.  1345, Z.  11). 84 Vgl. ep.  157,21, S.  470, Z.  6 –13. 85 Vgl. ep.  157,21, S.  470, Z.  16–26. In der ebenfalls zwischen 414 und 415 entstandenen

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Am Ende des Jahres 414 wurde Augustin mit der (ursprünglich titellosen) Pelagiusschrift De natura konfrontiert, zu deren Widerlegung er aufgefordert wurde.86 Der Inhalt von De natura führte Augustin von einer zunächst höflichen und abwartenden Haltung gegenüber Pelagius zu einer von nun an entschieden ablehnenden.87 Ende 414 / A nfang 415 entstand Augustins Schrift De natura et gratia (i.F.: nat. et gr.),88 in der sich ebenfalls einige Aspekte zu Abel finden: Wenn Adam und Christus nur Prototypen der Sünde bzw. der Gerechtigkeit wären, zu deren jeweiliger imitatio man sich frei entscheiden könne, müsste Abel als der chronologisch erste Gerechte als das „Haupt aller Gerechten“ (caput omnium iustorum) bezeichnet werden, und nicht Christus.89 Dann allerdings, wenn man also wie Pelagius annehme, ein Mensch könne „durch das Gesetz der Natur und durch freie Willensentscheidung“ (per naturalem legem et uoluntatis arbitrium) gerecht werden, wäre Christus umsonst gestorben (Gal 2,21).90 Einige Kapitel danach geht Augustin noch einmal ausführlicher der Frage der Sündigkeit Abels nach. Pelagius zählt in seiner Schrift eine Reihe biblischer Männer und Frauen auf, allen voran Abel, die „nicht gesündigt“ (non peccare) und „gerecht gelebt“ hätten (iustus vivere).91 Augustin dagegen nimmt an, dass all die aufgezählten Gerechten keineswegs von sich behauptet haben würden, ohne Sünde zu sein.92 Auf eine Zitation einer Passage aus De natura,93 in der Pelagius die Auffassung vertritt, Abel habe als einziger der ersten vier Menschen nicht gesündigt, weil die Bibel nicht davon berichte, folgt in nat. et gr. 45 die Widerlegung Augustins. Zum einen lässt er das argumentum e silentio nicht gelten: Die Menge der Sünden der Menschen mache es schlicht unmöglich oder, weil der Leser daraus keinen unterweisenden Nutzen ziehen könnte, nicht nötig, dass sie alle in der Bibel erwähnt würden – eine Einsicht, die Pelagius an anderer Stelle ep.  164 an Evodius erscheint Abel im Kreis der „altehrwürdigen Heiligen“ (antiqui sancti), der Patriarchen und Propheten, die als Angehörige der Kirche selbstverständlich der Heilstat Christi bedurften, um von ihren Sünden erlöst zu werden (vgl. ep.  164,6, S.  526, Z.  6 –19). 86  Vgl. Löhr, De natura, S.  334. 87  Vgl. Löhr, Streit, S.  183 f. 88 Zur Datierung vgl. Drecoll, Chronologie, S.   258; Winrich Löhr geht mit Adolar Zumkeller von einer Fertigstellung im „Frühjahr/Sommer 415“ aus (vgl. Löhr, Art. Natura, Sp.  183 f.). 89 Vgl. nat. et gr. 10, S.  2 38, Z.  2 3–26. 90 Vgl. nat. et gr. 10, S.  2 38, Z.  2 8 – S.  2 39, Z.  4. 91 Vgl. nat. et gr. 42, S.  2 63, Z.  15 f. 92  Ausschließen möchte Augustin bei dieser Betrachtung nur die Mutter Jesu. Seine Meinung, dass die aufgezählten Heiligen nicht sündlos gewesen sein können, präsentiert Augustin als eine rhetorische Frage: Hätten diese Heiligen sich wohl selbst als sündlos bezeichnet oder hätten sie nicht in demütiger Weise wie der Apostel Johannes in 1Joh 1,8 gesprochen (der ebenfalls in der Reihe der Heiligen steht, somit als Vertreter dieser Gruppe selbst zu Wort kommt und für Augustin mit dem Verfasser der Johannesbriefe identisch ist): „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (vgl. nat. et gr. 42, S.  263, Z.  23 – S.  264, Z.  12). 93 Vgl. nat. et gr. 44, S.  2 65, Z.  6 –11.12–20.

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selbst schon hatte.94 Fällt doch bereits in den biblischen Erzählungen über Adam, Eva, Kain und Abel auf, dass über vieles geschwiegen wird, was aber offensichtlich stattgefunden haben muss. Als Beispiel nimmt Augustin die in jüdischen und frühchristlichen Schriften immer wieder problematisierte Art und Weise der Vermehrung der ersten Menschen: Ob nun Kain mit seiner Mutter Eva Kinder zeugte, oder, Gen 5,4 vorausgesetzt, mit einer seiner Schwestern, bleibt offen.95 Wohl nicht zufällig wird hier ein solches Beispiel über ein verschwiegenes Geschehen in der Bibel angeführt, das – legt man zeitgenössische moralische Maßstäbe zugrunde und lässt die besondere Situation der ersten Menschen außen vor – offensichtlich in den Bereich der Sünde fällt. Das Schweigen der Bibel über dennoch geschehene Sünden vorausgesetzt, muss Augustin auch für Abel annehmen, dass er gesündigt habe, und dennoch zu Recht als „gerecht“ (iustus) bezeichnet wird. Abel wird von Augustin also als gerechter Mensch verstanden, der seiner Gerechtigkeit ungeachtet die gleichen inneren Kämpfe gegen die Begierde zu bestehen hat, wie auch andere glaubende Menschen dies tun müssen (Röm 6,12).96 Aus einer abschließenden Charakterisierung Abels durch Augustin wird deutlich, dass auch seine Gerechtigkeit keineswegs als eigenes Verdienst angesehen werden darf: „Schließlich, wenn im gerechten Abel die Liebe Gottes war, durch die allein man wahrhaft gerecht ist, wie auch er gerecht ist, so war es, damit fortan er dasjenige [die Gerechtigkeit] mehren könne und solle in dem Maße, in dem er schwächer würde von der Verfehlung her.“97 Im Jahr 416 schrieb Augustin einen Brief (ep.  179) an den Bischof Johannes von Jerusalem, dem er Abschriften der Pelagiusschrift De natura und seiner Widerlegung nat. et gr. beilegte.98 Augustin bezweckte damit unter anderem, Johannes die Widersprüche zwischen dieser Pelagiusschrift und Pelagius’ Aussagen auf der Provinzsynode von Diospolis aufzuzeigen, die dort zu dessen Freispruch geführt hatten. Augustin hält diesen Freispruch für eine Fehlentscheidung, weil er die Aussagen von De natura als die eigentliche Theologie des Pelagius ansieht. Im Fokus stand u. a. die Frage, ob über die schöpferische Gnade hinaus, die dem Menschen den freien Willen verleiht, auch die helfende Gnade Christi nötig sei, um Gerechtigkeit zu erlangen.99 Augustin sieht diese Notwendigkeit 94 Vgl.

nat. et gr. 45, S.  265, Z.  21–28. nat. et gr. 45, S.  265, Z.  28 – S.  266, Z.  8. In ciu. XV 16 verteidigt Augustin die Ehe zwischen Geschwistern als in der ersten Zeit unvermeidlich, woraus zu schließen ist, dass er auch in Bezug auf Kain und Seth angenommen hat, dass sie ihre Nachkommen mit ihren eigenen Schwestern gezeugt haben (ciu. XV 16, S.  476, Z.  1 – S.  477, Z.  27). 96 Vgl. nat. et gr. 45, S.  2 66, Z.  9 – S.  2 67, Z.  2 . 97  „postremo si in Abel iusto caritas dei, qua una uere iustus est quicumque iustus est, adhuc erat quo posset et deberet augeri, quicquid minus erat ex uitio erat.“ (nat. et gr. 45, S.  266, Z.  9 – S.  267, Z.  2) 98 Vgl. Divjak/Red., Art. Epistulae, Sp.  984 f. 99  Vgl. Löhr, Streit, S.  185. 95 Vgl.

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der helfenden Gnade in De natura gerade nicht gegeben. Obwohl sich Pelagius selbst zur Abfassung dieser Schrift nie bekannt hat,100 insistierte Augustin gegenüber Bischof Johannes auf der Authentizität der Schrift.101 Auch in ep.  179 setzt sich Augustin mit der Position des Pelagius zur Sündlosigkeit Abels ausein­ ander. Erneut führt er die bereits in nat. et gr. zitierte Passage aus De natura an, nach der Abel im Unterschied zu seinen Eltern Adam und Eva und seinem Bruder Kain nicht gesündigt haben könne, da sonst die Heilige Schrift in jedem Fall darüber berichtet haben würde.102 Augustin kontrastiert diese Position mit einer unmittelbar davor referierten Leugnung des Pelagius, jemals gesagt zu haben, dass es jemanden gebe, der von der Kindheit an bis ins hohe Alter nicht gesündigt habe. Vielmehr würde man, so Pelagius, „durch eigene Anstrengung und unterstützt durch die Gnade Gottes von den Sünden bekehrt“ und könne fortan ohne Sünde leben.103 Nun setze aber, so Augustin, der von Pelagius selbst verwendete Begriff der conuersio voraus, dass es bei jedem Menschen einen vormals sündigen Zustand gegeben habe,104 der daher auch für Abel anzunehmen sei, auch wenn die Bibel von keiner Sünde Abels berichte. Abel könne daher Christus, als dem einzig Sündlosen im sterblichen Fleisch, nicht gleichgestellt werden. Ähnliche Gedanken zur Gerechtigkeit Abels wie in nat. et gr. begegnen auch in Augustins Schrift Contra duas epistulas Pelagianorum (i.F.: c. ep. Pel.), die zwischen 420 und Winter 421 – und damit zur Abfassungszeit von ciu. XV – entstanden sein muss.105 „Alle Heiligen“ (sancti omnes), von Abel über Johannes den Täufer bis hin zu den Aposteln sollten nicht um ihrer selbst willen, sondern im Herrn gepriesen werden.106 Denn ihr freier Wille hätte nur zur Sünde, nicht 100  Vgl.

Löhr, De natura, S.  337. ep.  179,10, S.  697, Z.  5 –11. 102 Vgl. ep.  179,8, S.  695, Z.  3 0 – S.  696, Z.  16. Die Zitationen aus De natura in ep.  179,8, S.  696, Z.  2 –16 und nat. et gr. 44, S.  265, Z.  6 –11.12–19 sind nahezu wortgleich. In ep.  179,8, S.  695, Z.  31 – S.  696, Z.  2 setzt Augustin allerdings früher ein mit der Feststellung des Pelagius, dass die Bibel nicht über die Sünden der boni geschwiegen hätte, in nat. et gr. dagegen folgt am Ende noch der Satz aus De natura, dass aus dem Schweigen der Bibel über Abels Sünden zu glauben sei, dass Abel gerecht war, und man der Bibel nicht etwas hinzufügen dürfe, was nicht darin stehe (vgl. nat. et gr. 44, S.  265, Z.  19 f.). 103  „non diximus, quoniam inueniatur quis, ab infantia usque ad senectam qui numquam peccauerit, sed quoniam a peccatis conuersus labore proprio et gratia dei adiutus potest absque peccato esse nec propter hoc in posterum erit inconuertibilis.“ (ep.  179,7, S.  695, Z.  20– 24) 104 Vgl. ep.  179,8, S.  695, Z.  25–28. Diesen Widerspruch bei Pelagius führt Augustin auch 417 in ganz ähnlicher Weise in gest. Pel. an (vgl. gest. Pel. 22, S.  75, Z.  24 – S.  76, Z.  5). 105  Vgl. zur Datierung: Ring, Art. Duas, Sp.  672 f.; Drecoll, Chronologie, S.  259. 106 Vgl. c. ep. Pel. 3,24, S.  516, Z.  2 6 – S.  517, Z.  2 . Auch hier lässt Augustin Heilige (der Psalter stammt in Augustins Vorstellung von David) und Apostel (Paulus und Johannes) selbst zu Wort kommen, um seine Überzeugung, dass sich die Gerechtigkeit der Heiligen der Gnade Gottes verdankt, biblisch zu begründen: Ps 33,3; 1Kor 15,10; 1Kor 1,31 und 1Joh 1,8. Durch das hier noch angeführte, bereits in nat. et gr. 42 begegnende Zitat aus 1Joh 1,8 wird zudem zu verstehen gegeben, dass auch die Heiligen nicht ohne Sünde sind. 101 Vgl.

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aber zur Gerechtigkeit geführt, wenn er nicht durch göttliche Befreiung und Hilfe dazu befähigt worden wäre.107

1.2 Kain und Abel in De ciuitate dei: ‚Archetypen‘ der beiden ciuitates 1.2.1 Charakterisierung von Kain und Abel Für Augustin beginnt mit der Geburt von Kain und Abel, den ersten aus einer Zeugung hervorgegangenen Menschen, die „Weltzeit“ (uniuersum tempus siue saeculum),108 die wiederum dann endet, wenn keine Menschen mehr gezeugt werden.109 Folgerichtig steht die Darstellung des Bruderkonfliktes am Beginn der Bücher XV-XVIII, die den „Verlauf “ (procursus) der beiden ciuitates zum Inhalt haben.110 Kain und Abel werden einander in mehrfacher Hinsicht als Antipoden gegenübergestellt, wobei auch ihre unterschiedlichen Berufe eine Rolle spielen.111 Die Brüder unterscheidet nach Augustin in erster Linie ihre Zugehörigkeit zu den beiden ciuitates.112 Infolge des Sündenfalls Adams sind zunächst auch alle 107 Vgl.

c. ep. Pel. 3,24, S.  516, Z.  24–26. ciu. XV 1, S.  453, Z.  25 f. 109  „hoc enim uniuersum tempus siue saeculum, in quo cedunt morientes succeduntque nascentes, istarum duarum ciuitatum, de quibus disputamus, excursus est.“ (ciu. XV 1, S.  453, Z.  25–28) Der Versuch, entgegen dieser Darstellung Augustins Adam als den eigentlichen Beginn der Geschichte bzw. des ersten Weltzeitalters auszumachen, leuchtet auch im Hinblick auf die Gesamtkomposition von ciu. XI-XXII nicht ein (gegen Simard, Les quatre livres, S.  66). Das gilt auch für den Kompromiss Rudolf Bultmanns, die Geschichte selbst mit Adam, die Geschichte des Konflikts der ciuitates dagegen erst mit Kain und Abel beginnen zu lassen (vgl. Bultmann, Geschichte, S.  70). Die Geschichte im eigentlichen Sinn ist für Augustin vielmehr deckungsgleich mit der Koexistenz beider ciuitates auf der Welt. Adam gehört zum exortus, zur Vorgeschichte des geschichtlichen Verlaufs der beiden ciuitates: Nach ciu. XV 17, S.  479, Z.  1–3 ist er der „Vater beiderlei Gattung“ (utriusque generis pater), die sich innerhalb des Menschengeschlechts aber erstmals in seinen beiden Söhnen realisiert (s. dazu Hübner, Art. Genus, Sp.  150). 110 Vgl. ciu. XI 1, S.  321, Z.  27 – S.  322, Z.  35. 111  Im übertragenen Sinn findet sich bei Augustin die Ausrichtung des Ackerbauers Kain auf die „Erde“ (terra) in seiner Charakterisierung als Bürger der ciuitas terrena wieder, die unstetige Existenz des Viehhirten Abel in seiner Charakterisierung als peregrinus. Zudem spielt Augustin in ciu. XV 7 auf seine bereits in c. Faust. 12,9 ausgeführte figürliche Deutung Abels an, insofern nämlich dessen Beruf als Schaf hirte prophetisch auf Christus vorverweise, der zum „Hirten der Schaf herde der Menschen“ (pastor ouium hominum) werden sollte (vgl. ciu. XV 7, S.  462, Z.  118–123; s. dazu Pintard, Le sacerdoce, S.  81). 112  „natus est igitur prior Cain ex illis duobus generis humani parentibus, pertinens ad hominum ciuitatem, posterior Abel, ad ciuitatem dei.“ (ciu. XV 1, S.  453, Z.  29–31) Yves Congar vermutet, dass Augustins „point de vue d’une typification par Abel et Caïn de deux cités spirituelles opposées“ von der allegorischen bzw. spirituellen Exegese des Ambrosius inspiriert wurde. Dessen Deutung von Abel und Kain als figurae für die Christen und Juden bzw. die Kirche und die Synagoge (vgl. Ambrosius, Cain I 2,5, S.  341, Z.  10 – S.  342, Z.  3) habe Augustin konsequent weitergeführt bis hin zu seiner Fomulierung der ecclesia ab Abel (vgl. Congar, Ecclesia, S.  86). 108 Vgl.

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seine Nachkommen verdammt.113 Während Adam noch keiner der beiden ciuitates zuzuordnen ist,114 gehört Kain als sein Erstgeborener der ciuitas terrena an – damit verbinden sich weitere Attribute wie „fleischlich“ (carnalis), „schlecht“ (malus) und „seelisch“ (animalis).115 Wenn in Gen 4,17 gesagt wird, dass Kain eine Stadt gegründet habe (primus conditor terrenae ciuitatis)116 , so ist damit nicht gemeint, dass Kain der Begründer der ciuitas terrena als übergeschichtlicher Größe sei – die beiden ciuitates bestehen ja bereits auf „mystische Weise“ (mystice)117, bevor Kain und Abel geboren wurden. Dennoch zeigt sich im Stadtgründer Kain eine für die Angehörigen der ciuitas terrena charakteristische Eigenschaft: das „Streben nach irdischen Dingen“ (cupiditas rerum terrenarum)118 , für die man auch bereit ist, andere Menschen zu bekriegen.119 Für diese Deutung macht sich 113 

„massa […], quae originaliter est tota damnata“ (ciu. XV 1, S.  454, Z.  42 f.). Als Vater von Kain und Abel kann Adam von Augustin als personifizierter exortus der beiden ciuitates (vgl. ciu. XII 28, S.  358, Z.  25–31) bzw. als der „Vater beider Geschlechter“ (pater utriusque generis; vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  1) verstanden werden. Gerard J. P. O’Daly schreibt: „The individual Adam contains the potential for the two cities in himself.“ (O’Daly, A reader’s guide, S.  160; vgl. auch Piret, La destinée, S.  231) 115  In Anlehnung an 1Kor 15,46; vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  31–33. 116 Vgl. ciu. XV 5, S.  457, Z.  1. 117 Vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  12–20. Zu einer Interpretation des mystice im Sinne einer Allegorie vgl. Oort, Jerusalem, S.  117. Auch ist initium habere in en. Ps. 142,3 (die Datierungsvorschläge reichen von 411 bis 418; vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  823 f.) nicht so zu verstehen, dass die beiden ciuitates ihren Ursprung in Kain und Abel haben, sondern dass diese die ersten Repräsentanten der beiden ciuitates auf der Erde sind: „Diese Gesellschaft [ciuitas dei / Ps 86,3] hat ihren Anfang von jenem Abel an, die schlechte (Gesellschaft) aber von Kain an“ / „haec ciuitas initium habet ab ipso Abel, sicut mala ciuitas a Cain.“ (en. Ps. 142,3, S.  2061, Z. [8–18] 10 f.) Wichtig ist schließlich der (mit dem angemessenen Verständnis von ciuitas zusammenhängende) Hinweis Franz Bliemetzrieders, dass der Stadtgründer Kain „nicht Gründer des (politischen) Staates, sondern der ‚ciuitas impiorum‘“ auf Erden ist (Bliemetzrieder, Schrift, S.  109). 118 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  2 0 f. Aus dem inneren Streben resultieren also Handlungen (z. B. der Städtebau), die auch äußerlich sichtbar werden. Daher sind die Bürger der beiden ciuitates durchaus zu einem gewissen Grade „äußerlich […] unterscheidbar“ (gegen Brachtendorf, Art. De civitate dei, S.  147), auch wenn es freilich den Menschen in ihrem irdischen Leben verwehrt bleibt, letzte Gewissheit über die Zugehörigkeit zu den ciuitates zu haben. 119 Vgl. ciu. XV 4, S.  456, Z.  4 –8. Donald X. Burt hebt hervor, dass die Stadt Henoch nicht etwa paradigmatisch für alle Staaten bzw. politischen Gemeinschaften steht (denn nach Augustin könne auch ein irdischer Staat, vorausgesetzt seine Bürger und Führer leben im Glauben an Gott und handeln nach dessen Willen, als gut angesehen werden), vielmehr habe Augustin die Stadt Henoch als ein „paradigm for all that was worst in political society“ betrachtet (Burt, City, S.  204). Zwar stimmt Burt der Marrou’schen These von der Existenz eines tertium quid nicht zu (vgl. a. a. O., S.  206 f.), dennoch stellt sich die Frage, ob im Denken Augustins ein von den Charakteristika der ciutias terrena freier irdischer Staat in der Realität je existiert hat oder ob dies nur eine Idealvorstellung ist. Die Auffassung Henri-Irénée Marrous über ein „troisième élément“ (Marrou, Civitas, S.  342) geht nicht so weit wie diejenige Charles Journets, demzufolge Augustin tatsächlich von einer dritten ciuitas ausgegangen ist: So existiere nach Augustin neben der ciuitas dei und der ciutias diaboli eine „cité de l’homme“, die nicht ständig von der ciuitas diaboli bestimmt 114 

1 Das erste Weltzeitalter: Von Kain und Abel bis zur Sintflut

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Augustin später auch die schon im Hebräischen angelegte, mit dem Namen Kain verbundene ätiologische Etymologie zunutze. Demnach bedeute Kain „Besitz“ (possessio)120. Demgegenüber wird Abel als „Pilger“ / „Nichtbürger“ (peregrinus)121 charakterisiert, der deswegen keine Stadt gründet, weil er bereits Bürger der ciuitas dei ist.122 Er gehörte jedoch ursprünglich ebenfalls zur massa damnata, seine Zugewird. Die Existenz einer solchen „troisième cité“ im Denken Augustins sieht Journet in dessen wertschätzenden Aussagen über die griechische Philosophie, die römische Kultur oder den zeitlichen, irdischen Frieden begründet (Marrou, a. a. O., S.  344, unter Bezugnahme auf Journet, L’Eglise 2, S.  28–30). Marrou dagegen nimmt zwar keine dritte ciuitas, wohl aber ein tertium quid an, das er an Augustins Rede vom saeculum als der „empirischen Gegebenheit der Geschichte“ (frz. „le donné empirique de l’histoire“) festmacht (vgl. Marrou, Civitas, S.  348; vergleichbar Markus, Saeculum, S.  101–104). Dadurch, dass die beiden ­ciuitates innerhalb des saeculum vermischt sind, ja der Kampf beider ciuitates – wie an ciu. XV 5, S.  458, Z. 37–48 (s. Abschnitt 1.2.3) zu sehen – sogar innerhalb eines Individuums stattfindet, entsteht nach Marrou innerhalb der Weltzeit ‚etwas Drittes‘, das erst durch die endzeitliche Scheidung beider ciuitates wieder aufgehoben wird (vgl. Marrou, a. a. O., S.  350). Auch wenn Marrou sie etwas zurückhaltender formuliert als Journet, spricht gegen die These des tertium quid zunächst einmal, dass sich in der Terminologie Augustins schlicht keine Definitionen eines ‚dritten Elements‘ oder gar einer dritten ciuitas finden lassen. Die Existenz einer solchen wird von Augustin sogar explizit verneint (vgl. ciu. XIV 1, S.  414, Z. 13–19). Versuche, die synonym verwendeten Begriffe ciuitas terrena und ciuitas diaboli als Bezeichnungen zweier unterschiedlicher Gruppierungen zu verstehen, leuchten nicht ein (vgl. O’Meara, Charter, S.  46–49; Laoye, Apologetic use, S.  129 f.). Mit dem Begriff ciuitas diaboli wird von Augustin lediglich der Aspekt betont, von wem die ciuitas terrena beherrscht wird – analog zu seiner Rede von der ciuitas Christi im Hinblick auf die ciuitas dei (vgl. etwa ciu. XX 11, S.  720, Z. 8–11). Die von Augustin durchaus reflektierte Tatsache der permixtio beider ciuitates in der Geschichte führt nicht zur Entstehung von etwas Drittem (vgl. bereits Horn, Einleitung, S.  13; s. auch Baumann, Art. Saecularia, Sp.  21) – das macht ja gerade die Herausforderung seines ekklesiologischen, geschichtstheologischen oder auch politisch-gesellschaftlichen Denkens aus. 120 Vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  10; zu Augustins Rezeption der alttestamentlichen Etymologien siehe Abschnitt 1.2.7. 121 Vgl. ciu. XV 1, S.  454, Z.  39.41.56; vgl. zu peregrinus: TLL 10, Sp.  1307–1315. Vgl. zur Charakterisierung Abels als peregrinus auch: Abschnitt 1.2.3 mit Anm.  174. B. Hoon Woo weist darauf hin, dass das Motiv der peregrinatio in ciu. fast einhundert Mal von Augustin verwendet wird, und sieht u. a. darin den Grund für seine Annahme, dass die Vorstellung der irdischen Pilgerschaft für das anthropologische und ekklesiologische, insbesondere aber für das politische Denken Augustins von eminenter Bedeutung ist. So sei für ihn die institutionelle Unterscheidung zwischen Kirche und Staat von sehr viel geringerer Relevanz gewesen als die Einteilung der Menschheit in diejenigen, die in der pilgernden Existenz begriffen sind, und diejenigen, die dem Irdischen verhaftet bleiben (vgl. Woo, Pilgrim, S.  422.439; vgl. auch seine Klärung des peregrinatio-Begriffs bei Augustin auf S.  429–431; s. schließlich Baumann, Art. Peregrinatio, Sp.  671–673, wo auch auf die Entwicklung einer „Lehre von der p[eregrinatio]“ vor ciu. eingegangen wird, die sich bei Augustin schon vor 400 [insbesondere in doctr. chr. 1] festmachen lässt). Die peregrinatio-Motivik spielt bereits in stoischen und neuplatonischen Konzeptionen eines Aufstiegs der Seele eine Rolle; u. a. vor diesem Hintergrund lassen sich Augustins in doctr. chr. entfaltete Gedanken zu einem ethischen und intellektuellen Fortschreiten des Menschen im Sinne einer peregrinatio verstehen (vgl. Pollmann, Doctrina, S.  130 f.; Schultheiss, Augustinus, S.  56). 122 Vgl. ciu. XV 1, S.  454, Z.  55–58. Deutlich klingt hier das in Hebr 13,14 begegnende

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hörigkeit zur ciuitas dei ist allein auf die gnädige Erwählung Gottes zurückzuführen. Der für Abel verwendete Begriff peregrinus fungierte zur Zeit Augustins auch als römischer Rechtsbegriff, kann aber auch allgemein als ‚Fremder‘ aufgefasst werden. Die damit zum Ausdruck gebrachte Nichtzugehörigkeit zu einer ciuitas hat zum einen den Aspekt, dass dem peregrinus nicht die gleichen Rechte und Pflichten zukommen wie dem Bürger. Zum anderen, gerade wenn man wie Augustin Formen des entsprechenden Verbs peregrinari („als Fremder umherwandern“) verwendet, kommt darin auch eine monastische Existenzweise zum Ausdruck, die dem Autor bei seiner Beschreibung der Angehörigen der ciuitas dei vor Augen gestanden haben wird. Deshalb erscheint es sinnvoll, peregrinus entweder mit ‚Fremder‘ oder mit ‚Pilger‘ zu übersetzen, je nachdem, ob im jeweiligen Kontext das Verhältnis des peregrinus zur ciuitas terrena behandelt wird oder ob allgemein von seiner Existenzweise die Rede ist.123 1.2.2 Paulinische Erwählungsgedanken als Interpretamente von Gen 4 Mit Hilfe von zwei Schriftbeweisen legt Augustin dar, warum der nicht erwählte Kain vor dem erwählten Abel geboren wurde. Das erste Argument beruht auf der von Paulus in 1Kor 15 erstmals ausgeführten Adam-Christus-Typologie. Danach ist der Leib des ersten Menschen (Adam), da er von der Erde stammt, ein „seelischer“ (animalis), der Leib des zweiten Menschen (Christus) dagegen ein „geistlicher“ (spiritalis), da er vom Himmel stammt.124 Diese VorMotiv an, dass der Glaubende auf der Erde keine bleibende Stadt (πόλις) habe, sondern die künftige sucht. Interessanterweise wird Hebr 13,14 jedoch von Augustin innerhalb von ciu. nicht zitiert, auch wenn dieser Vers eine starke biblische Untermauerung seines ciuitates-Konzepts darstellt. Die beiden irdischen Städte Jerusalem und Babylon versinnbildlichen nach en. Ps. 64,2 (gehalten im Jahr 412; s. Oort, Jerusalem, S.  197 f., Anm.  170) und en. Ps. 61 (Datierungsvorschläge: 412–418; vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  815 f.) mit ihren Etymologien: „Friedensschau“ / uisio pacis (ciu. XIX 11, S.  675, Z. 10 f.) bzw. „Verwirrung“ / confusio (vgl. ausführlicher Abschnitt 2.2.3) das himmlische Jerusalem (ciuitas dei) und die irdische Stadt (ciuitas terrena). Die beiden Städte Jerusalem und Babylon existieren aber – im Gegensatz zu beiden ciuitates – nicht von Anfang an, sondern haben einen konkreten historischen Ort. So wurde das irdische Jerusalem gar nicht als solches gegründet, sondern ist aus einer bereits bestehenden Stadt, nämlich Jebus, entstanden, während Babylon zum Zentrum des lange Zeit vorherrschenden Perserreiches wurde (vgl. en. Ps. 64,2, S.  823, Z. 1 – S.  824, Z. 14; en. Ps. 61,6–7, S.  777, Z. 1 – S.  778, Z. 46). 123 Vgl. dazu auch Abschnitt 1.2.3, Anm.   174. Auf einen gänzlich anderen möglichen Hintergrund des peregrinus-Gedankens in ciu. macht Alexander Böhlig aufmerksam, der von einer Beeinflussung gnostischer Schriften auf Augustin ausgeht. Dabei verweist er auf das in Nag Hammadi entdeckte Ägypterevangelium, das von der ‚Wanderung‘ der ‚Kinder Seths‘ spricht, mit denen sich Gnostiker identifizierten. Böhlig schreibt dazu: „Auch auf ihrer Wanderung durch die Welt muß den Kindern des Seth gegen den Teufel und die Bedrängnisse, in die er sie bringt, geholfen werden.“ Er sieht hier maßgebliche Parallelen zur Charakterisierung der auf der Erde pilgernden Bürger der ciuitas dei durch Augustin gegeben (Böhlig, Grundlagen, S.  131). 124 Vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  29–33; s. dazu Piret, La destinée, S.  2 32 f.

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stellung überträgt Augustin nun auf den einzelnen Gläubigen, der als Nachkomme Adams zunächst ebenfalls verdammt ist, bevor er durch die Wiedergeburt in Christus fortschreitend zu einem geistlichen Menschen wird.125 Diese Veränderung, die Augustin in der Geburtsreihenfolge Kain und Abels als Repräsentanten der beiden ciuitates versinnbildlicht findet, folgt allerdings keinem Automatismus, da die Zugehörigkeit Abels zur ciuitas dei allein auf dem Erwählungshandeln Gottes beruht: „Nachher aber [kam] der Fremdling dorthin in die diesseitige Welt und er gehörte der Gottesstadt an, durch Gnade vorbestimmt, durch Gnade erwählt, durch Gnade Fremdling unten, durch Gnade Bürger oben.“126 Als zweites Schriftargument wird dann auch der im Kontext der Prädestinationslehre häufig begegnende paulinische Vergleich des göttlichen Handelns mit dem eines Töpfers herangezogen. Über Paulus hinausgehend setzt Augustin allerdings voraus, dass die Tonmasse, aus der Gott die beiden Gefäße fertigt, bereits ursprünglich verdammt ist (massa […], quae originaliter est tota damnata).127 Unter dieser Voraussetzung kann er dann auch sagen – obwohl es der Reihenfolge der beiden Gefäße in Röm 9,21 widerspricht –, dass zuerst das „Gefäß zur Schande“ (uas in contumeliam) gemacht worden ist, bevor (aus demselben Gefäß) ein „Gefäß zur Ehre“ (uas in honorem) wurde.128 Die spezifische Interpretation 125 Vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  33 – S.  454, Z.  41. Die Parallelisierung des Einzelmenschen und der Menschheit an sich begegnet bei Augustin immer wieder, gerade auch im Kontext seiner Ursünden- und Gnadenlehre. Sie spiegelt sich nicht zuletzt auch in der in ciu. entfalteten Gegenüberstellung der Weltzeitalter (aetates) mit den Lebensaltern eines Menschen wider. Hier zeigt sich ein zentraler Aspekt heilsgeschichtlichen Denkens bei Augustin: „Geschichtlichkeit bezieht sich nicht nur auf die Heilsgeschichte des Universums insgesamt, sondern – in einer dazu parallelisierten Weise – [auch] auf die Entwicklung des Individuums im Hinblick auf Gottes Gnadenhandeln.“ (Drecoll, Heil, S.  577; vgl. a. a. O., S.  576–581) Vgl. das „Schaubild zur Verteilung der sechs Weltzeitalter auf ciu. XV-XVIII und zum jeweiligen biblischen Bezug“ im Anhang unter 1. 126  „prior est natus ciuis huius saeculi, posterius autem isto peregrinus in saeculo et pertinens ad ciuitatem dei, gratia praedestinatus gratia electus, gratia peregrinus deorsum gratia ciuis sursum.“ (ciu. XV 1, S.  453, Z.  38 – S.  454, Z.  41) Das Erwählungsmotiv spielt auch in den rabbinischen Midraschim bei der Deutung von Gen 4,1–16 eine wichtige Rolle. Auch hier stellt der Erwählungsgedanke eine Möglichkeit dar, sich die Ungleichbehandlung von Kain und Abel durch Gott zu erklären (vgl. Erzberger, Kain, S.  290 f.). 127 Vgl. ciu. XV 1, S.  454, Z.  42 f. Gregor Wurst zufolge hat bei Augustin die ursprünglich neutrale Bewertung der in Röm 9,21 genannten massa („[Teig-]Klumpen“ / „ Masse“) einige Wandlungen erfahren; in den Jahren 394–396 entwickelte er ein (später von ihm sogenanntes) Konzept der massa damnata. Dieses habe darin seinen Abschluss gefunden, dass er den Begriff der massa damnata in Simpl. 1,2,20, S.  51, Z.  695–697 auf die gefallene Menschheit angewendet hat. Diese Bewertung setzte sich dann in den antipelagianischen Schriften fort und bildete auch den Hintergrund des massa damnata-Begriffs in ciu. (vgl. Wurst, Art. Massa, Sp.  1196 f.; s. auch Drecoll, Entstehung, S.  213–215.239 f.; Bochet, Le firmament, S.  466 f.). 128 Vgl. ciu. XV 1, S.  454, Z.  41–46. Christian Tornau hebt hier zu Recht die zeitliche und sachliche Vorordnung der göttlichen Gnade gegenüber der amor dei hervor, die ein Glied der ciuitas dei auszeichnet: „Die Bestimmung der Zugehörigkeit zu den ciuitates aufgrund zweier

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der Römerbriefstelle bedeutet also übertragen auf Kain und Abel, dass die Zugehörigkeit Kains zur ciuitas terrena nicht auf einer zusätzlichen Verwerfung beruht, die der Erwählung Abels entspräche. Es geht vielmehr um den „Gegensatz von Gnadenwahl und Belassen in der ‚massa‘“,129 wie es Augustin in Bezug auf Röm 9,21 auch in seiner Auseinandersetzung mit Pelagius hervorheben wird.130 Im zweiten und dritten Kapitel von ciu. XV zieht Augustin eine Parallele zu einem weiteren prominenten alttestamentlichen Bruderkonflikt: Ismael und Isaak dienen ihm nun als Interpretament für Gen 4. Aufschlussreich scheint hier zunächst der Blick auf eine Passage aus der nach 400 im Kontext des Donatistischen Streits entstandenen Schrift De baptismo (i.F.: bapt.).131 Hier zählt Augustin, angelehnt an die paulinische Vorstellung der beiden Mütter Hagar und Sarah in Gal 4,21–31, die Söhne dieser beiden Mütter auf. So brachte dieselbe Mutter zu verschiedenen Zeiten die auf der Erde pilgernden Glieder der einen ciuitas hervor: von Abel über die alttestamentlichen Patriarchen und Propheten, den Aposteln und Märtyrern bis hin zu „allen guten Christen“ (omnes boni christiani).132 Die andere Mutter dagegen brachte nach Kain u. a. auch den zum Volk Israel gehörenden Dathan (der nach Num 16 am Aufstand des Korach gegen Mose und Aaron beteiligt war) und schließlich Judas sowie alle „falschen Christen“ (pseudochristiani), die in dieser Zeit mit den boni in der Kirche vermischt sind, zur Welt.133 Ganz deutlich wird hier, dass es sich keineswegs um ein biologisches, sondern um ein mystisches Konzept von Mutterschaft handelt, das offensichtlich mit der Vorstellung zweier ciuitates verknüpft ist, die wiederum nicht mit diesseitigen Kollektiven wie dem Volk Israel oder der sichtbaren Kirche – beides corpora permixta – gleichzusetzen sind. Die Vorstellung der wahren Kirche als „Mutter der Christen“ (mater christianorum)134 spielt für Augustin eine wichtige Rolle.135 Ausgehend von der paulinischen Deutung in Gal 4,21–31; 5,1 wird die Verbindung beider Bruderkonflikte in ciu. XV 2 darin gesehen, dass jeweils der ältere Bruder (Kain bzw. Ismael) „nach dem Fleische“ und aufgrund menschlicher Intention entstand, während der jüngere Bruder (Abel bzw. Isaak) „durch Verheißung“ geboren wurde. Ähnlich wie bei der vorigen Deutung von Röm verschiedener Ausrichtungen der Liebe [d. h. amor dei / amor sui], ist demgegenüber sekundär: Niemand wird von der Gnade erwählt, weil er die richtige Art der Liebe hat, sondern er hat die richtige Art der Liebe nur darum, weil er von der Gnade erwählt ist.“ (Tornau, Zwischen Rhetorik, S.  149) 129  Drecoll, Art. Gratia, Sp.  2 30. 130  Vgl. ebd. 131  Zur Datierung vgl. Drecoll, Chronologie, S.  256. Alfred Schindler geht von einer Abfassung nicht vor dem Jahr 405 aus (vgl. Schindler, Art. Baptismo, Sp.  574). 132 Vgl. bapt. 1,25, S.  169, Z.  1–8. 133 Vgl. bapt. 1,25, S.  169, Z.  8 –14. 134 Vgl. mor. 1,62, S.  65, Z.  10. 135  Vgl. zum Konzept der mater ecclesia bei Augustin mit den entsprechenden Textbelegen: Lamirande, Art. Ecclesia, Sp.  703–706.

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9,21, so werden auch hier die der ciuitas terrena angehörenden biblischen Gestalten Hagar und Ismael zunächst als gewöhnlicher Teil der geschaffenen (und seit Adam gefallenen) Natur verstanden, während die Existenz Isaaks auf eine außergewöhnliche Gnadentat Gottes zurückgeführt wird.136 Allerdings kommt der Magd Hagar und ihrem Sohn Ismael nach ciu. XV 2 eine besondere, Gliedern der ciuitas terrena normalerweise nicht eignende, prophetische Funktion zu, die jedoch an ihrem eigenen ontologischen Status nichts ändert.137 Während Sarah und Isaak selbst Glieder der ciuitas dei sind und sie als solche bereits in diesem Zeitalter ein „(prophetisches) Bild“ (imago / imago prophetica) der künftigen Gottesstadt geben, bleiben Hagar und Ismael, trotz ihrer Dienstbarmachung (seruire) als „Abbild des Bildes“ (imago imaginis), Glieder der ciuitas terrena.138 Daraus lässt sich nun schließen, dass die ciuitas terrena sich tatsächlich innerhalb der Weltzeit realisiert, während die Glieder der ciuitas dei einen vorläufigen, bildhaften und damit vorausweisenden Charakter haben. Diese bleiben während der Weltzeit stets mit der ciuitas terrena verbunden, insofern sie in ihr als Abbild der künftigen himmlischen Gemeinschaft fungieren.139 1.2.3 Der Konflikt zwischen Romulus und Remus als exemplum Als weiteres Beispiel für einen Brudermord, diesmal nicht aus dem Alten Testament, sondern aus dem Bereich der römischen Mythologie,140 führt Augustin in 136 Vgl.

ciu. XV 2, S.  455, Z.  19–21.24–43; s. dazu Bochet, Le firmament, S.  467–472. Die von Hans Leisegang vorgetragene These, der Darstellung von ciu. XV 2 würde die Vorstellung eines dreigliedrigen [bzw. eigentlich viergliedrigen] „platonischen Stufenreiches“ (sc. „ciuitas caelestis spiritalis“; „ciuitas terrena spiritualis“ [repräsentiert durch Sarah und Isaak]; „ciuitas terrena carnalis“ [repräsentiert durch Hagar und Ismael]; ciuitas terrena [ohne verweisende Funktion; so nicht bei Leisegang]) zugrunde liegen (vgl. Leisegang, Ursprung, S.  133 f.), wurde, nachdem sie zuächst einige Beachtung gefunden hatte (vgl. Cranz, Augustine’s Idea, S.  215, Anm.  5), u. a. von F. Edward Cranz überzeugend widerlegt (vgl. a. a. O., S.  215–217; s. auch Marrou, La théologie, S.  201). Diese These widerspreche nicht nur dem Konzept der beiden ciuitates, die von Leisegang eingeführten Termini ließen sich auch nicht bei Augustin belegen (s. auch Veer, Existe-t-il, S.  693; Piret, La destinée, S.  234 mit Anm.  11). In gewisser Weise können die Thesen Charles Journets und Henri-Irénée Marrous über eine ‚troisième cité‘ bzw. ein ‚troisième élément‘ im Geschichtsdenken Augustins als eine Variation der These Leisegangs angesehen werden (s. dazu Abschnitt 1.2.1 mit Anm.  119). 138 Vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  1–7; S.  455, Z.  27–38. Die Auseinandersetzung Augustins mit Sarah und Hagar bzw. Isaak und Ismael in ciu. XV 2 f. wird an späterer Stelle dieser Arbeit noch ausführlicher thematisiert werden, dann nämlich, wenn sich Augustin diesen biblischen Gestalten und ihrem Ort in der Geschichte der beiden ciuitates zuwendet (ciu. XVI 25– 26.28.31–33 2 f.; vgl. dazu Abschnitt 3.2.6). 139  „inuenimus ergo in terrena ciuitate duas formas, unam suam praesentiam demonstrantem, alteram caelesti ciuitati significandae sua praesentia seruientem.“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  38–41) 140 Pierre Piret ist der Auffassung, dass Augustin hier bewusst einem paganen Mythos seines archetypischen Charakters beraubt, indem er aufzeigt, dass die eigentlichen archetypi bereits in der Heiligen Schrift anzutreffen sind: „La comparaison de Romulus et Rémus avec 137 

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ciu. XV 5 den Konflikt zwischen den legendären Gründern der Stadt Rom, Romulus und Remus, an.141 Eine Verbindung zwischen diesem römischen Gründungsmythos und der Vorstellung der ciuitas dei hatte Augustin bereits 405/406 in seiner Schrift gegen den donatistischen Laien und Grammatiker Cresconius, Contra Cresconium (i.F.: Cresc.), hergestellt.142 Dessen Vorwurf, man mache die katholische Kirche gleichsam zu einem „Asyl des Romulus“ (asylum Romuli)143, da man Sünder aufnehme, weist Augustin zurück: Die „Stadt Gottes“ (ciuitas dei) habe im Gegensatz zu Rom nicht einen Gründer, der hochmütig seinen Bruder getötet hat, vielmehr habe der Gründer der Stadt Gottes seine Brüder erlöst, indem er demütig seine Ermordung ertragen hat.144 Die Aufnahme in diese ciuitas dei geschehe auch keinesfalls einfach durch die Taufe145 – eine solche Aufnahme setze vielmehr die wahrhafte Umkehr des Herzens voraus.146 Augustin sah also offensichtlich bereits vor der Plünderung Roms durch die Westgoten im Jahr 410, die als Anlass zur Abfassung von ciu. betrachtet wird, einen deutlichen Kontrast zwischen Rom und der ciuitas dei. Dass Augustin die Vorstellung des asylum Romuli allerdings auch positiv auf die ciuitas dei beziehen konnte, zeigt ciu. I 34. Hier versteht Augustin die Bestimmung von Romulus und Remus, in der von ihnen gegründeten Stadt Verbrechern Asyl und Straffreiheit (zum Zweck der Mehrung der StadtbevölkeCaïn et Abel, précise Augustin, n’est que le rapprochement d’un exemple avec son archétype: les figures de l’Ecriture Sainte sont, elles seules, normatives de l’intelligence de l’histoire humaine.“ (Piret, La destinée, S.  238) Diese Intention würde sich in die grundsätzliche Haltung Augustins einfügen, dass die wesentlichen Inhalte der paganen Weisheit und Philosophie den Propheten und inspirierten Verfassern der biblischen Schriften schon lange zuvor bekannt waren und sich dementsprechend in den heiligen Schriften finden lassen (vgl. ciu. XVIII 37.39 f.; s. dazu Abschnitt 4.5.8). 141  Der Brudermord und die anschließende Gründung einer Stadt durch den verbleibenden Bruder stellen offensichtliche Parallelen zwischen beiden Erzählungen dar, die Augustin bewogen haben werden, Bezüge zwischen Gen 4 und dem Gründungsmythos Roms herzustellen. Darüber hinaus hat man, so betont Jan C. Gertz, „schon früh in der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition diskutiert“, ob es sich bei der Geburt Kains und Abels „um eine Zwillingsgeburt“ gehandelt habe. Dadurch würde der Bruderkonflikt nicht nur „noch mehr an Schärfe gewinnen“, er würde auch in einer noch größeren inhaltlichen Nähe zu den Konflikten zwischen Romulus und Remus bzw. Esau und Jakob stehen (Gertz, Genesis, S.  158 f.). Die Annahme, dass es sich bei Kain und Abel um Zwillinge gehandelt habe, scheint Augustin allerdings nicht vorauszusetzen. Nach Sabine Schrenk nimmt Augustin als Erster eine Parallelisierung der beiden Bruderpaare Kain und Abel / Romulus und Remus vor (vgl. Schrenk, Art. Kain und Abel, Sp.  962). Norbert Strosetzki führt weitere Belege für die Verbindung zwischen einer Stadtgründung und einem Brudermord auf (vgl. Strosetzki, Kain und Romulus, passim); mit Claus Westermann ist davon auszugehen, dass ein solcher Mythos in vielen antiken Kulturen existierte (vgl. Westermann, Genesis I, S.  429). 142 Zur Datierung vgl. Drecoll, Chronologie, S.   257; Moreau, Art. Cresconium, Sp.  131 f. 143 Vgl. Cresc. 2,16, S.  375, Z.  13; s. dazu Gaudemet, Art. Asylum, Sp.  491. 144 Vgl. Cresc. 2,16, S.  375, Z.  12–18. 145 Vgl. Cresc. 2,16, S.  375, Z.  6 –12. 146 Vgl. Cresc. 2,16, S.  375, Z.  12–15.

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rung) zu gewähren, sowie die Schonung vieler Einwohner bei der Plünderung Roms durch die Westgoten als ein exemplum für die „Ehre Christi“ (honor Christi).147 In den beiden historischen Vorgängen sieht Augustin demnach die durch Christus geschenkte Gnade sowie die Schonung Gottes abgebildet: Durch Christus werden Sünder in die ciuitas dei aufgenommen, um sie so mit Gliedern anzufüllen (≙ asylum Romuli),148 und auch die noch nicht zur ciuitas dei gehörenden Sünder werden zumindest so lange verschont, bis es zur endgültigen Scheidung der beiden ciuitates im Endgericht kommt (≙ Schonung durch die Goten).149 Es handelt sich hier um den seltenen Fall, dass Augustin auch innerhalb der paganen Geschichte Elemente mit prophetischem, auf die ciuitas dei und Christus weisenden Charakter ausmachen kann, deren Interpretation sich nicht durch die historia sacra der Heiligen Schrift stützen lässt. Der Stadt Rom, in der Deutung Augustins sonst als das ‚zweite Babylon‘ verstanden, kommt hier – zumindest bezogen auf den Aspekt des asylum Romuli – die eigentlich mit ihrer Kontrahentin, der Stadt Jerusalem, verbundene Bedeutung zu, in prophetischer Weise auf die ciuitas dei zu verweisen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem biblischen und dem römischen Bruderkonflikt in ciu. XV 5 besteht nun darin, dass die Gründer der Stadt Rom beide der ciuitas terrena angehören,150 während bei Kain und Abel gerade die Feindschaft zwischen den beiden ciuitates zum Konflikt führt. Wenn Abel in diesem Zusammenhang als Bürger der ciuitas aeterna bezeichnet wird,151 kann darin eine implizite Kritik am Selbstverständnis ebenjener von Romulus und Remus gegründeten Stadt Rom gesehen werden, die zwar durch Eroberungen zum „Haupt vieler Völker“152 werden sollte, deren Dauer aber angesichts des 147 Vgl.

ciu. I 34, S.  33, Z.  1–11; vgl. dazu Bruggisser, City, S.  84–87. ähnlicher Weise äußert sich Augustin zur Straffreiheit des asylum Romuli in ciu. IV 5, S.  102, Z.  1–5, und zu dessen auf die Sündenvergebung innerhalb der ciuitas dei verweisenden Charakter in ciu. V 17, S.  150, Z.  4 4–88: „praesertim quia remissio peccatorum, quae ciues ad aeternam colligit patriam, habet aliquid, cui per umbram quandam simile fuit asylum illud Romuleum, quo multitudinem, qua illa ciuitas conderetur, quorumlibet delictorum congregauit inpunitas.“ (s. dazu Bruggisser, City, S.  87–89) 149 In der 410/411 entstandenen und Augustin zugeschriebenen Schrift De excidio urbis Romae, die allerdings nicht in den retr. erwähnt wird und deren Authentizität daher umstritten ist (vgl. Drecoll, Chronologie, S.  260; Lamirande, Art. Excidio, Sp.  1168), wird die Plünderung Roms von 410 mit der Zerstörung Sodoms verglichen. Abraham konnte nach Gen 18,32 letztlich bei Gott erwirken, dass dieser Sodom nicht zerstören wolle, wenn es darin zehn Gerechte gäbe. Doch weil er diese zehn nicht fand, wurde Sodom zerstört. Keineswegs könne man nun aber behaupten, dass Rom wie Sodom vollständig zerstört worden sei, da doch so viele fliehen oder dort wohnen bleiben konnten. Daher sei anzunehmen, dass Gott unter der großen Zahl der Diener und Dienerinnen Gottes in Rom wenn nicht 50, so doch mindestens zehn Gerechte gefunden hatte, weshalb er sie verschonte. Hier geschieht die göttliche Verschonung vieler Menschen in Rom also um der Gerechten, nicht um der Sünder willen (vgl. exc. urb. 2, S.  250, S.  43 – S.  252, Z.  85). 150 Vgl. ciu. XV 5, S.  457, Z.  11–13. 151 Vgl. ciu. XV 5, S.  457, Z.  2 . 152 Vgl. ciu. XV 5, S.  457, Z.  3 –6. 148  In

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endzeitlichen Gerichts gerade nicht ewig ist.153 Den Konflikt zwischen Romulus und Remus erkennt Augustin im Bestreben beider angelegt, durch die Gründung Roms Ruhm zu erlangen. Wie bei Kain, so zeigt sich auch bei Romulus und Remus im Akt der Stadtgründung ein Charakteristikum der Bürger der ciuitas terrena: das „Streben nach irdischen Dingen“ (cupiditas rerum terrenarum).154 Sein Streben nach Ruhm und irdischem Besitz verleitet Romulus schließlich zum Mord an seinem Bruder, wodurch seine Herrschaft zwar vergrößert, zugleich aber durch den Frevel „schlimmer“ (peius) wird.155 Da Augustin den Konflikt zwischen Romulus und Remus mit einem Zitat aus dem Epos De bello civili des römischen Dichters Lucan illustriert, ist es wahrscheinlich, dass er auch das Motiv für diesen Brudermord jenem Werk entnommen hat. Lucan führt nämlich den Mord an Remus durch Romulus als exemplum für ein die gesamte Geschichte durchhaltendes Prinzip an, dass eine Herrschaft keinen Teilhaber duldet.156 Das Zitat entstammt einer Lobrede157 auf Kaiser Nero, die an eine Klage über die Bürgerkriege spätrepublikanischer Zeit 153 Vgl.

ciu. XV 4, S.  456, Z.  1–4. Die früheste Bezeichnung Roms als „ewige Stadt“ findet sich bei Albius Tibullus, carm. II 5,23 f., S.  59, Z.  15 f.: „Romulus aeternae nondum firmaverat urbis / Moenia“ (vgl. die vertiefende Analyse zum patriotischen Topos der „ewigen Stadt Rom“: Paschoud, Roma aeterna; s. auch die entsprechenden Ausführungen Theodor E. Mommsens über die Bedeutung dieses Topos in frühchristlicher Zeit: Mommsen, Idea, S.  347–351). Augustin hat die Vorstellung einer christlichen Roma aetaerna abgelehnt, auch weil bei ihm Rom nicht mit dem vierten und letzten Weltreich (Dan 2,40–43; 7,7 f.23–25) identisch ist (vgl. Szidat, Art. Imperium, Sp.  554; s. dazu Abschnitt 6.2.4). 154 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  19–21. Gerard J. P. O’Daly verweist darauf, dass (über die in ciu. XV 5 zitierte Stelle aus Lucan hinaus) in der römischen Poesie die Tatsache, dass die Stadtgründung Roms auf einem Brudermord basiert, innerhalb von moralisierenden Kontexten häufiger thematisiert wurde. Dies wurde dann wiederum von christlichen Apologeten vor Augustin aufgegriffen (vgl. mit Quellenangaben O’Daly, A reader’s guide, S.  162 mit Anm.  6). Stefan Krauter kann an zwei Gedichten des Horaz nachweisen, dass dieser den römischen Gründungsmythos dazu nutzt, die Schrecken der Bürgerkriege auf jenes ursprüngliche „fluchbringende Schicksal“ zurückzuführen: „So wird die Tat des Romulus zum ‚herben Schicksal‘ für die Römer: Sie wiederholen und aktualisieren das Urverbrechen des Brudermords, indem sie immer wieder zum Verbrechen des Bürgerkrieges zurückkehren.“ (Krauter, Adam, S.  233) Krauter zeigt davon ausgehend deutliche Strukturanalogien zu der Figur des Adam und dessen sich auf die gesamte Menschheit auswirkenden Sünde bei Paulus auf (vgl. Röm 1,18–32; 5,12–21 und 7,7–25). 155  „ut ergo totam dominationem haberet unus, ablatus est socius, et scelere creuit in peius, quod innocentia minus esset et melius.“ (ciu. XV 5, S.  457, Z.  16 – S.  458, Z.  19) 156  „o male concordes nimiaque cupidine caeci, quid miscere iuvat vires orbemque tenere in medio? dum terra fretum terramque levabit aer et longi volvent Titana labores noxque diem caelo totidem per signa sequetur, nulla fides regni sociis, omnisque potestas inpatiens consortis erit. nec gentibus ullis credite nec longe fatorum exempla petantur: fraterno primi maduerunt sanguine muri.“ (Lucanus, bell. civ. I 87–95, S.  4) Dieses die Geschichte der ciuitas terrena bestimmende ‚Geschichtsprinzip‘ wird Augustin in ciu. XVIII 2 wieder aufgreifen; s.  d azu Abschnitt 3.5.1. 157 Lucanus, bell. civ. I 33–66, S.  2 f.

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anschließt und einen Friedenszustand unter Nero propagiert.158 Freilich muss diese Idealvorstellung eines alles beherrschenden Princeps, der nur allein imstande ist, den Frieden der Welt zu sichern, nicht notwendigerweise der Haltung Lucans selbst entsprochen haben.159 Augustin dagegen, der jeden Sieg und jeden irdischen Friedenszustand für einen vorübergehenden hält, verwendet das gegen die Teilung einer Herrschaft gerichtete exemplum von Romulus und Remus als ein exemplum für ein die Geschichte der ciuitas terrena bestimmendes negatives Prinzip: Das unstillbare, da letztlich auf den Besitz der ganzen Welt gerichtete160 Verlangen eines jeden Bürgers der ciuitas terrena führt zwangsläufig zu Streit und Kriegen um die res terrenae. Die Ermordung Abels kann im Unterschied zu derjenigen des Remus nach Augustin nicht mit dem Herrschaftsstreben Kains erklärt werden, da Abel auf die von Kain gegründete Stadt keinen Anspruch erhob – wie es einem wahren Bürger der ciuitas dei entspricht.161 Der „Neid“ (inuidentia) Kains beziehe sich nicht auf einen irdischen Besitz Abels, sondern auf seine „Gutheit“ (bonitas). Mit dieser Gutheit verhält es sich aber anders als mit irdischen Gütern. Sie wird dadurch, dass sie von mehreren Menschen geteilt wird, nicht geringer, sondern größer. Nun könnte man Augustins Deutung in Anlehnung an seine Darstellung von Romulus und Remus so verstehen, dass Kain seinem Bruder dessen bonitas geneidet hätte und diese, weil er sie für einen gewöhnlichen „Besitz“ (possessio) hält, durch den Brudermord zu erlangen versucht hätte. Dann wäre Kain einem Fehlschluss erlegen, der in seiner grundsätzlichen Ausrichtung auf irdische Dinge begründet ist. Es spricht allerdings mehr dafür, die inuidentia diabolica162 im Sinne einer grundsätzlichen Feindschaft zwischen Gut und Böse zu deuten: In ciu. XV 7 macht Augustin deutlich, dass Kains Traurigkeit wegen der

158  „librati pondera caeli orbe tene medio; pars aetheris illa sereni tota vacet nullaeque obstent a Caesare nubes. tum genus humanum positis sibi consulat armis inque vicem gens omnis amet; pax missa per orbem ferrea belligeri conpescat limina Iani.“ (Lucanus, bell. civ. I 57–62, S.  3) 159  In ihrer Dissertation Lucan und der Prinzipat dekonstruiert Nadja Kimmerle die verbreitete Annahme, bei Lucans Epos handele es sich um ein gegen Nero gerichtetes, prinzipatskritisches Werk. Sie weist unter Verwendung des Modells des ‚unzuverlässigen Erzählens‘ nach, dass die politische Haltung Lucans keineswegs eindeutig zu bestimmen ist. Vielmehr sei es seine literarische Strategie, unterschiedliche politische Meinungen in die eigene Darstellung einfließen zu lassen, ohne sich selbst eindeutig zu positionieren (vgl. Kimmerle, Lucan, S.  211.303–309). So folgt Kimmerle auch nicht der gängigen Einschätzung, die Lobrede auf Nero zu Beginn des Werkes sei ironisch und als verdeckte Kritik an Nero zu verstehen (vgl. a. a. O., S.  15), vielmehr ließe sie sich innerhalb einer „zeitgebundenen, monarchisch geprägten Perspektive“ deuten, die aber nicht notwendig der Meinung Lucans entsprochen haben muss (a. a. O., S.  294). 160  „nam ex quacumque sui parte aduersus alteram sui partem bellando surrexerit, quaerit esse uictrix gentium, cum sit captiua uitiorum“ (ciu. XV 4, S.  456, Z.  8 –10). 161 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  19–26. 162 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  24 f.

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Gutheit des Bruders in den Augen Gottes dessen größte Sünde war.163 Demnach ist der Mord an Abel nicht aus Berechnung, sondern aus Hass auf den offensichtlich mit mehr bonitas gesegneten Bruder geschehen. Das Tertium comparationis der in ciu. XV 5 einander gegenübergestellten Geschwisterpaare ist im Wesentlichen der Brudermord, der im Zusammenhang mit einer Stadtgründung geschieht. Die Mordmotive unterscheiden sich jedoch. Für Augustin stehen diese beiden Geschwisterpaare paradigmatisch für die beiden möglichen Konfliktkonstellationen innerhalb seines ciuitates-Konzepts. Romulus und Remus repräsentieren dabei den Konflikt zwischen zwei Angehörigen der ciuitas terrena. Da beide ihr bonum auf der Erde zu mehren suchen, geraten sie darüber in Streit. Doch ist der Sieg in einem solchen Konflikt nur ein scheinbarer. Zum einen ist die Sorge des Siegers, ein anderer oder der Besiegte selbst könnte ihm das erworbene Gut streitig machen, größer als seine Freude über den Erfolg.164 Zum anderen ist ein Bürger der ciuitas terrena, unabhängig davon, über wie viele irdische Güter er verfügt, immer ein Gefangener seines Lasters, nach irdischen Gütern zu streben.165 Die Erzählung von Kain und Abel hingegen demonstriert den Konflikt zwischen einem Bürger der ciuitas terrena und einem Bürger der ciuitas dei. Diesem liegt eine grundsätzliche „Feindschaft“ (inimicitia) zwischen beiden ciuitates zugrunde.166 Augustin führt noch eine dritte mögliche Konfliktsituation an: Zwei Bürger der ciuitas dei, allerdings nur, sofern sie noch im „Fortschreiten“ (proficere) begriffen sind, können ebenfalls in Konflikt geraten.167 Zur Begründung zitiert Augustin aus Gal 5,17: „auch in einem jeden Menschen ‚begehrt das Fleisch gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch‘“.168 Die Existenz des Glaubenden vor der eschatologischen Vollendung ist vom Zwiespalt zwischen Geist und 163  „hoc peccatum maxime arguit deus, tristitiam de alterius bonitate, et hoc fratris.“ (ciu. XV 7, S.  461, Z.  53 f.) 164 Vgl. ciu. XV 4, S.  456, Z.  11 – S.  457, Z.  14. 165 Vgl. ciu. XV 4, S.  456, Z.  8 –10. 166  „illud igitur, quod inter Remum et Romulum exortum est, quem ad modum aduersus se ipsam terrena ciuitas diuidatur, ostendit; quod autem inter Cain et Abel, inter duas ipsas ciuitates, dei et hominum, inimicitias demonstrauit.“ (ciu. XV 5, S.  458, Z.  32–35) Der Kampf zwischen den Bürgern beider ciuitates ist im Denken Augustins als gegenseitig zu verstehen. Zwar geht im Fall von Kain und Abel die Aggression offensichtlich von einem Glied der ciuitas terrena aus, doch gibt es auch den umgekehrten Fall. Michael Walzer verweist hier etwa auf die von Augustin befürwortete Verfolgung häretischer Christen, die u. a. in ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  7–20 (s. dazu Abschnitt 6.2.3) deutlich anklingt. Walzer begreift dies als eine transformierte Form des alttestamentlichen Motivs des ‚Heiligen Krieges‘ bei Augustin (vgl. Walzer, Exodus, S.  4 f. mit Anm.  7 ). Die Wechselseitigkeit des Konfliktes zwischen boni und mali sowie deren jeweilige Intention zeigt sich etwa auch in einem im Jahr 408 an Vincentius gerichteten Brief: „sed plane semper et mali persecuti sunt bonos et boni persecuti sunt malos, illi nocendo per iniustitiam, illi consulendo per disciplinam“ (ep.  93,8, S.  452, Z.  20–22). 167 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  36–40. 168 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  4 0 f.

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Fleisch geprägt. Insofern noch nicht zur Vollendung gekommene Bürger der ciuitas dei (die Augustin hier schlicht mit boni bezeichnet) einen guten und einen bösen „Teil“ (pars)169 in sich tragen, können die beiden mit den Geschwisterpaaren verdeutlichten Konfliktsituationen auch zwischen guten Menschen auftreten. Geraten die „geistliche Begierde“ (concupiscentia spiritalis) des einen und die „fleischliche Begierde“ (concupiscentia carnalis) des anderen aneinander, so spiegelt das den Konflikt zwischen ciuitas terrena und ciuitas dei wider. Bei einem Kampf fleischlicher Begierden zweier unvollkommener boni findet letztlich ebenjener Kampf innerhalb der ciuitas terrena statt, der mit Romulus und Remus illustriert wurde.170 Es ist zu beachten, dass Augustin hier unter Bezugnahme auf die paulinische Anthropologie offensichtlich die Vermischung von ciuitas dei und ciuitas terrena, die innerhalb seines Werkes in der Regel auf die Menschheit, das Volk Israel oder die Kirche bezogen wird, in den glaubenden, aber noch nicht zur Vollendung gekommenen Menschen selbst verlegt. Daher ist anzunehmen, dass für Augustin alle der ciuitas dei zugehörigen, aber noch auf der Erde lebenden Menschen sich auf einem (zielgerichteten) Weg der Vollendung befinden. Auch fungiert die sie charakterisierende (vom Adverb peregre abgeleitete) Bezeichnung peregrinus nicht nur als statischer römischer Rechtsterminus für den Fremden / Nichtbürger,171 sondern diese Bezeichnung hat eben auch die dynamischere, stärker mit dem Verb peregrinari und der entsprechenden Nominalbildung peregrinatio verbundene Konnotation des umherwandernden, „noch nicht einheimisch“172 gewordenen Pilgers. Dass in ciu. signifikant häufiger Formen von peregrinari und peregrinatio als von peregrinus begegnen,173 kann als Indiz dafür genommen werden, dass in der Mehrzahl der Fälle die dynamische Bedeutung des Pilgernden vorausgesetzt werden dürfte.174 Es besteht zudem ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen proficere und peregrinari. 169 Vgl.

ciu. XV 5, S.  458, Z.  39. ergo spiritalis contra alterius potest pugnare carnalem uel concupiscentia carnalis contra alterius spiritalem, sicut inter se pugnant boni et mali; uel certe ipsae concupiscentiae carnales inter se duorum bonorum, nondum utique perfectorum, sicut inter se pugnant mali et mali, donec eorum, qui curantur, ad ultimam uictoriam sanitas perducatur.“ (ciu. XV 5, S.  458, Z.  42–48) 171 Vgl. Schiemann, Art. Peregrinus, Sp.  540 f. 172  DNG 2, Sp.  3582. 173  Vgl. Thesaurus Linguae Augustinianae (Hg.), Catalogus VII, S.  212. 174 Jean-Claude Guy unterscheidet zwischen einer juristischen und einer ‚metaphorischen‘ Bedeutung von peregrinus in ciu.: So kann damit zum einen ein freier Mann gemeint sein, der zwar in einer Stadt des römischen Imperiums lebt, aber nicht die vollen Bürgerrechte genießt – ein „étranger domicilié“. Zum anderen kann darunter ein Mensch verstanden werden, der auf seiner spirituellen Reise als Fremder in der irdischen Stadt unterwegs ist, dessen eigentliches Ziel aber die himmlische Stadt ist. Guy selbst optiert dabei für die Bevorzugung der ersten Variante (vgl. Guy, Unité, S.  113). Johannes van Oort nimmt zwar die Unterscheidung Guys auf, betont aber unter Zurückweisung der Annahme einer von Guy vorausgesetzten tertium ciuitas, der die Vorstellung eines „étranger domicilié“ Vorschub leisten würde, dass Augustin unter peregrinus in erster Linie den im Prozess des Pilgerns befind170  „concupiscentia

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Die Existenz des Glaubenden im Sinne eines zielgerichteten Prozesses zu verstehen, legt schließlich auch die auf die unvollendeten boni bezogene Metaphorik des zu kurierenden Kranken nahe, der aber schließlich „Genesung“ (sanitas) erfahren wird.175 Die Vorstellung der (vollkommenen) „Genesung“ (sanitas bzw. plenissima sanitas) begegnet in ciu. sowohl bei der Beschreibung des Zustandes des praelapsarischen Menschen im Paradies176 als auch – analog dazu und in Anlehnung an ein Zitat aus Jes 26,19 (LXX) – im Hinblick auf die leibliche Auferstehung der Seligen.177 Die Heilung von seinem Zwiespalt von Geist und Fleisch, den Zustand der „Genesung“ (sanitas) kann der Glaubende erst in der eschatologischen Vollendung erwarten.178 1.2.4 Die Begründung des Konflikts zwischen Kain und Abel nach Augustin In dem Bewusstsein, dass insbesondere Gen 4,7 aufgrund seiner „Dunkelheit“ (obscuritas)179 bereits zu vielen verschiedenen Auslegungen und Antworten auf die Frage nach der Ursache des Bruderkonfliktes geführt hat, gibt Augustin in ciu. XV 7 eine ganz eigene, in das Innere Kains verlegte Antwort auf diese Frage. Der Augustin vorliegende Bibeltext folgt hier der Septuaginta, in der Gen 4,7 erheblich vom hebräischen Text abweicht.180 Vers 7 ist das zweite Glied einer unmittelbar vor dem Brudermord an Kain ergehenden göttlichen Ermahnung: „[Gen 4,6] Und der Herr sprach zu Kain: Wodurch wurdest du traurig lichen Glaubenden verstanden habe: „When Augustine used the term peregrinus he meant principally the peregrinating believer, who is residing now in a foreign country, not at home but living in tents, but who will later dwell in his proper abode, the heavenly Jerusalem.“ (Oort, Jerusalem, S.  139 f.) 175 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  47 f. Zur Übersetzung von sanitas mit „Genesung“ vgl. DNG, Sp.  4259. 176 Vgl. ciu. XIV 26, S.  4 49, Z.  1–9. 177 „et laetabuntur omnes qui sunt in terra; ros enim, qui abs te est, sanitas illis est. [ Jes 26,19] sanitatem loco isto inmortalitatem rectissime accipimus; ea namque est plenissima sanitas, quae non reficitur alimentis tamquam cotidianis medicamentis.“ (ciu. XX 21, S.  736, Z.  12– 15) 178 Vgl. Dolbeau, Art. Sanitas, Sp.  58. 179 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 60, Z.  18. 180  Seit jeher gilt Gen 4,7 als eine der dunkelsten Stellen der Genesis. Die Rezeptionsgeschichte dieses Verses ist bis auf den heutigen Tag geprägt von Übersetzungen, die diese aufzuhellen bemüht sind (vgl. Janowski, Jenseits, S.  137). Bereits die Übersetzung der LXX kann als ein Versuch gewertet werden, die Unverständlichkeit dieses Verses insofern zu beheben, als sie eine Antwort auf die Frage nach der Zurückweisung des Opfers durch Gott impliziert: Kain habe zwar richtig geopfert, aber nicht richtig geteilt (Gen 4,7a). Zugleich handelt es sich um eine Rechtfertigung des Handelns Gottes. Die hebräische Fassung dagegen legt einen solchen Rückbezug zu der Opferhandlung und dem Gottesurteil nicht nahe, sondern thematisiert vielmehr den aktuellen Zorn Kains auf seinen Bruder; vgl. die Übersetzung von Janowski, Jenseits, S.  141: „Ist es nicht so: wenn du es gut sein läßt, (bedeutet es) freundliche Aufnahme, wenn du es nicht gut sein läßt, lagert er [sc. der Zorn] sich als (Öffnung >) Anlaß zu einer Verfehlung“. Augustin thematisiert in ciu. die Differenz zwischen Hebräischer Bibel und Septugainta im Blick auf Gen 4,7 allerdings nicht.

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gemacht und weshalb senktest du dein Gesicht? [4,7a] Sündigst du etwa nicht, wenn du richtig opferst, aber nicht richtig teilst? [4,7b] Lass ab! Denn zu dir hin ist ihre Hinwendung, und du wirst über sie herrschen.“181 Der Septuaginta-Fassung folgend, geht Augustin davon aus, dass die Bevorzugung des Opfers Abels und die Zurückweisung des Opfers Kains nicht aus göttlicher Willkür geschah, sondern einen Anhalt im Handeln der beiden Brüder hatte. Wie viele Ausleger nimmt auch Augustin an, dass diese Bevorzugung bzw. Zurückweisung der Opfer an „irgendeinem bestätigenden Zeichen“ (signum aliquod adtestans) erkennbar war.182 Augustin legt Vers 7a so aus, dass Kain zwar insofern richtig geopfert hat, als er seine Opfergabe dem einen wahren Gott dargebracht habe,183 seine Verfehlung nun aber darin bestanden hat, dass er nicht richtig geteilt habe (diuidere). „Teilen“ sei hier wiederum gleichbedeutend mit „Unterscheiden“ (discernere).184 Nach einer Auflistung verschiedener Möglichkeiten, durch falsche Unterscheidung (u. a. des Ortes, der Zeit oder der Opfergabe) bei der Opferhandlung einen Fehler zu begehen, kommt Augustin zu dem Schluss, dass Kains Fehler darin bestand, mit der falschen Intention geopfert zu haben.185 Gestützt auf 1Joh 3,12 181 „et dixit dominus ad Cain: quare tristis factus es et quare concidit facies tua? nonne si recte offeras, recte autem non diuidas, peccasti? quiesce; ad te enim conuersio eius, et tu dominaberis illius.“ (Gen 4,6 f. nach ciu. XV 7, S.  460, Z.  11–14) 182 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 60, Z.  6 –10. Augustin legt sich jedoch nicht weiter fest, wie dieses Zeichen ausgesehen hat. Oft wurde eine Rauchsäule o. ä. für diese äußerlich sichtbare Annahme des Opfers Abels angenommen, von der in Gen 4 keine Rede ist (vgl. Gertz, Genesis, S.  160). Die Vorstellung von der Rauchsäule hat sich bis hinein in die christliche bildende Kunst ausgewirkt (vgl. Bocian, Art. Abel, S.  7 ). Während in der frühchristlichen Ikonographie die Annahme der Opfergabe Abels und die Ablehnung derjenigen Kains noch nicht dargestellt wurden (vgl. Prigent, Représentations, S.  622), setzte sich die Rauchsäule als Zeichen der Annahme der Opfergabe Abels mehr und mehr durch (vgl. etwa die Darstellung zu Gen 4,1–7, „Caïn et Abel offrant leur sacrifice“, in der von Gustave Doré [1832–1883] illustrierten Bibel). 183 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 60, Z.  19–21. Es fällt auf, dass Augustin hier hervorhebt, dass Kain dem wahren Gott opfert, und auch an späterer Stelle explizit betont, dass Kain an das Sein Gottes und seine Fürsorge für die Menschen glaubt, und Kain somit von denjenigen abhebt, die nicht einmal daran glauben (vgl. ciu. XV 7, S.  461, Z.  45–49). Augustin grenzt sich damit von denjenigen ( jüdischen) Interpretationen ab, die den Konflikt der beiden Brüder darin sehen wollen, dass Abel an Gott geglaubt habe, während Kain dies nicht getan hätte (vgl. beispielsweise Philo, der Kain als Prototyp des Ungläubigen zeichnet: Migr. §§  74 f., S.  282, Z.  24 – S.  283, Z.  5). Zu vermuten ist, dass hinter Augustins Charakterisierung Kains als des an den einen wahren Gott glaubenden, diesen aber aus falscher Intention heraus verehrenden (und ihn damit objektivieren wollenden) Menschen die Deutung Kains als des paradigmatischen Juden steht. 184  „ut diuisionem hic discretionem intellegamus“ (ciu. XV 7, S.  4 60, Z.  24 f.; vgl. dazu auch Kap.  1.1.1, Anm.  11). 185  Bereits Irenäus von Lyon hatte angenommen, dass die Ablehnung der Opfergabe Kains in dessen falscher Opferhaltung begründet liegt: So habe dieser zwar äußerlich richtig, d. h. gesetzmäßig geopfert, jedoch sei in seinem Herzen die „Spaltung gegen den Bruder“ (diuiso contra fratrem) gewesen, was Gott nicht verborgen bleiben konnte (vgl. Haer. IV 18,3, S.  598, Z.  32 – S.  606, Z.  81; s. dazu Schrenk, Art. Kain, Sp.  957).

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wird nämlich davon ausgegangen, dass die Werke Kains schlecht, die seines Bruders dagegen gerecht waren.186 Die opera maligna / iusta sind aber in Augustins Auslegung von 1Joh 3,12 nicht auf die verschiedenen Opfergaben, sondern auf den Charakter beider Brüder zu beziehen. Kain habe deshalb geopfert, weil er damit die Erfüllung seiner irdischen Wünsche durch Gott nach dem Prinzip ‚do ut des‘ habe erkaufen wollen. Diese falsche Intention des Opferns Kains, die versuchte Instrumentalisierung Gottes für die eigenen irdischen Zwecke mittels einer Opfergabe, resultiere aus seinem „verkehrten Herzen“ (cor peruersum).187 Augustin sieht sie als ein Charakteristikum der Bürger der ciuitas terrena und führt sie mit seiner bereits in früheren Werken vorgenommenen Unterscheidung von uti und frui weiter aus:188 „Die Guten nämlich gebrauchen die Welt dafür, dass sie Gott genießen; die Schlechten dagegen wollen Gott gebrauchen, damit sie die Welt genießen.“189 Dass es Augustin um die falsche Opferhaltung, nicht aber um einen qualitativen Unterschied der Opfergaben190 geht, verdeutlicht auch folgende Ausführung: „Es wird zu verstehen gegeben, dass deswegen Gott sein Opfer nicht berücksichtigte, weil er es schlecht geteilt hat, indem er Gott nur etwas von dem Seinen gab, sich selbst aber nicht.“191 Ein allzu wörtliches Verständnis würde hier in die Irre führen, schließlich hat Abel kein Selbstopfer vollzogen, sondern wie Kain Opfergaben vom Ertrag seiner Arbeit dargebracht. Ein angemessene186 Vgl.

ciu. XV 7, S.  460, Z.  34–36. ciu. XV 7, S.  460, Z.  4 0. 188  Vgl. einführend zum Begriffspaar uti / f rui: Brachtendorf, Art. Uti; Chadwick, Art. Frui; vertiefend: Lorenz, Fruitio; ders., Herkunft. 189  „boni quippe ad hoc utuntur mundo, ut fruantur deo; mali autem contra, ut fruantur mundo, uti uolunt deo“ (ciu. XV 7, S.  461, Z.  45–47). 190  Einige Ausleger haben einen solchen qualitativen Unterschied der Opfergaben u. a. mit Bezugnahme auf die alttestamentlichen Bestimmungen zum Erstlingsopfer angenommen (vgl. u. a. Ex 13,2.12–15; 23,16.19; Lev 2,14; Num 18,15). Somit wären die von Abel dargebrachten „Erstlinge seiner Schafe“ (primitiae ouium suarum) eine der Verehrung Gottes angemessene Opfergabe, während die nicht näher spezifizierten „Früchte der Erde“ ( fructus terrae), die Kain darbringt, den mosaischen – ihm freilich noch nicht bekannten – Regelungen zum ersten Opfer (vgl. insbesondere Ex 23,16.19) widersprechen (vgl. dazu etwa Philos Äußerungen in Sacr. §  52, S.  223, Z.  1–6; §  72, S.  232, Z.  1–11; QG I 60, S.  130, Z.  15–24). Freilich besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass sich die jeweilige Opferhaltung gerade auch in der unterschiedlichen Qualität der Opfergaben äußern kann (vgl. unter Bezugnahme auf Flavius Josephus, Ant. I 2: Thonnard, Le péché, S.  695). Doch wird diese Möglichkeit von Augustin in ciu. nicht in Erwägung gezogen; er unterscheidet vielmehr klar zwischen den Gaben und der Haltung. In seiner Schrift ep. Io. tr. findet sich sogar eine explizite Widerlegung der Annahme, dass die Vorliebe Gottes für eine der Opfergaben und nicht die jeweilige Haltung Kains (odium) bzw. Abels (caritas) der Grund für die Ablehnung des einen Opfers bzw. die Annahme des anderen gewesen sei (vgl. ep. Io. tr. 5,8, S.  2016, Z.  47 – S.  2017, Z.  20). Die im Jahr 407 entstandene Schrift ep. Io. tr. ist trotz fehlender Erwähnung in den retr. in ihrer Authentizität kaum umstritten (vgl. Berrouard, Introduction, S.  22–27; zur Datierung s. Dideberg, Art. Epistulam, Sp.  1064 f.). 191  „datur intellegi propterea deum non respexisse in munus eius, quia hoc ipso male diuidebat, dans deo aliquid suum, sibi autem se ipsum.“ (ciu. XV 7, S.  460, Z.  36–38) 187 Vgl.

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res Verständnis ergibt sich vielmehr aus Augustins Definition von superbia in ciu. XIV 13. Demnach hat sich der Hochmütige, da er sich selbst mehr gefällt, von seinem „Urgrund“ (principium), nämlich Gott, abgewandt, um sich selbst zum Urgrund zu werden.192 Kain hat also sich selbst, und nicht das höchste und unwandelbare Gut, genießen wollen, weswegen er Gott nur „etwas von Seinem“ (aliquid suum) gibt. Abel jedoch will im Unterschied zu seinem Bruder Gott „genießen“ ( frui) und ist deshalb bereit, „sich selbst“ (se ipsum) Gott hinzugeben. Für Rudolf Lorenz bedeutet das reziproke Besitzverhältnis zwischen Gott und dem Glaubenden das „Zentrum“ des augustinischen fruitio dei-Gedankens: „Die notwendige Kehrseite des Gotthabens [habere deum] ist Gott gehören [dei esse].“193 Kains Opfergabe wurde nach Augustin also nicht aufgrund irgendeines äußerlich sichtbaren Fehlers von Gott abgelehnt. Kain habe sich vielmehr dadurch, dass er ‚nicht richtig unterschied‘ zwischen den Objekten von uti und frui, dem Willen Gottes widersetzt. Mit seinem gerechten Urteil über die beiden opfernden Brüder habe Gott beabsichtigt, den sündigen Kain zu bewegen, sich selbst zu missfallen. Da Gott jedoch (anders als die Menschen) in die Herzen sehen kann, wusste er, dass die offensichtliche „Traurigkeit“ (tristitia) Kains keine bereuende Einsicht in die eigene „Schlechtigkeit“ (malignitas) war, sondern Neid auf den Bruder.194 Kain hat also seine bereits vor der Opferhandlung begangene Sünde in seiner Traurigkeit und seinem Neid wegen der Gutheit des Bruders (tristitia de alterius bonitate) fortgesetzt, was Gott als die größte Sünde ansah.195 Nun legt Augustin den auf die ermahnende Frage Gottes folgenden Auftrag (V. 7b) Gottes an Kain aus: „Lass ab [von ihr; sc. der Sünde]! Denn zu dir hin [wird] ihre Hinwendung [sein], und du [sollst] über sie herrschen.“196 Das nicht 192  „in occulto autem mali esse coeperunt, ut in apertam inoboedientiam laberentur. non enim ad malum opus perueniretur, nisi praecessisset uoluntas mala. porro malae uoluntatis initium quae potuit esse nisi superbia? initium enim omnis peccati superbia est [Sir 10,15 ­( BSVC[S]) / 10,12 (LXX)]. quid est autem superbia nisi peruersae celsitudinis appetitus? per­ uersa enim est celsitudo deserto eo, cui debet animus inhaerere, principio sibi quodam modo fieri atque esse principium. hoc fit, cum sibi nimis placet. sibi uero ita placet, cum ab illo bono inmutabili deficit, quod ei magis placere debuit quam ipse sibi.“ (ciu. XIV 13, S.  434, Z.  1–10) Dieser Hochmut wird nach Augustin nicht nur dadurch gesteigert, wenn man wie Adam und Eva versucht, statt der Selbstanklage Entschuldigungen für ein offensichtlich begangenes Vergehen zu suchen, sondern noch mehr, wenn man wie Kain ein Vergehen ganz abstreitet (vgl. ciu. XIV 14, S.  436, Z.  1–14). 193  Lorenz, Fruitio, S.  104f; vgl. a. a. O., S.  104–108. Als Beleg für dieses reziproke Besitzverhältnis führt Lorenz u. a. eine Stelle aus ciu. an: „Hierusalem sine dubio superna prophetatur, cuius deus ipse praemium est, eumque habere atque ipsius esse summum ibi est atque totum bonum.“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  33 – S.  554, Z.  36) 194 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  55–61. 195 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  53 f. 196 „quiesce; ad te enim conuersio eius, et tu dominaberis illius.“ (Gen 4,7 nach ciu. XV 7, S.  4 60, Z.  13 f.)

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spezifizierte Objekt bestimmt Augustin als die Sünde,197 das (fehlende) Hilfsverb esse futurisch.198 Schließlich, da er die Gottesrede an Kain als „Befehl“ (praeceptum)199 auffasst, versteht Augustin das indikativische dominaberis imperativisch. In erneuter Anlehnung an Gal 5,17200 wird die Sünde als die gegen den Geist auf begehrende „fleischliche Begierde“ (concupiscentia carnalis)201 verstanden, als ein im Menschen wohnender „Teil der Seele“ (pars animi)202 , die als ‚Frucht‘ unter anderem den Neid hervorbringt, von dem auch Kain erfüllt ist. Kain wird demnach in V. 7b von Gott dazu aufgefordert, mit Hilfe seines Geistes bzw. seiner mens203 ebenjene fleischliche Begierde in sich zu bekämpfen und so den rationalen Seelenteil über den irrationalen herrschen zu lassen. Dies kann freilich nach Augustin dem Menschen nur durch die göttliche Gnade ermöglicht werden.204 Da aber aus den unterschiedlichen Argumentationen in ciu. XV 1–3 hervorgeht, dass der Unterschied zwischen den beiden Brüdern gerade in der nur Abel gewährten göttlichen Gnadenwahl besteht, während Kain in der massa damnata verbleibt,205 ist letzterem auch das Befolgen der göttlichen Ermahnung zur Beherrschung seiner Sünde nicht möglich. Ein weiterer Hinweis darauf, dass der Befehl Gottes an Kain in Gen 4,6 f. gar nicht zum Erfolg führen kann, ist seine Einführung als „heiliger, gerechter und guter Auftrag“ (mandatum sanctum, iustum et bonum)206 – eine klare Reminiszenz an Röm 7,12: Hier werden eben diese positiven Attribute dem Gesetz zugesprochen, ohne dass es aber dadurch in der Lage wäre, den Menschen aus seiner Situation unter der Beherrschung der Sünde zu befreien. Zu dieser spezifischen Darstellung der Sünde Kains passt nun auch, dass der eigentliche Brudermord im Vergleich zu allen vorigen Ausführungen überraschend knapp dargestellt wird: „Aber jene Vorschrift Gottes hat Kain (bereits) 197 Vgl.

ciu. XV 7, S.  461, Z.  67–71. ciu. XV 7, S.  461, Z.  75–77. 199 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 62, Z.  94.116. 200 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  4 0 f.; s. dazu Abschnitt 1.2.3. 201 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  8 0 f. 202 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 62, Z.  8 8. 203  In den augustinischen Beschreibungen der Seele (anima bzw. animus), die sich in der Regel an die peripatetische Zweiteilung der Seele anlehnen, befindet sich die mens im vernunftbegabten Teil der Seele (anima rationalis). Dieser vernunftbegabte Seelenteil hat die Aufgabe, den zweiten Seelenteil (anima irrationalis), der von Emotionen und Begierden negativ beeinflusst werden kann, zu kontrollieren (vgl. dazu O’Daly, Art. Anima, animus, Sp.  315 f.322–324). 204  Den Konflikt zwischen dem vernunftbegabten Seelenteil und den durch die Begierde pervertierten irrationalen Seelenteil assoziiert Augustin in ciu. XV 7 sowohl mit dem paulinischen Kampf zwischen spiritus und caro (Gal 5,17) als auch mit dem in Röm 7 geschilderten prekären Zustand des Menschen sub lege, der nicht das als gut Erkannte tut, sondern das Böse, das er eigentlich nicht will. Doch allein die göttliche Gnade befähigt den Menschen dazu, diesen Zustand zu überwinden (vgl. dazu Drecoll, Art. Gratia, insbes. Sp.  194–199.227 f.). 205  Vgl. dazu Abschnitte 1.2.1 u. 1.2.2. 206 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  67 f. 198 Vgl.

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als ein Sünder empfangen. Durch die zunehmende Schuld des Neides hat er den Bruder hinterhältig getötet.“207 Nach der Interpretation Augustins besteht die eigentliche Sünde Kains in der Verkehrung seines Willens, die ihn zum Neid auf die (durch das gerechte Urteil Gottes offensichtlich gewordene) bonitas seines Bruders und letztlich – trotz der göttlichen Ermahnung – zur Ermordung desselben geführt hat. Tatsächlich muss dieser Mord, die Kulmination der vorigen Sünde, in mehrfacher Hinsicht als „umsonst / sinnlos“ (gratis)208 bezeichnet werden: 1) Da Abel keinen Anspruch auf irdische Güter erhob, hat sich Kain durch den Mord diesbezüglich keinen Vorteil verschaffen können.209 2) Da das Urteil Gottes über die opfernden Brüder gerecht war, war Kains Hass auf seinen Bruder unbegründet.210 3) Schließlich hat Kain – sofern er das mit dem Brudermord ‚aus Neid‘ intendiert hatte – seine Gottesbeziehung nicht bessern können, sondern sie im Gegenteil durch das Verbleiben in der Sünde verschlechtert. Allein das Befolgen der göttlichen Ermahnung, das Bekämpfen der fleischlichen Begierde und das „Nachahmen“ (imitari) des guten Bruders hätte dies vermocht.211 Dass es über seine Deutung der beiden Brüder als Prototypen der beiden ciuitates hinaus möglich ist, Kain und Abel als Präfigurationen der Juden bzw. Christi zu sehen, führt Augustin in ciu. nicht aus, verweist aber auf seine Ausarbeitung dieser Deutung in c. Faust.212 Innerhalb von ciu. kommt es ihm darauf an, Kain als den von der Sünde beherrschten Menschen sub lege und somit als den Archetypen des Bürgers der ciuitas terrena darzustellen, dem sein mit der göttlichen Gnade beschenkter Bruder Abel als Archetyp des Bürgers der ciuitas dei gegenübersteht. Abel erscheint nicht nur als erstes Glied der (bereits vor Christus bestehenden) Kirche, sondern zugleich als erster leidender Gerechter in der Reihe der Märtyrer: So schreitet die Kirche in dieser Weltzeit, in diesen bösen Tagen auf ihrer Pilgerreise zwischen Verfolgungen der Welt und Tröstungen Gottes voran, nicht erst seit der Zeit der leiblichen Gegenwart Christi und seiner Apostel, sondern von Abel an, dem ersten

207  „sed illud dei praeceptum Cain sicut praeuaricator accepit. inualescente quippe inuidentiae uitio fratrem insidiatus occidit.“ (ciu. XV 7, S.  462, Z.  116–118) 208 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  65. 209 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  19–26. 210 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  61–66. 211 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 61, Z.  49–52. 212 Vgl. ciu. XV 7, S.  4 62, Z.  118–123; s. dazu Abschnitt 1.1.1. Zu den Gründen der veränderten Wahrnehmung Kains durch Augustin führt Paula Fredriksen aus: „Cain’s role as the founder of the earthly city placed him solidly at the earliest part of biblical and universal history, and Augustine wanted to leave him there. […] But the main reason why Augustine released Cain from service as a figure for ‚the Jews‘ was because in City of God he had recast the moral and emotional quality of ‚wandering‘ and of ‚exile‘.“ (Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  346; vgl. a. a. O., S.  345–347) Zu beachten ist, dass der Wandel in der Deutung Kains, wie unter Abschnitt 1.1 skizziert, einhergeht mit dem Wandel in der Deutung Abels.

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Gerechten, den der gottlose Bruder tötete, und fortwährend von Geschlecht zu Geschlecht bis zum Ende dieser Weltzeit.213

1.2.5 Die Nachkommen Kains und die Gründung der Stadt Henoch Für Augustin stellte sich das Problem, dass Kain eine Stadt gründete (Gen 4,17), obwohl nach dem biblischen Bericht zu diesem Zeitpunkt nur drei Männer existierten, die diese ‚Stadt‘ hätten füllen können: Adam, Kain selbst und Henoch, nach dem er die Stadt benannte.214 Wie bereits bei Augustins Auseinandersetzung mit Pelagius um die Sündlosigkeit Abels deutlich wurde, ist das Schweigen der Bibel über einen bestimmten Sachverhalt oder ein Ereignis für Augustin kein Argument dafür, dass es nicht stattgefunden hat.215 Aus der langen Lebensdauer aller genannten Glieder der Genealogie von Adam bis Noah und der sie jeweils beschreibenden Formel „und er zeugte Söhne und Töchter […] und starb“216 folgert Augustin, dass im „ersten Weltzeitalter“ (prima aetas, d. h. von Kain und Abel bis zur Sintflut) eine unbestimmbare Vielzahl von Menschen geboren wurde.217 Darüber hinaus könne man weder aus der in Gen 4,17 berichteten Zeugung Henochs,218 noch aus der Benennung der Stadt nach Henoch ableiten, dass dieser der Erstgeborene Kains gewesen sein muss. Vielmehr habe Kain bereits zum Zeitpunkt der Geburt Henochs eine Vielzahl von Nachkommen gehabt haben können, weshalb eine Stadtgründung nicht unplausibel sei.219 Es sei allerdings nicht nötig gewesen, dass der vom Geist inspirierte Verfasser der heiligen Schriften all diese Nachkommen mit Namen nennt, da dies nicht seiner Darstellungsabsicht (propositum scriptoris)220 entsprochen hätte. Diese habe vielmehr darin bestanden, den geschichtlichen Verlauf der beiden 213  „sic in hoc saeculo, in his diebus malis non solum a tempore corporalis praesentiae Christi et apostolorum eius, sed ab ipso Abel, quem primum iustum impius frater occidit, et deinceps usque in huius saeculi finem inter persecutiones mundi et consolationes dei peregrinando procurrit ecclesia.“ (ciu. XVIII 51, S.  650, Z.  64–69) 214 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 62, Z.  1 – S.  4 63, Z.  6. 215  S. Abschnitt 1.1.4. 216  Vgl. Gen 5,4 f.7 f.10 f.13 f.16 f.19 f.22 f.26 f.30 f. 217 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  2 0–28. Dasselbe Argument bringt Augustin in den qu. Da Augustin die sich aus Gen 1–3 ergebenden Fragen in seinen vorigen Werken ausreichend erörtert sieht (vgl. qu. 1, praef., S.  1, Z.  19–24), erscheint die Frage, wie Kain mit einer so geringen Anzahl an Menschen eine Stadt hat gründen können, hier auffälligerweise als das erste zu behandelnde Problem. Es ist daher möglich, dass diese Frage an Augustin herangetragen wurde, weshalb er sie in ciu. XV 8 erneut aufnimmt und ausführlicher erörtert, als er dies bereits in qu. 1,1 (S.  1, Z.  25 – S.  2 , Z.  39) getan hatte. 218  Augustin argumentiert hier, dass die in Gen 4,17 für den Zeugungsakt begegnende alttestamentliche Wendung „eine Frau erkannt haben“ (cognouisse uxorem) nicht notwendig eine Erstgeburt anzeige, da sie doch ebenso bei der Zeugung Seths, des jüngeren Bruders Kains und Abels und damit „dritten Sohnes“ (tertius filius; vgl. ciu. XV 12, S.  470, Z.  63), verwendet werde (vgl. ciu. XV 8, S.  464, Z.  4 4–57). 219 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 64, Z.  4 4–70. 220 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  10.

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ciuitates zu verdeutlichen, weshalb nur diejenigen Nachkommen explizit genannt werden, die zum Nachvollzug der beiden aus Adam hervorgegangenen Geschlechterfolgen nötig sind.221 Diese Argumentation wird in ciu. XV 15 wieder aufgegriffen und weiter entfaltet: In der Genealogie in Gen 5 habe der Verfasser nur diejenigen Namen aufgenommen, die erforderlich sind, um die Abstammungsreihe von Adam bis Noah zu verstehen, ohne dass es sich dabei notwendigerweise um die jeweils „Erstgeborenen“ (primogeniti)222 gehandelt haben müsse.223 Letzteres schließt Augustin zum einen aus dem angegebenen hohen Alter, das die Erzväter bei der Zeugung des jeweils nächstgenannten Gliedes hatten. Es sei nicht anzunehmen, dass die ersten Männer bis in dieses hohe Alter sexuell enthaltsam gelebt hätten, und auch die Annahme einer proportional zur höheren Gesamtlebensdauer später eintretenden Pubertät scheint Augustin unwahrscheinlich.224 Tatsächlich könne nur von Kain mit Sicherheit gesagt werden, dass er nicht nur der erstgenannte, sondern auch der erstgeborene Sohn Adams ist, was Augustin mit der ungewöhnlichen Aussage Adams, „Ich habe einen Menschen durch Gott erworben“225 (Gen 4,1), begründet. Wie alt Adam bei dieser Zeugung war, gehe aus der Bibel nicht hervor.226 Die Thesen einer langen Enthaltsamkeit oder einer späten Geschlechtsreife können also bei der einzigen als solche klar erkennbaren Erstgeburt nicht erhärtet werden. Als Beispiel für eine analoge Verfasserintention führt Augustin schließlich die das Matthäusevangelium einleitende Genealogie (Mt 1,1–17) an. Auch hier habe der Verfasser nicht die jeweils Erstgeborenen aufgezählt, was an der Nennung u. a. von Isaak und Jakob deutlich wird. Seine Intention sei es vielmehr gewesen, die fleischliche Abstammung Jesu von Abraham über David aufzuzeigen.227 Mit seiner Argumentation in ciu. XV 15 stützt Augustin zum einen indirekt seine These, dass bei der Gründung der ersten Stadt durch Kain ausreichend Menschen vorhanden waren. Die namentliche Nennung von Personen sei nämlich nur dann nötig gewesen, wenn es der Verfasserintention entsprochen habe. Zum anderen widerspricht er der Annahme, der die von ihm ebenfalls abgelehnte Theorie einer damals üblichen Zeitrechnung in ‚Zehnteljah221 Vgl.

ciu. XV 8, S.  463, Z.  28–35. ciu. XV 15, S.  476, Z.  62. 223 Vgl. ciu. XV 15, S.  476, Z.  65–70. 224 Vgl. ciu. XV 15, S.  474, Z.  1–8. 225 „adquisiui hominem per deum“ (Gen 4,1 nach ciu. XV 15, S.  475, Z.  17). Dieser (grammatikalisch korrekt eigentlich eher Eva zuzuweisende) Ausruf wird von Augustin so verstanden, dass er das Erstaunen Adams darüber ausdrückt, dass es ihm mit der Hilfe Gottes gelungen ist, selbst einen Menschen hervorzubringen – während Adam und Eva noch allein von Gott geschaffen wurden. So ist Kain der erste von Menschen gezeugte und geborene Mensch (vgl. zu Gen 4,1 bei Augustin und der Frage nach der leiblichen Abstammung Kains von Adam Abschnitt 1.2.7.) 226 Vgl. ciu. XV 15, S.  475, Z.  2 3 f. 227 Vgl. ciu. XV 15, S.  476, Z.  71–84. 222 Vgl.

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ren‘228 zugrunde liegt, dass die in Gen 5 angegebenen Zeugungsalter mit dem Alter des jeweiligen Erzvaters bei seinem ersten Zeugungsvorgang identisch sind: Der „dunklen und unnötigen“ Annahme, dass die Erzväter später die Geschlechtsreife erlangten, fehlt nach Augustin der exegetische Anhalt.229 Auch hinsichtlich der von Kain ausgehenden Genealogie stellt sich Augustin die Frage, ob mit den genannten Nachkommen jeweils die Erstgeborenen gemeint sind oder nicht. Werden zwar in Gen 4,17–24 keine Jahreszahlen angegeben, so müsse doch, wenn Lamech die Sintflut erlebt haben soll, m.a.W. die Genealogie Kains zeitlich parallel zu derjenigen Seths verläuft, nach den hebräischen Jahresangaben ein Zeitraum von 1656 Jahren abgedeckt werden.230 Dies wiederum stelle, unter der Annahme, dass hier die Erstgeborenen aufgeführt werden, vor das in ciu. XV 11–15 ausführlich behandelte Problem der späten Geschlechtsreife und des dementsprechend hohen Erstzeugungsalters: Denn es werden von Adam an bis zu Lamech nur acht Generationen genannt. Da für Augustin aber im Unterschied zur Genealogie Seths fraglich bleibt, ob der Verfasser hier eine Person vor Augen hatte, auf die die Geschlechterreihe abzielte,231 muss er am Ende offenlassen, ob es sich bei den genannten Nachkommen (unter Annahme einer späten Geschlechtsreife) um die jeweils Erstgeborenen handelt, oder ob der Verfasser die Linie gar nicht bis zum Zeitpunkt der Flut geführt hat,232 oder ob die genannten Glieder eine hervorgehobene Rolle spielen – etwa als Könige der von Kain gegründeten Stadt Henoch, die nicht notwendig identisch mit den Erstgeborenen sein mussten.233 Kann diese Frage also nicht gelöst werden, so zieht Augustin aus den beiden Geschlechterreihen aber noch in symbolischer Hinsicht einen Schluss: Zunächst stellt er die Differenz fest, dass in der Genealogie Kains von Adam bis Lamech acht Generationen genannt werden, während es bei der Genealogie Seths insgesamt zehn Generationen sind.234 Verweise die Generationenzahl der Sethiten auf den Dekalog und damit auf deren Rechtschaffenheit, so symbolisieren die acht Generationen in der Genealogie Kains – rechnet man die drei genannten Nachkommen Lamechs, Jabal, Jubal und Zilla hinzu – mit der Elfzahl die Übertretung (der Zehnzahl) des Dekalogs und damit die Sünde. Augustin nennt hier auch die elf Ziegenhaardecken, die nach Ex 26,7–9 über der Stiftshütte hängen sollen. Die228 Vgl.

ciu. XV 12, S.  468, Z.  1–7; s. Abschnitt 1.2.6. ciu. XV 15, S.  476, Z.  84–89. 230 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 83, Z.  49–63. 231 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 83, Z.  3 4–38. 232 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 84, Z.  81–86. Die Schwierigkeit bei dieser Annahme wäre aber, dass sich damit der Schluss nahelegen könnte, die ciuitas terrena habe zum Zeitpunkt der Sintflut gar nicht mehr existiert. Augustin liegt dagegen daran darzustellen, dass die ciuitas terrena sowohl bis zum Zeitpunkt der Sintflut als auch danach wieder existiert hat (ciu. XV 20, S.  482, Z.  7–12). 233 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 84, Z.  86–105. 234 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 85, Z.  126–129. 229 Vgl.

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se würden – so Augustin – an die „Ziegenböcke“ (haedi) erinnern, die im Sündenbockritus ebenfalls mit der Sünde zu tun hätten.235 Ferner bedeute der Name der Tochter Lamechs, Naama, „Vergnügen“ / „Lust“ (uoluptas)236: Die letztgenannte Nachfahrin Lamechs Naama und Eva bilden eine negative Klammer um die Genealogie Kains als Vertreterinnen jenes weiblichen „Geschlechts, durch das der Anfang der Sünde gemacht wurde, wodurch wir alle sterben“.237 Die zehn Generationen der Sethiten stehen dagegen nicht nur für den Dekalog, sondern, zählt man (analog zu den Nachkommen Lamechs) auch die Söhne Noahs – unter Abzug des in Ungnade gefallenen Sohnes Ham (vgl. Gen 9,20– 25) – hinzu, so ergibt sich die Zahl zwölf, die wiederum identisch ist mit der Zahl der Patriarchen 238 und der Apostel.239 1.2.6 Die Langlebigkeit der ersten Menschen (ciu. XV 9–14) Augustin betreibt in den auf ciu. XV 8 folgenden sechs Kapiteln einen hohen Aufwand, um die lange Lebensdauer der Menschen in der Urgeschichte als historisch zu erweisen. Damit will er seine in ciu. XV 8 getroffene Annahme stützen, dass Kain eine Stadt gründen konnte.240 Dabei ging es Augustin nicht zuletzt darum, die Glaubwürdigkeit der biblischen Geschichtsdarstellung zu verteidigen. Aus ciu. XV 9 wird erhellt, dass Augustin davon ausging, dass die Menschen in früherer Zeit nicht nur deutlich älter, sondern auch deutlich größer waren, was er durch außerbiblische Zeugnisse241 sowie den Verweis auf archäologische Funde begründet. Auch wenn es für die lange Lebensdauer zwar ebenfalls außerbiblische Belege,242 jedoch keine ähnlich anschaulichen Funde 235 Vgl.

ciu. XV 20, S.  484, Z.  105 – S.  485, Z.  109; s. dazu Piret, La destinée, S.  243 f. ciu. XV 20, S.  485, Z.  136 f. Augustin hat sich hier offenbar für eine von verschiedenen ihm bekannten Etymologien entschieden, die seiner Interpretation in ciu. XV 20 am meisten zuträglich ist. Hieronymus schreibt: „Noemma decus siue uoluptas uel fides.“ (Nom. hebr. Gen. N, S.  69, Z.  3 f.) Die Ableitung von uoluptas aus Naama (‫ )נַעֲמָ ה‬könnte ihre Erklärung in der hebräischen Verbalwurzel ‫( נעם‬dt.: angenehm, lieblich sein) haben (vgl. Wutz, Onomastica, S.  106). 237  „a quo sexu initium factum est peccati, perquod omnes morimur.“ (ciu. XV 20, S.  4 85, Z.  134 f.) 238  Gemeint sind hier die zwölf Söhne Jakobs. 239 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 85, Z.  137–142. 240  Aus zwei abschließenden Bemerkungen wird deutlich, dass die exkursartigen Kapitel ciu. XV 9–14 diesem Zweck dienen; vgl. ciu. XV 11, S.  468, Z.  43–47; ciu. XV 14, S.  474, Z.  65–69. Dass sich Augustin dieser Problematik so intensiv widmete, mag auch mit dem in patristischen Texten häufig festzustellenden großen Interesse an Zahlen sowie deren Sym­ bolik liegen (vgl. dazu Reemts, Einführung, S.  59 f.). 241 Vgl. ciu. XV 9, S.   465, Z.  12 f. Augustin zitiert hier Vergil, Aen. XII 899 f., S.  360, Z.  17 f.; zudem spielt er an auf Plinius d. Ä., Nat. VII 16,73–75, S.  58, Z.  4 – S.  60, Z.  5. 242  Vgl. etwa Plinius d. Ä., Nat. VII 49,154, S.  110, Z.  2 2 – S.  112, Z.  2 . Plinius bezieht sich hier u. a. auf das Zeugnis des Dichters Anakreon, der Ende des 6. bis Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. gelebt hat. Dessen Angabe, dass der erste König der Dorer Aigimios (eine Gestalt der griechischen Mythologie; vgl. Bethe, Art. Aigimios) 200 Jahre geworden sei (Nat. 236 Vgl.

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gebe, so soll man Augustin zufolge auch in solchen Punkten nicht an der Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift zweifeln, die durch die Erfüllung ihrer Vorhersagen hinlänglich erwiesen ist.243 In ciu. XV 10–11 versucht Augustin, die Differenzen zwischen dem (ihm durch lateinische Übersetzungen zugänglichen) hebräischen Text und dem der Septuaginta hinsichtlich der Angaben zur Lebensdauer zu erklären. Es fällt ihm zum einen auf, dass die Altersangabe zum Zeitpunkt der Geburt des jeweils erwähnten Sohnes bei sechs Stammvätern in Gen 5 um 100 Jahre abweicht,244 wobei das jeweils addierte Gesamtalter im hebräischen wie im griechischen Text wieder übereinstimmt.245 Am Beispiel der differierenden Lebensaltersangaben Methusalems führt Augustin einige Möglichkeiten an, wie es zu den Differenzen gekommen sein könnte. Ein Irrtum oder eine Fälschung bei der Entstehung der Septuaginta sei zwar grundsätzlich ebenso denkbar wie die Annahme einiger, die die Septuaginta für irrtumslos halten und davon ausgehen, dass die Juden ihre Schriften im Nachhinein verfälscht hätten, um die Autorität der christlichen Schriften zu schmälern.246 Gegen letztere Annahme spricht jedoch nach Augustin, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Juden im Zustand der Zerstreuung ihre heiligen Schriften im Nachhinein einmütig geändert hätten.247 Auch sei nicht anzunehmen, dass die von König Ptolemäus berufenen hochangesehenen siebzig Übersetzer, ebenfalls Juden, Fälschungen einmütig und in böswilliger Absicht vorgenommen haben, um den „Heiden“ (gentes) Wahrheiten vorzuenthalten.248 Deutlich plausibler erscheine die Annahme, dass dem Schreiber bei der ersten Abschrift der Septuaginta, von der wiederum die weiteren Abschriften abhängen, zufällige Fehler (error scriptoris) unterlaufen seien,249 worunter das geringfügig abweichende Lebensalter Methusalems zu zählen sei.250 Dagegen sei bei regelmäßig auftauchenden Abweichungen, wie bei VII 49,154, S.  110, Z.  22–25), lässt sich daher nur bedingt als Beleg für ein zeitgenössisches Volk heranziehen, in dem „bis heute“ (adhuc) Menschen über 200 Jahre alt werden (vgl. ciu. XV 9, S.  466, Z.  41 f.). 243 Vgl. ciu. XV 9, S.  4 66, Z.  36–41. 244  Genauer handelt es sich dabei um Adam, Seth, Enosch, Kenan, Mahalalel und Henoch. 245 Vgl. ciu. XV 10, S.  4 66, Z.  1–22. 246 Vgl. ciu. XV 11, S.  4 67, Z.  27–36. Edmon L. Gallagher ist der Auffassung, Augustin wende sich hier gegen „some earlier Fathers“ (darunter Eusebius von Caesarea), die der Annahme waren, die Juden hätten den hebräischen Text verfälscht (vgl. mit Quellenbelegen: Gallagher, Fidelity, S.  666 f.; ders., Augustine, S.  109). 247 Vgl. ciu. XV 13, S.  470, Z.  2 –12. 248 Vgl. ciu. XV 13, S.  470, Z.  12–16. 249 In doctr. chr. 2,18, S.  98, Z.  33–51, empfiehlt Augustin, solche Fehler der Septuaginta gemäß dem Text der Hebräischen Bibel zu korrigeren (s. dazu Gallagher, Augustine, S.  109 f.). 250 Vgl. ciu. XV 13, S.  471, Z.  17–23. Bereits Hieronymus hatte sich mit dieser „sehr berühmten Streitfrage“ ( famosissima quaestio; ciu. XV 11, S.  467, Z.  2) auseinandersgesetzt, wobei er zu dem Ergebnis gelangte, dass der Tod Methusalems in das Jahr der Sintflut fällt (vgl. Qu. hebr. Gen. 5,25–27, S.  8, Z.  19 – S.  9, Z.  17). Augustin selbst hatte dieses Problem bereits

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dem genannten Phänomen des mehrfach um 100 Jahre differierenden Zeugungsalters, von absichtlichen Änderungen auszugehen.251 Eine Möglichkeit, wie es zur genannten regelmäßigen Änderung der Zeugungsalter in Gen 5 gekommen sein könnte, führt Augustin im Folgenden aus: Es existierte die Annahme, mit der einige die Glaubwürdigkeit der enormen biblischen Altersangaben hatten stützen wollen,252 dass ein Jahr dieser Frühzeit einem Zehntel eines heutigen Jahres entsprechen würde.253 Legt man aber die Altersangaben des hebräischen Textes zugrunde, so hätte nach der Zeitberechnung in ‚Zehnteljahren‘ beispielsweise Seth seinen Sohn Enosch nicht mit 105, sondern mit knapp elf Jahren, der Sohn Enoschs Kenan seinen Sohn wiederum mit sieben Jahren gezeugt.254 Nach dieser Zählung würden also Zeugungen im nicht zeugungsfähigen Alter vorausgesetzt werden, was dem „Naturgesetz“ (lex naturalis)255 widerspreche. Daher habe jemand 256 in der Septuaginta diejenigen Zeugungsalter, die unter Zugrundelegung der Zeitberechnung in ‚Zehnteljahren‘ als unrealistisch schienen, jeweils um 100 Jahre erhöht, dabei aber zugleich die jeweils verbleibende Lebensdauer angepasst, sodass das Gesamtalter wieder mit dem hebräischen Text übereinstimmte.257 Augustin entscheidet sich in diesem Fall – entgegen seiner häufig zu beobachtenden Präferenz der Septuaginta – dafür, dem hebräischen Urtext Glauben zu schenken, und führt zur Begründung weitere Handschriften an, die die Lesart des hebräischen Textes gegen die Septuaginta bezeugen.258 Der eigentliche Grund für diese Entscheidung scheint m.E. aber weniger in solchen textkritischen Erwägungen als darin zu liegen, dass die in qu. 1,2, S.  2 , Z.  4 0–47 behandelt, wo er unter der Voraussetzung der „Fehlerhaftigkeit der meisten Handschriften“ (mendositas plurimum codicum) davon ausgeht, dass Methusalem sechs Jahre vor der Sintflut gestorben ist (s. dazu Bardy, Mathusalem; Gross, Einleitung, S.  81 f.). 251 Vgl. ciu. XV 13, S.  471, Z.  2 3–30. 252 Vgl. ciu. XV 12, S.  4 69, Z.  52 – S.  470, Z.  57. 253 Vgl. ciu. XV 12, S.  4 68, Z.  1–7. Wessen Vorschlag es war, das hohe Alter der Patriarchen durch die Hypothese einer damals üblichen Zählung in Zehnteljahren zu plausibilisieren, lässt Augustin offen. Auch in der Literatur zu ciu. findet sich kein Hinweis auf eine mögliche Referenz.  Doch sahen sich neben Augustin auch andere, wie beispielsweise Flavius Josephus, dazu veranlasst, die Historizität der biblischen Altersangaben zu verteidigen (vgl. Ant. I 3,9, S.  24, Z.  12 – S.  25, Z.  12). Im Hintergrund könnte möglicherweise die Annahme mancher Exegeten stehen, dass man zur damaligen Zeit in ‚Mondjahren‘ gerechnet habe. So habe man die Erdumlaufzeit des Mondes nicht als Monat, sondern als Jahr verstanden. Somit ergäben sich für ein Jahr aber zwölf Mondjahre, und nicht, wie bei Augustin anscheinend vorausgesetzt, zehn. Eine Vielzahl von Varianten der Jahreszählung zur Zeit der Patriarchen werden aufgeführt in: Anonymus, Art. Patriarchen, Sp.  1337 f. 254 Vgl. ciu. XV 12, S.  470, Z.  69–76. 255 Vgl. ciu. XV 12, S.  470, Z.  67. 256  Der Singular („qui hoc fecit“ / c iu. XV 13, S.  471, Z.  4 8) gibt m.E. klar zu erkennen, dass Augustin hier von einem einzelnen Abschreiber der Septuaginta ausgeht, sodass die Veränderung der Jahreszahlen in diesem Fall nicht bei der Entstehung der Septuaginta durch die siebzig Gelehrten vorgenommen worden ist. 257 Vgl. ciu. XV 13, S.  471, Z.  4 4 – S.  472, Z.  6 8. 258 Vgl. ciu. XV 13, S.  472, Z.  87–96.

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Theorie einer Zeitberechnung in ‚Zehnteljahren‘ seine für die Stadtgründung Kains so wichtige Annahme in Frage stellen würde, dass die ersten Menschen tatsächlich so lange lebten, wie es im Alten Testament berichtet wird. Und so lehnt er die Theorie einer anderen Zeitberechnung als „falsche Vermutung“ (coniectura falsa) vehement ab259 und gelangt am Ende des Exkurses in ciu. XV 9–14 erneut zu seinem Argumentationsziel, dass die Langlebigkeit der ersten Menschen wahr sei.260 Erst sie habe es ihnen ermöglicht, sich derart zu vermehren, dass Stadtgründungen wie diejenige Kains plausibel erscheinen. Neben den beiden diskutierten Fällen, den zufälligen Fehlern durch Abschreiber (error scriptoris / error casum redolet) und den bewussten sekundären Abänderungen der Septuaginta (error industriam redolet),261 gibt es nach Augustin auch die Möglichkeit von Abweichungen des griechischen vom hebräischen Text, die auf die Entstehung der Septuaginta selbst zurückgehen. Diese Abweichungen seien aber keine Irrtümer der 70 Übersetzer gewesen, vielmehr haben jene in diesen Fällen nicht in ihrer Funktion als Übersetzer gehandelt, sondern in prophetischer Freiheit und geleitet durch den Heiligen Geist, weshalb diese Abweichungen ebenfalls als Wahrheiten anzusehen seien.262 Hebräischer Text und Septuaginta, beide durch „denselben Geist des Friedens“ (unus pacis Spiritus)263 vermittelt, ergänzen einander: Was nun in den hebräischen Schriften steht und nicht bei den Übersetzern der Septuaginta, das wollte der Geist Gottes eben nicht durch diese, sondern durch jene Propheten mitteilen. Was aber in der Septuaginta, nicht jedoch in den hebräischen Schriften steht, das wollte eben der Geist lieber durch diese als durch jene mitteilen, wodurch er zeigte, dass beide Propheten waren.264

Freilich ist dann an Augustin die Frage zu richten, warum er nicht auch im besprochenen Fall der mehrfach um 100 Jahre abweichenden Zeugungsalter in Erwägung zieht, dass die vom Geist inspirierten 70 Gelehrten damit ebenfalls eine göttliche Wahrheit haben ausdrücken wollen. Augustin bemüht sich zwar 259 Vgl.

ciu. XV 14, S.  473, Z.  27–29. ciu. XV 14, S.  474, Z.  65–69. 261 Vgl. ciu. XV 13, S.  471, Z.  2 8–30. Diese augustinische Differenzierung zwischen zufälligen Fehlern bei der Abschrift und bewussten sekundären Änderungen des Septuagintatextes wird bei Gerard O’Daly nicht berücksichtigt (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  165 f.). 262 Vgl. ciu. XV 14, S.  474, Z.  56–61. Dieses Argument findet sich weiter ausgeführt auch in ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  22–36, wo Augustin keinen Zweifel daran lässt, dass er die Septuaginta, auf die sich die neutestamentlichen Autoren beziehen und die im kirchlichen Gebrauch stand, für die bindende Textfassung des Alten Testaments für das Christentum hält. 263 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  6 40, Z.  6 4. 264  „quidquid est in Hebraeis codicibus et non est apud interpretes septuaginta, noluit ea per istos, sed per illos prophetas dei spiritus dicere. quidquid uero est apud septuaginta, in Hebraeis autem codicibus non est, per istos ea maluit quam per illos idem spiritus dicere, sic ostendens utrosque fuisse prophetas.“ (ciu. XVIII 43, S.  640, Z.  52–57; s. dazu Abschnitt 5.2.3) 260 Vgl.

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erkennbar, u. a. durch den Verweis auf andere Handschriften,265 dennoch fehlt ihm letztlich ein definitives Kriterium, bei der Septuaginta zwischen ‚Fehlern‘ bzw. ‚Fälschungen‘ und neuen, auf ein Inspirationsgeschehen zurückgehenden Wahrheiten zu unterscheiden. 1.2.7 Augustins Rezeption der Etymologien zu Kain, Abel, Seth, Henoch und Enosch Durch die spezifische Rezeption der alttestamentlichen Etymologien wird von Augustin die insbesondere im Buch Genesis verbreitete Praxis aufgenommen, bereits mit dem Geburtsnamen ein wesentliches Charakteristikum der eingeführten Person bzw. der aus ihr hervorgehenden Personengruppe vorwegzunehmen.266 Der Liber interpretationis hebraicorum nominum (i.F.: Nom. hebr.) des Hieronymus,267 den Augustin bei seiner Deutung der biblischen Namen bevorzugt zu Rate gezogen hat,268 mag als ein Zeugnis des besonderen Interesses an diesen alttestamentlichen Etymologien gelten, das gerade diejenigen christlichen Autoren an den Tag legten, die davon überzeugt waren, dass das Alte Testament versteckte Wahrheiten (insbesondere in Bezug auf Christus oder die Kirche) enthält, die man u. a. mit solchen Etymologien entschlüsseln kann.269 So dient auch in den Schriften Augustins die etymologische interpretatio nominis in aller Regel dem Zweck einer allegorischen / t ypologischen Auslegung. Dabei stellt der alttestamentliche Namensträger (Personen- oder Ortsname) das signum 265 Vgl.

ciu. XV 13, S.  472, Z.  87–96. dazu Opelt, Art. Etymologie, Sp.  819–822. Bei der etymologischen interpretatio nominis handelt es sich um eine verbreitete exegetische Methode unter jüdischen wie christlichen Auslegern der heiligen Schriften (vgl. O’Donnell, Art. Interpretatio, Sp.  674 f.). 267 Hieronymus konnte sich bei seiner Arbeit an seinem Onomasticon Nom. hebr. auf entsprechende Vorarbeiten stützen; im Vorwort nennt er u. a. Philo und Origenes (vgl. Nom. hebr. praef., S.  59, Z.  1 – S.  60, Z.  14). Diese Angabe ist allerdings irreführend. So hat Franz Wutz in seiner umfänglichen Untersuchung zu Hieronymus’ Nom. hebr. sowie den dort verwendeten Quellen nachweisen können, dass Hieronymus auf ganz unterschiedliche Namenslisten, darunter insbesondere diejenige eines Origenesschülers, zurückgegriffen hat (vgl. Wutz, Onomastica; s. dazu Fürst, Art. Scriptores, Sp.  94; Heil, Art. Hieronymus; Bardy, Onomasticon, S.  702). Augustin hat jedoch aus dem Vorwort von Nom. hebr. geschlossen, dass Arbeiten von Philo und Origenes die Grundlage des Onomasticon von Hieronymus gebildet hätten (vgl. en. Ps. 33,1,4, S.  276, Z.  4 –7; 132,11, S.  1933, Z.  6 f.; s. dazu Altaner, Onomastica, S.  313). 268  So vermutet O’Daly, A reader’s guide, S.  167, Anm.  16, und verweist dabei auf Kelly, Jerome, S.  153–156. In Bezug auf einige der in der vorliegenden Arbeit behandelten biblischen Personen hat sich bestätigt, dass Augustin die von Hieronymus angeführten Etymologien gekannt und verwendet hat. 269  John N. D. Kelly schreibt: „His Hebrew Names, or Onomasticon, belonged to a genre much favoured in antiquity not only by Christians but, long before them, by pagans and Jews. Homer, Hesiod, the Old Testament (to mention but a few) demonstrate how fascinated ancient man was by etymologies, especially of personal names and place-names. For Christians the fascination was intensified by their belief that the names used in the Bible contained hidden meaning which, as Augustine claimed [vgl. doctr. chr. 2,59, S.  160, Z.  22–34] were wonderfully helpful in solving its mysteries.“ (Kelly, Jerome, S.  153) 266  Vgl.

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dar, das auf eine mit dem Neuen Bund zusammenhängende höhere Wahrheit als res cognita verweist.270 Wie schon oben 271 angedeutet, macht sich Augustin für seine Deutung Kains die bereits im Hebräischen angelegte, mit dem Namen Kain verbundene ätiologische Etymologie zunutze.272 Demnach bedeute Kain „Besitz“ (possessio)273, worin Augustin das „Kennzeichen“ (indicium)274 der Bürger der ciuitas terrena sieht, deren Archetyp Kain darstellt. Seine Begründung der Etymologie Kains mit der Aussage in Gen 4,1 („Ich habe einen Menschen durch Gott erworben“275) setzt die bereits in der Hebräischen Bibel angelegte und in der jüdischen Schriftauslegung fortgesetzte Tradition voraus, die den Namen „Kain“ (‫ )ַקי ִן‬mit dem Verb ‫„( קנה‬erwerben“) in Verbindung gebracht hat. Diese Herleitung ist in der Septuaginta und auch in den lateinischen Bibelübersetzungen nur noch in semantischer, nicht aber in morphologischer Hinsicht nachvollziehbar.276 In der Septuaginta wird das als Erklärung für den Namen Kain herangezogene hebräische ‫„( ָק ִִניִתי‬ich habe erworben“) durch ἐκτησάμην („ich habe geschaffen“) wiedergegeben. Hieronymus selbst übersetzte wohl possedi („ich habe besessen“). In den Versionen der Vetus Latina finden sich u. a. procreaui („ich habe hervorgebracht / gezeugt“), das der Septuaginta nahekommende conparaui („ich habe gebildet“) sowie das der Hebräischen Bibel am nächsten stehende adquisiui („ich habe erworben“).277 In den augustinischen Zitaten von Gen 4,1 ist von diesen Versionen ausschließlich die letzte, adquisiui278 , belegt. Hieronymus schreibt in seinem Onomasticon zur Etymologie Kains: „Cain possessio uel adquisitio.“279 Offensichtlich hat sich Augustin also gegen adquisitio 270 Vgl.

O’Donnell, Art. Interpretatio, Sp.  675 f. S. Abschnitt 1.2.1. 272 Vgl. Gertz, Genesis, S.  157 f. 273  „Cain autem interpretatur possessio; unde dictum est, quando natus est, siue a patre siue a matre eius: adquisiui hominem per deum [Gen 4,1].“ (ciu. XV 17, S.  479, Z.  10–12) Neben dem Onomasticon des Hieronymus könnte Augustin auch die entsprechenden Aussagen des Ambrosius zu Kain gekannt haben; vgl. Exh. virginit. 6,36, S.  228, Z.  4 f.: „Iste [sc. Abel] adhaerens deo et totus a domino, ille [sc. Cain] mundana et terrena possessio.“ (vgl. auch Ambrosius, Cain I 1,3, S.  340, Z.  3 –7) 274 Vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  7. 275 „adquisiui hominem per deum“ (Gen 4,1 nach ciu. XV 17, S.  479, Z.  12; s. zu Gen 4,1 in ciu. Abschnitt 1.2.5, Anm.  225). 276  John Byron hebt hervor, dass diese im Hebräischen angelegte Etymologie Kains auch bei griechisch- und lateinischsprachigen Theologen wie Josephus, Philo und schließlich Augustin zu ihrer Charakterisierung Kains als „greedy and the archetype of the rich oppressors of the poor“ geführt habe (vgl. mit Belegen: Byron, Cain, S.  31). 277 Vgl. VL 2 (1951), S.  79. 278  Viele Zeitgenossen Augustins verwendeten das Verb adquisiui, wenn sie aus Gen 4,1 zitierten, so etwa Ambrosius (vgl. Cain I 1,2, S.  339, Z.  8 –10.13 f.), Hieronymus (vgl. Qu. hebr. Gen. 4,1, S.  6, Z.  9 f.) oder Julian von Aeclanum (zumindest wird er bei Augustinus so zitiert; vgl. nupt. et conc. 2,17, S.  270, Z.  9). 279 Hieronymus, Nom. hebr. Gen. C, S.   63, Z.  2; vgl. hierzu auch Wutz, Onomastica, S.  397 f.765. Die These Berthold Altaners, Augustin habe seine Etymologien „in sehr vielen 271 

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(„Erwerbung“) und für possessio („Besitz“) als Etymologie für Kain entschieden, obwohl bei seiner Zitation von Gen 4,1 ersteres morphologisch näherliegen würde. Es ist daher anzunehmen, dass ihm der Begriff possessio als ‚Kennzeichen‘ der Bürger der ciuitas terrena angemessener erschien als adquisitio. Die Etymologien für Abel, Seth und Enosch werden in ciu. XV 18 in komplexer Weise entfaltet und aufeinander bezogen. Abel assoziiert Augustin mit „Trauer“ (luctus).280 Auch wenn mit dem Namen Abel (‫ )ֶה ֶבל‬im Unterschied zu demjenigen Kains (vgl. Gen 4,1) in der Hebräischen Bibel nicht unmittelbar eine Aussage in Verbindung steht, die als etymologische Erklärung verstanden werden kann,281 ist doch anzunehmen, dass der intendierte Leser mit diesem Namen den gleichlautenden Begriff für ‚Hauch / Nichtigkeit‘ assoziiert und dies evtl. auf den frühen Tod Abels bezogen haben wird. So könnte Abel symbolhaft für die Vergänglichkeit menschlichen Lebens verstanden worden sein.282 Neben dieser allgemeinen Bedeutung im Sinne von Hauch oder Nichtigkeit weist ‫ ֶה ֶבל‬nach Klaus Seybold „in spezieller Funktion eine Affinität zur Situation des Klagenden auf “,283 ohne dass damit jedoch der Vorstellungsbereich der Nichtigkeit menschlichen Lebens verlassen werden muss. Hieronymus gibt in seinem Onomasticon vier mögliche Bedeutungen des Namens Abel an: „Trauer“ (luctus), „Nichtigkeit“ / „Hauch“ (uanitas), „Dunst“ (uapor) und das Adjektiv „beklagenswert“ (miserabilis).284 Augustin entschied sich für eine dieser vier Bedeutungen: „Trauer“ (luctus). Fällen […] der Hieronymusschrift entnommen“ (Altaner, Onomastica, S.  313), bestätigt sich im Hinblick auf die in ciu. XV-XVIII begegnenden Etymologien. 280 Vgl. ciu. XV 18, S.  4 80, Z.  6. 281  In der jüdischen Tradition sind Versuche einer textimmanenten etymologischen Erklärung unternommen worden, indem man Abel (‫ )ֶהֶבל‬auf das Hif ʽil des Verbs ‫„ יבל‬darbringen“ hat beziehen wollen (problematisch ist hier allerdings, dass die beiden in Gen 4,3 f. für „darbringen“ verwendeten Verbformen zum einen nicht von ‫ יבל‬abzuleiten sind, sondern eine Hif ʽil-Form von ‫ בוא‬darstellen und sich zum anderen nicht nur auf Abel, sondern eben auch auf Kain beziehen). Die Septuaginta übersetzt diese beiden Verbformen (Gen 4,3 f.) mit ἤνεγκεν, einer Aorist-Form von φέρω. Es fällt auf, dass diese Tradition zwar bei Philo (Abel als der Gott etwas Darbringende [Ἄβελ, ἑρμηνεύεται γὰρ ἀναφέρων ἐπὶ θεόν.; Philo, Sacr. §  2 , S.  203, Z.  4]) und auch bei Ambrosius („Abel qui omnia referret ad deum pia deuotus mentis adtentione, nihil sibi adrogans ut superior frater, sed totum tribuens conditori quod accepisset ab eo.“ [Ambrosius, Cain I 1,3, S.  340, Z.  4 –7]), nicht aber im Onomasticon des Hieronymus begegnet (vgl. dazu Wutz, Onomastica, S.  18). Wutz zufolge kommt diese Etymologie lediglich in der ‚Lactanzgruppe der Onomastica‘ vor, die Wutz als eine Texttradition des Onomasticon des Origenes voraussetzt, die wiederum Hieronymus vorgelegen haben könnte (vgl. a. a. O., S.  87). Dass diese Tradition nicht nur bei Hieronymus, sondern auch bei Augustin in Bezug auf die Etymologie Abels in ciu. keine Rolle spielt, kann als weiterer Erweis der Abhängigkeit Augustins vom Onomasticon des Hieronymus angesehen werden. 282 Vgl. Seybold, Art.‫בל‬ ֶ ‫ֶה‬, Sp.  337; Gertz, Genesis, S.  158 f. 283  Seybold, Art.‫בל‬ ֶ ‫ֶה‬, Sp.  338. 284  „Abel luctus siue uanitas aut uapor uel miserabilis.“ (Hieronymus, Nom. hebr. Gen. A, S.  60, Z.  18; vgl. auch Nom. hebr. Matth. A, S.  134, Z.  17) Franz Wutz führt alle vier von

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Bereits in ciu. XV 8 wird Seth als derjenige eingeführt, der für Abel (pro illo) geboren wurde, und dessen Nachkommen in Gen 5,6–32 denjenigen Kains (Gen 4,17–24) gegenübergestellt werden.285 Dieser Gedanke wird in ciu. XV 15 weiter ausgeführt und mit der bereits in der Hebräischen Bibel angelegten etymologischen Begründung seiner Namensgebung (Gen 4,25), die nach Augustin ein Ausspruch Adams darstellt, verbunden: „Denn Gott hat mir einen anderen Samen auferweckt für Abel, den Kain getötet hat.“286 Die von Augustin verwendete Verbform „suscitauit“ stellt die lateinische Übertragung des in der Septuaginta begegnenden Aorists ἐξανέστησεν dar. Bereits in dieser Übertragung des hebräischen Verbs ‫ ׁשית‬in das griechische ἐξανίστημι kann der Grund für die späteren christlichen Deutungen Seths im Sinne von Auferstehung (ἀνάστασις) gesehen werden.287 Doch fungiert der Aorist ἐξανέστησεν in der Septuaginta immerhin noch als Teil der Wendung ἐξανιστάναι σπέρμα („Nachkommenschaft entstehen lassen“)288 , welche dann aber in der lateinischen Übertragung (suscitare semen) nicht mehr erkennbar ist. So konnte das offensichtlich zunehmend von semen isoliert stehende suscitare als Hinweis auf die Auferstehung verstanden werden. Hieronymus führt in seinem Onomasticon sechs mögliche Etymologien des Namens Seth an: „Lage“ (positio), „Stellung“ (positus), „Becher“ / „Trank“ (poculum), „Gras“ (gramen), „Samen“ (semen) und schließlich „Auferstehung“ (resurrectio).289 Er selbst schien bei seiner Übersetzung von Gen 4,25 posuit zu bevorzugen 290 und folgt damit dem jüdischen Übersetzer und Revisor der Septuaginta, Aquila.291 Augustin dagegen, der in Gen 4,25 die Hieronymus verwendeten Etymologien auf hebräische Wurzeln zurück, die in einer morphologischen Nähe zu Abel (‫ )ֶה ֶבל‬stehen: luctus und miserabilis werden auf ‫( אבל‬dt.: klagen, trauern) zurückgeführt, uanitas und uapor auf ‫( הבל‬dt.: der Nichtigkeit verfallen); vgl. Wutz, Onomastica, S.  287.363. 285 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  2 8–38. 286 „suscitauit enim mihi deus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain.“ (Gen 4,25 nach ciu. XV 15, S.  475, Z.  27 f.) 287 Vgl. Klijn, Seth, S.  5. 288 Vgl. Bauer, Sp.   540 (abgesehen von Gen 4,25 [LXX] scheint diese Wendung aber nicht gebräuchlich zu sein, so wird sie in Liddell-Scott, S.  585.1626 nicht aufgeführt). ἐξανιστάναι σπέρμα stellt eine recht wortgetreue Übertragung des Hebräischen dar. Nach Jacob Hoftijzer ist in der Hebräischen Bibel das Verb ‫ׁשית‬, wenn es wie im Fall von Gen 4,25 mit einem Objekt und ‫ ְל‬der Person (in diesem Fall: ‫לי‬   ִ / „für mich / m ir“) steht, mit „donner, procurer“ zu übersetzen (Hoftijzer, Deux vases, S.  339), sodass es hieße: „Gott hat mir einen Nachkommen gegeben / verschafft“. 289  „Seth positio siue positus aut poculum uel gramen aut semen seu resurrectio.“ (Hieronymus, Nom. hebr. Gen. S, S.  71, Z.  12 f.) 290  So zumindest nach der auf Hieronymus zurückgeführten Vulgata-Fassung; vgl. VL 2 (1951), S.  92. 291 „Et uocauit nomen eius Seth. Suscitauit enim mihi Deus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain [Gen 4,25]. Seth proprie θέσις, id est positio, dicitur. Quia igitur posuerit eum Deus pro Abel, propterea Seth, id est positio, appellatur. Denique Aquila et uocauit inquit nomen eius Seth dicens quia posuit mihi dominus semen alterum.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 4,7, S.  7, Z.  26 – S.  8, Z.  31) Die Verbform posuit in Gen 4,25 scheint die adäquateste Wiedergabe des im

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Form suscitauit voraussetzt, wählt die letzte der sechs bei Hieronymus begegnenden Bedeutungen des Namens Seth: resurrectio.292 So kann er in ciu. XV 18 die von ihm gewählten Etymologien für Abel und Seth, „Trauer“ (luctus) und „Auferstehung“ (resurrectio), nebeneinander stellen und sie christologisch deuten: Die beiden biblischen Gestalten würden den Tod Christi und sein Wiederaufleben von den Toten (uita ex mortuis) präfigurieren.293 In den beiden Söhnen Kains und Seths, Henoch und Enosch, treten nach Augustin die „Kennzeichen“ (indicia) der beiden ciuitates noch deutlicher hervor.294 Für Henoch, nach dem die von Kain gegründete Stadt benannt ist, bedient sich Augustin der im Onomasticon des Hieronymus angegebenen Etymologie: „Enoch dedicatio.“295 Die „Weihung“ (dedicatio) wird auf die Gründung der Stadt ‚Henoch‘ bezogen. Weil das Streben der Glieder der ciuitas terrena auf die hiesige Welt gerichtet ist, die ciuitas terrena „einen irdischen Anfang und ein irdisches Ziel hat und man in ihr nichts Höheres erhofft, als was man in der diesseitigen Welt [saeculum] sehen kann“,296 ist mit der Gründung der Stadt Henoch – der Manifestation der ciuitas terrena – bereits ihre Weihung vollzogen: Das „Ziel“ ( finis) der ciuitas terrena ist in der Stadtgründung erreicht.297 Der Begriff dedicatio begegnet – abgesehen von seiner Funktion der ‚Widmung‘ liteHebräischen begegnenden Kal von ‫ שיח‬zu sein, der eine in der Hebräischen Bibel angelegte, mit ‫ כי‬eingeleitete ätiologische Etymologie des Namens Seth ‫ שח‬darstellt. 292  Franz Wutz führt resurrectio im Onomasticon des Hieronymus auf die ‚Vaticanische Gruppe‘ des von ihm angenommenen Onomasticon des Origenes zurück, das s.E. Hieronymus beeinflusst hat. Diese Vaticanische Gruppe habe die hebräische Verbalwurzel ‫ נשא‬durchgängig mit ἀνιστάναι (ἀνθιστάναι) wiedergegeben. Wutz vermutet weiter, dass Hieronymus die Etymologie resurrectio für Seth dieser postulierten Quelle entnommen hat, die zu Seth schreibt: Σὴθ φύτευμα ἢ ἀνάστασις (vgl. Wutz, Onomastica, S.  110.127; auch die anderen Etymologien für Seth bei Hieronymus führt Wutz auf hebräische Wurzeln zurück, die in morphologischer Hinsicht „Seth“ [‫ ]ֵׁשת‬ähneln, vgl. a. a. O., S.  372). 293 „ex duobus namque illis hominibus, Abel, quod interpretatur luctus, et eius fratre Seth, quod interpretatur resurrectio, mors Christi et uita eius ex mortuis figuratur.“ (ciu. XV 18, S.  480, Z.  5 –8) 294 Vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  1–7. 295 Hieronymus, Nom. hebr. Gen. E, S.  65, Z.  17. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass neben dem Sohn Kains eine weitere Person gleichen Namens im Buch Genesis begegnet: Henoch, der Sohn Jereds (Gen 5,18–24). Die von Hieronymus aufgeführte Etymologie „Weihung“ (dedicatio) geht wohl zurück auf die Ähnlichkeit des Namens Henoch (ְ‫ )ֲחנֹוך‬mit dem hebräischen Verb „weihen / weise machen“ (‫)חנך‬. Vgl. Wutz, Onomastica, S.  60. – Aus dem Onomasticon wird aber nicht deutlich, auf welchen der beiden in Genesis genannten Personen mit dem Namen Henoch Bezug genommen wird. 296  „et filius eius, in cuius nomine condita est, Enoch, quod interpretatur dedicatio, indicat istam ciuitatem et initium et finem habere terrenum, ubi nihil speratur amplius, quam in hoc saeculo cerni potest.“ (ciu. XV 17, S.  480, Z.  49–52) 297  Allerdings sollte daraus nicht geschlossen werden, dass die ciuitas terrena mit dem Ende der Weltzeit auf hört zu existieren. Vielmehr wird sie dann ihrem „verdienten Ziel“ (debitus finis) zugeführt (gegen O’Meara, Charter, S.  48 f.; auch dessen These von einer begrifflichen Unterscheidung zwischen ciuitas diaboli und ciuitas terrena bei Augustin verliert somit an Plausibilität; vgl. a. a. O., S.  46–49).

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rarischer Werke298 – insbesondere im römischen Sakralrecht. Objekt einer von hohen Beamten bzw. Priestern ausgeführten dedicatio, die mit einer „Heiligung“ (consecratio) einherging,299 waren Weihegeschenke (meist Standbilder) oder Gebäude und hier insbesondere Tempel, die vor allem einer Gottheit, oder aber einer Person, wie etwa dem Kaiser, geweiht wurden. Für die Weihung von Städten ist der Begriff dedicatio seltener belegt, und wenn, dann i.d.R. im Zusammenhang mit der die Stadt schützenden Stadtmauer.300 In den meisten Fällen geht es aber um die Weihung von Tempeln, die wiederum Auswirkungen auf das Ansehen einer Stadt haben konnte. So seien Tempelweihen „von den provinzialen Städten […] begehrte Privilegien“ gewesen, „die sowohl den Status der Gemeinde als auch den ihres Heiligtums erhöhten“.301 Tempelweihen erfolgten nach römischem Recht erst nach der Fertigstellung eines Tempels oder der Wiederherstellung eines zerstörten Tempels.302 Augustin bezieht in ciu. XV 19 dieselbe Etymologie (dedicatio) auf Henoch, den Sohn Jereds (Gen 5,18–24).303 Von diesem „wird erzählt, dass er nicht gestorben sei, sondern, weil er Gott gefiel, entrückt wurde [translatus esse]“.304 Die Tatsache, dass Henoch von Adam aus gezählt in der Geschlechterreihe an siebter Stelle steht, deutet Augustin im Horizont seines heilsgeschichtlichen Schemas der auf den sieben Schöpfungstagen basierenden sieben Zeitalter als Verweis auf den 298 

Vgl. dazu Schmitzer, Art. Widmung, Sp.  508 f. Koep sieht in diesen Weihehandlungen einen „Doppelakt“, indem er zwischen einer durch den Magistratsbeamten ausgeführten dedicatio – der „Herausnahme einer Sache […] aus dem profanen Besitz des Staates oder Privater“ – und der durch den Pontifex ausgeführten consecratio – der „offizielle[n] Annahme dieses dedizierten Besitzes u[nd] seine Umwandlung in eine res sacra“ differenziert (Koep, Art. Dedicatio, Sp.  643 f.). Er wendet sich damit gegen Georg Wissowa, der nachgewiesen hat, dass die Ausdrücke dedicatio und consecratio oft eng zusammenhängen oder auch vertauscht werden können. Wissowa zufolge würden die spezifischen Funktionen der Amtsträger je nach Art der Weihehandlung variieren. Von einem nahezu synonymen Gebrauch wird auch heute wieder ausgegangen (vgl. Wissowa, Art. Consecratio, Sp.  897–899; Frateantonio, Art. Weihung, S.  421). 300 Leo Koep führt als Belege für die Verwendung des Begriffs dedicatio in Bezug auf Städte u. a. Rufins Darstellung der „Weihung Jerusalems“ (dedicatio Hierosolymorum) durch die Priester (vgl. Rufinus, Hist. X 12, S.  977, Z.  19–22) und 2Esra (= Neh) 12,27 an: „in dedicatione autem muri Hierusalem requisierunt Levitas de omnibus locis suis ut adducerent eos in Hierusalem et facerent dedicationem“ (BSVC[S]; vgl. Koep, Art. Dedicatio, Sp.  646). Joseph Vogt schließt aus der von dem christlichen Geschichtsschreiber Philostorgius stammenden Darstellung der (wohl mit der Grundsteinlegung der Stadtmauer verbundenen) Weihung der Stadt Konstantinopel unter Kaiser Konstantin im Jahr 328, dass hier die „antike Auffassung“, „der Platz für die Anlage einer Stadt [müsse] von der Gottheit bestimmt werden“, in die christliche Vorstellungswelt eingeflossen sei (Vogt, Art. Constantinus, Sp.  350). 301  Frateantonio, Art. Weihung, Sp.  422. 302  Vgl. Wissowa, Art. Dedicatio, Sp.  2 357. 303  Jered, der Vater des entrückten Henoch, ist nicht zu verwechseln mit Irad, der wiederum ein Sohn des erstgenannten Henoch und damit ein Enkel Kains war (vgl. Gen 4,17 f.). 304  „in septima uero, ubi ille qui natus est Enoch non mortuus, sed quod deo placuerit translatus esse narratur“ (ciu. XV 10, S.  466, Z.  16–18). 299  Leo

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eschatologischen Sabbat.305 Ebenso steht Henoch aber von Seth, dem Stammvater der Glieder der ciuitas dei, aus gezählt an sechster Stelle. Dies wiederum assoziiert Augustin mit dem sechsten Schöpfungstag, an dem Gott alle seine Werke vollendet hat.306 Darin erkennt er zugleich ein Symbol für das sechste Zeitalter, in dem Christus auf die Erde kommt und Gott sein Heilswerk vollendet. Augustin verbindet das bereits geschehende und das noch ausstehende Moment des sechsten und des siebten Schöpfungstags mit dem Geschick Henochs zu einer heilsgeschichtlichen Deutung: Die in der Gestalt Henochs gesehene prophetische Präfiguration habe sich zwar bereits insofern erfüllt, als der auferstandene Christus wie Henoch nicht mehr sterben kann und (bei der Himmelfahrt) entrückt worden ist.307 Zugleich präfiguriere aber die Entrückung Henochs die Verzögerung der Weihe für die Christusgläubigen bei der eschatologischen Totenauferstehung.308 Eine ähnliche heilsgeschichtliche Deutung der Figur He­ nochs, die mit dem sechsten und dem siebten Weltzeitalter spielt, findet sich bei Augustin bereits in seiner Schrift gegen Faustus: „Wen bewegt es nicht zum heilbringenden Glauben, dass, indem Henoch, der als siebter von Adam Gott gefiel und entrückt wurde, auch ein siebter Ruhetag verkündet wird, an dem alle die entrückt werden, die am sechsten Weltzeitaltertag durch die Ankunft Christi geformt werden?“309 Die endgültige Weihe steht also für die Glieder der ciuitas dei noch aus, insofern das Haus Gottes bzw. der „Tempel Gottes“ (templum dei) – hier beides Synonyme der ciuitas dei –, dessen „Grundstein“ ( fundamentum) in Christus gelegt wurde,310 erst bei der „Auferstehung aller“ (resurrectio omnium) vollendet sein wird und die „Weihung“ (dedicatio) empfängt.311 Joseph Ratzinger unterscheidet bei Augustins ekklesiologischer Vorstellung vom „Werden des Tempels“ zwei Stufen. So sei die renouatio, präfiguriert in der 305 Vgl.

ciu. XV 19, S.  481, Z.  3 –6. Diese Deutung schließt sich an Jud 14 an. ciu. XV 19, S.  481, Z.  6 –9. 307 Vgl. ciu. XV 19, S.  4 82, Z.  11–13. 308 Vgl. ciu. XV 19, S.  4 81, Z.  9 f. 309  „quem non moueat ad salubrem fidem, quod Enoch septimus ab Adam deo placuit et translatus est: et septima requies praedicatur, ad quam transfertur omnis, qui tamquam sexto die sexta aetate saeculi Christi aduentu formatur?“ (c. Faust. 12,14, S.  343, Z.  20–23) 310  Das Motiv des von Gott in Zion gelegten Fundaments oder Ecksteins begegnet bereits in Jes 28,16, wird in 1Petr 2,6 wieder aufgenommen und klingt auch in 1Kor 3,11 an, wo Christus mit diesem fundamentum identifiziert wird (hier und i.F. zitiert nach BSVC[S]). In Eph 2,19–22 schließlich wird dieses Motiv zu einer eschatologisch-ekklesiologischen Tempelmetaphorik ausgedehnt, die auch als Vorstellungshintergrund von ciu. XV 19 gedient haben könnte. Hier bilden allerdings nicht Christus, sondern die Apostel und Propheten das fundamentum, während Christus mit dem „Eckstein“ (lapis angulari) identifiziert wird. Die Glaubenden fügen sich als weitere Steine in den Bau ein, der so zum heiligen Tempel Gottes heranwächst (crescit in templum sanctum in Domino). Vgl. zu den Gläubigen als lapides des Tempels: ciu. XVIII 45, S.  641, Z.  15 – S.  642, Z.  18; en. Ps. 44,31, S.  515, Z.  2 –5; ausführlich zur Tempelmetaphorik bei Augustin: Ratzinger, Volk, S.  244–260 und 322–337; s. auch Klöckener, Art. Dedicare, Sp.  255–258. 311 Vgl. ciu. XV 19, S.  4 82, Z.  13–17. 306 Vgl.

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Wiederherstellung des Jerusalemer Tempels nach dem Babylonischen Exil, die bereits erfolgte „Umgestaltung der alttestamentlichen Gottesgemeinde zu derjenigen des Neuen Testaments“, während die vollständige „Weihung“ (dedicatio) als zweite Stufe noch ausstünde: Dedicatio domus ist dann die eschatologische Endformung des Gottestempels, jetzt schon vorweggenommen im Haupt des Leibes: Christus. […] Im Hintergrund steht hier das Bewusstsein, dass die Kirche des Glaubens sich in einem durchaus vorläufigen und unerfüllten Zustand befindet.312

Indem Augustin die bei Hieronymus angegebene Etymologie für Henoch in unterschiedlicher Weise sowohl auf den Sohn Kains und die nach ihm benannte Stadt als auch auf den entrückten Henoch als besonderes Glied der ciuitas dei313 bezieht, ist es ihm möglich, die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden ciuitates weiter zu profilieren. Er kann mit seiner Rezeption der Etymologie Henochs zum einen auf die Erfahrungen seiner Leser mit Weihen von Städten bzw. Tempeln zurückgreifen. So scheint in seiner Darstellung der bereits erfolgten Weihe der Stadt Henoch eine Kritik an paganen Weihepraktiken im Römischen Reich vorzuliegen, wie sie sich schon an früherer Stelle in ciu. findet.314 Zum anderen greift Augustin auf die neutestamentliche Metapher des sich noch im Bau befindlichen Tempels Gottes zurück, dessen Fertigstellung und Weihe das erhoffte eschatologische Ziel darstellt (Eph 2,19–21). Bei seiner Auslegung der durch Nathan an David ergehenden Verheißung eines von Gott erbauten Tempels (2Sam 7,8–29) in ciu. XVII 12 wird deutlich, dass diese ekklesiologische 312 Ratzinger,

Volk, S.  328 f. im Lukasevangelium, in dem die Genealogie aus Gen 5 in umgekehrter Reihenfolge aufgenommen wird (Lk 3,36–38), ist Henoch ein Glied des Stammbaums Jesu. Auch bei Augustin wird Henoch unter die vor Abraham bzw. vor Mose aufgetretenen „alten Gerechten“ (antiqui iusti) gezählt, die – trotz ihrer Unbeschnittenheit – vor Gott gerecht waren (vgl. c. Faust. 19,20, S.  518, Z.  17–20). Henoch wird mehrfach in einem Atemzug mit den anderen frühen Gerechten wie Abel, Seth, Noah und Abraham genannt (vgl. en. Ps. 101,2,11, S.  1446, Z.  1–4). Nach en. Ps. 128,2, S.  1882, Z.  3 –6 war die „Kirche“ (ecclesia) zur Zeit Henochs allein in ihm präsent, nach bapt. 1,25, S.  161, Z.  1–4 wurde Henoch wie die anderen Heiligen von der einen ‚Mutter‘ geboren (vgl. zur Mutter als Sinnbild der Kirche Abschnitt 1.2.2). 314  Augustin kritisiert insbesondere die Weihepraxis in Bezug auf die Spiele, aber auch Tempelweihen erscheinen mehrfach (im Zuge der allgemeinen Ablehnung der Kultpraxis aufgrund ihrer Nutzlosigkeit) in einem negativen Licht (vgl. u. a. ciu. II 20, S.  52, Z.  43–46). In ciu. V 18 kontrastiert Augustin die Ruhmsucht des Konsuls Marcus Pulvillus, der die „Weihe“ (dedicatio) eines Jupitertempels fortsetzte, obwohl ihm die Nachricht vom Tode seines Sohnes überbracht wurde, mit der selbstlosen Opferbereitschaft der heiligen Märtyrer, die für ihre Glaubensbrüder starben (vgl. ciu. V 18, S.  152, Z.  71–82; s. auch Klöckener, Art. Dedicare, Sp.  256). Der früheste Zeuge dieser Geschichte über Marcus Pulvillus ist Cicero (vgl. Dom. 139, S.  93, Z.  20 – S.  94, Z.  8), der die Störung der Tempelweihe aber noch nicht als Todesnachricht konkretisiert und sie ohnehin als gegen den Konsul gerichtete Intrige seiner Feinde bewertet. Von der Marcus Pullvillus überbrachten Todesnachricht berichten erst spätere Geschichtsschreiber wie Titus Livius, Plutarch und Cassius Dio (vgl. dazu Münzer, Art. Horatius, Sp.  2402–2404). 313  Bereits

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Vorstellung bei Augustin alttestamentlich fundiert ist. Die Nathansverheißung beziehe sich nämlich nicht etwa auf den irdischen, unter Davids Sohn Salomo gebauten Tempel, sondern auf ebenjenen Tempel Gottes, dessen Erbauer Gott selbst ist und dessen „letzte Weihung“ (dedicatio ultima) noch aussteht.315 Wie bei Adam, so hat auch der Eigenname „Enosch“ (‫ )ֱאנֹוש‬im Hebräischen die Bedeutung „Mensch“ oder „Menschheit“316 – ein Umstand, der auch Augustin bewusst ist. Er sieht den Bedeutungsunterschied darin, dass Gott mit „Adam“ (‫ )ָאדָם‬nach Gen 5,2 sowohl das weibliche als auch das männliche Geschlecht bezeichnet,317 während „Enosch aber, wie der hebräischen Sprache Kundige versichern, Mensch in einer Weise bedeutet, dass es nicht möglich ist, eine Frau damit zu benennen“.318 Diese bei Augustin vorausgesetzte Konnotation von Enosch kann u. a. durch die Tatsache gestützt werden, dass das dem hebräischen ‫    ֱאנֹוש‬nahestehende ugaritische Verb ’nš „mannhaft sein“ bedeutet.319 Augustin freilich, der sich hier auf ‚Kundige dieser Sprache‘ beruft, wird diese spezifische Information (wie auch die Bedeutung „Mensch“ [homo] für Enosch) wohl von Hieronymus übernommen haben, der in seinen Hebraica quaestiones in libro Geneseos (i.F.: Qu. hebr. Gen.) zu Enosch schreibt: „Wie Adam mit Mensch übersetzt wird, so wird auch Enosch gemäß der Vielfalt der hebräischen Sprache Mensch oder Mann [uir] genannt.“320 Augustin interpretiert diesen Bedeutungsunterschied zwischen ‚Adam‘ und ‚Enosch‘ so, dass es im Eschaton, also dort, wohin „die Wiedergeburt [regeneratio] führen wird“,321 unter den Gliedern der ciuitas dei keine „Zeugung“ (generatio) mehr geben wird.322 Im 315 Vgl. ciu. XVII 12, S.  577, Z.  59 – S.  578, Z.  8 8. Ausführlich widmet sich Augustin der Thematik des Tempels Gottes, der nicht auf der Erde, sondern im Himmel errichtet wird, in ciu. XVIII 45.48; s. dazu Abschnitt 5.2.1. 316 Vgl. Maass, Art. ‫אנֹוש‬ ֱ , Sp.  373. Der Unterschied zwischen ‫ ָא ָדם‬und ‫ ֱאנֹוש‬wird heute darin gesehen, dass letztgenannter Begriff den Aspekt der Sterblichkeit und Hinfälligkeit, aber auch der Geselligkeit menschlichen Seins hat (vgl. ebd. und Gertz, Art. Enosch). 317 Vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  14–22. 318  „Enos autem sic interpretatur homo, ut hoc non posse feminam nuncupari periti linguae illius adseuerent.“ (ciu. XV 17, S.  479, Z.  22–24) 319  Vgl. mit Beleg: Maass, Art. ‫אנֹוש‬ ֱ , Sp.  373. 320  „Quo modo Adam homo interpretatur, ita et Enos iuxta hebraeae linguae uarietatem homo uel uir dicitur.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 4,26, S.  8, Z.  2 –4) 321  „non enim erit ibi generatio, cum illuc perduxerit regeneratio.“ (ciu. XV 17, S.  479, Z.  25 f.) Der Terminus generatio kann bei Augustin sowohl für den Zeugungsakt bzw. die Fortpflanzung im Allgemeinen, die ‚Hervorbringung‘ in einem übertragenen Sinn, als auch „für das ‚Produkt‘ der Fortpflanzung, für die ‚Nachkommenschaft‘“ stehen (C. Müller, Art. Generatio, Sp.  109). 322  Dies erinnert an die zu Beginn von ciu. XV gegebene Definition Augustins von irdischer Geschichte als derjenigen Zeit, in der – im Unterschied zum Eschaton – Zeugungen stattfinden (s. Abschnitt 1.2.1 mit Anm.  109). In ciu. XV 17 begründet Augustin seine Annahme, dass es im Reich Gottes keine Zeugungen mehr geben wird, neutestamentlich mit Lk 20,35, wo allerdings nicht von „Zeugung“ (generatio), sondern von Heirat (nubere / uxor [BSVC(S)]) die Rede ist.

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Umkehrschluss also steht ‚Adam‘ für den irdischen, nicht erlösten Menschen, der zweigeschlechtlich existiert und sich entsprechend fortpflanzt. In ciu. XV 18 gibt Augustin noch eine weitere etymologische Deutung des Namens Enosch: Neben „Mensch“ (homo) bedeute dieser Name auch „Hoffnung“ (spes).323 In Gen 4,26 folgt auf den Bericht über die Zeugung des Enosch durch Seth eine Notiz, die nach der Hebräischen Bibel lautet: „Damals wurde damit angefangen, den Namen JHWHs anzurufen.“ Bereits in der Septuaginta findet sich anstelle des Hofal von ‫חלל‬, „es wurde angefangen“ (‫)הּוַחל‬, der Aorist ἤλπισεν („er hat gehofft“),324 und so lautet auch bei Philo unter Bezugnahme auf Gen 4,26 die Etymologie: „Der Name Enosch, Sohn des Seth, ist zu verstehen als Hoffnung [ἐλπίς]“.325 In der auf die Arbeit des Hieronymus zurückgehenden Vulgata wird das Verb in Gen 4,26 mit coepit („er hat begonnen“) wiedergegeben, was dem hebräischen Text wieder näherkommt.326 Auch die Etymologie im Onomasticon des Hieronymus unterscheidet sich von derjenigen Philos.327 Die Textgrundlage Augustins scheint dagegen der Septuaginta zu folgen, da in seinen Zitaten das betreffende Verb in Gen 4,26 mit sperauit („er hat gehofft“) wiedergegebenen wird. Entsprechend entscheidet er sich bei seiner Etymologie in diesem Fall gegen Hieronymus und hält „Hoffnung“ (spes) für die bibelgemäßere Variante. Zugleich gibt diese zweite Etymologie Enoschs Augustin die Gelegenheit zu einer weiteren geistlichen Deutung. Gemeinsam mit den bereits ausgeführten Etymologien zu Abel (luctus) und Seth (resurrectio) sowie deren christologischer Rezeption 328 wird Enosch zum Paradigma aller auf Erden pilgernden Frommen, die auf die himmlische Anrufung Gottes und damit auf das „ewige Glück“ ( felicitas aeterna) hoffen.329 Dabei basiert diese Hoffnung auf dem Glauben an die 323 Vgl.

ciu. XV 18, S.  480, Z.  1 f. Umstand kann dadurch erklärt werden, dass die Übersetzer der Septuaginta ‫ הו ַּחל‬als „akt[ive] Verbform mit der mutmaßlichen Wurzel ‫( “יחל‬SDEK I, S.  165) gelesen haben, die mit „warten“, „harren“ oder „hoffen“ übersetzt werden kann (vgl. Gesenius, S.  459; Christoph Barth zählt ‫ יחל‬zu den „Verben des Wartens und Hoffens“ [Barth, Art. ‫יחל‬, Sp.  606]), was in der LXX u. a. mit ἐλπίζειν wiedergegeben werden kann (vgl. Bultmann, Art. ἐλπίς. B., S.  518). 325  τὸν γὰρ τοῦ Σὴθ υἱὸν ὄνομα Ἐνὼς – ἑρμηνεύεται δὲ –*** ἐλπίς. (Philo, Det. §  138, S.  289, Z.  14 f.) 326 Vgl. VL 2 (1951), S.  9 2. Allerdings war Hieronymus auch die der LXX nahestehende Variante nicht unbekannt, die er ebenfalls zitieren und näher ausführen kann: „Et uocauit nomen eius Enos: hic sperauit inuocare nomen domini dei. Quo modo Adam homo interpretatur, ita et Enos iuxta hebraeae linguae uarietatem homo uel uir dicitur. Et pulchre, quia hoc uocabulum habuit, de eo scriptum est tunc initium fuit inuocandi nomen domini: licet plerique Hebraeorum aliud arbitrentur quod tunc primum in nomine domini et in similitudine eius fabricata sint idola.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 4,26, S.  8, Z.  1–7) 327  „Enos homo siue desperatus uel uiolentus“ (Hieronymus, Nom. hebr. Gen. E, S.  65, Z.  17 f.; s. dazu Wutz, Onomastica, S.  20). 328 Vgl. ciu. XV 18, S.  4 80, Z.  5 –8. 329 Vgl. ciu. XV 18, S.  4 81, Z.  18–24. 324  Dieser

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Auferstehung Christi (symbolisiert in Seth), die dessen Tod (symbolisiert in Abel) zur Voraussetzung hat, so wie Enosch als aus Seth hervorgegangen ist, der wiederum als Nachfolger des getöteten Abel war.330 Gemeinsam markieren diese drei biblischen Gestalten den Beginn der ciuitas dei auf Erden. Deutlich wird hier auch, dass der Glaube der Glieder der ciuitas dei (und zwar nicht erst seit Enosch, sondern schon seit Abel) im heilsgeschichtlichen Denken Augustins von Anfang an konturiert ist durch das Heilsgeschehen in Christus – und sei es noch so sehr verborgen in der „Tiefe des Geheimnisses“ (altitudo sacramenti).331 Dass es sich bei dem erhofften „Anrufen des Namens des Herrn“ (inuocare nomen domini dei) nicht etwa um das Gebet, sondern um die ewige Verehrung Gottes und damit um ein eschatologisches Hoffnungsgut handelt, wird von Augustin ausführlich anhand der Formulierung der Etymologie in Gen 4,26 begründet.332 Das Ziel der Bürger der ciuitas dei kann also niemals auf Erden erfüllt werden, da das Objekt ihrer Hoffnung kein irdisches Gut ist: ganz im Gegensatz zu den Bürgern der ciuitas terrena, die ihre Hoffnung auf sich selbst oder auf andere Menschen setzen und, wie Augustin unter Berufung auf Jer 17,5 betont, verflucht sind.333 1.2.8 Wer ist der Vater von Kain, Abel und Seth? Es fällt auf, dass Augustin sowohl bei Kain als auch bei Seth die alttestamentlichen etymologischen Erklärungen (Gen 4,1 und 4,25) Adam in den Mund legt, obwohl es in beiden Fällen grammatikalisch näherliegt, dass diese Aussagen von seiner Frau Eva getroffen werden.334 Auch zu Zeiten Augustins war es nicht ungewöhnlich, dass man davon ausging, dass Eva hier spricht,335 was die Entscheidung Augustins für Adam noch auffälliger macht. Eine Erklärung für dieses Phänomen könnten die Interpretationen von Gen 4,1 sein, die die Aussage Evas, ‚Ich habe einen Menschen durch Gott erworben‘ als Hinweis auf einen sexuellen Akt zwischen Eva und Gott bzw. einem dämonischen Wesen verstan330 Vgl.

ciu. XV 18, S.  481, Z.  18–24; S.  380, Z.  4 –12 unter Bezugnahme auf Röm 8,24 f. ciu. XV 18, S.  481, Z.  15. 332 Vgl. ciu. XV 18, S.  4 81, Z.  24–33. Das entsprechend futurisch gehaltene Prophetenwort aus Joel 3,5 / 2 ,32 BSVC(S) (vgl. Röm 10,13) dient ihm dabei als Beleg. 333 Vgl. ciu. XV 18, S.  4 81, Z.  33–40. 334  Vgl. zu Gen 4,1: ciu. XV 15, S.  475, Z.  16–18; zu Gen 4,25: ciu. XV 15, S.  475, Z.  24–28. 335  Auch der Zeitgenosse Ambrosius konnte davon ausgehen, dass die Etymologie Kains in Gen 4,1 von Eva ausgesprochen wird (vgl. Cain I 1,2, S.  339, Z.  8 –19). Hinsichtlich Gen 4,25 ist bereits bei Philo die Tendenz zu erkennen, die Etymologie Seths Adam in den Mund zu legen. Während diese Aussage in der Septuaginta durch das feminine Partizip λέγουσα eindeutig Eva zugeordnet wird, kann bei Philo eben dieses Partizip wegfallen (vgl. Philo, Post. §  124, S.  27, Z. 16–18) und an anderer Stelle Adam ganz offen als derjenige genannt werden, der die Etymologie Seths ausspricht (QG I 78, S.  150, Z. 1–3). Bereits vor Philo ist diese Tendenz erkennbar, so wird beispielsweise im Berliner Genesisfragment (Papyrus 911) λέγουσα durch [ε]ιπεν ersetzt, womit das Verb nicht mehr eindeutig Eva zuzuordnen ist (vgl. VTG.ASG I [1974]). 331 Vgl.

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den haben.336 Zum Teil verband sich diese Deutung mit der Annahme, dass die dem Geburtsbericht Kains vorangestellte Wendung ‚Adam erkannte seine Frau‘ nicht im Hinblick auf einen sexuellen Akt zwischen den beiden ersten Menschen, sondern wörtlich im Sinne einer besonderen Kenntnis Adams über Eva zu verstehen sei und Adam somit nicht der Erzeuger Kains gewesen sei. Ein prominentes Beispiel für diese Tradition findet sich in 1Joh 3,10.12, wo Kain als eines der „Kinder des Teufels“ (τὰ τέκνα τοῦ διαβόλου) eingeführt wird, der „von dem Bösen herstammt“ (εἶναι ἐκ τοῦ πονηροῦ). Und auch Tertullian schreibt: „Denn alsbald, als sie [sc. Eva] durch den Samen des Teufels schwanger geworden war, gebar sie durch die Fruchtbarkeit der Bosheit einen Sohn des Zornes“.337 Diese Deutung musste Augustin missfallen haben, will er doch Kain als den Archetyp eines Bürgers der ciuitas terrena innerhalb der Weltzeit und damit explizit als einen Menschen beschreiben, der auf eine menschliche Zeugung zurückgeht.338 Es ist daher anzunehmen, dass er die Aussage über den Empfang Kains ganz bewusst Adam in den Mund legt, um solchen Missverständnissen vorzubeugen. Ein weiterer Hintergrund für die Betonung der Realität der leiblichen Abstammung Kains von Adam kann im Pelagianischen Streit gesehen werden: Die Abfassung des zweiten Buches von De nuptiis et concupiscentia (i.F.: nupt. et conc.) im Jahr 420/421,339 das eine Widerlegung der Augustin wohl bereits 419/420 vorliegenden Schrift Ad Turbantium des Julian von Aeclanum darstellt,340 liegt in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Entstehung 336  Ambrosius versteht die in Frage stehende Wendung, dass Eva ‚durch Gott [per deum] einen Menschen erworben hat‘, so, dass Gott in Bezug auf Kain nicht als „Instrument“ (in­ strumentum), sondern als „Urheber und Schöpfer“ (auctor et operator) fungiert (vgl. Cain I 1,2, S.  339, Z.  8 –19). Ambrosius nimmt hier Gedanken Philos zu Gen 4,1 auf, demzufolge Gott nicht Werkzeug (ὄργανον), sondern Ursprung (αἴτιον) aller Dinge ist (vgl. Philo, Cherubim §§  125–130, S.  199, Z.  24 – S.  201, Z.  5; ähnlich in QG I 58, S.  128, Z.  25 – S.  130, Z.  4). Philo ordnet also das in Gen 4,1 angesprochene Wirken Gottes in das schöpferische Handeln Gottes bei der Entstehung eines jeden Menschen ein, lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Geburt Kains das Resultat der sexuellen Vereinigung zwischen Adam und Eva ist (vgl. Philo, Virt. §  199, S.  327, Z.  16 – S.  328, Z.  1). Zur strittigen Frage nach dem Vater Kains in der Auslegungsgeschichte von Gen 4,1 vgl. Byron, Cain, S.  11–20. 337  „Nam statim illa semine diaboli concepta, malitiae fecunditate irae filium procreauit.“ (Tertullian, Pat. V 15, S.  76, Z.  49 f.) 338 In ciu. XV 1 werden die Glieder der beiden ciuitates innerhalb der Weltzeit als durch menschliche Zeugungen hervorgegangen definiert (vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  25–28). Bereits im Kontext des Pelagianischen Streits hatte Augustin betont, dass der Übergang der Sünde von Adam auf seine Nachkommen substanzhaft verstanden werden muss, wofür eine Zeugung derselben durch Adam die Voraussetzung ist, die der Teufel als geistiges Wesen gerade nicht erfüllen kann (s. Abschnitt 1.1.4). Auch bei seinen Ausführungen zu den Nachkommen Kains und Seths in ciu. lässt Augustin keinen Zweifel daran, dass es sich bei Kain und Seth um die leiblichen Kinder Adams und Evas handelt. 339  Vgl. diese erschlossenen Daten bei Drecoll, Chronologie, S.  259; Josef Lössl geht von einer Entstehungszeit von nupt. et conc. 2 zwischen „Ende 419 und Anfang 420“ aus (Lössl, Art. Nuptiis, Sp.  261 f.). 340  Vgl. Lössl, De nuptiis, S.  338.

1 Das erste Weltzeitalter: Von Kain und Abel bis zur Sintflut

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von ciu. XV. In nupt. et conc. 2,17 setzt sich Augustin insbesondere mit Julians Deutung von Kains Zeugung in Gen 4,1 auseinander. Danach habe Adam seine Frau Eva nicht „durch Begierde des Fleisches“ (concupiscentia carnis)341, sondern lediglich „durch natürlichen Trieb“ (adpetitus naturalis)342 erkannt und so seine Nachkommen gezeugt. Dies hält Augustin wiederum für eine Umschreibung Julians, der sich dessen schäme, offen von der Konkupiszenz oder der „Lust der Geschlechtsorgane“ (libido membrorum genitalium)343 zu sprechen.344 Auch Julian geht davon aus, dass die Etymologie ‚Ich habe einen Menschen durch Gott erworben‘ von Adam ausgesprochen wird.345 Seine Deutung dieser Aussage jedoch, dass Kain ein „Werk Gottes“ (opus dei) sei, scheint in den Augen Augustins zwar richtig, aber unterbestimmt zu sein, denn bei der Zeugung eines jeden Menschen nach dem Sündenfall sei notwendig auch die „fleischliche Begierde“ beteiligt, die eben „nicht vom Vater, sondern von der Welt“346 sei. Die Namensgebung Seths und die sich ihr anschließende Etymologie in Gen 4,25, „Denn Gott hat mir einen anderen Samen auferweckt für Abel, den Kain getötet hat“, wird nach Augustin ebenfalls von Adam ausgesprochen. Im Gegensatz zur Aussage in Gen 4,1 könnte man hier immerhin Gen 5,3 geltend machen, wo eindeutig von Adam als dem Namensgeber Seths die Rede ist. Die leibliche Abstammung Seths von Adam wurde im Kreis der sogenannten Sethianer, einer spezifischen gnostischen Gruppierung, die v. a. durch die Texte von Nag Hammadi bezeugt ist,347 in Frage gestellt oder zumindest offengehalten. Pseudo-Tertullian beispielsweise, der früheste greif bare Autor, der Kenntnis von den Sethianern hatte,348 referiert deren Position, dass Kain und Abel nicht die leibli341 Vgl. nupt. et conc. 2,17, S.   269, Z.  19; s. zum Folgenden auch Bonner, Art. Adam, Sp.  77 f. 342 Vgl. nupt. et conc. 2,17, S.  2 69, Z.  18. Bei der Wendung adpetitus naturalis ist zu bedenken, dass Julian einen positiven Begriff von natura hatte (vgl. einführend: Lamberigts, Art. Iulianus, Sp.  840–842). Er verstand die Fortpflanzung Adams wohl in erster Linie als vernünftiges Befolgen des Mehrungsauftrages und damit im Rahmen der guten Schöpfungsordnung Gottes. 343 Vgl. nupt. et conc. 2,17, S.  270, Z.  2 . 344 Vgl. nupt. et conc. 2,17, S.  2 69, Z.  12 – S.  270, Z.  2 . 345  „sed quid, inquit, dicit Adam audiamus: adquisiui hominem per deum.“ (nupt. et conc. 2,17, S.  270, Z.  8 f.) 346  Augustin bezieht sich hier auf den 1. Johannesbrief: „carnis concupiscentia […] non est a patre, sed ex mundo est.“ (1Joh 2,16 nach nupt. et conc. 2,17, S.  270, Z.  12.15) 347 Vgl. Schenke, Art. Sethianismus, Sp.  379. Allerdings wird von Teilen der Forschung die Grundannahme Hans-Martin Schenkes in Frage gestellt, dass es sich beim Sethianismus um ein eigenständiges gnostisches System gehandelt habe (vgl. Tardieu, Les livres, S.  210). Auch wenn die Äußerungen einiger christlicher Autoren die Existenz einer solchen Gruppe von Sethianern voraussetzen, kann es sich dabei auch um ein häresiologisches Konstrukt handeln. Auch die auf gnostische Strömungen zurückgeführten Quellen lassen hier unterschiedliche Deutungen zu (s. zur Diskussion Wilson, Art. Gnosis II, S.  544 f.). 348 So die Einschätzung von Klijn, Seth, S.   82. Da die häresiologischen Schriften des Epiphanius von Salamis und des Philaster von Pseudo-Tertullians Adversus omnes haereses oder dessen Quelle abhängig sind, ist die Datierung der Schrift vor diesen beiden Autoren anzu-

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chen Nachkommen Adams und Evas seien, sondern von untereinander zerstrittenen Engeln geschaffen wurden. Nach der Tötung Abels habe jene „Kraft“ (uirtus), die „über allen Kräften ist“ und auch als Mutter bezeichnet wird, einen Ersatz für Abel gewollt, und so sei „Seth an der Stelle Abels empfangen und geboren“ worden, damit durch ihn jene zerstrittenen Engel, die Kain und Abel geschaffen hatten, vernichtet würden.349 In der Darstellung Pseudo-Tertullians bleibt allerdings offen, ob Seth von jener Mutter selbst empfangen und geboren wurde, oder ob sie nur den Auftrag dazu gab. Auch Augustin scheint von solchen Lehren der Sethianer Kenntnis gehabt zu haben, wie seine nach den Retractationes (i.F.: retr.) entstandene Schrift De haeresibus (i.F.: haer.) belegt:350 Den Sethianern zufolge gehe Seth auf eine Paarung zwischen einer „oberen Mutter“ (mater superna) und einem „oberen Vater“ (pater supernus) zurück. Durch diesen Akt sei ein neuartiges, von Seth ausgehendes göttliches Geschlecht (diuinum semen aliud) entstanden, dessen Glieder man auch als „Söhne Gottes“ ( filii dei) bezeichne351 – und mit denen sich die Sethianer identifizierten.352 setzen; von vielen wird zudem eine Nähe zum verlorenen Syntagma des Hippolytus von Rom aus dem frühen 3. Jahrhundert angenommen (vgl. Pummer, Christian Authors, S.  32). Eventuell handelt es sich sogar bei Pseudo-Tertullians Adversus omnes haereses um eine aktualisierte lateinische Übersetzung des Syntagma des Hippolytus (so vermutet Rasimus, Paradise, S.  21 mit Anm.  34). 349  „huius peruersitatis doctrina haec est: duos homines ab angelis constitutos, Cain et Abel. propter hos magnas inter angelos contentiones et discordias extitisse. ob hanc causam illam uirtutem, quae super omnes uirtutes esset, quam matrem pronuntiant, dum Abel interfectum dicerent, uoluisse concipi et nasci hunc Seth loco Abelis, ut euacuarentur angeli illi, qui duos priores illos homines condidissent, dum hoc semen mundum moritur et nascitur.“ (Pseudo-Tertullian, Adv. haer. 2, S.  218, Z.  3 –10; vgl. dazu auch: Klijn, Seth, S.  82) 350  Den Plan zu den retr. hatte Augustin bereits im Jahr 412 gefasst, die Entstehungszeit der beiden erhaltenen Bücher lässt sich aber nicht präzise festlegen; Hildegund Müller nimmt mit 426/427 eine „(unscharfe) Datierung“ vor (H. Müller, Art. Retractationes, Sp.  1181 f.). Die in den retr. nicht erwähnte Schrift haer. dagegen entstand danach; die Datierungsvorschläge reichen von 428 bis 430 (vgl. Scopello, Art. Haeresibus, Sp.  280 f.). 351  „Sethiani nomen acceperunt a filio Adae, qui uocatus est Seth; eum quippe honorant, sed fabulosa et haeretica uanitate. dicunt enim eum de superna matre natum, quam perhibent conuenisse cum superno patre, unde diuinum semen aliud nasceretur, tamquam filiorum dei.“ (haer. 19, S.  298, Z.  1–5) Den Begriff filii dei für die Nachkommen Seths nimmt Augustin bei seiner Auslegung von Gen 6,1–4 in ciu. XV 8, S.  463, Z.  28–38 selbst auf. Dabei bleibt aber für ihn klar, dass es sich bei dieser Sohnschaft – vergleichbar mit seiner Rede vom geistlichen Samen Abrahams – nicht um eine leibliche Abstammung von einer Gottheit, sondern um eine geistliche, durch die gnadenhafte Aufnahme in die ciu. gestiftete, handeln kann. ‚Gotteskinder‘ sind demnach diejenigen, die nicht „nach Menschenweise“ (secundum hominem), sondern „nach Gott leben“ (secundum deum uiuere) (vgl. ciu. XV 8, S.  463, Z.  28–35; s.  d azu Abschnitt 1.3.2). Während Christus der einzig wahre Gottessohn ( filius dei unicus) ist, wird es nach Joh 1,12 auch den Menschen ermöglicht, zu filii dei zu werden. Für Augustin ist dabei klar, dass diese Sohnschaft a) im Vergleich zur Gottessohnschaft Christi nur eine Adoptivsohnschaft sein kann (vgl. Io. eu. tr. 7,4, S.  69, Z. 3–5) und b) nur durch die gratia dei realisiert wird (vgl. trin. 5,15, S.  222, Z. 8–12; s. dazu Fuhrer/Drecoll, Art. Filia, Sp.  14 f.). 352 Vgl. Schenke, Art. Sethianismus, Sp.  379.

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Julian von Aeclanum, der Sexualität als etwas grundsätzlich Positives bewertete und die mit der Ursündenlehre Augustins verbundene Position, dass „im Zeugungsakt das Böse wie ein körperlicher Makel von einer Generation auf die nächste vererbt würde“,353 als manichäisch verwarf, konnte die von Adam ausgesprochene Etymologie Seths in Gen 4,25 – „und er nannte ihn Seth und sprach: ‚Gott hat mir einen anderen Samen auferweckt für Abel, den Kain getötet hat‘“354 – im Sinne einer göttlichen Legitimation des Geschlechtsverkehrs verstehen. Er meinte, dass damit ausgesagt würde, „dass die Gottheit selbst einen Samen auferweckt habe, um einen Beweis für die Einsetzung des Geschlechtsverkehrs zu erbringen“.355 Für Augustin geht jedoch aus Gen 4,25 klar hervor, dass Adam die Aussage über seinen Sohn nicht „nach seiner Begattung“ (post coitum suum), sondern erst nach der Geburt Seths trifft.356 Deshalb gehe Julian auch fehl, wenn er die Wendung suscitari semen in einem zu wörtlichen Sinne als eine göttliche Erregung des Paarungstriebes (libido coeundi) Adams und damit seines Samens begreift.357 Augustin zufolge ist die Aussage als nach der Geburt erfolgender Dank Adams für den von Gott geschenkten Sohn zu deuten: „Er hat in mir einen Samen auferweckt“ bedeute „nichts anderes als: Er hat mir einen Sohn gegeben“.358 Tatsächlich wird Augustin den in Gen 4,25 angesprochenen semen wohl eher im übertragenen Sinn als die Fortsetzung des von Gott intendierten Geschlechts der Bürger der ciuitas dei verstanden haben.359

353 Löhr,

Auseinandersetzung, S.   201. uocauit nomen eius Seth dicens: suscitauit mihi dominus semen aliud pro Abel, quem occidit Cain“ (Gen 4,25 nach nupt. et conc. 2,19, S.  271, Z.  12–14). Bei dieser Version von Gen 4,25, die Augustin hier nach Julian zitiert, fehlt das den Kausalsatz und damit die etymologische Erklärung einleitende enim (hebräisch: ‫) ִּכִי‬, was aber auch beispielsweise bei Hieronymus der Fall ist (vgl. VL 2 [1951], S.  92). 355  „deinde addit et dicit: ad documentum instituti coitus ipsum semen diuinitas dicitur excitasse.“ (nupt. et conc. 2,19, S.  271, Z.  14 f.) 356 Vgl. nupt. et conc. 2,19, S.  271, Z.  21–23. 357 Vgl. nupt. et conc. 2,19, S.  271, Z.  15–19. 358  „[Iulianus] nescit non esse dictum excitauit mihi semen nisi dedit mihi filium.“ (nupt. et conc. 2,19, S.  271, Z.  19 f.) 359 Vgl. ciu. XV 15, S. 475, Z.  24–28. Der Ausdruck semen kann in metonymischer Verwendung „Stamm“ oder (königliches) „Geschlecht“, in poetischem Gebrauch „Sprössling“, „Nachkomme“ oder „Kind“ bedeuten; vgl. DNG 2, Sp. 4335. Augustin geht davon aus, dass Gott zunächst für Menschen unsichtbare semina geschaffen hat (vgl. ciu. XII 24, S.  381, Z.  15– 22). Diese bilden den Ausgangspunkt pflanzlichen, tierischen und menschliches Lebens, das sich wiederum selbst mit Hilfe von semina fortpflanzt (vgl. trin. 3,13, S.  140, Z.  31–37). Der Schöpfungsplan Gottes ist also in jedem semen angelegt (vgl. Eisgrub, Art. Semen, Sp. 194 f.). 354 „et

138

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1.3 Der weitere Verlauf des ersten Weltzeitalters 1.3.1 Der Beginn der Zeitrechnung Augustin wendet sich in ciu. XV 21 dem auffälligen Umstand zu, dass nach der Aufführung der Nachfahren Kains bis zu Lamech (Gen 4,17–24) und der Beschreibung der Geburt Seths (Gen 4,25 f.) und dessen Sohns Enosch nochmals in einer Art Einschub von der Erschaffung des Menschen die Rede ist (Gen 5,1 f.), bevor die Nachfahren Adams (in der Linie Seths) aufgeführt werden.360 Es war nach Augustin die Absicht des Verfassers, mit den beiden Abstammungsregistern in Gen 4 und 5 die beiden ciuitates einzuführen. So beginne die Aufzählung der Nachkommen Kains mit einem Mörder (Kain) und ende mit einem solchen (Lamech). Letztlich ist es aber eine vergängliche Geschlechtsreihe, die mit der Sintflut endet 361 und auch danach nicht wieder aufgenommen wird (obwohl es freilich auch nach der Sintflut wieder Glieder der ciuitas terrena gibt) – im Unterschied zu der bis Noah und seinen Söhnen reichenden Genealogie in Gen 5, die in Gen 11,10–26 bis zu Abram weitergeführt wird und, so Augustin in ciu. XV 20, im Matthäusevangelium von Abraham aus in Christus, dem „König der Gottesstadt“ (rex ciuitatis dei) ihren Abschluss erreicht.362 So habe Henoch, der Sohn Kains und damit der „Sohn des Besitzes“ ( filius possessionis), der mit seinem Namen zugleich die Ausrichtung der gesamten ciuitas terrena auf den irdischen Besitz charakterisiert, zwar auf dieser Welt einen Namen – wahrscheinlich denkt Augustin hier an die durch Kain gegründete Stadt gleichen Namens –, doch werde dieser Name zunichte gemacht werden bei der Vollendung der ciuitas dei.363 Enosch als der Sohn Seths dagegen übt mit seiner Hoffnung, den Namen des Herrn anzurufen, die „ganze und höchste Aufgabe“ (totum atque summum negotium)364 aus, die man unter den Bedingungen der Endlichkeit in der ciuitas dei wahrzunehmen hat. Da dies letztlich die wesentliche Eigenschaft und Aufgabe der Bürger der Gottesstadt ist, „ist dieser eine Mensch [Enosch] die Einheit der gesamten oberen Stadt“.365 Die „Wiederholung“ (recapitulatio) der Erschaffung des Menschen (Gen 5,1 f.) erklärt sich Augustin damit, dass vor der Aufführung der Nachkommen Seths noch einmal auf die Erschaffung Adams rekurriert werden müsse, da in Adam die „Eingangstür der Sterblichkeit“ (ianua mortalitas) geöffnet worden sei, die den Ausgangspunkt beider ciuitates bilde und damit zugleich den Beginn der „Zeitrechnung“ (dinumeratio 360  Vgl. zum hier begegnenden Phänomen der recapitulatio, die Tyconius als sechste seiner sieben Auslegungsregeln zur Erschließung ‚dunkler Stellen‘ in den heiligen Schriften behandelt, ausführlich Abschnitt 3.2.2. 361 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 82, Z.  8 –10. 362 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 82, Z.  1–7. 363  Augustin begründet diese Zunichtemachung des Namens Henochs mit Pss 49,12 und 73,20; vgl. ciu. XV 21, S.  486, Z.  27–33. 364 Vgl. ciu. XV 21, S.  4 86, Z.  2 2 f. 365  „homo quippe ille unus totius supernae ciuitatis est unitas“ (ciu. XV 21, S.  4 86, Z.  25 f.).

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temporum) darstelle.366 Der eigentliche Beginn einer jeden ciuitas liegt in Adam begründet, weshalb auch die Stammreihe Seths sich auf Adam zurückbezieht. Die Zeit auf dieser Welt wird also charakterisiert durch Sterblichkeit und das Zeugen von Nachkommen, was für die Glieder beider ciuitates zutrifft.367 Sie unterscheiden sich aber durch ihre jeweilige Ausrichtung am irdischen Besitz bzw. an der Hoffnung auf die eschatologische Anrufung des Namens Gottes. So gebe es zwar bereits unter den auf der Erde lebenden Gliedern der ciuitas dei einige, die durch Enthaltsamkeit den Kreislauf der „Zeugungen“ (generationes) nicht fortführen und sich auf diese Weise noch stärker auf die „Wiedergeburt zu einer anderen Welt“ (regeneratio ad alterum saeculum)368 konzentrieren, doch das wesentliche Merkmal der Bürger der Gottesstadt sei die durch Enosch gegebene Hoffnung auf die Anrufung des Namens Gottes. Und diese entscheidende Haltung sei eben nicht auf die eigene Willensfreiheit, sondern auf die göttliche Gnade zurückzuführen. Gott, und hier bedient sich Augustin wie zu Beginn des Buches XV der paulinischen Metaphorik der Gefäße (Röm 9,21), erwähle aus der verdammten Masse unverdienterweise einen Teil, während er dem anderen Teil verdienterweise seine Strafe zukommen lasse.369 Deutlich wird an dieser Stelle erneut der Hintergrund des Pelagianischen Streits, denn nach Augustin sollen die gnadenhaft erwählten Bürger der Gottesstadt nicht auf die „Willensfreiheit“ (libertas arbitrii) „vertrauen“ ( fidere), die sie als zwar gut geschaffene, aber wandelbare Wesen eben nicht nur zur Entscheidung zum Guten, sondern auch zum Bösen führen kann. Vielmehr sollen sie auf die Anrufung des Namens Gottes hoffen.370 1.3.2 Das Zusammenwachsen der Nachkommen Kains und Seths Die getrennt voneinander aufgeführten Genealogien der Nachkommen Kains (Gen 4,17–24) sowie derjenigen Seths (Gen 5,6–32), der nach biblischem Bericht von Eva als ein Ersatz für ihren getöteten Sohn Abel angesehen wird und auch in der Deutung Augustins die Rolle Abels als Archetyp eines Gliedes der ciuitas dei einnimmt, werden in ciu. XV 8 als Erweis für die „Scheidung“ (discretio) der beiden ciuitates betrachtet.371 Die Glieder dieser beiden getrennten Genealogien werden dann auch idealtypisch als ‚gemäß dem Menschen Lebende‘ und ‚gemäß Gott Lebende‘ (bzw. „Gottessöhne“372 / filii dei) einander gegen366 Vgl.

ciu. XV 21, S.  487, Z.  39–43. ciu. XV 20, S.  482, Z.  15 f. 368 Vgl. ciu. XV 20, S.  4 82, Z.  14 f. 369 Vgl. ciu. XV 21, S.  4 87, Z.  43–48. 370  „ut ex ipsa etiam conparatione uasorum irae superna ciuitas discat, quae peregrinatur in terris, non fidere libertate arbitrii sui, sed speret inuocare nomen domini dei.“ (ciu. XV 21, S.  487, Z.  48–51; vgl. Z.  48–55). 371 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  2 8–38. 372  Der hier begegnende Ausdruck „Gottessöhne“ ( filii dei) kann als direkte Bezugnahme 367 Vgl.

140

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übergestellt.373 Die ‚Hinwendung der Guten zum Schlechteren‘374 führt dann zum „Zusammenwachsen“ (concretio) der beiden ciuitates. In ciu. XV 22 wird ausgeführt, dass Augustin die Ursache dieser „Vermischung“ (permixtio / confusio) in der in Gen 6,1–4 beschriebenen Verbindung der ‚Gottessöhne‘ mit den ‚Töchtern der Menschen‘ sieht.375 Interessanterweise wird die ‚Vermischung‘ der beiden ciuitates nicht im biologischen Sinne – also in Bezug auf die aus der geschlechtlichen Vereinigung hervorgegangenen Kinder – verstanden. Vielmehr ist es auch hier eine Verkehrung ihres eigenen Willens, die die Gottessöhne dazu führt, die Sitten der irdisch verhafteten Menschen anzunehmen und sich somit mit ihnen zu vermischen.376 Sie sind von der Schönheit der Menschentöchter derart fasziniert, dass sie dieses „fleischliche Gut“ (bonum carnale)377 der Schönheit als höher erachten als das ewige Gut, das sie als Bürger der ciuitas dei eigentlich verehren sollten. Ihre Liebe gilt den Menschentöchtern also unter „Hintansetzung Gottes“ (postposito deo)378. Mit dieser der rechten Ordnung widersprechenden Verehrung der menschlichen Schönheit durch die Gottessöhne geht deren Absinken in das Verhalten der Bürger der ciuitas terrena einher: „und sie sanken herab in die Sitten der erdgeborenen Gesellschaft, indem sie die Frömmigkeit aufgaben, die sie in der heiligen Gesellschaft bewahrt hatten“.379 Augustin liegt daran, zu erklären, dass die in Gen 6,1–4 beschriebene Vermischung nicht in einem leiblichen Sinne als geschlechtliche Vereinigung zwischen Menschentöchtern und Gottessöhnen zu verstehen ist, aus der dann Riesen hervorgegangen sein sollen, weshalb er sich in ciu. XV 22 ausführlich der Frage stellt, ob die in Gen 6,2 eingeführten ‚Gottessöhne‘ Engel gewesen sein können.380 Eine Schwierigkeit ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass einige lateinische wie auch einige griechische Codices in Gen 6,2 statt von „Engeln auf Gen 6,2 gewertet werden. Somit hätte Augustin bereits in ciu. XV 8 die Episode Gen 6,1–4 als Ursache für die Vermischung der ciuitates im Blick gehabt. 373 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  2 8–35. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass nach Augustin keineswegs alle Nachfahren Seths Glieder der ciuitas dei waren. Mit Bezug auf ciu. XV 16, S.  478, Z.  84–87 formuliert Gregory W. Lee treffend: „Seth’s line does not precisely match the City of God, for membership in the heavenly city requires regeneration and not just generation.“ (Lee, Israel, S.  532) 374 Vgl. ciu. XV 8, S.  4 63, Z.  38–40. 375 Vgl. ciu. XV 22, S.  4 87, Z.  1–10; S.  4 87, Z.  16 – S.  4 88, Z.  21. 376  Hier werden Parallelen zur Darstellung des Engel- und des Sündenfalls in ciu. deutlich. Pierre Piret schreibt: „L’histoire du déluge et de Noé montre que tous les hommes retournent au mal s’ils se confient à leur libre arbitre sans le secours, préliminaire et permanent, de la grâce divine.“ (Piret, La destinée, S.  244) 377 Vgl. ciu. XV 22, S.  4 87, Z.  18 – S.  4 88, Z.  19. 378  ciu. XV 22, S.  4 88, Z.  19. 379  „in mores societatis terrigenae defluxerunt, deserta pietate, quam in sancta societate seruabant.“ (ciu. XV 22, S.  487, Z.  16 f.) 380 Derselben Frage widmet sich Augustin – mit einer ganz ähnlichen Argumentation und ebenfalls unter Bezugnahme auf Mt 11,10 – in seinen unmittelbar vor ciu. XV entstandenen qu.; vgl. qu. 1,3, S.  2 , Z.  48 – S.  3, Z.  68.

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Gottes“ (angeli dei) von „Gottessöhnen“ ( filii dei) sprechen. So bezeuge etwa die Septuaginta: οἱ υἱοὶ τοῦ θεοῦ. Schließlich mache es der hebräische Sprachgebrauch möglich, mit Aquila von „Göttersöhnen“ ( filii deorum) zu sprechen, da nach Ps 81,6 die „Söhne des Höchsten“ ( filii excelsi) auch Götter genannt werden können.381 Geht man nun von Engeln aus, ergibt sich aber die Frage, ob Engel als geistige Wesen mit Menschen überhaupt körperlichen Umgang haben können.382 Augustin geht zwar unter Bezugnahme auf Ps 103,4 davon aus, dass Gott bestimmte geistige Wesen zu „Engeln“ und damit zu „Boten“ (angelus / ἄγγελος [LXX]) machen kann, die dann für die Menschen nicht nur zu „sehen“ (uidere), sondern auch zu „tasten“ (tangere) sind.383 Auch gebe es Berichte über Dämonen und mythologische Gestalten, die Geschlechtsverkehr mit menschlichen Frauen gehabt haben sollen. Es ist also generell vorstellbar, dass irgendwelche mit einer Art Luftleib bekleidete Geister für Menschen sinnlich wahrnehmbar sind.384 Dennoch ist Augustin der Meinung, dass unter den ‚Gottessöhnen‘ bzw. den ‚Engeln Gottes‘ in Gen 6,2 Menschen zu verstehen sind, und zwar solche, die der ciuitas dei angehören. Als Schriftbeweis für den Umstand, dass auch besondere, von Gott begnadete Menschen als ‚Engel‘ bezeichnet werden können, zieht er das in Mt 11,10 / M k 1,2 auf Johannes den Täufer bezogene Zitat aus Mal 3,1 heran: Johannes wurde als „Bote“ / „Engel“ (angelus) von Gott geschickt, um Jesus den Weg zu bereiten.385 Auch der Prophet Maleachi, ebenfalls ein Mensch, wurde nach Augustin wegen seiner von Gott verliehenen Gnade (gratia inpertita) ‚Engel‘ genannt.386 Kritisch setzt sich Augustin mit der Meinung derer auseinander, die aus der Notiz in Gen 6,4, dass nämlich aus der Verbindung der ‚Gottessöhne‘ und der ‚Menschentöchter‘ Riesen hervorgegangen sein sollen, darauf schließen wollen, dass es sich bei den ‚Engeln‘ nicht um Menschen gehandelt haben könne.387 Dagegen spreche zum einen, dass Riesen offensichtlich auch aus der geschlechtlichen Verbindung zwischen Menschen hervorgehen können, was Augustin an einem aktuellen Beispiel einer Römerin mit riesenhaftem Wuchs festmacht, deren Eltern nicht von besonderer Größe sind.388 Aus diesem Grund hält Au381 Vgl.

ciu. XV 23, S.  491, Z.  9 0–103; vgl. auch qu. 1,3, S.  2 , Z.  48–51. ciu. XV 23, S.  488, Z.  1–3. 383 Vgl. ciu. XV 23, S.  4 88, Z.  4 –13. 384 Vgl. ciu. XV 23, S.  4 89, Z.  21–25. 385 Vgl. ciu. XV 23, S.  4 89, Z.  32–37; vgl. auch qu. 1,3, S.  2 ., Z.  51–55. 386 Vgl. ciu. XV 23, S.  4 89, Z.  35–37. 387 Vgl. ciu. XV 23, S.  4 89, Z.  38 – S.  490, Z.  70; vgl. auch qu. 1,3, S.  2 , Z.  55 – S.  3, Z.  63. 388 Vgl. ciu. XV 23, S.  490, Z.  4 0–49. In der profanen griechischen lateinischen Literatur lassen sich ebenfalls Berichte über Riesen finden, die Augustin evtl. gekannt haben könnte. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet beispielsweise in seinen Historien, dass man beim Graben eines Brunnens in Tegea, einer Stadt in Arkadien, das Skelett eines sieben Ellen großen Menschen gefunden hatte und annahm, dass dies die Überreste des der Sage nach riesenhaften Sohns des Agamemnon, Orestes, seien (vgl. Hist. I §§  67–68; zu weiteren Zeugnissen vgl. das Unterkapitel „Das empirische Material: Riesenfunde der Antike“ 382 Vgl.

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gustin es für möglich, dass bereits vor der in Gen 6,2 beschriebenen Vereinigung zwischen Menschentöchtern und Gottessöhnen Riesen aus der normalen menschlichen Fortpflanzung hervorgegangen sind.389 In seiner Annahme, dass bereits vor dieser besonderen Vereinigung und auch danach Riesen existierten, sieht sich Augustin in Gen 6,4 bestätigt: „Es waren aber Riesen auf der Erde in jenen Tagen und auch danach, als die Gottessöhne zu den Menschentöchtern eingingen und mit ihnen für sich Nachwuchs zeugten.“390 Indem Augustin das cum dieses Satzes offensichtlich nicht kausal, sondern temporal versteht, kann er eine Existenz von Riesen vor und nach (et post illud) dem Zeitpunkt der in Gen 6,2 beschriebenen Vereinigung – und damit unabhängig von diesem Geschehen – postulieren. Für Augustin hat also nach Gen 6,2 eine Vereinigung von männlichen Angehörigen der ciuitas dei – den Söhnen Seths – mit weiblichen Gliedern der ciuitas terrena – den Töchtern Kains – stattgefunden.391 Diese setze voraus, dass die ‚Gottessöhne‘, in Verkennung des höchsten Gutes, zum Niederen herabgesunken sind. Und so interpretiert Augustin auch den Ausspruch Gottes in Gen 6,3 nicht als eine generelle Begrenzung der Lebenszeit eines Menschen auf 120 Jahre,392 sondern als ein Strafvorhaben Gottes, das konkret auf diesen Abfall der Gottessöhne reagiert und bereits auf die Sintflut verweist. Waren die ‚Gottessöhne‘ bzw. ‚Engel‘ nämlich durch die gnadenhafte göttliche Geistbegabung erst zu solchen geworden,393 so sind sie nun durch ihren Abfall vom höchsten Gut lediglich „Fleisch“ (caro). Sie sind von „Gnadenmenschen“ (homines gratiae) zu „Naturmenschen“ (homines naturae) geworden,394 deren Vernichtung in 120 Jahren in Form einer Sintflut stattfinden soll.395 Offensichtlich geht Augustin davon aus, dass der in Gen 6,2 beschriebene Abfall der Gottessöhne zu dem Zeitpunkt stattfand, als Noah nach Gen 5,32 in: Roling, Drachen, S.  414–418). Bereits in ciu. XV 9 war Augustin davon ausgegangen, dass die Menschen in der Urzeit deutlich größer waren. Da hier unter Berufung auf Plinius d. Ä. ein Zusammenhang zwischen langer Lebensdauer und großem Wuchs angenommen wird, und zugleich von Menschen eines Volkes ausgegangen wird, die noch heute über 200 Lebensjahre erreichen (vgl. ciu. XV 9, S.  465, Z.  23–30; S.  466, Z.  41 f.; s. dazu Abschnitt 1.2.6 mit Anm.  241 u. 242), wird auch dies für Augustin ein Beleg dafür gewesen sein, dass zu seiner Zeit Menschen mit riesenhaftem Wuchs existierten. 389 Vgl. ciu. XV 23, S.  490, Z.  4 0–49. 390 „gigantes autem erant super terram in diebus illis et post illud, cum intrarent filii dei ad filias hominum, et generabant sibi“ (Gen 6,4 nach ciu. XV 23, S.  490, Z.  60–62). 391 Vgl. ciu. XV 23, S.  490, Z.  52. 392 Vgl. ciu. XV 24, S.  492, Z.  1–4. 393 Vgl. ciu. XV 23, S.  490, Z.  87. 394 Vgl. ciu. XV 23, S.  491, Z.  188 f.; Lenka Karfíková ist der Auffassung, dass dieser Verlust der „Stellung der Gottessöhne“ es notwendig gemacht habe, dass der Mittler Christus „als der Sohn Gottes zum Sohn des Menschen wurde“, um so die gefallenen Söhne wieder zu Söhnen Gottes zu machen (Karfíková, Geschichte, S.  46). Allerdings lässt sich dieser Gedankengang nicht mit ciu. XV 23, worauf Karfíková verweist, stützen. 395 Vgl. ciu. XV 24, S.  492, Z.  10–12.

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500 Jahre alt war und seine Söhne Sem, Ham und Japhet zeugte. Das Wasser der Sintflut kam nach Gen 7,11 im sechshundertsten Lebensjahr Noahs, was Augustin zu der Annahme führt, dass Noah zum Zeitpunkt der Vermischung der beiden ciuitates eigentlich 480 Jahre alt gewesen sein muss, was die Heilige Schrift aber ‚nach ihrer Art‘ mit 500 Jahren wiedergibt.396 So ergibt sich eine Differenz zu den in Gen 6,3 genannten 120 Jahren, nach deren Ablauf die Flut über die zum Untergang bestimmten Menschen kommen sollte. Dieser Zeitraum wird nach Augustin deswegen eingeräumt, damit die boni, also die gerechten Bürger der ciuitas dei, die nicht an dem in Gen 6,2 beschriebenen Abfall beteiligt waren, nicht eines ihnen unwürdigen Todes sterben müssen.397 Somit sind Noah und seine Söhne die einzigen der in Gen 5 aufgeführten Nachkommen Seths, die zum Zeitpunkt der Sintflut noch leben. Augustin sieht die Ursache und die Begründung der göttlichen Straf handlung also in Gen 6,1–3 gegeben, sodass ihm Gen 6,5–7 nur noch als die Feststellung Gottes erscheint, dass nun – infolge des Abfalls der Gottessöhne und nach dem Tode der Nachkommen Seths – das gesamte Menschengeschlecht böse und der Vernichtung würdig ist.398 Das Abfallen der Gottessöhne und ihre Vermischung mit den Menschentöchtern in Gen 6,2 wird theologisch in einer gewissen Analogie sowohl zum Engelfall als auch insbesondere zum Sündenfall beschrieben. Auf letzteren bezieht sich Augustin ja auch explizit zurück, wenn er den Ausgangspunkt beider Phänomene im weiblichen Geschlecht sieht. Zwar hätten die ‚Menschentöchter‘ nicht wie im Falle Evas den Mann zum Abfall aktiv überredet, so war es doch ihre körperliche Schönheit, die die Gottessöhne zur Liebe verführte, der die Liebe zum höchsten Gut untergeordnet wurde.399 Doch ist es keines396 Vgl.

ciu. XV 24, S.  492, Z.  5 –10. In qu. 1,23 stellt Augustin wie in ciu. XV 24 fest, dass mit den 120 Jahren nicht die Begrenzung der Lebenszeit des Menschen gemeint sein kann, da ja auch nach diesem Zeitpunkt Menschen, wie etwa Noah, nach biblischem Zeugnis deutlich länger lebten. In qu. 1,23 vermutet Augustin, dass Gott Noah bereits 20 Jahre vor dem Baubeginn der Arche (deren Bau 100 Jahre in Anspruch nahm) von seinem Plan in Kenntnis setzte, die Menschheit in 120 Jahren zu vernichten (qu. 1,23, S.  7, Z.  215–221). Bei jüdischen wie christlichen Auslegern deutete man die 120 Jahre häufig als eine von Gott gewährte Zeit der Umkehr. So liest man z. B. bei Hieronymus: „Porro ne uideretur in eo esse crudelis, quod peccantibus locum poenitentiae non dedisset, adiecit sed erunt dies eorum CXX anni, hoc est habebunt CXX annos ad agendam poenitentiam. Non igitur humana uita, ut multi errant, in CXX annos contracta est, sed generationi illi CXX anni ad poe­ nitentiam dati sunt; siquidem inuenimus quod post diluuium Abraham uixerit annos CLXXV et ceteri amplius CC et CCC annis. Quia uero poenitentiam agere contempserunt, noluit deus tempus expectare decretum: sed XX annorum spatiis amputatis, induxit diluuium anno centesimo agendae poenitentiae destinato.“ (Qu. Hebr. Gen. 6,3, S.  9, Z. 9 – S.  10, Z. 19) Augustin schloss sich in seiner zwischen 400 und 405 verfassten Schrift cat. rud. dieser Deutung noch an: Gott habe in seiner Geduld den Menschen die 100 Jahre des Archebaus gegeben, um umzukehren, und hätte sie auch (wie im Fall der Stadt Ninive) verschont, wenn sie in dieser Zeit Buße getan und umgekehrt wären (vgl. cat. rud. 32, S.  156, Z. 24–30). 397 Vgl. ciu. XV 24, S.  492, Z.  12–18. 398 Vgl. ciu. XV 24, S.  492, Z.  18–25. 399 Vgl. ciu. XV 22, S.  4 87, Z.  3 –6.

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wegs die Sexualität oder die körperliche Schönheit an sich – die ja nach Augustin ein Gut, aber eben ein zeitliches, fleischliches und niederes ist400 –, die zum Abfall führt, sondern erneut die falsche Ausrichtung an diesen Gütern. Das wird auch an Augustins Auslegung von generabant sibi aus Gen 6,4 deutlich. So sei die Fortpflanzung der Gottessöhne vor ihrem Fall ein (dem göttlichen Mehrungsauftrag entsprechender) „Dienst der Fortpflanzung“ (officium propagandi)401 gewesen, der weder aus Wollust noch um der Vermehrung der eigenen Familie und der Vergrößerung des eigenen Ansehens, sondern um der ciuitas dei willen Kinder zeugt, in ihnen die Hoffnung auf die eschatologische Anrufung des Namens Gottes sät, um mit ihnen schließlich die ewigen Güter zu erben.402 Daran aber, dass die Gottessöhne mit den Menschentöchtern nach Gen 6,4 Nachkommen „für sich“ (sibi) zeugten, wird die Umkehrung des Willens auf sich selbst hin wieder deutlich, wie sie nach Augustin für Bürger der ciuitas terrena charakteristisch ist. 1.3.3 Die Sintflut als Reaktion Gottes auf die Boshaftigkeit der Menschheit Die Annahme, dass die in Gen 6,2 beschriebene Vereinigung der Gottessöhne und der Menschentöchter die Ursache der Sintflut war, war durchaus verbreitet.403 Bei Augustin wird diese kleine, etwas kryptische Passage in Gen 6,1–4 zu einer Schaltstelle in seiner Darstellung des geschichtlichen Verlaufs der beiden ciuitates.404 Auf die Vermischung der beiden ciuitates, die genau genommen ein Herabsinken eines Großteils der Glieder der ciuitas dei in die ciuitas terrena ist, folgt notwendig die Vernichtung der Menschheit durch die Sintflut. Letztlich ist das der entscheidende Grund dafür, weshalb Augustin davon überzeugt ist und Argumente dafür sucht, dass es sich bei den ‚Gottessöhnen‘ um Menschen gehandelt haben muss. Augustins Zitat von Gen 6,5–7 folgt der spezifischen Übersetzung der Septuaginta, insofern Gott es angesichts der Boshaftigkeit der Menschheit nicht etwa „reut“ (‫ ;נחם‬BSVC(S): paenitere), die Menschen auf der Erde geschaffen zu haben (V. 6), sondern er stattdessen diesen Umstand lediglich „ernstlich bedenkt“ 400 Vgl.

ciu. XV 22, S.  487, Z.  18 – S.  488, Z.  19. ciu. XV 23, S.  490, Z.  73. Dies erinnert an das Gut der proles („Nachkommenschaft“), das gemäß dem Eheverständnis Augustins neben dem Gut der fides („Treue“) und dem des sacramentum („Unauflöslichkeit“) eines der drei Güter der Ehe darstellt, die wiederum von Gott mit der Erschaffung des Menschen als Mann und Frau eingesetzt wurde (vgl. dazu Demel, Verdammung, S.  28 f.). 402 Vgl. ciu. XV 23, S.  490, Z.  70–79. 403  Vgl. die Hinweise bei Kugel, Traditions, S.  179–183. 404 Dass Gen 6,1–4 für Augustin genau diese Funktion einer Schaltstelle übernimmt, wird auch deutlich aus der Notiz in ciu. XV 20, dass er nun noch darstellen müsse, wie die beiden aus Adam hervorgehenden Geschlechterreihen, die die beiden ciuitates repräsentieren, sich so vermischen konnten, dass die gesamte Menschheit (bis auf Noah und seine Familie) vernichtungswürdig war (vgl. ciu. XV 20, S.  485, Z.  144 – S.  486, Z.  149). 401 Vgl.

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(ἐνθυμεῖσθαι [LXX]; ciu. XV 24: cogitare). In V. 7 übersetzt die Septuaginta das erneut verwendete hebräische Verb ‫ נחם‬mit θυμοῦν („zürnen“), was bei Augustin wiederum mit „zornig sein“ (iratus esse) wiedergegeben wird.405 Zu dieser Änderung der Septuaginta schreibt Jan C. Gertz: „Vermutlich schien es dem Übersetzer theologisch angemessener zu sein, die Reaktion Gottes auf die Verfehlung des Menschen als Zorn zu beschreiben, impliziert doch die Rede von der Reue eine als problematisch empfundene Wandelbarkeit Gottes.“406 Augustin setzt diese Intention fort und führt sie noch weiter, indem er in ciu. XV 25 nicht nur die Rede von der Reue, sondern auch diejenige vom Zorn Gottes problematisiert. Zunächst knüpft Augustin an die von ihm zitierte Begründung Gottes, „denn ich bin zornig“ (quia iratus sum), aus Gen 6,7 an und stellt sich daran anschließend die Frage, von welcher Art dieser „Zorn“ (ira) Gottes sei, der als Grund für die Sintflut angegeben wird. Zunächst dürfe der Zorn nicht als ein „Aufruhr des Gemüts“ (perturbatio animi) verstanden werden, der menschlichen Gefühlen ähnlich sei.407 Auch müsse der göttliche Zorn als angemessene Reaktion Gottes auf die Sünde der Menschen, nämlich als „Gericht“ (iudicium) begriffen werden.408 Gerade dadurch, dass die ira dei nach Augustin ein gerechtes Gericht, eine der Sünde der Menschen angemessene „Strafe“ (poena) darstellt, unterscheidet sie sich aus seiner Sicht fundamental von der Regung des menschlichen Zorns, die stets auf (unverhältnismäßige) Rache bedacht ist.409 Schließlich sei auch das „Nachdenken“ (cogitatio) Gottes nicht im Sinne des menschlichen „Bereuens“ (paenitere) zu verstehen, es sei vielmehr ein erneutes „Nachsinnen“ (recogitatio) seines „unwandelbaren Ratschlusses über die wandelbaren Dinge“.410 Augustin scheint sich nicht bewusst gewesen zu sein, dass das Verb „(be-) reuen“ (paenitere) ursprünglich auf den hebräischen Text zurückgeht. In seinen 405 „[5]uidens […] dominus deus, quia multiplicatae sunt malitiae hominum super terram, et omnis quisque cogitat in corde suo diligenter super maligna omnes dies, [6]et cogitauit deus, quia fecit hominem super terram, et recogitauit, [7]et dixit deus: deleam hominem, quem feci, a facie terrae, ab homine usque ad pecus et a repentibus usque ad uolatilia caeli, quia iratus sum, quoniam feci eos.“ (Gen 6,5–7 nach ciu. XV 24, S.  492, Z.  19–25) 406  Gertz, Genesis, S.  2 39. 407  Obwohl Augustin in seinen Schriften der biblischen Rede vom „Zorn Gottes“ (ira dei) oftmals folgt, lässt er keinen Zweifel an seiner Überzeugung von der Impassibilität Gottes (vgl. Conybeare, Art. Ira, Sp.  743 f.). Innerhalb von ciu. argumentiert er mehrfach in diesem Sinne (vgl. ciu. IX 5, S.  254, Z.  41 – S.  255, Z.  4 4; XII 18, S.  374, Z.  47 – S.  375, Z.  69; XXII 2, S.  807, Z.  4 – S.  808, Z.  46). 408  „ira dei non perturbatio animi eius est, sed iudicium quo inrogatur poena peccato.“ (ciu. XV 25, S.  493, Z.  1 f.) 409 Vgl. en. Ps. 58,2,6, S.  750, Z.  4 –7; trin. 13,16, S.  4 03, Z.  2 6 – S.  4 04, Z.  41; c. adu. leg. 1,40, S.  71, Z.  102 f.; s. dazu Conybeare, Art. Ira, Sp.  744; Kambo, Theories, S.  66–68. 410  „cogitatio uero eius et recogitatio mutandarum rerum est inmutabilis ratio.“ (ciu. XV 25, S.  493, Z.  2 f.) S. auch Augustins Erörterungen im Hinblick auf Gottes Pläne mit dem Menschen angesichts des ‚Sündenfalls‘ in ciu. XIV 11, S.  431, Z.  1–14.

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Locutiones in heptateuchum (i.F.: loc.)411 spricht er jedenfalls nicht wie in vergleichbaren Fällen von der Bibel in „Hebräischer Sprache“ (lingua Hebraea), sondern lediglich von einigen „lateinischen Büchern“ (codici Latini), die paenitere bezeugen.412 Augustin selbst entscheidet sich aber für das dem Wortlaut der Septuaginta folgende cogitare.413 Ausführlich hatte sich Augustin mit der „Reue Gottes“ (paenitentia dei) in seiner wohl unmittelbar vor ciu. XV enstandenen Schrift c. adu. leg. beschäftigt.414 Im Unterschied zu ciu. XV 24 f. geht er hier von Bibelversen aus, in denen selbst nach seiner Zitation von dem „(Be-)reuen“ (paenitere) Gottes die Rede ist.415 Ein Gegner des Alten Testaments416 hatte selbigem u. a. dessen Rede von den Affekten Gottes zum Vorwurf gemacht. Augustin dagegen unternimmt es, in c. adu. leg. diesen Vorwurf zu entkräften, indem er, die weitverbreitete frühchristliche Grundüberzeugung von der Affektlosigkeit und der Unwandelbarkeit Gottes verteidigend,417 auf geschickte Weise das Alte Testament selbst zum Argument gegen eine anthropomorphe Gottesrede werden lässt. So habe es Gott zwar nach 1Sam 15,11 „gereut“, Saul zum König gemacht zu haben, allerdings wird wenige Verse später durch den Propheten Samuel zu verstehen gegeben, dass Gott „sich nicht umwandeln wird und es ihn nicht gereuen wird, denn er ist nicht wie ein Mensch, so dass es ihn reuen 411 Die

loc. entstanden nicht nur zeitlich parallel zu den qu., sondern weisen auch von der Darstellungsweise und der Methodik her gewisse Ähnlichkeiten zu dieser Schrift auf. Datiert werden können die loc. auf die Jahre 419/421 (vgl. Drecoll, Chronologie, S.  259) bzw. 419/423 (vgl. Weber, Art. Locutiones, Sp.  1048). 412 Vgl. loc. 1,14, S.  382, Z.  58 f. 413 In loc. 1,14, S.  382, Z.  58–62 nimmt Augustin Stellung zu dieser textkritischen Entscheidung: Hinter dem in einigen codici Latini zu findenden Verb paeniuit stehe das griechische διενοήθη, das durch das lateinische recogitare besser wiedergegeben werde als durch paenitere. Die Septuaginta liest allerdings wie erwähnt das Verb ἐνθυμεῖσθαι, das den lateinischen Verben cogitare / recogitare näher steht als paenitere (vgl. GLEW 1, S.  21.155; s. auch die Einträge zu ἐνθυμέομαι u. διανοέομαι in: LSJO. 414 Vgl. c. adu. leg. 1,40–42. 415  Es handelt sich um Ps 109,4 und 1Sam 15,11 (vgl. c. adu. leg. 1,42, S.  74, Z.  174 f.182). Anders als in Gen 6,6 f. übersetzt die Septuaginta ‫ נחם‬in Ps 109,4 wortgetreu mit „(be-)reuen“ (μεταμέλεσθαι). In 1Sam 15,11 wird dagegen wieder eine Änderung vorgenommen, insofern es Gott nicht „reut“ (‫)נחם‬, Saul zum König gemacht zu haben, sondern er sich „darüber tröstet“ (μεταμέλειν), dies getan zu haben. 416  Der „Gegner des Gesetzes und der Propheten“ (aduersarius legis et prophetarum), dessen Argumente Augustin in c. adu. leg. zu widerlegen sucht, lässt sich nur schwer einer theologischen Gruppierung zuordnen. Vor dem Hintergrund früherer Forschungen kommt Thomas Raveaux zu dem Ergebnis, dass es sich bei der „Schrift des ‚aduersarius‘“ um einen „Mischtext“ gehandelt haben muss, der sowohl „markionitische[s]“ als auch „allgemein gnostische[s]“ und „manichäisches“ Gedankengut enthalten hat (vgl. Raveaux, Art. Aduersarium, Sp.  109–111). 417  Carl Andresen schreibt zu ciu. XV 25: „Mit der Betonung der Affektlosigkeit Gottes bewegt A[ugustin] sich auf traditionellen Bahnen frühchristl[icher] Apologetik“ (BAW [ciu.] 2, S.  920, S.  917; s. dazu auch Messner, Art. Paenitentia, Sp.  414).

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könnte“418 (1Sam 15,28). Diese Aussage über die Reue Gottes verallgemeinernd, folgert Augustin, dass es in der Bibel nur eine uneigentliche Rede von den Affekten Gottes geben kann: „Seht, dieser [sc. Samuel] wusste klar zu erkennen, dass sich Gott ohne Barmherzigkeit erbarmt, dass er ohne Zorn zürnt, ohne Eifersucht eifersüchtig ist, ohne Vergessen vergisst, ohne Unwissenheit nicht weiß, ohne Reue bereut“.419 Es ist plausibel, die Argumentation von c. adu. leg. 1,40–42 als gedanklichen Hintergrund von ciu. XV 25 anzunehmen, wodurch sich zugleich eine Kontextualisierung in das apologetische Wirken Augustins nahelegt. Augustin war sich also bewusst, dass im Alten Testament, und zwar sowohl im hebräischen Text als auch in der Septuaginta, von der paenitentia dei die Rede ist, auch wenn er diesen Begriff für Gen 6,6 f. aus textkritischen Gründen ablehnt. Die Vorstellung einer Reue Gottes, im Sinne eines Bewusstwerdens einer eigenen Fehlentscheidung, wie in diesem Fall die Erschaffung des Menschen, sei – so Augustin in ciu. XV 25 – aufgrund seines „sicheren Vorherwissens“ (certa praescientia) als auch seines festen Ratschlusses über alle Dinge (sententia fixa) nicht zu vergleichen mit den wandelbaren Gefühlen und Plänen des Menschen. Dieser anthropomorphen Redeweise bediene sich die Bibel um ihrer Hörer und Leser willen. Sie wolle allen Menschen dienlich sein und müsse sich daher gewissermaßen auf deren Niveau herablassen: indem sie sich (sprachlich) „hinunterbeugt zu den Darniederliegenden“ (descendere ad iacentes).420

418 „et non conuertetur neque paenitebit eum, quoniam non est sicut homo, ut paeniteat eum.“ (1Sam 15,28 nach c. adu. leg. 1,42, S.  75, Z.  196 f.) 419  „ecce qui nouerat intellegere deum sine miseria miserantem, sine ira irascentem, sine zelo zelantem, sine obliuione obliuiscentem, sine ignorantia nescientem, sine paenitentia paenitentem“ (c. adu. leg. 1,42, S.  75, Z.  197–200). 420 Vgl. ciu. XV 25, S.  493, Z.  6 –11.

2  Das zweite Weltzeitalter: Von Noah bis zur Sprachverwirrung 2.1 Die Rezeption der Erzählungen von Noah und seiner Arche Die Erzählung von der Sintflut und der Arche hatte Augustin bereits in seiner Schrift gegen den Manichäer Faustus beschäftigt. Wie an der Kain- und Abel­ erzählung gesehen,1 ging es ihm dabei darum zu zeigen, dass die alttesta­ mentlichen Schriften auf Christus hindeuten – was Faustus leugnete. Wie er in ciu. XV 27 noch einmal deutlich macht, handelt es sich bei den alttestamentlichen Zeugnissen in der Regel, wie etwa auch bei der Sintfluterzählung, nicht nur um geschichtliche Tatsachen (res gestae), sondern zugleich auch um allegorisch zu verstehende Geschehnisse.2 So gab es wohl neben Gegnern, die ein symbolisches Verständnis dieser Schriften ablehnten, auch solche, die an der Historizität bestimmter Aspekte des biblischen Berichts zweifelten,3 wenn sie nicht die Historizität der Fluterzählung ganz bestritten und diese zu einem reinen Sinnbild oder Gleichnis machen wollten.4 Diese doppelte Frontstellung macht sich in der Auslegung von Gen 6–9 insofern bemerkbar, als Augustin zum einen versucht, die Historizität der geschehenen Ereignisse zu plausibilisie-

1 

Vgl. Abschnitt 1.1.1. ciu. XV 27, S.  495, Z.  6 –11. 3  Der Hintergrund einzelner Fragen lässt sich (etwa auch bezogen auf die qu.) nicht immer auf klären. Gustave Bardy etwa nimmt an, dass die Zweifel an der Historizität der Archeerzählung vonseiten mancher Heiden und Häretiker geäußert wurden (namentlich der Philosoph Celsus und der Markionit Apelles; vgl. Bardy, Les animaux, S.  707). Daneben haben Augustin sicherlich auch seine eigenen Fragestellungen sowie die ihm in Briefen zugegangenen oder im persönlichen Gespräch erhaltenen Anfragen anderer Gläubiger zur Erörterung bestimmter Einzelfragen animiert. Nachweislich wurde er zur Behandlung bestimmter Fragen auch durch die Schriften früherer Ausleger veranlasst (insbesondere Philo, Origenes, Ambrosius und Hieronymus). So urteilt Bardy allgemein über ciu. XV: „Tout le long de ce livre, saint Augustin se trouve en face des difficultés classiques: la longévité des patriarches, l’union des fils de Dieu avec les filles des hommes, la chronologie des Septante comparée à celle du texte hébreu, le nombre des générations antédiluviennes.“ (Bardy, Introduction, S.  12) 4 Vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  15 f. Mögliche Vertreter dieser Sichtweise lassen sich innerhalb der alexandrinischen Schule finden, die sich auf Origenes berufen (der freilich selbst auf der Berechtigung des historischen Schriftsinnes beharrte; vgl. u. a. Hom. Gen. 2,1, S.  64, Z.  3 –10). Augustin selbst wendet sich u. a. in ciu. XIII 21 gegen eine solche rein symbolische Auslegungsweise. Zum dreifachen Sinn alttestamentlicher Weissagungen in ciu. XVII 3 s. Abschnitt 4.1.3. 2 Vgl.

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ren, zum anderen in mehrerlei Hinsicht Optionen einer allegorischen Auslegung anbietet.5 2.1.1 Augustins Argumente für die Historizität der Sintfluterzählung Augustin geht anhand von Gen 5,32; 6,10 und 6,14 davon aus, dass die Beauftragung zum Bau der Arche an Noah erging, als dieser seine drei Söhne gezeugt hatte und 500 Jahre alt war. Folglich müsse der Archebau genau 100 Jahre gedauert haben, da Noah nach Gen 7,6 600 Jahre alt war, als die Flut kam. Dieses Argument der 100-jährigen Bauzeit führt er gegen diejenigen an, die meinen, eine solch große Arche hätte unmöglich gebaut werden können. Gestand Augustin in qu. 1,5 Noah und seinen Söhnen als weiteres Argument für die Durchführbarkeit des Archebaus noch zu, sich zusätzlich bezahlte Handwerker zur Hilfe genommen zu haben, die allerdings nicht wie Noah an die kommende Flut geglaubt haben und so auch nicht mit ihm in die Arche gegangen sind, so taucht dieses Argument in ciu. nicht mehr auf.6 Stattdessen verweist Augustin hier auf das vorhandene handwerkliche Geschick der Menschen im Allgemeinen (und damit der Familie Noahs im Besonderen), welches daran zu erkennen ist, dass zu diesem Zeitpunkt bereits gewaltige Städte gebaut worden waren.7 Aus diesem Grund solle auch die Statik einer solchen Arche nicht angezweifelt werden. Sie brauchte auch nicht erst zu Wasser gelassen werden, da sie durch die Woge der Flut und den entsprechenden Auftrieb emporgehoben worden sei.8 Schließlich sei es die „göttliche Vorsehung“ (diuina prouidentia) und weniger die menschliche Klugheit gewesen, die diese Arche sicher durch die Fluten manövriert habe. Einige der kritischen Anfragen an die Historizität bzw. die Plausibilität der Sintfluterzählung beschäftigten Augustin bereits in den qu. So wurde etwa bezweifelt, dass die Arche alle Tiere fassen konnte, worauf Augustin in qu. 1,4 wie auch in ciu. XV 27 auf die Annahme des Origenes verweist,9 der Verfasser 5  Die Annahme Berthold Altaners, Augustin würde „ohne erkennbaren Grund“ in ciu. XV 27 darauf insistieren, dass die Sintflut- und Archeerzählung sowohl als historischer Bericht zu verstehen sei, als auch allegorische Bedeutung in sich trage, scheint überzogen. Die von Altaner betonten Parallelen zu Origenes, der sich in Hom. Gen. 2 ebenfalls zunächst mit dem historischen, dann mit dem mystischen bzw. allegorischen Sinn der Archeerzählung auseinandersetzt (vgl. Hom. Gen. 2,1, S.  64, Z.  3 –10), mögen auch Augustin in seiner Darstellung in ciu. XV 27 beeinflusst haben. Ob sie allerdings den Hauptanstoß dazu gebildet haben, scheint vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um den mehrfachen Schriftsinn, die Augustin selbst immer wieder beschäftigten, fraglich (vgl. Altaner, Origenes, S.  233 f.). 6 Vgl. qu. 1,5, S.  3, Z.  83–85. 7 Vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  43–46. 8 Vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  4 6–54. 9  Vgl. Origenes, Hom. Gen. 2,2, S.  70, Z.  2 3 – S.  72, Z.  4; s. dazu ebd., Anm.  129–131. Auch in der rabbinischen Literatur findet sich die Annahme einer aus Ägypten (präziser: aus Theben) stammenden Maßeinheit, die einem Vielfachen der Elle entspricht (vgl. Gen. Rab. 31,10; s. die engl. Übersetzung von Freedman, S.  243 mit Anm.  7 ).

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Mose habe als gebildeter Ägypter mit der Maßeinheit der „geometrischen Elle“ (cubitum geometricum) gerechnet, die dem Sechsfachen der Länge entspreche, die man normalerweise als Elle bezeichne.10 Doch nicht nur seien die angegebenen Maße entsprechend sechsfach zu denken, in ciu. XV 27 wirft Augustin den Kritikern vor, dass diese nicht berücksichtigten, dass es in der Arche drei Stockwerke gab, weshalb auch die Grundfläche dreifach zu denken sei.11 Freilich geht Augustin hier in der Annahme fehl, dass bei der dreigeschossigen Arche eine Grundfläche statt von 300 x 50 Ellen nun von 900 x 150 Ellen anzunehmen sei. Zur Verdreifachung der Grundfläche hätte er jeweils nur eine der beiden Größen verdreifachen dürfen. So nimmt er aber irrtümlich eine Verneunfachung der Fläche vor. An anderer Stelle nennt Augustin ein weiteres Argument für das ausreichende Fassungsvermögen der Arche, indem er nämlich davon ausgeht, dass von bestimmten Tiergattungen gar keine an Bord der Arche gewesen sein müssen: Zum einen freilich die Tiere, die im oder (wie einige schwimmenden Vogelarten) auf dem Wasser leben.12 Ferner – ausgehend von der göttlichen Weisung, dass von Tieren beiderlei Geschlechts je zwei unreine und je sieben reine in die Arche gehen sollen (Gen 6,19 f.; 7,2 f.) – diejenigen, die geschlechtslos sind (wie etwa seiner Ansicht nach die Bienen) oder (wie etwa die Mücken) ohne Begattung entstehen, und schließlich diejenigen Tiere (als Beispiel wird der Maulesel genannt), die auf eine Kreuzung zweier Tiergattungen zurückgehen und so problemlos auch nach der Flut wieder entstehen können.13 Diese Fragen in Bezug auf die genaue Anzahl und Art der Tiere, die in die Arche aufgenommen werden, die auch Augustin nicht abschließend klären kann, werden von der menschlichen in die göttliche Verantwortung gestellt. So verweist Augustin darauf, dass nicht Noah selbst die Tiere habe zusammensuchen müssen, sondern das Eintreten der Tiere (die „festgelegte Zahl“ / numerus definitus)14 auf den BeDie Genesishomilien des Origenes waren Augustin sehr wahrscheinlich in der Übersetzung des Rufinus zugänglich (vgl. Fürst, Art. Origenes, Sp.  383 f.). Dass gerade diese Ausführungen zur ‚geometrischen Elle‘ in qu. 1,4 und ciu. XV 27 teilweise wörtlich von Hom. Gen. 2,2 abhängen, weist Altaner, Origenes, S.  232 f. nach. Er schließt u. a. aus diesem Befund, dass Augustin diese Schrift selbst (und nicht etwa nur indirekt über Ambrosius) kannte. 10 Vgl. qu. 1,4, S.  3, Z.  69–77 und ciu. XV 27, S.  495, Z.  37 – S.  496, Z.  43. Dass Mose der Verfasser des Pentateuch war, war eine generelle Überzeugung innerhalb der Alten Kirche (vgl. mit mannigfaltigen Belegen Cocchini, Art. Moses I, S.  575). Augustin selbst schreibt in seinen Psalmenauslegungen: „Moyses quinque libros scripsit“ (en. Ps. 70,1,19, S.  957, Z.  50 f.). 11 Vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  31–37. 12 Vgl. ciu. XV 27, S.  496, Z.  61–63. 13 Vgl. ciu. XV 27, S.  496, Z.  7 7 – S.  497, Z.  86. 14 Vgl. ciu. XV 27, S.  496, Z.  6 8. Dieser Begriff erinnert an die prädestinatorische Rede von der festgelegten Zahl der Erwählten, was vor dem Hintergrund der ekklesiologischen Deutung der Arche durch Augustin durchaus Sinn ergibt. Allerdings ist zu beachten, dass die

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fehl Gottes, „Sie sollen zu dir hineingehen“ (Gen 6,20), hin geschehen sei.15 Versteht man dies nun vor dem Hintergrund der allegorischen Deutung der Arche als rettendes Holz, das die Kirche in der Welt trägt bzw. dann auch die Gerechten vor dem endzeitlichen Gericht schützt,16 legt sich hier der Gedanke an die Prädestination der zu Rettenden nahe, die mit der Wahl der Tiere und ihrem Ruf durch Gott bildhaft vorweggenommen wird. Ein weiteres Problem wurde darin gesehen, wie die Ernährung der fleischfressenden Tiere in der Arche vonstatten gegangen sein sollte, ohne die Anzahl der anderen Tiere zu schmälern. Als rationale Lösung schlägt Augustin vor, dass Noah auf die Anweisung Gottes hin Nahrung mitgenommen habe, die von allen Tieren gefressen wird: zum Beispiel Feigen und Kastanien. Aber Gott hätte das Leben der Tiere während ihrer Zeit in der Arche auch ohne Nahrung erhalten können.17 Augustin versucht zwar aufgrund der im biblischen Text gegebenen Hinweise und durch seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse, etwa über die Statik und den Auftrieb eines Schiffes oder die Fortpflanzung und Ernährung von Tieren, die Fragen derjenigen, die an der Historizität der Sintfluterzählung zweifeln, zu beantworten, doch bezieht er sich letztlich immer wieder auf die Vorsehung und das Handeln Gottes in diesem als „Geheimnis“ (mysterium)18 angesehenen Geschehen, um die Zweifel der Gegner abschließend zu entkräften. 2.1.2 Die Arche als Sinnbild für die Kirche Zunächst im frühen Judentum,19 und darauf auf bauend im frühen Christentum, begegnen aktualisierende Deutungen der Fluterzählung als Vorausschau eines eschatologischen Geschehens, einer endzeitlichen Vernichtung des Großteils der Menschheit bei gleichzeitiger Rettung eines kleinen Teils davon. So schreibt Jesus Sirach in seiner heilsgeschichtlichen Rückschau: „Noah wurde als vollkommener Gerechter befunden, in der Zeit des Zornes wurde er zum Gegenwert; daher entstand ein Rest auf Erden, als die Flut geschah; ewige Bundesschlüsse wurden mit ihm geschlossen, damit nicht alles Fleisch durch die Flut vernichtet werde.“20 Besonders auffällig sind hier die apokalyptisch konin der Arche existierenden reinen und unreinen Tiere ja noch die Kirche in ihrem gegenwärtigen Zustand als corpus permixtum abbilden. 15 Vgl. ciu. XV 27, S.  496, Z.  73–76. 16  S. Abschnitt 2.1.2. 17 Vgl. ciu. XV 27, S.  497, Z.  8 8–102. 18 Vgl. ciu. XV 27, S.  497, Z.  86. 19  In seiner Zusammenstellung der Wurzeln christlicher Deutungen der Arche kommt Hugo Rahner zu dem Schluss, dass die „Sintflut als Typus auf das Weltgericht hin […] zu den Grundgedanken der spätjüdischen Eschatologie“ gehöre (vgl. Rahner, Antenna, S.  145). 20  Νωε εὑρέθη τέλειος δίκαιος, ἐν καιρῷ ὀργῆς ἐγένετο ἀντάλλαγμα· διὰ τοῦτον ἐγενήθη κατάλειμμα τῇ γῇ, ὅτε ἐγένετο κατακλυσμός· διαθῆκαι αἰῶνος ἐτέθησαν πρὸς αὐτόν, ἵνα μὴ ἐξαλειφθῇ κατακλυσμῷ πᾶσα σάρξ. (Sir 44,17 f. [LXX])

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notierten Begriffe „Zeit des Zorns“ (καιρὸς ὀργῆς) und „Rest“ (κατάλειμμα). Die Rettung dieses Restes – zu denken ist hier im Bild an die Familie Noahs, in der Übertragung wohl an einen eschatologischen Rest des Volkes Israel – wird offenbar von der Gerechtigkeit Noahs abhängig gemacht, der als „Gegenwert“ / „Tauschmittel“ (ἀντάλλαγμα) fungiert. Im Neuen Testament findet sich neben der eschatologischen Parallelisierung der Zeit Noahs mit dem erwarteten Kommen des Menschensohns (Mt 24,37–39; Lk 17,26 f.) ebenfalls eine Zentrierung auf die heilsvermittelnde Funktion des gerechten Noah: Dieser habe „zur Rettung seines Hauses“ (εἰς σωτηρίαν τοῦ οἴκου αὐτοῦ / Hebr 11,7) – nicht etwa zur Rettung der Tiere – die Arche gebaut. Schon früh setzten Identifizierungen des gerechten Noah mit Christus ein, der die Kirche zur Rettung der Seinen, der eschatologischen Heilsgemeinschaft, erbaute. Ein zentraler Ausgangspunkt für die allegorischen Deutungen der Arche auf die Kirche hin wurde ferner 1Petr 3,19–21, wo auch die Assoziation zur Taufthematik hergestellt wird: „in ihr [sc. der Arche] wurden wenige, das heißt acht Seelen, gerettet durch das Wasser hindurch. Das ist ein Vorbild der Taufe, die jetzt auch euch rettet.“21 Für die christliche Rezeption ebenfalls von Relevanz ist die besondere Hervorhebung des rettenden Holzes der Arche: Denn als in der Urzeit die hochmütigen Riesen zugrunde gingen, hinterließ die Hoffnung der Welt, die auf eine Holzplanke geflohen war, der [darauffolgenden] Zeit einen Samen der Hervorbringung, durch deine Hand gesteuert. Daher sei das Holz gesegnet, durch das Gerechtigkeit geschieht.22

Lange vor Augustin wurden in der christlichen Tradition Verbindungen zwischen dem Holz der Arche und dem rettenden Kreuzesholz Christi gesehen. Auf dieser breiten auslegungsgeschichtlichen Grundlage, der ekklesiologischen Deutung der Arche, der auf das Holz der Arche bezogenen Staurozentrik sowie der sakramentaltheologischen Deutung des Seiteneingangs sind die allegorischen Deutungen Augustins zu verstehen.23 21  ἀπειθήσασίν ποτε, ὅτε ἀπεξεδέχετο ἡ τοῦ θεοῦ μακροθυμία ἐν ἡμέραις Νῶε κατασκευαζομένης κιβωτοῦ εἰς ἣν ὀλίγοι, τοῦτ’ ἔστιν ὀκτὼ ψυχαί, διεσώθησαν δι’ ὕδατος. ὃ καὶ ὑμᾶς ἀντίτυπον νῦν σῴζει βάπτισμα (1Petr 3,20 f.). 22  καὶ ἀρχῆς γὰρ ἀπολλυμένων ὑπερηφάνων γιγάντων ἡ ἐλπὶς τοῦ κόσμου ἐπὶ σχεδίας καταφυγοῦσα ἀπέλιπεν αἰῶνι σπέρμα γενέσεως τῇ σῇ κυβερνηθεῖσα χειρί. εὐλόγηται γὰρ ξύλον, δι᾽ οὗ γίνεται δικαιοσύνη (Weish 14,6 f. [LXX]). 23  In mehreren Punkten gleicht die Auslegung der Archeerzählung in ciu. durch Augustin in auffälliger Weise denjenigen des Origenes, wie sie in seinen Homilien zum Buch Genesis (Hom. Gen.) zu finden sind. Die Ähnlichkeiten sind so signifikant, dass man von einer Beeinflussung Augustins durch Origenes ausgehen kann. Nach Berthold Altaner „dürfen wir […] damit rechnen, daß Augustinus, vor allem in seinen exegetischen Werken, auch diese Quellen [sc. die Schriften des Origenes] für seine Zwecke ausgeschöpft haben wird“. „Augustinus lehnt sich zum Teil wörtlich an die Rufinische Übersetzung der Origenes-Homilie an.“ (Altaner, Origenes, S.  229.232; vgl. a. a. O., S.  232–236; s. auch Lewis, Study, S.  161– 167)

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In seiner in den Jahren nach 400 entstandenen Schrift cat. rud. deutete Augustin die Arche bereits ausführlicher als einen symbolischen Vorverweis auf die zukünftige Kirche. Das Holz der Arche, das die Gerechten vor der Sintflut rettet, assoziiert Augustin mit dem „Geheimnis des Kreuzes Christi“, durch das er die Gerechten emporhebt und so vor dem Versinken in diese Welt rettet – eine Heilsgemeinschaft also, die bereits in dieser Welt existiert.24 Diese Deutungen werden in ciu. weiter ausgebaut: So sei die Arche, die den gerechten Noah, seine Frau und seine drei Söhne nebst den Schwiegertöchtern sowie alle eingelassenen Tiere rettete, „ohne jeden Zweifel ein Bild für die in dieser Welt pilgernde Gottesstadt, das ist die Kirche, die durch das Holz gerettet wird, an dem der Mittler zwischen Gott und den Menschen hing, der Mensch Christus Jesus“.25 Auch die Charakterisierung Noahs als in dem Maße vollkommen, wie es unter den Bedingungen der Sterblichkeit als pilgernder Bürger der ciuitas dei möglich ist, vollkommen zu sein, entspricht dieser Interpretation der Arche auf die gegenwärtige Kirche hin und erinnert zugleich an Augustins Verständnis der Gerechtigkeit Abels. Wahrscheinlich steht neben der bereits bei Philo begegnenden Deutung 26 die in den Paulusbriefen verwendete ekklesiologische Metapher des Leibes Christi im Hintergrund,27 wenn Augustin die in Gen 6,15 f. von Gott an Noah gebotenen Bauanweisungen für die Arche auf den Leib Christi bezieht.28 Das vorangestellte Prädikat homo vor Christus Jesus in dem von Augustin ausgewählten Zitat aus 1Tim 2,5 verweist darauf, dass es ihm im Folgenden um Jesus Christus, den „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (mediator dei et hominum), vorwiegend im Hinblick auf seine Eigenschaften als Mensch geht:29 So 24 Vgl.

cat. rud. 32, S.  156, Z.  36 – S.  157, Z.  39. Auch in ciu. XVI 38, S.  633, Z.  4 wird die Arche erneut auf die gegenwärtige Situation der Kirche bezogen, und zwar als „Prophetie unserer Zeiten“ (prophetia nostrorum temporum). 25  „procul dubio figura est peregrinantis in hoc saeculo ciuitatis dei, hoc est ecclesiae, quae fit salua per lignum, in quo pependit mediator dei et hominum, homo Christus Iesus.“ (ciu. XV 26, S.  493, Z.  8 –11) 26  Vgl. Philo, QG II 1–4, S.  186, Z.  2 – S.  192, Z.  5; s. dazu Dulaey, Art. Noe, Sp.  210; Altaner, Philo, S.  188; Otto, Reactions, S.  94–98. Philo bezog die Angaben zur Arche auf die Proportionen eines menschlichen Körpers. Damit schuf er eine wichtige Voraussetzung für die Deutung der Arche auf den corpus Christi, wie sie sich bei Augustin findet. Dass Augustin die QG Philos „in einer damals existierenden lateinischen Übersetzung gekannt und benützt hat“, davon geht Berthold Altaner aus (a. a. O., S.  182 mit Anm.  2). Allerdings ist diese Annahme nicht unumstritten (vgl. mit entsprechenden Literaturhinweisen: O’Daly, Art. Ciuitate, Sp.  1002 mit Anm.  118; Runia, Art. Philo, Sp.  717). So vertritt gegen Altaner etwa Pierre Courcelle die Auffassung, Augustin sei hier von Ambrosius (vgl. Noe 6,13, S.  421, Z.  25 – S.  422, Z.  25), nicht aber direkt von Philo abhängig (vgl. Courcelle, Philon, S.  80– 83; so auch Rahner, Antenna, S.  168 [s.u. Anm.  30]). 27  Vgl. Röm 12,4–6; 1 Kor 12,12–27, und auch die späterere Vorstellung in den Deuteropaulinen, dass Christus das Haupt dieses Leibes ist: Eph 1,22 f.; 4,12–16; 5,23 f.; Kol 1,18; 2,19. 28  Vgl. zum Folgenden: ciu. XV 26, S.  493, Z.  11–22. 29 Vgl. ciu. XV 26, S.   493, Z.  10 f. In der Edition von Dombart / K alb (CChr.SL 47.48)

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stünden Länge und Breite der Arche (300 Ellen x 50 Ellen) im gleichen Verhältnis wie Länge und Breite eines menschlichen Körpers, nämlich 6:1. Und die vom Boden aus gemessene Höhe eines liegenden Menschen stünde zur Länge des Körpers im Verhältnis 1:10, was dem Verhältnis zwischen der Höhe der Arche (30 Ellen) und ihrer Länge (300 Ellen) entspricht. Schließlich deute der von Gott in Auftrag gegebene Eingang an der Seite der Arche, durch die auf Gottes Geheiß hin die Tiere zu ihrer Rettung eintreten sollen, auf die Seitenwunde Christi hin.30 Diese Seitenwunde wiederum, durch die die Sakramente ausströmen, bilde einen demjenigen der Arche vergleichbaren Eingang insofern, als durch die Sakramente die Gläubigen in die Kirche „eingeführt“ (initiare) werden.31 Mit dem Plural sacramenta sind hier offenbar sowohl das Wasser der Taufe als auch das in der Eucharistie ausgeteilte Blut Christi gemeint. Dies erklärt sich aus der johanneischen Tradition, wonach sowohl Wasser als auch Blut aus der Seitenwunde des Gekreuzigten ausgetreten sind ( Joh 19,34).32 Die viereckigen Balken der Arche schließlich stünden bildlich für das „standhafte Leben der Heiligen“ (stabilis vita sanctorum).33 wird die Formulierung Augustins nicht als Zitat ausgewiesen, auch ein Hinweis auf 1Tim 2,5 fehlt hier. Ein solcher findet sich aber in BAW [ciu.] 2, S.  917 u. BKV [ciu.], S.  864. 1Tim 2,5 stellt den von Augustin am häufigsten zitierten biblischen Beleg für die Vorstellung von Christus als mediator dar (vgl. Rémy, Art. Mediator, Sp.  1223). Diese Vorstellung ist für seine Christologie, Soteriologie und Ekklesiologie von großer Bedeutung, worauf u. a. auch Joseph Ratzinger im Hinblick auf ciu. hinweist (vgl. Ratzinger, Volk, S.  233–243.283–297; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.4). 30 Vgl. ciu. XV 26, S.  494, Z.  2 3 f. Die Vorstellung, dass die Maße der Arche auf das corpus Christi verweisen, begegnet bereits in c. Faust. 12,14, S.  344, Z.  2 –4 (vgl. dazu auch Rahner, Antenna, S.  161 mit Anm.  140; Bardy, Exégèse de Philon, S.  706). Hugo Rahner ist der Auffassung, Augustin habe die „Lehre des Ambrosius von der Arche als Symbol des Menschenleibes“ (vgl. Ambrosius, Noe 6,13, S.  421, Z.  25 – S.  422, Z.  25) übernommen und überhöht „auf den Leib des menschgewordenen Wortes“, d. h. auf den Leib Christi (Rahner, a. a. O., S.  168). Eine alternative symbolische Deutung der Maße gibt Augustin in c. Faust.: Demnach bedeuten die 30 Ellen die 30 Jahre des irdischen Lebens Jesu, die 50 Ellen die 50 Tage zwischen Auferstehung und Pfingsten und schließlich die 300 Ellen (geteilt in sechs Einheiten mit jeweils 50 Ellen) die sechs Weltzeitalter (vgl. c. Faust. 12,14, S.  344, Z.  9 –19; s. dazu Lewis, Study, S.  164). 31 Vgl. ciu. XV 26, S.  494, Z.  24 f. Eine sakramentaltheologische Deutung des Eingangs zur Arche findet sich bereits in c. Faust. 12,16, S.  345, Z.  28 – S.  346, Z.  1. In Io. eu. tr. 120,2, S.  661, Z.  6 –21 wird darüber hinaus eine Assoziation zwischen der Seitentür der Arche, der Seite des schlafenden Adam, aus der Gott die Rippe zur Erschaffung Evas entnahm (vgl. Gen 2,21), und der Seitenwunde Jesu Christi (des „zweiten Adam“ / Adam secundus) hergestellt (vgl. dazu Rahner, Antenna, S.  169 f.). Gustave Bardy weist darauf hin, dass sich die Idee der aus der Seitenwunde Christi fließenden Sakramente häufig in den Schriften Augustins findet (vgl. Bardy, Exégèse de Philon, S.  706). 32  An anderer Stelle, etwa in seinem 414 an Bischof Evodius von Uzalis geschriebenen Brief, kann sich Augustin aber auch der Deutung aus 1Petr 3,20 f. anschließen, wonach das Wasser der Sintflut, durch das hindurch die in der Arche Befindlichen gerettet wurden, ein Vorbild der Taufe sei (vgl. ep.  164,2, S.  522, Z.  8 –15). 33 Vgl. ciu. XV 26, S.  494, Z.  27.

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Insofern die in die Arche aufgenommenen Tiere und Menschen die auf der Erde pilgernde ciuitas dei repräsentieren, stellen sie ein corpus permixtum dar: So wird sich, wie Augustin in ciu. XVI 1 ausführt, einer der acht geretteten Menschen, nämlich Ham, an seinem Vater vergehen.34 Und auch die Tatsache, dass Gott sowohl reine als auch unreine Tiere in die Arche gehen ließ, konnte Augustin bereits in en. Ps. 8,13 als Allegorie für die in der gegenwärtigen Kirche befindlichen Guten und Schlechten begreifen.35 In ciu. XV 27 wird davon ausgegangen, dass analog zu den unreinen und reinen Tieren in der Arche auch in der Kirche Reine und Unreine bis zum „beschlossenen Ende“ ( finis certus) existieren.36 Diese Vorstellung begegnet bereits in c. Faust. 12,15, wo darüber hinausgehend davon die Rede ist, dass deswegen von den reinen Tieren im Unterschied zu den unreinen je sieben Paare aufgenommen wurden, da durch die Siebenzahl die sieben Wirkungen des Heiligen Geistes (Weisheit, Verstand, Ratschluss, Tapferkeit, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht) repräsentiert werden.37 Dieser Gedanke steht wahrscheinlich auch hinter der in ciu. XV 27 gestellten rhetorischen Frage nach der Bedeutung eben dieses Umstandes der sieben reinen Paare im Unterschied zu dem einen unreinen Paar, wo Gott doch auch von allen Tieren nur ein Paar hätte nehmen können.38 Indem sich die Maße der Arche am Leib Christi orientieren und die Stabilität der Arche durch die Heiligen gewährleistet wird, entsteht ein feststehender Raum der Kirche, in den dann aber auch während der Fahrt der Arche durch die Wasser dieser Welt

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Vgl. dazu auch ep.  78,7, S.  343, Z.  13–16: „quantum libet enim uigilet disciplina domus meae, homo sum et inter homines uiuo nec mihi adrogare audeo, ut domus mea melior sit quam arca Noe, ubi tamen inter octo homines reprobus unus inuentus est“. 35 Vgl. en. Ps. 8,13, S.  56, Z.  12–20; s. dazu auch Rahner, Antenna, S.  173 f. Vor dem Hintergrund des Donatistischen Streits gewinnt die symbolische Deutung der reinen und unreinen Tiere, die Augustin bereits gegen den Manichäer Faustus gerichtet hatte, nochmals an Aktualität. Reine wie unreine Tiere existieren innerhalb der einen, allein vor den Fluten des Endgerichts bewahrenden Arche (d. h. der Kirche), so lange sie noch unterwegs ist (d. h. während der Weltzeit), und repräsentieren damit sowohl die Sünder als auch die Gerechten. Eingang in diese Arche finden sie dabei nur durch deren ‚Seiteneingang‘ (d. h. durch die Sakramente der Kirche). Hugo Rahner sieht in Augustins ekklesiologischer Deutung der Arche nicht nur die Problematik der Sünder innerhalb der Kirche, sondern auch diejenige der ‚Ketzertaufe‘ verhandelt, die ebenfalls im Kontext des Donatistischen Streits wieder aufkam und zu der sich Augustin zu verhalten hatte (vgl. mit Bezugnahme auf bapt. 5,39, S.  296, Z.  10–17: Rahner, Antenna, S.  175 f.). 36 Vgl. ciu. XV 27, S.  497, Z.  102–109. Diese Deutung war nicht unumstritten, konnte sie doch als Legitimation verstanden werden, moralische Verfehlungen und lehrmäßige Abweichungen innerhalb der Kirche zu dulden. Vgl. etwa zum diesbezüglichen Streit zwischen Callistus I. und Hippolyt: Lewis, Study, S.  166. 37 Vgl. c. Faust. 12,15, S.  3 45, Z.  5 –7; s. eine Vielzahl weiterer Belege dieser Vorstellung bei Augustin: Dulaey, Art., Noe, Sp.  212 mit Anm.  35. 38 Vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  6 –12.

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die mit den unreinen Tieren symbolisierten Glieder eintreten können, die nicht für das Heil bestimmt sind.39 2.1.3 Die Arche als Sinnbild für die Rettung im Endgericht Die Sintflut ist jedoch nicht nur Sinnbild für die gegenwärtige, irdische Welt, in der die gegenwärtige Kirche, versinnbildlicht als Arche, unterwegs ist. Sie kann auch, etwa im Anschluss an Lk 17,26 f., wo das endzeitliche Kommen des Menschensohns mit der Sintflut verglichen wird, allegorisch für das kommende endzeitliche Gericht stehen, in der das rettende Holz der Arche die „Befreiung der Heiligen“ andeute.40 Wahrscheinlich wird auch deswegen die Sendung der Sintflut durch Gott in ciu. XV 25 nicht als ein auf die Reue Gottes zurückzuführender Akt verstanden,41 vielmehr ist vorauszusetzen, dass die Intention Gottes, die Flut zu senden, nach Augustin darin besteht, dass er hier ein geschichtliches Beispiel der Vernichtung alles Bösen – bei gleichzeitiger Rettung der Gerechten – geben wollte, bereits vorauswissend, dass nach der Flut wieder böse Menschen existieren werden, und sich am Zustand der Menschheit im Wesentlichen nichts geändert haben wird.42 Während die Flut anhält, existieren sowohl reine als auch unreine Tiere in der Arche – d. h. in der Weltzeit existieren innerhalb der Kirche sowohl die „Reinen“ (mundi, d. h. die electi) als auch die „Unreinen“ (inmundi, d. h. die mali et haeretici). Sie werden allerdings nur bis zu ihrem jeweils vorbestimmten Ende von diesem „Gefüge der Einheit“ (compago unitatis) umschlossen sein.43 Nach dem Gericht, d. h. im Bild gesprochen: nach dem Ende der Flut, werden nämlich nur noch die Reinen zur Heilsgemeinschaft der ciuitas dei gehören. Dies werde darin prophetisch vorweggenommen, so Augustin in einer Predigt, dass Noah auf dem nach der Flut errichteten Altar lediglich von den reinen Tieren opfert.44 39  Die allegorische Bedeutung der Tiere wird erneut in ciu. XVI 7 aufgegriffen; s. dazu Abschnitt 2.2.4. 40 Vgl. cat. rud. 32, S.  157, Z.  41–43. Augustin wird den Bezug zwischen der Sintflut und dem endzeitlichen Gericht erneut aufgreifen in ciu. XX 18, S.  729, Z.  23–S.  730, Z.  54, wo auch ein wichtiger Hintergrund dieser Deutung deutlich wird, denn Augustin geht hier auf 2Petr 3,3–13 ein. 41  Vgl. dazu auch den Absatz zu ciu. XV 25 in Abschnitt 1.3.2. 42  Für diese Ansicht spricht auch, dass das Sterben der vernunftlosen Tiere in den Augen Augustins nicht notwendig war, da diese nicht gesündigt haben (vgl. ciu. XV 25, S.  493, Z.  11–14). Auch wäre die Rettung eines Teils dieser Tiere in der Arche nicht nötig gewesen, da Gott sie nach der Flut von Neuem hätte erschaffen können (vgl. ciu. XV 27, S.  495, Z.  13 f.). 43  „iam enim gentes ita ecclesiam repleuerunt, mundique et inmundi, donec certum ueniatur ad finem, ita eius unitatis quadam compagine continentur, ut ex hoc uno manifestissimo etiam de ceteris, quae obscurius aliquanto dicta sunt et difficilius agnosci queunt, dubitare fas non sit.“ (ciu. XV 27, S.  497, Z.  105–109; vgl. s. 264,5, Sp.  1216, Z.  42–45) 44  „sed posteaquam exiuit inde Noe, non fecit sacrificium deo nisi de mundis animalibus.

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2.2 Der weitere Verlauf des zweiten Weltzeitalters 2.2.1 Die Nachkommen Noahs und die Entstehung der Völker der Erde Nach dem biblischen Bericht bilden die drei Söhne Noahs, Sem, Ham und Japhet, die Stammväter aller Völker, die nach der Sintflut die Erde erneut besiedelten.45 Durch diese genealogische Konstruktion kann man letztlich jeden Menschen auf einen der drei Stammväter zurückführen und die Weltbevölkerung folglich in drei Gruppen unterteilen. So werden aus Sem neben anderen die Vorfahren Abrams hervorgehen, des ersten der drei prominenten Erzväter des Volkes Israel. In der sogenannten mosaischen Völkertafel (Gen 10), die die Nachkommenschaft der drei Noahsöhne darstellt, werden 72 Namen von Personen oder Volksgruppen aufgeführt, die mit 72 Völkern identifiziert werden können.46 Augustin setzt, wie sich später in ciu. XVI 17 zeigt, die traditionelle antike Aufteilung47 der Erde in drei große Erdteile voraus: Europa, Afrika und Asien.48 Mit Asien ist, wie er betont, nicht die Provinz Asia des Römischen Reiches gemeint, sondern im weiten Sinne das gesamte „Morgenland“ (oriens)49, das beispielsweise auch Indien mit einbezieht. Von der Größe her mache Asien, also der Orient, die Hälfte der Fläche der bewohnbaren Erde aus, während die beiden anderen Erdteile, Europa und Afrika, die durch das „große Meer“ (mare magnum)50, d. h. das Mittelmeer, getrennt sind und gemeinsam das „Abendland“ (occidens)51 bilden, sich die andere Hälfte der Erdoberfläche teilen. Bereits in zwischentestamentlicher Zeit ging man im Anschluss an die Darstellung der Völkertafel von einer ‚Aufteilung der Erde‘ unter die drei Söhne Noahs aus,52 unde debemus intellegere quia in arca ista et munda et immunda animalia sunt, sed post diluuium istum non accipit deus nisi eos qui se mundauerunt.“ (s. 264,5, Sp.  1216, Z.  45–50) Diese Deutung begegnet in ciu. allerdings nicht. 45  Vgl. Gen 9,18 f. 46  Bereits Hieronymus ist aufgefallen, dass es nach dem hebräischen Text 70 Völker gewesen sind, während es nach der LXX 72 Völker waren. Diese Diskrepanz ist gerade im Hinblick auf die Wirkungsgeschichte von nicht unerheblicher Bedeutung, da doch sowohl die im sogenannten Aristeasbrief dargelegte Entstehungslegende der Septuaginta (72 Übersetzer) als auch die Aussendung der 72 Jünger nach Lk 10,1 von der Annahme ausgehen, dass sich die gesamte Weltbevölkerung auf 72 Völker und Sprachen aufteilt (vgl. hierzu Borst, Turmbau II/I, S.  389 f.). 47  Die Dreiteilung der Erde in Europa, Afrika und Asien findet sich beispielsweise beim römischen Geschichtsschreiber Sallust; vgl. Bell. Jug. 17,1–7, S.  68, Z.  22 – S.  69, Z.  14. Zu den drei Erdteilen bei Augustin vgl. auch in qu. 6,15, S.  321, Z.  361 – S.  322, Z.  368. Dass Augustin die Schrift Bell. Jug. des Sallust kannte, zeigt sich an entsprechenden Zitaten (vgl. nat. et gr. 1, S.  233, Z.  8 f.; ep.  153,22, S.  422, Z.  13 f. u.ö.). 48  Vgl. zum Folgenden ciu. XVI 17, S.  521, Z.  7–21. 49 Vgl. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  13.20. 50 Vgl. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  19. 51 Vgl. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  2 0. 52  Vgl. mit Bezug auf das in Qumran gefundenen Genesis-Apokryphon (1Q20 XVI,14; XVII,7): Gzella, Art. Sem.

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was sich im Laufe der Zeit bei frühchristlichen Denkern mit der antiken Dreiteilung des orbis terrarum verband.53 Es manifestierte sich also die Vorstellung, dass den drei Noahsöhnen und ihrer Nachkommenschaft, die ja gemäß der der Völkertafel zugrunde liegenden Konzeption die gesamte Menschheit darstellt, diese drei antiken Erdteile zuzuordnen sind. So leben die aus Sem hervorgegangenen Völker im Nahen Osten (Orient), die Nachfahren Hams in Afrika, während die von Japhet abstammenden Völker Europa und Zentral- bzw. Fernost-Asien besiedeln. Augustin jedoch verzichtet bei seiner Rezeption der Völkertafel in ciu. auf solche geographischen Zuordnungen. In ciu. XVI 3 rekapituliert Augustin das Hervorgehen aller nachsintflutlichen Völker aus den drei Noahsöhnen, wobei er sich entsprechend der Reihenfolge der Völkertafel zunächst mit dem jüngsten Sohn Japhet, sodann mit Ham und schließlich mit dem Erstgeborenen Sem beschäftigt. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dabei denjenigen Personen, die aus dem chronologischen Duktus der Genealogien fallen oder zu denen es neben der Namensnennung weitere Ausführungen gibt. So fällt ihm auf, dass Nimrod in Gen 10,8 als Sohn des Kusch, der wiederum der Erstgeborene des Stammvaters Ham ist, nicht mit den anderen Söhnen seines Vaters Kusch aufgezählt wird, sondern erst nachdem mit Saba und Dedan bereits zwei Enkel Kuschs genannt wurden. Augustin zufolge wollte der Verfasser mit dieser Auffälligkeit die Bedeutung der Person Nimrods hervorheben, da mit diesem die Gründung der im Lande Schinear gelegenen Stadt Babel verbunden ist, von der her das Babylonische Reich seinen Anfang genommen hat, das wiederum für den weiteren Verlauf der Geschichte – insbesondere auch des Volkes Israel – bedeutsam ist. Laut hebräischem Text ist Nimrod nach Gen 10,11 in das Land Assur gezogen und hat dort neben anderen Städten auch die Stadt Ninive erbaut, die zu einer der Residenzstädte und schließlich in neuassyrischer Zeit zur Hauptstadt des Assyrerreiches wurde. Diesen Vers versteht Augustin – der Darstellung der LXX folgend – allerdings derart, dass eine Person namens Assur aus dem Land Schinear „hervorgegangen“ (exire) sei,54 in dem Nimrod bereits Babel gegründet hatte, und dort Ninive erbaut habe. Ausgehend davon stellt Augustin die (in der variierenden Textgrundlage begründete) Diskrepanz fest, dass nämlich Assur zugleich einer der Söhne des ersten Noahsohnes Sem ist (vgl. Gen 10,22) 53 Vgl. Kohl, Allegorien, S.  27. Ursprünglich dachte man sich die Siedlungsgebiete der Nachkommenschaft Hams, Sems und Japhets territorial deutlich begrenzter (vgl. dazu Alt, Deutung, S.  130 f.). Das Verständnis dessen, was die von Menschen besiedelte ‚Welt‘ ist, war bei den Verfassern und Redaktoren der Völkertafel freilich ein anderes und veränderte sich innerhalb der Rezeptionsgeschichte von Gen 10 entsprechend dem immer weiteren territorialen Horizont. 54  Augustin zitiert aus Gen 10,11: „de terra illa exiuit Assur“ (ciu. XVI 3, S.  501, Z.  15 f.). Nach dem hebräischen Urtext dagegen legt sich der im vorangegangenen Vers genannte Nimrod als Subjekt nahe als derjenige, der vom Land Schinear nach Assur auszog.

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und folglich nicht der Nachkommenschaft Hams zugerechnet werden kann.55 Diese vermeintliche innerbiblische Diskrepanz erlaubt es wohl, dass Augustin in ciu. XVI 3 mit Ninus und dessen Vater Belus zwei nichtbiblische Gestalten einführen kann und mit ihnen ebenfalls gegen die Historizität der in Gen 10,11 f. berichteten Stadtgründung Ninives durch Assur argumentiert. Zu Belus und Ninus und ihrer Bedeutung für die Stadt Ninive existieren in der nichtbiblischen Geschichtsschreibung allerdings unterschiedliche Darstellungen, und es ist nicht leicht auszumachen, welche davon den Hintergrund der Ausührungen Augustins gebildet hat.56 In jedem Fall hat nach Augustin nicht Assur, sondern Belus, der ihm zufolge in der Nachkommenschaft Sems (wohl als einer der Nachfahren Assurs) zu verorten ist, die Stadt Ninive gegründet und nach seinem Sohn Ninus benannt, der wiederum das Assyrerreich weit ausgedehnt habe. Schlussendlich stuft Augustin die in Gen 10,11 f. beschriebene Gründung Ninives und der anderen Städte, die Assur gegründet haben soll, als eine anachronistische Einfügung des Verfassers ein, die auf die Berühmtheit des Assyrischen Reiches zurückzuführen sei.57 Augustin identifiziert Ninus also nicht, wie andere antike Autoren,58 mit der biblischen Gestalt Nimrod, vielmehr liegen nach seiner Chronologie zwischen diesen beiden Gestalten mehrere Generationen, da er der Auffassung ist, dass Ninus ein Zeitgenosse Abrahams gewesen sei.59 Schließlich verlangt eine weitere Unregelmäßigkeit nach einer Erklärung: So wird der älteste Noahsohn Sem, noch bevor seine eigenen fünf Söhne genannt werden, in Gen 10,21 als der „Vater aller Söhne Hebers“ bezeichnet, obwohl Heber selbst ein Urenkel Sems ist. Zunächst nimmt Augustin eine Änderung der Wortfolge vor, die wohl aber dem Wortsinn des Verses weniger entsprechen dürfte, indem er das Attribut Sems, pater omnium filiorum Eber zu sein, von dem spezifizierenden Eber löst und so zu dem Schluss gelangt, dass die Intention des Verfassers gewesen sei, mit pater omnium filiorum zu betonen, dass Sem der Stammvater eines jeden sei, der von ihm und all seinen genannten Nachfahren abstammt.60 Durch die auffällige Nennung Hebers vor den Söhnen Sems solle schließlich das von Heber herkommende Volk der Hebräer als besonderer Teil 55 Vgl.

ciu. XVI 3, S.  502, Z.  33–37. Diodor etwa soll Ninus (gr. Νίνος) der Gründer der Stadt Ninive gewesen sein, während dessen Nachfolgerin im Königsamt Semiramis die Stadt Babylon gründete. Andere griechische Historiker nennen dagegen Ninus’ Vater Belus (gr. Βῆλος) als Gründer Babylons (vgl. mit Quellenbelegen Jacoby, Ktesias, S.  571, 575, 583 f.). Augustin scheint allerdings einen anderen Gründungsmythos Ninives vor Augen gehabt zu haben; Carl Andresen vermutet die von Hieronymus übersetzte Chronik des Eusebius als Hintergrund (vgl. Hieronymus, Chron., S.  20a, Z.  7–12; s. dazu BAW [ciu.] 2, S.  920). 57 Vgl. ciu. XVI 3, S.  502, Z.  25–32. 58  Vgl. dazu Speiser, In search, S.  36. 59 Vgl. ciu. XVI 17, S.  522, Z.  25–27; s. dazu Abschnitt 3.2.2. 60 Vgl. ciu. XVI 3, S.  502, Z.  52–59. 56  Nach

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der Nachkommenschaft Sems herausgehoben werden. Dieses Volk habe eine eigene Sprache gehabt, die sich ausschließlich im Volk Israel erhalten hat, dessen „Heilige“ (sancti) als in der Welt pilgernde Glieder der ciuitas dei anzusehen sind.61 Augustin geht davon aus, dass sich Heber und sein Haus nicht an dem zu seiner Lebzeit erfolgenden Turmbau zu Babel beteiligt hat,62 wodurch sich die Sprache des Hebräischen allein bei ihm und seinem Haus hielt. Diese Weigerung weist ihn zugleich als Glied der ciuitas dei aus, der in der Gruppe der Glieder der ciuitas terrena pilgert, sich aber nicht von diesen zum überheblichen und gotteslästerlichen Werk verleiten lässt. Wie bereits bei seinen Auslegungen früherer Genealogien liegt der eigentliche Fokus des Verfassers nach Augustin also auf den Gliedern der ciuitas dei. Zum einen aus den die Aufzählung der Nachfahren Japhets, Hams und Sems jeweils abschließenden Formeln „Das sind die Söhne [ Japhets, Hams bzw. Sems] nach ihren Geschlechtern, Ländern, Sprachen und Völkern“ (Gen 10,5.20.31) sowie der die Völkertafel abschließenden Notiz in Gen 10,32, dass sich nach der Sintflut von all diesen Nachfahren Noahs die Völker auf der Erde ausgebreitet haben, zum anderen aus der Beobachtung, dass in Gen 10,13 statt Personennamen Namen von Völkern angegeben werden, schließt Augustin gemäß gängiger Auslegungstraditionen, dass in der Völkertafel die Gesamtheit aller die Erde besiedelnden 72 Völker enthalten ist und daher viele weitere Söhne übergangen worden seien, weil aus ihnen eben keine Völker hervorgegangen sind. Während die Anzahl der Völker in der Völkertafel aufgrund verschiedener Zählweisen und unterschiedlicher textlicher Überlieferungen zumeist zwischen 70 und 72 schwankt,63 zählt Augustin selbst, der sich hier auf die Fassung der Septuaginta bezieht, 15 Nachkommen von Japhet, 31 von Ham und 27 von Sem, sodass er in der Summe zunächst auf 73 kommt.64 Allerdings reduziert Augustin diese Zahl an späterer Stelle wieder auf 72, da er in den Nachkommen Hebers und seines Sohnes Phalech nicht zwei Völker, sondern eines sieht, weil beide Stammväter die gleiche Sprache, nämlich Hebräisch, sprachen.65 Der eigentliche Grund für diese Reduktion liegt freilich darin, dass die Zahl 72 für Augustin einen hohen symbolischen Wert hatte und die Anzahl der Völker und Sprachen – auch wenn es sich um das Ergebnis einer durch menschlichen Hochmut provozierten Straf handlung handelt – auf das schöpferische Wirken Gottes zurück61 Vgl.

ciu. XVI 3, S.  502, Z.  59 – S.  503, Z.  75. Vgl. dazu auch ciu. XVI 11, S.  513, Z.  4 –8; s. dazu Abschnitt 2.2.6. 63 Vgl. Witte, Art. Völkertafel. 64 Vgl. ciu. XVI 3, S.   501, Z.  4 –7; S.  502, Z.  45–47; S.  503, Z.  79–84. Arno Borst geht davon aus, dass Augustin deswegen zur Zahl 73 gelangt sei, da er Nimrod, den Enkel Hams (Gen 10,8–12), aufgrund dessen hervorgehobener Bedeutung als Begründer eines eigenen Volkes zählt (vgl. Borst, Turmbau, Bd.  II/I, S.  399). 65 Vgl. ciu. XVI 11, S.  514, Z.  57–71. Zu Phalech und der hebräischen Sprache s. Abschnitt 2.2.6. 62 

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geht, der alles auf der Welt ‚nach Maß und Zahl‘ anordnet (vgl. Weish 11,20 [LXX]).66 2.2.2 Der prophetische Sinn der Noahsöhne Sem, Ham und Japhet Augustin beginnt das 16. Buch mit der Feststellung, dass von denjenigen Menschen, die in der Zeit zwischen Noah und Abraham gelebt haben, keiner durch die Bibel als gottesfürchtig bezeichnet wird. Lässt er hier offen, ob daraus zu schließen ist, dass tatsächlich in dieser Zwischenzeit keine Glieder der ciuitas dei existiert haben, so äußert er an späterer Stelle, unter anderem mit Bezug auf Ps 13,2–4 die Annahme, „dass es auf der Erde niemals an Menschen beider Arten“67 gefehlt habe. Der sowohl in Ps 13,3 als auch in der Sintfluterzählung begegnenden Totalaussage, dass alle Menschen verdorben seien, stehe entgegen, dass das Volk Gottes, das nach Ps 13,4 von den Übeltätern wie Brot verschlungen werde, ja weiterhin existiere. Freilich kann es aber Zeiten geben, in denen die Zahl der irdischen Bürger der ciuitas dei sehr gering ist; so beschränkt sie sich etwa zum Zeitpunkt der Sintflut auf das Haus Noahs und zur Zeit der Geburt Abrams auf das Haus Thara.68 In ciu. XVI 2 erklärt sich Augustin das Schweigen der Bibel über etwaige Glieder der ciuitas dei zwischen Noah und Abraham dagegen mit der Intention des Verfassers, der der „prophetischen Vorsehung“ (prophetica prouidentia) gegenüber der „historischen Sorgfalt“ (historica diligentia) den Vorrang eingeräumt habe:69 „Daher verfolgt der Verfasser der heiligen Schriften oder vielmehr der Geist Gottes durch ihn nur die Dinge, mit denen nicht nur vergangene Geschehnisse erzählt werden, sondern auch zukünftige angekündigt werden, die sich freilich auf die Gottesstadt beziehen.“70 Daraus ist zu entnehmen, dass nach Augustin zwar von der Existenz von Gliedern der ciuitas dei im besagten Zeitraum auszugehen ist, dass sich mit ihnen aber keine besonderen, die ciuitas dei betreffenden Weissagungen verbinden, weshalb sie in der Bibel keine Erwähnung gefunden haben. Mit Sem und Japhet begegnen lediglich zwei Personen zwischen Noah und Abraham, denen Augustin einen solchen prophetischen Sinn zuerkennt und die insofern eine positive Wertung erhalten. Wurden sie doch durch ihren Vater Noah gesegnet, nachdem sie dessen Blöße, als er betrunken war, durch ein Kleid bedeckt haben. Ihr Bruder Ham dagegen hatte dadurch, dass er dies nicht 66 Vgl.

Borst, Turmbau, Bd.  II/I, S.  4 00. „utrumque tamen hominum genus terris numquam defuisse credendum est.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  72 f.) 68 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  73 – S.  513, Z.  8 0; s. dazu Abschnitte 2.2.5 u. 3.2.1. 69 Vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  8 4. 70  „illa itaque exequitur litteram sacrarum scriptor istarum uel potius per eum dei spiritus, quibus non solum narrentur praeterita, uerum etiam praenuntientur futura, quae tamen pertinent ad ciuitatem dei.“ (ciu. XVI 2, S.  500, Z.  85–88) 67 

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getan und die Blöße des Vaters angesehen hatte, ein entehrendes Verhalten gegenüber seinem Vater Noah an den Tag gelegt, woraus die Verfluchung von Hams Sohn Kanaan resultierte:71 „Verflucht sei der Knabe Kanaan, er sei ein Diener seiner Brüder“.72 Der Segen an die Brüder Hams dagegen lautet in der Zitation Augustins: „Gelobt sei der Herr, der Gott Sems, und Kanaan sei sein Knecht; Gott breite Japhet aus und lasse ihn in den Häusern Sems wohnen.“73 Diesen Segen Noahs an seine beiden Söhne versteht Augustin als einen „prophetischen Segen“ (benedictio prophetica),74 und auch mit der Verfluchung Hams bzw. seines Sohnes Kanaan habe Noah ein späteres Ereignis vorausgeschaut. Damit zusammenhängend enthalte auch die Pflanzung des Weinbergs durch Noah und dessen Rausch einen prophetischen Sinn. Ausgehend von einem Wort aus dem Weinberglied des Jesaja, wonach der „Weinberg des Herrn Zebaoth das Haus Israel“ ( Jes 5,7) sei,75 setzt Augustin den durch Noah gepflanzten Weinberg mit dem Volk Israel gleich. Ein anderes Verständnis des Volkes Israel liegt aber zugrunde, wenn Augustin von Christus sagt, dass dieser den Weinberg gepflanzt habe76 – hier ist wohl im übertragenen Sinne an die Heilsgemeinschaft zu denken, die als das wahre Haus Israel durch Christus begründet wurde. Wenn Augustin aber davon spricht, dass Christus in der Inkarnation von diesem Weinberg Fleisch und Blut angenommen habe, um dadurch leiden und den Kreuzestod auf sich nehmen zu können,77 denkt er an das Volk Israel als irdische Größe, aus der Jesus als Mensch abstammt. Die in Jesu Gebet an seinen Vater gerichtete metaphorische Bitte, dass „dieser Kelch an ihm vorübergehen“ möge (Mt 26,39), bildet die Grundlage dafür, dass Augustin den Kelch und damit auch den Wein auf das Leiden Christi hin deutet. In typologischer Übertragung stehe Noah also für Christus, das Betrunkensein Noahs für das Leiden Christi als Folge des Trinkens aus dem Kelch. Der Zustand der Entblößung Noahs als Folge seines Rausches stehe für die „Schwäche“ (infirmitas) Christi, die sich in seinem Leiden gezeigt habe. Dass Noah nach Gen 9,21 entblößt „in seinem Haus“ (in domo sua) gelegen habe, versteht Augustin als einen 71 

Vgl. Gen 9,20–27. Chanaan puer, famulus erit fratribus suis.“ (Gen 9,25 nach ciu. XVI 1, S.  498, Z.  14 f.) 73 „benedictus dominus deus Sem, et erit Chanaan puer illius; latificet deus Iapheth, et habitet in domibus Sem.“ (Gen 9,26 f. nach ciu. XVI 1, S.  498, Z.  18–20) 74 Vgl. ciu. XVI 1, S.  498, Z.  9 f. 75 Vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  51. 76 Vgl. ciu. XVI 2, S.  499, Z.  50. 77 Vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  55–58. Eine Deutung der Trunkenheit Noahs als Bild für die Passion Christi begegnet bereits bei anderen Auslegern wie Cyprian und Hilarius von Poitiers. Hieronymus führte diese Auslegung weiter, indem er das Vergehen Hams mit dem von den Juden verursachten Leiden Jesu am Kreuz verband (vgl. Hieroynmus, Lucif. 22, Sp.  185, Z.  35 – Sp.  186, Z.  26; s. dazu mit weiteren Quellenverweisen Lewis, Study, S.  177 f.). Daran knüpfen wohl auch die nochmals erweiterten Äußerungen Augustins zu Gen 9,20–27 in ciu. XVI 1 f. an. 72 „maledictus

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Vorverweis darauf, dass das Leiden und der Tod Jesu von seinen eigenen Blutsverwandten – dem Haus Israel – verursacht werden würde. Der Umstand, dass die Episode des betrunkenen Noah dessen moralische Integrität als eines gottesfürchtigen und gerechten Mannes in Frage stellt, wird wohl Anlass zu dieser typologischen Deutung gegeben haben. Die Betonung Augustins, dass alle Aspekte der Erzählung von Noah im Weinberg „befruchtet seien mit prophetischen Bedeutungen und verhüllt von Schleiern“,78 die erst „jetzt“ (nunc), d. h. in der Zeit nach Christus enthüllt wurden, lässt jedenfalls vermuten, dass er der anstößigen Erzählung vom betrunkenen Noah im historischen Sinn wenig abgewinnen konnte. In der Übertragung auf Christus jedoch wird die Anstößigkeit des Betrunkenseins und der Nacktheit Noahs dadurch entschärft, dass gerade sie auf das für die Erlösung zentrale Leiden Christi und seine Schwachheit am Kreuz hin gedeutet wird. In Aufnahme der paradoxalen paulinischen Rede von der in der Kreuzigung Christi offensichtlichen Schwachheit Gottes, die stärker als die Menschen ist,79 beschreibt Augustin das Leiden Christi als ein „großes Geheimnis“ (grande mysterium)80, das für diejenigen, die daran glauben, zu einer Kraft Gottes wird. Aufgrund seiner in qu. 1,17 gegebenen Antwort auf die Frage, warum in Gen 9,25 nicht Ham selbst wegen seines Fehlverhaltens gegenüber Noah verflucht wird, sondern sein Sohn Kanaan, kann geschlossen werden, dass Augustin der prophetische Sinn dieses Fluches und der historische Kontext, auf den er sich bezieht, bekannt waren. Lautet doch hier die Antwort: „Einzig [deshalb wird Kanaan verflucht,] weil damit prophezeit ist, dass die Söhne Israels, die aus dem Samen Sems abstammen würden, die Kanaanäer aus dem Land Kanaan heraustreiben und sie gänzlich besiegen und das Land empfangen sollten.“81 In ciu. dagegen begegnet diese Erklärung nicht, und im Fluch wie im Segen der Noahsöhne wird ein anderer prophetischer Sinn gesehen, der sich an die allegorische Auslegung der Arche anschließt. Augustin zufolge habe sich erst jetzt, d. h. im Licht der Offenbarung Christi (und nicht in der Einnahme Kanaans durch das Volk Israel), der wahre Sinn dieser Erzählung enthüllt. Zunächst folgt er der biblischen Einteilung der Völker, indem er Christus als „dem Fleische nach“ in der Nachkommenschaft Sems verortet.82 Jedoch geht Augustin sogleich über diese ‚fleischliche‘ Lesart hinaus, und zwar in Fortführung der innerhalb seiner typologisch-ekklesiologischen Deutung der Arche getroffenen Annahme, dass Ham als einer von den acht in die Arche aufgenommenen Men78  „et quae ibi cetera facta atque conscripta sunt, propheticis sunt grauidata sensibus et uelata tegminibus.“ (ciu. XVI 1, S.  498, Z.  22 f.) 79  Augustin zitiert aus 2Kor 13,4 und 1Kor 1,25 (vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  59–62). 80 Vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  6 8. 81  „nisi quia prophetatum est quodam modo terram Chanaan eiectis inde Chananaeis et debellatis accepturos fuisse filios Israhel, qui uenirent de semine Sem.“ (qu. 1,17, S.  6, Z.  173– 176) 82 Vgl. ciu. XVI 2, S.  498, Z.  3 –5.

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schen nicht zum endgültigen Heil bestimmt ist. Sem, Ham und Japhet dienen ihm also nicht zum Verständnis der Genese aller Völker, sondern zu einer binnenkirchlichen Differenzierung. Dabei bedient er sich erneut Namensetymologien, um die drei durch die drei Noahsöhne repräsentierten Gruppen zu charakterisieren. Sem bedeute demnach „der Genannte“ (nominatus)83, was Augustin unter Rückgriff auf das Hohelied auf den Namen Christi bezieht.84 Da eine biblische Namensetymologie zu Sem fehlt, wird sich Augustin hier wieder am Onomasticon des Hieronymus orientiert haben, denn dort findet sich die Angabe: „Sem [bedeutet] Name oder auch der Genannte“ (Sem nomen uel nominatus).85 Der Hintergrund dieser Etymologie ist in der morphologischen Übereinstimmung des Namens Sem (‫)שֵם‬ ׁ mit dem Substantiv ‫שֵם‬ ׁ („Name“) zu sehen. Sem wird zwar weiterhin auf die Juden bezogen, allerdings lediglich auf die „Erstlinge der Israeliten“ (primitiae Israelitarum)86 , zu denen nämlich der ‚Name‘ Christi gekommen sei. Der ‚Name Christi‘ habe sich sodann über alle Völker ausgebreitet (latitudo gentium), was Augustin mit der nächsten Etymologie verbindet: Japhet bedeute nämlich „Ausdehnung“ (latitudo).87 Der an Japhet ergangene Segen, dass Gott ihn „ausbreiten“ (latificare) und in den Häusern Sems wohnen lassen werde, sieht Augustin in der in Christus begründeten Ausweitung des Heils auf die Heiden und deren sinnbildliche Integration in die „Häuser Sems“ erfüllt, die er mit den Kirchen gleichsetzt.88 Die in der Arche befindlichen Söhne Noahs, die sich gegenüber dessen Entblößung im Weinberg angemessen verhalten haben, werden also mit den in der Kirche befindlichen „berufenen und gerechtfertigten“ (uocati et iustificati)89 Juden und Heiden identifiziert.

83 

Vgl. ebd. So heißt es in Hld 1,3 (LXX): „ausgegossenes Salböl ist dein Name“ / μύρον ἐκκενωθὲν ὄνομά σου. Da es sich beim Hohelied um eine Sammlung wechselnder Gesänge zweier Liebender handelt (die bereits im 2. Jahrhundert, u. a. bei Hippolyt, auf Christus und die Kirche hin gedeutet werden) und in diesem Vers offenbar eine männliche Person angesprochen wird, ist es vorstellbar, dass dieser Vers aus dem Hohelied, auf das sich Augustin beruft, eine Grundlage seiner Assoziation von nominatus und Christus gebildet hat. Die gedankliche Verknüpfung von Christus (dem Gesalbten) und dem Salböl liegt dabei ohnehin nahe, auch wenn im Hld (LXX) der Begriff μύρον und nicht χρῖσμα verwendet wird. 85 Hieronymus, Nom. hebr. Gen. S, S.  71, Z.  13 f. 86 Vgl. ciu. XVI 2, S.  498, Z.  11 – S.  499, Z.  1. 87 Vgl. ciu. XVI 2, S.   498, Z.  7–9. Diese Etymologie findet sich auch bei Hieronymus (Nom. hebr. Gen. I, S.  67, Z.  11 f.: „Iafeth latitudo.“); sie lässt sich erklären durch die Rückführung von „Japhet“ / ‫ יֶָפת‬auf die Verbalwurzel ‫פתה‬, was so viel wie „weit machen“ bedeutet (vgl. Wutz, Onomastica, S.  557 f.). 88 Vgl. ciu. XVI 2, S.  498, Z.  8. 89 Vgl. ciu. XVI 2, S.  499, Z.  3 4 f.; ähnlich begegnet diese Interpretation bereits in c. Faust. 12,23, S.  351, Z.  1–9. Die Auffassung Arno Borsts, es handele sich bei Sem, Ham und Japhet um die „Repräsentanten der Hauptreligionen, der jüdischen, heidnischen und häretischen“ 84 

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Wie in der biblischen Erzählung vorgegeben, liegt auch hier die Verfluchung Kanaans und der Segen an Sem und Japhet in der Art des Umgangs mit dem entblößten Vater begründet. Versteht man nun mit Augustin den betrunkenen und entblößten Zustand Noahs als Vorverweis auf das Leiden Christi und die am Kreuz offenbarte göttliche Schwachheit, so gehen Sem und Japhet, sinnbildlich stehend für die beschnittenen und die unbeschnittenen Christen, angemessen mit dieser Schwachheit Gottes um: Sie treten rückwärts gewandt mit einem Gewand auf ihrem Rücken an ihren Vater heran und verhüllen ihn damit. Der zugewandte Rücken bedeute das Gedenken des Leidens Christi als eines vergangenen Geschehens; das Kleid, mit dem sie die Blöße Noahs verhüllen, stehe für den verehrenden Umgang der Christen mit der Schwachheit Gottes als eines Geheimnisses. Sie ehren damit das Leiden Christi als ein für sie heilvolles Geschehen, wenden sich aber zugleich vom „Verbrechen der Juden“ ( facinus Iudaeorum)90 ab, welches die Ursache dieses Leidens ist. Ham dagegen hat die Blöße Noahs angesehen und davon seinen Brüdern erzählt. In diesem Verhalten zeige sich das Verhalten der Häretiker, die mit ihrer Stimme nur das Leiden Christi verkünden, dieses aber nicht verstehen und nicht in ihrem Inneren verehren.91 Die Vorstellung, dass man sich Gott in angemessener Form nur rückwärts gewandt nähern kann, begegnet etwa auch in Ex 33,20–23, wo Gott Mose auf dessen Bitten hin zusagt, dass dieser zwar nicht sein Angesicht, wohl aber seinen Rücken sehen dürfe. Augustin legt diese biblische Erzählung in trin. 2,28 aus, und auch hier assoziiert er den „Rücken“ (posteriora) mit Jesus Christus.92 Bei dieser „christologische[n] Interpretation des Rückens“ fällt auf, dass der Rücken Gottes für Augustin „mehr und mehr für die menschliche Seite Jesu steht, während das Antlitz zu sehen noch aussteht“.93 In trin. 2,28 werden auch die Nicht-Christen thematisiert, die zwar den ‚Rücken Gottes‘, d. h. die menschliche Existenz Jesu Christi in seinem Leiden und Sterben sehen können, jedoch – anders als die Christen – nicht im Glauben an Gottes noch verhülltes Antlitz und in der Hoffnung auf die Auferstehung leben.94 Schließlich ist in trin. 2,30 die Rede von den Schismatikern und Häretikern, die aus der Betrachtung des ‚Rückens Gottes‘, d. h. der menschlichen Seite Jesu Christi, die falschen Schlüsse über dessen Wesen ziehen.95 Obwohl die Darstellung des Frevels der Häre(Borst, Turmbau, Bd.  II/I, S.  4 01), ist zurückzuweisen: Es geht hier um eine binnenkirchliche Differenzierung zwischen Judenchristen, Heidenchristen und Häretikern. 90 Vgl. ciu. XVI 2, S.  499, Z.  4 0. 91 Vgl. ciu. XVI 2, S.  500, Z.  65–70. 92 Vgl. trin. 2,28, S.  117, Z.  1–10. Da aus ep.  174, S.  650, Z.  15 – 651, Z.  5 hervorgeht, dass die Bücher trin. 1–12 im Jahr 416 abgeschlossen waren (vgl. Brachtendorf, De trinitate, S.  363), liegt Augustins Auslegung von Ex 33,20–23 in trin. 2,27–33 zeitlich vor der Abfassung von ciu. XVI 2. 93  Wohlmuth, Theophanietexte, S.  520. 94 Vgl. trin. 2,28, S.  119, Z.  42–49. 95 Vgl. trin. 2,30, S.  120, Z.  67–71.

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tiker in ciu. XVI 2 anders gelagert ist, so bestehen doch einige inhaltliche Parallelen hinsichtlich der „christologische[n] Interpretation des Rückens“ bei der Auslegung von Ex 33,20–23 in trin. 2,27–33.96 Als weiteres Charakteristikum der Häretiker führt Augustin in ciu. XVI 2 die Diskrepanz zwischen ihrer Verkündigung des Leidens Christi und ihrem dieses Leiden entehrenden Verhalten an: Ausgehend von dem jesuanischen Kriterium, wonach wahre und falsche Propheten an ihren Früchten, d. h. an ihren Werken zu erkennen sind,97 deutet Augustin den auffälligen Umstand, dass nicht Ham selbst, sondern sein Sohn Kanaan von Noah verflucht wird, als einen Hinweis auf die Schlechtigkeit der Werke Hams, da er ja in seinem Nachkommen, d. h. in seiner Frucht, verflucht wurde.98 Auch bei Ham zieht Augustin eine Etymologie heran. Dieser Name bedeute „hitzig“ (calidus) und verweise auf das hitzige Geschlecht der Häretiker, deren Inneres vom Geist des Unverstandes erhitzt ist und die so den Frieden der Heiligen stören.99 Die Verfluchung Kanaans in Gen 9,25 schließt mit ein, dass dieser zum „Diener seiner Brüder“ werden solle. Dies veranlasst Augustin wohl, unter Heranziehung zweier biblischer Zitate, auch den Nutzen der Häretiker für die Glaubenden zu beleuchten. So lasse nach 1Kor 11,19 erst die Existenz von Häresien die Rechtschaffenen offenbar werden, und nach Spr 10,4a (LXX) wisse der weise Sohn auch mit dem unverständigen Diener umzugehen. Gerade in der apologetischen Abwehr der Irrlehren würden die Inhalte des katholischen Glaubens oft besser durchdrungen werden, sodass die Streitfragen zu Gelegenheiten für ein vertieftes Verständnis würden.100 Die in der Missetat Hams begründete Verfluchung seines Sohnes und der an seine beiden Brüder ergehende Segen Noahs in Gen 9,25–27 implizieren eine tendenziöse Wertung der von den drei Noahsöhnen abstammenden Völker,101 die sich allerdings nur partiell in den entsprechenden Aussagen innerhalb der Völkertafel in Gen 10 fortsetzt.102 Dass Augustin diese Tendenz durchaus wahrnimmt, allerdings aufgrund seiner Gnadentheologie und seines ciuitates-Konzepts zu solchen Verknüpfungen von fleischlicher Volkszugehörigkeit und dem Segen bzw. der Verfluchung auf Distanz gehen muss, zeigt sich in ciu. XVI 10. 96 

Josef Wohlmuth scheinen bei seiner ansonsten sehr detaillierten Analyse zu trin. 2,27– 33 diese inhaltlichen Bezüge zu ciu. XVI 2 nicht aufgefallen zu sein (vgl. Wohlmuth, Theophanietexte, S.  518–521). 97  Augustin zitiert aus Mt 7,16 bzw. 7,20. 98 Vgl. ciu. XVI 2, S.  499, Z.  2 3–30. 99  Auch diese Etymologie findet sich bei Hieronymus (Nom. hebr. Gen. C, S.  63, Z.  11 f.: „Cham calidus.“) und hat ihren Anhalt im Hebräischen: Der Name „Ham“ / ‫ ָחם‬bedeutet als Adjektiv verwandt: „warm / heiß“, was sich wiederum von der Verbalwurzel ‫ חמם‬/ „warm werden“ ableiten lässt (vgl. Wutz, Onomastica, S.  289). 100 Vgl. ciu. XVI 2, S.  499, Z.  19–23. 101  Vgl. Gertz, Genesis, S.  294 f. 102 Vgl. Witte, Art. Völkertafel; Gertz, Genesis, S.  297–305.

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Hier geht er nämlich davon aus, „dass es unter den Söhnen jener zwei [d. h. unter den Söhnen Sems und Japhets], schon bevor man mit der Errichtung Babylons begonnen hatte, Verächter Gottes gab, und unter den Söhnen Hams Verehrer Gottes“.103 Bei Augustin erscheint der Segen bzw. die Verfluchung der drei Noahsöhne aus seinem volksätiologischen Kontext gelöst; der Sinn der Erzählung in Gen 9,20–27 erschöpft sich in seinem prophetischen Verweischarakter. 2.2.3 Der ‚Turmbau zu Babel‘ – ein Ausdruck des Hochmuts Da bereits in dem die drei Völkergruppen zusammenfassenden „Kehrvers“104 der Völkertafel (Gen 10,5b.20.31) von der Verschiedenheit der Sprachen und der Völker die Rede war, ordnet Augustin die Turmbau-Erzählung, die als Ätiologie der Sprachenvielfalt der Völker bestimmt werden kann, in den Zeitverlauf der Völkertafel ein. Seines Erachtens war es der als „riesenhafter Jäger gegen Gott den Herrn“105 bezeichnete Nimrod, der nach Gen 10,10 nicht nur der Begründer der Stadt Babylon war, sondern auch den Befehl zum Bau des Turms gab. Diese Identifizierung folgt gängigen jüdischen Auslegungen, wie etwa bei Flavius Josephus,106 legt sich aber auch vom biblischen Text her nahe: „Kommt, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen […]. Da fuhr der Herr nieder, dass er sähe die Stadt und den Turm“ (Gen 11,4 f.). Der Bau des Turms und der Stadt werden also gemeinsam angegangen. In der Rezeptionsgeschichte von Gen 11 lässt sich bereits früh eine auf den Bau eines Turms reduzierte Sicht erkennen, die sich in der heute noch gängigen Rede vom ‚Turmbau zu Babel‘ fortgesetzt hat. Augustin jedoch scheint dieser größere Zusammenhang bewusst gewesen zu sein, was sich auch in seiner Vermutung zeigt, dass der Turm pars pro toto für eine Vielzahl von Türmen Babylons stehen könnte, die bis zum Himmel reichen sollten.107

103  „et

in filiis duorum illorum iam tunc, antequam Babylonia coepisset institui, fuerunt contemptores dei, et in filiis Cham cultores dei.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  69–71) Diese Äußerung Augustins mit Pierre Piret im Sinne der „Vermischung“ („l’enchevêtrement“) – analog zu Augustins Darstellung des Zusammenwachsens der Gottessöhne mit den Menschentöchtern im ersten Weltzeitalter – zu verstehen (vgl. Piret, La destinée, S.  251), leuchtet dagegen nicht ein. 104 Vgl. Westermann, Genesis I, S.  679. 105  Augustin zitiert aus Gen 10,9: „hic erat gigans uenator contra dominum deum.“ (ciu. XVI 3, S.  501, Z.  12 f.) 106  Schon innerhalb der rabbinischen Literatur war die Auffassung weit verbreitet, dass Nimrod die Menschen zum Turmbau verleitet hatte (vgl. dazu Uehlinger, Weltreich, S.  65– 68). Nach Josephus’ Darstellung hat Nimrod die Menschen dazu anstiften wollen, sich für die Sintflut, die ihre Vorfahren hatten erleiden müssen, an Gott zu rächen. Der himmelhohe Turm sollte dabei dem praktischen Zweck dienen, bei einer erneuten Sintflut die Wassermassen zu überragen, um so die Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren (vgl. Flavius Josephus, Ant. I 4,2 f., S.  26, Z.  14 – S.  28, Z.  7; s. dazu Borst, Turmbau I, S.  82.123 f.170–174). 107 Vgl. ciu. XVI 4, S.  505, Z.  31–37.

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Es ist auffällig, dass mit Nimrod bei Augustin eine einzelne Person stark in den Fokus gerückt wird, die für den Bau des Turms und der Stadt verantwortlich ist. Die Konzentration auf Nimrod fällt vor allem auch gegenüber dem biblischen Bericht auf: So wird der erste Kohortativ uenite zur Herstellung der Lehmziegeln zwar im Singular, aber unpersönlich eingeleitet: „Und ein Mensch sprach zum anderen“ (Gen 11,3). Der zweite Kohortativ, der erst auf den überheblichen Turmbau abzielt, erfolgt gar im Plural: „Und sie sagten: Kommt, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen …“108 (Gen 11,4). Auch in der Gottesrede wird mit den „Menschensöhnen“ ( filii hominum)109 eindeutig ein Kollektiv für die zu bestrafende Sünde verantwortlich gemacht (Gen 11,5). Noch in den qu. geht Augustin gemäß dem biblischen Bericht davon aus, dass das Bauvorhaben auf ein Menschenkollektiv zurückging.110 Dass Nimrod ein „Riese“ (gigas) gewesen sein soll, ist für Augustin nicht von Relevanz,111 allerdings erhält er schon dadurch eine negative Wertung, dass er nach Gen 10,10 Babylon gegründet haben soll. An Augustins Behandlung des ersten Stadtgründers Kain ist bereits deutlich geworden, dass er die Gründung irdischer Städte als ein klares Kennzeichen eines Bürgers der ciuitas terrena beurteilt.112 Zudem will er die in Gen 10,9 (LXX) begegnende Präposition ἐναντίον nicht im Sinne von „vor“ (ante), sondern „wider“ (contra) verstanden wissen, sodass sich Nimrods Aktivitäten gegen Gott richten. Da Augustin allerdings „Jäger“ (uenator) als „Betrüger, Unterdrücker und Vernichter der erdgeborenen Lebewesen“113 definiert, ergibt sich aus dieser Definition, dass die Handlungen Nimrods als „Jäger gegen Gott den Herrn“ diesem nicht schaden können, da es sich bei Gott nicht um ein erdgeborenes Lebewesen handelt. Und so konnte auch sein Bauvorhaben eines bis zum Himmel reichenden Turms, das sich als

108 Vgl.

ciu. XVI 4, S.  504, Z.  6 f.9–11. ciu. XVI 4, S.  504, Z.  13. In ciu. XVI 5, S.  506, Z.  1–4 werden die in Gen 11,5 genannten „Menschensöhne“ ( filii hominum) als Hinweis dafür verstanden, dass es sich bei den Erbauern der Stadt Babylon um Bürger der ciuitas terrena handelt, da sie „nach Menschenweise leben“. Diese Menschensöhne werden hier mit jenen „Gottessöhnen“ ( filii dei) kon­ trastiert, von denen in Gen 6,2 die Rede war und die Augustin in ciu. XV 8, S.  463, Z.  28–35 (s. dazu Abschnitt 1.3.2) in analoger Weise als Glieder der ciuitas dei verstanden hatte (vgl. dazu Ribreau, La tour, S.  73). 110 Vgl. qu. 1,21, S.  7, Z.  194–197. 111  Auch wenn er nicht darauf eingeht, ist dies eine Bestätigung seiner in ciu. XV 23 aufgestellten These, dass es Riesen zu allen Zeiten gegeben habe und sie nicht auf eine geschlechtliche Vereinigung von Engeln und Menschen zurückgehen müssen (vgl. ciu. XV 23, S.  489, Z.  38–49; s. dazu auch Abschnitt 1.3.2). In qu. 1,18, S.  6, Z.  177–181 behandelt Augustin die Frage, warum Nimrod nach Gen 10,8 als der erste Riese auf der Erde bezeichnet wird, wo doch bereits in Gen 6,4 von Riesen die Rede war. Er vermutet hier, dass Nimrod der erste Riese war, der nach der Sintflut aufgetreten ist. 112  Vgl. Abschnitt 1.2.1. 113  „quid autem hic significatur hoc nomine, quod est uenator, nisi animalium terrigena­ rum deceptor oppressor extinctor?“ (ciu. XVI 4, S.  505, Z.  51–53) 109 Vgl.

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Ausdruck „gottlosen Hochmutes“ (impia superbia)114 gegen Gott richtete, diesem nicht „schaden“ (nocere),115 weil Gott, wie Augustin im folgenden Kapitel betont, „immer und überall“ (semper ubique)116 gegenwärtig ist. Folglich muss der Bau eines himmelhohen Turms, „Gott entgegen“ (aduersus deum)117, als sinnloses Unterfangen angesehen werden. Durch die Ausrichtung „gegen Gott“ (contra / adversus deum) wird eine enge semantische Verknüpfung zwischen der Person Nimrods, des „Jägers gegen den Herrn“, und seines vermessenen Bauvorhabens hergestellt. Nach qu. 1,21 besteht die Hybris darin, dass die Menschen der irrigen Meinung waren, zu einem solchen zum Himmel reichenden Bau in der Lage zu sein,118 – ein Ausdruck maßloser menschlicher Selbstüberschätzung, die die eigene Begrenztheit gegenüber Gott nicht akzeptieren will. Die Sprachverwirrung, die Augustin als göttliche Strafe versteht, erfolgt, bevor das Bauvorhaben abgeschlossen werden kann. So wird auch nicht die Ausführung des Baus bestraft, sondern die dahinterstehende Intention, das „Verlangen“ (affectus)119, das sich in der Bauaufforderung Nimrods zeigt. Augustins Definition des ‚Jägers‘ Nimrod kann bezogen auf den Turmbau und seine Folgen auch so verstanden werden, dass er durch sein hochmütiges Bauvorhaben seine Mitmenschen betrügt (deceptor) und sie ihrer Vernichtung (extinctor) zuführt, da die Sprachverwirrung (und der damit einhergehend gedachte massive Abfall von Gott) als Kollektivstrafe alle Menschen, sofern sie Glieder der ciuitas terrena sind, trifft und nicht nur Nimrod.120 Die Fokussierung auf Nimrod setzt sich in der Art der Bestrafung fort: Zwar trifft die Sprachverwirrung zur Verhinderung des Bauvorhabens alle daran beteiligten Menschen, aber die Bestrafung trifft Nimrod auch ganz persönlich, 114 Vgl. ciu. XVI 4, S.  505, Z.  54 f. Die Annahme, dass es sich beim Bau der himmelhohen Stadt Babylon um einen Ausdruck menschlichen Hochmuts (Hybris / ὕβρις) gegenüber Gott handelt, war bereits bei frühjüdischen Auslegern weit verbreitet und setzte sich bei den christlichen fort. Exemplarisch sei hier auf die Aussage des Flavius Josephus verwiesen, wonach Nimrod die Menschen u. a. dadurch zum Turmbau angestiftet habe, indem er ihnen einredete, „es nicht Gott zuzuschreiben, dass sie durch diesen glücklich seien, sondern anzunehmen, dass die eigene Tüchtigkeit ihnen dies gewähre“ / ἔπειθεν [sc. Ναβρώδης] οὖν αὐτοὺς μὴ τῷ θεῷ διδόναι τὸ δι᾽ ἐκεῖνον εὐδαιμονεῖν, ἀλλὰ τὴν ἰδίαν ἀρετὴν ταῦτα παρέχειν αὐτοῖς ἡγεῖσθαι (Ant. I 4,2, S.  26, Z.  16–18; s. mit weiteren Quellenverweisen Ribreau, La tour, S.  62–69). 115 Vgl. ciu. XVI 4, S.  505, Z.  41 f. 116 Vgl. ciu. XVI 5, S.  506, Z.  5. 117  ciu. XVI 5, S.  505, Z.  39. 118 Vgl. qu. 1,21, S.  7, Z.  194–197. 119 Vgl. ciu. XVI 4, S.  505, Z.  55. Wie u.a. aus ciu. XIV 9 zu ersehen ist, wertet Augustin die affectus nicht grundsätzlich ab: Insofern die Gemütsregungen auf das richtige Ziel ausgerichtet sind und aus der Liebe hervorgehen, können sie nicht als Laster bezeichnet werden. Während des irdischen Lebens sind solche affectus für die Bürger der ciuitas dei sogar geradezu notwendig. Allerdings gibt es auch widervernünftige, gegen Gott gerichtete Gefühlsregungen, die es als Bürger der ciuitas dei zu bekämpfen und zu zähmen gilt. 120  ciu. XVI 5, S.  505, Z.  51–53.

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indem ihm die Bedingung der Möglichkeit zum Herrschen genommen wird: „Weil die Macht des Befehlenden in der Sprache ihren Sitz hat, so wurde in ihr der Hochmut verdammt, damit der Befehlende, der es nicht verstehen wollte, Gottes Befehl zu gehorchen, von keinem Menschen mehr verstanden werden sollte.“121 Zu den Gründen, warum Augustin Nimrod als Schuldigen derart in den Fokus rückt, können hier nur Vermutungen angestellt werden. So war bei den Manichäern die Annahme verbreitet, Nimrod bzw. Nemrod sei eine (personifizierende) Bezeichnung der Materie (ὕλη).122 Dazu würde passen, dass Nimrod bei Augustin als ein Vertreter der ciuitas terrena par excellence erscheint, der durch seinen Befehl zum Turmbau auch andere ins Verderben stürzt. Ein weiterer Hintergrund der Darstellung Nimrods könnte die Herleitung des Namens ‫ נְִמרֹוד‬aus dem hebräischen ‫ מרד‬sein, was so viel wie „sich auflehnen“ oder „rebellieren“ bedeutet.123 Das sich Auflehnen gegen Gott klingt ja deutlich im Verständnis der Präposition ἐναντίον im Sinne von contra an. Augustin könnte schließlich auch hier vom Onomasticon des Hieronymus inspiriert worden sein, wo es heißt: „Nimrod [bedeutet] Tyrann oder auch Verbannter oder auch Sünder.“ (Nemroth tyrannus uel profugus aut transgressor.)124 Diese Namensetymologie hat ihren Ursprung also sehr wahrscheinlich im Hebräischen, obwohl dies im biblischen Text nicht wie bei anderen Namensetymologien durch einen mit „denn“ (‫ )ִּכי‬eingeleiteten Kausalsatz begründet wird. Die Art der göttlichen Strafe, die „Verwirrung der Sprache“ (confusio linguae), ist für Augustin auch in anderer Hinsicht von Interesse: Er rezipiert nämlich die in Gen 11,9 begegnende Etymologie der Stadt Babylon,125 die eben deswegen 121  „quoniam

dominatio imperantis in lingua est, ibi est damnata superbia, ut non intellegeretur iubens homini, qui noluit intellegere ut oboediret deo iubenti.“ (ciu. XVI 4, S.  505, Z.  57–59) Diese Pointe, dass sich nämlich die Strafe zunächst einmal gegen den Herrscher Nimrod richtet, geht in der Übersetzung und der Interpretation Mickaël Ribreaus verloren: „De même que les hommes par orgueil n’ont pas obéi aux commandements de Dieu, de même les hommes ne peuvent plus obéir aux commandements des autres hommes.“ (Ribreau, La tour, S.  74) 122  Vgl. dazu: Preisedanz, Art. Nimrod, Sp.  627 f. Arno Borst geht davon aus, dass dieser manichäische Hintergrund Augustins Sicht auf Nimrod beeinflusst habe; vgl. Borst, Turmbau, Bd.  II/I, S.  392. 123  Vgl. Wutz, Onomastica, S.  513. 124 Hieronymus, Nom. hebr. Gen. N, S.  69, Z.  4 f. 125 „propter hoc appellatum est nomen illius confusio, quia ibi confudit dominus labia omnis terrae; et inde dispersit illos dominus deus super faciem omnis terrae.“ (Gen 11,9 nach ciu. XVI 3, S.  504, Z.  19–21) Christoph Horn vertritt die nachdenkenswerte Position, der eigentliche Sinn der Sprachverwirrung liege nach Augustin darin, dass die Babylonier (und damit die ciuitas terrena, die sie repräsentieren) ihre Ursprache, die „Sprache Gottes“ verlieren: Sie sind „ihrer inneren und universalen Sprache entfremdet“ und müssen „ihre Verständigung jetzt mittels einer äußeren und partikularen Sprache leisten“ (Horn, Sprache, S.  218 f.). Vor diesem Hintergrund versteht Horn auch Augustins Exkurs über die Kommunikation Gottes mit den Engeln in ciu. XVI 6 (vgl. a. a. O., S.  218–220). Die ‚innere Sprache‘ stellt, so zeigt Horn u. a. an trin. 9,12; 15,17–25, einen „gemeinsamen Bezugspunkt“ der Glieder der ciuitas dei dar.

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„Verwirrung“ (confusio) bedeutet, weil Gott aufgrund des hochmütigen und gotteslästerlichen Bauvorhabens der Menschen dieser Stadt ihre Sprache verwirrt und sie in alle Länder der Erde verstreut hat,126 womit zugleich noch eine Ätiologie der Sprachenvielfalt unter den Völkern der Erde gegeben wird. Hintergrund der Namensetymologie zu Babylon in Gen 11,9 ist die Ableitung des Namens Babylon bzw. Babel (hebr. ‫ ) ּבֶָבל‬von der hebräischen Verbalwurzel ‫בלל‬, was mit „mischen“ oder „verwirren“ übersetzt werden kann.127 2.2.4 Vertiefende Fragen zur Turmbauerzählung und zur Bevölkerung der Erde In den fünf Kapiteln ciu. XVI 5–9 befasst sich Augustin exkursartig mit Themen, die sich zum einen direkt im Anschluss an die Erzählung vom Turmbau ergeben, nämlich der Art und Weise des Herniederfahrens Gottes (Gen 11,5; ciu. XVI 5), und auf welche Weise er zu den Engeln spricht (Gen 11,6 f.; ciu. XVI 6), zum anderen beschäftigt er sich mit drei Fragen, die sich ihm über Gen 11,1–9 hinaus hinsichtlich der nachsintflutlichen Bevölkerung der Erde durch Tiere und Menschen stellen. Einmal ist dies die Frage, wie sich Tierarten, die weder fliegen noch schwimmen können, nach der Sintflut, bei der alle Landtiere außer den durch die Arche geretteten vernichtet worden waren, auch auf entfernteste Inseln haben ansiedeln können (ciu. XVI 7). Darauf hin setzt sich Augustin mit der Frage auseinander, ob auch manche „menschenähnliche GatMittels dieser inneren Sprache können die menschlichen Glieder der ciuitas dei (wie die Engel) nicht nur mit Gott kommunizieren, auch teilt sich ihnen „die ewige Wahrheit im Inneren mit“ (a. a. O., S.  224). Vor diesem Hintergrund wird die Sprachverwirrung in einer gewissen Analogie zum Sündenfall als Entfremdung von Gott verstanden. Dem unerlösten Menschen ist ein umfassendes Begreifen der ewigen Wahrheit nicht mehr oder nur annäherungsweise möglich (vgl. a. a. O., S.  225.230–232). 126 Vgl. ciu. XVI 4, S.  504, Z.  19–23; XVI 11, S.  514, Z.  71 – S.  515, Z.  73. Der heilsgeschichtliche Bogen zwischen der babylonischen Sprachverwirrung und dem Sprachwunder zu Pfingsten wird in ciu. zwar nicht explizit geschlagen, dennoch ist er im Denken Augustins präsent. Für ihn wird im Pfingstgeschehen die Sprachenvielfalt allerdings keineswegs aufgehoben, sondern erhält eine positive Konnotation und wird zum Signum der ecclesia catholica (vgl. ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  28 – S.  648, Z.  32). Ob mit dieser Hochschätzung der Sprachenvielfalt innerhalb der Kirche allerdings eine Abwertung der ‚drei hervorragenden Sprachen‘, d. h. Hebräisch, Griechisch und Lateinisch (vgl. etwa Io. eu. tr. 117,4, S.  653, Z.  6 –10), einhergeht, darf bezweifelt werden (gegen Borst, Turmbau II/I, S.  396 f.). Die implizite Annahme Borsts, Augustin habe dem Hebräischen den Status der Ursprache absprechen wollen, sowie seine Behauptung, jener habe in der „jüdische[n] Exklusivität […] nur ein Zeichen der Schwäche“ (a. a. O., S.  397) gesehen, muss vor dem Hintergrund des vielschichtigen Umgangs Augustins mit dem Volk Israel in ciu. zurückgewiesen werden. 127  Vgl. Wutz, Onomastica, S.  153. Vgl. Auch hier wieder Hieronymus, Nom. hebr. Gen. B, S.  62, Z.  18: „Babylon uel Babel confusio.“ Die Etymologie des Gegenstücks zu Babylon, der irdischen Stadt Jerusalem, führt Augustin erst an deutlich späterer Stelle an. Jersualem bedeute uisio pacis – „Friedensschau“ (vgl. ciu. XIX 11, S.  675, Z. 10 f.); auch diese Etymologie lehnt sich an Hieronymus an (vgl. Nom. hebr. Is. I, S.  121, Z. 9 f. u.ö.).

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tungen“ (genera quasi hominum)128 mit ungewöhnlicher Gestalt ebenfalls von Adam abstammen (ciu. XVI 8). Ob es sogenannte „Gegenfüßler“ (antipodes), also Menschen auf der entgegengesetzten Seite der Erde gibt oder nicht, beschäftigt Augustin schließlich in ciu. XVI 9. Die Wendung, dass Gott herabfuhr, um sich den Bau des Turms und der Stadt anzusehen (Gen 11,5), stellte für Augustin in zweierlei Hinsicht ein Problem dar. Zum einen steht eine räumliche Bewegung Gottes in Diskrepanz zu seiner Omnipräsenz, sodass Augustin davon ausgeht, dass die Wendung „der Herr fährt hernieder“ (descendit dominus) keine tatsächliche Bewegung Gottes meint, sondern in der Bibel dann gebraucht wird, wenn Gott auf der Erde ein Wunder tut oder etwas offenbaren möchte.129 Ferner kann eingedenk der Allwissenheit Gottes dessen Herniederfahren nicht dem Zweck gedient haben, zu einer Erkenntnis (über das Treiben der Menschen in Babylon) zu gelangen, die er vorher nicht hatte.130 Augustin versucht beide in der anthropomorphen Rede des alttestamentlichen Textes wurzelnden Probleme dadurch zu lösen, dass eigentlich nicht Gott, sondern von ihm beauftragte Engel hinabfahren, den Turm- und Stadtbau betrachten, um sodann die Sprache zu verwirren. Gestützt wird diese Annahme durch den als Adhortativ aufgefassten Befehl Gottes in Gen 11,7: „Kommt, lasst uns herniederfahren und ihre Sprache verwirren.“131 Das Herniederfahren Gottes in Gen 11,5 stellt für Augustin die Ausführung dieses (zeitlich früheren, aber später erwähnten) Befehls dar. Die Engel sind in Gottes Auftrag herabgefahren, um die Sprache zu verwirren, wobei Gott selbst in ihnen als seinen „Mitarbeitern“ (cooperatores) gewirkt hat.132 Damit bleibt in gewisser Weise die biblische Aussage wahr, Gott sei hinabgefahren: Augustins exegetische Bemühungen zielen einmal auf eine Erhellung sowie eine (durch gewisse theologische Prämissen notwendig gewordene) Aktualisierung und Plausibilisierung biblischer Aussagen ab, die deren Wahrheit jedoch nicht in Frage stellen. Ausgehend von der (in der Sicht Augustins an die Engel gerichteten) Aufforderung Gottes in Gen 11,7 wird in ciu. XVI 6 der Frage nachgegangen, auf welche Weise Gott mit den Engeln kommuniziert. Zunächst führt Augustin die ebenfalls als Adhortativ aufgefasste Aussage Gottes in Gen 1,26, „Lasst uns den Menschen machen“,133 als ein mögliches Beispiel für die Rede Gottes mit Engeln an. Diese Deutung lehnt er allerdings mit Bezug auf den folgenden Vers 27 ab, da es dort heißt, Gott habe den Menschen geschaffen, und nicht etwa Engel 128 Vgl.

ciu. XVI 8, S.  508, Z.  16 f. ciu. XVI 5, S.  506, Z.  1–7. 130 Vgl. ciu. XVI 5, S.  506, Z.  8 –12. 131 „uenite et descendentes confundamus ibi linguam eorum“ (Gen 11,7 nach ciu. XVI 5, S.  506, Z.  16). 132 Vgl. ciu. XVI 5, S.  506, Z.  12–25. 133 „faciamus hominem“ (Gen 1,26 nach ciu. XVI 6, S.  506, Z.  2). 129 Vgl.

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bzw. „Götter“ (dii). Den Adhortativ in Gen 1,26 fasst Augustin trinitarisch auf: Gott der Vater hat also den Sohn und den Heiligen Geist zur gemeinsamen Erschaffung des Menschen aufgefordert, die sodann als Akt des dreieinen Gottes in Gen 1,27 ausgeführt wird.134 Eine solche trinitarische Deutung lehnt Augustin allerdings im Blick auf Gen 11,5 ab: Hier handelt es sich um eine Rede Gottes zu den Engeln. Diese Rede geschehe auf „unsagbare“ (ineffabilis) Weise und sei nicht zu vergleichen etwa mit der zwischenmenschlichen Kommunikation oder derjenigen zwischen Engeln. Gott lässt die Engel teilhaben an seinen unwandelbaren Ratschlüssen, ohne dass dazu vernehmbare Laute nötig wären. Gott als die „unveränderliche Wahrheit“ (ueritas incommutabilis) kann entweder auf diese unsagbare Weise direkt zum Geist einer jeden vernünftigen Kreatur sprechen, oder aber er bedient sich (etwa wenn er auf vernehmbare Weise zu Menschen sprechen will) eines „wandelbaren Geschöpfes“ (creatura mutabilis; i.d.R. eines Engels oder eines anderen Menschen als Propheten).135 Und nun zu Augustins Beantwortung der drei Fragen, die sich ihm über Gen 11,1–9 hinaus stellen: Wenn alle nach der Sintflut lebenden Tiere von denjenigen Paaren abstammen, die in der Arche gerettet wurden, so ergebe sich die logische Frage, wie einige der Tierarten sich auf den entlegenen Inseln haben ansiedeln können – sofern sie nicht mit den Menschen auf Schiffen als deren Haustiere dorthin gelangt sind oder, als Beispiel nennt Augustin hier die Frösche, auf ungeschlechtliche Weise aus der Erde hervorgehen können. Drei Möglichkeiten werden dafür genannt: Sofern die Inseln nahe am Festland liegen, könnten diese Tiere dorthin geschwommen sein. Ferner hätten die Menschen sie zum Zweck der Jagd auf Schiffen mitnehmen können, damit sie sich auf den Inseln vermehren.136 Schließlich hätten auch Engel auf den Befehl Gottes hin die Tiere dorthin bringen können. Gegenüber diesen drei Möglichkeiten des Ansiedelns dieser Tiere auf den Inseln erscheint es Augustin viel verständlicher (multo clarius apparet),137 dass entsprechend dem göttlichen Befehl in Gen 1,24: „Die Erde bringe hervor lebende Seele“,138 die Erde auch nach der Sintflut Tiere auf ebenjenen entlegenen Inseln hervorgebracht habe.139 Wenn dem so ist, dann sei die Aufnahme der verschiedenen Tiergattungen in die Arche „weniger um der Erhaltung der Tiere als um der Versinnbildlichung der verschiedenen Völker im Hinblick auf das Geheimnis der Kirche“140 geschehen. Die Gesamtheit der in der Arche befindlichen Tiergattungen repräsentiert die 134 Vgl.

ciu. XVI 6, S.  506, Z.  2 –9. ciu. XVI 6, S.  506, Z.  10 – S.  507, Z.  33. Zur Interpretation von ciu. XVI 6 bei Christoph Horn s. Abschnitt 2.2.3 mit Anm.  125. 136 Vgl. ciu. XVI 7, S.  507, Z.  2 – S.  508, Z.  16. 137 Vgl. ciu. XVI 7, S.  508, Z.  18. 138 „producat terra animam uiuam“ (Gen 1,24 nach ciu. XVI 7, S.  508, Z.  17 f.). 139  Freilich wird damit der Erde keine autarke Schaffenskraft zugesprochen. Ist doch in dem auf Gen 1,24 folgenden Vers eindeutig Gott derjenige, der die Tierarten schafft. 140  „multo clarius apparet non tam reparandorum animalium causa quam figurandarum 135 Vgl.

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Gesamtheit der Völker, die jeweils sowohl Glieder der ciuitas dei als auch der ciuitas terrena enthalten. Kombiniert man nun diese Deutung mit der Frage der Reinheit der Tiergattungen aus ciu. XV 27,141 so wird man den allegorischen Sinn der Reinheit und der Unreinheit der Tiere im Sinne Augustins nicht so verstehen dürfen, dass manche Tiergattungen (also manche Völker) gänzlich rein, während andere unrein sind. Wie aus vielen seiner Äußerungen deutlich wird, hält Augustin die Kirche bzw. die ciuitas dei peregrinans für eine völkerübergreifende Größe. In ciu. XVI 8 wendet sich Augustin ferner der Frage zu, ob bestimmte menschliche Gestalten mit von der Norm abweichenden Eigenschaften zur Gattung Mensch zu zählen sind, und wenn ja, ob sie vom ersten Menschen Adam abstammen oder nicht. Offensichtlich waren es nicht alttestamentliche Erzählungen, die ihn zur Beantwortung dieser Frage veranlassten, sondern Berichte aus der paganen „Völkergeschichte“ (historia gentium) oder aber aktuelle Nachrichten wie diejenige von einem vor einigen Jahren geborenen „Doppelmenschen“ (homo duplex) im Orient.142 Es spricht viel für die Annahme Gustave Bardys, dass Augustin in ciu. XVI 8 (ob direkt oder vermittelt etwa durch ein Florilegium) den Katalog über solche ungewöhnlichen Menschengestalten zur Grundlage genommen hat, der sich in der Naturalis historia (i.F.: Nat.) Plinius’ des Älteren findet.143 Da es sich also nicht um biblische Berichte handelt, kann Augustin deren Wahrheitsgehalt in Zweifel ziehen und davon ausgehen, dass ein Teil der von ihm in großer Zahl angeführten menschenähnlichen Gestalten (etwa Zy­ klopen, kleinwüchsige Pygmäen, Skiopoden / „Schattenfüßler“) gar nicht existiert.144 Vorausgesetzt aber, dass es ein solches Wesen tatsächlich gibt und es zur Gattung Mensch (die Augustin als „vernunftbegabtes sterbliches Lebewesen“ [animal rationale mortale] definiert) und nicht zu den Tieren zählt, so solle kein Gläubiger daran zweifeln, dass es vom „Ersterschaffenen“ (protoplastus) abstammt.145 Die Wendung, dass „keiner der Glaubenden“ (nullus fidelium) an diesem Umstand zweifeln solle, weist darauf hin, dass es Augustin nicht um einen uariarum gentium propter ecclesiae sacramentum in arca fuisse omnia genera“ (ciu. XVI 7, S.  508, Z.  18–21). 141  S. dazu Abschnitt 2.1.2. 142 Vgl. ciu. XVI 8, S.  508, Z.  1–4; S.  509, Z.  53–56. Augustins Darstellung des homo duplex lässt darauf schließen, dass es sich um einen siamesischen Zwilling gehandelt haben muss. 143  Vgl. Plinius d.Ä., Nat. VII 2, S.  18, Z.  10 – S.  32, Z.  27; s. dazu Bardy, Monstruosités, S.  711. 144  „sed omnia genera hominum, quae dicuntur esse, credere non est necesse.“ (ciu. XVI 8, S.  508, Z.  20 f.; vgl. S.  508, Z.  4 –20) 145 Vgl. ciu. XVI 8, S.   508, Z.  22 – S.  509, Z.  26; S.  509, Z.  59 – S.  510, Z.  67; vgl. das knappe Fazit: „aut illa, quae talia de quibusdam gentibus scripta sunt, omnino nulla sunt; aut si sunt, homines non sunt; aut ex Adam sunt, si homines sunt.“ (ciu. XVI 8, S.  510, Z.  80–82) Als Arten, deren Zugehörigkeit zur Gattung Mensch wohl umstritten war, die Augustin

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(natur-)wissenschaftlichen Nachweis über die Provenienz bestimmter menschenähnlicher Arten, sondern vielmehr um einen für den Glauben relevanten Tatbestand geht. Ist es doch für seine (auf paulinischen Aussagen [vgl. Röm 5,12.18 f.] beruhende) Ursündenlehre von großer Wichtigkeit, dass alle Menschen von Adam abstammen. In den Bereich der Theodizee führt eine weitere in ciu. XVI 8 verhandelte Frage, warum „missgestaltete / w idernatürliche“ (monstrosis) Menschen oder gar ganze Völker überhaupt existieren.146 Von der Prämisse ausgehend, dass alles von Gott geschaffen ist, verweist Augustin hier auf die begrenzte Sicht des Menschen, der nicht imstande ist, den wohlgeordneten Platz eines Teils im Gesamt der „Schönheit des Weltalls“ (pulchritudo uniuersitatis) zu erkennen, und ihn stattdessen aus dem Zusammenhang löst und als „Missbildung“ (deformitas) ansieht.147 Einen Grund dafür, warum Gott nicht nur menschliche Individuen, sondern ganze Völker mit bestimmten von der Norm abweichenden Eigenschaften geschaffen hat, erkennt Augustin darin, dass Gott auf diese Weise den menschlichen Fehlschluss erschweren wollte, hinter einem einzelnen andersgestaltigen Menschen ein „Fehlen“ / „Irren“ (errare) Gottes in seiner schöpferischen Kunstfertigkeit zu vermuten, wenn es doch ganze Völker gibt, die eine anders­ artige Gestalt aufweisen.148 Während im Hinblick auf die in ciu. XVI 8 angeführten ungewöhnlichen menschlichen Gruppierungen angenommen wird, dass sie existieren könnten, wird die Existenz der sogenannten „Gegenfüßler“ (antipodes)149 in ciu. XVI 9 aus mehreren Gründen abgelehnt. Zum einen beruhe die Annahme dieser Gruppierung (im Unterschied zu den in ciu. XV genannten) nicht auf Anschauung, d. h. dokumentierten geschichtlichen Erkenntnissen (cognitio historica), sondern lediglich auf theoretischen Vernunftschlüssen.150 Diesen zufolge sei die Erde von kugelartiger Gestalt und im Himmelsgewölbe aufgehängt, weshalb angenommen werden müsse, dass auch auf der „anderen Seite der Erde“ (altera selbst aber den Tieren zurechnet, werden „Affen“ (simiae), „Meerkatzen“ (cercopitheci) und „Sphinxen“ (sphinges) genannt (vgl. ciu. XVI 8, S.  510, Z.  67–70). 146 Vgl. ciu. XVI 8, S.  509, Z.  29–31. 147 Vgl. ciu. XVI 8, S.  509, Z.  31–36. Das Argument, dass einzelne Unstimmigkeiten und Hässlichkeiten nur isoliert gesehen als solche erscheinen, letztlich aber Teil der wohlgeordneten, schönen Schöpfung sind, hatte Augustin bereits in seiner Frühschrift „Über die Ordnung“ breit entfaltet (vgl. ord. 1,2, S.  122, Z.  7–27; s. dazu Bardy, Beauté). 148 Vgl. ciu. XVI 8, S.  510, Z.  70–79. 149 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  1. Der Begriff „Antipoden“ leitet sich aus dem Griechischen ab (ἀντί [„gegen“] und πούς [„Fuß“], zusammen etwa „Gegenfüßler“); vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2.3 mit Anm.  162 sowie Kauffmann, Art. Antipodes. Bei der Frage nach der Existenz der Antipoden handelt es sich um einen in der Antike breit geführten Gelehrtenstreit: Während etwa Platon, Cicero oder Plinius d.Ä. eine solche Existenz annahmen, widersprachen ihr Lucretius, Lukian von Samosata oder auch Lactantius (vgl. mit entsprechenden Quellenverweisen Andresen, BAW [ciu.] 2, S.  922; Bardy, Les antipodes, S.  715 f.). 150 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  4 f.

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pars terrae) Menschen leben.151 Diesem Weltbild sei ebenfalls eigen, dass die Erde zugleich den „mittleren“ (medius) und den „untersten“ (infimus) Platz einnehme,152 die „Unterwelt“ (inferi) also von der Erde absorbiert werde und keine von der terra unabhängige Sphäre mehr darstelle. Abgesehen davon, dass Augustin diesem Weltbild nicht zustimmen kann, stellt er zum anderen auch die darauf basierende Schlussfolgerung in Frage: Aus der Existenz einer entgegengesetzten Seite der Erde folge nicht notwendigerweise, dass diese von Meerwasser freies Festland enthält und dass dieses von Menschen bewohnt ist.153 Das schlagende Argument gegen die Annahme einer Existenz von antipodes ist für Augustin, dass die Bibel von solchen Völkern schweigt.154 Schließlich scheint es ihm auch unmöglich zu sein, dass Menschen jemals in der Lage gewesen sein können, den die ihm bekannte Welt umgegebenden Ozean von „unermesslicher Größe“ (immensitas) mit Schiffen zu überqueren, um sich auf der anderen Seite anzusiedeln.155 2.2.5 Die Nachkommen Sems bis hin zu Abraham Hatte Augustin bereits in ciu. XV 21 festgestellt, dass in Gen 5 mit dem Beginn der Genealogie von Adam bis zu den Noahsöhnen ein zeitlicher Rückgriff (recapitulatio)156 stattfindet, insofern nämlich bereits zuvor von Abel, Kain und Seth sowie der Nachkommenschaft der beiden Letztgenannten (Gen 4,17–26) die Rede war,157 so stellt er in ciu. XVI 10 dasselbe Phänomen auch bei der in Gen 11,10 mit dem Noahsohn Sem beginnenden und bis zu Abraham reichenden Genealogie fest, die durch ihren Beginn mit Sem ebenfalls auf eine Zeit zurückgeht, die vor der in Gen 11,1–9 überlieferten Geschichte vom Turmbau zu Babel liegt. Er liefert in beiden Fällen die gleiche Erklärung für dieses „Ein-

151 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  5 –9. Vgl. ausführlich zu Augustins Umgang mit verschiedenen paganen Weltbildern sowie seinem eigenen, das vornehmlich auf biblischen Vorstellungen fußt, den Exkurs von Thonnard, La conception. 152 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  6 f. 153 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  9 –12. 154 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  13–15. Augustin wird hier wohl insbesondere die ‚Völkertafel‘ (Gen 10) im Blick gehabt haben (vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  19–21). Hier werden die Nachfahren der Noahsöhne Sem, Ham und Japhet aufgezählt. Diese Nachfahren sind zugleich die Ahnväter aller 72 Völker, die auf der Erde leben. Da in Gen 10 auch die Länder angegeben werden, in denen die aus den Ahnvätern hervorgegangenen Völker siedelten, und alle diese Länder auf dem Augustin bekannten Erdkreis liegen, wird dieser daraus geschlossen haben, dass die Annahme von Völkern auf dem entgegengesetzten Teil der Erde (so es ihn überhaupt gibt) dem biblischen Zeugnis widerspricht. 155 Vgl. ciu. XVI 9, S.  510, Z.  15–18. 156  Vgl. zum Phänomen der recapitulatio, die Tyconius als sechste seiner sieben Auslegungsregeln zur Erschließung ‚dunkler Stellen‘ in den heiligen Schriften behandelt, ausführlich Abschnitt 3.2.2. 157 Vgl. ciu. XV 21, S.  4 86, Z.  1–11.

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schalten“ (interponere)158 und zeitliche „Zurückgreifen“ (reuertere)159 der Bibel:160 Der Verfasser wollte noch einmal eine kohärente Darstellung derjenigen Geschlechterabfolge geben, in der vornehmlich die Glieder der ciuitas dei begegnen, und zwar ohne dabei die beiden in den ersten zwei Weltzeitaltern stattfindenden Krisen erwähnen zu müssen, zum einen also die durch die Sünde der Menschheit provozierte Sintflut und zum anderen die auf die Hybris der Menschen in Babylon folgende Sprachverwirrung, die beide auf das Verhalten der Glieder der ciuitas terrena zurückzuführen sind.161 In ciu. XV 21 folgt auf diese Einschätzung ein recht aufschlussreicher Satz über den Wert der Geschichte der beiden ciuitates: Indem der Verfasser in seiner recapitulatio der Geschlechterreihe, in der sich vornehmlich die Glieder der ciuitas dei befinden, von der ciuitas terrena schweigt, könne man die Vermutung anstellen, dass auch Gott die ciuitas terrena „zwar erwähne, aber nicht rechne“.162 Dieser Gedanke lässt ein bestimmtes, Augustin offensichtlich eigenes Verständnis der Intention des (vom Heiligen Geist inspirierten) biblischen Verfassers erkennen, wonach dieser zwar das Treiben und Ergehen der Glieder der ciuitas terrena „erwähnt“ (commemorare), welches aber für die eigentliche historia sacra, die Heilsgeschichte als die Geschichte der ciuitas dei, nicht von Bedeutung ist, da es vom Verfasser, wenn er beispielsweise in Gen 5 oder Gen 11,10–26 die bereits erzählte Zeit rekapituliert, letztlich nicht „gerechnet“ (conputare) wird. Einen wichtigen Einschnitt in der von Sem ausgehenden und „zu Abraham eilenden Geschlechtsfolge“ (ordo generationum, qui pertendit ad Abraham) in Gen 11,10–26 bedeutet für Augustin die Erwähnung Hebers (V. 14), des Sohnes des Schelach und damit eines Urenkels Sems. Denn nach Gen 10,25 wurden eben diesem Heber zwei Söhne geboren, und, so heißt es dort weiter, „der Name des einen war Phalech, da in diesen Tagen die Erde aufgeteilt wurde“.163 Augustin stellt in ciu. XVI 10 eine Verknüpfung zwischen dem in der Genealogie genannten Hebersohn Phalech, der Notiz über die Aufteilung der Erde zu dessen Zeit und der Sprachverwirrung her, die die Folge des gotteslästerlichen Bauvorha158 Vgl.

ciu. XV 21, S.  486, Z.  12. ciu. XVI 5, S.  511, Z.  6. 160  Innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft besteht freilich ein Konsens darüber, dass die zeitlichen Rückgriffe dem Umstand geschuldet sind, dass es sich bei diesen Genealogien, dem „Register der Zeugungen Adams“ in Gen 5 bzw. deren Fortsetzung in Gen 11,10–26, um Konzeptionen der Priesterschrift handelt, die redaktionell in die Urgeschichte eingearbeitet wurden (vgl. Gertz, Genesis, S.  192.345). Dagegen geht Augustin davon aus, dass die Endgestalt eines biblischen Textes nicht die Folge von komplexen Redaktionsprozessen, sondern die Niederschrift eines einzigen, göttlich inspirierten Verfassers ist. Im Fall des Buches Genesis gilt ihm Mose als Autor (vgl. en. Ps. 70,1,19, S.  957, Z.  50 f.). 161 Vgl. ciu. XV 21, S.  4 86, Z.  11–14. 162  „tamquam eam [ciuitatem terrenam] deus sic commemoraret, ut non conputaret.“ (ciu. XV 21, S.  486, Z.  14 f.) 163  So zitiert Augustin Gen 10,25 in ciu. XVI 10: „nomen unius Phalech, quia in diebus eius diuisa est terra.“ (ciu. XVI 10, S.  511, Z.  11 f.) 159 Vgl.

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bens in der Stadt Babylon war. So dient Augustin, wie bereits einigen vorigen Auslegern,164 Gen 10,25 und Gen 11,14 der chronologischen Verortung des Turmbaugeschehens in den Verlauf der biblischen Geschichte, präziser: in die Geschlechtsfolge der von Sem bis zu Abraham reichenden Nachkommen, die nach Augustin vornehmlich zur ciuitas dei zählten. Vor dem Hintergrund der Namensetymologie für „Phalech“ schreibt Augustin: „Denn was anderes ist darunter zu verstehen, dass die Erde aufgeteilt wurde [Gen 10,25], wenn nicht die Verschiedenheit der Sprachen?“165 Augustin lehnt sich bei seiner Etymologie Phalechs (≈ diuisio / Trennung) erneut an Hieronymus an;166 die Etymologie selbst aber geht auf den hebräischen Bibeltext zurück: Der Vers Gen 10,25, in dem die Figur Phalech eingeführt wird, enthält eine Namensätiologie, was durch die Begründung des Namens mit „denn“ (‫ )ִּכי‬zu ersehen ist. Die hebräische Verbalwurzel, aus der sich der Name Phalech (hebr. ‫ ) ּפֶֶלג‬ableitet, lautet ‫פלג‬, was mit „teilen“ oder „trennen“ übersetzt werden kann.167 Freilich war für die Aufteilung der Erde bzw. die Verschiedenheit der Sprachen nicht Phalech kausal verantwortlich. Seine Namensetymologie in Gen 10,25 dient Augustin lediglich dazu, die durch das Turmbauvorhaben provozierte göttliche Strafe der Sprachverwirrung zeitlich einzuordnen. Die in Gen 11,10–26 erfolgende Namensnennung eines jeden Gliedes der Genealogie, die Nennung eines Sohnes und des Lebensjahres, in der der jeweilige Stammvater diesen gezeugt hat, und schließlich die Nennung des gesamten Lebensalters des Patriarchen zusammen mit der angefügten Formel „und er zeugte Söhne und Töchter“168 nimmt Augustin als Argument für seine an die biblische Vorstellung169 anknüpfende Ansicht, dass aus jedem der Nachkommen 164  Bereits innerhalb der rabbinischen Traditionen hat sich, ausgehend von der etymologischen Deutung des Namens Phalech/Peleg, der Begriff „Generation der Trennung“ als „terminus technicus für die ‚Turmbau‘-Generation“ herausgebildet (Uehlinger, Weltreich, S.  13 mit Anm.  14; vgl. a. a. O., S.  58–82). 165  „quid enim aliud intellegendum est terram esse diuisam nisi diuersitate linguarum?“ (ciu. XVI 10, S.  511, Z.  12 f.) 166  „Faleg diuidens.“ (Nom. hebr. Gen. F, S.  6 6, Z.  14; vgl. hierzu auch: Wutz, Onomastica, S.  606) 167  Vgl. Wutz, ebd. 168 „et genuit filios et filias“ (Gen 11,11 nach ciu. XVI 10, S.  511, Z.  21 f.). Vgl. die jeweilige Formulierung bei den Stammvätern Sem, Arphaxad, Kainan, Sala, Heber, Phalech, Ragau, Seruch und schließlich Nachor (vgl. Gen 11,11.13.15.17.19.21.23.25). Thara, der Vater Abrahams und letztgenannte zeugende Vater in dieser Genealogie, ist der erste, bei dem diese Notiz fehlt, und aus dem, folgt man der Argumentation Augustins, demnach auch kein eigenes Volk mehr hervorgegangen ist. Nach der ‚Völkertafel‘ in Gen 10 gehören auch nur die ersten fünf der in Gen 11,10–26 genannten Nachkommen Sems (also Arphaxad, Kainan, Sala, Heber und Phalech) zu denjenigen Stammvätern, aus denen ein Volk hervorgegangen ist, denn Ragau, Seruch, Nachor und schließlich Thara und seine drei in Gen 11,26 genannten Söhne (Abram, Nachor und Haran) tauchen in der Völkertafel nicht mehr auf. 169  Die Völkertafel in Gen 10 fungiert als Ätiologie der Genese der Völker der Erde. Vgl. dazu und zur Rezeption dieser Vorstellung bei Augustin Abschnitt 2.2.1.

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der in der Völkertafel erwähnten Noahsöhne, im Fall von Gen 11,10–26 aus jedem der namentlich genannten Nachkommen Sems, ein ganzes Volk hervorgegangen ist. Die Zeugungsformel stünde da, „damit wir begreifen, woher es kam, dass Völker heranwachsen konnten, und damit wir nicht an den wenigen Menschen hängen blieben, die (mit Namen) erwähnt werden, und auf kindische Weise Zweifel bekämen, wie denn so gewaltige Räume von Ländern und Reichen aus dem Geschlechte Sems angefüllt werde konnten.“170 Denn dass die Erde bereits zur Zeit des Abraham, der ein Zeitgenosse des Assyrerkönigs Ninus171 war, zahlreich mit Völkern angefüllt war, ergibt sich nach Augustin auch daraus, dass eben dieser Ninus, nachdem er die Völker des Ostens, die dort „überall“ (usquequaque)172 ausgebreitet waren (und das ist ja nach der Aufteilung der Erdteile, die Augustin voraussetzt,173 ebenjenes Gebiet, auf dem die Nachkommen Sems lebten), mit Ausnahme des fernöstlichen Asiens, also etwa Indien, unterworfen hatte, ein „sehr ausgedehntes und sehr festgegründetes Reich“ (latissimum ac fundatissimum regnum)174, nämlich das Assyrerreich, das zu seiner Zeit das größte und mächtigste Reich der Welt war, beherrschte. Noch aus einem weiteren Grund ist die Genealogie von Sem bis zu Abram in Gen 11,10–26 für Augustin von Bedeutung, da er durch sie den Zeitraum von der Sintflut bis zur Geburt Abrahams, m.a.W. die Anzahl der Jahre berechnen kann, auf die sich das zweite Weltzeitalter nach seiner Vorstellung beläuft. Dazu kann er die in der Genealogie angegebenen Gesamt-Lebensalter der genannten Stammväter außen vor lassen, ihm genügen die ebenfalls dort angegebenen Alter, zu denen diese jeweils den Nachkommen gezeugt haben, der die Zeugungsreihe dann weiterführt. Die Reihe wird eröffnet durch den Noahsohn Sem, der nach Gen 11,10 seinen Sohn Arphaxad zwei Jahre nach der Sintflut gezeugt hat. Augustin rechnet nun alle Zeugungsalter bis zum Zeitpunkt der Zeugung Abrams durch Thara auf und kommt auf eine Gesamtzahl von 1072 Jahren. Dabei betont er allerdings, dass er hier die in der Septuaginta genannten Jahreszahlen zugrunde legt, denn ihm war bewusst, dass es bei den in der Genealogie angegebenen Jahreszahlen Differenzen zwischen der Hebräischen Bibel und der Septuaginta gibt. Warum allerdings in der Hebräischen Bibel sehr viel geringere Jahreszahlen angegeben sind – man käme bei einer entsprechenden Aufrechnung der dort angegebenen Zeugungsalter auf eine Zahl von 292 Jahren –, darüber kann man nach Augustin „überhaupt nicht oder nur sehr 170  „ut

intellegamus unde potuerint populi adcrescere, ne in paucis qui commemorantur hominibus occupati pueriliter haesitemus, unde tanta spatia terrarum atque regnorum repleri potuerint de genere Sem“ (ciu. XVI 10, S.  511, Z.  26–29). 171 Vgl. ciu. XVI 17, S.  522, Z.  29–32. 172 Vgl. ciu. XVI 10, S.  511, Z.  3 0. 173  Vgl. zu Augustins Rezeption der antiken Vorstellung der drei Erdteile Abschnitt 2.2.1. 174 Vgl. ciu. XVI 10, S.  511, Z.  31 f.

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schwer Rechenschaft ablegen“.175 Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Versionen der Genealogie von Sem bis Abram in Gen 11 besteht darin, dass die Septuaginta zwischen Arphaxad und Sala, der nach der Hebräischen Bibel der Sohn des Arphaxad ist, noch einen Stammvater namens Kainan einfügt (Gen 11,12 f. [LXX]),176 der der Sohn Arphaxads und der Vater Salas gewesen sein soll. So ergibt sich über die Tatsache hinaus, dass in der LXX-Version die Zeugungsalter jeweils um 100 Jahre erhöht sind,177 noch ein weiteres Zeugungsalter von 130 Jahren, das keine Entsprechung in der Hebräischen Bibel findet. Diesen Umstand des in der Septuaginta zusätzlich aufgeführten Kainan thematisiert Augustin in ciu. XVI 10 allerdings nicht.178 Augustin folgt also den Angaben der Septuaginta und kann dadurch die Länge des zweiten Weltzeitalters mit 1072 Jahren beziffern. Augustin tritt einer möglichen Interpretation der Genealogie in Gen 11,10– 26 entgegen, wonach nur durch die Glieder der mit Sem beginnenden und auf Abram zielenden Genealogie (bzw. durch die von ihnen repräsentierten Völker) die „Verehrung des wahren Gottes“ (cultus ueri dei)179 stattgefunden habe. Für ihn stellt sich hier die Frage, ob vor dem Turmbauvorhaben und der daraus folgenden Sprachverwirrung, zu der Zeit also, als alle ‚eine Zunge und Sprache‘ 175  „in Hebraeis autem codicibus longe pauciores annos perhibent inueniri, de quibus rationem aut nullam aut difficillimam reddunt.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  53–55) 176  Dieser Kainan wird in der LXX nicht nur in die Genealogie in Gen 11,12 f. eingefügt, er begegnet auch konsequenterweise in der LXX-Version der Völkertafel in Gen 10,22.24 als Sohn des Arphaxad und Vater des Sala. Diese Einfügung einer weiteren Generation in die von Sem ausgehende Genealogie könnte ihren Grund in einer der LXX eigenen, von der Hebräischen Bibel abweichenden chronologischen Konzeption haben (so vermutet Rösel, Übersetzung, S.  211). 177 Mit genau diesem Phänomen, das analog zu Gen 11,10–26 in der Genealogie von Adam bis Lamech bzw. Noah (Gen 5) begegnet, dass nämlich die Zeugungsalter in der LXX jeweils gegenüber der Hebräischen Bibel um 100 Jahre erhöht sind, während die Gesamtlebensdauer der Stammväter in beiden Versionen wieder übereinstimmen (was sie, bis auf wenige Ausnahmen, in Gen 11,10–26 ebenfalls tun), hatte sich Augustin bereits ausführlich in ciu. XV 8–15 auseinandergesetzt. Hier kam er zu dem Ergebnis, dass die konsequente Erhöhung der Zeugungsalter um 100 Jahre in der LXX weder durch Abschreibefehler noch durch die von ihm ausgeführte, den hohen Jahreszahlen der LXX angeblich zugrunde liegende ‚Zeitrechnung in Zehnteljahren‘ erklärt werden kann, sondern dass sie auf das Inspirationsgeschehen bei der Entstehung der LXX zurückzuführen ist: Der Heilige Geist wollte durch diese, von der Hebräischen Bibel abweichenden Zeugungsalter eine zusätzliche, über die Hebräische Bibel hinausgehende, aber ebenfalls wahre Aussage treffen (s. dazu Abschnitt 1.2.6 u. 5.2.3). 178 Auch an keiner anderen Stelle in seinem Gesamtwerk thematisiert Augustin m.W. diesen Umstand, woraus man entweder schließen kann, obwohl dies freilich ein Argumentum e silentio wäre, dass Augustin diesen Unterschied zwischen LXX und Hebräischer Bibel nicht bemerkt hatte, oder, dass ihm dieses Problem zwar bewusst war, dass er aber – ähnlich wie bei den im Vergleich zur LXX deutlich geringeren Zeugungsaltern in der Hebräischen Bibel – schlicht keine befriedigende Antwort darauf wusste und es deswegen nicht ansprechen wollte. 179 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  59.

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(Gen 11,1) hatten, die ciuitas terrena entweder überhaupt noch nicht, oder nur „im Verborgenen gelebt“ (latere), oder bereits damals schon parallel zur ciuitas dei existiert habe.180 Augustin trifft eine „nicht einfache Entscheidung“ (diiudicatio non facilis) dahingehend, dass es „auf der Erde niemals an Menschen beider Art [sc. beider ciuitates] gefehlt habe“.181 Schwer fällt diese Entscheidung wohl auch deswegen, da – so Augustin – „erst von dem Hochmut des bis zum Himmel reichenden Turmbauvorhabens, dem Sinnbild der gottlosen Überhebung, die Bürgerschaft, d.  i. die Gesellschaft, der Gottlosen in die Erscheinung trat“.182 Augustin ist also nicht der Meinung, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Sprachverwirrung keine Glieder der ciuitas terrena gegeben habe, doch traten sie erst mit der im Turmbauvorhaben zum Ausdruck kommenden Hybris in Erscheinung. Aus dem Sprechen der ‚einen Sprache‘ folgt also auch nicht notwendigerweise die Zugehörigkeit zur ciuitas dei. Die Turmbauepisode und die Sprachverwirrung werden somit zu einer Krise, die das zweite Weltzeitalter zweiteilt: Während in der ersten Zeit von Noah an und bis zum Turmbau zu Babel die ciuitas dei unter den Menschen dominant war, kehrt sich dies mit dem Turmbau und der Sprachverwirrung ins Gegenteil um. Zur Zeit der Geburt Abrams war nämlich lediglich noch im Haus Tharas die ciuitas dei präsent, woraus folgt, dass alle anderen in dieser Zeit lebenden Menschen nicht an den wahren Gott glaubten und Glieder der ciuitas terrena waren. Diese Situation vor der Geburt Abrams (und damit dem Beginn des dritten Weltzeitalters) entspricht der Situation der Menschheit unmittelbar vor der Sintflut, als lediglich Noah und sein Haus von Gott als gerecht befunden wurden. In ciu. XVI 12 schreibt Augustin dazu: Wie daher in den Wassern der Sintflut allein das Haus Noahs erhalten blieb, um das Menschengeschlecht wieder zu erneuern, so war in der über die ganze Welt hin sich ausbreitenden Flut vielerlei Aberglaubens allein das Haus Tharas, in welchem noch die Pflanzung der Gottesstadt bewahrt wurde.183

In ciu. XVI 10 relativiert Augustin die stark an Gen 6,5.12 erinnernden Totalaussagen in Ps 13,3, wonach „alle“ Menschen (omnes) abgefallen seien und nicht einer Gutes tue, indem er davon ausgeht, dass diese göttlichen Urteile nur den Bürgern der ciuitas terrena gelten, nicht aber denen der ciuitas dei. Somit ist mit 180 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  6 4–68. Die Übersetzung Wilhelm Thimmes ist an dieser Stelle irreführend, insofern Augustin hier keine Überlegungen über den „Gottesstaat“, sondern über die im vorigen Satz genannte ciuitas / societas impiorum, d. h. die ciuitas terrena anstellt. 181  „utrumque tamen hominum genus terris numquam defuisse credendum est.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  72 f.; s. dazu Abschnitt 2.2.2) 182  „sed ab illa superbia aedificandae turris usque in caelum, qua impia significatur elatio, apparuit ciuitas, hoc est societas, impiorum.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  61–64) 183  „proinde sicut per aquarum diluuium una domus Noe remanserat ad reparandum genus humanum, sic in diluuio multarum superstitionum per uniuersum mundum una remanserat domus Tharae, in qua custodita est plantatio ciuitatis dei.“ (ciu. XVI 12, S.  516, Z.  15– 19)

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omnes eben die Gesamtheit der ciuitas terrena, nicht aber die Gesamtzahl aller Menschen gemeint. Folglich hat für Augustin also nicht nur die ciuitas terrena, sondern auch die ciuitas dei zu jedem Zeitpunkt (innerhalb der Weltzeit) existiert184 – auch wenn es Phasen in der Geschichte gab, in der sich die auf der Erde pilgernde ciuitas dei auf ein einziges Glied (und dessen ‚Haus‘) beschränkte: So war es zum Beispiel bei Abel, Noah oder Abraham. Aus dem Vergleich der Zeit vor der Sintflut mit der Zeit zur Geburt Abrams ist zu schließen, dass gerade die in der Genealogie von Sem bis Abram genannten Glieder nach Heber, zu dessen Zeit ja der Turmbau zu Babel und die Sprachverwirrung stattfindet, namentlich also Phalech, Ragau, Seruch und schließlich Nachor nicht notwendigerweise Glieder der ciuitas dei gewesen sein müssen. Tatsächlich enthält sich Augustin eines Urteils über die Zugehörigkeit von bi­ blischen Gestalten zur ciuitas dei, sofern diese Zuordnung von ihm nicht deutlich aus den biblischen Texten erhoben werden kann. So widerspricht er sowohl der Annahme, dass alle aus den beiden von Noah gesegneten Söhnen Sem und Japhet (Gen 9,26 f.) hervorgegangenen Nachkommen Glieder der ciuitas dei sind, ebenso wie der gegenläufigen Annahme, dass alle Nachkommen des von Noah verfluchten Sohnes Ham (Gen 9,25), zu denen immerhin Nimrod zählt,185 der ciuitas terrena angehören. Es sei viel wahrscheinlicher, dass aus allen drei Völkergruppen Glieder der einen wie der anderen ciuitas hervorgehen.186 Thara dagegen, der Vater Abrahams, stellt eine Ausnahme dar, da sich in seinem Haus nach Augustin ja zumindest die „Pflanzung der Gottesstadt“ (plantatio ciuitatis dei) bewahrt hat – sodass Thara selbst vielleicht nicht im Vollsinne Glied der ciuitas dei war, jedoch zumindest die Potenzialität zum Glauben an den wahren Gott in seinem Haus anzunehmen ist, die sich ja dann in seinem Sohn Abraham verwirklicht.187 Im ersten Kapitel des Buches XVI stellt sich Augustin konkret die Frage, inwieweit man nachweisen könne, dass in der Zeit von der Sintflut an bis zu Abraham überhaupt Glieder der ciuitas dei existiert haben. Hier fällt noch einmal auf, dass die augustinische, von Paulus beeinflusste Gnadentheologie die Zugehörigkeit zur Heilsgemeinschaft aufgrund von Abstammung aus dem historisch-empirischen Volk Israel in Frage stellt. Da das gnadenhafte Handeln Got184  „utrumque tamen hominum genus terris numquam defuisse credendum est.“ (ciu. XVI 10, S.  512, Z.  72 f.) 185  Nimrod, der Begründer der Stadt Babylons, ist nach der Völkertafel Sohn Kuschs und damit ein Enkel des von Noah verfluchten Sohnes Ham (vgl. Gen 10,6–10). Als derjenige, der aus Hochmut plante, Babylon bis zum Himmel zu bauen und schließlich noch viele andere zu dieser gotteslästerlichen Handlung anzustiften, ist Nimrod, vergleichbar mit dem Brudermörder und Städtebauer Kain im ersten Weltzeitalter, das paradigmatische Glied der ciuitas terrena im zweiten Weltzeitalter. 186 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  6 4–73. 187  Vgl. auch die weiteren Ausführungen zu der im Haus Tharas bewahrten plantatio ciuitatis dei in Abschnitt 3.2.1.

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tes immer nur am einzelnen Menschen geschieht, kann Augustin kaum eine ganze Gruppe (etwa die in der Genealogie von Sem bis Abram aufgeführten Glieder) kollektiv als begnadet und damit als der ciuitas dei zugehörig ansehen. Und da sich bis auf Noah, Sem, Japhet, Ham, Nimrod und Abraham selbst keine weiteren Aussagen oder Charakteristika in der Bibel finden lassen, die Augustin eine Zuordnung zu einer der beiden ciuitates ermöglichen würden, ist es konsequent, wenn Augustin nur diejenigen biblischen Gestalten der ciuitas dei zuordnet, bei denen dies klar aus den biblischen Berichten hervorgeht. Er schreibt dazu: Nach Noah […] finden wir in den kanonischen Büchern bis zu Abraham niemand, dessen Frömmigkeit durch die ausdrückliche Rede Gottes gerühmt würde, nur dass Noah zwei seiner Söhne, Sem und Japhet, durch prophetischen Segen auszeichnet, wobei er Dinge schaute und vorhersah, die noch weit in der Zukunft liegen.188

Deshalb muss Augustin es offen lassen, wie viele weitere Glieder der ciuitas dei zwischen Noah und Abraham auf Erden gelebt haben, auch wenn er der Überzeugung war, dass zu jeder Zeit Glieder beider ciuitates existierten,189 woraus sich zwangsläufig eine größere Anzahl von Bürgern der ciuitas dei innerhalb des zweiten Weltzeitalters ergibt. Bei den Genealogien in Gen 5 und 11,10–26, deren ursprüngliche Aussageabsicht darin besteht, die Herkunft des Volkes Israel (repräsentiert durch die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob) in die Nachkommenschaft Sems und damit Noahs einzugliedern sowie darüber hinaus bis auf Adam zurückzuführen, gilt es zu beachten, welche Transformationen sie durch die Interpretation Augustins, d. h. vor allem durch ihre Einordnung in sein Konzept der beiden ciuitates erfahren. Denn das Hauptaugenmerk liegt bei Augustin eben gerade nicht auf der leiblichen Abstammung, sondern seiner Meinung nach war es die Absicht des Verfassers, mit den Genealogien die Geschichte der ciuitas dei zu rekapitulieren, wobei aber nicht unbedingt entscheidend ist, dass alle genannten Glieder auch Bürger der ciuitas dei gewesen sein müssen. Zwar ist aus chronologischen Gründen, nämlich zur Berechnung der Länge des zweiten Weltzeitalters, auch der Verlauf der mit Sem beginnenden Genealogie für Augustin von Bedeutung, wichtiger ist jedoch, worauf sie abzielt bzw. wo sie „hinstrebt“ – nämlich zu Abraham (tendere ad Abraham).190 Dahinter steht freilich die durch die paulinische Theologie191 geprägte Ansicht Augustins, dass leibliche Abstammung eben 188  „propterea quia in canonicis libris post Noe […] non inuenimus usque Abraham cu­ iusquam pietatem euidenti diuino eloquio praedicatam, nisi quod Noe duos filios suos Sem et Iapheth prophetica benedictione commendat, intuens et praeuidens quod longe fuerat post futurum.“ (ciu. XVI 1, S.  498, Z.  5 –11) Zum prophetischen Sinn der drei Noahsöhne vgl. Abschnitt 2.2.2. 189 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  72 f. 190 Vgl. ciu. XVI 10, S.  512, Z.  61. 191  Vgl. u. a. in Röm 11,17–24 die die Gnadenwahl Gottes illustrierende Metaphorik des

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gerade keine Garantie für die Zugehörigkeit zu den Erwählten Gottes ist, sondern dass es bei jedem Menschen, unabhängig von seiner „Zeugung“ (generatio), d. h. von seiner leiblichen Abstammung, die Gnade Gottes ist, von der abhängt, ob er durch die „Wiedergeburt“ (regeneratio) in Christus aus der massa damnata erlöst wird und sich damit zu den Gliedern der ciuitas dei zählen darf oder nicht. 2.2.6 Das Hebräische als die ursprüngliche Sprache der Menschen Zu „Heber“192 und der auf ihn und seine Sippe zurückgeführten hebräischen Sprache sind in ciu. XVI sowohl das dritte als auch das elfte Kapitel von Relevanz. Wie Augustin bereits bei seinen Überlegungen zu den Nachkommen Sems in ciu. XVI 3 bemerkt hat,193 kommt der biblischen Figur „Heber“ eine bedeutende Funktion zu, was er daran festmacht, dass Heber in Gen 10,21 bereits an erster Stelle unter den Nachkommen Sems genannt wird, obwohl er eigentlich ein Ururenkel des Sem ist – womit die schematische Ordnung der aufeinanderfolgenden Generationen durchbrochen wird.194 Heber und sein Haus werden auch deshalb besonders gewürdigt, da sie in der Zeit des Turmbaus zu Babel gelebt haben und sich bei ihnen – während „die Völker wegen übermäßiger hochmütiger Gottlosigkeit durch die Vielfalt von Sprachen gestraft und voneinander getrennt wurden und die Stadt der Gottlosen den Namen ‚Verwirrung‘, d. h. Babylon, empfing“195 – die ursprüngliche Sprache der Menschheit, nämlich das Hebräische, erhielt.196 Heber und sein Haus waren Ölbaums, aus dem Gott Zweige herausreißen und andere Zweige einpfropfen kann – eine massive Infragestellung des Erwählungsgedankens der Juden, gegenüber den anderen Völkern allein durch die Zugehörigkeit zum erwählten Volk Israel einen Vorzug zu haben. Nach dem Evangelium des Paulus kommt es einzig und allein auf den erwählenden Gott an, der Menschen nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden beruft (vgl. Röm 9,14–24). Allerdings verhält es sich bei Paulus so, dass auch die Christen selbst sich ihrer Erwählung nicht allzu sicher sein und sich noch weniger ihrer Erwählung rühmen sollten, da erst am Tag des Gerichts endgültig von Gott darüber befunden wird, ob man erlöst wird oder nicht (vgl. z. B. 1Kor 3,5–17) – ein Gedanke, der auch für Augustins Konzept der beiden ciuitates und ihres jeweiligen ‚Ausgangs‘ am Gerichtstag bedeutsam ist (vgl. hierzu auch Abschnitt 3.2.5). 192 Es ist wichtig, diesen von Augustin sogenannten „Heber“, den Sohn „Schelachs“ (‫ש ַלח‬ ׁ ֶ / Σαλα; Gen 11,14), der eigentlich sowohl nach der Hebräischen Bibel als auch nach der LXX „Eber“ (‫ֵעב ֶר‬/ Εβερ) heißt, nicht mit einem der vier Heber (‫ֶח ֶבר‬/ Χοβορ) genannten bi­ blischen Figuren zu verwechseln (vgl. Gen 46,17; Ri 4,11; 1Chr 4,18; 8,17), gerade weil Augustin den Schelachsohn Eber durchgängig „Heber“ und nicht „Eber“ nennt – was wohl auf seine biblische Textgrundlage zurückzuführen ist. 193 Vgl. ciu. XVI 3, S.  503, Z.  62–71. 194 Vgl. ciu. XVI 4, S.  504, Z.  15–21. 195 „ita, quando merito elatioris impietatis gentes linguarum diuersitate punitae atque diuisae sunt et ciuitas impiorum confusionis nomen accepit, hoc est, appellata est Babylon, non defuit domus Heber, ubi ea quae antea fuit omnium lingua remaneret.“ (ciu. XVI 11, S.  513, Z.  4 –8) 196  Interessanterweise hatte sich Augustin in Gn. litt. 9,12,20, S.  2 81, Z.  2 3 – S.  2 82, Z.  15 nicht festlegen wollen, welche Sprache vor der Sprachverwirrung gesprochen wurde. Erst in ciu. XVI 11 wird diese Ursprache der Menschheit mit dem Hebräischen identifiziert (s. dazu

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also nicht von der göttlichen Strafe der Sprachverwirrung betroffen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie nicht am gotteslästerlichen Bau der Stadt Babylon mit seinem himmelhohen Turm mitgewirkt haben. Es begegnet auch tatsächlich in späteren Auslegungen eine Legende zu Heber, wonach dieser sich geweigert habe, am Turmbau mitzuwirken und daher nicht von der Strafe betroffen war.197 Ob eine solche Legende bereits zu Zeiten Augustins existierte und er davon Kenntnis hatte, ist allerdings fraglich. Durch die Sprachverwirrung wurden also alle Völker, abgesehen vom Haus Hebers, aus der ursprünglichen Sprachgemeinschaft der Menschheit herausgelöst und mussten sich fortan in ihren eigenen Sprachen verständigen. Erst seit dem Zeitpunkt der Sprachverwirrung war es nötig geworden, der gemeinsamen Ursprache einen eigenen Namen zu geben, um sie von den nun entstandenen anderen zu unterscheiden. Das ‚Hebräische‘ war zuvor schlicht „die menschliche Sprache“ (lingua humana) genannt worden.198 Augustin wendet sich damit gegen die Auffassung, das Hebräische sei erst mit Heber entstanden, dessen Name als Eponym für das Volk der Hebräer gilt.199 Bereits in ciu. XVI 3 war Heber als Namensgeber dieses Volkes eingeführt worden, dessen Zugehörige nach ihm (durch Entfall eines Buchstabens nicht „Heberäer“ [Heberaei], sondern) „Hebräer“ (Hebraei) genannt wurden.200 Sowohl der Name Hebers als auch der seines Sohnes Phalech wird mit dem Ereignis der Sprachverwirrung in Verbindung gebracht: „Phalech“ bedeutet Hübner, Art. Lingua, Sp.  998; Dochhorn, Art. Lingua, Sp.  1014). Josef Eskhult hat sich umfassend mit der Diskussion über die (hebräische) Ursprache im antiken Juden- und Christentum auseinandergesetzt, die er in ciu. XVI 11 zu einem gewissen Abschluss gekommen sieht (vgl. Eskhult, Primeval language, S.  327). Erkennt er doch hierin die detaillierteste Darlegung der Auffassung, dass das Hebräische die Ursprache der Menschheit sei (vgl. ders., Language history, S.  384; ders., Primeval language, S.  329; gegen Borst, Turmbau II/I, S.  398). 197  Schriftlich greif bar wird diese Legende erst bei dem kurdischen Gelehrten und Chronisten Abu’l-Fida in seinen Hist. Anteisl., S.  18, der hier den Gelehrten Abu ’Isa zitiert (vgl. dazu Jastrow, Art. Babel). 198 Vgl. ciu. XVI 11, S.  513, Z.  12–19. 199 Vgl. König, Art. Eber. 200 Vgl. ciu. XVI 3, S.  503, Z.  62–71. Mit der hier zurückgewiesenen Meinung, man sollte die Hebräer statt nach Heber nach dem Erzvater Abraham (also „Abrahäer“ [Abrahaei]) nennen, wendet sich Augustin implizit gegen eine Auffassung, die er selbst in cons. eu. 1,21, S.  19, Z.  21 – S.  20, Z.  6 vertreten hatte. Demnach gehe die gens Hebraeorum auf Abraham zurück (s. dazu Dochhorn, Art. Lingua, Sp.  1014; Denecker, Heber, S.  21 f.). Joseph Eskhult u. a. nehmen an, dass diese Herleitung Augustins sich Ambrosiaster verdankt (vgl. Eskhult, Primeval language, S.  333 f.). Zu der in ciu. XVI 11 eingenommenen Sichtweise war Augustin wohl im Zuge seiner Vorbereitungen zu ciu. XI-XXII gelangt, aus denen die qu. hervorgegangen sind. So lässt Augustin gegenüber cons. eu. 1,21 in qu. 1,24, S.  8, Z. 222–227 bereits offen, ob man die Hebräer nicht Abrahäer nennen sollte (vgl. Denecker, a. a. O., 22 f.). Eventuell beeinflusst durch Hieronymus (vgl. QG 10,24.25, S.  14, Z. 16–21), trifft Augustin in ciu. XVI 11 seine Entscheidung zugunsten Hebers – in retr. 2,16, S.  102, Z. 11 – S.  103, Z. 15 wird er seine in cons. eu. unternommene Herleitung der Hebräer von Abraham widerrufen.

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„Teilung“ (diuisio).201 Diese Etymologie versteht Augustin gemeinsam mit der Notiz in Gen 10,25, „Der Name des einen [sc. der beiden von Heber gezeugten Söhne] war Phalech, denn in seinen Tagen wurde die Erde geteilt“202 in dem Sinne, dass die Sprachverwirrung zum Zeitpunkt der Geburt Phalechs geschah. Die diuisio terrae wurde durch die Sprachenvielfalt hervorgerufen, und Heber benannte seinen Sohn Phalech nach diesem Ereignis.203 Augustin geht allerdings davon aus, dass sich die Sprachen auch nach der Sprachverwirrung noch weiter ausdifferenzierten.204 So sprachen nicht alle Nachfahren Hebers Hebräisch, sondern nur diejenigen, „deren Zeugungen zu Abraham hinführten“.205 Bei den Söhnen Abrahams hielt sich diese Sprache dann nur bei Jakob (dessen Bruder Esau zum Stammvater der Idumäer wurde)206 und seinen zwölf Söhnen. Tim Denecker spricht von einer „post-babelic line of the ‚heavenly city‘“, die sich von Heber über Abraham und Jakob (= Israel) fortsetzt und die gekennzeichnet sei von der „transmission of the Hebrew language“.207 Das Beibehalten der hebräischen Ursprache lag anfangs bei Heber in dessen Verschonung von der göttlichen Strafe der Sprachverwirrung begründet, da dieser sich der Teilnahme am hochmütigen Turm- und Stadtbau verweigert und damit als Glied der ciuitas dei erwiesen hatte.208 Auch in der Folge bleibt das Hebräische mit der Geschichte der auf Erden pilgernden ciuitas dei eng verbunden, da es jenen zu sprechen vorbehalten blieb, aus deren Nachkommenschaft sich das Volk Gottes entwickelte, in dem wiederum die Glieder der ciuitas dei vornehmlich existieren sollten.209 Augustin beschreibt diese Volkwerdung, das „Heranwachsen zum Volk Gottes“ (coalescere in populum dei), als einen fortschreitenden Prozess, wobei den Gestalten Heber, Abraham und Jakob eine hervorgehobene Stellung zukommt. Zur besonderen Würde des Gottesvolkes zählt 201 

Vgl. Abschnitt 2.2.5. unius Phalech, quia in diebus eius diuisa est terra.“ (Gen 10,25 nach ciu. XVI 10, S.  511, Z.  11 f.; XVI 11, S.  513, Z.  27) Es wird angenommen, dass diese Notiz sich ursprünglich tatsächlich auf eine „alte Erzählung von der Teilung der Menschheit“ bezieht; ob sie nun auf die Fassung von Gen 11,1–9 rekurriert oder eine ältere Erzählung solcher Ereignisse zur Voraussetzung hat, ist allerdings nicht sicher (vgl. Westermann, Genesis I, S.  702). 203 Vgl. ciu. XVI 11, S.  513, Z.  2 3–27; vgl. auch qu. 1,19, S.  6, Z.  182–185. 204  Dabei geht Augustin davon aus, dass die Anzahl der Völker schneller wuchs als diejenige der Sprachen (vgl. ciu. XVI 6, S.  507, Z.  45–50; s. dazu Eskhult, Primeval language, S.  336). 205  „nec Heber ipse eandem linguam in uniuersam progeniem suam refudit, sed in eam tantum, cuius generationes perducantur ad Abraham.“ (ciu. XVI 11, S.  514, Z.  37–39) Augustin wird hier das Geschlechtsregister von Sem bis Abram (Gen 11,10–26) im Blick gehabt haben. In all den dort genannten Nachfahren nach Heber hat sich das Hebräische erhalten. 206 Vgl. ciu. XVI 35, S.  540, Z.  2 0–24; s. dazu Abschnitt 3.3.3. 207  Denecker, Heber, S.  19. 208 Vgl. ciu. XVI 11, S.  514, Z.  3 0–33.43–55. 209  Dennoch gilt, was Gerard J. P. O’Daly zu Recht festhält: „Language, covenant and sacred history go together, but that is not the same as saying that all Hebrew speakers are members of the city of god.“ (O’Daly, A reader’s guide, S.  173) 202 „nomen

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weiter das Zuteilwerden der „Bundesschlüsse Gottes“ (testamenta dei). Hinzu kommt, dass es zum „Stamm Christi“ (stirps Christi) werden sollte.210 Schließlich gehört zum besonderen Ansehen der hebräischen Sprache, dass sie von den Patriarchen und Propheten gesprochen und die heiligen Schriften ursprünglich in ihr verfasst wurden.211 2.2.7 Rückblick: Die geschichtliche Dynamik der beiden ersten Weltzeitalter Am Ende der Behandlung des zweiten Weltzeitalters durch Augustin lohnt ein vergleichender Blick auf das erste Weltzeitalter hinsichtlich der ihnen eignenden (heils-)geschichtlichen Dynamik. Es lassen sich hier nämlich deutliche Strukturanalogien erkennen, und der Durchgang durch die weiteren Weltzeitalter wird zeigen, dass diese Strukturanalogien nicht nur bei Augustins Darstellung der ersten beiden Weltzeitalter festzustellen sind, sondern dass sie sich auch in seiner Sicht der folgenden vier Weltzeitalter wiederfinden.212 So beginnen beide Weltzeitalter mit einem gnadenhaften ‚Neuanfang‘ Gottes mit der Menschheit (speziell mit der ciuitas dei), nachdem er von ihr enttäuscht wurde und sie für ihre Sünde bestraft hatte. Den Beginn der beiden Weltzeitalter stellt jeweils ein göttlicher Akt der Neuschöpfung der ciuitas dei dar, nachdem diese sich im Verlauf der vorangegangenen Zeit durch die Sünde und den Abfall der Menschen von Gott verloren hatte, da sie nahezu vollständig in der ciuitas terrena aufgegangen war. Obwohl sich Adam und Eva im Paradies213 zum Ungehorsam gegenüber Gott hatten hinreißen lassen und aufgrund ihrer Sünde 210 Vgl. ciu. XVI 11, S.  514, Z.  33–37. Bei der stirps Christi ist an die in Mt 1,1–17 und Lk 3,23–38 dargestellte Abstammung Jesu zu denken. Die Geschichte Gottes mit Israel zielt letztlich auf die Geburt Jesu Christi ab, mit dem zugleich die partikulare Zuwendung Gottes an ein einzelnes Volk ihr Ende finden und einer Universalisierung des Heils weichen sollte. 211 Vgl. ciu. XVI 11, S.  514, Z.  45–48. 212  Vgl. dazu die Darlegungen in Abschnitt 3.4.4. 213  Streng genommen beginnt nach Augustin die Geschichte der beiden ciuitates erst mit Kain und Abel, mit deren Zeugung ja auch der Geschichtsverlauf im eigentlichen Sinne (procursus der beiden ciuitates) seinen Anfang nimmt. Adam wird von Augustin als der „Vater beider Gattungen“ verstanden (vgl. ciu. XV 17, S.  479, Z.  1–3; s. dazu Abschnitt 1.2.1 mit Anm.  109). Da aber die beiden ciuitates nach Augustin ursprünglich schon seit der Erschaffung der Engel (ciuitas dei) bzw. dem Abfall eines Teils von ihnen (ciuitas terrena) als übergeschichtliche Größen existieren, erscheint es als angemessen, auch Adam und Eva aus dem Konzept der beiden ciuitates nicht ganz auszuklammern. Waren sie zunächst, als sie gottgefällig im Paradies lebten und noch nicht von der verbotenen Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hatten, offenbar Glieder der ciuitas dei, so könnte angenommen werden, dass sie durch ihre Sünde, als sie Gottes Befehl nicht gehorchten und sich durch den bösen Willen zum Essen der verbotenen Frucht haben verleiten lassen, zu Gliedern der ciuitas terrena wurden. Diese Annahme trifft allerdings nicht zu, da Augustin davon ausgeht, dass Adam und Eva nach ihrem Fall rechtschaffen lebten. Zwar durften sie zu ihren Lebzeiten nicht mehr ins Paradies zurückkehren, wurden aber durch das Blut Christi von ihrer ewigen Bestrafung erlöst – so die Annahme Augustins in pecc. mer. 2,55, S.  124, Z. 19 – S.  125, Z. 6 (s. dazu Bonner, Art. Adam, Sp.  84).

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von Gott aus dem Garten Eden vertrieben wurden und fortan als sterbliche Menschen leben müssen, schenkt ihnen Gott mit Abel (und später mit Seth) einen Sohn, der aufgrund der göttlichen Gnade ein Gerechter, ein Glied der ciuitas dei, ist. Analog dazu steht mit Noah am Beginn des zweiten Weltzeitalters ebenfalls ein von Gott gnadenhaft erwählter Gerechter, der wie Abel ein paradigmatisches Glied der ciuitas dei ist. Auch dieser ‚Neuanfang‘ Gottes folgte auf menschliche Sünde und die entsprechende göttliche Strafe. War doch nach Gen 6,5.12 das gesamte Menschengeschlecht bzw. „alles Fleisch“ verderbt durch die Sünde, sodass Gott beschloss, die Menschheit bzw. alles Leben auf der Erde durch die Sintflut auszulöschen (vgl. Gen 6,7.13). Im Verlauf beider Weltzeitalter kommt es zu einer ‚Krise‘, die eine kontinuierliche Dekadenz der Menschheit bis hin zu ihrer gänzlichen ‚Verderbtheit‘ und Sündhaftigkeit auslöst. Vor dieser Krise war jeweils die ciuitas dei deutlicher zu erkennen und auch dominanter (eine Art temporäre ‚Heilszeit‘ innerhalb der Geschichte), nach der Krise hat im Ineinander der beiden Bürgerschaften deutlich die ciuitas terrena die Oberhand. Obwohl im ersten Weltzeitalter mit der Ermordung Abels durch seinen Bruder Kain bereits früh die ganze Grausamkeit und Verderbtheit der ciuitas terrena in Erscheinung getreten ist, stellt die eigentliche Krise des ersten Weltzeitalters die „Vermischung“ (permixtio) der ‚Gottessöhne‘ (Glieder der ciuitas dei / d ie ‚Nachkommen Seths‘) mit den Menschentöchtern (Glieder der ciuitas terrena / d ie ‚Nachkommen Kains‘) dar (Gen 6,1– 4),214 die so umfassend stattfindet, dass am Ende fast keine Glieder der ciuitas dei mehr vorhanden sind, da sie abgefallen und zu Gliedern der ciuitas terrena geworden sind. Erst vor dem Hintergrund dieser Vermischung der beiden ciuitates wird die Aussage Gottes in Gen 6,5.12 verständlich, dass die Menschheit boshaft und damit sintflutreif ist. Die Krise im zweiten Weltzeitalter wird ausgelöst durch das Bauvorhaben Nimrods, der mit Babylon nicht nur – seinem Wesen als Repräsentant der ciuitas terrena gemäß – eine Stadt errichten, sondern diese so groß bauen wollte, dass ihr Turm in den Himmel reicht.215 Dieses im bösen Willen Nimrods angelegte gotteslästerliche Vorhaben, von dem er viele Menschen überzeugen und zur Umsetzung desselben anstiften konnte, sodass auch viele Glieder der ciuitas dei zu solchen der ciuitas terrena wurden, provozierte die göttliche Strafe der Sprachverwirrung. Diese Verwirrung ist aber nicht der eigentliche Grund für das Überhandnehmen der ciuitas terrena im zweiten Weltzeitalter (sie hat damit den Prozess des Abfalls allenfalls beschleunigt), denn dieses Überhandnehmen liegt in der Tatsache begründet, dass sich so viele 214  Mit Vermischung ist hier nicht die sexuelle Vereinigung gemeint, sondern der durch den freien Willen der Glieder der ciuitas dei mögliche und dann auch vollzogene ‚Abfall‘ dieser Glieder von Gott, dadurch, dass sie uti und frui vertauschen und Gott nicht mehr als das höchste Gut verehren, sondern stattdesssen die (vergängliche) Schönheit der Menschentöchter genießen wollen (s. ausführlich dazu Abschnitt 1.3.2). 215  Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.2.3.

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Menschen der Hybris des Bauvorhabens anschlossen. Die Sprachverwirrung ist in erster Linie ein Offenbarwerden eines Zustandes, der den Bestraften als Gliedern der ciuitas terrena ohnehin schon eigen ist: Sie sind ‚verwirrt‘, weil sie uti und frui verwechseln, weil sie anstatt Gott als das höchste Gut zu verehren und zu genießen, sich nach den niederen irdischen Gütern (wie etwa einer prächtigen Stadt mit einem ungeheuer großen Turm) ausrichten und diese genießen wollen. Sie stellen sich selbst und ihre Begierden und nicht Gott und dessen Weisungen in das Zentrum ihres Denkens und Handelns. Im ausgehenden zweiten Weltzeitalter steht die Menschheit erneut da, wo sie bereits vor der Flut gestanden hat: Nahezu alle Menschen sind Glieder der ciuitas terrena, und wie schon bei Noah lässt Gott die Geschichte der ciuitas dei auch jetzt mit nur einem einzigen Menschen (und dessen Haus) von Neuem aufleben: Am Übergang vom zweiten zum dritten Weltzeitalter steht die Gestalt Abrahams, des ‚Vorbilds im Glauben‘.

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David 3.1 Das Abrahambild Augustins vor dem Hintergrund der frühjüdischen, neutestamentlichen und frühchristlichen Auslegungen Die mannigfaltigen Auslegungen Augustins zu Abraham vor dem Abfassen von ciu. XVI, und mehr noch die Deutung Abrahams im Frühjudentum und im frühen Christentum aufzuarbeiten, kann aufgrund der immensen Anzahl der zu behandelnden Stellen sowohl im Œuvre Augustins als auch bei denjenigen, die sich vor ihm jüdischer- wie christlicherseits mit Abraham auseinandergesetzt haben – und beschränkte man sich auch auf eine kleine Anzahl von Autoren bzw. Texten –, im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Dennoch ist es geboten, die wesentlichen Linien der frühjüdischen und frühchristlichen Auslegungsgeschichte nachzuzeichnen, um die Abrahamdeutung Augustins auf diesem Hintergrund besser in ihrem theologie- und auslegungsgeschichtlichen Kontext verorten zu können. 3.1.1 Abraham im Frühjudentum Im aramäisch- bzw. hebräischsprechenden Judentum im Raum Palästina bzw. Babylonien1 wurde Abraham als ein Rabbi verstanden, der sich insbesondere durch seinen Gehorsam gegenüber der Tora hervortat, die er – obwohl erst nach seiner Zeit entstanden – bereits kannte und befolgte.2 Im Jubiläenbuch aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., das insbesondere die Geschehnisse der Bücher Genesis und Exodus zum Inhalt hat, werden in den Abrahamerzählungen insgesamt zehn Versuchungen ausgemacht, die Abraham zu bestehen hat ( Jub 19,8), bevor er endgültig zum Glauben an Gott kommt, den Ehrentitel ‚Freund Gottes‘ erhält und durch das Bestehen der Versuchungen für gerecht befunden wird ( Jub 19,9).3 Der dramatische Höhepunkt und gleichsam die schwerste und letzte Prüfung ist dabei der göttliche Befehl zur Opferung Isaaks, dem Abraham zu 1  Vgl. zu dieser an Martin Hengel angelehnten Bestimmung: Hengel, Judentum, S.  193 und Anm.  6 in diesem Abschnitt. 2  Beate Ego schreibt unter Bezugnahme auf Sir 44,19; Jub 15,1; 16,21; 21,5; syrBar 57,2 u. a.: „Den traditionell-frommen Kreisen gilt A[braham] als der gesetzestreue Patriarch, der wegen der überzeitlichen Existenz des jüd[ischen] Gesetzes die halakhischen Gebote bereits vor ihrer Offenbarung am Sinai beachten konnte.“ (Ego, Art. Abraham) 3  Vgl. einführend dazu: Berger, Buch, S.  279–294.301; Schelbert, Art. Jubiläenbuch, S.  286 f.

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folgen bereit ist. So ist „erst mit dem Bestehen der Versuchungen die Bekehrung [Abrahams] abgeschlossen und als echt erwiesen“.4 Die Bekehrung Abrahams findet dann ihre endgültige Bestätigung in der Beschneidung Abrahams. Der Glaubende soll sich das Verhalten Abrahams zum Vorbild nehmen und es diesem moralischen Vorbild gleichtun (imitatio). Die paulinische Betonung, dass Abraham zuvor erwählt wurde und dass er nicht aus seinen Werken, sondern aus dem Glauben für gerecht befunden wurde, spielt hier kaum eine Rolle. Das im Jubiläenbuch begegnende Abrahamverständnis, das dem paulinischen deutlich entgegensteht, findet sich im Neuen Testament in Jak 2,20–24 wieder. Diese sogenannte ‚palästinische‘ Deutungstradition Abrahams unterscheidet Cornelius P. Mayer innerhalb des Frühjudentums von der ‚hellenistischen‘ Interpretation des Erzvaters.5 Freilich entbehrt diese heuristische Unterscheidung zwischen ‚palästinisch‘ und ‚hellenistisch‘, von der Mayer ausgeht, nicht einer gewissen Problematik, gerade da man seit den wegweisenden Forschungen von Martin Hengel eine solche Differenzierung nicht mehr so einfach vornehmen kann und vielmehr davon ausgehen muss, dass das gesamte Frühjudentum, eben auch das im Raum Palästina angesiedelte, hellenistisch geprägt war.6 Was nun die Abrahamrezeption durch Flavius Josephus und Philo von Alexandrien als wichtige Repräsentanten des „griechischsprechenden Judentum[s] der westlichen Diaspora“7 betrifft, so zeichnet sie sich dadurch aus, dass Abraham hier weniger als gesetzestreuer Rabbi, denn als „gelehrter Offenbarer des Monotheismus und als der tugendhafte Weise“8 verherrlicht wird. Flavius Josephus verstand Abraham in erster Linie als Philosoph und Astronom, der u. a. durch die Naturbetrachtung zum monotheistischen Glauben ge4 

Berger, Art. Abraham, S.  373. C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  11. Diese Unterscheidung findet sich bereits bei Otto Schmitz, wenn dieser im Hinblick auf die Deutung Abrahams von zwei „Zweigen des Spätjudentums“ spricht, deren Gemeinsamkeit in der „Tendenz der Verherrlichung des Pa­ triarchen“ besteht (O. Schmitz, Abraham, S.  115). Der Begriff ‚Spätjudentum‘, den Schmitz noch gebraucht, wird heute aufgrund seines pejorativen Charakters nicht mehr verwendet, kann man diese Bezeichnung doch so verstehen, als sei das Judentum im endgültigen Verfall begriffen gewesen, als das Christentum in Erscheinung trat und das ‚(Spät-)Judentum‘ in seiner heilsgeschichtlichen Rolle als Volk Gottes abgelöst hat. Man bezeichnet daher heute das streckenweise zur gleichen Zeit wie das Christentum sich ausbildende synagogale Judentum im Zeitraum von ca.  200 v. Chr. bis 200 n. Chr. als das ‚Frühjudentum‘, als den (Neu-) Anfang des Judentums in nachbiblischer und (ab 70 n. Chr.) tempelloser Zeit. 6 Vgl. Hengel, Judentum, S.  192 f. Hengel plädiert hier dafür, statt einer Unterscheidung zwischen palästinischem und hellenistischem Judentum das „gesamte Judentum ab etwa der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr.“ „als ‚hellenistisches Judentum‘“ zu bezeichnen, da der „Hellenismus als geistige Macht schon früh und nachhaltig im jüdischen Palästina Fuß gefaßt hat“ (ebd.). Eine etwas sachgemäßere Differenzierung könne man laut Hengel zwischen „dem griechischsprechenden Judentum der westlichen Diaspora und dem aramäisch/hebräischsprechenden Judentum Palästinas bzw. Babyloniens“ vornehmen (a. a. O., S.  193). 7 Vgl. Hengel, Judentum, S.  193. 8  C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  11. 5 Vgl.

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kommen ist.9 Philo wiederum verband seine Abrahamauslegung mit Traditionen aus der hellenistischen Philosophie, sodass die Patriarchen und unter ihnen an erster Stelle Abraham zu Verkörperungen nicht nur der jüdischen Gesetze, sondern auch der hellenistischen Tugenden werden.10 Bei Philo zeigt sich auch erstmals eine allegorische Abraham-Deutung: Neben der literalen Auslegung der Abrahamerzählungen kommt Philo zu dem Schluss, dass Abraham eigentlich nicht auf die irdischen Dinge dieser Welt (wie etwa das Land oder seine leibliche Nachkommenschaft) ausgerichtet war, sondern sich vielmehr auf der Suche nach einer geistlichen Welt befand, deren Schöpfer Gott ebenso ist wie er auch die irdische Welt geschaffen hat.11 Gerade dieser Impuls, der von Philo ausging, scheint von nicht geringer Bedeutung zu sein für Augustins Deutung von Abraham als auf der Erde pilgerndes Glied der ciuitas dei.12 3.1.2 Abraham im Neuen Testament Im Neuen Testament ist es insbesondere der Apostel Paulus, der sich mit der Gestalt Abrahams und seiner Bedeutung für den christlichen Glauben in einer produktiven und für die weitere christliche Auslegungstradition innovativen Weise auseinandergesetzt hat (vgl. Gal 3,6–18 und Röm 4). Er versteht Abraham in Aufnahme von Gen 15,6, „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm

9  Vgl.

Lof, ‚Prophet‘, S.  17 mit Verweis auf Ant. I 7,1, S.  38, Z.  11 – S.  39, Z.  10. Abraham sei sogar, so schreibt hier Josephus, der Erste gewesen, der den Glauben an den einen Schöpfergott gelehrt habe. Die Betrachtung der Gestirne und der Naturphänomene auf der Erde hatte ihn zu der Einsicht geführt, dass alles abhängig ist von einer unverfügbaren „guten Ordnung“ (εὐταξία) und „Kraft“ (δύναμις). 10  Laurens J. van der Lof schreibt dazu mit den entsprechenden Belegen aus Philos Schrift Abr.: „The patriarchs are embodiments of the written laws which were only later to be formulated. These laws are nothing other than commentaries on the works of the patriarchs […]. More than that: to Philo the patriarchs are men in appearance only: in reality they are virtues.“ (Lof, ‚Prophet‘, S.  17 f.; vgl. auch O. Schmitz, Abraham, S.  111 f.) 11  Vgl. Lof, ‚Prophet‘, S.  17; Niehoff, Philon, S.  70 f.120.147–150.211 f. 12  Freilich stellt sich hier die Frage, ob bei Augustin die Kenntnis der Schriften Philos, in diesem Fall insbesondere Abr., vorauszusetzen ist oder nicht. Er könnte Philos Schriften auch in lateinischer Übersetzung vorliegen gehabt haben oder durch Werke anderer, in denen die Positionen Philos referiert werden, zur Kenntnis derselben gelangt sein (zu denken ist hier insbesondere an Hieronymus und Ambrosius; vgl. Siegfried, Philo, S.  371–397; Lucchesi, L’usage; Savon, Ambroise). Berthold Altaner, dessen Forschungen, obwohl bereits viele Jahrzehnte alt, nach wie vor die maßgebliche Referenz hinsichtlich der Frage nach der Bildung Augustins und des Einflusses anderer Autoren ( jüdischer, paganer sowie Autoren der griechischen und lateinischen Patristik) darstellen, vermutet zu Recht einen größeren Einfluss Philos auf Augustin und gerade auf seine alttestamentliche Exegese (vgl. Altaner, Augustinus und Philo, passim).

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zur Gerechtigkeit angerechnet“,13 als τύπος14 eines an Gott glaubenden Menschen, der aufgrund dieses Glaubens (und nicht etwa seiner Werke bzw. seiner vorbildlichen Toraobservanz) von Gott gerechtfertigt wird. In engem Zusammenhang mit der Betonung des Glaubens Abrahams steht bei Paulus auch sein Verständnis der göttlichen Verheißungen an Abraham in Gen 12,2 f. und 15,5, wenn der Apostel den geistlichen Samen Abrahams dem fleischlichen vorordnet: Abram wird durch seine Umbenennung zu Abraham in allererster Linie zum Vater der Völker, erst in zweiter Linie ist er der Erzvater des Volkes Israel, das aus seiner fleischlichen Nachkommenschaft entstand. Das heißt nicht, dass nicht auch Glieder des Volkes Israel zum geistlichen Samen Abrahams zählen können (sofern sie nämlich an Christus glauben). Auch den Evangelien zufolge ist die leibliche Abstammung von Abraham kein Garant mehr für die Erwählung, derer sich die Juden rühmen könnten (vgl. Mt 3,9; Joh 8,37–41). Weiter wird es zum Inhalt eschatologischer Hoffnung, dass Gläubige aus allen Völkern „von Osten und von Westen kommen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen werden“ (Mt 8,11).15 Doch wird die fleischliche Abstammung von Abraham nicht ganz bedeutungslos, insofern ja nach Mt 1,1–17 Jesus Christus als Davidssohn auch fleischlich von Abraham abstammt. Er ist also nicht nur der geistliche, sondern zugleich auch der leibliche Samen Abrahams, und damit der „eigentliche Erbe, dem die Verheißungen gelten“16 (vgl. Gal 3,16). Neben der typologischen Deutung Abrahams als des paradigmatischen Gläubigen und aufgrund dieses Glaubens Gerechtfertigten durch Paulus sowie der sich seit dem Kommen Christi erfüllenden Verheißung, dass Abraham zum Vater der Völker, d. h. aller beschnittenen und unbeschnittenen Gläubigen wird (vgl. Röm 4,11 f.), begegnen im Neuen Testament und in der frühchristlichen Literatur (meist allegorische) Rezeptionen weiterer Verheißungen an Abraham. Bereits im Judentum, aber auch im Christentum war ja die Ansicht verbreitet, dass Abraham selbst ein Prophet gewesen sei, sodass man nicht nur an seiner 13  Καθὼς Ἀβραὰμ ἐπίστευσεν τῷ θεῷ, καὶ ἐλογίσθη αὐτῷ εἰς δικαιοσύνην (Gen 15,6 nach Gal 3,6 NTG). Obwohl die Hebräische Bibel und die Septuaginta hier „Abram“ (‫ ַאְב ָ רם‬/ Αβραμ) bezeugen, spricht Paulus von „Abraham“, worin ihm Augustin folgt (vgl. ciu. XVI 22, S.  525, Z.  21). 14  Lateinische Synonyme zu τύπος sind neben dem latinisierten Begriff typus u. a. forma, figura oder sacramentum – Begrifflichkeiten, die sich so auch bei Augustin wiederfinden. 15  Augustin zitiert Mt 8,11 in verschiedenen Schriften. Meist dient ihm dieses Jesuslogion zur Abwertung jüdischen Erwählungsglaubens, der sich auf die leibliche Abstammung von den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob beruft, und zur Betonung, dass nicht das fleischliche Israel, das Christus nicht angenommen hat, sondern das geistliche dereinst im Himmelreich mit den Erzvätern des Alten Testaments (die freilich, da sie zur ecclesia ab Abel gehören, ebenfalls Glieder der ciuitas dei, ja deren vorbildliche Repräsentanten sind) am Tisch des Herrn sitzen wird (vgl. c. Faust. 33,2; cath. fr. 36; ep.  140,50; en. Ps. 38,18; s. 62,5 und s. 201,2). 16  Klauser, Art. Abraham, Sp.  2 0.

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Lebensweise und seinen Taten, sondern auch an den an ihn ergehenden Verheißungen Gottes Zukünftiges vorweggenommen sehen kann. Eine deutlich von Paulus abweichende Abrahaminterpretation im Neuen Testament, die viel stärker an die rabbinischen Auslegungstraditionen anknüpft, findet sich im Jakobusbrief ( Jak 2,20–24). Hier wird nämlich gerade Gen 15,6, die Schlüsselstelle der paulinischen Deutung, dass Abraham aufgrund seines Glaubens für gerecht befunden wurde, als Beleg dafür genutzt, dass „der Glaube ohne Werke wertlos ist“17. Abraham wird hier zum Paradigma eines Menschen, der durch seine Werke bis hin zur Bereitschaft der Opferung seines eigenen Sohnes (Gen 22 / Jak 2,21), und nicht durch den Glauben allein, von Gott gerechtfertigt wird.18 Diese Spannung zwischen den Abraham-Rezeptionen im Neuen Testament hat Augustin bereits früh gesehen und zu harmonisieren versucht. In seinem auf die Zeit vor seiner Bischofsweihe zurückgehenden Werk De diuersis quaestionibus octoginta tribus (i.F.: diu. qu.)19 bemüht er sich, zwischen der Position des Paulus (Rechtfertigung Abrahams durch den Glauben [ fides], nicht durch Werke [opera]) und der des Jakobusbriefes zu vermitteln. Zum einen relativiert er die Spitze des Paulus, die man ja so verstehen könnte, dass die opera Abrahams völlig bedeutungslos seien, durch ein Zitat des Apostels selbst, der in Gal 5,6 vom „Glauben, der durch die (Nächsten-)Liebe tätig ist“,20 schreibt. Gegen ein Verständnis von Jak 2,20, wonach die Rechtfertigung Abrahams die Folge seiner opera darstellt, betont Augustin die Bedeutung der fides, die diese Werke Abrahams erst ermöglicht hat.21 Im Unterschied zur Vorstellung des Jubiläenbuchs, nach der Abraham zunächst zehn Prüfungen bestehen musste, um dadurch vollständig zu seinem Glauben zu kommen und erst auf der Grundlage all dieser frommen opera seine vollständige Bekehrung zu Gott zu erleben, spielt eine ‚Bekehrung‘ Abrahams bei Augustin kaum eine Rolle.22 Der vorbildliche Glaube Abrahams ist bei Augustin nicht ein Resultat aus den bestandenen Prüfungen, er ist vielmehr von Beginn der Abrahamerzählungen in Gen

ἡ πίστις χωρὶς τῶν ἔργων ἀργή ἐστιν ( Jak 2,20). Vgl. auch 1Clem 10,1–7; s. dazu Cocchini, Art. Abraham I, S.  3. 19  Wie Augustin selbst in retr. 1,26, S.  74, Z.  3 –11 angibt, sind die 83 Quaestiones in dem Zeitraum nach seiner Rückkehr nach Thagaste im Jahr 388 und vor seiner Bischofsweihe im Jahr 395 entstanden (vgl. Drecoll, Chronologie, S.  255; Mutzenbecher, Art. Diuersis quaestionibus, Sp.  509). 20  „fides quae per dilectionem operatur.“ (diu. qu. 76,2, S.  2 20, Z.  47 f.) 21  Augustin widerspricht Jak 2,20 nicht direkt, sondern versucht diesen Vers der paulinischen Auffassung anzugleichen (vgl. diu. qu. 76,2, S.  221, Z.  80–84; s. dazu auch C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  19 f.). 22  Dies zeigt sich auch schon daran, dass Augustin davon ausging, dass der Glaube an den einen Gott sich im Haus Thara, dem Vaterhaus Abrahams, (als plantatio) erhalten hat (vgl. Abschnitt 3.2.1). Schon aufgrund dessen war eine Bekehrung Abrahams nach Augustin nicht in dem Sinne nötig, als dass er sich vom Polytheismus hätte abwenden müssen und erst nach und nach zum Monotheismus gefunden hätte. 17 

18 

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12 an vollumfänglich vorhanden und ist gerade nicht die Folge, sondern die Voraussetzung dafür, dass Abraham gottgefällig handelt. 3.1.3 Exkurs: Das Phänomen des Typos im Horizont antiken Geschichtsdenkens Im Hinblick auf den Umgang neutestamentlicher, aber auch altkirchlicher Autoren mit dem Alten Testament dürfte es hilfreich sein, die Begriffe Typologie, Allegorie und Weissagung genauer zu definieren und zu unterscheiden. Die Schwierigkeit einer Definition und damit einer Differenzierung von Typologie und Allegorie beginnt allerdings schon damit, dass diese beiden Umgangsweisen mit dem Alten Testament in den neutestamentlichen Schriften zumeist nicht als solche markiert werden.23 Dass die Differenzierung zwischen Allegorie und Typologie der modernen Wissenschaft geschuldet ist, in der neutestamentlichen und spätantiken Zeit aber noch nicht voraussgesetzt werden darf, wird u. a. an Gal 4,24 deutlich, wo Paulus seine typologische Auslegung von Hagar, Sarah, Ismael und Isaak als Allegorie bezeichnet.24 Auch bei Augustinus changieren die Begrifflichkeiten, die er für den ‚geistlichen‘ Sinn verwendet, sodass auch allegorica significatio, prophetia und typus nahezu synonym begegnen können.25 Doch scheint seine Rede vom typus in manchen Kontexten nahezulegen, dass es sich hierbei für ihn um einen spezifischeren Fall des geistlichen Sinnes handelt. Ein knapper forschungsgeschichtlicher Exkurs zum Verhältnis zwischen Allegorie, Typologie und Weissagung, auch vor dem Hintergrund antiken Geschichtsdenkens, scheint hier deshalb angebracht zu sein. Für die exegetische Wissenschaft sind insbesondere die Positionen Leonhard Goppelts und Rudolf Bultmanns zu nennen, die jeweils unterschiedliche Definitionen von Typologie, Allegorie und Weissagung aufgestellt haben, die für die weitere Forschung bis heute von Bedeutung sind. Goppelt hatte sich in seiner 1939 bei Hermann Strathmann in Erlangen abgeschlossenen Dissertation intensiv mit dem Phänomen der alttestamentlichen Typologie im sogenannten ‚Spätjudentum‘26 und in den verschiedenen Schriften des Neuen Testaments befasst. Er beurteilt die Typologie als die „Hauptform n[eu]t[estament]l[icher] Schriftdeutung“, die „zugleich das heilsgeschichtliche Selbstverständnis des Neuen Testaments“ ausmacht.27 Goppelt hat also einen weiten Begriff von Typologie, wenn er bereits Anklänge in den synoptischen Evangelien an das Alte 23 Vgl.

Hall, Art. Typologie, S.  209. ἅτινά ἐστιν ἀλληγορούμενα (Gal 4,24). Auch in der altkirchlichen Auslegungsgeschichte greifen „t[ypologisch]e und allegorische Auslegung […] öfter ineinander über“ ­( Fascher, Art. Typologie, Sp.  1096, u. a. mit Hinweis auf ciu. XVII 3). 25 Vgl. Gross, Einleitung, S.  41 f.; C. P. Mayer, Art. Figura(e), Sp.  6; s. dazu auch Einleitung, Abschnitt 1.4. 26  Zum von Goppelt gebrauchten Begriff ‚Spätjudentum‘ Abschnitt 3.1.1 mit Anm.  5. 27 Goppelt, Typos, S. V. 24 

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Testament, also das Herstellen von Parallelen zwischen neutestamentlichen Erscheinungen und deren Entsprechungen im Alten Testament als die „geläufigste Form der Typologie“28 ansieht. Auch gibt es bei ihm keine Trennung von Weissagung und Typologie, im Gegenteil stellt er die Phänomene Typus und Antitypus in den Horizont des Schemas von alttestamentlicher Weissagung und neutestamentlicher Erfüllung, und spricht in diesem Fall von einer „echt typologische[n] Beziehung“.29 Goppelt, dessen Ansätze auch für die patristische und mediävistische Forschung bedeutsam geworden sind,30 bemerkt treffend, dass durch die typologischen Deutungen des Alten innerhalb der Schriften des Neue Testaments ersteres in den Hintergrund rückt: „Das Ergebnis der typologischen Deutung sind in erster Linie Aussagen über das n[eu]t[estament]l[iche] Heil, nicht Aussagen über das A[lte] T[estament].“31 Hier liegt auch der wesentliche Unterschied der typologischen Deutungen des Alten Testaments im Judentum, etwa bei Philo, dessen Auslegungen eine „fortlaufende Ausdeutung des A[lten] T[estaments]“32 darstellen. Die n[eu]t[estament]l[iche] Typologie fragt nicht: Welchen Sinn hat jene a[lt]t[estament]l[iche] Geschichte oder Einrichtung? Sondern sie vergleicht Jesus und das in ihm erschienene Heil mit den a[lt]t[estament]l[ichen] Parallelen und stellt fest, was sich daraus für das Neue und von hier aus unter Umständen für das Alte ergibt.33

Einen Satz, den Goppelt in Anlehnung an Johann Christian Konrad von Hofmann über die Auffassung der Heiligen Schrift bei den neutestamentlichen Schriftstellern formuliert, wäre auch im Hinblick auf die Rezeption des Alten Testaments durch Augustin und seine Wertung der alttestamentlichen Geschichte zu bedenken: Das A[lte] T[estament] ist demnach für das N[eue] T[estament] nicht in dem Maße wie für das Judentum inspirierter Buchstabe, sondern in etwa das Zeugnis von einer Heilsgeschichte, von einem vorläufigen unzulänglichen Heilsstand und einer darüber hinausweisenden Weissagung.34

Goppelt versteht die Typologie nicht wie Bultmann als eine hermeneutische Methode,35 „welche nach bestimmten Regeln Deutungen ermittelt“, sondern 28 

A.a.O., S.  240.

29 Ebd.

30  So Stuart George Hall mit Hinweis auf Henri de Lubac und Jean Daniélou (vgl. mit entsprechenden Literaturverweisen: Hall, Art. Typologie, S.  218.222–224). 31 Goppelt, Typos, S.  242. 32  A.a.O., S.  243. 33 Ebd. 34  A.a.O., S.  244 f.; vgl. zu dem von Hofmann eingeführten Begriff der Heilsgeschichte: Einleitung, Abschnitt 1.4 mit Anm.  45. 35  Vgl. bereits den Titel des 1950 erschienenen Aufsatzes von Bultmann, der sich schon allein dadurch klar von Goppelt abgrenzt: „Ursprung und Sinn der Typologie als Hermeneutischer Methode“.

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im umfassenden Sinne als eine „pneumatische Betrachtungsweise, welche im Blick auf die Heilsvollendung von Fall zu Fall in der vorlaufenden Heilsgeschichte deren Typen erkennt“.36 Dabei kann, sofern innerhalb der Typologie eine Polarität von Typus und Antitypus vorliegt, der neutestamentliche Antitypus entweder als „positive Vollendung“ des alttestamentlichen Typus fungieren (als Beispiele nennt Goppelt: „zweite Schöpfung, Abrahamskindschaft, zweite Annahme eines Eigentumsvolks“). Zum anderen kann auch der neutestamentliche Antitypus den alttestamentlichen auf heben (die Beispiele hier sind: „zweiter Adam“ und „neuer Bund gegen Sinai“). Der wesentliche Unterschied zwischen einer Allegorie und einer Typologie besteht nun nach Goppelt darin, dass letztere immer einen historischen Bezug hat: „Gegenstand typologischer Deutung können nur geschichtliche Fakta, d. h. Personen, Handlungen, Ereignisse und Einrichtungen sein, Worte und Darstellungen nur insofern, als sie von solchen handeln.“37 Die Allegorie dagegen kann sich dementsprechend auch losgelöst von historischen Fakta lediglich an alttestamentliche Worte oder Darstellungen anschließen. Walther Eichrodt hat hierzu folgende präzise Unterscheidung vorgenommen: Während für die Typologie der Geschichtswert des auszulegenden Textes die wesentliche Voraussetzung seiner Verwendung bildet, ist er umgekehrt für die Allegorie gleichgültig oder gar anstößig und muß auf die Seite geräumt werden, um den dahinter liegenden ‚geistlichen‘ Sinn freizugeben. Zu diesem Zweck werden die irdischen Gegenstände und Personen, von denen der Text spricht, auf geistige Vorgänge und Wesenheiten gedeutet, mit denen sie nach dem Wortsinn nichts zu tun haben.38

Bultmann dagegen, der in seinem 1950 erschienenen Aufsatz vor allem auch auf Goppelts Verständnis der Typologie im Neuen Testament reagierte, unterscheidet beim Umgang der neutestamentlichen und frühchristlichen Autoren mit dem Alten Testament strikt zwischen Typologien und Verheißungen bzw. Weissagungen. So versteht Bultmann unter einer Typologie als hermeneutischer Methode […] die seit dem Neuen Testament in der Kirche geübte Auslegung des Alten Testaments, die in Personen, Ereignissen oder Einrichtungen, von denen dieses berichtet, Vorabbildungen, Vorausdarstellungen, entsprechender Personen, Ereignisse oder Einrichtungen der mit dem Kommen Jesu Christi angebrochenen Heilszeit findet.39

Die τύποι, die die Typologien zum Inhalt haben, können dabei mit ἀντίτυποι korrespondieren, wie das etwa bei der paulinischen Adam-Christus-Typologie (zunächst in 1Kor 15,21 f.42–49, elaboriert dann in Röm 5,12–21) der Fall ist. Während die Verheißungen auf eine eschatologische Erfüllung abzielen, die am 36 Goppelt,

Typos, S.  244. A.a.O., S.  18. 38  Eichrodt, Exegese, Sp.  6 43. 39  Bultmann, Ursprung, S.  369. 37 

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Ende einer linearen Zeitachse steht – der im Alten Testament grundgelegte und offenbarte göttliche Heilsplan wird, sofern er sich nicht bereits in Christus und der Kirche erfüllt hat, teleologisch bei der Parusie Christi erfüllt werden –, funktionieren Typologien nach Bultmann innerhalb eines zyklischen Zeitverständnisses. Die Idee der Wiederkehr aller Dinge innerhalb des Kosmos steht hier im Vordergrund. Beispielsweise existieren der Typus des ersten Menschen (Adam) und der Antitypus des zweiten oder letzten Menschen (Christus) (1Kor 15,21 f.42–49; Röm 5,12–21) zeitübergreifend und unabhängig von den historischen Gestalten Adam und Jesus von Nazareth. Allerdings stellt Bultmann bereits in den alttestamentlichen Schriften, er nennt als frühes Beispiel die alttestamentliche Prophetie, fest, dass diese „Anschauung der Wiederkehr des Gleichen“, die im „Orient wie im Griechentum“40 weit verbreitet war, und vor deren Hintergrund s.E. auch die zyklischen Periodisierungen des Jahres in Jahreszeiten mit den jeweils damit verbundenen kultischen Festen, aber auch des gesamten Weltlaufes41 zu verstehen sind, dass diese „Anschauung vom Kreislauf der Zeit der eschatologischen Hoffnung dienstbar gemacht“ wurde.42 Doch entstehe durch diese „Eschatologisierung“ eine Diskrepanz, insofern beispielsweise weiterhin kultische Feste in der Zyklizität des Jahres gefeiert werden und man sich die Endzeit als Wiederkehr der (paradiesischen) Urzeit vorstellt, obwohl man durch die eschatologische Hoffnung doch eigentlich ein Ende der Zeit und ein Ausbruch aus diesem Kreislauf der Weltzeit erhofft. All dies sind Themen, die auch für Augustins Geschichtsdenken von großer Relevanz sind. Doch wird die Sicht Bultmanns, d. h. die strikte Trennung von zyklischem und linearem Zeitverständnis, dem antiken Geschichtsbewusstsein nicht gerecht, das ohne Weiteres in der Lage war, Elemente des sogenannten ‚zyklischen‘ wie auch des ‚linearen Zeitverständnisses‘ zusammenzudenken.43 Dagegen ist an Bultmanns Differenzierung von Typologie und Weissagung gegenüber dem sehr weiten Verständnis von Typologie bei Goppelt festzuhalten.44 40 

A.a.O., S.  370. Man denke hier an die Weltzeitalter-Vorstellung Augustins, bei der bereits eine Periodizität der einzelnen Weltzeitalter in ihrem geschichtlichen Verlauf festgestellt wurde (vgl. Abschnitt 2.2.7, ferner Abschnitt 3.4.4). 42  Bultmann, Ursprung, S.  370; in vergleichbarer Weise spricht Henri Crouzel im Hinblick auf den geistlichen Sinn in den frühchristlichen Schriften von einer „double dimension, horizontale et verticale“ (Crouzel, La distinction, S.  174; vgl. a. a. O., S.  162 f.170 f.). 43  Die Zuordnung Bultmanns, dass die Typologie ein zyklisches, die Weissagung dagegen ein lineares Zeitverständnis voraussetzt, wurde bereits von Walther Eichrodt und Gerhard von Rad bestritten. Diese gehen davon aus, dass der Typologie und der Weissagung dieselbe Geschichtsauffassung zugrunde liegt (vgl. Eichrodt, Exegese, Sp.  646–648; Rad, Theologie 2, S.  387–391; s. dazu auch Hesse, Art. Typologie, Sp.  1094). Vgl. zu dieser Problematik auch die Thesen von Karl Löwith und die Kritik daran (s. Einleitung, Abschnitt 2.2). 44  Zwar besteht nach Eichrodt, der Typologien bereits im Alten Testaments ausmacht und sie nicht als rein neutestamentliche und frühchristliche Phänomene verstehen will, „zwi41 

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In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Rede von dem antiken Geschichtsbewusstsein ebenso verkürzt ist wie die Rede von dem Menschenbild der Antike. Insbesondere die im deutschsprachigen Raum erst seit den 1980er-Jahren verstärkt in die Diskussion eingeführte transdisziplinäre Forschungsrichtung der ‚Historischen Anthropologie‘ hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es das eine Menschenbild der Antike (oder eines anderen Zeitalters), oder auch die (eine) Anthropologie des Alten oder des Neuen Testaments nicht geben kann.45 Das Menschenbild ist vielmehr immer von den unterschiedlichen sozialen, politischen, kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Umständen abhängig, in dessen Kontext es sich entwickelt hat und uns in den Quellen begegnet. Bernd Janowski bemerkt dazu: „Die im Lauf der Geschichte bezeugten Selbstauffassungen und Selbstexplikationen des Menschen können […] nicht unter eine Wesensformel subsumiert werden, sondern müssen dem geschichtlichen Wandel gerecht werden.“46 Analog zu dieser Einsicht, dass man also korrekt nur von vielen verschiedenen Menschenbildern der Antike reden kann, wird man auch zum Zeit- und Geschichtsverständnis in der Antike sagen müssen, dass dieses nicht auf eine einzige Formel gebracht werden kann, sondern uns in einer großen Pluriformität begegnet, und so immer auch die je verschiedenen sozialen, politischen, kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Hintergründe des jeweiligen Verfassers widerspiegelt. Bezogen auf die Frage nach dem linearen und dem zyklischen Zeitverständnis gilt also, dass man zwar durchaus bei unterschiedlichen Autoren (oder auch in unterschiedlichen Aspekten der antiken Lebensführung oder des Kults, die etwa durch archäologische Funde rekonstruiert werden können) die Tendenz erkennen kann, einem zyklischen oder einem linearen Zeitverständnis nahezustehen. Es begegnen allerdings auch ebenso Mischformen, die man aber nicht unter den Verdacht der ‚Inkonsequenz‘ stellen, sondern als ebenso authentische Zeugnisse antiken Zeit- und Geschichtsbewusstseins ernstnehmen sollte. In jüngerer Zeit hat insbesondere Bernd Janowski dieses Phänomen, das er das „Doppelgesicht der Zeit“47 nennt, in Bezug auf die alttestamentlichen Zeugnisse beschrieben und damit zugleich ein seit Gerhard von Rad in der Forschung dominierendes Theorem in Frage gestellt, dass nämlich das altorientalische Weltbild von einem „mythischen Kreislaufdenken“ geprägt und daher „wesentlich geschichtslos“ war, während für den Glauben Israels die „Einmaligkeit innergeschichtlicher göttlicher Heilstaten“ konstitutiv war.48 So illustriert Janowski anhand von Dtn 26,1–11, der Beschreibung der schen beiden Betrachtungsweisen [sc. Typologie und Weissagung] eine sehr enge Beziehung; denn beide sehen im Alten Testament die in einer Zeit der Vorläufigkeit und des Wartens ergehende Ankündigung der Heilsvollendung durch Gott selbst. Während aber in der Weissagung der Gottesbote die ihm aufgeschlossene und von ihm geschaute Zukunft verkündet, besitzt der Typos unabhängig von einem menschlichen Medium, rein durch seine objektive Faktizität, seine in die Zukunft weisende Bedeutung und erschließt sich in vielen Fällen erst dem von der neutestamentlichen Heilszeit rückwärts gewandten Blick, während seine Funktion für die Zeitgenossen noch verhüllt ist.“ (Eichrodt, Exegese, Sp.  644) 45  Vgl. einführend und mit einschlägigen Literaturhinweisen zur Historischen Anthropologie und den Konsequenzen der Einsichten dieser Forschungsrichtung für eine Anthropologie des Alten Testaments das Unterkapitel „Historische Anthropologie“ in: Janowski, Konfliktgespräche, S.  2 –6. 46  A.a.O., S.  4. 47  Janowski, Anthropologie, S.  388. 48 Rad, Theologie 2, S.  120; vgl. ders., Anfang, S.  149–153. Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem v. Rad’schen Konzept der Heilsgeschichte vgl. Janowski, Vergegenwärtigung, S.  58–61; ders., Was sich wiederholt, S.  326 f.

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jährlichen Darbringung der Erstlingsfrüchte, bei der zugleich die heilsgeschichtlichen Taten Gottes, nämlich der Exodus und die Landgabe, vergegenwärtigt werden sollen, wie hier die Zeitdimensionen der „kultisch-kalendarische[n] Zeit (Zyklizität)“ und der „chronologisch-historische[n] Zeit (Linearität)“49 miteinander verknüpft werden. Daher kommt er zu dem Schluss: „Die Korrelation von Vergegenwärtigung und Wiederholung wird dem alttestamentlichen Zeit- und Geschichtsverständnis eher gerecht als der Gegensatz von Linearität und Zyklizität.“50 Tatsächlich begegnet uns ein ‚lineares‘ bzw. ein ‚zyklisches‘ Zeitverständnis in seiner Reinform bis in die Gegenwart hinein eher selten. Vielmehr wird man das Ineinander beider Aspekte als die Regel und nicht die Ausnahme ansehen müssen. Sowohl im ‚säkularen‘ als auch im kirchlichen Bereich gibt es Elemente, die auf ein zyklisches Zeitverständnis schließen lassen (Wiederkehr der Wochentage, der Monate und der Jahreszeiten; Amtsperioden von Politikern etc. und im Bereich der Kirche etwa das Kirchenjahr mit seinen jährlich wiederkehrenden Festen), ebenso wie solche, die ein lineares Zeitverständnis zur Voraussetzung haben (etwa die gängige Geschichtsauffassung der aufeinanderfolgenden, von Veränderungen bzw. Entwicklungen im politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich geprägten Epochen, und im kirchlichen Bereich nach wie vor der auf ein Ende der Welt gerichtete, hoffende Glaube an die Wiederkunft Christi und die Auferstehung der Toten, auch wenn sich hier gegenüber der unmittelbar auf Jesus folgenden Zeit [Naherwartung] in den folgenden Jahrhunderten aufgrund des Ausbleibens der Parusie notwendigerweise Transformationen vollzogen haben). Um ein Beispiel für das gleichzeitige Auftreten ‚zyklischen‘ und ‚linearen‘ Zeitdenkens aus Augustins ciu. zu nennen:51 Abel, der typus des leidenden Gerechten, ist zum einen zeitübergreifendes Paradigma für einen Bürger der ciuitas dei, doch zeigen sich in Augustins Deutung der Figur Abels zum anderen auch Elemente, die Gegenstand eschatologischer Hoffnung sein können: Schließlich sind Abel, wie ja auch Noah oder Abraham Idealbilder des Glaubens, an die heranzureichen der glaubende Christ in all den Wirren und aller Unzulänglichkeit, in der er lebt, lediglich erhoffen kann. Er kann hoffen, dereinst am Jüngsten Tag mit Abraham und den anderen Patriarchen an einem Tisch im Himmelreich sitzen zu können (Mt 8,11).

In jüngerer Zeit kann, im Anschluss an die Arbeiten Goppelts und Eichrodts, zwischen Typologie und Allegorie insofern unterschieden werden, als Letztere „über sich hinaus auf eine andere Bedeutungsebene verweist“, während „das Typologisierende (der τύπος/týpos) und das Typologisierte in einer sich gegenseitig interpretierenden Wechselbeziehung [stehen]“.52 Dabei ist allerdings der Typos niemals identisch mit dem Typologisierten, sondern stimmt mit ihm lediglich hinsichtlich eines oder mehrerer Vergleichsaspekte überein. „Welche der 49 

Janowski, Anthropologie, S.  390.

50 Ebd.

51 Das Geschichtsdenken Augustins kann insofern nicht als im Vollsinne zyklisch bezeichnet werden, als ein Ende der Geschichte bei ihm nie in Frage steht. Sachgemäßer wäre es also, statt von ‚zyklischen‘, von repetitiven Aspekten seines Geschichtsdenkens oder von Geschichtsrhythmisierung zu sprechen; vgl. dazu Abschnitt 3.4.4. 52  Ostmeyer, Art. Typologie, Sp.  677.

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Bezugsgrößen die interpretierende Funktion übernimmt, ist eine Frage des ­A spektes und der Intention.“53 Es zeigt sich, dass die Unterscheidung Bultmanns in Typologien und Weissagungen durchaus einen heuristischen Wert zur Einordnung der frühchristlichen Deutungen des Alten Testaments hat, dass aber eine strikte Trennung von Typologie und Weissagung, die Bewertung des Ineinanders beider Größen als ‚Inkonsequenz‘ (sowie die dahinterstehende Vorstellung zweier klar zu trennender antiker Zeitverständnisse), wie Bultmann sie vornimmt, und wie er sie insbesondere an Paulus demonstriert, dem Geschichtsdenken und dem Verständnis von Typologie und Weissagung vieler frühchristlicher Autoren nicht gerecht wird. Bei Augustin stellt die typologische Auslegung eine Form der Erschließung des geistlichen Schriftsinns dar. Obwohl bei ihm die Bezeichnungen für diesen Sinn variieren, scheint mit dem latinisierten Begriff typus (bisweilen ersetzt durch figura)54 ein den ‚geistlichen Sinn‘ spezifizierender Aspekt ausgedrückt zu werden. Wenn Augustin ein alttestamentliches Motiv, eine Gestalt oder ein Ereignis als typus begreift, so bleibt hier die Referenz auf das Historische, also das Typologisierte in einer stärkeren Weise erhalten, als dies bei anderen ‚allegorischen‘ Auslegungen der Fall ist – hier bestätigen sich die Thesen Goppelts und Eichrodts zur Unterscheidung zwischen Allegorie und Typologie.55 Eine so verstandene typologische Auslegung kommt dem Interesse Augustins entgegen, alttestamentliche Texte nicht einseitig zu allegorisieren, sondern bei der Ergründung des „geistlichen Sinns“ der Heiligen Schrift „an der geschichtlichen Wirklichkeit der Ereignisse“ festzuhalten.56 Hinter der christlichen typologischen Auslegung steht die Überzeugung der heilsgeschichtlichen Kontinuität zwischen Altem und Neuem Bund, des Wirkens desselben Geistes in den alttestamentlichen Propheten und in den Verfassern des Neuen Testaments.57 Augustin unterstreicht gerade auch unter Verwendung der typologischen Methode in ciu. die innere Geschlossenheit der historia sacra als beide Testamente übergreifende Geschichte der ciuitas dei.

53 Ebd. 54 Vgl.

C. P. Mayer, Art. Figura(e), Sp.  3 mit Anm.  23. P. Mayer formuliert treffend: „Von der bloßen Allegorie unterscheidet sich die Typologie dadurch, daß bei jener die Innergeschichtlichkeit beider Pole nicht erforderlich ist. In der Figuraldeutung werden die historischen Wirklichkeiten des Alten Testaments nicht verflüchtigt. Im Gegenteil, die volle Wahrheit […] wird erst dann einsichtig, wenn man sie in ihrer Durchsichtigkeit für das Kommende zu betrachten vermag.“ (C. P. Mayer, Zeichen 1, S.  335) 56  Fascher, Art. Typologie, Sp.  1096; vgl. dazu auch Augustins Äußerungen zum Umgang mit den alttestamentlichen prophetiae in ciu. XVII 3 (s. dazu Abschnitt 4.1.3). 57 Vgl. Fascher, ebd. 55  Cornelius

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3.1.4 Die Deutung Abrahams durch Irenäus, Tertullian und Ambrosius War bereits für Paulus die Typologie eine wichtige hermeneutische Methode zur Auslegung des Alten Testaments, so wird sie bei Irenäus von Lyon zum Zugang schlechthin zu den alttestamentlichen Texten. Laurens J. van der Lof konstatiert: „[Irenaeus] was the first to treat the Old Testament typologically through and through.“58 Irenäus verstand Abraham als einen Propheten, wobei er diese Zuschreibung in seine typologische Auslegung des Erzvaters integrierte. Vermittelt durch den Heiligen Geist habe Abraham bereits das Kommen Christi und die göttliche Vorsehung und Fügung seiner Passion (dispositio passionis) vorausgesehen.59 Dadurch erhält der Glauben Abrahams, der ja innerhalb der Typologie als Vorabbildung des christlichen Glaubens fungiert, eine sehr konkrete inhaltliche Bestimmung. Doch wird nach Irenäus die Passion Christi als Inhalt dieser Weissagung Abrahams nicht in Wortprophetie wiedergegeben, sondern durch eine Handlung, nämlich durch die (im letzten Moment verhinderte) Opferung seines einzigen Sohnes Isaak in Gen 22. Damit nimmt Abraham in prophetischer Weise die dem Willen Gottes folgende Hingabe Christi, seines einzig geliebten Sohnes, am Kreuz vorweg. In Bezug auf Irenäus bestätigt sich die Bultmann’sche These, dass eine klare Scheidung von Weissagung und Typologie erschwert wird, wenn wie hier eine ‚Eschatologisierung‘ der Typologie auszumachen ist. Die prophetische Weissagung, sofern sie von einem christlichen Ausleger wie Irenäus den Ereignissen der alttestamentlichen Erzählungen als inhärent angesehen wird, geht sozusagen im großen typus des Alten Testaments auf. Freilich kann dieser typus nicht nur auf dem Hintergrund eines zyklischen Zeitverständnisses gesehen werden, da ihm eben auch Elemente der Weissagung innewohnen, die auf eine Erfüllung am Ende der Zeiten – also innerhalb eines linearen Zeitverständnisses – abzielen.60 Allerdings bedeuten, gegen Bultmann, dieses Aufgehen der Weissagungen im typus des Alten Testaments und die damit einhergehende Spannung zwischen linearem und zyklischem Zeitverständnis nicht zwingend eine ‚Inkonsequenz‘. Vielmehr sollte man sich die Geschichts- und Zeitverständnisse antiker Autoren wie etwa Irenäus deutlich dynamischer und flexibler vorstellen. Auch für Tertullian, einem Zeitgenossen des Irenäus, war die typologische Auslegung des Alten Testaments von entscheidender Bedeutung. Er war über Paulus (1Kor 10,6.11) hinaus der Meinung, dass nicht nur bestimmte Ereignisse und Prophetien (Tertullian differenziert klar zwischen Wortprophetie und Ereignissen, die etwas prophetisch vorwegnehmen), sondern das gesamte Alte 58 Lof,

‚Prophet‘, S.  21, unter Bezugnahme auf Irenäus, Haer. II 23,1. „Propheta ergo cum esset Abraham et videret in Spiritu diem adventus Domini et passionis dispositionem“ (Irenäus, Haer. IV 5,5, S.  434, Z.  74–76). 60  Vgl. Lof, ‚Prophet‘, S.  2 3 f., wobei Laurens J. van der Lof sich hier auf Irenäus’ Rezeption von Gen 22 in Haer. IV 5,4 f. sowie dessen Verständnis der Patriarchen als Propheten in Haer. IV 21,3 stützt. 59 

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Testament Christus bezeuge.61 Während Irenäus Abraham als Propheten im doppelten Sinne, also sowohl als typus (und damit als Subjekt der Typologie) als auch als Prophezeienden versteht, sieht Tertullian Abraham lediglich als typus an und bezeichnet ihn nicht als Propheten. Das mag daran liegen, dass er einen engeren Prophetenbegriff hat als Irenäus, insofern er zwischen Ereignissen, die Künftiges präfigurieren, und ‚Propheten‘ als denjenigen differenziert, die Zukünftiges „voraussagen“ (praefari). Für seine von Paulus inspirierte typologische Sicht auf Abraham nutzt Tertullian Begriffe wie praedicatio, praefiguratio oder praestructio, während das ‚Voraussagen‘ in Bezug auf Abraham bei ihm nicht vorkommt.62 Für ihn ist das gesamte Alte Testament ein einziger typus, der auf das Künftige, in Christus sich Erfüllende verweist. Diese aus der Paulusrezeption gewonnene typologische Sichtweise verbindet Irenäus und Tertullian mit Augustin, der unter dem Vorbehalt, dass es auch rein auf das irdische Volk Israel abzielende Verheißungen gibt,63 ebenfalls die gesamte historia des Alten Testaments als einen großen Fundus von typi bzw. figurae ansieht. So schreibt Augustin in seinem deutlich vor ciu. entstandenen Werk diu. qu.: Nun verhält es sich nicht nur bei denen, die eigens Propheten genannt werden, sondern in ebenjener Geschichte [historia] des Alten Testaments so, dass die Prophezeiung die Stimme derer nicht schweigen lässt, die sie auf fromme Weise suchen und die bei ihrem Suchen durch göttliche Hilfe unterstützt werden.64

Wie Tertullian in Idol. 5,4, führt auch Augustin in diu. qu. 58,2, nachdem er exemplarisch einige wichtige Ereignisse der alttestamentlichen historia und ihre prophetische Bedeutung als „Vorbilder“  /  τ ύποι ( figurae)65 genannt hat, das Wort des Paulus aus 1Kor 10,11 an: „Diese Dinge ereigneten sich an ihnen als ein Vorbild [ figura], für uns aber wurden sie aufgeschrieben, zu denen das Ende der Weltzeiten gekommen ist.“66 In ciu. XVI 26 bringt Augustin seinen an 61 

Während Paulus in 1Kor 10,6 in Bezug auf bestimmte, in der Zeit des Exodus am Volk Israel geschehene Wunder schreibt: „Dies aber ist geschehen zum Vorbild für uns“ / Ταῦτα δὲ τύποι ἡμῶν ἐγενήθησαν, fasst Tertullian dies so auf, als habe Paulus gemeint, „alle“ (omnia) damaligen Schicksale des Volkes Israel seien zu einem solchen Vorbild geschehen: „dummodo Apostolus affirmet omnia tunc figurate populo accidisse“ (Tertullian, Idol. 5,4, Sp.  668, Z.  4 f.; vgl. auch Marc. V 11,8, Sp.  497, Z.  42 – Sp.  501, Z.  21; s. dazu Lof, ‚Prophet‘, S.  22). 62  Vgl. mit entsprechenden Quellenbelegen: Lof, ‚Prophet‘, S.  18 f. 63 Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  10 – S.  521, Z.  18 und die Ausführungen dazu in Abschnitt 3.2.3. 64  „non autem tantum in his qui proprie prophetae appellati sunt, sed in ipsa historia ueteris testamenti prophetia non silere colligitur ab eis qui pie quaerunt, et ad haec inuestiganda diuinitus adiuuantur.“ (diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  24–27) 65 Vgl. diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  2 8. 66 „haec autem in figura contingebant eis; scripta sunt autem propter nos, in quos finis saeculorum deuenit.“ (1Kor 10,11 nach diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  38 f.) An diesem Zitat fällt besonders auf, dass die Zweckangabe „zur Zurechtweisung / z um Tadel“ / ad correptionem (BSVC[S]: „scripta sunt autem ad correptionem nostram“ bzw. im NT Graece: ἐγράφη δὲ πρὸς νουθεσίαν ἡμῶν)

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1Kor 10,1–11 angelehnten, bibelhermeneutischen und offenbarungstheologischen Grundgedanken auf die Formel: „Denn was ist der Bund, den man den Alten nennt, anderes als die Verhüllung des Neuen? Und was ist der Bund, den man den Neuen nennt, anderes als die Enthüllung (reuelatio) des Alten?“67 Im Unterschied zu Tertullian erweitert Augustin allerdings das Wort des Apostels aus 1Kor 10,11 nicht dahingehend, dass „alle“ (omina) Geschehnisse des Volkes Israel vorausweisenden Charakter hätten. Mit einer Ausnahme spielen alle in diu. qu. genannten Ereignisse auch in ciu. XV-XVI eine hervorgehobene Rolle, woraus man schließen kann, dass die alttestamentlichen Erzählungen, die für Augustin und sein Verständnis der göttlichen Heilsgeschichte (Prophetie durch figurae – in Christus bestätigte bzw. noch für die Endzeit erwartete Erfüllung) von zentraler Bedeutung sind, schon zu seinen frühen Jahren als getaufter Christ, noch vor seiner Bischofsweihe, feststanden. Es handelt sich bei den in diu. qu. 58,2 genannten figurae um Abel, der als von seinem Bruder getöteter Gerechter auf den von den Juden getöteten Christus vorverweist, um die auf die Kirche hindeutende Arche Noah, um die beiden Bruderpaare Ismael und Isaak bzw. Esau und Jakob, die im einen Fall auf die beiden Testamente (Ismael von der Unfreien geboren / Isaak von der Freien – mit Bezug auf Gal 4,21–31) und im anderen Fall auf die beiden Völker (das ältere Volk der Juden [≈ Esau] hat dem jüngeren Volk der Christen [≈ Jakob] zu dienen – mit Bezug auf Röm 9,6–13) verweisen. Schließlich führt Augustin noch den Jakobssohn Joseph an, der von seinen Brüdern verfolgt und in Ägypten von Fremden verehrt wird und damit auf Christus weist, der von seinen Verwandten, den Juden, verfolgt wurde und bei den Völkern (den Fremden) verehrt wird. Nur diese letzte der hier von Augustin in der Geschichte des Alten Testaments ausgewählten figurae begegnet in dieser Form nicht mehr in ciu.68 Bereits im Alten Testament wird Abraham als Prophet bezeichnet (Gen 20,7), als der er sowohl im Frühjudentum als auch im Christentum wahrgenommen wurde.69 Neben der paulinischen Deutung Abrahams als τύπος, dass also in der fehlt. Dies ist umso auffälliger, als Augustin diese Ergänzung durchaus bekannt war und er sie bei seinen insgesamt 35 Zitationen dieses Bibelverses des Öfteren selbst verwendet (vgl. u. a. en. Ps. 61,8, S.  778, Z.  10 f.; en. Ps. 89,1, S.  1245, Z.  7; s. 8,17, S.  93, Z.  4 01). Es könnte also durchaus sein, dass er ad correptionem dann weggelassen hat, wenn es ihm darum ging, zum Ausdruck zu bringen, dass die alttestamentliche Geschichte voller figurae ist, die auf das Kommen Christi, die Kirche und das Eschaton verweisen. In einem solchen Kontext würde die etwas negativ konnotierte „Zurechtweisung“ bzw. der „Tadel“ kaum passen. 67  „quid est enim quod dicitur testamentum uetus nisi noui occultatio? et quid est aliud quod dicitur nouum nisi ueteris reuelatio?“ (ciu. XVI 26, S.  531, Z.  61–63; s. dazu auch C. P. Mayer, Zeichen 1, S.  338 mit Anm.  468) 68  Vgl. zu dieser Aufzähung diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  27–36. 69 Vgl. Pfeiffer, Abraham; Lof, ‚Prophet‘, S.   17 f.; vgl. am Beispiel der frühjüdischen eschatologischen Rezeption der Landverheißung an Abraham auch Schwemer, Land, S.  67– 77.

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Person und den Handlungen Abrahams spätere Ereignisse (bzw. die Art und Weise des christlichen Glaubens) prophetisch vorweggenommen sind, gibt es auch den Gedanken, dass Abraham ein Prophet in dem Sinne ist, dass er selbst prophezeit – vergleichbar mit den späteren Propheten, die auch explizit so genannt werden. Diesen doppelten Prophetiebegriff wendet u. a. auch Irenäus von Lyon auf Abraham an, zudem versteht er ebenso andere biblische Gestalten wie Mose, Isaak und Jakob als Propheten. Insgesamt ist festzustellen, dass das Verständnis der Erzväter und anderer hervorragender Gestalten der Geschichte Israels vor dem Beginn der eigentlichen Prophetie mit Samuel als Propheten in der christlichen Auslegungsgeschichte deutlich stärker hervortritt als in der jüdischen. Dies wird insbesondere darin begründet sein, dass Gestalten wie Abraham oder Mose in der jüdischen Frömmigkeit vor allem mit dem ‚Gesetz‘ bzw. den Weisungen der Tora assoziiert werden. Die vornehmliche Assoziation der Erzväter von Abraham an bis zur Figur des Mose mit dem Gesetz zeigt sich nicht zuletzt in der häufig anzutreffenden Formel ‚Gesetz und Propheten‘, die sich zugleich auch auf die Unterscheidung der biblischen Büchergruppen von Tora sowie vorderen bzw. hinteren Propheten bezieht. Die bereits bei Paulus beginnende allegorische bzw. typologische Deutung von Abraham und Mose bestimmte weite Teile der christlichen Auslegungsgeschichte. Durch die bei christlichen Autoren dominierende Wahrnehmung der Erzväter als τύποι und Propheten, deren eigentlicher Sinn darin besteht, auf die zukünftige Kirche, auf Christus und die Ereignisse des Jüngsten Tages zu verweisen, erfolgte eine erhebliche Vereinnahmung alttestamentlicher Gestalten und Erzählungen für die ‚Sache des Christentums‘ – insbesondere dann, wenn man wie Irenäus, Tertullian und in gewisser Hinsicht auch Augustin die gesamte historia des Alten Testaments als figura bzw. typus versteht. Allerdings differenziert Augustin zwischen denjenigen Ereignissen der alttestamentlichen Geschichte, die lediglich für das irdische Volk Israel von Bedeutung sind, und denjenigen, die zugleich oder ausschließlich einen auf Christus und die ciuitas dei verweisenden Charakter haben.70 So ist Augustin zwar nicht der Auffassung, dass jedem einzelnen Element alttestamentlicher Texte ein prophetischer Charakter eignen muss (obwohl er dies als theoretische Möglichkeit nicht ganz ausschließt),71 aber das im Alten Testament Geschilderte ist für Augustin eigentlich erst dann von Bedeutung und heilsgeschichtlichem Wert, wenn es als figura auf Künftiges verweist. Ambrosius, der auf Augustins Deutung des Alten Testaments einen bedeutenden Einfluss hatte, zeichnet jedoch ein Abrahambild, das von demjenigen Augustins abweicht. Die Gestalt Abrahams hat bei Ambrosius einen besonderen 70 Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  10 – S.  521, Z.  18 und die Ausführungen dazu in Abschnitt 3.2.3. 71 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  4 8–61.65–69; s. dazu Abschnitt 4.1.3.

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Stellenwert, was allein schon daran ersichtlich ist, dass er ihm mit De Abraham (i.F.: Abr.) ein eigenes Werk widmete. Er versteht den Erzvater aber gerade nicht als Propheten oder als typus des aus Glauben Gerechtfertigten, sondern in erster Linie als einen Philosophen und einen Mann, der in seiner Person und vor allem in seinen Handlungen in vorbildlicher Weise Werte vertritt, die der stoischen Ethik nahestehen. Demgemäß sieht Ambrosius in der Erzählung von der Opferung Isaaks (Gen 22) die vier antiken Tugenden, die er ‚Kardinaltugenden‘ nennt, in der Person Abrahams verkörpert. So formuliert er in seinem Werk De officiis ministrorum (i.F.: Off.): Bemerke hier alle vier Tugenden [uirtutes quattuor] in der einen Handlung! Es zeugte von Weisheit [sapientia], Gott zu glauben und die Liebe zum Sohn nicht dem Gebot des Schöpfers vorzuziehen. Es zeugte von Gerechtigkeit [iustitia], das Empfangene zurückzugeben. Es zeugte von Tapferkeit [ fortitudo], das Verlangen durch die Vernunft zu zügeln. Der Vater leitete das Opfer, der Sohn befragte ihn (darüber), das liebende Verlangen des Vaters wurde geprüft, aber nicht besiegt; der Sohn wiederholte die Anrede an den Vater: Er versetzte (damit) dem väterlichen Herzen einen Stich, verringerte aber (dessen) Frömmigkeit [deuotio] nicht. Hinzu kommt die vierte Tugend, die Mäßigung [temperantia]. Der Gerechte hielt sowohl das rechte Maß an Frömmigkeit, als auch an Ordnung in der Durchführung ein.72

Abrahams tugendhaften „Werke“ (opera) sollen den (christlichen) Gläubigen als moralisches Vorbild dienen, dem sie nachzueifern haben. Solche Übertragung griechischer Philosophie und hellenistischer Tugenden auf Abraham begegnet bereits bei Philo. Überhaupt ist Ambrosius’ Sicht des Alten Testaments im Allgemeinen und Abrahams im Besonderen viel stärker von seiner Rezeption jüdisch-hellenistischer Auslegungen geprägt, als das bei anderen lateinischen Kirchenvätern wie etwa Augustin der Fall ist. Demgegenüber spielt die von Paulus herkommende typologische Deutung Abrahams und die Vorstellung, dass er nicht durch seine Werke, sondern durch seinen gnadenhaft von Gott empfangenen Glauben zu einem Vorbild, einem typus für die christlichen Glaubenden wurde, bei Ambrosius kaum eine Rolle. Beim späten Augustin, wie er uns in ciu. begegnet, wird jedoch gerade das hervorgehoben – wohl auch, da für ihn durch theologische Konflikte wie etwa den Pelagianischen Streit eine Betonung der Tugendhaftigkeit Abrahams ohne gleichzeitiges Insistieren auf die allen seinen vorbildlichen Handlungen vorausgehende göttliche Gnade gar nicht möglich war. Eine solche Deutung Abrahams wäre vor dem Hintergrund seiner Gnadenlehre theologisch unzureichend 72 

„Aduerte hic omnes uirtutes quattuor in uno facto. Fuit sapientiae deo credere nec filii gratiam anteferre auctoris praecepto; fuit iustitiae acceptum reddere; fuit fortitudinis appetitum ratione cohibere: Ducebat hostiam pater, interrogabat filius, temptabatur adfectus patrius sed non uincebatur; repetebat filius appellationem paternam, compungebat paterna uiscera sed non minuebat deuotionem. Accedit et quarta uirtus, temperantia: Tenebat iustus et pietatis modum et exsecutionis ordinem.“ (Ambrosius, Off. I, XXV 119, S.  43, Z.  34–41; s.  d azu auch Lof, ‚Prophet‘, S.  27; Völker, Abrahambild, S.  207).

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gewesen. Bezeichnend für das augustinische Verständnis Abrahams als (zeitübergreifender) typus eines Glieds der ciuitas dei ist schließlich auch, dass Abraham nicht nur als Vorbild aller auf ihn zeitlich folgenden Glieder der ciuitas dei fungiert, sondern seine fides und seine iustitia sind auch für die vor ihm selbst lebenden Glieder der ciuitas dei, also etwa Abel, Seth und Noah, paradigmatisch.73 So ist Augustin im Unterschied zu Ambrosius, wie Cornelius P. Mayer treffend formuliert, „an den ethischen Lebensgrundsätzen Ab[raham]s nur sekundär interessiert“.74 Wie auch in ciu. zu sehen sein wird, betreibt Augustin allerdings einigen Aufwand, die vorbildliche Sittlichkeit des Erzvaters dadurch zu verteidigen, dass er Abraham von der Schuld an einigen seiner moralisch fragwürdig erscheinenden Handlungen, die in der Bibel berichtet werden, freizusprechen sucht.75 Dazu zählen u. a. sein dem monogamen Eheverständnis zu Zeiten Augustins widersprechender Geschlechtsverkehr mit Hagar oder die auf sein Betreiben zurückgehenden Gefährdungen der Ahnfrau Sarah in Ägypten und Gerar (Gen 12 und 20), die von manchen Manichäern in polemischer Weise als von Abraham betriebene ‚Verkuppelung‘ Sarahs mit dem Pharao bzw. mit Abimelech angesehen wurden.76 Diese moralische Verteidigung Abrahams durch Augustin ist von der tief in der jüdischen und christlichen Auslegungs­ tradition verwurzelten Auffassung beeinflusst, dass die Sittlichkeit Abrahams über jeden Zweifel erhaben und damit vorbildhaft für alle nachfolgenden Glaubenden ist. Darüber hinaus reiht sich seine Verteidigung Abrahams in ciu. zum einen in seine Verteidigung alttestamentlicher Erzählungen und Gestalten gegenüber den polemischen Angriffen der Manichäer ein,77 zum anderen ist sie aber auch im Zusammenhang mit dem zur Zeit der Abfassung von ciu. XVI schwelenden Pelagianischen Streit zu verstehen, in dessen Rahmen auch noch einmal die Ehe Abrahams mit Sarah und die Art und Weise seiner außerehelichen Beziehungen zum Thema wurden.78 73  Darauf verweist Cornelius P. Mayer mit den entsprechenden Textbelegen (nat. et gr. 42; ep.  102,15; perf. iust. 42); vgl. C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  21. 74  A.a.O., Sp.  2 8. 75  Vgl. Abschnitte 3.2.4; 3.2.6; 3.2.9. 76  Vgl. etwa den in c. Faust. referierten Vorwurf des Manichäers Faustus gegen Abraham, dessen Verhalten gegenüber dem Pharao bzw. Abimelech Augustin in den folgenden Kapiteln zu verteidigen sucht (vgl. c. Faust. 22,5, S.  594, Z.  12–15; s. dazu C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  28). 77  S. zur antimanichäischen Haltung Augustins, die sich an seiner moralischen Entlastung Abrahams zeigt: Abschnitt 3.2.4. 78  Ausgangspunkt war hier insbesondere die Bewertung der concupiscentia, die die Pelagianer als ein bonum innerhalb der Ehe, Augustin jedoch als ein aus der Ursünde resultierendes malum verstanden wissen wollte, dessen der Mensch sich allein zur Zeugung von Nachkommen zu bedienen habe. Als Beispiele für dieses Verständnis zog Augustin die Patriarchen und darunter inbesondere Abraham heran (vgl. nupt. et conc. 1,9, S.  221, Z.  7–16; s. dazu C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  28 f.).

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3.1.5 Fazit Um ein kurzes Resümee zur Abrahamdeutung Augustins vor dem Hintergrund der frühjüdischen, neutestamentlichen und frühchristlichen Auslegungstraditionen zu ziehen, so ist diese erstens kaum von der sogenannten ‚palästinischen‘79 Tradition beeinflusst, in der Abraham insbesondere als gesetzestreuer Rabbi verstanden wurde, dessen Glauben und endgültige Bekehrung zum einen wahren Gott das Resultat seiner zehn Versuchungen darstellt. Zweitens spielen bei Augustin, im Unterschied zu Ambrosius, auch jüdisch-hellenistische Deutungen keine nennenswerte Rolle, wie diejenigen eines Flavius Josephus oder eines Philo, nach denen Abraham vorwiegend als Philosoph, Naturkundler (insbesondere Astronom) und vor allem als moralisches Vorbild, das die (hellenistischen) Tugenden verkörpert, angesehen wird. Vielmehr ist drittens Augustins Abrahamdeutung von der paulinischen Auslegung geprägt, bei der nicht die vorbildlichen „Werke“ (opera) Abrahams, sondern dessen „Glaube“ ( fides) im Fokus steht. In erster Linie stellt Abraham, der Vater der Völker, ein Paradigma des aufgrund seines Glaubens Gerechtfertigten dar (Gen 15,7; Gal 3,6–14; Röm 4); seine vorbildlichen Werke sind die Folge jener Rechtfertigung aus Glauben. Diese typologische Auslegung des Paulus setzt sich in den Abrahamdeutungen Augustins fort, und zwar schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt. Oben wurde exemplarisch dafür eine Stelle aus den bereits vor der Priesterweihe Augustins verfassten diu. qu. angeführt, in denen er versucht, einen Ausgleich zwischen der Auslegung des Paulus und der des Jakobusbriefs zu finden und dabei zu einem Ergebnis gelangt, das deutlich zugunsten des Apostels Paulus ausfällt, insofern nämlich, dass er die fides Abrahams seinen opera sowohl zeitlich als auch soteriologisch vorordnet. In ciu. ist Abraham80 für Augustin einer der wichtigsten Repräsentanten der ecclesia ab Abel und der ciuitas dei, was allein schon an der Menge der Kapitel zu ersehen ist, die er dem Patriarchen widmet. Auch außerhalb von ciu. hat sich 79  Gemeint ist das aramäisch- bzw. hebräischsprechende Judentum im Raum Palästina bzw. Babylonien; vgl. dazu Anm.  6 in Abschnitt 3.1.1. 80  Augustin ist sich zwar der Umbenennung Abrams in Abraham (Gen 17) bewusst (vgl. ciu. XVI 28; s. dazu Abschnitt 3.2.6), dennoch folgt seine Benennung des Stammvaters Israels nicht immer der (bereits innerhalb der Hebräischen Bibel inkonsistenten) Chronologie, wonach Abram erst ab seiner Namensänderung in Gen 17 Abraham heißt. Dies zeigt sich etwa bei Augustins Rezeption von Gen 15,6 (vgl. Abschnitt 3.1.2, mit Anm.  13). Augustin folgt hier also einer Tendenz, die sich bereits in den neutestamentlichen Schriften erkennen lässt (vgl. etwa auch den in der Stephanusrede rezipierten Befehl Gottes an Abram [Gen 12,1–3], der nach Apg 7,2 f. an Abraham ergeht; s. dazu Abschnitt 3.2.2). Vergleichbares gilt für die Erzmutter Sarai / Sarah (lat. Sara / Sarra). Augustin geht dabei so weit, dass er in ciu. die Namen Abram und Sara fast ausschließlich innerhalb entsprechender biblischer Zitate gebraucht; Augustin selbst nennt sie nahezu durchgängig Abraham bzw. Sarra (eine Ausnahme bildet hier freilich das Kapitel ciu. XVI 28, in dem die Namensänderung beider Erzeltern thematisiert wird). Die vorliegende Arbeit folgt dem Usus desjenigen antiken Autoren oder derjenigen Bibelversion, worauf jeweils Bezug genommen bzw. woraus jeweils zitiert wird.

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Augustin sehr häufig mit diesem Erzvater und seiner Bedeutung für den christlichen Glauben beschäftigt.81 Er steht dabei in der Tradition des Paulus, für den Abraham der Vater im Glauben ist, und gemäß dessen Auslegung insbesondere von Gen 12,3, aber auch von Gen 17,5 Abraham nicht nur ein Ahnvater Israels, sondern vielmehr der Vater der Glaubenden aus allen Völkern ist (vgl. Gal 3,6– 18 und Röm 4). Die bereits bei Paulus erkennbare Tendenz, Abraham aus seiner Rolle als Stammvater des Volkes Israel zu lösen und als frühen Repräsentanten des christlichen Glaubens zu vereinnahmen, wird von Augustin konsequent fortgeführt. Eine Schlüsselrolle für diese Argumentation kommt sicherlich Gen 15,6 zu, wo über den (noch unbeschnittenen) Abram vor seinem Bundesschluss mit Gott gesagt wird: „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet.“82 Insbesondere in der Auseinandersetzung des Paulus mit der sogenannten ‚Werkgerechtigkeit‘ und seiner Theologie der Rechtfertigung aus dem Glauben spielt dieser Vers eine entscheidende Rolle. Auch in Augustins Abrahamdeutung ist er von großer Bedeutung.83 An einigen Stellen, auf die noch genauer einzugehen sein wird, ist das Bemühen Augustins zu erkennen, die moralisch fragwürdigen Seiten Abrahams zu rechtfertigen, um das Bild des vorbildlich glaubenden Abraham nicht zu trüben. Ein weiterer Beleg für die herausragende Bedeutung Abrahams für Augustin ist der Umstand, dass er mit diesem Erzvater das dritte Weltzeitalter beginnen lässt, da sich von seiner Zeit an die auf Christus und die ciuitas dei zielenden Verheißungen deutlich besser erkennen lassen als in den vorangegangenen Zeitaltern.84 Diese grundsätzliche, an Paulus orientierte und im Verlauf auch mehr und mehr durch seine eigene Gnadentheologie angereicherte Abrahaminterpretation wurde durch die Auseinandersetzung Augustins insbesondere mit den Manichäern und später auch mit den Pelagianern weiter geschärft. Gegen die Manichäer musste er zum einen die moralische Integrität Abrahams verteidigen und zum anderen den allegorischen, auf Christus, die Kirche und das Eschaton 81  Die Quantität der Belege (die Lexeme „Abraham“ bzw. „Abram“ begegnen ohne Beachtung der jeweiligen Flexionen nach CAG 3 insgesamt 1277 Mal in den Werken Augustins) und die Mannigfaltigkeit der theologischen Kontexte, in denen Augustin seine Deutung Abrahams jeweils auch gegenüber verschiedenen theologischen Gegnern profiliert, machen es, wie schon zu Beginn dieses Abschnittes bemerkt, nicht möglich, die Abrahamdeutungen Augustins bezogen auf sein Gesamtwerk umfassend darzustellen. Es würde wohl auch teilweise weit von der Fragestellung dieser Arbeit wegführen. An den Stellen jedoch, wo die Einbeziehung anderer Texte Augustins als geboten scheint, weil sie den Kontext der Abrahamauslegung in ciu. zu erhellen vermögen, wird dies unternommen. 82 „credidit Abraham deo, et deputatum est illi ad iustitiam.“ (Gen 15,6 / G al 3,5 nach ciu. XVI 23, S.  525, Z.  21; zur Problematik des Namens Abram / Abraham in Gen 15,6 vgl. Abschnitt 3.1.2, Anm.  13) 83 Vgl. ciu. XVI 23, S.  525, Z.  2 0–25. 84 Vgl. ciu. XVI 12, S.  515, Z.  1–4. Dass Augustin das dritte Weltzeitalter mit Abraham beginnen lässt, liegt wohl an seiner Rezeption der matthäischen Version des Stammbaums Jesu (vgl. insbesondere Mt 1,17; s. dazu auch Abschnitte 3.4.3 und 3.4.4).

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verweisenden Charakter sowohl der Ereignisse, die in den Abrahamerzählungen geschildert werden, als auch der Verheißungen, die an den Erzvater ergehen, herausstellen. Das bereits in der frühjüdischen und frühchristlichen Auslegungstradition begegnende Verständnis Abrahams als eines Propheten wird von Augustin aufgenommen und deutlich ausgebaut.85 In dem zu späterer Zeit stattfindenden Streit mit den Pelagianern dagegen wurde insbesondere die Thematik der Rechtfertigung Abrahams aus Glauben, die ihm gnadenhaft von Gott zugeeignet wurde, relevant. Darüber hinaus und parallel zu Augustins apologetischen Schriften finden aber auch weitere Vertiefungen der Abrahamthematik in seinen exegetischen Schriften, den Predigten und den Psalmenauslegungen ihren Niederschlag. Abraham ist für Augustin in der gesamten Zeit seines theologischen Schaffens eine der bedeutungsvollsten alttestamentlichen Gestalten, die in seinen Schriften immer wieder Erwähnung findet, sodass es nicht wundernimmt, dass auch in seiner Behandlung der alttestamentlichen Zeit in ciu. gerade diesem Erzvater eine herausragende Stellung zukommt. Mit ciu. XVI 12–34 widmet Augustin der Darstellung Abrahams alleine 23 Kapitel in Buch XVI, das das dritte Weltzeitalter zum Inhalt hat. Die gesamte auf Abraham folgende Geschichte dieses Weltzeitalters bis zur Regentschaft Davids dagegen findet auf den verbleibenden neun Kapiteln (ciu. XVI 35–43) Platz.

3.2 Augustins Rezeption der Abrahamerzählungen in De ciuitate dei Bevor wir uns der Deutung der Abrahamerzählungen bei Augustin zuwenden können, muss hier noch kurz auf eine wichtige darstellerische Veränderung aufmerksam gemacht werden. Während Augustin nämlich bei seiner Behandlung der beiden ersten Weltzeitalter die Geschichte der beiden ciuitates parallel erzählte, ändert sich das ab dem dritten Weltzeitalter, dessen Behandlung durch Augustin mit der Einführung Abrahams in ciu. XVI 12 beginnt. Nun konzentriert sich Augustin bei seiner Darstellung der folgenden drei Weltzeitalter nämlich, entgegen seiner in ciu. XI 1 ursprünglich gefassten Absicht, den „Verlauf “ (procursus) der beiden ciuitates in den Büchern XV-XVIII parallel darzustellen,86 allzu sehr auf die Geschichte der ciuitas dei, was er in ciu. XVIII 1 bekennt: Jedoch vom Erzvater Abraham an bis zu der Zeit der israelitischen Könige, womit wir das sechzehnte Buch vollendeten, und von da bis zur Ankunft des Heilands im Fleisch, bis zu der das siebzehnte Buch reicht, könnte es nach meinen Ausführungen so aussehen, als habe es nur einen Verlauf der Bürgerschaft Gottes gegeben.87 85 Vgl.

Cameron, Art. Patriarchae, Sp.  527 f. ciu. XI 1, S.  321, Z.  27 – S.  322, Z.  35. 87  „sed a patre Abraham usque ad regum tempus Israelitarum, ubi sextum decimum uolumen absoluimus, et inde usque ad ipsius in carne saluatoris aduentum, quo usque septimus decimus liber tenditur, sola uidetur in meo stilo cucurrisse dei ciuitas.“ (ciu. XVIII 1, S.  592, Z.  13–18) 86 Vgl.

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Dass er aber zunächst die Geschichte der ciuitas dei behandelt habe, und zwar seit der Zeit, als mit Abraham „die Verheißungen Gottes deutlicher wurden“, bis zur „Jungfrauengeburt dessen, in dem sie erfüllt werden sollten“, sei mit Absicht geschehen, da diese Darstellung „ohne störendes Widerspiel“ (durch die parallele Behandlung der ciuitas terrena) erfolgen sollte.88 Das „Offenbarwerden des Neuen Bundes im Lichte“ (reuelatio testamenti noui in lumine), das sich in der Geschichte der ciuitas dei von Abraham an bis zum Kommen Christi vollzogen hat, sollte nicht durch den „Schatten“ (umbra), den offensichtlich die parallel dargestellte Geschichte der ciuitas terrena bedeutet hätte, verdunkelt werden.89 Deshalb holt Augustin die parallel zur Entwicklung der ciuitas dei verlaufende Geschichte der ciuitas terrena in Buch XVIII nach, indem er hier die Entwicklungen beider ciuitates parallel darstellt. So beschäftigt er sich in ciu. XVIII 1–20 mit der Geschichte der ciuitas terrena während des dritten Weltzeitalters (von Abraham bis zum Königtum Davids) und in ciu. XVIII 20–25 mit der ciuitas terrena in der Zeit von David bis zum Babylonischen Exil (4. Weltzeitalter).90 Schließlich wird in ciu. XVIII 26–45 die Geschichte der ciuitas dei vom Ende des Babylonischen Exils bis zum Kommen Christi, die Augustin in ciu. XVII 23–24 nur sehr knapp behandelt hatte, mit den zur selben Zeit ablaufenden Ereignissen der ciuitas terrena kontextualisiert. Beim sechsten Weltzeitalter schließlich, das mit dem Kommen Christi begann, bis zur Gegenwart Augustins vorangeschritten ist und mit der Parusie Christi am Tag des Gerichts sein Ende finden wird, läuft Augustins Darstellung der Geschichte der ciuitas dei mit derjenigen der ciuitas terrena parallel (ciu. XVIII 46–54), womit auch seine Behandlung des procursus der beiden ciuitates, dem er die Bücher XV-XVIII widmet, ihr Ende findet.91 3.2.1 Das Haus Tharas und die Übersiedlung von Ur nach Harran Zunächst widmet sich Augustin ausführlich Thara92 , dem Vater Abrahams. Einzig im Haus Tharas habe sich die hebräische Sprache und der Glaube an den 88  „uerum hoc ideo feci, ut prius, ex quo apertiores dei promissiones esse coeperunt, usque ad eius ex uirgine natiuitatem, in quo fuerant quae primo promittebantur implenda, sine interpellatione a contrario alterius ciuitatis ista, quae dei est, procurrens distinctius appareret.“ (ciu. XVIII 1, S.  593, Z.  20–24) 89 Vgl. ciu. XVIII 1, S.  593, Z.  25 f. 90  Vgl. dazu und zum Folgenden auch Abschnitt 3.5.1. 91  Diesem Umstand ist es geschuldet, dass – abweichend von der Darstellungsreihenfolge Augustins in ciu. – am Ende der drei Kapitel dieser Arbeit, die das dritte (ciu. XVI 12–43), vierte (ciu. XVII 1–23) und fünfte (ciu. XVII 23–24) Weltzeitalter zum Inhalt haben, jeweils ein Abschnitt steht, der die Geschichte der ciuitas terrena bzw. beider ciuitates des entsprechenden Weltzeitalters, wie sie Augustin als recapitulatio in Buch XVIII darstellt, zum Gegenstand der Betrachtung hat (s. Abschnitte 3.5; 4.5 u. 5.2). 92  Der biblische Name lautet nach der Hebräischen Bibel „Terach“ (‫ת ַרח‬ ֶ ּ ). Da er in der Septuaginta aber mit Θαρα wiedergegeben wird, begegnet er bei christlichen lateinischen

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einen Gott bewahrt, alle anderen von Heber abstammenden Sippen seien in andere Nationen und Sprachen aufgegangen: Wie daher in den Wassern der Sintflut allein das Haus Noahs erhalten blieb, um das Menschengeschlecht wieder zu erneuern, so war in der über die ganze Welt hin sich ausbreitenden Flut vielerlei Aberglaubens allein das Haus Tharas, in welchem noch die Pflanzung der Bürgerschaft Gottes bewahrt wurde.93

Trotz der Notiz in Jos 24,2, nach der Thara andere Götter verehrt haben soll, geht Augustin davon aus, dass im Haus Tharas die „Pflanzung der Bürgerschaft Gottes“ bewahrt wurde. Nun könnte man annehmen, dass mit der Metapher plantatio ciuitatis dei veranschaulicht werden soll, dass im Haus Tharas zwar die hebräische Sprache, nicht aber der Glaube an den einen Gott (und damit die Zugehörigkeit zur ciuitas dei) im vollen Sinne, sondern nur potenziell als Pflanzung gegeben war, da dieser Glaube sich erst bei Abraham ganz entfaltete. Im Hinblick auf das folgende Kapitel, aus dem hervorgeht, dass bereits Thara an den einen und wahren Gott glaubte, wird mit plantatio jedoch eher die Singularität des Glaubens an den einen Gott im Haus Tharas gemeint sein: Von den aus dem Geschlecht Noahs hervorgegangenen Gliedern der ciuitas dei war im Laufe der Zeit nach dem Turmbau nur noch eine einzige „Pflanzung“ übriggeblieben, aus der dann wieder eine größere Zahl von Gliedern hervorgehen sollte. Augustin zieht hier eine deutliche Parallele zur Sintflutgeschichte, wenn er das in der Flut bewahrte Haus Noahs mit dem Haus Tharas vergleicht, das sinnbildlich in der „Sintflut vielerlei Aberglaubens“ (diluuium multarum superstitionum)94 existiert. Die Verbindung zwischen Thara und Noah sieht Augustin nicht zuletzt dadurch angezeigt, dass den Erzählungen über Noah und Thara jeweils die gleiche „auffallende Wendung“ (insignis articulus)95 vorangestellt ist: „Das aber sind die Geschlechter Noahs“ (Gen 6,9) bzw. „Das sind die Geschlechter Tharas“ (Gen 11,27).96 Die Situation des Hauses Tharas inmitten der Vielgötterei wird so in eine enge Beziehung zur Situation Noahs inmitten der boshaften Menschheit vor der Sintflut gesetzt. Nach Gen 11,31 hat Thara zusammen mit seinem Sohn Abram und dessen Frau Sarai, sowie seinem Enkel Lot die Stadt Ur in der Region der Chaldäer verlassen, um nach Kanaan zu ziehen. Schließlich ließ Thara sich mit ihnen in Autoren wie Augustin, aber etwa auch bei dem der hebräischen Sprache kundigen Hieronymus als Thara (vgl. Nom. hebr. Gen. T, S.  73, Z.  20). 93  „proinde sicut per aquarum diluuium una domus Noe remanserat ad reparandum genus humanum, sic in diluuio multarum superstitionum per uniuersum mundum una remanserat domus Tharae, in qua custodita est plantatio ciuitatis dei.“ (ciu. XVI 12, S.  516, Z.  15–19) 94 Vgl. ciu. XVI 12, S.  516, Z.  17. 95 Vgl. ciu. XVI 12, S.  516, Z.  25; vgl. zur Parallelisierung der Sintflutgeschichte und der Situation zu Beginn der Abrahamerzählungen in ciu. XVI 12 die Bemerkungen Jean Daniélous, der hier zu erkennen meint, „qu’Augustin rapproche précisément l’élection d’Abraham et celle de Noë“ (Daniélou, Abraham, S.  169). 96 Vgl. ciu. XVI 12, S.  516, Z.  19–26.

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Harran in Mesopotamien nieder, von wo aus Abram mit Lot später auf göttlichen Befehl hin ausgezogen ist, um nach Kanaan zu gelangen. Dies steht allerdings in einer Diskrepanz zu Aussagen in Gen 15,7 und Neh 9,7, wonach die göttliche Herausführung Abrams aus Ur in Chaldäa und nicht aus Harran geschah.97 Augustin selbst thematisiert diese Diskrepanz nicht, wenn er in ciu. XVI 24 Gen 15,7 zitiert, ohne die von Harran abweichende Ortsangabe „de regione Chaldaeorum“98 als Ausgangspunkt der Reise Abrams zu problematisieren. Geht man vom hebräischen Endtext aus, so ergibt sich eine Reise in zwei Etappen: die Übersiedlung des Hauses Tharas von Ur nach Harran und von da aus der Weggang Abrahams und Lots, der nach Gen 12,1 von Gott befohlen wurde. Allerdings wird die Stadt Ur bei Augustin gar nicht erwähnt, wohl weil er die Version der Septuaginta von Gen 11,31 voraussetzt, in der diese Stadt ebenfalls nicht genannt wird.99 Trotzdem ergibt sich auch für Augustin eine Reise in zwei Etappen: Zunächst zog das Haus Tharas „aus der Region der Chaldäer“ nach Harran (Gen 11,31 LXX), von wo aus Abram mit den Seinen aufgrund des göttlichen Befehls auf brach, um in das ihm verheißene Land zu ziehen. Gen 11,31 lässt allerdings die Frage offen, warum Thara „aus der Region der Chaldäer“ fortzog. Augustin führt dafür eine Erklärung an, indem er aus dem Buch Judith eine Rede des Anchior zitiert ( Jdt 5,5–9), in der die Reise der Väter Israels ebenfalls in zwei Etappen dargestellt wird.100 Demnach sei der Auszug der Vorfahren Israels (das ‚Haus Tharas‘ wird hier nicht explizit genannt) aus dem Land der Chaldäer deswegen geschehen, weil sie die Anbetung der chaldäischen Götter verweigerten und stattdessen den „Gott des Himmels“ (deus caeli)101 verehrten, was wiederum zu ihrer Verfolgung geführt habe, weshalb sie nach Mesopotamien geflohen seien.102 97  Claus Westermann sieht in Gen 15,7 eine Formel gegeben, die eine Parallele in Lev 25,38 aufweist und ihren Ursprung in der Exodus-Tradition hat: Die göttliche Herausführung Israels aus Ägypten mit dem Ziel, ihm das Land Kanaan zu geben, wird in Gen 15,7 zum „Herausführen Abrahams aus Ur-Kasdim abgewandelt“ (Westermann, Genesis II, S.  266). Dennoch ist Ur die ältere Lokalisierung des Fortzuges Abrams, denn Westermann hält sowohl Gen 11,31 als auch Gen 12,4b-5 für eine sekundäre Einfügung der Priesterschrift. Die Reise in zwei Etappen entstand also erst durch die priesterschriftliche Redaktion (vgl. a. a. O., S.  159 f.177). 98 Vgl. ciu. XVI 24, S.  525, Z.  2 f. 99  Die Stadt Ur wird in ciu. XVI 13, wo Augustin Gen 11,31 zitiert, nicht genannt; auch hier ist, entsprechend der Septuaginta (ἡ χώρα τῶν Χαλδαίων), lediglich von der „Region der Chaldäer“ (regio Chaldaeorum) die Rede (vgl. ciu. XVI 13, S.  516, Z.  5 –8; vgl. dazu Bardy, La patrie, S.  718). 100 Vgl. ciu. XVI 13, S.  517, Z.  2 8–38. 101 Vgl. ciu. XVI 13, S.  517, Z.  35. 102  Barbara Schmitz und Helmut Engel sehen in der Vertreibung Israels aus Chaldäa in Jdt 5,8 ein „ungewöhnliches Motiv“, das sich in der LXX, nicht aber in der Vulgata findet, da letztere in Angleichung an Gen 12,1 und Neh 9,7 berichtet, dass der Auszug aus Chaldäa auf göttlichen Befehl hin geschah. Sie vermuten, dass das Motiv der Vertreibung Israels aus Chaldäa in Jdt 5,8 „in der LXX-Fassung […] als Parallele zur Vertreibung Israels aus Ägypten

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Dass der Weggang von Ur nach Harran aufgrund von Religionsverfolgung geschehen ist, nimmt Augustin nun als Beleg dafür, dass bereits Thara selbst (und nicht erst Abram) den einen und wahren Gott verehrt hatte und darum Verfolgungen erdulden musste.103 So kann er auch von der gemeinsamen Frömmigkeit Tharas und Abrahams (paterna et fraterna pietas)104 sprechen. Ungewöhnlich erscheint die von Augustin als bekannt vorausgesetzte Identifizierung Jiskas, der Tochter des Haran, mit Sarah, der späteren Frau Abrahams.105 Mögliche Hintergründe dieser Identifizierung finden sich in der jüdisch-rabbinischen Tradition, wonach Jiska ein Nebenname von Sarah ist. Eine Verbindung zwischen beiden Namen lässt sich herstellen, da der Name Jiska (‫ )ִיְס ָּכה‬sich von dem hebräischen Verb für „sehen“ / „schauen“ (‫ )שכה‬ableiten ­lässt106 und Sarah im Babylonischen Talmud zu den sieben Seherinnen bzw. Prophetinnen gezählt wird.107 Die Identifizierung Sarahs mit Jiska wird vor allem noch bei Augustins Sicht der beiden Gefährdungen der Ahnfrau (Gen 12,10–20 und Gen 20) relevant werden.108 Da Haran, der Sohn Tharas, nach Gen 11,28 noch in Ur stirbt und Augustin dessen Tochter Jiska mit Sarah identifiziert, bleiben von den in Gen 11,27–30 genannten Personen nur Nachor und Milka, die nicht mit Thara nach Harran gezogen sind. Weil Augustin unter Bezugnahme auf Jdt 5,5–9 den Wegzug Tharas aus Ur durch die Religionsverfolgung begründet sieht, kann er implizit folgern, dass nur die in Gen 11,31 genannten Personen Thara, Abraham, Lot und Sarah den Glauben an den wahren Gott hatten. So lässt sich erklären, warum er annimmt, dass der in Gen 11,31 nicht genannte Nachor und seine Frau Milka vom Glauben Tharas und Abrahams abgefallen seien und deswegen nicht ebenfalls vor der Verfolgung in Chaldäa geflohen sind.109

[ Jdt 5,12] beschrieben“ sein könnte und inhaltlich „auf Midraschim zu Gen 11–12 zurückgehen dürfte“ (B. Schmitz/Engel, Judit, S.  180 f.). 103 Vgl. ciu. XVI 13, S.  517, Z.  39–41. 104 Vgl. ciu. XVI 13, S.  517, Z.  2 2. 105 Vgl. ciu. XVI 12, S.  516, Z.  3 0–32. Wahrscheinlich wird Augustin diese Information von Hieronymus übernommen haben (vgl. Qu. hebr. Gen. 11,29, S.  15, Z.  14–22). 106  Allerdings ist für diese Ableitung eine Änderung des Radikals ‫ ס‬in ‫ ש‬nötig. 107 Neben Sarah werden in der Schriftrolle Megilla Miriam, Debora, Hanna, Abigail, Hulda und Esther als Prophetinnen genannt. Hier heißt es zum Nebennamen Sarahs: „And Rabbi Yitzḥak said: Iscah is in fact Sarah. And why was she called Iscah? For she saw [sakhta] by means of divine inspiration, as it is stated: ‚In all that Sarah has said to you, hearken to her voice.‘“ (Meg 14A) Matthias Morgenstern vermutet, dass man Sarah mit Jiska identifizierte, um Abraham vor dem Verdacht des Inzests zu schützen – gibt er sich doch in Gen 12,13 als Bruder und in Gen 20,12 als Halbbruder Sarahs aus. Durch die Identifizierung Jiskas mit Sarah hätte Abram seine Nichte geheiratet (vgl. Morgenstern, „Götzenzerstörer“, S.  101 f.). 108  Vgl. hierzu Abschnitt 3.2.4. 109 Vgl. ciu. XVI 13, S.  517, Z.  17–25.

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3.2.2 Die Berufung Abrahams und sein Wegzug nach Kanaan Geht man entlang der Ereignisfolge der Hebräischen Bibel sowohl im Übergang von Gen 11 zu 12 als auch im Buch Judith (5,8 f.), ist der Befehl Gottes an Abram, von seinem Wohnort in das Land Kanaan zu ziehen, erst nach der Flucht des Hauses Tharas aus Chaldäa erfolgt, d. h., Abraham erhielt den göttlichen Auftrag in Harran. In ciu. XVI 15 widmet sich Augustin diesem Zeitpunkt ausführlich. Der Grund, warum sich Augustin so intensiv um eine Klärung des Zeitpunktes der in Gen 12,1–3 berichteten ersten Verheißung an Abraham bemüht, ist darin zu sehen, dass innerhalb seines Konzepts der sechs Weltzeitalter mit ebendieser Verheißung das dritte Weltzeitalter beginnt, und damit die Zeit, in der die ciuitas dei und die ihr geltenden Verheißungen sehr viel deutlicher als zuvor hervortreten.110 So sei der Weggang Abrahams aus seinem Vaterhaus in Gen 12 zwar nach dem Tode Tharas (Gen 11,32) notiert, zeitlich aber vor dem Tod des Thara geschehen; denn es sei hier „anzunehmen, dass die Schrift nach ihrer Gewohnheit auf einen Zeitpunkt zurückkehrt, über den die Erzählung bereits hinausgeschritten war“.111 Zu diesem Schluss kommt Augustin, indem er die Lebensalter von Thara und Abraham synchronisiert: Wenn Thara seinen Sohn Abraham in seinem 70. Lebensjahr gezeugt hat (Gen 11,26) und Abraham mit 75 Jahren von seinem Vaterhaus weggezogen ist (Gen 12,4), so muss Thara zu diesem Zeitpunkt 145 Jahre112 alt gewesen sein und folglich noch gelebt haben, da er doch nach Gen 11,32 insgesamt 205 Jahre alt geworden ist, ehe er starb. In ciu. XVI 14 weist Augustin die Meinung zurück, mit den 205 Jahren in Gen 11,32 sei die Zeit gemeint, die Thara in Harran verbracht habe. Vielmehr kann hier nur das gesamte Lebensalter Tharas gemeint sein, da es sonst an keiner Stelle erwähnt wird und die Bibel keines der Lebensalter in der Abstammungsreihe von Adam über Noah bis Abraham ausgelassen hat.113 Au110 Vgl.

ciu. XVI 12, S.  515, Z.  1–4. per hoc intellegendum est more suo scripturam redisse ad tempus, quod iam narratio illa transierat“ (ciu. XVI 15, S.  518, Z.  25 f.). 112  Interessanterweise liest der Samaritanus in Gen 11,32 ebenjene Zahl, sodass Thara hier nicht mit 205, sondern mit 145 Jahren stirbt. Auf diese Weise passt die biblische Erzählreihenfolge in eine Chronologie (ohne die Annahme einer recapitulatio): Auszug des Hauses Thara aus Ur in Chaldäa nach Harran (Gen 11,31) – Tod des 145-jährigen Thara in Harran (Gen 11,32) – Wegzug des 75-jährigen (im 70. Lebensjahr seines Vaters Thara gezeugten [Gen 11,26]) Abram aus Harran in das ihm verheißene Land (Gen 12,1–5). Freilich wird Augustin diese Lesart des Samaritanus nicht bekannt gewesen sein. 113 Vgl. ciu. XVI 14, S.  517, Z.  5 – S.  518, Z.  18. Die von Augustin zurückgewiesene Ansicht, dass Thara 205 Jahre in Harran verbracht habe, hat ihre Begründung in der von der Hebräischen Bibel abweichenden Version der LXX von Gen 11,32. Während nämlich die Hebräische Bibel lediglich davon spricht, dass Thara mit 205 Jahren in Harran starb, liest man in der LXX: „Und die Tage, die Thara in Harran verbrachte, betrugen 205 Jahre, und Thara starb in Harran.“ (καὶ ἐγένοντο αἱ ἡμέραι Θαρα ἐν Χαρραν διακόσια πέντε ἔτη, καὶ ἀπέθανεν Θαρα ἐν Χαρραν). Augustin selbst setzt durchgängig diese Version der LXX von Gen 11,32 voraus (vgl. ciu. XVI 14, S.  517, Z.  4 f.; XVI 15, S.  519, Z.  34 f.; XVI 24, S.  527, 111  „ac

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gustin nennt in ciu. XVI 15 noch ein weiteres, bereits in ciu. XVI 4 besprochenes Beispiel: Während nach der Völkertafel in Gen 10 die Nachkommen der Noahsöhne verschiedene Sprachen sprachen, so greift der Beginn der Erzählung vom Turmbau zu Babel in Gen 11,1 auf einen früheren Zeitpunkt zurück, als die Welt noch „einerlei Zunge und Sprache“ hatte.114 Das Phänomen der recapitulatio innerhalb der biblischen Texte hatte bereits der Donatist Tyconius als sechste seiner Auslegungsregeln beschrieben.115 Dessen Werk Liber regularum (i.F.: Reg.) beinhaltet sieben Regeln, die als „Schlüssel [claues] zur Auslegung der dunklen (Stellen) [occulta] in den göttlichen Schriften“116 dienen sollen. Augustin konnte diese hermeneutischen Regeln durchaus würdigen, auch wenn sie von einem Donatisten stammten – schließlich war Tyconius unter den Donatisten umstritten.117 Jedenfalls hat Augustin die septem regulae des Tyconius in De doctrina christiana (i.F.: doctr. chr.)118 referiert und kritisch besprochen. Die im Zusammenhang von ciu. XVI 4 und XVI 15 interessierende Definition der sechsten Regel des Tyconius findet sich in doctr. chr. 3,52–54. Bevor mehrere Beispiele für recapitulationes aus der Genesis (doctr. chr. 3,53; darunter auch die in ciu. XVI 4 und XVI 15 behandelten Stellen) und aus Z.  78 f.; qu. 1,25,1, S.  8, Z.  239 f.), muss aber im Interesse der Kohärenz seiner chronologischen Überlegungen die Meinung zurückweisen, dass Thara 205 Jahre in Harran verbracht habe. So vertritt Augustin letztlich die Position der Hebräischen Bibel, dass mit den 205 Jahren das gesamte Lebensalter Tharas gemeint ist. Dass auch die Klärung dieser chronologischen Frage letztlich ihre Begründung darin findet, dass Augustin den Zeitpunkt genau bestimmen will, an dem die Verheißungen Gottes an Abraham – und damit das dritte Weltzeitalter – beginnen, erhellt aus dem ciu. XVI 14 einleitenden Satz: „defuncto autem Thara in Mesopotamia, ubi uixisse perhibetur ducentos et quinque annos, iam incipiunt indicari ad Abraham factae promissiones dei.“ (ciu. XVI 14, S.  517, Z. 1–3) 114 Vgl. ciu. XVI 15, S.  519, Z.  27–33. 115  Darauf verweist Bardy, La „recapitulatio“, S.  720. 116  „[Tychonius] fecit librum, quem regularum uocauit, quia in eo quasdam septem regulas exsecutus est, quibus quasi clauibus diuinarum scripturarum aperirentur occulta.“ (doctr. chr. 3,42, S.  222, Z.  4 –6) 117 Augustin berichtet von den unlösbaren theologischen Auseinandersetzungen zwischen Tyconius und dem donatistischen Bischof Parmenian von Karthago in c. ep. Parm. 1,1, S.  19, Z.  4 – S.  20, Z.  14. Die der Behandlung der septem regulae vorausgehende Einordnung Augustins, Tyconius’ größter Fehler bestehe darin, sich nicht vollständig von den Donatisten gelöst zu haben (vgl. doctr. chr. 3,42, S.  222, Z.  1–3), wertet James S. Alexander als Indiz dafür, dass die Auffassungen des von „der donatistischen Lehrnorm“ abgewichenen Tyconius in den Augen Augustins „offenbar in wesentlichem Umfang der katholischen Seite entgegenkamen“, weshalb er hier auch dessen Regeln der Schriftauslegung in positiver Weise aufgreifen kann (Alexander, Art. Tyconius, S.  204). 118  Dieses Werk Augustins ist in zwei Etappen entstanden: So waren die Bücher doctr. chr. 1–3,35 kurz nach der Bischofsweihe im Jahr 395 fertiggestellt, die Bücher doctr. chr. 3,36 – 4 wurden zeitgleich mit den retr. verfasst (vgl. Pollmann, Art. Doctrina, Sp.  553), d. h. ca.  426/427 (s. Abschnitt 1.2.8 mit. Anm.  350). Die Auseinandersetzung Augustins mit den septem regulae des Tyconius in doctr. chr. 3,42–56 ist demnach der zweiten, späteren Entstehungsphase zuzuordnen (vgl. Lettieri, Art. De doctrina, S.  385).

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dem Neuen Testament (doctr. chr. 3,54) angeführt werden, wird in doctr. chr. 3,52 folgende Definition gegeben: Die sechste Regel nennt Tychonius Wiederholung [recapitulatio], die man in der Dunkelheit der (heiligen) Schriften bei genügend Aufmerksamkeit finden kann. Manches wird nämlich in einer Weise dargelegt, als folge es der zeitlichen Ordnung oder als werde es nach der Aufeinanderfolge der Geschehnisse erzählt, obwohl die Erzählung insgeheim auf vorherige Dinge zurückgreift, die übergangen worden sind; wenn man ( jene Stellen) nicht von dieser Regel her begreift, so geht man in die Irre.119

Die Meinung, mit den in Gen 12,4 aufgeführten 75 Jahren Abrahams sei nicht sein Alter zum Zeitpunkt seines Wegzugs von Harran gemeint, sondern der Zeitraum zwischen der Flucht aus Chaldäa bis zu Abrahams Wegzug aus seinem Vaterhaus,120 weist Augustin in ciu. XVI 15 mit Verweis auf die Rede des Stephanus vor dem Hohepriester zurück. Nach Apg 7,2 f. ist nämlich die Aufforderung Gottes an Abraham, sein Vaterhaus zu verlassen, noch in Mesopotamien, also vor der Flucht des Hauses Tharas, geschehen.121 Die etwas auffällige 119  „sextam regulam Tychonius recapitulationem uocat, in obscuritate scripturarum satis uigilanter inuentam. sic enim dicuntur quaedam, quasi sequantur in ordine temporis uel rerum continuatione narrentur, cum ad priora, quae praetermissa fuerant, latenter narratio reuocetur; quod nisi ex hac regula intellegatur, erratur.“ (doctr. chr. 3,52, S.  242, Z.  1–6) 120  Diese Position findet sich bei Hieronymus, mit der das Problem der biblischen Ereignisabfolge ohne die Annahme einer recapitulatio gelöst werden kann: Auszug des Hauses Tharas aus Ur in Chaldäa (nach Hieronymus: „aus dem Feuer der Chaldäer“; vgl. Anm.  126 in diesem Abschnitt) nach Harran (Gen 11,31) – Tod des 205-jährigen Thara in Harran (Gen 11,32) – Wegzug Abrahams aus Harran in das ihm verheißene Land, nachdem er dort 75 Jahre gelebt hat (Gen 12,1–5). Abraham muss zu diesem Zeitpunkt dann deutlich älter als 75 Jahre, nämlich mindestens 135 Jahre (205 [Lebensalter Tharas nach Gen 11,32] – 70 Jahre [Lebensalter Tharas zur Zeit der Zeugung Abrams nach Gen 11,26]) alt gewesen sein, wenn der Tod seines Vaters Thara entsprechend der biblischen Ereignisfolge vor Abrahams Wegzug aus Harran stattgefunden haben soll. Hieronymus vertritt diese Position in seinen Qu. hebr. Gen.: „Indissolubilis nascitur quaestio. Si enim Thara pater Abrahae, cum adhuc esset in regione Chaldaea, LXX annorum genuit Abraham et postea in Charra CCV aetatis suae anno mortuus est, quo modo nunc post mortem Tharae Abraham exiens de Carra, LXXV annorum fuisse memoratur, cum a natiuitate Abrahae usque ad mortem patris eius CXXXV anni fuisse doceantur? Vera est igitur illa Hebraeorum traditio, quam supra diximus, quod egressus sit Thare cum filiis suis de igne Chaldaeorum et quod Abraham babylonio uallatus incendio, quia illud adorare nolebat, dei sit auxilio liberatus et ex illo tempore ei dies uitae et tempus reputetur aetatis, ex quo confessus est dominum, spernens idola Chaldaeorum.“ (Hie­ronymus, Qu. hebr. Gen. 12,4, S.  15, Z.  24–26) Vgl. hierzu auch Bardy, Chronologie d’Abraham, S.  721; s. auch Bonnardière, Vulgate, S.  307 f. 121  Allerdings harmonisiert Augustin den Bericht des Stephanus mit seiner bereits erörterten Annahme, dass Abraham noch zu Lebzeiten seines Vaters aus Harran ausgezogen ist. Legt Apg 7,4: „Und als sein Vater gestorben war, brachte Gott ihn von dort herüber in dieses Land, in dem ihr nun wohnt“, eigentlich nahe, dass der Auszug Abrahams nach dem Tode seines Vaters erfolgte, so versteht Augustin diese Angabe in dem Sinne, dass hier die endgültige Niederlassung Abrahams im Lande Kanaan (die erst mit dem Kauf der Höhle in Machpela, d. h. mit dem Erwerb von Grundbesitz, durch den 137-jährigen Abraham erreicht ist [vgl. Abschnitt 3.2.9 mit Anm.  381]), nicht aber der Zeitpunkt seines Auszugs aus Harran gemeint ist (vgl. ciu. XVI 15, S.  519, Z.  64 – S.  520, Z.  68).

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

Formulierung, mit der Augustin in ciu. XVI 15 die Flucht Abrahams aus Chaldäa beschreibt, dass dieser nämlich „aus dem Feuer der Chaldäer befreit“ (liberatus de igne Chaldaeorum) wurde,122 geht nicht auf biblische Zeugnisse, sondern auf eine jüdische Legende zurück. Demnach wollten die heidnischen Chaldäer, nachdem Abram sich geweigert hatte, das Feuer anzubeten, ihn zur Strafe in dieses Feuer werfen, doch auf wunderbare Weise wurde Abram davor bewahrt. Von dieser jüdischen Legende wird Augustin durch Hieronymus Kenntnis erlangt haben. Dessen Verständnis der jüdischen Legende geht von seiner Beobachtung aus, dass das in Gen 11,31 (LXX) zu lesende „Gebiet der Chaldäer“ (ἡ χώρα τῶν Χαλδαίων / regio Chaldaeorum) im hebräischen Text „Ur in Chaldäa“ (ur Chesdim [‫ש ִּדים‬ ְ ׂ ּ‫ )]אּור ַכ‬entspricht.123 Da nun das Lexem ‫ ּאור‬im Hebräischen auch „Feuer“ (ignis) bedeuten kann,124 kommt Hieronymus zu dem Schluss, dass Gen 11,31 eigentlich bedeutet, dass Thara mit den Seinen nicht aus Ur in Chaläda weggezogen, sondern vor dem „Feuer der Chaldäer“ (ignis / incendio Chaldaeorum) geflohen sei.125 Daraus erklärt sich auch sein spezifisches Verständnis von Gen 15,7: „Auch spricht der Herr später zu Abraham: Ich bin es, der dich aus dem Feuer der Chaldäer herausgezogen hat.“126 Da Augustin, der LXX in diesem Punkt folgend, weder in Gen 11,31 noch in Gen 15,7 von einer Stadt Ur spricht,127 wird er möglicherweise die von dem Lexem ‫ אּור‬ausgehende Assoziation des Hieronymus nicht haben nachvollziehen können, dennoch folgt er ihm insofern, als er der über das Buch Genesis hinausgehenden Legende der Flucht des Hauses Tharas vor dem „Feuer der Chaldäer“ Glauben schenkt. Diese Legende beschreibt Hieronymus in seinen Qu. hebr. Gen. wie folgt: Die Hebräer aber überliefern bei dieser Gelegenheit folgende Erzählung: Abraham sei in das Feuer geworfen worden, weil er das Feuer, das die Chaldäer verehren, nicht anbeten wollte, und befreit durch Gottes Hilfe sei er vor dem Feuer des Götzendienstes geflohen. Im Folgenden steht geschrieben, dass Thara mit seiner Nachkommenschaft aus dem Gebiet der Chaldäer ausgezogen sei [Gen 11,31], was im Hebräischen für den Feuerbrand der Chaldäer [incendium Chaldaeorum] gehalten wird. Und dies bedeute das, was 122 Vgl.

ciu. XVI 15, S.  519, Z.  46. mortuus est Aran ante patrem suum in terra, qua natus est, in regione Chaldaeorum. Pro eo, quod legimus in regione Chaldaeorum, in hebraeo habet in ur Chesdim [‫]אּור ּכ ַ ְׂשִּדים‬, id est in igne Chaldaeorum.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 15,7, S.  20, Z.  11–13) 124  Vgl. in der Hebräischen Bibel u. a. Ez 5,2; Jes 31,9; 44,16; 47,14. 125  Vgl. Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 11,28, S.  15, Z.  1 f.7.11–13; 15,7, S.  2 0, Z.  11–13. 126  „Loquitur autem postea Dominus ad Abraham ego sum qui eduxi te de igne Chaldaeorum.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 11,28, S.  15, Z.  11–13; vgl. auch 15,7, S.  20, Z.  11–13: „Ego deus, qui eduxi te de regione Chaldaeorum. Hoc est, quod paulo ante diximus in hebraeo haberi qui eduxi te de ur Chesdim, id est de incendio Chaldaeorum.“) Entsprechend dem Vers Gen 11,31 (s. Abschnitt 3.2.1) fehlt in der LXX auch in Gen 15,7 der Name der Stadt Ur, sodass dort lediglich von der Region der Chaldäer (ἡ χώρα τῶν Χαλδαίων) die Rede ist, aus der Gott Abraham herausgeführt hat. Augustins einziges Zitat von Gen 15,7 lehnt sich in diesem Punkt an die Version der LXX an: „ego deus, qui eduxi te de regione Chaldaeorum, ut dem tibi terram hanc, ut heres sis eius.“ (ciu. XVI 24, S.  525, Z.  2 f.) 127  Vgl. Abschnitte 3.2.1 und 3.2.2 mit Anm.  126. 123  „Et

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nun gesagt wird: ‚Haran starb vor dem Angesicht seines Vaters Thara im Land seiner Geburt, im Feuer der Chaldäer‘ [Gen 11,28], weil er offenbar, da er das Feuer nicht anbeten wollte, vom Feuer verzehrt worden sei.128

In ciu. XVI 16 kommt Augustin noch einmal auf die strittige Frage der Chronologie zurück und führt hier neben Stephanus noch Eusebius an, der in seiner Chronik, die Augustin in der Übersetzung des Hieronymus vorlag, schreibt, dass Abraham die erste Verheißung in seinem 75. Lebensjahr erhalten und bald danach Harran verlassen habe.129 Den scheinbaren Widerspruch zur Darstellung des Stephanus, gemäß der die Verheißung in Mesopotamien an Abram erging, löst Augustin so auf, dass er alle Ereignisse in einem Jahr stattfinden lässt, nämlich dem 75. Lebensjahr Abrahams: Der Auszugsbefehl erging an Abram in Mesopotamien, sodann zog seines Vaters Haus aufgrund der Verfolgung nach Harran, und im selben Jahr noch zog Abraham von Harran fort, um der göttlichen Aufforderung nachzukommen, sein Vaterhaus zu verlassen und nach Kanaan zu ziehen. Von diesem Jahr aus sind es noch genau 430 Jahre bis zum Exodus und der Übergabe des Gesetzes.130 Das etwas isoliert stehende 17. Kapitel des Buches XVI dient, ähnlich wie die von Augustin mit großem Aufwand betriebene Berechnung des Zeitpunktes der ersten Verheißung an Abraham und seines Wegzugs aus seinem Vaterhaus, der chronologischen Einordnung der Abrahamgeschichte. Diese wird hier in den Kontext der weltlichen Geschichte, genauer der politischen Reiche zur Zeit Abrahams, gestellt. In gewisser Hinsicht ist ciu. XVI 17 also ein Vorgriff auf das Buch XVIII, in dem Augustin ja die Geschichte der ciuitas dei in den Weltzeit128  „Tradunt autem Hebraei ex hac occasione istius modi fabulam quod Abraham in ignem missus sit, quia ignem adorare noluerit, quem Chaldaei colunt, et dei auxilio liberatus de idololatriae igne profugerit – quod in sequentibus scribitur egressum esse Tharam cum sobole sua de regione Chaldaeorum pro eo, quod in hebraeo habetur de incendio Chaldaeorum – et hoc esse, quod nunc dicitur mortuus est Aran ante conspectum Tharae patris sui in terra natiuitatis suae in igne Chaldaeorum: quod uidelicet ignem nolens adorare igne consumptus sit.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 11,28, S.  15, Z.  2 –11) Eine Version dieser jüdischen Legende findet sich im Midrash Genesis Rabbah (vgl. Gen. Rab. 44,13; s. die engl. Übersetzung von Freedman, S.  369 mit Anm.  3). 129 Vgl. ciu. XVI 16, S.  521, Z.  18–20. Augustin hat die Chronik des Eusebius in der lateinischen Übersetzung herangezogen, die Hieronymus angefertigt hatte (vgl. Fürst, Art. Scriptores, Sp.  94 f.). Hier liest man: „Als Abraham 75 Jahre alt war, wurde er als würdig angesehen, eine göttliche Rede und eine Verheißung zu empfangen, die an ihn geschehen sollte.“ („Abraham cum ·LXXV· esset annorum, diuino dignus habetur adloquio et ea repromissione, quae ad eum facta est.“; Hieronymus, Chron., S.  23a, Z.  15–21) Die ursprüngliche, auf Eusebius zurückgehende griechische Version dieses Satzes ist nicht mehr erhalten (vgl. zu diesem Zusammenhang APCT, S.  263). 130 Vgl. ciu. XVI 16, S.  521, Z.  2 8–34. Augustin bezieht sich hier namentlich auf Eusebius (vgl. Hieronymus, Chron., S.  23b, Z.  15–25), der sich wiederum auf Gal 3,17 beruft. Letzterer zitiert ebd. aber auch aus Ex 12,40, wonach das Volk Israel insgesamt 430 Jahre im Land Ägypten gelebt hat. Trotz gleicher Jahreszahl variieren die jeweils gemeinten Zeitpunkte (Verheißung – Gabe des Gesetzes bzw. Übersiedlung der Sippe Jakobs nach Ägypten – Exodus), sodass eine Diskrepanz zwischen Gal 3,17 und Ex 12,40 besteht.

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altern 3–6, also in der Zeit von Abraham bis zu seiner eigenen Gegenwart, in den Kontext der politischen Geschichte, die Augustin mit der Geschichte der ciuitas terrena gleichsetzt, einordnet.131 Augustin schreibt in ciu. XVI 17, dass es zur Zeit Abrahams drei große Reiche unter den heidnischen „Völkern“ (gentes) gab, „in denen die Bürgerschaft der Erdgeborenen, das heißt die Genossenschaft der nach Menschenweise lebenden Menschen, unter der Herrschaft abtrünniger Engel außerordentlich hervorragte“, nämlich das Reich der Sikyonier in Europa, das der Ägypter und schließlich das der Assyrer.132 Allerdings hatte Assyrien, wie Augustin bemerkt, zur Zeit Abrahams bereits die Ägypter unterworfen,133 sodass die Assyrer von den drei Teilen des Erdkreises (Europa, Afrika und Asien), von denen Augustin der antiken Auffassung gemäß ausgeht,134 in zweien herrschten: in Asien (mit der Ausnahme Indiens) und in Afrika. Diese territoriale Ausbreitung Assyriens ist so beispiellos gewesen, dass Augustin – da ja irdischer Besitz und weltliche Herrschaft klare Merkmale der ciuitas terrena sind – zu folgendem Urteil über Assyrien kommt, das zur Zeit Abrahams das mächtigste Reich war: „In Assyrien war also die Herrschaft der gottlosen Bürgerschaft sehr groß geworden; die Hauptstadt davon war ebenjenes Babylon, und der Name dieser erdgeborenen Stadt, nämlich ‚Verwirrung‘, ist sehr passend.“135 Wenn Augustin nun in ciu. XVI 17 schreibt, dass Ninus nach der Regentschaft seines Vaters Belus „52 Jahre lang regierte und diese Regierung 43 Jahre innehatte, als Abraham geboren wurde“,136 und auch im 18. Buch von ciu., in 131 

Vgl. hierzu Abschnitt 3.5. „per idem tempus eminentia regna erant gentium, in quibus terrigenarum ciuitas, hoc est societas hominum secundum hominem uiuentium, sub dominatu angelorum desertorum insignius excellebat, regna uidelicet tria, Sicyoniorum, Aegyptiorum, Assyriorum.“ (ciu. XVI 17, S.  521, Z.  1–5) 133 Vgl. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  2 3 – S.  522, Z.  25. Augustins Auffassung von der Geschichte der heidnischen Völker zur Zeit Abrahams, die er hier in ciu. XVI 17, dann aber noch einmal ausführlicher in ciu. XVIII 2 darstellt (vgl. dazu Abschnitt 3.5), ist insbesondere von der Chronik des Eusebius beeinflusst, die ihm in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus vorlag (vgl. Hieronymus, Chron., S.  20a/b; 22a; 23b). Zur chronographischen Arbeit des Eusebius in Chron. vgl. Löhr, Heilsgeschichte, S.  551–556. 134 Vgl. ausführlich zur Rezption der antiken Vorstellung von den drei Erdteilen Abschnitt 2.2.1. 135  „in Assyria igitur praeualuerat dominatus impiae ciuitatis; huius caput erat illa Babylon, cuius terrigenae ciuitatis nomen aptissimum est, id est confusio.“ (ciu. XVI 17, S.  522, Z.  25–27) 136 „filius uero eius Ninus, qui defuncto patri successit in regnum, quinquaginta duo regnauit annos, et habebat in regno quadraginta tres, quando natus est Abraham“ (ciu. XVI 17, S.  522, Z.  29–32). Diese Angabe wird Augustin der Chronik des Eusebius entnommen haben (vgl. Hieronymus, Chron., S.  20a, Z.  7–12). In der von Hieronymus verfassten Einleitung zu der von ihm übersetzten Chronik des Eusebius ist zudem zu lesen, dass zum Zeitpunkt des 43. Regierungsjahrs des Assyrerkönigs Ninus der Fall Trojas 834 Jahre zurücklag, und dass von da an gerechnet nochmals 834 Jahre vergingen, bis Abraham geboren wurde (vgl. Hieronymus, Chron., S.  15, Z.  7 – S.  16, Z.  15; s. dazu Bardy, Sicyone, S.  723). 132 

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dem er die Geschichte der ciuitas dei mit derjenigen der ciuitas terrena parallelisiert, die Zeit Abrahams der Regentschaft des assyrischen Königs Ninus zuordnet,137 orientiert er sich an den chronologischen Angaben des Hieronymus.138 Die Figur des Ninus, unter dessen Regentschaft Assyrien eine derartige Machtfülle erreichte, hat nach Augustins Darstellung als ein paradigmatisches Glied der ciuitas terrena zu gelten. Dem neuen Höhepunkt der ciuitas dei in der Gestalt Abrahams, des Typus’ des Gerechten und durch seinen Glauben Gerechtfertigten, korrespondiert also der Antitypus Ninus, der seine irdische Herrschaft enorm ausgebaut hat und mit dem Assyrerreich das zur Zeit Abrahams gewaltigste irdische Reich beherrscht, dessen Hauptstadt Babylon die Symbolstadt der ciuitas terrena darstellte und in dem die Herrschaft der „abtrünnigen Engel“ (angeli deserti) bzw. die Herrschaft der „gottlosen Bürgerschaft“ (impia ciuitas) am stärksten unter allen irdischen Reichen wirkte.139 Eine solche Koinzidenz zweier Repräsentanten beider ciuitates begegnet immer wieder innerhalb von ciu., man denke an Kain und Abel bzw. Seth, Nimrod und Heber oder Esau und Jakob. Diese in der Bibel oftmals bereits angelegten Konstellationen werden von Augustin aufgegriffen, erweitert und als Gestaltungsmittel zur Ausführung seiner ciuitates-Lehre genutzt. Was die ciuitas terrena oder die ciuitas dei ist, wird vielfach anhand solcher Gestalten verdeutlicht. 3.2.3 Die Verheißungen an Abraham und ihre Bedeutung für die ciuitas dei Insgesamt unterscheidet Augustin vier Verheißungen, die an Abraham ergehen. Er behandelt diese in ciu. XVI 16 (Gen 12,1–3), 18 (Gen 12,7), 21 (Gen 13,14– 17) und 24 (Gen 15,13–16). Während er den ersten drei Verheißungen jeweils ein eigenes Kapitel widmet, behandelt er die vierte Verheißung (Gen 15,13–16), die Abraham während seines Bundesschlusses mit Gott in Gen 15 empfängt, im Kontext seiner Auslegung dieses Bundesschlusses in ciu. XVI 24.140 Augustin betrachtet – den frühjüdischen und frühchristlichen Traditionen folgend141 – bereits die Erzväter als Propheten, da sich sowohl in ihrer Vita als auch in den Verheißungen an sie prophetische Hinweise finden. Seiner Meinung nach können sich die Verheißungen a) allein auf eine Erfüllung im irdischen Sinne, b) allein auf eine Erfüllung im übertragenen Sinne, d. h. im Hinblick auf Christus und die Kirche, und schließlich c) auf beides beziehen.142 137 Vgl.

ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  26–28. Vgl. Hieronymus, Chron., S.  20a, Z.  1–19. 139 Vgl. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  1–4; S.  522, Z.  25 f. 140  Vgl. zu dieser vierten Verheißung Abschnitt 3.2.5. 141  Vgl. hierzu das einführende Kapitel zu den frühjüdischen und frühchristlichen Hintergründen der Abrahamdeutung Augustins, Abschnitt 3.1. 142 Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  10 – S.  521, Z.  18. Die Unterscheidung der Verheißungen an Abraham in solche, die allein auf eine irdische, und solche, die auf eine Erfüllung in Bezug 138 

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Ausführlicher beschreibt er diese drei Bedeutungsebenen der Verheißungen an die Väter in ciu. XVII 3,143 wo er zusammenfassend schreibt: „Dreiteilig stellen sich also die Aussprüche der Propheten [und auch die Verheißungen und prophetischen Handlungen und Widerfahrnisse der Erzväter] dar: Manche richten ihren Blick auf das irdische Jerusalem, andere auf das himmlische, wieder andere auf beide gleichzeitig.“144 Augustin ging davon aus, dass Abraham, an den die Verheißungen ergingen, sowohl der Sinn dieser Verheißungen, sofern sie sich auf die Erfüllung im irdischen Sinne beziehen (Kategorie a), als auch, sofern sie auf eine Erfüllung in Christus und der ciuitas dei abzielen (Kategorie b), bewusst war. Dies hängt sicherlich auch mit dem Verständnis Abrahams als eines Propheten zusammen, das Augustin teilt. Der für die Glieder der ciuitas dei paradigmatische Glaube Abrahams, aufgrund dessen er gerechtfertigt wurde, beinhaltet bereits den Glauben an Christus und die Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen,145 die sich wiederum nicht in der Erfüllung der Verheißungen an das irdische Volk Israel erschöpft, sondern vielmehr ihr Ziel in der Erfüllung der Verheißungen im geistlichen Sinne an der ciuitas dei findet. Es ist für das heilsgeschichtliche Konzept Augustins von zentraler Bedeutung, dass die Verheißungen auch im irdischen Sinne erfolgen, gerade wenn in ihnen zugleich auch etwas prophetisch auf Christus und die Zukunft der ciuitas dei hindeutet, da Augustin, wie Cornelius P. Mayer treffend bemerkt, „der Hinweis auf Erfülltes […] als Beweis für die Gewißheit der noch ausstehenden heilsgeschichtlichen und eschatologischen Vorstellungen [dient], welche die ‚impleta‘ figurativ darstellen“.146 Damit ist freilich eine gewisse Abwertung der Geschichte des irdischen Volkes Israel im Allgemeinen und der Erfüllung der göttlichen Verheißungen an diesem Volk im Besonderen verbunden, insofern deren Sinn und Zweck in erster Linie (und zwar nach dem Willen Gottes) darin besteht, als prophetische praefigurationes auf die eschatologische Realisierung in der ciuitas dei zu verweisen bzw. durch die Tatsache der Erfüllung der Verheißungen im ‚irdischen‘ Sinne der ciuitas dei als Beweis zu dienen, dass diese Verheißungen sich dereinst auch an ihr bewahrheiten werden – und zwar, wie Augustin nicht müde wird zu betonen, in einem größeren, herrlicheren und umfassenderen Sinn. Auch finden sich Belege dafür, dass Augustin die Erfüllung von Abraauf das himmlische Jerusalem ausgerichtet sind, begegnet darüber hinaus in den Kapiteln 18, 21, 23 und 32 des Buches XVI. 143 Vgl. ciu. XVII 3, S.  553, Z.  1–17. 144  „tripertita itaque reperiuntur eloquia prophetarum, si quidem aliqua sunt ad terrenam Hierusalem spectantia, aliqua ad caelestem, nonnulla ad utramque.“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  15–17) 145  Vgl. etwa Augustins Äußerungen in der 418 enstandenen Schrift „Über die Gnade Christi und über die Ursünde“; gr. et pecc. or. II 32, S.  191, Z.  22 – S.  192, Z.  22; s. dazu C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  14 f.23–25. 146  C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  13.

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hamverheißungen am irdischen Volk Israel (Kategorie a) gegenüber der von solchen, die Abrahams ‚geistlichem Samen‘ gelten (Kategorie b), qualitativ abwertet.147 Ganz im Sinne der auf Israel und die Christen bezogenen paulinischen Deutung (Röm 9,6–13) des göttlichen Wortes an die mit Jakob und Esau schwangere Rebekka, „der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (Gen 25,23), nimmt das ältere Volk Israel in der Geschichtskonzeption Augustins eine dienende Funktion gegenüber dem jüngeren Volk der Christen ein. Die ‚irdische‘ Erfüllung der Verheißungen an Israel, wie etwa die der Mehrung, des göttlichen Segens, des Gelobten Landes oder auch des Mitseins JHWHs mit dem Volk Israel, die alle für die jüdische Frömmigkeit und den jüdischen Glauben einen hohen Stellenwert haben, verliert in dieser Sicht auf die Geschichte Israels also erheblich an Gewicht. Die erste Verheißung an Abraham in Gen 12,1–3 ist zweigeteilt: Zum einen beziehen sich die Verse 1–2 auf die Erfüllung im irdischen Sinne (Kategorie a): Der „fleischliche Same“ (semen carnalis)148 Abrahams wird das Land Kanaan besitzen und zu einem großen Volk werden. Zum anderen enthält die Verheißung in Gen 12,1–3 aber etwas „wahrhaft weit Erhabeneres“ (uero longe praestantior)149, wird Abraham doch in Vers 3 („In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“) Augustin zufolge zugesagt, nicht nur der Vater Israels, sondern der „Vater aller Völker“ zu werden, „die seinen Glaubensspuren folgen“.150 Diese Verheißung gilt also nur dem „geistlichen Samen“ (semen spiritalis)151 Abrahams (Kategorie b). Gottes Verheißung der Gabe des Landes und der Vermehrung der Nachkommenschaft zu einem großen Volk (Gen 12,1 f.) an Abraham wird sich zwar an seinem „fleischlichen Samen“ erfüllt haben, als das Volk Israel Kanaan eingenommen hatte, die Erfüllung der Verheißung in Gen 12,3 bleibt aber gemäß Paulus und in seiner Folge auch Augustin bis zum Kommen Christi unerfüllt. Erst mit Christus beginnt sich die Verheißung zu erfüllen, dass Menschen aus vielen Völkern kommen und durch ihren Glauben an Christus, der sie rechtfertigt, den Glaubensspuren Abrahams folgen, dessen Glaube ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde (Gen 15,6). Die zweite Verheißung in Gen 12,7 („Deinen Nachkommen will ich dies Land geben“) bezieht sich nach Augustin lediglich auf eine Erfüllung im irdischen Sinne (Kategorie a):152 Als der 75-jährige Abraham nach seinem Auszug mit seiner Frau Sarah und Lot aus Harran nach Sichem kommt, wird ihm in 147 

Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  10 – S.  521, Z.  18. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  15. 149 Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  14 f.; vgl. auch ciu. XVII 2, S.  552, Z.  5 f. (s. dazu Abschnitt 4.1.2). 150  „[Abraham] pater est non unius gentis Israeliticae, sed omnium gentium, quae fidei eius uestigia consequuntur“ (ciu. XVI 16, S.  520, Z.  15–17). 151 Vgl. ciu. XVI 16, S.  520, Z.  15. 152 Vgl. ciu. XVI 18, S.  522, Z.  7–9. 148 Vgl.

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einem „göttlichen Orakelspruch“ (diuinum oraculum)153 zugesagt, dass seinem Samen das Land, in das er nun gekommen ist, gegeben werden wird. Die dritte Verheißung in Gen 13,14–17 ergeht an Abraham, nachdem er sich von Lot getrennt hatte. Hier ist Augustin unsicher, ob lediglich vom fleischlichen oder auch vom geistlichen Samen Abrahams die Rede ist, da hier nicht wie in Gen 12,3 explizit von anderen Völkern gesprochen wird. Aufgrund der Hyperbel, wonach Abrahams Nachkommen von Gott wie „Staub auf Erden“ vermehrt werden sollen, tendiert er allerdings zur Kategorie c. Diese Hyperbel, die als Stilmittel nicht im eigentlichen, sondern im figürlichen Sinne verstanden werden darf, deutet Augustin weniger im quantitativen als im qualitativen Sinne. Das Tertium comparationis ist sozusagen die Unzählbarkeit: Zwar wird weder die Gesamtzahl der auf der Erde lebenden leiblichen Nachkommen Abrahams noch die Zahl seines ‚geistlichen Samens‘ jemals auch nur annähernd der Zahl aller Staubkörner auf Erden entsprechen. Dennoch wird sowohl der irdische als auch der geistliche Same Abrahams bis zum Ende der Welt eine solche Zahl erreichen, dass sie für Menschen, nicht aber für Gott, unmöglich zu zählen ist.154 Auf das Größenverhältnis beider ciuitates wird hier genauer eingegangen. So ist nämlich der geistliche Same Abrahams „im Vergleich mit der großen Zahl der Gottlosen tatsächlich gering“.155 Die Zusage in Gen 13,15, nach der Abraham und seiner Nachkommenschaft das Land Kanaan „bis zum Ende der Weltzeit“ (usque in saeculum)156 gegeben werden soll, versteht Augustin wiederum lediglich als Zusage für den irdischen Samen Abrahams, da doch das Volk Israel nach seiner Wanderung durch die Wüste tatsächlich das Land Kanaan in Besitz genommen hat. Allerdings dringt er darauf, das griechische ἕως […] αἰῶνος der LXX hier nicht mit „bis in Ewigkeit“ zu übersetzen, sondern im Sinne des lateinischen saeculum („Weltzeit“). Nur so kann Gen 13,15 als rein irdische Zusage verstanden werden, hört doch mit dem Ende der Weltzeit auch aller irdische Besitz auf.157 Augustin wird wohl aber auch deshalb mit der Verheißung des Landbesitzes bis zum Ende der Weltzeit an die fleischlichen Nachkommens Abrahams ein Problem gehabt haben, da 153 Vgl.

ciu. XVI 18, S.  522, Z.  4 f. ciu. XVI 21, S.  523, Z.  22 – S.  524, Z.  30. 155  „quod semen in comparatione multitudinis impiorum profecto in paucis est“ (ciu. XVI 21, S.  524, Z.  25 f.). John O’Meara stellt sich im Anschluss an ciu. XVI 16 und XVII 2 die Frage, wie groß die Zahl der Bürger der ciuitas dei eigentlich gedacht ist. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, „that the majority of men are predestined to damnation“ (O’Meara, Charter, S.  45). Auch innerhalb der Kirche sind in diesen Tagen noch „viele Verworfene“ (multi reprobi) den Guten beigemischt (vgl. ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  5 –8; s. dazu Lamirande, Art. Ciuitas, Sp.  963). Dieser wenig hoffnungsvolle Aspekt des heilsgeschichtlichen Konzepts in ciu. scheint von der Forschung gerne vernachlässigt zu werden. Nach Augustin steht für die übergroße Mehrheit der Menschen am Ende die ewige Verdammnis, auch wenn die wenigen Glaubenden eine (für den Menschen) „unzählbare Menge“ bilden. 156 Vgl. ciu. XVI 21, S.  524, Z.  42. 157 Vgl. ciu. XVI 21, S.  524, Z.  4 4–49. 154 Vgl.

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die historischen Tatsachen nach 70 n. Chr. dagegen sprechen.158 Zwei Argumente führt er nun dafür an, dass sich diese Verheißung aus seiner Sicht erfüllen wird: Zum Ersten werden Juden trotz ihrer Vertreibung durch die Römer aus Jerusalem159 bis zum Weltende im Land Kanaan wohnen bleiben. Zum Zweiten, betrachtet man die Christen als den eigentlichen Samen Abrahams, so müsse man Gen 13,15 auch dann als erfüllt ansehen, wenn dereinst das ganze Land von Christen bewohnt werde.160 In engem Zusammenhang mit Augustins Deutung der Hyperbel ‚Staub der Erde‘ steht auch seine Darstellung der ersten Verheißung eines Sohnes an Abraham (Gen 15): Wenn Gott Abraham eine Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sterne des Himmels verheißt, ist hier nach Augustin noch mehr an den geistlichen Samen Abrahams zu denken. Die Sterne weisen schon deshalb stärker auf die ciuitas dei als der Erdenstaub, da sie einen deutlichen Bezug zum Himmel (und nicht zur Erde) haben. Augustin schreibt: „Hier scheint mir die Verheißung noch mehr der Nachkommenschaft zu gelten, die zum himmlischen Glück erhöht sein wird.“161 Mit der Hyperbel ‚Sterne des Himmels‘ wird nämlich auf eine noch größere Anzahl verwiesen als beim ‚Staub der Erde‘, da nämlich im Unterschied zum Staub die Sterne des Himmels gar nicht alle sichtbar sind. Je schärfer das eigene Auge ist, desto mehr Sterne sieht man, und umso mehr weitere dem Menschen nicht sichtbare Sterne sind anzunehmen: dies auch deshalb, da man andere Sterne sieht, wenn man von „einem anderen Teil des Erdkreises“ (alia pars orbis)162 in den Himmel blickt. 158  Vgl.

O’Daly, A reader’s guide, S.  175. ciu. XVI 21, S.  524, Z.  46–48. Bei der Vertreibung der Juden aus Jerusalem ist wohl an das Hadrianische Interdikt von 135 n. Chr. gedacht, das den Juden das Betreten Jerusalems verbot und jahrhundertelang in Kraft blieb. Dieser Umstand spielte nicht nur bei Augustin, sondern u. a. auch bei Tertullian und Eusebius in ihrer gegen die Juden gerichteten Polemik eine wichtige Rolle, wurde er doch als Erfüllung entsprechender Prophetien verstanden (vgl. dazu Avi-Yonah, Geschichte, S.  50). 160 Vgl. ciu. XVI 21, S.  524, Z.  4 8 f. 161  „ubi mihi magis uidetur promissa posteritas caelesti felicitate sublimis.“ (ciu. XVI 23, S.  525, Z.  7 f.) 162 Vgl. ciu. XVI 23, S.  525, Z.  (12–16) 15. Zu Zeiten Augustins war man sich bewusst, dass sich Sonne, Mond und die Gestirne im Tagesverlauf bewegen und den zum eigenen Weltkreis gehörenden Himmel verlassen und in einen anderen Raum verschwinden – etwa in den Himmel der „Antipoden“, der den eigenen Ländern gegenüberstehenden Gebieten auf dem anderen Teil des Erdkreises (vgl. hierzu Kauffmann, Art. Antipodes, der in Sp.  2533 unter Bezugnahme auf ciu. XVI 9 darauf hinweist, dass Augustin, wie auch andere christliche Schriftsteller, der Lehre der ‚Gegenfüßler‘ widerspricht). Augustin weist in ciu. XVI 9 auch unter Bezugnahme auf die Bibel, die von einer solchen gegenüberliegenden Seite der Erdkugel und auch von einer Übersiedlung von Menschen dahin nicht berichtet, die Vorstellung von Antipoden zurück (vgl. dazu Abschnitt 2.2.4). Deshalb ist anzunehmen, dass Augustin hier in ciu. XVI 23 mit der alia pars orbi einen weit entfernten Teil des eigenen Erdkreises (etwa in Asien) meint, bei dem zum gleichen Zeitpunkt andere Sterne sichtbar sind als am eigenen Standort. 159 Vgl.

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3.2.4 Die beiden Gefährdungen der Ahnfrau Sarah und die Loterzählung Augustin nutzt die Auslegungen der beiden Gefährdungserzählungen (Gen 12,10–20 und Gen 20) sowie die Erzählungen über Lot und die Stadt Sodom, um Abraham als vorbildlich Glaubenden, als archetypisches Glied der ciuitas dei zu charakterisieren. Wie Abel im ersten, vorsintflutlichen Weltzeitalter und Noah im darauffolgenden zweiten, so kommt Abraham im dritten Weltzeitalter die Rolle des vorbildlichen Repräsentanten der ciuitas dei zu, dem Augustin seine besondere Aufmerksamkeit widmet. Gerade vor dem Hintergrund des zur Zeit der Abfassung aktuellen Pelagianischen Streits gilt es wahrzunehmen, dass, wenn Augustin von Abraham als einem „Gerechten“ (iustus) spricht, die nach Gen 15,6 Abraham aufgrund seines Glaubens zugerechnete „Gerechtigkeit“ (iustitia)163 gemeint ist. Aus dieser ihm von Gott zugerechneten Gerechtigkeit folgen seine guten Taten. Sein Vorbildcharakter als typus eines Glieds der ciuitas dei bezieht sich in erster Linie auf seine fides und daraus folgend auch auf seine iustitia. Dieses Verständnis von „gerecht“ (iustus) unterscheidet sich freilich von demjenigen seiner Gegner innerhalb des Pelagianischen Streits, die (wie der frühe Augustin auch) von der Freiheit des Willens ausgingen und so unter Ablehnung der augustinischen Ursündenlehre der Meinung waren, ein Mensch wäre durch seinen freien Willen dazu befähigt, gerecht und gottesfürchtig zu sein. Wie schon bei der Beschreibung Abels als paradigmatisches Glied der ciuitas dei in ciu. XV,164 meint auch bei Abraham die Gerechtigkeit (iustitia) nicht etwa eine sündlose Existenz, die sich die Christen zum Vorbild nehmen sollen, indem sie versuchen, Abel oder auch Abraham „nachzuahmen“ (imitari).165 Das 163 Vgl.

ciu. XVI 19, S.  522, Z.  2 –6. Vgl. hierzu Abschnitt 1.1.4. 165  Im Unterschied zu Augustin ging Pelagius davon aus, dass bereits die vor Christus lebenden Gerechten (antiqui iusti), sofern sie sich an das Naturgesetz oder (seit der Gabe des Gesetzes am Sinai) an die Weisungen der Tora hielten, das ewige Leben erwerben. Dabei bildet Abraham, so schreibt Anthony Dupont vor dem Hintergrund seiner Analyse des Römerbrief kommentars des Pelagius (i.F.: ad Rom.; zum Entstehungskontext und der schwierigen Überlieferungssituation vgl. Drecoll, Art. Pelagius, Sp.  625 f.), „das Paradigma für diesen Vorgang“ (Dupont, Christusfigur, S.  370). Allerdings besteht auch für Pelagius – im Anschluss an Paulus – die Pointe der Rechtfertigung Abrahams darin, dass er nicht durch Werke des Gesetzes, sondern durch den Glauben gerecht wurde (vgl. ad Rom. 1,17, S.  12, Z.  15–23). In seinem Glauben, nicht in seiner Gesetzesobservanz wird Abraham zum Vorbild aller Glaubenden nach ihm, zum exemplum Abrahae (vgl. ad Rom. 5,1, S.  41, Z.  10–20; s. dazu Drecoll, a. a. O., Sp.  628 f.; Dupont, a. a. O., S.  331 f.). Die Differenz zwischen Pelagius und Augustin besteht also weniger in der soteriologischen Frage, ob der Mensch durch Werke oder durch den Glauben gerechtfertigt wird, sondern in der gnadentheologischen, ob der Mensch diesen Glauben, aus dem dann auch die opera bona folgen, durch Nachahmung eines Vorbildes (wie Abraham und andere antiqui iusti) zu erlangen imstande ist, oder ob dieser Glaube ihm gnadenhaft von Gott durch das Heilswerk Christi gewährt wird. Wie weit die gnadentheologischen Konzeptionen beider Kontrahenten tatsächlich voneinander entfernt waren, ist aufgrund der schwierigen Quellensituation hinsichtlich Pelagius (verurteilter Hä164 

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Attribut der Sündlosigkeit kommt ohnehin nur Christus zu. Der Mensch kann sich nach Augustin nicht selbst aus seiner Verfallenheit, seinem Geborensein (generatio) im Zustand der Ursünde lösen, um aus eigener Kraft zum iustus zu werden. Die Existenz als vor Gott Gerechter verdankt sich vielmehr allein der gnadenhaften göttlichen Annahme des Einzelnen im Glauben – durch die „Wiedergeburt“ (regeneratio) in Christus, sakramental gewährt durch die Taufe. Gerechtigkeit bzw. „gerecht leben“ (iuste uiuere) meint im umfassenden Sinne sowohl die Gerechtigkeit vor Gott, d. h. die gnadenhaft gewährte Annahme durch Gott aufgrund des Glaubens, als auch das daraus resultierende gerechte Verhalten gegenüber dem Nächsten, das sich in einer ethisch verantworteten, dem Gesetz und dem Beispiel Christi folgenden Lebensweise zeigt.166 Eine der moralisch fragwürdigen Handlungen Abrahams, die bereits die jüdischen Schriftausleger beschäftigte, ist sicherlich die Tatsache, dass er nach Gen 12 und 20 in die Fremde zog (Ägypten bzw. Gerar) und seine Frau Sarah vor dem jeweiligen Herrscher (dem Pharao bzw. Abimelech) als seine (Halb-) Schwester ausgegeben hat, um sich selbst vor Repressalien zu schützen. Augustin spricht in ciu. XVI 19 Abraham zunächst des Vorwurfes der Lüge frei, da Sarah zwar nicht Abrams Schwester ersten Grades, aber dennoch seine Blutsverwandte ist.167 Wie bereits zu ciu. XVI 12 ausgeführt, geht Augustin von der in der jüdischen Schriftauslegung verbreiteten These aus, dass Jiska, die Tochter Harans (des Bruders Abrahams), mit Sarah identisch ist.168 Legt man diese Annahme zugrunde, so steht Sarah im gleichen Verwandtschaftsverhältnis zu Abraham wie (ihr Bruder) Lot, der Abrahams „Brudersohn“ ( filius fratris)169, d. h. sein Neffe ist: Sarah ist also die Nichte ihres Ehemannes Abraham. In ciu. XV 16 schreibt Augustin, dass man auch nahe Blutsverwandte wie etwa Vettern oder Basen (d. h. Cousins und Cousinen) Geschwister nennt.170 Diese Gewohnheit und die Identifizierung von Sarah und Jiska voraussetzend, wäre es tatsächlich keine Lüge gewesen, als Abraham seine Frau und Nichte Sarah als seine Schwester bezeichnete. Auch seine Ehe mit ihr habe Abraham nach Augustin nicht vor dem Pharao verleugnet, sondern lediglich verschwiegen in der Hoffnung, Gott würde die Keuschheit seiner Frau Sarah schützen, während sie bei dem Herrscher weilt.171 Abrahams Entscheidung, dem Konflikt mit dem jeweiligen Herrscher auf diese retiker, wenige authentische oder nur fragmentarisch erhaltene Schriften, viele Informationen aus häresiologischer Perspektive) nicht einfach zu klären und ist Gegenstand von Forschungsdiskussionen (vgl. mit Literaturhinweisen Dupont, a. a. O., S.  357 mit Anm.  268). 166 Vgl. Dodaro, Art. Iustitia, Sp.  870; zum Gerechtigkeitsverständnis Augustins im Horizont des Pelagianischen Streits vgl. a. a. O., Sp.  871–875. 167 Vgl. ciu. XVI 19, S.  522, Z.  2 –6. 168  Vgl. Abschnitt 3.2.1 mit Anm.  107. 169 Vgl. ciu. XVI 19, S.  522, Z.  6. 170 Vgl. ciu. XV 16, S.  478, Z.  62–66. 171 Vgl. ciu. XVI 19, S.  522, Z.  6 –8.

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Weise zu entgehen, wird ihm als Gottvertrauen angerechnet: Statt mit „menschlichen Nachstellungen“ (insidiae humanae)172 sich und seine Familie weiter zu gefährden und Gott dadurch zu versuchen, überließ er Gott die Bewahrung der Ahnfrau Sarah (die Mutter des verheißenen Volkes). In seiner Hoffnung auf das Eingreifen Gottes zugunsten seiner Frau und seines Geschlechts wurde er durch die göttlichen Heimsuchungen des Pharao zum Zwecke der Befreiung Sarahs nicht getäuscht.173 Die zweite Gefährdung der Ahnfrau in Gen 20 behandelt Augustin in ciu. XVI 30. Auf die Frage Abimelechs hin, warum Abraham seine Ehe mit Sarah verschwiegen und sie als seine Schwester ausgegeben habe, antwortete dieser nach Gen 20,12: „Denn sie ist ja in Wahrheit meine Schwester, vom Vater, nicht aber von der Mutter her.“174 Allerdings folgt Augustin hier dem Text der Septuaginta,175 der in einer Spannung zur Hebräischen Bibel steht, wonach Sarah die „Tochter meines [d. h. Abrahams] Vaters“ (‫)ַבת־ָא ִבי‬, nicht aber die „Tochter meiner Mutter“ (‫)ַבת־ִאִּמי‬, sei. Dies könnte immerhin auch so verstanden werden, dass Sarah aus einer Beziehung Tharas zu einer Nebenfrau hervorgegangen sei. Fasst man allerdings wie Augustin Gen 20,12 f. im weiteren Sinne so auf, dass Sarah aus dem Vaterhaus Abrahams stammte, so ließe sich dies mit der bereits in ciu. XVI 12 und 19 getroffenen Annahme vereinbaren, dass Sarah eine Tochter Harans, des Sohnes Tharas, gewesen war. In ciu. XVI 30 gibt Augustin auch eine Antwort auf die sachlogische Frage, weshalb Sarah für Abimelech attraktiv sein konnte, obwohl sie zum Zeitpunkt ihres Aufenthaltes in Gerar ja schon über neunzig Jahre alt war. Wie die Geburt Isaaks als Sohn zweier Greise auf unnatürliche, von Gott gnadenhaft gewährte Weise geschehen ist, so ist auch Sarah damals „trotz ihres Lebensalters von solcher Schönheit gewesen, dass man sich in sie verlieben konnte“.176 Die Erzählung von der Trennung Lots von Abraham (Gen 13,1–13) wird in ciu. XVI 20 weitgehend gemäß der biblischen Vorlage wiedergegeben. Den172 

ciu. XVI 19, S.  522, Z.  8. ciu. XVI 19, S.  522, Z.  8 –16. Augustin hatte zu diesem Thema bereits eine Auseinandersetzung mit dem Manichäer Faustus gehabt, der zuvor das Verhalten Abrahams vor Abimelech und dem Pharao scharf verurteilt hatte (vgl. c. Faust. 22,33–40). So findet sich hier u. a. auch das Argument, Abraham habe auf die Bewahrung seiner Frau durch Gott vertraut (vgl. c. Faust. 22,33, S.  627, Z.  21–29). 174 „etenim uere soror mea est de patre, sed non de matre“ (Gen 20,12 nach ciu. XVI 30, S.  535, Z.  17 f.). 175  καὶ γὰρ ἀληθῶς ἀδελφή μού ἐστιν ἐκ πατρός ἀλλ‘ οὐκ ἐκ μητρός. 176  „tantae autem pulchritudinis fuit, ut etiam in illa aetate posset adamari.“ (ciu. XVI 30, S.  535, Z.  19 f.) Zu dieser Auffassung war Augustin bereits in c. Faust. 22,36, S.  630, Z.  21 – S.  631, Z.  1 gelangt; vgl. auch qu. 1,48, S.  18, Z.  589 f. Die Schönheit Sarahs im Kontext der Erzählungen zur Gefährdung der Ahnfrau spielt bei Augustin auch für seine Deutung Sarahs als figura der Kirche eine Rolle: Wie Abraham aufgrund der Schönheit seiner Frau Sarah im fremden Land geehrt wurde, so gereicht die Schönheit der Kirche, nämlich das „rechtschaffene Leben“ (recte uiuere) in ihr, ihrem Mann Christus zur Ehre (vgl. c. Faust. 22,38, S.  631, Z.  22–24; s. dazu Dulaey, Art. Sar(r)a, Sp.  67 f.). 173 Vgl.

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noch wird etwas näher ausgeführt, dass der Vorschlag Abrahams, sich das Land mit Lot zu teilen, deswegen geschah, weil Abraham „Übel vorbeugen“ (malum praecauere)177 und den Frieden erhalten wollte – hätte doch der Streit, der zwischen den Viehhirten der beiden Männer um das Land schwelte, auch auf Abraham und Lot selbst übergreifen können. Augustin meint gar, die Handlung Abrahams sei beispielhaft geworden für eine „Frieden stiftende Sitte“ (consuetudo pacifica), wonach der Ältere das Land teilt und der Jüngere sich seinen Teil auswählen darf.178 Eine im Hinblick auf das moralische Vorbild Abrahams zumindest fragwürdige Episode ist wohl auch die in Gen 14 berichtete, nach der Abram vom Hain Mamres aus mit 318 Knechten loszog, um die die Stadt Sodom bekriegenden Heere mit Waffengewalt zurückzuschlagen. So konnte er Sodom und seinen in Gefangenschaft der Feinde befindlichen Neffen Lot befreien. Dass er von der Kriegsbeute nichts annahm, sich allerdings von Melchisedek,179 dem König Salems und „Priester des höchsten Gottes“ (sacerdos dei excelsi), Brot und Wein geben und sich von ihm segnen ließ – für Augustin erscheint hier zum ersten Mal „das Opfer, das jetzt von den Christen Gott auf dem ganzen Erdkreis dargebracht wird“180 –, lässt Abraham als idealtypisches Glied der ciuitas dei erscheinen, der irdischem Besitz und Reichtum eine Absage erteilt und sich stattdessen auf das Geistliche, in diesem Fall das auf Christus hinweisende Opfer und den von Melchisedek gespendeten Segen des „höchsten Gottes“, hin ausrichtet. Die moralische Verteidigung von alttestamentlichen Gestalten wie Abraham oder auch Mose u. a. fügt sich ein in Augustins Verteidigung des Alten Testaments insgesamt, die einen wichtigen Teil seiner Apologie gegenüber den Manichäern bildet. Die antimanichäische Phase Augustins, in der er sich in seinen Schriften vornehmlich gegen seine ehemaligen Glaubensbrüder wandte, begann ein Jahr nach seiner Taufe (387) und fand einen ihrer literarischen Höhepunkte in der kontroverstheologischen Schrift c. Faust., die eine intensive Auseinandersetzung mit den Schriften des Manichäers Faustus darstellt und die etwa zwischen 400 und 404 entstanden ist.181 Dass Augustin diese Schrift in ciu. XV-XVI allein vier Mal als eine Referenz erwähnt,182 in der man weitere seiner 177 Vgl.

ciu. XVI 20, S.  523, Z.  7. ciu. XVI 20, S.  523, Z.  12–14. 179  Augustin stellt eine Verbindung zum Hebräerbrief her, wo in Hebr 7,1–10 ebenfalls von der Begegnung zwischen Abraham und Melchisedek die Rede ist (vgl. ciu. XVI 22, S.  524, Z.  8–12). Bereits in Hebr 7 wird eine deutliche Parallele zwischen Christus und Melchisedek gezogen, insofern Christus der in Ps 109,4 gepriesene „ewige Priester nach der Ordnung Melchisedeks“ ist (vgl. auch ciu. XVII 5, S.  565, Z.  138–142; s. dazu Abschnitt 4.1.5). 180  „sacrificium, quod nunc a christianis offertur deo toto orbe terrarum“ (ciu. XVI 22, S.  524, Z.  13 f.). 181 Vgl. Wurst, Auseinandersetzung, S.   169f; zur Datierung vgl. Einleitung, Abschnitt 2.6 mit Anm.  259. 182  Es handelt sich um die vier Kapitel ciu. XV 7; XV 26; XVI 19 und XVI 41. In ciu. XV 178 Vgl.

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Ausführungen zu den entsprechenden biblischen Gestalten nachlesen könne, zeigt, dass diese Stoßrichtung gegen die Manichäer auch beim späten Augustin noch präsent ist. 3.2.5 Der erste Bundesschluss mit Abraham Der erste Bundesschluss Gottes mit Abram in Gen 15 enthält einen archaischen Ritus des Teilens von Tieren und des Durchlaufens durch die Tierhälften zur Bekräftigung des ‚Schneidens‘ dieses Bundes. Wahrscheinlich steht hinter den geteilten Tieren auch eine bedingte Selbstverfluchung, sollte man den Bund brechen.183 Augustin freilich scheint dieser religionsgeschichtliche Hintergrund nicht bewusst gewesen zu sein, jedenfalls deutet er diesen vor seinem eigenen kulturellen Hintergrund sicherlich ungewöhnlich erscheinenden rituellen Bundesschluss konsequent allegorisch. Zwar ließen nach und nach andere theologische Streitigkeiten wie der Donatistische und schließlich der Pelagianische Streit Augustins Auseinandersetzungen mit dem Manichäismus in den Hintergrund treten, auch weil er sich als Bischof etablieren konnte und immer weniger gegen den Vorwurf seiner eigenen manichäischen Vergangenheit anzukämpfen hatte. Lassen sich zwar nach dem Jahr 405 immer weniger Kontroversen Augustins mit dem Manichäismus beobachten, so heißt das aber nicht, dass er diese Stoßrichtung verloren hätte. So zeigen sich gerade in Augustins alttestamentlichen Erörterungen in ciu., obwohl in einer Zeit geschrieben, in der der Streit mit den Pelagianern für ihn ein viel drängenderes Problem darstellte, immer wieder Argumentationen, die seiner antimanichäischen Phase entlehnt sind bzw. dort gefasste Gedanken zur Apologie des Alten Testaments weiterführen. Augustin nimmt die Frage Abrams an Gott, woran er erkennen könne, dass er der Erbe des Landes sei (Gen 15,8), zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen 7 verweist Augustin auf c. Faust. (12,9), weil es dort weitere Ausführungen zur allegorischen Deutung des von Kain getöteten Schaf hirten Abel als auf den guten Hirten Christus vorausweisende Gestalt gibt, der von den Juden getötet wurde. In ciu. XV 26 macht Augustin darauf aufmerksam, dass er noch weitere, über ciu. hinausgehende allegorische Deutungen der Arche auf Christus und die Kirche hin in seiner Schrift gegen Faustus niedergeschrieben hat (vgl. c. Faust. 12,14–22). In ciu. XVI 19 bezieht er sich auf diese Schrift (vgl. c. Faust. 22,33– 40), da sich in ihr weitere Argumente zur Verteidigung Abrahams finden, der in Gen 12 seine Frau Sarah vor dem Pharao als seine Schwester ausgegeben hat. Schließlich gibt es noch einen Hinweis auf c. Faust. 12,42 in Kapitel ciu. XVI 41, in dem Augustin den Segen Jakobs an Juda auslegt. 183  Claus Westermann schreibt zu diesem Ritus: „Zu dem Schwurritus des Hindurchgehens zwischen den Teilen eines (oder mehrerer) Tieres gibt es viele Parallelen, es muß ein weit verbreiteter und zu ganz verschiedenen Zeiten geübter Ritus gewesen sein. Die nächste biblische Parallele ist Jer 34,18 f.“. Aus dieser Stelle „ergibt sich auch die wahrscheinlichste Deutung einer bedingten Selbstverfluchung, dargestellt in den zerschnittenen Tieren, deren Geschick der Hindurchschreitende für den Fall der Übertretung auf sich nimmt“ (Westermann, Genesis II, S.  271).

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zum ersten Bundesschluss. Diese Frage sei nicht aufgrund des Zweifels Abrahams an den Verheißungen Gottes erfolgt, wurde doch unmittelbar davor in Gen 15,6 der Glaube Abrahams, der „ihm zur Gerechtigkeit angerechnet wurde“, gerühmt.184 Abraham wollte mit dieser Frage vielmehr wissen, auf welche Weise die Verheißung sich bei ihm erfüllen werde; er wünschte ein „Sinnbild“ (similitudo)185 dafür.186 Augustin stellt hier eine heilsgeschichtliche Parallele zwischen Abraham und der Jungfrau Maria her, die mit ihrer Frage, wie sie denn ohne Beischlaf mit einem Mann schwanger werden könne (Lk 1,34), auch nicht an der Tatsache selbst gezweifelt hat, dass Gott dies bewirken könne, sondern nur wissen wollte, auf welche Weise das denn geschehen könne.187 Diese Argumentation wird wohl nicht zuletzt geführt, um einmal mehr den im Glauben vorbildlichen Abraham von negativen Aspekten, wie etwa dem Zweifel am Heilshandeln Gottes, freizusprechen. Der Ritus des Bundesschlusses in Gen 15 wird von Augustin allegorisch auf die Zukunft des irdischen Volkes Israel bezogen (Kategorie a). Dabei dienen ihm die beiden Gottesreden an Abram in Gen 15,13–16.18–21, die in den Ritus eingebunden sind, als Gerüst seiner geschichtstheologischen Auslegung des Bundesschlusses. Die Bundesthematik selbst gerät dabei in den Hintergrund, wohl auch, da Augustin diesen Bund rein auf das irdische Volk Israel bezieht, das das Land Kanaan erhalten soll.188 In den Reden kündigt Gott Abram an, dass sein Same in einem fremden Land 400 Jahre lang leben wird, bevor er von Gott befreit und begütert von dort ausziehen und wieder in das Land Kanaan zurückkehren wird. Zudem soll Abram selbst in hohem Alter und in Frieden sterben. Schließlich wird Abram in Gen 15,18–21 noch einmal verheißen, dass seinem Samen das Land Kanaan als Besitz gegeben werden wird. Neben der allegorischen Auslegung des Bundesritus beschäftigt sich Augustin in ciu. XVI 24 ausführlicher mit der in Gen 15,13 genannten Jahreszahl. 184 Vgl.

ciu. XVI 24, S.  526, Z.  29–32. ciu. XVI 24, S.  526, Z.  35. 186 Vgl. ciu. XVI 24, S.  526, Z.  32–35. 187 Vgl. ciu. XVI 24, S.  526, Z.  35–39. Jean Daniélou stellt heraus, dass es hier nicht nur um eine heilsgeschichtliche Parallelisierung der beiden Gestalten Abraham und Maria geht, sondern auch um die Kollektive, die sie repräsentieren: „L’un et l’autre ont été les premiers à accueillir le dessein de Dieu. Abraham contient déjà en lui tout Israël, comme Marie toute l’Eglise.“ Beide Gemeinschaften, das Volk Israel wie die Kirche, wurden zuvor verheißen und beruhen auf einem wunderhaften Eingreifen Gottes, das eine Geburt ermöglicht, die nach dem Gesetz der natura unmöglich gewesen wäre (vgl. Daniélou, Abraham, S.  177). Kritisch anzumerken wäre hier allerdings, dass im Denken Augustins sowohl das Volk Israel als auch die ecclesia ihren Anfang nicht einfach in Abraham oder Maria nehmen. Das Werden Israels zum populus dei ist vielmehr ein geschichtlicher Prozess (in dem Abraham freilich eine zentrale Rolle spielt; s. Abschnitt 2.2.6 mit Anm.  210). Augustins Vorstellung der ecclesia ab Abel wiederum zeigt an, dass die Entstehung der ecclesia (und ihr Verhältnis zur ciuitas dei sowie zur ‚sichtbaren‘ Kirche) ein weitaus komplexeres Phänomen ist, als es nach den Aussagen Daniélous den Anschein hat. 188 Vgl. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  112–117. 185 

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Demnach werde das Volk Israel insgesamt 400 Jahre lang als Fremdlinge in Ägypten unterjocht werden. Diese Aussage wird insofern zum Problem, da u. a. der Apostel Paulus in Gal 3,16 f. von der ersten Verheißung an den 75-jährigen Abraham bis zur Gabe des Gesetzes an Mose (kurz nach dem Ende der Knechtschaft in Ägypten) 430 Jahre rechnet.189 Augustin versucht diese Angaben zum einen zu harmonisieren, indem er annimmt, dass die in Gen 15,13 angegebenen 400 Jahre als runde Zahl zu verstehen sind und eigentlich von etwas mehr Jahren (nämlich 430) ausgegangen werden muss.190 Zum anderen meinen die 400 Jahre nicht die Gesamtzahl der Jahre von der Verheißung an Abram bis zum Auszug aus der ägyptischen Gefangenschaft, sondern lediglich den Zeitraum, in dem die Knechtschaft stattfinden soll.191 Auffällig ist darüber hinaus, dass es in Gen 15 zwei verschiedene zeitliche Angaben der Verweildauer des Volkes Israel außerhalb Kanaans gibt: Neben den von Augustin behandelten 400 Jahren in Vers 13 ist in Vers 16 die Rede davon, dass das Volk Israel bereits in der „vierten Generation“ (generatio quarta) – von Abraham aus gesehen – in das Land Kanaan zurückkehren wird. Unabhängig davon, wie viele Jahre genau man ein Menschenalter, eine generatio nach antikem Verständnis, umfassen lässt, in jedem Fall sind die vierhundert Jahre nicht mit den vier Generationen zu vereinbaren.192 Die auf Abraham folgende vierte Generation wäre diejenige der Josephsöhne Ephraim und Manasse, die ja noch weit von der Generation entfernt ist, die unter Josua das Land Kanaan in Besitz nahm.193 Während Augustin also bemüht ist, die 400 Jahre mit den von Paulus (und Eusebius)194 angegebenen 430 Jahren zu harmonisieren, problematisiert er diese erhebliche Diskrepanz, die innerhalb des Bibeltextes in Gen 15 selbst vorliegt, auffälligerweise nicht. Mög189 Vgl.

ciu. XVI 24, S.  528, Z.  87–93. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  83–87. Wie bereits in ciu. XVI 16 folgt Augustin hier Eusebius, der davon ausgeht, dass zwischen dem Jahr der Verheißung der Nachkommenschaft und des Landes an Abraham (Gen 12,1–3) und dem Exodus des Volkes Israel aus Ägypten mit der anschließenden Gabe des Gesetzes am Berg Sinai 430 Jahre liegen; vgl. mit Quellenverweis Abschnitt 3.2.2 mit Anm.  130. 191 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  74–77. Augustin zieht hier (a. a. O., S.  527, Z.  7 7 – S.  528, Z.  80) als einen weiteren Beleg für diese Art der Zeitangabe der Bibel die bereits behandelte Stelle in Gen 11,32 an: Thara habe nämlich nicht 205 Jahre in Harran gelebt, sondern der Gesamtzeitraum seines Lebens (205 Jahre) ist in Harran zu Ende gegangen (vgl. dazu auch Abschnitt 3.2.2 mit Anm.  113). 192  Claus Westermann erklärt diese Diskrepanz damit, dass es sich bei Vers 16 um eine sekundäre Einfügung handelt (vgl. Westermann, Genesis II, S.  270). 193  Man denke zudem noch daran, dass Mt 1,17 ein wichtiger chronologischer Stützpfeiler für die Weltzeitalterlehre Augustins ist. Und hier werden ja insgesamt 14 generationes angegeben, die zwischen Abraham und David liegen. Nähme man nun mit Gen 15,16 an, dass zum Zeitpunkt der Landnahme erst die vierte Generation nach Abraham gelebt hat, so ergäben sich unlösbare Schwierigkeiten, die restlichen 10 Generationen in die Zeit zwischen der Landnahme und König David unterzubringen. Vielleicht ist das ein Grund, warum sich Augustin dieser Frage im Unterschied zur leichter erklärbaren Diskrepanz zwischen 400 und 430 Jahren nicht stellt – übrigens auch nicht in seinen qu. 194  Vgl. mit Quellenverweis Abschnitt 3.2.2 mit Anm.  130. 190 Vgl.

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licherweise identifizierte Augustin auch die in Gen 15,16 angekündigte Rückkehr mit dem Begräbnis Jakobs in der Höhle des Grundstücks Machpela in Kanaan (vgl. Gen 50,1–14). Bereits in ciu. XV ist aufgefallen, dass Augustin ein großes Interesse an Jahreszahlen hat und sich bei seiner Darstellung der Geschichte der beiden ciuitates darum bemüht, sich aus den biblischen Angaben ergebende chronologische Probleme zu lösen.195 Das liegt zum einen in seiner generellen Überzeugung begründet, dass „die göttliche Vorsehung alle raumzeitlichen Gegenstände und Ereignisse nach Zahlen geordnet hat“,196 was Augustin bei seiner Schriftexegese immer wieder zu symbolischen Zahleninterpretationen animiert.197 Zum anderen, und damit zusammenhängend, dienen diese Erläuterungen Augustins dem Erweis einer in sich stringenten, wohlgeordneten historia, von der die biblischen Schriften zeugen – eine der zentralen Darstellungsabsichten in ciu. XV-XVIII. Der Ritus des Bundesschlusses wird von Augustin in erster Linie als Illustration bzw. „Sinnbild“ (similitudo) dessen verstanden, was Gott Abraham über die Zukunft seines Samens sagt. So könnten die drei Tiere, die geteilt werden, als drei Zustände des Volkes Israel angesehen werden.198 Ob „durch die Kuh […] das Volk unter dem Joch des Gesetzes dargestellt wird, durch die Ziege dasselbe Volk in seiner zukünftigen Sündhaftigkeit, durch den Widder dasselbe Volk in seiner Bestimmung zur Herrschaft“,199 oder ob diese drei Tiere etwas anderes bedeuten, lässt Augustin offen, entscheidet sich aber bei seiner weiteren Darstellung für diese Interpretation. Dass er hier von mehreren möglichen Interpretationen ausgeht, ist wahrscheinlich seiner Lektüre von Ambrosius’ Abr. geschuldet, der dort nämlich ­einige Deutungen der drei Tiere Kuh, Ziege und Widder vermittelt. Eine genauere Betrachtung der von Ambrosius dargestellten Deutungsmöglichkeiten 195  Vgl.

seine Auseinandersetzung mit den Lebensaltern der Patriarchen in ciu. XV 9–14 (s. Abschnitt 1.2.6) sowie mit den Nachkommen Kains in ciu. XV 20 (s. Abschnitt 1.2.5). 196  So formuliert Christoph Horn unter Bezugnahme auf lib. arb. 2,42, S.  7 7, Z.  2 8 – S.  78, Z.  3 (vgl. Horn, Art. Numerus, Sp.  229). An anderer Stelle macht Horn deutlich, dass bereits in den Frühschriften Augustins der Begriff einer „umfassende[n] Zahlenordnung“ entwickelt wird, der „zugleich den individuellen Formaspekt wie die universelle prouidentia erklärt“ und mit der „sich eine Reihe naturphilosophischer Spekulationen“ verbindet (Horn, Philosophie der Zahlen, S.  389). Es ist wohl auch von Einflüssen des spätantiken Neupythagoreismus auf das Denken Augustins auszugehen, in dem Zahlenverhältnisse und -symboliken eine große Rolle spielten (vgl. Heim, Théoricien). 197  Vgl. einführend Horn, Art. Numerus, Sp.  2 34 f. sowie das Unterkapitel „Die Rolle der Wissenschaften, namentlich die Technik der Arithmologie, in der allegorischen Exegese“ in: Marrou, Ende, S.  373–380. 198 Vgl. ciu. XVI 24, S.  526, Z.  38 – S.  527, Z.  42. 199  „siue ergo per iuuencam significata sit plebs posita sub iugo legis, per capram eadem plebs peccatrix futura, per arietem eadem plebs etiam regnatura […], siue aliquid aliud conuenientius ista significent“ (ciu. XVI 24, S.  527, Z.  42–44.51).

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vermag daher die Deutung des ersten Bundesschlusses durch Augustin zu erhellen.200 Ambrosius sieht zunächst in den drei Tieren die drei Elemente allegorisch abgebildet: So stehe die auf dem Erdboden arbeitende Kuh bzw. das „Kalb“ (uitulus) für die „Erde“ (terra), die „Ziege“ (capra) dagegen für die „Gewässer“ (aquae), was Ambrosius vom griechischen Wort für „Ziege“ (αἴξ) und dessen morphologischer Nähe zum Verb αἴσσειν herleitet, das ihm zufolge „mit Ansturm fortgerissen werden“ (impetu ferri) bedeutet. Schließlich stehe der „Widder“ (aries) für die „Luft“ (aer), da der Widder den Menschen am nützlichsten ist, indem er ihnen (durch sein Fell Wolle für ihre) Kleidungsstücke liefert, wie die Luft ihnen die „lebenserhaltende Substanz“ (substantia uitalis) gewährt.201 Der Widder bedeute also die „lebenserhaltende Luft“ (aer uitalis)202 bzw. den „lebens­ erhaltenden Atem“ (spiritus uitalis)203. Zwischen dieser Position und derjenigen Augustins lassen sich gewisse Bezüge herstellen: Wie bei Ambrosius, so wird auch bei Augustin die Kuh vornehmlich mit der unfreiwilligen Arbeit auf der Erde assoziiert (und bei Letzterem auf die Knechtschaft Israels unter dem Gesetz bezogen). Dass die Ziege nach Ambrosius für reißende Gewässer steht, könnte sich insofern auf Augustins Deutung dieses Tiers als Symbol der „zukünftigen Sündhaftigkeit“ (peccatrix futura)204 Israels ausgewirkt haben, als ja die reißenden Wasserströme der Sintflut nach biblischem Verständnis in einem engen Kausalzusammenhang mit der Sündhaftigkeit des Menschen stehen, insofern die Fluten nämlich die Folge der Sündhaftigkeit sind. Die ambrosianische Deutung des Widders als Symbol der Luft dagegen lässt sich mit der Deutung Augustins dieses Tieres als Symbol der Bestimmung des Volkes Israel zur Herrschaft nicht vereinbaren. Hinter dieser Deutung des Widders bei Augustin könnte auch schlicht die weit verbreitete Vorstellung stehen, dass der Widder aufgrund seiner imposanten äußeren Erscheinung männliche Stärke und Herrschaft repräsentiert und oftmals als ‚Leithammel‘ (aries dux) einer Herde fungiert.205 200 

Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Bardy, Le sacrifice. Auch Philo von Alexandrien hatte bereits eine allegorische Auslegung des Bundesschlusses in Gen 15 vorgenommen, die wiederum Ambrosius inspiriert haben könnte (vgl. QG III 1–16; s. dazu Wiefel, Buch, S.  874–878; zur Auslegung der Gestalt Abrahams durch Philo vgl. Niehoff, Philon, S.  147– 150 [bezogen auf Abr.]; a. a. O., S.  218–222 [bezogen auf QG] sowie dies., Einführung, S.  13–20 [bezogen auf Migr.]). 201  „uitulus enim aratorium animal est deditum terreno labori. capra ad aquarum similitudinem per aenigmata figuratur, eo quod αἴξ graece παρὰ τὸ αἴσσειν nomen acceperit ab eo quod est impetu ferri. sic enim currit sicut et aqua: possumus uel de fluuiorum sono, cursu uel maris uiolentis aestimare fluctibus. aeri autem conparatur aries, quia omnibus animantibus utilius hoc animal generi esse humano repperitur; quandoquidem et uestis usum nobis exhibet, sicut aer huius spiritus uitalem nobis ministrat substantiam.“ (Ambrosius, Abr. II 8,50, S.  603, Z.  13–21) 202  Vgl. Ambrosius, Abr. II 8,50, S.  6 04, Z.  3. 203  Vgl. Ambrosius, Abr. II 8,50, S.  6 03, Z.  21. 204 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  4 4. 205  Vgl. DNG 1, Sp.  4 42.

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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Eine weitere Deutungsmöglichkeit, die Ambrosius ausführt, zeigt noch deutlichere Parallelen zur allegorischen Interpretation der drei zu halbierenden Tiere in ciu. XVI 24. So könne man in jedem Menschen das „Fleisch“ (caro), die „Sinne“ (sensus) und das „Wort“ (uerbum) unterscheiden.206 Diese anthropologische Einsicht bringt Ambrosius mit den drei Tieren in Verbindung: „Das Kalb (bedeutet) unser Fleisch: Es arbeitet, um zu säen; es arbeitet, um zu ernten; es arbeitet, um etwas hervorzubringen; es plagt sich ab mit unzähligen Arbeiten.“207 Während das Kalb bzw. der „Ochse“ (bos)208 also für das Fleisch, d. h. für die „Substanz des (menschlichen) Körpers“ (substantia corporalis)209 steht, repräsentiere die Ziege die menschlichen Sinne: Unsere Sinne aber springen ganz nach der Weise der Ziegen an der Schlucht hinauf, und sie grasen (wie die Ziegen) auf den steilsten Weiden, indem sie mit ihrem Drang jene Erregungen der Seele verursachen und diese (damit) aufrütteln. Zu jeder Gelegenheit sind sie zur Stelle, ob bei der Begegnung mit der Schönheit einer Frau, oder beim Geruch von irgendetwas Süßem.210

Dieser Deutung der Ziege als Repräsentation der sprunghaften und die menschliche Seele leicht (zum Negativen) beeinflussenden menschlichen Sinne stellt Ambrosius schließlich noch den Widder entgegen,211 der ein Gleichnis des „Wortes und der Predigt“ (uerbum ac sermo), ja sogar des „Wortes Gottes“ (uerbum dei) ist. Wie der Widder zum Zweck der Herstellung von Bekleidung in der Ordnung einer Herde gehalten werden muss, so ergibt sich aus dem Wort (Gottes) eine „Ordnung des Lebens“ (ordo uitae), und wie der Mensch durch die Wolle des Widders bekleidet wird, so findet er auch durch das Wort eine Bekleidung, die es ihm schlussendlich ermöglicht, in das „Haus des ewigen Heils“ (domus aeternae salutis) einzutreten. Die ambrosianische Deutung des Kalbs bzw. des Ochsen als Gleichnis für das menschliche „Fleisch“ (caro) findet ihre Entsprechung in Augustins Deutung desselben Tiers als Symbol für das Volk Israel 206  „in

omnibus enim hominibus caro, sensus et uerbum est.“ (Ambrosius, Abr. II 8,51, S.  604, Z.  9 f.) 207  „caro nostra uitula est: laborat ut serat, laborat ut colligat, laborat ut pariat; innumeris fatigatur laboribus.“ (Ambrosius, Abr. II 8,51, S.  604, Z.  10 f.) 208  Vgl. Ambrosius, Abr. II 8,51, S.  6 04, Z.  13. 209  Vgl. Ambrosius, Abr. II 8,51, S.  6 04, Z.  19. 210  „sensus autem nostri caprarum modo uelut saltu quodam exiliunt et pascuntur praeruptioribus, impetus ui commotiones excitantes animae et concutientes eam. ad omnem occasionem praesto sunt uel occursu femineae pulchritudinis. uel odore suauitatis alicuius.“ (Ambrosius, Abr. II 8,51, S.  604, Z.  19–23) 211  „in ariete uero uerbi ac sermonis nostri habetur similitudo, quod sit vehemens, sicut et sermo noster efficax operationis et quaedam ornatus nostri et tegminis causa sit. aries per usum uestium ordine quodam gregem ducens, sicut ordo quidam uitae ususque nostri uerbo explicatur. arbitror autem quod illud uerbum magis intelligere debeamus, quod est uerbum dei, cum quo aries iste habere uideatur non mediocrem cognationem, quod uerbum nos uero tegmine sui uestivit uelleris et in domo introducit aeternae salutis.“ (Ambrosius, Abr. II 8,52, S.  605, Z.  10–18)

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„unter dem Joch des Gesetzes“ (plebs sub iugo legis).212 Man denke hier an die von Augustin geteilten Äußerungen des Apostels Paulus, dass das Volk Israel „nach dem Fleisch“ (κατὰ σάρκα / secundum carnem)213 noch immer unter dem Gesetz des Alten Bundes steht, von dem das geistliche Volk Israel, also die Christusgläubigen, durch Christus befreit wurde.214 Auch zwischen der allegorischen Deutung der Ziege als Symbol der menschlichen, verführbaren und die Seele beeinträchtigenden „Sinne“ (sensus) und der von Augustin mit der Ziege assoziierten „zukünftigen Sündhaftigkeit“ (peccatrix futura)215 des Volkes Israel besteht ganz offensichtlich ein enger inhaltlicher Zusammenhang. Ein solcher Zusammenhang lässt sich in gewisser Weise auch zwischen der Deutung des Widders als „Wort Gottes“ (uerbum dei) bei Ambrosius und derjenigen als Vorbild für das Volk Israel „in seiner Bestimmung zur Herrschaft“ (plebs regnatura)216 bei Augustin herstellen, insofern nämlich diese Bestimmung Israels zur Herrschaft letztlich Gottes Willen entspricht, wie er in seinen Verheißungen an die Erzväter – also ebenfalls in uerbi dei – zum Ausdruck kommt. Diese traditionsgeschichtlichen Betrachtungen abschließend, spricht also vieles dafür, dass Augustin sowohl die auf die drei Elemente (Erde, Wasser, Luft) als auch die auf eine Anthropologie (Fleisch, Sinne, Wort [Gottes]) zielenden allegorischen Deutungen von Kalb bzw. Ochse, Ziege und Widder durch Ambrosius kannte und sie in seine eigene geschichtstheologische, auf die drei Zustände des Volkes Israel (Knechtschaft, Sündhaftigkeit, Herrschaft gemäß der göttlichen Verheißung) sich richtende allegorische Auslegung dieser drei Tiere hat einfließen lassen. Das Alter der drei Tiere, nämlich jeweils drei Jahre, bezieht Augustin in ciu. XVI 24 auf seine Weltzeitalterlehre: Das Volk Israel steht im dritten Weltzeitalter (die Zeit von Abraham bis David), als es diese drei Zustände nacheinander durchläuft: die Unterjochung unter das am Sinai gegebene Gesetz des Alten Bundes, die (u. a. bei der Erzählung vom Goldenen Kalb sichtbar werdende) Sündhaftigkeit während der Wüstenwanderung, die sich bis hinein in die Zeit Josuas und der Richter fortsetzt. Der dritte Zustand schließlich ist die Bestimmung zur Herrschaft, die sich in der Landnahme bis hin zur vollen Herrschaft über das verheißene Land unter König David erfüllt.217 Die Teilung dieser drei 212 Vgl.

ciu. XVI 24, S.  527, Z.  43. Vgl. Gal 4,23.29 und ciu. XV 2, S.  454, Z.  10; S.  455, Z.  20. 214  Vgl. hierzu insbesondere die paulinische Darstellung der Bedeutung der Sklavin Ha­gar und der Freien Sarah für das irdische, unter dem Gesetz versklavte Volk Israel und für die durch Christus vom Gesetz (und seiner todbringenden Wirkung) befreiten Christen in Gal 4,21–31. 215 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  4 4. 216  Vgl. ebd. 217 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  45–51. Ambrosius versteht die Dreijährigkeit der Tiere – bezogen auf seine allegorische Deutung von Kalb, Ziege und Widder als Symbole für die drei Elemente (Erde, Wasser und Luft) – so, dass jedes dieser Elemente drei Erscheinungsformen 213 

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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Tiere versteht Augustin als Hinweis auf den Zustand der inneren Spaltung (di­ uisio inter se)218 , in dem sich die fleischlich gesinnten Menschen im Volk Israel befinden werden. Demgegenüber teilte Abraham nach Gen 15,10 die „Turteltaube“ (turtur) und die „Taube“ (columba) nicht,219 sie sind also „einfältig und unschuldig“ (simplex et innoxius)220 und weisen auf diejenigen „Geistesmänner“ (spiritales)221 im Volk Israel hin, die „ungeteilten Herzens Söhne der Verheißung und Erben des in ewiger Seligkeit fortbestehenden Reiches“222 sein werden. Diese auf der Erde pilgernden Glieder der ciuitas dei können sich entweder wie die scheue Turteltaube ganz vom irdischen Treiben der Menschen fernhalten (eventuell ist hier an die weltabgewandte Lebensweise einiger Propheten und Gottesmänner gedacht) oder wie die Taube mitten unter ihnen wohnen.223 Die Raubvögel, die nach Gen 15,11 auf die zerteilten Stücke der Tiere herabstoßen, stehen demgegenüber für die bösen „Geister dieser Luft“ (spiritus aeris huius),224 die sich von der Zwietracht (diuisio) der irdischen Menschen nähren. Auch im Fall der Taube und der Turteltaube lohnt ein Blick in die Deutungen des Ambrosius. Ihm zufolge präfigurieren Taube und Turteltaube einerseits jene Vögel, die die Jungfrau Maria nach der Geburt Jesu und den Tagen ihrer Reinigung am Tag der ‚Darstellung‘ Jesu im Tempel darbringt (vgl. Lk 2,21– 24).225 Ferner kann Ambrosius die beiden Vögel auch als (eschatologisch zu hat. Man könne die Erde in Kontinente, Halbinseln und Inseln differenzieren, das Wasser in Meere, Flüsse und Seen und schließlich die Luft in die drei Jahreszeiten Frühling, Sommer und Winter: „quia terra ipsa inter tres diuiditur species sui – aut enim continens aut insula aut peninsula est –, aqua ipsa in tria, quia aut mare es, aut fluuii aut lacus; […] aer quoque habet diuisiones temporum ueris aestatis [autumni] hiberni. et haec mundana diuisio est.“ (Ambrosius, Abr. II 8,55, S.  609, Z.  7–10.12 f.) Die Handschrift „Parisiacus 3984“ aus dem 9. Jahrhundert fügt nach „aestatis“ noch „autumni“ ein, sie komplettiert also die vier Jahreszeiten, indem sie den drei von Ambrosius genannten noch den Herbst hinzufügt. Dies läuft aber gegen die Textpragmatik von Abr., will doch Ambrosius durch die drei genannten Jahreszeiten Frühling, Sommer und Winter eine Verbindung zur Dreijährigkeit des Widders herstellen. 218 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  54.64. 219 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  4 0 f. 220 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  57. In seiner Schrift bapt. verwendet Augustin die „Taube“ (columba) mehrfach als ein ekklesiologisches Motiv innerhalb seiner antidonatistischen Argumentation und hebt dabei u. a. auf die „Einfachheit“ (simplicitas) und „Unschuld“ (innocentia) der Glieder dieser Taube ab (vgl. bapt. 5,24, S.  283, Z.  3 –9; s. dazu Bouton-Touboulic, Art. Simplex, Sp.  460 f. mit Anm.  13). 221 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  52. 222  „indiuiduos filios promissionis et heredes regni in aeterna felicitate mansuri“ (ciu. XVI 24, S.  527, Z.  59 f.). 223 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  53–57. 224 Vgl. ciu. XVI 24, S.  527, Z.  61 f. 225  „qua causa cum dies octo conplerentur ex Mariae uirginis partu, tulerunt dominum nostrum Iesum in Hierusalem, ut offerrent domino secundum legem et ut darent hostiam par turturum aut duos pullos columbarum; eo quod in columba spiritalis gratia sit, in turture incorruptae generationis natura uel inmaculati corporis castimonia.“ (Ambrosius, Abr. II 8,53, S.  606, Z.  7–13)

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empfangenden) Verdienst verstehen; so repräsentiere die Taube die „geistliche Gnade“ (gratia spiritalis), während die Turteltaube die „reine Keuschheit“ (castimonia incorrupta) des verklärten Leibes darstellt.226 Schließlich kann Ambrosius noch unter Bezugnahme auf Mt 13,32 Folgendes über die beiden Vögel sagen: Und genau das ist es, was die Vögel darstellen, wir können sie verstehen als den Flug der himmlischen Verdienste. Denn die Vögel des Himmels sind es, die kommen und in den Zweigen jenes Baumes wohnen, der aus einem kleinen Senf korn hervorgegangen ist [Mt 13,32], das (wiederum) mit dem Himmelreich verglichen wird.227

Schließlich macht sich auch Ambrosius über die ‚Ungeteiltheit‘ der beiden Vögel im Gegensatz zu den drei Landtieren in Gen 15 Gedanken. Die ungeteilte Taube bedeute den „Glauben“ ( fides) und die ungeteilte Turteltaube den Verstand bzw. den „(menschlichen) Geist“ (mens): Denn der Glaube bleibt vollständig [integer], wie es die Art der Taube ist, die sich in die Höhe erhebt, indem sie die oberen Sphären durchwandert und mit den Rudern ihrer geistlichen Flügel im Himmel umherschwebt. Ebenso wird mit der Turteltaube der (menschliche) Geist [mens] verglichen, wie es die Gewohnheit dieses Vogels ist, sich von den Geheimnissen [secreta] zu ernähren, da sie nach jenem intelligiblen und unteilbaren Wesen der Trinität sucht und in gewisser Weise dem Haufen der Geschöpfe entflieht, indem sie sich nicht mit der Gemeinschaft (der körperlichen Wesen) vermischt und sich von allem Verderben der Leidenschaften absondert.228

Die allegorischen Deutungen von Taube und Turteltaube durch Ambrosius zielen durchweg auf die christliche Existenz der ungeteilt an Gott Glaubenden und die ihnen zukommenden Heilsgüter. Vor diesem Hintergrund nun erscheint die augustinische Deutung der beiden Vögel deutlich von den Ausführungen des Ambrosius inspiriert. Der inmitten der Tierhälften lagernde Abraham repräsentiert die inmitten der Glieder der ciuitas terrena ausharrenden Erwählten. Auf ihn fallen nun während des Sonnenuntergangs ein tiefer Schlaf und ein Schrecken und eine große Finsternis. All dies weist auf die endzeitlichen Drangsale (adflictiones)229, die die 226  „merito ergo ad sacrificium sumi iubentur post arietem turtur et columba, ut uerbo adhaerere intellegas incorruptam castimoniam et spiritalem gratiam.“ (Ambrosius, Abr. II 8,53, S.  606, Z.  13–15) 227  „et hoc ipso quidem quod aues posuit intelligere possumus caelestium meritorum uolatus. sunt enim uolucres caeli, quae ueniant et habitent in ramis eius arboris, quae de grano sinapis surrexerit, cui regnum conparatur caelorum.“ (Ambrosius, Abr. II 8,53, S.  606, Z.  15– 19) 228  „[sed ea quae sunt diuisa resolui postea, ea autem quae non sunt diuisa – aues enim, hoc est turturem et columbam non diuisit – numquam resolui.] fides enim manet integra, quae columbae more in sublime subrigitur, lustrans superna et spiritalibus alarum remigiis caelum circumuolans. turturi quoque mens illa confertur, quae auis usu istius secretis alitur, intelligibilem illam et indiuisam quaerens trinitatis substantiam, refugiens plebem quandam creaturarum et corporeae se non conmiscens congregationi atque ab omni passionum labe secernens.“ (Ambrosius, Abr. II 8,56, S.  609, Z.  22 – S.  610, Z.  6) 229 Vgl. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  106.

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Glieder der ciuitas dei unmittelbar vor dem Ende der Welt erdulden müssen.230 Der Sonnenuntergang steht also metaphorisch für den Gerichtstag, das ‚Feuergericht‘ über die irdisch Gesinnten.231 War Augustins Auslegung des Bundesritus mit den geteilten Tieren zunächst auf das irdische Volk Israel im dritten Weltzeitalter gerichtet (Kategorie a), so erhält sie nun eine weiterreichende Dimension, die die eschatologische Bestimmung der beiden ciuitates in den Blick nimmt (Kategorie c). Und so führt Augustin nach der Betrachtung der Gottesrede mit der Auslegung von Gen 15,17 fort, wonach nach dem Sonnenuntergang eine „Flamme“ ( flamma) und ein „rauchender Ofen“ ( fornax fumabunda) erschienen und „Feuerzungen“ (lampades ignis) zwischen den Tierhälften hindurchfuhren.232 Diese repräsentieren ja im Ritus des Bundesschlusses eigentlich die göttliche Gegenwart: Gott zieht in Form der Flammen durch die Tierhälften durch, um sich damit symbolisch zu dem Bund mit Abraham zu verpflichten. Augustin, dem dieser Ritus wohl unbekannt war, deutet die durch die Tierhälften fahrenden Flammen in der Weise, dass sie das Gericht über die fleischlich Gesinnten am Weltende ankündigen, wobei einige der fleischlich Gesinnten „durch das Feuer gerettet“ (per ignem saluare)233, während andere „im Feuer verdammt“ (in igne damnare) werden.234 Das Motiv, dass man „durch das Feuer gerettet werden kann“, findet sich bereits bei Paulus (vgl. 1Kor 3,15). Hier ist die Rede davon, dass diejenigen, die sich durch bleibenden Bestand habende Werke auszeichnen, am Tag des Gerichts Lohn empfangen werden (1Kor 3,12– 14). Der Glaubende aber, dessen „Werk“ (ἔργον) vor Gott keinen Bestand hat und verbrennt, wird im Endgericht zwar „Schaden leiden, er selbst aber wird gerettet werden, wie durch das Feuer hindurch“.235 Um diesen paulinischen Gedanken auf das Bild des von Augustin allegorisch gedeuteten Ritus in Gen 15 zu übertragen: Es ist also nicht etwa so, dass nur Abraham und die beiden Tauben, die ja als Repräsentanten der ciuitas dei eingeführt wurden, gerettet werden, sondern auch ein Teil der irdisch Gesinnten, die durch die Tierhälften repräsentiert werden. Die Entscheidung darüber, wer aus der Gruppe der irdisch Gesinnten durch das Feuer gerettet und wer durch das Feuer vernichtet wird, liegt im Bild bei den von Gott gesandten Feuerzungen. Demnach wird auch erst am Gerichtstag selber allein Gott darüber befinden, wen er aus den Reihen der ciuitas terrena durch seine Gnade befreien und so vor dem Vernichtungsgericht bewahren wird, indem er sie ‚durch das Feuer hindurch rettet‘. Zu denen, die bereits vor dem Tag des Gerichts zur ciuitas dei gehörten, gesellen sich also an 230 Vgl.

ciu. XVI 24, S.  527, Z.  63–68. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  105–112. 232 Vgl. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  103–105. 233 Vgl. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  111 f. 234 Vgl. ciu. XVI 24, S.  528, Z.  103–112. 235  εἴ τινος τὸ ἔργον κατακαήσεται, ζημιωθήσεται, αὐτὸς δὲ σωθήσεται, οὕτως δὲ ὡς διὰ πυρός. (1Kor 3,15) 231 Vgl.

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diesem Tag noch einige dazu, die Gott in seiner Gnade aus der ciuitas terrena aussondert und sie vor der Vernichtung rettet, die sie eigentlich aufgrund ihrer Werke und ihrer Lebensweise verdient hätten. 3.2.6 Hagar, Ismael, der verheißene Isaak und der zweite Bundesschluss Augustins Deutung der beiden Söhne Abrahams ist deutlich von Gal 4,21–31 geprägt,236 der paulinischen Polarität zwischen der fruchtbaren Magd Hagar und der unfruchtbaren Freien Sarah, zwischen dem auf natürlichem Wege geborenen Ismael und Isaak als dem „Sohn der Verheißung“ ( filius promissionis).237 Es spricht einiges dafür, Wendy E. Helleman zuzustimmen, wenn sie die innere Dynamik der Darstellung der Abrahamerzählungen durch Augustin in ciu. XVI 12–34 wie folgt beschreibt: „And so the story comes to a climax with the birth of Isaac (ciu. XVI 29), and an anticlimax with the casting out of Hagar and her son Ishmael.“238 Gleichwohl dürfte die allegorisch verstandene ‚Opferung‘ bzw. Bindung Isaaks in ciu. XVI 32 den Höhepunkt der augustinischen Interpretation der Arbrahamerzählungen darstellen. In ciu. findet bereits an früherer Stelle eine Auseinandersetzung Augustins mit Hagar und Sarah sowie deren Söhnen Ismael und Isaak statt,239 als er diese beiden Söhne Abrahams nämlich in ciu. XV 2 f. als heilsgeschichtliches exemplum einführt, das das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern Kain und Abel zu illustrieren vermag. In ciu. XV 2 wird insbesondere der Gedanke der dienenden Funktion der Magd Hagar im Gegenüber zur Freien Sarah und der Bedeutung dieser Funktion für die beiden ciuitates ausgeführt. Augustin zitiert in diesem Kapitel die gesamte Passage aus Gal 4,21–31, der allegorischen Deutung der Geschichte der beiden Abrahamsöhne Ismael und Isaak und deren Mütter Hagar und Sarah. In den Kategorien von „fleischlich“ (κατὰ σάρκα) und „geistlich“ (κατὰ πνεῦμα) bzw. „nach der Verheißung“ (δι᾿ ἐπαγγελίαϛ), den beiden Bundesschlüssen (δύο διαθῆκαι), dem Alten Bund am Sinai und dem Neuen Bund, der mit dem oberen, himmlischen Jerusalem assoziiert wird, sowie Knechtschaft (repräsentiert durch Hagar, die „Magd“ [ἡ παιδίσκη]) und Freiheit (repräsentiert durch Sarah die „Freie“ [ἡ ἐλευθέρα]) wird das Verhältnis 236 Vgl.

ciu. XVI 26, S.  530, Z.  48. In Gal 4,28, nachdem er die Magd Hagar mit dem Alten Bund und die Freie Sarah mit dem Neuen Bund gleichgesetzt hat, bezeichnet Paulus seine Adressaten (und mit ihnen alle Christen) als „Kinder der Verheißung“ (τέκνα ἐπαγγελίας), wie auch Isaak ein solcher Sohn der Verheißung gewesen ist. 237 Vgl. ciu. XVI 26, S.  530, Z.  47–50. 238  Helleman, Augustine, S.  108. 239  Der Einschätzung Wendy E. Hellemans, dass Sarah in ciu. XV 2 f. in einer allegorischen Weise behandelt würde, während es sich bei ihrer Behandlung in ciu. XVI lediglich um eine historische Darstellung („historical account“) handele, ist nur bedingt zu folgen, da auch in ciu. XVI allegorische Elemente in der Deutung Sarahs, etwa bei der Behandlung ihrer Namensänderung von Sarai zu Sarah (vgl. ciu. XVI 28), begegnen (vgl. Helleman, Augustine, S.  108).

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dieser beiden Mütter zueinander allegorisch auf das Verhältnis zwischen dem irdischen Volk Israel und dem wahren Gottesvolk der an Christus Glaubenden bezogen. In einer Art ‚mystischen Mutterschaft‘ wird Hagar so zur Mutter der (unter das Gesetz vom Berg Sinai) Geknechteten, nämlich des irdischen Volks Israel, während Sarah zur Mutter der (durch Christus) Befreiten, also derjenigen, die wie Paulus und die galatischen Christen Christus als ihren Heiland angenommen haben.240 Damit ist zugleich auch etwas über die beiden Söhne ausgesagt: Nicht der erstgeborene Sohn Ismael soll das Erbe der Verheißung empfangen, sondern Isaak (vgl. Gen 17,21), und so spricht Paulus, der Allegorie folgend, seine Adressaten in Gal 4,28 folgendermaßen an: „Ihr aber, Brüder, seid wie Isaak Kinder der Verheißung.“241 An diese Verse, in denen erwählungstheologische und heilsgeschichtliche Gedanken des Apostels Paulus in verdichteter Form begegnen, knüpft Augustin in ciu. XV 2 f. an. Wie der Apostel, so versteht auch er das Verhältnis zwischen Sarah und Hagar bzw. Ismael und Isaak als allegoria 242 (Gal 4,28: ἅτινά ἐστιν ἀλληγορούμενα· […]) und legt sie, die paulinischen Deutungen aufgreifend, weiter allegorisch aus.243 Es scheint sinnvoll, bevor das Augenmerk auf Augus240  Vgl. zum Konzept der ‚mystischen Mutterschaft‘ auch die Ausführungen in Abschnitt 1.2.2. 241  ὑμεῖς δέ, ἀδελφοί, κατὰ Ἰσαὰκ ἐπαγγελίας τέκνα ἐστέ. 242 Vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  11. 243  Wendy E. Helleman vertritt in ihrem Aufsatz „Augustine and Philo of Alexandria’s ‚Sarah‘ as a Wisdom Figure“ die diskussionswürdige These, dass Augustins allegorische Deutung von Sarah und Hagar wenn nicht direkt, so doch vermittelt durch andere christliche Autoren von Philos Schrift De congressu eruditionis gratia beeinflusst ist (vgl. Helleman, Augustine, S.  105). Bei Philo repräsentiert Hagar die έγκύκλια (έγκύκλιος παιδεία war ein vorbereitendes Curriculum, eine Entsprechung bzw. Vorform der späteren artes liberales; vgl. Koller, Art. Enkyklios, Sp.  503), während Sarah eine Figur der „Klugheit“ (φρόνησις) bzw. der „Tugend“ (ἀρετή) ist. Indem Abraham zunächst mit Hagar einen Sohn zeugt, bevor er dies mit Sarah tun kann, wird nach Philo darin die Bildung eines Menschen angezeigt, der sich zunächst mit den einführenden, sich mit den irdischen Dingen befassenden Wissenschaften beschäftigen muss, bevor er die Weisheit und die Tugend, beides geistige Größen, studieren und erlernen kann (vgl. Helleman, Augustine, S.  106 f.). Das Thema der Schrift Philos kann also nach Helleman mit der Formel „per corporalia ad incorporalia“ beschrieben werden – eine Bewegung, die sich ihr zufolge in der „Pilgerschaft“ (peregrinatio) der Bürger der ciuitas dei wiederfindet. Auch die Bürger der ciuitas dei waren zunächst, als sie noch Teil der massa damnata waren, fleischlich ausgerichtet, während sie durch die Erwählung und die göttliche Aufnahme in die ciuitas dei auf dem Weg zu einer geistlichen Existenz sind: „Arriving at their goal, they may expect to be welcomed by Sarah, as true mother of all believers. In implementation of the theme of pilgrimage, alongside antithesis of two cities, Augustine shows strong affiliation with a tradition that can certainly be traced back to Philo of Alexandria, and Christian adaption of his work.“ (Helleman, Augustine, S.  115) Jedoch scheint mir die Interpretation Sarahs und Hagars bei Augustin in ciu. XV 2 f. in allererster Linie von Paulus beeinflusst zu sein. Wie dieser, so argumentiert auch Augustin bei seiner Darstellung der beiden Mütter Hagar und Sarah vor allem antithetisch und kaum im Sinne einer Entwicklung. Auch für die von Helleman formulierte Formel Philos, „per corporalia ad incorporalia“, findet sich eine Entsprechung in 1Kor 15,46, die von Augustin

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tins Behandlung der vier biblischen Figuren Hagar, Sarah, Ismael und Isaak in ciu. XVI gerichtet werden soll, sich zunächst den beiden Kapiteln in ciu. XV zuzuwenden. In ciu. XV 2 zitiert Augustin – wie bereits gesagt – den gesamten Abschnitt Gal 4,21–31, den er als Kernstelle zum Verständnis des Verhältnisses zwischen den Schriften des Alten und des Neuen Testaments ansieht,244 sowie den ersten Teil des darauffolgenden Verses Gal 5,1: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Das auf der Erzählung der Genesis fußende Verständnis Hagars als Magd bzw. als „Dienerin“ (ancilla) bezieht Paulus in Gal 4,25 allegorisch auf das jetzige, ‚fleischliche‘ Jerusalem, d. h. diejenigen Juden, die Christus nicht angenommen haben, die unter dem Joch des Gesetzes stehen und insofern unfreie Kinder der Unfreien Hagar sind – im Gegensatz zu den durch Christus befreiten Kindern der Freien Sarah.245 Augustin stellt in ciu. XV 2 die mit der ‚Dienerin‘ Hagar verbundenene Allegorie in einen neuen Zusammenhang, indem er in ihrem Dienen (und dem Dienen ihrer Kinder) eine heilsgeschichtliche Funktion erkennt. Er versucht nämlich zu verdeutlichen, auf welche Weise nicht nur die auf der Erde pilgernden Glieder der ciuitas dei auf die himmlische Gottesstadt verweisen, sondern auch die Glieder der ciuitas terrena eine „dienende“ (seruire) Funktion einnehmen, insofern sie ein „prophetisches Schattenbild“ (imago prophetica) der himmlischen Gottesstadt, der „heiligen Stadt“ (ciuitas sancta), darstellen.246 So sei beispielsweise auch die von Kain gegründete, ‚Henoch‘ genannte Stadt (vgl. Gen 4,17)247 in gewisser Weise ein „dienendes Schattenbild“ (imago seruiens)248 der ciuitas dei. Allerdings schränkt Augustin diese dienende Funktion der ciuitas terrena sogleich wieder ein: „Ein Teil der irdischen Bürgerschaft [ciuitas terrena] ist also ein Bild der himmlischen Bürgerschaft [ciuitas caelestis = ciuitas dei] geworden, indem er nicht auf sich selber, sondern auf die andere [Bürgerschaft, d. h. die ciuitas dei] hinwies, und deshalb dienend war.“249 Die ciuitas terrena erscheint häufiger bemüht wird (vgl. etwa bezogen auf Kain und Abel: ciu. XV 1, S.  453, Z. 29–33; s. dazu Abschnitt 3.3.3 mit Anm.  412). 244 „haec forma intellegendi de apostolica auctoritate descendens locum nobis aperit, quem ad modum scripturas duorum testamentorum, ueteris et noui, accipere debeamus.“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  24–27) 245  Bereits in früheren Schriften hatte Augustin Isaak und Ismael als Versinnbildlichung der beiden Bundesschlüsse (duo testamenta) verstanden; vgl. etwa diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  31– 33; c. Faust. 12,37, S.  364, Z.  13–16; s. dazu Drecoll, Art. Isaac, Sp.  745. 246 Vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  1–5. 247  Vgl. das Ende des ciu. XV 2 vorausgehenden Kapitels: ciu. XV 1, S.  454, Z.  55–61. 248 Vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  5. Die diesbezügliche Auffassung John A. Laoyes, „the earthly city contains both, civitas diaboli and civitas Dei“, geht allerdings zu weit; auch scheint seine Differenzierung zwischen „earthly city“ und ciuitas diaboli / terrena nicht konsistent zu sein (Laoye, Apologetic use, S.  129 f.). 249  „pars enim quaedam terrenae ciuitatis imago caelestis ciuitatis effecta est, non se significando, sed alteram, et ideo seruiens.“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  27–29).

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hier also zweigeteilt: Während ein Teil ihrer Glieder nichts weiter als der Sünde verfallene und des Vernichtungsgerichts würdige Menschen sind, die in ihrem Denken und Handeln an irdischen Gütern, nicht aber an Gott ausgerichtet sind, hat der andere Teil der ciuitas terrena über diese freilich auch für ihn geltende Charakterisierung hinaus einen heilsgeschichtliche Zweck. Der in der Dienerin Hagar (und ihrem Sohn Ismael) repräsentierte Teil der ciuitas terrena wurde nämlich (von Gott) dazu „eingesetzt“ (institutus est), um als „eine Art Bild jenes Bildes“, d. h. ein „Schattenbild“ (imago) Sarahs (und ihres Sohnes Isaak) zu dienen,250 die nämlich selbst wiederum ein Bild der himmlischen ciuitas dei ist. Mit der Geburt Isaaks, der Erfüllung der von Gott an Abraham gegebenen Verheißung eines Sohnes und wahren Erben, war dieses Schattenbild allerdings nicht länger nötig, weshalb Abraham Hagar und ihren Sohn auf die Anweisung Sarahs hin vertreibt (Gen 22,10: „Verstoße die Magd und ihren Sohn, denn der Sohn der Magd soll nicht Erbe sein mit meinem Sohne Isaak“). Die dienende Funktion jenes Teils der ciuitas terrena, der durch Hagar und ihre Nachkommenschaft repräsentiert wird, ist also temporär. Vor dem durch Gal 4,21–31 gegebenen Hintergrund der Identifikation einerseits der Kinder der Dienerin Hagar mit dem ‚jetzigen Jerusalem‘, den unter dem Gesetz versklavten Juden, andererseits der Kinder der Freien Sarah mit den durch Christus befreiten Christen, die Augustin von Paulus übernimmt, stellt sich die Rede vom „Bild des Bildes“ und der dienenden Funktion eines Teils der ciuitas terrena in ciu. XV 2 wie folgt dar: Nach dem göttlichem Ratschluss wurde ein Teil der ciuitas terrena, nämlich das Volk Israel, dazu eingesetzt, in der Zeit vor der Geburt des verheißenen Erben, d. h. vor der Inkarnation Christi, als Schattenbild derjenigen Gemeinschaft zu dienen, die diesem verheißenen Erben zugehörig ist durch die Geburt von der Freien Sarah, die nach Gal 4,26 „unser aller Mutter“ (quae est mater nostra),251 d. h. die Mutter aller Christen ist. Wie Augustin mit der Metaphorik von Licht und Schatten verdeutlicht, dass nämlich „die Schatten verschwinden sollten beim Kommen des Lichts“,252 so 250  „namque Agar ancilla Sarrae eiusque filius imago quaedam huius imaginis fuit“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  32 f.). 251 Vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  15 f. Freilich erinnert die Vorstellung, dass die Freie Sarah „unser aller Mutter“ ist, an das Konzept der mater ecclesia bei Augustin (vgl. dazu Lamirande, Art. Ecclesia, Sp.  703–706; vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 1.2.2 zu einem Konzept der mystischen Mutterschaft bei Augustin). F. Edward Cranz definiert das hier aufgezeigte besondere Verhältnis Israels zu den beiden ciuitates wie folgt: „In itself it [sc. the Israel of the Old Testament] was a part of the earthly city, but as a prophecy it was related to the city of God.“ (Cranz, Augustine’s Idea, S.  217) Allerdings ist seine Schlussfolgerung, „In other words, the historical Israel, despite its prophetic character, was still a part of the earthly city“ (ebd.), unzureichend, da es ja nach Augustin innerhalb Israels immer wieder Gestalten gab, die tatsächlich der ciuitas dei angehörten, und eben nicht nur prophetisch auf sie hinwiesen. 252  „et quoniam transiturae erant umbrae luce ueniente“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  33 f.). Zur Bedeutung der Metaphorik des Lichts und der Finsternis für die Exegese Augustins schreibt Ludwig Fladerer unter Bezugnahme auf ciu. XV 2: „Im Dunklen ist das Helle zu erkennen,

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folgt auf die Geburt des verheißenen Sohnes das Ende der dienenden Funktion als ‚Schattenbild des Schattenbildes‘, d. h. der Funktion Israels als Schattenbild der Kirche. Die Christen, die in dieser Welt pilgernden Glieder der ciuitas dei, stellen wiederum hier auf Erden ein Schattenbild der himmlischen ciuitas dei dar. Mit dem mit der Inkarnation Christi gekommenen Ende dieser dienenden Funktion des irdischen Volkes Israel als Schattenbild beginnt aber zugleich eine neue dienende Funktion Israels, die es bis zum Endgericht innehaben wird: Fortan sind die Juden die Träger und Bewahrer der heiligen Schriften und dienen der ciuitas dei dadurch, dass sie für die Echtheit dieser Schriften und v. a. der in ihnen enthaltenen auf Christus zielenden Verheißungen bürgen, obwohl sie diese Verheißungen selbst nicht verstehen, da sie Christus nicht als den Heiland erkannt haben.253 Augustin hat also gleich in zweierlei Weise die von Paulus vorgegebene Identifikation der Dienerin Hagar und ihrer Nachkommenschaft mit dem irdischen Volk Israel innovativ rezipiert und allegorisch fortgeführt. Wie später in ciu. XVI 26, so deutet Augustin auch hier in ciu. XV 2 f. die beiden Söhne Abrahams unter Bezugnahme auf die Art und Weise ihrer jeweiligen Zeugung in den Kategorien von „Natur“ (natura) und „Gnade“ (gratia). Damit nimmt er die paulinische Unterscheidung zwischen „fleischlich“ (κατὰ σάρκα / secundum carnem)254 und „geistlich“ (κατὰ πνεῦμα / secundum spiritum)255 auf, von der die Interpretation Hagars und Sarahs sowie deren Söhne in Gal 4,21–31 geprägt ist. Er stellt sie sodann, u. a. durch die Verbindung mit dem Bildwort von Gott als Töpfer, der aus demselben Klumpen Ton 256 sowohl „Gefäße der Barmherzigkeit“ (σκεύη ἐλέους / uasa misericordiae) als auch „Gefäße des Zornes“ (σκεύη ὀργῆς / uasa irae) formt (vgl. Röm 9,21–23),257 in den Kontext von gnadenhafter Erwählung und Belassen im Zustand der Verdammung.258 In der Art und Weise ihrer Geburt stehen Ismael, der ‚Sohn der Unfreien‘, und die Finsternis weist immer schon auf die Wahrheit voraus – dieses Leitmotiv durchzieht das Denken des Augustinus von seinem frühen Genesiskommentar [Gn. adu. Man.] bis zur Abfassungszeit von De civitate dei, wo er von umbra und imago der Stadt der Heiligen spricht, die in der irdischen Stadt als Verweiszeichen für die zukünftige Wahrheit sichtbar sind.“ (Fladerer, Exeget, S.  137 f.) 253  Vgl. ausführlich zu diesem Gedanken Abschnitt 1.1.2. 254  Vgl. Gal 4,22.29 und ciu. XV 2, S.  454, Z.  10; S.  455, Z.  2 0. 255  Vgl. Gal 4,29 und ciu. XV 2, S.  455, Z.  2 0 f. 256  Für Augustin steht dieser Klumpen Ton metaphorisch für die massa damnata, aus der Gott, wenn er bildlich gesehen aus diesem Ton sowohl Gefäße der Barmherzigkeit als auch Gefäße des Zornes herstellt, einerseits einen Teil in seiner Gnade erwählt, andererseits aber den anderen Teil in ihr belässt; vgl. ciu. XV 1, S.  454, Z.  42f; vgl. dazu auch Abschnitt 1.2.1. 257  Schon bei Paulus selbst ist die Verbindung zwischen seiner Deutung Sarahs und Hagars sowie deren Söhne Isaak und Ismael und dem Bildwort von Gott als Töpfer mehr oder weniger dadurch gegeben, dass Letzteres in Röm 9,21–23 zur Illustration jener göttlichen Gnadenwahl (und seiner Bestimmung anderer zum Verderben [vgl. Röm 9,22]) angeführt wird, die sich heilsgeschichtlich an Isaak und Ismael bzw. Jakob und Esau gezeigt hat, was Paulus unmittelbar zuvor behandelt hat (Röm 9,6–11). 258 Vgl. ciu. XV 2, S.  455, Z.  43.

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Isaak, der ‚Sohn der Freien‘, zugleich typologisch für die Glieder der ciuitas terrena bzw. der ciuitas dei: Die durch die Sünde verdorbene Natur [natura] gebiert die Bürger der irdischen Stadt [ciuitas terrena], dagegen gebiert die Gnade [gratia], die die Natur von der Sünde erlöst, die Bürger der himmlischen Stadt [ciuitas caelestis]; darum werden die einen Gefäße des Zornes, die andern Gefäße der Barmherzigkeit genannt. Auch in den beiden Söhnen Abrahams ist das angedeutet, denn der eine, Ismael, wurde von der Magd, die Hagar genannt wurde, nach dem Fleische geboren, der andere aber, Isaak, wurde von der Freien Sarah nach der Verheißung geboren.259

Die Zeugung Ismaels geht auf das Betreiben Sarahs zurück, die sich in der Not ihrer Unfruchtbarkeit nicht anders zu helfen wusste, als Abraham ihre Magd zur Zeugung des Nachkommens zu geben, denn „sie nahm an, [den Nachkommen] durch sich selbst nicht erhalten zu können“.260 Wird durch diese auf Gen 16,2 fußende Annahme, dass Sarah diejenige war, die ihren Mann zur Zeugung eines Sohnes mit ihrer Magd brachte, Abraham von dem möglichen Vorwurf entlastet, dass er selbst nicht daran geglaubt habe, dass Gott die ihm und Sarah gegebene Verheißung eines Erben noch erfüllen würde, so wird in ciu. XV 3 mit Verweis auf das Eherecht auch das Verhalten der Erzmutter gerechtfertigt, ihrem Mann Hagar zur Zeugung eines Nachkommens zu geben. Von Abraham nämlich forderte sie damit dessen „eheliche Pflicht“ (debitum de marito) ein und machte so „Gebrauch von dem ihr zustehenden Recht in einem fremden Mutterleib“.261 Wie dann später in ciu. XVI 26, so versteht Augustin auch in ciu. XV 3 das Entstehen der beiden Söhne Abrahams in den Kategorien von natura und gratia, fußend auf der paulinischen Differenzierung zwischen „fleischlich“ (κατὰ σάρκα) und „geistlich“ (κατὰ πνεῦμα) bzw. „nach der Verheißung“ (δι᾿ ἐπαγγελίαϛ). Die Geburt Ismaels „nach dem Fleische“ (secundum carnem)262 geht auf menschliches Betreiben zurück; er wurde „geboren, wie Menschen geboren werden, durch Vereinigung der beiden Geschlechter, nach dem gewöhnlichen Gesetz der Natur [lex naturae]“.263 Dieser Art der Zeugung und der Geburt, die zwar wie jede gewöhnliche Zeugung und Geburt nicht ohne göttliches Zutun 259 

„parit autem ciues terrenae ciuitatis peccato uitiata natura, caelestis uero ciuitatis ciues parit a peccato naturam liberans gratia; unde illa uocantur uasa irae, ista uasa misericordiae. significatum est hoc etiam in duobus filiis Abrahae, quod unus de ancilla, quae dicebatur Agar, secundum carnem natus est Ismael, alter est autem de Sarra libera secundum repromissionem natus Isaac.“ (ciu. XV 2, S.  455, Z.  41–47) 260 „Sarra quippe sterilis erat et desperatione prolis saltem de ancilla sua concupiscens habere, quod de se ipsa non se posse cernebat“ (ciu. XV 3, S.  455, Z.  1 – S.  456, Z.  2). 261  „exegit itaque etiam sic debitum de marito utens iure suo in utero alieno.“ (ciu. XV 3, S.  456, Z.  4 f.) 262 Vgl. ciu. XV 3, S.  456, Z.  7. 263  „natus est ergo Ismael, sicut nascuntur homines, permixtione sexus utriusque, usitata lege naturae.“ (ciu. XV 3, S.  456, Z.  5 –7)

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erfolgte,264 wird die Zeugung und die Geburt Isaaks – „nach dem Geiste“ (secundum spiritum)265 – gegenübergestellt. Auch unabhängig von der Unfruchtbarkeit Sarahs wäre auch aufgrund des hohen Alters der Erzeltern Arbrahm und Sarah die Zeugung eines Sohnes nach dem „Gesetz der Natur“ (lex naturae), d. h. „nach dem Fleische“ (secundum carnem), unmöglich gewesen,266 weswegen die Gnade Gottes bei der Zeugung und der Geburt Isaaks deutlich zutage tritt: „Wo es aber die Gabe Gottes vorzubilden galt, durch die den Menschen unverdient und aus freien Stücken die Gnade [gratia] großzügig geschenkt wird, da musste der Sohn in einer Weise geschenkt werden, die dem Verlauf der Natur [modus naturae] nicht geschuldet ward.“267 Da Isaak als der „durch die Verheißung Geborene“ (per repromissionem natus)268 in der Art und Weise seiner Zeugung und seiner Geburt typologisch auf die der göttlichen Gnade geschuldete Aufnahme der „Gnadenkinder“ ( filii gratiae)269 in die ciuitas dei verweist,270 symbolisiert umgekehrt der Zustand der Unfruchtbarkeit der Erzeltern Abraham und Sarah den Zustand des der Sünde verfallenen Menschen, der die Gnade und das selige Leben nicht aus eigener Kraft erlangen kann: Wenn also ihrer so beschaffenen Natur [gemeint ist die Unfruchtbarkeit der Erzeltern] keine Frucht der Nachkommenschaft gegeben werden sollte, so deutet dies darauf hin, dass die Natur des Menschengeschlechts, nachdem sie durch die Sünde verderbt und darum zu Recht verdammt worden war, künftig kein wahres Glück mehr verdiente.271

Mit Abrahams Beziehung zu Hagar und dem aus ihrem Verhältnis hervorgegangenen Sohn Ismael begegnet ein weiterer Aspekt des Ahnvaters, der ihm 264  „non quod ista beneficia dei non sint aut non illa operetur deus, cuius opifex sapientia adtingit, sicut scriptum est, a fine usque ad finem fortiter et disponit omnia suauiter [Weish 8,1]“ (ciu. XV 3, S.  456, Z.  7–10). 265 Vgl. ciu. XV 2, S.  455, Z.  2 0 f. 266 Vgl. ciu. XV 3, S.  456, Z.  13–17. Pierre Descotes zufolge versteht Augustin die Unfruchtbarkeit der beiden Erzeltern als Allegorie auf die sündige Existenz des Menschen: „Si l’on considère désormais cet épisode non plus dans sa dimension historique, mais allégorique, on comprend que l’impuissance physique d’Abraham et Sara constitue une figure de l’infirmité de la nature humaine corrompue par le péché originel, et que le prodige accompli par Dieu annonce le don de la grâce qui, seule, relève l’humanité.“ (Descotes, Les fils, S.  490) 267 „sed ubi significandum fuerat dei donum, quod indebitum hominibus gratis gratia largiretur, sic oportuit dari filium, quem ad modum naturae non debebatur excursibus.“ (ciu. XV 3, S.  456, Z.  10–13) Dass die besondere Würde Isaaks, Kind der Verheißung zu sein, gerade nicht in der Art seiner Abstammung secundum carnem begründet liegt, sondern im „geistlichen Geheimnis“ (spiritale mysterium) „der verheißenen Geburt im Greisenalter“ (Drecoll, Art. Isaac, Sp.  746 mit Verweis auf s. 2,1, S.  9, Z.  9 –13; ep.  196,12, S.  225, Z.  17– 25), hat Augustin bereits in früheren Schriften betont. 268 Vgl. ciu. XV 3, S.  456, Z.  21. 269  Vgl. ebd. 270 Vgl. ciu. XV 3, S.  456, Z.  2 0–25. 271  „quod ergo naturae sic affectae fructus posteritatis non debebatur, significat quod natura generis humani peccato uitiata ac per hoc iure damnata nihil uerae felicitatis in posterum merebatur.“ (ciu. XV 3, S.  456, Z.  17–20)

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moralisch angelastet werden könnte. Dieses Verhältnis ist weniger wegen des Vorwurfes der Polygamie problematisch, die Augustin mehrfach als eine zu dieser Zeit übliche und nicht straf bare oder verwerfliche Sitte rechtfertigt.272 Vielmehr ist ja hinter dieser Zeugung Ismaels die Sorge Abrahams und seiner Frau Sarah erkennbar, dass die göttliche Verheißung eines Nachkommens bzw. eines ganzen Volkes sich nicht erfüllen könnte. Befinden sich die beiden doch schon in hohem Alter und war Sarah bis zu dieser Zeit unfruchtbar gewesen. Auch hier ist wieder Augustins Absicht zu erkennen, Abraham von moralischer Schuld freizusprechen: Zum einen entnimmt er Gen 16,2 f., dass die Zeugung Ismaels mit Hagar auf das Drängen Sarahs hin geschehen ist, sie ihrem Mann ihre eigene Magd zugeführt hat und Abraham lediglich aus Gehorsam seiner Frau gegenüber gehandelt hat. Augustin führt in ciu. XVI 25 über den biblischen Text hinausgehend an, dass Abraham auch deshalb kein Vorwurf zu machen sei, da er nicht aus „Lust“ (libido)273 gehandelt habe, sondern die einzige Intention hinter der Zeugung der Wille nach Erzeugung von Nachkommenschaft war, weshalb er sich der Magd Hagar bedient hat (uti ad generandam prolem)274: „Von beiden [sc. Abraham und Sarah] wurde nicht schuldbefleckte Ausschweifung, sondern die Frucht der Natur angestrebt.“275 Erkennbar sind hier wieder die augustinischen Kategorien von uti und frui: Die mit irdischen Freuden verbundene Zeugung wird von Abraham nicht um ihrer selbst willen „genossen“ ( frui), sondern lediglich „gebraucht“ (uti), um einen Erben zu bekommen, der ihm und Sarah bisher verwehrt blieb. Durch diese Deutung der Zeugung Ismaels in den Kategorien von uti und frui, die auch allgemein dem augustinischen Verständnis von Sexualität entspricht (bis auf die Tatsache, dass

272  Vgl. beispielsweise Augustins Rechtfertigung der Polygamie Jakobs in ciu. XVI 38, S.  544, Z.  59–61; siehe hierzu Abschnitt 3.3.5. David G. Hunter weist nach, dass Augustins moralische Verteidigung der Patriarchen, insbesondere im Hinblick auf ihre Sexualität, eine Entwicklung durchlaufen hat, die wiederum in den verschiedenen theologischen Auseinandersetzungen begründet liegt. So sei von seinem Streit mit den Manichäern an bis hin zu seiner Kontroverse mit den Pelagianern vor allem eine Veränderung dahingehend festzustellen, dass die Patriarchen zunehmend als ebenfalls von der Ursünde betroffene Menschen gezeichnet werden, deren Tugendhaftigkeit in ihrer Begnadigung durch Gott gründet (vgl. Hunter, Morality, S.  318.331–333.335). 273 Vgl. ciu. XVI 25, S.  529, Z.  6. In seiner gegen Julian von Aeclanum gerichteten antipe­ lagianischen Schrift vertritt Augustin die Auffassung, dass Abraham und Sarah durch das Einwirken Gottes zwar ihre „Fruchtbarkeit“ ( fecunditas), nicht aber ihre „Lust“ (libido) zu­ rückerlangt hätten. So findet die Zeugung des verheißenen Sohnes Isaak zwar ohne Einwirken der libido statt, was allerdings nicht bedeutet – wie Augustin gegen die fälschliche Anschuldigung Julians betont –, dass Isaak ohne jegliche „Begierde des Fleisches“ (concupiscentia carnis) und ohne den „Samen des Mannes“ (semen uiri) gezeugt wurde (vgl. c. Iul. 3,23, S.  714, Z.  13–16.29–33; s. dazu auch Jacob, Art. Isaak I B.II, Sp.  923). 274 Vgl. ciu. XVI 25, S.  529, Z.  5 f. 275  „ab utroque non culpae luxus, sed naturae fructus exquiritur.“ (ciu. XVI 25, S.  529, Z.  14 f.)

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die Zeugung Ismaels außerhalb der Ehe stattfindet),276 wird Abraham in seiner Rolle als repräsentatives Glied der ciuitas dei weiter bestätigt. Schließlich wird auch die Vertreibung Hagars vor diesem Hintergrund gedeutet: Da Abraham nicht „sklavischer Liebhaber [Hagars], sondern freier Erzeuger“277 war, konnte er, als sich die schwangere Hagar stolz über die unfruchtbare Herrin erhob und Sarah eifersüchtig wurde, zulassen, dass seine Ehefrau die Magd vertrieb. Bereits vor der Zeugung Ismaels hatte Abram einen Knecht zu seinem Erben machen wollen, worauf Gott ihm sagte, dass dieser nicht sein Erbe sein würde, er vielmehr einen Erben von seinem eigenen Leibe erhalten wird.278 Als Ismael geboren wurde, war Abram 86 Jahre alt und hätte davon ausgehen können, dass jener der in Gen 15,4 verheißene aus seinem Leibe stammende Erbe sei. Doch erschien ihm Gott in seinem 99. Lebensjahr erneut und verhieß ihm, dass ihm und seiner neunzigjährigen Frau noch ein Sohn geschenkt werden wird, dem auch die Verheißungen des Bundes gelten sollen, gemäß denen viele Völker und Könige aus diesem Erben hervorgehen sollen (Gen 17,16). Das alttestamentliche Motiv der unfruchtbaren Frau, die zu einem späteren Zeitpunkt einen aus Gottes Gnade geschenkten Sohn gebiert,279 wird von Augustin aufgenommen, wobei er sich unter Verwendung der Kategorien von „Natur“ (natura)280 und göttlicher „Gnade“ (gratia)281 mit der Möglichkeit der natürlichen Zeugung von 276 Bekanntlich hat auch nach Augustin die Sexualität ihren schöpfungsgemäßen Ort innerhalb der Ehe (vgl. b. coniug. 3, S.  191, Z.  9 –16; s. dazu Berrouard, Art. Bono, Sp.  661 f.); den außerehelichen Geschlechtsverkehr wertete er dagegen als Treuebruch und Versündigung (vgl. b. coniug. 4; s. dazu Hilpert, Sexualethik, S.  368 f.). Allerdings legt Augustin an die Patriarchen andere sexualethische Maßstäbe an als bei seinen Zeitgenossen (s. dazu auch Abschnitt 3.3.5). David G. Hunter verweist auf den Zusammenhang zwischen Sexualität und Heilsgeschichte, der bereits in der antimanichäischen Auseinandersetzung für Augustins Beurteilung der Erzeltern von Bedeutung ist. So dient deren Sexualität (und selbst ihre zeitweise auftretende Promiskuität) dem Zweck der Fortpflanzung, die wiederum dem Heilsplan Gottes (dispensatio) entspricht: sowohl auf der Ebene des historischen Sinnes, insofern nämlich durch die Fortpflanzung die Mehrungsverheißung an Abraham erfüllt wird und zudem (durch die Generationenfolge hindurch) die notwendige Voraussetzung für die leibliche Abstammung Jesu Christi geschaffen wird (vgl. c. Sec. 22, S.  940, Z. 6–9), als auch auf der Ebene des geistlichen Sinnes, insofern nämlich im Leben der Frauen und Kinder sowie in den Taten der Patriarchen Geheimnisse über Christus und die Kirche prophetisch abgebildet werden (vgl. cat. rud. 33, S.  158, Z. 67–80; s. dazu Hunter, Morality, S.  322 f.; vgl. auch C. P. Mayer, Art. Abraham, S.  28). 277  „etiam ibi demonstrauit Abraham non se amatorem seruum, sed liberum fuisse genitorem“ (ciu. XVI 25, S.  529, Z.  17 f.). 278 Vgl. ciu. XVI 26, S.  529, Z.  1–4. Augustin spielt hier auf Gen 15,2 f. an, wo der hochbetagte und noch immer kinderlose Abram zu Gott sagt, dass er einen Knecht aus seinem Haus zu seinem Erben machen werde, weil er keinen leiblichen Nachkommen habe, worauf Gott ihm die Antwort gibt (Gen 15,4), die auch Augustin hier zitiert: „Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.“ 279  Vgl. Grohmann, Art. Fruchtbarkeit, S.  171–173. 280 Vgl. ciu. XVI 26, S.  530, Z.  4 8. 281  Vgl. ebd.

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Kindern beschäftigt. Obwohl bei jeder Zeugung göttliches Zutun anzunehmen ist,282 tritt in manchen Fällen ein besonderes, der Natur widersprechendes Einwirken Gottes auf den Zeugungsprozess ein: „Wo jedoch bei fehlerhafter und versagender Natur Gottes Wirken offensichtlich ist, tritt die Gnade offensichtlicher zu Tage.“283 Augustin ist der Überzeugung, dass sowohl ein jüngerer Mann mit einer älteren Frau, als auch ein älterer Mann mit einer jüngeren Frau ein Kind zeugen könne.284 Neben dem alttestamentlichen Motiv der Unfruchtbaren, deren Leib zunächst durch Gott verschlossen war,285 um dann durch dessen Gnade doch noch fruchtbar und schwanger mit einem für die weitere Heilsgeschichte wichtigen Nachkommen zu werden, hat für Augustin auch die Tatsache, dass Abraham Isaak in einem ungewöhnlich hohen Alter von 99 Jahren zeugte, eine besondere Bedeutung. In einer nach 410 gehaltenen Predigt über Mt 18,7–9286 stellt Augustin eine Verbindung zwischen der Geburt Christi im sechsten Weltzeitalter und dem (geistlichen) „Samen Abrahams“ (semen Abrahae) her, der nach Gal 3,16 letztlich Christus selbst ist 287: „Abraham wurde deshalb ein Sohn geboren, als er ein Greis [senex] war, weil Christus in diese Welt gekommen ist, als sie sich im Greisenalter [senectus] befand. Er kam, als alle Dinge alterten, und er machte dich neu.“288 Die Tatsache, dass Abraham den ihm verheißenen Sohn erst mit 100 Jahren erhält, hat also prophetischen Charakter: Der im Greisenalter seiner Eltern geborene Isaak präfiguriert Christus, mit dessen Geburt das sechste Weltzeitalter (das gemäß der augustinischen Parallelisierung der sechs Weltzeitalter mit den sechs Lebensaltern das ‚Greisenalter‘ darstellt)289 seinen Anfang nimmt. In ciu. XVI 26 stellt Augustin eine enge Verbindung zwischen der Verheißung Isaaks und der von Gott in Gen 17 befohlenen Beschneidung her. Bei 282 Vgl.

ciu. XVI 26, S.  530, Z.  49 f. Augustin könnte hier beispielsweise an die ebenfalls unfruchtbare Hanna gedacht haben, deren Leib durch JHWH verschlossen war und die aus diesem Grund von der fruchtbaren zweiten Frau ihres Mannes Eli, Peninna, gekränkt wurde (vgl. 1Sam 1,5 f.) – durchaus vergleichbar mit der Geringschätzung Hagars, die Sarah über sich ergehen lassen musste (vgl. Gen 16,4 f.). Die durch die Gnade Gottes überwundene Unfruchtbarkeit Hannas spielt auch in Augustins Auslegung des Lobgesangs in ciu. XVII 4 eine wichtige Rolle, wobei er insbesondere auf den prophetischen Sinn dieses Vorgangs abhebt (s. dazu Abschnitt 4.1.4). 284 Vgl. ciu. XVI 28, S.  533, Z.  2 2–26. 285  „ubi tamen euidens opus dei est uitiata et cessante natura, ibi euidentius intellegitur gratia.“ (ciu. XVI 26, S.  530, Z.  50 – S.  531, Z.  52) 286  Vgl. zur Datierung von s. 81: Dolbeau, Art. Sermones, S.  3 09. 287  Augustin zitiert Gal 3,16 in s. 81,8 wie folgt: „nam semen Abrahae ait apostolus, quod est Christus. non dicit, et seminibus, tanquam in multis; sed tanquam in uno, et semini tuo, quod est Christus.“ (s. 81,8, S.  504, Z.  49–52) 288  „ideo seni Abrahae natus est filius, quia erat utique Christus in ipsius mundi senectute uenturus. uenit cum omnia ueterascerent, et nouum te fecit.“ (s. 81,8, S.  504, Z.  52–55) 289  Vgl. zur Parallelisierung von Weltzeitaltern und Lebensaltern bei Augustin ausführlicher Abschnitt 3.4.3. 283 

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

Isaak war es die gnadenhafte Geburt selbst, die ihn offensichtlich als Glied der von Gottes Gnade erwählten ciuitas dei ausweist. In Zukunft, so Augustin, geschehe die Aufnahme in die ciuitas dei aber nicht wie bei Isaak durch „Zeugung“ (generatio), sondern durch „Wiedergeburt“ (regeneratio)290, worauf die Beschneidung hindeute. Offensichtlich wird die Beschneidung hier als Vorabbildung der Taufe gesehen, wenn Augustin schreibt: „Denn was deutet die Beschneidung anderes an als die erneuerte Natur nach der Ablegung der alten Beschaffenheit?“291 Die Unterscheidung von generatio und regeneratio ist ein sich durchhaltendes und in Augustins Darstellung der alttestamentlichen Zeit in ciu. immer wieder begegnendes Interpretament: Während die „Zeugung“ (generatio) ein Merkmal der Weltzeit ist, wird die Ewigkeit, in der keine Zeugungen mehr stattfinden, von der „Wiedergeburt“ (regeneratio) bestimmt sein.292 Auch die Forderung, dass neugeborene Söhne am achten Tag beschnitten werden sollen, wird von ihm als Hinweis auf Christus gesehen, der, nachdem er am Sabbat gestorben war, am achten Tag der Woche wieder auferstand. Dass es ihm hier um die christliche Taufe geht, lassen auch seine Gedanken zu Gen 17,10–13.23 erkennen, wonach auch das Gesinde, die in Abrahams Haus geborenen oder um Geld gekauften Knechte, beschnitten werden soll. Für Augustin zeigt sich hier, dass die Beschneidung (und im weiteren Sinn die Taufe) sich nicht auf das irdische Volk Israel beschränkt, sondern die in ihr sich ausdrückende Gnade Gottes „auf alle [Menschen] erstreckt“ (pertinere ad omnes).293 Erneut wird Augustins Intention erkennbar, Abraham von negativen Aspekten freizusprechen und ihn als vorbildlichen Gläubigen zu charakterisieren. So sei sein Lachen nach der Ankündigung Gottes, dass er und seine hochbetagte unfruchtbare Frau ein Kind bekommen werden (Gen 17,17), nicht als Ausdruck des Zweifels an Gott bzw. als „Spott des Misstrauischen“ (inrisio diffidentis)294 zu verstehen, sondern als „Frohlocken des sich Freuenden“ (exultatio gratulantis)295. Abraham lacht nicht aus einem spöttisch-zweifelnden, sondern aus einem freudig-staunenden Herzen heraus. Dass das Lachen Abrahams in Gen 17,17 (und dasjenige Sarahs in Gen 18,12) als Ausdruck seines Zweifels an der göttlichen Verheißung verstanden werden müsse, dieser Meinung war beispielsweise Hieronymus. Für ihn liegt dieser Zweifel Abrahams und Sarahs darin begründet, dass sie in diesem Punkt „ungläubig“ waren, ihr (und insbesondere Abrahams, des vorbildlichen ‚Vaters im Glauben‘) Glaube also noch nicht vollkommen war: 290 

ciu. XVI 26, S.  531, Z.  52 f. enim aliud circumcisio significat quam naturam exuta uetustate renouatam?“ (ciu. XVI 26, S.  531, Z.  57 f.) 292  Vgl. dazu ciu. XV 1, S.  453, Z.  21–28; XV 17, S.  479, Z.  25 f.; s. dazu auch C. Müller, Art. Generatio, Sp.  111 f. sowie Abschnitt 1.2.7. 293 Vgl. ciu. XVI 26, S.  531, Z.  54–56. 294 Vgl. ciu. XVI 26, S.  531, Z.  6 4 f. 295 Vgl. ciu. XVI 26, S.  531, Z.  6 4. 291  „quid

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Nachdem Abraham und Sarah die Verheißung des Sohnes Isaak vernommen haben, lachen sie in ihrem Herzen; aber (ihr) unausgesprochener Gedanke bleibt dem Wissen Gottes nicht verborgen. Sie werden für ihr Lachen gerügt, und jener Gedanke selbst wird als ein Stück des Unglaubens [pars infidelitatis] getadelt. Dennoch werden sie wegen des mangelnden Vertrauens, das aus ihrem Lachen spricht, nicht verurteilt, sondern sie empfangen deshalb, weil sie später geglaubt haben, die Palme der Gerechtigkeit.296

Interessanterweise ist genau das die Erklärung Augustins für das Lachen Sarahs, als sie von einem der drei zu Besuch gekommenen Männer erfährt, dass Abraham und ihr ein Sohn geboren werden soll (vgl. Gen 18,9–15). In ciu. XVI 31 wird das Lachen Abrahams (Gen 17,17) noch einmal aufgenommen und mit dem Lachen seiner Frau (Gen 18,12) kontrastiert: Denn der Vater hatte in staunender Freude gelacht, als er [Isaak] ihm verheißen wurde. Auch die Mutter hatte gelacht, als (er) noch einmal durch jene drei Männer verheißen wurde, (allerdings) in zweifelnder Freude, obwohl sie durch den Engel gescholten wurde, da dieses Lachen, wenn es auch ein Lachen der Freude, doch kein Lachen des vollen Glaubens [ fides plena] war; darauf hin wurde sie aber auch durch denselben Engel im Glauben gestärkt.297

Der Gedanke, dass das Lachen Abrahams nicht als ein Zeichen des ungläubigen Zweifels, sondern seiner Freude verstanden werden muss, findet sich auch in der Schrift Abr. des Ambrosius. Da Augustin dieses Werk sicherlich gekannt haben wird, ist eine Beeinflussung durch Ambrosius, was diesen Aspekt seiner Abrahamdeutung angeht, sehr wahrscheinlich. Dies zeigen auch die teils wörtlichen Übereinstimmungen in der Darstellung des Lachens Abrahams bei beiden Autoren. So ist in Abr. I 4,31 zu lesen: „Als Abraham aber lachte bei der Verheißung, dass von ihm ein Sohn (gezeugt würde), war es kein Zeichen des Unglaubens [incredulitas], sondern des Frohlockens [exsultatio].“298 Und einige Kapitel später heißt es: Was aber ist (gemeint), wenn sie [sc. die Schrift; vgl. Gen 17,17] sagt: ‚Und Abraham ließ sein Gesicht auf die Erde fallen und er lachte‘? Auch hier wird damit Ehrfurcht [reuerentia] angezeigt, dass er Gott fürchtete gleichsam frei von sündigem Spott, wenn auch das Lachen die Fröhlichkeit des gerechten Mannes bekundete, der sich so sehr über die Verheißung freute. Denn es war hier nicht das Lachen eines Zweifelnden, sondern das des Glaubenden.299 296  „Abraham et Sarra, audita repromissione filii Isaac, rident in corde suo, et tacita cogitatio non latet scientiam Dei. Arguuntur in risu, et ipsa cogitatio quasi pars infidelitatis reprehenditur. Attamen non ex eo, quod risere, diffidentiae condemnantur, sed ex eo, quod postea crediderunt, iustitiae palmam acceperunt.“ (Hieronymus, Pelag. I 35, S.  43, Z.  5 –10) 297  „riserat enim et pater, quando ei promissus est, admirans in gaudio; riserat et mater, quando per illos tres uiros iterum promissus est, dubitans in gaudio; quamuis exprobrante angelo, quod risus ille, etiamsi gaudii fuit, tamen plenae fidei non fuit, post ab eodem angelo in fide etiam confirmata est.“ (ciu. XVI 31, S.  535, Z.  3 –8) 298  „quod autem promisso ex ea filio risit Abraham non incredulitatis, sed exultationis indicium fuit.“ (Ambrosius, Abr., I 4,31, S.  526, Z.  9 –11) 299  „Quid est autem quod ait: cecidit in faciem Abraham et risit? et hic reuerentia significatur,

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In ciu. XVI 27 beschäftigt sich Augustin sodann mit der göttlichen Forderung der Beschneidung eines jeden Knaben am achten Tag (Gen 17,12) und der Todesandrohung, falls die Beschneidung nicht erfolgt (Gen 17,14). Dabei stellt er eine Verbindung zu seiner Lehre von der Ursünde her. Ist es zwar zunächst das Vergehen der Eltern, wenn sie ihren acht Tage alten Jungen nicht beschneiden lassen und damit den Bund mit Gott brechen, so trifft doch auch den Säugling eine Schuld. Zwar kann er in seinem kurzen Leben noch nicht selbst gesündigt haben, aber auch er hat den Bund mit Gott gebrochen und zwar in der Weise, wie alle Menschen in Adam den Bund gebrochen haben. Adam wurde ja von Gott angedroht, mit dem Tod bestraft zu werden, falls er von der Frucht des verbotenen Baumes essen würde (Gen 2,17). Dies war der erste Bund von vielen, die Gott mit den Menschen geschlossen hat, und er hat noch immer Relevanz für alle Menschen, die aus Adam hervorgehen. Wenn es nach dem Pauluswort Röm 4,15 eigentlich zu keiner Übertretung kommen dürfte, da zur Zeit des ersten Menschenpaares noch nicht das Gesetz von Mose gegeben worden war,300 bedeutete doch Adams ungehorsame Tat eine Übertretung des Paradiesgesetzes. Und gleiches gilt – so Augustin – wegen der Ursünde bereits für die kleinen Kinder: Wenn also schon die kleinen Kinder nach der Lehre des wahren Glaubens als Sünder geboren werden, belastet nicht mit eigener [Sünde], sondern von ihrem Ursprung her, weswegen wir bekennen, dass sie die Gnade der Vergebung der Sünden nötig haben: so lässt sich erkennen, dass sie, auf gleiche Weise wie sie Sünder sind, so sind sie auch Übertreter, und zwar ebenjenes Gesetzes, das im Paradiese gegeben wurde.301

Augustin verknüpft den ‚Alten Bund‘ der Beschneidung eng mit dem ‚Neuen Bund‘, der in der Taufe seinen Ausdruck findet. In diesen Kontext stellt er dann auch die Änderung der hebräischen Namen der Erzeltern Abram und Sarai in Abraham und Sarah (Gen 17,4 f.15 f.): „Auch die Namen der Eltern werden geändert: Alle diese Dinge lassen Neuheit widerhallen, und im Alten Bund ist der

quod timuit deum uelut libero risu laedere, quamuis risus laetitiam declararet uiri iusti, qui tantis gratulabatur promissis. non enim dubitantis hic risus, sed credentis fuit.“ (Ambrosius, Abr. II 11,86, S.  636, Z.  20–24) 300 „ubi autem non est lex, nec praeuaricatio“ (Röm 4,15 nach ciu. XVI 27, S.  532, Z.  17 f.). Die traditionelle christliche Dreiteilung der Geschichte in die Zeit ante legem, sub lege und sub gratia hat zwar auf die Epochengliederung in ciu. keine Auswirkung gehabt (vgl. H. Scholz, Glaube, S.  164; Wachtel, Beiträge, S.  55 f.; s. dazu Einleitung, Abschnitte 2.1 u. 2.5), dennoch ist auch Augustin von dieser grundsätzlichen Unterscheidung ausgegangen, und sie findet sich auch in seinen Schriften wieder, etwa in diu. qu. 66,7, S.  163, Z.  263–266. 301 „quam ob rem si etiam paruuli, quod uera fides habet, nascuntur non proprie, sed originaliter peccatores, unde illis gratiam remissionis peccatorum necessariam confitemur: profecto eo modo, quo sunt peccatores, etiam praeuaricatores legis illius, quae in paradiso data est, agnoscuntur.“ (ciu. XVI 27, S.  532, Z.  21–26) Augustin bezieht sich hier auch auf Ps 118,119: „praeuaricatores aestimaui omnes peccatores terrae“ (ciu. XVI 27, S.  532, Z.  19).

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Neue abgeschattet.“302 In ciu. XVI 28 befasst sich Augustin noch einmal genauer mit dieser Umbenennung und kann ihr sowohl im historischen Sinn, bezogen auf den irdischen Samen Abrahams, als auch im allegorischen Sinn, bezogen auf Christus und die ciuitas dei, eine Bedeutung abgewinnen. Der Grund der Änderung des Namens Abram in Abraham („Vater vieler Völker“ / pater multarum gentium) 303 wird aus Gen 17,5 an dem Kausalsatz „denn ich habe dich zum Vater vieler Völker gemacht“304 unmittelbar deutlich: Die Namensänderung ist die Folge der sich an Abraham erfüllenden Verheißung, dass ihm ein Sohn geschenkt werden wird, und dass aus diesem Samen viele Völker hervorgehen werden. Die in Gen 17,5 vorliegende Namensetymologie ergibt sich aus dem Hebräischen: „Abraham“ (‫ )ַאְב ָר ָהם‬stellt ein Kompositum aus ‫„( ָאב‬Vater“) und ‫„( ֲהמֹון‬eine Menge von“) dar, sodass Abraham „Vater einer Menge von [Völkern / ‫ “]ג ּׄויִם‬bedeutet. Die Etymologie zu Abram entlehnt Augustin dem Onomasticon des Hieronymus, in dem zu lesen ist: „Abram [bedeutet] erhabener Vater.“305 Auch hier ist der etymologische Hintergrund wohl in der hebräischen Sprache zu suchen, der zwar nicht Augustin, der die Etymologie einfach übernimmt, sicher aber dem des Hebräischen kundigen Hieronymus bekannt gewesen sein wird: „Abram“ (‫ )ַא ְב ָרם‬setzt sich aus ‫„( ָאב‬Vater“) und dem Verb ‫רום‬ („hoch sein“ / „erhaben sein“) zusammen, „Abram“ meint folglich „erhabener Vater“, ins Lateinische übertragen: pater excelsus.306 Bei der Etymologie zu Abraham dagegen hält sich Augustin an den biblischen Text in Gen 17,5 und folgt hier Hieronymus („Abraham [bedeutet] Vater, der das Volk schaut“307) in diesem Fall nicht. In Hinblick auf die Erzmutter verhält es sich allerdings komplizierter, da der auf ihre Umbenennung folgende Satz in Gen 17,16 nicht wie bei Abraham eine Begründung für ihre Umbenennung in Form einer Etymologie des neuen Namens enthält: „Und ich werde dir [sc. Abraham] von Sarah einen Sohn geben und ihn segnen, und er soll zu Völkern werden, und Könige von Völkern sollen aus ihm hervorgehen.“308 Augustin greift daher einmal mehr, wie er hier angibt, auf die etymologische Arbeit eines des Hebräischen Kundigen zurück:309 302  „parentum mutantur et nomina: omnia resonant nouitatem, et in testamento uetere obumbratur nouum.“ (ciu. XVI 26, S.  531, Z.  60 f.) 303 Vgl. ciu. XVI 28, S.  533, Z.  11. 304 „quia patrem […] multarum gentium posui te“ (Gen 17,5 nach ciu. XVI 28 S.  533, Z.  11). 305  „Abram pater excelsus.“ (Nom. hebr. Gen. A, S.  61, Z.  2 8 f.; vgl. bei Augustin: ciu. XVI 28, S.  533, Z.  13) 306  Vgl. hierzu Wutz, Onomastica, S.  161. 307  „Abraham pater uidens populum.“ (Nom. hebr. Gen. A, S.  61, Z.  3 f.) 308 „et dabo tibi ex Sarra filium, et benedicam illum, et erit in nationes, et reges gentium ex eo ­erunt.“ (Gen 17,16 nach ciu. XVI 28, S.  533, Z.  4 –6) Augustin zitiert insofern unvollständig, da er den an Sarah ergehenden Segen auslässt, der aber in der Hebräischen Bibel, der Septuaginta und der Vulgata bezeugt ist. 309 Vgl. ciu. XVI 28, S.  533, Z.  14–17.

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Demnach bedeutet Sarai „meine Fürstin“ (princeps mea)310 und der neue Name Sarah „Kraft“ (uirtus).311 Auch wenn Augustin diesen des Hebräischen Kundigen nicht mit Namen nennt, so ist es auch hier wieder Hieronymus, der in seinen Qu. hebr. Gen. die Namensänderung von Sarai zu Sarah und die daraus resultierende Veränderung der Etymologie erklärt. Ihm zufolge bedeutet der Name Sarai „meine Fürstin“ (princeps mea), insofern sie etwa als Mutter der Familie dem Haus vorsteht, der ihr neu verliehene Name Sarah dagegen könne als „vollkommen seiende Fürstin“ (absolute princeps) verstanden werden.312 Die he­ bräische Grundlage für die Etymologie zu Sarai (‫ש ָרי‬ ָ ׂ ) wie auch zu Sarah (‫שָרה‬ ָׂ ) bildet die vom Begriff des „Fürsten“ (‫שר‬ ַ ׂ ) abgeleitete weibliche Form der „Fürstin“ (‫שָרה‬ ָ ׂ ). Während also Sarai aufgrund des Possessivsuffixes „meine Für­ stin“ bedeutet, so heißt Sarah schlicht „Fürstin“, was Hieronymus wohl dazu brachte, von einer unabhängigen, ‚absoluten Fürstin‘ auszugehen.313 Augustin folgt nun Hieronymus zwar im Falle von Sarai, nicht aber bei Sarah, die er nämlich nicht mit „Fürstin“ (princeps), sondern mit „Kraft“ (uirtus) assoziiert. Während die Bedeutung des Namens Sarai für Augustin weiter keine Rolle spielt, deutet er die Etymologie von Sarah so, dass der neunzigjährigen Unfruchtbaren durch die göttliche Gnade die „Kraft“ (uirtus) gegeben wurde, entgegen den Regeln der Natur einen Sohn zu gebären. Dabei kann er sich auf eine Stelle im Hebräerbrief stützen: „Durch den Glauben empfing auch Sarah Kraft, dass sie schwanger ward.“314 (Hebr 11,11) Im Hintergrund des von Augustin vorgetragenen Verständnisses von Sarah als „Kraft“ (uirtus) dürften wohl auch die Ausführungen des Ambrosius zu dieser Frage stehen,315 die sich wiederum auf die Position Philos stützen.316 3.2.7 Der Besuch der drei Männer bei der Eiche Mamre In Bezug auf die drei Männer, die nach Gen 18,1–15 Abraham und Sarah in Mamre besucht haben, beschäftigt Augustin fast auschließlich die Frage, wel310 Vgl.

ciu. XVI 28, S.  533, Z.  16 f. ciu. XVI 28, S.  533, Z.  17. 312  „Causa autem ita nominis immutati haec est, quod antea dicebatur princeps mea, unius tantum modo domus mater familiae, postea uero dicitur absolute princeps, id est ἄρχουσα.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 17,15, S.  21, Z.  18–21) 313  Nicht nur in den Qu. hebr. Gen., sondern auch im Onomasticon des Hieronymus finden sich die beiden Etymologien zu Sarai und Sarah: „Sarai princeps mea.“ (Nom. hebr. Gen. S, S.  71, Z.  22) „Saraa princeps.“ (Nom. hebr. Gen. S, S.  72, Z.  28) 314 „fide et ipsa Sarra uirtutem [nach Hebr 11,11: δύναμις] accepit ad emissionem seminis.“ (ciu. XVI 28, S.  533, Z.  18 f.) 315  „Sarae quoque una additur littera, hoc est R, ut uocaretur Sarra. […] non enim munus deo est una littera, sed uirtus litterae, quae exprimit muneris diuini gratiam. Sara enim dicitur ἀρχὴ ἐμὴ, hoc est potestas mea, uel principatus meus … initium uel regis …, Sarra autem dicitur graece ἄρχουσα, latine ‚quae regat‘.“ (Ambrosius, Abr. II 11,85, S.  635, Z.  17–23) 316 Philo, QG III 53, S.  124, Z.  21 – S.  126, Z.  17. 311 Vgl.

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chen Wesens diese Männer waren.317 Gab es in der christlichen Auslegungsgeschichte schon vielfach Überlegungen, dass einer der drei Männer Christus, die beiden anderen Engel gewesen seien oder gar dass mit allen dreien Abraham der dreieine Gott gegenübergestanden hätte,318 so ist Augustin der Überzeugung, dass es sich hier um drei Engel handelte.319 Er zweifelt zwar nicht daran, dass es Gott grundsätzlich möglich ist (auch vor der Inkarnation Christi), ohne die eigene Natur zu wandeln, in einem unterworfenen Geschöpf als Christus bzw. Herr präsent und somit auch für Menschen sichtbar zu werden,320 doch lehnt er es in diesem konkreten Fall aus mehrerlei Gründen ab. Während Augustin in anderen Werken, etwa in seiner nach den retr. entstandenen Schrift Contra Maximinum Arrianum (i.F.: c. Max.)321 oder auch in seinen qu.322 annahm, dass die drei Männer als Engel zwar nicht der Substanz nach, wohl aber im Modus der Verweisung die Trinität darstellen, begegnet in ciu. dieser Gedanke nicht. Ein gewichtiges Argument derer, die einen der drei Männer für Christus halten, ist die Tatsache, dass Abraham nach Gen 18,3 bei der Begrüßung der drei Männer sein Angesicht zur Erde neigte und die drei Männer mit „Herr“ 317 

Dass Augustin sich bei der Erzählung der drei Männer vornehmlich für deren Wesen, insbesondere für die Frage, ob der dreieine Gott Abraham hier besucht habe, interessiert, ist nicht nur in ciu. festzustellen. Bereits in früheren oder zur gleichen Zeit entstandenen Schriften ist dieser deutliche Schwerpunkt seiner Interpretation von Gen 18,1–15 bemerkbar (vgl. u. a. Gn. litt. 11,34,46; c. Max. 2,5–11; trin. 2,17–34; 3,20–26; qu. 1,33.41.59; ep.  147,14.18.26). 318  Der Meinung, dass in den drei Männern, die Abraham und Sarah nach Gen 18,1–15 besucht haben, den Erzeltern der dreieine Gott erschienen sei, war u. a. Ambrosius, wenn er in Abr. I 5,33 schreibt: „et respiciens inquit oculis uidit, et ecce tres uiri stabant super illum. et cum uidisset illos, cucurrit obuiam illis [Gen 18,2]. uide primo fidei mysterium. deus illi apparuit, et tres aspexit. cui deus refulget trinitatem uidet. non sine filio patrem suscipit nec sine spiritu sancto filium confitetur.“ (Ambrosius, Abr. I 5,33, S.  527, Z.  9 –14) 319  „item deus apparuit Abrahae ad quercum Mambre in tribus uiris, quos dubitandum non est angelos fuisse“ (ciu. XVI 29, S.  533, Z.  1 – S.  534, Z.  2). Diese Meinung vertritt Augustin auch in trin. 2,20–22. Augustins Auslegung von Gen 18,1–15 in trin. 2 liegt zeitlich vor derjenigen in ciu. XVI (vgl. dazu Abschnitt 2.2.2 mit Anm.  92). In trin. liest man bezüglich der drei Männer, die Abraham und Sarah besuchten u. a.: „nam ne quisquam putaret sic intimatum unum in tribus fuisse maiorem et eum dominum dei filium intellegendum, duos autem illos angelos eius quia cum tres uisi sint, uni domino illic loquitur Abraham“ (trin. 2,21, S.  107, Z.  21–24). 320  „est quidem diuinae potestatis et inuisibilis, incorporalis inmutabilisque naturae, sine ulla sui mutatione etiam mortalibus aspectibus apparere, non per id quod est, sed per aliquid quod sibi subditum est; quid autem illi subditum non est?“ (ciu. XVI 29, S.  534, Z.  5 –8) 321  „nonne manifestum erit in tribus illis uiris unum dominum uisum fuisse, ubi quid aliud quam ipsa trinitas figurata est? Sed uideamus utrum nobis sancta scriptura demonstret, etiam in illis angelis duobus, ut dixi, unum dominum inuentum, ne forte hoc ex nostro corde adfirmasse uideamur.“ (c. Max. 2,26,6, S.  672, Z.  206–211) Zur Datierung von c. Max. vgl. Lienhard, Art. Maximinum, Sp.  1216. 322  „sed fortassis in quibus deum loqui intellexit quibusdam diuinae maiestatis existentibus et adparentibus signis, sicut in hominibus dei saepe adparuisse scriptura testatur.“ (qu. 1,37, S.  15, Z.  479–482) Vgl. dazu auch C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  22; s. zur Rezeption alttestamentlicher Theophanietexte durch Augustin auch die Studie von Kloos, Christ, die allerdings auf ciu. XVI 29 nicht näher eingeht.

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(dominus) ansprach. Dieses Argument entkräftet Augustin allerdings damit, dass Lot einen der beiden Männer, die von Mamre nach Sodom gekommen waren, mit „Herr“ anredete (vgl. Gen 19,1.18 f.), während Abraham den bei ihm verbliebenen dritten Mann ebenfalls „Herr“ nannte.323 Zudem sprach Lot in Gen 19,18 die beiden Männer in der Einzahl mit „Herr“ an, ebenso wie vorher schon Abraham in Gen 18,3 das Kollektiv der drei Männer singularisch mit „Herr“ angeredet hatte.324 Somit ist ausgeschlossen, dass nur einer der drei Männer der Herr, d. h. Christus gewesen war.325 Daraus, dass Abraham und Lot die Männer mit „Herr“ ansprachen, entnimmt Augustin, dass sie den Herrn Christus in den Engeln erkannt hätten, und kommt zu dem Schluss: „Demnach ist es viel glaubhafter, dass sowohl Abraham in den dreien als auch Lot in den zwei Männern den Herrn erkannte, zu welchem sie in der Einzahl sprachen, auch als sie meinten, dass diese Menschen waren.“326 Hinzu kommt, dass die Männer im Buch Genesis, zwar nicht bei ihrem Besuch in Mamre, wohl aber bei ihrem Aufenthalt bei Lot in Sodom, zwei Mal explizit als „Engel“ (angeli) bezeichnet werden,327 was – setzt man die Identität dieser beiden Engel in Gen 19 mit zweien der drei Männer in Gen 18 voraus – eine trinitarische Deutung der drei erschwert und die Meinung Augustins stützt. Einen weiteren biblischen Beleg findet Augustin im Hebräerbrief, wonach „einige ohne ihr Wissen Engeln Herberge gewährt“ (Hebr 13,2)328 haben. 323 Vgl.

ciu. XVI 29, S.  534, Z.  14–17. Augustin geht davon aus, dass Abraham seine Fürsprache für Sodom (Gen 18,20–33) nicht unmittelbar vor Gott, sondern vor dem bei ihm verbliebenen Mann gehalten hat, nachdem sich die beiden anderen Männer nach Sodom aufgemacht hatten. Das wird auch deutlich in c. Max. 2,26,5, S.  671, Z.  182–190, wo Gen 18,22 und Gen 19,1 in diesem Sinne aufeinander bezogen werden. Freilich wird dieser dritte Mann als Bote verstanden, durch den Gott zu Abraham spricht (vgl. qu. 1,39 f.). 324 Vgl. ciu. XVI 29, S.  534, Z.  17–30. 325  Anscheinend kursierte die Meinung, dass von den drei Männern, die Abraham und Sarah besuchten, einer Christus, die anderen beiden Engel gewesen wären. Jedenfalls lehnt Augustin auch diese Position, die er in trin. 2,21 hypothetisch als eine mögliche Meinung einführt, ab (vgl. trin. 2,21, S.  108, Z.  4 –16). 326  „unde multo est credibilius, quod et Abraham in tribus et Loth in duobus uiris dominum agnoscebant, cui per singularem numerum loquebantur, etiam cum eos homines esse arbitrarentur.“ (ciu. XVI 29, S.  534, Z.  30–33) Vgl. zu diesem gesamten Argumentationsgang Augustins die Bemerkungen von Walter Groß, in: AugO 57/1, S.  128 f. mit Anm.  52. 327  Es handelt sich um Gen 19,1 und Gen 19,15 (vgl. ciu. XVI 29, S.  535, Z.  4 0–42). Die Argumentation Augustins basiert auf der Prämisse, dass zwei der drei Männer, die Abraham und Sarah nach Gen 18 besucht haben, mit den ‚Engeln‘ identisch sind, die nach Gen 19 Lot besucht haben. Offenbar war diese Auffassung unter den christlichen Autoren weit verbreitet, obwohl dies nicht notwendigerweise aus dem biblischen Text folgt. 328  Gemäß der Angelologie Augustins haben Engel unterschiedliche Möglichkeiten, sich den Menschen auf nichtkörperliche Weise mitzuteilen (vgl. einführend Madec, Art. Angelus, Sp.  312). Den biblischen Berichten folgend geht Augustin aber auch davon aus, dass Engel in Menschengestalt begegnen können, in der sie für die Menschen nicht nur körperlich sichtbar, sondern auch berührbar sind. Voraussetzung dafür ist, dass Gott sie, da er sie zu bestimmten Botendiensten verpflichtet, zu solchen „Leibern“ (corpora) werden lässt (vgl. ciu. XV 23, S.  488, Z.  1–13; s. dazu Abschnitt 1.3.2). Engel werden also ausschließlich im Gott

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Im Hebräerbrief steht dieser Satz zwar in keinem notwendigen Bezug zu Gen 18 f., sondern begründet eine Aufforderung zur Gastfreundschaft. Augustin scheint aber davon auszugehen, dass die in Hebr 13,2 vorausgesetzte vergangene Beherbergung von Engeln auf Abraham und Lot rekurriert. Bezogen auf die Männer bei Abraham und Lot dient Hebr 13,2 ihm jedenfalls als ein weiterer Beleg dafür, dass es tatsächlich Engel waren, sie aber von ihren Gastgebern (zunächst) für Menschen gehalten wurden.329 Auch kommt der besonderen Gastfreundschaft Abrahams und Lots (die nach Gen 19,6–8 bei Lot sogar so weit geht, dass er der gewalttätigen Meute in Sodom lieber seine beiden jungfräulichen Töchter geben will, als dass sie seine beiden Gäste vergewaltigen)330 nur dann ihr eigentlicher Wert und ihre Bedeutung zu, wenn man annimmt, dass Abraham und Lot ihre Gäste nicht für Gott gehalten haben: So kümmerten sie sich ja auch beide um die menschlichen Bedürfnisse der Männer, woraus zu erkennen ist, dass sie annahmen, dass ihr Besuch sterblich ist und ebensolche Erquickungen wie Speise, Fußwaschung oder Rasten unter einem schattigen Baum (Gen 18,4 f.) nötig habe.331 Der Feuerregen, den Gott auf Sodom herniederfallen lässt und der die Stadt vollkommen zerstört, ist ein Vorverweis auf das kommende göttliche Strafgericht. Lot und seine Familie, die durch die Hilfe der beiden Engel dem zerstörerischen Feuer entkommen, repräsentieren die wenigen Erwählten, die, da sie in Sodom wohnen, ihr Leben inmitten der sündigen Glieder der ciuitas terrena verbringen müssen, aber dennoch an ihrem Glauben und ihrem frommen Verhalten, etwa der vorbildlichen Gastfreundschaft, festhalten. Beim Strafgericht, angedeutet durch das Feuer in Sodom, werden diese Frommen vor den Flammen gerettet, aber sollen sich nach dem Befehl des Engels während ihrer Rettung nicht „umdrehen“ ([retro] respicere)332 (Gen 19,17). Bekanntlich hat die Frau Lots diesem Befehl nicht Folge geleistet und erstarrte zur Salzsäule, als sie sich umwandte. Für Augustin ist diese Episode ein Hinweis darauf, dass die durch dienstbaren Modus der „Untergebenen“ (subdita) zu körperlichen Wesen (vgl. u. a. Gn. litt. 8,24,45, S.  263, Z.  1–5). Ein solches Verständnis seitens Augustins ist sowohl für die drei Männer in Mamre in Gen 18 und die beiden Gäste Lots in Gen 19, als auch für den mit Jakob kämpfenden Engel in Gen 32 vorauszusetzen (vgl. Madec, a. a. O., Sp.  313). 329 „etiam quidam nescientes hospitio receperunt angelos.“ (Hebr 13, 2 nach ciu. XVI 29, S.  535, Z.  4 4) 330  Ob dieses Angebot Lots an seine Gäste tatsächlich moralisch angemessen war, wurde von christlichen Auslegern intensiv diskutiert. Augustin selbst zeigt sich in qu. 1,42 darüber unentschlossen, ob Lot hier aus „besonnener Überlegung“ (consilium tribuendum) oder aus „menschlicher Erregung“ (perturbatio humana) heraus gehandelt hat. Sollte Letzteres zutreffen, so wie es Augustin an anderer Stelle selbst annimmt (vgl. c. Mend. 9,20 f.), sei das Verhalten Lots nicht als vorbildlich anzusehen (vgl. qu. 1,42, S.  17, Z.  541–549; s. dazu Meiser, Abraham, S.  352 f.). 331 Vgl. ciu. XVI 29, S.  534, Z.  3 4 f. S. zum Motiv der Gastfreundschaft Abrahams, das bei Ambrosius eine deutlich größere Rolle spielt als bei Augustin (vgl. C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  22 mit Anm.  50): Ramon, Hospitalité, S.  33–35. 332 Vgl. ciu. XVI 30, S.  535, Z.  7.10.

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die Gnade Gottes Geretteten sich nicht mehr „in ihrer Gesinnung zu ihrem alten Leben umwenden“ (animum redire ad ueterem uitam)333 dürfen, da sie ansonsten nicht mehr Glieder der ciuitas dei sein werden. Die zu Salz erstarrte Frau Lots diene allen Gläubigen sozusagen als „Gewürz“ (condimentum), sich nicht mehr umzukehren und so das ihnen bestimmte Heil zu erlangen.334 Augustin versteht den Bundesschluss mit Abraham und die an ihn ergehenden, mit seiner Namensänderung verbundenen Verheißungen im doppelten Sinne, wenn er am Ende von ciu. XVI 29 noch einmal aus Gen 18,18 zitiert: „[a]Abraham wird zu einem großen und zahlreichen Volk werden, und [b] in ihm werden alle Völker der Erde gesegnet werden.“335 Der erste Teilsatz [a] ist eine Verheißung, die allein auf das „Volk Israel nach dem Fleische“ (gens Israel secundum carnem) abzielt, der zweite Teil der Verheißung [b] gilt dagegen „alle[n] Völker[n] nach dem Glauben“ (omnes gentes secundum fidem).336 3.2.8 Isaaks Geburt und seine von Gott geforderte Opferung Die Etymologie des Namens Isaak („Lachen“ / r isus) wird in Gen 21,6 im Anschluss an die Geburt dieses verheißenen Sohnes gegeben, als Sarah sagt: „Ein Lachen hat mir der Herr bereitet, und wer es hören wird, der wird sich mit mir freuen.“337 Dieser Satz könnte nun so gelesen werden, dass der Name Isaak in der Tatsache begründet ist, dass sich andere über die den Naturgesetzen entgegenstehende, besondere Geburt Isaaks mit Sarah freuen werden, bzw. darüber ungläubig lachen werden. Das Lachen spielte gerade in diesem doppelten Sinne ja bereits bei Abraham in Gen 17,17 eine Rolle,338 und ebenso später beim Besuch der drei Engel in Mamre, als Sarah über die Ankündigung der Geburt Isaaks durch die Engel lachte und dieses Lachen noch vergeblich zu leugnen versuchte.339 Während Abraham in Gen 17,17 Augustin zufolge lediglich in frohem Staunen und ungetrübtem Glauben über die göttliche Verheißung eines Sohnes gelacht hat,340 so ist Sarahs Lachen in Gen 18,12 zwar ebenfalls ein Zei333 Vgl.

ciu. XVI 30, S.  535, Z.  8. ciu. XVI 30, S.  535, Z.  10–12. 335 „Abraham erit in magnam gentem et multam, et benedicentur in eo omnes gentes terrae.“ (Gen 18,18 nach ciu. XVI 29, S.  535, Z.  47 f.) 336 Vgl. ciu. XVI 29, S.  535, Z.  4 8–50. 337 „risum mihi fecit dominus; quicumque enim audierit, congaudebit mihi.“ (Gen 21,6 nach ciu. XVI 31, S.  536, Z.  11 f.) Durch die Übersetzung „congaudebit mihi“, die Augustin wählt und die an die LXX (συγχαρεῖταί μοι) angelehnt ist, ist deutlich, dass es hier ausschließlich um die Mitfreude mit Sarah geht. Andere Varianten, wie etwa die Vulgata / BSVC(S) („conridebit mihi“), vor allem aber der hebräische Text (‫ )ִיְצַחק־ִלי‬lassen negativere Konnotationen von „Mitlachen mit Sarah“ bis hin zum Auslachen der Ahnfrau zu. Auch das Onomasticon des Hieronymus belegt diese Etymologie: „Isaac risus uel gaudium.“ (Hieronymus, Nom. hebr. Gen. I, S.  67, Z. 15 f.) 338  Vgl. Abschnitt 3.2.6. 339  Vgl. Gen 18,9–15. 340 Vgl. ciu. XVI 26, S.  531, Z.  6 4 und XVI 31, S.  535, Z.  3 f. 334 Vgl.

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chen der „Freude“ (gaudium)341, aber im Unterschied zu ihrem Mann verriet ihr Lachen auch, dass sie keinen „vollen Glauben“ ( fides plena)342 hatte. Sie wurde aber aufgrund der Verheißung und des Tadels ihres ungläubigen Lachens durch einen der drei Männer in ihrem Glauben gestärkt,343 der ja wiederum nach Hebr 11,11 die Voraussetzung dafür bildete, dass Sarah die Kraft von Gott empfing, trotz ihres hohen Alters und trotz ihrer Unfruchtbarkeit den Isaak zu gebären. Die paulinische Deutung aus Gal 4,21–31 voraussetzend, versteht Augustin die unfreie und später vertriebene Hagar als Gleichnis für den Alten Bund 344 (und nach Gal 4,25 für das jetzige, in Knechtschaft lebende Jerusalem), die freie Sarah als Gleichnis für den Neuen Bund: „Sarah ist das Ebenbild jenes oberen Jerusalem, nämlich der Gottesstadt“.345 Die Mutter Sarah, die auf gnadenhafte und nicht wie Hagar auf irdische Weise ihren Sohn gebar, wird zum Sinnbild der ciuitas dei, der wahren Kirche, die Augustin an anderer Stelle auch als „Mutter der Christen“ (mater christianorum)346 bezeichnen kann.347 Die von Gott in Gen 22,2 geforderte Opferung Isaaks auf einem Berg in Morija versteht Augustin als Prüfung des „frommen Gehorsams“ (oboedientia pia)348 Abrahams. Dabei geht es nicht darum, dass Gott selbst einen Erkenntnisgewinn aus dieser Prüfung ziehen wollte – denn er hatte bereits im Vorhinein gewusst, wie sich Abraham verhalten würde. Vielmehr sollen durch diese Opferung, zu der Abraham bereit ist, „kommende Jahrhunderte“ (saecula)349 vom 341 Vgl.

ciu. XVI 31, S.  535, Z.  6. ciu. XVI 31, S.  535, Z.  7. 343 Vgl. ciu. XVI 31, S.  535, Z.  4 –8. 344  ciu. XVI 31, S.  536, Z.  12–16. Paulus verwendet in Gal 4,24 den Begriff διαθήκη, was nicht mit Testament, sondern mit Bund zu übersetzen ist (vgl. Hegermann, Art. διαθήκη, Sp.  719 f.). Auch Augustin wird hier weniger an die beiden Testamente der Heiligen Schrift als an den Alten und den Neuen Bund gedacht haben. 345 „Sarra illa supernae Hierusalem, hoc est ciuitatis dei, figuram gerit.“ (ciu. XVI 31, S.  536, Z.  15 f.) 346 Vgl. mor. 1,62, S.  65, Z.  10. 347  Vgl. zum Gedanken der mater ecclesia bei Augustin: Lamirande, Art. Ecclesia, Sp.  703– 706; vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 1.2.2 zu einem Konzept der mystischen Mutterschaft bei Augustin. 348 Vgl. ciu. XVI 32, S.  536, Z.  3. Bereits in ciu. I 21.26 hatte Augustin die Abraham abverlangte Opferung Isaaks behandelt, wobei es ihm um die übergeordnete Frage ging, ob man auf den Befehl Gottes hin etwas tun dürfe, was sonst verboten ist. Hier war er im Hinblick auf Gen 22 zu der Einschätzung gelangt, dass, sofern ein Befehl unzweideutig von Gott ausgeht, die Ausführung desselben nicht als „Verbrechen“ (crimen), sondern als „Gehorsam“ (oboedientia) angesehen werden dürfe. Allerdings gilt dies nur für die konkrete Situtation, in der Gott einen Befehl gegeben hat. Ansonsten könne sich niemand, der seinen Sohn opfern will, auf Abraham berufen und erwarten, vom Vorwurf des Verbrechens frei zu sein (vgl. ciu. I 21, S.  23, Z.  10–12; I 26, S.  27, Z.  11–15). Dies hat auch Konsequenzen für die Wahrnehmung und Verehrung Abrahams als exemplum, wie Melanie Webb betont: „Abraham is upheld as good on account of obedience to God, yet this must not mean that, in his speficic actions, he is a good exemplum.“ (Webb, Abraham, S.  221) 349 Vgl. ciu. XVI 32, S.  536, Z.  3. 342 Vgl.

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Glaubensgehorsam Abrahams Kenntnis erlangen. Es soll also in der Person des glaubenden Abraham ein Vorbild für die Glieder der ciuitas dei gegeben werden. Schon durch diese Deutung wird das moralisch hochproblematische Bild eines Gottes relativiert, der von einem Vater die Opferung seines eigenen Sohnes fordert. Dass Abraham in der Auslegung Augustins zum Typus des Glaubensgehorsams für die ciuitas dei wird, der sich insbesondere in dessen Bereitschaft erwiesen hat, sogar seinen eigenen Sohn zu opfern, wird noch dadurch verstärkt, dass in ciu. XIV 15 die oboedientia Abrahams mit der inoboedientia Adams kon­ trastiert wird, sodass Adam als Typus des Ungehorsams und damit als Antitypus zu Abraham erscheint: Wie nämlich Abrahams großer Gehorsam [oboedientia] mit Recht gerühmt wird, weil ihm eine so schwierige Tat, nämlich seinen Sohn zu töten, befohlen wurde, so war im Paradies der Ungehorsam [inoboedientia] umso größer, da das, was (dort) befohlen war, nicht die geringste Schwierigkeit darstellte. Und wie der Gehorsam des zweiten Menschen [d. h. Abrahams] umso preiswürdiger ist, da er gehorsam war bis zum Tod, so ist der Ungehorsam des ersten Menschen umso verwerflicher, da er ungehorsam war bis zum Tod.350

In der Gegenüberstellung der beiden typi Abraham und Adam sowie durch die Rede vom „ersten Menschen“ und dem „zweiten Menschen“ sind deutliche Bezüge zur paulinischen Adam-Christus-Typologie (1Kor 15,21 f.42–49; Röm 5,12–21) wahrzunehmen. Augustin versucht in ciu. XVI 32 den inneren Vorgang in Abraham, seine Gedanken und Gefühle, die er während der Opferforderung und der Ausführung hatte, zu sortieren und zu einer Antwort auf die Frage zu gelangen, aus welchem Beweggrund Abraham bereit war, das Opfer zu vollziehen. Diese Analyse ist auch deshalb interessant, da innerhalb von Gen 22 die Gefühle und Motive Abrahams in einer solch dramatischen Situation keinerlei Erwähnung finden. Zum einen habe Abraham nach Augustin zu keiner Zeit daran gedacht, dass Gott an Menschenopfern Wohlgefallen habe.351 Zum anderen habe Abraham immer an der Verheißung Gottes (etwa in Gen 17,16) festgehalten, dass aus Isaak, seinem Samen, Völker und Könige von Völkern hervorgehen werden. Diese beiden Punkte zusammengenommen, kommt Augustin zu dem Schluss, dass Abraham geglaubt habe, dass Isaak von Gott auferweckt werden würde, nachdem er ihn geopfert habe. Denn, wenn der zu diesem Zeitpunkt noch kinderlose Erbe Isaak im Tod geblieben wäre, hätte Gott ja nicht zu seinen Meh-

350  „sicut enim Abrahae non inmerito magna oboedientia praedicatur, quia, ut occideret filium, res difficillima est imperata: ita in paradiso tanto maior inoboedientia fuit, quanto id, quod praeceptum est, nullius difficultatis fuit. et sicut oboedientia secundi hominis eo praedicabilior, quo factus est oboediens usque ad mortem: ita inoboedientia primi hominis eo detestabilior, quo factus est inoboediens usque ad mortem.“ (ciu. XIV 15, S.  437, Z.  20–27) 351 Vgl. ciu. XVI 32, S.  536, Z.  10 f.

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rungsverheißungen in Bezug auf Isaak stehen können.352 Augustin kann seine Annahme, dass Abraham an die Auferweckung seines Sohnes geglaubt habe, auf Hebr 11,17–19 stützen – Verse, die er auch in ciu. XVI 32 zitiert: Im Glauben ging Abraham dem Isaak voraus, als er versucht wurde, und er gab den einzigen (Sohn)353 dahin, der die Verheißungen empfangen hat, da über den gesagt war: ‚In Isaak wird dein Same genannt werden‘ [Gen 21,12], weil er dachte, dass Gott auch von den Toten auferwecken kann. […] Deshalb hat er [sc. Gott] ihn [sc. Isaak seinem Vater Abraham] als ein Gleichnis [für die Auferweckung Christi] (wieder) zugeführt.354

Mit der geforderten Opferung des einzigen Sohnes, dem die Verheißungen gelten, und dessen ‚Rückgabe‘ an Abraham – durch die Intervention des gottgesandten Engels, die die Opferung, zu der der Vater bereit war, im letzten Moment verhinderte – wurde also sowohl ein „Gleichnis“ (similitudo) für die Hingabe Jesu Christi durch Gott den Vater als auch für die Auferweckung desselben gegeben. Diese Deutung des Hebräerbriefes wird auch in den Genesis-Homilien des Origenes rezipiert und fortgeführt. Dessen Gedanken sind denjenigen Augustins in ciu. sehr ähnlich, sodass man auch hier einen Einfluss dieses Werkes annehmen darf.355 In der achten Homilie ist zu lesen: Der Apostel 356 hat uns also die Gedanken eines gläubigen Mannes überliefert, dass der Glaube an die Auferstehung bereits damals begann, um Isaaks willen, aufzukommen. Abraham hoffte also, dass Isaak auferstehen werde, und er glaubte, es werde geschehen, 352  In früheren Schriften ging Augustin noch davon aus, dass Abraham dachte, sein Sohn Isaak würde tatsächlich sterben. So schreibt er etwa in seiner wenige Jahre nach 400 entstandenen Schrift De bono coniugali (zur Datierung vgl. Drecoll, Chronologie, S.  256; Berrouard, Art. Bono, Sp.  659): „Aufgrund dieses Gehorsams war jener Vater Abraham, der nicht ohne Frau lebte, dazu bereit, ohne seinen einzigen Sohn zu sein, und ihn selbst zu töten.“ („ex hac oboedientia pater ille Abraham, qui sine uxore non fuit, esse sine unico filio et a se occiso paratus fuit.“ [b. coniug. 31, S.  226, Z.  1 f.]) Der Gedanke, dass Abraham bereits zum Zeitpunkt der göttlichen Forderung der Opferung Isaaks daran glaubte, dass Gott diesen nach der Opferung wieder auferwecken würde, ist Augustin also erst in späteren Jahren gekommen. Eventuell war hier die Lektüre des Hebräerbriefs, insbesondere Hebr 11,17–19, ausschlaggebend. So fühlt er sich auch in seinen retr. dazu genötigt, seine frühere Position, wie er sie in b. coniug. 31 vertrat, zu widerrufen: „magis enim filius, si esset occisus, resuscitatione sibi mox fuisse reddendum credidisse credendus est, sicut in epistula legitur quae est ad Hebreos.“ (retr. 2,22,2, S.  108, Z. 33–35; vgl. dazu auch C. P. Mayer, Art. Abraham, Sp.  18) 353  Freilich ist mit dem einzigen Sohn (unicus) hier nicht gemeint, dass Abraham nur diesen einen Sohn hatte, da ihm ja vor Isaak schon Ismael von der Magd Hagar geboren wurde. Mit unicus ist hier, wie die weitere Spezifizierung zeigt, der einzige Sohn gemeint, dem die Verheißungen gelten – der wahre Erbe Abrahams also. 354 „fide […] praecessit Abraham Isaac temptatus et unicum obtulit, qui promissiones suscepit, ad quem dictum est: in Isaac uocabitur tibi semen, cogitans quia et ex mortuis suscitare potest deus. […] pro hoc etiam eum et in similitudinem adduxit.“ (Hebr 11,17–19 nach ciu. XVI 32, S.  536, Z.  29 – S.  537, Z.  33) 355  Vgl. zum Einfluss der Genesis-Homilien des Origenes auf ciu. Abschnitt 2.1.2. 356  Auch Origenes bezieht sich hier auf Hebr 11,17–19.

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was bisher nicht geschehen war. Auf welche Weise sind also diejenigen Söhne Abrahams, die nicht glauben, dass mit Christus das geschehen ist, was jener geglaubt hat, dass es mit Isaak geschehen werde? Ja, um es noch klarer zu sagen: Abraham wusste, dass er ein Bild zukünftiger Wahrheit vorher bildete; er wusste, dass aus seinem Samen Christus geboren werden würde, der als das wahrere Opfer der gesamten Welt dargebracht werden sollte und von den Toten auferstehen werden würde.357

Über Hebr 11,17–19 hinaus werden hier offensichtlich diejenigen als die wahren filii Abrahae angesehen, die wie der Erzvater an die Auferstehung (Christi) glauben, hingegen wird denen, die dies ablehnen, die Abrahamssohnschaft abgesprochen. In ähnlicher Weise greift auch Augustin den paulinischen Topos der Nachkommenschaft Abrahams in ciu. XVI 32 auf.358 Bei Augustin findet sich die noch tiefgreifendere Überlegung, dass der Auferstehungsglaube Abrahams gewissermaßen eine begründete Hoffnung darstellt: Da er nämlich zum Zeitpunkt des Befehls in Gen 22 bereits in der auf natürlichem Wege unmöglichen Geburt des Isaak erfahren hatte, dass Gott auf wunderhafte Weise an seinen Verheißungen festhält, konnte er auch darauf hoffen, dass Gott ihm den getöteten Sohn lebendig wiedergeben wird.359 Augustin hat also wesentliche Aspekte seiner Interpretation von Gen 22 den Versen aus dem Hebräerbrief entnommen, und auch deren Rezeption durch Origenes hat wohl Eingang in die Deutung Augustins gefunden. In jedem Fall stellt der Gedanke, dass Gott, selbst wenn er die Opferung Isaaks zugelassen hätte, diesen wieder auferweckt hätte, eine weitere Rechtfertigung Gottes dar. Damit wird die Dramatik der Forderung Gottes an Abraham, seinen einzig geliebten Sohn zu opfern, erheblich entschärft. Denn Abraham hätte somit zu keinem Zeitpunkt geglaubt, dass Gott seinen Sohn tatsächlich sterben lassen wollte, sodass auch seine Bereitschaft, Isaak zu opfern, nicht mehr als moralisch problematischer ‚blinder Gehorsam‘ gegenüber einem grausamen Gottesbefehl beurteilt werden kann. In Hebr 11,19 wird Abrahams Opfer als ein „Gleichnis“ (παραβολή / similitudo)360 bezeichnet, was Augustin zum Anlass nimmt, einige allegorische Auslegungen zu Gen 22 vorzunehmen. Ganz grundsätzlich ist Abraham, der Vater, der bereit ist, seinen eigenen, einzigen und geliebten Sohn zu opfern, ein 357  „Prodidit

ergo nobis cogitationes uiri fidelis apostolus, quod fides resurrectionis iam tum haberi coeperit in Isaac. Abraham ergo resurrecturum sperabat Isaac et credebat futurum, quod adhuc non erat factum. Quomodo ergo filii sunt Abraham, qui factum non cre­ dunt in Christo, quod ille futurum credidit in Isaac? Immo, ut apertius proloquar, sciebat se Abraham futurae ueritatis imaginem praeformare, sciebat de semine suo nasciturum Christum, qui et offerendus esset totius mundi uerior hostia et resurrecturus a mortuis.“ (Origenes, Hom. Gen. 8,1, S.  166, Z.  11–18) 358 Vgl. ciu. XVI 32, S.  536, Z.  2 0–24. 359  „hanc ergo promissionem pater pius fideliter tenens, quia per hunc oportebat impleri, quem deus iubebat occidi non haesitauit quod sibi reddi poterat immolatus, qui dari potuit non speratus.“ (ciu. XVI 32, S.  536, Z.  25–28) 360 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  33.

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Gleichnis für Gott, der, wie Paulus in Röm 8,32 sagt, „seinen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat“.361 Die (beinahe durchgeführte) Opferung des Sohnes und die (von Abraham erhoffte) Auferweckung Isaaks durch Gott weisen auf den Opfertod Jesu Christi und seine Auferweckung nach drei Tagen hin. Wie Isaak das (Brenn-)Holz, das für seine Opferung bestimmt war, selbst auf den Berg in Morija tragen musste, so musste auch Jesus sein eigenes (Kreuzes-)Holz auf den Berg Golgatha tragen, auf dem er seinen Opfertod erleiden würde.362 Schließlich deutet der Widder, der sich nach Gen 22,13 mit seinen Hörnern in einem Dornenstrauch verfangen hatte und den Abraham, nachdem ihn der Engel von der Opferung seines Sohnes abgehalten hat, anstelle Isaaks opfert, auf Christus hin: Wie seine Hörner voller Dornen sind, so krönten auch die Juden Jesus vor seiner Kreuzigung mit Dornen.363 Wenn es auch nicht noch einmal explizit gesagt wird, so kann der sozusagen stellvertrend für Isaak geopferte Widder als Vorverweis auf den stellvertretenden Opfertod Jesu Christi gesehen werden.364 Die allegorische auf Christus bezogene Auslegung der ‚Opferung‘ bzw. Bindung Isaaks, mit der sich Augustin an den Hebräerbrief und weitere christliche Autoren anlehnt,365 tritt allerdings etwas zurück gegenüber der Deutung von Gen 22 als Erweis des ‚frommen Gehorsams‘ eines Gottesfürchtigen, der für die nachfolgenden Generationen gegeben werden soll. Die Charakterisierung Abrahams als eines idealtypischen Gliedes der ciuitas dei kommt in Augustins Auslegung von Gen 22 zu ihrem Höhepunkt. Es geht nicht um den blinden Gehorsam eines Menschen, der gewillt ist, selbst fragwürdigste Befehle, wie es die Opferung des eigenen Sohnes zweifellos ist, unhinterfragt auszuführen. Im Fo361 „[deus] qui proprio filio non pepercit, sed pro nobis omnibus tradidit eum?“ (Röm 8,32 nach ciu. XVI 32, S.  537, Z.  34 f.) 362 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  35–37. 363 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  37–43; eine ähnliche allegorische Auslegung von Gen 22 findet sich bereits in c. Faust. 12,25, S.  354, Z.  3 –7: „quis alius in Isaac lignum sibi portabat ad uictimam, nisi qui crucem sibi ad passionem ipse portauit? quis alius aries inmolandus in uepre cornibus adhaerebat, nisi qui crucis patibulo pro nobis offerendus adfigebatur?“ Vgl. zu dieser bei Augustin häufiger auftretenden Deutung Weidmann, Abraham, S.   65 mit Anm.  28. 364  Deutlich wird dieser Zusammenhang etwa in diu. qu. 58,2 hergestellt. In einer Reihe von Beispielen dafür, dass nicht nur die Aussagen der Propheten, sondern auch die alttestamentlichen Erzählungen selbst prophetischen Charakter haben, wird auch von dem Widder gesprochen, dessen stellvertretende Opferung auf Christus verweist: „quod Isaac immolandus ducitur, et aries pro illo in sentibus tamquam crucifixus agnoscitur“ (diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  30f; s. dazu Lof, ‚Prophet‘, S.  28). 365  Vgl. etwa die entsprechende Deutung von Gen 22 bei Irenäus: „Etenim Abraham secundum suam fidem secutus praeceptum Verbi Dei, prono animo unigenitum et dilectum filium suum concessit sacrificium Deo, ut et Deus beneplacitum habeat pro universo semine ejus dilectum et unigenitum Filium suum praestare sacrificium in nostram redemptionem.“ (Haer. IV 5,4, S.  434, Z.  68–74) Nach Laurens J. van der Lof ist Augustin Irenäus in dessen ‚prophetischer‘ Deutung Abrahams gefolgt (vgl. Lof, ‚Prophet‘, S.  28 f.).

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kus steht vielmehr der Glaube eines Mannes an einen Gott, der zu seinen Verheißungen steht und alles zum Guten führen wird. Erst dieser feste Glaube befähigte Abraham dazu, auf die für einen liebenden Vater schier unmögliche Forderung einzugehen, seinen eigenen Sohn zu opfern. Hatte Abraham schon früher nicht an den Verheißungen Gottes gezweifelt – man denke an Augustins Verständnis des Lachens Abrahams in Gen 17,17: Der greise Abraham lachte angesichts der Verheißung, ihm und seiner unfruchtbaren neunzigjährigen Frau solle noch ein Sohn geboren werden, nicht etwa aus Spott oder Misstrauen gegenüber dieser wahrhaft un-glaublichen Verheißung, sondern in seinem Lachen zeigt sich das „Frohlocken des sich Freuenden“ (exul­ tatio gratulantis)366 –, so wird dieser unerschütterliche Glaube Abrahams in Gen 22,2 auf die denkbar härteste Probe gestellt. Dass er diese Prüfung seines Glaubens bestanden hat, formuliert der Engel, der Abraham im letzten Moment von der Opferung seines Sohnes abgehalten hat, mit den Worten: „Denn nun bin ich innegeworden, dass du deinen Gott fürchtest und dass du deinen geliebten Sohn nicht verschont hast um meinetwillen.“367 (Gen 22,12) Augustin möchte hier das „nun bin ich innegeworden“ (nunc sciui) als „nun habe ich ans Licht gebracht“ (nunc sciri feci)368 verstanden wissen, da es Gott, wie bereits zu Anfang von ciu. XVI 32 betont, mit der Prüfung Abrahams nicht um eigenen Erkenntnisgewinn ging, sondern darum, mit Abrahams vorbildlichem Glaubensgehorsam ein Beispiel für die kommenden Generationen zu geben. Mit seiner (Um-) Deutung von Gen 22,12 passt Augustin das hier vorausgesetzte anthropomorphe Gottesbild dem Gedanken der Allwissenheit Gottes an. Die Vorstellung, dass ein gerechter und gütiger Gott eine derartige „Versuchung“ (tentatio) Abrahams durchführt, wurde insbesondere bei den Manichäern kritisiert.369 Aber auch innerhalb des Neuen Testaments findet sich in Jak 1,13 die Meinung, dass Gott niemanden versuchen würde. Aus diesem Grund sah sich Augustin bereits in seinen qu. dazu herausgefordert, Versuchungen Gottes im Allgemeinen 370 und im Besonderen (Gen 22) zu rechtfertigen. In qu. 1,57 rechtfertigt er die Prüfung Abrahams u. a. dadurch, dass er in ihr den auch 366 Vgl.

ciu. XVI 26, S.  531, Z.  64. Vgl. hierzu Abschnitt 3.2.6. enim sciui quia times deum tuum, et non pepercisti filio tuo dilecto propter me.“ (Gen 22,12 nach ciu. XVI 32, S.  537, Z.  49 f.) 368 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  51. 369  Vgl. hierzu beispielsweise die Predigt s. 2, in der ebenfalls Gen 22 ausführlich behandelt wird. Hier betont Augustin, dass es ein und derselbe Gott ist, der Abraham den verheißenen Sohn Isaak schenkte und der nun auch den Befehl zur Opferung desselben gibt (vgl. s.  2 ,1,S.  9, Z.  22–30). Clemens Weidmann sieht darin eine „antimanichäische Stoßrichtung“ (Weidmann, Abraham, S.  63). 370 „et tentauit deus Abraham [Gn 22,1]. quaeri solet quomodo hoc uerum sit, cum dicat in epistula sua Iacobus quod deus neminem tentat [vgl. Jak 1,13]. nisi quia locutione scripturarum solet dici tentat pro eo quod est probat. tentatio uero illa, de qua Iacobus dicit, non intellegitur nisi qua quisque peccato inplicatur. unde apostolus dicit: ne forte tentauerit uos is qui tentat [1Thess 3,5].“ (qu. 1,57, S.  22, Z.  704–710) 367 „nunc

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in ciu. XVI 32 dargelegten, von Gen 22,12 (nunc sciui – nunc sciri feci) abgeleiteten positiven Zweck erkannte, mit der Prüfung Abrahams ein Beispiel des Glaubens für die kommenden Generationen zu geben: Denn an anderer Stelle steht auch geschrieben: ‚Der Herr, euer Gott, versucht [tentare] euch, um zu erkennen [ut sciat], ob ihr ihn liebt [Dtn 13,3].‘ Auch der Ausdruck ‚um zu erkennen‘ [ut sciat] ist nach einer solchen Darstellungsweise gesagt, als wenn man sagen wollte: ‚um euch erkennen zu lassen‘, denn dem Menschen sind die Kräfte seiner Liebe verborgen, wenn sie ihm nicht durch eine [göttliche] Prüfung [experimentum] bekannt werden.371

Auch Ambrosius wendet sich in seiner Schrift über Abraham, die Augustin ebenso in diesem Punkt beeinflusst haben wird, der Frage zu, in welcher Weise Gott den Menschen „prüft“ (probare) bzw. „versucht“ (temptare) – gerade auch im Gegenüber zu Versuchungen des Teufels. So ist bei Ambrosius zu lesen: Auf eine Weise versucht [temptare] Gott, auf eine andere Weise der Teufel. Der Teufel versucht, um zu untergraben [subruere]; Gott versucht, um zu ehren [coronare; wörtl.: „um zu krönen“]. Deshalb versucht er diejenigen, die er bereits geprüft hat [probare]. Daher sagt auch David: ‚Prüfe mich, Gott und versuche mich!‘ [Ps 138,23] Auch den heiligen Abraham hat er zuvor geprüft, und (dann) auf diese Weise versucht: Er wollte ihn nicht belasten, indem er ihn versucht [temptare], ohne ihn vorher geprüft [probare] zu haben. Er hat ihn geprüft, als er ihm befohlen hat, aus Harran wegzuziehen, und er hat [bei ihm, sc. Abraham] Gehorsam gefunden [vgl. Gen 12,1–4]. […] Einen Geprüften also, sieht er [sc. Gott] als tapferer an, und er versucht ihn durch größere Befehle, die für manch andere sehr hart wären. Und durch dieses Beispiel werden wir darüber belehrt, dass die Prüfung [Abrahams] real ist, die Versuchung aber erdacht und fiktiv. Denn Gott wollte weder, dass der Vater seinen Sohn opfert, noch wollte er sich an jener Opfergabe laben, die er in Form des Schafes zur Opferung anstelle des Sohnes bereitgestellt hat: Aber er versuchte [temptare] die Neigung [adfectus] des Vaters, ob er die Befehle Gottes seinem Sohn vortragen würde, und ob nicht durch die Anschauung seiner väterlichen Liebe die Kraft seiner Frömmigkeit verbogen würde.372 371 

„nam et alibi scriptum est: tentat uos dominus deus uester, ut sciat si diligitis eum [Dtn 13,3]. etiam hoc genere locutionis ut sciat [Dtn 13,3] dictum est, ac si diceretur: ut scire uos faciat, quoniam uires dilectionis suae hominem latent, nisi [diuino] experimento etiam eidem innotescant.“ (qu. 1,57, S.  22, Z.  704–710) Das Adjektiv „diuino“ vor „experimento“ lesen eine Reihe von Textzeugen; vgl. AugO 57/1, S.  148. In ähnlicher Weise argumentiert Augustin in s. 2: Die Prüfung Gottes dient nicht dessem Erkenntnisgewinn, sondern demjenigen Abrahams. Durch das Beispiel Abrahams lässt Gott aber zugleich auch die Glaubenden erkennen, dass nichts höher geschätzt werden sollte als Gott (vgl. s. 2,4–5, S.  12, Z. 117 – S.  13, Z. 148; s. dazu Weidmann, Abraham, S.  64; Webb, Abraham, S.  220 f.). 372  „aliter deus temptat, aliter diabolus. diabolus temptat ut subruat, deus temptat ut coronet. denique probatos sibi temptat. unde et Dauid dicit: proba me, deus, et tempta me. [Ps 138,23] sanctum Abraham probauit ante et sic temptauit, ne si ante temptaret quam probasset, grauaret. probauit eum, cum exire de Charra iussit, et oboedientem repperit. […] probatum igitur quasi fortiorem temptandum putauit maioribus et quibusdam imperiis durioribus. et hic quidem exemplo docemur quia ueris probatur quis, temptatur autem compositis et fictis. non enim uolebat deus inmolari a patre filium, nec inpleri hoc munus uolebat, qui

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Wie bei Augustin wird die „Versuchung“ (temptatio) Abrahams bei Ambrosius in ihrer Dramatik dadurch entschärft, dass es sich bei ihr (lediglich) um ein von Gott gewolltes heilsgeschichtliches exemplum für den späteren Opfertod Christi handelt. Gottes Intention sei es dagegen nie gewesen, dass Abraham tatsächlich seinen Sohn opfert. Abrahams Glaube und sein Gehorsam wurde von Gott erfolgreich „geprüft“ (probare), etwa in der Forderung, seine Heimat zu verlassen, um in das verheißene Land zu ziehen. Die „Versuchung“ (temptatio) in Gen 22 dagegen, die aufgrund der bereits erfolgten Prüfung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, als dass ihr Abraham gehorsam Folge leistet, fand allein deswegen statt, damit sie kommenden Generationen als exemplum diene. Diese Gedanken stehen auch bei Augustin im Hintergrund, wenn er davon spricht, dass es Gott bei der Versuchung Abrahams nicht um eigenen Erkenntnisgewinn ging, sondern eben darum, durch Abraham ein heilsgeschichtliches exemplum zu geben. Die Verheißungen, an denen Abraham in Gen 22 festhielt, werden nach der Opferung des Widders durch Abraham von dem Engel noch einmal wiederholt und bekräftigt (Gen 22,15–18) – bekräftigt auch durch den Umstand, dass Gott hier zum ersten Mal seine Verheißungen mit einem „Schwur“ (iuratio)373 beginnt und nach Augustin bis zu diesem Zeitpunkt noch nie geschworen hatte.374 Mit seiner Bereitschaft, seinen Sohn zu opfern, und dem darin bewiesenen unerschütterlichen Glauben an die Verheißungen hat sich Abraham nochmals als Empfänger dieser Verheißungen qualifiziert: „Weil du diese Forderung erfüllt hast und hast deines geliebten Sohnes nicht verschont um meinetwillen, darum will ich dich wahrlich mit reichem Segen segnen und deinen Samen mächtig mehren […].“375 (Gen 22,16 f.) In diesen Verheißungen begegnen mit den „Sternen des Himmels“ (stellae caeli) und dem „Sand am Ufer des Meeres“ (harena, quae iuxta labium maris)376 nochmals zwei Hyperbeln, mit denen die Vielzahl des Samens Abrahams unterstrichen werden soll. Solche Hyperbeln hat Augustin bereits einige Kapitel zuvor als Verheißungen für die ciuitas dei, weniger aber für das irdische Volk Israel verstanden.377 Schließlich münden die Verheißungen des Engels an Abraham in den gerade für die christliche Auslegungstradition wichtigen, an Gen 12,3 erinnernden Satz: „[a]und in deinen Samen werden gesegnet werden alle Völker ouem pro filio immolandam optulit, sed temptabat adfectum patris, si dei praecepta praeferret filio nec paternae pietatis contemplatione uim deuotionis inflecteret.“ (Ambrosius, Abr. I 8,66, S.  545, Z.  14 – S.  546, Z.  8) 373 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  6 6. 374 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  6 4–67. 375 „propter quod fecisti uerbum hoc et non pepercisti filio tuo dilecto propter me, nisi benedicens benedicam te, et multiplicans multiplicabo semen tuum.“ (Gen 22,16 f. nach ciu. XVI 32, S.  537, Z.  58–61) 376 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  61 f. 377  Vgl. zu den Hyperbeln „Staub der Erde“ und „Sterne des Himmels“ Abschnitt 3.2.3.

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der Erde, [b]weil du meiner Stimme gehorcht hast“378 (Gen 22,18). Den ersten Teilsatz [a] versteht Augustin dahingehend, dass im Samen Abrahams die Heidenvölker berufen werden (uocatio gentium)379. Diese universale Perspektive aufnehmend und eingedenk der von ihm in Gen 22 erkannten prophetischen Andeutungen auf den Opfertod Christi versteht Augustin die Geschichte von der Opferung Isaaks als vollständig auf die ciuitas dei (und nicht das irdische Volk Israel) abzielendes heilsgeschichtliches Ereignis, das von Anfang an zum Ziel hatte, den aus allen Völkern berufenen Gliedern der ciuitas dei mit Abraham einen idealen, nicht an den Zusagen Gottes zweifelnden Gläubigen als Beispiel zu geben. Dabei ist es aber für Augustin wie immer wichtig, fromme Taten oder eben auch den unverbrüchlichen Glauben Abrahams niemals als rein menschliche Leistung zu sehen, derer man sich rühmen könnte. Der wahrhaft Gläubige erweist sich nicht zuletzt darin, dass er die ihm beistehende Gnade als „Gabe Gottes“ (munus dei)380 anerkennt, die ihm erst den Glauben und in der Folge auch die frommen Taten ermöglicht. 3.2.9 Kettura und das Lebensende Abrahams Nach der von Gott geforderten und schließlich verhinderten Opferung Isaaks wird vom Tode der 127-jährigen Sarah berichtet. Nachdem er seine Frau beweint hatte, kaufte Abraham, um sie zu begraben, eine Erbbegräbnisstätte von einem Hethiter namens Ephron: die Höhle Machpela und den umliegenden Acker (vgl. Gen 23,3–17). Diese Höhle und der Acker lagen östlich von Mamre (wo der Besuch der drei Männer stattgefunden hatte) im Lande Kanaan. Mit diesem Landerwerb hat Abraham nach Augustin „in jenem Land Fuß gefasst“ (in terra illa est conlocatus)381, im verheißenen Land. Der Tod Tharas habe zwei Jahre früher stattgefunden,382 denn wenn Sarah (nach Gen 23,1) 127 Jahre alt war, als sie starb, war ihr zehn Jahre älterer Mann Abraham (vgl. Gen 17,17) zu diesem Zeitpunkt 137 Jahre alt. Wenn nun Thara seinen Sohn mit 70 Jahren bekommen hat (Gen 11,26) und insgesamt 205 Jahre gelebt hat (Gen 11,32), so war er im 137. Lebensjahr seines Sohnes bereits zwei Jahre tot. Dieser Umstand ist für Augustin deshalb wichtig, da er seine Interpretation der Passage in der Stephanusrede (Apg 7,4) damit stützen kann,383 die wiederum für seine Chronologie der Ereignisse der Frühzeit von Bedeutung ist. Somit ist Thara nicht bereits gestorben, bevor Abraham in das Land Kanaan loszog – was Apg 7,4 nahelegen könnte, aber von der Chronologie nicht passt, da Thara zum Zeit378 „et

benedicentur in semine tuo omnes gentes terrae, quia obaudisti uocem meam.“ (Gen 22,18 nach ciu. XVI 32, S.  537, Z.  63 f.) 379 Vgl. ciu. XVI 32, S.  537, Z.  6 4 f. 380 Vgl. ciu. XVI 32, S.  536, Z.  8. 381 Vgl. ciu. XVI 32, S.  538, Z.  76. 382 Vgl. ciu. XVI 32, S.  538, Z.  7 7 f. 383 Vgl. ciu. XVI 15, S.  519, Z.  6 4 – S.  520, Z.  6 8. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.2 mit Anm.  121.

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punkt des Auszugs Abrahams aus Mesopotamien erst 145 Jahre alt war –, sondern Thara starb, kurz bevor Abraham in Kanaan „Fuß gefasst“ hatte, was nach Augustin mit dem genannten Erwerb von Landbesitz geschehen ist. Nach dem Tode Sarahs nahm sich Abraham Kettura zur Frau und zeugte mit ihr weitere Kinder (Gen 25,1 f.). Augustin stellt sich die Frage, warum Abraham dies tat, wo er doch seine Enthaltsamkeit bereits bei Hagar unter Beweis gestellt hatte, als er nicht aus Lust oder „Begierde“ (libido)384, sondern aus dem Wunsch nach Nachkommenschaft heraus mit ihr die „Frucht der Natur“ ( fructus naturae)385 gesucht habe. Doch zum Erzeugen von mehr Nachkommenschaft durch Abraham gab es nach dem Tode Sarahs keinen Grund mehr. Isaak war von der Opferung verschont geblieben und Abraham vertraute in die Verheißung Gottes, dass aus diesem seinem Samen eine immense Zahl an Nachkommen und viele Völker und Könige über Völker hervorgehen würden (vgl. u. a. Gen 17,16; 22,15–18).386 Selbst sein älterer, nach dem Fleische geborener Sohn Ismael soll ja nach der Zusage Gottes (Gen 17,20) gemehrt werden, er soll zwölf Fürsten zeugen und zu einem großen Volk werden. Da es also weder um fleischliche Lust noch um Erzeugung von Nachkommenschaft ging, muss das Zeugen von Kindern mit Kettura einen anderen Sinn haben, den Augustin im zeichenhaften Charakter dieser Nachkommen sieht. Bis zu dieser Stelle hatte Augustin bereits mehrfach das paulinische Konzept der beiden Mütter (Gal 4,21–31) angeführt: Die Magd Hagar steht der Freien Sarah gegenüber, die Nachkommenschaft Hagars, die unter dem Gesetz geknechteten Kinder der Unfreien (das irdische Jerusalem) den Kindern der Freien, den ‚Söhnen der Verheißung‘ (die im himmlischen Jerusalem leben werden).387 Dieses paulinische Konzept der zwei Mütter weitet Augustin in ciu. XVI 34 auf eines mit drei Müttern aus: Da gibt es zum einen Sarah, die das himmlische Jerusalem und damit die wahre Kirche repräsentiert und deren Kinder vom verheißenen Isaak an die Glieder der ciuitas dei sind. Zum anderen ist da die Magd Hagar, die ein Gleichnis für das jetzige Jerusalem ist (Gal 4,25) und deren Nachkommen von Ismael an Glieder der ciuitas terrena sind: die 384 Vgl.

ciu. XVI 25, S.  529, Z.  6. utroque non culpae luxus, sed naturae fructus exquiritur.“ (ciu. XVI 25, S.  529, Z.  14 f.) Dies entspricht der Sexualethik Augustins, wie er sie in seiner antipelagianischen Schrift gegen Julian von Aeclanum formuliert hat (vgl. in Bezug auf die Zeugung Kains: Abschnitt 1.2.8): So sollen sich Ehepaare beim Geschlechtsverkehr „nicht in der Freude der Lust, sondern im Willen zur Nachkommenschaft“ (non in uoluptate libidinis, sed in uoluntate propaginis) miteinander vereinigen (c. Iul. 4,33, S.  756, Z.  8 f.; s. dazu Cipriani, Art. Libido, Sp.  983 f.). 386 Vgl. ciu. XVI 34, S.  538, Z.  4 –6. 387  Das paulinische Konzept der beiden Mütter rezipierte Augustin bereits bei seiner Darstellung des Bruderkonfliktes zwischen Kain und Abel (vgl. ciu. XV 2, S.  454, Z.  5 – S.  455, Z.  5; siehe dazu auch Abschnitt 1.2.2), und später, als es um Ismael und Isaak selbst ging (vgl. ciu. XVI 26, S.  530, Z.  47–50; XVI 31, S.  536, Z.  12–16). 385  „ab

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„fleischlich Gesinnten des Alten Bundes“ (carnales ueteris testamenti)388. Zu diesen beiden gesellt sich nun Kettura, deren Kinder Augustin zufolge diejenigen „fleischlich Gesinnten sind, die sich zum Neuen Bund rechnen“ (carnales, qui se ad testamentum nouum existimant)389; m.a.W. sind dies die Häretiker.390 Dass die Nachkommen Hagars und Ketturas auf einer Ebene stehen 391 und das negative Gegenüber zur Nachkommenschaft Sarahs bilden, unterstreicht Augustin in ciu. XVI 34 auch mit der Feststellung, dass nach Gen 25,5 Abraham sein gesamtes Gut an Isaak vererbt und die Söhne seiner „Nebenfrauen“ (concubinae) lediglich mit Geschenken bedacht hat – bevor er sie alle aus seinem Land ausziehen ließ bis auf Isaak, der als einziger Erbe im Land verblieb.392 An dieser Stelle wird deutlich, dass, wie es ja auch die Verheißungen Gottes u. a. in Gen 17,16–21 deutlich machen, allein Isaak als der wahre Erbe und Träger der Verheißungen angesehen wird. Augustin begreift das verheißene Land Kanaan als Sinnbild für das Gottesreich, wenn er zur Ausweisung der Söhne der Nebenfrauen Abrahams schreibt: „Ins verheißene Reich gelangen sie [die Söhne der Nebenfrauen] nicht, weder die Häretiker [die Söhne Ketturas] noch die fleischlich gesinnten Juden [Ismael, der Sohn Hagars], denn niemand außer Isaak ist der Erbe“.393 Allein die „Kinder der Verheißung“ ( filii promissionis / Röm 9,8) werden zu jenem Samen Abrahams gerechnet, an dem sich die Verheißungen 388 Vgl.

ciu. XVI 34, S.  538, Z.  7 f. ciu. XVI 34, S.  538, Z.  9. 390  Dass Augustin in den Nachkommen Ketturas tatsächlich die Häretiker vorabgebildet sieht, sagt er wörtlich in qu. 1,70. Hier formuliert er erstmals die in ciu. XVI 34 ausgeführte Auffassung, dass die von Abraham an seine „Konkubinensöhne“ ( filii concubinarum) überreichten Geschenke (vgl. Gen 25,6) „gewisse Gottesgaben“ (quaedam dei dona) präfigurieren, die das „fleischliche Volk der Juden“ (carnalis populus Iudaeorum), aber auch die „Häretiker“ (haeretici) im Laufe der Zeit in Form von Zeichen oder „Geheimnissen“ bzw. „Riten“ (sacramenta) erhalten haben (vgl. qu. 1,70, S.  27, Z.  889–894, s. dazu Anm.  101 von Walter Groß in: AugO 57/1, S.  162 f.). Vor dem Hintergrund von qu. 1,70 muss also ausgeschlossen werden, dass Augustin in den Nachkommen Ketturas in ciu. XVI 34 auch die Heiden inkludiert sieht, die er ja etwa in uera rel. als eine der drei neben den wahren Christen existierenden Menschengruppen ( Juden, Heiden, Häretiker) versteht (vgl. uera rel. 47, S.  217, Z. 36–42). Die nicht an Christus glaubenden Heiden sind zwar auch carnales, sie zählen sich aber nicht zum Neuen Bund (vgl. Berton, Abraham, S.  371). 391  In Abschnitt 1.2.2 wurde bereits auf die Schrift bapt. hingewiesen, in der Augustin in 1,25 ebenfalls das paulinische Konzept der zwei Mütter aufnimmt und hier auch genauer ausführt, wer zu welcher Nachkommenschaft gehört. Bezogen auf ciu. XVI 34 ist freilich interessant, dass die Häretiker (dort „pseudochristiani“ genannt) hier noch nicht als eigene Gruppe (nämlich als Kinder der Kettura) erscheinen, sondern in die Nachkommenschaft der Magd Hagar eingeordnet werden (vgl. bapt. 1,25, S.  169, Z.  8 –14). 392 Vgl. ciu. XVI 34, S.  539, Z.  (19–22) 20. Ganz ähnlich argumentierte Augustin bereits in qu. 1,70, S.  27, Z.  889–894. 393  „sed [filii concubinarum] non perueniunt ad regnum promissum, nec haeretici, nec Iudaei carnales, quia praeter Isaac nullus est heres“ (ciu. XVI 34, S.  539, Z.  23–25). Vgl. zu Augustins Rezeption der paulinischen Rede von der „Erbschaft“ (hereditas), die den Nachkommen Abrahams verheißen ist (Gal 3,6–4,7): Gärtner, Art. Hereditas, Sp.  307. 389 Vgl.

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erfüllen sollen, und nach Gen 21,12 heißt es ja, dass (nur) „in Isaak dein [d. h. Abrahams] Same genannt werden wird“.394 Diesen Gedanken fortführend war auch nur Sarah die eigentliche Ahnfrau und Ehefrau Abrahams, da sie, wie Augustin zu bedenken gibt, als einzige der Frauen, die Abraham Kinder geboren haben, nicht mit dem Begriff „Nebenfrau / Konkubine“ bedacht wird.395 Dass auch Kettura „Nebenfrau“ genannt wird, auch wenn sie von Abraham geehelicht wurde, als dieser bereits Witwer war, lässt für Augustin den Schluss zu, dass es sich bei der Beziehung zwischen Abraham und Kettura um ein „Geheimnis“ (mysterium)396 gehandelt hat. Zunächst einmal könnte mit der Bezeichnung „Nebenfrau“ für Kettura einem moralischen Vorwurf der Ketzer gegenüber Abraham vorgebeugt werden, die die zweite Ehe für Sünde halten und verwerfen. Die Charakterisierung der Beziehung Abrahams zu Kettura als geheimnisvoll zeigt aber, dass für Augustin der eigentliche Sinn in der Bezeichnung Ketturas als Nebenfrau (in Verbindung mit dem Verständnis der beiden Mütter Hagar und Sarah) in jenem vorwegnehmenden Sinnbild liegt, wonach in der Nachkommenschaft dieser drei Frauen die drei folgenden Gruppen abgebildet sind: fleischlich gesinnte Juden, wahre Glieder der ciuitas dei und schließlich Häretiker. Der in Gen 25,7–11 ausführlicher beschriebene Tod Abrahams (und sein Begräbnis) wird in ciu. XVI 34 in einer vergleichsweise kurzen Notiz erwähnt, wonach Abraham mit 175 Jahren starb und seinen Sohn Isaak 75-jährig zurückließ.397

3.3 Isaak und Jakob 3.3.1 Die Brautwerbung für Isaak Auf Veranlassung Abrahams zog sein ältester Knecht nach Mesopotamien, um dort für Isaak eine Braut zu finden (Gen 24,2–9). Er hatte Abraham schwören müssen, Isaak keine Frau von den Töchtern der Kanaaniter zu suchen. Er trifft schließlich, geführt von Gott (Gen 24,27), am Brunnen vor der Stadt, in der Nachor wohnte, auf Rebekka, und es gelingt ihm, sie für Isaak als Frau zu gewinnen. Abraham wurde bereits in Gen 22,20–24 übermittelt, dass sein Bruder Nachor Söhne gezeugt habe, und einer dieser Söhne, Betuël, eine Tochter namens Rebekka habe. In ciu. XVI 33 legt Augustin den Fokus auf die Schwurhandlung, als der älteste Knecht seine Hand unter die Hüfte seines Herrn Abraham legen und ihm schwören musste, keine Kanaaniterin als Frau für Isaak zu werben.398 Diese Handlung wird als Vorverweis darauf verstanden, dass aus 394 Vgl.

ciu. XVI 34, S.  539, Z.  25–28. ciu. XVI 34, S.  538, Z.  10 f. 396  ciu. XVI 34, S.  539, Z.  29. 397 Vgl. ciu. XVI 34, S.  539, Z.  3 4–36. 398 Vgl. ciu. XVI 33, S.  538, Z.  6 –10. 395 Vgl.

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ebendieser Hüfte Abrahams „Gott, der Herr des Himmels und der Herr der Erde im Fleische“ (dominus deus caeli et dominus terrae in carne)399, also der inkarnierte Gottessohn kommen würde.400 3.3.2 Die dritte Gefährdung einer Ahnfrau und der Segen an Isaak Eine erneute Hungersnot zwang Isaak und seine Familie, wie einst seinen Vater (Gen 20) in Gerar als Fremdling zu wohnen. Aus dem gleichen Grund wie er, nämlich um sein eigenes Leben zu schützen, gab auch Isaak seine Frau Rebekka als seine Schwester aus (Gen 26,7), und wie Sarah, so blieb auch Rebekka unberührt. Diesmal wurde sie allerdings nicht vom Herrscher, dem Philisterkönig Abimelech, ihrem Mann weggenommen und durch göttliches Handeln wieder befreit. Abimelech hatte lediglich erkannt, dass Isaak mit Rebekka verheiratet war und Isaak deshalb zur Rede und danach unter besonderen Schutz gestellt (Gen 26,8–11). In Gerar erhielt Isaak von Gott das Verbot, aus diesem Lande aus- und nach Ägypten zu ziehen, auch wurden ihm in der gleichen Gottesrede umfangreiche Verheißungen zuteil, die im Wesentlichen eine Wiederholung dessen darstellen, was auch sein Vater Abraham verheißen bekommen hat (Gen 26,2–5). Auch hier nutzt Augustin die Gelegenheit, Isaak von jeglichem moralischen Zweifel freizusprechen. Zum einen sei Rebekka mit ihm „von Vaters wie von Mutters Seite her blutsverwandt“ (propinquuus et paterno et materno sanguine)401 gewesen, weshalb es (wie bei Abraham) keine Lüge (sondern lediglich ein Verschweigen seiner Ehe mit Rebekka) war, als Isaak seine Frau als seine Schwester ausgab. Zum anderen habe er, im Unterschied zu Abraham, nicht einmal Nebenfrauen gehabt und sich stattdessen mit der einen Frau Rebekka und den von ihr geborenen Zwillingen als Nachkommen begnügt.402 Wichtig ist hier aber für Augustin, dass die Verheißungen an Isaak in Gen 26,3–5 und das Festhalten Gottes an diesen nicht etwa mit dem Glauben Isaaks, sondern mit dem Gehorsam seines Vaters Abraham begründet werden (Gen 26,5). Und deshalb dürfe aus dem oben genannten Faktum, dass Isaak anders als sein Vater keine Nebenfrauen hatte, nicht geschlossen werden, dass er seinem Vater überlegen gewesen sei: „Denn vielmehr waren die Verdienste des Glaubens und des Gehorsams 399 

ciu. XVI 33, S.  538, Z.  8 f. ciu. XVI 33, S.  538, Z.  9 –12. 401  ciu. XVI 36, S.  540, Z.  19 f. Dass Rebekka sowohl von väterlicher wie von mütterlicher Seite her mit ihrem Mann Isaak verwandt war, geht aus Gen 22,20–24 hervor: Der Vater Rebekkas war Betuël, der der Sohn Nachors und damit der Neffe Abrahams war. Milka hingegen, die die Mutter Betuëls und damit die Großmutter Rebekkas war, war die Tochter Harans, der wiederum ein Bruder Abrahams war (vgl. Gen 11,27–29). Setzt man wie Augustin die Identität Sarahs mit Jiska (Gen 11,29) voraus, so war Milka zudem die Schwester Sarahs (vgl. auch Abschnitt 3.3.1). 402 Vgl. ciu. XVI 36, S.  540, Z.  14–16. 400 Vgl.

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seines Vaters ohne Zweifel vorzüglicher, und zwar so sehr, dass Gott dem Isaak sagt, er tue ihm das Gute um seines Vaters willen.“403 Diese Einsicht begründet Augustin noch mit einer weiteren göttlichen Verheißung, die Isaak in Beerscheba erhielt (Gen 26,23 f.). Auch hier soll Isaak die Erfüllung der Zusagen von göttlicher Begleitung, Segen und Mehrung der Nachkommenschaft „um [s]eines Vaters Abraham willen“ (propter Abraham patrem tuum)404 zuteil werden. Die Argumentation Augustins in ciu. XVI 36 dient dazu, Abraham gegen Anschuldigungen, er sei begehrlich gewesen, zu verteidigen. Dazu rechnet er Sittlichkeit und Glauben gegeneinander auf. So sei zum Beispiel ein verheirateter Gläubiger besser als ein enthaltsamer Ungläubiger.405 Bezogen auf Gen 26,5 bedeutet das nun: Auch wenn Abraham, da er mehrere Frauen hatte, seinem Sohn Isaak im Bereich der Sittlichkeit und der Lebensführung (uita et mores)406 unterlegen gewesen sein mag, so war er dennoch „Gott in denkbar treuestem Glauben und Gehorsam ergeben“ ( fidelissimus et oboedientissimus deo), und daher ist er insgesamt einem sittlich Besseren, Enthaltsameren (wie Isaak) vorzuziehen, wenn dieser einen schwächeren Glauben und Gehorsam gegenüber Gott hat.407 3.3.3 Jakob und Esau als Repräsentanten der beiden ciuitates Wie bereits gesehen, hatte Augustin schon in früheren Schriften das Zwillingspaar Jakob und Esau thematisiert, wobei er sich auf die paulinische Deutung der beiden in Röm 9,10–13 stützt.408 Hierbei geht es zum einen um die Gnadenwahl Gottes („Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.“ / Mal 1,2 f.; Röm 9,13), zum anderen aber auch um den Topos des älteren Bruders, der dem jüngeren Bruder zu dienen hat (Gen 25,23; Röm 9,12) – was Augustin geschichtstheologisch auf das ältere Volk der Juden und deren ‚dienende Funktion‘ 403  „erant enim procul dubio paternae fidei et oboedientiae merita potiora, in tantum, ut propter illum dicat deus huic se facere bona quae facit.“ (ciu. XVI 36, S.  541, Z.  23–25) 404 Vgl. ciu. XVI 36, S.  541, Z.  31. 405 Vgl. ciu. XVI 36, S.  541, Z.  38–40. 406 Vgl. ciu. XVI 36, S.  541, Z.  36. 407 Vgl. ciu. XVI 36, S.  541, Z.  42–46. Die Keuschheit Abrahams (wie etwa auch seine Gastfreundschaft) war bereits in der jüdischen Auslegungstradtion ein Teilaspekt der Profilierung des Erzvaters als moralisches und religiöses Vorbild. Jedoch waren diese Aspekte stets dem besonderen Glaubensgehorsam Abrahams untergeordnet (vgl. dazu Daniélou, Abraham, S.  168). 408  Rainer Kampling weist darauf hin, dass die sich auf Esau beziehende Auslegung der lateinischen Kirchenschriftsteller in erster Linie auf zwei frühchristlichen Traditionen fußt: So gehe die Deutung des Verhältnisses zwischen Esau und Jakob als „Vorwegnahme der Opposition von Kirche und Synagoge […] und der Unterordnung Israels unter das Volk der Kirche“ auf den Barnabasbrief zurück (vgl. Barn 13,1–3; ausführlicher zur Wirkungsgeschichte dieser Passage vgl. Laato, Divided, S.  364–368), die mit dem Bruderpaar verbundene Thematisierung der freien Gnadenwahl dagegen schließe sich an Röm 9,12 an. Augustin gilt Kampling dabei als wichtigster Vertreter der zweiten Deutungstradition, auch wenn er sich nicht von der traditionellen, judenfeindlichen Auslegung im Sinne von Barn 13,1 f. lösen kann (vgl. Kampling, Esau, S.  243.247).

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für das jüngere Volk der Christen (als Bewahrer der heiligen Schriften) überträgt.409 Beide Aspekte begegnen nun auch bei Augustins Auslegung von Gen 25,19– 26 in ciu. XVI 35: Rebekka, die zunächst unfruchtbar war und aufgrund von Isaaks Bitten an Gott schwanger wurde, fragte wegen der sich in ihrem Leib stoßenden Zwillinge Gott um Rat. Dabei erhielt sie die prophetische Verheißung, wonach zwei Völker in ihrem Leib seien, von denen eines dem anderen überlegen sein werde. Weiterhin werde (entgegen den Sitten damaliger patriarchal-nomadischer Gesellschaften) der Ältere dem Jüngeren dienen. Die Gnadenwahl Gottes wird, so führt Augustin die paulinischen Gedanken (Röm 9,11) weiter aus, in dieser Verheißung (Gen 25,23) deutlich: Noch bevor die beiden Brüder geboren worden waren, noch ohne dass sie „irgend etwas Gutes oder Böses getan hätten, und ohne dass sie das mindeste Verdienst erworben hätten, wurde der jüngere erwählt, der ältere verworfen“.410 Für Augustins Gnadenlehre und seine Lehre von der Ursünde sind Jakob und Esau ein wichtiger Beleg aus der frühen Geschichte der ciuitas dei: Beide Zwillinge sind im Mutterleib sowohl hinsichtlich der „Ursünde“ (peccatum originale) als auch ihrer „eigenen Sünde“ (peccatum proprium)411 gleich gewesen; die göttliche Erwählung des einen und die Verwerfung (oder besser gesagt: die Nicht-Erwählung) des anderen erfolgte also unabhängig von ihrer eigenen Beschaffenheit. Die Gründe Gottes für diese Entscheidung bleiben letztlich dem Menschen verborgen. Den Satz aus Röm 9,13, der ein Zitat aus Mal 1,2 f. darstellt und der zumindest ansatzweise eine Erklärung bietet (Gott habe Jakob geliebt und Esau gehasst), führt Augustin in diesem Kapitel nicht an.

409  Vgl. mit den entsprechenden Quellenbelegen Abschnitt 1.1.2 mit Anm.  63. Vgl. zudem zum alttestamentlichen Motiv der Bevorzugung des Jüngeren vor dem Älteren Abschnitt 1.1.3. 410  „quia nondum illis natis nec aliquid agentibus boni seu mali sine ullis bonis meritis eligitur minor maiore reprobato“ (ciu. XVI 35, S.  539, Z.  11 – S.  540, Z.  13). Ganz ähnlich hatte Augustin bereits im Jahr 418 in einem an den Priester Sixtus gerichteten Brief argumentiert (vgl. ep.  194,34, S.  203, Z.  7–23; s. dazu Jacob, Art. Isaak I B.II, Sp.  923). Hier schreibt er im Hinblick auf Mal 1,2 f. / Röm 9,13: „Denn was liebte er [sc. Gott] in Jakob, bevor dieser geboren war und irgendetwas Gutes getan hätte, wenn nicht das umsonst zugeeignete Geschenk seiner Barmherzigkeit? Und was hasste er in Esau, bevor dieser geboren war und etwas Böses getan hätte, wenn nicht die Ursünde?“ / „quid enim diligebat in Iacob, antequam natus fecisset aliquid boni, nisi gratuitum misericordiae suae donum? et quid oderat in Esau, antequam natus fecisset aliquid mali, nisi originale peccatum?“ (ep.  194,34, S.  203, Z.  18–21; vgl. dazu Drecoll, Brief, S.  68) Grundlage für diese anhand von Jakob und Esau getroffenen gnadentheologischen Äußerungen Augustins in ep.  194 bildet wiederum seine exegetische Schrift Ad Simplicianum (insbesondere Simpl. 1,2; vgl. dazu Drecoll, Brief, S.  59; ders., Art. Simplicianum, Sp.  465–468; Bardy, Le cas, S.  755). Diese gnadentheologische Auseinandersetzung Augustins mit Röm 9,11–23 wird im Kontext seiner frühen Paulusexegese ausführlich analysiert von Drecoll, Entstehung, S.  222–235. 411 Vgl. ciu. XVI 35, S.  540, Z.  14 f.

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Der im Alten Testament häufiger begegnende Topos, dass der „Ältere dem Jüngeren dienen wird“ (Gen 25,23), bezieht Augustin wie auch schon in früheren Schriften auf das „Volk der Juden“ (populus Iudaeorum) und das „Christenvolk“ (populus christianus),412 womit er sich in einem breiten Konsens christlicher Schriftauslegung bewegt. Angesichts der veränderten politischen Situation – man denke an die Situation des jüdischen Volkes nach 70 n. Chr. und die zunehmende Macht der Christen innerhalb des Römischen Reiches – konnte bereits Ambrosius diese Verheißung als in der Geschichte erfüllt sehen.413 Diese überkommene antijüdische Auslegungstradition wird hier in ciu. also mit der spezifischen Deutung, dass Jakob und Esau die beiden ciuitates repräsentieren, kombiniert.414 Dennoch ist Augustin bewusst, dass es die Meinung gibt, aus Esau, der auch Edom genannt wurde, sei das „Volk der Idumäer“ (gens Idumaeorum) hervorgegangen, und die Verheißung der beiden Völker, die Rebekka gegeben wurde, beziehe sich darauf, dass das Volk der Idumäer dereinst dem Volk Israel (das aus dem jüngeren Bruder Jakob hervorgehen wird) dienen werde.415 Diese Ausle412 Vgl.

ciu. XVI 35, S.  540, Z.  19 f. Bereits in diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  33 f. hatte Augustin das Bruderpaar Jakob und Esau mit den „beiden Völkern“ (duo populi) der Christen und Juden parallelisiert (vgl. dazu Drecoll, Art. Iacob, Sp.  464). Zur Plausibilisierung dieser ‚historischen‘ Erklärung der Überlegenheit des jüngeren Volkes gegenüber dem älteren führt Augustin in qu. 1,72 das Wort des Paulus aus 1Kor 15,46 an, wonach zuerst das Seelische (animalis), danach erst das Geistliche (spiritalis) komme (vgl. Thraede, Art. Jakob, Sp.  1185). Folglich seien im erstgeborenen Esau die Israeliten „nach dem Fleisch“ (secundum carnem), d. h. das „ältere Gottesvolk“ (maior populus dei), in Jakob dagegen „Jakob selbst nach seiner geistlichen Nachkommenschaft“ (ipse Iacob secundum spiritalem progeniem) vorgebildet (vgl. qu. 1,73, S.  28, Z.  925–934). In ciu. XV 1 hatte Augustin das Wort aus 1Kor 15,46 in analoger Weise auf die Geburt von Kain und Abel bezogen (vgl. ciu. XV 1, S.  453, Z.  29–33). Vgl. in diesem Zusammenhang auch Brennecke, Kirche, S.  34 f. 413  Vgl. Kampling, Esau, S.  246 f. Kampling urteilt über die Position des Ambrosius: „Die Instrumentalisierung der Schrift zeigt sich hier durchaus politisch bestimmt. Den Christen kam seit der Zeit der Erzväter das zu, was nun Wirklichkeit wird, nämlich zu herrschen; den Juden, beherrscht zu werden. Die geschichtliche Situation entspricht den Worten des Herrn an Rebekka und dem Segen Isaaks.“ (a. a. O., S.  247) 414 Vor dem Hintergrund seiner Analysen zu Augustins Gebrauch der Bibel innerhalb seiner antijüdischen Polemik kommt Anthony J. Springer im Hinblick auf ciu. zu dem Schluss, dass „Augustine utilized the typologies of Jacob and Esau in presenting the superiority and supercession of Christianity over Judaism“ (vgl. Springer, Use of the scripture, S.  97–116, Zitat: S.  116). Darüber hinaus existierten auch Interpretationen des Bruderpaars im Sinne einer binnenkirchlichen Differenzierung, wonach im selben Mutterleib (mater ecclesia) sowohl die in Esau repräsentierten Bösen als auch die in Jakob repräsentierten Guten existieren. Augustin bediente sich zudem des Bruderpaars im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit den Do­ natisten, was sich etwa in seiner Predigt s. 4 zeigt, deren seelsorgerliche Absicht darin bestand, die Gemeinde vor dem Abfall zu bewahren (vgl. dazu Neer, Esau, S.  166–168). Klaus Thraede ist der Auffassung, Augustin habe vor dem Hintergrund seines ciuitates-Konzepts „die Konkurrenz der Zwillinge erstmals auch innerkirchlich“ gesehen (Thraede, Art. Jakob, Sp.  1187). 415 Vgl. ciu. XVI 35, S.  540, Z.  17–24; in qu. 1,73, S.  2 8, Z.  934–942 wird dies historisch

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gung, die ja interessanterweise sehr nah am ursprünglichen Sinn dieser ätiologischen Erzählung ist,416 wird von Augustin gegenüber der Deutung von Judenvolk und Christenvolk abgewertet, da er der Überzeugung ist, dass „diese Vorhersage etwas Größeres im Sinne habe“417 als die Rivalität zweier irdischer Völker. Augustin muss diese Auslegung wohl auch deshalb abwerten, da sich beide Lesarten nicht bzw. nur durch die Differenzierung von ‚fleischlicher‘ und ‚geistlicher Abstammung‘ miteinander harmonisieren lassen.418 Wird doch in der (ursprünglichen) Lesart das Volk Israel als das jüngere, aus Jakob hervorgehende Volk verstanden, während in der (paulinisch-christlichen) Lesart gerade der andere Bruder, der ältere Esau, das Volk Israel repräsentiert. Auffällig, aber für die frühchristliche Auslegungstradition bereits seit Paulus üblich und gleichermaßen bezeichnend, ist die fehlende Reflexion über die Auflösung des Konflikts zwischen Jakob und Esau, die Versöhnung der beiden Brüder nach dem Gotteskampf am Jabbok (vgl. Gen 33,1–17) in den Schriften Augustins.419 Das legt zumindest die Vermutung nahe, dass (vor dem Hintergrund der auf das Volk der Christen und der Juden bezogenen Deutung von Gen 25,23) eine friedliche Auflösung des Konflikts zwischen Juden und Christen und eine Koexistenz beider ‚Völker‘ nicht im Bereich des Vorstellbaren lag. Ebenso wenig gibt es in der Vorstellung Augustins eine versöhnliche Beilegung des Konflikts zwischen den beiden ciuitates, als deren Repräsentanten Jakob und Esau in ciu. gezeichnet werden: Ihr Kampf durchzieht die gesamte Weltge-

konkretisiert: Die Prophetie wurde (im fleischlichen Sinne) erfüllt, als König David die Edomiter unterwarf und tributpflichtig machte (vgl. 2Sam 8,13 f.; 1Kön 11,15). Allerdings war diese Situation nicht von Dauer, da sich die Edomiter nach 2Kön 8,22 aus der Tributherrschaft befreien konnten. Diese Befreiung findet Augustin wiederum im Segenswort Isaaks an Esau (vgl. Gen 27,40) prophetisch vorweggenommen: „Du wirst dich nähren von deinem Schwert und sollst deinem Bruder dienen. Aber es wird einmal geschehen, dass du sein Joch von deinem Hals reißen wirst.“ (vgl. qu. 1,73, S.  28, Z.  934–942) Augustin hat für diese spätere Befreiung Esaus vom Joch seines jüngeren Bruders ebenfalls eine Bedeutung im übertragenen Sinne gefunden: Die ‚Befreiung‘ der in Esau repräsentierten Juden wird dabei allerdings als deren Bekehrung zum Christentum gedeutet und führt nicht etwa zu einer Gleichwertigkeit der Juden und der Christen (vgl. s. 5,4, S.  55, Z. 171– 176; s. dazu Kampling, Esau, S.  249). 416  Vgl. Gen 25,21–23, wo von den beiden konkurrierenden Völkern im Mutterleib der Rebekka die Rede ist, und dann auch die in Gen 36 breit aufgeführte Nachkommenschaft Esaus: Hier wird zum einen mehrfach gesagt, dass Esau auch Edom heißt (36,1.8), und zum anderen, dass die Edomiter vom Geschlecht Esaus abstammen (36,9), er also der „Stammvater der Edomiter“ (36,43) ist. 417 „tamen in aliquid maius intentam fuisse istam prophetiam“ (ciu. XVI 35, S.   540, Z.  24 f.). Walter Groß schreibt, dass sich Augustin im Unterschied zu qu. 1,73 in ciu. XVI 35 „gegen diese Gleichung: Esau = Idumäer, Jakob = Israeliten“ entscheidet und stattdessen die Gleichung „Esau = Juden, Jakob = Christen“ wählt (vgl. AugO 57/1, S.  165 mit Anm.  104). 418  Diesen Versuch macht Augustin u. a. in ciu. XVI 42, S.   548, Z.  1–6 (vgl. dazu Abschnitt 3.3.8). 419  Darauf weisen u. a. hin Kampling, Esau, S.  250; Laato, Divided, S.  375.

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schichte, am Ende der Zeiten werden sie getrennt und gehen ihren jeweiligen debiti fines entgegen. Die Charakterisierung der beiden Zwillingsbrüder setzt sich in Kapitel ciu. XVI 37 fort, in dem Augustin sowohl die Erzählung vom Verkauf des Erstgeburtsrechts gegen ein Linsengericht (Gen 25,29–34) als auch jene von der Erschleichung des Erstgeburtssegens durch Jakob (Gen 27,1–40) auslegt. In beiden Geschichten wird in der Deutung Augustins die Schuld Jakobs (der ja in der Genesis eigentlich eine zwiespältige Rolle spielt, gerade auch im Konflikt mit seinem Bruder) relativiert. So trifft in Bezug auf den Verkauf des Erstgeburtsrechts Esau die alleinige Schuld, da er aus „überaus unmäßigem Verlangen“ (concupiscentia inmoderatia) bzw. „unbescheidener Gier“ (auiditas inmodesta) – beides Signa der Bürger der ciuitas terrena – nach einem Linsengericht bereit war, unter Eid sein Erstgeburtsrecht an seinen jüngeren Bruder zu verkaufen.420 Auch die „List“ (dolus) Jakobs, seinen blinden Vater mit um die Arme gewickelten Ziegenbocksfellen zu täuschen, damit dieser annimmt, es sei der ältere Sohn Esau, den er mit dem Erstgeburtssegen segnet, ist nach Augustin nicht „betrügerisch“ ( fraudulentus) gewesen. Vielmehr stehe hinter der Erschleichung des Erstgeburtssegens durch Jakob ein großes „Geheimnis“ (mysterium).421 Betrügerisch könne Jakob schon deshalb nicht gewesen sein, da er ja in Gen 25,27 (LXX) als ἄπλαστος charakterisiert wird, was Augustin mit „arglos“, „einfach“ und „ohne Verstellung“ übersetzt.422 Das besondere Geheimnis entwickelt Augustin allegorisch aus der Situation des Segens in Gen 27 und dessem Inhalt heraus. Voraussetzung dieses Geheimnisses, das Augustin im erschlichenen Erstgeburtssegen sieht, ist sein christologisches Verständnis des Segensinhaltes (Gen 27,27–29): Augustin sieht nämlich in dem Segen, den Jakob empfängt, das Ausbreiten des Namens Christi über die Welt durch die Verkündigung, die Sammlung der Völker, die Vereinigung der Menschenmenge im Sakrament des Leibes und Blutes Christi und das Niederfallen der Völker vor Christus geweissagt.423 Schließlich wird anhand von Gen 27,29: „Sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Söhne sollen dir zu 420 Vgl. ciu. XVI 37, S.  541, Z.  1–7. Die Lehre, die Augustin aus der Episode des Linsengerichts zieht, dass es nicht die „Art der Speise“ (genus cibi), sondern die innere Haltung, nämlich die „unbescheidene Gier“ ist, die man zu tadeln hat, kann als ein Kommentar zu den Debatten um die Askese innerhalb des Mönchtums verstanden werden; vgl. dazu die Anmerkungen von Patrick G. Walsh in: APCT, S.  272. 421  ciu. XVI 37, S.  541, Z.  11 – S.  542, Z.  13. Dass Augustin auch in der Tat der Erschleichung selbst, beispielsweise den von Jakob dem Vater gebrachten Tieren (vgl. Gen 27,9), und nicht nur im Segensinhalt wie in ciu. XVI 37, ein in die Zukunft weisendes Geheimnis erkennen kann, zeigt sich in s. 4,18 f., S.  33, Z.  394 – S.  34, Z.  4 42 (s. dazu Nauroy, Formes, S.  88 f.). 422  „quod est Graece ἄπλαστος: quis est in ista percipienda benedictione dolus hominis sine dolo? Quis est dolus simplicis, quae fictio non mentientis, nisi profundum mysterium ueritatis?“ (ciu. XVI 37, S.  542, Z.  17–20; vgl. auch qu. 1,74, S.  29, Z.  943–952) 423 Vgl. ciu. XVI 37, S.  542, Z.  2 6–35.

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Füßen fallen“ vorausgesagt, dass die „Söhne Abrahams nach dem Glauben“ ( filii Abrahae secundum fidem)424, m.a.W. die aus allen Völkern kommenden Glieder der ciuitas dei, Christus verehren und ihm dienen werden. Nach Augustin wird mit dem Erstgeburtssegen an Jakob gleichsam Christus selbst gesegnet. Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits dargelegt, dass Isaak in ciu. XVI 36 gegenüber Abraham zwar nicht in moralischer Hinsicht, wohl aber im Blick auf seinen Glauben und seinen Gehorsam gegenüber Gott geringer bewertet wird, da Abrahams „Verdienste des Glaubens und Gehorsams“ größer gewesen seien, was Augustin an der Begründung der Verheißungen an Isaak in Gen 26,5 und 26,24 festmacht.425 Diese gegenüber seinem Vater Abraham wie auch seinem Sohn Jakob untergeordnete Rolle macht den Erzvater Isaak zu einer etwas ambivalenten Person, was sich in ciu. XVI 37 manifestiert, da Augustin Isaak folgendermaßen definiert: „Isaak ist Gesetz und Prophetie.“426 Der über die Identität dessen, den er gerade segnet, unwissende Isaak steht in der Deutung Augustins paradigmatisch für einen (nicht an Christus glaubenden) Juden, der in seinen Worten bzw. seinem Umgang mit den heiligen Schriften (und zwar sowohl mit dem Gesetz als auch mit der Prophetie) Christus segnet, ohne davon zu wissen. Augustin schreibt dazu: Auch durch den Mund der Juden wird Christus durch diese [sc. Gesetz und Prophetie] gesegnet, wie von einem Nichtwissenden, denn sie [sc. die Juden] verstehen sie [sc. Gesetz und Prophetie] nicht. […] Ja, unser Christus wird auch durch den Mund der Juden gesegnet, das heißt wahrhaftig verkündigt, denn obwohl sie irren, werden doch Gesetz und Propheten von ihnen [gottesdienstlich] verherrlicht.427

Diese Juden wollten eigentlich, wie Isaak den Esau, einen anderen segnen, nämlich den Messias, den sie in Jesus nicht erkannt haben und daher in ihrem ‚Irrwahn‘ noch erwarten.428 Allerdings enthüllt sich im Herzen Isaaks das „große Geheimnis“ (sacramentum magnum)429 dieses Segens, als der um den Erstgeburtssegen betrogene Esau vergeblich seinen Segen einfordert. Augustin hätte hier erwartet, dass Isaak 424 

ciu. XVI 37, S.  542, Z.  37. ciu. XVI 36, S.  541, Z.  23–25; s. dazu Abschnitt 3.3.2. 426  „lex et prophetia est Isaac“ (ciu. XVI 37, S.  542, Z.  27 f.). Anni Maria Laato führt diesen Umstand u. a. auf die besondere Bedeutung der Verheißung an Rebekka zurück: „Because the prophecy to Rebecca became so popular among the early Christians, her husband Isaac is not a very central person in texts dealing with Jacob and Esau. When Isaac is dealt with, he is seen either a typos of Christ, or Father, or the old covenant.“ (Laato, Divided, S.  375) 427  „etiam per os Iudaeorum Christus ab illa benedicitur uelut a nesciente, quia ipsa nescitur. […] Christus, inquam, noster etiam ex ore Iudaeorum quamuis errantium, sed tamen legem prophetasque cantantium benedicitur, id est ueraciter dicitur.“ (ciu. XVI 37, S.  542, Z.  28 f.39 f.) 428 „et alius benedici putatur, qui ab eis errantibus expectatur.“ (ciu. XVI 37, S.   542, Z.  42 f.) 429 Vgl. ciu. XVI 37, S.  542, Z.  47. 425 Vgl.

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zornig und über den Betrug Jakobs klagen würde. Doch davon berichtet die Bibel nichts, im Gegenteil bestätigt Isaak gegenüber Esau noch einmal den Segen an Jakob: „Ich habe ihn gesegnet, und er sei gesegnet.“430 (Gen 27,33) Diese Reaktion Isaaks kann sich Augustin nur so erklären, dass dieser nun bemerkt hat, dass es sich beim Segen an Jakob um ein „prophetisches Geschehen; auf der Erde, aber vom Himmel veranlasst; durch Menschen ausgeführt, aber gottgewirkt“431 gehandelt hat. Führt man die allegorische Deutung Isaaks weiter, was Augustin hier unterlässt, so stünde er für einen Juden, der zunächst – ohne es zu wissen – in seiner Bewahrung von Gesetz und Propheten Christus ‚segnet‘, dem aber schließlich doch das Geheimnis eröffnet wird und der nun den wahren Inhalt dessen, worauf Gesetz und Propheten eigentlich abzielen, versteht. Isaak stünde dann für einen bekehrten Juden. 3.3.4 Jakobs Traum in Bethel Nach der Erschleichung des Erstgeburtssegens durch Jakob sieht dieser sich genötigt, das Land seines Vaters zu verlassen, da er die Rache seines um den Segen betrogenen Bruders Esau fürchtet. Isaak gibt ihm (ähnlich wie es schon bei seiner eigenen Brautwerbung gewesen war) die Anweisung, sich keine Frau von den Kanaanitern zu nehmen, sondern zum Haus seines Onkels Laban, dem Sohn Betuëls, seines Großvaters mütterlicherseits, zu gehen und eine von Labans Töchtern zur Frau zu nehmen (Gen 28,1 f.). Anschließend bittet Isaak Gott darum, dass er Jakob segnen möge mit dem „Segen Abrahams“ (benedictio Abraham)432 , der große Fruchtbarkeit und Mehrung (bis hin zu Völkerscharen) und den Besitz des Abraham verheißenen Landes beinhaltet (Gen 28,3 f.). Hier sieht Augustin eine „Absonderung“ (segregatio) des Samens Isaaks (der auch Esau und dessen Nachkommen enthält) vom Samen Jakobs gegeben. Nur Letzterer ist Träger des Segens und der Verheißungen, die schon an Abraham ergangen sind.433 Dieser Segen, der nach Augustin letztlich der ciuitas dei selber gilt,434 wird in der Reihe der Erzväter jeweils nur an ein Glied weitergegeben: Als Abraham gesagt bekommt, dass nur „in Isaak [s]ein Same genannt werden wird“ (Gen 21,12), waren damit alle anderen Nachkommen, die Abraham mit 430 „et

benedixi eum, et benedictus sit.“ (Gen 27,33 nach ciu. XVI 37, S.  542, Z.  47) „o res gestas, sed prophetice gestas; in terra, sed caelitus; per homines, sed diuinitus!“ (ciu. XVI 37, S.  543, Z.  52–54) 432 Vgl. ciu. XVI 38, S.  543, Z.  7. 433 Vgl. ciu. XVI 38, S.  543, Z.  9 f. 434 Vgl. ciu. XVI 38, S.  543, Z.  11 f. Theresia Heither beschreibt die Integration der ‚Segensträgerschaft‘ innerhalb der Erzelternerzählungen (Abraham – Isaak – Jakob) in das mit dessen Prädestinationslehre verknüpfte ciuitates-Konzept Augustins treffend: „Gott erwählt sich jeweils seinen Segensträger, er wählt aus; schon bei den Söhnen Abrahams sind wir diesem Gesetz begegnet, jetzt auch bei den Söhnen Isaaks. […] Wenn Augustinus die Geschichte des Gottesstaats verfolgt, dann ist das diese Geschichte der Erwählung Gottes.“ (Heither, Texte, S.  141) 431 

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seinen Nebenfrauen hatte und noch haben würde, „abgesondert“ (separare) und als Träger der Verheißungen und des Segens ausgeschieden.435 Dieser Segen geht nun in Gen 28,3 f. von Isaak endgültig auf Jakob, nicht aber auf seinen Bruder Esau über. Für Augustin war es bis zu diesem Zeitpunkt (trotz des von Jakob erhaltenen Erstgeburtssegens in Gen 27) noch zweifelhaft, welcher von beiden den Segen bekommen oder ob er vielleicht auch ihnen beiden zuteil würde.436 Auf dem Weg von seinem Vaterhaus in Beerscheba nach Paddam-Aram, wo Laban lebte, legte Jakob über Nacht eine Rast nahe der Stadt Lus ein, wo ihm Gott, der sich als der Gott Abrahams und Isaaks zu erkennen gibt, im Traum erschien und seine Engel auf einer Leiter auf- und niederstiegen, die von der Ruhestätte Jakobs bis in den Himmel reichte (Gen 28,10–13). Er erhielt dort die göttliche Zusage, dass er das Land, worauf er schläft, besitzen werde, dass sein Same sehr gemehrt werden und in alle Himmelsrichtungen ausgebreitet werden wird, dass in Jakob und in seinem Samen alle Völker auf Erden gesegnet werden sollen und schließlich, dass Gott mit Jakob sein wird, bis er ihn wieder in dieses Land zurückgeführt und alle Verheißungen an ihm erfüllt hat (Gen 28,13–15). Nach dieser Theophanie erschauderte Jakob vor der Heiligkeit dieses Ortes, da er meinte, dass „hier nichts anderes als das Haus Gottes [domus dei] und die Pforte des Himmels [porta caeli]“437 sei. Daher nannte er diese Stätte „Bethel“ (hebr. ‫ ֵּבית  ֵאל‬/ „Haus Gottes“), stellte an ihr jenen Stein auf, den er nachts zu seinem Haupt gelegt hatte, und begoss die Spitze dieses Steins mit „[Oliven-]Öl“ (oleum; LXX: ἔλαιον)438. In qu. 1,83 findet sich die singuläre Auffassung Augustins, dass an jenem Ort Bethel, an dem Jakob den Stein aufgestellt hatte, sich in späterer Zeit jenes „Zelt“ (tabernaculum; gemeint ist die Stiftshütte) befunden habe, „das der Herr unter den Menschen in seinem ersten Volk aufstellte“.439 Dies ist allerdings eine Deutung, die er nur hier vertritt und die keinerlei Anhalt im Alten Testament hat.440 Eventuell hat sie ihre neutestamentliche Grundlage in Hebr 8,1–5, wo die Stiftshütte, zu deren Bau Mose beauftragt wurde, als „Abbild und Schatten“ (ὑπόδειγμα καὶ σκιά / BSVC[S]: exemplar et umbra; Hebr 8,5) des „wahren Zeltes“ (ἡ σκηνή ἀληθινή / BSVC[S]: tabernaculum verum; Hebr 8,2), d. h. des himmlischen Heiligtums Gottes, verstanden wird.441 Bereits in der übernächs435 Vgl.

ciu. XVI 38, S.  543, Z.  11–14. ciu. XVI 38, S.  543, Z.  14–19; s. dazu Thraede, Art. Jakob, Sp.  1186. 437 „non est hoc nisi domus dei et haec porta est caeli.“ (Gen 28,17 nach ciu. XVI 38, S.  544, Z.  37 f.) 438 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  4 0. 439  „haec uerba ad prophetiam pertinent, quia ibi futurum erat tabernaculum, quod constituit dominus in hominibus in primo populo suo.“ (qu. 1,83, S.  32, Z.  49–51) 440  Vgl. Anm.  117 von Groß, in: AugO 57/1, S.  173. 441  Vgl. Hebr 8,1 f.5: „Wir haben einen solchen Hohepriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln gesetzt hat als ein Diener am (himmlischen) Heilig436 Vgl.

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ten quaestio und auch in ciu. ist in diesem Zusammenhang keine Rede mehr von einem Zelt, hier wird Bethel gemäß der im biblischen Text angelegten Ortsätiologie442 als künftiger Ort des „Hauses Gottes“ (domus dei) verstanden.443 Das „Haus Gottes“ freilich ist, gerade auch innerhalb von ciu., ein zen­ trales Motiv der Ekklesiologie Augustins.444 Augustins Deutung der Weihung des Ortes Bethel ist zunächst eine Verteidigung Jakobs, der offenbar vom Vorwurf des Götzendienstes freigesprochen werden muss:445 „Denn nicht auf die Weise der Götzendiener begoss Jakob den tum und am wahren Zelt, das der Herr errichtet hat und nicht ein Mensch. […] Sie [sc. der irdische Hohepriester, die Opfergaben und das Zelt] dienen einem Abbild und Schatten der himmlischen Dinge, wie nämlich Mose, als er sich daran machte, das Zelt zu errichten, die Weisung erhielt: ‚Sieh zu‘, heißt es da, ‚dass du alles nach dem Urbild [τύπος] machst, das dir auf dem Berg gezeigt wurde.‘ [Ex 25,40]“ (τοιοῦτον ἔχομεν ἀρχιερέα, ὃς ἐκάθισεν ἐν δεξιᾷ τοῦ θρόνου τῆς μεγαλωσύνης ἐν τοῖς οὐρανοῖς, τῶν ἁγίων λειτουργὸς καὶ τῆς σκηνῆς τῆς ἀληθινῆς, ἣν ἔπηξεν ὁ κύριος, οὐκ ἄνθρωπος. […] οἵτινες ὑποδείγματι καὶ σκιᾷ λατρεύουσιν τῶν ἐπουρανίων, καθὼς κεχρημάτισται Μωϋσῆς μέλλων ἐπιτελεῖν τὴν σκηνήν· ὅρα γάρ φησιν, ποιήσεις πάντα κατὰ τὸν τύπον τὸν δειχθέντα σοι ἐν τῷ ὄρει.) Augustin zitiert in seinen Werken Hebr 8,1–5 an keiner Stelle, sodass seine Lesart hier nicht aufgeführt werden kann. Die darin zum Ausdruck kommende Deutung des ‚Zeltes‘ war ihm aber durchaus vertraut (vgl. mit Belegen: Dulaey, Art. Tabernaculum, Sp.  630 f.). 442  Ursprünglich zielte die aus der Region des ‚Nordreiches‘ stammende Erzählung von Jakobs Traum in Bethel ätiologisch auf den Tempel, das „Haus Gottes“, in Bethel. Dies ist u. a. auch an der Selbstverpflichtung Jakobs zu ersehen, fortan den zehnten Teil seines Besitzes Gott zu geben (vgl. Gen 28,22). Die Erzählung setzt also Adressaten voraus, für die der Tempel in Bethel, sein Kultbetrieb und die dort zu entrichtende Tempelsteuer selbstverständlich waren. Nach der Zerstörung dieses Tempels in Bethel im Rahmen der Kultreform Josias verlor die Ortsätiologie in Gen 28 ihren realen Bezugspunkt (vgl. dazu Blum, Komposition, S.  88–98, insbes. S.  93–97). 443  „haec uerba ad prophetiam pertinent, quia ibi futurum erat tabernaculum, quod constituit dominus in hominibus in primo populo suo.“ (qu. 1,83, S.  32, Z.  49–51) 444  Joseph Ratzinger hat sich eingehend mit dem domus dei-Begriff bei Augustin befasst (vgl. Ratzinger, Volk, S.  244–260.319–348; s. Einleitung, Abschnitt 2.4). Mit Augustins Rezeption des Traums Jakobs in Gen 28 setzt er sich a. a. O., S.  493–500 auseinander, ohne dabei jedoch auf das eigentümliche tabernaculum in qu. 1,83 einzugehen. Allerdings erläutert er auf S.  319 f., dass Augustin dann vom domus dei als dem tabernaculum spricht, wenn er dessen Kriegs- und Vorläufigkeitscharakter betonen will. 445  In ähnlicher Weise betont Augustin in qu. 1,84, dass Jakob mit der Salbung des Steins keinen Götzendienst betrieben habe, sondern dass diese Salbung auf Christus verweise (vgl. qu.1,84, S.  32, Z.  54–59). Ferner wird hinsichtlich der in Gen 35,13–15 erwähnten zweiten Salbung eines Steins in Bethel durch Jakob – hier verbunden mit einem Trankopfer – betont, dass Jakob das Trankopfer „über dem Stein“ (super lapidem), nicht aber dem Stein selbst spendete („sed quodlibet horum sit, super lapidem libauit Iacob, non lapidi libauit. non ergo sicut idolatrae solent aras ante lapides constituere et tamquam diis libare lapidibus.“ [qu. 1,116, S.  42, Z.  430–433]). Auch eine andere durch Jakob vorgenommene Aufstellung eines Steins in Gal-Ed (Gen 31,45) darf nach qu.1,96 nicht als Götzendienst missverstanden werden. Die Verteidigung der Rechtgläubigkeit und der diesem Glauben an den einen Gott angemessenen Kultpraxis des Erzvaters Jakob, zu der sich Augustin hier durch die Erzählungen in Gen 28 und 31 offensichtlich herausgefordert sieht, könnte seinen Grund in Augustins Auseinandersetzung mit den Manichäern haben. Die Strategie Augustins war dabei offensichtlich, gerade auch in den problematischen Aussagen der Bibel einen höheren, auf Christus verwei-

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Stein mit Öl, um ihn damit gleichsam zu einem Gott zu machen; er betete den Stein auch nicht an und opferte ihm nicht.“446 Die Salbung des Steins durch Jakob, die nach Augustin auf Christus, „den Gesalbten“ (Χριστός) verweist,447 nimmt er als Hinweis dafür, dass es sich hier nicht um einen frevlerischen Götzendienst, sondern um ein „tiefes Geheimnis“ (sacramentum magnum)448 handelt: Christus selbst nämlich habe, kurz nachdem er festgestellt hatte, dass Nathanael „wahrhaft ein Israelit“ ist, „an dem kein Falsch“ (uere Israelita, in quo dolus non est)449 ist, und damit zugleich den Erzvater Jakob charakterisiert hat,450 vom offenen Himmel gesprochen und von Gottes Engeln, die vom Himmel hinaufund herabfahren auf den Menschensohn.451 Einmal mehr wird in ciu. XVI 38 eine zwar nicht moralisch, wohl aber kultisch fragwürdige Handlung eines Erzvaters dadurch gerechtfertigt, dass sich hinter dieser Handlung ein prophetischer, auf Christus weisender Sinn verberge. 3.3.5 Die vier Frauen Jakobs Nachdem er von Bethel aus weitergezogen war, kam Jakob an einen Brunnen bei Harran, wo er auf Rahel, die Tochter seines Onkels Laban, traf und sie senden Sinn zu erkennen. So macht er etwa auch in c. Faust. 12,26, S.  354, Z.  13–15 darauf aufmerksam, dass der zu Häupten Jakobs gelegte und später gesalbte Stein Christus als das „Haupt des Mannes“ (caput uiri) symbolisiere. Insgesamt nimmt er hier eine gegenüber ciu. XVI 38 deutlich ausführlichere allegorisierende Deutung von Gen 28,10–22 vor (vgl. a. a. O., S.  354, Z.  13 – 355, Z.  28). 446  „nec more idololatriae lapidem perfudit oleo Iacob, uelut faciens illum deum; neque enim adorauit eundem lapidem uel ei sacrificauit.“ (ciu. XVI 38, S.  544, Z.  41–43) Elemente dieses Satzes (etwas zu einem Gott machen / „er betete ihn nicht an und diente ihm nicht“) erinnert freilich an das Idolatrieverbot des Dekalogs: „non adorabis ea [sculptile] neque coles.“ (Ex 20,5 BSVC[S]) Zurückweisungen der Annahme, Jakob habe sich der idolatria schuldig gemacht, finden sich auch in Io. eu. tr. 7,23, S.  80, Z. 7–13 und s. 122,2, S.  681, Z. 43 f. (vgl. dazu Wisse/ Dupont, Nostis, S.  324). 447  Allerdings kann Augustin den Bezug zu Christus hier nicht über den Begriff χρῖσμα, sondern lediglich über den Akt der Salbung herstellen, da hier von ἔλαιον die Rede ist (vgl. bereits c. Faust. 12,26, S.  354, Z.  15 f.; ein früher Beleg dieser christologischen Deutung von Gen 28,18 findet sich bei Justin, Dial. 86,2 f., S.  219, Z.  14–24; s. dazu auch Heither, Texte, S.  142). In ähnlicher Weise stellte Augustin bereits in ciu. XVI 2 die Verbindung zwischen Hld 1,3 und der Etymologie Sems her, auch wenn Hld 1,3 (LXX) nicht χρῖσμα, sondern μύρον bezeugt (vgl. Abschnitt 2.2.2 mit Anm.  84). 448 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  45 f. 449 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  4 8; vgl. Joh 1,47. 450  Die Bezugnahme funktioniert hier in doppelter Weise: Zum einen erhält Jakob nach seinem Kampf den Namen Israel, ist somit uere Israelita par excellence, zum anderen hatte Augustin Jakob ja bereits unter Bezugnahme auf Gen 25,27 (LXX) als ἄπλαστος / „arglos“ chrarakterisiert (vgl. ciu. XVI 37, S.  542, Z.  17–20), was wiederum der Beifügung in Joh 1,47, in quo dolus non est, entspricht (vgl. dazu den Kommentar von Patrick G. Walsh in: APCT, S.  273). 451 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  4 6–51; Augustin zieht hier Joh 1,47.51 als neutestamentlichen Beleg heran.

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liebgewann (Gen 29,1–12.18). Er warb bei Laban um sie und arbeitete sieben Jahre für ihn, um Rahel heiraten zu dürfen (Gen 29,13–22). Allerdings wurde ihm in der Hochzeitsnacht statt Rahel ihre ältere Schwester Lea „untergeschoben“ (supponere),452 sodass er sich verpflichten musste, noch weitere sieben Jahre für Laban zu arbeiten, um auch Rahel, die er liebte, heiraten zu dürfen (Gen 29,23–30). Wie schon bei seinem Großvater Abraham, so wird hier also auch Jakobs Polygamie gerechtfertigt. Neben dem Hinweis auf die Nichtstraf barkeit und die Notwendigkeit der Vielehe in der Frühzeit453 ist es Augustin wichtig zu betonen, dass Jakob für seine Vielehe keine Verantwortung trägt, da sie nicht auf Jakobs „unerlaubtes Begehren“ (concupiscere inlicite),454 sondern auf das fragwürdige Betreiben seines Onkels Laban und – im Falle der Nebenfrauen Bilha und Silpa – auf das Verhalten Rahels und Leas zurückgeht. Dass Jakob, nachdem ihm nach der Hochzeitsnacht der Betrug seines Onkels aufgefallen war, Lea nicht verstieß, sondern sie als Frau behielt, obwohl er weiterhin Rahel heiraten wollte, sieht Augustin darin begründet, dass Jakob nicht den Anschein erwecken wollte, dass er mit Lea „Spott getrieben habe“ (ludibrium habere).455 Auch zeugte er nicht aus Verlangen mit den beiden Mägden Bilha und Silpa Kinder, sondern weil diese ihm von seinen beiden Frauen zur Mehrung seiner Nachkommenschaft unter Wahrung des „Eherechtes“ (ius coniugali)456 zugeführt wurden.457 Das Verhältnis Isaaks zu den beiden Mägden ist also vergleichbar der Beziehung zwischen Abraham und Hagar.458 Ähnlich wie Abraham nur Sarah wirklich geliebt hat und seine anderen Frauen als „Nebenfrauen / Konkubinen“ (concubinae) bezeichnet werden,459 so hat Jakob auch nur die eine Frau, nämlich Rahel, liebgehabt: „Von keiner liest man, Jakob habe nach ihr begehrt, außer von der einen.“460 Man könnte hier von einem Konzept der ‚Monogamie in der Polygamie‘ sprechen, das Augustin hier mit den biblischen Texten zu belegen versucht: Trotz ihrer nach außen sichtbaren polygamen, zu Zeiten Augustins moralisch verwerflichen Lebensweise liebten die Erzväter Abraham und Jakob eigentlich nur eine einzige Frau und lebten daher im Prinzip monogam, auch da sie ihre Nebenfrauen nicht sexuell begehr452 Vgl.

ciu. XVI 38, S.  544, Z.  57. eo tempore, quando multiplicandae posteritatis causa plures uxores lex nulla prohibebat“ (ciu. XVI 38, S.  544, Z.  58–60). 454 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  55. 455 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  56–58. 456 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  6 6. 457  Dazu sahen sich die beiden Frauen jeweils genötigt, da Rahel anfangs im Unterschied zu ihrer Schwester unfruchtbar war (Gen 29,31) und Lea nach ihren Geburten unfruchtbar wurde (Gen 29,35; 30,9). 458 Vgl. ciu. XVI 25; s. dazu Abschnitt 3.2.6. 459 Vgl. ciu. XVI 34, S.  538, Z.  10 f.; vgl. dazu auch Abschnitt 3.2.9 mit Anm.  395. 460  „nullam Iacob legitur petisse praeter unam“ (ciu. XVI 38, S.  544, Z.  6 4 f.). 453  „et

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ten. Die eine Frau, die sie liebten (Sarah bzw. Rahel), ist auch diejenige, die die jeweiligen für die göttlichen Verheißungen und den weiteren Geschichtsverlauf wichtigen Söhne hervorbringt (Isaak bzw. Joseph und Benjamin). Jakob selbst hatte nur die Ehe mit Rahel, die er als einzige liebte, gewollt, doch führte die List Labans zur Ehe mit Lea und die „dringende Forderung seiner Ehefrauen“ ( flagitatio uxorum)461 zu seinen Beziehungen mit Bilha und Silpa, sodass Jakob mit vier Frauen zwölf Söhne und eine Tochter zeugte. Als weiteres, allgemeines Argument zur Entlastung Jakobs führt Augustin an, dass die Vielehe in der Frühzeit nicht nur legal, sondern auch notwendig und gottgewollt war, da es sonst nicht zu der von Gott verheißenen großen Nachkommenschaft der Patriarchen gekommen wäre.462 3.3.6 Der Gotteskampf am Jabbok und Jakobs neuer Name Israel Der nächtliche Kampf Jakobs mit einem Mann am Fluss Jabbok und seine Namensänderung durch den Unterlegenen (Gen 32,23–33) wird von Augustin allegorisch ausgelegt. So sei der mit Jakob kämpfende Mann, den Augustin als Engel bezeichnet,463 „ganz offensichtlich ein Vorbild für Christus“ (euidentissime typus Christi),464 und Jakob, der diesen Engel letztlich im Kampf schlägt, versinnbildliche die Juden, die Christus Leiden zufügten und scheinbar über ihn siegten.465 Jakob habe nur deshalb siegen können, da es so gewollt war, um dieses „Geheimnis“ (mysterium)466 darzustellen: den prophetischen Vorverweis auf die Passion Christi. Auffallend ist hier auf den ersten Blick die Flexibilität, die Augustin in seiner Darstellung der Erzeltern erkennen lässt: Jakob, der vorher noch als der Erwählte und Gottgeliebte von den beiden Zwillingen und damit als vorzüglicher Repräsentant der ciuitas dei gewürdigt wird, kann hier in 461 Vgl. ciu. XVI 38, S.  544, Z.  6 6 f. Man beachte hier den etymologischen Zusammenhang zwischen flagitatio und flagitium („Schändlichkeit“ / „Niederträchtigkeit“); vgl. DNG, Sp.  2140. 462 Vgl. ciu. XVI 25; s. dazu Abschnitt 3.2.6. 463  Die LXX bezeugt für Gen 32,25, wo der Gegner Jakobs am Jabbok eingeführt wird, ἄνθρωπος; die Vulgata / BSVC(S) liest dementsprechend in Gen 32,24 „vir“, und Augustin selbst, der Gen 32,24–30 in seiner Schrift gegen den Arianer Maximinus (entstanden nach den retr.; vgl. Lienhard, Art. Maximinum, Sp.  1216) zitiert, bezeugt in Gen 32,24 „homo“ (vgl. c. Max. 2,26,9, S.  678, Z.  332). Nach einer von Augustin gehaltenen Predigt ist es der Herr selbst, der Jakob in Gestalt eines Engels begegnet und mit ihm kämpft („dominus enim illi [d. h. Iacob] apparuit, id est angelus gestans personam dei“; s. 5, S.  57, Z.  221 f.). In ciu. XVI 39 scheint Augustin aber vorauszusetzen, dass es sich in Gen 32 um einen von Gott gesandten Engel handelt, der in Menschengestalt mit Jakob ringt (vgl. Madec, Art. Angelus, Sp.  313, mit Bezug auf ench. 59, S.  81, Z.  76–83; s. zu diesem Verständnis auch Abschnitt 3.2.7 mit Anm.  328) und nur als typus auf Christus verweist. 464 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  4 f. 465 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  5 –7. Diese Deutung begegnet bereits in qu. 1,104 sowie mehrfach in Predigten Augustins (vgl. dazu mit Quellenverweisen: Thraede, Art. Jakob, Sp.  1190–1192). 466 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  6.

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ciu. XVI 39 problemlos mit den Juden assoziiert werden, die für das Leiden Christi verantwortlich sind. Allerdings ist zu beachten, dass sich diese Assoziation rein auf der bildlichen Ebene abspielt: Gott wollte am Jabbok einen sichtbaren Vorverweis auf die Passion Christi geben; deshalb ließ er seinen Engel Jakob unterliegen. Die Zugehörigkeit Jakobs zur ciuitas dei wird daher in ciu. XVI 39 nicht angezweifelt. Von seinen vier Frauen wurden Jakob insgesamt zwölf Söhne geboren, die bereits innerhalb der biblischen Texte als Stammväter der zwölf Stämme Israels gelten. Auch vor diesem Hintergrund ist der neue Name Israel zu verstehen, den Jakob neben dem von ihm selbst geforderten Segen erhält (Gen 32,27–29). Den Namen Israel übersetzt Augustin mit „Gott schauend“ (uidens deum) und sieht ihn – bezogen auf das wahre Israel, die ciuitas dei – als Vorverweis auf den Zustand der Heiligen, die am Ende damit belohnt werden, dass sie Gott schauen dürfen.467 Mit dieser Übersetzung des Namens Israel steht Augustin in einer breiten etymologischen Tradition, wie sie sich u. a. auch im Onomasticon des Hieronymus findet: „Israel [bedeutet] ‚Gott sehen‘ oder auch ‚Mann, der Gott sieht‘ oder ‚Verstand [mens], der Gott sieht‘.“468 Diese Tradition weicht allerdings erheblich ab von der ursprünglich mit Israel verbundenen Etymologie: Danach bedeutet ‫„ יִ ׂ ְשָרֵאל‬Gottesstreiter“ (vgl. Gen 32,29 MT) – diese Etymologie basiert auf der Verbalwurzel ‫„ שרה‬ringen, kämpfen“ und der Gottesbezeichnung „El“, die gemeinsam das Kompositum „Israel“ (‫ )יִ ׂ ְש ָרֵאל‬ergeben. Zumindest eine Variante dieser Etymologie wird Augustin bekannt gewesen sein. Diese wird in den Qu. hebr. Gen. von Hieronymus besprochen, auch wenn es ihm nicht möglich ist, ihren hebräischen Hintergrund nachzuvollziehen.469 467 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  9 f. Ähnlich begegnet dieses Verständnis von Israel est uidens deum auch in en. Ps. 97,3, S.  1373, Z.  14–19. Hanns Christof Brennecke weist auf eine Augustin vorausgehende Auslegungstradition dieser spezifischen Etymologie zu Israel hin, die sich u. a. auf Mt 5,8 („Selig sind die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“) beruft (vgl. Brennecke, Kirche, S.  33). Bezogen auf das ‚irdische‘ Volk Israel weist Johannes van Oort am Sprachgebrauch Augustins nach, dass dieser das Volk Israel ab dem Zeitpunkt des Exodus als gens / populus israelitica/-us bezeichnet, wohingegen er für die Zeit davor zumeist von den Hebraei spricht. Erst mit dem Auszug aus Ägypten sei Israel in Augustins Augen zu einer echten gens geworden (Oort, Art. Israel, Sp.  747; s. dazu Abschnitt 3.4.3 mit Anm.  581). 468  „Israhel est uidere deum, siue uir aut mens uidens deum.“ (Hieronymus, Nom. hebr. Ex. I, S.  75, Z.  21) Hieronymus gibt zu erkennen, dass diese Etymologie auf Philo zurückgeht, auch wenn dessen Name nicht explizit erwähnt wird (vgl. Qu. hebr. Gen. 32,29, S.  41, Z.  8 –23; s. dazu Wutz, Onomastica, S.  21.88 f.). Eine Erklärung für diese von der ursprünglich im hebräischen Text angelegten, deutlich abweichenden Etymologie könnte darin liegen, dass man die Ortsätiologie zu Peniel in Gen 32,31 MT („Und Jakob nannte die Stätte Peniel: ‚Denn ich habe Gott gesehen [‫ ]ָר ִאיִת אֶל ִֹהים‬von Angesicht‘“) zugleich als Etymologie für Israel (‫ ראה‬/ „sehen“; ‫   ֵאל‬/ „Gott“) betrachtet hat. Die Etymologie uidens deum war unter christlichen Autoren weit verbreitet (vgl. Bardy, Le nom d’„Israël“). 469  „Iosephus in primo antiquitatum libro Israhel ideo appellatum putat, quod aduersum

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Jakob erhielt den Namen Israel, nachdem er von dem Engel sowohl auf die Hüfte geschlagen worden war, dass er „lahm“ (claudus) wurde, als auch von ihm den „Segen“ (benedictio) erlangt hatte.470 Gerade in diesem ambivalenten Zustand des Lahmen und zugleich Gesegneten repräsentiert Jakob nach Augustin das (irdische) Volk Israel: „Er war gesegnet in denen, die aus diesem Volk [Israel] an Christus glaubten, und lahm in den Ungläubigen.“471 Aus dem Begriff „Breite der Hüfte“ (latitudo femoris) schließt Augustin, dass hier mit der „Breite“ bereits vorausgedeutet wird, dass sich eine „große Menge“ (multitudo), ja sogar die Mehrheit (plures) der Juden nicht zu Christus bekehren und daher weiter hinken wird.472 Dass das „lahme Hinken“ (claudicare) ein Signum eines sündigen Menschen ist, belegt Augustin hier mit Ps 17,46, wo von den den Psalmisten bedrohenden, aber von Gott zurückgeschlagenen Feinden gesagt wird: „Und sie hinkten lahm hinweg von ihren Pfaden.“473 Von der Bedeutung seines neuen Namens her weist Jakob auf das himmlische Jerusalem und damit die ciuitas dei, als Vater der zwölf Stammväter und in seinem Zustand als Lahmer und zugleich Gesegneter dagegen verweist er auf das irdische Jerusalem, das empirische Volk angelum steterit: quod ego diligenter excutiens, in hebraeo penitus inuenire non potui.“ (Hieronymus, Qu. hebr. Gen. 32,29, S.  4 0, Z.  21–24) Hieronymus bezieht sich hier auf Flavius Josephus, Ant. I 20,2, S.  77, Z.  23 – S.  78, Z.  4, wobei hier von einem „Engel Gottes“ (ἄγγελος θεοῦ) die Rede ist, dem Jakob widerstand. 470 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  7 f.11 f. 471  „benedictus in eis, qui in Christum ex eodem populo crediderunt, atque in infidelibus claudus.“ (ciu. XVI 39, S.  545, Z.  13–15; vgl. auch qu. 1,104, S.  38, Z.  296–300) Dass Jakob nach seiner Begegnung mit dem Engel am Jabbok in zweierlei Weise auf seine Nachkommenschaft verweist, war bereits vor Augustin eine verbreitete Meinung. So begreift beispielsweise Ambrosius die latitudo femoris als einen prophetischen Hinweis auf das Kreuz Christi, das für die Gläubigen die Sündenvergebung und das Heil bedeutet (vgl. Jac. II 7,30, S.  4 48, Z.  12–18), wohingegen das (nur von den Juden befolgte) Verbot, von dem über dem Hüftgelenk verlaufenden Muskelstück zu essen (vgl. Gen 32,33), diese als Ungläubige ausweist, da sie das mit der latitudo femoris verbundene Mysterium nicht begreifen (vgl. Jac. II 7,31, S.  4 48, Z.  1–4; s. mit weiteren Quellenbelegen Lumpe, Art. Hinken, Sp.  340). 472 Vgl. ciu. XVI 39, S.  545, Z.  15–17; diese Deutung begegnet bereits in c. Faust. 12,26, S.  354, Z.  12 f. Im hebräischen Text wird Jakob auf die „Hüftpfanne“ bzw. die „Sehne auf dem Hüftgelenk“ (‫ ּ ַ כף־י ְ ֵרֹכו‬/ Gen 32,26 bzw. Gen 32,33: ְ‫שר ַעל־ַּכף ַהיָ ֵּרך‬ ׁ ֶ ‫שה ֲא‬ ׁ ֶ ּ ָ‫ )ִּגיד ַהנ‬geschlagen, was die Vulgata mit „Sehne der Hüfte“ (nervus femoris / BSVC[S]) wiedergibt. Der Begriff „Breite der Hüfte“ (latitudo femoris), von dem Augustin auch außerhalb von ciu. XVI 39 ausgeht (vgl. sein Zitat von Gen 32,24–27 in c. Max. 2,26,9, S.  678, Z.  333), ist dagegen an die LXX angelehnt, wo ebenfalls von der „Breite der Hüfte“ (τό πλάτος τοῦ μηροῦ) die Rede ist. 473 „et claudicauerunt a semitis suis.“ (Ps 17,46 nach ciu. XVI 39, S.  545, Z.  17) Allerdings ist hier anzumerken, dass in Psalm 17 von diesen Lahmen ausdrücklich gesagt ist, dass es sich um Angehörige eines dem Beter unbekannten, anderen Volkes bzw. um „fremde Söhne“ (λαός, ὃν οὐκ ἔγνων / Ps 17,44; υἱοὶ ἀλλότριοι / Ps 17,45.46) und damit eben gerade nicht um die Juden handelt. Versteht man Ps 17 allerdings christologisch, insofern nämlich, dass mit dem Beter Christus gemeint ist, der von den Juden verfolgt wird, die dann wiederum durch göttliches Eingreifen geschlagen werden und lahm hinforthinken müssen, dann ergibt Augustins Bezeichnung derjenigen Juden, die Christus verfolgt und nicht als Heiland angenommen haben, als lahm Hinkende Sinn.

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der Juden, die nur zum kleineren Teil Christus angenommen haben und daher auch nur in geringem Maße am himmlischen Lohn teilhaben werden. Eine alternative, nämlich ekklesiologische Interpretation des hinkenden und zugleich gesegneten Jakob trägt Augustin in einer Predigt vor: Der Erzvater symbolisiert hier die Kirche in der Welt, wobei sein Gesegnetsein die Gerechten, sein Hinken die Sünder innerhalb der Kirche bedeuten, deren Scheidung erst im Endgericht erfolgen wird.474 In einer anderen Predigt wird der Namenswechsel von Jakob zu Israel in ähnlicher Weise auf die Situation der gegenwärtigen Kirche bezogen: „So ist also auch das Volk Gottes, das Volk der Christen, in dieser Zeit sowohl Jakob als auch Israel: Jakob in der Realität, Israel in der Zukunft.“475 3.3.7 Die Hungersnot und die Übersiedlung des Hauses Jakob nach Ägypten Hatte Augustin am Ende von ciu. XVI 38 bereits erwähnt, dass sich Jakob während der siebenjährigen Hungerkrise „auf Veranlassung seines Sohnes Joseph“ (Gen 45,13), der zwischenzeitlich, nachdem ihn seine neidischen Brüder nach Ägypten verkauft hatten, zum obersten Verwalter des Pharaos aufgestiegen war, nach Ägypten begab,476 so beschäftigt ihn in ciu. XVI 40 die Frage, mit welcher Anzahl von Menschen Jakob zu seinem Sohn Joseph nach Ägypten zog. Sowohl in der Septuaginta als auch in der Stephanusrede, die Augustin schon mehrfach zu Datierungsfragen herangezogen hatte, ist von 75 Personen (ἑβδομήκοντα πέντε) die Rede (Gen 46,27 [LXX]; Apg 7,14), wohingegegen die Hebräische Bibel 70 Personen nennt.477 In Gen 46,8–27 wird detailliert die Nachkommenschaft Jakobs aufgeführt, die alle mit Jakob nach Ägypten zogen. So waren es 474 Vgl. s. 5,8, S.  59, Z.  2 80–303; s. zur Auslegung von Gen 32,23 f. in s. 5 die Ausführungen von Heither, Texte, S.  150–152. 475  „populus ergo dei, populus christianus, in hoc tempore et Iacob est et Israel; Iacob in re, Israel in spe.“ (s. 122,4, S.  683, Z.  5 –7; s. dazu Wisse/Dupont, Nostis, S.  324) 476  „deinde ingressus est in Aegyptum per filium suum Ioseph, qui uenditus ab inuidentibus fratribus eo perductus fuit atque ibidem sublimatus.“ (ciu. XVI 39, S.  544, Z.  69 – S.  545, Z.  71) 477  Die Hebräische Bibel bezeugt in Gen 46,27 die Zahl von 70 Personen (‫עים‬ ִ ‫שְׁב‬ ִ ), worin ihr die Vulgata folgt („septuaginta“ / BSVC[S]). In Apg 7,14 findet sich in der Vulgata allerdings wieder die Zahl 75; hier wurde die Angabe der Stephanusrede also nicht an die Angabe in Gen 46,27 angepasst. Die Diskrepanz zwischen den Angaben der LXX (75 Personen) und der Hebräischen Bibel (70 Personen) erklärt sich dadurch, dass die Übersetzer der Septuaginta bei den Nachkommen Josephs in Gen 46,20 zu den 66 Personen (Gen 46,26) weitere neun hinzugefügt haben, die Joseph im Land Ägypten geboren wurden (Gen 46,27 [LXX]). Anders als die Hebräische Bibel in Gen 46,27 – so Walter Groß – zählt die Septuaginta zwar Ephraim und Manasse, nicht aber Joseph und Jakob mit, sodass sie (gegen Gen 46,20 [LXX]) weitere sieben Josephssöhne addieren muss, um auf neun zu kommen (Gen 46,27 [LXX]; s. dazu Gross, Einleitung, S.  84). Dagegen vertritt Gustave Bardy die Auffassung, dass die Septuaginta neben Ephraim und Manasse auch Joseph und Jakob mitzählte und entsprechend weitere fünf Josephssöhne hinzurechnete. Bardy identifiziert diese fünf mit den in Gen 46,20 (LXX) Genannten: Machir, Galaad, Sutalaam, Taam und Edem (vgl. Bar-

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nach Gen 46,26 insgesamt 66 (ἑξήκοντα ἕξ) Söhne und Enkel Jakobs, die mit nach Ägypten zogen, darunter waren auch zwei weibliche Nachkommen: eine Tochter und eine Enkelin Jakobs.478 Rechnet man zu diesen 66 noch Joseph und seine beiden Söhne Manasse und Ephraim hinzu, die ihm von Asenet in Ägypten geboren wurden (Gen 46,27), sowie Jakob selbst, der nach Augustin bei den 75 ebenfalls mitgezählt wird, fehlen allerdings immer noch fünf Personen bis zur Zahl 75. Nach Gen 46,26 werden nämlich die jeweiligen Frauen der zwölf Söhne (und wohl auch nicht die vier Frauen Jakobs, da sie streng genommen nicht zu seiner Nachkommenschaft zählen) nicht mitgezählt. Wohl aus dieser Differenz speist sich die Annahme Augustins, dass die nicht in Gen 46,8–27, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt genannten Enkel und Urenkel Josephs (Gen 50,23), wie zum Beispiel ein Sohn Manasses namens Machir, ebenfalls in der Zahl 75 inbegriffen sind.479 Durch diese Annahme, dass unter den 75 Personen auch Enkel und Urenkel Josephs waren, tut sich eine chronologische Schwierigkeit auf, mit der sich Augustin nun befasst: Nach Gen 47,9 antwortet der gerade in Ägypten angekommene Jakob auf die Frage des Pharaos nach seinem Alter, dass er 130 Jahre alt sei. Augustin gibt an, dass Joseph zu diesem Zeitpunkt 39 Jahre alt war.480 Da Joseph in seinem 30. Lebensjahr Asenet heiratete (Gen 41,45 f.), konnten seine beiden Söhne Manasse und Ephraim zum Zeitpunkt der Übersiedlung Jakobs nach Ägypten höchstens neun Jahre alt gewesen sein, und so konnte der 39-jährige Joseph weder Enkel noch Urenkel gehabt haben.481 Deshalb kommt Augustin zu dem Schluss, dass die Zahl der Nachkommen Jakobs zum Zeitpunkt seines Einzugs in Ägypten noch nicht so groß gewesen sein könne, wie mit der Zahl 75 angegeben.482 Vielmehr, und hier bezieht er die Angabe aus Gen 50,22 mit ein, wonach Joseph insgesamt 110 Jahre alt wurde und in dieser dy, L’entrée). Freilich setzt dies einen weiteren Begriff von Josephs ‚Söhnen‘ voraus, der auch dessen Enkel und Urenkel umfasst (vgl. Gen 46,6 f. [LXX]). 478  Dabei handelt es sich zum einen um Dina, Jakobs Tochter von Lea (Gen 46,15), zum anderen um Serach, die die Tochter Assers und damit die Enkelin Jakobs war (Gen 46,17). Diese beiden rechnet auch Augustin mit ein: vgl. ciu. XVI 40, S.  545, Z.  3 f. 479 Vgl. ciu. XVI 40, S.  545, Z.  6 –8; S.  545, Z.  17 – S.  546, Z.  21. 480 Vgl. ciu. XVI 40, S.  545, Z.  9. Dieses Alter lässt sich wie folgt errechnen: Nach Gen 41,46 war Joseph dreißig Jahre alt, als er die Träume des Pharaos deutete und von diesem zu seiner rechten Hand gemacht wurde. Darauf folgten die ‚sieben fetten Jahre‘ des Überflusses. Schließlich waren nach Gen 45,6 zwei der sieben Hungerjahre vergangen, als sich Joseph seinen Brüdern zu erkennen gab und sie beauftragte, seinen Vater Jakob nach Ägypten zu bringen. Joseph war also 39 Jahre alt, als sein Vater nach Ägypten kam. 481 Vgl. ciu. XVI 40, S.  545, Z.  9 –17. Dass sich Augustin genötigt sieht, auf die Gewohnheit in der Bibel und auch in der lateinischen Sprache hinzuweisen, von einer Mehrzahl von Kindern zu sprechen, auch wenn nur eines gemeint ist (vgl. ciu. XVI 40, S.  546, Z.  36–39), mag daran liegen, dass er die Anzahl der Enkel und Urenkel, die Joseph bis zu seinem Tode erlebt hat, möglichst gering halten will, da ansonsten ja die Zahl der 75 Personen überschritten werden würde. 482 Vgl. ciu. XVI 40, S.  545, Z.  4 –6.

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Zeit seine Enkel und Urenkel sah, gilt von der Zahl 75 Folgendes: „Aber ohne Zweifel ist bei dem Einzug Jakobs in Ägypten, den die Schrift mit 75 Menschen erfolgen lässt, nicht an einen einzelnen Tag oder ein einzelnes Jahr zu denken, sondern an die ganze Zeit, solange Joseph lebte, durch den ja der Einzug veranlasst wurde.“483 3.3.8 Der Segen Jakobs an seinen Sohn Juda und an die beiden Söhne Josephs In ciu. XVI 41 beschäftigt sich Augustin mit der leiblichen Abstammung Christi und geht daher an der von Abraham ausgehenden Ahnenreihe entlang. Da die Söhne von Hagar und Kettura beiseite zu lassen sind, folgt auf Abraham der ihm geborene Verheißungsträger Isaak. Von dessen Söhnen setzt sich die Linie fort mit dem bereits im Mutterleib erwählten Jakob, genannt Israel. Von Jakobs zwölf Söhnen ist Juda, einer der Söhne Leas (Gen 29,35 f.), der nächste in der Geschlechterreihe bis Christus.484 Aus diesem Grund hat Augustin ein besonderes Interesse an den Segensworten, mit denen Jakob bzw. Israel vor seinem Tod in Ägypten, als er seine beiden Enkel Ephraim und Manasse sowie alle seine zwölf Söhne segnet (Gen 48,13–49,28), seinen Sohn Juda bedenkt (Gen 49,8–12), und daraus erklärt sich auch seine christologische Auslegung dieses Segens. Augustin hatte, worauf er hier verweist, den Segen an Juda bereits in c. Faust. 12,42 ausführlich behandelt, weshalb er sich hier kürzer fassen kann.485 Bereits in c. Faust. hatte er diesen Segen allegorisch ausgelegt: Er würde so klar auf Christus hindeuten, dass der Manichäer Faustus ihn mit einer „Blindheit des

483  „sed nimirum introitus Iacob in Aegyptum, quando eum in septuaginta quinque hominibus scriptura commemorat, non unus dies uel unus annus, sed totum illud est tempus, quamdiu uixit Ioseph, per quem factum est ut intrarent.“ (ciu. XVI 40, S.  546, Z.  24–28) Zu dieser Lösung war Augustin in qu. 1,152, wo er dasselbe Problem ebenfalls ausführlich erörtert hat, noch nicht gekommen. Hier äußert er Zweifel daran, dass die biblischen Angaben nach dem buchstäblichen Sinn (ad litteram) übereinstimmen können, und vermutet dahinter ein höheres Geheimnis, das er sich aber zu ergründen nicht imstande sieht (vgl. qu. 1,152, S.  59, Z.  5 –10). Bei der Wiederaufnahme dieses Problems in qu. 1,173 jedoch findet er zu ebenjener Lösung, die er auch in ciu. XVI 40 vorträgt – auch hier bleibt er allerdings die Antwort auf die Frage schuldig, worin das von ihm postulierte mysterium dieser Zahl der 75 mit Joseph in Ägypten eingewanderten Menschen besteht (vgl. qu. 1,173, S.  68, Z.  338 – S.  69, Z.  358; s. dazu Gross, Einleitung, S.  83–85). 484 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  1–6. Dass die Abfolge Abraham – Isaak – Jakob – Juda ein Teil des Stammbaums Jesu ist, kann mit Mt 1,2 und Lk 3,33 f. belegt werden. 485 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  17–19. Neben dem Segen an Juda in c. Faust. 12,42 ging es Augustin in dieser Schrift insbesondere um die Verteidigung Judas gegen die Vorwürfe der Manichäer (vgl. c. Faust. 22,60–64.83–89). Anlass zur moralischen Kritik an Juda gab ihnen dessen außerehelicher Geschlechtsverkehr mit seiner eigenen Schwiegertochter Tamar, die er für eine Prostituierte hielt (Gen 38,13–17). Gegenüber dieser sehr ausführlichen Beschäftigung in c. Faust. fällt auf, dass die Episode um Tamar in ciu. keine Erwähnung findet (vgl. Oort, Art. Iuda[s], Sp.  780).

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Geistes“ (caecitas animi)486 gelesen haben müsse, dass er diesen Sinn nicht erkennen konnte. Da Augustin in ciu. XVI 41 expressis verbis auf die ausführlichere Version seiner Auslegung des Segens an Juda in c. Faust. hinweist, scheint es geboten, sich die über ciu. XVI 41 hinausgehenden Interpretationen von Gen 49,8–12 in c. Faust. vor Augen zu führen. So sieht Augustin beispielsweise in den „Brüdern“ ( fratres) Judas, die diesen nach der Segensverheißung in Gen 49,8 preisen werden, die Apostel vorweggenommen, die Christus preisen, indem sie und alle „seine [sc. Christi] Miterben [coheredes] nicht ihre eigene Ehre, sondern seine [sc. Christi] Ehre suchen“.487 Die Aussage, dass Juda ein „Löwenjunges“ (catulus leonis)488 sei, das sich zum Schlaf gelegt habe, das aber dann geweckt werden soll (Gen 49,9), versteht Augustin in ciu. XVI 41 als Prophezeiung des Todes und der Auferstehung Christi: Der Schlaf meine den Tod Christi, der Löwe aber, der ein Symbol der Macht ist, steht dafür, dass Christus nicht unfreiwillig gestorben ist, sondern den Tod bewusst und freiwillig auf sich genommen hat, da er ja nach Joh 10,17 f. als einziger die Macht über sein Leben und seinen eigenen Tod hatte.489 Das Verb ascendere aus dem Satz in Gen 49,9: „Du bist aufgestiegen, mein Sohn, aus dem Spross“,490 sieht Augustin als prophetischen Hinweis auf die Todesart Christi, dass er nämlich ans Kreuz erhöht werden sollte. Die rhetorische, weil nicht beantwortete Frage „Wer will ihn wecken?“ (Gen 49,9) versteht Augustin so, dass niemand außer Christus selbst, dem Löwen, der allein die Macht über sein Leben und seinen Tod hat, in der Lage gewesen ist, sich vom Tode zu erwecken. Das Wort aus der johanneischen Passionsgeschichte „Er neigte sein Haupt und 486 Vgl.

c. Faust. 12,42, S.  367, Z.  23 f. non eum laudant fratres eius apostoli et omnes coheredes eius, non suam gloriam quaerentes, sed ipsius“ (c. Faust. 12,42, S.  368, Z.  17 f.). 488 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  11. Der Löwe als eines der mächtigsten Raubtiere des Landes ist von jeher in der altorientalischen Kultur und darüber hinaus ein Symbol der königlichen Macht und der militärischen Stärke. Bereits im Neuen Testament wird ein Bezug dieses Löwen, der nach Gen 49,9 der Jakobssohn Juda sein soll, zu Jesus hergestellt, dessen Vorfahren ja aus dem Stamm Juda hervorgegangen sind (vgl. Mt 1,2 f.). So erfährt der Seher Johannes in Off b 5,5: „Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.“ Allerdings steht die Assoziation Christi mit einem Löwen in Spannung zu 1Petr 5,8, wo der Teufel mit einem Löwen verglichen wird. Augustin wird genau dieser neutestamentliche Zusammenhang vor Augen gewesen sein, als er den Juda-Segen christologisch auslegte, schließlich hat er Off b 5,5 mehrfach in Predigten (vgl. s. 73,2; 263,2; s. Denis 4,1; s. Guelf. 6) und anderen Schriften (vgl. cons. eu. 1,9; ep.  55,11; Io. eu. tr. 13,5; 46,3; en. Ps. 49,29; 93,4) angeführt. Aus doctr. chr. 3,36 wird erhellt, dass sich Augustin sogar der Spannung zwischen Off b 5,5 und 1Petr 5,8 bewusst war. Dort führt er gerade den Löwen (u. a. neben der Schlange) als Beispiel dafür an, dass Dinge ganz verschiedene und zuweilen auch entgegengesetzte Bedeutungen haben können. 489 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  19–24. 490 „ex germinatione, fili mi, ascendisti“ (Gen 49,9 nach ciu. XVI 41, S.  547, Z.  11). Vgl. zur von Augustin hergestellten Verbindung zwischen ascendere und der Erhöhung Christi ans Kreuz: ciu. XVI 41, S.  547, Z.  29 f. 487  „si

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verschied“ ( Joh 19,30) dient Augustin dazu, den Tod Christi gleichsam als „Schlaf “ (somnus) zu verstehen und mit dem Schlaf des Löwen in Gen 49,9 gleichzusetzen.491 Dieser Schlaf Christi ist allerdings derart, dass niemand – wie doch Propheten in alttestamentlicher Zeit Tote auferwecken konnten (man denke an Elia und Elisa) – ihn hat aufwecken können außer ihm selbst.492 Es ist also hier an eine von Christus ausgehende Auferstehung, nicht an eine von Gott dem Vater bewirkte Auferweckung zu denken. Augustin unterstreicht dies noch zusätzlich mit Jesu Weissagung über den Tempel, die bereits in Joh 2,21 allegorisch auf den Leib Christi gedeutet wird: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.“ ( Joh 2,19) Übertragen auf den Leib Christi bedeutet dies: Die nicht an Christus glaubenden Juden werden Jesus töten (den Tempel abbrechen), und Jesus selbst wird wieder auferstehen (er wird den Tempel aufrichten). Christus „erhob sich“ (suscitare) von den Toten, so wie ein Schlafender, der „von selbst erwacht“ (ipse surgere).493 Neben dieser grundsätzlichen Deutung des Juda-Segens auf den Tod und die Auferstehung Christi hin legt Augustin noch einige weitere Aspekte des Segens (Gen 49,11 f.) aus: Einmal verweise das im Wein gewaschene Kleid bzw. der im „Blut der Trauben“ (sanguis uuae) gewaschene Mantel Judas (so der Parallelismus membrorum in Gen 49,11) auf die Kirche der Getauften (baptizati), die von dem Geheimnis bzw. „Sakrament des Blutes“ (sacramentum sanguinis) wissen und durch das Blut Christi (in der Eucharistie) von ihren Sünden reingewaschen werden.494 Weiterhin verweisen Judas vom Wein geröteten Augen auf die „Geistesmänner“ (spiritales), die von ebenjenem Blut Christi „berauscht“ (inebriare) sind. Gedacht ist an eine Berauschung nicht aufgrund des Alkoholgenusses, vielmehr berauscht „sein [d. h. Christi] Becher“ (poculum eius) im geistlichen Sinne.495 Als Beleg für einen derartigen geistlichen Rausch wird Ps 22,5 angeführt, wo (zumindest nach dem Text der LXX) von der Herrlichkeit des berauschenden Kelches Gottes die Rede ist.496 Es liegt nahe, dass mit dem poculum hier der Abendmahlskelch gemeint ist, was sich ja gut an den vorangegangenen Abend491 Vgl. ciu. XVI 41, S.   547, Z.  31–35 (s. zum Motiv des Schlafes Christi bei Augustin: Dulaey, Art. Somnus, Sp.  517 f.). 492 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  3 4 f. 493 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  32–35. 494 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  36–39. 495 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  39 f. 496 „Und dein Kelch ist berauschend, wie herrlich ist er!“  / „et calix tuus inebrians quam praeclarus est!“ (Ps 22,5 nach ciu. XVI 41, S.  547, Z.  4 0 f.) Das Zitat lehnt sich an die LXXVersion von Ps 22,5 an: καὶ τὸ ποτήριόν σου μεθύσκον ὡς κράτιστον. – In der Hebräischen Bibel und auch der Vulgata ist nämlich von „meinem Kelch“ (also nicht dem Kelch Gottes, sondern demjenigen des Psalmsängers) die Rede, auch fehlt die Charakterisierung als „herrlich“, so dass es lediglich heißt: „mein Becher ist übervoll“ (‫  ֹּכוִסי       ְרָוָיה‬/ calix meus inebrians [BSVC(S)]). Der Verweis in CCSL lediglich auf Ps 22,5 ist hier etwas irreführend, denn der zweite

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mahlskontext anschließt. Dann hätte derselbe Kelch nur für einen bestimmten Teil der Kirche (nämlich die spiritales) eine berauschende Wirkung, während diese den anderen Glaubenden versagt bleibt. Schließlich weisen, wie Augustin unter Bezugnahme auf 1Kor 3,2 schreibt, die Zähne Judas, die „weißer als Milch sind“ (Gen 49,12) und die allegorisch die Zähne Christi meinen, auf die Milch hin (diese Milch steht für die „nährenden Worte“ [uerba nutrientia] der Verkündigung), die die „Kleinen“ (paruuli), die noch keine „feste Nahrung“ (cibus solidus) essen können, zu sich nehmen.497 Offensichtlich gehören beide Gruppen, die in den geröteten Augen Christi repräsentierten spiritales wie die mit seinen weißen Zähnen in Verbindung gebrachten paruuli zum Leib Christi, also zur wahren Kirche. Die spiritales, so sagt Augustin in c. Faust. 12,42, sind diejenigen, „denen es gegeben ist, im heiligen Rausch des von den sündigen irdischen Dingen abgefallenen Geistes auf das ewige Licht der Weisheit zu schauen“.498 Durch diese Definition werden die spiritales klar als Glieder der ciuitas dei ausgewiesen. Etwas schwieriger gestaltet es sich dagegen mit der Zuordnung der paruuli: Da unmittelbar vorher Gen 49,11 abendmahlstheologisch ausgelegt wurde, und da auch noch einmal hervorgehoben wurde, dass das sacramentum des von den Sünden reinigenden Blutes Christi nur den Getauften bekannt ist, könnte man der begründeten Annahme sein, dass mit den paruuli hier die noch nicht getauften Christen gemeint sind, die zwar als Katechumenen bereits in der christlichen Lehre unterwiesen werden, also die „nährenden Worte“ des Evangeliums empfangen, die „feste Speise“ (in Form der Eucharistiefeier, an der Katechumenen als Ungetaufte noch nicht partizipieren dürfen) aber noch nicht vertragen. Gegen eine solche Deutung, dass Augustin bei den paruuli Katechumenen vor Augen hatte, spricht aber der Kontext von 1Kor 3,2: Hier redet nämlich Paulus die Gemeindeglieder in Korinth (die sicherlich bereits getauft sind) als solche an, die er damals mit Milch statt fester Speise genährt habe, da sie letztere noch nicht vertragen haben und sie noch immer nicht vertragen, weshalb er sie noch immer damit nähren müsse. Deshalb dürfte mit den paruuli in ciu. eine neben den „Geistesmännern“ in der Kirche existierende Gruppe gemeint sein, die zwar die Verkündigung empfängt und wohl auch an den Sakramenten teilhat, aber noch nicht in der Lage ist, die Heilige Schrift in einer tiefen, ‚geistlichen‘ Weise zu verstehen.499 Allerdings beinhaltet die Metapher des Kindes, des parSatz, in dem von den weißen Zähnen die Rede ist, ist zwar auch ein Bibelzitat, aber diesmal nicht mehr aus Ps 22,5, sondern wieder aus dem Juda-Segen (Gen 49,12). 497 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  41–43. 498  „quibus donatum est sancta quadam ebrietate alienatae mentis ab infra labentibus temporalibus aeternam lucem sapientiae contueri.“ (c. Faust. 12,42, S.  370, Z.  6 –8) 499  Mathijs Lamberigts definiert diese spezifische Verwendung des Ausdrucks paruuli bei Augustin so: „The concept p[aruuli] is also used for those who, with regard to faith, are beginners, being deprived of the profound, spiritual knowledge of Scripture.“ (Lamberigts, Art. Paruuli, Sp.  480)

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uulus, die Erwartung, dass dieses Kind nach dem Säuglingsalter in der Lage sein wird, feste Speise zu sich zu nehmen. Gerade die Formulierung, dass die paruuli die feste Speise „noch nicht“ (nondum) vertragen, ist ein deutlicher Hinweis, dass Augustin davon ausgeht, dass die paruuli zu einem späteren Zeitpunkt durchaus fähig sein werden, wie die spiritales zu leben. Insofern wären die paruuli durchaus positiv und als Glieder der ciuitas dei anzusehen, wie es in ciu. und auch in c. Faust. der Fall zu sein scheint. Jedoch konnte Augustin an anderer Stelle, nämlich in seiner Auslegung des 130. Psalms, die in 1Kor 3,2 Angesprochenen, die keine feste Speise, sondern nur Milch vertragen, als „Schwache“ (infirmi) und sogar als auf das Irdische ausgerichtete, stolze und hochmütige „Häretiker“ (haeretici) bezeichnen.500 Ein solcher Deutungshorizont von 1Kor 3,2 kommt aber weder für ciu. XVI 41 noch für c. Faust. 12,42 in Frage. Die Verheißung, dass es „nicht an Fürsten aus Juda und Führer aus seinen Lenden mangeln wird, bis die Dinge eintreten, die ihm hinterlegt sind [d. h. bis sich die Segensverheißungen an Juda (die nach Augustin Christus selbst gelten)501 erfüllen]“,502 bedarf nach Augustin genauso wenig einer Auslegung wie das folgende Wort aus Gen 49,10: „Und er ist die Erwartung der Völker.“503 Hier sind ganz offensichtlich die Könige Israels gemeint, die aus dem Stamm Juda hervorgegangen sind bis zum Kommen Christi, auf den die Völker warteten.504 Die Existenz der Juden unter der Fremdherrschaft der Römer und gerade ihr entstaatlichter, zerstreuter Zustand nach 70 n. Chr. kann Augustin als ein geschichtlicher Beweis ex negativo dienen, dass die Segensverheißung in Gen 49,10 sich in Christus erfüllt hat: Denn seitdem sind nie wieder Herrscher aus dem Stamme Juda hervorgegangen. Im vorletzten Kapitel des Buches XVI thematisiert Augustin, bevor er zu Jakobs Segnung der Josephssöhne kommt, noch einmal die Zwillingsbrüder Jakob und Esau. Hier wird erneut deutlich, dass er die in der Bibel verankerte Sichtweise kannte, dass aus Esau, der auch Edom genannt wird, das Volk der

500 Vgl.

en. Ps. 130,9, S.  1905, Z.  19–28. „ipse igitur est, in quo reposita erant promissa Iudae“ (ciu. XVI 41, S.  547, S.  43 f.). 502 „non deficiet princeps ex Iuda et dux de femoribus eius, donec ueniant quae reposita sunt ei“ (Gen 49,10 nach ciu. XVI 41, S.  547, S.  13 f.). Die etwas ungewöhnliche Formulierung, dass die Verheißungen jemandem „hinterlegt“ (reponere) sind, erklärt sich aus dem Umstand, dass Gen 49,10 in der Hebräischen Bibel und auch in der Vulgata auf einen zukünftigen Verheißungsträger abzielt, der das ihm hinterlegte „Zepter“ (sceptrum) empfängt, das die Herrscher aus dem Stamme Juda vor ihm gehalten haben: „non auferetur sceptrum de Iuda et dux de femoribus eius donec veniat qui mittendus est“ (BSVC[S]). In der LXX fehlt das Zepter als Objekt des Verses Gen 49,10b wie auch das Subjekt des kommenden Verheißungsträgers (donec veniat), sodass es hier und in der Folge auch bei Augustin um die hinterlegte(n) Verheißung(en) geht, die eintreten werden, nachdem lange Zeit aus dem Stamme Juda Fürsten hervorgegangen sind. 503 „et ipse expectatio gentium“ (Gen 49,10 nach ciu. XVI 41, S.  547, Z.  14). 504 Vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  43 – S.  548, Z.  4 6. 501 

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Idumäer505 und aus Jakob, der seit dem Kampf am Jabbok auch Israel genannt wird, das Volk Israel hervorgegangen ist.506 Augustin war aber offensichtlich nicht bewusst, dass der Sinn der ätiologischen, auf die beiden Völker Israel und Edom abzielenden Erzählung um Jakob und Esau so weit reicht, dass auch die der schwangeren Rebekka gegebene Verheißung: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (Gen 25,23) nicht nur bei Jakob und Esau selbst ihre Erfüllung findet, sondern auch eine reale Überlegenheit Israels über Edom im Blick hat.507 Denn Augustin nimmt gerade jene Verheißung, dass der Ältere dem Jüngeren dienen werde, als Argument dafür, dass die Erzählung um Jakob und Esau einen weiteren prophetischen Horizont hat als die beiden irdischen Völker Israel und Edom und sich eigentlich auf das Verhältnis zwischen dem Christenvolk (als dem wahren Israel) und dem Volk der nicht an Christus glaubenden Juden bezieht.508 Er ist der Meinung, dass die wahre „Geltung des Gleichnisses“ (ualiditas figurae) von Jakob und Esau sich allein an jenem Wort von dem dem Jüngeren dienenden älteren Bruder entscheide.509 Durch seine Differenzierung von „fleischlicher Nachkommenschaft“ (propago carnis) und der Abstammung von Abrahams Samen „nach dem Glauben“ (secundum fidem),510 die mit den paulinischen Kategorien von „fleischlich“ (σαρκικός) und „geistlich“ (πνευματικός) arbeitet und sich an dessen Rezeption von Jakob und Esau in Röm 9,6–13 anlehnt, gelingt es Augustin, die eigentlich klar auf das Volk Israel und die Idumäer abzielende Ätiologie der beiden Völker christlich zu vereinnahmen. Denn nach der fleischlichen Herkunft ist Jakob tatsächlich der Stammvater des geschichtlichen Volkes Israel 511 – und in seiner am Jabbok zu Tage kommenden Ambivalenz des Gesegneten und zugleich Hinkenden repräsentiert er dieses Volk in seinem Zwiespalt, da nur ein kleinerer Teil dieses Volkes Christus anhängen wird, während der größere Teil diesen ablehnt.512 Die Verheißung an Rebekka, „der Ältere wird dem Jüngeren dienen“, gilt im historischen Sinn für das Verhältnis zwischen Esau und Jakob, der seinem älteren Bruder sowohl das Erstgeburtsrecht als auch den Erstgeburtssegen durch eine List abspenstig gemacht hat. Aber dies ist eigentlich nur ein „Gleichnis“ ( figura) für das Verhältnis 505 

Vgl. hierzu mit den entsprechenden Belegen aus Gen: Abschnitt 3.3.3 mit Anm.  416. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  2 –6. 507  Vgl. ausführlich zum „‚völkergeschichtlichen‘ Sinn“ der Jakob- und Esauerzählungen, insbesondere von Gen 25,19–34 und 27, Blum, Komposition, S.  66–68. Erhard Blum teilt die in der alttestamentlichen Wissenschaft weitgehend unbestrittene These, dass „Gen 25,21 ff. und 27 […] in ihrer vorliegenden Gestalt ‚völkergeschichtlich‘ verstanden werden [wollen]. Es geht um das Verhältnis von Israel und Edom, wobei die israelitischen Erzählungen den Vorrang und die Überlegenheit des eigenen Volkes über das Nachbarvolk behaupten und ‚geschichtlich‘ zu begründen suchen.“ (a. a. O., S.  69) 508 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  7 f. 509 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  5 –7. 510 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  3.20. 511 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  1–5. 512 Vgl. ciu. XVI 39 und Abschnitt 3.3.6. 506 Vgl.

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zwischen dem durch Esau repräsentierten älteren Volk der Juden, die durch ihre fleischliche Ausrichtung sowohl das Erbe als auch den besonderen Segen an das durch Jakob repräsentierte jüngere Volk der Christen verloren haben. In dieser Abstammung „nach dem Glauben“ (secundum fidem) ist es auch möglich, dass von Jakob nicht nur eines (wie es sich bei seiner fleischlichen Abstammung verhält), sondern viele Völker von ihm abstammen, da die Christen, die ja vielen Völkern entstammen, nicht unbedingt im fleischlichen Sinne von Abraham oder Isaak abstammen, aber durch die imitatio im Glauben zu „Kindern der Verheißung“ (Röm 9,8) geworden sind.513 Augustin stellt nun Parallelen her zwischen Jakob und Esau und den beiden Söhnen Josephs, Ephraim und Manasse, die nach Gen 48 von ihrem Großvater Jakob gesegnet werden.514 Die erste Parallele ist, dass Jakob, wie einst sein Vater Isaak in Gen 27, blind war, als er seine Enkel segnete (Gen 48,10). Deshalb meinte wohl Joseph, der bei dem Segen zugegen war, es sei Jakob lediglich ein „Fehler“ (error) unterlaufen, als dieser beim Segnen seine rechte Hand (und damit den höherwertigeren Segen) auf den jüngeren Ephraim und die linke Hand auf dessen Bruder Manasse legte, obwohl Letzterer der Erstgeborene war (Gen 48,14).515 Doch Jakob ließ sich von Joseph nicht abhalten, den Segen so auszuführen. Ganz bewusst, und nicht wie sein eigener Vater Isaak unwissend, gab er den Erstgeburtssegen an den Jüngeren (Gen 48,17–20). Nicht nur von der Segensgeste, auch vom Segensinhalt erhalten beide Söhne Josephs unterschiedliche Zusagen: Während der ältere Manasse zu einem „Volk“ (populus) werden soll, so sollen aus seinem jüngeren Bruder Ephraim „eine Menge Völker“ (multitudo gentium) hervorgehen, sodass er größer als sein älterer Bruder sein wird (Gen 48,19).516 Analog zu seiner Sicht der geistlichen Abstammung des einen Volkes (der Juden) von Esau bzw. der vielen Völker (Christen) von Jakob, versteht Augustin auch diesen Segen so, dass, zwar nicht „im Sinne des Fleisches“ (secundum carnem), sondern „im Sinne des Glaubens“ (secundum fidem) vom älteren Bruder Manasse nur ein Volk (das irdische Israel), vom jüngeren Ephraim 513 Vgl.

ciu. XVI 42, S.  548, Z.  15–20 Es lassen sich viele inhaltliche Parallelen zwischen ciu. XVI 42 und qu. 1,166 feststellen. In qu. 1,166 beschäftigt sich Augustin ebenfalls mit Jakobs Segnung der Josephssöhne (Gen 48,13–20), auch hier wird eine Parallele zwischen Ephraim und Manasse und den beiden Brüdern Jakob und Esau gezogen, deren Verhältnis im göttlichen Orakel (Gen 25,23) beschrieben ist: ‚Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.‘ Auch die allegorische, auf die Überlegenheit des Christenvolks gegenüber dem (fleischlichen) Volk Israel zielende Auslegung der Segensworte Jakobs an Ephraim und Manasse findet sich in qu. 1,166, S.  64, Z.  202–212. 515 Vgl. ciu. XVI 42, S.  548, Z.  6 –12. 516 „et hic erit in populum, et hic exaltabitur; sed frater eius iunior maior illo erit, et semen eius erit in multitudinem gentium.“ (Gen 48,19 nach ciu. XVI 42, S.  548, Z.  14 f.) Während LXX und Hebräische Bibel von einem Volk (Singular) ausgehen, das aus Manasse hervorgehen wird (λαός bzw. ‫[ ַעם‬BHS]), liest die Vulgata / BSVC(S) hier einen Plural („et iste quidem erit in populos et multiplicabitur“). Augustin allerdings folgt der Lesart der LXX. 514 

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eine Menge von Völkern hervorgehen wird (wie die Christen aus vielen Völkern hervorgehen).517

3.4 Die Zeit von Mose bis David 3.4.1 Die formale Besonderheit von ciu. XVI 43 Führt man sich vor Augen, dass Augustin fast zwei Bücher mit insgesamt 69 Kapiteln darauf verwandt hat, die Geschichte der beiden ciuitates von Kain und Abel (ciu. XV 1) bis zu den Söhnen Josephs (XVI 42) zu behandeln, dann fällt auf, welch knappen Raum er der Geschichte nach Joseph bis hin zum Beginn des Königtums David einräumt: nämlich lediglich ein Kapitel, ciu. XVI 43. Diese Feststellung ist umso gravierender, wenn man sich klarmacht, dass in diesen Zeitraum neben der Richterzeit mit der Exodus- und der Eisoduserzählung um Mose, Aaron und Josua einer der zentralsten, wenn nicht der zentralste biblische Erzählzusammenhang für die Identität des Judentums fällt: die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft in Ägypten durch Gottes Eingreifen, der Bundesschluss und die Gabe der Zehn Gebote am Sinai, die Einrichtung der Stiftshütte und damit die Möglichkeit der unmittelbaren Gottesbegegnung im Kult, die Erfahrung der Schuld durch den kollektiven Abfall von Gott in der Geschichte vom Goldenen Kalb, schließlich auch die von Gott gelenkte Einnahme des verheißenen Landes unter Josua – um die wichtigsten Aspekte zu nennen. Während die Bücher Exodus, Josua und Richter nur sehr knapp behandelt werden, fehlt eine Auslegung der Bücher Leviticus, Numeri und Deuteronomium gänzlich.518 Es stellt sich also ernsthaft die Frage, warum gerade diese Zeit des Exodus und des Eisodus von Augustin, wenn er sich selbst für die Darstellung des Verlaufs der beiden ciuitates bis zu ihrem Ausgang im Gericht vier Bücher zur Verfügung stellt, in solcher Weise marginalisiert wird. Es scheint hier mehrere mögliche Gründe zu geben, die wahrscheinlich sogar in Kombination zu der knappen Behandlung dieser Zeit in ciu. XVI 43 geführt haben. Da wäre zum einen der formale Grund, dass sich Augustin ja vorgenommen hatte, in Buch XVI das zweite und das dritte Weltzeitalter von Noah bis Abraham und von Abraham bis David zu behandeln.519 Da er sich allerdings sehr intensiv mit den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob auseinandersetzt, die für die ciuitas dei von großer Bedeutung sind, wird dem Leser gegen Ende des Bu517 Vgl.

ciu. XVI 42, S.  548, Z.  13–20. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  77–84. Hier resümiert Augustin zwar im Nachhinein, dass er in Buch XV das erste und in Buch XVI das zweite und dritte Weltzeitalter behandelt habe, allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass diese Aufteilung der Weltzeitalter 1–3 auf die Bücher XV und XVI einer bereits vor der Niederschrift der beiden Bücher gefassten Konzeption des Verfassers folgt. 519  Vgl. Bonnardière, On a dit, S.  365. 518 Vgl.

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

ches XVI deutlich, dass für die auf die Patriarchenzeit folgenden Ereignisse des dritten Weltzeitalters kaum noch Platz sein wird, soll das Vorhaben Augustins, die sechs Weltzeitalter auf die vier Bücher XV-XVIII wie geplant aufzuteilen, nicht scheitern. Er selbst fügt dann auch in ciu. XVI 37 eine Selbstermahnung ein, dass er zwar noch mehr über die verhandelten Dinge schreiben könnte, dass aber der ihm vorgegebene Platz dazu nicht ausreiche und er sich deshalb zu „beeilen“ ( festinare) habe, sich den folgenden Themen zuzuwenden.520 So kann eine Erklärung darin liegen, dass Augustin, als er sich dem Ende des Buches XVI näherte, schlicht keinen Platz mehr hatte, die Zeit des Exodus bis zum beginnenden Königtum unter Saul und David angemessen zu behandeln – war doch der Länge eines ‚Buches‘ durch die Beschaffenheit des vorhandenen Schreibmaterials eine feste Grenze gesetzt.521 520 Vgl.

ciu. XVI 37, S.  543, Z.  52–56. Auch wenn es in der Antike nicht immer so war, dass „Sacheinheit und Raumeinheit“ zusammenfielen, dass sich also auch ein sogenanntes „Buch“ (liber) eines Werkes über mehrere Schriftrollen oder codices erstrecken konnte (vgl. Dziatzko, Art. Buch, Sp.  940), so ist doch bei ciu. zum einen aufgrund der vergleichbaren Gesamtlänge der einzelnen Bücher, als auch aufgrund der Äußerung Augustins, dass er nur noch wenig Platz habe (vgl. ciu. XVI 37, S.  543, Z.  52–56), anzunehmen, dass die Länge eines Buches ungefähr dem Platz entsprach, den ein codex zur Verfügung stellte (seit dem Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. löste der codex die Schriftrolle als Buchform langsam ab; vgl. Hübner, Art. Liber, Sp.  955). Die Durchsetzung des Codex gegenüber der Schriftrolle wurde gerade auch durch die Bibelhandschriften maßgeblich befördert, da sich Codices für das Nachschlagen von Bibelstellen als praktischer erwiesen. Dominierend war im 4. Jahrhundert gerade im Raum Ägyptens die sogenannte Charta (das „ägyptische Papier“; gr. χάρτης); vgl. Dziatzko, Art. Buch, Sp.  943. Augustin verwendet die Begriffe liber, codex und uolumen zumeist synonym. Der Begriff codex ist nach CAG 3 insgesamt 638 Mal an 470 Stellen belegt. Daher ist anzunehmen, dass er selbst seine Werke auf codices und nicht auf Schriftrollen schreiben ließ, indem er seinen „Schreibern“ (notarii) diktierte. Im 4. Jahrhundert war die Umstellung von Schriftrollen auf codices allgemein abgeschlossen. Man verwendete zunächst sogenante schedulae („Blättchen / Zettelchen“) zum Diktieren, die anschließend codexähnlich zu Konvoluten (Bündel von Schriftstücken; von conuoluere / „zusammenrollen“) zusammengestellt wurden. Diese Konvolute wurden schließlich in codices übertragen, die dann wiederum „herausgegeben“ (edere / „edieren“), d. h. ausgeliehen wurden, damit sie weiter abgeschrieben werden konnten. Nicht selten spielt das „Buch“ (liber bzw. codex oder uolumen) als kompositorisches Element bei Augustin eine wichtige Rolle. Wolfgang Hübner hält fest: „A[ugustin] plante die Komposition seiner Bücher mit großer Sorgfalt. Jedes Buch ‚erscheint … als ein Block, und es ist sicher, daß in Augustins Denken das Buch die literarische Einheit darstellt.‘ [Marrou, Augustinus, S.  521] An Scharnierstellen verweist er auf vorangehende oder nachfolgende Einzelbücher [z. B. ciu. 5,26; 6, praef.; 10,32; 11,1; 15,1]; bisweilen hebt er – häufig zum Schluß – die Buchzahl noch einmal ausdrücklich hervor [z. B. Gn. litt. 12,1,1; doctr. chr. 4,64; cf. auch trin. 15,4sq.].“ (Hübner, Art. Liber, Sp.  958) Gerade für ciu. sind die Bücher als Kompositionselement von großer Wichtigkeit: In einem Brief an Firmus schreibt er, dass er die 22 „Bücher“ (libri), die dieses Werk umfasst, entweder in zwei codices (ciu. I-X und XI-XXII) oder in fünf codices (ciu. I-V; VI-X; XI-XIV; XV-XVIII; XIX-XXII) aufgeteilt wissen will, wobei hier mit codices nicht die einzelnen Bücher, sondern thematisch zusammenhängende Gruppen von Büchern gemeint sind: „quaterniones sunt XXII quos in unum corpus redigere multum est; et si duos uis codices fieri, 521 

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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Ein weiterer Grund ist sicherlich auch die Tatsache, dass Augustin bis zu der Zeit, da er ciu. XV-XVIII verfasste, schon mehrfach die Auslegung des Buches Genesis in Angriff genommen hatte. Diese tiefgehende, sich über viele Jahre erstreckende und stark von Paulus gelenkte Beschäftigung Augustins mit dem Buch Genesis hat einen wichtigen Grund in dessen Auseinandersetzung mit den Manichäern.522 Zudem erfuhr zu dieser Zeit das erste Buch Mose allgemein gegenüber nahezu allen anderen Schriften des Alten Testaments – mit Aunahme vielleicht der Psalmen – eine ungewöhnlich hohe Aufmerksamkeit unter den christlichen Schriftstellern. Demnach ist die Tatsache, dass Augustin seinen Auslegungen des Buches Genesis in ciu. einen so enormen Raum gibt, u. a. sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass er sich mit diesem Buch im Vorhinein bereits sehr intensiv befasst hatte. Als Erklärung für die knappe Behandlung der Zeit von Mose bis David führt Anne-Marie la Bonnardière an, dass Augustin etwa zu der Zeit, als er ciu. XVI redigierte, seine Arbeit an den qu. und den loc. zum Heptateuch abgeschlossen hatte, in denen er sich den vielen Schwierigkeiten der Bücher Ex, Lev, Num, Dtn, Jos und Ri bereits ausführlich gewidmet hatte. So sah er Bonnardière zufolge wohl keine Notwendigkeit, diese in ciu. erneut aufzugreifen: „La Cité de Dieu invite donc tacitement à se reporter à ce minutieux travail d’exégèse.“523 Auch scheint sie davon auszugehen, dass Augustin gegenüber einem wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkt der auf Genesis folgenden Bücher des Pentateuch, nämlich den Gesetzen, gewisse Vorbehalte gehabt hatte und sie deshalb in ciu. weitgehend aussparte.524 ita diuidendi sunt, ut decem libros habeat unus, alius duodecim.“ (ep.  1A*,1, S.  7, Z.  7–9.; vgl. a. a. O., S.  7, Z.  9 – S.  8, Z.  12) 522  Volker Henning Drecoll nimmt einen engen Zusammenhang von Augustins früher Genesisauslegung und der Auseinandersetzung Augustins mit dem Manichäismus an: „Manichäer wie Adimantus und Faustus haben sich intensiv mit dem Alten Testament befasst und es auf ihre Weise gedeutet. Augustin fühlt sich jedenfalls veranlasst, gegen die Manichäer die Genesis neu, nicht allegorisch, sondern ad litteram auszulegen. [Vgl. Drecoll  /  Kudella, Augustin, S.  119–122] Genesis- und Paulusauslegung sind für ihn eng mit dem Manichäismus verbunden und müssen daher durch eigene exegetische Arbeit den Manichäern gleichsam aus den Händen gewunden werden. Das setzt voraus, dass gerade auch die Genesis – genauso wie Paulus – ein lohnender Gegenstand der Auseinandersetzung mit dem Manichäismus war.“ (Drecoll, Testament, S.  102) Die hohe Bedeutung des Buches Genesis für Augustin führt auch Isabelle Bochet als wichtigsten Grund für die knappe Behandlung der übrigen Bücher der Tora in ciu. XV-XVI an (vgl. Bochet, Le firmament, S.  474–476). 523 Bonnardière, On a dit, S.  365. Jedoch ist es fraglich, ob diese Erklärung ausreicht (vgl. Bochet, La figure, S.  10; dies. Le firmament, S.  475 f.), oder überhaupt gegenüber den anderen genannten Gründen ins Gewicht fällt. Folgt man der Argumentation Bonnardières, müsste man sich nämlich streng genommen die Frage stellen, weshalb Augustin das Buch Genesis in ciu. XV-XVI so eingehend behandelt hat, wo er es doch in vielen anderen Werken (auch in qu. und loc.) bereits ausführlich exegesiert hatte und in ciu. nur hätte darauf verweisen müssen. 524  Vgl. Bonnardière, On a dit, S.  365.

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

Neben dieser sicherlich zutreffenden Annahme gibt es weitere Erklärungen für das auffällige Kapitel ciu. XVI 43, die inhaltlicher Natur sind: So könnte man zum einen argumentieren, dass Augustin den Erzeltern einen solch großen Umfang einräumen wollte, da sie und die an sie ergangenen göttlichen Verheißungen für Augustins Darstellung der beiden ciuitates von sehr großer Relevanz sind. Auch waren ihm ja, wie an vielen Stellen gesehen, durch vorherige christliche Ausleger, insbesondere Paulus, die Konzentration auf Abraham, Hagar, Sarah, Jakob und Esau vorgegeben, und anhand dieser Vorlagen konnte Augustin zentrale Aspekte seiner eigenen Theologie, etwa der Gnaden- oder der Erbsündenlehre, entwickeln. Zum anderen könnte man aber auch annehmen, dass Augustin an den Erzählungen zwischen Joseph und David, also an der genannten Zeit des Exodus, des Eisodus und der Richter, inhaltlich ein deutlich geringeres Interesse hatte als an der in der Genesis dargestellten Urzeit und der Zeit der Erzeltern. Warum dies so war, darüber kann man lediglich Spekulationen anstellen. So ist etwa Isabelle Bochet der Auffassung, dass die Ereignisse des Exodus in ciu. deshalb eine untergeordnete Rolle spielen, da Augustin Mose – vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Porphyrios – als Repräsentant der universalen, ‚wahren Religion‘ (des Christentums) zeichnen wollte. Die Herausführung Israels aus Ägypten, Gottes Begleitung des Volkes in der Wüste oder die Gabe des Gesetzes seien zu stark mit der Vorstellung einer exklusiven Zuwendung Gottes an Israel verbunden, als dass ihnen in diesem Mosebild mehr als nur eine sekundäre Bedeutung zukommen könnte.525 Eventuell war Augustin also bestrebt, die Geschichte der ciuitas dei nicht zu stark auf die Geschichte des Volkes Israel zu verengen. Ein wichtiger Punkt scheint auch zu sein, dass sich die Geschichten um die Erzväter und die ihnen gegebenen Verheißungen deutlich besser für die allegorischen Auslegungen Augustins eigneten, der ja hinter vielen Ereignissen und Weissagungen der Genesis „Geheimnisse“ (mysteria bzw. sacramenta) erkannte, die auf Christus und die Kirche deuteten. Unmittelbar vor und ab dem Zeitpunkt der Regentschaft Davids, der der Überzeugung Augustins und vieler seiner Zeitgenossen zufolge der Dichter aller 150 Psalmen war, bis zum Babylonischen Exil treten vermehrt Propheten auf. Deshalb nennt Augustin das vierte Weltzeitalter von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft das „Zeitalter der Propheten“ (tempus prophetarum).526 Beides, sowohl die Psalmen als auch die Prophetien der Königszeit, bietet dann Augustin wieder reichlich Stoff für seine allegorischen, insbesondere christologischen und ekklesiologischen Auslegungen. Man kann also die begründete Annahme haben, dass die Zeit zwischen 525 Vgl. Bochet, La figure, S.   12–14. Bochet bezieht sich hier auch auf Augustins Bezeichnung Moses als uerus theologus noster in ciu. XVIII 37 (s. dazu Abschnitt 4.5.8). 526 Vgl. ciu. XVI 1, S.  551, Z.  8 –12; vgl. auch ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  1 f. Zum Verhältnis des tempus prophetarum zum vierten Weltzeitalter vgl. Abschnitt 4.1.1.

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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den Erzeltern einerseits und den Propheten und den Psalmen Davids andererseits für Augustin inhaltlich nicht so interessant war, da sie ihm nur wenig Grundlagen für seine spezifische Hermeneutik des Alten Testaments bot.527 Schließlich liegt die knappe Behandlung der Zeit des Mose528 auch darin begründet, dass Augustin dieser Gestalt innerhalb seiner Periodik der Weltzeitalter in ciu. (und im Unterschied zu anderen, ihm durchaus bekannten Periodisierungen) keine markante Position zugedacht hat. Da mit Mose die Gabe des Gesetzes verbunden wird, nimmt er sonst in (heils-)geschichtlichen Periodisierungen oft eine deutlich hervorgehobenere Rolle ein. Doch hatte sich Augustin, im Unterschied zu früheren Werken,529 in ciu. gegen das dreiteilige Schema: ante legem, sub lege und sub gratia entschieden.530 3.4.2 Zum Inhalt von ciu. XVI 43: Die Zeit von Mose bis David Dem beschriebenen Umstand, dass Augustin für die Geschichte von Mose bis zum Beginn der Königszeit nur dieses eine Kapitel zur Verfügung steht, ist geschuldet, dass es sich bei ciu. XVI 43 im Wesentlichen um eine knappe Zusammenfassung aller wichtigen Ereignisse dieser Zeit handelt, unterbrochen lediglich durch kleinere Anmerkungen Augustins, die insbesondere auf den prophetischen Sinn dieser Ereignisse zielen. Im ersten Absatz531 paraphrasiert Augustin die Geschichte von der ägyptischen Gefangenschaft des Volkes Israel bis zum Tod des Mose: die 144 Jahre Knechtschaft des Volkes und sein großes Wachstum, die Tötung der erstgeborenen Israeliten durch die Ägypter, der von dieser Maßnahme bewahrte Mose, 527  Gerard

J. P. O’Daly konstatiert: „The vastness of his material forces A[ugustine] to be selective, and the concentration on Biblical prophecy in ciu. 17sq. means that he must move rapidly on to David and the era of the other prophets.“ (O’Daly, Art. Ciuitate, Sp.  993) 528  Auch Isabelle Bochet findet die auffallend knappe Behandlung Moses in ciu. XVI 43 (gerade im Hinblick auf dessen deutlich intensivere Behandlung in c. Faust. und qu.) erstaunlich, weist aber zu Recht darauf hin, dass sich bereits in ciu. X 8.13, und sodann auch in ciu. XVIII (s. Abschnitt 3.5.2) einige Passagen zu Mose finden lassen (Bochet, La figure, S.  9). Insgesamt zeigt sich hier allerdings, dass Augustin in verschiedenen Werken zur Verfolgung seiner jeweiligen Darstellungsinteressen auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen kann. Der Eindruck einer ‚Ungleichbehandlung‘ könnte auch mit den modernen Lesegewohnheiten und -erwartungen etwa an einen biblischen Kommentar zusammenhängen – ohne dass sich dieser Eindruck bei spätantiken Rezipienten oder dem Autor Augustin selbst in dieser Weise eingestellt hätte. 529  Vgl. Abschnitt 3.2.6 mit Anm.  3 00. 530  Vgl. zur Begründung dieser Entscheidung Augustins Wachtel, Beiträge, S.  55 f.; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.5. Zu Recht weist Auguste Luneau darauf hin, dass Augustin (wie bereits Tertullian und Cyprian vor ihm) davon ausging, dass Gott den Menschen bereits vor der Übergabe der Steintafeln an Mose ein „ungeschriebenes Gesetz“ gegeben hatte, an das sich etwa die Erzeltern hielten (vgl. dazu mit Quellenbelegen Luneau, Moses, S.  318 mit Anm.  64). Im Blick darauf ist die Zeit vor Mose tatsächlich nur bedingt als ante legem zu verstehen. 531 Vgl. ciu. XVI 43, S.  548, Z.  1 – S.  549, Z.  4 0.

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sein Heranwachsen im ägyptischen Königshaus, seine durch Gottes Hilfe vollbrachte Wundertat vor den Zauberern des Pharaos, seine Flucht aus Ägypten, weil er einen ägyptischen Aufseher erschlagen hatte, um einen Israeliten zu verteidigen, die Befreiung Israels vom Joch der Knechtschaft durch Mose und die zehn von Gott gesandten Plagen, der Durchzug des Volkes durch das Rote Meer und der Untergang des ägyptischen Heeres in demselben, das erste Passahfest infolge des Exodus, die Gabe des Gesetzes auf dem Berg Sinai 50 Tage danach, die 40 Jahre währende Wüstenwanderung des Volkes unter Moses’ Führung und schließlich die Einrichtung des „Zeltes des Zeugnisses“ (tabernaculum testimonii)532 . Nur zwei dieser Ereignisse werden von Augustin mit weitergehenden Interpretationen bedacht: die in der Stiftshütte dargebrachten Opfer und das Passahfest.533 In den „Opfern“ (sacrificia), die im „Zelt des Zeugnisses“ von den Israeliten zur Verehrung Gottes dargebracht wurden, sieht Augustin „künftige Dinge“ ( futura) vorgebildet.534 Obwohl er diese künftigen Dinge hier nicht spezifiziert, liegt es nahe, bei diesen Opfern im Zelt des Zeugnisses, die Künftiges vorbilden, an das alljährliche Ritual am großen Versöhnungstag zu denken, wie es in Lev 16 beschrieben wird: Neben weiteren Opfern wie dem Brandopfer eines Widders und dem Sündopfer eines Stiers werden zwei Böcke an den Eingang der Stiftshütte gestellt. Per Los wird einer dieser Böcke ausgewählt, der als 532 Vgl.

ciu. XVI 43, S.  549, Z.  25 f. anderen Schriften hat Augustin den höheren Sinn weiterer Ereignisse des Exodus näher ausgeführt, so versteht er wie Paulus in 1Kor 10,1 f. den Durchzug durch das Rote Meer als Sinnbild für die Taufe und die Rettung der Glaubenden (= das Volk Israel) durch Christus (= Moses): „mare rubrum significat baptismum; Moyses ductor per mare rubrum significat Christum; populus transiens significat fideles; mors Aegyptiorum significat abolitionem peccatorum.“ (Io. eu. tr. 45,9, S.  392, Z.  28–31) Führt man sich vor Augen, dass Ägypten von Augustin, in Aufnahme der Interpretationen Philos und des Origenes, als Symbol, als „representative of the world and the sinful human condition“ verstanden wurde, werden seine allegorischen Deutungen des Exodus, kulminierend im Durchzug durch das Rote Meer (als Symbol der Taufe) noch deutlicher (vgl. Beradino, Art. Aegyptus, Sp.  138). In ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  11–13 (s. dazu Dulaey, La geste [2], S.  195) hatte Augustin unter Bezugnahme auf 1Kor 10,4 zu verstehen gegeben, dass man den Felsen, aus dem Mose mit seinem Stab Wasser hervorbringt (vgl. Ex 17,3–7; Num 20,1–13), im figürlichen Sinne auf Christus deuten könne (deutlicher ausgeführt wird dies in c. Faust. 16,15–17). Eine Reihe von symbolischen Deutungen hatte Augustin bereits in ciu. X 8 gegeben. Zur christologischen bzw. soteriologischen Bedeutung der ehernen Schlange (Num 21,6–9) im Anschluss an Joh 3,14 f. vgl. zudem s. 6,7 (s. auch Lécuyer, Art. Exodus, S.  312); schließlich zur symbolischen Deutung des zur Schlange gewordenen Stabes (Ex 4,2–4; 7,8–12) vgl. c. Faust. 12,28, S.  356, Z.  19 – S.  357, Z.  5 (s. dazu auch Eisgrub, Art. Serpens, Sp.  4 02 f. und insbesondere Dulaey, Le bâton, S.  729–737). Die wohl ausführlichste und profundeste Analyse der Deutungen der Taten und der gesamten Vita des Mose durch Augustin hat – bezogen auf dessen Gesamtwerk – ebenfalls Martine Dulaey vorgelegt (vgl. Dulaey, La geste [1]; dies., La geste [2]). 534  „deinde per annos quadraginta duce Moyse dei populus in deserto actus est, quando tabernaculum testimonii nuncupatum est, ubi deus sacrificiis futura praenuntiantibus colebatur“ (ciu. XVI 43, S.  549, Z.  24–27). 533  In

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‚Sündopfer für das Volk‘ geschlachtet und dessen Blut an den von zwei Cheruben gekrönten ‚Sühneort‘ gesprengt wird. Dieser Sühneort, den Augustin pro­ pitiatorium nennt,535 in der Hebräischen Bibel als ‫ ַכ ֹּּפֶרת‬bezeichnet und in der Septuaginta mit ἱλαστήριον übersetzt wird (vgl. u. a. Lev 16,13.14.15),536 meint eine für den Sühnekult bedeutsame goldenene Deckplatte in der Stiftshütte, die sich auf der Bundeslade befindet und die die göttliche Gegenwart symbolisiert. Dem zweiten Bock werden darauf hin durch Handauflegung des Priesters Aaron die Sünden des Volkes symbolisch aufgeladen. Dieser mit den Missetaten Israels beladene Bock wird sodann in die Wüste geschickt, um dort zu sterben. Die Opfer des alljährlichen Versöhnungstages haben einen entsühnenden Charakter: Durch sie soll das Verhältnis zwischen Gott und dem sündigen Volk Israel trotz der im vergangenen Jahr begangenen Sünden wiederhergestellt werden. Dabei steht, vereinfacht gesagt, der in die Wüste geschickte Bock für das Wegnehmen der Sünden, das Sprengen des Blutes des als Sündopfer geschlachteten anderen Bocks an den ‚Sühneort‘ steht für die durch die Entsühnung wieder ermöglichte Beziehung zu Gott.537 Augustin selbst hat in qu. 3,55 die Annahme zurückgewiesen, der in die Wüste geschickte, mit Sünden beladene Bock sei lediglich in malo, also in einer schlechten, unwürdigen Art und Weise geopfert worden, während nur der andere Bock in bono, also in einer guten, gottgefälligen Weise dargebracht wurde.538 Das lässt darauf schließen, dass auch Augustin von einer gewissen Komplementarität beider Opferhandlungen ausgegangen ist und sie im Gesamtkontext eines Entsühnungsritus verstanden hat.539 Im Hinblick auf die „allegorische Bedeutung“ (significatio allegorica) beider Böcke, auf die ja in ciu. XVIII 43 angespielt wird, ist Augustin zufolge deren Unterscheidung (d. h. der unterschiedliche Umgang mit den Böcken im Rahmen des Entsühnungsritus) von großer 535  Mit dem propitiatorium setzt sich Augustin ausführlich auseinander in: qu. 2,105, S.  121, Z.  764 – S.  122, Z.  794. 536 Die präzise Übersetzung von ἱλαστήριον in der LXX, vor allem aber auch in den neutestamentlichen Stellen in Hebr 9,5 und Röm 3,25 ist umstritten. Luther übersetzte mit „Gnadenstuhl“, die Septuaginta gibt mit ἱλαστήριον den hebräischen Begriff „Kapporet“  / ‫ ַכֹּּפֶרת‬wieder. Diese war eine „auf die Bundeslade gelegte Goldplatte, auf der zu beiden Seiten die Kerubim standen, die mit ihren Flügeln die Stätte der unsichtbaren Gegenwart Jahwes bedeckten“ (Roloff, Art. ἱλαστήριον, in: EWNT II, Sp.  455 f.). Einem relativen Konsens innerhalb der Forschung hinsichtlich der neutestamentlichen Belege entspricht die Übersetzung von ἱλαστήριον mit „Sühneort“. Die Vulgata / BSVC(S) gibt den Begriff mit „propitiatorium“ (Lev 16,14; Röm 3,25 und Hebr 9,5) wieder. 537 Vgl. Janowski, Gott, S.  3 04–311. Abgesehen von ihrer symbolischen Bedeutung ist Augustin der Auffassung, dass die alttestamentlichen Opfer (im Unterschied zum Opfer Christi) nicht dazu imstande waren, den Menschen aus der Sünde zu führen (vgl. ciu. XX 26; s. dazu Zerfass, Art. Sacrificium, Sp.  1315). 538  „de duobus hircis, uno immolando et alio in desertum dimittendo, quem ἀποπομπαῖον uocant, solet esse disceptatio, et a quibusdam ille immolandus in bono accipitur, ille autem dimittendus in malo.“ (qu. 3,55, S.  213, Z.  358–361) 539 Vgl. qu. 3,55, S.  213, Z.  361–370.

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Wichtigkeit.540 Leider unterlässt es Augustin auch in qu. 3,55, den allegorischen Sinn beider Opfer zu entfalten. Da er sich auch in seinen sonstigen Schriften nicht dazu äußert, können hier nur Vermutungen angestellt werden.541 Bleibt Augustin die auf das Künftige weisende Bedeutung der im Zelt des Zeugnisses dargebrachten Opfer in ciu. XVIII 43 und qu. 3,55 schuldig, so entfaltet er, worauf das nach dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten geschlachtete Passahlamm und die 50 Tage später erfolgte göttliche Gabe der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai hindeuten. Das Passahlamm – „Passah“ (Pascha) meint, so bemerkt Augustin, „Übergang“ (transitus) – sei ein Vorbild Christi, der durch das Opfer seines Leidens und Sterbens aus dieser Welt zu seinem „Vater hinübergegangen“ (transire ad patrem) ist.542 Als weitere Bekräftigung dieses mit dem Kreuzestod erfolgten „Übergangs“ des Lamms Christus zu Gott versteht Augustin das 50 Tage nach dem Tode Jesu erfolgte Pfingstereignis, als der Heilige Geist vom Himmel kam. Augustin geht hier davon aus, dass der Heilige Geist „im Evangelium Gottes Finger genannt wird“ (qui dictus est in euangelio digitus dei)543. In den neutestamentlichen Evangelien findet sich allerdings kein direkter Beleg für diese Bezeichnung des Heiligen Geistes. Erst durch die Kombination von zwei Stellen kann dieser Zusammenhang hergestellt werden: Zum einen sagt Jesus in Lk 11,20 nach der Heilung eines Stummen, er würde die Dämonen nicht etwa mit Beelzebul, sondern mit dem „Finger Gottes“ (δάκτυλος 540 

„ac per hoc non neglegenter istorum duorum hircorum distinctio in allegorica significatione tractanda est.“ (qu. 3,55, S.  213, Z.  370 f.) 541  Allegorische Deutungen der beiden am großen Versöhnungstag geopferten Ziegenböcke finden sich etwa bei Philo, Justin, Tertullian und Origenes. Justin beispielsweise deutete die beiden Böcke als Hinweis auf die „zwei Erscheinungen Christi“ (δύο παρουσίαι τοῦ Χριστοῦ): Während der eine, von den Priestern geschlachtete Ziegenbock auf den inkarnierten Christus verweise, der den Kreuzestod erleiden musste, könne im zweiten, in die Wüste geschickten Ziegenbock der Auferstandene gesehen werden (vgl. Dial. 40,4, S.  137, Z.  17–27; s. mit weiteren Quellenverweisen Anm.  86 in der italienischen Edition der qu., NBAg XI/2, S.  879). 542 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  32–34. Erstmals wird dieser Zusammenhang bei Augustin hergestellt in c. Faust. 12,30, S.  358, Z.  18 – S.  359, Z.  2 (s. dazu Dulaey, Art. Moyses, Sp.  108). Bereits in 1Kor 5,7 wird der Kreuzestod Jesu Christi mit Hilfe des zu opfernden Passahlamms gedeutet: „Denn auch unser Passahlamm ist geopfert, das ist Christus.“ Das Verständnis von ‚Passah‘ als „Übergang“ (transitus) kann etymologisch begründet werden und geht auf das Hebräische zurück: Passah ‫ ּפֶַסח‬ist von der Verbalwurzel ‫ פסח‬abgeleitet. Mit diesem Verb wird in Ex 12,13 das „Vorübergehen“ bzw. das „Auslassen“ der jüdischen Häuser in jener Nacht bezeichnet, als das göttliche Strafgericht durch Ägypten zog und alle männlichen Erstgeborenen getötet wurden. Die Hebräer jedoch, die ihre Türpfosten und -stürze mit dem Blut des Passahlamms bestreichen sollten (Ex 12,7), wurden von diesem Strafgericht verschont, da es an ihren mit dem Blut gekennzeichneten Türen sozusagen „vorüberzog“ (‫)פסח‬. Hieronymus, dem als Kenner des Hebräischen die ursprüngliche Etymologie bekannt gewesen sein wird, schreibt in seinem Onomasticon (das Augustin immer wieder zu Rate zieht): „Passah [bedeutet] Übergang oder auch Hinübersteigen.“ / „Fasee transgressus siue transscensus.“ (Nom. hebr. IV Reg. F, S.  115, Z.  25) Zu Augustins Rezeption dieser Etymologie, auch neben ciu. XVI 43, vgl. Klöckener, Art. Pascha, Sp.  482 f. 543 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  37 f.

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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θεοῦ / BSVC[S]: digitus Dei) austreiben. Zum anderen heißt es in der synoptischen Parallele Mt 12,28, nachdem er einen besessenen Blinden und Stummen von den Dämonen befreit hat, er würde dies „durch den Geist Gottes“ (ἐν πνεύματι θεοῦ / BSVC[S]: in Spiritu Dei) tun. Durch diese Annahme, dass der Heilige Geist im Neuen Testament „Finger Gottes“ genannt wird, kann Augustin neben den 50 Tagen noch einen weiteren Bezug zur Gabe der Gesetzestafeln am Sinai herstellen: Diese Tafeln seien nach dem biblischen Bericht mit dem „Finger Gottes“ (digitus dei) geschrieben.544 Wie mit dem Bundesschluss am Sinai der Alte Bund begonnen hat, so beginnt an Pfingsten der Neue Bund. Das auf den Bundesschluss am Sinai rekurrierende Pfingstereignis markiert die „Offenbarung des Neuen Bundes“ (reuelatio testamenti noui).545 Mose und Josua, der nach Moses Tod dessen Nachfolger in der Leitung des Volkes Israel war und den Augustin gemäß der christlichen Tradition „Iesus Naue“546 nennt, bezeichnet Augustin beide als „bewunderungswürdige Führer“ (mirabiles duces)547, die ihr Volk mehrfach siegreich in Kriege führten. Die Siege über andere Völker, so meint Augustin unter Verweis auf das „Bezeugen Gottes“ (contestatio dei)548 , seien aber weniger auf die kriegerischen Leistungen Israels zurückzuführen, sondern sie seien „um der Sünden der von ihnen [dem Volk Israel] bekriegten Völkerschaften willen“ geschehen.549 Ein solcher Gedanke, dass Gott das Land Kanaan den Israeliten deswegen in die Hand gibt, um damit die dort lebenden Völker wegen ihrer Sünden zu strafen, findet sich innerhalb der Verheißung Gottes an Abraham in Gen 15,16, wo er ihm weissagt, dass seine Nachkommen vier „Menschenalter“ (generationes) nach Abrahams Tod wieder in das Land Kanaan zurückkommen (und es einnehmen)

544 Vgl.

ciu. XVI 43, S.  549, Z.  36–40. Augustin bezieht sich hier auf Ex 31,18. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  35. 546  Nach Num 13,16 (LXX) bezeichnet Mose „Hoschea“ (Αυση), den „Sohn Nuns“ (υἱὸς Ναυη) mit Ἰησοῦς. Dadurch ergab sich bei den frühen Christen freilich das Problem der Verwechslungsgefahr mit Jesus von Nazareth, weshalb gerade in der griechischsprachigen ostkirchlichen Tradition durch das Hinzufügen des Namens des Vaters Ἰησοῦς Ναυη von Jesus von Nazareth unterschieden wird. In der westkirchlichen Tradition legte man sich dagegen später auf den Namen Josua fest, um ihn von Jesus zu unterscheiden. Erkennbar wird das auch an der jeweiligen Bezeichnung des auf den Pentateuch folgenden Buches, das in der LXX „ΙΗΣΟΥΣ“ genannt wird, während es in der Vulgata mit „LIBER IOSUE ( JOSUA/ JOSHUA) […] ID EST IESU NAVE“ überschrieben ist. 547 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  43. Auguste Luneau hält für die lateinischen Väter fest, dass man Mose als „Idealbild eines Christen, besonders des christlichen Führers“ angesehen habe. Diesem Ideal habe der Christ nach Augustin nachzueifern, auch wenn er es niemals erreichen könne (vgl. Luneau, Moses, S.  315 mit Bezug auf c. Faust. 22,69, S.  666, Z.  9 –14). 548 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  4 4. Beispiele für diese Bezeugungen Gottes sind in Gen 15,16 und Jos 11,20 zu finden. 549  „deo contestante non tam propter merita Hebraei populi quam propter peccata earum, quae debellabantur, gentium illas eius prouenisse uictorias.“ (ciu. XVI 43, S.  549, Z.  4 4–46) 545 Vgl.

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werden, da bis dahin die „Missetaten der Amoriter“ (peccata Amorrhaeorum) voll seien.550 In Jos 11,20 wird hingegen der militärische Erfolg der Israeliten, die alle Völker, die im nördlichen Kanaan lebten, geschlagen und lediglich mit den Hiwitern Frieden geschlossen hatten, nicht mit den Sünden der Feinde, sondern mit der durch Gott bewirkten ‚Verstockung des Herzens‘ erklärt. Daher konnte dann durch Israel ‚ohne Gnade‘ der ‚Bann‘ an diesen Völkern vollzogen werden, indem sie ausgelöscht wurden. Augustin hat sich in qu. 6,18 ausführlich mit Jos 11,20 auseinandergesetzt,551 wobei er aber weder den Verstockungsgedanken noch denjenigen des ‚Banns‘ und der vollständigen Vernichtung von Völkern problematisiert, sondern die göttliche Aufforderung an Josua zum Bann als nicht zu hinterfragendes „Gebot Gottes“ (mandatum dei)552 versteht, dessen Nichtbefolgen sogar eine Sünde ist. Dass beispielsweise, als Josua bereits im Greisenalter war und nicht mehr die volle Kontrolle über die militärischen Handlungen der Landnahme hatte, die Israeliten an einigen Völkern den von Gott befohlenen Bann nur unvollständig ausführen, m.a.W. Menschen dieses Volkes am Leben ließen, wird von Augustin ganz im Sinne der biblischen Darstellung als Ungehorsam und als Sünde des Volkes Israel verstanden, die u. a. mit dazu beitrug, dass Israel nicht das gesamte Land Kanaan von Gott in die Hand gegeben wurde, sondern Gott noch einige andere Völker dort leben ließ, um mit ihnen Israel ‚zu prüfen‘.553 Sowohl die Vernichtungen vieler Völker Kanaans als auch die Tatsache, dass Israel einige Völker nicht besiegen konnte, all dies geschah aufgrund der „göttlichen Vorsehung“ (prouidentia diuina).554 Im Hinblick auf den alttestamentlichen Topos des ‚Heiligen Krieges‘ bei Augustin ist auf die „heilsgeschichtliche Differenzierung“ hinzuweisen, auf die Johannes Brachtendorf auf der Grundlage von c. Faust. 22,79 f. aufmerksam gemacht hat. So habe nach Augustin Gott nur in der vorchristlichen Zeit, also in der des Alten Testaments, Kriegsbefehle gegeben, seit dem Kommen Christi aber nicht mehr. Die von Gott befohlenen Kriege im Alten Testament hätten den Sinn gehabt, anhand von Zeichen (d. h. irdischer Güter wie Siege über Feinde oder Königreiche) zu zeigen, dass Gott die Macht sowohl über sie als auch über das eigentlich damit Bezeichnete habe. In der Zeit des Neuen 550  Augustin zitiert Gen 15,16 in ciu. XVI 24, geht dort aber in seiner Auslegung von Gen 15,7–21 nicht näher auf Vers 16 ein (vgl. ciu. XVI 24, S.  526, Z.  16–18). 551  Vgl. zu den folgenden Ausführungen dieses Absatzes: qu. 6,18, S.  322, Z.  390 – S.  323, Z.  421. 552 Vgl. qu. 6,18, S.  323, Z.  4 04.407.413. 553 Vgl. zum Phämomen der sogenannten ‚unvollständigen Landnahme‘ Ri 2,20–23; 3,1–2. 554 Vgl. qu. 6,18, S.   323, Z.  420 f. Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Topos des ‚Heiligen Krieges‘ sah sich Augustin in c. Faust. 22,70–79 veranlasst. Die pazifistisch eingestellten Manichäer hatten in diesem Topos eine Bestätigung für ihre Annahme gefunden, dass der Gott des Alten Testaments, der zu Gewalt auffordere, nicht identisch sein könne mit dem Gott des Neuen Testaments, in dem der Gewaltverzicht gepredigt werde. Augustin argumentiert dagegen, dass Gott, da er ein gerechter Gott sei, niemals einen (Vernichtungs-)Krieg gegen ein Volk hätte befehlen können, das die Niederlage dieses Krieges aufgrund seiner Sünde nicht verdient hatte (s. dazu Brachtendorf, Friedensethik, S.  129). Nach Christoph A. Stumpf bewertete Augustin eine Vielzahl der im Alten Testament geschilderten Kriege, zumal jene, in denen „Gott selbst als kriegsführende Partei“ auftritt, als gerechte Kriege. So verstand er sie als „göttliche Erziehungsmaßnahme“, die „im wesentlichen durch Liebe motiviert sei“ (Stumpf, Krieg, S.  12–14).

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Bundes seien diese Zeichen nicht mehr nötig, dem Glaubenden wurde nun die Wahrheit zuteil, dass er nicht nach irdischen Gütern, sondern nach dem ewigen Reich zu streben und die Angriffe der irdischen Reiche zu ertragen habe.555 Auch im Hinblick auf Augustins theologische Bewertung der eigenen Gegenwart ist diese Einsicht von großer Bedeutung: Nach Augustinus gehören also die alttestamentlichen Kriegsbefehle Gottes einer endgültig vergangenen Epoche der Heilsgeschichte an. Mit Christus ist eine neue Epoche angebrochen, die letzte Phase der Menschheitsgeschichte, die eine Pädagogik des Friedens und der Geduld erfordert.556 Von einer solchen Differenzierung ist bei Christoph A. Stumpf nicht die Rede, im Gegenteil sieht er Augustin als den „wohl wichtigste[n] Vermittler alttestamentlicher Vorstellungen für die Entwicklung des Kriegsvölkerrechts der Kanonistik“ an.557 Mag auch die Beobachtung Brachtendorfs zutreffend sein, wirkungsgeschichtlich war von Bedeutung, dass Augustin mit seiner christlichen Adaption der Lehre vom gerechten Krieg Gewaltanwendung (wenn auch in Grenzen) nicht nur legitimierte, sondern auch als im Sinne der christlichen Nächstenliebe geboten beurteilen konnte.558 Zu diskutieren wäre die These, wonach der ‚Heilige Krieg‘ in gewisser Weise im sechsten Weltzeitalter in einer transformierten Form zurückkehrt: nämlich in der innerkirchlichen Zucht / Verfolgung, die sich seitens der boni (oder auf deren Veranlassung hin) gegen die mali und haeretici richtet.559 Immerhin bezeichnet Augustin den Zustand der Kirche im sechsten Weltzeitalter auch mit dem Begriff regnum militiae.560

555 Vgl. Brachtendorf, Friedensethik, S.   129 f., mit Bezug auf c. Faust. 22,78, S.  678, Z.  3 – S.  680, Z.  5; 22,79, S.  680, Z.  7–14. 556  Brachtendorf, a. a. O., S.  130. 557  Stumpf, Krieg, S.  12. 558  A.a.O., S.  14; s. zum Verhältnis zwischen bellum iustum und Heiligem Krieg bei Augustin auch Abschnitt 3.5.2 mit Anm.  655. Auf Augustins Entfaltung seiner Friedenslehre in ciu. XIX kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden; zu dieser Thematik wurde bereits intensiv geforscht (einen Überblick bietet Atkins, Art. Pax, Sp.  572 f.). Dass es im Hinblick auf Augustin eine Diskrepanz zwischen der ursprünglichen Intention seiner (christlichen) Lehre vom gerechten Krieg gibt, nämlich Kriege zu begrenzen, und ihrer späteren faktischen Anwendung, nämlich oftmals um Kriege (auch religiös) zu legitimieren, zeigt sich etwa in ciu. XIX 7. Letztlich erscheinen Kriege dort als der menschlichen Sündhaftigkeit geschuldet: Auch wenn der „Weise“ (sapiens) sich durch die „Ungerechtigkeit seitens des Gegners“ (iniquitas partis aduersae) zum Führen eines gerechten Krieges genötigt sieht, so trauert er doch, da er als ein Mensch fühlt, sehr über diese „Notwendigkeit“ (necessitas). Tatsächlich wird Augustin durch diesen sapiens wohl seine eigene Meinung zu den belli iusti zum Ausdruck gebracht haben (vgl. ciu. XIX 7, S.  672, Z.  30–35). 559 Vgl. Walzer, Exodus, S.  4 –6; s. dazu Abschnitt 6.2.3. 560  Vgl. etwa ciu. XX 9, S.  716, Z.  52 – S.  717, Z.  56; s. dazu H. Scholz, Glaube, S.  122; Ratzinger, Volk, S.  319 f. Obwohl die Terminologie miles / militia bei Augustin vorwiegend im asketischen Kontext verwendet wird, begegnen in seinen Schriften auch einige Aussagen, die im Sinne eines Kampfes gegen die Häretiker zu verstehen sind. So kann sich Augustin selbst als gegen die Donatisten kämpfender „Soldat Gottes“ (miles dei) bezeichnen oder auch alle wahren Christen als milites begreifen, die in die „Schlachten Gottes“ (proelia dei) ziehen (vgl. c. litt. Pet. 3,14, S.  174, Z.  24; s. 313,2, Sp.  1423, Z.  4 4 f.; s. dazu Russell, Art. Miles, Sp.  11).

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Augustin geht also von einem unmittelbaren Einwirken Gottes auf den Ausgang aller Kriege Israels aus,561 was auch seine Beschreibung der wechselhaften Geschichte des Volkes Israel während der Richterzeit zeigt. Was in den Kriegen geschieht, geschieht auf Gottes Veranlassung hin. Die Einnahme Kanaans erfolgte deswegen, weil Gott seine an Abraham gegebene Zusage, seinen Nachkommen das verheißene Land zu geben, wahrmachte. Augustin betont aber, dass sich die Verheißung an Abraham hier freilich nur im irdischen Sinne erfüllt hat: Das Volk Israel, der Samen Abrahams ‚nach dem Fleische‘, hat unter Josua und den Richtern das ihm verheißene Land Kanaan eingenommen. Dennoch harrt die Weissagung, die nicht auf „das eine Hebräervolk“ (gens una Hebraea), sondern auf „alle Völker und den ganzen Erdkreis“ (omnes gentes et totus orbis terrarum)562 abzielt, m.a.W. die Gabe des verheißenen Landes als des himmlischen Wohnsitzes an den Samen Abrahams ‚nach dem Glauben‘, d. h. an die Glieder der ciuitas dei, zu diesem Zeitpunkt noch weiterhin ihrer Erfüllung. Diese Erfüllung aber begann erst mit der Inkarnation Christi.563 Dem geschichtstheologischen Verständnis der nicht mit der Landverheißung in Verbindung stehenden wechselvollen Kriege des Volkes Israel in der Richterzeit schließt sich Augustin in ciu. XVI 43 offenbar uneingeschränkt an: „In den Zeiten der Richter aber wechselten sich in den Kriegen Glück und Unglück ab, wie es die Sünde des Volkes [Israel] und Gottes Barmherzigkeit mit sich brachte.“564 Daraus würde folgen, dass Augustin nicht nur von einem unmittelbaren Eingreifen Gottes in die Geschichte zur Erfüllung seiner gegebenen Verheißungen, sondern auch von einem Eingreifen Gottes im Sinne des ‚Tun-Ergehen-Zusammenhangs‘565 ausgeht, und zwar sowohl in Bezug auf das von ihm erwählte Volk Israel als auch in Bezug auf die anderen Völker, da Gott ja beispielsweise die während der Landnahme von Israel besiegten Völker für ihre Sünden straft, indem er sie dem Volk Israel ‚in die Hand gibt‘. Allerdings gilt es zu beachten, dass jener ‚Tun-Ergehen-Zusammenhang‘ zum Geschichtsver561  Diese Annahme wird auch bestätigt durch ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  13–16; s. dazu Abschnitt 3.5.1 mit Anm.  627. 562  „iam in terra promissionis populo conlocato, ut inciperet interim reddi Abrahae prima promissio de gente una, id est Hebraea, et terra Chanaan, nondum de omnibus gentibus et toto orbe terrarum“ (ciu. XVI 43, S.  549, Z.  47–50). 563 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  50–52. 564  „temporibus autem iudicum, sicut se habebant et peccata populi et misericordia dei, alternauerunt prospera et aduersa bellorum.“ (ciu. XVI 43, S.  549, Z.  55–57) 565 Unter dem Tun-Ergehen-Zusammenhang bzw. Tat-Folge-Zusammenhang versteht man die vielen alttestamentlichen Texten zugrunde liegende Annahme, dass aus dem Wohlverhalten eines Menschen bzw. seinen Missetaten ein entsprechendes Ergehen im Sinne der Gerechtigkeit Gottes resultiert. Über die frühen alttestamentlichen Texte hinausgehend und etwa auch im Hinblick auf die im Neuen Testament bezeugte Predigt Jesu ist eine zeitliche Verschiebung der Relation zwischen Tun und Ergehen zu beobachten: Das Tun wirkt sich hier nicht mehr unbedingt in einem unmittelbaren Ergehen im Leben des Einzelnen, sondern erst im Endgericht aus.

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ständnis Augustins in ciu. (insbesondere vor dem Hintergrund seiner Gnadentheologie) in starker Spannung steht.566 Zugleich kann er diesem Konzept, zumindest im Hinblick auf Israel,567 aber wegen seines Festhaltens an der Wahrheit der Heiligen Schrift auch nicht offen widersprechen, sondern muss es vielmehr zu integrieren suchen. Und so findet der Tun-Ergehen-Zusammenhang in ciu. XVI 43 nur bedingt Eingang in die Darstellung Augustins: Sind es zwar die peccata des Volkes, die Unglück als göttliche Strafe hervorrufen, so sind es aber bezeichnenderweise nicht etwa die guten Taten, die als Verdienste angerechnet zum Glück des Volkes Israel führen, sondern es ist die misericordia dei. Den Grund, warum Mose nicht selbst sein Volk ins verheißene Land führen darf, sondern dies seinem Nachfolger Josua überlassen muss, wird biblisch damit erklärt, dass auch Mose selbst sündig war und Zweifel an Gott hatte (vgl. Num 20,12) und deshalb zusammen mit Aaron zu jener ersten, sündigen Generation des wüstenwandernden Volkes Israel gehört, die nicht mehr selbst den Eisodus in das verheißene Land erleben darf.568 Im Unterschied zu den Patriarchen wird Mose im Hinblick auf seinen Gotteszweifel am Horeb und die Tötung des ägyptischen Aufsehers von Augustin nicht von moralischer Schuld freigesprochen.569 So wird Mose zum prägenden Beispiel eines Menschen, der trotz seiner Sünde von Gott begnadet ist. Darin, dass er nach Num 20,12 an Gott gezweifelt hatte, hatte Augustin in c. Faust. einen Hinweis auf das jüdische Volk erkannt (als dessen Repräsentant Mose ebenfalls angesehen werden konnte), das die Kraft Gottes in Christus nicht erkannt und nicht an ihn gelaubt hatte.570 566 Vgl. dazu Therese Fuhrer, die bezogen auf die römische Religion (doch durchaus übertragbar auf diejenige des Alten Israel) schreibt: „Damit wird die historische Entwicklung eines Staates oder einer Stadt mit dem Konzept von Lohn und Strafe – als Folge von Verdienst oder Schuld gegenüber der schützenden Gottheit – in Verbindung gebracht […]. Ein Vertreter der Gnadenlehre augustinischen Zuschnitts konnte diese kausale Verknüpfung natürlich nicht akzeptieren: Die göttliche Gunst beziehungsweise Gnade kann der Mensch nicht verdienen.“ (Fuhrer, Augustin, S.  137) 567  Dass Augustin an diesem Konzept deutliche Zweifel hatte, zeigt sich – bezogen auf die römische Religion und Kriegsführung – etwa in ciu. IV 15, aber auch – bezogen auf das persönliche Schicksal eines Menschen – in ciu. XX 2. 568 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  50–56; vgl. auch en. Ps. 105,28, S.  1563, Z.  1 – S.  1564, Z.  18. Diese auf dem biblischen Bericht in Num 20,10–12 beruhende Begründung war unter den frühchristlichen Autoren weit verbreitet s. dazu Cocchini, Art. Moses I, S.  575. 569  Vgl. etwa die zwar relativierende, Mose nicht aber von Schuld freisprechende Einordnung der Tötung des ägyptischen Aufsehers in c. Faust. 22,70, S.  666, Z.  15 – S.  668, Z.  7; vgl. auch qu. 2,2, S.  70, Z.  26 – S.  71, Z.  38. Aaron dagegen hatte sich dadurch versündigt, dass er der Anfertigung des Goldenen Kalbes nicht widersprach und sich sogar daran beteiligte. Zu diesem gotteslästerlichen Tun wurde er nach Augustin durch „weibliche Schmeichelei“ (blanditia feminea) verführt (vgl. ciu. XIV 11, S.  433, Z.  71–75; s. dazu Pintard, Art. Aaron, Sp.  1). Außerdem hatte sich Aaron gemeinsam mit Mirjam gegen Mose aufgelehnt (vgl. Num 12,1–16), was in ciu. allerdings nicht aufgegriffen wird. 570 Vgl. c. Faust. 16,17, S.  457, Z.  1 – S.  458, Z.  7; s. dazu auch die Ausführungen von Luneau, Moses, S.  327.

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Die Erzählung in Num 20,1–13, nach der Mose von Gott den Auftrag bekommen hat, vor dem nach Wasser dürstenden Volk zu einem Felsen zu sprechen, damit er Wasser gebe, er diesen Befehl aber nicht ausführt, sondern stattdessen mit dem Stab zweimal auf den Felsen schlägt, um dadurch Wasser hervorzubringen, behandelt Augustin in qu. 4,19. Auch er versteht das zweimalige Schlagen mit dem Stab auf den Felsen als Ausdruck des Unglaubens von Mose und Aaron, worauf die Strafe Gottes folgt, dass diese beiden das Volk nicht in das Gelobte Land werden führen dürfen (Num 20,12).571 Obwohl Augustin also der in der Bibel genannte Grund, warum Mose das Volk nicht nach Kanaan führen darf, bekannt war, gibt er in ciu. XVI 43 hierfür eine ganz eigene Erklärung: Es sei ein „vorbildlicher Hinweis“ (praefiguratio), dass Mose, der am Berg Sinai die Gesetzestafeln entgegengenommen hatte und damit diejenigen repräsentiert, die allein auf die „Beobachtung der alten Gesetzesvorschriften“ (obseruatio ueteris legis) setzen, nicht ins verheißene Land, d. h. im übertragenen Sinne in die himmlische Wohnstätte bei Gott, einziehen durfte. Dies durfte erst sein Nachfolger Josua, der Augustin zufolge auf Gottes Geheiß hin mit dem veränderten Namen ‚Jesus Nave‘ angesprochen werden sollte (vgl. Num 13,8.16).572 Durch die gottgewollte Namensgleichheit zwischen Josua und Jesus von Nazareth ist demnach der von Jesus Nave angeführte Einzug des Volkes Israel ins Gelobte Land eine Präfiguration des von Jesus Christus ermöglichten und geführten Einzugs der Glieder der ciuitas dei in die verheißene Wohnstätte bei Gott, das himmlische Jerusalem. Augustin ordnet Mose und Josua in die Kategorien der paulinischen Rechtfertigungstheologie (‚Werkgerechtigkeit‘ / ‚Gerechtigkeit durch Glauben‘) ein: Während Mose für den jüdischen Gesetzesgehorsam (obseruatio ueteris legis) steht, so steht Josua bzw. Jesus Nave für den „Glauben an das Evangelium“ ( fides euangelii), weshalb er dann auch anders als Mose in das verheißene Land einziehen darf.573 Nach der Richterzeit beginnen „die Zeiten der Könige“ (tempora regum) in Israel mit Saul, der jedoch von Gott verworfen wurde, in einer Schlacht fiel und aus dessen Nachkommenschaft nie wieder Könige hervorgehen sollten.574 Mit seinem Nachfolger David beginnt nach Augustin ein neuer „Abschnitt“ (articulus), nämlich das vierte Weltzeitalter. Wie Augustin seine – an Jesu Stammbaum in Mt 1,1–17 angelehnte – Entscheidung, das dritte Weltzeitalter mit Abraham 571 Vgl.

qu. 4,19, S.  245, Z.  435 – S.  247, Z.  487. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  53–55. Bereits früh wurde in der christlichen Tradition die Homonymität beider Personen im Griechischen (Ἰησοῦς) für typologische Deutungen genutzt. So findet sich ein offensichtlicher Beleg dieser Deutung bereits im Barnabasbrief (vgl. Barn 12,8; s. dazu Leanza, Art. Joshua I., S.  453). 573 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  50–55. Dieser Gedanke begegnet ähnlich und weiter ausgeführt in en. Ps. 98,12, S.  1388, Z.  1 – S.  1390, Z.  91. Die im Kern antijüdische Deutung von Mose und Josua ist breit bezeugt bei Origenes, Justin, Cyprian, Tertullian u. a. (vgl. mit entsprechenden Quellenbelegen Leanza, Art. Joshua I., S.  453). 574 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  58–60. 572 Vgl.

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beginnen zu lassen, damit begründet, dass bei Abraham die auf Christus deutenden Weissagungen und Verheißungen deutlicher zutage kommen,575 so ist wohl auch David, aus dessen Geschlecht Jesus Christus hervorgehen sollte, der wiederum auch „Davidssohn“ genannt wird, eine solche biblische Gestalt, die nicht nur für das irdische Volk Israel, sondern insbesondere auch für die ciuitas dei von solcher Relevanz ist (wie es sich dann auch in den Auslegungen Augustins in Buch XVII bestätigt), dass mit ihr ein neuer Zeitabschnitt beginnt. 3.4.3 Die Parallelisierung von Weltzeitaltern und Lebensaltern in ciu. XVI 43 Augustin geht am Ende von ciu. XVI 43 noch einmal auf seine Datierung und die Charakteristik der Weltzeitalter ein, wobei er sich auch auf den das Matthäusevangelium einleitenden Stammbaum Jesu beruft. Gerade für die zeitliche Einteilung des dritten, vierten, fünften und sechsten Zeitalters ist Mt 1,17 von großer Bedeutung: Alle Geschlechter von Abraham bis zu David [d. h. 3. Weltzeitalter] sind also vierzehn Geschlechter, und von David bis zur Babylonischen Wegführung [d. h. 4. Weltzeitalter] sind es vierzehn Geschlechter, und von der Babylonischen Wegführung bis zu Christus [d. h. 5. Weltzeitalter] sind es vierzehn Geschlechter.576

Daraus folgt dann, dass man sich mit und nach der Inkarnation Christi bis zu dessen endzeitlicher Wiederkehr im sechsten Weltzeitalter befindet. In ciu. XVI 43 führt Augustin seine Vorstellung weiter aus, dass die Weltzeitalter analog zur Entwicklung eines menschlichen Lebens ablaufen.577 So sei das 575 Vgl.

ciu. XVI 12, S.  515, Z.  1–4. zitiert wird Mt 1,17 von Augustin in s. 51,8, S.  28, Z.  215–219: „omnes generationes ab Abraham usque ad Dauid, generationes quatuordecim; et a Dauid usque ad transmigrationem Babylonis, generationes quatuordecim; et a transmigratione Babylonis usque ad Christum, generationes quatuordecim.“ 577  Erstmals begegnet eine Parallelisierung der Lebensalter mit den Phasen der Heilsgeschichte bzw. der Menschheitsgeschichte bei Augustin in diu. qu. 58,2, S.  105, Z.  4 0 – S.  107, Z.  82 (vgl. dazu C. P. Mayer, Zeichen 1, S.  56–60). Dieser Bezug, auch wenn er erst durch Augustin größere Wirkung entfaltete, war allerdings schon vor ihm hergestellt worden, etwa bei Tertullian. Nachdem dieser das fortwährende Heilswirken Gottes mit dem Wachstum eines Baumes verglichen hat, schreibt er: „So war auch die Gerechtigkeit – denn der Gott der Gerechtigkeit und der (Gott) der Schöpfung ist derselbe – zuerst in den Anfängen, da sich die Natur vor Gott fürchtete. Sodann rückte sie durch das Gesetz und die Propheten vor in die Kindheit, danach entflammte sie durch das Evangelium in das Jugendalter: Nun bildet sie sich durch den Paraklet zur Reife heran.“ / „ Sic et justitia (nam idem Deus justitiae et creaturae) primo fuit in rudimentis, natura Deum metuens: dehinc per Legem et Prophetas promovit in infantiam: dehinc per Evangelium efferbuit in juventutem: nun per Paracletum componitur in maturitatem.“ (vgl. Virg. I, Sp.  890, Z.  14–19; s. dazu Eyben, Einteilung, S.  161 mit Anm.  21; zu den Hintergründen der augustinischen Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Menschenaltern vgl. auch Schwarte, Vorgeschichte, S.  43–52; zu Augustin selbst vgl. insbesondere Drecoll, Heil, S.  576–581; s. dazu Abschnitt 1.2.2 mit Anm.  125) – Vgl. das „Schaubild zur Verteilung der sechs Weltzeitalter auf ciu. XV-XVIII und zum jeweiligen biblischen Bezug“ im Anhang unter 1. 576  Vollständig

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erste Weltzeitalter von Abel bis zur Sintflut vergleichbar mit der „Kindheit“ (infantia), die zum einen dadurch charakterisiert ist, dass man noch nicht reden könne, und zum anderen, dass man sich im weiteren Verlauf des Lebens nicht mehr an diese früheste Zeit erinnern könne.578 Hier sieht Augustin eine Analogie zum ersten Weltzeitalter. So habe im ersten Weltzeitalter noch niemand die hebräische Sprache beherrscht, die nach allgemeiner Ansicht die zuerst „erfundene Sprache“ (lingua inuenta) war.579 Das heißt aber nicht, dass Augustin davon ausging, die Menschheit vor Heber habe noch nicht sprechen können.580 Das Hebräische ist lediglich die erste Sprache, die als solche bezeichnet und als eine gemeinsame Ursprache der Hebräer identifiziert werden kann. Dies meint die etwas komplizierte Formulierung, dass das zweite Weltzeitalter „in der hebräischen Sprache erfunden“ worden sei.581 Zum zweiten Charakteristikum der infantia, dass man sich nämlich später nicht mehr an sie erinnern könne, schreibt Augustin: „Wie dieses erste [menschliche] Lebensalter tatsächlich in Vergessenheit versinkt, so wurde das erste Zeitalter des Menschengeschlechts durch die Sintflut ausgelöscht.“582 Der auf die Kindheit folgende zweite Lebensabschnitt ist das „Knabenalter“ (pueritia), das sich insofern von der infantia unterscheidet, dass der Mensch nun das Sprechen beherrsche. Und so erhielt auch das Menschengeschlecht im zweiten Weltzeitalter die erste Sprache, nämlich das Hebräische.583 Auf die pueritia folgt wiederum das mit der Zeugungsfähigkeit einher578 Vgl.

ciu. XVI 43, S.  550, Z.  73–77. Dass in den Augen Augustins das Erlernen des Sprechens den Übergang von der infantia zur pueritia bedeutet, findet sich bereits in conf. 1,13, S.  7, Z.  1–5 (s. dazu Eyben, Einteilung, S.  189). Damit konnte er sich auf einen breiten Konsens stützen; vgl. mit diversen Quellenbelegen a. a. O., S.  180 mit Anm.  81. 579 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  71–73. 580  Darauf weist zu Recht Alfred Schröder hin in seiner deutschsprachigen Edition von ciu.; vgl. BKV 16 [ciu.], Bd.  II, S.  511, Anm.  2 . 581  „ante hunc ergo uelut pueritia fuit huius generis populi dei a Noe usque ad ipsum Abraham; et ideo in lingua inuenta est, id est Hebraea.“ (ciu. XVI 43, S.  550, Z.  71–73) Folgt man der Darstellung Johannes van Oorts, so lässt sich bei Augustin für die Frühzeit der Geschichte Israels insgesamt eine sehr positive Bewertung der „Hebräer“ (Hebraei) feststellen. Mit dem Exodus, nachdem die Hebräer in Ägypten zu einem großen Volk geworden waren und nun von Augustin auch „Israeliten“ (Israelitae) genannt werden können (vgl. Oort, Art. Israel, Sp.  747), verbindet sich eine deutlich negativere Bewertung dieses Volkes. Hat es sich doch dort als eine Gemeinschaft erwiesen, die trotz der Gabe des Gesetzes und des helfenden Eingreifens Gottes immer wieder sündigt und von Gott abfällt (vgl. ciu. XVII 2; s. dazu Abschnitt 4.1.2). Von „Juden“ (Iudaei) spricht Augustin in ciu. dagegen erst ab der Zeit der Reichsteilung Israels und der Babylonischen Gefangenschaft, verstärkt dann ab der Zeit Jesu (vgl. Oort, Art. Iudaei, Sp.  781 f.; ders., Jews, S.  247 f.; s. dazu auch den Exkurs von Blumenkranz, Judenpredigt, S.  181–186). 582  „quam profecto aetatem primam demergit obliuio, sicut aetas prima generis humani est deleta diluuio.“ (ciu. XVI 43, S.  550, Z.  75 f.) 583 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  71–73. Augustin war gemäß traditioneller jüdischer (und später christlicher) Deutungstraditionen der Ansicht, dass „Heber“ (im Deutschen: Eber), der Sohn Schelachs und damit der Urenkel des Noahsohnes Sem (vgl. Gen 10,22–24), der erste Mensch war, der die hebräische Sprache beherrschte. „Heber“ fungiert hier also als Eponym für die Hebräer (vgl. dazu ciu. XVI 11 und Abschnitt 2.2.1).

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gehende „Jugendalter“ (adulescentia), das dritte Lebensalter.584 Hier verweist Augustin auf Mt 1,17, wonach zwischen Abraham und David 14 Geschlechter liegen.585 Eventuell tut er das deswegen, weil er das Jugendalter und damit die Geschlechtsreife mit dem 14. Lebensjahr beginnen lässt.586 Wahrscheinlicher ist aber, dass für ihn die Geschlechterfolge als solche einen Hinweis darauf darstellt, dass der Mensch ins zeugungsfähige Alter tritt. Die Verbindung zwischen diesem Lebensabschnitt und dem dritten Weltzeitalter stellt Augustin über die Figur Abrahams her, der ja durch seine Umbenennung von Abram zu Abraham zum „Vater von Völkern“ (pater gentium) geworden ist, und insofern mit einer besonderen Fruchtbarkeit und Mehrung seiner Nachkommenschaft gesegnet war.587 Schließlich kommt Augustin noch auf den vierten Lebensabschnitt zu sprechen, dem „jungen Mannesalter“ (iuuentus), das er allerdings im Unterschied zu den drei vorangegangenen Abschnitten in ciu. XVI 43 nicht weiter charakterisiert und insofern auch keine Verbindung zwischen der Charakteristik der iuuentus und dem vierten Weltzeitalter herstellt. Augustin konstatiert lediglich, dass das „Mannesalter des Gottesvolkes“ (iuuentus populi dei) mit König David seinen Anfang nimmt.588 Augustin stützt sich bei seiner Aufteilung des menschlichen Lebens in sechs Altersstufen sowie bei der Zuschreibung bestimmter Attribute an diese Lebensalter auf römisch-pagane Theorien.589 In einer Predigt Augustins findet sich eine Aufzählung aller sechs Lebensalter mit den ihnen zugehörigen Attributen: 584 Vgl.

ciu. XVI 43, S.  550, Z.  63 f. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  64–67. 586  Die Altersangaben zum Beginn der adulescentia schwanken zwar bei paganen lateinischen Autoren, jedoch setzte man in der römischen Kaiserzeit den Beginn der adulescentia mit dem Beginn der Pubertät gleich und terminierte beides auf das vollendete vierzehnte Lebensjahr, was (bei Jungen) durch das erstmalige Anlegen der Toga auch äußerlich sichtbar gemacht wurde (vgl. Eyben, Einteilung, S.  182). Augustin ist dieser Auffassung offensichtlich gefolgt: „huic succedit adolescentia, cui iam propagationem prolis natura permittit et patrem facit.“ (uera rel. 48, S.  217, Z.  6 –8) Die Äußerungen in conf. 2,6, S.  20, Z.  19–27, dass Augustin selbst erst im sechzehnten Lebensjahr sexuelle Lust verspürte und erste sexuelle Handlungen durchführte, spricht nicht dagegen, dass seiner Meinung nach die Geschlechtsreife im Allgemeinen mit vierzehn Jahren beginnt (gegen Eyben, a. a. O., S.  189). 587 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  6 8–71. 588 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  61–63. Auffällig ist hier, dass sich das angegebene Lebensalter expressis verbis auf das Volk Israel (und nicht etwa auf die gesamte Menschheit, wie noch bei infantia und pueritia) bezieht. Es lässt sich bei Augustins Charakterisierung der aufeinanderfolgenden Lebensalter eine Fokussierung auf Israel feststellen. Theresia Heither definiert die iuuentus populi dei wie folgt: „seine Jugend [sc. die Jugend des Gottesvolkes] ist vorüber, jetzt ist Israel als Volk und auch in seiner Verfassung begründet. Es beginnt seine Zeit als ausgewachsenes Volk, und diese Zeit reicht bis zum Exil.“ (dies, Gestalten, S.  15) Dass das Lebensalter der Jugend (im Sinne der Konstituierung eines Volkes) sich dagegen nicht nur auf das Volk Israel, sondern durchaus auch auf die heidnische Welt beziehen lässt, darauf macht Anne-Marie la Bonnardière aufmerksam, wenn sie darauf verweist, dass innerhalb des vierten Weltzeitalters die Weltmacht Rom enstanden ist (vgl. mit Bezug auf ciu. XVIII 27 [s. auch XVIII 22] Bonnardière, Les livres, S.  337 f.). 589  Eine ausführliche Darstellung zur „Einteilung des menschlichen Lebens im römischen 585 Vgl.

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Die Kindheit [infantia] wird für euch in Unschuld [innocentia] bestehen, das Knabenalter [pueritia] in Ehrfurcht [reuerentia], das Jugendalter [adolescentia] in Geduld [patientia], das junge Mannesalter [iuuentus] in Stärke [uirtus], das reife Alter [senium] in Großmut [meritum] und das Greisenalter [senectus] wird nichts anderes als ehrwürdige Weisheit [sapientia] und Verstand [intellectus] sein.590

Man erkennt hier, dass die den Lebensaltern zugeschriebenen Attribute recht variabel sind, da Augustin in Bezug auf die ersten drei Lebensalter gänzlich andere Charakteristika nennt als in ciu. XVI 43: Unschuld statt fehlender Erinnerung, Ehrfurcht statt Spracherwerb und Erinnerungsvermögen, Geduld statt Geschlechtsreife. In s. 216,8 wird – im Unterschied zu ciu. XVI 43 – jedem der sechs Lebensalter eine bestimmte Tugend zugeordnet, die erreichten Tugenden werden aber stets auch durch das „Böse“ (malum)591 herausgefordert. Dabei ist es allerdings nach Augustin nicht so, dass man in einem Lebensalter eine Tugend empfängt und zugleich die in vorigen Lebensaltern erworbenen Tugenden verliert. Das Erlangen der Tugenden ist also additiv zu verstehen.592 Die zitierte Stelle aus s. 216,8 vermag auch ciu. XVI 43 insofern zu erhellen, als Augustin hier im Unterschied zu ciu. XVI 43 dem vierten Lebensalter, dem „jungen Mannesalter“ (iuuentus), ein Attribut zuschreibt, nämlich die „Stärke“ (uirtus). Führt man sich vor Augen, dass das Volk Israel nach der biblischen Darstellung mit König David und seinem Sohn Salomo den Zenit seiner politischen und militärischen Stärke erreicht hat, bevor das Reich dann unter den Nachfolgern Salomos in das Nord- und das Südreich geteilt und damit geschwächt wird, so passt das Attribut der „Stärke“ (uirtus) doch recht gut zu dem mit König David beginnenden vierten Weltzeitalter. Die in s. 216,8 aufgezählten, den Lebensaltern zugeordneten Tugenden lassen sich durchaus vor dem Hintergrund antiker Bildungstheorien verstehen, und insofern ist der Idee der sechs Lebensalter auch ein gewisses Fortschrittsdenken inhärent: Das menschliche Leben beginnt in „Unschuld“ (innocentia)593 und Altertum“ bietet Eyben, Einteilung. Karl-Heinz Schwarte weist nach, dass Augustin „die Altersstufen, die er zur Kennzeichnung der sechs Zeitalter verwendet, dem Bereich des römischen Rechts- und Staatslebens entnommen und exegetischem Erfordernis entsprechend in die Form einer sechsgliedrigen Altersreihe gebracht hat“ (Schwarte, Vorgeschichte, S.  52; vgl. S.  50 f.). Innovativ war also nicht seine Definition der einzelnen Lebensalter (Sprachfähigkeit, Zeugungsfähigkeit etc.), sondern deren Übertragen auf die Geschichte der ciuitas dei bzw. der Menschheit als solcher: „Indem Augustinus auf das raum-zeitliche Gesamt der Welt menschliche Altersstufen projizierte, transponierte er den Mikrokosmosgedanken ins Geschichtliche.“ 590 „infantia uestra innocentia erit, pueritia reuerentia, adolescentia patientia, iuuentus uirtus, senium meritum, senectus nihil aliud quam canus sapiensque intellectus.“ (s. 216,8, Sp.  1081, Z.  29–32) 591 Vgl. s. 216,8, Sp.  1081, Z.  43. 592 Vgl. s. 216,8, Sp.  1081, Z.  32–43. 593  Dies ist eine Aussage, die Augustin vor dem Hintergrund seiner Lehre von der Ursünde selbst nicht so einfach getroffen hätte. Auch von daher legt sich hier eine starke Abhängigkeit Augustins von paganen Darstellungen der menschlichen Lebensalter nahe.

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entwickelt sich von da aus bis zum Erreichen der „Weisheit“ (sapientia) und des „Verstandes“ (intellectus) im Greisenalter, zwei Tugenden also, die nach antiken Bildungstheorien, etwa bei Platon und Aristoteles, als die höchsten angesehen werden, die ein Mensch erlangen kann. Allerdings geht Augustin über dieses pagane Denken hinaus, wenn er etwa in jener Predigt von einem siebten Lebensalter spricht, das – analog zu Augustins Parallelisierung der Weltzeitalter mit den sechs bzw. sieben Schöpfungstagen (der siebte Tag bedeutet das Ende des Geschichtsverlaufs und die eschatologische Ruhe, wie auch Gott am siebten Tag nach der Schöpfung der Welt geruht hat) – den seligen Zustand des Menschen bei Gott meint: Obwohl all diese Lebensalter nicht gleichzeitig auftreten, bleiben sie [sc. die jeweiligen Tugenden] alle in der frommen und gerechtfertigten Seele gleichzeitig und einträchtig. So werden sie dich zum immerwährenden siebten (Lebensalter) führen, das heißt zur Ruhe [quies] und zum Frieden [pax]. Sechsmal freilich, so lesen wir, werden wir von den Nöten des todbringenden Lebensalters befreit, im siebten (Lebensalter) werden uns nunmehr die bösen Dinge [mala] nicht mehr erreichen.594

In der Parallelisierung der sechs Weltzeitalter mit den Stadien eines menschlichen Lebens lässt sich also durchaus ein Fortschritts- bzw. Entwicklungsgedanke erkennen, der über die Metapher der aufeinanderfolgenden Lebensalter auf den Geschichtsverlauf angewandt wird: Abgesehen von Augustins Charakterisierung der infantia, die sich dadurch auszeichnet, dass man weder sprechen, noch sich im Nachhinein an diese früheste Lebensphase erinnern kann, sind doch die Spezifika der folgenden Lebensalter wie Spracherwerb und Erinnerungsvermögen im zweiten und Fruchtbarkeit im dritten Lebensalter durchaus positive Aspekte, die man, bezogen auf die Geschichte, als kulturelle und zivilisatorische Fortschritte (Sprache und Geschichtsbewusstsein bzw. Durchsetzung und Vermehrung der eigenen Gattung) ansehen kann. Es ist allerdings zu beachten, dass Augustin diese in den Weltzeitaltern stattfindenden Fortschritte nicht auf das Menschengeschlecht insgesamt, sondern allein auf die ciuitas dei bezieht, deren Geschichte zumindest in den ersten Weltzeitaltern eng mit der Geschichte des Volkes Israel verknüpft ist: Es ist lediglich von der hebräischen Sprache die Rede, die im zweiten Weltzeitalter erworben wird. Bei der Fortpflanzung im dritten Weltzeitalter geht es um den Samen Abrahams ‚nach dem Glauben‘, wenn von ihm als ‚Vater vieler Völker‘ gesprochen wird (Gen 12,3 / Gal 594  „cum simul aetates istae non ueniant, tamen in anima pia et iustificata pariter et concorditer perseuerant. hae te ad septimam perennem quietem pacemque perducent. tamen sexies, ut legimus, de necessitatibus aetatis mortiferae liberatum, iam in septima non te tangent mala.“ (s. 216,8, Sp.  1081, Z.  37–43) Das siebte Lebensalter findet auch Erwähnung in uera rel. 49, S.  219, Z.  51–55. Die Parallelisierung der Schöpfungstage mit den Weltzeitaltern begegnet bei Augustin bereits in Gn. adu. Man. 1,35–43; hier wird zusätzlich die Parallele mit den sechs Lebensaltern eines Menschen hergestellt (vgl. mit weiteren Quellenbelegen: Fladerer, Exeget, S.  100 mit Anm.  250).

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3,6–18 und Röm 4) – also um die Mehrung der Glieder der ciuitas dei, die dereinst Gott verehren sollen (und die die durch den Engelfall entstandene ‚Lücke‘ in den Reihen der himmlischen Gottesverehrer auffüllen)595. Und schließlich beginnt mit David das „Mannesalter des Gottesvolkes“ (iuuentus populi dei), und nicht etwa das Mannesalter der Menschheit überhaupt. Zusammengefasst nimmt Augustin also an, dass es in der Geschichte der ciuitas dei Entwicklungen bzw. Fortschritte gibt, was aber nicht notwendigerweise bedeutet, dass es ähnliche Entwicklungen oder Fortschritte in der Geschichte der ciuitas terrena geben muss. So sind wohl Spracherwerb und Bevölkerungswachstum Fortschritte, die auch innerhalb der ciuitas terrena stattgefunden haben, jedoch ist die Sprachenvielfalt der Völker durch die Turmbauerzählung negativ behaftet, insofern sie dort als göttliche Bestrafung der menschlichen Hybris auftritt, und auch die Fortpflanzung und Mehrung, die innerhalb der ciuitas terrena geschieht, ist für Augustin sicherlich kein Wert an sich, wie es die Mehrung der Glieder der ciuitas dei seit Abraham ist. Dass sich der mit den Lebensaltern verbundene Entwicklungsgedanke im Sinne einer göttlichen Pädagogik in erster Linie auf das „Volk Gottes“ (populus dei), nicht unbedingt aber auf das gesamte „Menschengeschlecht“ (genus humani) als Ganzes bezieht, wird auch aus ciu. X 14 erhellt, wo es heißt: Wie nun die rechte Erziehung des einzelnen Menschen, so schritt auch die des Menschengeschlechts, soweit es das Volk Gottes anbelangt, in gewissen Zeitabschnitten wie in Altersstufen voran, damit es sich vom Zeitlichen zur Erfassung des Ewigen und vom Sichtbaren zum Unsichtbaren emporhebe.596 595  Auf diesen ‚Ersatzgedanken‘ hat Bernhard Lohse in seinem einschlägigen Aufsatz zur Engellehre Augustins aufmerksam gemacht: Nach der augustinischen Vorstellung wird die durch den Engelfall in der himmlischen, Gott verehrenden ciuitas dei entstandene Lücke eschatologisch mit Menschen aufgefüllt. Lohse bezieht sich dabei u. a. auf eine Ausführung Augustins, die allerdings nicht bei der ausführlichen Behandlung der Engel in ciu. XI u. XII, sondern erst im letzten Buch von ciu. begegnet: „[deus] qui de mortali progenie merito iusteque damnata tantum populum gratia sua colligit, ut inde suppleat et instauret partem, quae lapsa est angelorum, ac sic illa dilecta et superna ciuitas non fraudetur suorum numero ciuium, quin etiam fortassis et uberiore laetetur.“ (ciu. XXII 1, S.  807, Z.  52–57) Lohse geht davon aus, dass der ‚Ersatzgedanke‘ trotz seiner späten expliziten Erwähnung in Buch XXII als gedankliche Voraussetzung früherer Kapitel (z. B. ciu. XI 13, V 18, XIV 26) zu gelten hat (vgl. B. Lohse, Engellehre, S.  282 f., Anm.  23; s. auch O’Meara, Charter, S.  4 4 f.). 596  „sicut autem unius hominis, ita humani generis, quod ad dei populum pertinet, recta eruditio per quosdam articulos temporum tamquam aetatum profecit accessibus, ut a temporalibus ad aeterna capienda et a uisibilibus ad inuisibilia surgeretur“ (ciu. X 14, S.  288, Z.  1–5). Die Pilgerschaft der ciuitas dei im Sinne eines „aufwärts“ führenden Weges beschreibt auch Marrou, Janusantlitz, S.  351 f. Dennoch gibt es den göttlichen Erziehungsgedanken bei Augustin auch in Bezug auf das gesamte genus humanum, wenn er etwa von dem Sinn von Kriegen spricht (vgl. ciu. VII 30, S.  211, Z.  11–14). Es fällt auf, dass Augustin bei seiner Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Lebensaltern in ciu. diejenigen Attribute nennt, mit denen Bernhard Kötting und Wilhelm Geerlings im Sinne Augustins die „Altersstufen des natürlichen Lebens“ charakterisiert haben. Die von ihnen so bezeichneten „Altersstufen des geistlichen Lebens“ dagegen, die der (von Gott er-

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Der Fortschrittsgedanke wird jedoch in gewisser Weise wieder dadurch relativiert, dass nach Augustin „dem unterschiedlichen Vermögen der einzelnen ae[tates] eine unterschiedliche sittliche Gefährdung“597 entspricht. Außerdem ist mit dem Altern des Menschen auch der Verlust von bestimmten Fähigkeiten verbunden, was sich in den Wirren des sechsten Weltzeitalters (des „Greisenalters“ / senectus) widerspiegelt.598 Der Höhepunkt der menschlichen Entwicklung würde demnach im iuuentus erreicht.599 Bezieht man die Lebensalter nun allein auf die Geschichte des (irdischen) Volkes Israel, so ergibt sich ein Bogen von Aufstieg (Abraham und seine Nachkommenschaft im 3. Weltzeitalter), Höhepunkt (theokratisches, davidisches Königtum im 4. Weltzeitalter) und Niedergang (Babylonisches Exil bis hin zum Verlust der Staatlichkeit im 5.-6. Weltzeitalter), der wiederum der Entwicklung des menschlichen Lebens und dem Abbau geistiger und körperlicher Fähigkeiten im Alter entspricht.600 Den Versuch einer Harmonisierung von Entwicklungs- und Dekadenztendenzen in der augustinischen Bewertung des sechsten Weltzeitalters hat Karl-Heinz Schwarte unter Heranziehung des paulinischen Motivs vom alten und neuen Menschen unternommen: „In der Formelsprache der augustinischen Altersanalogie fällt in wählte) Mensch nach uera rel. 48–50 ebenfalls durchlaufen kann, finden in ciu. XVI 43 keine Erwähnung. Es könnte bei Augustin aber durchaus so gedacht sein, dass das irdische Volk Israel den „Alterstufen des natürlichen Lebens“ gemäß ein von Aufstieg, Höhepunkt und Verfall geprägtes Leben führt, während die Glieder der ciuitas dei auf Erden, die freilich bis ins fünfte Weltzeitalter vornehmlich innerhalb des Volkes Israel existieren, an der besonderen göttlichen (Heils-)Pädagogik teilhaben und so stufenweise zu geistlichen Menschen heranwachsen (vgl. Kötting/Geerlings, Art. Aetas, Sp.  155 f.). 597 So Kötting/Geerlings, Art. Aetas, Sp.  152, unter Bezugnahme auf ciu. XXI 16; s. auch Fuhrer, Erneuerung, S.  263. 598 Tatsächlich ist die Ausmalung dieser eschatologischen ‚Wirren‘ bei Augustin (wohl auch aufgrund seiner antichiliastischen Haltung) in ciu. weniger ausgeprägt und bezieht sich insbesondere auf den Zustand der Kirche (vgl. ciu. XVIII 50–53; s. dazu Abschnitt 6.2.3). Christoph Horn attestiert Augustin einen „historisch-politische[n] ‚Realismus‘“; seine Geschichtsdarstellung in ciu. sei weder von „einer pessimistischen [noch von einer] optimistischen historischen Gesamttendenz“ geprägt (vgl. Horn, Geschichtsdarstellung, S.  176.178 f.). So zeigt sich auch in Augustins Interpretation der eigenen Gegenwart ein ‚Sowohl-als-auch‘: Krisenhafte Ereignisse wie die Verfolgungen der Kirche gehen innerhalb des sechsten Weltzeitalters einher mit den vielen sich erfüllenden und noch in der Erfüllung begriffenen Verheißungen. 599  Auch Augustin ist davon ausgegangen, dass in der iuuentus die Körperkräfte des Menschen ihren Höhepunkt erreicht haben; vgl. Gn. adu. Man. 1,38, S.  106, Z.  1–6, wo er die iuuentus explizit mit der Herrschaft Davids (der zentralen Figur des 4. Weltzeitalters in ciu.) assoziiert. S. dazu Eyben, Einteilung, S.  180 mit Anm.  78. 600 Vgl. uera rel. 48, S.  217, Z.  14 – S.  218, Z.  17. Bereits Alois Wachtel hat sich in diesem Sinn zur Übertragung der ‚Lebensalter‘ auf das Volk Israel geäußert (vgl. Wachtel, Beiträge, S.  61; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.5). Vgl. noch präziser die Ausführungen von Schwarte, Vorgeschichte, S.  53 f. Er meint nachweisen zu können, dass das fünfte Weltzeitalter, die senioris aetas, die „Niedergangsepoche des jüdischen Volkes“ darstellt, in der es seine Mündigkeit verliert. Anschaulich ist hier auch die Darstellung Therese Fuhrers, die im Hinblick auf die senectus, den körperlichen Verfall im sechsten Weltzeitalter, als weiteren Aspekt die „Gesetzesreligion des Judentums“ nennt (vgl. Fuhrer, Erneuerung, S.  271).

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das sechste Zeitalter […] die senectus ueteris hominis, d. h. des jüdischen Volkes. Dem steht der ‚neue Mensch‘ gegenüber, das sind die, die sich Christus unterstellt haben“.601 Bezogen auf die in der Welt pilgernde ciuitas dei ergibt sich also auch ein ekklesiologischer Aspekt der augustinischen Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Lebensaltern, insofern man unter dem analog zu den Weltzeitaltern heranwachsenden ‚neuen Menschen‘ den mystischen Leib Christi verstehen kann, der im Laufe der Geschichte seine ‚Glieder‘ erhält und zur Vollkommenheit heranwächst.602 Die Parallelisierung der Lebensalter mit den Weltzeitaltern impliziert also ein gewisses Fortschrittsdenken. Von Fortschritt kann jedoch im Hinblick auf die Menschheit als ganze kaum und in Bezug auf das (fleischliche) Volk Israel nur bedingt die Rede sein, nämlich in einer Dynamik von Fortschritt und Verfall. Dagegen vollzieht sich ein wahrhaftiges Fortschreiten allein bei der auf Erden pilgernden ciuitas dei. Die Abfolge der Offenbarungen Gottes, kulminierend in Christus, das stetige Sammeln der Glieder der ciuitas dei in der Geschichte – das ist der eigentliche Fortschritt, die Heilsgeschichte im Denken Augustins.603 Die Parallelisierung der Lebensalter mit den Weltzeitaltern ist nicht zuletzt ein Ausdruck dafür, wie bei Augustin individuelle und universale (Heils-)Geschichte zusammengedacht werden können.604 3.4.4 Rückblick: Weitere Beobachtungen zur geschichtlichen Dynamik der Weltzeitalter Die von Augustin gewählten sechs Zeitabschnitte der biblischen Geschichte folgen einem repetitiven Schema,605 das strukturell eine gewisse Analogie zum alttestamentlichen ‚Richterschema‘606 aufweist. Die sechs Zeitabschnitte inner601 

Schwarte, Vorgeschichte, S.  55. Vgl. dazu Marrou, Janusantlitz, S.  354. 603  Diese Einsicht basiert auf einem von weiten Teilen der Forschung getragenen Konsens; vgl. u. a. Löwith, Weltgeschichte, S.  138; Kamlah, Christentum, S.  313; Wachtel, Beiträge, S.  71.; Fries, Weltgeschichte, S.  91 f.; Mommsen, Idea, S.  372; C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  190 f. 604  „Augustin arbeitet mit einer Kreuzung von horizontaler und vertikaler Grundkonzeption von Erlösung, von heilsgeschichtlichen Phasen einerseits und richtiger Orientierung andererseits. […] Augustin entwickelt seine Theologie auf der Grundlage einer Parallelisierung von individueller und universaler Geschichte.“ (Drecoll, Heil, S.  578 f.) Die Herkunft dieser Grundüberzeugung Augustins lässt sich zwar nicht abschließend klären, Drecoll führt aber mit der judenchristlichen und der „spezifisch-nordafrikanischen“ Tradition (v. a. Tertullian), dem manichäischen und dem neuplatonischen Gedankengut sowie schließlich der „paulinischen Frömmigkeit“, die gemeinsam mit der „eigenen geistlichen Vita“ Augustins zu einem besonderen „Erfahrungsbezug“ seiner Theologie beitrug, fünf Hintergründe an (a. a. O., S.  579–581). 605  Vgl. zu den folgenden Ausführungen Abschnitt 2.2.7 sowie das „Schaubild zur inneren heilsgeschichtlichen Dynamik der Weltzeitalter nach ciu. XV-XVIII“ im Anhang unter 2. 606  Das theologische Programm, das die Darstellung der Richterzeit prägt, ist in Ri 2,10– 19 grundgelegt. Vgl. zum Richterschema: Gross, Gottesbund. Heinz-Dieter Neef be602 

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halb des procursus der beiden Bürgerschaften beginnen jeweils mit einem Neuanfang Gottes mit der ciuitas dei: Abel als erstes Glied der auf der Erde pilgernden ciuitas dei, das von der Sintflut bewahrte Haus Noahs, der in seinem Glauben für die ciuitas dei vorbildliche Abraham, David als der gottgefällige König, dem viele (auf die ciuitas dei gerichtete) Verheißungen zuteil werden, die Rückkehr und der Wiederauf bau Jerusalems nach dem Babylonischen Exil und schließlich die Sendung Christi, womit das letzte Weltzeitalter beginnt. Im Verlauf eines jeden Abschnitts findet eine Abkehr von Gott statt, die in Krisen gipfelt, die auch als göttliche Bestrafungen im Sinne des ‚Tun-Ergehen-Zusammenhangs‘ angesehen werden können. So führt die Sündhaftigkeit der Menschen im ersten Weltzeitalter zur von Gott veranlassten Sintflut, während am Ende des zweiten Weltzeitalters der Turmbau zu Babel als Sinnbild und Höhepunkt menschlicher Hybris steht, der von Gott mit der Zerstreuung und dem aus der nun entstandenen Sprachenvielfalt resultierenden Unverständnis der Menschen bestraft wird. Sein Ende erreicht das dritte Weltzeitalter, das zumindest in der Zeit der Wüstenwanderung und der Richterzeit von den immer wiederkehrenden Sünden des Volkes Israel geprägt war (Augustin schreibt vom „Überhandnehmen der Sünden“ [abundantia peccatorum]607), mit dem von Gott verworfenen und im Krieg gefallenen König Saul. Das vierte Weltzeitalter gipfelt in der Babylonischen Gefangenschaft als göttliche Strafe der fortwährenden Sünden, kultischen Vergehen und Götzenverehrung des Volkes Israel. Selbst nach der Wiederkehr der Exilierten nach Jerusalem und dem Bau des Zweiten Tempels lässt Israel nicht von seinen Sünden ab und leistet (zumindest in der Mehrheit) den Ermahnungen der Propheten, die Gott sendet, nicht Folge, sondern missachtet und verfolgt sie, weshalb Gott keine Propheten mehr sendet und das Volk Israel in die Hände fremder Mächte gibt. Zur Zeit der Geburt Jesu war es das Römische Reich. Schließlich ist der Verlauf des sechsten Weltzeitalters, in dem sich Augustin befindet, von Wirrungen, etwa durch die in der Kirche befindlichen Irrlehrer, gekennzeichnet, und auch dieses wird in einer Krise enden: mit dem göttlichen Strafgericht, in dem endgültig über die Menschheit gerichtet wird und die Glieder der ciuitas terrena vernichtet werden, während die Glieder der ciuitas dei ins himmlische Jerusalem aufgenommen werden. Diese innere heilsgeschichtliche Dynamik von Neubeginn und Niedergang der Beziehung Gottes zu der auf der Erde pilgernden ciuitas dei spiegelt sich nicht zuletzt auch in dem Wechsel von Tag und Nacht der sechs Schöpfungstage wider, die Augustin mit den sechs Weltzeitaltern parallelisiert.608 schreibt die theologische Komposition des Richterbuches im „Dreischritt von ‚Geschichte, Schuld und Rettung‘“, der sich stets wiederholt (Neef, Geschichte, S.  201; vgl. a. a. O., S.  192–194.200 f.). 607 Vgl. ciu. XVI 43, S.  550, Z.  82. 608  Hier bestätigt sich die These Wachtels, Beiträge, S.  38.72 f. (s. Einleitung, Abschnitt 2.5; vgl. dazu auch Klöckener, Art. Dies, Sp.  416–418).

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War mit der im vorangegangenen Abschnitt thematisierten Parallelisierung der Abschnitte eines menschlichen Lebens mit dem geschichtlichen Verlauf der ciuitas dei innerhalb der Weltzeitalter ein Fortschritts- bzw. Entwicklungsgedanke verbunden, so scheint diese innere, sich in den Weltzeitaltern wiederholende Dynamik von Neuanfang, Abfall von Gott und göttlicher Bestrafung eher von der geschichtsrelativierenden Sicht des Predigerbuches „es gibt nichts Neues unter der Sonne“ (Koh 1,9) bzw. vom Eindruck der „ewigen Wiederkunft des Gleichen“ in der Geschichte geprägt zu sein. Von diesem geschichtsphilosophischen Grundgedanken ist Friedrich Nietzsches zentrales Werk ‚Also sprach Zarathustra‘ bestimmt. Allerdings sieht er diesen zyklischen Geschichtsverlauf keineswegs negativ, sondern es ist für ihn die „höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann“.609 Abgesehen von dieser sehr positiven Bewertung der Zyklizität der Geschichte unterscheidet sich Nietzsches Konzeption vor allem dadurch von Augustin, dass in ihr der Gedanke eines Endes dieses zyklischen Prozesses fehlt – ist es für ihn doch eine ewige Wiederkunft des Gleichen. Damit verbindet sich eine abweichende Wertung der Geschichte: Eine geschichtsrelativierende Sicht lässt sich bei Augustins Darstellung in ciu. sicherlich in Bezug auf die Geschichte der ciuitas terrena, nicht aber auf diejenige der ciuitas dei feststellen.610 Der geschichtliche procursus der ciuitas dei stellt sich für ihn als ein zwar durch temporäre Rückschläge gekennzeichneter, letztlich aber zielgerichteter, da von Gott gelenkter Prozess der Offenbarung und der Sammlung der Glieder der ciuitas dei dar. Es gilt hier zu beachten, dass sich Augustin in ciu. XII 14.18.20 explizit gegen zyklische Geschichtsmodelle, die zu seiner Zeit kursierten, wendet.611 Für Augustin ist klar, dass nach den sechs Weltzeitaltern das Endgericht und damit auch das Ende der ciuitas terrena und der Pilgerschaft der ciuitas dei in dieser Welt erfolgen wird. Das ‚zyklische‘, besser gesagt das repetitive Moment innerhalb seines Geschichtsdenkens, der Gedanke des sich Wiederholenden in der Geschichte, ist bei ihm also auf den Verlauf der sechs Weltzeitalter beschränkt. Man könnte auch von einer Geschichtsrhythmisierung sprechen, die Augustin herausarbeitet und durch die Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Schöpfungstagen illustriert. Das Weltgericht stellt gleichsam eine Erlösung der Welt und der in ihr pilgernden ciuitas dei aus diesem repetitiven Prozess der Geschich609 

Nietzsche, Ecce homo, S.  335, Z.  6 f. Darauf hat insbesondere Christof Müller hingewiesen (vgl. C. Müller, Geschichtsbewußtsein, S.  176–178; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.7). 611  Augustins Kritik an der Theorie von den ewigen Kreisläufen verbindet sich in ciu. XII 14 mit einer spezifischen Auslegung von Koh 1,9 f. (vgl. dazu Einleitung, Abschnitt 2.2 mit Anm.  94). Bei seiner Kritik wird er aufseiten der paganen Philosophen wohl insbesondere die Stoiker vor Augen gehabt haben, aufseiten der christlichen Vertreter dieser Theorie am ehesten Origenes. Dabei gilt es allerdings mit Alfons Fürst wahrzunehmen, dass Augustin Origenes in diesem Punkt offenbar missverstanden hat (vgl. Fürst, Art. Origenes, Sp.  386; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.2 mit Anm.  92). 610 

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te dar – wie der siebte Tag das Ende der Schöpfungstage markiert und gleichsam auf den eschatologischen Sabbat verweist.612 Es ist anzunehmen, dass Augustin von einem geschichtlichen Fortschritt innerhalb der ciuitas dei ausgeht, an dem die Glieder der ciuitas terrena aber kaum partizipieren. Unbelehrbar fallen zu allen Zeiten Menschen von Gott ab und richten ihren Blick auf sich selbst oder irdische Güter und bekommen immer wieder göttliche Strafen als Folgen dieses Verhaltens zu spüren. Diese wenn man so will ‚pädagogischen‘ Bemühungen Gottes zeigen aber nur bedingt Wirkung, denn obwohl er nach jeder dieser Strafen einen Neuanfang zu Beginn eines jeden Weltzeitalters macht, bleibt es immer nur bei einem gewissen Teil der Menschheit, der sich in den Dienst der Pilgerschaft der ciuitas dei stellen lässt. Man könnte zwar sagen, dass im sechsten Weltzeitalter durch die Ausbreitung des Evangeliums Christi in alle Welt eine so große Zahl wie noch nie zuvor zur Gruppe der zur himmlischen Gottesstadt pilgernden Glaubenden gehört, und doch bleibt auch in dieser Zeit ein erheblicher Teil der Menschheit Glied der ciuitas terrena:613 die ‚fleischlichen‘ Juden, die Christus nicht als den Heiland annehmen,614 die Heiden, die nicht an Christus glauben, und schließlich diejenigen innerhalb der sichtbaren Kirche, die eigentlich keine Glieder der ciuitas dei sind: also die Häretiker bzw. „falschen Christen“ (pseudochristiani).

3.5 Die Behandlung des dritten Weltzeitalters in ciu. XVIII 1–20 3.5.1 Die Geschichte der ciuitas terrena im dritten Weltzeitalter Zu Beginn von ciu. XVIII rekapituliert Augustin seine bisherige Arbeit an ciu., um dabei festzustellen, dass er sein Vorhaben, den „Verlauf “ (procursus) der beiden ciuitates in den Büchern XV-XVIII parallel darzustellen, tatsächlich nur für die ersten beiden Weltzeitalter umgesetzt hat. Vom dritten Weltzeitalter an, das mit Abraham in ciu. XVI 12 beginnt, habe er sich in seiner Darstellung dann jedoch auf den Verlauf der ciuitas dei beschränkt, sodass der irrige Eindruck entstehen könnte, die ciuitas terrena habe in jener Zeit nicht existiert.615 Diese Fokussierung rechtfertigt Augustin damit, dass er zunächst den Verlauf der ciuitas dei von Abraham an, mit dem „die Verheißungen Gottes“ (promissiones dei) 612 Vgl. Schwarte, Vorgeschichte, S.   282–284; Margoni-Kögler, Art. Sabbatum, Sp.  1240. 613 Vgl. zum zahlenmäßigen Verhältnis der Glieder der ciuitas terrena zu den aus der Menschheit erwählten Gliedern der ciuitas dei nach Augustin: Abschnitt 3.2.3 mit Anm.  155. 614  Zum Schicksal der Juden im sechsten Weltzeitalter und im Endgericht s. Abschnitt 6.2.1. 615 Vgl. ciu. XVIII 1, S.  592, Z.  8 – S.  593, Z.  2 0. Georges Simard erklärt diese Art der Darstellung mit Augustins Auffassung, dass während der ersten beiden Weltzeitalter die beiden ciuitates noch stärker vermischt und erst seit Abraham klarer zu unterscheiden gewesen wären (vgl. Simard, Les quatre livres, S.  66).

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deutlicher wurden,616 bis hin zur Geburt Christi, in dem diese Verheißungen beginnen sollten sich zu erfüllen, zunächst „ohne Störung durch den Widerpart der anderen Bürgerschaft [sc. der ciuitas terrena]“ (sine interpellatione a contrario alterius ciuitatis) habe behandeln wollen.617 Da ciu. XVII mit der Geburt Christi endet,618 fehlt also in den bisher fertiggestellten Büchern von ciu. der Verlauf der ciuitas terrena für das dritte, vierte und fünfte Weltzeitalter – ein Versäumnis, das Augustin nun in Form einer recapitulatio nachholen möchte.619 Durchgeführt hat Augustin dieses Vorhaben allerdings nur für das dritte Weltzeitalter in ciu. XVIII 1–20.620 Danach ist eine Tendenz festzustellen, den Ereignissen der ciuitas dei einen immer größeren Raum zu geben, wie sich bereits bei der Darstellung der Geschichte der ciuitas terrena im vierten Weltzeitalter (ciu. XVIII 20–25) deutlich zeigt. Spätestens im Blick auf das fünfte Weltzeitalter hat sich Augustin ganz von seinem in ciu. XVIII 1 gefassten Vorhaben gelöst, in gewisser Weise werden die beiden ciuitates nun wieder gemäß seines ursprünglichen Plans ‚nebeneinander herlaufend‘ wahrgenommen, wobei die ciuitas terrena allerdings im Wesentlichen dann in den Blick kommt, wenn es der Erhellung der Geschichte der ciuitas dei dient.621 Im Allgemeinen ist dem Urteil Carl Andresens zum ‚Nachtrag‘ der Profangeschichte in ciu. XVIII zuzustimmen, dass, da Augustin „das Alte Testament auch materiell zum Leitfaden der geschichtlichen Darstellung“ gemacht hatte, die „Geschehnisse des ‚Weltstaates‘ […] zwangsläufig in den Hintergrund“ rückten und „aus dem Gesichtskreis“ wanderten.622 616 Vgl.

ciu. XVIII 1, S.  593, Z.  20 f.; s. auch ciu. XVI 12, S.  515, Z.  1–4. ciu. XVIII 1, S.  593, Z.  20–24. 618 Vgl. ciu. XVII 23, S.   591, Z.  28 f. Demgegenüber stellt das letzte Kapitel von Buch XVII, ciu. XVII 24, das die letzten Propheten (vor Christus) aufzählt, einen zeitlichen Rückgriff dar. Tatsächlich wird der Verlauf der ciuitas dei im vierten und insbesondere im fünften Weltzeitalter in ciu. XVII stark verkürzt dargestellt. Dies scheint einer der Gründe gewesen zu sein, warum Augustin sich in ciu. XVIII diesem Zeitraum noch einmal ausführlicher zugewendet hat. 619 Vgl. ciu. XVIII 1, S.  593, Z.  2 6–29. 620  Der Amtswechsel von Saul zu David, der nach Augustin den Beginn des vierten Weltzeitalters markiert, wird in ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  8 –12 aufgegriffen. 621  Vgl. etwa das etwas isoliert stehende Kapitel zu den Christusweissagungen der ‚ery­ thräischen Sibylle‘ (ciu. XVIII 23), die Fragen zum Alter der heidnischen bzw. ägyptischen Weisheit im Vergleich zu demjenigen der heiligen Schriften (ciu. XVIII 37.39 f.) oder aber die Ausführungen zu Entstehung und Eigenart der Septuaginta (ciu. XVIII 42–44). Im sechsten Weltzeitalter tritt die ciuitas terrena im Wesentlichen als durch den Teufel gesteuert auf: als Agitator der Verfolgungen der christlichen Kirche sowie als Anstifter der haeretici und mali innerhalb der Kirche. 622  Andresen, Einführung 2, S. XXIII. Etwas schärfer fällt das Urteil Ernst Troeltschs aus, das die Abzweckung der entsprechenden, die Geschichte der ciuitas terrena behandelnden Passagen jedoch treffend charakterisiert: „Im übrigen handelt es sich nur um die Beibringung der magersten synchronistischen Parallelen aus der Weltgeschichte zur Heilsgeschichte, wodurch die Realität und Bezeugtheit der letzteren klar werden soll, und vor allem um die Erklärung des mit den weltlichen Staaten verbundenen Polytheismus aus einer Verbindung 617 Vgl.

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Gemäß der Fragestellung dieser Arbeit beschränkt sich die folgende Analyse von ciu. XVIII 1–20 auf diejenigen Äußerungen Augustins, die das Alte Testament betreffen. Seine Auseinandersetzung mit der paganen Geschichte und seine Rezeption entsprechender historiographischer Zeugnisse stellt dagegen eine eigene Aufgabe dar.623 Augustin beginnt seine recapitulatio über den Geschichtsverlauf der ciuitas terrena mit einer allgemeinen Charakterisierung dieser Bürgerschaft, aus der man gleichsam das ‚Geschichtsprinzip‘ der gesamten Profangeschichte ableiten kann.624 Auch wenn die Glieder der ciuitas terrena über die ganze Erde verteilt wohnen, so eint sie doch ihr Streben nach irdischem Besitz und ihr Bedachtsein auf den eigenen „Vorteil“ (utilitas). Diese „Begierden“ (cupiditates) können jedoch bei den allerwenigsten gestillt werden, sodass es notwendig zum Streit um die irdischen Güter kommt. Da diese Konflikte gewaltsam ausgetragen werden, etablieren sich in deren Folge Machtverhältnisse, wobei den Siegern neben dem Großteil der Besitztümer auch die Herrschaft über die Besiegten zukommt, die wiederum in Unfreiheit und allenfalls in sehr bescheidenem Wohlstand leben können.625 Den Umstand, dass alle Völker sich lieber der Fremdherrschaft unterstellen, anstatt sich im Krieg vernichten zu lassen, sieht Augustin als eine Art Naturgesetz an, wenn er darin nämlich die „Stimme der Natur“ (uox naturae) zu vernehmen meint.626 Geschichtstheologisch bedeutsam ist die Formulierung Augustins, dass es „nicht ohne die Vorsehung Gottes“ geschieht, „in dessen Macht es steht, dass einer im Krieg unterworfen wird oder unterwirft, dass die einen mit Herrschaft begabt, andere dagegen Herrschenden unterworfen wurden“.627 Obwohl die von euhemeristischer und dämonologischer Theorie, wie das die christlichen Apologeten seit langem getan hatten.“ All jene Angaben enthielten „weder das Schwergewicht des Interesses noch die Originalität Augustins“ (Troeltsch, Augustin, S.  18 f.). Ähnlich urteilt Theodor E. Mommsen: „Augustine regarded the purely secular aspects of the drama of mankind as relatively insignificant.“ (Mommsen, Idea, S.  370) 623  Vgl. dazu die Studien von Frick, Quellen; Marin, Agostino; die Bemerkungen Bardys und Thonnards in: BAug 36, S.  17–21.747–755 sowie die entsprechenden Passagen in: O’Daly, A reader’s guide, S.  183–188 und Piret, La destinée, S.  283–290. Es erscheint tatsächlich sinnvoll, die in den ersten Kapiteln von ciu. XVIII präsentierte nicht-biblische Geschichte, insbesondere die Mythenkritik Augustins, im Zusammenhang von ciu. II-VII zu untersuchen. 624  Diese Charakterisierung weist deutliche inhaltliche Parallelen zu der Kains, des Archetypen der ciuitas terrena, aber auch zu Augustins Darstellung des Konflikts zwischen Romulus und Remus auf (vgl. ciu. XV 4 f.; s. dazu Abschnitte 1.2.1 und 1.2.3). Insbesondere der Konflikt zwischen Romulus und Remus ist im Hinblick auf ciu. XVIII 2 von Interesse, da es sich hier nach Augustin um einen Streit zwischen zwei Bürgern der ciuitas terrena handelt. 625 Vgl. ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  1–10. 626 Vgl. ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  10–13. 627  „hinc factum est, ut non sine dei prouidentia, in cuius potestate est, ut quisque bello subiugetur aut subiuget, quidam essent regnis praediti, quidam regnantibus subditi.“ (ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  13–16) Dass in der prouidentia dei nicht nur der Ausgang von kriegerischen Auseinandersetzungen begründet liegt, sondern auch die Entscheidung darüber, wer

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Kriege also ihren Grund in fehlgeleiteten, nach irdischen Gütern (und nicht nach Gott) strebenden Menschen haben mögen, so scheinen diese Konflikte zumindest in ihrem Ausgang nicht einfach kontingent zu sein,628 sondern der prouidentia dei zu unterliegen, auch wenn die Gründe dafür, zu welchem Zweck ein bestimmtes Volk ein anderes besiegt, selbst dem glaubenden Menschen oft verborgen bleiben.629 Aus der Vielzahl der „Erdenreiche“ (regna terrarum) haben sich in der Sicht Augustins mit den Assyrern und den Römern zwei Reiche besonders hervorgetan, wobei sie jeweils unterschiedliche Erdteile beherrschten (diese das „Abendland“ [occidens], jene das „Morgenland“ [oriens]) und zeitlich aufeinanderfolgend auftraten. Ihnen gegenüber erscheinen alle anderen Erdenreiche lediglich als „Anhängsel“ (adpendices).630 Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung erscheint es nicht verwunderlich, wenn Augustin gerade diesen beiden Reichen seine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Christoph Horn versteht appendices im qualitativen Sinn (nicht etwa bezogen auf die Machtentfaltung und die Größe der Weltreiche) und sieht in dieser Beschreibung der weltlichen Mächte ein Indiz dafür, dass die ciuitas terrena einen „steigerungsfähigen Begriff“ darstellt. So präsentiere Augustin zunächst das Assyrerreich mit Babylon, sodann das Römische Reich mit seiner Hauptstadt Rom als „Inbegriffe der civitas diaboli“, wohingegen dies für die anderen irdiin den Reichen der Welt herrscht, bekräftigte Augustin bereits in ciu. V 21. Hier wird auch deutlich, dass sich diese Entscheidungen nicht notwendigerweise an moralischen Maßstäben orientieren, werden doch gütige wie grausame Herrscher eingesetzt (vgl. ciu. V 21, S.  157, Z.  1–5). Christoph Horn sieht in Letzterem einen Beleg für die Relativierung des innerweltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhangs durch Augustin gegeben (vgl. Horn, Geschichtsdarstellung, S.  188). 628  Nach der Äußerung Augustins in ciu. VII 30, S.  211, Z.  11–14, bestimmt Gott jedoch nicht nur den Ausgang, sondern auch den Verlauf und sogar den Beginn aller Kriege: „[deus] qui bellorum quoque ipsorum, cum sic emendandum et castigandum est genus humanum, exordiis progressibus finibusque moderatur“. 629  Einen heilsgeschichtlichen Zweck eines bestimmten Ausgangs von Kriegen kann Augustin sowohl auf der historischen als auch auf der figürlichen Ebene erkennen. Ein Beispiel für Ersteres stellt das Erstarken des Imperium Romanum dar, da dieses ganz konkret der Ausbreitung des Evangeliums dienen sollte; vgl. dazu Abschnitte 4.5.1 und 4.5.3. Auf der anderen Seite begegnet immer wieder die Vorstellung, dass mit den Siegen und Niederlagen etwas prophetisch vorweggenommen werden soll. So weisen etwa alle Siege von König David auf die Siege hin, die Christus (und mit ihm die Kirche) gegen den Satan erringen wird (vgl. mit Bezug auf en. Ps. 131,3, S.  1912, Z.  12–22: Dulaey, L’histoire [III], S.  200). Ganz allgemein kann Augustin schließlich davon ausgehen, dass der Sinn von Kriegen im „Verbessern“ (emendare) und „Züchtigen“ (castigare) des Menschengeschlechts liegt (vgl. ciu. VII 30, S.  211, Z.  11–14). 630 Vgl. ciu. XVIII 2, S.   593, Z.  16–25. Vgl. dazu die Bemerkungen François-Joseph Thonnards, der es als eine spezifische „hypothèse historique“ Augustins bezeichnet, dass es in der Weltgeschichte durchgängig die Vorherrschaft einer Macht gegeben hat, die als Stadt der Verwirrung (man denke an die Etymologie zu Babylon [s. Abschnitt 2.2.3]) gleichsam die ciuitas terrena par excellence repräsentiert: zunächst Babylon, sodann Rom (vgl. Thon­ nard, Le symbolisme, S.  746).

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schen Gemeinschaften – uelut appendices – nur in abgeschwächter Weise gilt.631 Stützen lässt sich diese Auffassung über einen ‚steigerungsfähigen‘ ciuitas terrena-Begriff tatsächlich mit den Äußerungen in ciu. XVI 17, wonach in drei Reichen (Sikyonier, Ägypter, Assyrer) die „Herrschaft der abtrünnigen Engel“ (dominatus angelorum desertorum) außerordentlich hervorgetreten sei, und dass unter diesen dreien im Reich der Assyrer die „Herrschaft der gottlosen Bürgerschaft“ (dominatus impiae ciuitatis) am stärksten geworden ist.632 Die im dritten Weltzeitalter verlaufende Geschichte der ciuitas terrena in ciu. XVIII 1–20, die sich im Wesentlichen als eine Geschichte von „Erdenreichen“ und deren jeweiligen politischen Führern darstellt, ordnet Augustin synchronistisch entlang der alttestamentlichen Erzählungen von der Zeit der Erzeltern bis hin zur Richterzeit an. In den meisten Fällen werden allerdings aus dem zeitlichen Zusammenfallen von Ereignissen, Lebensdaten oder Regierungszeiten der jeweiligen Repräsentanten der ciuitas dei bzw. ciuitas terrena von Augustin keine geschichtstheologischen Schlüsse gezogen. Die Geschichte der beiden ciuitates scheint in ciu. XVIII 1–20 fast ohne gemeinsame Berührungspunkte abzulaufen.633 Allerdings finden sich in der Beurteilung paganer Mythen, von denen Augustin einige vorträgt und die er kritisch einzuordnen versucht, Maßstäbe alttestamentlicher Theologie wieder, insbesondere die Verteidigung des Monotheismus gegen die Vielgötterei der Heiden.634 3.5.2 Erneute und vertiefende Aufnahme alttestamentlicher Erzählungen Während es Augustin zumeist bei der Benennung eines einzelnen Ereignisses der alttestamentlichen Geschichten belässt, um sodann die zu dieser Zeit in den Erdenreichen Herrschenden sowie weitere Ereignisse innerhalb der ciuitas terre631 Vgl.

Horn, Geschichtsdarstellung, S.  174. ciu. XVI 17, S.  521, Z.  1–4; S.  522, Z.  25 f. 633  Diese Beobachtung führte u. a. zur Kritik an der Grundthese eines Kampfes zwischen Glauben und Unglauben in der Weltgeschichte, wie sie Heinrich Scholz vorgetragen hat (s. Einleitung, Abschnitt 2.1). So formuliert etwa Dolf Sternberger: „Die weltliche Weltgeschichte läuft neben der Heils- oder Prophetengeschichte gerade eben her, ohne daß ein Konflikt oder nur eine Berührung stattfände.“ (Sternberger, Wurzeln, S.  335; s. dazu auch Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  371) Ausnahmen stellen hierbei einige wenige Koinzidenzen wichtiger Ereignisse in der Geschichte beider ciuitates dar, so etwa das Zusammenfallen der Geburt Abrahams mit dem Zeitraum, da Assyrien unter der Herrschaft des Ninus zu einer besonderen Machtfülle gekommen war (die Geburt Abrahams koinzidiert allerdings nicht mit dem „Beginn des Assyrerreiches“ [gegen Horn, Geschichtsdarstellung, S.  174]; vgl. dazu Abschnitt 3.2.1). 634  Vgl. etwa die abschließende Beurteilung Augustins in ciu. XVIII 18, S.  610, Z.  8 8–92. Georges Simard nimmt an, dass Augustin seine Darstellung der Geschichte der ciuitas terrena mit derselben Abzweckung verfasst hat, die er selbst in den biblischen Berichten über die nicht zur ciuitas dei Gehörenden zu erkennen meinte: Durch das Aufzeigen ihres Gegenteils soll die ciuitas dei noch deutlicher profiliert werden (vgl. Simard, Les quatres livres, S.  65, mit Bezug auf ciu. XVI 2, S.  500, Z.  85 – S.  501, Z.  92). 632 Vgl.

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na zu nennen, nimmt er in ciu. XVIII 1–20 an einigen Stellen die alttestamentlichen Erzählungen (und somit die eigentlich bereits behandelte Geschichte der ciuitas dei) erneut vertiefend auf. Führt man sich die schon erwähnte enorme Raffung des auf die Patriarchenzeit folgenden restlichen Teils des dritten Weltzeitalters in ciu. XVI vor Augen,635 so legt sich der Schluss nahe, dass Augustin mit diesen vertiefenden Exkursen einiges zuvor Ausgelassenes und ihm für die Geschichte der ciuitates relevant Erscheinendes nachtragen wollte. Der erste dieser Nachträge betrifft die Josephsnovelle (Gen 37–50), die in ciu. XVI größtenteils ausgelassen wurde. Hier lag der Fokus deutlich auf Jakob: An dessen Umbenennung in Israel (ciu. XVI 39) schließen sich im folgenden Kapitel Überlegungen über die Anzahl derer an, die Jakob bei seiner Reise nach Ägypten begleiteten. Diese Reise setzt jedoch die Erzählungen um Joseph in Gen 37–45 voraus, die Augustin in ciu. XVIII 4 in knapper Form resümiert. Ihm liegt dabei kaum an einer originellen Deutung der Ereignisse, als vielmehr an einer stimmigen Chronologie. Genauer ging es ihm um die Frage, wie alt Joseph zum Zeitpunkt der Reise seines Vaters Jakob nach Ägypten war,636 wodurch wiederum ein zeitlicher Anschluss an ciu. XVI 40 gegeben ist. Darüber hinaus sah sich Augustin in ciu. XVIII 4 erneut zu einer Verteidigung der moralischen Integrität eines Patriarchen genötigt, wie seine Bewertung des Vorfalls zwischen Joseph und der Ehefrau Potiphars (vgl. Gen 39,7–20) zeigt.637 Eine kurze Vertiefung des alttestamentlichen Stoffes bezieht sich auf den an Juda gerichteten Segen Jakobs (vgl. Gen 49,8–12), den Augustin bereits ausführlich in ciu. XVI 41 behandelt hatte und den er nun erneut als eine Vorhersage Christi anführt.638 Die in ciu. XVIII 7 begegnende Beschreibung der Existenz des „Volkes Gottes“ (populus dei) in Ägypten unterscheidet sich in wenigen Punkten von derjenigen in ciu. XVI 43: Abgesehen von der abweichenden Jahreszahl,639 wird hier die Mehrung des Volkes nicht nur als übermäßig beschrie635 

S. Abschnitt 3.4. war wohl deswegen von Interesse, da Augustin seine Chronologie entlang den Lebensdaten der Patriarchen konstruiert. Und so musste er, weil eine Angabe des Alters Jakobs zum Zeitpunkt der Geburt Josephs in Gen 30,23 f. und 35,24 fehlt, die Lebensalter beider Patriarchen in ein Verhältnis setzen. Seinen Berechnungen zufolge war Joseph zum Zeitpunkt der Einreise seines 130-jährigen Vaters Jakob 39 Jahre alt (vgl. ciu. XVIII 4, S.  596, Z.  21 – S.  597, Z.  26). 637 Vgl. ciu. XVIII 4, S.  596, Z.  18–21. Die Auffassung, dass es sich bei Joseph um eine Präfiguration Christi handele, wie es bereits christliche Autoren vor Augustin und auch er selbst in qu. 1,167, S.  65, Z.  226–230 angenommen hatten, begegnet in ciu. nicht (s. dazu Pilhofer, Art. Joseph I D, Sp.  731). 638 Vgl. ciu. XVIII 6, S.  598, Z.  6 –11. 639  Hatte Augustin in ciu. XVI 43, S.  548, Z.  1 f. noch von 144 Jahren gesprochen, die vom Tod Josephs bis zum Exodus verstrichen waren, nennt er in ciu. XVIII 7, S.  598, Z.  5 eine Spanne von 145 Jahren. Carl Andresen beurteilt Letzteres im Hinblick auf die Augustins Datierungen zugrunde liegende Quelle (vgl. Hieronymus, Chron., S.  36a, Z.  15–17) als Schreibfehler Augustins (vgl. BAW [ciu.] 2, S.  949). 636  Dies

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ben, sondern auch auf die von Gott verliehene Fruchtbarkeit zurückgeführt.640 Weiter wird die von „mühseligen Arbeiten“ (labores) und von „unerträglicher Sklaverei“ (seruitus intolerabilis) gekennzeichnete Gesamtsituation der Israeliten in Ägypten (und nicht etwa nur die angeordnete Tötung aller männlichen Säuglinge wie in ciu. XVI 43) darauf zurückgeführt, dass das ungewöhnliche Anwachsen des Volkes Israel Neid und Argwohn bei den Ägyptern hervorrief – freilich ohne, dass die veranlassten Maßnahmen am gottgegebenen Wachstum etwas hätten ändern können.641 Eine interessante, über ciu. XVI 43 hinausgehende theologische Deutung der Knechtschaft Israels in Ägypten bietet ciu. XVIII 8: Diese habe nämlich dem Zweck gedient, im Volk Gottes „das Verlangen nach der Hilfe seines Schöpfers“ zu erwecken. Man kann darin ein weiteres Beispiel für den von Augustin (gerade im Hinblick auf die ciuitas terrena) des Öfteren angewandten geschichtstheologischen Topos erkennen, dass sich Gott des Bösen bedient, um Gutes zu wirken: So dienen die aus Neid und Sorge um den eigenen Machterhalt (vgl. Ex 1,8–10) getroffenen politischen Maßnahmen der ägyptischen Administration dem heilspädagogischen Handeln Gottes an seinem Volk. Erneut aufgegriffen wird die Exoduserzählung in ciu. XVIII 11, wobei insbesondere der Empfang des von Gott gegebenen „Gesetzes“ (lex) durch Mose auf dem Berg Sinai thematisiert wird.642 Zunächst einmal sind unter dieser auf dem Sinai gegebenen lex die Zehn Gebote zu verstehen, die dem Alten Testament zufolge (vgl. Ex 24,12; 31,18; Dtn 9,10) mit dem Finger Gottes auf zwei steinerne Tafeln geschrieben worden waren.643 Augustin setzt in ciu. XVIII 11 aber einen weiteren Begriff dieses „Gesetzes“ voraus, wenn er lex synonym mit uetus testamentum gebraucht und zudem von den „Verheißungen“ (promissiones) 640 Vgl.

ciu. XVIII 7, S.  598, Z.  8 f. ciu. XVIII 7, S.  598, Z.  6 –10. Diese Ansicht lässt sich biblisch begründen (vgl. Ex 1,8–10): Unter der Regentschaft eines neuen Königs in Ägypten, der Joseph (und dessen die Bevölkerung Ägyptens rettendes Handeln während der Jahre des Mangels) nicht mehr kannte (auch Augustin erwähnt das Nicht-Kennen Josephs als den Zeitpunkt, ab dem die Unterdrückungen Israels beginnen; vgl. ciu. XVIII 7, S.  598, Z.  3 –6), wurde die Unterdrückung des Volkes Israel angeordnet, um dessen Wachstum einzudämmen. 642  Martine Dulaey betont im Hinblick auf c. Faust. 16,24, S.  4 69, Z.  2 –5, aber durchaus auch zutreffend auf ciu. XVIII 11, S.  601, Z.  4 –8, dass Augustin bewusst nicht vom „Gesetz des Mose“ spricht, sondern stattdessen die Formulierung lex per Moysen data präferiert, um zu unterstreichen, dass es eben das Gesetz Gottes ist und Mose lediglich als Mittler fungiert. In ähnlicher Weise fasst Dulaey dann auch die Formulierung in ciu. XVIII 8 auf, wonach „Gott durch Mose sein Volk aus Ägypten führte“ („deus per Moysen eduxit ex Aegypto populum suum“). Subjekt des Exodusgeschehens ist damit Gott selbst (vgl. Dulaey, La geste, S.  227). Dies wird man allerdings nicht überbewerten dürfen, ist doch wenige Kapitel später davon die Rede, dass „Mose das Volk Gottes aus Ägypten führte“ („eduxit ergo Moyses ex Aegypto populum dei“ [ciu. XVIII 11, S.  601, Z.  1]). 643  Vgl. dazu auch qu. 2,70, S.  101, Z.  113 – S.  102, Z.  136 in Verbindung mit qu. 2,71,1–6, wo einzelne Gebote des Dekalogs behandelt werden; s. dazu auch die Bemerkung von Walter Groß in: AugO 57/1, S.  383, Anm.  124. 641 Vgl.

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spricht, die es enthält.644 Allerdings ist wohl nicht an die entsprechenden Textcorpora des Alten und Neuen Testaments gedacht, weshalb man unter uetus testamentum bzw. nouum testamentum hier den „Alten Bund“ bzw. den „Neuen Bund“ zu verstehen hat. Somit wäre nicht nur dem logischen Problem begegnet, dass Gott Mose andernfalls am Sinai das gesamte Alte Testament übergeben haben müsste, wovon Augustin nicht ausgegangen sein wird.645 Auch dessen Aussage, dass das uetus testamentum lediglich „irdische Verheißungen“ (promissiones terrenae) beinhaltet, während das durch Christus gestiftete nouum testamentum das „Reich der Himmel“ (regnum caelorum) verheißt, fügt sich nur dann in einen sinnvollen Zusammenhang mit anderen Äußerungen Augustins, wenn man testamentum mit „Bund“ übersetzt. Legt er doch in seinen Auseinandersetzungen mit den Manichäern, aber gerade auch in ciu. XV-XVIII allergrößten Wert darauf, dass die alttestamentlichen Schriften nicht nur irdische Verheißungen, sondern insbesondere auch solche Verheißungen enthalten, die im Hinblick auf Christus, die Kirche und das erwartete Eschaton von Bedeutung sind.646 Das Verhältnis beider Bundesschlüsse zueinander erklärt Augustin unter Heranziehung zweier Zitate des Apostels Paulus im Sinne eines notwendigen Durchschreitens des Alten Bundes, um zum Neuen zu gelangen: „Als Erstes ist nicht, was geistlich ist, sondern was seelisch ist, danach erst das, was geistlich ist.“647 (1Kor 15,46) / „Der erste Mensch ist von der Erde, (er ist) irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel.“648 (1Kor 15,47) Entsprechendes gilt Augustin zufolge auch für den einzelnen Menschen, der „zu Gott fortschreiten“ (proficere in deum) will.649 Besonders hebt Augustin hervor, dass Mose vor seinem Tod 644 Vgl.

ciu. XVIII 11, S.  601, Z.  4 –8. wird die Verhältnisbestimmung beider Bundesschlüsse auch durch die Interpretation Augustins, wonach das Zerbrechen der ursprünglichen Steintafeln durch Mose, als dieser der Sünde seines Volkes angesichtig wurde (Ex 32,19), ein prophetischer Hinweis auf die Ablösung des Alten durch den Neuen Bund sei (vgl. qu. 2,144, S.  136, Z.  281–289). 646  Gerade die jüngere Forschung hat jedoch zeigen können, dass – entgegen vieler häresiologischer Darstellungen durch christliche Autoren – die Manichäer das Alte Testament keineswegs rundweg ablehnten. Im Gegenteil gab es auch bei ihnen eine (freilich recht eigenwillige) Rezeption des Alten Testaments, die auch allegorische Auslegungen implizierte (vgl. Drecoll, Testament, S.  101, u. a. mit Verweis auf BeDuhn, Dilemma, S.  177–186). 647 „non sit prius quod spiritale est; sed quod animale, postea spiritale“ (1Kor 15,46 nach ciu. XVIII 11, S.  602, Z.  10 f.). 648 „primus homo de terra, terrenus; secundus homo de caelo.“ (1Kor 15,47 nach ciu. XVIII 11, S.  602, Z.  10 f.) 649 Vgl. ciu. XVIII 11, S.  6 01, Z.  8 f. Dazu passt auch die Beobachtung von Walter Groß, der im Hinblick auf die qu. feststellt, dass Augustin den Dekalog als für die Christen verbindlich ansah – mit Ausnahme des Sabbatgebotes, das lediglich bildlich zu verstehen sei. Alle anderen alttestamentlichen Vorschriften müssten bei der Frage nach ihrer Verbindlichkeit für Christen jedoch dahingehend geprüft werden, ob sie zu einer vernünftigen Lebensführung und zur Bewahrung der guten Sitten beitragen; viele von ihnen betrachtet Augustin als „Ge645 Anschaulich

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von Christus geweissagt habe durch Zelt, Priestertum, Opfer und viele weitere „geheimnisvolle“ (mysticus) Vorschriften als „Sinnbilder äußerer Gebräuche“ ( figurae obseruationum carnalium).650 Was sie allerdings versinnbildlichen, führt Augustin an dieser Stelle nicht aus.651 Schließlich gibt noch eine Bemerkung Augustins Aufschluss über dessen Bewertung der kriegerischen Agitationen des Volkes Israel im Zuge der sogenannten Landnahme. Hatte er diese bereits in ciu. XVI 43 durch vorausgegangene Sünden der Völker, die von Israel bekriegt wurden, zu legitimieren unternommen,652 bemerkt er in ciu. XVIII 11 schlicht, dass diese Eroberungskriege auf den Befehl Gottes an Josua zurückgingen.653 Augustin, der als prominenter Vertreter der ‚Lehre vom gerechten Krieg‘ gilt, ja der Integration dieser Lehre in das Christentum den Weg bereitet hat,654 konnte offensichtlich Kriege auch dann als gerechtfertigt ansehen, wenn sie nicht den Kriterien des bellum iustum entsprachen, aber auf den Befehl Gottes hin geschahen.655 heimnisse“ (sacramenta) mit bloß symbolischer Bedeutung für die Christen (vgl. qu. 2,95, S.  117, Z.  640–650). Fraglich scheint jedoch, dass Augustin bei seiner Beurteilung, ob alttestamentliche Vorschriften auch im Wortsinn für Christen verbindlich sein können, tatsächlich außerbiblische Maßstäbe anlegt, wovon Walter Groß ausgeht: „De facto geht es um die Vereinbarkeit mit dem, was Augustinus in seinem römischen Kulturkreis vertraut ist. Unter diesem Kriterium beurteilt er sogar den Dekalog, wie seine Behauptung, das Sabbatgebot verpflichte nur im übertragenen Sinn, deutlich zeigt.“ (vgl. Gross, Quaestiones Exodi, S. [274–277] 277) Liegt es doch näher, dass Augustin die in den neutestamentlichen Schriften zu findenden gesetzeskritischen Aussagen bzw. der Gedanke, dass Christus die Glaubenden von der Knechtschaft des Gesetzes befreit habe zu einem Glauben, der in der Liebe wirksam ist (vgl. Gal 5,1–6; Röm 10,4; Kol 2,16 f.), zum Maßstab seiner Beurteilung der Verbindlichkeit alttestamentlicher Satzungen wurden. Das gilt nicht zuletzt auch für Augustins Ablehung der wörtlichen Befolgung des Sabbatgebotes (vgl. Margoni-Kögler, Art. Sabbatum, Sp.1239). 650 Vgl. ciu. XVIII 11, S.  6 02, Z.  13–17. 651  Dass das Opfer (zumindest das Passahlamm) das Opfer Christi versinnbildlicht, hatte Augustin bereits in ciu. XVI 43, S.  549, Z.  32–35 ausgeführt, auch über die Bedeutung der weiteren im Stiftszelt („Zelt des Zeugnisses“ / tabernaculum) dargebrachten Opfer äußert er sich hier. Die symbolische Bedeutung des (Hohe-)Priesteramtes als Vorverweis auf das ewige (Hohe-)Priestertum Christi wurde besonders aus Augustins Ausführungen in ciu. XVII 4–6 erhellt. 652 Vgl. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  42–46; vgl. dazu Abschnitt 3.4.2 mit Bezug auf Gen 15,16 und Jos 11,20. 653 Vgl. ciu. XVIII 11, S.  6 02, Z.  17–19. 654  Vgl. einführend Berrouard, Art. Bellum; Fuhrer, Krieg. 655  Sehr erhellend ist zu dieser Thematik der Exkurs von Walter Groß: „Der gerechte Krieg, Gottes Gerechtigkeit und die Ausrottungskriege Israels“. Im Hinblick auf qu. 6,10, S.  319, Z.  259–264 kommt er zu folgendem Urteil: „Augustinus versucht hier und mehrfach nicht, die Gerechtigkeit des göttlichen Kriegsbefehls plausibel zu machen, sondern er verwehrt eine Argumentation, indem er […] die Gerechtigkeit Gottes als eine Art theologisches Totschlagsargument einsetzt: Gott ist in jeder Beziehung gerecht; dieser Kriegsbefehl stammt von Gott; also ist der Befehl gerecht. […] Augustinus folgert daraus, daß Israel, wenn es diesem Befehl Folge leistet, seinerseits gerecht handelt und keine Verantwortung für die unvermeidlichen Kriegsgreuel trägt. Nach dieser totalitären – unter den damaligen Voraussetzungen des Menschen- und Gottesbildes wohl unvermeidbaren – Argumentation enthebt der

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Die theologische Beurteilung der für das Volk Israel wechselvollen Richterzeit in ciu. XVIII 13 unterscheidet sich wenig von derjenigen in ciu. XVI 43. Auch hier sind es die Sünden des Volkes Israel und das Erbarmen Gottes, die das entsprechende negative bzw. positive Ergehen des Volkes hervorrufen: War dies in ciu. XVI 43 jedoch eingegrenzt auf das Unglück bzw. Glück in den Kriegen, so wird in ciu. XVIII 13 mit dem Gegensatz von „Erniedrigungen der Nöte“ (humilitates laborum) bzw. „Wohlergehen der Tröstungen“ (prosperitates consolationum) der Horizont auf das Ergehen des Volkes Israel im Allgemeinen erweitert.656 Eine kurze Äußerung findet sich in ciu. XVIII 15 zur Richterin Debora, nämlich dass durch sie als Prophetin Gottes Geist gewirkt habe (vgl. Ri 4,4).657 Gerade dies macht sie für Augustin interessant, wobei er jedoch zu bedenken gibt, dass ihre „Weissagung“ (gedacht ist hier wohl an das Deboralied in Ri 5) „weniger deutlich ist, sodass wir deren Beziehung auf Christus nicht ohne langandauernde Auslegung aufzeigen könnten“.658 Hinter dieser Bemerkung lässt sich nicht nur eine gewisse Distanzierung Augustins gegenüber dem theologisch wie auch moralisch nicht unproblematischen Text in Ri 5 vermuten, sondern es wird auch einmal mehr dessen inhaltliche Fokussierung auf diejenigen alttestamentlichen Prophetien deutlich, die sich für eine christologische Auslegung besonders eignen. Die knappe Rekapitulation der Geschichte Israels vom Ende der Richterzeit über die vierzigjährige Königsherrschaft Sauls sowie dessen Verwerfung und Ablösung durch David in ciu. XVIII 20 659 geht insofern über den biblischen Bericht hinaus, als Augustin zwei Koinzidenzen660 zur Weltgeschichte herstellt, die beide den durch Hieronymus übersetzten und überarbeiteten Chroniken des Eusebius (i.F.: Chron.) entlehnt sind. So haben sich zu der gleichen Zeit, Gehorsam gegen Gott den Gehorchenden jeder Verantwortung, ja sogar des Rechts, den Befehl Gottes seinerseits ethisch zu beurteilen.“ (Gross, Quaestiones Iesu Nave, S.  384; vgl. a. a. O., S.  383–389; s. zum Topos des ,Heiligen Krieges‘ bei Augustin auch Abschnitt 3.4.2). 656 Vgl. ciu. XVIII 13, S.  6 04, Z.  1–4 bzw. ciu. XVI 43, S.  549, Z.  55–57; s. dazu bereits Abschnitt 3.4.2. 657  Agnethe Siquans verdeutlicht mit Bezug auf die Erwähnung Deboras in ciu. XVIII 15, dass das Geschlecht der Propheten keinen Einfluss auf deren Bewertung durch altkirchliche Ausleger wie etwa Augustin hat: „Die Worte der Prophetinnen werden […] in gleicher Weise verstanden wie die Worte ihrer männlichen Kollegen. Ihre Inspiration und ihre Autorität unterscheiden sich nicht von der der Propheten.“ (Siquans, Bibelauslegung, S.  112) 658  „iudicante apud Hebraeos femina Debbora; sed per illam dei spiritus id agebat; nam etiam prophetissa erat, cuius prophetia minus aperta est, quam ut possimus eam sine diuturna expositione de Christo demonstrare prolatam.“ (ciu. XVIII 15, S.  606, Z.  4 –7) Abgesehen von einigen Ausführungen in qu. 7,29–30, die allerdings einen Bezug zu Christus vermissen lassen, gibt es keine ausführliche Auseinandersetzung Augustins mit dem Deboralied. 659 Vgl. ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  1–11. 660  Die jeweils eingangs verwendeten Konnektoren „von jener Zeit an“ (ab illo tempore) bzw. „damals“ (tunc) (ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  3.11) müssen aber nicht in einem solchen strengen Sinne verstanden werden, als dass die geschilderten Ereignisse nach Augustin exakt auf den gleichen Zeitpunkt gefallen wären.

3  Das dritte Weltzeitalter: Von Abraham bis David

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da Saul König wurde, die Nachfolger des Latinerkönigs Silvius (des Sohns des Aeneas) den Beinamen „Silvius“ gegeben.661 Ferner habe man – zur Zeit des Amtswechsels von Saul zu David – nach dem Tod des Kodros, des letzten Königs von Attika, damit begonnen, „Magistrate“ (magistratus) zur Verwaltung Athens zu wählen.662 Allerdings zieht Augustin aus diesen beiden Koinzidenzen keine weiteren geschichtstheologischen Schlüsse.

661 Vgl. ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  3 –7; vgl. Hieronymus, Chron., S.  6 4b, Z.  5 –12 (vgl. dazu Junk, Art. Silvius). 662 Vgl. ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  11–13; vgl. Hieronymus, Chron., S.  6 8a, Z.  1–4 (vgl. dazu Scherling, Art. Kodros 1).

4  Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft 4.1 Prophetie im Übergang vom dritten zum vierten Weltzeitalter 4.1.1 Das vierte Weltzeitalter und das „Zeitalter der Propheten“ Nachdem bereits in vorherigen Zeitaltern mit Gestalten wie Noah, Abraham oder Mose biblische Personen aufgetreten sind, die als Propheten galten,1 beginnt für Augustin mit der Königszeit die „Zeit der Propheten“ (tempus prophetarum) im eigentlichen Sinne: Deshalb ist diese Zeit, seit der heilige Samuel zu weissagen begonnen hat, bis dahin, dass das Volk Israel in die Gefangenschaft in Babylonien abgeführt wurde, und noch weiter, bis das Haus Gottes von den Israeliten, die gemäß der Weissagung des heiligen Jeremia nach siebzig Jahren zurückgekehrt sind [vgl. Jer 25,11], wieder aufgebaut wurde, diese ganze Zeit ist die der Propheten [tempus prophetarum].2 1 

Schon innerbiblisch konnten diese Personen als Propheten bezeichnet werden; vgl. etwa in Bezug auf Abraham Gen 20,7 oder in Bezug auf Mose Dtn 34,10. 2  „hoc itaque tempus, ex quo sanctus Samuel prophetare coepit, et deinceps, donec populus Israel captiuus in Babyloniam duceretur atque inde secundum sancti Hieremiae prophetiam post septuaginta annos reuersis Israelitis dei domus instauraretur, totum tempus est prophetarum.“ (ciu. XVII 1, S.  551, Z.  8 –12) Gerard J. P. O’Daly geht davon aus, dass Augustin ab ciu. XVII das Schema der sechs Weltzeitalter verlassen habe und durch die Einführung des tempus prophetarum ein neues chronologisches Schema eingeführt würde (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  180). Diese These lässt sich allerdings nicht halten, da Augustin auch nach ciu. XVII 1 von den sechs aetates spricht (vgl. u. a. ciu. XXI 16, S.  782, Z.  1–11; XXII 30, S.  865, Z.  127–133) und sich auch die heilsgeschichtliche Dynamik der einzelnen Weltzeitalter in der Darstellung Augustins durchhält. Das tempus prophetarum wird vielmehr als eine asynchron zu den aetates verlaufende Epoche in die Geschichtsdarstellung Augustins eingeführt. Anne-Marie la Bonnardière interpretiert den Satz in ciu. XVII 1 hingegen so, dass Augustin mit tempus prophetarum weniger eine Epoche im chronologischen Sinn habe angeben, als vielmehr damit auf die Einheit der Geschichtsbücher hinweisen wollen, die die vier libri Regnorum (d. h. 1/2Sam, 1/2Kön), das Paralipomenon (1/2Chr) und die Esrabücher bilden (vgl. Bonnardière, Les livres, S.  335.338). Sie kann zeigen, dass sich Augustin nicht an der traditionell-jüdischen Gruppierung der ‚vorderen Propheten‘ ( Jos, Ri, 1/2Sam, 1/2Kön) orientiert (vgl. dies., Le canon, S.  299). Dagegen verstehen Pierre Piret oder auch Gregory W. Lee im Anschluss an ciu. XVII 2 das tempus prophetarum als eine Einheit, die sich von der vorigen Geschichtsdarstellung in ciu. v. a. geschichtstheologisch unterscheidet. Während es im dritten Weltzeitalter bis zum Beginn des vierten um die Verheißung an den ‚fleischlichen‘ Samen Abrahams geht (vgl. Gen 12,1 f.), die sich in David und Salomo im Wesentlichen erfüllt hat, liege im tempus prophetarum der Fokus auf der Verheißung an den ‚geistlichen‘ Samen Abrahams (vgl. Gen 12,3). Lee schreibt:

4  Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft

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Doch sind das vierte Weltzeitalter und die Zeit der Propheten nicht ganz deckungsgleich, was sowohl auf ihren jeweiligen Anfang als auch auf ihr jeweiliges Ende zutrifft. Während das tempus prophetarum mit den Weissagungen Samuels, der bereits dem ersten König Saul weissagte, seinen Anfang nimmt, beginnt das vierte Weltzeitalter erst etwas später mit der Regentschaft Davids – hält sich doch Augustin bei seiner Einteilung des dritten, vierten und fünften Weltzeitalters an Mt 1,17, wo zu lesen steht: „Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft sind [es] vierzehn Geschlechter.“3 Mit Sauls Amtsantritt endet zwar die „Zeit der Richter“ (tempus iudicum), die eigentliche Königszeit beginnt nach Augustin aber nicht mit Saul, obwohl er der erste König über Israel war und nach biblischem Bericht immerhin 40 Jahre regierte.4 Mt 1,17 entsprechend, endet das vierte Weltzeitalter mit der Babylonischen Gefangenschaft, während die „Zeit der Propheten“ streng genommen noch über die Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft hinaus- und weit in das fünfte Weltzeitalter hineinreicht. Nach Augustin sind nämlich nicht nur diejenigen Propheten, deren Schriften in den Kanon der Hebräischen Bibel oder auch der Septuaginta aufgenommen wurden, vielmehr sieht er nach dem Wirken von Maleachi, Haggai, Sacharja und Esra kurz vor der Geburt Christi wieder Prophetengestalten auftreten. Diesen ‚letzten Propheten‘, d. h. den Eltern Johannes’ des Täufers, Zacharias und Elisabeth, aber auch Simeon und Hanna (vgl. Lk 2,22–38) und schließlich Johannes dem Täufer selbst, widmet er das letzte Kapitel von ciu. XVII. So umfasst ciu. XVII zwar den Verlauf der ciuitas dei im vierten Weltzeitalter, eigentlich wird aber der Bogen von Samuel (ciu. XVII 1), dem ersten Propheten im eigentlichen Sinne, bis hin zu den letzten Propheten unmittelbar vor dem Erscheinen Jesu Christi gespannt (ciu. XVII 24).5 Pragmatisch terminiert Augustin jedoch das Ende des tempus prophetarum auf die Zeit des Wiederauf baus des Jerusalemer Tempels, der wiederum in das fünfte Weltzeitalter fällt.6 Eine chronologische Schwierigkeit ergibt sich bei der Abgrenzung des vierten vom fünften Weltzeitalter insofern, als es sich bei der „Babylonischen Deportation“ nach Mt 1,17 um einen Zeitpunkt, nämlich den Beginn der Babylo„The prophetic era, beginning with Samuel, marks a major turning point in the Old Testament history, sharpening the contrast between earthly Israel and Abraham’s spiritual descendants.“ (Lee, Israel, S.  535; vgl. Piret, La destinée, S.  301 f.) 3  καὶ ἀπὸ Δαυὶδ ἕως τῆς μετοικεσίας Βαβυλῶνος γενεαὶ δεκατέσσαρες. 4 Vgl. ciu. XVIII 20, S.  611, Z.  1–3.8–11. 5  Diese Einordnung Johannes’ des Täufers liegt ganz auf der Linie von Lk 16,16 u. Mt 11,12 f. An anderer Stelle kann Augustin Johannes als zwischen beiden Testamenten stehend begreifen: „uidetur ergo Ioannes interiectus quidam limes testamentorum duorum, ueteris et noui.“ (s. 293,2, Sp.  1328, Z.  19–21) Eigentlich gehört Johannes gegenüber Christus noch einer vergangenen Epoche an, dennoch steht er dessen Botschaft am nächsten und erfährt als letzter der vor Christus gesandten Propheten eine besondere Würdigung durch Augustin (vgl. Io. eu. tr. 4,1, S.  31, Z.  1–9; s. dazu Klöckener, Art. Iohannes, Sp.  688 f.). 6 Vgl. ciu. XVII 1, S.  551, Z.  8 –12; s. dazu Piret, La destinée, S.  2 65.

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

nischen Gefangenschaft handelt. Folgt man der Darstellung des Stammbaums in Mt 1,11 f., so zeugte König Josia Jojachin und seine Brüder in der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft, während dieser Jojachin seinen Sohn Schealtiël „nach der Babylonischen Deportation“ (μετὰ […] τὴν μετοικεσίαν Βαβυλῶνος) zeugte.7 Bei seiner Integration der Chronologie des Stammbaums Jesu nach Mt 1,17 in sein Schema der Weltzeitalter begreift Augustin die Babylonische Gefangenschaft allerdings als Zeitraum, sodass de facto das Ende (und nicht der Anfang) dieser Gefangenschaft den Wendepunkt vom vierten zum fünften Weltzeitalter bildet. Führt man sich nämlich die innere Dynamik der bisherigen Weltzeitalter vor Augen,8 so wird man die Babylonische Gefangenschaft als die auf die Sündigkeit des Volkes Israel folgende gottgewirkte Krise ansehen müssen, die den Endpunkt des vierten Zeitalters darstellt. Die Herausführung aus der Babylonischen Gefangenschaft und der Neubeginn in Jerusalem, der durch den Perserkönig Kyros II. ermöglicht wurde, bilden dagegen einen Neuanfang Gottes mit Israel und somit in der Konzeption Augustins auch den Neuanfang Gottes mit der ciuitas dei. Nach der biblischen Darstellung wurde Kyros durch den göttlichen Geist dazu veranlasst, das jüdische Volk (mit den ehemals erbeuteten Tempelgeräten) freizulassen, um in Jerusalem wieder einen Tempel zu errichten; in manchen Texten erhält Kyros gar messianischen Charakter.9 Demnach nimmt das fünfte Weltzeitalter seinen Anfang in dieser göttlichen Heilstat der „Befreiung des Volkes aus der Babylonischen Knechtschaft“ (liberatio populi ex Babyloniae seruitute)10. Über seine Annahme hinaus, dass es bereits vor der von ihm so bezeichneten Zeit der Propheten biblische Gestalten gab, die man Propheten nennen könnte, da sie entweder durch Worte oder aber durch Taten künftige Dinge weissagten, die die ciuitas dei und das „Himmelreich“ (regnum caelorum) betreffen,11 stellt Augustin in ciu. XVII 1 fest, dass auch die biblische Geschichtsdarstellung nicht nur historiographischen, sondern auch prophetischen Charakter habe: 7  Ἰωσίας δὲ ἐγέννησεν τὸν Ἰεχονίαν καὶ τοὺς ἀδελφοὺς αὐτοῦ ἐπὶ τῆς μετοικεσίας Βαβυλῶνος. Μετὰ δὲ τὴν μετοικεσίαν Βαβυλῶνος Ἰεχονίας ἐγέννησεν τὸν Σαλαθιήλ. In seinem Zitat von Mt 1,17 in s. 51,8 wird μετοικεσία Βαβυλῶνος („Babylonische Deportation“) wortgetreu mit transmigratio Babylonis wiedergegeben (s. 51,8, S.  28, Z.  217 f.), woran er sich auch in ciu. orientieren kann (vgl. ciu. XXII 30, S.  865, Z.  134). Daneben spricht Augustin aber in ciu. zumeist davon, dass das Volk Israel „in Babylon gefangen genommen“ wurde (captiuus in Babyloniam; vgl. u. a. ciu. XVII 1, S.  551, Z.  9; XVIII 25, S.  616, Z.  3). 8  Vgl. Abschnitte 2.2.7 u. 3.4.4; s. dazu das Schaubild im Anhang unter 1. 9  Vgl. u. a. 2 Chr 36,22 f.; Esra 1,1–11; Jes 44,28; 45. 10 Vgl. ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  2 . Gegen Therese Fuhrer, die das Babylonische Exil dem fünften Weltzeitalter zuordnet (vgl. Fuhrer, Erneuerung, S.  271 f.). 11 Vgl. ciu. XVII 1, S.  551, Z.  12–18: „quamuis enim et ipsum Noe patriarcham, in cuius diebus uniuersa diluuio terra deleta est, et alios supra et infra usque ad hoc tempus, quo reges in dei populo esse coeperunt, propter quaedam per eos futura siue quoquo modo significata siue praedicta, quae pertinerent ad ciuitatem dei regnumque caelorum, non inmerito possumus appellare prophetas“.

4  Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft

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Denn zum ersten ist es die Schrift selbst, die nach der Reihe Könige und ihre Taten und Schicksale aufzählt, und zwar erzählt sie mit einer besonderen geschichtlichen Genauigkeit, so als wäre es (lediglich) ein Bericht über Tatsachen. Wenn man sie aber mit Hilfe des Geistes Gottes wohl überlegt untersucht, wird je länger je mehr erkannt, dass sie nicht weniger auf das Vorhersagen künftiger Dinge bedacht ist als auf das Verkünden vergangener Dinge.12

Ein Beispiel für diese in der Geschichte des Volkes Israel stattfindenden Ereignisse, die weder ein Prophetenwort noch eine prophetische (Zeichen-)Handlung darstellen, sieht Augustin in der innerhalb des vierten Weltzeitalters stattfindenden Teilung des Reiches unter Rehabeam: Hier hat Gott ein bestimmtes Ereignis in der Geschichte seines Volkes stattfinden lassen, sodass es einen Hinweis auf etwas Künftiges gibt.13 Dabei gibt Augustin zugleich zu verstehen, dass es eine immense und eigentlich kaum zu bewältigende Aufgabe sei, all diejenigen Stellen in den biblischen Erzählungen zu identifizieren, die einen prophetischen Sinn in sich tragen. So muss er, ebenso wie er sich bei den Prophetenworten, den prophetischen Zeichenhandlungen oder auch den Psalmen auf eine exemplarische Auswahl beschränkt hat, auch bei den geschichtlichen Ereignissen mit prophetischem Charakter eine Auswahl treffen. 4.1.2 Rückblick und Ausblick: Die erfüllten und die noch ausstehenden Verheißungen Fußend auf seiner Unterscheidung der drei Arten von alttestamentlichen Verheißungen, die entweder a) nur dem irdischen Volk Israel, b) nur der ciuitas dei oder c) allen beiden gelten,14 hält Augustin in ciu. XVII 2 fest, dass sich von den beiden in Gen 12,1–3 dem Erzvater Abraham gegebenen Verheißungen im Verlauf des dritten und zu Beginn des vierten Weltzeitalters nur eine am irdischen Volk Israel erfüllt hat. Diese beiden von ihm identifizierten Verheißungen, zum einen diejenige der Volkwerdung und des Landbesitzes (Gen 12,1 f.), zum anderen diejenige, dass in Abraham alle Völker gesegnet werden sollen (Gen 12,3), hatte Augustin schon ausführlich in ciu. XVI 16 behandelt und bereits hier (auf der Grundlage der paulinischen Rezeption von Gen 12,1–3) verdeutlicht, dass sich die erste lediglich auf den fleischlichen, die zweite hingegen nur auf den geistlichen Samen Abrahams bezieht.15 Wenn Gott Abraham nämlich in Gen 12,1 f. dazu auffordert, in das Land zu ziehen, das er ihm zeigen wird und ihm zusagt, dass er ihn zu einem großen 12 

„primum quia ipsa scriptura, quae per ordinem reges eorumque facta et euenta digerens uidetur tamquam historica diligentia rebus gestis occupata esse narrandis, si adiuuante dei spiritu considerata tractetur, uel magis uel certe non minus praenuntiandis futuris quam praeteritis enuntiandis inuenietur intenta.“ (ciu. XVII 1, S.  551, Z.  28–33) 13 Vgl. ciu. XVII 7; s. dazu Abschnitte 4.1.7 u. 4.4.2. 14  Vgl. auch ciu. XVI 15 f.; hierzu ausführlich Abschnitt 3.2.3. 15  Vgl. zu ciu. XVI 16 ausführlich Abschnitt 3.2.3; s. auch Lee, Israel, S.  533 mit Anm.  3 4.

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Untersuchungen zu De ciuitate dei XV–XVIII

Volk machen werde, so hat sich diese Zusage am Ende des dritten und zu Beginn des vierten Weltzeitalters am „fleischlichen Samen“ (semen carnale)16 Abrahams erfüllt: „Nun war also der leibliche Same Abrahams, das heißt das Volk Israel nach dem Fleisch, bereits im Land der Verheißung und besetzte und beherrschte dort nicht nur die Städte der Gegner, sondern es hatte tatsächlich auch Könige und hatte schon damit begonnen, zu herrschen“.17 Auch weitere an die Erzväter und Führer des Volkes Israel ergangene göttliche Verheißungen, wie etwa die an Mose gegebene, dass das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten befreit werden sollte (vgl. u. a. Ex 3,7–10; 6,5–8), sind bereits vor der Regentschaft Davids am fleischlichen Samen Abrahams in Erfüllung gegangen: Und zum großen Teil [magna ex parte] waren schon an jenem Volk selbst die Verheißungen Gottes in Erfüllung gegangen, nicht nur jene, die an die drei Erzväter Abraham, Isaak und Jakob ergangen und all die anderen (Verheißungen), die zu deren Zeit ergangen waren, sondern wahrlich auch diejenigen, die durch Mose selbst ergangen sind, durch den dieses Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit und durch den alle vorangegangenen Dinge geoffenbart worden sind, in seinen Tagen, als er das Volk durch die Wüste führte.18

Allerdings hat sich am Ende des dritten Weltzeitalters die dem „fleischlichen Samen Abrahams“ geltende Verheißung, wie Augustin einschränkend zu bedenken gibt, die Landverheißung, die in Gen 15,18 wiederholt und territorial konkretisiert wird, insofern nämlich das Volk Israel das Land Kanaan in der Ausdehnung „von einem Flusse Ägyptens bis zum großen Fluss Euphrat“19 in Besitz nehmen soll, nur partiell, aber doch „zum großen Teil“ (magna ex parte) erfüllt. Das Phänomen der „unvollständigen Landnahme“ wird bereits in den biblischen Texten mit der Sündhaftigkeit des Volkes Israel begründet.20 Dieser Deutung schließt sich Augustin an, wie er sich insgesamt vom biblischen Gedanken des Tun-Ergehen-Zusammenhangs leiten lässt, wenn es um das Geschick des irdischen Volkes Israel und seiner Könige in der Geschichte geht. Jedoch wird zu Beginn des vierten Weltzeitalters, zur Zeit der Regentschaft von David und Salomo, das Land Kanaan in der in Gen 15,18 verheißenen territori16 Vgl.

ciu. XVII 2, S.  552, Z.  6. igitur iam in terra promissionis semen Abrahae, id est populus Israel, secundum carnem atque ibi non solum tenendo ac possidendo ciuitates aduersariorum, uerum etiam reges habendo regnare iam coeperat“ (ciu. XVII 2, S.  552, Z.  11–15). 18  „impletis de ipso populo promissionibus dei magna iam ex parte, non solum quae tribus illis patribus, Abraham Isaac et Iacob, et quaecumque aliae temporibus eorum, uerum etiam quae per ipsum Moysen, per quem populus idem de seruitute Aegyptia liberatus et per quem cuncta praeterita reuelata sunt, temporibus eius, cum populum per heremum duceret, factae fuerant.“ (ciu. XVII 2, S.  552, Z.  15–21) 19  „a quodam flumine Aegypti usque ad flumen magnum Euphraten“ (ciu. XVII 2, S.  552, Z.  26 f.). 20  Vgl. Ri 1,1–2,5; Augustin setzt sich mit dieser Problematik ausführlich in qu. 7,1–13 auseinander. 17  „erat

4  Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft

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alen Ausdehnung eingenommen (vgl. 1Kön 5,1), womit also zur Zeit dieser beiden Herrscher die eine der beiden an Abraham ergangenen göttlichen Verheißungen an seinem „fleischlichen Samen“ erfüllt ist.21 Allerdings ist dieser Zustand nicht von Dauer, was wiederum in der Sündhaftigkeit des Volkes Israel seinen Grund hat. Ihr ist es nämlich geschuldet, dass trotz des nun erlangten Landbesitzes ein Aspekt der göttlichen Verheißung unerfüllt blieb, nämlich derjenige, „dass das hebräische Volk [gens Hebraea] in eben diesem Lande, insofern es das zeitliche Wohlergehen anbelangt, auch in seinen nachfolgenden Geschlechtern in unerschütterlicher Beständigkeit bis zum Ende dieser sterblichen (vergänglichen) Weltzeit verbleiben sollte, wenn es den Gesetzen des Herrn, seines Gottes gehorchte“.22 Nach der inneren Dynamik der Weltzeitalter 23 ist der Übergang vom dritten zum vierten Weltzeitalter und derjenige vom vierten zum fünften nach der Darstellung Augustins wie folgt zu verstehen: Die den Erzvätern und den Führern des Volkes Israel, Mose und Josua, gegebenen, den Besitz und das friedliche Wohnen im Gelobten Land betreffenden Verheißungen haben sich aufgrund der Sündhaftigkeit des Volkes, seines Unvermögens, den Gesetzen seines Gottes gehorsam zu sein, nicht – jedenfalls nicht auf Dauer – erfüllen können. Der Abfall des Volkes vom Glauben an den einen Gott, verbunden mit dem Hang zum Polytheismus, was in der Erzählung vom Goldenen Kalb wohl am deutlichsten zum Ausdruck kommt, wovon aber letztlich die gesamte Geschichte des Volkes Israel über die Wüstenwanderung hinaus bis in die Zeit Josuas und der Richter hinein geprägt ist, verhinderte die vollständige Landnahme. Der Ungehorsam und der immer wiederkehrende Abfall Israels von Gott bedeuten die ‚Krise‘ am Ende des dritten Weltzeitalters, die der völligen Sündhaftigkeit des Menschengeschlechts (mit Ausnahme des Hauses Noahs) am Ende des ersten und der im Bau des himmelhohen babylonischen Turms gipfelnden Hybris der Menschheit (mit Ausnahme des Hauses Tharas) am Ende des zweiten Weltzeitalters vergleichbar ist. Durch die göttliche Sendung des Propheten Samuel und der beiden Könige David und Salomo findet demgegenüber ein Neubeginn Gottes mit dem Volk Israel statt, und das ist für Augustin gleichbedeutend mit einem Neubeginn Gottes mit der ciuitas dei. Die Regentschaft Davids, innerhalb derer sich die Abraham gegebene Landverheißung (Gen 12,1 f.; 15,18) erfüllt, markiert den Beginn des vierten Weltzeitalters – und, wie in den vorigen drei Zeitaltern (Abel, Noah, Abraham), zugleich 21  „[ut

nihil deinde superesset, quo terrena illa dei promissio compleretur,] nisi ut in eadem terra, quantum ad prosperitatem adtinet temporalem, per posteritatis successionem inconcusso statu usque ad mortalis huius saeculi terminum gens permaneret Hebraea, si domini dei sui legibus oboediret.“ (ciu. XVII 2, S.  552, Z.  33–38) 22 Vgl. ciu. XVII 2, S.  552, Z.  27–30. 23  Vgl. Abschnitte 2.2.7 und 3.4.4 sowie das „Schaubild zur inneren heilsgeschichtlichen Dynamik der Weltzeitalter nach ciu. XV-XVIII“ im Anhang unter 2.

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auch den Höhepunkt der Beziehung Gottes zur ciuitas dei. Da aber das Volk Israel eben nicht am Bund mit Gott festhalten wird, sondern vielmehr bereits während (Salomos Ehen mit nichtisraelitischen Frauen und seine Verehrung anderer Götter) bzw. unmittelbar nach der Regentschaft Salomos wieder mit der Vielgötterei beginnt – was an der Aufstellung der Götzenbilder in Bethel und Dan unter Jerobeam (1Kön 12,29) besonders deutlich wird –, folgt auf diesen Höhepunkt der Gottesbeziehung unter David und dem frühen Salomo zunächst die Teilung des Reiches. Die sich fortsetzende Sündhaftigkeit sowohl im Volk als auch bei einem Großteil der Regenten führt sodann unweigerlich zur militärischen Eroberung zuerst des Nord- und später des Südreiches, zur Zerstörung des Salomonischen Tempels in Jerusalem und zur Wegführung der Elite des Volkes Israel in das Babylonische Exil. Das wiederum bedeutet die Krise und damit in der Geschichtsdarstellung Augustins auch das Ende des vierten Weltzeitalters. Diese Krise findet nach dem biblischen Bericht ihr Ende durch die aufgrund der Intervention Gottes geschehene Rückführung der Gefangenen aus Babylon unter dem Perserkönig Kyros II., verbunden mit der Wiedererrichtung des Tempels in Jerusalem. Nach Augustin markieren die Rückführung des Volkes Israel und die Errichtung des Zweiten Tempels einen weiteren Neubeginn Gottes mit dem Volk Israel (bzw. der ciuitas dei), mit dem das fünfte Weltzeitalter seinen Anfang nimmt. Die zweite Verheißung, die ebenfalls in Gen 12,1–3 an Abraham ergangen ist und die sich der Meinung Augustins zufolge nicht auf den fleischlichen, sondern allein auf den „geistlichen Samen“ (semen spiritale)24 Abrahams bezieht und damit etwas „wahrhaft weitaus Bedeutenderes“ (uero longe praestantior)25 vor Augen hat, ist diejenige, dass in ihm alle Völker gesegnet werden sollen (Gen 12,3). Diese Verheißung, mit deren Erfüllung auch erst die Änderung des Namens Abram in „Abraham“ (Vater vieler Völker) ihre nachträgliche Bestätigung erhält, wird freilich weder im dritten, noch im vierten Zeitalter, noch überhaupt in der Geschichte des irdischen Volkes Israel, dem „fleischlichen Samen“ Abrahams, realisiert werden. Diese zweite Verheißung, die sich auf die Völker (einschließlich des Volkes Israel), präziser: auf den „geistlichen Samen Abrahams“, d. h. die Glieder der ciuitas dei innerhalb der Völker bezieht, sollte erst „nach der Offenbarung des Neuen Bundes durch die Inkarnation Christi“ erfüllt werden.26

24 Vgl.

ciu. XVII 2, S.  552, Z.  6. ciu. XVII 2, S.  552, Z.  5 f. Die Höherwertigkeit der auf das Geistliche bezogenen alttestamentlichen Weissagungen, mit der auch eine bestimmte Wertung des jüdischen Glaubens einhergeht, hatte Augustin anhand des semen Abrahae bereits in ciu. XVI 16 herausgestellt (s. dazu Abschnitt 3.2.3; vgl. dazu auch Sweeny, Books, S.  212 f.). 26 „in quibus [omnibus gentibus] alteram promissionem reuelato nouo testamento per incarnationem Christi fuerat impleturus“ (ciu. XVII 2, S.  553, Z.  42–44). 25 Vgl.

4  Das vierte Weltzeitalter: Von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft

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4.1.3 Die Weissagungen im Alten Testament und ihr dreifacher Sinn Bevor sich Augustin den konkreten Weissagungen des tempus prophetarum zuwendet, das er in ciu. XVII darstellt, schickt er im dritten Kapitel die hermeneutische Frage nach der Bedeutung dieser Weissagungen voraus. Dabei hält er zunächst fest, dass der Begriff der „Weissagungen“ (prophetiae)27 Folgendes umfasst: „göttliche Orakelsprüche“ (oracula diuina), die als „Zeichen“ (signa) zu verstehenden geschichtlichen Ereignisse sowie die „prophetischen Reden“ (dicta prophetica), wie sie sich im Alten Testament, den „vorangegangenen heiligen Schriften“ (sacrae litterae praecedentes) finden.28 Bei seiner Dreiteilung der Weissagungen hinsichtlich des Objekts, auf die sie sich beziehen, lässt Augustin sich von der paulinischen Unterscheidung des geistlichen und des fleischlichen Samens des Erzvaters Abraham leiten, die im Zusammenhang mit dessen Deutung von Hagar, Sarah, Ismael und Isaak steht (Gal 4,21–31). So stellt er als Offenbarungsempfänger folgende Kollektive antithetisch gegebenüber: die leibliche Nachkommenschaft Abrahams und dessen Samen, d. h. Christus (vgl. Gal 3,16), in dem alle Völker gesegnet werden sollen (Gen 12,3), das durch die Magd Hagar repräsentierte „irdische Jerusalem“ (Hierusalem terrena)29 und das „wahre und ewige Jerusalem in den Himmeln“ (uera Hierusalem aeterna in caelis),30 d. h. die „freie Gottesstadt [ciuitas dei libera], deren Söhne als die Menschen, die nach Gott leben, auf der Erde pilgern“.31 Augustins Darstellung des dreifachen Sinns alttestamentlicher Weissagungen in ciu. XVII 2 f. basiert also auf seinem grundsätzlich binären Schriftverständnis, das von einem historischen und einem geistlichen Schriftsinn ausgeht.32 Über die beiden in ciu. XVII 2 veranschaulichten Möglichkeiten hinaus, dass sich Prophetien entweder allein auf den fleischlichen (Gen 12,1 f.) oder allein auf den geistlichen Samen Abrahams (Gen 12,3) beziehen können, geht Augustin noch von einer dritten Variante aus und beschreibt diese nach Gal 4,21–31 in den Kategorien von „Magd“ und „Freie“: „Aber es gibt unter ihnen auch manche (Weissagungen), die erkennen lassen, dass sie sich auf beides beziehen: im eigentlichen Sinn auf die Magd [Hagar], im figürlichen Sinn auf die Freie [Sa-

27 Vgl.

ciu. XVII 3, S.  553, Z.  4. ciu. XVII 3, S.  553, Z.  1–3. Die in ciu. XVII 3 ausgeführte Einteilung der Weissagungen in drei Kategorien wurde bereits als Voraussetzung des augustinischen Verständnisses der Verheißungen an Abraham in Abschnitt 3.2.3 eingeführt. 29 Vgl. ciu. XVII 3, S.  553, Z.  8 f.; vgl. bereits ciu. XV 2; XVI 26; s. dazu Abschnitte 1.2.2 und 3.2.6. 30 Vgl. ciu. XVII 3, S.   553, Z.  9 –11; zum Begriff des himmlischen Jerusalem vgl. Hebr 12,22. 31  „partim uero ad liberam ciuitatem dei, id est ueram Hierusalem aeternam in caelis, cuius filii homines secundum deum uiuentes peregrinantur in terris“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  9 –12). 32 Vgl. Helleman, Abraham, S.  45 f.; s. dazu bereits Einleitung, Abschnitt 1.4. 28 Vgl.

338

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rah].“33 Die Herkunft dieser Dreiteilung der Prophetien lässt sich nicht abschließend klären, auch wenn sich etwa die zweite der von Tyconius in Reg. ausgeführten sieben exegetischen Regeln als Hintergrund plausibilisieren lässt, gerade wenn man die Aufnahme dieser Regel durch Augustin in doctr. chr. beachtet. Tyconius spricht in der zweiten der sieben exegetischen Regeln, die mit „De Domini corpore bipartito“ überschrieben ist, vom Leib Christi, bei dem man zum einen zwischen Haupt und Gliedern, zum anderen zwischen der rechten und der linken Seite zu unterscheiden habe. Hinsichtlich der beiden Seiten des Leibes Christi meint Tyconius, dass die linke die Schlechten innerhalb der Kirche (d. h. die Häretiker und falschen Christen), während die rechte die Guten repräsentiere.34 Interessant ist an dieser Stelle, dass Tyconius als donatistischer Bischof davon ausgehen konnte, dass sich die Häretiker innerhalb der Kirche befinden. In doctr. chr. nimmt Augustin diese zweite Regel kritisch auf. Er stimmt Tyconius zwar grundsätzlich zu, dass die Kirche zweigeteilt ist, macht aber darauf aufmerksam, dass dieser Zustand nur solange währt, wie die Kirche hier auf Erden wandelt. Die wahre Kirche, der wahre Leib Christi, ist nämlich nicht vermischt – im Endgericht wird also die ‚linke Seite‘ aus der Kirche ausgeschieden werden. Somit gibt es, wendet man sich wie Augustin in doctr. chr. 3,45 einer alttestamentlichen Prophetie zu und setzt wie er voraus, dass das irdische Volk Israel als solches eine Vorausschattung der späteren Kirche darstellt, drei Größen, die mögliches Objekt der Erfüllung dieser Prophetie sein können: 1) das irdische Volk Israel; 2) der Leib Christi in seinem vollkommenen Zustand (= die ciuitas dei); 3) der Leib Christi in seinem ‚zweigeteilten‘ Zustand.35 Man kann der Argumentation Gustave Bardys darin folgen, die Überlegungen Augustins zur zweiten Regel des Tyconius in doctr. chr. 3 als gedankliche Vorstufe zu seiner in ciu. XVII 3 ausgeführten exegetischen Theorie zu sehen, dass sich nämlich Prophetien, die Jerusalem oder das Volk Israel zum Inhalt haben, entweder allein auf das irdische Jerusalem oder allein auf das himmlische Jerusalem oder auf beide Größen beziehen können.36 Allerdings scheint die Auseinandersetzung Augustins mit den exegetischen Regeln des Tyconius keine notwendige Voraussetzung für seine in ciu. XVII 3 formulierte Theorie zu sein, genausogut lässt sich diese etwa, wie hier angenommen, aus den paulinischen Überlegungen und der grundsätzlichen Auffassung Augustins, dass die Kirche in der Weltzeit ein corpus permixtum darstellt, ableiten.37 33  „sed sunt in eis quaedam, quae ad utramque pertinere intelleguntur, ad ancillam proprie, ad liberam figurate.“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  12 f.) 34  Vgl. Tyconius, Reg. II 1, S.  154, Z.  1–6; II 10, S.  160, Z.  62 – S.  162, Z.  8 0. 35 Vgl. doctr. chr. 3,45, S.  2 28, Z.  1 – S.  2 29, Z.  3 0. 36 Vgl. Bardy, Le triple sens, S.  731 f. 37  Carl Andresen stellt anders als Bardy in seiner Kommentierung eine Verbindung zwischen Augustins Rede von den „tripertita […] eloquia prophetarum“ und Ep.  30 des Ambrosius her (vgl. Ep.  30,10, Sp.  1063, Z.  35 – Sp.  1064, Z.  13); vgl. BAW [ciu.] 2, S.  936.

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Als Beispiel für die erste Variante einer Prophetie, einer solchen nämlich, die sich lediglich auf das irdische Jerusalem bezieht, führt Augustin die mahnenden Worte des Propheten Nathan an, die auf die „schwere Sünde“ (peccatum graue)38 Davids folgen (vgl. 2Sam 12,1–14). Mit dieser „schweren Sünde“ Davids ist hier offensichtlich dessen zu einer Schwangerschaft führendes Verhältnis mit der bereits verheirateten Batseba (vgl. 2Sam 11,1–5) und die von David eingefädelte, bewusste tödliche Gefährdung ihres Ehemannes Urija in der Schlacht gegen die Ammoniter (vgl. 2Sam 11,14–27) gemeint, da die Mahnrede Nathans unmittelbar auf diese Ereignisse folgt. Der Prophet hat David wegen dessen schwerer Versündigung getadelt und ihm die Folgen seines Handelns sowohl bezogen auf das Königtum Israels („von deinem Haus soll das Schwert nicht mehr weichen“; vgl. 2Sam 12,10 f.) als auch auf ihn ganz persönlich (der Tod seines ersten mit Batseba gezeugten Sohnes; vgl. 2Sam 12,14) aufgezeigt. Dadurch habe Nathan im Interesse einer einzelnen Person (in diesem Fall David) sowie um der „Wohlfahrt und des Nutzens des Volkes“ (pro salute uel utilitate populi)39 willen prophetisch gesprochen. Das gottgefällige oder eben gotteslästerliche Verhalten des Königs Israels wirkt sich also, folgt man vielen biblischen Darstellungen, unmittelbar auf das Ergehen des Volkes Israel aus. Prophetien dieser Art, so Augustin, „bringen zum Nutzen des zeitlichen Lebens [uita temporalis] Künftiges zur Erkenntnis, sie beziehen sich also, wer könnte es bezweifeln, auf die irdische Bürgerschaft“.40

38 Vgl.

ciu. XVII 3, S.  553, Z.  19. ciu. XVII 3, S.  553, Z.  21. Die skandalöse Art und Weise, auf die David sich Bat­seba zur Frau machte, wird zwar in ciu. nicht näher ausgeführt, allerdings scheut sich Augustin nicht, sie an anderer Stelle zu erwähnen. In einem Brief an Hieronymus wird sie bei der (bejahten) Frage, ob ein Apostel wie Petrus falsch handeln könne (es geht um dessen Verleugnung Jesu; vgl. Mt 26,69–75), als biblisches exemplum angeführt: Obwohl David ein großer Prophet und von Gott erwählt war, hat er sich, da er die Frau eines anderen begehrte und sie an sich bringen wollte, nicht nur des „Ehebruchs“ (adulterium), sondern auch des „schrecklichen Mordes“ (horrendum homicidium) schuldig gemacht (vgl. ep.  82,5, S.  355, Z.  18–25). Allerdings dürfe diese Sünde keinesfalls zur Rechtfertigung eigener Missetaten missbraucht und isoliert von der „Verzweiflung“ (desperatio) Davids, seiner Buße und seiner Begnadigung durch Gott gesehen werden (vgl. en. Ps. 50,3, S.  600, Z.  2 f.; 50,5, S.  602, Z.  6 –8). Martine Dulaey schreibt abschließend: „Augustin, attentif à corriger, mais aussi à encourager ses auditeurs, l’histoire de David et Bersabée enseigne qu’il n’est pas de péché si grave qui doive faire désespérer du pardon divin“ (Dulaey, L’histoire [III], S.  209; vgl. a. a. O., S.  206 f.). Schließlich begegnet in c. Faust. noch eine symbolische Deutung der biblischen Episode, die nach Augustin nur auf der historischen Ebene als eine schwere Sünde Davids erscheint: Demnach stehe David, der die sich auf dem Dach waschende Batseba begehrt, für Christus, der die Kirche liebt, die sich von den Verschmutzungen dieser Welt reinigt, während Uria die Rolle des Teufels zukomme (vgl. c. Faust. 22,87, S.  691, Z.  18 – S.  693, Z.  10; s. dazu Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  287). 40  „cum pro suis quisque rebus diuina promereretur eloquia, quibus pro usu temporalis uitae futuri aliquid nosceretur, ad terrenam ciuitatem pertinuisse quis ambigat?“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  22–24) 39 Vgl.

340

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Neben diesen allein auf das Irdische bezogenen Prophetien gibt es aber zweitens auch solche, die sich allein auf das „obere Jerusalem“ (Hierusalem superna)41 beziehen, wofür Augustin nun die Worte Jeremias beispielhaft anführt (vgl. Jer 31,31–33 [= 38,31–33 (LXX)]; Hebr 8,8–10). Hier wird dem Hause Juda und dem Hause Jerusalem ein Neuer Bund verheißen, der sich von dem Alten Bund, den Gott mit den Vätern, d. h. der Exodus-Generation geschlossen hatte, insofern unterscheidet, dass das Gesetz von Gott (nicht wie beim Sinai-Bund auf Tafeln, sondern) „in den Geist gelegt“ und „auf die Herzen“ derer „geschrieben“ wird, mit denen Gott diesen Neuen Bund schließt.42 Auch das Verhältnis zwischen Gott und den im Neuen Bund befindlichen Menschen wird auf eine neue Art beschrieben, wenn es in Jer 31,33 heißt: „Ich werde (auf ) sie schauen, und ich werde ihnen Gott sein, und sie werden mir Volk sein.“43 Nach Augustin kann diese Verheißung nur dem „oberen Jerusalem“ (Hierusalem superna) und damit der ciuitas dei gelten, da nur die Glieder der Gottesstadt in einem solchen gegenseitigen ‚Besitzverhältnis‘ zu Gott stehen: Sie gehören Gott, sie „sind sein“ (ipsius esse) und zugleich „haben“ (habere) sie Gott.44 Das in der Vorstellung des ‚Habens Gottes‘ ( Jer 31,33) anklingende Motiv der possessio dei ist als Kennzeichen der Glieder der ciuitas dei anzusehen, deren pilgernde Existenz darauf ausgerichtet ist, den Besitz des „höchsten und allumfassenden Gutes“ (summum atque totum bonum)45 – und damit eben die possessio dei – anzustreben. Das Haben Gottes ist das Ziel ihres Strebens und zugleich der „Lohn“ (praemium)46 ihrer gottgefälligen Existenz, der ihnen eschatologisch zugeeignet werden wird. Das ‚wechselseitige Besitzverhältnis‘ zwischen Gott und dem Glaubenden und das damit verbundene Motiv der possessio dei begegnet bei Augustin u. a. auch im Zuge seiner Auslegung der Psalmen sowie einer Predigt.47 Dort steht es jeweils in enger Verbindung mit dem „Verehren“ (colere), das ebenfalls wechselseitig als das „Verehren Gottes“ (colere dei) und als das Verehrtwerden der 41 Vgl.

ciu. XVII 3, S.  553, Z.  33 f. hoc est testamentum, quod constituam domui Israel post dies illos, dicit dominus, dando leges meas in mentem eorum et super corda eorum scribam eas“ ( Jer 31,33a nach ciu. XVII 3, S.  553, Z.  30–32). Hier zeigt sich auch einer der Gründe für die knappe Behandlung des Exodus in ciu.: Der ‚alte‘ Sinaibund war aufgrund seiner engen Bezogenheit auf das Volk Israel für Augustin von geringerem Interesse, bestand doch seine Absicht in ciu. u. a. darin, gegenüber der heidnischen Kritik den christlichen Glauben als grundsätzlich allen Völkern offenen Weg zum Heil darzustellen (vgl. Bochet, Le firmament, S.  480–483). 43 „et uidebo eos, et ero illis in deum, et ipsi erunt mihi in plebem.“ ( Jer 31,33b nach ciu. XVII 3, S.  553, Z.  32 f.) 44  „Hierusalem sine dubio superna prophetatur, cuius deus ipse praemium est, eumque habere atque ipsius esse summum ibi est atque totum bonum.“ (ciu. XVII 3, S.  553, Z.  33 – S.  554, Z.  36) Vgl. zum Begriff des „oberen Jerusalems“ Gal 4,26. 45 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  35 f.; vgl. zu Augustins Verständnis des „höchsten und allumfassenden Gutes“ auch ciu. XIX 4. 46 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  36. 47  Das Motiv der possessio dei findet sich bei Augustin expressis verbis in en. Ps. 49,18, S.  589, Z.  1–9; 145,11, S.  2113, Z.  17–21 sowie in s. Mai 128,4, S.  374, Z.  22–24. 42 „quia

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Engel bzw. der Glaubenden durch Gott (coli a deo) angelegt ist. So heißt es beispielsweise in der Auslegung von Ps 141,6: ‚Du bist meine Hoffnung, (du bist) mein Anteil im Land der Lebenden‘ [Ps 141,6]. Du wirst mein Anteil sein. Du wirst Besitz sein, und du wirst besitzen. Du wirst der Besitz Gottes sein, und dein Besitz wird Gott sein. Du wirst sein Besitz sein, so dass du von ihm verehrt wirst, und er wird dein Besitz sein, so dass du ihn verehrst. Denn du verehrst Gott, und du wirst von Gott verehrt.48

Mit der von ihnen angestrebten und eschatologisch als Gabe empfangenen possessio dei stehen die Bürger der ciuitas dei in einem deutlichen Kontrast zu denjenigen der ciuitas terrena, deren Streben sich zwar ebenfalls auf den „Besitz“ (possessio), allerdings immer auf den Besitz irdischer Güter und eben nicht des höchsten Gutes richtet. Man denke hier nur an die Namensetymologie zu Kain („Cain autem interpretatur possessio“49), dem paradigmatischen Glied der ciuitas terrena. Als Beispiel für die dritte Variante der Prophetien, derjenigen nämlich, die einen doppelten Bezug sowohl auf das irdische als auch das himmlische Jerusalem haben, führt Augustin schließlich jene Verheißungen an, die sowohl David als auch Salomo hinsichtlich des Jerusalemer Tempels empfangen haben. Erst mit der Einnahme Jerusalems durch David wird diese Stadt die „Stadt Gottes“ (ciuitas dei) genannt; erst jetzt hat die überzeitlich existierende Größe der ciuitas dei, die bereits vor der Weltzeit in Gestalt der Gott verehrenden Engel existierte, ein irdisches Pendant gefunden. Fortan dient die (irdische) Stadt Jerusalem als Abbild der himmlischen Stadt. Hatte die ciuitas terrena bereits am Ende des zweiten Weltzeitalters mit dem Bau der Stadt Babylon und ihres himmelhohen Turms eine solche Manifestation mit einer entsprechenden theologischen Wertung durch die Namensetymologie „Verwirrung“ (confusio) erhalten,50 so stellt die Regentschaft Davids zu Beginn des vierten Weltzeitalters auch insofern eine Zäsur dar, als nun mit der Stadt Gottes, der „ciuitas dei“, wie sie auch in den Psalmen gepriesen wird, nicht nur jene überzeitliche Größe, sondern eben auch die Stadt Jerusalem gemeint sein kann. Augustin hält daher im Hinblick auf die den Jerusalemer Tempel betreffenden Prophezeiungen fest: Auf beide zugleich [d. h. auf das irdische und auf das himmlische Jerusalem] bezieht es sich, sobald Jerusalem die Gottesstadt [ciuitas dei] genannt und in ihr ein zukünftiges Haus Gottes [domus dei] prophezeit wird und wenn sich diese Weissagungen zu erfüllen scheinen, als König Salomo jenen überaus prächtigen Tempel erbaut. Denn jene (Weis48 „spes

mea es tu, portio mea in terra uiuentium [Ps 141,6]. tu eris portio mea. eris tu possessio, et possidebis; possessio dei eris, et possessio tua erit deus; tu eris possessio eius, ut colaris ab eo, et ipse erit possessio tua, ut colas eum. Nam et tu colis deum, et coleris a deo.“ (en. Ps. 145,11, S.  2113, Z.  17–21) 49  ciu. XV 17, S.  479, Z.  10; vgl. zur Namensetymologie Kains Abschnitt 1.2.7. 50  Vgl. zur Bedeutung des Namens der Stadt Babylon im Zusammenhang mit der göttlichen Strafe der Sprachverwirrung ciu. XVI 4; s. dazu auch Abschnitt 2.2.3.

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sagungen) betreffen das irdische Jerusalem im geschichtlichen Sinn und sie wurden (zugleich) zu Vorbildern [ figurae] des himmlischen Jerusalems.51

Die an den Propheten Nathan ergangene und von ihm an David weitergegebene göttliche Verheißung, dass entgegen Nathans ursprünglicher Zustimmung zu Davids Ansinnen eines Tempelbaus (vgl. 2Sam 7,1–3) zwar nicht David selbst, wohl aber sein Sohn einen Tempel in Jerusalem errichten werde, der zum „Haus Gottes“ (domus dei) werden soll (vgl. 2Sam 7,4–17), hat sich am „irdischen Jerusalem“ tatsächlich zur Zeit der Regentschaft Salomos erfüllt (vgl. 1Kön 6). Doch sollte die Geschichte Israels zeigen, dass dieses „Haus Gottes“ auf Erden keinen ewigen Bestand hat. Aus der Perspektive Augustins, zu dessen Zeit ja nicht nur der Salomonische, sondern auch der Zweite Tempel in Jerusalem bereits zerstört war, spricht die Faktizität der Geschichte dagegen, dass es sich beim Bau des Jerusalemer Tempels unter Salomo um eine Erfüllung der Nathansweissagung bezogen auf die ciuitas dei handelt. Er geht vielmehr davon aus, dass diese Verheißung sich zunächst im irdischen Sinne in Gestalt des Salomonischen Tempels erfüllt hat, ihre Erfüllung in Bezug auf das „himmlische Jerusalem“ aber noch aussteht: Das Motiv des sich im Bau befindlichen Tempels als Symbol für die wachsende Gemeinde der Christusgläubigen, dessen Fertigstellung und Weihung erst im Eschaton zu erwarten sind, ist in den neutestamentlichen Schriften verankert 52 und wird von Augustin, gerade auch in ciu., an verschiedenen Stellen rezipiert.53 Diese dritte Variante, die u. a. aus der seit der Zeit Davids begegnenden Ambiguität der Bezeichnungen „Jerusalem“, „Haus Gottes“ (domus dei) und „Stadt Gottes“ (ciuitas dei) folgt, stellt die Ausleger des Alten Testaments, der „alten kanonischen Schriften“ (libri ueteres canonici),54 vor eine besondere Herausforderung: Ihr Scharfsinn wird dadurch geübt, dass sie in den Verheißungen sowohl dasjenige zu suchen und gegebenenfalls zu unterscheiden haben, was sich auf den Samen Abrahams „nach dem Fleisch“ (secundum carnem), als auch dasjenige, was sich auf Abrahams Samen „nach dem Glauben“ (secundum fidem) bezieht.55

51  „ad utramque uero pertinet hoc ipsum, quod Hierusalem dicitur dei ciuitas, et in ea prophetatur futura domus dei, eaque prophetia uidetur impleri, cum Salomon rex aedificat illud nobilissimum templum. haec enim et in terrena Hierusalem secundum historiam contigerunt, et caelestis Hierusalem figurae fuerunt.“ (ciu. XVII 3, S.  554, Z.  36–41) 52  Vgl. u. a. 1Kor 3,9–17; 2Kor 6,16 und Eph 2,19–22; der Tempel als aus lebendigen Steinen gebautes Haus Gottes begegnet zudem in 1Petr 2,4–10. 53  Die Vorstellung des sich im Bau befindlichen templum dei, dessen „Weihung“ (dedicatio) noch eschatologisch aussteht, begegnete bereits bei der Namensetymologie zu ‚Henoch‘ in ciu. XV 19; vgl. dazu, mit entsprechenden Quellen- und Literaturverweisen, Abschnitt 1.2.7. 54 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  42 f. 55 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  41–48.

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In die Irre gehen nach Augustin diejenigen, die meinen, eine jede der Weissagungen des Alten Testaments ließe sich als „figürliches Zeichen“ (significatio figurata) auf das obere Jerusalem beziehen.56 Nach diesen Auslegern wird also die erste Kategorie der Weissagungen, diejenige nämlich, die sich allein auf das irdische Jerusalem bezieht und deren Erfüllung am oberen Jerusalem nicht zu erwarten ist, ausgeschlossen, sodass nur noch die zweite und die dritte Kategorie übrig bleiben: Denn dann gäbe es nichts, was sich nur auf das irdische Jerusalem bezieht, wenn alles, was dort [im Alten Testament] von jenem [dem irdischen Jerusalem] oder um seinetwillen gesagt wird und sich erfüllt hat, zugleich als figürliches Zeichen auf etwas hindeutet, es also (immer) auch auf das himmlische Jerusalem zu beziehen ist; aber dann sind nur zwei Arten [duo genera] vorhanden, eine, die sich auf das freie Jerusalem, eine andere, die sich auf beide bezieht.57

Aber auch eine zweite Gruppe von Auslegern unterliegt nach Augustin einem großen Irrtum (multum errare), wenn sie meint, im Unterschied zu den zuvor Genannten in keiner der alttestamentlichen Weissagungen eine über den Bezug auf das irdische Jerusalem hinausgehende Bedeutung für das himmlische Jerusalem, die ciuitas dei, erkennen zu können.58 Nach dieser Sichtweise bliebe von den drei Kategorien der Weissagungen lediglich die erste bestehen. Die erste fehlgeleitete Position, nach der alle Weissagungen einen allegorischen Sinn im Hinblick auf das himmlische Jerusalem haben, wiegt für Augustin deutlich weniger schwer als diese zweite, die einen solchen Sinn vollständig ausschließt. So schreibt er, obwohl er selbst an seiner Dreiteilung der alttestamentlichen Ereignisse und Weissagungen festhalten möchte, dass er diejenigen nicht tadeln wolle, die imstande sind, einem jedem dieser Ereignisse und Weissagungen einen „geistlichen Sinn“ (sensus intellegentiae spiritalis) abzugewinnen

56 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  4 8–61. Carl Andresen nimmt unter Bezugnahme auf doctr. chr. 3,33–37 an, dass mit dieser Position Tyconius gemeint sei (vgl. BAW [ciu.] 2, S.  936). Da Augustin hier allerdings im Plural von manchen Auslegern spricht, ist noch von weiteren Personen auszugehen, die er im Blick hatte. 57  „nihil enim erit illic, quod ad Hierusalem terrenam tantum pertineat, si, quidquid ibi de illa uel propter illam dicitur atque completur, significat aliquid, quod etiam ad Hierusalem caelestem allegorica praefiguratione referatur; sed erunt sola duo genera, unum quod ad Hierusalem liberam, alterum quod ad utramque pertineat.“ (ciu. XVII 3, S.  554, Z.  55–61) Trotz seiner vielfach geäußerten Distanzierung gegenüber einem übermäßigen Gebrauch der allegorischen Methode hat Augustin selbst diese in seinen eigenen Schriften immer wieder angewandt. Dies zeigt sich nicht nur in seinen Frühschriften, wenn er in retr. 1,18, S.  54, Z.  3 –5 in Bezug auf Gn. litt. inp. selbstkritisch einräumt, dass „er der Allegorese ausgesprochen positiv gegenüber[stand]“ (C. P. Mayer, Art. Allegoria, Sp.  238; vgl. a. a. O., S.  237– 239), sondern auch in seinen homiletischen Werken und nicht zuletzt in seiner hier analysierten Rezeption des Alten Testaments in ciu. XV-XVIII. 58 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  61–65.

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– sofern sie dabei an deren „geschichtlicher Wahrheit“ (ueritas historiae) festhalten.59 Anhand dieser Bedingung wird implizit eine dritte Gruppe von Auslegern verurteilt, die nämlich wie die erste alle Ereignisse und Weissagungen des Alten Testaments im figürlichen Sinn verstehen, aber es im Unterschied zur ersten Gruppe ablehnen, dass diese Ereignisse und die Erfüllung von Weissagungen innerhalb der Geschichte des irdischen Volkes Israel tatsächlich stattgefunden haben. Bei ihnen wäre also lediglich die zweite von Augustin beschriebene Kategorie auf das Alte Testament anzuwenden, die erste und die dritte Kategorie, die beide die Erfüllung von Weissagungen am irdischen Jerusalem voraussetzen, würden von dieser Gruppe ausgeschlossen. Schließlich gebe es im Alten Testament auch noch solche Stellen, die weder einen historischen Anhalt haben, noch einen prophetischen Sinn erkennen lassen. Doch auch diese seien nicht ohne Grund aufgeschrieben, und es ist nach Augustin die Aufgabe des Auslegers, einen geistlichen Sinn in diesen Stellen zu erkennen oder zumindest, wenn er dazu nicht imstande ist, die Berechtigung solcher Deutungen durch andere anzuerkennen.60 Augustin könnte hier eine vierte Position vor Augen gehabt haben, die die heiligen Schriften (oder nur Passagen aus ihnen) für gänzlich unnütz hält, da sie weder etwas historisch Stattgefundenes berichten noch einen weitergehenden Sinn für die Zukunft haben. In ciu. XV 27, nachdem Augustin durch die Klärung einer Reihe von kritischen Anfragen an die Historizität der Archeerzählung bemüht war, ebenjene zu stützen, findet sich ein in diesem Zusammenhang bezeichnender Satz. Es fällt nämlich auf, dass Augustin hier drei der vier Positionen zurückweist,61

59  „ideo tripertita, non bipertita esse dixi. hoc enim existimo, non tamen culpans eos, qui potuerint illic de quacumque re gesta sensum intellegentiae spiritalis exsculpere, seruata dumtaxat primitus historiae ueritate.“ (ciu. XVII 3, S.  554, Z.  65–69) 60 Vgl. ciu. XVII 3, S.  554, Z.  69–73. Bei Augustin lässt sich bereits in doctr. chr. ein gewisser „Deutungspluralismus“ feststellen. Freilich bewegt sich dieser in den Grenzen der regula fidei und der caritas: Solange die Deutung einer biblischen Textstelle mit diesen beiden Größen übereinstimmt, kann Augustin durchaus auch die Berechtigung mehrerer Deutungen zu derselben Textstelle akzeptieren (vgl. Schultheiss, Augustinus, S.  60). Diese auch in den späten Schriften Augustins (wie ciu.) erkennbare Akzeptanz anderer, von seiner eigenen Position abweichender Schriftdeutungen liegt nicht zuletzt im eschatologischen Vorbehalt und der daraus folgenden Einsicht in die grundsätzliche Vorläufigkeit der eigenen exegetischen Arbeit begründet (a. a. O., S.  51.60, unter Bezugnahme auf doctr. chr. 1,41 [nicht 1,61]). Wenn Kurt Flasch dem späten Augustin eine „Monotonie korrekt-orthodoxer Formeln an der Stelle strömenden sprachlichen Lebens“ vorwirft und diese Haltung derjenigen des „jungen Augustin“ gegenüberstellt, der noch annehmen konnte, dass es „nicht der Wahrheit der Schrift [widerspreche], wenn sie von verschiedenen Interpreten verschieden interpretiert worden sei“ (Flasch, Einführung, S.  419 f.), so muss dem zumindest vor dem Hintergrund der Schriftauslegung Augustins in ciu. widersprochen werden. 61  Lediglich die erste in ciu. XVII 3 genannte Position, die Augustin neben der eigenen

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die er auch in ciu. XVII 3 seinem eigenen Umgang mit den alttestamentlichen Weissagungen gegenübergestellt hat: Da sich diese Dinge so verhalten, muss jemand besonders ungebildet / hartgläubig [durus] sein, wenn er es wagt anzunehmen, dass diese Dinge62 nutzlos [inaniter] aufgeschrieben worden seien [4. Position]; oder dass diese Dinge sich zwar zugetragen, aber nichts zu bedeuten hätten [2. Position], oder dass sie nur in sinnbildlichem Sinne und nicht als Tatsachen [gesta] erzählt seien [3. Position], oder dass [, obwohl sich die Dinge zwar tatsächlich zugetragen haben und auch etwas bedeuten,] nicht glaubhaft von ihnen gesagt werden könne, dass sie die Kirche versinnbildlichen [5. Position]; vielmehr ist zu glauben, dass sie sowohl in der Erinnerung als auch in den Verschriftlichungen weise überliefert wurden, und dass sie sich sowohl wirklich zugetragen, als auch etwas zu bedeuten haben und dass dieses [sc. der Bedeutungsgehalt] sich in der Weise des Vorausdeutens [praefigurare] auf die Kirche beziehe.63

Augustin nennt in ciu. XVII 3 keine Namen derer, die die von ihm angeführten Positionen vertreten, sodass man hier auf Vermutungen angewiesen ist. Der von ihm neben seiner eigenen als legitim angesehenen Auffassung, dass das gesamte Alte Testament allegorisch ausgelegt werden könne und es insgesamt als eine einzige große figura bzw. als ein großer typus angesehen werden müsse, waren beispielsweise Irenäus von Lyon und Tertullian.64 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch die einleitenden Worte Augustins zu Gn. litt., wonach es nicht ausreicht, die in den heiligen Schriften geschilderten Ereignisse (res gestae) nur im figürlichen Sinne (secundum figurarum) auszulegen, sondern man müsse sie auch auf die „Glaubwürdigkeit der geschehenen Ereignisse“ (secundum fidem rerum gestarum) hin untersuchen und diese verteidigen.65 Hier artikuliert sich nicht nur eine Reserviertheit Augustins gegenüber der überbordenden allegorischen Deutungspraxis mancher christlicher Ausleger, die nicht zugleich um eine geschichtliche Fundierung dieser Deutungen bemüht ist.66 Dass Augustin im folgenden Satz behauptet, kein Christ würde leugnen, dass man die Heilige Schrift „figürlich“ ( figuraliter) zu akzeptieren kann, dass nämlich alles im Alten Textament Geschilderte sowohl historisch sei als auch einen figürlichen Sinn habe, begegnet in dem Zitat aus ciu. XV 27 nicht. 62  Damit sind die von Augustin in ciu. XV 27 behandelten und als historisch verteidigten Aspekte der Archeerzählung gemeint. 63  „quae cum ita sint, [si] nec inaniter ista esse conscripta putare quisquam uel durus audebit, nec nihil significare cum gesta sint, nec sola dicta esse significatiua non facta, nec aliena esse ab ecclesia significanda probabiliter dici potest; sed magis credendum est et sapienter esse memoriae litterisque mandata, et gesta esse, et significare aliquid, et ipsum aliquid ad praefigurandam ecclesiam pertinere.“ (ciu. XV 27, S.  497, Z.  109–116) 64  Vgl. dazu Abschnitt 3.1.4. 65  „in narratione ergo rerum factarum quaeritur, utrum omnia secundum figurarum tantummodo intellectum accipiantur, an etiam secundum fidem rerum gestarum adserenda et defendenda sint.“ (Gn. litt. 1,1,1, S.  3, Z.  10–13; s. dazu auch Brachtendorf, Einleitung, S.  21–23) 66  Auch eine gewisse Abgrenzung gegenüber Ambrosius, dessen allegorische Auslegungsweise (verbunden mit einer „Geringschätzung des Wortes“) den frühen Augustin stark ge-

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verstehen habe,67 könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei der Ablehnung der figürlichen Deutung des Alten Testaments, der zweiten Position in ciu. XVII 3, nicht um ein rein innerkirchliches Phänomen handelt. Man denke hier beispielsweise an die Kritik des Porphyrios an der typologischen Deutung der Jonageschichte, die er in seiner Schrift Contra Christianos (i.F.: Christ.) geäußert und die Augustin in ep.  102,31–38 zurückgewiesen hat.68 Die zweite, von Augustin abgelehnte Position setzt in jedem Fall eine negative Sicht auf das Alte Testament voraus, insofern die dort geschilderten Ereignisse und begegnenden Weissagungen für den christlichen Glauben im Hinblick auf die Offenbarung Jesu Christi und die Kirche keinerlei Relevanz haben. Hier wird man wohl an die Manichäer zu denken haben, die die Schriften des Alten Testaments als der Christusoffenbarung im Neuen Testament konträr gegenüberstellten. Zwar waren innerhalb des Manichäismus auch allegorische Interpretationen des Alten Testaments geläufig, dennoch lehnten viele Vertreter dieser Religion das Alte Testament ab69 oder stellten, wie der von Augustin bekämpfte Faustus, die Geltung der alttestamentlichen Prophetien in Frage.70 Zur Identifizierung der dritten, nur implizit genannten Gruppe, die das Alte Testament ausschließlich im figürlichen Sinne lesen, kann ciu. XIII 21 herangezogen werden, wo Augustin die von Origenes vertretene und auch in der a lexandrinischen Theologie geläufige Position referiert,71 dass sich die Be­ schreibung des Paradieses in der Urgeschichte der Genesis lediglich auf „übersinnliche Dinge“ (intellegibilia), nicht aber auf „sichtbare und körperliche Dinge“ (uisibilia et corporalia) beziehe, m.a.W., dass es den Garten Eden in der irdischen Realität nicht gegeben habe.72 Für Augustins Verständnis des Zusammenprägt hat, könnte sich hier zeigen (vgl. C. P. Mayer, Zeichen 1, S.  115–118; Dassmann, Art. Ambrosius, Sp.  280 mit Anm.  77). 67  „nam non esse accipienda figuraliter nullus christianus dicere audebit, adtendens apos­ tolum dicentem: omnia autem haec in figura contingebant in illis [1 Cor 10,11]“ (Gn. litt. 1,1,1, S.  3, Z.  13–16). Einzig die Bedingung, dass zum figürlichen Verständnis eine bestimmte christliche Hermeneutik des Alten Testaments vonnöten ist, die Augustin u. a. in 1Kor 10,11 grundgelegt sieht (s. zu Augustins Rezeption von 1Kor 10,11: Abschnitt 3.1.4), könnte darauf hinweisen, dass Augustin sich hier gegen eine (s.E. fehlgeleitete) innerchristliche Position wendet. 68 Vgl. Smith, Art. Porphyrius, Sp.   799 f.; Cook, Interpretation, S.  185 f. Allerdings ist nicht nachweisbar, dass Augustin Porphyrios’ Christ. vorgelegen hat, jedenfalls zitiert er nicht daraus. Es ist aber anzunehmen, dass er gewisse Informationen über dieses Werk hatte (vgl. Smith, ebd.; Drecoll, Porphyrios, S.  283, mit Hinweis auf ciu. XIX 22, S.  690, Z.  17–20). Zu Augustins Verteidigung der typologischen Deutung der Jonageschichte s. auch Abschnitt 4.5.4 mit Anm.  579. 69 Vgl. Drecoll/Kudella, Augustin, S.  4 4–52.129–131.152–154. 70  Vgl. Decret, Art. Faustum, Sp.  1249 f.; Wurst, Werke, S.  314 f. 71 Auch in ciu. XIII 21 werden die Vertreter dieser von Augustin kritisierten Position nicht mit Namen genannt. Es ergibt sich aber aus dem Kontext, dass hier in erster Linie Origenes (vgl. Princ. IV 3,1) sowie die von ihm herkommende allegorische Schriftauslegung der sogenannten alexandrinischen Schule gemeint ist. 72  „unde nonnulli totum ipsum paradisum, ubi primi homines parentes generis humani

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hangs zwischen Weissagung und Erfüllung ist es aber von eminenter Bedeutung, dass die in den alttestamentlichen Schriften beschriebenen Ereignisse tatsächlich so stattgefunden haben, gerade wenn ihnen ein über das Alte Testament hinausgehender, sich auf Christus und die ciuitas dei richtender Sinn zukommen soll.73 Nur dann kann etwas zu einem signum werden, wenn es real (als res) existiert. Das Schema res  -   signum ist ein Grundpfeiler der augustinischen Erkenntnistheorie und auch seiner Schrifthermeneutik. Von dieser gibt der erste Teil seines Werkes doctr. chr. Auskunft,74 der in mehrerlei Hinsicht als gedankliche Vorbereitung von ciu. angesehen werden kann. Augustin führt in ciu. XIII 21 noch weitere Beispiele für Gegebenheiten des Alten Testaments an, die es in der Realität gab und die zugleich auch einen prophetischen Sinn in sich tragen: Hagar und Sarah und ihre Söhne (vgl. Gal 4,21–31),75 oder der Fels, aus dem Mose mit seinem Stab Wasser schlug (Ex 17,6; Num 20,11) und der auf Christus verweist (1Kor 10,4).76 Schließlich, womit Augustin auf seine Ausgangsfrage von ciu. XIII 21 zurückkommt, verweise auch das Paradies mit seinen vier Paradiesströmen, den fruchttragenden Bäumen, dem Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis prophetisch auf die Kirche, die vier Kardinaltugenden und die vier Evangelien, die Heiligen und deren Werke, auf Christus und auf die Erfahrung der Gesetzesübertretung bzw. den menschlichen freien Willen.77 Aber nur deshalb können diese Bestandteile des Paradieses als signa im allegorischen Sinne auf „übersinnliche Dinge“ (intellegibilia) hin verstanden werden, da sie eben gemäß der biblischen Schilderungen als res, als „sichtbare und körperliche Dinge“ (uisibilia et corporalia) tatsächlich existiert haben.78 sanctae scripturae ueritate fuisse narrantur, ad intellegibilia referunt arboresque illas et ligna fructifera in uirtutes uitae moresque conuertunt; tamquam uisibilia et corporalia illa non fuerint, sed intellegibilium significandorum causa eo modo dicta uel scripta sint.“ (ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  1–6) 73  Vgl. zu diesem Grundgedanken, der sich bei Augustin bereits in seiner Auseinandersetzung mit den Manichäern verfestigte, C. P. Mayer, Zeichen 2, S.  189–193. 74  Vgl. dazu den mit der Überschrift „Das theoretische Gerüst der augustinischen Hermeneutik“ versehenen Abschnitt (in: C. P. Mayer, Prinzipien, S.  72–75), in dem das Schema res  -  signum als eine der zentralen Stützen der augustinischen Bibelhermeneutik beschrieben wird (vgl. auch ders., Zeichen 2, S.  174–176.194–198). Zur Entstehung von doctr. chr. in zwei Etappen (doctr. chr. 1 – 3,35; 3,36 – 4) vgl. Pollmann, Art. Doctrina, Sp.  553. 75 Vgl. ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  6 –11. 76 Vgl. ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  11–13. 77 Vgl. ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  13–28. 78 Vgl. ciu. XIII 21, S.  4 04, Z.  36–39. In ciu. XIV 11 findet sich eine erneute Verteidigung des Paradieses sowohl als geistiger, als auch als realer Größe, wenn Augustin schreibt: „uiuebat itaque homo secundum deum in paradiso et corporali et spiritali. neque enim erat paradisus corporalis propter corporis bona et propter mentis non erat spiritalis; aut uero erat spiritalis quo per interiores et non erat corporalis quo per exteriores sensus homo frueretur.“ (ciu. XIII 21, S.  432, Z.  48–52) Von dieser Grundüberzeugung ist auch Gn. litt. geprägt, wie es sich u. a. in Gn. litt. 1,1,1, S.  3, Z.  7–16; 8,1,1, S.  229, Z.  2 –21; 8,2,5, S.  232, Z.  11 – S.  233, Z.  23 zeigt (vgl. Teske, Art. Genesi, Sp.  115 f.).

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Vertreter der vierten, im letzten Satz von ciu. XVII 3 implizit vorausgesetzten Position, derzufolge das gesamte Alte Testament oder zumindest Teile daraus unnütz seien, da sie weder einen historischen Anhalt noch einen allegorischen Sinn hätten, werden wohl entweder (wenn es um das gesamte Alte Testament geht) in christentumskritischen Kreisen etwa von paganen, mythenkritischen Philosophen oder aber bei christlichen Auslegern zu suchen sein, die einzelne Aspekte der alttestamentlichen Erzählungen für historisch unglaubwürdig hielten und in ihnen auch keinen höheren Sinn erkennen konnten. Hier wird eher nicht an Porphyrios zu denken sein, der zwar (christliche) allegorische Interpretationen des Alten Testaments ablehnte, die Religion der Hebräer und jüdische Traditionen aber durchaus schätzen konnte.79 Anders verhält es sich da etwa bei Kelsos, der sich im Rahmen seiner Kritik am Christentum auch deutlich gegen die Inhalte alttestamentlicher Texte (insbesondere in der Version der Septuaginta) und das Judentum als solches wendete.80 Mit der nur in ciu. XV 27, nicht aber in XVII 3 begegnenden ‚fünften Position‘, nach der die Ereignisse des Alten Testaments historisch sind und auch einen höheren Sinn enthalten, aber eben nicht auf die Kirche zu beziehen seien, werden Augustin vermutlich jüdische Schriftausleger vor Augen gestanden haben, die, wie es etwa Philo von Alexandrien tat, von der Historizität der biblischen Erzählungen ausgingen und sich auch der allegorischen Exgese bedienten, letztere aber eben gerade nicht dazu führte, dass sie die Weissagungen und Ereignisse der alttestamentlichen Schriften auf Christus und die Kirche hin verstanden.81 Möglich ist auch hier, an diejenigen Manichäer zu denken, die Schrif79 Vgl.

Beatrice, Art. Porphyrius, S.  56; Cook, Interpretation, S.  150 f. Cook, a. a. O., S.  55–58. Nach seinen eingehenden, v. a. auf den Kelsos-Zitaten in Origenes’ Werk c. Cels. fußenden Analysen urteilt John Granger Cook: „Celsus shows no admiration for any part of the OT. It comprises a number of myths that have no allegorical meaning. He devotes a great deal of attention to the creation account of Genesis, which he believes is nonsense.“ (a. a. O., S.  148) 81  Diese Beurteilung jüdischer Schriftauslegung im Allgemeinen und derjenigen Philos durch Augustin, die sich mit einer hohen Wertschätzung der Gelehrsamkeit und der philologischen Arbeit des Alexandriners verband, zeigt sich etwa in c. Faust. 12,39, S.  365, Z.  19 – S.  366, Z.  4. Hier beruft sich Augustin auf das Wort des Paulus in 2Kor 3,16: „Wenn du [sc. das Volk Israel] dich zum Herrn bekehren wirst, wird der Schleier weggenommen werden.“ / „cum transieris ad dominum, auferetur uelamen“ (2Kor 3,16 nach c. Faust. 12,39, S.  366, Z.  4). Die Überzeugung Augustins war es, dass dem am Ende der Zeit lebenden Judentum durch den wiedergekehrten Elia der (christologische) Sinn der heiligen Schriften eröffnet werden wird (s. vgl. ciu. XX 29, S.  752, Z.  4 – S.  753, Z.  40; s. dazu Abschnitt 6.2.1). Einerseits weiß sich Augustin mit Hieronymus in der Anerkennung der gelehrten Arbeit Philos einig. Andererseits beurteilt er Philo als einen typischen Vertreter des aus seiner Sicht in die Irre gehenden jüdischen Schriftverständnisses, da ihm der Glaube an Christus fehle (vgl. Altaner, Philo, S.  184–186.190; Runia, Art. Philo, Sp.  716 f.). An Augustins Auseinandersetzung mit der allegorischen Auslegung der Archeerzählung durch Philo in c. Faust. 12,39 und ciu. XV 26 wird dessen Bewertung der zwar im methodischen Ansatz (allegoria / figura) richtigen, im Ergebnis aber, da ohne Christusglauben durchgeführt, nicht zum eigent80 Vgl.

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ten des Alten Testaments zwar allegorisch, aber eben nicht christologisch bzw. ekklesiologisch auslegten.82 Mit seiner Dreiteilung der alttestamentlichen Weissagungen stellt Augustin sich selbst und anderen Auslegern der heiligen Schriften, die er gemäß seinen Äußerungen über die aus seiner Sicht richtige Herangehensweise bei der Interpretation der Bibel immer auch im Blick hat, ein wichtiges hermeneutisches Instrument zur Verfügung. Die Auslegung der Bibel hält er für eine unabgeschlossene und sich immer wieder neu stellende Aufgabe, weshalb er an verschiedenen Stellen eine Offenheit gegenüber anderen, bereits vorhandenen oder noch nach seiner Zeit zu erwartenden Auslegungen der heiligen Schriften zeigt. Augustins Hermeneutik basiert auf der grundsätzlichen Annahme, dass die biblischen Erzählungen sowohl historisch als auch allegorisch (oder typologisch) verstanden werden können, dass sie aber, wenn sie allegorisch ausgelegt werden sollen, auf einer real abgelaufenen Geschichte (ueritas historiae) basieren müssen. Denn nur dann kann man von einer göttlichen Weissagung ausgehen, wenn diese entweder in Form einer Gottesrede oder eines Prophetenspruchs oder schließlich auch in Gestalt eines geschichtlichen Ereignisses (man nehme als Beispiel die Konstruktion, die Einrichtung und die Fahrt der Arche Noah durch die Sintflut)83 real erfolgt ist. Ein Hauptbeweggrund Augustins für seine Verteidigung der Historizität bzw. der Faktizität des im Alten Testament Überlieferten besteht eben gerade in diesem für ihn untrennbaren Zusammenhang von auf tatsächlich geschehenen Ereignissen beruhenden Weissagungen im Alten und der Erfüllung derselben im Neuen Testament (bzw. der Hoffnung auf die eschatologische Erfüllung noch ausstehender Verheißungen). Im Hintergrund steht hier nicht nur die für seine Bibelhermeneutik wichtige Verhältnisbestimmung von res und signum, sondern auch sein theologisches Verständnis einer ‚Heilsgeschichte‘ Gottes mit den Menschen. Nur als real geschehen verbürgen Gottesreden durch den Heiligen Geist inspirierte Aussagen von Propheten oder bestimmte durch göttliches Eingreifen in die Welt hervorgerufene und in der Bibel geschilderte Ereignisse die Zuverlässigkeit dessen, was Gott den auf der Erde pilgernden Bürgern der ciuitas dei über das künftige Heil mitteilen will.

lichen Sinn der heiligen Schriften führenden Exegese Philos deutlich (s. dazu Abschnitt 2.1.2). 82 Berthold Altaner zieht eine interessante Parallele zwischen der Exegese Philos und derjenigen des Manichäers Faustus in der Sicht Augustins, insofern beide „jede christlich-messianische Auslegung des Alten Testaments“ ablehnten (a. a. O., S.  190). Vor diesem Hintergrund leuchtet auch ein, warum Augustins Beurteilung Philos in c. Faust. 12,39 gerade in dieser Schrift begegnet. 83 In ciu. XV 27 betreibt Augustin einigen Aufwand, um die Historizität der Archeerzählung, die anscheinend umstritten war, nachzuweisen (vgl. dazu Abschnitt 2.1.1).

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4.1.4 Der Lobgesang der Hanna und sein prophetischer Sinn Obwohl erst mit der Verwerfung Sauls und der Begründung der Herrschaft Davids das vierte Weltzeitalter beginnt, werden schon unmittelbar zuvor ergangene Weissagungen, mit denen das tempus prophetarum seinen Anfang nimmt, auf eben diesen für Augustin so bedeutsamen Herrschaftswechsel bezogen: Ähnlich wie bereits bei Abraham84 ist Augustin auch hier der Meinung, dass mit David die auf die ciuitas dei sich richtenden Weissagungen noch einmal deutlicher zum Ausdruck kommen. Es wird also in gewisser Hinsicht ein stufenweise sich vollziehender (Erkenntnis-)Fortschritt innerhalb der Geschichte der ciuitas dei vorausgesetzt, wenn Augustin schreibt: Mit dem Herrschaftsantritt Davids und der durch ihn begründeten lange andauernden Dynastie der davidischen Herrscher hat sich [durch Gottes Wirken] ein vorbildliches Geschehnis zugetragen, über das wir nicht mit Stillschweigen hinweggehen dürfen, ein Ereignis, das etwas bedeutete und ankündigte, von dem Wechsel zukünftiger Dinge, was die beiden Bundesschlüsse (testamenta), den Alten und den Neuen, betrifft: wo sich das Priestertum und das Königtum gewandelt hat durch den, der zugleich neuer und immerwährender Priester und König ist, der da ist Christus Jesus.85

Um den Beginn des vierten Weltzeitalters finden also durch Gottes Eingreifen in die Geschichte zwei „Wechsel“ (mutationes) statt, die einen prophetischen Sinn in sich tragen. Zunächst wird Eli, der als Priester in der Stiftshütte in Silo wirkte (vgl. 1Sam 1,3.9), verworfen – nach biblischer Darstellung haben nämlich dessen ebenfalls als Priester tätigen Söhne Hophni und Pinehas Opfergaben von Pilgern für eigene Zwecke missbraucht (vgl. 1Sam 1,3; 2,12–17.22–25), was ihr Vater Eli zwar missbilligte, aber nicht unterbinden konnte (vgl. 1Sam 2,22– 25). Dieses gotteslästerliche Verhalten führt dazu, dass Eli durch einen Mann Gottes die nahezu vollständige Ausrottung seines Geschlechts durch ein göttliches Gericht prophezeit wird (vgl. 1Sam 2,27–36) – eine Weissagung, die noch einmal etwas später von JHWH an Samuel ergeht, als dieser sich nachts im Tempel auf hält (vgl. 1Sam 3,11–14).86 Samuel, traditionell in erster Linie als Prophet angesehen, wurde nach 1Sam 1–3 in seiner Kindheit und Jugendzeit bei Eli in Silo zum Priester ausgebildet und trat in späterer Zeit auch in der Funk84 Vgl.

ciu. XVI 12, S.  515, Z.  1–4. igitur ciuitatis dei ubi peruenit ad regnum tempora, quando Dauid Saule reprobato ita regnum primus obtinuit, ut eius deinde posteri in terrena Hierusalem diuturna successione regnarent, dedit figuram, re gesta significans atque praenuntians, quod non est praetereundum silentio, de rerum mutatione futurarum, quod adtinet ad duo testamenta, uetus et nouum, ubi sacerdotium regnumque mutatum est per sacerdotem eundemque regem nouum ac sempiternum, qui est Christus Iesus.“ (ciu. XVII 4, S.  554, Z.  1 – S.  555, Z.  9) In ähnlicher Weise hatte Augustin bereits in seiner Schrift gegen den Manichäer Faustus den Wechsel von Eli zu Samuel bzw. von Saul zu David mit dem neuen Priester- und Königtum Christi ins Verhältnis gesetzt (vgl. c. Faust. 12,33, S.  361, Z.  1–13). 86  Vgl. dazu R. Müller, Art. Eli / E liden. 85  „procursus

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tion eines Richters auf (vgl. 1Sam 7,15–17; 8; 10,17–27). Augustin deutet die geschichtlichen Ereignisse um Eli und Samuel nun so, dass Eli von Gott „verworfen“ (reprobare) und durch Samuel, „der im Dienste Gottes zugleich das Priester- als auch das Richteramt verwaltete“, „ersetzt“ (substituere) wurde.87 Einige Zeit danach findet dann analog zu diesem Wechsel im Priester- und Richteramt der Übergang des Königtums von Saul zu David statt. Auch Saul wurde nämlich aufgrund seiner Missetaten von Gott verworfen bzw. „verstoßen“ (abicere), bevor mit David das „Königtum sicher begründet“ werden konnte.88 Mit David nimmt auch das Geschlecht der davidischen Könige seinen Anfang, aus dem nach dem Zeugnis mehrerer neutestamentlicher Schriften Jesus selbst abstammt (vgl. Röm 1,3; Mt 1,1; Lk 1,27.32 f.69; 2,4; Apg 13,22 f.; 2Tim 2,8; Off b 5,5; 22,16). Vor dem Hintergrund der inneren Dynamik der Weltzeitalter könnte man mit ciu. XVII 4 argumentieren, dass das vierte Weltzeitalter einen doppelten Anfang, einen doppelten Neubeginn Gottes mit der ciuitas dei hat: Zum einen lässt er mit Samuel einen moralisch integeren Mann auftreten, der das Propheten-, Priester- und Richteramt in vorbildlicher Weise versieht und das bis zum Auftreten Christi währende tempus prophetarum einleitet. Zum anderen lässt er wenig später durch eben diesen Samuel den ebenfalls prophetisch begabten David zum König des Volkes Israel salben, der zusammen mit seinem Sohn Salomo den glorreichen Beginn dieses Königreiches in seiner größten territorialen Ausdehnung und mit Jerusalem als politischem und kultischem Zentrum markiert. Zur Stützung seiner These, dass im doppelten ‚Amtswechsel‘ sowohl im Priester- und Richteramt von Eli zu Samuel als auch im Königsamt von Saul zu David der Wechsel vom Alten zum Neuen Bund in Gestalt von Jesus Christus angekündigt wird, der in den neutestamentlichen Zeugnissen und den frühchristlichen Traditionen sowohl als Priester und Richter als auch als König (und als Prophet) angesehen und verehrt wird, führt Augustin in ciu. XVII 4 den sogenannten Lobgesang der Hanna (1Sam 2,1–10) und in ciu. XVII 5 das an Eli durch einen Gottesmann ergangene Prophetenwort (vgl. 1Sam 2,27–36) an. Diesen Gedankengang abschließend kommt er in ciu. XVII 6 auf das Verhältnis zwischen dem Priestertum bzw. dem Königtum in der Geschichte des irdischen Volkes Israel und dem ‚ewigen Priestertum‘ bzw. dem ‚ewigen Königtum‘ zu sprechen,89 das sich erst in Christus erfüllt hat. 87  „nam et Heli sacerdote reprobato substitutus in dei seruitium Samuel simul officium functus sacerdotis et iudicis“ (ciu. XVII 4, S.  555, Z.  9 –11). 88  „et Saule abiecto rex Dauid fundatus in regno hoc quod dico figurauerunt.“ (ciu. XVII 4, S.  555, Z.  11 f.) In seinen Psalmenauslegungen schreibt Augustin, dass in Saul das „böse Reich“ (regnum malum), in David dagegen das „gute Reich“ (regnum bonum) vorausgebildet würde, was sodann auch auf die Herrschaft des Satans und deren Beendigung durch das ewige Friedensreich Christi übertragen wird (vgl. en. Ps. 51,1, S.  623, Z.  31 – S.  624, Z.  43; s. dazu Dulaey, L’histoire [III], S.  198). 89  Vgl. u. a. ciu. XVII 6, S.  566, Z.  18–20.

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In ciu. XVII 4 legt Augustin ausführlich den Lobgesang der Hanna aus, den sie aus Dankbarkeit über die prophetisch verheißene Geburt ihres Sohnes Samuel anstimmt. Zu beachten ist hierbei, dass Augustin bei seiner Rezeption des Hymnus aus 1Sam 2,1–10, der an keiner anderen Stelle im literarischen Werk Augustins zitiert wird, vom Text der Septuaginta ausgeht, in der der zehnte Vers noch durch Worte aus dem Buch des Propheten Jeremia erweitert wird ( Jer 9,22 f.).90 Es fällt ferner auf, dass Augustin, obwohl er sich in ciu. XVII 4 intensiv um die Ergründung des prophetischen Sinns des Lobgesangs der Hanna bemüht, auf die Parallelen zwischen diesem und dem Magnificat der Maria (Lk 1,46–55) nicht weiter eingeht.91 Die in 1Sam 2,1–10 enthaltenen prophetischen Worte werden von Augustin im Sinne seiner dritten Kategorie von Weissagungen verstanden: Sie haben sich zum einen in der Geschichte des irdischen Volkes Israel, nämlich in der Person Samuels erfüllt; sie haben sich aber ferner – und für Augustin weit wichtiger – in Christus erfüllt (bzw. ihre endgültige Erfüllung in ihm steht noch eschatologisch aus). Wer 1Sam 2,1–10 im „Licht der Wahrheit“ (lux ueritatis)92 liest, der erkennt nämlich, dass es hier nicht um irgendein „Weiblein“ (muliercula) geht, „das sich zur Geburt eines Sohnes beglückwünscht“,93 sondern dass durch diese Frau Hanna die „christliche Religion“ (religio christiana),94 d. h. die ciuitas dei, selber gesprochen hat. Zur Stützung dieser Auffassung zieht Augustin auch die mit dem Namen Hanna verbundene Etymologie heran. Hanna bedeute nämlich „seine Gnade“ (gratia eius)95. „Seine Gnade“, d. h. die Gnade Gottes, habe im prophetischen Geist durch Hanna gesprochen. Augustin argumentiert hier 90  Augustin scheint dieser Umstand der sekundären Erweiterung in der Septuaginta nicht bewusst gewesen zu sein, wenn er in ciu. XVII 4 seine Auslegung des Lobgesangs der Hanna nahtlos in die Auslegung von Jer 9,22 f. übergehen lässt, um am Ende wieder zu 1Sam 2,10 zurückzukehren. 91  Gustave Bardy ist der Meinung, dass der Bezug dieser beiden Texte zueinander dem modernen Leser selbstverständlich geworden ist, was bei Augustin aber nicht vorausgesetzt werden kann. Tatsächlich handele es sich vor allem um textliche Parallelen („analogies littéraires“) innerhalb des Gesangs, die Situation beider Frauen und die Geburt ihrer jeweiligen Söhne dagegen sei kaum zu vergleichen (Bardy, Le commentaire, S.  734; konträr dazu: Keys, Pride, S.  189). 92 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  42. 93  „itane uero uerba haec unius putabuntur esse mulierculae, de nato sibi filio gratulantis?“ (ciu. XVII 4, S.  556, Z.  4 0 f.) 94 Vgl. ciu. XVII 4, S.   556, Z.  47. Vgl. zur traditionsgeschichtlichen Einordung dieser Deutung Hannas Reemts, Gestalten, S.  19 f. 95 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  4 6 f. Auch diese Etymologie findet sich so bei Hieronymus (Nom. hebr. I Reg. A, S.  102, Z.  11: „Anna gratia eius.“). Die Grundlage dafür ist in der morphologischen Nähe des hebräischen Namens ‫ ַח ָּנה‬zum Nomen ‫( ֵחן‬dt.: Geneigtheit, Gunst, Gnade) bzw. zur Verbalwurzel ‫( חנן‬dt.: jemandem geneigt, gnädig sein) zu sehen. Griechische Interpreten scheinen die an ‫ ֵחן‬gehängte Endung (die im Hebräischen wohl eine hypokoristische Endung darstellt; vgl. Rechenmacher, Personennamen, S.  119.149.204) offenbar als Possessivsuffix verstanden zu haben; jedenfalls begegnet in etlichen griechischen Onomastica, etwa der Origenesgruppe, Ἄννα χάρις αὐτῆς (vgl. dazu Wutz, Onomastica, S.  106 f.).

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vehement gegen eine Ansicht, nach der im Lobgesang Hannas lediglich die Freude einer bis dato unfruchtbaren Mutter über die Geburt ihres von Gott erbetenen Sohnes und der an Gott gerichtete Dank für diese Geburt zum Ausdruck komme, dieser Hymnus aber keinen prophetischen Sinn in sich trage. Ein Argument dafür, dass der Lobgesang Hannas prophetisch verstanden werden muss, sieht Augustin in 1Sam 2,5: Hier wird im Perfekt davon gesprochen, dass die Unfruchtbare sieben Kinder „geboren hat“ (peperit).96 Diese Aussage könne sich im historischen Sinn auf Hanna weder zum Zeitpunkt des Lobgesangs beziehen, da sie ja zu dieser Zeit nur den einen Sohn Samuel geboren hat, noch könne es sich um eine Weissagung ihrer zu späterer Zeit geborenenen Nachkommen handeln, da sie ja nach 1Sam 2,21 neben Samuel nur fünf weitere, also insgesamt sechs (und nicht sieben) Kinder geboren hat.97 Die ‚sieben Kinder der Unfruchtbaren‘ in 1Sam 2,5 müssen daher als prophetische Weissagung verstanden werden, die sich auf die ciuitas dei bezieht. Als weiteres Argument für den prophetischen Charakter des Hymnus bemüht Augustin dessen letzten Vers (1Sam 2,10), der in der Version der Septuaginta die Existenz von Königen,98 die von Gott gesalbt werden sollen, voraussetzt: Zur Zeit der Geburt Samuels gab es allerdings noch kein Königtum in Israel, weshalb 1Sam 2,10 als eine auf die Zukunft hin ausgerichtete Aussage verstanden werden muss.99 Die geschichtliche Realität der Anzahl der Kinder Hannas sowie des zu ihrer Zeit noch nicht existenten israelitischen Königtums spricht also gegen ein wörtliches und für ein prophetisches Verständnis von 1Sam 2,5 und 2,10. Streng genommen und die Annahme voraussetzend, dass ciu. XVII das tempus prophetarum zum Inhalt hat, müsste eigentlich die Prophetin Hanna,100 und nicht ihr Sohn Samuel, den Anfang dieses tempus prophetarum bilden, denn ihr Lobgesang ist die erste prophetische Weissagung, der sich Augustin nach seinen generellen hermeneutischen Überlegungen zur alttestamentlichen Prophetie und ihrer Erfüllung in den Weltzeitaltern (ciu. XVII 1–3) intensiv zuwendet. Weiß er doch auch, dass schon vor Samuel Menschen mit prophetischer Gabe aufgetreten sind.101 Gleichwohl lässt Augustin das „Zeitalter der Propheten“ mit Samuel beginnen. Die Kernaussage des Lobgesangs erkennt Augustin darin, dass die „Hochmütigen“ (superbi), d. h. die Glieder der ciuitas terrena, der Gnade Gottes „entfremdet werden“ (alienari) und „zu Fall kommen“ (cadere), während sich die „Demütigen“ (humiles) von ihr erfüllen lassen und sich daher „erheben“ (surgere), d. h. von Gott erhöht werden.102 Zum Teil habe sich diese und die mit ihr zusam96 „quia sterilis peperit septem, et multa in filiis infirmata est.“ (1Sam 2,5 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  26 f. bzw. S.  556, Z.  57 f.) 97 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  54–61. 98  Im Unterschied zum MT ist in der LXX von Königen im Plural die Rede. 99 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  61–63. 100 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  51 f.; so auch Piret, La destinée, S.  2 69. 101 Vgl. ciu. XVII 1, S.  551, Z.  2 0–24. 102  „ipsam postremo dei gratiam prophetico spiritu sic locutam, a qua superbi alienantur,

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menhängenden Weissagungen aus dem Lobgesang Hannas bereits in der irdischen Pilgerschaft der Glieder der ciuitas dei erfüllt, zum Teil steht deren Erfüllung aber noch aus.103 Die ausführlichen Auslegungen der Einzelaussagen des Hymnus, die in dem außergewöhnlich langen Kapitel ciu. XVII 4 im Stil einer Allegorese vorgenommen und mit weiteren Schriftbelegen aus dem Neuen und dem Alten Testament gestützt werden, lassen sich wie folgt zusammenfassen. Durch Hanna spricht in 1Sam 2,1–10 nach Augustin die Kirche Christi, die ciuitas (dei), die er als König beherrscht.104 Die Kirche, und nicht Hanna selbst, ist diejenige, die „reich an Nachkommen“ (prole fecunda)105 ist. Damit ist implizit die kurz zuvor offen gebliebene Frage beantwortet, wem wenn nicht Hanna die Verheißung in 1Sam 2,5 gilt, sieben Kinder geboren zu haben.106 In den in 1Sam 2,1 angesprochenen „Feinden“ (inimici), vor denen sich der Mund der Lobenden (und damit nach Augustin: der ecclesia) öffnet, sieht Augustin die Verfolgungen der Kirche vorweggenommen, die sie aber nicht daran hindern können, das Wort Gottes weiter zu verkündigen, weil sie sich in „deinem Heil freut“ (1Sam 2,1).107 Gemeint sei hier Jesus Christus, dessen heilvoller Gegenwart sich die Kirche erfreuen soll, was Augustin mit dem Wort des greisen Siut cadant, qua humiles implentur, ut surgant, quod maxime hymnus iste personuit?“ (ciu. XVII 4, S.  556, Z.  48–51) Zu beachten ist hier die passivische Verwendung von alienare zur Beschreibung des Ausschließens der Hochmütigen aus der ciuitas dei (vgl. C. P. Mayer, Art. Alienatio, Sp.  232). Oftmals werden mit superbi bei Augustin die Platoniker bezeichnet. Für Augustin zeigt sich der Hochmut der Platoniker in deren Optimismus im Hinblick auf die menschliche Erkenntnis sowie die vermeintliche Fähigkeit des Menschen, selbst das Heil zu erlangen. Dies machte die platonici für ihn zu hervorragenden Repräsentanten der paganen superbia (vgl. conf. 7,13, S.  101, Z.  1–8; uera rel. 7, S.  192, Z.  20 – S.  193, Z.  30; s. dazu Erler, Art. Plato, Sp.  758). Allerdings kann Augustin etwa auch Pelagianer als „Söhne der Hochmut“ ( filii superbiae) bezeichnen (vgl. c. ep. Pel. 2,11, S.  470, Z.  18 f.; s. dazu Lössl, Art. Superbia, Sp.  601 f.). Die Identifizierung der superbi mit einer solch spezifischen Gruppe ist in ciu. XVII 4 wohl nicht vorauszusetzen, da Augustin die superbia in ciu. als ein Charakteristikum aller Bürger der ciuitas terrena versteht, was sich u. a. an seiner Deutung Kains als deren Archetyp in ciu. XIV 13, S.  434, Z.  1–10 zeigt (s. dazu Abschnitt 1.2.4). 103 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  43 f. Christina Reemts zufolge war Augustin der Meinung, „dass im Lied der Hanna, in dem die Umstürzung aller irdischen Werte und Ordnungen angekündigt wird, die gesamte Heilsgeschichte vorausgesagt ist“ (Reemts, Gestalten, S.  30). Tatsächlich geht es Augustin (vielleicht auch in Spannung zur ursprünglichen Aussageintention des Lobgesangs der Hanna) aber weniger um eine Umstürzung irdischer Ordnungen – der heilsgeschichtliche Sammlungsprozess der ciuitas dei kulminiert vielmehr in einer Trennung beider ciuitates und dem jeweils für sie vorgesehenen Schicksal: der ewigen Pein bzw. der ewigen Seligkeit. Letztere erleben die Glieder der ciuitas dei aber gerade nicht als Ergebnis einer Umstürzung irdischer Werte und Ordnungen, sondern in der von allem Irdischen gelösten himmlischen Stadt Jerusalem. 104 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  65–67. 105 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  6 6. 106  Hier begegnet, wie an mehreren Stellen innerhalb von ciu., das Motiv der mater ecclesia, der Kirche als Mutter (vgl. dazu u. a. Abschnitt 3.2.6). 107 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  70–73.

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meon belegt,108 das dieser laut Lk 2,29–32 bei der Darstellung Jesu im Tempel gesprochen habe. Vers 2 des Hymnus, „Denn es gibt keinen, der heilig ist wie der Herr, und keinen, der gerecht ist wie unser Gott; niemand ist heilig außer dir“,109 wird zusammen mit dem dritten Vers, „Ihr sollt euch nicht rühmen und sollt keine hohen Reden führen, auch gehe keine Prahlerei aus eurem Mund hervor“,110 als Frontstellung gegen diejenigen verstanden, die versuchen, ihren Ruhm in sich selbst, nicht aber in Gott zu suchen; denn nur durch Gottes Gerechtigkeit kann man gerecht werden und nur durch seine Heiligkeit kann man heilig werden.111 Als Exponenten einer verfehlten Haltung gegenüber Gott nennt Augustin zum einen die „zu Babylon gehörenden Gegner der Gottesstadt“ (aduersarii ciuitatis dei ad Babyloniam pertinentes)112 , die auf ihre eigene Kraft bauen und abseits von Gott Ruhm suchen, zum anderen die „fleischlich gesinnten Israeliten“ (carnales Israelitae)113, die – nach dem Verständnis des Paulus in Röm 10,3 – von der Art der göttlichen Gerechtigkeit, die eine gnadenhaft gewährte Gerechtigkeit ist, nichts wissen, da sie in hochmütiger Weise meinen, aus eigener Kraft gerecht und gottgefällig sein zu können.114 Innerhalb dieses Gedankengangs führt Augustin noch 1Sam 2,3b an, wo Gott als Allwissender gepriesen wird. Augustin ist der Auffassung, dass Gott als allwissender „Richter der Gewissen“ (arbiter conscientiarum)115 nur diejenigen Gedanken der Menschen gutheißen kann, die von ihm selbst stammen. Dagegen sind alle von Gottes Willen unabhängigen Gedanken der Menschen nichtig.116 Eng zusammen zieht Augustin das Ende von 1Sam 2,3, „Und ein Gott, der seine Pläne vorbereitet“,117 und Vers 4: „Den Bogen der Mächtigen hat er erschlaffen lassen, und die Schwachen sind mit Kraft umgürtet worden.“118 Der „Plan“ bzw. die „Ab108 Vgl.

ciu. XVII 4, S.  556, Z.  72 – S.  557, Z.  76. non est sanctus sicut dominus, et non est iustus sicut deus noster; non est sanctus praeter te.“ (1Sam 2,2 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  19–21 bzw. S.  557, Z.  77 f.) 110 „nolite gloriari et nolite loqui excelsa, neque procedat magniloquium de ore uestro.“ (1Sam 2,3 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  21 f. bzw. S.  557, Z.  80 f.) Die zweite angegebene Belegstelle liest statt „procedat“ (es gehe hervor) „exeat“ (es gehe heraus), was aber inhaltlich kaum einen Unterschied macht. 111 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  78 f. 112 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  8 4 f. Als neutestamentlichen Beleg für den menschlichen Selbstruhm zitiert Augustin Gal 6,3. 113 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  86. 114 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  86–92. 115 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  93. 116 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  9 2–95. 117 „et deus praeparans adinuentiones suas“ (1Sam 10,3 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  2 3 bzw. S.  557, Z.  95 f.). 118 „arcum potentium fecit infirmum, et infirmes praecincti sunt uirtutem“ (1Sam 10,4 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  23 f.). Die später in ciu. XVII 4 zitierte Variante des Verses unterscheidet sich grammatikalisch von der zuerst zitierten: „arcus potentium infirmatus est, et infirmi praecincti sunt uirtute.“ (ciu. XVII 4, S.  557, Z.  98) In der ersten Variante erscheint Gott als handelndes 109 „quoniam

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sicht“ (adinuentio) Gottes bestehe nämlich eben zum einen darin, dass diejenigen in ihrem Streben schlaff werden, die aus eigener Kraft und „ohne Gottes Gabe und (seine) Unterstützung“ (sine dei dono atque adiutorio) die göttlichen Gebote meinen erfüllen zu können, und zum anderen, dass diejenigen gestärkt werden, die sich mit Ps 6,3 ihre eigene menschliche Schwäche gegenüber Gott eingestehen können.119 Augustin zufolge sind mit den Mächtigen in 1Sam 2,4 von den beiden zuvor genannten Gruppen, gegen die sich der Hymnus richtet, die gesetzestreuen, aber nicht christusgläubigen Juden und nicht die zu Babylon gehörenden Glieder der ciuitas terrena gemeint, da Erstere im Unterschied zu Letzteren ja versuchen, die Gebote Gottes zu befolgen, jedoch daran scheitern, dass sie den göttlichen Beitrag bzw. die göttliche Ermöglichung der guten Werke durch Christus nicht anerkennen wollen und sich stattdessen auf ihre eigene, insuffiziente menschliche Kraft verlassen. Eine ähnliche Stoßrichtung gegen das irdische Volk Israel wird auch aus Vers 5a des Hanna-Psalms entnommen, wo es heißt: „Die, die reich an Broten waren, sind klein gemacht worden, und die, die gehungert haben, haben die Erde überwunden.“120 Das Brot wird hier als Metapher für die göttlichen Aussprüche (eloquia dei) verstanden.121 An das Volk Israel seien nämlich im Unterschied zu den anderen Völkern und insofern in privilegierter Weise Aussprüche Gottes ergangen,122 es habe aber an diesen Aussprüchen Gottes, dem Brot, nur auf irdische Weise Geschmack gefunden.123 Im Unterschied dazu haben die „Völker“ (gentes), denen die Aussprüche Gottes zunächst verwehrt worden waren und die insofern ‚gehungert‘ hatten, „das Brot himmlisch, nicht irdisch verkostet“.124 Die Folge des lediglich irdischen Genießens des ‚Brotes‘ (d. h. der Worte Gottes) führt dazu, dass das irdische Volk Israel „klein gemacht“ (minoratum esse) wird, während die zuvor Hungernden aufgrund des „Neuen Bundes“ nun durch das himmlische Verkosten des Subjekt, der den Bogen der Mächtigen erschlaffen lässt und die Schwachen mit Kraft umgürtet. Nach der zweiten Variante fehlt durch die passivischen Formulierungen dieses Subjekt, doch ist es auch hier – im Sinne eines Passivum divinum – vorauszusetzen. 119 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  9 9–103. 120 „pleni panibus minorati sunt, et esurientes transierunt terram.“ (1Sam 2,5a nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  25 f. bzw. S.  557, Z.  104 f.) 121 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  105–107. 122  Den Empfang der göttlichen Worte versteht auch Paulus in Röm 3,2 als Vorzug der Juden. 123 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  107–111. 124  „gentes autem, quibus lex illa non erat data, postea quam per nouum testamentum ad eloquia illa uenerunt, multum esuriendo terram transierunt, quia in eis non terrena, sed cae­ lestia sapuerunt.“ (ciu. XVII 4, S.  557, Z.  111–114) Einen gedanklichen Hintergrund dieser Auslegung von 1Sam 2,5a bildet möglicherweise die Perikope Joh 6,26–59. Hier ist vom Manna die Rede, das die Väter in der Wüste erhielten, dem wiederum das von Gott kommende „wahre Brot aus dem Himmel“ (panis de caelo verus; Joh 6,32 BSVC[S]) entgegengestellt wird, das letztlich Jesus Christus selbst ist (V. 35) und das die, die es annehmnen, nie wieder hungern oder dürsten lässt.

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‚Brotes‘ die „Erde überwinden“ (transire terram) können. Das transitus-Motiv in Verbindung mit der Verkostung des ‚wahren Brotes‘ stellt 1Sam 2,4 zudem in einen eucharistischen Kontext: Christus als das „Wort Gottes“ (uerbum dei) selbst, durch den der wahre transitus zum ewigen Leben eröffnet wurde, wird im Element des Brotes auf himmlische Weise genossen.125 Bezogen auf die eloquia dei lässt sich Augustins Rezeption dieses Psalmverses in ciu. XVII 4 wohl so verstehen, dass das Volk Israel, in dem sich nach Augustin bis dato die ciuitas dei in vornehmlicher Weise befand, im Laufe der Geschichte und dann insbesondere mit der Inkarnation Jesu Christi seinen Vorzug, alleiniger Empfänger göttlicher Worte zu sein, verliert und damit auch seinen exklusiven Anspruch auf das Heil. Es gehört sogar im Gegenteil, sofern es die Worte Gottes nur im irdischen Sinne versteht, der ciuitas terrena an. Die göttlichen Worte, vom irdischen Volk Israel nur irdisch angenommen, gehen über auf die „Völker“ (gentes), wo sie in himmlischer Weise genossen werden. Hier ist offensichtlich an das Kommen Christi als inkarniertes uerbum dei, die Vergegenwärtigung des Heilswirkens Christi in der Eucharistiefeier und an die Predigt des Evangeliums unter den Völkern gedacht. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass dem Volk Israel hier und im Folgenden recht schematisch die gentes gegenübergestellt werden, ohne dass, wie an anderen Stellen in ciu., wahrgenommen wird, dass auch ein Teil des Volkes Israel das Wort Gottes, d. h. das Evangelium von Jesus Christus, angenommen hat. Nun wendet sich Augustin erneut dem Wort in 1Sam 2,5b zu, wonach „die Unfruchtbare sieben [Kinder] geboren“ hat, während „die, die viele Kinder hat, geschwächt ist“.126 Bereits zuvor hatte er ein wörtliches, auf die (zunächst unfruchtbare) Hanna zielendes Verständnis dieses Verses abgelehnt und es stattdessen als prophetische Verheißung auf die Kirche hin verstanden.127 Hier werden nun durch die Erinnerung an die an sieben Gemeinden (und damit nach Augustin an die gesamte Kirche) gerichtete Offenbarung des Johannes (vgl. Off b 1,4.12 f.20; 2 f.) und ein Zitat aus den ‚Sprüchen Salomos‘ (vgl. Spr 9,1), demzufolge sich die Weisheit128 ein Haus mit sieben Säulen gebaut habe, biblische 125  Gerade in der Ostertheologie Augustins spielt das transitus-Motiv, das auf sein etymologisches Verständnis des Passahfestes zurückgeht (vgl. Klöckener, Art. Pascha, Sp.  492 f.; s. dazu Abschnitt 3.4.2), eine wichtige Rolle (vgl. Rexer, Sakrament, S.  145–166). Während die Juden auch nach Christus das uetus pascha feiern und somit den eigentlichen Sinn dieses als exemplum für das wahre Passah eingesetzten Festes verfehlen (vgl. s. 210,3, S.  1048, Z.  52– 59), feiern die Christusgläubigen im Sakrament der Eucharistie und insbesondere in der gesamten Liturgie der Osterfeier Tod und Auferstehung Christi, was für sie die Vergebung der Sünden und die Hoffnung auf einen Übergang vom sterblichen ins unsterbliche Leben – den durch Christus eröffneten wahren transitus – bedeutet (vgl. Klöckener, a. a. O., Sp.  484 f.; mit Bezug auf inq. Ian. 2,3 f. vgl. Rexer, a. a. O., S.  27–40; ders., Art. Inquisitiones, Sp.  623). 126 „quia sterilis peperit septem, et multa in filiis infirmata est.“ (1Sam 2,5b nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  26 f. bzw. S.  557, Z.  115 – S.  558, Z.  116) 127 Vgl. ciu. XVII 4, S.  556, Z.  57–61. 128  Augustin versteht die „Weisheit“ (sapientia) in Spr 9,1 als den „Heiligen Geist“ (spiritus

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Belege dafür angeführt, dass die Zahl sieben auf die Vollendung der Kirche bzw. ihre Gesamtheit verweist.129 Augustin beschreibt weiter, dass zunächst, in der Zeit da das Volk Israel viele Kinder hatte, die ciuitas dei in den Völkern unfruchtbar war; „nun“ (nunc) aber eine große Nachkommenschaft der ciuitas dei in den Völkern wahrzunehmen ist, während das Volk Israel deutlich geschwächt ist (man denke an den Verlust des Tempels, des Kults und der Eigenstaatlichkeit ab 70 n. Chr.).130 Gottes „Kraft“ (uirtus) aber, die die Israeliten einst besaßen, ist, da sie nach der Offenbarung Christi nur den Buchstaben, nicht aber den geistlichen, auf Christus verweisenden Sinn ihrer Schriften erkennen,131 auf die „Kinder der Freien“, d. h. die Kinder Sarahs (vgl. Gal 4,21–31) und damit die Glieder der Kirche übergegangen.132 Mit dem ‚Wechsel‘ des Priester- und Königsamtes im israelitischen Volk zum wahren Priester- und Königsamt Christi (hierbei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass es nach 70 n. Chr. weder einen Inhaber des ersten noch des zweiten Amtes im Volk Israel mehr gab) vollzieht sich auch ein entscheidender Wechsel im Hinblick auf die Glieder der ciuitas dei: Waren sie als die „vielen Kinder“ bis zum Ende des fünften Weltzeitalters noch vornehmlich im Volk Israel zu finden, so ist dieses Volk nach dem Auftreten Jesu deutlich geschwächt, wozu Augustin die politische, soziale und kulturelle Realität nach 70 n. Chr. als Beleg heranziehen kann, wie er das bereits bei seiner Auffassung des Kainsmals getan hatte.133 Die Glieder der ciuitas dei befinden sich nun vornehmlich in den Reihen der gentes, wo sie als die „sieben Kinder“ der (einst) „Unfruchtbaren“ (d. h. der Freien Sarah) die Kirche bilden. Die als Parallelismus membrorum aufeinander bezogenen Teilverse, „a Der Herr tötet und macht lebendig, ber führt herab in die Unterwelt und er führt (wieder) zurück“134 (1Sam 2,6), werden auch bei Augustin in einem engen Zusammenhang gesehen und gemeinsam ausgelegt. Er deutet Vers 6 nicht etwa in dem Sinne, dass Gott in der Art eines absoluten Herrschers die Macht über Tod und Leben gegeben sei (dass also etwa hinter dem Töten ein Straf handeln und hinter dem Lebendigmachen ein Gunsterweis Gottes zu vermuten wäre), vielmehr begreift Augustin auch das „Töten“ bzw. das „ins Totenreich Führen“ sanctus) [vgl. Jes 11,2; 1Kor 1,22–24; 2,4 f.7–13], was u. a. aus s. 225,2, Sp.  1097, Z.  11–14 hervorgeht. Für die Deutung in ciu. XVII 4 bedeutet dies also, dass der Heilige Geist den Auf bau der Kirche betreibt. 129 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  116–122. 130 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  122–125. 131  Dies ist eine Anspielung Augustins auf 2Kor 3,6. 132 Vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  125–128. Man denke hier an die Etymologie, die sich bei Augustin mit der Erzmutter Sarah verbindet: „Sarra [interpretatur] autem uirtus“ (ciu. XVI 28, S.  533, Z.  16 f.; s. dazu Abschnitt 3.2.6). 133  Vgl. hierzu mit den entsprechenden Belegen Abschnitt 1.1.1. 134 „dominus mortificat et uiuificat, deducit ad inferos et reducit.“ (1Sam 2,6 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  27 bzw. S.  558, Z.  129.133)

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Gottes als einen positiven, heilsamen Akt: „Seht, auf welch heilbringende Weise Gott tötet!“135 Grundlage dieser soteriologischen Deutung sowohl des Tötens als auch des Lebendigmachens durch Gott sind die paulinischen Gedanken, denen zufolge die Christen auf mystische Weise zunächst mit Christus sterben, um dann wieder von Gott mit ihm lebendig gemacht zu werden.136 Sachgrund der heilsamen Tötung und Lebendigmachung der Glaubenden ist der von Gott gewollte Tod seines Sohnes137 und dessen Auferweckung. Die Auslegung von 1Sam 2,6 durch Augustin ist also sachlich zunächst eine christologische, in der Folge aber eine soteriologische. Zum besseren Verständnis dafür, in welcher Weise 1Sam 2,6 auf Christus zu beziehen ist, dient Augustin Ps 15,10. Dort wird nämlich die Hoffnung des Beters ausgesprochen, dass Gott ihn (seine Seele) nicht der Unterwelt „preisgeben“ bzw. „gänzlich aufgeben“ (derelinquere)138 wird. Bezogen auf Christus bedeutet das also: Gott tötet ihn zwar, führt ihn also in die Unterwelt (1Sam 2,6), gibt ihn jedoch der Unterwelt nicht preis und führt ihn dann in einem göttlichen Akt der Auferweckung wieder zurück ins Leben.139 Während das positive und das negative Handeln Gottes in Augustins Auslegung von Vers 6 des Hanna-Psalms als gleichermaßen heilsames, allein auf die Glaubenden ausgerichtetes Handeln verstanden wird, kehrt seine Auslegung von Vers 7 wieder in den ursprünglichen Duktus zurück, wonach sich die positiven Aktivitäten Gottes (mit Stärke umgürten, sättigen, fruchtbar machen; vgl. 1Sam 2,4 f.) auf die (vormals oft benachteiligten bzw. leidenden) Glieder der ciuitas dei beziehen, während sein negatives Handeln (Bogen erschlaffen lassen, klein machen, [im Hinblick auf die Fruchtbarkeit] schwächen; vgl. 1Sam 2,4 f.) als göttliche Bestrafung der Glieder der ciuitas terrena innerhalb des Volkes Israel angesehen wird. Wenn es also in 1Sam 2,7 heißt: „Der Herr macht zu Armen und er macht reich, er erniedrigt und erhöht“,140 so muss dies mit Jak 4,6 so aufgefasst werden, dass Gott die vormals „Armen“ (pauperes) in seiner Gnade reich macht. Im Hintergrund steht hier das aus den Makarismen der Bergpredigt bekannte Motiv der mit Christus in Armut lebenden Glaubenden, die eschatologisch an seinem Reichtum teilhaben werden, wobei Armut und Reichtum in einem ‚geistlichen‘ Sinn verstanden werden müssen.141 Erniedrigung droht dagegen am Ende der Zeiten denjenigen, die vormals stolz und hoffärtig waren. 135 

„ecce quo modo salubriter mortificat deus“ (ciu. XVII 4, S.  558, Z.  138 f.). Als biblische Belege führt Augustin hierfür Kol 3,1–3 und 2Kor 8,9 an. 137  Augustin rekurriert hier auf Röm 8,32. 138 Vgl. ciu. XVII 4, S.  558, Z.  148. 139 Vgl. ciu. XVII 4, S.  558, Z.  147–150. 140 „dominus pauperes facit et ditat, humiliat et exaltat.“ (1Sam 2,7 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  28 bzw. S.  558, Z.  150 f.) 141  Vgl. Mt 5,3. 136 

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Das Motiv der Armut und des Reichtums, der Macht und der Ohnmacht setzt sich im folgenden Vers (1Sam 2,8) fort: „a Er hebt aus dem Staub den Armen empor bund aus dem Kot [stercus] richtet er den Machtlosen auf, cum ihn neben die Mächtigen des Volkes hinzusetzen, indem er ihnen den Thron der Herrlichkeit [sedes gloriae] als Erbschaft [hereditas] gibt.“142 Die Armut Christi, d. h. seine Entäußerung in der Inkarnation und schließlich in seiner Selbsthingabe am Kreuz, sei, so heißt es nach dem von Augustin angeführten Zitat aus 2Kor 8,9, um der Gläubigen willen geschehen, damit diese durch die Armut Christi (im geistlichen Sinne) reich würden.143 Auch das zweite Glied des Parallelismus membrorum (1Sam 2,8b) wird christologisch auf die Niedrigkeit und die Erhöhung Christi in der Auferstehung bezogen. Hier wird nun Phil 3,7 f. herangezogen, wo Paulus über seine frühere jüdische Existenz als Verfolger der Christen sagt, dass ihm das damals als Gewinn Angesehene nach der Offenbarung Christi als Schaden, ja als „Kot“ (stercus) erscheine. Über die Wortgleichheit stercus konstruiert Augustin seine allegorische Auslegung von 1Sam 2,8b, wonach der Kot, aus dem Gott Christus emporgehoben hat, seine jüdischen Verfolger gewesen seien.144 Durch die Auferweckung, die so rasch geschah, dass der Leib Christi nicht verwesen konnte (vgl. Ps 15,10; Apg 2,31),145 hat Gott Christus aus seiner in der Kreuzigung gipfelnden Verfolgung durch die Juden befreit und hat ihn zugleich über die Mächtigen der Welt erhöht. Wie schon in 1Sam 2,6, so legt Augustin auch Vers 8 sowohl christologisch als auch soteriologisch aus, was ihm über den Begriff der hereditas gelingt. Denn auch die Gläubigen, die wie Christus arm sind, sollen von Gott aus dem irdischen Dreck und der Verfolgungssituation herausgezogen werden, um letztlich an der Herrschaft Christi teilzuhaben, um seine Erben zu sein. Nicht nur Christus wird erhöht, sondern auch die an ihn Glaubenden werden den „Thron der Ehre“ (sedes gloriae) empfangen. Diesen Gemeinschaftsaspekt der eschatologischen Herrschaft illustriert Augustin mit Mt 19,28: „Ihr werdet auf zwölf Thronen sitzen.“146 Diese Zusage Jesu gilt den Jüngern, die wie Petrus „alles verlassen haben“ (Mt 19,27),147 also als „Arme“ (pauperes) leben, um Jesus nachzufolgen. Dabei ist es von zentraler Bedeutung für Augustin, dass die Erhöhung der Glaubenden aus dem Schmutz ein Akt der göttlichen Gnade ist. Wäre die Voll142 „suscitat a terra pauperem et de stercore erigit inopem, ut conlocet eum cum potentibus populi, et sedem gloriae hereditatem dans eis“ (1Sam 2,8 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  28–30 bzw. S.  559, Z.  156.161.169–171). 143 Vgl. ciu. XVII 4, S.  559, Z.  156–159. 144 Vgl. ciu. XVII 4, S.  559, Z.  160–167. 145 Vgl. ciu. XVII 4, S.  559, Z.  159 f. 146 „sedebitis super duodecim sedes.“ (Mt 19,28 nach ciu. XVII 4, S.  559, Z.  170) 147  Im Matthäusevangelium stellt die Zusage des Regierens auf den zwölf Thronen (über die zwölf Stämme Israels) die Antwort Jesu auf die Frage des Petrus dar, was denn der Lohn der Nachfolge sei: „ecce nos dimisimus omnia et secuti sumus te.“ (Mt 19,27 nach ciu. XVII 4, S.  559, Z.  172)

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macht der Apostel beispielsweise Folge einer Selbstermächtigung, so würden sie zu ebenjenen Mächtigen zählen, deren Bogen Gott erschlaffen lässt (1Sam 2,4).148 Vor diesem Hintergrund ist die augustinische Auslegung von 1Sam 2,9 zu verstehen: „a Er gibt dem Gelobenden das Gelübde (zu erfüllen) bund er hat gesegnet die Jahre des Gerechten; cdenn nicht aus eigener Kraft ist ein Mann mächtig.“149 Aus dem ersten Teilvers „dans uotum uouenti“ zieht Augustin die Konsequenz, dass ein jeder, der etwas vor Gott gelobt, zur Erfüllung dieses Gelöbnisses durch die göttliche Gnade befähigt werden muss,150 da er aus eigener Kraft dazu nicht imstande wäre (1Sam 2,9c). Aus dem Kontext ergibt sich, dass der Inhalt des zu erfüllenden uotum in der Umkehr, der Absage an alle irdischen Güter und der Nachfolge Christi besteht. Auf die durch göttliche Hilfe ermöglichte Erfüllung dieses Gelöbnisses durch den Glaubenden folgt als göttliche Gabe an ihn das „Segnen der Jahre des Gerechten“ durch Gott (1Sam 2,9b).151 Hierbei sind die „Jahre“ (anni) nach Augustin nicht als eine definitive temporäre Größe, sondern im Sinne von Ps 101,28 als unendlich aufzufassen: Das Segnen der Jahre des Gerechten durch Gott ist also ein eschatologisches Heilsgut. Innerhalb dieses Auslegungszusammenhangs führt Augustin noch den ersten Teilvers aus 1Sam 2,10 an: „a Der Herr wird [also] seinen Widersacher kraftlos machen, der Herr ist heilig.“152 Unter „seinem Widersacher“ (aduersarius eius), mit dem dem Wortlaut der Septuaginta (ὁ ἀντίδικος αὐτοῦ) folgend auch der Widersacher Gottes, d. h. der Teufel, gemeint sein kann,153 habe man sich hier jemanden vorzustellen, der dem Gelobenden dessen Gelöbnis „neidet“ (inuidere) und ihn daran zu hindern sucht, es zu erfüllen.154 Sobald also das Gelübde ausgesprochen ist, wird der Teufel oder andere durch ihn geleitete Widersacher den Glaubenden versuchen. Sollte der Gelobende erfolgreich dagegen ankämpfen und so dem Gelöbnis gerecht werden, ist dies der Kraft Gottes und nicht der menschlichen Kraft zu verdanken (vgl. 1Sam 2,9c), denn der

148 Vgl.

ciu. XVII 4, S.  559, Z.  172–175. uotum uouenti, et benedixit annos iusti, quoniam non in uirtute potens est uir.“ (1Sam 2,9 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  31 f. bzw. S.  559, Z.  174.175 f.178.182 f.185 f.) Im zweiten Zitat von 1Sam 2,9 steht statt „quoniam“ „quia“, was aber inhaltlich keinen Unterschied macht. 150 „non enim domino quisquam quicquam rectum uoueret, nisi qui ab illo acciperet quod uoueret.“ (ciu. XVII 4, S.  559, Z.  176 f.) 151 Vgl. ciu. XVII 4, S.  559, Z.  182–185. 152 „dominus [ergo] infirmum faciet aduersarium suum, dominus sanctus.“ (1Sam 2,10 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  32 f. bzw. S.  560, Z.  192 f.) In der ersten Zitation fehlt das „ergo“, das wohl eine der Syntax geschuldete Hinzufügung Augustins im zweiten Zitat darstellt. 153 Vgl. ciu. XVII 4, S.  559, Z.  188 f. Für diese Überlegung Augustins spricht die Verwendung des Lexems ὁ ἀντίδικος (bzw. eines davon abgeleiteten Begriffs) u. a. in Sach 3,1 und 1Petr 5,8. 154  „illum scilicet, qui homini uouenti inuidet et resistit, ne ualeat implere quod uouit.“ (ciu. XVII 4, S.  559, Z.  187 f.) 149 „dans

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heilige Gott selbst ist es, der nach 1Sam 2,10a seinen Widersacher kraftlos macht.155 Da also die Erfüllung des Gelöbnisses, das rechte Leben vor Gott, von ihm selber gewährt wird, so gibt es auch keinen Grund für den Glaubenden, sich dessen zu rühmen: Der Kluge rühme sich nicht seiner Klugheit, und der Mächtige rühme sich nicht seiner Macht, auch rühme sich der Reiche nicht seines Reichtums; sondern wer sich einer Sache rühmt, der rühme sich darin, den Herrn zu erkennen und von ihm zu wissen und Recht und Gerechtigkeit zu tun mitten auf der Erde.156

Den wahrhaft Glaubenden zeichnet also neben dem Tun des Gerechten das Erkennen des Herrn und das Wissen um ihn aus. Jedoch soll er sich dessen nicht in der Weise rühmen, als habe er dies selbst erlangt und nicht von Gott empfangen.157 Zu diesem Erkennen Gottes zählt nämlich auch das Wissen darum, dass eben solches Erkennen von Gott gewährt ist und nicht auf eigener Leistung beruht.158 Das Tun von „Recht“ (iudicium) und „Gerechtigkeit“ (iustitia) bestimmt Augustin näher als das „rechte Leben“ (recte uiuere), das Befolgen der Gebote Gottes und damit letztlich das Tun der Liebe, wozu er 1Tim 1,5 anführt.159 Doch komme auch diese „Liebe“ (caritas) letztlich von Gott (vgl. 1Joh 4,7)160 und damit auch das Tun von Recht und Gerechtigkeit, weshalb man sich entsprechend der vorigen Argumentation auch darum nicht in der Weise rühmen könne, als habe es seinen Ermöglichungsgrund nicht in Gott. Die Formulierung „mitten auf der Erde“ (in medio terrae) veranlasst Augustin zu weiteren Überlegungen, auf was sich die von den Glaubenden gelebte Gerechtigkeit erstrecken soll. Zunächst schließt er ein territorial begrenztes Verständnis aus, als hieße „mitten auf der Erde“, dass man, wenn man an den Außengrenzen der Erde, also etwa an der Küste und nicht im Binnenland lebt, kein Recht und keine Gerechtigkeit üben müsste.161 Augustin schlägt stattdessen vor, in medio terrae im Sinne der pilgernden Existenz eines Gliedes der ciuitas dei mitten in der irdischen Welt zu verstehen. Nur wer in dieser Weltzeit, im „irdi155 Vgl.

ciu. XVII 4, S.  559, Z.  189 – S.  560, Z.  194. glorietur prudens in prudentia sua, et non glorietur potens in potentia sua, et non glorietur diues in diuitiis suis; sed in hoc glorietur, qui gloriatur, intellegere et scire dominum et facere iudicium et iustitiam in medio terrae.“ (1Sam 2,10 [LXX] bzw. Jer 9,22 f. nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  33–37 bzw. S.  560, Z.  195–198) Wie bereits oben erwähnt, stellen diese beiden Sätze eine Einfügung der LXX in 1Sam 2,10 dar, die Jer 9,22 f. entlehnt ist. 157 Vgl. ciu. XVII 4, S.   560, Z.  201–203. Augustin führt zu seiner Konkretisierung, in welcher Weise man sich des Erkennens und Wissens um Gott bzw. der Befähigung zum Tun des Gerechten rühmen solle, das Wort 1Kor 4,7 an: „Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich denn, als ob du es nicht empfangen hättest?“ 158 Vgl. ciu. XVII 4, S.  560, Z.  198–200. 159 Vgl. ciu. XVII 4, S.  560, Z.  2 03–207. 160 Vgl. ciu. XVII 4, S.  560, Z.  2 07 f. 161 Vgl. ciu. XVII 4, S.  560, Z.  2 09–214. 156 „non

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schen Leib“ (corpus terrenum)162 , Recht und Gerechtigkeit übt, könne darauf hoffen, im endzeitlichen göttlichen Gericht zu bestehen. Augustin nimmt hier Bezug auf paulinische Anthropologie, wenn er 2Kor 5,10 heranzieht: „Also muss man ‚mitten auf der Erde‘, das heißt solange unsere Seele in diesem irdischen Leib eingeschlossen ist, Recht und Gerechtigkeit üben, damit es uns in der Zukunft nütze, da ‚jeder nach den Taten empfängt, die er im Leib verrichtet hat, es sei gut oder böse‘.“163 Als weiteren biblischen Beleg dafür, dass mit in medio terrae die irdische Existenz der Menschen in der Weltzeit gemeint ist, wird Ps 73,12 zitiert: Das heilsame Wirken Gottes „mitten auf der Erde“ (in medio terrae)164, von dem im Psalm die Rede ist, deutet Augustin auf Christus, der als fleischgewordenes Wort in einem irdischen Leib lebte und so „mitten auf der Erde“ Heil wirkte.165 Die Gerichtsthematik, die Augustin über das Zitat aus 2Kor 5,10 bereits eingeführt hat, setzt sich nun in seiner Auslegung des letzten Verses aus dem Lobgesang der Hanna fort: „Der Herr ist aufgefahren in den Himmel und hat gedonnert; er wird die Enden der Erde richten, weil er gerecht ist; und er gibt Kraft unseren Königen und er wird das Horn seines Gesalbten erhöhen.“166 Mit diesem Vers, der zum einen auf das Auffahren des Herrn in den Himmel, zum anderen auf die Ereignisse des „zukünftigen Tags des Gerichts“ (dies iudicii futura)167 hinweist, habe Hanna genau in der Reihenfolge der Worte prophetisch geweissagt, wie sie auch im Credo bekannt werden.168 Während in 1Sam 2,10 „dominus“ (LXX: κύριος) ursprünglich JHWH, der Gott Israels ist, wird in ciu. XVII 4 durch die Identifikation von dominus mit Christus, die hier noch mit der Anführung von Eph 4,9 f. gestützt wird, das Auffahren, Donnern und Richten in einen neuen Kontext gesetzt.169 Das „Donnern“ des Herrn, das weder im Apostolischen Glaubensbekenntnis noch in Eph 4,9 f. begegnet, ordnet Augustin als ein nach dessen Himmelfahrt geschehenes Wetterphänomen ein, bei dem „seine Wolken“ (nubes suas), d. h. die Wolken, mit denen Christus aufgefahren war, von ihm mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden.170 Mit dem 162 Vgl.

ciu. XVII 4, S.  560, Z.  222 f. in medio terrae [ Jer 9,23 = 1Sam 2,10 (LXX)], id est, cum anima nostra isto terreno clauditur corpore, faciendum est iudicium atque iustitia, quod nobis prosit in posterum, quando recipit quisque secundum ea, quae per corpus gessit, siue bonum siue malum [2Kor 5,10].“ (ciu. XVII 4, S.  560, Z.  221–225) 164 „deus autem rex noster ante saecula operatus est salutem in medio terrae“ (Ps 73,12 nach ciu. XVII 4, S.  560, Z.  231 – S.  561, Z.  232). 165 Vgl. ciu. XVII 4, S.  560, Z.  2 30 – S.  561, Z.  2 36. 166 „dominus ascendit in caelos et tonuit; ipse iudicabit extrema terrae, quia iustus est; et dat uirtutem regibus nostris, et exaltabit cornum christi sui.“ (1Sam 2,10 nach ciu. XVII 4, S.  555, Z.  37 – S.  556, Z.  39 bzw. S.  561, Z.  240 f.259 f.262 f.) 167 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  2 39. 168 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  241–243. 169 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  241–246. 170 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  246 f. 163 „proinde

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Donnern in den Wolken habe sich Augustin zufolge zugleich die Drohung des Propheten Jesaja in seinem Weinberglied an die „Magd Jerusalem“ (ancilla Hierusalem)171, den „undankbaren Weinberg“ (uinea ingrata), bewahrheitet, dass es über sie (bzw. metaphorisch: auf den Weinberg) nicht mehr regnen solle (vgl. Jes 5,6).172 Analog zu seiner zuvor geführten Argumentation schließt Augustin auch im Hinblick auf das auf die „Enden der Erde“ (extrema terrae) bezogene endzeitliche Richten des Herrn in 1Sam 2,10 ein territorial eingeschränktes Verständnis aus, als würde etwa nicht alle Menschen das Gericht erwarten.173 Vielmehr müsse extrema terrae auf den Endzustand des Menschen (extrema hominis) hin gedeutet werden: Das Gericht beurteile einen Menschen also danach, wie er sich zuletzt, unmittelbar vor dem Gerichtstag verhalten habe. Bis zum Ende, so formuliert Augustin seine Ermahnung unter Bezugnahme auf Mt 10,22 („Wer in einem fort ausharrt bis zum Ende, der wird heil [saluus] sein.“174), habe der Glaubende mitten auf dieser Erde, d. h. während seiner irdischen Existenz Recht und Gerechtigkeit zu üben, um im Gericht bestehen zu können und so heil zu werden.175 Die Aussage „er gibt Kraft unseren Königen“ ordnet Augustin ebenfalls in den Gerichtskontext ein, wenn er daran die finale Begründung anfügt: „damit er sie nicht beim Richten verdammen muss“.176 Mit „unseren Königen“ sind nicht die (in 1Sam 2,10 ursprünglich gemeinten) Könige Israels gemeint, sondern die Bürger der ciuitas dei, die in der Weltzeit ihr „Fleisch“ (caro), d. h. wohl ihr Verlangen und ihre Triebe, „gleichwie Könige“ (sicut reges) beherrschen und so „die Welt besiegen durch den, der um ihretwillen (sein) Blut vergossen

171 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  248. Dieser Begriff, mit dem Augustin wohl wieder auf die „Magd“ Hagar rekurriert, die nach Gal 4,21–31 für das irdische Jerusalem steht, findet sich in Jes 5 nicht. 172 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  247–250. 173 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  250–252. 174 „qui perseuerauerit usque in finem, hic saluus erit.“ (Mt 10,22 nach ciu. XVII 4, S.   561, Z.  256 f.) 175  Mit dieser Unsicherheit im Blick auf das eigene Heil, von der Augustins Denken geprägt ist, unterscheidet er sich von der Heilsgewissheit, die besonders Martin Luther hervorgehoben hat. Für Augustin dagegen dürfen sich selbst die geistlich lebenden Christen (spiritales) nicht in der „Sicherheit jenes Vaterlandes“ (illius patriae securitas; sc. der himmlischen ciuitas dei) wiegen, da sie sich noch in der „Unsicherheit der hiesigen Pilgerschaft“ (huius peregrinationis sollicitudo) befinden (vgl. s. 154,7, S.  836, Z.  14–17; s. dazu Gärtner, Art. Securitas, Sp.  187). Hier zeigt sich erneut, dass der Konflikt beider ciuitates im Denken Augustins nicht nur ein geschichtlicher ist, sondern durchaus auch im Individuum stattfindet. Hans von Soden formuliert: „Beide Gesellschaften sind unsichtbar, denn niemand weiß ja von sich, ob er erwählt oder verworfen ist; in jedem von uns ringen um uns die Gottesliebe und die Selbstliebe.“ (Soden, Vater, S.  104; s. dazu auch Drecoll, Heil, S.  576–581) 176 „et dat, inquit, uirtutem regibus nostris ut non eos iudicando condemnet.“ (ciu. XVII 4, S.  561, Z.  259 f.)

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hat“.177 Kontrafaktisch wird hier also aus einer Aussage, die eigentlich auf die göttliche Stützung des irdischen Königtums (Israels) zielte, durch die Interpretation Augustins die Behauptung der zukünftigen Überwindung aller irdischen Herrschaft durch Christus. Aus seinem bereits erwähnten Verständnis von dominus als Titel für Christus ergibt sich in Bezug auf das Ende von 1Sam 2,10 ein logisches Problem, das Augustin selbst bemerkt: Wenn nämlich unter dominus Christus und nicht JHWH verstanden wird, wer ist dann mit dem „Gesalbten“ (christus) gemeint, dessen „Horn der Herr erhöhen“ wird?178 Augustin stellt dann folgerichtig die Frage, wer denn der „Gesalbte des Gesalbten“ [christus Christi] sei.179 Unter Rückbezug auf den Beginn des Lobgesangs der Hanna, als sie davon spricht, dass „ihr Horn erhöht sei“ (1Sam 2,1), kommt Augustin zu dem Schluss, dass mit dem in 1Sam 2,10 von Christus Gesalbten das Kollektiv all derer gemeint sei, die als Glieder am Leib Christi teilhaben: Letztlich sind nämlich „wir alle“ (Augustin spricht hier, die Prophetin Hanna und sich selbst einschließend, alle Christen an) durch die Taufe mit dem „Salböl“ (chrisma) Christi gesalbt.180 Damit ist von Hanna im Sinne Augustins die Ablösung des alten Priestertums des Volkes Israel durch das neue Priestertum der Kirche prophezeit. 4.1.5 Die Weissagung, die an den Hohepriester Eli ergeht „Noch deutlicher“ (euidentius), so meint Augustin, werde die prophetische Ankündigung des zukünftigen Priestertums Christi in den Worten des namenlosen Gottesmannes,181 der wie Hanna als Prophet anzusehen sei, wenn er in 1Sam 2,27–36 an den Hohepriester Eli182 die göttlichen Gerichtsworte über dessen Haus richtet.183 Diese Prophetie, die neben den Gerichtsworten (Verse 177  „dat eis uirtutem, qua carnem sicut reges regant et in illo mundum, qui propter eos fudit sanguinem, uincant.“ (ciu. XVII 4, S.  561, Z.  260–262) 178 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  2 63–266. 179 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  2 66. 180 Vgl. ciu. XVII 4, S.  561, Z.  2 66 – S.  562, Z.  271. Vgl. zur Bedeutung des Salböls bei der Taufe auch ciu. XX 10, S.  719, Z.  23 – S.  720, Z.  29. 181  Pseudo-Hieronymus zufolge wurde dieser namenlose Gottesmann von einigen Juden Phineas genannt; vgl. Qu. hebr. Reg. I 2,27 f., Sp.  1395, Z.  32 f. 182  Dass Eli ein Hohepriester war, wovon Augustin auch eingedenk der von ihm vertretenen Auffassung der Präfiguration des Hohepriesteramtes Christi in Eli ausgehen muss, hat keinen Anhalt im biblischen Text. Während dort Eli lediglich das Amt eines Priesters innehat (vgl. 1Sam 1,3.9), begegnet die Zuschreibung des Hohepriesteramtes erstmals bei Flavius Josephus, Ant. V 11,5 (vgl. dazu R. Müller, Art. Eli; Jones, Art. Sacerdos, Sp.  1251). 183 Vgl. ciu. XVII 5, S.  562, Z.  1–4. Wie bereits beim Lobgesang der Hanna handelt es sich auch bei der Weissagung an Eli um einen Text, dem in ciu. besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, der aber im übrigen Werk Augustins keine nennenswerte Rolle spielt. Bis auf eine Zitation der Segens- bzw. Fluchformel aus 1Sam 2,30 („die mich verherrlichen, will ich verherrlichen, und wer mich verachtet, soll verachtet werden“) im zweiten der drei Bücher „gegen einen Brief des Parmenianus“ wird 1Sam 2,27–36 außerhalb von ciu. XVII 5 f. nicht zitiert.

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27–34) auch die Ankündigung der Erweckung eines neuen, „treuen Priesters“ (sacerdos fidelis)184 durch Gott enthält (Vers 35 f.), bezieht sich nach Augustin nicht, wie man ja meinen könnte, auf den Wechsel des Priesteramtes in Gestalt von Samuel.185 Augustin weist diese Fehldeutung nicht etwa dadurch zurück, dass er Samuel das Priesteramt absprechen würde – was durchaus möglich gewesen wäre, wird doch Samuel innerhalb des Alten Testaments in erster Linie als Prophet (vgl. 1Sam 7; 9,1–20 u.ö.) und auch als (letzter) Richter Israels (vgl. 1Sam 7,15–17; 8; 10,17–27), kaum aber als Priester angesehen.186 Ganz im Gegenteil beurteilt Augustin Samuel als einen großen und heiligen, ja herausragenden Priester seiner Zeit.187 Allerdings sprechen für Augustin bestimmte Einzelaspekte in 1Sam 2,27–36 dagegen, den dort verheißenen neuen Priester mit Samuel zu identifizieren. So nennt Augustin hier u. a. den Umstand, dass Samuel nicht zu den „Söhnen Aarons“ zähle.188 Ferner gab es ja nach Samuel noch weitere Priester aus dem Geschlecht Aarons, wie etwa Zadok und Abja­ thar während der Regentschaft Davids (vgl. 2Sam 15,24), und darüber hinaus bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels:189 Die Existenz dieser Priester nach Samuel schließe die Identifikation des neuen, treuen Priesters mit Samuel aus, woraus folgt, dass diese Verheißung sich im ewigen Priestertum Christi erfüllt In c. ep. Parm. 2,38 führt Augustin diese biblische Formel an, um seinen Gegnern (Parmenianus war ein donatistischer Bischof, der zur Abfassungszeit von c. ep. Parm. bereits verstorben war; c. ep. Parm. richtet sich gegen die Donatisten und insbesondere gegen Tyconius [vgl. Tilley, Art. Parmenianus, Sp.  464]) vorzuwerfen, dass diese zwar Christus verherrlichen würden, zugleich aber davon überzeugt sind, dass die den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob gegebenen Verheißungen nicht erfüllt werden konnten (vgl. c. ep. Parm. 2,38, S.  93, Z.  26 – S.  94, Z.  7 ) – was für Augustin freilich ein Widerspruch in sich selbst darstellt, da ihm zufolge die den Patriarchen gegebenen Verheißungen ja gerade in Christus und der Kirche ihre Erfüllung finden (bzw. ihre vollständige Erfüllung noch finden werden). 184 Vgl. ciu. XVII 5, S.  562, Z.  2 3. 185 Vgl. ciu. XVII 5, S.  562, Z.  29–31. 186  Eine Ausnahme bildet hier die in 1Sam 1,10–28 geschilderte Übergabe des Kindes Samuel an das Heiligtum in Silo durch seine Mutter Hanna, die „eine Ausbildung zum Priester erwarten“ lässt (Mommer, Art. Samuel). Es ist also nicht so, dass Samuel „in seiner eigenen alttestamentlichen Zeit nicht Priester war“, und Augustin deswegen die Weissagung an Eli ausschließlich auf den wahren Priester Jesus Christus bezogen hätte (gegen Reemts, Gestalten, S.  39). Vielmehr setzt seine Argumentation des in Samuel und David schattenhaft zum Ausdruck kommenden doppelten Amtswechsels ja voraus, dass beide das entsprechende Amt des (Hohe-)Priesters und des Königs auch bekleideten – freilich nicht in der vollendeten Form, die den Verheißungen entspricht und die sich erst in Jesus Christus erfüllen sollte. 187  Das erhellt etwa auch aus seiner Würdigung Samuels in en. Ps. 98,10, S.  1387, Z.  25– 28: „natus sanctus Samuel fuit apud matrem tempore lactis; mox ut eum ablactauit, dedit in templum, ut ibi cresceret, ibi roboraretur in spiritu, ibi deo seruiret; factus est sacerdos magnus, sacerdos sanctus illo tempore.“ (s. dazu Pintard, Le sacerdoce, S.  85) 188 Vgl. ciu. XVII 5, S.  562, Z.  31 – S.  563, Z.  3 4. Dass Samuel nicht von den Söhnen Aarons abstamme, ist eine Ansicht, die Augustin in seinen retr. später wieder verwerfen wird (vgl. retr. 2,43,2, S.  125, Z.  36–41; 2,55,2, S.  134, Z.  37–44; s. dazu Pintard, Le sacerdoce, S.  85 f.). 189 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  39–43.

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habe und sich nicht auf ein Priestergeschlecht beziehe, wie es die Rede vom „beständigen Haus“ (domus fidelis)190 in 1Sam 2,35 nahelegt. Insofern muss, der Kategorisierung der Prophetien durch Augustin in ciu. XVII 3 folgend,191 die Prophetie des Gottesmannes als eine solche angesehen werden, die sich zwar zunächst auch in der Geschichte des irdischen Volkes Israel erfüllt, deren vollständige Erfüllung aber erst im Zuge des Neuen Bundes, in Christus, erfolgt. Somit ist der Wechsel des Priesteramts von Eli und seinen beiden Söhnen hin zu Samuel lediglich eine schattenhafte Andeutung (adumbrare)192 des in der Prophetie des Gottesmannes eigentlich gemeinten Wechsels des Priesteramtes in Christus: Während also die Rede des Gottesmannes als „Wortprophetie“ (prophetia uerbi) anzusehen sei, stellte der Wechsel des Priesteramtes hin zu Samuel eine „Sachprophetie“ (prophetia facti) dar,193 die sich beide darin erfüllt haben, dass mit Christus der verheißene „treue Priester“ gekommen ist.194 Das historische Faktum des mit der Zerstörung des Zweiten Tempels zum Ende gekommenen Kultes und damit auch des Priesteramtes wird für Augustin zum schlagenden Argument, dass die Verheißung in 1Sam 2,35 in ebenjenem übertragenen Sinn verstanden werden müsse.195 Aufgrund dieses Faktums kommt es auch zu einem definitiven Ende des Priestergeschlechts, das sich auf Aaron zurückführt, was Augustin in den Worten des Gottesmannes an Eli – der göttlichen Revokation der ursprünglichen Verheißung, dass das Haus Elis und das Haus seines Vaters (domus patris tui) vor Gott ewiglich aus- und eingehen solle – geweissagt sieht (vgl. 1Sam 2,30). Unter dem Haus des Vaters von Eli dürfe nach 1Sam 2,27 f. nicht dessen tatsächliches Vaterhaus, sondern das Haus Aarons, d. h. das aaronitische Priestergeschlecht, verstanden werden.196 Die gesamte Gerichtsankündigung an Eli (vgl. 1Sam 2,27–33a) hat sich also nur als schattenhafte Andeutung im Ende seines Priestertums und dem seiner Söhne erfüllt, eigentlich beziehe sie sich auf das mit der Tempelzerstörung gekomme190 Vgl. ciu. XVII 5, S.   562, Z.  24 f. Augustin versteht, wie sich etwas später zeigt, das „beständige Haus“ in 1Sam 2,35 nicht im Sinne der alttestamentlichen Rede vom „Haus“ als Bezeichnung eines Geschlechts, sondern, synonym zur ciuitas dei und zum himmlischen Haus Gottes, als das ewige und himmlische Jerusalem (vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  85 f.). 191 Vgl. dazu Abschnitt 4.1.3. Bei der Prophetie an Eli handelt es sich, der Einteilung Augustins entsprechend, um die dritte Kategorie von Prophetien, die in gewisser Hinsicht (aber nicht vollumfänglich) schon im irdischen Jerusalem, letztlich aber erst im himmlischen Jerusalem, der ciuitas dei, ihre Erfüllung finden. 192 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  36. 193 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  3 4–39. In ciu. XVIII 44 führt Augustin die Geschehnisse um Jona und der Stadt Ninive aus, die als Beispiel einer solchen Sachprophetie angesehen werden können; vgl. dazu schon die Bemerkungen zu Jona in ciu. XVIII 30, S.  621, Z.  18–22; s. dazu Abschnitt 4.5.4 mit Anm. 579. 194 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  43 f. 195 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  4 4–47. 196 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  52–60.

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ne Ende des aaronitischen Priestergeschlechts: „Es wird einmal sein, sagte er [sc. der Gottesmann] an jener Stelle, dass es von dessen [sc. Aarons] Geschlecht keine weiteren Priester mehr geben wird; und das sehen wir schon jetzt erfüllt.“197 Freilich kann es nicht ausgeschlossen werden, dass es noch Nachkommen aus diesem Geschlecht gibt, jedoch können sie das Priesteramt „nach der Ordnung Aarons“ (secundum ordinem Aaron)198 nicht mehr ausüben, und wenn sie sehen, dass „das Opfer der Christen auf dem ganzen Erdkreis erblüht, während ihm selbst [d. h. dem Geschlecht Aarons] jene große Ehre entzogen worden ist“ – so Augustin in Aufnahme von 1Sam 2,33 –, „versagen [ihnen die] Augen und schwindet [ihre] Seele dahin in zehrendem Kummer“.199 Während die Gerichtsworte an Eli (1Sam 2,27–33a) also einen doppelten prophetischen Sinn haben, so ist 1Sam 2,33b-34 lediglich auf das irdische Jerusalem (Kategorie 1 der Weissagungen) zu beziehen:200 Hier wird der künftige Tod der beiden Söhne Elis an ein und demselben Tag als „Zeichen“ (signum)201 für das kommende, in den vorherigen Versen angekündigte Gericht am Haus Elis angekündigt. Augustin bezieht das signum nun nicht auf den Tod von ­Hophni und Pinehas, sondern auf das gesamte Gericht am Haus Elis, das nämlich als prophetisches Zeichen das Ende des aaronitischen Priestergeschlechts präfiguriere.202 Die Verheißung des neuen Priesters in Vers 35 („Und ich werde mir einen treuen Priester erwecken, der alle Dinge, die nach meinem Herzen und meiner Seele sind, tun soll; und ich werde ihm ein beständiges Haus [domus fidelis] bauen. Und es wird vor meinem Gesalbten wandeln alle Tage.“203) wird nun wieder im doppelten Sinne verstanden: auf Samuel und auf Christus hin. Doch kommt dem prophetischen Sinn im Hinblick auf das himmlische Jerusalem ein deutlich höherer Stellenwert zu, wenn das neue Priestertum unter Samuel lediglich als „Vorbild“ ( figura)204 des Priestertums Jesu Christi, des „wahren Priesters des Neuen Bundes“ (uerus sacerdos noui testamenti)205, bezeichnet wird. 197  „de huius ergo stirpe isto loco dixit futurum fuisse, ut non essent ulterius sacerdotes; quod iam uidemus impletum.“ (ciu. XVII 5, S.  563, Z.  60–62) Dass das Priesteramt notwendig von einer Person aus dem Geschlecht Aarons ausgefüllt werden muss, ist in Ex 28,1 festgelegt (vgl. dazu 1Chr 23,13). 198 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  6 8. 199 „et quicumque ex eius genere est homo, cum uidet sacrificium christianorum toto orbe pollere, sibi autem honorem illum magnum esse subtractum, deficiunt oculi eius et defluit anima eius tabe maeroris.“ (ciu. XVII 5, S.  563, Z.  68–72) 200 Vgl. ciu. XVII 5, S.  563, Z.  73. 201 Vgl. ciu. XVII 5, S.  562, Z.  21. 202 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  7 7–80. 203 „et suscitabo mihi sacerdotem fidelem, qui omnia, quae in corde meo et quae in anima mea, faciat; et aedificabo ei domum fidelem, et transibit coram Christo meo omnibus diebus.“ (1Sam 2,35 nach ciu. XVII 5, S.  562, Z.  23–25 bzw. S.  564, Z.  84–87) 204 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  82. 205 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  83.

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Auch deswegen kann mit dem verheißenen sacerdos fidelis letztlich nur Christus gemeint sein, da, wie Augustin an späterer Stelle durchaus sachgemäß bemerkt, die Gläubigen im alten Israel ja nicht zum Tempel gekommen sind, um den Priester zu verehren, sondern Gott.206 Nun enthält aber die Verheißung in 1Sam 2,36 die Aussage, dass Menschen den Priester „verehren“ (adorare) würden: Wenn man den sacerdos fidelis aber mit Christus identifiziert, so ist eine Verehrung desselben angemessen, da Christus zugleich Priester und Gott ist (sacerdos, qui et deus est).207 Augustin versteht unter der domus fidelis die Glieder der himmlischen Gottesstadt Jerusalem,208 die „vor meinem [d. h. Gottes] Gesalbten alle Tage wandeln“ (transire coram Christo meo).209 Schließlich wird noch darauf hingewiesen, dass die göttliche Rede von „meiner [d. h. Gottes] Seele“ (anima mea) „bildlich, nicht eigentlich“ (tropice, non proprie) aufgefasst werden dürfe, da Gott als (ungeschaffener) Schöpfer aller Seelen selbst keine Seele besitze.210 Augustin macht hier deutlich, dass die anthropomorphe wie auch die theriomorphe Rede von Gott bildlich zu verstehen sei. Dieser bildliche, lediglich im übertragenen Sinn geltende Charakter der Rede von der Seele, aber z. B. auch von der Hand oder vom Fuß Gottes, zeige sich nicht zuletzt in der Begrenztheit all dieser Begriffe, die lediglich Aspekte der „unaussprechlichen Natur“ (natura ineffabilis)211 Gottes zu veranschaulichen vermögen. So dürfe man auch aus dem biblischen Topos der Gottebenbildlichkeit (imago dei; vgl. Gen 1,26 f.) des Menschen nicht schließen, dass der „Mensch in seiner fleischlichen Erscheinung“ (homo in carnis huius effigie)212 der Erscheinung Gottes entspreche.213 Diese Annahme begründet Augustin mit Ps 16,8, wo der Beter Gott darum bittet, ihn „unter dem Schatten [s]einer Flügel“ zu beschirmen. Die „Flügel Gottes“, die freilich ebenso bildlich zu verstehen sind wie seine Seele, seine Hand oder sein Fuß, sind ein Beispiel für die Zuschreibung eines Körperteils, das den Menschen gar nicht eigen ist, weshalb die Gott­

206 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  125–127. Hier begegnet erneut das ‚historische‘ Argument Augustins, dass sich eine Israel betreffende alttestamentliche Weissagung in der Geschichte des irdischen Volkes Israel nicht (oder nur partiell, d. h. andeutungsweise) erfüllt hat und dass deshalb die eigentliche Erfüllung in Christus noch aussteht. 207 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  124 f. 208 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  86. 209 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  87–93. Die Begriffe sacerdos / sacerdotium werden bei Augustin, sofern er damit nicht auf das Priestertum des Alten Testaments rekurriert, sehr häufig auf Christus bezogen, wie die Übersicht von Daniel Jones zeigt (vgl. Jones, Art. Sacerdos, Sp.  1246). 210  „non arbitremur habere animam deum, cum sit conditor animae; sed ita hoc de deo tropice, non proprie dicitur“ (ciu. XVII 5, S.  564, Z.  96–98). 211 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  103. 212 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  100. 213 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  9 9–101.

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ebenbildlichkeit des Menschen eben nicht im Hinblick auf dessen fleischliche Erscheinung begriffen werden darf.214 Die Verheißung in 1Sam 2,36, dass „es (so) geschehen wird: Wer überlebt in deinem Haus, der wird kommen, um ihn [d. h. den neuen Priester] zu verehren mit einem Silberobulus“,215 kann Augustin nur als eine Prophetie begreifen, die sich auf das himmlische Jerusalem bezieht (Kategorie 2).216 Denn, bezöge sich 1Sam 2,36 auf eine Erfüllung im irdischen Jerusalem, könnte es gar keinen Vertreter des Geschlechts Elis geben, der dem neuen Priester Samuel huldigen könnte, da doch nach 1Sam 2,33b das Geschlecht Elis vollständig ausgerottet wurde.217 Mit den Überlebenden in Vers 36 könnten also nur diejenigen übrig gebliebenen Nachkommen aus dem Priestergeschlecht Aarons gemeint sein, die nicht zum ausgerotteten Geschlecht Elis gehören. Unter Bezugnahme auf Jes 10,22 und Röm 11,5 greift Augustin hier das bi­ blische Motiv des endzeitlichen Restes Israels, der „vorherbestimmten Überreste“ (reliquiae praedestinatae)218 auf und bezieht diese auf die Gruppe derer, die nach 1Sam 2,36 den neuen Priester, d. h. Christus, verehren. Mit den vorherbestimmten Überresten sind also diejenigen aus dem irdischen Volk Israel gemeint, die Christus verehren und aufgrund dessen auch am Heil teilhaben. Während es zur Zeit der Apostel dem Urteil Augustins zufolge noch „sehr viele“ (plurimi) waren, die aus dem Volk Israel zum Glauben an Christus gekommen sind, sei dieser Vorgang heute nur noch „sehr selten“ (rarissime).219 214 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  101–104. Insbesondere die Manichäer lehnten das alttestamentliche Konzept der imago dei als Anthropomorphismus ab, da es die Vorstellung impliziert, dass Gott dem Menschen in seiner irdischen Erscheinung gleiche. Auch Augustin könnte, in seiner Zeit als manichäischer auditor, von dieser Ablehnung überzeugt gewesen sein (so vermutet es Bochet, Art. Imago, Sp.  514 f.). Freilich begegnet der Gedanke der imago / similitudo (Gen 1,26) auch innerhalb der manichäischen Schöpfungsmythologie wieder, allerdings in einer sehr veränderten Form. So ist das Ergebnis der Erschaffung des Menschen nämlich nicht eine imago dei, sondern eine „similitudo (Ähnlichkeit) mit dem gesamten Weltkreis“ (Drecoll/Kudella, Augustin, S.  28 f.). 215 „et erit, qui superauerit in domo tua, ueniet adorare ei obolo argenti“ (1Sam 2,36 nach ciu. XVII 5, S.  562, Z.  25 f. bzw. S.  564, Z.  105 f.; S.  565, Z.  123 f.128). 216 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  105–109. 217 Vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  109–113. Folgt man dem hebräischen Text in 1Sam 2,33, bleibt ein kleiner Teil des Hauses Elis am Leben, dem dann auch die Worte „wer übrig ist in deinem Haus …“ in 1Sam 2,36 gelten. Da Augustins biblische Grundlage jedoch deutlich von der LXX abhängig ist, deren Vers 33 so verstanden werden muss, dass das gesamte Haus Elis durch das Schwert fällt (καὶ πᾶς περισσεύων οἴκου σου πεσοῦνται ἐν ῥομφαίᾳ ἀνδρῶν), geht er davon aus, dass das gesamte Geschlecht Elis gestorben ist und dass sich die „Übriggebliebenen“ in 1Sam 2,36 nicht auf das Haus Elis, sondern auf das Haus Aarons beziehen. 218 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  115 f. 219 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  120–122. Bernhard Blumenkranz stellt bei Augustin (bezogen auf adu. Iud.) eine „höchst sonderbare Mischung von Rechtfertigung der judenmissionarischen Versuche und gleichzeitigem Verzweifeln an ihrem Erfolge“ fest, wobei er unter Berufung auf jene Stelle in ciu. XVII 5 darauf schließt, dass der Missionserfolg zu Zeiten Augustins gering gewesen war (Blumenkranz, Judenpredigt, S.  110; vgl. a. a. O., S.  110– 112).

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Schließlich stehe der „Silberobulus“ (obolus argenti) metaphorisch für die „Worte des Glaubens“ (uerbi fidei),220 mit denen die Übriggebliebenen aus dem Volk Israel den Priester und Gott Christus verehren werden. Diese uerbi fidei sind jenes „Wort des Herrn, der im Herzen des Glaubenden wohnt“,221 das sie zur Bitte an der Teilhabe an der Priesterschaft Christi und damit zur Partizipation am Brot, dem Leib Christi, führt. Mit dem Ende des Verses 1Sam 2,36 bestimmt Augustin nämlich den Inhalt der Glaubensworte näher und macht damit zugleich eine Aussage über die Stellung jenes erwählten Restes aus dem Volk Israel in der Gemeinde derer, die Christus verehren: „Lass mich (nur) einen Teil deines Priestertums haben, dass ich Brot (zu) essen (habe).“222 In der Wahrnehmung Augustins ist das der Wunsch der christusgläubigen Juden, einen, wenn auch den geringsten Anteil an der eschatologischen Priesterschaft zu erlangen.223 Diese Priesterschaft beschränkt sich nicht auf das Priesteramt des wahren Priesters Jesus Christus, vielmehr wird sie mit Bezug auf 1Petr 2,9 bestimmt als das „heilige Volk, das königliche Priestertum“ (plebs sancta, regale sacerdotium)224 und damit auf die Heilsgemeinschaft der Christusgläubigen hin gedeutet.225 Das Brot, von dem die erwählten Reste aus dem „Hause Aarons“ (domus Aaron)226 durch ihre Partizipation an der Priesterschaft Christi nach 1Sam 2,36 essen möchten, versteht Augustin als das „Opfer“ (sacrificium) Christi, von dem dieser selbst nach Joh 6,51 sagt: „Das Brot, das ich gegeben haben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“227 Mit dem Wechsel der Priesterschaft von derjenigen „nach der Ordnung Aarons“ (secundum ordinem Aaron) hin zur Priesterschaft Christi, derjenigen „nach der Ordnung Melchisedeks“ (secundum ordinem Melchisedech),228 220 Vgl.

ciu. XVII 5, S.  565, Z.  128. Augustin zieht hier als biblische Begründung seines metaphorischen Verständnisses des obolus argenti Röm 9,28; Jes 10,22 f. und Ps 11,7 heran. 221  „ipse est obolus argenti, quia et breue est et eloquium domini est habitantis in corde credentis.“ (ciu. XVII 5, S.  566, Z.  151–153) 222 „iacta me in unam partem sacerdotii tui manducare panem.“ (1Sam 2,36 nach ciu. XVII 5, S.  562, Z.  27 f. bzw. S.  565, Z.  134 f.145.150 – S.  566, Z.  151) 223 Vgl. ciu. XVII 5, S.   565, Z.  133–138. Diese Deutung unterstützt Augustin mit der Anführung des Psalmverses 83,11: „ich wähle (ziehe es vor), der Niedrig(st)e im Haus Gottes zu sein“ / „elegi abiectus esse in domo dei“ (Ps 83,11 nach ciu. XVII 5, S.  565, Z.  136 f.). 224 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  141. 225 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  138–142. 226 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  147–149. 227 „panis, quem ego dedero, caro mea est pro saeculi uita.“ ( Joh 6,51 nach ciu. XVII 5, S.  565, Z.  146 f.) 228 Vgl. ciu. XVII 5, S.  565, Z.  138–142. Gerade innerhalb der Auseinandersetzung Augustins mit dem Judentum begegnet immer wieder der Topos, dass das Aaronitische Priestertum durch dasjenige Melchisedeks abgelöst wurde. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Melchisedek selbst nicht zum Volk Israel gehörte (vgl. ep.  177,12, S.  681, Z.  5–7). In der Vorstellung Augustins zählt er also neben Hiob u. a. zu den wenigen Gliedern der auf der Erde pilgernden ciuitas dei innerhalb der ersten fünf Weltzeitalter, die nicht dem (fleischlichen) Volk Israel angehören (s. dazu Wachtel, Beiträge, S.  69). Wer nach dem Kommen Christi noch an dem mit dem Judentum bzw. dem fleischlichen Volk Israel verbundenen

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findet also zugleich eine Ausweitung der Priesterschaft auf alle Gläubigen, eine Änderung des Kultortes vom irdischen Jerusalemer Tempel zum himmlischen Tempel und schließlich auch eine Änderung des dort dargebrachten Opfers statt, das aber als „Leib Christi“ nicht auf Jesus Christus beschränkt ist, sondern, wie Augustin mit Bezug auf 1Kor 10,17 betont, ausgeweitet auf alle Christusgläubigen verstanden werden muss: „Ein Brot, ein Leib sind wir Vielen“.229 4.1.6 Das wahre Hohepriestertum und das wahre Königtum In ciu. XVII 6 wird nun der bereits in ciu. XVII 3 angesprochene doppelte Wechsel im Königs- und im Hohepriesteramt, der sich in Christus verwirklicht und auf den hin Augustin in ciu. XVII 4 und 5 sowohl den Lobgesang der Hanna als auch das Prophetenwort des Gottesmannes an Eli ausgelegt hat, noch einmal zusammenfassend aufgegriffen und vertieft. Zunächst wird erneut verdeutlicht, warum die prophetischen Worte in der Rede des Gottesmannes sich nicht allein auf das irdische Jerusalem beziehen können. Dies macht Augustin an der göttlichen Verheißung fest, dass „dein Haus und das Haus deines Vaters vor mir bis in Ewigkeit [(usque) in aeternum] wandeln werden“.230 Diese Verheißung hatte Gott dem Geschlecht Aarons in der Wüste gegeben und nach 1Sam 2,30 angesichts des Missbrauchs des Priesteramtes durch Eli und seine Söhne revoziert. Sie bekommt aber nach der Ansicht Augustins erneut Geltung, und zwar bezogen auf das in 1Sam 2,35 verheißene neue Priestertum. Die Einsicht in die Geschichte, die Augustin hat und bei seinen Lesern voraussetzt, spricht dagegen, diese Verheißung in 1Sam 2,35 auf das Priestertum „nach der Ordnung Aarons“ zu beziehen, da diesem Priestertum mit der Zerstörung des Zweiten Tempels ein endgültiges Ende gesetzt wurde. So findet zwar mit Samuel ein Neubeginn im Priestertum statt, mit dem an die Ursprünge des aaronitischen Priestertums zur Väterzeit in der Wüste angeknüpft wird, doch hat dieses Priestertum, wie es die Geschichte erkennen lässt, eben keinen ewigen Bestand, den aber die Verheißung voraussetzt (usque in aeternum).231 Aarontischen Priestertum festhält und noch nicht am Priestertum Melchisedeks teilhat, das für die völkerübergreifende Eucharistiegemeinschaft der Kirche steht, verfehlt Augustin zufolge Christus (vgl. en Ps. 33,1,7, S.  278, Z.  1–10; s. dazu Klöckener, Art. Melchisedech, Sp.  1248). 229 „unus panis, unum corpus multi sumus“ (1Kor 10,17 nach ciu. XVII 5, S.  565, Z.  144). Vgl. zu diesem Zusammenhang auch die Ausführungen Pintards, Le sacerdoce, S.  207 f. 230 „domus tua et domus patris tui transibunt coram me [usque] in aeternum.“ (1Sam 2,30 nach ciu. XVII 5, S.  562, Z.  14 f. bzw. ciu. XVII 7, S.  566, Z.  5 f.) Die Präposition usque fehlt im Zitat in ciu. XVII 7, was aber inhaltlich keinen Unterschied macht. 231  Jacques Pintard weist darauf hin, dass die Bezeichnungen Augustins für das alte bzw. das neue Priestertum recht variabel sind. So kann er vom „Priestertum der Juden“, dem „Priestertum Levis“, dem „Priestertum des Hauses Aarons“, dem „Priestertum nach der Ordnung Aarons“ bzw. vom „neuen Priestertum“ und dem „Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks“ sprechen (vgl. mit entsprechenden Quellenverweisen Pintard, Le sacerdoce, S.  156). Zudem macht Pintard die Beobachtung, dass für Augustin bei der Bezeichnung

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Diese geschichtliche Einsicht in das offensichtliche Ende des aaronitischen Priestertums schmälert aber, wie Augustin gegen den Einwand nicht näher bestimmter Stimmen bekräftigt, nicht die Geltung dieser Verheißung. Zwar habe durch Samuel ein Wechsel im Priestertum stattgefunden, doch sei dieses Priesteramt eben nur ein „Schatten und Vorbild“ (umbra ac figura)232 dessen, worauf sich 1Sam 2,35 eigentlich bezieht, nämlich das „künftige ewige Priestertum“ (sacerdotium futurum [et] aeternum)233 Christi. Erst in diesem wird sich die Verheißung des ewigen Bestandes des Priestertums erfüllt haben. Analog zur Verwerfung des Priestertums des Hauses Elis wird die Verwerfung des Königtums Sauls gesehen. Der Wechsel von Eli zu Samuel entspricht damit dem Wechsel von Saul zu David. Offensichtlich ist es Augustin sowohl im Hinblick auf das Priestertum als auch auf das Königtum daran gelegen, den ewigen Bestand der göttlichen Verheißungen und damit die Unverbrüchlichkeit der göttlichen Pläne zu erweisen – trotz der Unzulänglichkeit der jeweiligen Amtsträger und des daraus folgenden zeitweisen Widerrufs der Verheißungen. Der Annahme, Gott hätte sich etwa in Bezug auf die Integrität Sauls geirrt und infolgedessen einen Sinneswandel vollzogen, als er sich für die Verwerfung Sauls und die Berufung eines anderen Mannes, „der nach seinem Herzen ist“, entschied 234 und Saul die ursprüngliche Zusage des ewigen Königtums wieder entzog (vgl. 1Sam 13,13 f.), wird deshalb vehement widersprochen: Das [cf. 1Sam 13,13 f.] ist nicht so aufzufassen, als ob Gott den Saul dazu instand gesetzt hätte, in Ewigkeit als König zu herrschen, und dies dann später wegen seines [sc. Sauls] Sündigens nicht habe halten wollen – denn Gott war ja sehr wohl bewusst, dass er sündigen würde –, sondern er hatte dessen Königtum bereitet, in dem ein Vorbild [ figura] des ewigen Königtums (gegeben) war.235

Der Grund der Berufung Sauls zum König über Israel liegt Augustin zufolge also allein darin, dass in ihm ein „Schatten“ (umbra)236 bzw. ein „Vorbild“ ( figura)237 des ewigen Königtums gegeben werden sollte, das sich erst in Christus erfüllen werde. So ist es auch zu verstehen, dass Augustin in ciu. XVII 6 die heidnischer Kulte das Objekt der Verehrung bestimmend ist, er also etwa in Bezug auf den Kult Ägyptens vom „Priestertum der Sonne“ (sacerdotium solis) spricht. Ansonsten wählt Augustin die jeweiligen Repräsentanten des Priestertums als Objekt, d. h. das Priestertum Aarons, Levis, Melchisedeks usw. (vgl. ebd.). 232 Vgl. ciu. XVII 7, S.  566, Z.  12 f. 233 Vgl. ciu. XVII 6, S.  566, Z.  14. 234  Zu dieser Argumentation passt die Annahme Augustins in en. Ps. 59,1, S.  754, Z.  2 6 f., David sei, freilich nur in den Augen Gottes, bereits vor seiner Verfolgung durch Saul König gewesen (vgl. dazu Dulaey, L’histoire [I], S.  187). 235  „non sic accipiendum est, ac si ipsum Saulem deus in aeternum praeparauerit regnaturum, et hoc postea noluerit seruare peccanti (neque enim eum peccaturum esse nesciebat); sed praeparauerat regnum eius, in quo figura regni esset aeterni.“ (ciu. XVII 6, S.  567, Z.  45– 49) 236 Vgl. ciu. XVII 6, S.  566, Z.  19. 237 Vgl. ciu. XVII 6, S.  566, Z.  49.

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Episode, als der junge David in die Höhle des ihn verfolgenden Saul eingetreten war, ihn aber nicht tötete, sondern aus Ehrfurcht lediglich ein Stück von dessen Mantel abschnitt (vgl. 1Sam 24), als Erweis seines Respektes vor dem „Gesalbten“ (christus) und dem „großen Geheimnis“ (magnum sacramentum) dieser Salbung begreift.238 Der Respekt vor dem von Gott erwählten Gesalbten, der hier bei David zum Ausdruck kommt, ist also nicht ein Respekt vor der Person Sauls, sondern, und darin bereits prophetisch, ein Respekt vor dem zukünftigen Gesalbten: „Diesem Schatten [sc. dem Gesalbten Saul] des Künftigen wurde also nicht um seiner selbst willen, sondern um dessentwillen, was er vorbildete, solche Ehrfurcht erwiesen.“239 Der doppelte Amtswechsel – von Eli zu Samuel im Hohepriesteramt, von Saul zu David im Königsamt – stellt also ein gemeinsames prophetisches Abbild des Kommens Christi dar, der beide Ämter erst im vollen Sinne ausfüllen sollte.240 Allerdings wird im vierten Weltzeitalter nicht nur ein prophetisches Abbild Christi, sondern auch eines für die ciuitas dei bzw. die ecclesia gegeben: und 238 Vgl.

ciu. XVII 6, S.  566, Z.  20 – S.  567, Z.  37. ergo umbrae futuri non propter ipsam, sed propter illud, quod praefigurabat, tanta ueneratio exhibebatur.“ (ciu. XVII 6, S.  567, Z.  37 f.) Dass hier eben gerade nicht die Person Sauls, sondern seine Salbung prophetisch auf Christus verweist, wird von Gerard J. P. O’Daly nicht gesehen (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  182). Die Episode von David, der König Saul in der Höhle verschont, war in der Auseinandersetzung mit den Donatisten in Anschlag gebracht worden, um die Argumentation zu stützen, dass die Salbung (Weihe) eines Geistlichen unabhängig von dessen moralischer Integrität Bestand hat. Ein Beispiel dafür findet sich in der gegen den Donatisten Parmenianus gerichteten Schrift des Optatus von Mileve (vgl. c. Don. II 25, S.  294, Z. 10 – S.  296, Z. 40). Martine Dulaey geht davon aus, dass solche Argumentationen den Hintergrund der Deutung von 1Sam 24 in ciu. XVII 6 bilden (vgl. Dulaey, L’histoire [II], S.  32 f.). 240  Anne-Marie la Bonnardière ist der Auffassung, Augustin rekurriere hier auf die unterschiedliche Herleitung der Davidssohnschaft innerhalb der beiden Stammbäume Jesu nach Matthäus und nach Lukas (vgl. Bonnardière, Les livres, S.  338 f.). Bereits innerhalb der antimanichäischen Debatten hatte Augustin auf der leiblichen Abstammung Jesu vom Geschlecht Davids beharrt (vgl. C. P. Mayer, Art. Dauid, Sp.  237 f.) und die Divergenz beider Stammbäume mit dem unterschiedlichen Anliegen der Evangelisten erklärt. So habe Matthäus die königliche Würde betonen wollen, indem er die Abstammungslinie von Abraham und David über den Königssohn Salomo zu Josef und Jesus zog (vgl. Mt 1,1–16). Lukas hingegen wollte die priesterliche Würde Jesu hervorheben, weshalb er die Abstammungslinie Jesu nicht über Salomo, sondern über einen anderen Davidssohn namens Nathan (vgl. 2Sam 5,14; 1Chr 14,4) zieht (vgl. Lk 3,31); vgl. diu. qu. 61,2, S.  121, Z.  19 – S.  125, Z.  111 (s. dazu Lienhard, Art. Ioseph, Sp.  736 f.). Auf diesen Nathan hatte sich nämlich Augustin zufolge die Priesterwürde, die David ebenfalls innehatte, übertragen. David, obwohl selbst kein praktizierender Priester, genoss dennoch priesterliche Privilegien wie den Verzehr von Schaubroten (vgl. 1Sam 21,1–7) und repräsentierte damit beide Ämter: Die Davidssohnschaft Jesu dient Augustin somit zu einer Legitimation sowohl des königlichen als auch des priesterlichen Amtes Christi (vgl. cons. eu. 1,4–6, S.  4, Z.  3 – S.  6, Z.  15; s. dazu C. P. Mayer, Art. Dauid, Sp.  237 f. mit Anm.  36). Die Argumentation in ciu. XVIII 32 verläuft gegenüber derjenigen in cons. eu. freilich anders, weil die beiden Ämter Christi dort zum einen in David und zum anderen in dem Priester und Propheten Nathan prophetisch vorweggenommen betrachtet werden. 239  „huic

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zwar in Form der Stadt Jerusalem, die unter David zur Hauptstadt Israels wird und unter Salomo mit dem Tempel ihr kultisches Zentrum erhält. Stadt und Tempel sind irdische Repräsentanten der himmlischen Stadt und des himmlischen Tempels. Die Koinzidenz dieser prophetischen Abbilder Christi und der ciuitas dei wird noch plastischer, führt man sich die Deutung des vierten Schöpfungstages vor Augen, der im Denken Augustins mit dem vierten Weltzeitalter korreliert. So wurden am vierten Tag der Schöpfung Sonne und Mond geschaffen, die nach Augustins Deutung von Hab 3,11 für Christus und die Kirche stehen.241 4.1.7 Die an Saul ergangene Weissagung der Zweiteilung Israels Nachdem Saul mehrfach gesündigt hatte und von Gott endgültig verworfen wurde, was er Saul über den Propheten Samuel mitteilen ließ („Weil du das Wort des Herrn verachtet hast, hat dich der Herr verworfen, dass du nicht König seiest über Israel.“242), wollte jener Samuel umstimmen, dass er mit ihm gemeinsam Gott um Vergebung bitte. Samuel lehnte dies aber ab, und als er sich zum Gehen wandte, „riss“ Saul einen Zipfel von dessen Rock „ab“ (dirumpere) – ein prophetisches Zeichen, das Samuel auch sogleich aufnimmt und deutet, wenn er zu Saul spricht: Weggerissen [dirumpere] hat der Herr heute das Königtum von Israel aus deiner Hand, und er wird es deinem Nächsten geben, dem guten über dir, und Israel wird in zwei (Teile) gespalten werden; und er [sc. der Herr] wird nicht umkehren noch wird er Reue empfinden; denn er ist nicht wie ein Mensch, dass ihn etwas reut; (wie einer,) der droht und nicht daran festhält.243

241 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  625, Z.  6 4–66. Anne-Marie la Bonnardière schreibt dazu: „La création des deux luminaires, le soleil et la lune, au quatrième, préfigure le mystère du Christ Lumière et de l’Eglise illuminée.“ (Bonnardière, Les livres, S.  339) Augustin hat jedoch in ciu. den Vergleich zwischen den Schöpfungswerken eines jeden der sechs Tage mit bestimmten historischen Ereignissen nicht konsequent auf alle Weltzeitalter übertragen – wie er dies etwa bei den Lebensaltern getan hat (vgl. Fuhrer, Erneuerung, S.  269). Einen Bezug zwischen den Werken der einzelnen Schöpfungstage und den jeweiligen geschichtlichen Entwicklungen der sechs Weltzeitalter stellt Augustin allerdings in Gn. adu. Man. 1,35–40 her. 242 „quia spreuisti uerbum domini, spreuit te dominus, ut non sis rex super Israel.“ (1Sam 15,23.26 nach ciu. XVII 7, S.  567, Z.  2 f.) 243 „disrupit dominus regnum ab Israel de manu tua hodie et dabit proximo tuo bono super te, et diuidetur Israel in duo; et non conuertetur neque paenitebit eum; quoniam non est sicut homo, ut paeniteat eum; ipse minatur, et non permanet.“ (1Sam 15,28 f. nach ciu. XVII 7, S.  568, Z.  10–13) Zu beachten ist, dass es sich bei der Ankündigung Samuels an Saul, Israel werde in zwei Teile geteilt werden (1Sam 15,29a), um eine Erweiterung der LXX gegenüber der Hebräischen Bibel handelt. Die Zeichenhandlung des abgerissenen Mantels wird so über das Abreißen der Königswürde von Saul hinaus auf die Reichsteilung Israels unter Rehabeam hin ausgedeutet.

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Augustin versteht dieses Gerichtswort an Saul nicht so, dass diesem das Königtum unmittelbar genommen worden wäre, weil er ja insgesamt 40 Jahre herrschte,244 sondern in der Weise, dass aus dem Geschlecht Sauls nie wieder ein König hervorgehen sollte, da sich Gott für das Königtum nun ein anderes, nämlich das Geschlecht Davids, erwählt hat.245 Aus diesem Davidsgeschlecht wird dann auch Christus „nach dem Fleisch“ hervorgehen und als „Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (mediator dei et hominum)246 der eigentliche, wahre König sein, auf den die mit dem Gerichtswort an Saul verbundene Verheißung in der Deutung Augustins abzielt. So ist auch seine Argumentation hinsichtlich „ab Israel“ und „de manu tua“ in 1Sam 15,28 zu verstehen, wo er die lateinischen Handschriften gegen das s.E. richtige Verständnis der Septuaginta ausspielt:247 Man müsse nämlich beide Begriffe synonym verstehen,248 sodass die Prophetie also nicht bedeutet, Saul würde zwar das Königtum über das (irdische) Israel genommen, dieses selbst aber bliebe von der Verwerfung unberührt. Vielmehr müsse man 1Sam 15,28 als Ankündigung des zukünftigen Wegreißens des Königtums sowohl von König Saul als auch vom (irdischen) Volk Israel begreifen, da das wahre Königtum von Christus wahrgenommen werden wird: „Demnach stellte dieser Mensch [sc. Saul] in seiner Person das Volk Israel dar, und dieses Volk sollte seine Herrschaft verlieren, da Christus Jesus, unser Herr, berufen war, durch den Neuen Bund nicht in fleischlicher, sondern in geistiger Weise zu herrschen.“249 Die Prophetie hat also zwei Bezugspunkte in der Geschichte: zum einen die Weggnahme des regnum von Saul, zum anderen, weitaus später, die Wegnahme dieses regnum von Israel. Dementsprechend ist auch „dein [sc. Sauls] Nächster, der gute über dir“ (proximus tuus bonus super te), von dem Samuel als demjenigen spricht, auf den das regnum übertragen werden solle, nicht etwa auf David, sondern auf Jesus Christus zu beziehen.250 Mit Verweis auf Ps 109,1, den Augustin so verstanden haben wird, dass Gott der Vater zu Jesus Christus sagt, dass „er alle Feinde unter seine 244  Diese kaum historische Regierungsdauer Sauls wird nicht durch das Alte Testament bezeugt; Augustin stützt sich hier auf Apg 13,21 bzw. die entsprechende Notiz in Hieronymus, Chron., S.  65a., Z.  16 f. Die Angabe selbst geht wiederum auf ältere jüdische Tradtitionen zurück (vgl. Kreuzer, Art. Saul). 245 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  15–19; s. dazu Reemts, Gestalten, S.  76. 246 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  2 0. Die Rolle des „Mittlers“ (mediator) zwischen Gott und den Menschen nimmt Christus auch bezogen auf sein Priesteramt ein (vgl. ciu. XVII 5, S.  564, Z.  92); vgl. zum Begriff des mediator dei et hominum 1Tim 2,5. 247 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  2 2–25. Carl Andresen sieht hier seine Annahme bestätigt, dass Augustins Schriftgrundlage eine „an der LXX überprüfte altlat[einische] Übersetzung“ bildete, die „in Nordafrika ‚kanonisch‘ war“ (BAW [ciu.] 2, S.  865.939). 248 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  25 f. 249  „populi ergo Israel personam figurate gerebat homo iste, qui populus regnum fuerat amissurus, Christo Iesu domino nostro per nouum testamentum non carnaliter, sed spiritaliter regnaturo.“ (ciu. XVII 7, S.  568, Z.  26–29) 250 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  29–31.

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Füße legen“251 werde, wird dann die etwas ungewöhnliche Formulierung „der gute über dir“ in der Weise interpretiert, dass Christus, weil er gut ist, von seinem Vater alle „Feinde“ (inimici) unter seine Füße gelegt bekommen haben wird, wenn er seine himmlische Herrschaft zur Rechten des Vaters antritt.252 Nicht nur Saul, sondern auch das von ihm repräsentierte Volk Israel werden hier als Feinde Christi und damit zugleich als Feinde Gottes verstanden, deren Herrschaft ein Ende gesetzt werden wird: „Unter ihnen [sc. den Feinden] ist auch Israel, dem Christus als seinem Verfolger die Königsherrschaft entrissen hat.“253 Allerdings ist hier zu beachten, dass Augustin ein differenziertes Israelbild vertritt,254 indem er nämlich diejenigen Israeliten, die Christus nicht angenommen und ihn und dessen Anhänger verfolgt haben – die „Spreu“ (paleae) –, von denjenigen als dem „Weizen“ ( frumentum) unterscheidet,255 die sich aus dem Volk Israel kommend Christus angeschlossen haben. Genannt werden hier Apostel und Märtyrer wie Stephanus.256 Von dieser Zweiteilung Israels herkommend, wird dann auch das Prophetenwort „und Israel wird in zwei (Teile) gespalten werden“ (1Sam 15,29a LXX) 251 „donec

ponam omnes inimicos tuos sub pedibus tuis.“ (Ps 109,1 nach ciu. XVII 7, S.  568, Z.  35 f.) Augustin zitiert Ps 109,1 sehr häufig; in ep. Rm. inch. zitiert er diesen Psalmvers vollständig: „dixit dominus domino meo: sede a dextris meis, donec ponam omnes inimicos tuos sub pedibus tuis.“ (ep. Rm. inch. 5, S.  151, Z.  19–21) In qu. 1,59 setzt sich Augustin intensiver mit der Einleitung dieses Verses „dixit dominus domino meo“ auseinander, mit dem Ergebnis, dass hier Gott der Vater zu seinem Sohn spricht (vgl. qu. 1,59, S.  23, Z.  740–749), den er zum Sitzen zu seiner Rechten auffordert, bis er alle Feinde unter dessen Füße gelegt haben wird. 252 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  31–36. 253  „in quibus est et Israel, cui suo persecutori regnum abstulit Christus“ (ciu. XVII 7, S.  568, Z.  36 f.). 254  Gregory W. Lee schreibt dazu: „On the one hand, conversion to Christ remains an option for ethnic Jews. Some have already turned to Christ, others are in the process, and still others may do so in the future. The Israelites who count as Christ’s enemies are only those who persist as such until the end of this mortal existence. On the other hand, Christ marks an absolute, unmovable line of division among the Jews, such that ethnic Jews who turn to Christ can no longer identify with other Jews in the most important respects.“ (Lee, Israel, S.  537) 255  Mit der Motivik des von der Spreu zu unterscheidenden Weizens spielt Augustin offenbar auf die Gleichnisrede Jesu in Mt 13,24–30.36–43 sowie die Predigt Johannes’ des Täufers (vgl. Lk 3,17; Mt 3,12) an. Diese Motivik wurde für Augustin insbesondere im Donatistischen Streit wichtig, da sich seine Gegner ihrer bedienten, um damit ihre Vorstellung einer von mali gereinigten Kirche biblisch zu untermauern. Augustin dagegen argumentierte im Anschluss an Cyprian gegen ein solches Verständnis, wonach es bereits jetzt Aufgabe der Kirche sei, die ‚Spreu‘ (sc. die mali) vom ‚Weizen‘ (sc. die boni) zu trennen. Der Mensch sei zumeist gar nicht imstande, die pseudochristiani zu erkennen (vgl. en. Ps. 64,16, S.  836, Z.  1–8) und aus der Kirche auszuscheiden. Diese Trennung ereignet sich im Vollzug des Endgerichts und darf nur von Christus selbst und seinen Engeln vorgenommen werden (vgl. mit Bezug auf Mt 13,39–43: s. 47,18, S.  590, Z.  544–559; 4,32, S.  43, Z.  697–701; s. mit weiteren Quellenbelegen: Lau, Art. Frumentum, Sp.  76–78). Augustin kehrte die donatistische Argumentation also um und sah in der Motivik der Trennung von Weizen und Spreu gerade ein Argument für sein Verständnis der (noch nicht erlösten) Kirche als eines corpus permixtum. 256 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  37–42.

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nicht auf die Spaltung Israels in Nord- und Südreich bezogen, sondern, untermauert von der bereits häufig angeführten paulinischen Sarah-Hagar-Allegorie (Gal 4,21–31) und der Verstoßung Hagars durch Abraham (Gen 21,10–14), auf ebenjene Teilung Israels in die Christusgläubigen und diejenigen, die unter der Knechtschaft des Gesetzes und des Alten Bundes verbleiben.257 Augustin ist sich zwar der Deutung von 1Sam 15,29 als sich auf die Reichsteilung beziehendes prophetisches Wort bewusst, doch weist er sie u. a. mit der Argumentation zurück, dass der Verlauf der Geschichte zwar durchaus eine solche Teilung Israels gezeitigt habe, dass diese Reichsteilung aber nur temporär war und seit der Einnahme des Nordreiches, spätestens aber seit derjenigen des Südreiches durch die Chaldäer 258 nicht mehr vom Volk Israel als einem politisch zweigespaltenen „Reich und Volk“ (regnum et populum)259 gesprochen werden könne.260 Dass es aber in 1Sam 15,29 um eine ewige Spaltung Israels geht, zeige sich in der Betonung der Unabänderlichkeit dieses göttlichen Ratschlusses: Da Gott aufgrund seines „unwandelbaren göttlichen Vorherwissens“ (praescientia inmutabilis diuina)261 nicht wie einen Menschen eine Sache reuen kann und wird, müssen sowohl der Entzug des regnum von Israel, die Verleihung dieses regnum an Christus, als auch die Teilung Israels als ewige, unwiderrufliche Ereignisse angesehen werden.262 Die Reichsteilung Israels erkennt Augustin zudem, womit er sich durchaus auch auf biblische Wertungen stützen kann,263 in der Sünde Salomos, nicht aber in derjenigen Sauls begründet.264 Auch aus diesem Grund könne man 1Sam 15,29 nicht auf die politische Spaltung Israels beziehen.

257 Vgl. ciu. XVII 7, S.  568, Z.  43 – S.  569, Z.  49. Christina Reemts suggeriert, es ginge Augustin hier lediglich um eine Spaltung der beiden ciuitates, und lässt dabei den deutlichen Christusbezug (Trennung des jüdischen Volkes in die Christusgläubigen und die „Feinde“ [inimici] Christi) vollständig außen vor (vgl. Reemts, Gestalten, S.  77). 258  „Chaldaei“ (vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  52), gemeint sind die chaldäischen Babylonier des sog. Neubabylonischen Reiches. 259 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  58.59. 260 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  50–57; s. auch Piret, La destinée, S.  272 f. 261 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  65 f. 262 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  57–67. Mit der Reue Gottes hatte sich Augustin ausführlich in ciu. XV 25 auseinandergesetzt (s. dazu Abschnitt 1.3.3). 263  Vgl. etwa die negative Bewertung des Königs Salomo in 1Kön 11 und das an den späteren König Israels Jerobeam ergehende Wort des Propheten Ahija von Silo, das ebenfalls mit einer Zeichenhandlung, dem Zerreißen des Prophetenmantels in zwölf Stücke, von denen Jerobeam zehn erhält, verbunden ist: „Siehe, ich will das Königtum aus der Hand Salomos reißen und dir zehn Stämme geben […], weil er mich verlassen hat und angebetet die Astarte, die Göttin der Sidonier, den Kamosch, den Gott Moabs, und den Milkom, den Gott der Ammoniter, und nicht in meinen Wegen gewandelt ist und nicht getan hat, was mir wohlgefällt“ (1Kön 11,31–33; vgl. insgesamt 1Kön 11,26–43). 264 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  49–51.

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Deutlich wird in ciu. XVII 7 die Frontstellung gegen das (irdische) Volk Israel, insofern nämlich jenem Teil aus ihm, der sich Christus anschließt, die Zugehörigkeit zu diesem Volk abgesprochen wird: Denn alle diejenigen, die von dort [sc. aus dem Volk Israel] zu Christus übergegangen sind, übergehen oder (noch) übergehen werden, gehörten nach dem Vorherwissen Gottes nicht dazu [sc. zum Volk Israel], auch wenn sie nach dem Menschengeschlecht ein und derselben Natur waren. Und gewiss werden alle diejenigen von den Israeliten, die Christus anhängen und in ihm ausharren, niemals auf der Seite jener Israeliten sein, die darin verharren, seine [sc. Christi] Feinde zu sein bis zum Ende dieses Lebens.265

Die Teilung Israels ist ewig und unabänderlich. Jenem Teil Israels, der im Alten Bund verharrt, ein Feind der Christenheit bleibt und den aufgrund dessen „am Ende dieses Lebens“ das Vernichtungsgericht erwartet, kommt in der verbleibenden irdischen Zeit lediglich die bereits mehrfach erwähnte dienende Rolle des Zeugnisgebens für die Wahrheit des Neuen Bundes zu, an dem der Christus ablehnende Teil Israels aber selbst nicht teilhat.266 Ausgehend von der paulinischen Deutung des Schleiers, den sich Mose nach der Offenbarung Gottes auf dem Berg Sinai auf das Gesicht legte (Ex 34,33–35) und der nach Paulus als „Schleier auf dem Herzen“ der Israeliten metaphorisch deren Verstockung anzeigt (vgl. 2Kor 3,12–18), interpretiert Augustin das Übergehen eines Israeliten zu Christus gleichsam als Entfernung dieses Schleiers und zugleich als Änderung seiner Grundausrichtung bzw. seiner „Gesinnung“ (intentio): Von nun an ist er nicht mehr an der „fleischlichen Glückseligkeit“ ( felicitas carnalis), sondern an der „geistlichen Glückseligkeit“ ( felicitas spiritalis) orientiert.267 Eine weitere mit dem Propheten Samuel verbundene Zeichenhandlung, nämlich seine Aufstellung eines Gedenksteins, nachdem Gott auf seine Anrufung und seine Opferhandlung hin die Philister geschlagen und das Volk Israel so vor einer Niederlage bewahrt hatte (vgl. 1Sam 7,7–12), bezieht Augustin auf jenen Wandel der intentio. Erneut vom Onomasticon des Hieronymus ausgehend, übersetzt Augustin den Ortsnamen „Mizpa“ (Massephat) mit „Gesinnung“ (intentio)268 und zudem den Namen des Gedenksteins „Ebenezer“ (Aben265 „quicumque enim ad Christum transierunt uel transeunt uel transibunt inde, non erant inde secundum dei praescientiam, non secundum generis humani unam eandemque naturam. prorsus quicumque ex Israelitis adhaerentes Christo perseuerant in illo, numquam erunt cum eis Israelitis, qui eius inimici usque in finem uitae huius esse persistunt“ (ciu. XVII 7, S.  569, Z.  70–75). 266 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  76–79. 267 Vgl. ciu. XVII 7, S.  569, Z.  79–83. 268 Vgl. ciu. XVII 7, S.  570, Z.  9 2. Augustin hat sich wohl erneut des Onomasticon des Hieronymus bedient und sich eine von mehreren Etymologien ausgewählt. Dort liest man: „Massefath speculatio uel contemplatio.“ (Nom. hebr. IV Reg. M, S.  116, Z.  20 f.) An anderer Stelle bezeugen mehrere Lesarten der Nom hebr. Ios. zwei weitere Etymologien, darunter auch die von Augustin verwendete: „Masphat speculatio uel contemplatio uel intentio uel locus iudicii.“ (Nom. hebr. Ios M, S.  95, Anm. zu Z.  27) Diese Etymologien lassen sich am

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nezer) mit „Stein des Helfers“ (lapis adiutoris).269 Dies zur Vorausssetzung nehmend, kann er 1Sam 7,12 („Da nahm Samuel einen Stein und richtete ihn auf zwischen dem neuen Massephat und dem alten und gab ihm den Namen Abennezer […], und sprach: ‚Bis hierher hat der Herr geholfen‘.“270) allegorisch auf den zukünftigen Gesinnungswandel eines Teils der Israeliten deuten. Der „Stein des Helfers“ sei Symbol für die Mittlerschaft Christi, die „Mitte des Erlösers“ (medietas Saluatoris), und (nur) durch ihn gelangte man von der alten zur neuen Gesinnung, repräsentiert durch das alte und das neue Mizpa,271 zwischen denen der Stein des Helfers steht. So habe man teil am Neuen Bund, indem man nicht mehr vergängliches irdisches Glück, sondern die wahre geistliche Glückseligkeit im Himmelreich erstrebt.272

4.2 David und Salomo als bildhafte Verheißungsträger 4.2.1 Die Geltung der den Davidssohn betreffenden Verheißungen Nachdem Augustin in den vorangegangenen Kapiteln (ciu. XVII 4–7) den Wechsel sowohl des Hohepriesteramtes als auch des Königsamtes im irdischen ehesten dadurch erklären, dass der Name ‫ ִמְצָפה‬zugleich als Nomen einen „Wachturm“ bzw. eine „Warte“ bezeichnet. Die zugrunde liegende Verbalwurzel ‫ צפה‬bedeutet „spähen“, „bewachen“, „aufmerksam betrachten“, „(aus-)schauen“ (vgl. dazu Wutz, Onomastica, S.  59). Die Etymologien bei Hieronymus nehmen dieses breite Bedeutungsspektrum auf und erweitern es bis hin zur Anschauung bzw. (religiösen) Schau (contemplatio), zum (Be-)Urteilen und zum Richten (locus iudicii). In diesen Kontext gehört wohl auch die von Augustin genutzte Etymologie intentio, ursprünglich wohl im Sinne von „Äußerung“ oder „Meinung“. 269 Vgl. ciu. XVII 7, S.   570, Z.  91. In der von Hieronymus angefertigten lateinischen Übersetzung des ursprünglich von Eusebius verfassten „griechische[n] Onomasticon der biblischen Ortsnamen“ (Heil, Art. Hieronymus; vgl. Fürst, Art. Scriptores, Sp.  94 f.) heißt es: „Abenezer, quod interpretatur, lapis adjutorii, (sive lapis auxiliator).“ (Sit. 158, Sp.  920, Z.  27 f.) Den Hintergrund dieser Etymologie bildet das bereits in 1Sam 7,12 angelegte Verständnis des Namens ‫ ֶאֶבר  ָהָעֶזן‬als Kompositum der Nomen ‫( ֶאֶבן‬dt.: Stein) und ‫( ֵעֶזר‬dt.: Hilfe); vgl. Wutz, Onomastica, S.  126 f. Die LXX bezeugt, abweichend vom MT, eine entsprechende erklärende Einfügung in 1Sam 7,12: καὶ ἐκάλεσεν [sc. Σαμουηλ] τὸ ὄνομα αὐτοῦ Αβενεζερ, Λίθος τοῦ βοηθοῦ. 270 „adsumpsit lapidem unum et statuit illum inter Massephat nouam et ueterem, et uocauit nomen eius Abennezer […], et dixit: usque hoc adiuuit nos dominus [1Sam 7,12].“ (ciu. XVII 7, S.  569, Z.  89 – S.  570, Z.  92) 271  Augustins Interpretation beruht auf seiner Annahme, dass es zu jener Zeit eine alte und eine neue Ortschaft mit demselben Namen, Mizpa, gegeben hat. Nach der Hebräischen Bibel jedoch wird der Stein zwischen den beiden Ortschaften Mizpa und „Schen“ (‫ )ֵשׁן‬aufgestellt. In der Septuaginta wiederum, von der Augustins Version hier abhängig ist, heißt es etwas kryptisch, Samuel habe den Stein zwischen Mizpa und „der alten“ aufgerichtet (καὶ ἔλαβεν Σαμουηλ λίθον ἕνα καὶ ἔστησεν αὐτὸν ἀνὰ μέσον Μασσηφαθ καὶ ἀνὰ μέσον τῆς παλαιᾶς). Führt man sich vor Augen, dass ‫ יׁשן‬so viel wie „alt (sein)“ bedeutet, so liegt die Vermutung nahe, dass die Übersetzer der Septuaginta (evtl. aufgrund einer noch früheren Hinzufügung eines Buchstabens) dieses Wort nicht als Namen des unbedeutenden, da nur in 1Sam 7,12 begegnenden Ortes Schen erkannt, sondern als Adjektiv aufgefasst haben. 272 Vgl. ciu. XVII 7, S.  570, Z.  93–98.

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Sinne anhand der Gestalten Eli, Samuel, Saul und David, vor allem aber auch im übertragenen Sinne als den Wechsel hin zum wahren Priestertum und wahren Königtum in Christus ausführlich behandelt hat, stellen die folgenden sechs Kapitel (ciu. XVII 8–13) eine weitere Sinneinheit dar. Kapitel 8 markiert insofern eine gewisse Zäsur, als hier David erstmals in seiner Funktion als ins Amt gekommener König Israels und als Empfänger göttlicher Verheißungen auftritt und somit das vierte Weltzeitalter im eigentlichen Sinne seinen Anfang nimmt, während die Erzählungen von Hanna, Eli, Samuel und Saul streng genommen zeitlich noch in das Ende des dritten Weltzeitalters gehören.273 Ausgehend von der Nathansweissagung, die Augustin ja bereits als Beispiel bei seiner Kategorisierung von Weissagungen in ciu. XVII 3 angeführt hatte,274 und unter Bezugnahme auf Ps 88 verdeutlicht er in ciu. XVII 8–13, dass die dem ‚Davidssohn‘ geltenden Verheißungen sich nicht auf Salomo, sondern auf Christus beziehen. Dabei lassen sich gewisse Strukturanalogien zur Argumentation in den vorangegangenen Kapiteln erkennen, da ja diese schon darum bemüht waren, Weissagungen, die augenscheinlich auf eine Erfüllung in der Geschichte des irdischen Volkes Israel abzielen, als solche zu verstehen, deren eigentliche Erfüllung sich in Christus ereignet bzw. deren Erfüllung noch eschatologisch aussteht. Nachdem David ins Königsamt gekommen war und im Gegensatz zu seinem Vorgänger Saul bereits „viele glückliche [militärische] Erfolge“ (multa prospera)275 erzielen konnte, fasste er den Entschluss, Gott in der von ihm eingenommenen Stadt Jerusalem einen Tempel zu bauen. In dieser Zeit ließ Gott den Propheten Samuel wissen, dass nicht David, sondern sein „Same“, der aber erst erweckt werden wird, nachdem sich David zu seinen Vätern gelegt haben wird, seinem, d. h. Gottes Namen ein Haus bauen solle. Augustin zitiert hier das gesamte Gotteswort, das durch den Propheten Samuel an David ergeht (2Sam 7,8–16).276 Er vertritt die Meinung, dass man dieses Gotteswort und die in ihm enthaltenen Weissagungen nur dann auf Salomo, den Sohn Davids, und den von ihm gebauten Salomonischen Tempel beziehen könne, reduzierte man sie auf die Aussage: „Der wird mir ein Haus bauen“.277 Diese Ansicht Augustins liegt nicht in einer Geringschätzung des Jerusalemer Tempels begründet, den er als einen „hochberühmten Tempel“ (templum excellentissime diffamatum)278 würdigen kann. Vielmehr ist es die Diskrepanz zwischen der geschichtlichen Realität und dem Inhalt der Nathansweissagung, die ihm einen Bezug derselben auf 273 Vgl.

ciu. XVII 8, S.  570, Z.  1–5. Vgl. Abschnitt 4.1.3. 275 Vgl. ciu. XVII 8, S.  570, Z.  5. 276 Vgl. ciu. XVII 8, S.  570, Z.  12 – S.  571, Z.  32. 277 „hic aedificabit mihi domum“ (2Sam 7,13 nach ciu. XVII 8, S.  570, Z.  25 f. bzw. S.  571, Z.  35). 278 Vgl. ciu. XVII 8, S.  570, Z.  5. 274 

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den Salomonischen Tempel unmöglich macht. Da Augustin aber an der unverbrüchlichen Wahrheit der göttlichen Verheißungen und der Unwandelbarkeit Gottes festhält, ist für ihn ein Irrtum Gottes ausgeschlossen, als würde dieser selbst vom Geschichtsverlauf eines Besseren belehrt werden und sich seine Verheißungen im Nachhinein als falsch herausstellen. Diese Annahmen zur Grundlage nehmend, müssen die Weissagungen und Verheißungen sich also auf eine entferntere Zukunft beziehen, die Augustin in Christus, der Kirche und dem mit Christus begonnenen und sich eschatologisch vollendenden Heilswerk erkennt. Auf den Erbauer des Salomonischen Tempels könne die Aussage: „Treu [ fidelis] wird sein Haus sein, und sein Königreich [regnum] soll in Ewigkeit sein vor mir“279 nicht zutreffen, da sich nach biblischem Bericht im Hause Salomos Frauen aus fremden Ländern aufgehalten und falsche Götter verehrt haben, weshalb das Haus Salomos keineswegs als „treu“ bzw. „beständig“ ( fidelis) bezeichnet werden kann.280 Schließlich hat sich Salomo selbst, einst von der „Weisheit“ (sapientia) durchdrungen, in seinen späten Jahren von diesen Frauen zum „Götzendienst“ (idolatria) verleiten lassen.281 Die königskritischen Aspekte jener alttestamentlichen geschichtstheologischen Konzeptionen, in denen die Amtszeit Salomos als Dekadenzgeschichte gezeichnet wird, werden hier rezipiert und gegen ein Verständnis der Nathansweissagung im Sinne einer Erfüllung in Salomo verwendet. Augustin verweist hier auch auf den Umstand, dass selbst die „fleischlich gesinnten Juden“ (Iudaei carnales)282 nicht behaupten würden, dass sich die Nathansweissagung 2Sam 7 in König Salomo, seiner Herrschaft und dem von ihm veranlassten Tempelbau erfüllt habe, da sie doch selbst noch auf einen Messias warten, der aus dem Samen Davids stammt. Eine Hoffnung freilich, die Augustin vor dem Hintergrund des Gekommenseins Jesu Christi als „eitel und unnütz“ (uane atque inaniter)283 bezeichnet.284 Als zweites geschichtliches Argument führt Augustin den Umstand an, dass Salomo ja noch zu Lebzeiten seines Vaters David die Regierung übernahm (vgl. 1Kön 1,11–40),285 die Nathansverheißung aber explizit davon spricht, dass der verheißene „Same“ zu einem Zeitpunkt aus dem davidischen Geschlecht von Gott erweckt werden soll, zu dem David bereits gestorben ist und „sich bei seinen Vätern schlafen gelegt hat“ (2Sam 7,12).286 Auch aus diesem Grund muss sich also die Nathansverheißung auf einen „anderen Friedensfürsten“ (alius paci279 „[et] fidelis erit domus eius et regnum eius usque in aeternum coram me“ (2Sam 7,16 nach ciu. XVII 8, S.  571, Z.  31 f. bzw. Z.  36 f.). 280 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  36–39. 281 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  39 f. 282 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  4 6 f. 283 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  45 f. 284 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  43–50. 285 Vgl. ciu. XVII 8, S.  572, Z.  73 f. 286 „et erit, cum repleti fuerint dies tui, et dormies cum patribus tuis, et suscitabo semen tuum post

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ficus)287 als Salomo beziehen, dessen Name Augustin zufolge (unter erneutem Rückgriff auf das Onomasticon des Hieronymus) ja mit „Friedensbringer“ (pacificus)288 übersetzt werden kann. Dieses Verständnis von 2Sam 7,12 voraussetzend, kann sich auch der Bau des Hauses Gottes (2Sam 7,13) nicht auf Salomo beziehen, sondern auf jemanden, der lange nach dem Tod Davids aus dessen Geschlecht erweckt wurde und der mit dem Bau eines Hauses Gottes beginnen sollte, das „nicht von Holz und Stein, sondern aus Menschen“ ist.289 Ein drittes Argument, das in Bezug auf die Nathansweissagung in ciu. XVII 3 begegnete,290 fehlt hier: Und zwar wird in 2Sam 7,10 f.13–16 ja ein Friedensreich in Aussicht gestellt: ein Israel, das nicht mehr von Feinden bedrängt wird, und ein ewiges Königtum, das unabhängig von den Sünden einzelner Amtsträger (2Sam 7,14–16) Bestand haben soll. Diese Verheißungen können nach Augustin nicht als in Salomo oder überhaupt dem Königtum des irdischen Volkes Israel erfüllt angesehen werden, da doch Israel auch nach dem Amtsantritt Salomos immer wieder von Feinden bedroht oder gar beherrscht wurde und dieses Königtum auch keineswegs ewigen Bestand hatte, da es seit dem Jüdischen Krieg keinen König Israels mehr gegeben hat. Salomo wird von Augustin in der Art seiner Friedensherrschaft, seines „preiswürdigen“ (laudabilis) Verhaltens – zumindest in seinen frühen Amtsjahren – und in seinem Bau des Tempels als „Gleichnis des Zukünftigen“ (imago rei futurae), nämlich als „Schattenbild“ (umbra) Jesu Christi verstanden, in dem sich

te, qui erit de uentre tuo, et praeparabo regnum eius. hic aedificabit mihi domum“ (2Sam 7,12 f. nach ciu. XVII 8, S.  570, Z.  23–26 bzw. S.  572, Z.  76–80). 287 Vgl. ciu. XVII 8, S.  572, Z.  83. 288 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  53. Diese Etymologie für Salomo ist bereits im biblischen Text angelegt, wenn auch nicht explizit als solche ausgeführt. Nach 2Sam 12,24 hat David seinen Zweitgeborenen Salomo genannt, und dieser sorgte tatsächlich für eine ‚Befriedung‘, musste doch der erste Sohn im Zuge einer göttlichen Strafe für die Verfehlung Davids sterben – hingegen heißt es nach der Namensgebung in 2Sam 12,24: „Und der Herr liebte ihn“. Der Name ‫שלֹמ ֹה‬ ׁ ְ leitet sich von der Verbalwurzel ‫„( שלם‬wohlbehalten / f riedlich sein“) ab, in griechischen Onomastica findet sich häufig die Etymologie εἰρηνικός. Hieronymus behandelt den Namen Salomon in Nom. hebr. erst in Bezug auf neutestamentliche Schriften: „Salomon pacificus siue pacatus erit.“ (Nom. hebr. Matth. S, S.  138, Z.  5 f.) / „Salomon pacificus.“ (Nom. hebr. Act. S, S.  148, Z.  5; vgl. Comm. Eccl. I 1, S.  250, Z.  1 – S.  252, Z.  71; s. dazu Wutz, Onomastica, S.  109 f.). Augustin assoziiert Salomo auch in ciu. XVII 13 mit der pax, von der dessen Regentschaft geprägt gewesen sei. Er ist davon überzeugt, dass die Qualität dieser salomonischen Friedenszeit mit keiner Regentschaft irgendeines anderen irdischen Herrschers vergleichbar sei und gerade deshalb die Regentschaft Salomos den „Schatten“ (umbra) des ewigen Friedensreiches Christi darstellt (vgl. ciu. XVII 13, S.  578, Z.  1–4.16–23; s. dazu Abschnitt 4.2.2). 289  „quamlibet enim longo interposito tempore Iesus Christus ueniret, procul dubio post mortem regis Dauid, cui sic est promissus, eum uenire oportebat, qui aedificaret domum deo, non de lignis et lapidibus, sed de hominibus, qualem illum aedificare gaudemus.“ (ciu. XVII 8, S.  572, Z.  85–89) 290  Vgl. Abschnitt 4.1.3.

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die Nathansweissagung erst erfüllen sollte:291 „aber in seiner Person verkündete eben auch er [sc. Salomo] durch einen Schatten des Künftigen den Herrn Christus, stellte (ihn) aber nicht dar“.292 Neben den „Büchern der göttlichen Geschichte“ (libri diuinae historiae)293, also den Geschichtsbüchern unter den heiligen Schriften, kündet, folgt man seiner Überschrift, auch Ps 71 von der Amtszeit Salomos: „Er wird herrschen von einem Meer zum anderen Meer und vom Fluss bis zu den Grenzen des Erdkreises.“294 Auf gleiche Weise, wie Augustin die Verheißungen der Na­ thansweissagung mit der tatsächlichen Geschichte kontrastiert, um ein rein historisches, auf Salomo bezogenes Verständnis auszuschließen, argumentiert er auch hier, dass das Königreich Salomos keineswegs eine solche territoriale Ausdehnung hatte, wie sie in Ps 71,8 beschrieben wird: Kein weltliches Reich hat je eine solche Ausdehnung gehabt; Ps 71,8 muss sich nach Augustin also auf die weltumspannende Herrschaft Christi beziehen.295 4.2.2 Die eigentliche Geltung des an David gerichteten Psalms 88 In ciu. XVII 9–12 befasst sich Augustin mit Ps 88, den er inhaltlich als der Na­ thansweissagung und dem Ps 71 „ähnlich“ (similis) beurteilt.296 Dieser Psalm, von einem Israeliten namens Ethan gesungen,297 enthält an König David gerichtete Verheißungen. Augustin zitiert diese auf die Person Davids bezogenen Verheißungen, die ihm u. a. den Beistand Gottes gegen alle Feinde, die Erhöhung seines Namens und den Verbleib von Wahrheit und Gnade bei ihm zusa291 Vgl.

ciu. XVII 8, S.  571, Z.  50–56. eadem sua persona per umbram futuri praenuntiabat etiam ipse Christum dominum, non exhibebat.“ (ciu. XVII 8, S.  571, Z.  54–56) 293 Vgl. ciu. XVII 8, S.  571, Z.  59. 294 „dominabitur a mari usque ad mare et a flumine usque ad terminos orbis terrae.“ (Ps 71,8 nach ciu. XVII 8, S.  571, Z.  67 f.) Gemeint ist hier offensichtlich eine Weltherrschaft. Die auffällige Formulierung „vom Fluss aus“ (a flumine) löst Augustin in seinem christologischen Verständnis des Psalms so auf, dass die Herrschaft Christi von einem Fluss ausgeht, da er doch von Johannes im Jordan getauft (vgl. Mt 3,13–17 parr.) und von da an von seinen Jüngern als „Herr“ (dominus) und „Lehrer“ (magister) erkannt wurde (vgl. ciu. XVII 8, S.  572, Z.  69–72). 295 Vgl. ciu. XVII 8, S.   571, Z.  56 – S.  572, Z.  69; zur Erfüllung dieser Weissagung in Christus vgl. ciu. XVIII 54, S.  654, Z.  11–13. In en. Ps. verdeutlicht Augustin mit Hinblick auf die Psalmüberschrift in Salomonem, dass dieser sich vollumfänglich nicht auf den Davidssohn Salomo „nach dem Fleisch“ (secundum carnem), sondern nur auf Christus beziehen könne (vgl. en. Ps. 71,1, S.  972, Z.  1–10; vgl. dazu Bardy, Psaume LXXI, wo auch darauf hingewiesen wird, dass Ps 71 nicht nur bei christlichen Autoren, sondern im Frühjudentum und evtl. bereits von Anfang an als messianischer Text verstanden wurde). 296 Vgl. ciu. XVII 9, S.  572, Z.  1–4. 297  Es handelt sich hier um Ethan, den Esrachiter (vgl. 1Kön 5,11), der nach 1Chr 6,29; 15,16 f.19 Tempelsänger und Sohn Kuschajas war. Allerdings wird der Name Ethan auch in 1Chr 2,6 innerhalb der Genealogie Judas als Sohn Serachs aufgeführt, der wiederum Edomiter war (Gen 36,13); vgl. Bardy, Psaume LXXXVIII, S.  737 (s. zu Ethan: Westermann, Art. Ethan, Sp.  4 46). 292  „sed

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gen, zudem wird David hier als der Knecht Gottes, der „Auserwählte“ (electus) aus dem Volk Israel, der „Erstgeborene“ (primogenitus), der von Gott Gesalbte und der „Erhabene“ (excelsus) unter allen Königen der Erde gepriesen. Sowohl der „Same als auch der Thron“ (semen eius et thronus) Davids soll ewiglich erhalten bleiben, „so lange, wie der Himmel währt“ (vgl. Ps 88,4 f.20–30).298 Die Argumentation der vorangegangenen Kapitel voraussetzend, kommt Augustin zu dem Schluss, dass sich all diese Zusagen nur auf Jesus Christus beziehen können, obwohl sie hier „unter dem Namen Davids“ (sub nomine Dauid)299 erscheinen, was an der besonderen Beziehung zwischen David und Jesus Christus liege: Durch das Geborenwerden von der Jungfrau Maria habe Christus „Knechtsgestalt“ ( forma serui) „vom Samen Davids“ (de semine Dauid) angenommen.300 Sowohl von dieser Annahme, dass Ps 88 an Christus gerichtet ist, als auch von der Prämisse der vollständigen Sündlosigkeit Jesu ausgehend, werden im weiteren Verlauf von ciu. XVII 9 Weissagungen bedacht, in denen von der mit dem gesalbten König in Zusammenhang stehenden Sünde und deren Folgen die Rede ist. So führt Augustin zunächst die Mahnung aus der Nathansweissagung an: „Und wenn es zu Missetat bei ihm kommen sollte, so werde ich ihn tadeln mit der Zuchtrute der Männer und mit züchtigendem Anpacken wie bei Menschenkindern; mein Erbarmen aber werde ich nicht von ihm entfernen.“301 Diese Ermahnung, die im ursprünglichen Kontext deutlich als Ermahnung des 298 

Vgl. Ps 88,4 f.20–30 nach ciu. XVII 9, S.  572, Z.  5 – S.  573, Z.  19. ciu. XVII 9, S.  572, Z.  20 f. 300 Vgl. ciu. XVII 9, S.  572, Z.  19–22. En passant erfährt man hier die Position Augustins zur Frage der Jungfrauengeburt Jesu, von der im Neuen Testament lediglich im Matthäusund im Lukasevangelium die Rede ist. Während in diesen beiden Evangelien aber eine Spannung zwischen Jungfrauengeburt und Davidssohnschaft Jesu Christi insofern entsteht, als die Abstammung vom Samen Davids über Josef konstruiert wird, wird diese in späteren Traditionen aufgelöst, indem auch Maria eine Abstammung vom Davidsgeschlecht zugesprochen wird. Ein Beleg dafür findet sich in dem aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert stammenden und in der Alten Kirche weit verbreiteten apokryphen Protevangelium des Jakobus, wo Maria als eine der „keuschen Jungfrauen vom Stamme Davids“ angesehen wird (Prot. Jak. 10,1, S.  920). Zur Geltung verholfen hat dieser Ansicht auch Justin der Märtyrer (vgl. Dial. 43,1; 100,3). Allerdings stellten die inhaltlichen Spannungen der Stammbäume beider Evangelien sowie die Inkongruenz von Davidssohnschaft und Jungfrauengeburt Jesu ein bleibendes Problem für die Kirchenväter dar (vgl. Luz, Evangelium 1, S.  137 f.). Gerade in der Auseinandersetzung mit den Manichäern wurde diese Problematik für Augustin bedeutsam. So stellte etwa Faustus die Abstammung Jesu Christi aus dem Stamme Davids – sowohl diejenige über Josef (aufgrund der angenommenen Jungfrauengeburt) als auch diejenige über Maria (die kanonisch nicht bezeugt ist) – in Frage (vgl. c. Faust. 23,1–4). Augustin hält dagegen an beidem fest; er sieht es als einen Bestandteil der fides catholica an, dass Jesus hinsichtlich beider parentes ein Davidssohn ist (vgl. c. Faust. 23,5, S.  710, Z.  10–13; S.  711, Z.  1–7; 23,9, S.  714, Z.  24–27; s. dazu Campenhausen, Jungfrauengeburt, S.  23; C. P. Mayer, Art. Dauid, Sp.  237 f.; Dodaro, Art. Maria, Sp.  1173 f.). 301 „et si uenerit […] iniquitas eius, redarguam illum in uirga uirorum et in tactibus filiorum hominum; misericordiam autem meam non amoueam ab eo.“ (2Sam 7,14 f. nach ciu. XVII 9, S.  573, Z.  25–28) 299 Vgl.

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Königs zu verstehen ist, nicht gegen den Willen Gottes zu verstoßen,302 ordnet Augustin zunächst als eine Mahnung ein, die den Söhnen Davids gilt, wobei er aber zugleich davor warnt, sie in dieser Weise vorschnell auf Salomo und dessen Vergehen zum Ende seiner Regentschaft zu beziehen. Da Augustin, wie in ciu. XVII 3 und 8 gesehen, die Nathansweissagung auf Christus (und nur eingeschränkt auf David und dessen Sohn Salomo) hin interpretiert, ist es konsequent, dass er auch die negativen Aspekte dieser Weissagung auf Christus und die Kirche hin deutet.303 Dies gelingt ihm unter Rückgriff auf die neutestamentliche Metaphorik vom Leib Christi: So kann er einerseits an der Sündlosigkeit Christi, dem Haupt des Leibes, festhalten, andererseits aber erklären, warum „bei ihm“, im Bild gesprochen also in den Gliedern des Leibes Christi, dennoch Missetaten vorkommen und Züchtigungen durch Gott nötig werden. Diese Züchtigungen der Glieder sind „Schläge der Zurechtweisung“ (plagae correptionis): Sie erfüllen einen pädagogischen Zweck für die noch auf der Erde pilgernden Glieder der ciuitas dei, was Augustin u. a. durch Anführung von Ps 104,15 verdeutlicht: „Rührt meine Gesalbten nicht an!“304 Sie sind jedoch zum einen keine endgültigen Verwerfungen, da die „Barmherzigkeit“ (misericordia) Gottes ja bestehen bleibt, zum anderen treffen sie nicht das (sündlose) Haupt des Leibes (2Sam 7,15). In dieser Auslegung von 2Sam 7,14 f. und ihrer Bezugnahme auf das ekklesiologische Leib-Christi-Motiv lässt sich ein antidonatistischer Zug erkennen: So kann Sündhaftigkeit in den Gliedern des Leibes Christi (freilich nicht in dessem sündlosen Haupt) existieren. Nach diesem Rückgriff auf die Nathansweissagung kommt Augustin zur Auslegung des 88. Psalms zurück und zitiert hieraus die Verse 31–34, die er analog zu seiner Auslegung von 2Sam 7,14 f. als einen Hinweis auf die Verfehlungen der Glieder am Leib Christi versteht. Diese „seine Söhne“ ( filii eius) werden zwar von Gott gezüchtigt, wenn sie das Gesetz und die Gebote Gottes missachten, doch wird „von ihm“ (ab eo) deshalb die Barmherzigkeit nicht ge302  Freilich

ist diese Mahnung vor dem Hintergrund einer späteren geschichtstheologischen Reflexion zu sehen, entstanden zu einer Zeit, als die Regentschaft der ersten Könige längst vergangen war und man im Nachhinein negative Ereignisse in der Geschichte des Volkes Israel als Folgen der Sünden des Königs bzw. seiner Söhne und damit verbunden auch als Sünden des Volkes interpretierte. 303  Martine Dulaey betrachtet es als eine der wesentlichen auf Augustin zurückzuführenden Innovationen in der christlichen Deutung Davids, dass er in diesem zugleich einen Typos für Christus als auch für die Christen (d. h. die Kirche) gesehen hat, womit er zwei vormals oszillierende Deutungstraditionen zusammengeführt habe (vgl. mit Bezug auf en. Ps. 59,1, S.  754, Z.  17–21: Dulaey, L’histoire [III], S.  236). Diese Einschätzung fügt sich ein in die von einem breiten Konsens der Forschung getragene These, dass Augustin den Psalter in erster Linie ‚prosopologisch‘ als einen auf Christus und die Kirche (in einer Einheit aus Haupt und Gliedern als Christus totus) bezogenen prophetischen Textcorpus rezipiert hat (vgl. u. a. Rondeau, Les commentaires, S.  365; Gillingham, Psalms, S.  38 f.; Fabre, La Prophétie, S.  547 mit Anm.  9), ja, dass der gesamte Psalter als uox Christi zu hören sei (vgl. Fiedrowicz, Psalmus, S.  272). 304 „ne tetigeritis christos meos.“ (Ps 104,15 nach ciu. XVII 9, S.  573, Z.  29)

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nommen.305 Nach der Auslegung Augustins ist in Vers 34 bewusst der Singular (ab eo) verwendet, obwohl man ja nach den Versen 31–33 einen Plural erwarten würde, dass also die Barmherzigkeit nicht „von ihnen“ (ab eis) genommen würde: Denn durch den Singular wird deutlich, dass zwar einzelne Glieder des Leibes Christi gestraft werden, dabei aber Christus in der Barmherzigkeit Gottes verbleibt.306 Christus als das sündlose Haupt dieses Leibes, der Kirche, ist von den Züchtigungen Gottes nicht betroffen.307 Über das Motiv des Leibes Christi kann Augustin in seiner christologischen bzw. ekklesiologischen Auslegung die eigentlich Davids Sohn Salomo geltende Mahnung in 2Sam 7,14, wo im Singular von „seiner Missetat“ (iniquitas eius) die Rede ist, auf die „Glieder“ (membra) des Leibes Christi beziehen und so weiter an der Sündlosigkeit Christi festhalten.308 Zugleich ermöglicht ihm die christologische bzw. ekklesiologische Deutung der Nathansweissagung und des Psalms 88, die Unverbrüchlichkeit der göttlichen Zusagen zu erweisen. Legt man nämlich die tatsächliche Geschichte Israels zugrunde, wären ja durchaus Zweifel an der Verlässlichkeit der göttlichen Zusage angebracht, wenn in Ps 88,34–38 betont wird, dass die göttliche Gnade und Treue nicht von ihm (d. h. dem Geschlecht Davids, also auch den Söhnen, die das Gesetz Gottes missachten werden; vgl. Ps 88,31–33) weichen wird und dass Gott an seinem Bund, und dem was er David „geschworen“ (iurare) hat, festhalten, ihn also nicht „belügen“ (mentiri) wird.309 Ist doch der Inhalt dieses Schwurs Gottes gegenüber David und seinem Geschlecht folgender: „Sein Same währt in Ewigkeit; und sein Thron wie die Sonne vor meinem Antlitz und wie der Mond so vollkommen in Ewigkeit, und treu ist der, der Zeugnis gibt im Himmel.“310 Liest man diese Verse nun, wie Augustin dies konsequent tut, vor dem Hintergrund der geschichtlichen Erfahrung des Niedergangs des israelitischen Königtums, spätestens nach 70 n. Chr., so könnte einem ja der Schwur Gottes, den er bewusst trotz der von ihm erwarteten Sündhaftigkeit der Nachfolger Davids auf dem Thron vollzogen hat, zweifelhaft erscheinen. Versteht man aber wie Augustin die Verheißungen ebenso wie die Ermahnungen, die in der Nathansweissagung und in Ps 88 enthalten sind, als solche, die von Anfang an nicht die Geschichte des irdischen Volkes Israel, sondern Christus und das Volk Gottes im Sinne des Leibes Christi vor Augen hatten, so hat Gott seinen Schwur nicht gebrochen und nicht gelogen. Sowohl der Same Davids als auch sein Thron, 305 Vgl.

ciu. XVII 9, S.  573, Z.  31–36. ciu. XVII 9, S.  573, Z.  36–38. 307 Vgl. ciu. XVII 9, S.  573, Z.  38–40. 308 Vgl. ciu. XVII 9, S.  573, Z.  41–45. 309 Vgl. ciu. XVII 9, S.  573, Z.  4 6–50. 310 „semen eius in aeternum manet; et sedes eius sicut sol in conspectu meo, et sicut luna perfecta in aeternum, et testis in caelo fidelis.“ (Ps 88,37 f. nach ciu. XVII 9, S.  573, Z.  52–54) Vgl. zur christologischen und ekklesiologischen Aktualisierung von Ps 88 bei Augustin die Ausführungen Bardys, Psaume LXXXVIII, S.  736 f. 306 Vgl.

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verstanden als der himmlische Thron zur Rechten Gottes, haben in Christus ewigen Bestand – unabhängig vom Ergehen des irdischen Volkes Israel in der Weltzeit. Dennoch ist das augustinische Verständnis der alttestamentlichen Weissagungen, wie er es ja in ciu. XVII 3 zugrunde gelegt hat, ein mehrdimensionales, was sich auch an seiner Auslegung des 88. Psalms zeigt. Wenn es dort nämlich in Vers 39a an Gott gerichtet heißt: „Du jedoch hast verworfen und zunichte gemacht, o Herr“,311 so ist hier nach Augustin das irdische Volk Israel gemeint (Kategorie 1), das ja tatsächlich die Zerstörung Jerusalems und des Salomonischen Tempels erleben musste, weil es gemäß gängiger Urteile in den biblischen Schriften aufgrund seiner Sünden von Gott verworfen wurde.312 Und dennoch hält Gott an seinen Verheißungen fest, wenn man den zweiten Teilvers beachtet, der in ciu. XVII 10 wie folgt wiedergegeben wird: „Du hast deinen Gesalbten [christus] verzögert.“313 – Eine Aussage, die Augustin im Sinne der zweiten Kategorie auf das verzögerte Kommen Christi bezieht. Er differenziert hier zwischen all jenen Königen Israels, einschließlich Saul, David und Salomo, die mit dem „geheimnisvollen Öl“ (chrisma mysticum) gesalbt und daher „Gesalbte“ (christi) genannt wurden, und dem „einen wahren Gesalbten“ (unus uerus christus), der nicht in einem jener Könige des irdischen Volkes Israel kam, sondern verzögert – zu einer nach dem Ratschluss Gottes festgesetzten Zeit. All jene mit dem Chrisma gesalbten Könige sind nach Augustin durch ihre „Salbung“ (unctio) „Schattenbilder“ ( figura prophetica) gewesen; sie deuten auf jenen wahren Gesalbten Christus hin.314 Weil aber der wahre Gesalbte nicht, wie vom irdischen Volk Israel erhofft, als ein König dieses Reiches kam, um seine irdische Herrschaft aufzurichten, muss dieses Volk vor dem Hintergrund seiner Geschichtserfahrungen den Bund mit Gott als hinfällig betrachten (Ps 88,40): „Du hast den Bund mit deinem Knecht 311 „tu uero […] reppulisti et ad nihilum deduxisti, domine.“ (Ps 88,39a nach ciu. XVII 10, S.  574, Z.  3 f.) 312 Vgl. ciu. XVII 10, S.  574, Z.  1–7. 313 „distulisti christum tuum“ (Ps 88,39b nach ciu. XVII 10, S.  574, Z.  9) Das in der LXX verwendete Verb ἀναβάλλειν kann wie das lateinische differe sowohl die Bedeutung von „verwerfen / verschmähen“ als auch „verzögern / h inhalten“ haben, wobei Augustin sich offensichtlich für die zweite Bedeutungsvariante entschieden hat. 314 Vgl. ciu. XVII 10, S.  574, Z.  7–16. In en. Ps. 26,2,2, S.  154, Z.  3 – S.  155, Z.  7 stellt Augustin heraus, dass die Salbung nicht nur das Privileg des Königs, sondern auch des Priesters war. Beide Amtsträger werden damit zu prophetischen Schattenbildern des Gesalbten Christus: „et solus tunc ungebatur rex et sacerdos; duae istae illo tempore unctae personae. in duabus personis praefigurabatur futurus unus rex et sacerdos, utroque munere unus Christus, et ideo Christus a chrismate.“ (vgl. dazu Dulaey, L’histoire [I], S.  186) Auch wenn in ciu. XVII 6 der auf Christus weisende Charakter beider Ämter hervorgehoben wurde (s. Abschnitt 4.1.6), wird die Salbung hier lediglich als Signum des königlichen Amtes begriffen. Schließlich gibt es über die Salbung der Könige und Priester hinaus noch die Vorstellung des chrisma propheticum, das ebenfalls auf Christus verweist und nach Augustin etwa Mose eigen war (vgl. c. Faust. 16,23, S.  467, Z.  11–19; s. dazu C. P. Mayer, Art. Chrisma, Sp.  841).

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umgestoßen, seine Heiligkeit hast du zur Erde entweiht.“315 Wer aus dem Volk Israel angenommen hat, Ps 88 oder andere Weissagungen ähnlichen Inhalts hätten sich in David oder Salomo erfüllt, sieht sich angesichts der Zerstörung der Stadt Jerusalem, der Entweihung des Tempels, der Preisgabe an die Feinde, des Entzugs des göttlichen Beistands und damit auch des Verlustes an politischer Macht in seiner Annahme enttäuscht.316 All dies sind Erfahrungen, die den in ciu. XVII 10 zitierten Versen Ps 88,41–46 zugrunde liegen.317 Trotz dieses Unheils, das dem irdischen Volk Israel, der „Magd Jerusalem“ (ancilla Hierusalem) widerfahren ist, gab es Augustin zufolge unter den Königen dieses Volkes auch Glieder der ciuitas dei, „Söhne der Freien“ ( filii liberae).318 Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie zwar das irdische Reich Israel in der Weltzeit verwalteten, sich aber des himmlischen Jerusalems bewusst waren, in ihrem Glauben auf dieses Reich hofften und auch auf das Kommen des wahren Gesalbten.319 Augustin nimmt den Gattungswechsel im 47. Vers des Psalms wahr, wenn er schreibt, dass die folgenden Verse als an Gott gerichtetes „Gebet“ (precatio) des Propheten Ethan zu verstehen sind, während es sich in den zuvor behandelten Versen um Weissagungen handelte: in den Versen 4 f.20–30.34–38 um Heilszusagen, in den Versen 31–33.39–46 um Unheilsankündigungen bzw. um eine Rückschau auf bereits am Volk Israel geschehenes Unheil. Allerdings ist nach Augustin auch dieses Gebet, das den Abschluss des Psalms bildet, als Prophetie zu verstehen.320 Wenn also der Beter des Psalms in Vers 47 die Frage an Gott 315 „euertisti testamentum serui tui, profanasti in terra sanctitatem eius“ (Ps 88,40 nach ciu. XVII 10, S.  574, Z.  22 f.). Gegenüber dem Text der Hebräischen Bibel fällt auf, dass am Ende des Verses nicht von der „Krone“ / dem „Diadem“ / dem „geweihten Haupt“ (‫)נזר‬, das im Staub entweiht wurde, die Rede ist, sondern von der „Heiligkeit“ / dem „Heiligtum“ (sanctitas). Der Grund für diese inhaltlich nicht unerhebliche Veränderung mag in der LXX zu finden sein, die an dieser Stelle ebenfalls „Heiligtum“ (τó ἁγίασμα) bezeugt. So kann Augustin davon ausgehen, dass in den Versen Ps 88,40–46 auch von der Zerstörung des Heiligtums, d. h. des Salomonischen Tempels die Rede ist (vgl. ciu. XVII 10, S.  574, Z.  4 –7), obwohl dies im hebräischen Text keinen Anhalt hat. 316 Vgl. ciu. XVII 10, S.   574, Z.  16–18. Hieronymus zufolge datiert die Zerstörung des Salomonischen Tempels auf das 442. Jahr nach dessen Errichtung (vgl. Hieronymus, Chron., S.  100a, Z.  1–5). 317 „destruxisti omnes macerias eius, posuisti munitiones eius in formidinem; diripuerunt eum omnes transeuntes uiam, factus est opprobrium uicinis suis; exaltasti dexteram inimicorum eius, iucundasti omnes inimicos eius; auertisti adiutorium gladii eius et non es opitulatus ei in bello; dissoluisti eum ab emundatione, sedem eius in terram conlisisti; minuisti dies sedis eius, perfudisti eum confusione.“ (Ps 88,41–46 nach ciu. XVII 10, S.  574, Z.  23–29) Auch hier gibt es eine Auffälligkeit gegenüber dem hebräischen Text, der sich jedoch nicht durch die LXX erklären lässt. Und zwar ist in Vers 46 ursprünglich die Rede davon, dass die Tage seines „Jünglingsalters“ (‫ )עלוםים‬von Gott verkürzt wurden, was die LXX mit der Kürzung der Tage „seiner Zeit“ (τοῦ χρόνου αὐτοῦ) wiedergibt. In Augustins Zitat heißt es dagegen, Gott habe die „Tage seines Thrones“ (dies sedis eius) verkürzt. 318 Vgl. ciu. XVII 10, S.  574, Z.  29–31. 319 Vgl. ciu. XVII 10, S.  574, Z.  31–33. 320 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  1 f.

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richtet: „Wie lange, o Herr, wendest du (dich) ab (bis) zum Ende?“,321 so ist damit nicht das Ende der Drangsale, die zum Zeitpunkt des Gebetes David ereilt haben, sondern das Weltende, die „letzte Zeit“ (ultimum tempus), gemeint. Genauer ist darunter die Zeit unmittelbar vor dem Gericht zu verstehen, zu der auch in dieser Zeit lebende Juden (durch die Belehrung des wiedergekehrten Elia) zum Christusglauben kommen.322 Augustin möchte zudem das Verb „abwenden“ (auertere) entweder reflexiv verstanden wissen (obwohl hier ein entprechendes Reflexivpronomen fehlt) oder aber die „Gnade“ als Objekt des Abwendens gedanklich einfügen, wodurch Vers 47 die drängende Frage des Beters danach wäre, wie lange Gott die David verheißene Gnade noch von Israel abwenden möchte.323 Das etwas isoliert stehende „zum Ende“ (in finem) deutet er eschatologisch im Sinne von „bis zum Ende“ (usque in finem) und damit als Hinweis darauf, dass der Beter mit der erhofften und erflehten (erneuten) Zuwendung Gottes zugleich auch die Endzeit meint.324 So wird auch der zweite Teilvers: „Wie Feuer wird dein Zorn entbrennen,“325 als Hinweis auf die mit der Endzeit verbundenen Drangsale verstanden.326 Vers 48 von Ps 88 dagegen, der ursprünglich auf die Vergänglichkeit sowohl des Psalmbeters als auch aller Menschen abhebt, gewinnt schon durch die Zitation bei Augustin eine völlig neue Bedeutung: „Werde dir bewusst, was mein Wesen [mea substantia] ist. Denn du hast alle Menschenkinder nicht zur Nichtigkeit [uane, wörtl.: vegeblich / umsonst] erschaffen.“327 Den Ausdruck mea sub­ stantia, eigentlich die Besinnung des Beters auf sein eigenes Leben, versteht Augustin im engeren Sinne als das „Wesen seines Volkes“ (substantia populi eius), 321 „usque

Z.  3)

quo, domine, auertis in finem?“ (Ps 88,47a nach ciu. XVII 11, S.  574, Z.  2 – S.  575,

322 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  3 –11; zur endzeitlichen Bekehrung der Juden vgl. Abschnitt 6.2.1. 323 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  3 –7. 324 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  7–9. 325 „exardescet sicut ignis ira tua“ (Ps 88,47b nach ciu. XVII 11, S.  575, Z.  11 f.). Mit der ira dei hatte sich Augustin ausführlich in ciu. XV 25 auseinandergesetzt (s. dazu Abschnitt 1.3.3). 326 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  9 –12. 327 „memento quae est mea substantia. non enim uane […] constituisti omnes filios hominum.“ (Ps 88,48 nach ciu. XVII 11, S.  575, Z.  12.14 f.) Ursprünglich handelt es sich um eine Frage des Beters an Gott, ob dieser die Menschen ‚zur Nichtigkeit‘ bzw. ‚vergeblich‘ geschaffen habe. Diese Frage ist durchaus nicht als rhetorische zu verstehen, vielmehr wird hier die „Nichtigkeit des Lebens und die Todverfallenheit der Kreatur“ beklagt (Kraus, Psalmen 2, S.  792). In der LXX wird diese Frage noch korrekt wiedergegeben: μὴ γὰρ ματαίως ἔκτισας πάντας τοὺς υἱοὺς τῶν ἀνθρώπων; Bei Augustin bzw. dem von ihm zur Grundlage genommenen Bibeltext dagegen erscheint diese Frage (wohl durch eine Fehlübersetzung des μή) als negativer Aussagesatz, wodurch die ursprüngliche Aussage des zweiten Teilverses in ihr Gegenteil verkehrt wird (s. auch en. Ps. 88,2,9, S.  1241, Z.  25). Diese Veränderung findet sich in einigen Vetus Latina-Versionen (die Psalmen sind innerhalb von VL noch nicht ediert; s. aber den digitalisierten Zettelkasten zu Ps 88,48 in VLD-O), etwa dem Psalterium Romanum, das nach traditioneller, mittlerweile historisch umstrittener Ansicht auf eine erste Revision eines altlateinischen Psaltertextes durch Hieronymus zurückgeht (vgl. Licht, Libellus, S.  222).

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im weiteren Sinne – wohl eingedenk der in seiner vorigen Auslegung bereits begegnenden Identifikation von Gottesvolk und Leib Christi – als Hinweis auf Christus selbst, der die Natur des Fleisches angenommen hat.328 So bekommt Vers 48 einen soteriologischen Charakter: Durch die Inkarnation des Menschensohnes (Vers 48a), der zugleich das wahre „Wesen Israels“ (substantia Israel), des wahren Gottesvolkes darstellt, und durch den viele Menschenkinder gerettet worden sind, wurde erwiesen, dass Gott diese Menschenkinder nicht zur Nichtigkeit (uane) erschaffen hat (Vers 48b).329 Augustin ist sich freilich auch der alttestamentlichen Aussagen bewusst, die von der Vergänglichkeit und Nichtigkeit des Menschen sprechen, weshalb er in diesem Kontext auch Ps 143,4 anführt: „Der Mensch ist der Nichtigkeit gleich geworden, seine Tage gehen wie ein Schatten vorüber.“330 Doch deutet er diese Einsicht vor dem Hintergrund der paulinischen Adam-Christus-Typologie: Das gesamte Menschengeschlecht sei durch die Sünde des ersten Menschen zu ebenjener „Nichtigkeit“ (uanitas) herabgesunken, von der in diesem Psalmvers die Rede ist. Mit dem auf die Erschaffung des Menschen folgenden Fall der Menschheit in Adam ist aber nicht ausgesagt, dass Gott die Menschen zur Nichtigkeit geschaffen habe, bzw. dass er das Menschengeschlecht im Zustand der Nichtigkeit belassen würde. Denn durch den „Mittler“ (mediator) Jesus Christus (vgl. 1Tim 2,5) wurden „viele“ (multi) aus dieser Nichtigkeit befreit.331 In diesem Zusammenhang führt Augustin den Begriff des Vorherwissens (praescire)332 Gottes ein, der also bereits zum Zeitpunkt der Erschaffung des Menschen den Fall und die Errettung eines Teils der Menschen vorherwusste. Und selbst jener Teil, der nicht durch den Mittler gerettet werden sollte, wurde nicht „vergeblich“ (uane) geschaffen, sodass Ps 88,48b in der Version Augustins in vollem Umfang zutrifft. Ist diesem Teil der Menschheit zwar am Ende der Zeit die „Nichtigkeit“ (uanitas) beschieden, so erfüllt er doch einen zeitlichen Zweck zum Nutzen derer, die gerettet werden: Die ciuitas terrena nimmt als „Gegensatz“ (contrarius) zur ciuitas dei einen von Gott angeordneten Platz „im Ganzen der vernunftbegabten Kreatur“ ein.333 328  „nihil hic melius quam ipse Iesus intellegitur substantia populi eius, ex quo natura est carnis eius.“ (ciu. XVII 11, S.  575, Z.  12–14) 329  „nisi enim esset unus filius hominis substantia Israel, per quem filium hominis liberarentur multi filii hominum, uane utique constituti essent omnes filii hominum.“ (ciu. XVII 11, S.  575, Z.  15–18) 330 „homo uanitati similis factus est, dies eius uelut umbra praetereunt.“ (Ps 143,4 nach ciu. XVII 11, S.  575, Z.  20 f.) Vgl. auch die Aufnahme dieses Psalmverses in Bezug auf die Verfassung des Menschengeschlechts nach dem Sündenfall in ciu. XIV 15, S.  437, Z.  37–41. 331 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  21–23. 332 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  2 3. 333  „sed non uane deus constituit omnes filios hominum, quia et multos a uanitate liberat per mediatorem Iesum, et quos liberandos non esse praesciuit, ad utilitatem liberandorum et comparationem duarum inter se a contrario ciuitatum non utique uane in totius rationalis

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Auch der folgende Vers wird in einen soteriologischen Kontext gestellt: „Wer ist der Mensch, der Leben und den Tod nicht sehen wird, der seine Seele aus der Hand der Unterwelt reißen wird?“334 Diesen von Augustin als rhetorische Frage aufgefassten Vers deutet er auf Christus unter Bezugnahme auf die in Röm 6,9 zum Ausdruck kommende Gewissheit, dass Christus auferstanden ist und der Tod nun nicht mehr über ihn herschen wird.335 Hierbei wird die Vorstellung aufgegriffen, dass Christus in den Tod gegangen ist, um in der Unterwelt nicht nur seine eigene, sondern auch die Seelen anderer den „Unterweltsfesseln“ (inferna uincla) zu entreißen (vgl. 1Petr 3,19 f.).336 Dass Christus die „Macht“ (potestas) dazu hat, belegt Augustin mit Joh 10,18.337 Den Schlussversen des 88. Psalms widmet sich Augustin in ciu. XVII 12: Wo sind deine alten Erbarmungen, o Herr, die du David geschworen hast in deiner Wahrheit? Gedenke, o Herr, der Schande deiner Knechte, die ich in meiner Brust trage von vielen Völkern; mit der deine Feinde gehöhnt haben, Herr; mit der sie die Verwandlung deines Gesalbten verhöhnt haben.338

Hier wird zunächst die Frage gestellt, ob sich das Sehnen des betenden Israeliten Ethan nach der Erfüllung der David gegebenen göttlichen Verheißungen auf die Zeit Davids bezieht, oder ob nicht gerade die Wendung „alte Erbarmungen“ (miserationes antiquae) anzeigt, dass diese Verse in einen viel späteren Zeitraum hineingesprochen sind, obwohl Ethan selbst ja zur Zeit der Regentschaft Davids lebte.339 Augustin entscheidet sich für Letzteres und nimmt daher Ps 88,50–52 als prophetia wahr, die sich in diejenigen Christusgläubigen hineinversetzt, die die Erfahrung der Verfolgung durch „viele Völker“ (multae gentes) gemacht haben, die das Leiden Christi verhöhnt haben.340 Er untermauert seine Neukontextualisierung von Ps 88,50–52 u. a. dadurch, dass er, paulinischem Gedankengut folgend, von den Christen als den Israeliten „nach dem Geiste“ (secundum

creaturae pulcherrima atque iustissima ordinatione constituit.“ (ciu. XVII 11, S.  575, Z.  21– 27) 334 „quis est homo, qui uiuet et non uidebit mortem, eruet animam suam de manu inferni?“ (Ps 88,49 nach ciu. XVII 11, S.  575, Z.  27 f.) 335 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  2 8–31. 336 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  31–34. 337 Vgl. ciu. XVII 11, S.  575, Z.  3 4–36. 338 „ubi sunt miserationes tuae antiquae, domine, quas iurasti Dauid in ueritate tua? memento, domine, opprobrii seruorum tuorum, quod continui in sinu meo multarum gentium; quod exprobrauerunt inimici tui, domine; quod exprobrauerunt, commutationem Christi tui.“ (Ps 88,50–52 nach ciu. XVII 12, S.  575, Z.  1 – S.  576, Z.  6) 339 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  7–12. 340 Vgl. ciu. XVII 12, S.   576, Z.  12–16. Dass sich Ps 88 an das ‚himmlische Jerusalem‘ richtet, erkennt Augustin schließlich auch an den diesen Psalm beschließenden Worten: „benedictio domini in aeternum: fiat, fiat.“ (vgl. ciu. XVII 12, S.  577, Z.  54–63; s. dazu Piret, La destinée, S.  274)

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spiritum) spricht, die von den Israeliten „nach dem Fleisch“ (secundum carnem) unterschieden werden.341 Der auffällige Begriff der „Verwandlung“ (commutatio) des von den Feinden Gottes verhöhnten Gesalbten 342 wird nun so verstanden, dass Christus insofern eine commutatio vollzogen habe, als er durch sein Sterben „unsterblich“ (inmortalis) geworden ist.343 Freilich ist dies bereits eine Aussage des christlichen Glaubens, die in dieser Weise von den im Psalm beschriebenen höhnenden Feinden nicht hätte nachvollzogen werden können. Möglicherweise werden Augustin hier Gedanken aus 1Kor 1,18–25 vor Augen gestanden haben, dass also die Feinde Gottes den Tod Christi verhöhnen, da dessen wahre Bedeutung ihnen verborgen bleibt, weshalb sie den christlichen Glauben, das ‚Wort vom Kreuz‘ als Torheit ansehen müssen. Eine gewisse Diskrepanz entsteht durch die auf die verfolgten Christen bezogene Auslegung dieser Psalmverse, da sie ja ursprünglich aus der Perspektive eines Israeliten gesprochen sind und daher die „vielen Völker“ (multae gentes) als „Feinde“ (inimici) Gottes (und damit auch Israels) betrachtet werden, während sich das Evangelium Christi ja gerade auch an die Völker richtet. Es ist wohl auch dieser Diskrepanz geschuldet, dass Augustin noch eine alternative Interpretation von Ps 88,50–52 erwägt, von der er selbst aber nicht überzeugt ist. Demnach wären diese Verse aus einer binnenisraelitischen Perspektive gesprochen, während mit den „vielen Völkern“ ebenjene Heiden gemeint sind, die Christus als ihren Heiland erkannt haben. Die „Schande deiner Knechte“ (opprobrium seruorum tuorum) bestünde darin, dass das Volk Israel größtenteils Christus nicht angenommen hat. Der Beter muss also als christusgläubiger Israelit verstanden werden, wenn er die Nichtannahme Christi durch sein Volk und dessen „Verharren im Alten“ (in uetustate remanere) als Schande ansieht,344 der aber dennoch von der Hoffnung getragen ist, dass sein Volk diese Schande letztlich überwinden und durch das Erbarmen Gotttes doch noch (christus-)gläubig werden wird.345 Die „Verwandlung“ (commutatio) des Gesalbten, die den Grund des das irdische Volk Israel treffenden Spottes der Christen innerhalb der Völker darstellt, bezieht sich dann darauf, dass Christus entgegen der israelitischen Erwartung eines Heilandes nicht dem Volk Israel exklusiv, sondern den Völkern geschenkt wurde.346 Gegen diese alternative Deutung spricht nach Augustin, dass eine Identifikation der „Knechte“ (serui) Gottes (Ps 88,51) mit denjenigen 341 Vgl.

ciu. XVII 12, S.  576, Z.  7–9. hebräischen Text ist an dieser Stelle vom „Wandel“ bzw. präziser den „Spuren“ (‫ )ִעְּקֹבות‬des Gesalbten die Rede, die LXX übersetzt dies allerdings mit „Tauschmittel“ (τὸ ἀντάλλαγμα), woraus sich wohl auch die Version Augustins, „Verwandlung“ (commutatio) erklärt, die auch von der Vulgata / BSVC(S) bezeugt ist. 343 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  16–19. 344 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  2 2 f. 345 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  24–26. 346 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  19–21. 342  Im

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Israeliten, die Christus nicht angenommen haben und die somit als „Feinde Christi“ (inimici Christi) anzusehen sind (was sie zugleich auch zu Feinden Gottes machen würde), nur schwerlich möglich ist.347 Augustin hält also an seiner ersten Deutung fest, dass mit den Knechten die verfolgten Christusgläubigen und mit der von ihnen in ihrer Brust getragenen Schande die Schmähungen und Verhöhnungen derer gemeint sind, die die Verwandlung Christi, die Überwindung seines Todes durch die Auferstehung, nicht anerkennen. Die Feinde Gottes, die nicht an die Auferstehung Christi glauben, können eine „Verwandlung“ (commutatio) im Sinne des Übergangs vom Sterben zur Unsterblichkeit nicht nachvollziehen. Sie sind lediglich imstande, hier eine „Vernichtung“ (consumptio) zu erkennen; ihre Perspektive bleibt auf den Tod Jesu beschränkt.348 Allenfalls wäre es denkbar, und damit gibt Augustin eine dritte Deutungsmöglichkeit von Ps 88,50–52, diese Verse jenen Juden in den Mund zu legen, die nach der Erfahrung der „Eroberung des irdischen Jerusalems“ (expugnata terrena Hierusalem) und der Wegführung ins Babylonische Exil zu der Erkenntnis gekommen sind, dass die Verheißungen im Hinblick auf ein ewiges Königtum sich nicht auf die Regentschaft Salomos bezogen haben können.349 Dann wäre mit der Verwandlung des Gesalbten gemeint, dass sich mit der Regentschaft dieses Gesalbten nicht „irdisches und fleischliches Glück“ (terrena carnalisque felicitas) verbindet, so wie es im Salomonischen Friedensreich genossen wurde. Vor dem Hintergrund des nur wenige Jahre währenden friedlichen Zustandes unter König Salomo und des mit der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar II. zum (vorläufigen) Ende gekommenen Königtums in Israel sind diese Juden von der Hoffnung und dem Glauben getragen, dass das Reich des ihnen verheißenen Gesalbten „himmlisches und geistliches Glück“ (caelestis ac spiritalis [ felicitas]) bringen wird.350 Die Verwandlung des Gesalbten wird hier also als ein Sinneswandel verstanden, der sich im Beter selbst vollzogen hat, der 347 Vgl.

ciu. XVII 12, S.  576, Z.  26–31. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  41. In einer Auslegung des 30. Psalms führt Augustin die Tatsache, dass die Juden nur das Schmachvolle am Kreuzestod Jesu sahen und den Gekreuzigten daher (entsprechend Dtn 21,23) als Verfluchten ansahen, auf ihre Ausrichtung auf das diesseitige Leben zurück: „non uis ut contemnatur ab eis qui honores amant, ille qui tantas contumelias accepit? non uis ut contemnatur ab his qui pro magno habent istam uitam, ille qui mortuus est? non uis ut contemnatur ab eis qui quasi damnationis mortem crucis turpem putant, ille qui crucifixus est? non uis ut contemnatur a diuitibus, ille qui pauperem uitam gessit in mundo, cum esset creator mundi? omnia ista quae amant homines, quia noluit illa habere Christus, ut non habendo ostenderet contemnenda, non quia in potestate non habuit possidenda; omnes qui amant haec, contemnunt illum.“ (en. Ps. 30,2,3,5, S.  215, Z.  7 – S.  216, Z.  16) Die Ausrichtung der Juden auf das diesseitige Leben und seine Genüsse ist ein Topos, der bei Augustins Wertung des Judentums häufiger zum Tragen kommt und zudem mit seiner Charakterisierung der Glieder der ciuitas terrena übereinstimmt (s. dazu auch Abschnitt 4.5.7 mit Anm.  634). 349 Vgl. ciu. XVII 12, S.  576, Z.  4 4 – S.  577, Z.  47. 350 Vgl. ciu. XVII 12, S.  577, Z.  47–50. 348 Vgl.

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aber freilich von den Völkern in ihrem „törichten Unglauben“ (ignorans infidelitas) nicht nachvollzogen werden kann. Sie verhöhnen das Volk Gottes, da es nun offensichtlich seine irdische Macht eingebüßt hat.351 Diese dritte, ebenfalls binnenisraelitische Deutungsmöglichkeit unterscheidet sich insofern wesentlich von der zweiten, dass sie nicht die Perspektive eines christusgläubigen Juden einnimmt, sondern mit der Babylonischen Gefangenschaft einen Zeitpunkt vor der Inkarnation Christi vor Augen hat. Der im Schlussvers des Psalms, „Der Segen des Herrn in Ewigkeit – er geschehe, er geschehe [sc. Amen, Amen]“,352 gepriesene Segen des Herrn gilt „dem gesamten Gottesvolk, das dem himmlischen Jerusalem angehört“: sowohl denjenigen Gliedern der ciuitas dei, die Ps 88,50–52 als verfolgte Christen sprechen können, als auch denjenigen, die als nach Babylon exilierte Juden zwar noch im Alten Bund standen, aber bereits zu der Erkenntnis des wahren Gesalbten gekommen waren, noch bevor dieser offenbart werden sollte.353 Der doppelte Ausruf „fiat, fiat“ ist ein Anzeichen für die Hoffnung auf diesen künftigen Gesalbten, von dem beide Gruppen getragen sind. Auch David hoffte darauf, wenn er in 2Sam 7,19.29 von der künftigen Segnung seines Hauses „in Ewigkeit“ (in aeternum) spricht, wissend, dass sich diese göttliche Segnung nicht in der Regentschaft seines Sohnes Salomo erfüllen würde, sondern in Christus, der aus der Reihe der Nachkommen Salomos abstammen wird: Durch diesen [sc. Christus] sollte sein [sc. Davids] Haus ewig und zugleich Gottes Haus werden. Denn es ist Davids Haus wegen der Abstammung von David; zugleich aber das Haus Gottes wegen des aus Menschen, nicht aus Steinen erbauten Tempels Gottes, wo das Volk in Ewigkeit mit Gott und in seinem Gott, und Gott mit dem Volk und in seinem Volk wohnen wird.354

Die Erfüllung des Volkes Gottes und zugleich sein „Lohn“ (praemium) besteht demnach darin, eschatologisch von Gott erfüllt zu sein und im ewigen Frieden zu leben, auf dass „Gott sei alles in allem“ (vgl. 1Kor 15,28).355 Augustin zufolge hat bereits David den eigentlichen Sinn der Nathansweissagung erfasst, wenn er in 2Sam 7,27 zu Gott spricht: „Denn du, allmächtiger Herr, Gott Israels, hast das Ohr deines Knechtes geöffnet, als du sagtest: Ich werde dir ein Haus bau-

351 Vgl.

ciu. XVII 12, S.  577, Z.  51–53. domini in aeternum: fiat, fiat.“ (Ps 88,53 nach ciu. XVII 12, S.  577, Z.  55) 353  „uniuerso populo dei ad caelestem Hierusalem pertinenti siue in illis, qui latebant in testamento uetere, antequam reuelaretur nouum, siue in his, qui iam testamento nouo reuelato manifeste pertinere cernuntur ad Christum, satis congruit.“ (ciu. XVII 12, S.  577, Z.  55–59) 354  „per quem futura erat domus eius aeterna eademque domus dei. domus enim Dauid propter genus Dauid; domus autem dei eadem ipsa propter templum dei de hominibus factum, non de lapidibus, ubi habitet in aeternum populus cum deo et in deo suo, et deus cum populo atque in populo suo“ (ciu. XVII 12, S.  577, Z.  68–73). 355 Vgl. ciu. XVII 12, S.  577, Z.  73–76. 352 „benedictio

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en.“356 Der Bau des eigentlichen Hauses Gottes geht also von Gott selbst aus, der die Menschen in seiner Gnade zum guten Leben befähigt, wodurch diese nicht nur passiv als ‚Baumaterial‘ Teil dieses Baus werden, sondern auch aktiv als ‚lebendige Steine‘ am Bauprozess teilnehmen: „Denn dieses Haus bauen sowohl wir, indem wir gut leben, als auch Gott, der uns dazu verhilft, dass wir gut leben.“357 In der eschatologisch stattfindenden „letzten Weihung“ (ultima dedicatio) dieses Hauses Gottes, d. h. des himmlischen Tempels, werden die Verheißungen der Nathansweissagung (2Sam 7,10 f.) erfüllt werden: Das Volk Gottes, das wahre Israel, wird nun nicht mehr von Feinden bedrängt werden und in Frieden leben können.358 Gegenüber diesem verheißenen Haus Gottes und dem damit verbundenen ewigen Frieden als eschatologischem Heilsgut können der Salomonische Tempel und der temporäre „Frieden der Herrschaft Salomos“ (pax regni Salomonis) nur als zeitliche Güter und als „Schatten“ (umbra) des Künftigen angesehen werden.359 In ciu. XVII 13 zitiert Augustin nochmals aus der Nathansweissagung: „Und der Sohn der Bosheit wird ihm [sc. dem Volk Israel] nicht (mehr) zusetzen und es demütigen. […] Wie von Anbeginn der Tage, da ich Richter eingesetzt habe über mein Volk Israel.“360 Diese Verheißung wird für ihn zu einem weiteren Argument dafür, dass mit dem verheißenen Frieden nicht jener gemeint sein kann, der während der Regentschaft Salomos herrschte. Wenn in 2Sam 7,10 f. der verheißene Friede und die Ruhe Israels vor den Feinden (personifiziert im „Sohn der Bosheit“ [ filius iniquitatis]) mit der Richterzeit verglichen wird, so ist das zunächst einmal erklärungsbedürftig, da doch gerade diese Zeit von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen mit Fremdvölkern geprägt ist. Augustin gibt aber zu bedenken, dass die Richterzeit eine wechselvolle Zeit war und dass es durchaus auch Phasen des Friedens gab.361 So konnte das Volk Israel beispielsweise unter dem Richter Ehud achtzig Jahre im Frieden leben (vgl. Ri 3,30)362 – für Augustin das zentrale Argument dafür, dass sich der mit der Richterzeit verglichene Frieden in 2Sam 7,10 nicht auf die Regentschaft Salomos, noch auf diejenige irgend eines anderen Königs des Volkes Israel beziehen

356 „quoniam tu dominus omnipotens deus Israel, reuelasti aurem serui tui dicens: domum aedificabo tibi.“ (2Sam 7,27 nach ciu. XVII 12, S.  577, Z.  78–80) 357  „hanc enim domum et nos aedificamus bene uiuendo, et deus ut bene uiuamus opitulando“ (ciu. XVII 12, S.  577, Z.  80 f.). 358 Vgl. ciu. XVII 12, S.  577, Z.  83 – S.  578, Z.  8 8. 359 Vgl. ciu. XVII 13, S.  578, Z.  1–4. 360 „et non apponet filius iniquitatis humiliare eum […] sicut ab initio a diebus, quibus constitui iudices super populum meum Israel.“ (2Sam 7,10 f. nach ciu. XVII 13, S.  578, Z.  6 –8) 361 Vgl. ciu. XVII 13, S.  578, Z.  8 –13. 362 Vgl. ciu. XVII 13, S.  578, Z.  13–16.

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kann, da unter keinem dieser Könige je wieder eine so lange Friedenszeit erreicht wurde wie unter dem Richter Ehud.363 Dennoch wird festgehalten, dass es unter den Königen Israels (von denen Ehud als Richter aus vorköniglicher Zeit ja ausgenommen ist) keinen gab, zu dessen Zeit der Frieden qualitativ oder quantitativ an denjenigen herangereicht habe, der unter Salomo herrschte. Allerdings konnte das Volk Israel zu keiner Zeit, auch unter Salomo nicht, ohne Sorge vor Feinden leben, „denn bei der großen Wandelbarkeit der menschlichen Dinge ist keinem Volke irgendwann einmal eine solche Sicherheit vergönnt, dass es in diesem (irdischen) Leben keine feindlichen Eingriffe befürchten müsste“.364 Diese Äußerung Augustins ist insofern bemerkenswert, als sich eine Reihe von biblischen Belegen finden lässt, die von einem Schutz des irdischen Volkes Israel durch Gott sprechen. Hier aber wird das Volk Israel in das Gesamt aller Völker eingereiht, die sich durch die Kontingenz der Geschichte niemals vor Feinden sicher fühlen können. Da das Unbesorgtsein vor den Feinden aber in 2Sam 7,10 als Charakteristikum jenes verheißenen Friedens beschrieben wird, kann auch in dieser Hinsicht eine Erfüllung der Nathansweissagung in der irdischen Zeit ausgeschlossen werden. Augustin beschließt seine Überlegungen zur eigentlichen Geltung der Nathansweissagung, indem er die Etymologie des Namens „Israel“ aufnimmt und erneut eine Diskrepanz zwischen dem irdischen Volk Israel und dem wahren Gottesvolk gleichen Namens aufmacht: Dieser Ort also, der hier verheißen wird als ein derart befriedeter und sicherer Wohnort, ist ewig und den Ewigen bestimmt, die in der freien Mutter Jerusalem sind, wo wahrhaftig ein Volk Israel sein wird; denn dieser Name wird übersetzt mit ‚Gott schauend‘; und in der Sehnsucht nach solchem Lohn muss man auf dieser mühseligen Pilgerschaft ein frommes Leben durch den Glauben führen.365

363 Vgl.

ciu. XVII 13, S.  578, Z.  16–18. „quia in tanta mutabilitate rerum humanarum nulli aliquando populo concessa est tanta securitas, ut huic uitae hostiles non formidaret incursus.“ (ciu. XVII 13, S.  578, Z.  20–23) 365  „locus ergo iste, qui promittitur tam pacatae ac securae habitationis, aeternus est aeternisque debetur in matre Hierusalem libera, ubi erit ueraciter populus Israel; hoc enim nomen interpretatur uidens deum; cuius praemii desiderio pia per fidem uita in hac aerumnosa peregrinatione ducenda est.“ (ciu. XVII 13, S.  578, Z.  23–28) Vgl. zur mater Hierusalem libera Gal 4,26; zur Etymologie ‚Israel = uidens deum‘ vgl. Gen 32,28–31 sowie Augustins Auslegung des Kampfes am Jabbok in ciu. XVI 39 (s. Abschnitt 3.3.6). Das Bewusstsein, das ‚wahre Israel‘ zu sein, war bereits im Urchristentum präsent, was sich beispielsweise in der auf die Stämme Israels rekurrierenden Zwölfzahl der Apostel zeigt (vgl. Brennecke, Kirche, S.  30 mit Anm.  18). Das Selbstverständnis „der Kirche als Israel, als novus oder verus Israel“ hat sich in den „Auseinandersetzungen um die Verbindlichkeit des jüdischen Erbes“ (man denke an Markion u. a.) im zweiten Jahrhundert durchgesetzt und wurde, nach der Einschätzung Hanns Christof Brenneckes, für das christliche Abendland besonders wirkmächtig durch Hieronymus und Augustin (vgl. a. a. O., S.  29). 364 

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4.3 Die Bedeutung der Psalmen Davids 4.3.1 David als Psalmsänger In ciu. XVII 14–19 kommt David als der Verfasser und Sänger der Psalmen in den Blick. Mit David hat nicht nur der erste König über Jerusalem seine Regentschaft angetreten, wodurch ein „Schatten des Künftigen“ (umbra futuri), d. h. des himmlischen Jerusalems, gegeben wurde.366 Ihn zeichnet darüber hin­ aus aus, dass er an den wahren Gott glaubte (also selbst ein Glied der pilgernden ciuitas dei ist) und dass er mit einer besonderen musikalischen Gabe gesegnet war, die er aber nicht um des „gewöhnlichen Vergnügens“ (uoluptas uulgaris) willen, sondern aus „gläubigem Verlangen“ (uoluntas fidelis) heraus zur Anwendung brachte.367 Bei der Charakterisierung der Musikalität Davids durch Augustin kommt seine durchaus ambivalente Sicht auf das Phänomen der Musik zum Tragen. Davids Sangeskunst kann nur deswegen positiv beurteilt werden, da er sie in den Dienst Gottes stellt. Sowohl durch seinen Inhalt als auch durch seine Form als Harmonie, dem „vernünftigen und geordneten Zusammenklang verschiedener Töne“ (rationabilis moderatusque concentus diuersorum sonorum), versinnbildlicht der Psalter auf geheimnisvolle Weise die ciuitas dei, die – musikalischen Harmonien vergleichbar – wohlgeordnet eine festgefügte Einheit aus verschiedenen Elementen darstellt.368 Durch die Konzentration auf die Psalmen wird David in ciu. XVII 14–19 in erster Linie in seiner Rolle als Prophet, und nur nachgeordnet als historische Person und König betrachtet. Augustin zufolge ist nahezu die gesamte Prophetie Davids in den 150 Psalmen enthalten,369 deren durchgängige Verfasserschaft durch David – unabhängig von den Überschriften und vorangestellten Widmungen einzelner Psalmen, die einen anderen Verfasser bzw. Sänger vermuten 366 Vgl.

ciu. XVII 14, S.  578, Z.  1 f. ciu. XVII 14, S.  578, Z.  3 –6. Den biblischen Hintergrund dieser Charakterisierung Davids als hervorragender Sänger und Saitenspieler bilden nicht nur die ihm traditionell zugeschriebenen Psalmen, sondern auch entsprechende Angaben in 1Sam 16,14–23 und 2Sam 23,1. 368 Vgl. ciu. XVII 14, S.  578, Z.  6 –8. Vgl. zum wohlgeordneten, harmonischen Zustand der ciuitas dei Augustins Ausführungen in ciu. XIX 13, S.  678, Z.  1 – S.  679, Z.  12. Neben dem rationalen konnte Augustin durchaus auch den sinnlichen Charakter der Musik würdigen, nicht zuletzt aufgrund seiner Einordnung der Musik in sein Verständnis von Zeit und Zeitlichkeit (vgl. conf. 11,38, S.  214, Z.  14–27; s. dazu Perl, Musik, S.  4 49–452). Allerdings votiert er für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Musik und ihrer Sinnlichkeit; so müsse diese etwa im geistlichen Gesang (z. B. von Psalmen) immer dem Inhalt des jeweiligen Textes untergeordnet sein (vgl. Hübner, Art. Musica, Sp.  125 f.). 369 Vgl. ciu. XVII 14, S.  578, Z.  8 f. Anne-Marie la Bonnardière verortet die Behandlung des Psalters in die Gesamtkomposition von ciu. XVII: „C’est en ces termes qu’Augustin introduit dans le livre XVII de la Cité de Dieu, la section consacrée à David musicien et prophète, auteur de Psautier, au cœur d’un livre réservé à l’étude du temps des Prophètes, le quatrième âge de l’histoire de la Cité de Dieu.“ (Bonnardière, Le canon, S.  289) 367 Vgl.

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lassen – von Augustin vorausgesetzt wird.370 David selbst habe manche Psalmen mit anderen Namen versehen, da auch diese einen figürlichen Sinn in sich tragen.371 Dass sich unter diesen Namen auch solche von Personen finden, die lange Zeit nach David gelebt haben,372 soll deshab nicht verwundern oder dazu führen, diese Psalmen den genannten Personen zuzuschreiben, da David ein Prophet war: „Denn der prophetische Geist konnte dem prophezeienden König David auch diese Namen zukünftiger Propheten offenbaren, damit er etwas, das auf deren Person zutraf, auf prophetische Weise zu singen vermochte.“373 Selbst wenn ein Psalm keinen Verfassernamen trägt, so sei auch dies auf die uns bisweilen „undurchschaubar“ (latebrosus) erscheinende, aber dennoch „nicht grundlose“ (non inanis) Anordnung Gottes zurückzuführen, die David bei dem als Inspirationsgeschehen (inspirare) zu begreifenden Verfassen der Psalmen geleitet hat.374 Das Interesse Augustins richtet sich zwar auf das gesamte Feld der Prophetien, die in den Psalmen Davids enthalten sind, in ciu. XVII fokussiert er sich aber auf das, „was in den Psalmen Davids vom Herrn Jesus Christus und seiner Kirche“ prophezeit wird.375 In ciu. XVII 15 führt er mehrere Gründe dafür an, weshalb sich seine Behandlung der Psalmen Davids auf eine exemplarische Auswahl beschränken muss: Zum einen verweist Augustin darauf, dass er in en. Ps. bereits eine umfassende Auslegung aller Psalmen vorgelegt hat und dass es zudem auch „Bände anderer [Autoren]“ (uolumina aliorum) gibt, die sich an der Auslegung der Psalmen versucht haben.376 Beides empfiehlt er denjenigen zur Lektüre, die über ciu. XVII 16–19 hinaus erfahren wollen, in welcher Weise in den Psalmen Davids von Christus und der Kirche prophetisch die Rede ist.377 Zum anderen 370 Vgl.

ciu. XVII 14, S.  579, Z.  10–22. Zweifel an der davidischen Verfasserschaft des gesamten Psalters hegte zur Zeit Augustins etwa Hieronymus (vgl. dazu Dulaey, L’histoire [I], S.  203 f.). Ein gewichtiges Argument war dabei, dass sich in den Psalmenüberschriften unterschiedliche Namen finden, wie bereits Hilarius von Poitiers feststellte (vgl. Tract. Ps. Prol. 2, Sp.  233, Z.  22–37; s. dazu auch Bardy, Les auteurs, S.  738). 371 Vgl. ciu. XVII 14, S.  579, Z.  2 2–24. 372  Augustin spricht hier von den „Namen einiger Propheten“ (nomina nonnullorum prophetarum); vgl. dazu etwa Ps 64, in dessen Überschrift „Jeremia und Ezechiel“ als Urheber angegeben werden. 373  „neque enim non potuit propheticus spiritus prophetanti regi Dauid haec etiam futurorum prophetarum nomina reuelare, ut aliquid, quod eorum personae conueniret, prophetice cantaretur.“ (ciu. XVII 14, S.  579, Z.  31–34) 374 Vgl. ciu. XVII 14, S.  579, Z.  24–27. 375  „nunc iam expectari a me uideo, ut hoc loco libri huius aperiam quid in Psalmis Dauid de domino Iesu Christo uel eius ecclesia prophetauerit.“ (ciu. XVII 15, S.  579, Z.  1–3) In ciu. XVII 14 beruft sich Augustin innerhalb seiner Argumentation zum Erweis der davidischen Verfasserschaft des gesamten Psalters (ciu. XVII 14, S.  579, Z.  10–20) auf einen „Ausspruch des Heilands“ (opinio saluatoris; vgl. Mt 22,43), um zu erweisen, dass wenn David in den Psalmen vom „Herrn“ (d. h. κύριος / ‫ )יהוה‬spricht, Christus gemeint ist (vgl. ciu. XVII 14, S.  579, Z.  14–16). 376 Vgl. ciu. XVII 15, S.  579, Z.  4 f., S.  580, Z.  15 f. 377 Vgl. ciu. XVII 15, S.  580, Z.  16–19.

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nötigt Augustin der begrenzte Raum von ciu. dazu, sich in seiner Auswahl zu beschränken. Diese Beschränkung auf wenige Psalmen liege aber keinesfalls am „Mangel“ (inopia), sondern vielmehr an der „Fülle“ (copia) der christologischen und ekklesiologischen Gehalte der Psalmen.378 Augustin räumt aber zugleich die Schwäche dieser Herangehensweise ein, da er sich nämlich gegenüber denjenigen angreif bar macht, die der Meinung sind, dass er gerade die wichtigeren bzw. notwendigeren Psalmen übergangen habe,379 die also aus ihrer Sicht deutlicher von Christus und der Kirche sprechen. Als weitere Vorbemerkung zu seiner Auslegung der Psalmen in ciu. XVII 16–19 führt er an, dass man die Psalmen möglichst im Ganzen zu behandeln habe,380 da bestimmten Versen nur dann glaubhaft eine Bedeutung zukommen kann, wenn die Aussagen der anderen Verse desselben Psalms dieser Bedeutung nicht widersprechen. Ferner würde man sich andernfalls dem berechtigten Vorwurf des Eklektizismus aussetzen.381 4.3.2 Die Weissagungen von Christus und der Kirche in Psalm 44 Eine weitere hermeneutische Vorbemerkung schickt Augustin in ciu. XVII 16 seiner Zitation des 44. Psalms voraus: So gebe es unter den prophetischen Aussprüchen in den Psalmen neben denjenigen, die „im Wortsinn“ (res propria) zu verstehen und „ganz klar“ (manifeste) sind, auch solche, die „figürlich“ (res tropica) zu verstehen sind und daher einer Auslegung bedürfen, um ihren Sinn auf Christus und die Kirche freizulegen.382 Dieser von den „Lehrern“ (doctores) zu leistende Auslegungsprozess ist nicht selten mühsam, gerade weil neben den offensichtlich auf Christus und die Kirche weisenden Stellen immer auch solche verbleiben, die weniger einleuchtend sind.383 Als Beispiel dafür führt Augustin nun Ps 44,2–10a an, wobei er die Psalmenüberschrift übergeht, wodurch bereits eine gewisse Entkontextualisierung des Psalms erreicht wird.384 Während er diese erste Hälfte des Psalms auf Christus hin auslegt, ist seiner Meinung nach in der später zitierten zweiten Psalmhälfte 378 Vgl. ciu. XVII 15, S.   579, Z.  3 –6. In Augustins Verständnis des Psalters, dass dieser seinen „vollen Sinn […] als christologische und ekklesiologische Prophetie“ entfaltet, erkennt Alexander Zerfaß die Grundlage, auf der Augustin die Methodik seiner prosopologischen Psalmenexegese entwickelt (vgl. Zerfass, Art. Psalmi, Sp.  980 f.; s. dazu Abschnitt 4.2.2 mit Anm.  303). 379 Vgl. ciu. XVII 15, S.  579, Z.  6 –8. 380  „hoc autem ut in quocumque Psalmo possit ostendi, exponendus est totus“ (ciu. XVII 15, S.  579, Z.  14 – S.  580, Z.  15). 381 Vgl. ciu. XVII 15, S.  579, Z.  8 –13. 382 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  1–3. 383 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  3 –7. 384  Demgegenüber thematisiert Augustin in seinen en. Ps. die Psalmüberschrift ausführlich, wobei er u. a. durch Heranziehen der Metaphorik des Bräutigams und der Braut davon ausgeht, dass Ps 44 Christus und die Kirche zum Inhalt habe (vgl. en. Ps. 44,1–3, S.  493, Z.  1 – 496, Z.  63).

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(Ps 44,10b-18) von der Kirche die Rede. In den Versen 2–5 besingt der Psalmsänger in der zweiten Person Singular „seinen König“, der „von Wohlgestalt gegenüber den Menschenkindern“ ist und der in solcher Weise von Gott „in Ewigkeit gesegnet“ ist, dass er seine Herrschaft in „Wahrheit“ (ueritas), „Sanftmut“ (mansuetudo) und „Gerechtigkeit“ (iustitia) ausübt.385 In Vers 6 wird der Fokus auf die „Feinde des Königs“ (inimici regis) gerichtet: Ihre Herzen werden von den Pfeilen des Königs getroffen, und „Völker“ (populi) fallen vor ihm nieder.386 In dem sich anschließenden Vers 7 ist nun von seinem Thron die Rede, dem ewiger Bestand zugesprochen wird, ebenso ist auch das „Zepter deines Reiches“ (uirga regni tui) ein gerades Zepter.387 Fußend auf der Rezeptionsgeschichte des Psalms,388 legt Augustin ihn auf das Verhältnis zwischen Gott Vater und Christus hin aus. Der mit herrschaftlicher Semantik gepriesene König Christus, der nach Vers 7 als auf einem himmlischen Thron regierend erscheint, wird nach Vers 8 von Gott Vater in Ewigkeit gesegnet. Wegen seiner Haltung gegenüber dem Recht hat Gott jenen König durch Salbung eingesetzt: „Du liebst die Gerechtigkeit und hegst Hass gegen das Unrecht; deshalb hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit dem Öl der Freude vor deinen Gefährten.“389 Einen polemischen Ton anschlagend, vertritt Augustin die Meinung, dass kaum jemand, und sei er noch so „stumpfsinnig“ (tardus) und „ungebildet“ (rudis) hinsichtlich der Religion des Christentums bzw. „taub“ (surdus) gegenüber der Verkündigung derselben, nicht erkennen könne, dass in diesen Psalmversen von Christus die Rede ist. Augustins Erläuterung setzt bei dem in Vers 7 als Gott gepriesenen König an, dessen Anerkenntnis als Gott er auch von dem

385 „eructuauit cor meum uerbum bonum, dico ego opera mea regi. lingua mea calamus scribae uelociter scribentis. speciosus forma prae filiis hominum; diffusa est gratia in labiis tuis, propterea benedixit te deus in aeternum. accingere gladio tuo circa femur, potentissime specie tua et pulchritudine tua, et intende, prospere procede et regna propter ueritatem et mansuetudinem et iustitiam, et deducet te mirabiliter dextera tua.“ (Ps 44,2–5 nach ciu. XVII 16, S.  580, Z.  8 –15) 386 „sagittae tuae acutae, potentissime, (populi sub te cadent) in corda inimicorum regis.“ (Ps 44,6 nach ciu. XVII 16, S.  580, Z.  15 f.) 387 „sedes tua, deus, in saecula saeculorum, uirga directionis uirga regni tui.“ (Ps 44,7 nach ciu. XVII 16, S.  580, Z.  16 f.) 388  Bereits im hebräischen Text handelt es sich bei dem in den ersten Versen gepriesenen König um einen vergöttlichten, aber menschlichen König, der von dem ihn salbenden Gott ( JHWH) in Vers 8 zu unterscheiden ist. Die für einen solchen vergöttlichten König verwendete Gottesbezeichnung „Elohim“ (‫ )ֱאל ִֹהים‬ist im AT singulär (vgl. Kraus, Psalmen 1, S.  490–494). In Hebr 1,8 wurde der als „Gott“ (θεός) / Ps 44,7 (LXX) angeredete König dann christologisch verstanden: Hier sei vom „Sohn“ (υἱός) Gottes die Rede. 389 „dilexisti iustitiam et odio habuisti iniquitatem; propterea unxit te deus, deus tuus oleo exultationis prae participibus tuis.“ (Ps 44,8 nach ciu. XVII 16, S.  580, Z.  17–19) Die folgenden Verse dienen der weiteren Beschreibung der königlichen Pracht: „myrrha et gutta et casia a uestimentis tuis, a domibus eburneis; ex quibus te delectauerunt filiae regum in honore tuo.“ (Ps 44,9 f. nach ciu. XVII 16, S.  580, Z.  19–21)

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Stumpfsinnigsten erwarten zu können meint.390 In Vers 7 wird der zuvor gepriesene König als Gott angeredet, der seine Herrschaft von dem in Ewigkeit bestehenden Thron ausübt. Von der Zwei-Naturen-Christologie391 her versteht Augustin die Königssalbung in Vers 8 als Salbung Gottes durch Gott; in en. Ps. 44 heißt es explizit: „Gott ist von Gott gesalbt worden“ (unctus est deus a deo).392 Offenbar denkt Augustin bei der Herrschaft, in die der König Christus nach Vers 8 von Gott Vater eingesetzt wird, an die Herrschaft Christi gemäß der neutestamentlichen Rede vom ‚Sitzen zur Rechten Gottes‘ (Mk 16,19; Apg 2,33–35; Eph 2,20; Kol 3,1; Hebr 1,13; 8,1; 10,12). Das Begreifen der wahren Identität des Königs Christus und damit die Anerkennung desselben als Gott wird dadurch möglich, dass Gott Vater diesen (Gott-)König salbt – und zwar nicht auf Menschenweise mit „sichtbarem“ ([chrisma] uisibile), sondern mit „geistlichem und übersinnlichem Salböl“ (chrisma spiritale atque intellegibile).393 Die Identität Christi als des in den Versen 2–7 gepriesenen Königs wird von Augustin zudem über die Namensetymologie Christus < chrisma („Salbung“) begründet.394 Wer imstande ist, auch dies anzuerkennen und damit zu begreifen, dass mit dem in Ps 44 gepriesenen König Christus gemeint ist, kann ihm nun auch die Herrschaftsattribute zuordnen. Dabei sind die Prinzipien der Herrschaft Christi, Wahrheit, Sanftmut und Gerechtigkeit, wörtlich zu nehmen, während die gegenüber allen Menschenkindern herausragende Schönheit des Königs, wie auch sein Schwert (Vers 4) und seine Pfeile (Vers 6) nach Augustin nicht im eigentlichen, sondern im figürlichen Sinn (tropice) zu verstehen sind.395 Die in Ps 44 dem König zugeschriebenen kriegerischen Attribute werden hier deutlich den moralischen untergeordnet. Durch deren figürliches Verständnis wird der bereits an anderer Stelle beobachteten 396 Diskrepanz begegnet, die bei der Übertragung alttestamentlicher Königsideologie auf Christus auftritt. Während nämlich die alttestamentliche 390 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  21–23. Dass Augustin den in Vers 7 als Gott gepriesenen König mit Christus gleichsetzt, bildet auch die Grundlage für seine Deutung, dass mit der Gattin jenes göttlichen Königs (Ps 44,7 f.) die Kirche als ‚Braut Christi‘ gemeint ist (vgl. ciu. XVII 16, S.  581, Z.  49–54). 391  Zu einer eindeutigen christologischen Terminologie war es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen, auch wenn Augustin zur Etablierung des natura-Begriffes beitrug (vgl. Söder, Art. Natura, Sp.  170). 392  en. Ps. 44,19, S.  507, Z.  13; vgl. auch den Gesamtzusammenhang seiner Argumentation zu Ps 44,8: S.  507, Z.  1–13; s. dazu Bardy, Psaume XLIV, S.  739 f. 393 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  24 f.; ähnlich auch en. Ps. 44,19, S.  507, Z.  13 – S.  508, Z.  26, wobei hier offensichtlich zwischen drei Arten von Salböl unterschieden wird: „oleum enim uisibile in signo est, oleum inuisibile in sacramento est, oleum spiritale intus est.“ (a. a. O., S.  507, Z.  19–21) Christus wird demnach von Gott Vater mit dem oleum spiritale gesalbt. 394 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  25–28. Vgl. dazu auch die Rezeption der beiden Verse Ps 44,7–8 in Hebr 1,8–10, die dort als Rede Gottes πρὸς δὲ τὸν υἱόν eingeführt werden. 395 Vgl. ciu. XVII 16, S.  580, Z.  2 8 – S.  581, Z.  3 4. 396  Vgl. Abschnitt 4.2.2.

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Verehrung Gottes als eines mächtigen Königs in aller Regel eine binnenisraelitische Perspektive auf die Völker wirft und zumeist deren Vernichtung bzw. militärische Unterwerfung im Sinn hat, richtet sich das Evangelium Christi an alle Völker. Und so kann innerhalb der christologischen Rezeption von Ps 44, wie sie bei Augustin begegnet, mit dem „Niederfallen der Völker vor dir [sc. dem König]“ (populi sub te cadent [Ps 44,6]) keine militärische Unterwerfung der Völker unter den König (Israels) gemeint sein, sondern das gläubige Niederwerfen bzw. „Beugen“ (subdere)397 der Völker vor Christus. Im zweiten Teil von Ps 44 (Verse 10b-18) wird die Gattin jenes zuvor besungenen göttlichen Königs beschrieben. Augustin begreift diese Königin als die Gemahlin Christi, die ihm in „geistlicher Ehe“ (conubium spiritale) und „göttlicher Liebe“ (amor diuinus) verbunden ist.398 Diese Gemahlin Christi wiederum ist, gängigen Traditionen folgend, identisch mit der Kirche. Wenn der König nach Ps 44,8 „vor [s]einen Gefährten“ (prae participibus tuis) von Gott gesalbt wird, so bedeutet dies nicht etwa eine Salbung vor den Augen seiner Gefährten, sondern meint die Vorrangstellung des Königs (d. h. Christi) „vor“ (prae)399 seinen Gefährten, die Augustin mit den Christen identifiziert: „Denn diese sind seine Gefährten, (versammelt) aus allen Völkern in ihrer Einheit und Eintracht machen sie jene Königin aus, ‚die Stadt [ciuitas] des großen Königs‘, wie sie in einem anderen Psalm genannt wird.“400 Die Gefährten Christi, d. h. die Christen, stellen in der „Stadt des Königs“ (ciuitas regis) ein völkerübergreifendes, ihrem König ergebenes Kollektiv dar und zugleich, die Aussagen des Psalms metaphorisch aufnehmend, die Gemahlin dieses Königs, d. h. Christi. Die ciuitas regis wiederum fungiert als Synonym zur ciuitas dei, da Augustin sie zunächst mit dem „geistlich [existierenden] Zion“ (Sion spiritaliter) und sodann mit dem „auf gleiche Weise geistlich [existierenden] Jerusalem“ (Hierusalem eodem modo spiritaliter) identifiziert.401 Der Name Sion fällt hier, abgesehen von zwei Psalmzitaten in ciu. X,402 zum ersten Mal und erfährt hier auch eine etymologische Betrachtung, die sogleich in Augustins Konzept der pilgernden, auf Gott schauenden ciuitas dei eingeordnet wird: Zion bedeute nämlich „Ausschau“ (speculatio),403 „denn sie hält Ausschau [speculari] nach dem großen Gut 397 Vgl.

ciu. XVII 16, S.  581, Z.  33. ciu. XVII 16, S.  581, Z.  35–37. 399  „Christum utique prae christianis“ (ciu. XVII 16, S.  581, Z.  54 f.). 400  „hi sunt enim participes eius, ex quorum in omnibus gentibus unitate atque concordia fit ista regina, sicut in alio Psalmo de illa dicitur: ciuitas regis magni.“ (ciu. XVII 16, S.  581, Z.  55–57) Augustin bezieht sich am Ende des Zitats auf Ps 47,3; vgl. auch die Aufnahme des Begriffs ciuitas regis magni in Mt 5,35 BSVC[S] (NTG: πόλις τοῦ μεγάλου βασιλέως). 401 Vgl. ciu. XVII 16, S.  581, Z.  57–61. Der Name ‚Zion‘ wird gegenüber ‚Jerusalem‘ bei Augustin deutlich seltener als Symbolbegriff für die ciuitas dei verwendet (vgl. en. Ps. 142,3, S.  2061, Z.  11–26; 149,5, S.  2181, Z.  1 – S.  2182, Z.  16; s. dazu Lamirande, Art. Ciuitas, Sp.  962). 402 Vgl. ciu. X 25, S.  3 00, Z.  70; X 32, S.  311, Z.  8 8.90. 403  Hieronymus bezeugt mehrere Etymologien zu „Zion“ (Sion); er selbst schreibt: „Sion 398 Vgl.

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der zukünftigen Welt, weil darauf ihr Sinn [intentio] gerichtet ist“.404 Auch der Antipode dieser Stadt des Königs, seiner Gemahlin, wird genannt: Ihre „Feindin“ (inimica) ist die Stadt Babylon, die ciuitas terrena. Analog zur im Psalm besungenen ciuitas regni wird auch diese Stadt von einem König beherrscht, nämlich dem „Teufel“ (diabolus).405 In Ps 44,10–18 fällt in Bezug auf die Königin neben dem Ausmalen all ihrer royalen Pracht insbesondere eine Aussage ins Auge, die auch Augustin Anlass zur Interpretation gibt. So wird die Königin in Vers 11 folgendermaßen angeredet: „Höre, Tochter, und siehe und neige dein Ohr, und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters; denn der König begehrt deine schöne Gestalt, und er ist dein Gott.“406 Der von der Königin geforderte Übertritt, ja das „Vergessen“ (obliuisci) ihres eigenen Volkes und ihres Vaterhauses, ist eine vor dem Hintergrund antiken Eheverständnisses durchaus plausible Forderung: Die Ehe setzt die Bereitschaft voraus, das eigene Elternhaus zu verlassen. In diesem speziellen Fall wird die Frau erst dann zur Gemahlin des Königs und damit zur Königin, specula uel mandatum uel inuium.“ (Nom. hebr. III Reg. S, S.  112, Z.  12) Insgesamt wird Sion an fünf weiteren Stellen in Nom. hebr. aufgegriffen, wobei Etymologien des Wortfeldes specula / speculari deutlich überwiegen (vgl. Nom. hebr. II Reg. S, S.  108, Z.  25 f.; Is. S, S.  122, Z.  25; Rom. S, S.  153, Z.  2; Hebr. S., S.  157, Z.  15; Barn. S., S.  161, Z.  17). Eine Erklärung für den Hintergrund der von Augustin verwendeten Etymologie kann darin gesehen werden, dass der Name Zion / ‫ ִצּיֹון‬zugleich das hebräische Nomen für Steindenkmal ist, was wohl später als eine Art „Warte“ aufgefasst wurde und beispielsweise in der Vulgata mit statue speculam wiedergegeben wird (vgl. Jer 31,21 BSVC[S]). Davon wiederum wurde wohl speculatio abgeleitet (vgl. dazu Wutz, Onomastica, S.  81). 404  „speculatur enim futuri saeculi magnum bonum, quoniam illuc dirigitur eius intentio.“ (ciu. XVII 16, S.  581, Z.  59 f.) 405  An dieser Stelle bricht die berechtigte Frage des bleibenden Einflusses manichäischer Glaubensinhalte auf das Denken Augustins auf. Erinnert der Gegensatz der beiden Städte (ciuitas dei und ciuitas diaboli) und ihrer Könige (Christus und der Teufel) doch stark an den Dualismus des Reiches des Lichts und der Finsternis sowie deren Fürsten in manichäischen Texten. Gerade die Entdeckung koptisch-manichäischer Schriften bei Medinet Madi (1929/30) und der dadurch ermöglichte Einblick in den manichäischen Mythos inspirierten Forscher zur Suche nach Parallelen zu Augustin (vgl. Adam, Ursprung, Sp.  387–390). So formulierte etwa Ernesto Buonaiuti die provokante Frage: „Was ist das [Werk] De civitate Dei anderes als der auf die Geschichte angewandte manichäische Dualismus?“ (Buonaiuti, Geschichte 1, S.  284; gegen eine solche Auffassung argumentiert Oort, Jerusalem, S.  351– 359). Allerdings ist mit Volker Henning Drecoll und Mirjam Kudella daran festzuhalten, dass es sich bei Augustin nicht um einen „unableitbaren Dualismus“ handelt (vgl. Drecoll/Kudella, Augustin, S.  33–37.214–217; Zitat S.  215). Zum einen bestehen die beiden Prinzipien, die beiden ciuitates, nicht von Anfang an, zum anderen zielt das heilsgeschichtliche Konzept Augustins auf eine Vernichtung der ciuitas terrena und eine Vervollkommnung der ciuitas dei. Die ciuitas terrena ist also als eine zeitliche Größe (und nicht als gleichursprüngliches Gegenprinzip) anzusehen, die ihren Anfang im Engelfall, also im Abfall eines Teils der ciuitas dei von Gott hat und die im Eschaton überwunden werden wird. 406 „audi, filia, et uide et inclina aurem tuam, et obliuiscere populum tuum et domum patris tui“ (Ps 44,11 nach ciu. XVII 16, S.  581, Z.  38 f.66).

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wenn sie bereit ist, ihre ursprünglichen familiären Bande zu kappen.407 Diesen Übertritt interpretiert Augustin auf der Grundlage seiner Identifikation der Königin mit der ciuitas dei und der ihr entgegensetzten ciuitas diaboli wie folgt: „Aus jenem Babylon jedoch wird diese Königin bei allen Völkern durch die Wiedergeburt befreit und sie geht vom schlimmsten König zum besten König, das heißt vom Teufel zu Christus über.“408 Übertragen auf die Kirche ist Ps 44,11 also so zu verstehen, dass aus den Menschen aller Völker, die zunächst Glieder der ciuitas terrena sind und als solche dem Teufel dienen, durch die Erlösung ein Teil gerettet wird, der die wahre Kirche, die ciuitas dei bildet. Als solche dient die Kirche Christus, wobei sie ihren alten Herrn (sc. den Teufel) und das alte Volk (sc. die ciuitas terrena) vergessen soll. Über den Begriff der „Feinde des Königs“ (inimici regis; Ps 44,6), die zugleich auch die „Feinde der Königin“ (inimici reginae) sind (d. h. die ciuitas terrena, der sie einst anhing),409 gelangt Augustin unter Verwendung eines anderen Psalms zu einer weiteren Verhältnisbestimmung, wer genau die ciuitas regis und wer deren Feinde sind. Bereits bei der Behandlung von Vers 6 ist diese Frage aufgebrochen, und es scheint auch Augustin nicht verborgen gewesen zu sein, dass hier ursprünglich eine Differenz zwischen dem Volk Israel (dessen König in Ps 44 gepriesen wird) und den anderen „Völkern“ (populi) vorausgesetzt wird – eine Sichtweise, die vor dem Hintergrund der völkerübergreifenden Kirche und der bleibenden Ablehnung der Messianität Jesu bei einem Großteil des Judentums für Augustin keinen Bestand haben kann. So ist auch seine Polemik zu verstehen: Ein Anteil dieser gottlosen Stadt sind auch die Israeliten, die nur nach dem Fleisch, nicht nach dem Glauben (Israeliten sind); auch sie sind Feinde dieses großen Königs und seiner Königin. Denn da Christus zu ihnen kam und von ihnen getötet wurde, ist er vielmehr anderen, die er nicht im Fleisch gesehen hat, zu eigen geworden.410

Zum Erweis, dass die Ablehnung Jesu in seinem eigenen Volk und seine darauf folgende Hinwendung zu den übrigen Völkern schon in den Psalmen prophetisch angelegt ist, zitiert Augustin aus Ps 17,44 – einen aus einem gänzlich anderen Kontext stammenden Vers, der in deutlichem Kontrast zu Ps 44 steht, aber die Argumentation Augustins zu stützen vermag: „Du wirst mich herausreißen aus den Anfeindungen des Volkes, du wirst mich zum Haupt der Völker ma407 

Vgl. hierzu u. a. Gen 2,24; s. auch Kraus, Psalmen 1, S.  492. qua tamen Babylone regina ista in omnibus gentibus regeneratione liberatur et a pessimo rege ad optimum regem, id est a diabolo transit ad Christum.“ (ciu. XVII 16, S.  581, Z.  62–65) 409 Vgl. ciu. XVII 16, S.  581, Z.  67 f. 410  „cuius ciuitatis impiae portio sunt et Israelitae sola carne, non fide; inimici etiam ipsi magni huius regis eiusque reginae. ad ipsos enim ueniens et ab eis Christus occisus magis aliorum factus est, quos non uidit in carne.“ (ciu. XVII 16, S.  581, Z.  66–70) Ganz ähnlich begegnet diese Deutung von Ps 44,11 in en. Ps. 44,25, S.  513, Z.  28–35. 408  „ex

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chen. Das Volk, das ich nicht kannte, dient mir; durch das Hinhören des Ohrs gehorcht es mir.“411 In gewisser Weise spiegelt sich die an die Gemahlin des Königs gerichtete Aufforderung, ihr Volk und ihr Vaterhaus zu vergessen (Ps 44,11), im Geschick Jesu wider, der von seinem eigenen Volk weitgehend Ablehnung und Anfeindung erfuhr. Wenn Augustin bei der Übertragung von Ps 17,44 auf das Leben Jesu meint, dass Jesus das „Volk der Heiden“ (populus gentium) während seiner irdischen Präsenz „nicht gekannt“ habe, dann folgt er dem matthäischen Jesusbild (Mt 10,6; 15,24). Auch nimmt er die grundsätzliche Tendenz der neutestamentlichen Zeugnisse richtig wahr, wenn er meint, dass die Heiden sich Christus erst dann im Glauben zugewandt hätten, nachdem er ihnen (als Gekreuzigter und Auferstandener) verkündigt wurde.412 Am Ende von ciu. XVII 16 ist eine Diskrepanz zu anderen Aussagen Augustins zu erkennen: Während er an anderer Stelle betont, dass die ciuitas dei sich von jeher aus Gliedern des Volkes Israel und aus Nichtisraeliten zusammensetzt (man denke exemplarisch an Abel, Noah oder Hiob),413 vertritt er hier die Auffassung, dass die ciuitas dei ehemals „allein“ (solus) im Volk Israel existierte und sich erst nach dem Auftreten Jesu Christi aus einem Teil der Israeliten (den Christusgläubigen) und den Heiden zusammensetzt, die durch das Hören auf die christliche Verkündigung zum Glauben gekommen sind.414 Diese Diskrepanz kann allerdings durch die Annahme aufgelöst werden, dass Augustin der Meinung war, dass es in der Geschichte der ciuitas dei immer wieder Phasen gab, in der sie allein in einer einzigen Person bzw. dessen ‚Haus‘ (und in diesem Fall: einem Volk) existierte415 – was jedoch nur für die auf der Erde pilgernde ciuitas dei gelten kann, nicht aber für die ciuitas dei als überzeitliche Gemeinschaft bei Gott. In jedem Fall wird hier davon ausgegangen, dass die ciuitas dei sich zum Zeitpunkt der Geburt Jesu Christi durch Maria allein beim Volk Israel befand, 411 „erues

me de contradictionibus populi, constitues me in caput gentium. populus, quem non cognoui, seruiuit mihi; in obauditu auris obaudiuit mihi.“ (Ps 17,44 nach ciu. XVII 16, S.  581, Z.  71 – S.  582, Z.  73) 412 „populus ergo iste gentium, quem non cognouit Christus praesentia corporali, in quem tamen Christum sibi adnuntiatum credidit“ (ciu. XVII 16, S.  582, Z.  73–76). Tatsächlich finden sich in den Evangelien nur wenige Berichte über Heilungen Jesu an ‚Heiden‘ bzw. deren Angehörigen (vgl. Mk 7,24–30 par.; Lk 7,1–10 par.). Den Auftrag zur Völkermission gibt erst der Auferstandene (vgl. Mt 28,18–20; Apg 1,7 f.), woraus geschlossen werden kann, dass der „Übergang zur Heidenmission […] im Bewusstsein der ersten Christen demnach erst nach der Auferstehung Jesu“ erfolgte (H. Klein, Art. Heidenchristen). 413  Vgl. dazu Augustins Ausführungen in ciu. XVIII 47. 414  „iste, inquam, populus additus ueris et carne et fide Israelitis ciuitas est dei, quae ipsum quoque secundum carnem peperit Christum, quando in solis illis Israelitis fuit.“ (ciu. XVII 16, S.  582, Z.  77–80) 415  Dies trifft etwa zu auf Noah und seine Familie zur Zeit der Sintflut (s. Abschnitt 2.2.2), auf Heber, der sich als einziger weigerte, am Turmbauprojekt mitzuarbeiten (s. Abschnitt 2.2.1), oder auf Abraham bzw. das Haus Tharas (s. Abschnitt 3.2.1).

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sodass Jesus Christus in der Jungfrau Maria Fleisch annahm, die dem wahren Israel zugehörte.416 Im Anschluss an diese Feststellung zitiert Augustin Ps 86,5: „Mutter Zion, wird der Mensch sprechen, und als Mensch ist er in ihr geboren, und er selbst, der Allerhöchste, hat sie gegründet.“417 „Zion“ ist hier im Verständnis Augustins als Synonym der ciuitas dei aufzufassen, „der Mensch“ (homo) ist die menschliche Natur des inkarnierten Christus, „der Allerhöchste“ (altissimus) dagegen meint Gott, allerdings nicht in der Person des Vaters, sondern es bedeutet die göttliche Natur Christi. So wird Ps 86,5 als eine christologische Aussage gelesen, die zugleich Auskunft über den Ursprung der ciuitas dei gibt: Christus habe vormals als Gott die ciuitas dei „in den Patriarchen und Propheten“ (in patriarchis et prophetis) gegründet, in die er selbst durch die Inkarnation später als Mensch hineingeboren werden sollte.418 Mit dem Zitat aus Ps 44,17 kommt Augustin noch einmal zurück auf das von der Königin geforderte Verlassen ihres Volkes, in seiner Deutung also die Trennung der Kirche als der auf der Erde pilgernden ciuitas dei vom Volk Israel, das mehrheitlich Christus nicht angenommen hat und damit in der ciuitas terrena verblieb: „An Stelle deiner Väter werden dir Söhne geboren, und du wirst sie zu Fürsten einsetzen über die ganze Erde.“419 Die Väter des Volkes Israel, von dem sich die Kirche (in der Metapher der Königin) trennen soll (Ps 44,11), werden ersetzt durch ihre eigenen „Söhne“ ( filii), die fortan und bis in die Gegenwart Augustins hinein als „Vorsteher und Väter“ (praepositi et patres) der auf der gesamten Erde pilgernden ciuitas dei fungieren.420 Hier wird zunächst an die Apostel, sodann auch an kirchliche Amtsträger zu denken sein, die als Bischöfe in deren Nachfolge die Kirche leiten.421

416 Vgl.

ciu. XVII 16, S.  582, Z.  77–81. Sion, dicet homo, et homo natus est in ea, et ipse fundauit eam altissimus.“ (Ps 86,5 nach ciu. XVII 16, S.  582, Z.  82 f.) 418  „ac per hoc Christus deus, antequam in illa ciuitate per Mariam fieret homo, ipse in patriarchis et prophetis fundauit eam.“ (ciu. XVII 16, S.  582, Z.  84–86) Laurens J. van der Lof erkennt hinter dieser Rede von den ‚Patriarchen und den Propheten‘ eine Sicht auf die alttestamentliche Geschichte, die sich etwa von der Rede von ‚Gesetz und Propheten‘ abhebt: „In this combination of patriarchs and prophets, they [sc. Augustinus und seine exegetischen Vorläufer] allude to a mutual difference as well as an agreement. The difference lies in the fact that the patriarchs and prophets represent two successive periods. The agreement becomes clear when we realise that they do not speak of ‚the Law and the Prophets‘, or of ‚Patriarchs, judges and kings‘. God has especially close contact with patriarchs and prophets.“ (Lof, ‚Prophet‘, S.  28) Für diese Einschätzung spricht, dass Mose, der gemeinhin mit dem ‚Gesetz‘ assoziiert wird, gegenüber den Patriarchen und den Propheten in ciu. eine untergeordnete Rolle spielt. 419 „pro patribus tuis nati sunt tibi filii, constitues eos principes super omnem terram.“ (Ps 44,17 nach ciu. XVII 16, S.  581, Z.  45–47; S.  582, Z.  88 f.) 420 Vgl. ciu. XVII 16, S.  582, Z.  89–92. 421  Dies wird deutlich in der Auslegung von Ps 44,17 in en. Ps. 44,32, S.  516, Z.  14–33, wo 417 „mater

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4.3.3 Die Weissagungen der Psalmen 109 und 21 Während Augustin noch bei der Auslegung von Ps 44 seinem Anspruch gerecht wurde, dass ein Psalm im Ganzen auszulegen sei,422 weicht er in den darauf folgenden Kapiteln davon ab. Der Grund mag in dem begrenzten Platz liegen, der ihm zur Verfügung steht. Auch weist er darauf hin, dass er die entsprechenden Psalmen bereits in seinen „beim Volk beliebten Predigten“ (sermones populares) ausgelegt hat.423 Während die Gedanken Augustins weiterhin um Christus kreisen und Themen wie etwa sein Königtum, sein Leiden und seine Auferstehung in den Blick nehmen, werden nun einzelne, aus ihrem Kontext gelöste Psalmverse dazu verwendet, eben diese (heils-)geschichtlichen Ereignisse als in den Gesängen Davids prophetisch vorweggenommen nachzuweisen.424 Wurde in ciu. XVII 16 anhand von Ps 44 das Königtum Christi verdeutlicht, so tritt in ciu. XVII 17 durch die Rezeption der ersten Verse aus Ps 109 das Priestertum Christi hinzu.425 Wie bereits festgestellt, wird Augustin die ewige Herrschaft, in die der göttliche König nach Ps 44,8 von Gott eingesetzt wird, im Sinne einer gemeinsamen Herrschaft des Vaters und des Sohnes verstanden haben. Eine solche sieht er auch in Ps 109,1 zum Ausdruck gebracht: „Es hat der Herr zu meinem Herrn gesprochen: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde als Schemel zu deinen Füßen lege.“426 Augustin hatte diesen Vers, der in seinen Augen eine Aufforderung Gottes des Vaters an Christus darstellt, bereits in ciu. XVII 7 behandelt.427 Hier nun interpretiert er den Vers in den Kategorien von „glauben“ (credere) und „sehen“ (uidere),428 wobei die Herrschaft Christi zur Rechten Gottes als bereits gegenwärtige Realität und die künftige (endzeitliche) Unterwerfung all seiner Feinde zu seinen Füßen (noch) ein Glaubensinhalt ist, der aber bald „gesehen“ werden kann, d. h. auch für Nicht-Glaubende erfahrbar sein wird. Vers 2 jedoch ist nach Augustin selbst für nichtglaubende Ohren derart klar, dass man die Erfüllung dieses prophetischen Verses in die apostoli als filii an die Stelle der Väter des Volkes Israel treten, um dann ihrerseits von den episcopi abgelöst zu werden, die heute eingesetzt sind, die Kirche auf Erden zu leiten. 422  „hoc autem ut in quocumque Psalmo possit ostendi, exponendus est totus“ (ciu. XVII 15, S.  579, Z.  14 – S.  580, Z.  15). 423 Vgl. ciu. XVII 17, S.  583, Z.  2 2–25. Augustin bezieht sich hier auf en. Ps. Während en. Ps. 1–21 einen von Augustin diktierten Kommentar zu den entsprechenden Psalmen darstellt, wird der weitaus größere Teil seiner en. Ps. von mitstenographierten Predigten gebildet, die Augustin in Hippo Regius, Karthago, Thagaste und Utica gehalten hat (vgl. H. Müller, Art. Enarrationes, Sp.  806–808). 424  Ähnlich argumentiert O’Daly, A reader’s guide, S.  182. 425  Ps 109 hat in den neutestamentlichen Schriften eine breite Rezeption erfahren (vgl. Mk 12,36 f. parr.; Apg 2,34 f.; 1Kor 15,25; Hebr 1,13; 7,21; 10,12). 426 „dixit dominus domino meo: sede a dextris meis, donec ponam inimicos tuos scabellum pedum tuorum.“ (Ps 109,1 nach ciu. XVII 17, S.  582, Z.  2 –4) 427  Vgl. Abschnitt 4.1.7 mit Anm.  251. 428  Bei dieser Kategorisierung ist sicherlich auch die Perikope von Jesus und Thomas ( Joh 20,24–29) als Hintergrund anzusehen.

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Christus nur „auf unverschämte Weise“ (inpudenter) leugnen könne: „Das Zepter deiner Macht wird der Herr ausgehen lassen aus Zion, und du sollst inmitten deiner Feinde herrschen.“429 Zwar ist Christi Herrschaft noch keine für jedermann erfahrbare Realität, wohl aber ist die Zerstörung des Tempels und die Schwächung des Volkes Israel eine solche geworden. Indem Augustin das „Zepter“ (uirga) als Metapher für das „Gesetz Christi, das wir [sc. die Christen] Evangelium nennen“ (lex Christi, quod euangelium nos uocamus),430 versteht (die Christusbotschaft ist ja tatsächlich von Jerusalem aus in die Welt getragen worden)431, wird Ps 109,2 zu einer sich bereits realisiert habenden Ankündigung. An Gedankengänge früherer Kapitel anknüpfend,432 begreift Augustin das mit der Zerstörung des Zweiten Tempels in Jerusalem gekommene Ende des Kultes als Erweis, dass fortan ein neues Hohepriestertum besteht, das das aaronitische Priestertum abgelöst und in Christus seinen Anfang genommen hat.433 Es verwirklicht sich in den (christlichen) Mahlfeiern, die ‚nach der Ordnung Melchisedeks‘ (vgl. Gen 14,18–20) gehalten werden.434 In diesem Sinne versteht Augustin auch Ps 109,4b als eine Prophetie, die sich bereits erfüllt hat und deren Beständigkeit durch Ps 109,4a noch einmal betont wird: Gott hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen, dass er diesen Wechsel des Hohepriestertums herbeigeführt hat.435 Auch im 21. Psalm lassen sich einige solcher prophetischen Aussagen finden, die, setzt man (wie Augustin) die entsprechenden Aspekte der Passionsberichte der Evangelien als historisch voraus, als im Leiden Jesu erfüllt angesehen werden können. Dazu zählen unter anderem das Durchbohren der Hände und Füße sowie die Zurschaustellung des Gemarterten (Vers 17 f.), die Aufteilung der Kleider des Leidenden und das Loswerfen über das Gewand (Vers 19).436 Weiter enthält dieser Psalm prophetische Aussagen, die sich noch nicht erfüllt haben, deren zu erwartende Erfüllung aber implizit dadurch plausibilisiert wird, da ja bereits ein Teil der Weissagungen Wirklichkeit geworden ist.437 429 „uirgam

uirtutis tuae emittet dominus ex Sion, et dominare in medio inimicorum tuorum.“ ­( Ps 109,2 nach ciu. XVII 17, S.  582, Z.  8 f.) 430 Vgl. ciu. XVII 17, S.  582, Z.  11 f. 431  Dass das „Gesetz von Zion“ und des „Herrn Wort von Jerusalem“ ausgehen wird, ist bereits in Jes 2,3 und Mi 4,2 geweissagt. Augustin führt diese Weissagung dann auch in ciu. XVIII 30 an (s. Abschnitt 4.5.4). 432  Vgl. Abschnitt 4.1.6. 433 Vgl. ciu. XVII 17, S.  583, Z.  19–22. 434  Vgl. die Ausführungen Augustins zur ‚Ordnung Melchisedeks‘ in ciu. XVI 22; s. dazu Abschnitt 3.2.4. 435 „ aiurauit dominus, et non paenitebit eum […] btu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech.“ (Ps 109,4 nach ciu. XVII 17, S.  582, Z.  16; S.  583, Z.  18) 436  Carl Andresen weist auf den auffälligen Umstand hin, dass Augustin zwar die Kreuzigung und die Verlosung der Kleider in Ps 21 geweissagt sieht, nicht aber auf das Kreuzeswort Jesu eingeht (Mk 15,34 par. Mt 27,46), das ja ein Zitat von Ps 21,2 darstellt (vgl. BAW [ciu.] 2, S.  944). 437 Vgl. ciu. XVII 17, S.  583, Z.  3 4–37.

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Augustin empfindet sich selbst und seine Zeitgenossen als in einem Prozess der Erfüllung all jener Weissagungen begriffen, der seinen Abschluss im Eschaton finden wird. Im Sinne eines solchen Prozesses müssen die Verse 28–30 verstanden werden: „Es werden sich erinnern und zum Herrn bekehren alle Enden der Erde, und alle Geschlechter der Heiden werden anbeten vor seinem Angesicht; denn das Reich gehört dem Herrn, und er wird herrschen über die Heiden.“438 Zu der Zeit, als David diese Verse gesungen hat, waren sie noch rein prophetische Aussagen. Mit dem Kommen Christi jedoch wurde ein Prozess angestoßen, innerhalb dessen sich bereits viele der Menschen aus den „Geschlechtern der Heiden“ (patriae gentium) zum Herrn bekehrt haben. 4.3.4 Die Weissagung des Todes und der Auferstehung Christi in verschiedenen Psalmen Nicht nur hinsichtlich des Leidens, auch für das Sterben und die Auferstehung Christi findet Augustin prophetische Aussagen in den Psalmen. So zitiert er aus Ps 3,6: „Ich ging schlafen und schlief ein; ich stand auf, weil der Herr sich meiner annahm.“439 In diesem Vers müsse ein tieferer Sinn zu erkennen sein als der simple Bericht des Propheten (David) darüber, dass er schlafen gegangen und wieder aufgestanden sei. Durch die Begründung des Erwachens, „quoniam dominus suscipiet me“, enthält Ps 3,6 eine theologische Dimension, die über die alltägliche Situation des Erwachens und Aufstehens vom Schlaf hinausführt. Augustin zufolge kann hier nur eine prophetische Aussage über das Sterben und die Auferweckung Jesu gemacht worden sein.440 In einem ähnlichen Sinn werden die Verse aus Ps 40,6–9 verstanden, in denen die Feinde des Beters dessen Tod herbeiwünschen (Vers 6). Da in Augustins Sicht hier Weissagungen künftiger Dinge als Erzählung von vergangenen begegnen,441 stellt er diese Verse in den Kontext der Verfolgung und des Verrates 438 „commemorabuntur

et conuertentur ad dominum uniuersi fines terrae et adorabunt in conspectu eius uniuersae patriae gentium; quoniam domini est regnum, et ipse dominabitur gentium.“ (Ps 21,28– 30 nach ciu. XVII 17, S.  583, Z.  4 0–43) 439 „ego dormiui et somnum cepi; exsurrexi, quoniam dominus suscipiet me.“ (Ps 3,6 nach ciu. XVII 18, S.  583, Z.  3 f.) 440  In die gleiche Richtung geht Augustins Deutung dieses Psalmverses in en. Ps. 3,5, S.  9, Z.  1 – S.  10, Z.  33. Bereits im zweiten Jahrhundert hat man diesen Vers als Prophetie auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi verstanden. So etwa in der apokryhen Schrift Epistula Apostolorum (vgl. Epist. Apost. 19.[30.], S.  1074 f.; s. dazu Dulaey, L’histoire [III], S.  220). 441  „nam et in quadragensimo multo manifestius id ostenditur, ubi ex persona eiusdem mediatoris more solito tamquam praeterita narrantur, quae futura prophetabantur“ (ciu. XVII 18, S.  583, Z.  8 –10). Die Verfolgungen Davids, auf die Ps 40 hier rekurriert, wurden von Augustin immer wieder als Präfigurationen der Verfolungen Jesu oder auch der Kirche angesehen (vgl. ep.  55,31, S.  206, Z.  10–17; en. Ps. 51,1, S.  623, Z.  14–19). Dabei spielte auch die Ähnlichkeit der Namen der jeweiligen Verfolger eine gewisse Rolle: Wurde David von König Saul verfolgt, so war Saulus, bevor er zum Apostel Paulus wurde, ein Verfolger der Christen (ep.  175,8, S.  948, Z.  54–57; s. dazu Dulaey, L’histoire [II], S.  38 f.).

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Jesu. So erkennt er in dem einen aus dem Kreis dieser Feinde, der kommt, um nach dem Beter zu schauen, dessen Herz aber nur Eitles redet, sodass er Bosheit in sich sammelt und dann hinausgeht, um sich mit den anderen zu besprechen (Vers 7 f.),442 eine Weissagung auf Judas Iskariot. Ihn nehmen die Feinde des Beters zur Hilfe, um ihren Beschluss, diesen zu töten, umzusetzen.443 Vers 9 wird nun nicht als Frage der Feinde, sondern als rhetorische Frage des Beters eingeordnet: „Ob etwa der, der (so) schläft, sich nicht wieder erheben wird, um aufzustehen?“444 Hier ist bereits im Psalm selbst nicht von einem gewöhnlichen Schlaf die Rede, vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass der von Feinden drangsalierte und mit üblem Gerede bedachte Beter zu sterben droht (vgl. Vers 6).445 Augustin nimmt diese Intention des Psalms wahr, wenn er in Vers 9 „schlafen“ (dormire) durch „sterben“ (mori) ersetzen will.446 Allerdings kommt er im Laufe seiner Auslegung wieder auf die ursprüngliche Lesart des Verses zurück, wenn er nämlich aus der Perspektive des Beters, d. h. Jesu Christi, die Bestrebungen der Feinde, ihn zu töten, vor dem Hintergrund seiner Auferstehung als letztlich aussichtslos bezeichnet: „Was tut ihr da Eitles? Was euer Verbrechen ist, wird für mich (nur) ein Schlaf sein: ‚Wird der, der schläft, nicht wieder aufstehen?‘ [Ps 40,9]“447 Im Folgenden wird die Strafe derjenigen bedacht, die für den Tod des Beters – in der Übertragung also für die Hinrichtung Jesu – verantwortlich sind. Das ist Augustin zufolge zum einen der bereits genannte Judas, zum anderen das Volk der Juden. Die Verantwortlichkeit römischer Autoritäten am Tod Jesu bleibt hier dagegen unerwähnt.448 Die Feinde des Beters in Ps 40 werden also 442 „et si ingrediebatur ut uideret, uana locutum est cor eius, congregauit iniquitatem ipsi. egrediebatur oras et loquebatur simul in unum.“ (Ps 40,7 f. nach ciu. XVII 18, S.  584, Z.  14–16) 443 Vgl. ciu. XVII 18, S.  584, Z.  21–25. Augustin hatte bereits an anderer Stelle Doëg, den Edomiter, als Weissagung auf Judas Iskariot verstanden (vgl. en. Ps. 51,3, S.  624, Z.  8 –18; s. dazu Dulaey, L’histoire [II], S.  13). Dieser Doëg diente im Heer Sauls und fungierte dabei auch als Spion, um David zu bespitzeln (vgl. 1Sam 22,6–23; Ps 51,2). Es scheint vor diesem Hintergrund gut möglich, dass Augustin jenen in Ps 40,7 f. anonym bleibenden Spion mit Doëg identifiziert hat. 444 „numquid qui dormit non adiciet ut resurgat?“ (Ps 40,9 nach ciu. XVII 18, S.  584, Z.  18 f.) 445  Der Tod, und zwar nicht allein der drohende physische Tod, sondern auch der für den Beter bereits Realität gewordene soziale Tod, der Tod im Sinne von Beziehungsabbruch zu anderen Menschen und auch zu Gott, ist ein zentrales Motiv der Klagepsalmen (vgl. dazu die Ausführungen zu Ps 88 [MT] von Janowski, Die Toten, S.  208 f.231 f.). 446 Vgl. ciu. XVII 18, S.  584, Z.  19–21. An späterer Stelle vertritt Augustin die Meinung, dass die (nicht christusgläubigen) Juden, für die das Sterben des von ihnen erhofften Messias eine Unmöglichkeit darstellt, diese Stelle nur im Sinne von „schlafen“ und „erwachen“ verstehen könnten (vgl. ciu. XVII 18, S.  585, Z.  54–59). 447  „quid agitis uani? quod uestrum scelus est, meus somnus erit: numquid qui dormit non adiciet ut resurgat?“ (ciu. XVII 18, S.  584, Z.  28–30) 448  Der Analyse Bernhard Blumenkranz’ zufolge tragen „nach der Auffassung Augustins […] die Juden allein und vollständig die Verantwortung für die Kreuzigung Jesu“ (vgl. mit entsprechenden Quellenbelegen den Unterabschnitt „Die Verantwortung für die Kreuzigung“ in Blumenkranz, Judenpredigt, S.  190–194; Zitat: S.  190). Innerhalb von ciu. ist u. a.

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mit den Juden identifiziert, zu denen auch Judas gehört, auch wenn er zunächst zu den Vertrauten des Beters zählte: „Denn der Mann, mit dem ich in Frieden (lebte), in den ich Vertrauen hatte, der mein Brot aß, der hat die Ferse auf mich gesetzt.“449 Der Beter bittet jedoch in Vers 11 darum, dass Gott ihn „wieder erweckt“ (resuscitare), damit er seinen Feinden „vergelten“ (reddere) kann.450 Diese Vergeltung bezieht Augustin nun zunächst auf die Juden, wobei er zwischen einer „zeitlichen Züchtigung“ (disciplina temporaria)451 und der endgültigen Strafe im Endgericht differenziert. Erstere sieht er in der militärischen Niederlage der Juden und ihrer Vertreibung in der Folge des Jüdischen Krieges gegeben, während die Strafe im Endgericht all jene „Unverbesserlichen“ (non correcti) im Volk der Juden treffen wird, die nicht zum Christusglauben gekommen sind.452 Den Grund für die Ablehung des Christusglaubens bei einem Großteil der Juden sieht Augustin darin gegeben, dass der von ihnen erwartete Messias nach ihrer Auffassung nicht sterben könne.453 Diese Auffassung jedoch wird als „Unwahrheit und Verblendung“ (uanitas atque caecitas)454 bezeichnet und mit Worten aus Ps 15 widerlegt, die als Worte Christi interpretiert werden, die von dessen Hoffnung auf seine Auferweckung durch Gott getragen sind: „Darum ist mein Herz vergnügt, und es frohlockt meine Zunge, und überdies wird auch mein Fleisch in der Hoffnung ruhen; denn du wirst meine Seele nicht in der Unterwelt zurücklassen, sodass dein Heiliger die Verwesung schaue.“455 in IV 34, S.  127, Z.  25–28 und in XVIII 46, S.  644, Z.  13–18 (s. dazu Abschnitt 6.2.1) von der Verantwortung der Juden für den Tod Jesu die Rede. Judas Iskariot und sein Verrat wird im Werk Augustins des Öfteren mit den Juden in Verbindung gebracht (vgl. en. Ps. 108,1, S.  1585, Z.  16–19; gr. et lib. arb. 41, S.  9 07, Z.  7–9; s. 214,3, S.  16, Z.  72–82). Johannes van Oort schreibt in Bezug auf en. Ps. 108: „in fact I[udas Iscariotes] is represented by the Jews who were the enemies of Christ“ (Oort, Art. Iudas, Sp.  797). 449 „etenim homo pacis meae, in quem speraui, qui edebat panes meos, ampliauit super me calcaneum.“ (Ps 40,10 nach ciu. XVII 18, S.  584, Z.  31–33) Im Verlauf von ciu. XVII 18 kommt Augustin noch zu einer weiteren Klärung dieses Verses. In der Metaphorik des ‚Hauptes‘ und der ‚Glieder‘ des ‚Leibes‘ Christi vertritt er die Auffassung, dass, da Jesus selbst bereits gewusst habe, dass Judas ihn verraten wird (vgl. Joh 6,71; 13,21), die Aussage des Psalmverses, dass der Beter (d. h. Jesus) „Vertrauen in ihn“ (d. h. Judas) hatte, nur insofern zutrifft, als hier von den Gliedern des Leibes Christi (nicht aber vom Haupt, d. h. von Jesus selbst) die Rede ist: Die Jünger wussten ja offenbar noch nicht, wer unter ihnen der Verräter sein sollte, weshalb sie (noch) Vertrauen auch in Judas hatten (vgl. ciu. XVII 18, S.  584, Z.  39 – S.  585, Z.  49). 450 „tu autem, domine, miserere mei et resuscita me, et reddam illis.“ (Ps 40,11 nach ciu. XVII 18, S.  584, Z.  33 f.) 451 Vgl. ciu. XVII 18, S.  584, Z.  38. 452 Vgl. ciu. XVII 18, S.  584, Z.  35–39. 453 Vgl. ciu. XVII 18, S.  585, Z.  54–59. Vgl. dazu die Stimme des ( jüdischen) Volkes in Joh 12,34: „Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn?“ 454 Vgl. ciu. XVII 18, S.  585, Z.  57 f. 455 „propter hoc iucundatum est cor meum et exultauit lingua mea, insuper et caro mea requiescet in

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Bereits in den heiligen Schriften der Juden findet sich Augustin zufolge also ein Beleg dafür, dass der von ihnen erhoffte Messias entgegen ihrer Auffassung sehr wohl sterben und seine Seele in die Unterwelt gelangen wird, dass sein Tod allerdings nur eine so kurze Zeit währt, dass der Messias (der Heilige Gottes) die Verwesung nicht schaut – was für Augustin darin gegeben ist, dass Christus am dritten Tag von den Toten auferstand. Auf jemand anderen als Christus vermag er nämlich Ps 15,9 f. nicht zu beziehen, denn von David, dem prophetischen Sänger des Psalms, könne nicht gesagt werden, dass er nach seinem Tod und dem Hinabfahren seiner Seele in die Unterwelt „die Verwesung nicht geschaut“ habe.456 Auch, dass der Tod des Messias eine Heilsbedeutung hat, kann Augustin mit einem Psalmvers belegen: „Unser Gott ist ein Gott, der Heil spendet, und der Ausgang des Herrn ist der Tod.“457 Diesen Vers versteht Augustin in der Weise, dass der Tod des Herrn (sc. Christi) als notwendige Bedingung des Heilspendens Gottes angesehen wird. Da ein trinitarisches Gottesbild vorauszusetzen ist, dürfen freilich deus und dominus in Ps 67,21 nicht als voneinander getrennte Wesen begriffen werden, vielmehr ist der Gott, der Heil spendet, mit jenem Herrn Jesus Christus identisch, von dessen Tod hier die Rede ist.458 Dieses durch den Tod des Messias bewirkte göttliche Heilspenden wird mit Mt 1,21 darin gesehen, dass der Messias sein Volk von seinen Sünden erlöst.459 4.3.5 Ps 68 sagt den Unglauben der Juden an Christus voraus Als letzten unter den Davidspsalmen, die in prophetischer Weise von Christus künden, führt Augustin Ps 68 an. In den Versen 22–24 sieht er zum einen ­A spekte der Passion Christi prophetisch vorweggenommen, nämlich die Tränkung des dürstenden Gekreuzigten mit Galle und Essig (vgl. Mt 27,34–48), zum anderen aber die Eigenart derjenigen Juden, die Christus nicht angenommen haben, da sie nicht erkennen, dass ihre Schriften und auch die Davidspsalmen in der Weise, wie es Augustin exemplarisch vorgeführt hat, von Christus als dem Messias zeugen. Die als Verwünschungen formulierten Aussagen der Verse Ps 68,23 f. versteht Augustin als prophetische Ankündigungen dieser Situation der Juden. So heißt es in Vers 24: „Verfinstern sollen sich ihre Augen, damit sie nicht sehen, und krümme du ihren Rücken für immer.“460 Offensichtlich verspe; quoniam non derelinques animam meam in inferno, nec dabis sanctum tuum uidere corruptionem.“ (Ps 15,9 f. nach ciu. XVII 18, S.  585, Z.  60–63) 456 Vgl. ciu. XVII 18, S.  585, Z.  6 4–68. 457 „deus noster deus saluos faciendi, et domini exitus mortis.“ (Ps 67,21 nach ciu. XVII 18, S.  585, Z.  69) 458  „deus enim saluos faciendi dominus est Iesus, quod interpretatur saluator siue salutaris.“ (ciu. XVII 18, S.  585, Z.  70 f.) 459 Vgl. ciu. XVII 18, S.  585, Z.  54–59. 460 „obscurentur oculi eorum ne uideant, et dorsum eorum semper incurua.“ (Ps 68,24 nach ciu. XVII 19, S.  586, Z.  10 f.) Ps 68,23 f. wird auch von Paulus in Röm 11,9 f. zitiert und auf den

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langt der Beter hier eine Verstockung seiner Feinde durch Gott. Durch die Übertragung auf das Verhältnis der Juden zu Christus bedeutet dies also: Gott hat die Augen der Juden verdunkelt, damit sie selbst die offenkundigsten Zusammenhänge (die Erfüllung einer Vielzahl der Verheißungen ihrer heiligen Schriften in Christus) nicht erkennen können.461 Durch die zusätzliche Krümmung des Rückens können sie sich zudem nur mit den „irdischen Dingen“ (terrena) beschäftigen, ein Emporblicken zu den „himmlischen Dingen“ (caelestia) lässt ihre gebeugte Statur nicht mehr zu. Freilich ist dieses anschauliche Bild auch im Sinne der beiden ciuitates und ihrer jeweiligen Ausrichtung auf das Irdische bzw. die himmlische Stadt Jerusalem zu sehen.462

4.4 Die Zeit nach David bis zur Babylonischen Gefangenschaft 4.4.1 Die prophetischen Weissagungen in den Schriften Salomos Nachdem Augustin in den vorangegangenen Kapiteln einige der Psalmen Davids auf ihre Weissagungen auf Christus und die Kirche hin untersucht hat, schließt er in ciu. XVII 20 seine Behandlung dieses Königs mit einer kurzen Charakterisierung ab: So sei er Herrscher über das „irdische Jerusalem“ (terrena Hierusalem) und zugleich „Sohn des himmlischen Jerusalem“ ( filius caelestis Hierusalem) und damit Glied der ciuitas dei gewesen.463 Zwar gibt es auch Vergehen Davids (zu denken ist hier beispielsweise an sein Verhältnis zu Batseba), doch habe er sie „durch die heilbringende Demut der Buße“ (per saluberrimam paenitendi humilitatem) gesühnt, sodass ihm mit Ps 31,1 die Vergebung der Sünden gewiss ist.464 Nun widmet sich Augustin der Regentschaft Salomos, die er den alttestamentlichen Zeugnissen folgend in ihren Anfängen positiv, in ihren letzten Jahverstockten Teil Israels bezogen, der nicht aus Gnade erwählt wurde (s. dazu Drecoll, Haus, S.  307 mit Anm.  31). 461 Vgl. ciu. XVII 19, S.  586, Z.  11–14. 462 Vgl. ciu. XVII 19, S.  586, Z.  14–16. Auch unabhängig von Ps 68,24 gilt Augustin der „aufrechte Mensch“ (homo rectus) als gottgefällig (vgl. seine Beschreibung des praelapsarischen Menschen in ciu. XIII 14, S.  395, Z.  1–3), während der „gekrümmte Mensch“ (homo curuus) von der Sünde eingenommen ist (vgl. beispielsweise en. Ps. 50,17, S.  612, Z.  16–20; s. mit weiteren Belegen BAW [ciu.] 2, S.  944). 463 Vgl. ciu. XVII 20, S.  586, Z.  1 f. 464 Vgl. ciu. XVII 20, S.  586, Z.  2 –6. Die auf seine Versündigung folgende Buße Davids wird von Augustin in dreierlei Hinsicht als vorbildlich angesehen: Er flüchte sich nicht in Selbstrechtfertigungen und er widerspreche nicht dem ihn tadelnden Nathan (vgl. en. Ps. 50,5, S.  602, Z.  20–23). Schließlich komme seine Buße aus tiefstem Herzen, weshalb seine Bitte um Vergebung, auch wenn sie wortgleich mit derjenigen Sauls ist („ich habe gesündigt“ / peccaui; vgl. 1Sam 15,24 / 2 Sam 12,13), im Unterschied zu dessen Bitte angenommen wird. Während das menschliche Ohr nämlich nur die Gleichheit der Worte wahrnimmt, kann das Auge Gottes den Unterschied in den Herzen sehen (c. Faust. 22,67, S.  663, Z.  27 – S.  664, Z.  5.; s. dazu Dulaey, L’histoire [III], S.  209 f.; Keys, Pride, S.  186 f.).

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ren negativ bewertet. Ausschlaggebend sind hier vor allem dessen Ehen mit vielen ausländischen, nichtjüdischen Frauen unterschiedlichen Glaubens, die schon im Alten Testament negativ gesehen werden (vgl. u. a. 1Kön 11,1–13). Salomo war nämlich eine große Weisheit beschieden, doch, und damit nimmt Augustin eine These des römischen Politikers und Geschichtsschreibers Sallust auf, führen die „glücklichen Umstände“ (res secundae) bei den Weisen dazu, dass ihr „Geist“ (animus) ermüdet.465 Dennoch war die Weisheit Salomos hoch gerühmt, und wie sein Vater so sei auch er ein Prophet gewesen, was sich in den drei Büchern widerspiegelt, die kanonischen Rang erhalten haben: die Sprüche Salomos (Prouerbia), der Prediger Salomo (Ecclesiastes) und das Hohelied (Canticum canticorum).466 Zusätzlich zu diesen drei Schriften führt Augustin noch zwei weitere an, die Salomo zugeschrieben werden, deren Authentizität aber umstritten ist bzw. die von Gelehrten als widerlegt angesehen wird.467 Es handelt sich dabei um das Buch der Weisheit Salomos (Sapientia Salomonis) und um das Buch Jesus Sirach (= Ecclesiasticus).468 Der Zweifel an der Authentizität hinderte, wie Augustin weiter darlegt, die Kirche (und zumal die westliche) nicht daran, diese beiden Bücher ebenfalls als kanonisch anzusehen,469 weshalb sie auch Eingang in die Septuaginta gefunden haben. Aus diesen fünf Schriften führt Augustin im Folgenden Zitate an, die aus seiner Sicht Weissagungen enthalten, die Christus und die Kirche betreffen. Er beginnt dabei mit den beiden Schriften, deren Authentizität umstritten ist und die auch im Kanon der Hebräischen Bibel fehlen: ein Umstand, der wie er selbst zugibt, dazu führt, dass die „Beweiskraft“ ( firmitas) dieser Schriften gerade gegenüber den jüdischen Gegnern begrenzt ist. Zunächst zitiert er aus Weish 2,12–21, eine Passage, die seines Erachtens sowohl die Leiden Christi als auch das Ansinnen seiner Gegner, der „gottlosen Mörder“ (impii interfectores) prophetisch vorwegnimmt. Da Augustin dieses Zitat weitgehend unkommentiert lässt, liegt es beim Leser, die entsprechenden Bezüge zu Christus und seiner Passion 465  Die

begrifflichen Übereinstimmungen lassen den Schluss einer literarischen Abhängigkeit zu. So schreibt Sallust: „Quippe secundae res sapientium animos fatigant: ne illi corruptis moribus uictoriae temperarent.“ (Bell. Cat. 11,8, S.  12, Z.  14 f.) In ciu. liest sich der Satz wie folgt: „quippe secundae res, quae sapientium animos fatigant, magis huic offuerunt, quam profuit ipsa sapientia“ (ciu. XVII 20, S.  586, Z.  8 –10; s. zu Augustins Rezeption des Sallust in ciu.: Gärtner, Art. Sallustius, Sp.  23–25; Hübner, Art. Scriptores, Sp.  116). 466 Vgl. ciu. XVII 20, S.  586, Z.  11 – S.  587, Z.  16. Vgl. allgemein zu den Kriterien der Kanonizität bei Augustin bzw. zu seiner Beurteilung derselben in Bezug auf die alt- und neutestamentlichen Schriften: Ohlig, Art. Canon, Sp.  721–723 bzw. 716–721. 467  Zu Beginn des 4. Jahrhunderts sprachen etwa Athanasius und Epiphanius von Salamis den Büchern Sapientia Salomonis und Ecclesiasticus einen kanonischen Rang ab, auch wenn sie sie für nützlich hielten (vgl. mit Quellenbelegen: Bardy, Sur l’autorité, S.  741). 468  Augustin selbst ging zunächst davon aus, dass sowohl der Ecclesiasticus als auch die Sapientia Salomonis von Jesus Sirach verfasst worden sei (vgl. doctr. chr. 2,13, S.  9 0, Z.  36–39). Später hat er Letzteres widerrufen und lässt damit die Verfasserschaft der Sapientia Salomonis offen (vgl. retr. 2,4,2, S.  93, Z.  11–14; s. dazu Bonnardière, Le canon, S.  294.297 f.). 469 Vgl. ciu. XVII 20, S.  587, Z.  16–18.

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herzustellen. Aus der Perspektive der Gegner wird hier von einem Gerechten gesprochen, der ihre eigenen Sünden und Verfehlungen gegen das Gesetz offenbar macht und damit ihren Ruf schädigt (Weish 2,12 f.).470 Noch klarer wird der Bezug zu Jesus Christus in den Versen 13 und 16: „Er gibt vor, dass er Gott kenne, nennt sich selbst Gottes Sohn. […] das künftige Schicksal der Gerechten zeigt er auf und er rühmt sich, Gott zum Vater zu haben.“471 Aufgrund dieses Verhaltens des „Gerechten“ (d. h. Jesu) planen seine Gegner, ihn durch Erniedrigung und Folter zu prüfen und ihn sogar zum Tode zu verurteilen (Weish 2,17.19 f.), um so zu erkennen, ob sein Anspruch, Gottes Sohn zu sein, wahr ist: „Denn wenn er ein rechter Sohn Gottes ist, so wird sich ja Gott seiner annehmen und ihn aus den Händen der Widersacher befreien.“472 Im „Ecclesiasticus“ (= Jesus Sirach) sieht Augustin den künftigen Glauben der Heiden, die durch Christus zur Erkenntnis Gottes gekommen sind, in der Form eines Gebetes prophetisch vorhergesagt (vgl. Sir 36,1–5).473 Auch aus den anderen genannten drei Schriften, deren Verfasserschaft durch Salomo nach Augustin unstrittig ist und die, weil sie auch zum Kanon der Hebräischen Bibel gehören, sich für Schriftargumente in der Auseinandersetzung mit den Juden viel besser eignen, werden einige Stellen zitiert, die entsprechende Weissagungen enthalten. Im Buch der Sprüche findet sich nämlich in 1,11– 13 ein Weish 2,12–21 vergleichbarer Text, in dem von dem Ansinnen einer Gruppe die Rede ist, den „gerechten Mann“ zu töten, ja sein „Andenken auf der Erde auszulöschen“, um so seines „kostbaren Besitzes“ (possessio pretiosa) habhaft zu werden.474 Augustin stellt hier einen Bezug zwischen Spr 1,11–13 und dem jesuanischen Gleichnis von den bösen Weingärtnern her, die nach Mt 21,38 nach dem „Erbe“ (hereditas) des Sohnes des Weinbergbesitzers trachteten und ihn daher töten.475 Übertragen auf Christus und die Kirche haben beide Texte den gleichen Sinn: Eine Gruppe von Übelgesinnten (gemeint sind die jüdischen Autoritäten, die für den Tod Jesu verantwortlich gemacht werden) neidet einem gerechten Mann (Spr 1,11) bzw. dem „Erben“ (heres; Mt 21,38 – gemeint ist Christus) dessen Besitz bzw. Erbe und trachtet ihm daher nach dem Leben, um diesen Besitz (den Augustin mit der Kirche gleichsetzt) an sich zu bringen. 470 Vgl.

ciu. XVII 20, S.  587, Z.  21–23. scientiam dei se habere et filium dei se nominat. […] praefert nouissima iustorum et gloriatur patrem deum se habere.“ (Weish 2,13.16 nach ciu. XVII 20, S.  587, Z.  23 f.28 f.) 472 „si enim est iustus filius dei, suscipiet illum et liberabit eum de manibus contrariorum.“ (Weish 2,18 nach ciu. XVII 20, S.  587, Z.  31–33) 473 Vgl. ciu. XVII 20, S.  587, Z.  37–44. 474 „abscondamus in terra uirum iustum iniuste, absorbeamus uero eum tamquam infernus uiuentem et auferamus eius memoriam de terra, possessionem eius pretiosam adprehendamus.“ (Spr 1,11–13 nach ciu. XVII 20, S.  587, Z.  52–54) 475 „hic est heres, uenite, occidamus eum, et nostra erit hereditas.“ (Mt 21,38 nach ciu. XVII 20, S.  588, Z.  58 f.) 471 „promittit

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Unter der doppelten Voraussetzung, dass dem christlichen Hörer bewusst ist, dass zum einen die Weisheit (sapientia) Gottes mit dem „gleichewigen Wort des Vaters“ (uerbum patri coaeternum)476 und damit mit Christus zu identifizieren ist, zum anderen unter den „sieben Säulen“ (columnae septem) die Kirche zu verstehen ist,477 zitiert Augustin nun aus Spr 9,1–5. Hier ist von der personifizierten Weisheit die Rede, die sich ein Haus baut, das durch sieben Säulen gestützt wird. Sodann bereitet sie ein Mahl, für das sie ihr Vieh schlachtet. Zu diesem Mahl lädt sie diejenigen ein, die „unweise“ (insipiens) und „arm im Geiste“ (inops sensu) sind.478 Die Einladung, die durch die Diener jener Weisheit ausgesprochen wird, lautet: „Kommt, esst von meinen Broten und trinkt den Wein, den ich für euch gemischt habe.“479 Vor dem Hintergrund der Seligpreisung in Mt 5,3 fällt es nicht schwer, die zum Mahl Gerufenen mit den an Christus Glaubenden zu identifizieren.480 Augustin spricht hier, wohl wieder unter Rückbezug auf den von ihm als prophetisch angesehenen Lobgesang der Hanna, von der Jungfrau (mit der nun Maria gemeint ist), in deren Schoße die Weisheit (d. h. Christus) „sich als Haus den menschlichen Leib erbaute“.481 Das Haus der Weisheit (vergleichbar mit der neutestamentlichen Metaphorik des geistlichen Tempels), dessen Erbauung in der Inkarnation Christi durch die Jungfrauengeburt ihren Anfang nimmt, wird christologisch und zugleich ek­ klesiologisch als der Leib Christi verstanden. Das Schlachten des Viehs wird dabei anscheinend nicht als Vorbereitung zum Mahl, sondern im Kontext ebendieses Hausbaus gesehen, insofern die „Opfer der Märtyrer“ (martyrum uictimae) als vornehmliche Glieder des Leibes Christi nach neutestamentlichem Zeugnis den Grundstein des heiligen Tempels Gottes bilden (vgl. Eph 2,19–22). Zuletzt deutet Augustin die Ladung der Weisheit (d. h. Christi) zu dem von ihr selbst bereiteten Mahl, das aus Brot und Wein besteht, in einem eucharistischen Kon476 Vgl.

ciu. XVII 20, S.  588, Z.  70. weist hier zurück auf seine Auslegung des Lobgesangs der Hanna (1Sam 2,1–10). In Vers 5 hatte Hanna Gott unter anderem deswegen gepriesen, da die Unfruchtbare sieben Kinder geboren habe. Augustin hatte allerdings in ciu. XVII 4 dargelegt, dass mit dieser Unfruchtbaren keineswegs Hanna selbst gemeint sein könne, da diese doch nur drei Söhne und zwei Töchter geboren habe. Die sieben Kinder der Unfruchtbaren müssten daher als prophetische Weissagung auf die Kirche hin verstanden werden. In diesem Zusammenhang wird u. a. auch auf ebenjene Verse aus den Sprüchen Salomos verwiesen, die hier in ciu. XVII 20 zitiert werden (vgl. ciu. XVII 4, S.  557, Z.  114 – S.  558, Z.  128; vgl. dazu auch Abschnitt 4.1.4). 478 Vgl. ciu. XVII 20, S.  588, Z.  67. 479 „uenite, manducate de meis panibus et bibite uinum quod miscui uobis.“ (Spr 9,5 nach ciu. XVII 20, S.  588, Z.  68 f.) 480  Augustin selbst führt Worte aus 1Kor 1,27 an, um die Zugehörigkeit und Erwählung der „Schwachen“ (infirmi) zur Kirche zu belegen: „infirma huius mundi elegit, ut confunderet fortia.“ (ciu. XVII 20, S.  588, Z.  75 f.) 481  „hic certe agnoscimus dei sapientiam, hoc est uerbum patri coaeternum, in utero uirginali domum sibi aedificasse corpus humanum et huic, tamquam capiti membra, ecclesiam subiunxisse“ (ciu. XVII 20, S.  588, Z.  69–72). 477 Augustin

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text.482 Durch die Teilhabe am Mahl erlangen die „Unweisen“ und „im Geiste Armen“ das „Leben“ (uita), wofür der an Spr 9,1–5 anschließende Vers bemüht wird: „Verlasst die Unweisheit, damit ihr lebt, und strebt nach der Klugheit, damit ihr das Leben habt!“483 Das Motiv des im Abendmahl gewonnenen (neuen) Lebens ist aus der johanneischen Theologie bekannt.484 Den eucharistischen Kontext fortführend, zitiert Augustin nun auch aus der zweiten von ihm als authentisch angesehenen Schrift Salomos, aus Kohelet 8,15: „Es gibt nichts Gutes für den Menschen, als zu essen und zu trinken.“485 Dieser eigentlich recht profan-weisheitliche Vers gewinnt durch die Neukontextualisierung einen anderen Sinn: Geht es doch nun nicht mehr um die Befriedigung zweier lebensnotwendiger Bedürfnisse, sondern um die Gewinnung des ewigen Lebens durch die Teilhabe am Abendmahl. „Was ist glaubhafter“, so urteilt Augustin über den prophetischen Gehalt von Koh 8,15, als hier „an etwas zu denken, was sich auf Teilnahme an diesem Tisch bezieht, den der priesterliche Mittler des Neuen Bundes selbst bereitet nach der Ordnung Melchisedeks mit seinem Leib und Blut?“486 Unter Verweis auf zwei weitere Zitate aus dem Buch Kohelet, nach denen das „Trauerhaus“ (domus luctus) dem „Trinkhaus“ (domus potus) vorzuziehen sei (vgl. Koh 7,3), da Ersteres der Weise, Letzteres der Narr besuche (vgl. Koh 7,5), wird die These untermauert, dass es generell, wenn in Kohelet vom Essen und Trinken die Rede sei, nicht um Speisen im Sinne des „fleischlichen Genusses“ (uoluptas carnalis) gehe.487 Diese Ablehnung des ‚fleischlichen‘ Verständnisses geht einher mit der Ablehnung des Opferkultes des „Alten Bundes“ (uetus testamentum). Diesem wird lediglich eine temporäre Bedeutung zugesprochen, insofern die Opfer in der Zeit vor Christus als „Schattenbild des Zukünftigen“ (umbra futuri) dargebracht wurden.488 Mit der Einsetzung des Abendmahls durch Christus, dem „Mittler des Neuen Bundes“ (mediator testamenti noui),489 dem neuen und ewigen Hohepriester, ist der Opferkult endgültig an sein Ende gekommen. Augustin führt 482 Vgl.

ciu. XVII 20, S.  588, Z.  73–76. insipientiam, ut uiuatis, et quaerite prudentiam, ut habeatis uitam.“ (Spr 9,6 nach ciu. XVII 20, S.  588, Z.  77 f.) 484 In der sogenannten ‚Brotrede‘ bezeichnet sich der johanneische Jesus selbst als das „Brot des Lebens“ (vgl. Joh 6,48). Wenige Verse später heißt es: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit, aber das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ ( Joh 6,51) 485 „non est bonum homini, nisi quod manducabit et bibet.“ (Koh 8,15 nach ciu. XVII 20, S.  588, Z.  80 f.) 486  „quid credibilius dicere intellegitur, quam quod ad participationem mensae huius pertinet, quam sacerdos ipse mediator testamenti noui exhibet secundum ordinem Melchisedech de corpore et sanguine suo?“ (ciu. XVII 20, S.  588, Z.  81–84) 487 Vgl. ciu. XVII 20, S.  588, Z.  91 – S.  589, Z.  96. 488 Vgl. ciu. XVII 20, S.  588, Z.  85 f. 489 Vgl. ciu. XVII 20, S.  588, Z.  83; vgl. hierzu Hebr 10,12–18. 483 „derelinquite

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einen kultkritischen Psalmvers als Beleg an, dass dieser Wechsel vom Opferkult des Alten Bundes zu dem durch Christus eingesetzten Mahl des Neuen Bundes bereits in den Psalmen prophetisch vorhergesagt ist: „Schlachtopfer und Opfergaben hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet.“490 Schließlich zitiert Augustin noch eine weitere Passage aus Kohelet, die für sein Verständnis der beiden ciuitates einigen Aufschluss gibt: Wehe dir, Land, dessen König ein Knabe [adulescens] ist, und wenn deine Fürsten früh am Morgen tafeln. Glückselig bist du, Land, dessen König ein Sohn der Edlen ist, und wenn deine Fürsten zur rechten Zeit speisen, zur Kräftigung [ fortitudo] und nicht zur Beschämung [confusio]!491

Dabei gilt es zu beachten, dass Augustin nicht nur den „Knaben“ mit dem Teufel und den „Sohn von Edlen“ mit Christus gleichsetzt, sondern dass er auch – in Analogie zu ciuitas terrena und ciuitas dei – von der „Teufelsstadt“ (ciuitas diaboli) und der „Christusstadt“ (ciuitas Christi) spricht.492 Hier wird, wie bereits in ciu. XVII 16, eine Nähe zum manichäischen Konzept der beiden entgegengesetzten Reiche mit ihren jeweiligen Fürsten deutlich.493 Der Teufel wird nach Augustin deswegen ein „Knabe“ (adulescens) genannt, da sich mit diesem Lebensalter – wohl aufgrund der noch unausgereiften Tugenden – folgende Laster verbinden: „Torheit“ (stultitia), „Hochmut“ (superbia), „Unbesonnenheit“ (temeritas), „Unverschämtheit“ (petulantia) sowie „weitere Fehler“ (cetera uitia).494 Ihm entgegen steht der König des anderen Landes, Christus, dessen Alter zwar nicht genannt wird, der aber als „Sohn der Edlen“ bezeichnet wird, was für Augustin ein Hinweis auf Christi leibliche Abstammung von den „heiligen Patriarchen“ (sancti patriarchae) ist, die als Glieder der „freien Stadt“ (ciuitas libera) angesehen werden.495 Die Laster der Teufelsstadt führen ihre Glieder dazu, sich bereits 490 „sacrificium et oblationem noluisti, corpus autem perfecisti mihi.“ (Ps 39,7 nach ciu. XVII 20, S.  588, Z.  88 f.) Der zweite Teilvers weicht hier vom MT ab, wo es heißt: „aber Ohren hast du mir bereitet [wörtl.: gegraben].“ Ps 39,7b (LXX) lautet entsprechend: ὠτία δὲ κατηρτίσω μοι. Offenbar geht die Fehlübersetzung, „Leib“ (corpus) statt „Ohren“ (aures), auf eine Vetus Latina-Version zurück, die Augustin vorlag, da sich dieser Fehler in seinem Werk wiederholt (vgl. en. Ps. 39,12, S.  434, Z.  27). Im ‚Zettelkasten‘ ist diese Textvariante vielfach belegt, u. a. für das frühmittelalterlich bezeugte Psalterium Ambrosianum, das in der Tradition der Mailänder Liturgie steht, aber auch für das Psalterium Romanum (vgl. VLD-O; s. dazu Fischer, Überlieferung, S.  25 f.; zum Psalterium Romanum s. Abschnitt 4.2.2 mit Anm.  327). 491 „uae tibi, terra, […] cuius rex adulescens, et principes tui mane comedunt. beata tu, terra, cuius rex tuus filius ingenuorum, et principes tui in tempore comedunt, in fortitudine, et non in confusione.“ (Koh 10,16 nach ciu. XVII 20, S.  589, Z.  99–102) 492 Vgl. ciu. XVII 20, S.  589, Z.  97–99. 493  Vgl. dazu Abschnitt 4.3.2 mit Anm.  4 05. 494 Vgl. ciu. XVII 20, S.  589, Z.  102–105. 495 Vgl. ciu. XVII 20, S.   589, Z.  105–107. Die Patriarchen, zu denen Augustin zufolge auch König David zählt (vgl. pecc. mer. 2,56, S.  125, Z.  7; diese Einschätzung wird auf Apg 2,29 [πατριάρχος Δαυίδ] zurückgehen, vgl. dazu en. Ps. 88,2,10, S.  1241, Z.  7 f.), deren Nachkomme Jesus gemäß Mt 1,1 f.6 (vgl. Lk 3,31.34) dem Fleische nach ist, werden immer wieder zur Konstruktion einer heilsgeschichtlichen Kontinuität zwischen Altem und Neuem Testa-

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verfrüht dem Speisen hinzugeben, was sinnbildlich dafür steht, dass die Glieder der ciuitas terrena in der „Feierlichkeit dieses Lebens“ (celebritas huius saeculi) ihr Glück zu finden trachten, statt wie die Glieder der Christusstadt geduldig auf die rechte Stunde zu warten, die ihnen die wahre, nicht die trügerische Glückseligkeit beschert.496 Entsprechend wird auch die Bewertung des Mahls zur rechten Stunde eingeordnet, das den Teilnehmenden nach Koh 10,16 „zur Kräftigung und nicht zur Beschämung“ gereicht. Augustin knüpft hier an die Argumentation seiner vorigen Auslegungen von Zitaten aus Kohelet an: Die leiblichen Genüsse werden der unvergänglichen Glückseligkeit, dem wahren Leben entgegengestellt, das erst die Mahlgemeinschaft mit Christus ermöglicht. Das Abwarten und Ausharren, das die Glieder der Christusstadt auszeichnet – die pilgernde Existenz der Glieder der ciuitas dei –, wird dann noch mit einem paulinischen Wort und einem Psalmwort gestützt: „Die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden“497; „Denn die, die auf dich warten, werden nicht zuschanden werden.“498 Augustin beschließt das König Salomo und seinen Schriften gewidmete Kapitel mit einer kurzen Einordnung des Hoheliedes, das er altkirchlichen Traditionen folgend als ein insgesamt allegorisch zu verstehendes Buch bestimmt: Es thematisiere nämlich die „geistliche Lust heiliger Seelen [mentes] bei der Vermählung des Königs und der Königin dieser Stadt [sc. der ciuitas dei], das heißt Christi und der Kirche.“499 Insofern sei das gesamte Hohelied eingehüllt in „allegorische Schleier“ (tegmina allegorica), die erst bei der Erscheinung des Bräutigams (sc. Christi) fortgenommen werden.500 4.4.2 Die Reichsteilung unter Rehabeam Ähnlich wie bereits am Ende des Buches XVI findet auch in den Schlusskapiteln von ciu. XVII eine enorme Straffung des geschichtlichen Stoffes statt. Dies mag den formalen Grund haben, dass sich das Buch dem Ende neigt, worauf Augustin in ciu. XVII 20 hinweist: „Wir übergehen vieles mit Schweigen, aus der Sorge heraus, dieses Werk zum Abschluss zu bringen.“501 Näherliegend ist aber der inhaltliche Grund, dass die Darstellungsabsicht Augustins bezogen auf das vierte Weltzeitalter bzw. des von ihm sogenannten „Zeitalters der Propheten“ (tempus prophetarum) darin besteht, diejenigen biblischen Figuren in den ment genutzt (vgl. dazu auch die Vereinnahmung „patriarchae et prophetae nostri“ in ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  13 f., s. dazu Abschnitt 4.5.8 mit Anm.  660). 496 Vgl. ciu. XVII 20, S.  589, Z.  107–112. 497 „spes autem non confundit“ (Röm 5,5 nach ciu. XVII 20, S.  589, Z.  114). 498 „etenim qui te expectant, non confundentur.“ (Ps 24,3 nach ciu. XVII 20, S.  589, Z.  115) 499  „iam uero canticum canticorum spiritalis quaedam sanctarum est uoluptas mentium in coniugio illius regis et reginae ciuitatis, quod est Christus et ecclesia.“ (ciu. XVII 20, S.  589, Z.  115–118) 500 Vgl. ciu. XVII 20, S.  589, Z.  118–121. 501  „tacita multa transimus cura huius operis terminandi.“ (ciu. XVII 20, S.  589, Z.  122)

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Vordergrund zu stellen, aus deren Worten und Taten sich prophetische Bezüge herstellen lassen. Dafür spricht, dass er die auf Salomo folgenden Könige in Juda und Israel aus dem Grund für weniger interessant oder erwähnenswert hält, da sich in ihren Taten und Aussprüchen kaum „Geheimnisse“ (aenigmata) finden lassen, die einen Christus und die Kirche betreffenden prophetischen Sinn in sich tragen.502 Auffallend ist, dass Augustin sich in ciu. XVII 21 ausführlicher mit der Reichs­ teilung befasst, sich dabei aber im Wesentlichen auf die Darstellung der historischen Begebenheiten beschränkt, wo er doch in ciu. XVII 7 eine allegorische Deutung dieses Geschehnisses unternommen hat, derzufolge in der Teilung des Reiches die spätere Teilung des Volkes Israel in diejenigen Juden, die Christus als Heiland annehmen, und diejenigen, die dies nicht tun, prophetisch vorweggenommen ist. So liest man dort: „‚Und Israel wird in zwei (Teile) gespalten werden‘ [1Sam 15,29a LXX], nämlich in das Israel, das Christus feind ist und das Israel, das sich Christus anschließt; in das Israel, das der Magd, und das Israel, das der Freien angehört.“503 Am Ende von ciu. XVII 24 kommt Augustin noch einmal auf diese Deutung zurück, wenn er davon spricht, dass sich erst in der Zeit unmittelbar vor dem Auftreten Jesu die Teilung Israels wahrhaft vollzogen habe: nämlich in diejenigen, die die den kommenden Christus betreffenden Weissagungen der letzten Propheten vor Jesus annahmen, und die anderen, die dies nicht taten und entsprechend auch Jesu Messianität leugneten.504 Dies, und nicht etwa die politische Spaltung Israels unter Rehabeam, sei „wahrhaft“ (uere) die Teilung gewesen, die der Prophet Samuel dem verworfenen König Saul zeichenhaft durch das Zerreißen des Mantels vorausgesagt hatte (vgl. 1Sam 15,27–29).505 In ciu. XVII 21 wird die Reichsteilung in Juda und Israel als von Gott vollzogene Strafe verstanden, die ihren Grund in dem von Salomo zu verantwortenden „Ärgernis“ (offensum), d. h. seiner Vielehe mit nichtisraelitischen Frauen und der daraus resultierenden Ausbreitung der Vielgötterei in Israel hatte.506 Im Zuge dieser Reichsteilung erhielten die zehn Stämme, die von Samarien aus von Jerobeam regiert wurden, den Namen ‚Israel‘, was, wie Augustin bemerkt, zu einer gewissen Mehrdeutigkeit führte, da doch das gesamte Volk weiterhin diesen Namen behielt. Daneben tragen nun die beiden Stämme, aus denen der 502 Vgl. ciu. XVII 21, S.  589, Z.  1–4. Deutlich zeigt sich hier, dass Augustin von der Überzeugung früherer Zeiten, in allen Stellen der heiligen Schriften Weissagungen über Christus und die Kirche finden zu können (vgl. etwa c. Faust. 16,26, S.  472, Z.  4 –14), Abstand genommen hat. 503 „et diuidetur Israel in duo; in Israel scilicet inimicum Christo et Israel adhaerentem Christo; in Israel ad ancillam et Israel ad liberam pertinentem.“ (ciu. XVII 7, S.  568, Z.  4 4– 46; s. dazu Abschnitt 4.1.7 mit Anm.  243) 504 Vgl. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  11–15. 505 Vgl. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  15–17. 506 Vgl. ciu. XVII 21, S.  589, Z.  4 –7.

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erste König Saul (der Stamm Benjamin) und sein Nachfolger David (der Stamm Juda) hervorgegangen waren, gemeinsam den Namen ‚Juda‘. Dieses Reich wird weiterhin von Jerusalem aus beherrscht, und zwar von König Rehabeam. Augustins theologische Deutung der geschichtlichen Tatsachen folgt der bi­ blischen Darstellung in 1Kön 11 f. Zwar wird in 1Kön 12 ein profaner Grund angeführt, der die Teilung des Reiches zur Folge hatte. Dieser besteht in der Provokation Rehabeams, der nicht auf den Rat der Ältesten hören wollte, die Last der Frondienste der zehn Nordstämme zu erleichtern, sondern sie im Gegenteil noch erschwerte. Dies führte dazu, dass die zehn Nordstämme sich von ihm trennten und Jerobeam zu ihrem König machten. Doch wird auch hier die Teilung des Reiches auf das Handeln Gottes zurückgeführt (vgl. 1Kön 12,15), da dieser schon zuvor durch den Propheten Ahija von Silo gegenüber Jerobeam seinen Willen bekundet hatte, dass das aus zwölf Stämmen bestehende Reich aufgrund des Abfalls Salomos von Gott und seinen Gesetzen zweigeteilt werden sollte (vgl. 1Kön 11,29–39).507 Dieser Darstellung scheint auch die Bemerkung Augustins entnommen zu sein, dass der Stamm Juda ‚um Davids willen‘ erhalten blieb, da dieser nach 1Kön 11,34 erwählt worden war und die Gesetze Gottes gehalten hatte. Augustin variiert dies allerdings insofern, als er den Erhalt der in Jerusalem angesiedelten Königsherrschaft über Juda nicht retrospektiv mit der Gottgefälligkeit Davids, sondern stärker prospektiv begründet: „um Davids willen, damit das Königreich in seinem Geschlecht nicht völlig ausgetilgt würde“.508 Augustin ging es hier offensichtlich in erster Linie um die Kontinuität der königlichen Geschlechtslinie, die nach neutestamentlichem Zeugnis von David bis zu Jesus selbst führt. Nach biblischem Bericht verblieb nur Juda unter der Herrschaft Rehabeams, einer der Söhne Salomos, um dessentwillen diese Strafe erfolgte (vgl. 1Kön 11,29–39; 12,1–20), während die anderen zehn Stämme unter die Herrschaft Jerobeams kamen, der kein Königssohn, sondern ein Sohn von Nebat und Zerua war (vgl. 1Kön 11,26). Augustin nimmt die unterschiedliche Herkunft der beiden Regenten wahr und bezeichnet Jerobeam als „Knecht Salomos“ (seruus Salomonis), der dem „Sohn Salomos“ ( filius Salomonis) Rehabeam gegenübersteht.509 Als Voraussetzung der Bezeichnung Jerobeams als „Knecht Salomos“ durch Augustin kann 1Kön 11,28 gesehen werden, wo Jerobeam aufgrund seiner Tüchtigkeit von Salomo zum Aufseher des Frondienstes im Stamm Joseph bestellt wird. Einen tieferen Sinn erhält diese Titulierung, führt man sich die an 507  Ein

weiterer biblischer Beleg dafür, dass die Reichsteilung dem Willen Gottes entsprach, findet sich in 1Kön 12, 21–24. Hier lässt Gott Rehabeam durch den Propheten Schemaja verbieten, die Reichsteilung mit militärischen Mitteln rückgängig zu machen. 508 „duabus uero tribubus, Iudae scilicet et Beniamin, quae propter Dauid, ne penitus regnum stirpis eius fuisset eradicatum, remanserant subiacentes ciuitati Hierusalem, Iudae nomen fuit, quia ipsa erat tribus unde Dauid.“ (ciu. XVII 21, S.  589, Z.  9 – S.  590, Z.  13) 509 Vgl. ciu. XVII 21, S.  590, Z.  24–26.

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Salomo gerichtete Gottesrede in 1Kön 11,11 vor Augen: Hier verurteilt Gott den Ungehorsam Salomos gegenüber seinen Geboten und kündigt als Bestrafung an, dass er das Königtum von Salomo fortreißen und einem seiner „Knechte“ (seruus tuus)510 geben werde – und zwar zur Zeit der Regentschaft seines Sohnes (vgl. 1Kön 11,12). Im Hinblick auf die Anzahl der Rehabeam zugeteilten Stämme sind die bi­ blischen Zeugnisse nicht einheitlich: Während sowohl in der Weissagung des Ahija von Silo in 1Kön 11,29–39 als auch im Bericht der Reichsteilung in 1Kön 12,1–20 lediglich vom Stamm Juda die Rede ist, der das von Rehabeam beherrschte (Süd-)Reich bildete, wird in der anschließenden Erzählung von dem durch Gott mit Hilfe des Propheten Schemaja verhinderten militärischen Angriff des (Süd-)Reiches auf die abgefallenen zehn Stämme in 1Kön 12,21–24 Benjamin als der zweite Stamm genannt, der unter der Herrschaft Rehabeams steht. Augustin geht von Letzterem aus. Zusätzlich erwähnt er noch den ‚dreizehnten‘ Stamm der Leviten, der seiner Auffassung zufolge aber deswegen bei der Aufteilung der zwölf Stämme nicht erwähnt wird, da er als priesterliches Geschlecht „dem Dienst Gottes, nicht dem der Könige gewidmet“511 war. Insofern die Leviten weiterhin nur im Tempel in Jerusalem (und nicht in den Heiligtümern des [Nord-]Reiches; vgl. 1Kön 12,31) ihren Dienst taten, müsste dieser ‚dreizehnte‘ Stamm streng genommen ebenfalls der Herrschaft Rehabeams zugeordnet werden.512 Interessant im Hinblick auf die heilsgeschichtliche Konzeption sind die abschließenden Sätze in ciu. XVII 21, die die Reichsteilung explizit nicht als Folge der Sündhaftigkeit des Volkes Israel oder des aktuellen Königs, sondern derjenigen Salomos bewerten. Zudem habe Augustin zufolge „keine Trennung [diuisio] der Religion, sondern (eine Trennung) des Reiches“513 stattgefunden. Diese Bewertung überrascht auf den ersten Blick angesichts der biblischen Darstellung der Einrichtung von Dan und Bethel als in Konkurrenz zu Jerusalem stehende Reichsheiligtümer des Nordreiches Israel und der dortigen Aufstellung von goldenen Kälbern durch König Jerobeam (vgl. 1Kön 12,26–33), was nach den alttestamentlichen Zeugnissen einen Abfall vom wahren Glauben bedeutete (vgl. 1Kön 12,33–13,34; 14,7–18). Augustin waren diese Tatsachen aber durchaus bekannt, wie sich im folgenden Kapitel ciu. XVII 22 zeigt. Auch hatte er selbst in ciu. XVII 21 ja einen Unterschied hinsichtlich des israelitischen Kultes beschrieben, wenn er davon spricht, dass das Geschlecht der Leviten aus510  Der Vers 1Kön 11,11 wird von Augustin an keiner Stelle zitiert; die Bezeichnung „ser­ uus tuus“ ist der Vulgata / BSVC(S) entnommen. 511  „nam tribus Leui, quoniam sacerdotalis fuit, dei, non regum seruitio mancipata, tertia decima numerabatur.“ (ciu. XVII 21, S.  590, Z.  18–20) 512  „uerum tamen etiam tribus Leui ad regnum Hierosolymitanum pertinebat magis, ubi erat dei templum, cui seruiebat.“ (ciu. XVII 21, S.  590, Z.  22–24) 513  „qua cognita pars utraque inter se pacata conquieuit; non enim religionis, sed regni fuerat facta diuisio.“ (ciu. XVII 21, S.  590, Z.  31–33)

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schließlich dem Kult am Jerusalemer Tempel verpflichtet blieb (und nicht am Kult des Nordreiches partizipierte; vgl. 1Kön 12,31). Insofern ist gemäß dem biblischen Bericht mit der Reichsteilung durchaus auch eine diuisio im religiösen Sinne verbunden. Die Bemerkung Augustins muss wohl so aufgefasst werden, dass die Reichsteilung als eine von Gott verursachte Straf handlung zunächst nicht verbunden war mit einer religiösen Spaltung. Anderenfalls wäre ja dann Gott selbst für den religiösen Abfall Jerobeams und seines Reiches mitverantwortlich gewesen. Der Zustand unmittelbar nach der Teilung wird daher von Augustin als friedlicher beschrieben: Gott verhinderte nach 1Kön 12,21–24 den ‚Bruderkrieg‘;514 unmittelbar nach der Reichsteilung bestand also eine friedliche Koexistenz beider Reiche, und auch in religiöser Hinsicht gab es zunächst noch keine Differenzen. Die „Religionstrennung“ (diuisio religionis) erfolgte später in einem zweiten Schritt durch König Jerobeam. 4.4.3 Israels Götzendienst und die Sendung von Propheten Erst die „Furcht“ (timor) Jerobeams, die von ihm beherrschten zehn Stämme würden sich aufgrund des kultischen Zentrums Jerusalem wieder dem Südreich Juda angliedern, führte zur diuisio religionis durch die Einrichtung der beiden Heiligtümer in Dan und Bethel. Dies wertet Augustin nicht etwa als notwendige Folge der politischen Teilung der beiden Reiche, sondern als persönliche Verfehlung Jerobeams, als Folge seines mangelnden Vertrauens in Gott und seine Verheißungen: „Jedoch glaubte Jerobeam, der König von Israel, verkehrten Sinnes Gott nicht, der sich doch durch Verheißung und Verleihung der Herrschaft als zuverlässig erwiesen hatte.“515 Zwei Gründe werden angeführt, die zu einer Abwendung der zehn Stämme von Jerobeam hätten führen können: Erstens handelt es sich um die Tatsache, dass nur das Heiligtum in Jerusalem als der wahre „Tempel Gottes“ (templum dei) gelten könne. Fordert doch das „göttliche Gesetz“ (lex diuina), dass das gesamte Volk der Juden im Tempel Gottes und an keinem anderen Ort opfern soll. Zweitens würde mit dem Abfall von Jerobeam und einer erneuten Unterordnung unter die Herrschaft Rehabeams eine Wiederangliederung an den „Stamm Davids“ (stirps Dauid), den „königlichen Samen“ (semen regium) erreicht.516 Aus Furcht vor dieser drohenden Rückkehr der zehn Stämme zu Rehabeam und damit aus Furcht vor dem eigenen Machtverlust habe Jerobeam seine Untertanen „mit verderbter Gottlo514  „et cum uoluisset Roboam tamquam tyrannidem diuisae illius partis bello persequi, prohibitus est populus pugnare cum fratribus suis dicente deo per prophetam se hoc fecisse.“ (ciu. XVII 21, S.  590, Z.  26–29) 515  „uerum rex Israel Hieroboam mente peruersa non credens deo, quem ueracem promisso sibi regno datoque probauerat“ (ciu. XVII 22, S.  590, Z.  1 f.). 516 „timuit ne ueniendo ad templum dei, quod erat in Hierusalem, quo secundum diuinam legem sacrificandi causa uniuersae illi genti ueniendum fuit, seduceretur ab eo populus et stirpi Dauid tamquam regio semini redderetur“ (ciu. XVII 22, S.  590, Z.  3 –6).

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sigkeit“ (impietas nefanda) „betrogen“ (decipere), indem er in seinem Reich den Götzendienst einführt und sein Volk Götzenbilder verehren lässt (vgl. 1Kön 12,28–30).517 Wie schon mehrfach beobachtet, etwa bei Nimrod,518 dem Erbauer der Stadt Babylon, wird in der Darstellung Augustins die Sünde eines Einzelnen kollektiviert. Eine Führungsperson (Nimrod oder in diesem Fall Jerobeam) sündigt im vollen Bewusstsein der eigenen Schuld und aus eigensüchtigen Beweggründen (Ruhm durch Erbauung einer himmelhohen Stadt; Machterhalt und Götzendienst) und ermutigt bzw. verpflichtet andere, an dieser Sünde teilzuhaben und somit letztlich auch der gleichen Strafe teilhaftig zu werden (Sprachverwirrung; militärische Einnahme des Nordreiches). Um König Jerobeam, seine Nachfolger im Königsamt und auch das von ihnen verführte Volk wegen ihrer Verehrung von Götzenbildern zu ermahnen, sendet Gott in der Folgezeit immer wieder Propheten. Diese Propheten, unter denen auch Elia und Elisa waren, würdigt Augustin als „groß und berühmt“ (magnus insignisque). Auch wenn das Volk nicht auf sie hörte, so waren sie doch zu großen Wundern imstande und sind schließlich ein Hoffnungszeichen dafür, dass Gott, obwohl all seine Altäre zerstört und all seine Propheten ermordet worden sind, einen Rest von siebentausend Männern übrig lassen wird, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben (vgl. 1Kön 19,10.18; Röm 11,3 f.).519 Diese göttliche Zusage an Elia gab schon Paulus die Hoffnung, dass Gott auch gegenwärtig einen Rest behalten wird, den er durch seine Gnade erwählt hat (vgl. Röm 11,6). 4.4.4 Die Sünden des Volkes Israel führen zur Eroberung des Nord- und des Südreiches Die Aufgabe der Propheten, die Gott nicht nur zum Nord-, sondern auch zum Südreich sandte, war eine dreifache: Zum einen sollten sie Ereignisse „vorherverkünden“ (praenuntiare), zum anderen sollten sie das Volk wegen seiner Sünden „tadeln“ (corripere) und schließlich sollten sie es hinsichtlich der Gerechtigkeit „belehren“ (praecipere).520 Augustin folgt der tendenziösen biblischen Darstellung der Königszeit, wonach ausnahmslos alle Könige des Nordreiches gottlos waren,521 während unter den Nachfolgern Rehabeams auch solche regierten, die dem Willen Gottes ergeben waren. Der im vorangegangenen Kapitel ciu. XVII 22 beschriebene Vorgang, dass König Jerobeam das von ihm regierte Volk in die Gottlosigkeit mit hineinzog, kann als paradigmatisch für die auf ihn folgenden und auch die im Südreich regierenden Könige gesehen werden. Denn insofern diese Könige gottlos agierten, so wurden nicht nur sie, 517 Vgl.

ciu. XVII 22, S.  590, Z.  6 –8. Vgl. Abschnitt 2.2.3. 519 Vgl. ciu. XVII 22, S.  590, Z.  14 – S.  591, Z.  17. 520  „sicut deo placebat eos [prophetas] mittere uel ad praenuntiandum, quod opus erat, uel ad corripienda peccata praecipiendamque iustitiam.“ (ciu. XVII 23, S.  591, Z.  3 –5) 521 Vgl. ciu. XVII 23, S.  591, Z.  8 –10. 518 

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sondern zugleich auch ihr Volk von „Heimsuchungen“ ( flagelli) getroffen, da es ihnen in ihrer Gottlosigkeit „gleich“ (similis) war.522 Die Zeit, in der die beiden Reiche koexistieren, bis zunächst das eine, dann das andere Reich militärisch eingenommen wird und unter Fremdherrschaft gerät, wird von Augustin enorm gestrafft. Seine geschichtstheologische Beurteilung lehnt sich an die alttestamentliche Vorstellung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs an. Dabei werden die Begriffspaare Wohlfahrt und Unglück (des Volkes) sowie Erbarmen und Zorn (Gottes) eng miteinander verknüpft: Und so wurde jedes von beiden (Reichs-)Teilen, wie es die göttliche Vorsehung (diuina prouidentia) anordnete und geschehen ließ, abwechselnd sowohl von Wohlfahrt aufgerichtet, als auch von Unglücken niedergedrückt, und so wurden sie nicht nur durch äußere Kriege, sondern auch durch Bürgerkriege, die sie untereinander führten, derart heimgesucht, dass je nach den vorhandenen Ursachen entweder das Erbarmen Gottes oder (sein) Zorn offenbar wurde.523

Doch blieb es nicht dauerhaft bei diesem wechselhaften Zustand von Unglück und Wohlfahrt, Gottes Zorn und Barmherzigkeit, was Augustin zufolge daran liegt, dass Gottes „Unwille“ (indignatio) zunahm, seinem Volk trotz des ständig wiederkehrenden Ungehorsams immer wieder zu vergeben.524 Augenscheinlich wurde diese Wende im Verhalten Gottes gegenüber dem Volk Israel darin, dass er nicht nur ein anderes Volk über Israel siegen ließ, was ja schon zuvor als Folge seines Zorns des Öfteren geschehen war. Es ist die Deportation, die geschichtliche Tatsache also, dass die Chaldäer nach gewonnenem Krieg einen Großteil der Bevölkerung des Nordreiches in assyrische Gebiete verbrachten (vgl. 2Kön 17). Der Vorgang der Deportation, der sich später auch am Volk des Südreiches vollzog und in die siebzigjährige Babylonische Gefangenschaft mündete (vgl. 2Kön 25), ist für Augustin das ausschlaggebende Zeichen, dass Gott seine Beziehung zum irdischen Volk Israel, die von immer wiederkehrender Barmherzigkeit geprägt war, grundlegend geändert hat. Auch dass es gerade die symbolträchtige Stadt Babylon ist, die Verkörperung der sündhaften und gottesfernen ciuitas terrena, in die das Volk Israel geführt wird, ist hier von Bedeutung.525 Hatte die Beziehung zwischen Gott und Israel im vierten Weltzeit522 

„nam et illic, etsi longe minus quam in Israel, tamen extiterunt reges, qui suis impietatibus deum grauiter offenderent et moderatis flagellis cum populo simili plecterentur.“ (ciu. XVII 23, S.  591, Z.  5 –7) 523  „utraque igitur pars, sicut iubebat diuina prouidentia uel sinebat, uariis et erigebatur prosperitatibus et aduersitatibus premebatur, et sic adfligebatur non solum externis, uerum et inter se ciuilibus bellis, ut certis existentibus causis misericordia dei uel ira patesceret“ (ciu. XVII 23, S.  591, Z.  10–14). 524 Vgl. ciu. XVII 23, S.  591, Z.  14 f. 525  Vgl. dazu auch die Deutungen der Babylonischen Gefangenschaft in den Psalmenauslegungen Augustins (insbesondere en. Ps. 136; s. dazu Lamirande, Art. Babylon[ia], Sp.  569). An den Texten lässt sich die Deutung Pierre Pirets nicht erweisen, wonach die Vermischung beider ciuitates in dem Zusammenkommen des Volkes Israel (sc. ‚Jerusalem‘) und ‚Babylon‘ in

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alter mit der vollständigen Einnahme des verheißenen Landes, der Installation der Königsherrschaft und dem Bau des Salomonischen Tempels seinen Höhepunkt erreicht, so ist die Deportation der Juden, die die ‚Krise‘ und zugleich das Ende des vierten Weltzeitalters darstellt, mit dem Verlust von Tempel, Eigenstaatlichkeit und Königtum von einer so einschneidenden Bedeutung, dass in ihr auch das Scheitern der Beziehung Gottes mit dem (irdischen) Volk Israel bereits vorweggenommen gesehen werden kann, auch wenn es erst endgültig mit dem Kommen Christi besiegelt wurde. Für diese These spricht zudem, dass die in der Zeit des in zwei Reiche geteilten Israel auftretenden Propheten von Augustin kaum in ihrer Funktion als politische und religiöse Mahner in den Blick genommen werden, sondern vielmehr als Verkünder des kommenden Christus und der Kirche.526

4.5 Die Behandlung des vierten Weltzeitalters in ciu. XVIII 4.5.1 Die Geburt Roms und der Untergang des Assyrerreiches In die Zeit des vierten Weltzeitalters fällt die Koinzidenz zweier Vorgänge außerhalb Israels, die für Augustin von großer Bedeutung sind und die sich für den Verlauf der Weltgeschichte und damit auch für das Schicksal Israels als bestimmend herausstellen sollten: zum einen der Niedergang des Assyrischen Reiches, das bis dato als das mächtigste Reich galt und das sich unter anderem das Nordreich Israel untertan gemacht hatte, zum anderen die ‚Geburt‘ Roms, das zu der Großmacht werden sollte, die zur Zeit Jesu und bis hin zur Gegenwart Augustins über weite Teile der damals bekannten Welt herrschte. Im Gegensatz zu vielen anderen politischen Veränderungen, die Augustin in ciu. XVIII als parallel zur Geschichte Israels ablaufend schildert, haben diese beiden Vorgänge auch eine theologische Qualität. In der Vorstellung der beiden ciuitates hatte ja Babylon als die Hauptstadt der Assyrer die Funktion eingenommen, die paradigmatische ciuitas terrena auf der Erde zu verkörpern. Babylon, von Nimrod gegründet und von dessen gotteslästerlicher Bautätigkeit geprägt, galt als das Gegenüber zur himmlischen Stadt, die seit der Einnahme Jerusalems durch David und den Tempelbau durch Salomo ein irdisches Pendant gefunden hatte. Wesentlich geprägt war Babylon durch das Streben nach irdischem Besitz, die Anhäufung von eingenommenen und unter die eigene Herrschaft gebrachten Ländern – eine Eigenschaft, die das Römische Reich durch die Jahrhunderte seines imperialen Bestrebens hindurch teilt. der Zeit des Babylonischen Exils einen besonderen geschichtlichen Ausdruck erhalten habe (Piret, La destinée, S.  281). 526  Vgl. dazu schon die Ankündigung der Behandlung dieser Propheten in ciu. XVII 24, S.  592, Z.  22–25; zur Wertung dieser Propheten im Hinblick auf die Universalisierung des Heils vgl. insbesondere Abschnitt 4.5.3.

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In ciu. XVIII 21 befasst sich Augustin mit dem Gründungsmythos Roms, wobei er davon ausgeht, dass das Zwillingspaar Romulus und Remus auf eine sexuelle Verbindung zwischen einer „vestalischen Jungfrau“ (uirgo Vestalis) namens Rhea und dem Kriegsgott Mars zurückgeht. Diese sexuelle Verbindung stellte aufgrund der von vestalischen Jungfrauen geforderten Keuschheit einen Bruch derselben, eine „Entehrung“ (stuprum) dar.527 Rheas Vater Numitor, der nach der römischen Mythologie als König von Alba Longa regierte und Rhea einst zum Dienst als der Göttin Vesta geweihte Priesterin, als uirgo Vestalis, bestimmt hatte, ordnete die Aussetzung von Romulus und Remus nach deren Geburt an, um nicht öffentlich werden zu lassen, dass seine Tochter Rhea die Keuschheitspflicht verletzt hatte.528 Und so wurden die im Wald ausgesetzten Zwillinge von einer Wölfin gesäugt und schließlich von einem Hirtenehepaar namens Faustulus und Acca großgezogen.529 Nachdem dem zwischenzeitlich von seinem jüngeren Bruder Amulius entmachteten Numitor klar geworden war, dass die beiden von einer Wölfin gesäugten und von einem Hirtenehepaar aufgezogenen Jungen seine Enkel waren, forderte er mit deren Hilfe erfolgreich seine Macht zurück. Numitor erlaubte es seinen Enkeln, an jener Stelle, wo sie vom Hirten Faustulus aufgefunden worden waren, eine Stadt zu gründen, die später Rom genannt werden sollte. Im ersten Regierungsjahr, so notiert Augustin, wurde jene Stadt Rom gegründet; fortan regierte Numitor gemeinsam mit seinem Enkel Romulus.530 Der Bruderkonflikt, der in der Ermordung des Remus gipfelte und bereits in ciu. XV 5 ausführlich behandelt wurde,531 findet hier keine Erwähnung mehr. Augustin scheint weitgehend von der Historizität dieses römischen Mythos und der in ihm genannten Personen auszugehen. Seine Kritik setzt einzig an dem ungewöhnlichen Vorgang an, wonach eine Wölfin ein menschliches 527 Vgl.

ciu. XVIII 21, S.  611, Z.  19 – S.  612, Z.  23. ciu. XVIII 21, S.  611, Z.  18 – S.  613, Z.  23. Die Unkeuschheit einer vestalischen Jungfrau galt in Rom als schweres Vergehen und zugleich als ein böses Vorzeichen für die Zukunft. Unkeusche Vestalinnen wurden daher nicht nur ihres Amtes als Priesterin enthoben, sondern sie wurden oft auch für ihr Vergehen hingerichtet (Augustin berichtet selbst davon in ciu. III 5, S.  68, Z.  15–22). Die von Augustin vorausgesetzte Anordnung Numitors, die beiden Söhne seiner Tochter auszusetzen, sind vor dem Hintergrund dieser Umstände besser zu verstehen, auch wenn es ihm dabei sicherlich nicht nur um die Bewahrung seiner Tochter vor der Todesstrafe, sondern auch um die eigene Ehrenrettung gegangen wäre. Die vestalischen Priesterinnen wurden von christlichen Theologen wie Ambrosius oder Hie­ ronymus gerne thematsiert und, ihre moralische Integrität und ihre Jungfräulichkeit in Frage stellend, in polemischer Weise mit christlichen Jungfrauen kontrastiert (vgl. Undheim, Virgins, S.  387–401.403). Augustin dagegen kommt ohne diesen Vergleich aus; seine Wahrnehmung der vestalischen Jungfrauen in ciu. fügt sich in seine generelle Kritik an der heidnischen Religion ein (vgl. ciu. III 5, S.  68, Z.  15–22; III 18, S.  86, Z.  34–47; III 28, S.  94, Z.  9 –14; s. dazu Undheim, Virgins, S.  4 01–406). 529 Vgl. ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  3 0 f. 530 Vgl. ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  36–38. 531  S. dazu Abschnitt 1.2.3. 528 Vgl.

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Zwillingspaar gesäugt haben soll. Nach der gängigen Interpretation dachte man sich den Wolf als in einem Gehorsamsverhältnis zum Kriegsgott Mars stehend. Insofern konnte die Tat der Wölfin, Romulus und Remus gesäugt zu haben, als Beweis dafür gelten, dass sie in den beiden Knaben den Vater Mars und somit die „Söhne ihres Herrn“ ( filii domini sui) erkannt habe, als sie ihnen ihre Milch gab.532 Darüber hinaus begegnet Augustin zufolge aber auch die ‚entmythologisierende‘ Meinung, die beiden Brüder seien nicht von einer „Wölfin“ (lupa), sondern von einer Prostituierten gesäugt und großgezogen worden. Der Mythos der säugenden Wölfin würde dann auf dem Missverständnis beruhen, dass man eine Prostituierte aufgrund ihrer Arbeit in einem „Bordell“ (lupanaria) ebenfalls lupa nannte.533 Interessant ist nun die dritte, vor dem Hintergrund einer christlich-monotheistischen Weltanschauung angestellte Erklärungsmöglichkeit (die Herkunft der Zwillinge von einem Kriegsgott namens Mars wird hier freilich implizit geleugnet).534 Diese Option, die Augustin offensichtlich selbst vertrat und hier in Form einer rhetorischen Frage anführt, hat zwar wieder den Mythos der säugenden Wölfin zur Voraussetzung, unterscheidet sich aber hinsichtlich der Begründung dieses unnatürlichen Vorgangs: So habe Gott selbst in wunderhafter Weise gewirkt, als er die ausgesetzten Kinder aus dem Wasser (des Tiber) retten und von einer Wölfin ernähren ließ, um damit den König „öffentlich zu tadeln“ (arguere), der die Aussetzung der Zwillingsbrüder angeordnet hatte.535 Augustin, selbst Bürger des Römischen Reiches, zeigt sich also bis zu einem gewissen Grad bereit, sich den römischen Mythos anzueignen. Zumindest hat er kein Problem mit der Vorstellung, dass die beiden Stadtgründer Romulus und Remus von einer Wölfin gesäugt wurden. Dieses Zugeständnis könnte allerdings auch als rhetorische Taktik gewertet werden, die eine etwaige pagane Leserschaft von ciu. vor Augen hat. Immerhin offenbart Augustins Sicht auf die frühen Könige, die sich selbst nicht als Götter verehren ließen,536 eine kri532 Vgl.

ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  23–26. ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  26–30. Von einer „Entmythologisierung“ der Geschichte und der Religion Roms durch Augustin spricht auch Fries, Weltgeschichte, S.  85. Selbstverständlich wird man diesen Bultmann’schen Begriff auf Augustin nur in der Weise übertragen dürfen, dass er die Historizität des im Mythos Erzählten bestritten hat, nicht aber, dass er diesen Mythos in einem zweiten Schritt existential interpretiert hätte. 534  Zweifel an Romulus’ Abstammung von Mars hegte Augustin bereits in ciu. III 3, S.  67, Z.  18–20 und III 5, S.  68, Z.  8 –15. 535 Vgl. ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  32–36. 536  Augustin sieht diese (auch in der späteren Zeit des Imperium Romanum) immer wieder auftretende Eigenart der Könige kritisch als Götzenmacherei (vgl. u. a. ciu. XVIII 21, S.  611, Z.  1–6.9 f.). Seine Beurteilung römischer Mythen ist nicht zuletzt auch geprägt von seiner eigenen Schulbildung, bei der u. a. die Lektüre Sallusts und Ciceros von Bedeutung war. Nach Konrad Vössing ist gerade in Augustins Texten, die nach dem Goteneinfall in Rom im Jahr 410 entstanden sind, zu erkennen, dass dieser die moralistische und tendenziell auf eine Dekadenzgeschichte Roms zielende Darstellung Sallusts nutzt, um zu erweisen, dass die Geschichte Roms keine Erfolgsgeschichte ist (vgl. Vössing, Art. Roma, Sp.  1225 f. – an 533 Vgl.

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tisch-monotheistische Wertung, wenn er nämlich voraussetzt, dass Romulus und Remus keinesfalls von dem (für einen Christen wie Augustin ohnehin nicht existierenden) Kriegsgott Mars gezeugt worden waren und dass Numitor seine Tochter vor der Todesstrafe und sich selbst vor Ehr- und Machtverlust hatte bewahren wollen, als er sich entschloss, die beiden Söhne Rheas, die Zeugnis von ihrem Bruch des Keuschheitsgelübdes gaben, zu verstoßen. Die Vorstellung, dass Romulus und Remus den Gott Mars zum Vater hätten, habe man nach Augustin deswegen in die Welt gesetzt, um den Bruch des Keuschheitsgelübdes durch Rhea zu „beschönigen oder zu entschuldigen“ (honorare uel excusare).537 Auch für Augustin ist die Bewahrung der beiden Zwillingsbrüder und in der Folge die Ermöglichung der Gründung der Stadt Rom von einer übernatürlichen, wunderhaften Qualität, wenn auch in einem ganz anderen Sinne und zu einem anderen Zweck, als es in der römischen Mythologie der Fall ist. Aufschlussreich ist dafür seine Bemerkung zu Beginn von ciu. XVIII 22: Die Stadt (ciuitas) Rom ist gleichsam als ein zweites Babylon und als eine Tochter des ersten Babylons gegründet worden, und es gefiel Gott, durch sie [die Stadt Rom] den Erdkreis zu bezwingen und ihn in eine (einheitliche) Gemeinschaft öffentlicher Ordnung (societas rei publicae) zu überführen und weit und breit zu befrieden.538

In dieser Äußerung spiegelt sich das ambivalente Verhältnis Augustins zu Rom, wenn er es nämlich einerseits – christlichen Traditionen wie etwa der Johannesoffenbarung folgend – mit allen negativen Konsequenzen als zweites Babylon ansieht, andererseits aber auch eine Wertschätzung der kulturellen Leistungen dieses Reiches zum Ausdruck bringt und offensichtlich die weitverbreitete Ansicht teilt, dass die Eroberungen dieses Reiches letztlich zu einer Befriedung des Erdkreises beigetragen haben. Die Errichtung dieses befriedeten Großreiches mit einer einheitlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung wird von Augustin sogar auf den Willen Gottes zurückgeführt, dem „es gefiel“, den Erdkreis durch Rom in ein Gemeinwesen zu überführen und zu befrieden. Im Gegensatz zu den Eroberungen der Assyrer unter Ninus und seinen Nachfolgern, die weitaus schneller vonstatten gingen als die territoriale Ausanderer Stelle konnte Augustin sich freilich auch kritisch gegenüber den moralischen Urteilen in der Darstellung Sallusts äußern; vgl. unter Bezugnahme auf ciu. V 12: Näf, Geschichtsschreibung, S.  36). Darüber hinaus ist es ihm gerade auch in ciu. wichtig zu zeigen, dass der Erfolg Roms nicht auf das hilfreiche Eingreifen von Göttern zurückgeht (vgl. etwa ciu. II 29). Und so liefert Augustin dann später auch eine monotheistisch-christliche Erklärung für den Erfolg der Expansionspolitik Roms, die sich in sein heilsgeschichtliches Denken einfügt (vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1–4; s. dazu Abschnitt 4.5.3 mit Anm.  563). 537 Vgl. ciu. XVIII 21, S.  612, Z.  2 2. 538 „condita est ciuitas Roma uelut altera Babylon et uelut prioris filia Babylonis, per quam deo placuit orbem debellare terrarum et in unam societatem rei publicae legumque perductum longe lateque pacare.“ (ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1–4)

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breitung Roms, entspricht Letztere also dem Willen Gottes.539 War die territoriale Ausbreitung ansonsten Ausdruck des Strebens nach irdischem Besitz und somit ein Charakteristikum der ciuitas terrena – ausgenommen die ‚Landnahme‘, als das Volk Israel das ihm von Gott verheißene Land in Besitz nahm –, so erhält sie hier eine positive Konnotation als gottgewollter Prozess.540 Das Erreichen der Befriedung des Erdkreises durch Rom war jedoch mit hohen Opfern verbunden. Augustin geht davon aus, dass die Völker, die Rom bezwingen musste, weitaus besser militärisch geschult und daher zu weitaus größerem Widerstand fähig waren, als dies noch zur Zeit der Assyrer der Fall war.541 Zudem müsse man bedenken, so Augustin, dass die Erboberungen des Assyrers Ninus nur etwa 1000 Jahre nach der Sintflut begannen, sodass allein von der Anzahl der Menschen deutlich weniger Anstrengung nötig war, die Völker zu besiegen.542 Augustin ordnet die Gründung Roms chronologisch in die Geschichte Israels ein: So habe je nach Berechnung zur Zeit des Romulus im Südreich Juda entweder Ahas oder Hiskia regiert, im Nordreich Israel dagegen regierte Hosea. Ferner resümiert er hier noch einmal die Geschichte Israels bis zu diesem Zeitpunkt.543 Man könnte an die Darstellung der Ursprünge Roms in ciu. XVIII 21 f. die Frage anschließen, in welchem Verhältnis die Zuwendung Gottes zu den beiden Stadtgründern Roms und sein Plan zur ‚Befriedung des Erdkreises‘, zu deren Umsetzung er sich Rom bedient, zu seiner exklusiven Zuwendung zum Volk Israel stehen, von der die vorigen Jahrhunderte geprägt waren. Die Gründung Roms fällt in die Königszeit, eine Zeit, in der sich das Volk Israel durch seinen immer wiederkehrenden Ungehorsam gegenüber Gott als seiner exklusiven Zuwendung zu ihm nicht würdig erwies. Die Königszeit findet ihr vorläufiges Ende ja darin, dass Gott zunächst das Nordreich und dann das Südreich in die Hände ihrer Feinde gibt. Kann innerhalb des Geschichtsdenkens Augustins die Zuwendung Gottes zu einem nichtisraelitischen Volk in der Königszeit bereits als ein Zeichen der Universalisierung des Heils gesehen werden, 539  Gegen Beat Näf, der die Auffassung vertritt, Augustin habe gänzlich darauf verzichtet, „der Geschichte Roms eine positive Funktion im Heilsgeschehen“ zu geben (vgl. Näf, Geschichtsschreibung, S.  174). 540 Allerdings konnte Augustin neben dieser positiven Bewertung auch die Schrecken sehen, die durch die Kriegszüge der Römer über die Völker gebracht wurden. Augustins christlich-heilsgeschichtliche Einordnung der pax romana wird von ihm selbst also in gewisser Weise relativiert, wenn er in ciu. XIX 7 – zwar wird Rom hier nicht genannt, doch wird dieser Bezug aus dem Kontext deutlich – von den „gewaltigen Kriegen“ (grandia bella), dem „Niedermetzeln der Menschen“ (strages hominum) und dem „Vergießen menschlichen Blutes“ (effusio humani sanguinis) spricht. All dies war nötig gewesen, um einen solchen relativen Friedenszustand zu erreichen (vgl. ciu. XIX 7, S.  671, Z.  17 – S.  672, Z.  26; s. dazu Brachtendorf, Friedensethik, S.  125). 541 Vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  4 –7.15–18. 542 Vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  8 –14. 543 Vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  19 – S.  613, Z.  2 8.

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von der sein Handeln insbesondere mit und seit dem Kommen Christi geprägt ist? Es fällt auf, dass Augustin das Römische Reich nicht einfach im apokalyptischen Sinne als eines der Reiche bewertet, die aufeinanderfolgen und wieder untergehen werden, sondern ihm einen positiven Stellenwert im Heilsplan Gottes zuweist: Noch vor dem Kommen Christi, der die Erlösung der Menschen im umfassenden Sinne wirkt, sorgte Gott für eine weitgehende Befriedung im politischen und gesellschaftlichen Sinne, indem er die Gründung Roms ermöglichte und seine militärischen Expansionen befürwortete oder gar förderte. 4.5.2 Weissagungen außerhalb Israels innerhalb des vierten Weltzeitalters In ciu. XVIII 23–25 wendet sich Augustin den Weissagungen der erythräischen Sibylle und weiteren Weisen zu, die zur Zeit des vierten Weltzeitalters gelebt haben. Anscheinend hat es mehrere Prophetinnen mit dem Namen Sibylle gegeben,544 die zu unterschiedlichen Zeiten wirksam waren. Augustin bezieht sich in ciu. XVIII 23 auf die „erythräische Sibylle“ (Sibylla Erythraea), die er auch die „cumäische Sibylle“ (Sibylla Cumaea) nennt und die seines Erachtens zur Zeit des Romulus gelebt haben soll.545 Weil diese Sibylle, zumindest angesichts der von ihr überlieferten Verse, offenbar nicht dem Polytheismus ihrer Zeit erlegen ist und sogar die Verehrung der von Menschen gemachten Götter verurteilt, erkennt Augustin diese pagane Seherin als Glied der ciuitas dei an.546 Die von Augustin zitierten Verse waren ihm zunächst nur in einer schlechten lateinischen Übersetzung bekannt, bis ihm der einstige Prokonsul Flaccianus eine griechische Handschrift gezeigt hat.547 Erst dadurch habe Augustin er544 Lactantius beispielsweise unterscheidet unter Verweis auf Varro zehn verschiedene Sibyllen; vgl. Epit. 5,1, S.  6, Z.  16 – S.  7, Z.  1. Augustin hat die Rezeption der Weissagungen der Sibylle durch Lactantius gekannt (vgl. ciu. XVIII 23, S.  614, Z.  70–72). Er nennt aber neben dieser erythräischen Sibylle an späterer Stelle lediglich noch eine weitere mit Namen, nämlich die „samische Sibylle“ (Samia Sibylla). Diese soll zur Zeit des Numa in Rom bzw. des Manasse in Juda gelebt haben. Weitere Angaben, etwa zum Inhalt ihrer Weissagungen, macht Augustin hier nicht (vgl. ciu. XVIII 24, S.  616, Z.  25–32). 545  Augustin verweist am Ende des Kapitels aber auch auf die Meinung, dass die erythräische Sibylle zur Zeit des Trojanischen Krieges gelebt haben soll (ciu. XVIII 23, S.  615, Z.  92– 94), eine Position, die sich ebenfalls bei Lactantius findet – vgl. Epit. 5,2, S.  7, Z.  1–7. 546  „haec autem Sibylla siue Erythraea siue, ut quidam magis credunt, Cumaea ita nihil habet in toto carmine suo, cuius exigua ista particula est, quod ad deorum falsorum siue factorum cultum pertineat, quin immo ita etiam contra eos et contra cultores eorum loquitur, ut in eorum numero deputanda uideatur, qui pertinent ad ciuitatem dei.“ (ciu. XVIII 23, S.  614, Z.  65–70) Augustin konnte durchaus auch außerbiblischen Prophezeiungen einen Wahrheitsanspruch zusprechen, eine Einstellung, die wohl u. a. auf seine Auseinandersetzung mit Porphyrios zurückzuführen ist (vgl. dazu O’Meara, Charter, S.  37, und Abschnitt 6.2.4 mit Anm.  105). 547  Zur Überlieferungsgeschichte des von Augustin zitierten Orakels vgl. mit weiterführender Literatur: Roessli, Les sibylles, S.  266–286; ders., Art. Sibylla(e), Sp.  424 f.; Hübner, Art. Oraculum, Sp.  327.

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kannt, dass diese Verse ein Akrostichon bilden: Reiht man den ersten Buchstaben eines jeden Verses aneinander, ergeben sich die fünf Worte ΙΗΣΟYΣ ΧΡΕΙΣΤΟΣ [sic] ΘΕΟΥ ΥΙΟΣ ΣΩΤΗΡ – die frühchristliche Formel „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter“ –, aus denen sich wiederum das Akronym ΙΧΘΥΣ bilden lässt, das im Griechischen „Fisch“ bedeutet. Mit diesem Begriff assoziiert Augustin nicht etwa ein frühchristliches Symbol, sondern er legt ihn „mystisch“ (mystice) auf Christus hin aus: Dieser habe – wie ein Fisch in den eigentlich lebensfeindlichen Untiefen des Meeres – in der „Tiefe dieser Sterblichkeit“ (in huius mortalitatis abysso) sündlos bleiben können.548 Den über dieses Akrostichon hinausgehenden eigentlichen Inhalt der Verse lässt Augustin unkommentiert, obwohl hier einige Motive enthalten sind, die auch biblischen Ursprungs sein könnten. Im Wesentlichen geht es um ein Gericht am Ende der Weltzeit, das von einem vom Himmel kommenden König durchgeführt wird und dessen Ausgang sich daran entscheidet, ob die Menschen Götzen verehrt und aus Eigennutz irdische Besitztümer angehäuft haben oder nicht.549 Auch bei der Zitation weiterer Verse, die auf Christus hinweisen und eine große inhaltliche Nähe zu den Passionsdarstellungen der Evangelien erkennen lassen, bleibt eine inhaltliche Kommentierung durch Augustin aus. Er habe hier all jene Verse zu einer Einheit zusammengestellt, die Christusweissagungen enthalten und die Lactantius einer Sibylle (aber nicht notwendigerweise der erythräischen) zuschreibt und verschiedentlich zitiert.550 Nicht nur das auf das frühchristliche Akronym verweisende Akrostichon der zuerst zitierten Weissagung der erythräischen Sibylle, auch die deutlichen inhaltlichen Parallelen dieser Verszusammenstellung zu den Passionsdarstellungen der Evangelien lassen eine Rückführung auf eine vor Jesus aufgetretene pagane Seherin namens Sibylle historisch kaum plausibel erscheinen.551 Auch Augustin scheint nicht ganz von der Authentizität überzeugt gewesen zu sein, immerhin lassen sich gewisse Zweifel erkennen, wenn er an späterer Stelle einräumt, dass die Christus betreffenden Weissagungen auch eine spätere christliche Fälschung sein könnten und in jedem Fall den alttestamentlichen Weissagungen ein überlegener Wert zukomme.552 548 Vgl.

ciu. XVIII 23, S.  614, Z.  61–64. ciu. XVIII 23, S.  613, Z.  17 – S.  614, Z.  43. 550 Vgl. ciu. XVIII 23, S.  614, Z.  70 – S.  615, Z.  9 2. Augustin zitiert aus Lactantius, Inst. IV 18 f., S.  287, Z.  16 – S.  288, Z.  6; vgl. hierzu: Bardy, Sur les oracles, S.  756 f. 551  Zu nennen ist etwa die gewaltlose Hinnahme der von Gottlosen zugefügten Leiden durch eine als Gott eingeführte Person, die mit einer Dornenkrone gekrönt und mit Galle gespeist sowie mit Essig getränkt wird, oder das Zerreißen des Tempelvorhangs verbunden mit einer plötzlichen Dunkelheit mitten am Tage. Schließlich soll dieser unter den Ungläubigen gelitten habende Gott gestorben, nach drei Tagen auferstanden und den von ihm zur Umkehr Gerufenen den Beginn der allgemeinen Auferstehung verkündet haben (vgl. ciu. XVIII 23, S.  615, Z.  75–87). 552  „nisi forte quis dixerit illas prophetias christianos finxisse de Christo, quae Sibyllae 549 Vgl.

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In ciu. XVIII 24 nennt Augustin als einen der sieben Weisen (σοφοί) des vierten Weltzeitalters den vorsokratischen Naturphilosophen und Astronomen Thales von Milet, geht aber auf dessen Lebenswerk nicht weiter ein.553 Er erwähnt lediglich, dass zu Lebzeiten des Thales die Eroberung des Nordreiches Israel und die Deportation der Besiegten stattgefunden habe, wobei die Koinzidenz beider Ereignisse hier sicherlich zufällig ist. Wichtiger für Augustin ist es hier darzustellen, wie sich in dieser Zeit der Brauch, herausragende Gestalten zu Göttern zu machen, entwickelt hat. So sei Romulus der letzte gewesen, der nach seinem Tod zu einem Gott erhoben wurde. Die Deifikation der römischen Herrscher in der Zeit der Cäsaren beurteilt Augustin bereits als einen Vorgang, der nicht aus tatsächlicher Überzeugung geschehen sei, sondern um diesen Personen zu „schmeicheln“ (adulari).554 Das geeignete Mittel gegen diesen aus der Sicht Augustins verwerflichen Vorgang ist Bildung, denn er geht davon aus, dass in früheren, den „rohen und unwissenden Zeiten“ (rudia et indocta tempora), als es noch Brauch war, herausragende Persönlichkeiten zu vergöttlichen, die Bevölkerung weniger unterrichtet und daher leichter zu täuschen war.555 Gerade der Amtsnachfolger des Romulus, Numa, habe die Verehrung von falschen Göttern, von Götterbildern und die Zelebrierung der „erdichteten Schandtaten“ ( fabulosa crimina) dieser Götter in den Theatern vorangetrieben. Zu Israel lässt sich hier zumindest eine gewisse Parallele ziehen, da dort zeitgleich ebenfalls immer wieder Vielgötterei und Götzendienst betrieben wurden. Im folgenden Kapitel 25 widmet sich Augustin einer Gruppe von bedeutenden Persönlichkeiten der griechischen Antike, die man später als die „sieben Weisen“ (οἱ ἑπτὰ σοφοί) bezeichnet hat. Allerdings gibt es in den Quellen variierende Angaben dazu, wer genau zu diesen sieben Weisen zählt. Augustin stützt sich bei seiner Aufzählung wohl auf Hieronymus556 und nennt neben dem im vorigen Kapitel bereits erwähnten Thales von Milet, Pittakos von Mytilene, Solon von Athen, Chilon von Sparta,557 Periandros von Korinth, Kleobulos von Lindos und Bias von Priene. Während Pittakos ein Zeitgenosse des jüdischen Königs Zedekia war, und damit zur Zeit der Wegführung der Juden in das Babylonische Exil gelebt haben soll, verortet Augustin die übrigen fünf Weisen nomine proferuntur uel aliorum, si quae sunt, quae non pertinent ad populum Iudaeorum.“ (ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  27–30) 553 Vgl. ciu. XVIII 24, S.  615, Z.  1–4. 554 Vgl. ciu. XVIII 24, S.  615, Z.  8 –12. 555  Vgl. ebd. 556 Vgl. Hieronymus, Chron., S.  8 8b, Z.  19 f.; S.  96a, Z.  9 –12; S.  96b, Z.  25 f.; S.  98b, Z.  18–21; S.  99b, Z.  18–21; S.  102, Z.  25 f.; S.  112, Z.  17 f. Eine andere, von Hieronymus geringfügig abweichende Liste führt etwa Platon in seinem Dialog Protagoras auf; hier nennt er statt Periander von Korinth den weniger bekannten Myson von Chenai (vgl. Platon, Prot. 343a, S.  168, Z.  23–26). 557  Augustin nennt ihn aufgrund der mythischen Gründergestalt Spartas, Lakedaimon, Chilon Lacedaemonius.

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etwas später, aber ebenfalls in der Zeit des siebzig Jahre währenden Exils. Zeitgenossen dieser fünf Weisen waren darüber hinaus die drei Naturforscher Anaximander, Anaximenes und Xenophanes.558 Die sieben Weisen, so resümiert Augustin, hätten zwar – mit Ausnahme des Naturforschers Thales – keine Schriften hinterlassen, sich aber durch einen vorbildlichen Lebenswandel ausgezeichnet und darüber hinaus einige nützliche Sittenregeln in Versform geprägt.559 4.5.3 Von der Wort- zur Schriftprophetie Augustin differenziert bei den Propheten des vierten Weltzeitalters zwischen denjenigen, die zu Zeiten der ersten Könige aufgetreten, von denen aber keine eigenen Schriften erhalten sind, und denjenigen, die „prophetisches Schrifttum“ (scriptura prophetica)560 hinterlassen haben. Doch nicht nur in diesem Punkt unterscheiden sich die beiden Prophetengruppen, sondern auch hinsichtlich ihrer Adressaten: Während die Propheten der frühen Königszeit (beispielsweise Samuel oder Nathan) nur dem Volk Israel dienten, so sollten die Schriftpropheten „irgendeinmal“ (quandoque) auch den Heiden „nützen“ (prodesse).561 Offensichtlich besteht dieser ‚Nutzen für die Heiden‘ darin, dass die Zeugnisse der Propheten nun schriftlich bewahrt blieben und somit (im Sinne des Schemas von Verheißung und Erfüllung) in der Zeit nach dem Erscheinen Christi als Erweis dienen konnten, dass dieser tatsächlich der erwartete Messias ist. Die Schriftprophetie stellt also gegenüber der vorigen reinen Wort-Prophetie einen qualitativen Schritt auf dem Weg zur Universalisierung des Heils dar. Die Bedeutung dieses Wandels in der Prophetie wird dadurch hervorgehoben, dass Augustin ihn mit einer früheren für die Universalisierung des Heils ganz entscheidenden Zäsur in Relation setzt: Wie nämlich zu Beginn des Assyrerreiches Abraham auftrat, dem die Verheißungen zuteil wurden über den Segen aller Völker in seinem Samen, so öffnete sich zu Beginn des abendländischen Babylons, unter dessen Herrschaft Christus kommen sollte, in dem sich jene Verheißungen erfüllen sollten, der Mund der Propheten, um nicht nur mit

558 Vgl.

ciu. XVIII 25, S.  616, Z.  21 f. Ausführlicher beschäftigt sich Augustin mit diesen drei Naturforschern in ciu. VIII 2. 559 Vgl. ciu. XVIII 25, S.  616, Z.  14–20. 560 Vgl. ciu. XVIII 27, S.  618, Z.  35. Kapitel 27 beginnt mit einem zeitlichen Rückgriff: Sachlich hätte die Behandlung der Propheten des vierten Weltzeitalters (ciu. XVIII 27–35 sowie die Exkurse in ciu. XVIII 37–41) noch an das Ende von ciu. XVII gehört. Wie bei der Geschichte der ciuitas terrena in XVIII 1–25 handelt es sich hier also um eine recapitulatio, in der Augustin zuvor Ausgelassenes nachträgt (vgl. Thonnard, Sur le plan, S.  743). 561  „cum enim prophetae numquam fere defuissent populo Israel, ex quo ibi reges esse coeperunt, in usum tantummodo eorum fuere, non gentium; quando autem scriptura manifestius prophetica condebatur, quae gentibus quandoque prodesset, tunc oportebat inciperet, quando condebatur haec ciuitas, quae gentibus imperaret.“ (ciu. XVIII 27, S.  618, Z.  32–37)

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Reden, sondern auch im Schreiben Zeugnis über dieses so große zukünftige Ereignis zu geben.562

Die Geschichte Israels und der Völker scheint hier als ein aufeinander abgestimmter gottgewirkter Prozess: Zweimal in der Geschichte fällt die ‚Geburt‘ Babylons, die Manifestation der ciuitas terrena schlechthin, mit einer besonderen, das Heil der Völker betreffenden Offenbarung Gottes zusammen. Der universale Heilswille Gottes, der in der Verheißung an Abraham in Gen 12,3 zu Beginn des Assyrischen Reiches zum Ausdruck kam, beginnt sich in der Zeit der Entstehung Roms zu realisieren: nicht nur in der weitgehenden politischen Befriedung des Erdkreises unter der römischen Herrschaft,563 sondern auch in den sich nun in den Schriften der Propheten sammelnden Verheißungen, die auf Christus und die mit ihm beginnende Erlösung der Völker zielen. Stärker noch als in den vorigen Weltzeitaltern scheint die Geschichte auf das Kommen Christi und die damit beginnende Vollendung der Kirche hin ausgerichtet zu sein. 4.5.4 Die Weissagungen der ersten Schriftpropheten Bevor sich Augustin einzelnen Aussagen der Schriftpropheten zuwendet, bemüht er sich um eine Datierung ihres Wirkens. Dabei stellt er fest, dass Amos, Hosea, Jesaja, Micha, Jona und Joel als die sechs frühesten unter ihnen etwa zur gleichen Zeit weissagten.564 Die Reihenfolge der Behandlung der Propheten 562  „ut scilicet, quem ad modum regni Assyriorum primo tempore extitit Abraham, cui promissiones apertissimae fierent in eius semine benedictionis omnium gentium, ita occidentalis Babylonis exordio, qua fuerat Christus imperante uenturus, in quo implerentur illa promissa, ora prophetarum non solum loquentium, uerum etiam scribentium in tantae rei futurae testimonium soluerentur.“ (ciu. XVIII 27, S.  618, Z.  25–32) Theodor E. Mommsen sieht hier seine Auffassung bestätigt, dass Augustin bezogen auf die ciuitas dei nur in einer einzigen Hinsicht einen innergeschichtlichen Fortschritt annimmt: „there is a gradual relevation of the divine truth communicated by God to man, especially through the prophecies predicting the future Messiah“ (Mommsen, Idea, S.  372). 563 Vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1–4, s. dazu Abschnitt 4.5.1. Die Befriedung des Erdkreises durch das Römische Reich sah bereits Origenes als eine wichtige Voraussetzung für die Ausbreitung des Evangeliums an (vgl. Cels. II 30, S.  360, Z.  11–22; s. dazu auch Kamlah, Christentum, S.  175). Augustins Rezeption der Propheten in ciu. XVIII ist entscheidend von der Perspektive der Heilsuniversalisierung bestimmt (darauf geht insbesondere Isabelle Bochet ein; vgl. Bochet, Le firmament, S.  484–489). 564  Augustin zieht zur Datierung den jeweils ersten Vers der Bücher Hos, Am, Jes und Mi heran, der die Wirkungszeit des betreffenden Propheten beinhaltet. Die Angaben der jeweils in Juda oder Israel regierenden Könige zeigen hier Übereinstimmungen; so wird etwa der König Usia in allen vier Prophetenbüchern genannt (vgl. ciu. XVIII 27, S.  617, Z.  3–15). Bei den Propheten Jona und Joel kann Augustin zwar nicht auf chronologische Angaben in den nach ihnen benannten Büchern zurückgreifen, weshalb er hier auf die „Chroniken“ (chronicae) des Eusebius hinweist. Hier wird von Jona ausgesagt, dass er zur gleichen Zeit wie Hosea, Amos und Jesaja prophezeite (vgl. Hieronymus, Chron., S.  84a, Z.  7–12), und von Joel, dass er zeitgleich mit Hosea, Joel und Jesaja auftrat (vgl. a. a. O., S.  87a, Z.  11–15).

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orientiert sich nicht an der kanonischen Abfolge der Bücher, sondern an der von ihm festgestellten Chronologie. Die „Berufung des Heidenvolkes“ (uocatio populi gentium), des geistlichen Samens Abrahams, sieht Augustin in Hos 1,10 (LXX) geweissagt. Vor dem Hintergrund der paulinischen Rezeption dieses Verses in Röm 9,24–26 überträgt Augustin die prophetische Rede von dem Volk, das einst (aus der Perspektive Gottes) „nicht mein Volk“ (non populus meus) war und nun zu „Kindern des lebendigen Gottes“ ( filii dei uiui) geworden ist, auf die Situation der zum Christusglauben gekommenen Heiden.565 Dass sich diejenigen, die Christus anhängen, sowohl aus Juden als auch aus den Heiden zusammensetzen werden, wird für Augustin aus Hos 1,11 deutlich: „Und die Söhne Judas [ filii Iuda] und die Söhne Israels [ filii Israel] werden sich vereinigen und sich einen Grund legen und aufsteigen von der Erde.“566 Diese Interpretation Augustins setzt seine Annahme voraus, dass hier mit den filii Iuda die Juden, mit den filii Israel die Heiden gemeint sind. Wohl aufgrund seines spezifischen Verständnisses von principatum unum als dem „einen Grundstein“ und von ascendere als „aufsteigen“567 sieht Augustin den in den neutestamentlichen Schriften begegnenden ‚Tempelbau‘ (vgl. Eph 2,19–22) in Hos 1,11 geweissagt.568 In dieser Metaphorik gesprochen wachsen die Glaubenden ausgehend von ihrem „Eckstein“ (lapis angularis) Jesus Christus in Form von „zwei Wänden“ (duo parietes), die die Heiden- und die Judenchristen repräsentieren, wie ein Bau nach oben.569 Aufschlussreich für Augustins Vorstellung vom letztlichen Schicksal des Volkes Israel ist seine Interpretation von Hos 3,4 f. Dem Prophetenwort zufolge werden die Juden eine lange Zeit ohne Königtum, ohne Tempelkult und ohne 565 „et erit […] in loco quo dictum est eis: non populus meus uos, uocabuntur et ipsi filii dei uiui.“ (Hos 1,10 [LXX] nach ciu. XVIII 28, S.  618, Z.  3 –5) 566 „et congregabuntur filii Iuda et filii Israel in id ipsum, et ponent sibi principatum unum et ascendent a terra.“ (Hos 1,11 [LXX] nach ciu. XVIII 28, S.  618, Z.  9 –11) 567  Ursprünglich war hier sowohl nach der Hebräischen Bibel als auch der LXX nicht an einen Bau, sondern an eine Führungsperson gedacht, die sich das Volk an seine Spitze setzen und die zu diesem Zweck vorher zu dem Ort dieser Einsetzung aus dem Umland ‚heraufziehen‘ soll. 568  Vgl. dazu Bonnardière, Le prophète, S.  626–629. Anne-Marie la Bonnardière ist der Auffassung, dass Augustins Darstellung der Prophetie Hoseas in ciu. auf einer intensiven Reflexion beruht, und stellt dar, auf welch breiter biblischer Grundlage die Aussagen in ciu. XVIII 28 stehen. 569 Vgl. ciu. XVIII 28, S.  618, Z.  12–16. Die Herkunft des Gedankens der ‚beiden Wände‘ ist nicht ganz klar; Carl Andresen (BAW [ciu.] 2, S.  959) bringt hier eine Assoziation zum Bau der Arche an (vgl. Gen 6,15 f.), deren zwei Kammern im Untergeschoss nach ciu. XV 26, S.  494, Z.  39–44 ebenfalls Juden- und Heidenchristen repräsentieren. Die Rede von den zwei Wänden dürfte aber eher von Augustins Verständnis eines „Ecksteins“ (lapis angularis) als eines Steins ausgehen, der zwei Mauern im rechten Winkel miteinander verbindet. In en. Ps. 47,3, S.  540, Z.  1–14 parallelisiert Augustin die beiden Wände mit den beiden Bergen (Berg Gottes / Berg Zion), die im Eckstein Christus zusammentreffen (vgl. Margoni-Kögler, Art. Sion, Sp.  484 mit Anm.  18).

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ihnen zuteilwerdende Offenbarungen sein – ein Zustand, den Augustin im gegenwärtigen Judentum nach dem Jüdischen Krieg gegeben sieht. Jedoch werden sie sich „in den letzten Tagen“ (in nouissimis diebus) doch noch zu Gott bekehren und „ihren König David“ (der mit Christus als Davidssohn zu identifizieren ist) suchen.570 Augustin schließt daraus, dass zwar die jetzt ‚nach dem Fleisch‘ lebenden Juden, die nicht an Christus glauben, außerhalb des Heils bleiben werden, dass jedoch ihre Nachkommen, die zur Endzeit leben werden, zum Glauben an Christus kommen werden.571 Ohne weitere Deutung zitiert Augustin die Propheten Hosea und Micha zum Erweis, dass diese bereits die Auferstehung Christi nach drei Tagen (vgl. Hos 6,2), die Bekehrung Israels (vgl. Am 4,12 f.), die Berufung der Völker und die Wiedererrichtung der ‚Hütte Davids‘ (vgl. Am 9,11 f.) geweissagt haben.572 An der Behandlung Jesajas durch Augustin wird einmal mehr dessen leitendes Interesse hinsichtlich der alttestamentlichen Prophetie deutlich: So erwähnt er en passant, dass Jesaja auch ein Gerichtsprediger gewesen sei, der sein Volk getadelt und ihm Unheil vorausgesagt hat, wendet sich dann aber dessen Weissagungen zu, die Christus und die Kirche betreffen.573 Jesaja erfährt sogar eine besondere Würdigung, da er mehr über beides geweissagt habe als alle anderen Propheten, weshalb „manche“ – wie etwa Hieronymus – „ihn lieber einen Evangelisten als einen Propheten nennen wollen“.574 Das nun angeführte Zitat aus den Gottesknechtsliedern hielt Augustin offenbar für selbstevident, sodass er

570 „et postea […] reuertentur filii Israel et inquirent dominum deum suum et Dauid regem suum, et stupescent in domino et in bonis ipsius in nouissimis diebus.“ (Hos 3,5 [LXX] nach ciu. XVIII 28, S.  619, Z.  22–25) Eine gewisse Inkonsequenz ergibt sich daraus, dass Augustin noch wenige Zeilen zuvor die filii Israel mit den Heiden identifiziert hat, die Bezeichnung hier aber offensichtlich für das Volk Israel ‚nach dem Fleisch‘ verwendet wird. Zur Deutung von Hos 3,5 bei Augustin, die auf dem Topos der Davidssohnschaft Jesu beruht (vgl. Röm 1,3; ciu. XVIII 28, S.  619, Z.  25–28), vgl. auch Apg 13,21–23 und Bonnardière, Le prophète, S.  629 f. 571 Vgl. ciu. XVIII 28, S.  618, Z.  16–18. Diese Erwartung, die ihren Grund nicht zuletzt in den Überlegungen des Paulus in Röm 9–11 haben dürfte, bringt Augustin an späterer Stelle in ciu. XX 29 erneut zum Ausdruck – hier mit Bezug auf die in Mal 4,5 f. (LXX) angekündigte Wiederkehr des entrückten Elia vor dem Jüngsten Gericht: Elia wird die Juden zum richtigen, d. h. geistlichen Verständnis ihrer heiligen Schriften und damit zum Glauben an Christus führen (vgl. ciu. XX 29, S.  752, Z.  4 – S.  753, Z.  4 0; s. dazu auch Abschnitt 6.2.1). 572 Vgl. ciu. XVIII 28, S.  619, Z.  2 8–41. Die Berufung der Völker ist in Am 9,12 im he­ bräischen Text nicht angelegt, hier ist im Gegenteil von der militärischen Überwindung von Heiden durch Israel die Rede. Die Version der LXX steht dem Zitat Augustins deutlich näher: ὅπως ἐκζητήσωσιν οἱ κατάλοιποι τῶν ἀνθρώπων καὶ πάντα τὰ ἔθνη, ἐφ᾽ οὓς ἐπικέκληται τὸ ὄνομά μου ἐπ᾽ αὐτούς. 573  Insgesamt lässt sich bei Augustins Rezeption des Jesaja-Buches (das er wie in der Alten Kirche üblich in gänzlichem Umfang dem Propheten Jesaja zuschrieb) eine Konzentration auf Jes 1–11 und 40–55 feststellen, Jes 13–39 spielt bei ihm dagegen „so gut wie keine Rolle“ (Drecoll, Art. Esaias, Sp.  1116). 574 „ita ut a quibusdam euangelista quam propheta potius diceretur.“ (ciu. XVIII 29, S.  619, Z.  9 f.)

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es nicht kommentiert.575 In dem Christus betreffenden ersten Teil des Zitats ( Jes 52,13–53,12) wird der stellvetretend für die Sünden des Volkes leidende und sterbende Gottesknecht thematisiert. Daran schließt Augustin ein Zitat aus Jes 45,1–5 an, das er auf die Kirche bzw. die ciuitas dei bezieht – mit dem Motiv der zunächst unfruchtbaren und dann durch Gottes Hilfe über die Maßen fruchtbaren Frau, das bereits beim Lobgesang der Hanna begegnete (vgl. 1Sam 2,1–10).576 Wenn Micha in Mi 4,1–3 die Völkerwallfahrt zum „Berg“ (mons) Zion weissagt, so deutet Augustin dieses Geschehen unter der Voraussetzung, dass Micha den Berg in metaphorischer Weise als Bild für Christus verwendet.577 Dadurch erfährt diese vormals innerisraelitische Verheißung eine deutlich christliche Prägung. Dass der „Fürst Israels“ (princeps Israel) nach Mi 5,2 in Bethlehem geboren werden soll, versteht Augustin den Darstellungen der Evangelien 578 entsprechend als Weissagung des Geburtsortes Jesu. Die Fokussierung auf Christus macht den Propheten Jona weniger wegen seiner Verkündigung, als wegen seines als zeichenhaft angesehenen Schicksals interessant: Dadurch, dass er drei Tage im Bauch des Fisches ausgeharrt und diesen lebend wieder verlassen habe, sei das Leiden, der Tod und die Auferstehung Jesu am dritten Tage vorausgesagt worden (vgl. Mt 12,40).579 Schließlich wird ein Wort Joels, des letzten der sechs frühen Schriftpropheten, zitiert, das Augustin als prophetische Weissagung des Pfingstgeschehens versteht (vgl. Apg 2,17 f.): In Joel 2,28 f. lässt Gott die zukünftige Ausgießung seines Geistes ankündigen, die zu weiteren Weissagungen, Gesichten und Träumen bei den Söhnen und Töchtern derer führen wird, denen diese Verheißung gilt.580 575 Vgl.

ciu. XVIII 29, S.  621, Z.  58–60. ciu. XVIII 29, S.  620, Z.  46–48; s. auch die Rezeption des vierten Gottesknechtsliedes in ep.  105,15, S.  607, Z.  25 – S.  608, Z.  19. Ausführlich wird der in Jes 53 f. als prophezeit angesehene Zusammenhang von Christus und ecclesia zudem behandelt in cons. eu. 1,47 (vgl. Drecoll, Art. Esaias, Sp.  1117). 577 Vgl. ciu. XVIII 30, S.  621, Z.  1–9. 578  Vgl. Mt 2,1–12; Lk 2,4–11. 579 Vgl. ciu. XVIII 30, S.  621, Z.  18–23. Das wunderhafte Geschehen um Jona galt offenbar manchen Gegnern des Christentums als unglaubwürdig, jedenfalls sah sich Augustin bereits in ciu. I 14 zu einer entsprechenden Polemik veranlasst. Zwar sei die Jonaerzählung „unglaublicher“ (incredibilius) als eine ähnliche (von den heidnischen Gegnern für wahr befundene) Geschichte über den Zitherspieler Arion aus Methymnä, der, über Bord geworfen, von einem Delphin gerettet wurde. Doch zeige sich gerade in dieser Unglaublichkeit die wunderhafte und machtvolle Qualität des Geschehens um Jona (vgl. ciu. I 14, S.  15, Z.  4 – S.  16, Z.  14). Dass sich Augustin gegen Angriffe der Heiden auf eine typologische Auslegung Jonas auf Christus hin zu verteidigen hatte, geht bereits aus qu. c. pag. 31–38 = ep.  102,31–38, S.  570, Z.  8 – S.  578, Z.  14 hervor (s. dazu auch C. Müller, Art. Ionas, Sp.  733 f.). John Granger Cook weist unter Bezugnahme auf ep.  102 darauf hin, dass diese Äußerungen Augustins vor dem Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Porphyrios zu sehen sind, dem die Jonaerzählung lächerlich erschien (vgl. Cook, Interpretation, S.  185 f.; s. dazu Abschnitt 4.1.3 mit Anm.  68). 580 Vgl. ciu. XVIII 30, S.  621, Z.  2 3–33. 576 Vgl.

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4.5.5 Die Weissagungen Obadjas, Nahums und Habakuks Augustin sieht sich aufgrund der in der Bibel fehlenden und offensichtlich fehlerhaften Angaben in der Chronik des Hieronymus außerstande, die Wirkungszeit der drei Prophten Obadja, Nahum und Habakuk zu bestimmen.581 Dennoch ist sich Augustin bewusst, dass die Angabe von „Idumäa“ (Obd 1,1) als Adressatenkreis des Propheten Obadja auf das Volk Edom hinweist, das im Buch Genesis genealogisch auf den Stammvater Esau zurückgeführt wird (vgl. Gen 36 passim). Da nicht dieser, sondern sein jüngerer Zwillingsbruder Jakob den Segen erhält und so zum Stammvater Israels wird, steht Esau paradigmatisch für die Nichtisraeliten. So legt sich für Augustin die Deutung nahe, dass sich die Weissagungen Obadjas an die Idumäer im Sinne eines Pars pro Toto an die ‚Heiden‘ (gentes) richten.582 Auffallend ist nun aber, dass Augustin in seiner Interpretation der Weissagungen Obadjas deren ursprünglichen Sinn ins Gegenteil verkehrt: Während nämlich die Verse 5–21 die künftige Vernichtung der Heiden, die göttliche Bestrafung der Idumäer und den Triumph der Israeliten (des ‚Hauses Jakob‘) voraussagen, ja deren militärische Inbesitznahme des ‚Gebirges Esau‘, so ist die Perspektive Augustins auf diese Verse eine deutlich andere. Wenn in Obd 21 zu lesen steht: „Und es werden hinaufsteigen die Wiedererlösten vom Berge Zion, um den Berg Esau zu verteidigen, und er wird dem Herrn zum Reich“,583 so handelt es sich Augustin zufolge bei den „Wiedererlösten vom Berge Zion“ (resaluati ex monte Sion) nicht etwa um das gesamte Volk der Juden (das ‚Haus Jakob‘), sondern lediglich um die an Christus glaubenden Juden. Jene hätten als Apostel, da sie vom Berg Zion aus das Evangelium verkündigten, den ‚Berg Edoms‘ insofern verteidigt, als sie die dort lebenden Heiden zum Heil geführt haben. Der mons Esau steht zunächst also metaphorisch für die Heidenwelt, die durch die Verkündigung des Evangeliums (das in Jesus Christus vom mons Sion aus seinen Anfang nahm) zur „Heidenkirche“ (ecclesia gentium)584 wurde. Die Heiden wurden so durch die Wiedererlösten (d. h. judenchristlichen Apostel) aus der Finsternis erlöst, ihr ‚Berg Esau‘ wurde zum Reich des Herrn. Die Vereinnahmung einer ‚Juda‘ geltenden Verheißung für die ersten Judenchristen setzt sich bei Augustins Deutung von Nah 1,13–2,1 fort: Wenn in Nah 1,15 (LXX) von den Festen die Rede ist, die Juda feiern soll, nachdem es den Götzendienst abgeschafft hat (vgl. Nah 1,14), so könne es sich dabei nur um jene „geistlich erneuerten“ (spiritaliter innouare)585 und zum ‚Neuen Bund‘ gehören581 Vgl.

ciu. XVIII 31, S.  622, Z.  1–9; s. dazu Hieronymus, Chron., S.  76a, Z.  11–20. ciu. XVIII 31, S.  622, Z.  10–15. 583 „et ascendent […] resaluati ex monte Sion, ut defendant montem Esau, et erit domino regnum.“ (Obd 21 nach ciu. XVIII 31, S.  622, Z.  18 f.) Die LXX liest statt defendant ἐκδικῆσαι, zu deutsch „bestrafen“ oder gar „rächen“. 584 Vgl. ciu. XVIII 31, S.  622, Z.  29. 585 Vgl. ciu. XVIII 31, S.  623, Z.  43. 582 Vgl.

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den Feste handeln, wie sie die Christen feiern. Diese Feste könnten auch nicht mehr „veralten“ (in uetustatem transire)586 – was im Umkehrschluss bedeutet, dass die alten Feste und Bräuche Judas seit der Aufrichtung des Neuen Bundes in den Augen Augustins obsolet geworden sind. Als eine Weissagung der Auferstehung Jesu Christi und der Gabe seines Geistes an die ( Juden-)Christen gilt Augustin Nah 2,1: „Es steigt der empor, der dir [sc. Juda] ins Gesicht haucht, der dich aus der Trübsal herausreißt.“587 In ciu. XVIII 32 werden Worte des Propheten Habakuk ausführlich behandelt, die Verse Hab 3,2–19 werden dabei einzeln ausgelegt, als Weissagungen auf Christus gedeutet und dabei verschiedentlich mit neutestamentlichen Schriftstellen ins Verhältnis gesetzt. Hier sollen nur einige dieser Verse herausgegriffen werden, deren Behandlung durch Augustin weiteren Aufschluss über dessen Verständnis der alttestamentlichen Prophetie vermittelt. So gibt er drei verschiedene Erklärungen dafür, wer die beiden „Lebenden“ sind, zwischen denen man laut Hab 3,2 den „Herrn“ (gemeint ist nach Augustin Christus)588 erblicken wird: Zum einen könnten mit den beiden Lebenden die beiden „Testamente / Bundesschlüsse“ gemeint sein, zwischen denen Jesus steht: als Ende des Alten und Anfang des Neuen Bundes. Es könnten aber auch die beiden „Schächer / Räuber“ (latrones) sein, zwischen denen Christus nach den Passionsberichten gekreuzigt wurde. Schließlich könnten hier ebenso die beiden Gestalten Elia und Mose gemeint sein, die auf einem hohen Berg neben dem verklärten Jesus erschienen und mit ihm ins Gespräch kamen (vgl. Mt 17,1–8 parr.). Eine sich durchhaltende Interpretationslinie, die etwa auch bei der Rezeption von Obadja im vorangegangenen Kapitel zu beobachten war, ist die Umdeutung von Aussagen über das endzeitliche Geschick der Völker. Wenn in Hab 3,6 zu lesen ist, dass „er [sc. Gott] hinschaut und die Völker vergingen (tabescere)“,589 so bedeutet das nach Augustin nicht etwa die Vernichtung der Völker, sondern, dass Gott diese sich „in Reue verzehren“ (paenitere) ließ, als er sich über sie erbarmte.590 Ähnlich liest sich auch die Deutung des in Hab 3,7 angekündigten Erschreckens der Äthiopier und der Bewohner Midiams: Es sei nicht etwa ein Erschrecken über das Straf handeln Gottes gemeint, sondern dass diese Völker von der „Botschaft [s]einer [sc. Gottes] Wundertaten“ (nuntium mirabilium tuorum) derart aufgeschreckt werden, dass sie sich dem Christentum anschließen.591 Analog dazu ist Augustins Deutung von Hab 3,10: „Die Völker werden dich sehen und sie werden leiden.“592 Es sei hier an dasjenige Leiden 586 Vgl.

ciu. XVIII 31, S.  623, Z.  43 f. qui insufflat in faciem tuam, eripiens te ex tribulatione.“ (Nah 2,1 nach ciu. XVIII 31, S.  622, Z.  38 f.) 588 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  623, Z.  1–3. 589 „respexit, et tabuerunt gentes“ (Hab 3,6 nach ciu. XVIII 32, S.  624, Z.  33 f.). 590 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  624, Z.  3 4. 591 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  624, Z.  4 0–43. 592 „uidebunt te et dolebunt populi“ (Hab 3,10 nach ciu. XVIII 32, S.  624, Z.  54). 587 „ascendit,

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der Völker gedacht, durch das sie (hier wohl in Anlehnung an die Seligpreisung in Mt 5,4) selig werden. Schließlich gewinnt auch die Aussage in Hab 3,12 f. – „Und im Grimm wirst du die Völker (gentes) stürzen. Du bist ausgezogen zur heilenden Errettung deines Volkes (populum tuum), damit du deine Gesalbten heil machst; auf die Häupter der Ungerechten aber hast du den Tod gesandt“593 – einen die Alternative ‚Volk Israel – Völker‘ durchbrechenden Sinn. Augustin kann diese Verse nur im Horizont der beiden ciuitates begreifen, was unter anderem an seinem Verständnis der in Hab 3,12 angesprochenen Völker als derjenigen, die wegen ihrer Selbsterhöhung (se exaltare) von Gott niedergeworfen werden, zu erkennen ist. Dass dagegen unter dem populum tuum, dem Gottesvolk, die ciuitas dei zu verstehen ist, dafür kann sich Augustin auf Hab 3,16 stützen, wo es heißt: „damit ich hinaufsteige zum Volk meiner Pilgerschaft“.594 Die peregrinatio ist bekanntlich ein zentrales Charakteristikum der ciuitas dei. Der Prophet Habakuk, selbst ein Jude,595 scheint Augustin zufolge bereits im Begriff zu sein, sein Volk zu verlassen, wenn er von sich sagt, dass er „zum Volk meiner Pilgerschaft hinaufziehen“ wird. In der Erklärung dieses Verses wird nochmals die große Diskrepanz zwischen dem (irdischen) Volk Israel und der ciuitas dei deutlich: „[Dies geschieht,] wenn er [sc. Habakuk] sich nämlich lossagt von dem boshaften Volk seiner fleischlichen Verwandtschaft, das weder auf dieser Erde pilgert noch nach dem himmlischen Vaterland sucht.“596 Der Vers Hab 3,17, wo anhand verschiedener Beispiele aus der Agrarwelt eine generelle Unfruchtbarkeit beschrieben wird, sieht Augustin als Metapher für den verworfenen Zustand des Volkes Israel. Der Grund für die Verwerfung durch Gott ist nicht die ebenfalls angesprochene Tötung Christi als solche.597 Vielmehr ist das Volk Israel seiner „geistlichen Reichtümer“ (copiae spiritales) verlustig gegangen,598 weil es Gottes Gerechtigkeit verkannte, indem es seine eigene Gerechtigkeit aufrichten wollte.599 Die Zugehörigkeit zu einer der beiden ciuitates entscheidet sich unabhängig von der jeweiligen Volkszugehörigkeit. Zum einen nämlich gebe es unter den Mächtigen der Juden (zu denken ist hier etwa an Nikodemus und Joseph von Arimathäa)600 – so Augustins Deutung von Hab 3,14 – einige, die sich Christus 593 „et in furore deicies gentes […]. existi in salutem populi tui, ut saluos facias christos tuos; misisti in capita iniquorum mortem“ (Hab 3,12 f. nach ciu. XVIII 32, S.  625, Z.  71–74). 594 „ut ascendam […] in populum peregrinationis meae“ (Hab 3,16 nach ciu. XVIII 32, S.  625, Z.  96 f.). 595 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  623, Z.  10 f. 596  „recedens utique a populo maligno carnalis cognationis suae, non peregrinante in hac terra nec supernam patriam requirente.“ (ciu. XVIII 32, S.  625, Z.  97 – S.  626, Z.  99) 597 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  626, Z.  103 f. 598 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  626, Z.  103. 599 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  626, Z.  105 f. Offensichtlich schließt sich Augustin hier an die paulinische Sichtweise an, wie sie etwa in Röm 10,3 begegnet: „Denn sie verkannten die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und suchten ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten“. 600  Vgl. Joh 3,1–21; 19,38–42 par. Mt 27,57–60; Mk 15,42–46; Lk 23,50–54.

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zuwenden und von dem Brot seiner Lehre „wie ein Armer verborgen“601 essen, da sie sich vor den nichtbekehrten Juden fürchten. Zum anderen werden auch nicht alle aus den Völkern Christus anhängen, was nach Augustin Hab 3,15 metaphorisch verdeutlicht: Zwar lässt Gott viele Wasser (d. h. viele Völker) aufrühren, doch wird nur ein Teil durch dieses furchterregende Gotteshandeln bekehrt, während andere „in Grimm Verfolgungen durchführten“ ( furore persequi).602 4.5.6 Die Weissagungen Jeremias und Zephanjas vor der Babylonischen Gefangenschaft Jeremia und Zephanja wirkten beide zur Zeit des Königs Josia, als das Nordreich bereits eingenommen war und unmittelbar vor der Babylonischen Gefangenschaft, in die Jeremias Tätigkeit noch wenige Monate hineinreicht.603 Da Augustin der jüdischen Tradition gemäß die Klagelieder als von Jeremia verfasst ansieht 604 und auch im Buch Baruch, das von einem Sekretär Jeremias geschrieben worden sein soll,605 Worte des Propheten erkennt, zitiert er neben dem Jeremiabuch auch aus diesen beiden Schriften. So findet er in den Klageliedern einen deutlichen prophetischen Vorverweis auf das Kommen und das stellvertretende Leiden Christi: „Der Odem unseres Mundes, der Gesalbte (Christus), der Herr, ist gefangen genommen um unserer Sünden willen.“ (Klgl 4,20)606 Das künftige Erscheinen der Weisheit Gottes und ihr Wandeln auf der Erde wird in Bar 3,38 geweissagt, die göttliche Erweckung eines die Erde befriedenden „gerechten Sprosses“ (germen iustum)607 aus dem Davidsgeschlecht in Jer 23,5. Auch das Geschick der Völker und dasjenige des Volkes Israel habe Jeremia vorausgesagt, wenn er einerseits in Jer 16,19 von den Völkern spricht, die 601 „capita potentium mouebuntur in ea […]. adaperient morsus suos, sicut edens pauper absconse.“ (Hab 3,14 nach ciu. XVIII 32, S.  625, Z.  80–82) 602 Vgl. ciu. XVIII 32, S.  624, Z.  4 0–43. 603 Vgl. ciu. XVIII 33, S.  626, Z.  1–12. An der historischen Person des Propheten Jeremia zeigt Augustin nur ein begrenztes Interesse. Martine Dulaey macht darauf aufmerksam, dass Augustin das Jeremiabuch oftmals wie ein Geschichtsbuch behandelt, das zum einen die Situation des Babylonischen Exils am Ende des vierten Weltzeitalters, zum anderen die Entstehungssituation einiger Psalmen zu erklären vermag (vgl. Dulaey, Art. Hieremias, Sp.  314 f.; bei ihrer Einordnung des Babylonischen Exils am „fin du cinquième âge de l’histoire“ handelt es sich wohl um ein Versehen). 604  Während die Klagelieder in der Hebräischen Bibel anonym bleiben, werden ihnen in der LXX eine Einleitung vorangestellt, in der Jeremia als Urheber dieser Klagegesänge angegeben wird. 605  Im Jeremiabuch gibt es zwar einige Hinweise auf die Existenz eines solchen Sekretärs Baruch (vgl. Jer 32,12; 36,4–32; 43,1–6; 45,1–5), doch handelt es sich beim Buch Baruch, das nur im Griechischen überliefert ist, um eine Pseudepigraphie. Offensichtlich war zur Zeit Augustins auch die Annahme verbreitet, das Buch Baruch stamme von Jeremia selbst, und nicht von seinem Sekretär (vgl. ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  19–21). 606 „spiritus […] oris nostri Christus dominus captus est in peccatis nostris“ (Klgl 4,20 nach ciu. XVIII 33, S.  626, Z.  13 f.). 607 Vgl. ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  2 3.

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den falschen und nutzlosen Götzen abgeschworen haben und zu Gott finden, und andererseits in Jer 17,9 sagt: „Hart ist ihr Herz in jeder Hinsicht, und er ist ein Mensch, aber wer erkennt ihn?“608 Diesen Vers versteht Augustin als Weissagung der Verstockung der Herzen und der Nichtanerkennung Jesu als Christus durch den Großteil der Juden. Diese sehr weit gefasste Deutung – gar die Tötung Jesu durch die Juden will Augustin in Jer 17,9 angekündigt sehen – verliert an Plausibilität, führt man sich den ursprünglichen weisheitlichen Kontext des Verses vor Augen. Auf festerem Boden dagegen bewegt sich Augustin, wenn er, die Behandlung Jeremias abschließend, dessen Ankündigung des Neuen Bundes (vgl. Jer 31,31) zitiert: Der Mittler dieses Neuen Bundes wird Christus sein. Eine Erklärung, weshalb dieser Bund Jeremia zufolge „mit dem Hause Jakob“ geschlossen werden wird, wo doch das Heil letztlich allen Völkern zukommen soll, bleibt Augustin in ciu. XVIII 33 allerdings schuldig. Bei seiner Zusammenstellung von Prophetenworten des Zephanja konzen­ triert sich Augustin auf die Fragestellung, wer im Horizont des Endgerichts am Heil teilhaben wird. Dabei werden erneut – durch die eklektische Verfahrensweise und durch entsprechende Umdeutungen – Gerichts- und Vernichtungsaussagen gegenüber den Völkern eliminiert und durch Heilsaussagen ersetzt. Während nämlich nach der LXX in Zeph 3,8 vom Urteil Gottes über die Völker die Rede ist, das zur Ausgießung seines Zorns über sie und ihre Könige führt, sodass die ganze Erde vernichtet wird,609 besteht nach Augustin im Gegenteil das Urteil Gottes darin, am Tag der Totenauferstehung „die Völker zusammenzuführen und die Reiche zu sammeln“.610 Doch gibt es im Zephanjabuch tatsächlich auch Aussagen über eine Integration der Völker in das Heil, so etwa in Zeph 3,9–11: Nicht nur soll den Völkern von Gott eine neue Sprache verliehen werden, sie werden auch an den entlegensten Orten den Namen des Herrn anrufen und ihm Opfer darbringen.611 Die zweite Gruppe, die neben den Völkern ebenfalls am Heil teilhaben wird, besteht aus den „Überresten“ (reliquiae) des Volkes Israel. Über diese spricht Zephanja gemäß dem Zitat in ciu. XVIII 33: Denn da [sc. an jenem Tag] werde ich von dir die Verkehrtheiten deiner Ungerechtigkeit wegnehmen; und du wirst dich ferner nicht mehr anschicken, dass du dich groß machst auf meinem heiligen Berg, und ich werde in dir ein freundliches und demütiges

608 „graue cor per omnia, et homo est, et quis agnoscit eum?“ ( Jer 17,9 nach ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  32 f.) 609  Zeph 3,8 nach LXX: Διὰ τοῦτο ὑπόμεινόν με, λέγει κύριος, εἰς ἡμέραν ἀναστάσεώς μου εἰς μαρτύριον· διότι τὸ κρίμα μου εἰς συναγωγὰς ἐθνῶν τοῦ εἰσδέξασθαι βασιλεῖς τοῦ ἐκχέαι ἐπ᾽ αὐτοὺς πᾶσαν ὀργὴν θυμοῦ μου· διότι ἐν πυρὶ ζήλους μου καταναλωθήσεται πᾶσα ἡ γῆ. 610 „quia iudicium meum, ut congregem gentes et colligam regna.“ (Zeph 3,8 nach ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  4 0 f.) 611 Vgl. ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  4 4–47.

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Volk zurücklassen; und die, die in Israel übrig geblieben sind, werden sich vor dem Namen des Herrn fürchten.612

Dieser „Überrest Israels“, der geläuterte Teil dieses Volkes, besteht gemäß Augustins Urteil aus denjenigen Juden, die Christus im Glauben angenommen haben.613 Damit stützt er sich auf Röm 9,27, wonach lediglich ein Rest der vielen Kinder Israels gerettet werden wird. 4.5.7 Die Propheten, die während der Babylonischen Gefangenschaft auftraten In den beiden Kapiteln ciu. XVIII 34 f. behandelt Augustin die fünf Propheten, die während bzw. am Ende der Babylonischen Gefangenschaft wirkten und die somit auch die letzten Propheten des vierten Weltzeitalters sind: Daniel, Ezechiel, Haggai, Sacharja und Maleachi. Von Daniel, aus dessen Zeugnis sich die Jahreszahl errechnen lässt, zu der Christus kommen und leiden sollte,614 führt Augustin ein Zitat aus dessen Vision über die vier Tiere und den Menschensohn an.615 Demnach wird ein 612 „quia

tunc auferam abs te prauitates iniuriae tuae; et iam non adicies, ut magnificeris super montem sanctum meum, et subrelinquam in te populum mansuetum et humilem; et uerebuntur a nomine domini, qui reliqui fuerint Israel.“ (Zeph 3,11–13 nach ciu. XVIII 33, S.  627, Z.  48–52) 613 Vgl. ciu. XVIII 33, S.  628, Z.  55 f. 614 Vgl. ciu. XVIII 34, S.   628, Z.  3 –5. Augustin unterlässt es hier, den aus seiner Sicht weitläufigen Versuch zu unternehmen, diese Jahreszahl aus den Schriften Daniels zu rekonstruieren. Er verweist aber darauf, dass andere dies bereits getan hätten. Carl Andresen vermutet, dass sich Augustin hier u. a. auf den Danielkommentar Hippolyts von Rom beziehen könnte (vgl. BAW [ciu.] 2, S.  961). Dieser stellt tatsächlich sehr umfängliche Überlegungen zum prophetischen, auf das Wirken und die Passion Christi verweisenden Sinn der in Dan 9,24–27 genannten Zeiträume und Ereignisse an (vgl. Hippolytus, Comm. Dan. IV 30–35, S.  264, Z.  2 – S.  280, Z.  4). Die u. a. auch von Hippolyt diskutierte Auffassung jedoch, dass sich aus den Prophezeiungen Daniels auch die Zeit bis zum Kommen des Weltgerichts berechnen lässt (vgl. Comm. Dan. IV 23 f., S.  240, Z.  15 – S.  248, Z.  13), weist Augustin in seinen Briefen an Hesychius zurück, der wiederum dieser Meinung war (vgl. ep.  198,7 = Hesych. A. ep.  198,7; ep.  199; s. dazu C. P. Mayer, Art. Dani[h]el, Sp.  233), was Augustins Distanz gegenüber konkreten Berechnungen des Weltendes entspricht (vgl. ciu. XVIII 52–54; s. dazu Abschnitt 6.2.4). 615 Augustin hat die Identifizierung der vier Tiere mit den vier Weltreichen Assyrien, Persien, Mazedonien und Rom, etwa in der Version des Hieronymus (vgl. Expl. Dan. 7,1–7, Sp.  527, Z.  29 – Sp.  530, Z.  51), zwar gekannt, sich selbst aber in ciu. nicht zu eigen gemacht (vgl. ciu. XX 23, S.  742, Z.  42–46; s. dazu Wachtel, Beiträge, S.  65 f. mit Anm.  62 u. 63). Allerdings hat er sie auch nicht explizit abgelehnt. Innerhalb seiner Darstellung der Geschichte der ciuitas terrena werden nur zwei Weltreichen in ciu. eine wesentliche Bedeutung zugemessen: Assyrien und dem Imperium Romanum (vgl. ciu. XVIII 2, S.  593, Z.  16–25). Dabei gilt Babylon als das erste Rom, Rom als das zweite Babylon (vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1 f.). Während Heinrich Scholz (Glaube, S.  174–177) Augustin noch als den ersten christlichen Theologen bezeichnet, der den „Prozeß der Geschichte“ in ihrem „Gang von Osten nach Westen, von Babylon nach Rom“ erkannt hat (a. a. O., S.  175), weist Alois Wachtel unter Bezugnahme auf Adv. pag. II 1,6 u. VII 2,4 nach, dass die Konzentration Augustins auf diese beiden Weltreiche auf Orosius zurückgeht (Wachtel, a. a. O., S.  66 mit Anm.  65). Tatsächlich ist die Idee der translatio imperii von Osten (Babylon) nach Westen (Rom) – über die

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Menschensohn mit den Wolken des Himmels kommen, dem die Herrschaft über alle Völker und Stämme gegeben wird und dessen Königreich nicht zerstört werden wird (vgl. Dan 7,13 f.). Dies sei nicht nur eine Aussage über den kommenden Christus und dessen Königsherrschaft, sondern auch über die (universale) Kirche, da „alle Völker, Stämme und Zungen“ (omnes populi, tribus, linguae)616 diesem Menschensohn dienen werden. Unter der Voraussetzung, dass mit dem in den Weissagungen des Ezechiel eingeführten künftig erweckten „Knecht David“ (seruus Dauid) Christus gemeint ist, ordnet Augustin Ez 34,23 f. als Verheißung des kommenden Christus ein. Wie ein Hirte über eine Schaf herde wird dieser von Gott angekündigte Knecht Gottes Herrscher über das Gottesvolk sein.617 Auf diese Aussage läuft auch das zweite Ezechielzitat (Ez 37,22–24) hinaus, wobei hier die Eigenart des von ‚David‘ geführten Volkes näher beschrieben wird: Es wird ein einziges Volk und nicht ein in zwei Teilreiche getrenntes Volk sein (diese Ankündigung der Überwindung der Reichsteilung in Ez 37,24 könnte Augustin als einen Hinweis auf die Einheit von Juden und Heiden in der Kirche verstanden haben). Zudem soll sich dieses Volk nicht mehr mit Götzendienst und anderen Freveln versündigen, vielmehr wird es von Gott „gereinigt“ (mundare) werden. Dieser geläuterte Zustand des Volkes unter dem Gottesknecht David wird mit der Bundesformel beschrieben: „und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein“.618 Aus dem Buch Haggai zitiert Augustin die Verse 2,6 f. Er versteht sie als Weissagungen, die sich zum Teil bereits erfüllt haben, zum Teil in der Erfüllung begriffen sind oder deren Erfüllung noch aussteht. Die in Hag 2,6 beschriebenen wunderhaften Naturphänomene verknüpft Augustin mit bestimmten Heilsereignissen: So habe der Himmel sich bei der Inkarnation Christi bewegt, als die „Engel und Sterne“ (angeli et sidera)619 Zeugnis ablegten. Zu denken ist hier wohl an die im Kontext der Geburtsgeschichten Jesu erscheinenden himmlischen Heerscharen (Lk 2,13–15) und den Stern, dem die Weisen nach Mt 2,1–12 bis zur Geburtsstätte folgten. Die Erde als solche (terra) habe sich gemäß Augustins Deutung beim „gewaltigen Wunder“ (ingens miraculum)620 der dazwischen liegenden Reiche des Nordens (Makedonien) und des Südens (Karthago) – zuerst bei Orosius greif bar (so Inglebert, Art. Orosius, Sp.  4 01 unter Bezugnahme auf Fabbrini, Paolo Orosio, S.  348–365). 616 Vgl. ciu. XVIII 34, S.  628, Z.  10. 617 Vgl. ciu. XVIII 34, S.  628, Z.  13–21. Aus dem Buch Ezechiel zitiert Augustin relativ selten; Martine Dulaey schreibt unter Bezugnahme auf ciu. XVIII 34: „Il voit essentiellement en lui [sc. Ezechiel] le prophète ‚per Dauid Christum significans‘“ (Dulaey, Art. Ezechiel, Sp.  1219). 618 „et erunt mihi populus, et ego ero eis deus“ (Ez 37,23 nach ciu. XVIII 34, S.  628, Z.  2 6). Diese Formel der gegenseitigen Verhältnisbestimmung zwischen Gott und Volk findet sich innerbiblisch an mehreren Stellen; vgl. etwa Jer 11,4; 30,22; 31,33; 32,38; Ez 11,20. 619 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  8. 620 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  9 f.

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Jungfrauengeburt bewegt. Schließlich meint das Bewegen des Meeres und des trockenen Landes die weltweite Ausbreitung des Evangeliums Christi bis in die Gegenwart, wodurch wiederum „alle Völker bewegt werden zum Glauben (an Christus)“.621 Um eine noch ausstehende Weissagung handelt es sich dagegen bei Hag 2,7: „Und der von allen Völkern Ersehnte wird kommen.“622 Wie Augustin schlussfolgert, könne es sich hier nur um die Ankunft Christi am Jüngsten Tag (und nicht etwa die Inkarnation Christi, die ja zur Zeit des Propheten Haggai ebenfalls noch ausstand) handeln. Denn vor der Inkarnation Christi glaubte und hoffte noch niemand unter den Völkern auf das Kommen Christi – erst nach der Verkündigung des Evangeliums unter ihnen konnte es dort Glaubende und Hoffende geben, die nun auch die Wiederkehr Christi herbeisehnen.623 Wenig überraschend fällt die Auswahl bei den Weissagungen des Sacharja auf die aus den Evangelien624 bekannten Verse Sach 9,9 f., wo der Tochter Zion ein gerechter und sanftmütiger König und Retter verheißen wird, der arm und auf einer Eselin und einem jungen Eselfüllen reitend nach Jerusalem zieht. Augustin lässt allerdings die kriegerisch anmutende folgende Passage (Vers 10a) aus625 und schließt das Zitat mit der Verheißung der universalen Herrschaft des angekündigten Königs über alle Meere und bis an die Enden der Erde (Vers 10b). Als weitere Christus betreffende Weissagung zitiert Augustin den sich anschließenden Vers 11: „Du hast auch im Blut deines Bundes deine Gefesselten entlassen aus der Grube, in der kein Wasser ist.“626 Die wasserlose „Grube“ (lacus) versteht er dabei mit Bezug auf Ps 39,3 als Metapher für die „trockene und unfruchtbare Tiefe menschlichen Elends“. Aus diesem sündhaften „Kot“ (lutum) 621 

„ita moueri omnes gentes uidemus ad fidem.“ (ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  11 f.) ueniet desideratus cunctis gentibus.“ (Hag 2,7 nach ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  6.12 f.) 623  Scharfsinnig argumentiert Augustin: „ut enim esset desideratus expectantibus, prius oportuit eum dilectum esse credentibus.“ (ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  14 f.) 624  Während in der Erzählung vom Einzug Jesu in Jerusalem in Mt 21,(1–11)5 und Joh 12,(12–19)15 explizit Sach 9,9 als Schriftbeweis dafür zitiert wird, dass dieser der Tochter Zion verheißene König nun mit Jesus gekommen ist, lassen auch die entsprechenden parallelen Erzählungen in Mk 11,1–11 und Lk 19,28–44 einen deutlichen Bezug zu diesem Prophetenwort erkennen. Augustin ist sich der eklektischen Verwendung dieses Prophetenworts in den Evangelien bewusst, wie er in ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  20–23 zu verstehen gibt. Während in der johanneischen Version der Parallelismus membrorum in Sach 9,9 erkannt wurde, sodass Jesus hier nur mit einem Esel in Jerusalem einzieht, hält sich Augustin an die matthäische Fassung, gemäß der es eine Eselin und ein Eselfüllen waren, die Jesus begleiteten. 625  Es lässt sich nicht abschließend klären, warum Augustin den Beginn des Verses Sach 9,10, wo nach der LXX von der Vernichtung der Streitwagen Ephraims und der Reiter Jerusalems durch den König – mit dem Ziel der Schaffung des Friedens – die Rede ist, hier übergangen hat. Dies ist auch darin begründet, dass Augustin die Verse Sach 9,9 f. an keiner anderen Stelle in seinem Gesamtwerk zitiert hat, sodass man einen Vergleich anstellen könnte. 626 „tu quoque […] in sanguine testamenti tui emisisti uinctos tuos de lacu, in quo non est aqua.“ (Sach 9,11 nach ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  25 f.) 622 „et

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sollen also nach der Weissagung Sacharjas die dort Gefesselten durch das Blut des (Neuen) Bundes, d. h. durch das zur Vergebung der Sünden vergossene Blut Christi, befreit werden, sodass sie fortan an den „Quellwassern der Gerechtigkeit“ ( fluenta iustitiae) teilhaben können.627 Maleachi, den letzten Propheten des Dodekapropheton und zugleich den letzten Propheten des vierten Weltzeitalters bemüht Augustin, um durch dessen Aussagen die endgültige Ablösung des irdischen Volkes Israel als Heilsträger durch die Kirche zu propagieren. So werde Gott nach Mal 1,10 f. kein Opfer mehr aus dem frevelhaften israelitischen Kult annehmen und sich stattdessen der „reinen Opfer“ (oblatio munda)628 erfreuen, die von allen Völkern, die seinen Namen preisen, jederzeit dargebracht werden. Diese Verheißung sieht Augustin bereits als erfüllt an, da ja mit der Zerstörung des Zweiten Tempels der Opferkult in Israel an ein Ende gekommen ist,629 während bei den in allen Völkern vertretenen Christen der Name Gottes gepriesen und in der Eucharistie das reine Opfer ‚nach der Ordnung Melchisedeks‘ an allen Orten und zu jeder Zeit dargebracht wird.630 Neben dieser Ablösung, die sich im kultischen Bereich vollzogen hat, habe Maleachi auch vorausgesagt, dass der Großteil der Juden in Jesus Christus nicht den von ihnen erwarteten Messias631 erkennen und somit auch nicht an dem durch Christus vermittelten Neuen Bund partizipieren werde. Dabei hätte ihnen anhand der Charakteristika dieses von ihnen erhofften Messias, wie sie Maleachi in 2,5–7 beschreibt 632 und die auf Jesus Christus zutrafen, ebendieser Fehler nicht unterlaufen dürfen. Der eigentliche Grund für diese Verkennung Jesu Christi bei einem Großteil der Juden (trotz deutlicher Anzeichen für dessen Messianität) liegt aber tiefer: Augustin zufolge sei ihr Herz „verblendet“ (excaecare) gewesen – ob nun als Folge eines satanischen, menschlichen oder eines göttlichen Einwirkens, wird hier offengelassen.633 627  „mihi tamen uidetur non eo significari melius, nisi humanae miseriae profunditatem siccam quodam modo et sterilem, ubi non sunt fluenta iustitiae, sed iniquitatis lutum.“ (ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  28–31) 628 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  38. 629 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  42–44. 630 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  39–41. 631  Dass die Juden nach einem Messias verlangen, belegt Augustin mit Mal 3,1, wo Maleachi gegenüber seinen Volksgenossen sagt, dass sie nach dem „Engel des Bundes“ (angelus testamenti) suchen (vgl. ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  68–71). 632  Angeführt wird hier etwa, dass der ‚Engel Gottes‘ (in dem Augustin Christus erkennt) das Gesetz der Wahrheit im Munde führt, friedliebend ist und viele von ihren Sünden bekehrt (vgl. ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  46–54). Zudem, so meint Augustin, könne man in Mal 3,1 f. die „erste und die zweite Ankunft Christi“ (aduentus primus et secundus), d. h. seine Inkarnation und seine Wiederkunft am Jüngsten Tag, vorausgesagt erkennen (vgl. ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  57–68). 633  „sed multi eorum, quem quaesierunt et uoluerunt, uenisse non agnouerunt, excaecati in cordibus suis praecedentibus meritis suis.“ (ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  72–74) Während der Terminus des „Verstockens“ (ingrauare; vgl. bezogen auf den Pharao Ex 9,7

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Im Zusammenhang mit dem von Maleachi geweissagten, gottgesandten „Engel des Bundes“ (angelus testamenti), unter dem Augustin Christus versteht, kommt schließlich die Eigenart beider Bundesschlüsse zur Sprache. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist ein konkreter Konflikt, der von Glaubenden an Maleachi herangetragen worden war (vgl. Mal 3,13–15): Diese hatten nämlich die Differenzerfahrung gemacht, dass, obwohl sie Gottes Bestimmungen einhielten, nicht sie, sondern andere gerettet wurden, die ungesetzlich und gegen Gottes Willen gelebt hatten. Sie kommen daher zu dem Schluss, dass es eitel und vergeblich (uanus) sei, Gott zu dienen, da es ja offensichtlich keinen Vorteil bringe. Augustin ist der Auffassung, dass im Alten Bund zeitliche Dinge, im Neuen Bund dagegen ewige verheißen werden.634 Demnach muss also die frustrierte Reaktion der Glaubenden aus Mal 3,13–15 als Fehlschluss betrachtet werden, der noch auf der Annahme des Alten Bundes beruht, dass gottgefälliges Handeln mit zeitlichen Gütern belohnt wird. In Mal 3,16 wird der Konflikt gelöst, indem Gott fortan in ein „Buch der Erinnerung“ (liber memoriae)635 die Namen derer schreibt, die ihn fürchten und seinen Namen verehren – auf dass er diese am (Gerichts-)Tag zu seinem Eigentum erwähle und von jenen scheide, die gesetzlos gelebt haben und die Gott daher vernichten wird (vgl. Mal 3,17–4,3). Der liber memoriae, den Augustin mit dem Neuen Bund gleichsetzt,636 enthält also die Namen derjenigen, die sich nicht vom vermeintlichen Gesegnetsein der Gotteslästerer mit irdischen Gütern täuschen lassen, sondern an ihrer Gottesverehrung festhalten in der Gewissheit, dereinst an den himmlischen Gütern teilzuhaben.

BSVC[S]) des Herzens für göttliches Handeln verwendet wird, finden sich bei der „Verblendung“ (excaecare) des Herzens sowohl Belege für eine von einem Menschen ausgehende Handlung (vgl. die Jesaja von Gott abverlangte Verstockung des Herzens des Volkes Israel in Jes 6,10 BSVC[S]) als auch solche, die von einer Verblendung des Herzens / des Verstandes durch Satan / den Teufel sprechen (vgl. 2Kor 4,3 f. BSVC[S]; Eph 2,2), schließlich kann aber auch die „Wirkung des Irrtums“ (operatio erroris) als von Gott ausgehend gedacht werden (vgl. 2Thess 2,10–12 BSVC[S]). 634 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  75–77. Im Umkehrschluss und bezogen auf Augustins Verständnis des Judentums bedeutet diese Definition von Altem und Neuem Bund wohl, dass die nicht zu Christus gekommenen Juden noch immer der Auffassung sind, durch Gesetzestreue irdische Güter als Gotteslohn empfangen zu können. Augustin bedient sich des verbreiteten (und zu seinem Konzept der ciuitas terrena sehr gut passenden) antijüdischen Topos’, dass die (nicht an Christus glaubenden) Juden auf irdische Genüsse ausgerichtet seien und sogar, wie er in einer Auslegung des 43. Psalms schreibt, vom ewigen Leben ebenjene irdischen Genüsse erhoffen, die sie auch hier auf Erden lieben: „haec enim sperabant Iudaei, ideo turbabantur in illa quaestione. nam et ipsi resurrectionem sperant, sed ad tales uoluptates corporis se sperant resurrecturos, quales hic amant.“ (en. Ps. 43,16, S.  487, Z.  15–18; vgl. dazu auch Blumenkranz, Judenpredigt, S.  64 f.) 635 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  631, Z.  91. 636 Vgl. ciu. XVIII 35, S.  631, Z.  9 2 f.

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4.5.8 Das Verhältnis der heidnischen Weisheit zur hebräischen Prophetie Im Anschluss an seine Auseinandersetzung mit den Schriftpropheten in ciu. XVIII 27–36 wendet sich Augustin in einer Art Exkurs der Frage zu, in welchem Verhältnis die alttestamentliche Prophetie zur Weisheit der Völker steht. Diese Fragestellung erhält ihre Berechtigung durch die Anlage des Buches XVIII, in dem ja die Geschichte der ciuitas terrena mit derjenigen der ciuitas dei in ein Verhältnis gesetzt werden soll. Die Kapitel 37–41 lesen sich dabei wie eine Apologie der biblischen Prophetie bzw. der heiligen Schriften insgesamt. Augustin wendet sich hier insbesondere gegen die Auffassung, dass die heidnische Philosophie oder auch die Weisheit der Ägypter älter seien als die alttestamentliche Prophetie. Im Raum steht offensichtlich der Vorwurf, die hebräische Prophetie und Weisheit sei lediglich von der heidnischen Weisheit abgeleitet.637 In ciu. XVIII 37 führt Augustin, schrittweise immer weiter in die Vergangenheit zurückgreifend, Vertreter der heidnischen Weisheit an, um sodann aufzuzeigen, dass diese jünger als entsprechende Propheten aus dem hebräischen Kulturkreis sind. Zunächst argumentiert er, dass diejenigen heidnischen Gelehrten, die sich selbst namentlich als ‚Philosophen‘ verstanden haben, erst ab der Zeit der Auf hebung der Babylonischen Gefangenschaft in Erscheinung traten: etwa Pythagoras, Sokrates oder Platon. Ihnen allen geht damit das Gros der alttestamentlichen Schriftprophetie voraus.638 Auch diejenigen, so Augustin in einem zweiten Schritt, die sich selbst noch nicht als Philosophen bezeichneten, nämlich die bereits in ciu. XVIII 25 bedachten ‚sieben Weisen‘, haben großteils nach den hebräischen Schriftpropheten gelebt oder seien allenfalls deren Zeitgenossen gewesen.

637  Die von Augustin in ciu. XVIII 37–39 vorgetragene Position, dass die ägyptische und die griechische Weisheit von der hebräischen abhängen, wird auch als ‚Theorie der translatio sapientiae‘ bezeichnet (vgl. Eskhult, Primeval language, S.  334). 638 Vgl. ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  1–13. Das noch in doctr. chr. 2,43, S.  138, Z.  27 – S.  140, Z.  39 angeführte, wohl von Ambrosius übernommene Argument, dass Platon zur Zeit Jeremias gelebt und von diesem belehrt worden sei – die Weisheit der Juden daher älter sei als die der Platoniker (vgl. Näf, Geschichtsschreibung, S.  198) –, führt Augustin bei seiner Verteidigung des höheren Alters der hebräischen Prophetie gegenüber der heidnischen Weisheit in ciu. XVIII 37–41 nicht mehr an. Bereits ciu. VIII 11, S.  227, Z.  1 – S.  228, Z.  18 zeigt, dass Augustin diese Annahme chronologisch fraglich geworden war, weshalb er sie auch in retr. 2,4,2, S.  93, Z.  19–23 widerruft (vgl. Dulaey, Art. Hieremias, Sp.  314 f.). In ciu. VIII 11 geht Augustin ferner davon aus, dass Platon Kenntnisse über das Alte Testament hatte, die wiederum sein Denken und Schreiben beeinflussten, und führt als Beispiel Ähnlichkeiten zwischen dem Beginn des Buches Genesis und dem Timaios an. Sei er zwar nicht des Hebräischen mächtig gewesen, sodass er in einer Zeit vor der Entstehung der LXX selbst in den biblischen Texten hätte lesen können, so habe er dennoch bei seinem Aufenthalt in Ägypten durch „mündliche Unterhaltung“ (colloqui) viel von deren Inhalt in Erfahrung bringen können (vgl. ciu. VIII 11, S.  227, Z. 1 – S.  228, Z. 23).

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Vor den sieben Weisen habe allerdings Mose gelebt, „unser wahre Theologe“ (uerus theologus noster)639, wie Augustin ihn betitelt. Erstmals tritt hervor, um welchen Konflikt es Augustin geht: die Streitfrage des Ursprungs der ‚wahren Theologie‘, d. h. des Monotheismus. Geht man wie Augustin davon aus, dass der historische Mose die Lehre des „einen wahren Gottes“ (unus uerus deus)640 vertreten habe, so ist damit klar, dass diese „wahre Weisheit“ (uera sapientia)641 ihren Ursprung keinesfalls bei den Griechen gehabt haben könne, da deren Weisheit in jedem Fall nach Mose zu ihrer Blüte kam. Um schließlich dem Argument zu begegnen, dass ebenjener Mose seine Bildung und Weisheit derjenigen Ägyptens verdanke, da er doch „in jeder Weisheit der Ägypter“ (omnis sapientia Aegyptiorum)642 unterrichtet worden war, geht Augustin noch einen weiteren Schritt in die Vergangenheit: Durch eine Ausweitung der Prophetenbezeichnung auf den Erzvater Abraham kann er an seiner These festhalten, dass die alttestamentliche Prophetie älter als jede heidnische Weisheit ist. Den Beginn der ägyptischen Weisheit datiert Augustin auf den Beginn der Schriftlichkeit dieser Kultur, als nämlich die später als Göttin 639 Vgl.

ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  25. Isabelle Bochet erinnert daran, dass Augustin die Bezeichnung einer Person als „Theologen“ (theologus), gegenüber einer heute geläufigen Rede von einer ‚christlichen Theologie‘, üblicherweise paganen Philosophen vorbehält, die sich über Gott äußern (vgl. etwa seine Auseinandersetzung mit Varros Lehre von der theologia tripartita in ciu. VIf.). Deshalb erkennt sie in der Titulierung von Mose als „unseren wahren Theologen“ gerade vor dem Hintergrund des apologetischen Kontextes von ciu. XVIII 37 die Absicht Augustins, die Überlegenheit Moses über alle paganen ‚Dichtertheologen‘ herauszustellen (vgl. Bochet, La figure, S.  13; s. dazu auch Dulaey, La geste [2], S.  228 mit Anm.  272). Insgesamt scheint Bochet das Bild, das Augustin in ciu. von Mose zeichnet, in erster Linie von dessen Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie, im Besonderen mit den Anhängern der Lehren des Porphyrios geprägt zu sein. Mose wird zum Repräsentanten der ‚wahren Religion‘, des ‚universalen Heilsweges‘, der (bereits vor der Inkarnation Christi) potentiell jedem offenstand. Dies dient Bochet auch zur Erklärung, weshalb die eigentlich mit Mose verbundenen biblischen Geschehnisse (Herausführung des Volkes Israel, Gabe des Gesetzes) aufgrund ihrer engen Bezogenheit auf das Volk Israel in ciu. nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Bochet, a. a. O., S.  13 f.; dies., Le firmament, S.  480–489; zur Problematik von ciu. XVI 43 s. Abschnitt 3.4.1). 640 Vgl. ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  25 f. 641 Vgl. ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  3 0. Auch wenn Augustin den Ursprung dieser die Religion betreffenden ‚wahren Weisheit‘ bei den Hebräern sieht, kann er den Griechen dennoch zuerkennen, Fortschritte in den „Wissenschaften dieser Welt“ (litterae huius saeculi) gemacht zu haben (vgl. ciu. XVIII 37, S.  632, Z.  27–29). Vgl. auch sein vielfältiges Lob des wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts der Menschheit in ciu. XXII 24, der hier aber nicht auf die Eigentätigkeit des Menschen, sondern auf Gottes gute Schöpfung zurückgeführt wird. Zugleich wird hier aber auch die Ambivalenz dieses Erkenntnisfortschritts aufgezeigt, da dieser vom Menschen auch zum Bösen missbraucht werden kann (vgl. ciu. XVIII 24, S.  849, Z.  95–98), was wiederum seine Ursache in der Ursünde hat (vgl. dazu Mommsen, Idea, S.  374). Die für Augustins Denken bestimmende, grundsätzliche Unterscheidung zwischen der wahren sapientia dei und der fehlbaren sapientia mundi führt Gerd van Riel auf dessen Auseinandersetzung mit den paulinischen Briefen (insbesondere 1Kor 1,18–31) in den 390er-Jahren zurück (vgl. Riel, Art. Sapiens, Sp.  61 f.). 642 Vgl. ciu. XVIII 37, S.  633, Z.  35 f., mit Zitat aus Apg 7,22.

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verehrte Isis den Ägyptern das Schreiben lehrte.643 Zur Zeit des Mose könne in Ägypten deshalb von „einiger Gelehrsamkeit“ (nonnulla doctrina) oder gar „Weisheit“ (sapientia) die Rede sein.644 Da jedoch zur Zeit der Regentschaft von Isis’ Vater Inachus der Stammvater Abraham bereits Großvater war, kann die ägyptische Weisheit nicht älter sein als die alttestamentliche Prophetie, wo doch Abraham nach biblischem Zeugnis als Prophet zu gelten hat (vgl. Gen 20,7). Diese Argumentation ist jedoch nur dann stimmig, wenn man die durchaus fragwürdige Auffassung Augustins teilt, dass die ägyptische Göttin Isis mit der in Griechenland verehrten Io (Ἰώ), die nach der Mythologie eine Tochter des Argiverkönigs Inachus war, identisch ist.645 Führt man sich dann vor Augen, dass nach Augustin das Hebräische bereits zu Zeiten Hebers nicht nur als gesprochene Sprache existierte, sondern auch zur Literalität gefunden hatte, so wird noch deutlicher, dass er die hebräische Kultur (Sprache, Schrift und Gelehrsamkeit) als die aller anderen zeitlich (und damit nach dem antiken Prinzip πρεσβύτερον κρεῖττον auch qualitativ) vorgeordnete beurteilt.646 Jedoch kann Augustin seine These vom höheren Alter der hebräischen Weisheit mit einer weniger voraussetzungsreichen Argumentation begründen, wenn er in ciu. XVIII 38 mit Noah und Henoch noch ältere biblische Gestalten nennt, die ebenfalls geweissagt hätten: jener in Gestalt einer großen Zeichenhandlung mit dem Bau seiner Arche,647 dieser durch Gerichtsprophetie nach dem Zeugnis des Judasbriefes ( Jud 14 f.).648 Allerdings begegnet bei diesen frühesten ‚Propheten‘ die Schwierigkeit, dass es sich bei den Schriften, die von ihnen stammen sollen, nach dem Urteil der Juden wie auch der Christen um jüngere Pseud­ epigraphen handelt und sie somit weder bei den einen noch bei den anderen in den Kanon aufgenommen wurden.649 Der Behauptung, jene frühen Patriarchen wären zwar der Sprache des Hebräischen mächtig gewesen, von einer Schriftlichkeit, die das Ausbilden einer Weisheit erst ermögliche, könne aber 643 Vgl.

ciu. XVIII 37, S.  633, Z.  4 0–42 und XVIII 39, S.  634, Z.  18–21. ciu. XVIII 37, S.  633, Z.  32–34. 645  Diese Sicht begegnet in ciu. an etwas früherer Stelle: „nam et Io filia Inachi fuisse perhibetur, quae postea Isis appellata ut magna dea culta est in Aegypto“ (ciu. XVIII 3, S.  596, Z.  34–36). Augustin scheint sich hier auf Hieronymus, Chron., S.  27b, Z.  14 f. zu stützen: „Inachi filia Io, quam Aegyptii mutato nomine Isidem colunt“. 646  Vgl. zu Heber Abschnitt 2.2.1. Zur Herkunft des Ausdrucks πρεσβύτερον κρεῖττον vgl. Pilhofer, Presbyteron, S.  18. 647 Vgl. ciu. XVIII 38, S.  633, Z.  1–5; siehe zu Augustins Auslegung der Arche als Symbol: Abschnitte 2.1.2 und 2.1.3. 648 Vgl. ciu. XVIII 38, S.  633, Z.  5 f. 649 Vgl. ciu. XVIII 38, S.   633, Z.  7–15. Über den Zweifel an der Authentizität hinaus nennt Augustin als weiteren Grund, diesen Schriften keinen Glauben zu schenken, deren mangelnde Übereinstimmung mit dem „Glauben(-sgehalt) der kanonischen Bücher“ ( fides librorum canonicorum; vgl. ciu. XVIII 38, S.  634, Z.  30–36; s. dazu O’Daly, A reader’s guide, S.  189). Damit wird implizit deren Inspiriertheit durch den Heiligen Geist bestritten, da nach der Vorstellung Augustins dieser für die innere Einhelligkeit der biblischen Schriften verantwortlich ist. 644 Vgl.

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erst nach dem Zeitpunkt der Gabe des Gesetzes durch Mose ausgegangen werden, widerspricht Augustin mit dem Argument, dass Mose noch vor der Niederschrift des Gesetzes Schriftgelehrte zur Unterweisung des Volkes eingesetzt hatte, die nach der Septuaginta γραμματοεισαγωγεῖς (vgl. Dtn 1,15) hießen.650 Im Anschluss an die bislang rein chronologische Argumentation wird nun auch ein inhaltliches Argument für die Erhabenheit der Weisheit „unserer Pa­ triarchen und Propheten“ (patriarchae et prophetae nostri)651 angeführt: So beschränkte sich nämlich die frühe ägyptische Weisheit, die Augustin aus diesem Grund auch nur als „Gelehrsamkeit / Wissenschaft“ (doctrina)652 bezeichnet, auf die Astronomie und verwandte Wissenschaften. Man stellte sich aber nicht die Fragen der Philosophie, so etwa deren Kernfrage, wie der Mensch glückselig werden könne. „Wahre Weisheit“ (uera sapientia), die „Geister“ zu „erleuchten“ (inluminare mentes) vermag,653 kann Augustin unter den heidnischen Völkern erst bei Merkur (Hermes) Trismegistus erkennen, von dem er offensichtlich ausgeht, dass er als historische Person (freilich nicht als Göttergestalt) existiert habe. Doch auch das Auftreten dieses frühesten heidnischen Vertreters einer wahren Weisheit wird in zweierlei Hinsicht relativiert: zum einen mit dem chronologischen Argument, dass er nach Mose lebte, zum anderen durch die Definition, dass die Philosophie des Merkur zwar die uera sapientia, nicht aber die „göttliche Weisheit“ (diuina sapientia)654 zum Inhalt hatte, die zu dieser Zeit allein den Patriarchen und Propheten vorbehalten war. Auf seiner These fußend, dass die ägyptische Wissenschaft erst mit der durch Isis (= Io) eingeführten Schriftlichkeit ihren Anfang nehmen konnte, und eingedenk der Tatsache, dass gemäß den biblischen Angaben seit Adam erst knapp sechstausend Jahre vergangen sind, muss Augustin die Behauptung, die ägyptische Weisheit sei älter als hunderttausend Jahre, nicht nur für in doppelter Hinsicht falsch, sondern auch für „äußerst prahlerisch“ (uanissimus) halten.655 An diesem Beispiel wird ein Grundprinzip von Augustins Umgang mit Quellen deutlich: Den Angaben der Bibel ist gegenüber jeder profanen Geschichtsdarstellung der Vorzug zu geben, da die heiligen Schriften durch die „göttliche Autorität“ (auctoritas diuina)656 legitimiert sind. Deshalb ist im Blick auf das

650 Vgl.

ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  1–12. ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  13 f. 652 Vgl. ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  21. 653 Vgl. ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  24. 654 Vgl. ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  14. 655 Vgl. ciu. XVIII 40, S.  635, Z.  1–7. Der Auffassung, die Menschheit existiere schon weit länger als sechs Jahrtausende, hat Augustin schon in ciu. XII 11 vehement widersprochen. Hier zieht er die griechische Geschichtsdarstellung der ägyptischen vor, da sich erstere deutlich besser mit den in der Bibel angegebenen Jahreszahlen in Einklang bringen lässt (vgl. ciu. XII 11, S.  366, Z.  27–30). 656 Vgl. ciu. XVIII 40, S.  635, Z.  2 2. 651 Vgl.

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„profane Schrifttum“ (saeculares litterae)657 demjenigen Geschichtsschreiber am ehesten Glauben zu schenken, „der der göttlichen Geschichte, an der wir festhalten, nicht widerspricht“.658 Wenn Augustin in ciu. XVIII 39 von den patriarchae et prophetae nostri spricht,659 deren Weisheit älter als die der Ägypter sei, so unterstreicht er durch das Possessivpronomen noster den Anspruch der Kirche, in der würdigen Nachfolge der alttestamentlichen Patriarchen und Propheten zu stehen, nachdem die Juden durch ihren Unglauben diesen Anspruch verloren haben.660 Die Verteidigung des hohen Alters der hebräischen Weisheit in ciu. XVIII 37–41 ist letztlich eine Verteidigung der Kirche und ihrer Lehre. Es geht um nichts Geringeres als den Anspruch der Kirche, von Anfang an im Besitz der wahren (und göttlichen) Weisheit gewesen zu sein. Der Rückbezug auf die Patriarchen, wie er etwa auch durch Augustins Rede von der ecclesia ab Abel oder durch das Motiv des semen spiritale Abrahae hergestellt wird, ist im Rahmen einer großangelegten Verteidigungsstrategie zu sehen, die bereits lange vor Augustin zu den wesentlichen Elementen christlicher Apologetik gehörte. Galt es doch für das frühe Christentum, sich in einer vormodernen Welt, in der das Ältere in der Regel für das Bessere gehalten wurde (Anciennität), zu behaupten. In jüngerer Zeit ist von Isabelle Bochet ein interessanter Vorschlag zum Verständnis des zweiten Teils von ciu. gemacht worden, der auf der Prämisse beruht, dass dieses Werk insgesamt zum Hauptziel hat, die christliche Religion und ihre Lehre als die uera religio zu erweisen, die den paganen Philosophien und 657 Vgl.

ciu. XVIII 40, S.  635, Z.  23 f. et ipsa historicorum inter se dissonantia copiam nobis praebet, ut ei potius credere debeamus, qui diuinae, quam tenemus, non repugnat historiae.“ (ciu. XVIII 40, S.  635, Z.  14–16) Diesen Grundsatz führt Augustin auch in ciu. XII 11, S.  366, Z.  28–38 und ciu. XXI 6, S.  766, Z.  10 – S.  767, Z.  18 an. Vgl. auch die von ciu. XI 3 ausgehenden Ausführungen Jürgen Habermas’ über das Verhältnis zwischen der Autorität der biblischen Schriften und historiographischen Zeugnissen als auf sinnlicher Wahrnehmung beruhenden Erzeugnissen im Horizont der neuplatonischen Bildung Augustins (vgl. Habermas, Geschichte, S.  607 f.). Der Einschätzung Christoph Horns dagegen, der bei Augustin „keine dezidierte Unterscheidung zwischen heilsgeschichtlich bedeutsamen und bloß säkularen Quellentexten“ zu erkennen meint, ist deutlich zu widersprechen (vgl. Horn, Geschichtsdarstellung, S.  175). 659 Vgl. ciu. XVIII 39, S.  634, Z.  13 f. Ähnlich hatte Augustin im Kapitel zuvor von „unserem Erzvater Noah“ / „noster Noe patriarcha“ gesprochen. Von „unserem David“ / „Dauid noster“ schreibt er in ep.  138,19, S.  147, Z.  13 f. Von „unseren Vätern, den Patriarchen und Propheten“ / „patres nostri patriarchae atque prophetae“ ist in c. Faust. 22,98, S.  703, Z.  17 die Rede. 660  Zum christlichen Anspruch auf die Patriarchen schreibt Augustin zu Beginn seines Traktats adu. Iud. im Anschluss an das paulinische Bild des Ölbaums (Röm 11,17–24): „hoc dixit utique de Iudaeis, qui tanquam rami ex illa olea, quae in sanctis patriarchis tanquam in radice fructifera, propter infidelitatem fracti sunt; ut gentium propter fidem insereretur oleaster, et fieret particeps pinguedinis oleae ramis naturalibus amputatis.“ (adu. Iud. 1, S.  51, Z.  11–16) 658  „nam

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Kultpraktiken überlegen ist.661 Der neue Vorschlag Bochets geht von der in ciu. VIII 4 vorgetragenen von Platon vorgenommenen Dreiteilung der Philosophie in eine natürliche, eine rationale und eine ethische Philosophie aus 662 und versteht die drei Textcorpora ciu. XI-XIV; XV-XVIII; XIX-XXII als zu jenen drei Teilen der Philosophie korrespondierend. Jene Textcorpora böten also die christliche Antwort auf die drei zentralen Fragestellungen der Philosophie: So würde in ciu. XI-XIV Gott als „principe de la nature“, in ciu. XV-XVIII Gott als „verité de la doctrine“ und in ciu. XIX-XXII Gott als „félicité de la vie“ entfaltet.663 Bochet hat damit tatsächlich wesentliche inhaltliche Schwerpunkte von ciu. XI-XXII erfasst. Die Plausibilität ihrer These kann hier nur in Bezug auf ciu. XV-XVIII beurteilt werden, ob Augustin also in diesen vier Büchern in erster Linie die ‚rationale‘ Philosophie im Blick und den Nachweis der Wahrheit der christlichen doctrina zum Ziel hat.664 Neben der von Augustin in ciu. XVIII 37–41 explizierten zeitlichen und inhaltlichen Vorordnung der christlichen doctrina (hier insbesondere in Form der alttestamentlichen Prophetie und Weisheit) vor der paganen Philosophie hebt Bochet zur Begründung ihrer These inbesondere auf Augustins Verteidigung der Wahrheit der biblischen Schriften auf der historischen Ebene ab. Auch Augustins durchgängiges Bestreben, die alttestamentlichen Prophetien bzw. die alttestamentlichen Ereignisse, Gestalten und Institutionen (mittels figürlicher Auslegung) als in Christus und der Kirche erfüllt darzustellen, diene dem für ciu. XV-XVIII angenommenen Argumentationsziel.665 Sofern man ihre Prämisse teilt, dass sich auch der zweite Teil von ciu. in erster Linie an der paganen Philosophie abarbeitet, stellt Bochets Heuristik in der Tat einen plausiblen Zugang zu ciu. XV-XVIII dar. Zugegebenermaßen entbehrt eine solche verallgemeinernde Charakterisierung eines derart umfangreichen und inhaltlich vielseitigen Quellenabschnitts wie ciu. XV-XVIII aber auch nicht einer gewissen Problematik. In ciu. XVIII 41 führt Augustin noch ein weiteres Argument an, warum die Heilige Schrift der profanen Philosophie vorzuziehen ist: Während sich die biblischen Schriften nämlich als untereinander „einhellig“ (concors)666 erweisen, gibt es unter den profanen Philosophen „nahezu unzählige Meinungsverschiedenheiten“ (paene innumerabiles dissensiones)667. Zurückgeführt wird diese Vielstimmigkeit erstens darauf, dass die profanen Philosophen sich nur mit 661  Vgl.

Bochet, Le firmament, S.  415–419. Plato utrumque iungendo philosophiam perfecisse laudatur, quam in tres partes distribuit: unam moralem, quae maxime in actione uersatur; alteram naturalem, quae contemplationi deputata est; tertiam rationalem, qua uerum disterminatur a falso.“ (ciu. VIII 4, S.  220, Z.  24–28; s. dazu Bochet, Le firmament, S.  420–423) 663 Bochet, Le firmament, S.  430. 664  A.a.O., S.  438. 665  A.a.O., S.  438–443. 666 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  7 7. 667 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  6 0. 662 „proinde

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„menschlichen Sinnen und menschlichen Vernunftschlüssen“ (humani sensus et humanae ratiocinationes)668 um die Frage bemühen, wie man im Leben zur Glückseligkeit gelangt. Zweitens habe bei einigen Philosophen die Ruhmsucht zu abweichenden Positionen geführt, um als Erfinder einer neuen Lehre zu gelten.669 Ferner mangele es drittens der profanen Philosophie einer Autorität, über die verschiedenen sich widersprechenden Positionen zu urteilen, um diese zu billigen, jene zu verwerfen und auf diese Weise für Einhelligkeit zu sorgen.670 Schließlich nennt Augustin noch einen vierten, sozusagen metaphysischen Grund für die Uneinigkeit in der profanen Philosophie. Denn sie gehört zur ciuitas terrena, deren Symbolstadt ‚Babylon‘ bekanntlich ‚Verwirrung‘ bedeutet:671 „Und dem Teufel, der ihr König ist, liegt nicht daran, dass sie [sc. die Philosophen] sich mit den entgegengesetzten Irrtümern untereinander zanken; hat er sie doch (alle) wegen ihrer reichlichen und vielfältigen Gottlosigkeit verdientermaßen im Besitz.“672 Spiegelbildlich lässt sich die Einhelligkeit der Verfasser der biblischen Schriften erklären: Erstens bestimmt nicht der (fehlbare) menschliche Verstand ihr Reden, sondern Gott, der durch sie spricht.673 Zweitens bewahrte ihr an Gott ausgerichteter Lebenswandel sie davor, sich etwa aus Ruhmsucht durch konträre Positionen von anderen bewusst abzuheben.674 Drittens wird innerhalb der ciuitas dei zwischen wahrer und falscher Prophetie unterschieden, und es werden nur jene Schriften in den biblischen Kanon aufgenommen, die im Einklang miteinander stehen.675 Schließlich sind viertens die Verfasser der biblischen 668 Vgl.

ciu. XVIII 41, S.  635, Z.  6. ciu. XVIII 41, S.  635, Z.  7 – S.  636, Z.  13. 670  Augustin nennt hier als mögliche Autoritäten das Volk, den Senat, einen Würdenträger oder einen Machthaber; vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  61–63. 671 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  67–71. 672  „nec interest diaboli regis eius, quam contrariis inter se rixentur erroribus, quos merito multae uariaeque impietatis pariter possidet.“ (ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  71–73) 673 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  81–83. Später stellt Augustin dem „Geist des Menschen“ (hominis ingenium) das „Wort Gottes“ (dei eloquium) gegenüber, wobei er beides allerdings nicht als völlig entgegengesetzt betrachtet. So billigt er den profanen Philosophen durchaus zu, auch Wahres (wie etwa die göttliche Erschaffung der Welt oder bestimmte Tugenden) erkannt zu haben (vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  88 – S.  638, Z.  99). 674 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  79–81. Augustin hebt hervor, dass unter den biblischen Schriftstellern Menschen jeder sozialen Schicht und von unterschiedlichem Bildungsstand waren, sodass Konkurrenz oder akademische Streitsucht keine Rolle spielten (vgl. ciu. XVIII 41, S.  636, Z.  18–21). 675 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  74–79. Auch hier bleibt Augustin im Hinblick auf die Autorität recht vage: „gens illa, ille populus, illa ciuitas, illa res publica, illi Israelitae“. Diese Offenheit lässt zugleich aber auch Raum für eine ekklesiologische Weiterführung. So haben nicht nur die Israeliten über die Richtigkeit und Kanonizität der Schriften befunden, sondern auch die Kirche ist vor diese Aufgabe gestellt. Ein vermeintlich hohes Alter einer Schrift, die als Verfasser etwa Henoch angibt, würde Verdacht erregen, nicht authentisch zu sein, sodass sie keinen Eingang in den Kanon findet (vgl. ciu. XVIII 38, S.  633, Z.  5 –15). Zudem werde eine Schrift auch dann nicht in den Kanon 669 Vgl.

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Schriften nicht wie die profanen Philosophen in der Hand des Teufels, der sie durch bewusstes Nichteingreifen in der Verwirrung belässt, sondern sie sind in ihrem Denken, Handeln und Reden bestimmt von Gott, der im Gegensatz zum Teufel durch seine „Orakelsprüche“ (oracula diuina)676 immer wieder auf die Schriftsteller der Bibel Einfluss nimmt und somit als ein Garant für die Einhelligkeit der biblischen Schriften fungiert. So ist es nicht die über die Zugehörigkeit der Schriften zum Kanon befindende ciuitas dei, sondern letztlich die „göttliche Autorität“ (diuina auctoritas)677, die für die Wahrheit der Schriften verantwortlich ist. Diese die Verfasser der heiligen Schriften leitende göttliche Autorität ist es auch, die deren Einhelligkeit trotz ihrer erklecklichen Zahl als „wunderbar“ (mirandus) erscheinen lässt.678 Augustins Polemik gegen die widersprüchliche Vielfalt paganer Philosophien, die er mit der Einheitlichkeit biblischer Glaubenszeugnisse kontrastiert, kann auch als eine implizite Kritik an Porphyrios gelesen werden. War dieser doch der Auffassung, die Philosophie könnte durch die vergleichende Beschäftigung mit den verschiedenen alten religiösen Traditionen am Ende jenen „allgemeinen Weg zur Befreiung der Seele“ (uia uniuersalis animae liberandae) finden, zu dem sie bisher noch nicht vorgedrungen ist.679 Dieser Vorstellung des Porphyrios, die eine grundsätzliche Gleichwertigkeit all dieser Traditionen voraussetzt, hat Augustin in ciu. X 32 vehement widersprochen und dagegen Christus als die eine Wahrheit und den exklusiven Weg zu Gott gestellt.680 aufgenommen, wenn sie „dem Glauben(-sinhalt) der kanonischen Bücher widerspreche“ (contra fidem librorum canonicorum), denn dann könne sie ebenfalls nicht von einem echten Propheten stammen (vgl. ciu. XVIII 38, S.  634, Z.  33–36). 676 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  637, Z.  87. 677 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  636, Z.  15. Die durch die diuina auctoritas garantierte Fehlerlosigkeit der Heiligen Schrift ist eine zentrale Voraussetzung der Schrifthermeneutik Augustins. Dass Paulus nach Gal 2,14 Petrus öffentlich tadelte, er handele nicht nach der Wahrheit des Evangeliums, wurde zum Ausgangspunkt einer Debatte zwischen Hieronymus und Augustin, ob die Bibel Lügen enthalten könne – stammen doch zwei Briefe des neutestamentlichen Kanons von Petrus. Augustin verteidigte dabei vehement die These, dass die Bibel unfehlbar sei (vgl. ep.  28,3, S.  107, Z.  6 – S.  108, Z.  10; 28,5, S.  111, Z.  1 – S.  112, Z.  4; 82,5, S.  355, Z.  18 – S.  356, Z.  6). Nach Marco Rizzi musste er dies auch tun, da andernfalls „the whole con­ struction of Augustine’s hermeneutical theory would collapse“ (vgl. Rizzi, Appreciation, S.  268 f. 275–277; Zitat S.  277; s. dazu auch Fürst, Art. Mendacium, Sp.  1265; ders., Briefwechsel, S.  36–45). 678 Vgl. ciu. XVIII 41, S.  636, Z.  21–24. 679 Vgl. ciu. X 32, S.  3 09, Z.  1 f. Diese Vorstellung darf allerdings nicht im Sinne eines modernen Universalismus aufgefasst werden: Vielmehr läuft es bei Porphyrios, wie David DeMarco nachweist, auf einen religiösen Elitarismus hinaus. Der Aufstieg der Seele zu Gott steht nämlich nur jenen hart arbeitenden Philosophen offen, die sich in entsprechender Weise mit den alten Weisheiten befassen (vgl. DeMarco, Porphyry, S.  325). 680 Der Auffassung des Porphyrios musste Augustin auch deswegen widersprechen, da dieser den Weg zu Gott abhängig machte von der geistigen Tätigkeit des Philosophen. Nach Augustin dagegen entscheidet allein die Determination Gottes darüber, wer durch seine Gnade in das Heil aufgenommen wird (vgl. DeMarco, Porphyry, S.  315).

5  Das fünfte Weltzeitalter: Von der Babylonischen Gefangenschaft bis zum Kommen Christi 5.1 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVII Das fünfte Weltzeitalter erfährt am Ende des Buches XVII nur eine sehr kurze Behandlung, was erneut daran liegen mag, dass Augustin hier schlicht der Platz fehlte.1 Schwerer scheint aber zu wiegen, dass aus der Sicht Augustins in diesem fünften Weltzeitalter keine nennenswerte positive Entwicklung innerhalb des Volkes Israel festzustellen ist, die denjenigen in den vorangegangenen Weltzeitaltern vergleichbar wäre. So wurde zwar sowohl die politische Spaltung als auch die diuisio religionis im Volk Israel überwunden, als die nach Babylon Deportierten zurückkehren und ihren Tempel neu errichten durften: Und, obwohl sehr viele von ihnen [sc. den Israeliten] in fremden Ländern verweilten, hatte es doch nicht mehr zwei Reichsteile und zwei verschiedene Könige in den einzelnen Teilen gegeben, sondern es gab in Jerusalem nur einen Fürsten, und zu dem Tempel Gottes, der dort war, kamen zu bestimmten Zeiten alle von allen Seiten her, wo immer sie waren und woher sie nur konnten.2

Allerdings bleibt Israel von Feinden und Eroberern bedroht: Von einem wirklichen Neuanfang Gottes mit Israel, der mit politischer Autonomie und diesem Volk verheißener andauernder Sicherheit und Stabilität einhergeht, kann nicht die Rede sein. Es gibt im fünften Weltzeitalter keine politischen Führungsgestalten, die den Königen David oder Salomo im vierten Weltzeitalter vergleichbar wären. Erschwerend kommt hinzu, dass Augustin den Beginn des fünften Weltzeitalters nicht explizit benennt, sondern dass dieser aus seinen Aussagen in ciu. XVII 24; XVIII 1.26.36 sowie seiner Rezeption von Mt 1,17 erschlossen werden muss. Da es zu Beginn des fünften Weltzeitalters mit der Errichtung des Zweiten Tempels und der Erlangung einer relativen politischen Eigenständigkeit nur bedingt zu einem Neuanfang Gottes mit der ciuitas dei kommt, findet sich auch im weiteren Verlauf die in den vorigen Weltzeitaltern erkannte Dynamik nur begrenzt wieder: Die Unterwerfung Israels durch die Römer im Verlauf des 1 Vgl.

ciu. XVII 24, S.  592, Z.  22–25. quamuis plurimi eius in alienigenarum degerent terris, non habuit tamen deinceps duas regni partes et duos diuersos in singulis partibus reges; sed in Hierusalem princeps eorum erat unus, atque ad dei templum, quod ibi erat, omnes undique, ubicumque essent et undecumque possent, per certa tempora ueniebant.“ (ciu. XVII 23, S.  591, Z.  22–27) 2  „et

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fünften Weltzeitalters stellte ja lediglich einen Wechsel in der Fremdherrschaft dar, der kaum als ein krisenhaftes Ereignis gesehen werden kann, das den vorigen Krisen wie der Sintflut oder dem Babylonischen Exil vergleichbar wäre. So gesehen findet die eigentliche ‚Krise‘ für das Volk Israel, die Einnahme Jerusalems und die Zerstörung des Zweiten Tempels im Zuge des Jüdischen Krieges, zeitversetzt erst nach dem Wirken Jesu und somit innerhalb des sechsten Weltzeitalters statt. Sie ist in der Sicht Augustins nur die äußere Folge und der tragische Höhepunkt eines Prozesses, der bereits innerhalb des vierten Weltzeitalters begonnen hat und sich im fünften fortsetzt: die Lösung Gottes vom (irdischen) Volk Israel aufgrund von dessen fortgesetzter Untreue und Sündhaftigkeit trotz der fortwährenden Sendung von Propheten. Jedoch werden im fünften Weltzeitalter Propheten gegenüber der Zeit der beiden Teilreiche und der Babylonischen Gefangenschaft kaum noch gesandt. Augustin geht gar von einem (vorläufigen) Ende der Prophetie nach Esra aus. Erst unmittelbar vor der Inkarnation Christi seien wieder Propheten aufgetreten.3 Allerdings ist dieses ‚Fehlen‘ von Propheten nach Esra vor dem Hintergrund eines engeren Prophetieverständnisses zu sehen: Zum einen gelten hier nur diejenigen als Propheten, denen vonseiten der Juden eine „göttliche Würde“ (auctoritas diuina) zuerkannt wurde, insofern nämlich ihre Schriften in deren Kanon aufgenommen worden sind (auctoritas canonis).4 Zum anderen lässt die Formulierung, dass „sie [sc. die Juden] nach Esra keine Propheten mehr hatten“,5 Raum für die Annahme, dass es durchaus Propheten nach Esra gab, die allerdings von den Juden nicht als solche anerkannt6 bzw. gar nicht zu ihnen gesandt wurden. Auf dieser Grundlage kann man also von einem zweifachen Ende der Prophetie für das Volk Israel sprechen: Einerseits wurde dieses Ende von den Juden selbst heraufgeführt, indem sie keinem der Propheten nach Esra mehr göttliche und kanonische Würde mehr zusprachen, andererseits wandelt sich der Adressatenkreis der Prophetien zum Ende des tempus prophetarum hin, so dass die letzten Propheten vor der Ankunft Christi ganz im Dienst des Neuen Bundes stehen. Johannes der Täufer, dessen prophetisches Wirken Augustin zufolge auf Christus ausgerichtet ist, bildet nach dem Herrenwort Mt 11,13 den Abschluss von ‚Gesetz und Propheten‘. Die Intention, die Augustin

3 Vgl.

ciu. XVII 24, S.  591, Z.  1–4. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  14 f.19–21. 5 Vgl. ciu. XVII 24, S.  591, Z.  3 f. 6  Augustin geht ja von einer weitaus größeren Zahl von wahren Propheten aus (magna multitudo prophetarum), von denen allerdings nur „sehr wenige“ (perpauci) von den Juden als autoritativ und somit kanonisch angesehen wurden (vgl. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  19–21; s.  auch ciu. XVIII 26, S.  617, Z.  14–16). 4 Vgl.

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mit dem Anführen der unmittelbar vor Christus auftretenden Propheten in ciu. XVII 24 verbunden haben wird, wird von Gerard J. P. O’Daly treffend beschrieben: „He wishes to suggest the continuity between these prophets of the Gospel texts, not accepted by the Jews, and the earlier Jewish prophets.“7 Augustin nimmt hier erneut seinen Gedanken aus ciu. XVII 7 auf,8 dass mit der König Saul durch den Propheten Samuel angekündigten Zweiteilung Israels eigentlich bzw. „wahrhaft“ (uere) die Trennung jenes Volkes in Christusgläubige und Christusfeinde gemeint sei, und nicht die ‚Reichsteilung‘ in Juda und Israel unter Rehabeam und Jerobeam: Aber die Weissagungen dieser [sc. dieser fünf Prophetengestalten: Zacharias, Elisabeth, Simeon, Hanna, Johannes d. T.] werden von den verworfenen Juden nicht angenommen; jedoch haben Zahllose von ihnen [sc. von den Juden] sie angenommen, (nämlich) diejenigen, die dem Evangelium glaubten. Denn erst damals [und nicht bereits unter Rehabeam; R.Z.] wurde Israel wahrhaft (uere) in zwei Teile gespalten, eine Teilung, die dem König Saul durch den Propheten Samuel als unwiderruflich (inmutabilis)9 vorherverkündet worden war.10

Also gilt die Aussage, dass Esra der letzte Prophet war, nicht für diejenigen Juden, die auch den späteren Prophetengestalten vor der Ankunft Christi Glauben schenkten und die Christus annahmen. Positiv gewendet bedeutet dieser Prozess die Universalisierung des Heils: Im Zuge der Ausbreitung des Evangeliums unter den Völkern ist es nun nicht mehr ein einzelnes Volk, in dem die Glieder der ciuitas dei vornehmlich existieren, sondern von nun an entstammen sie allen Völkern der Welt gleichermaßen.

7 

O’Daly, A reader’s guide, S.  183. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  15–17; zu dieser bereits anhand von ciu. XVII 7 diskutierten Vorstellung Augustins vgl. Abschnitt 4.4.2. 9  In Augustins Annahme, dass die Teilung Israels als „unwiderruflich“ (inmutabilis) prophezeit wurde (zu denken ist hier wohl an 1Sam 15,26–29 LXX, wonach sich Gott seines Entschlusses, Saul das Königtum zu entreißen und Israel in zwei Teile zu spalten, nicht gereuen wird), liegt sicher einer der Gründe, warum er davon ausgeht, dass mit der in 1Sam 15,29 angedrohten Teilung in Wirklichkeit (uere) nur eine Teilung gemeint sein könne, die irreversibel ist: Angesichts der nur wenige Jahrhunderte andauernden Spaltung Israels in ein Nord- und ein Südreich muss also in den Augen Augustins die Androhung einer unwiderruflichen Teilung Israels ein anderes Ereignis im Blick gehabt haben. 10  „sed hanc istorum prophetiam Iudaei reprobi non accipiunt; acceperunt autem, qui ex eis innumerabiles euangelio crediderunt. tunc enim uere Israel diuisus est in duo diuisione illa, quae per Samuelem prophetam Sauli regi est inmutabilis praenuntiata.“ (ciu. XVII 24, S.  592, Z.  13–17) Gerard J. P. O’Daly geht davon aus, dass Augustin hier eine Kontinuität zwischen den frühen jüdischen Propheten und diesen Propheten der neutestamentlichen Evangelien herzustellen versucht (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  183). 8 Vgl.

5  Das fünfte Weltzeitalter: Von der Babylonischen Gefangenschaft bis zum Kommen Christi 461

5.2 Die Behandlung des fünften Weltzeitalters in ciu. XVIII 5.2.1 Die Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft und der Zweite Tempel Aufgrund von Platzmangel am Ende des Buches XVII behandelt Augustin die Zeit des fünften Weltzeitalters erst in ciu. XVIII ausführlicher,11 wobei hier die Problematik des komplexen Auf baus dieses Buches virulent wird: Nachdem Augustin sich nach einer knappen Darstellung des Endes des Babylonischen Exils in ciu. XVIII 26 zunächst auf diejenigen Propheten konzentriert, die innerhalb des vierten Weltzeitalters auftraten, widmet er sich dann in ciu. XVIII 36 und schließlich in ciu. XVIII 42–45 erneut der Zeit des fünften Weltzeitalters. Die Rückkehr der Juden aus dem Exil wird in ciu. XVIII 26 als zweistufiger Prozess dargestellt: Konnte unter dem Perserkönig Kyros zwar bereits ein Teil der Gefangenen heimkehren und die Fundamente des neuen Tempels sowie den Altar errichten, so wurde dieser Wiederauf bau durch das Andrängen von Feinden unterbrochen.12 Erst unter Darius sei die Babylonische Gefangenschaft der Juden endgültig aufgehoben worden, da nämlich erst in dessen erstem Amtsjahr die von Jeremia angekündigten 70 Jahre der Gefangenschaft vergangen waren. Biblische Grundlage dieser Annahme bildet Dan 9,1–3: Allerdings wird Darius hier lediglich als König über das „Reich der Chaldäer“ (regnum Chaldaeorum)13, nicht aber als „Perserkönig“ (rex Persarum)14 betitelt, wie es Augustin in ciu. XVIII 26 tut. Er scheint hier fälschlicherweise davon auszugehen, dass es sich bei König Darius (dem Meder) um den unmittelbaren Amtsnachfolger Kyros’ II. gehandelt habe.15 11 Vgl. ciu. XVII 24, S.  592, Z.  2 2–25. Einen über das formale Argument des Platzmangels am Ende von ciu. XVII hinausgehenden inhaltlichen Grund erwägt Pierre Piret. Er ist der Auffassung, dass Augustin in diesem Buch die Geschichte der ciuitas dei „attentif à l’établissement d’Israël“ bis hin zu Christus behandelt habe (Piret, La destinée, S.  281). Demgegenüber stelle Augustin in ciu. XVIII, bei seiner Wiederaufnahme der Geschichte beider ciuitates, die Bedeutung der Prophetie für die Völker sowie die mit dem Babylonischen Exil beginnende, mit dem Kommen Christi erfolgte Lösung der ciuitas dei vom ‚fleischlichen‘ Volk Israel in den Vordergrund (vgl. a. a. O., S.  279.290 f.). Mit anderen Worten: Von der doppelten Verheißung an Abraham in Gen 12,1–3 (vgl. ciu. XVII 2; s. dazu Abschnitt 4.1.2) habe sich Augustin Piret zufolge in ciu. XVII mit der Erfüllung von Gen 12,1 f. an Abrahams semen carnale, in ciu. XVIII dagegen mit der Erfüllung von Gen 12,3 am semen spiritale befasst (vgl. Piret, a. a. O., S.  301 f.). 12 Vgl. ciu. XVIII 26, S.  617, Z.  10. 13  Vgl. Dan 9,1 BSVC(S); LXX: βασιλεία τῶν Χαλδαίων. 14 Vgl. ciu. XVIII 26, S.  617, Z.  10. 15 Die biblischen Angaben zu Darius sind dürftig, und auch außerbiblische Zeugnisse geben keinen klaren Aufschluss über die Person und politische Funktion dieses Regenten. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Informationen über ihn im Buch Daniel enthalten sind, dieses Buch aber erst im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. und somit in deutlichem Abstand zu den Geschehnissen um Kyros II. und Darius entstanden ist (vgl. Freye, Darius II). Der Fehlschluss Augustins, Darius sei der unmittelbare Nachfolger des Kyros als König über die Perser gewesen, könnte sich so erklären: Er ging davon aus, dass Kyros II. die Chal-

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Es fällt auf, dass die biblischen Bewertungen Kyros’ II. als messianische Gestalt, die den göttlichen Auftrag zum Tempelbau erhielt, von Augustin hier nicht rezipiert werden.16 Dies verstärkt den bereits am Ende des Buches XVII gewonnenen Eindruck, dass das fünfte Weltzeitalter mit keinem Neuanfang Gottes mit der ciuitas dei beginnt, der etwa dem mit Noah, mit Abraham oder mit David vergleichbar wäre. Die positiv hervorgehobenen Gestalten des fünften Weltzeitalters sind die Propheten, die allerdings Augustin zufolge im Volk Israel nicht die nötige Anerkennung erfuhren, was u. a. daran zu erkennen ist, dass im Unterschied zu den Propheten des vierten Weltzeitalters nur wenige ihrer Schriften in den Kanon aufgenommen wurden.17 Zudem ist Augustin der Auffassung, dass das jüdische Volk im Laufe der Zeit gar keine Propheten mehr hatte.18 Die sich mit dem Zweiten Tempel verbindenden Hoffnungen der Juden auf eine neue Heilszeit beruhen in Augustins Sicht auf einem Missverständnis der Weissagung des Haggai: „Die Herrlichkeit dieses letzten Hauses wird groß sein, größer noch als die des ersten.“19 Mit dem „letzten Haus“ (domus nouissima) sei nämlich keinesfalls der wiederhergestellte Salomonische Tempel, sondern das „Haus Gottes“ (domus dei) gemeint, das sich „im Neuen Bund“ aus „lebendigen

däer und die Assyrer beherrschte (vgl. ciu. XVIII 26, S.  617, Z.  1 f.), und musste nach Dan 6,1; 9,1 zudem davon ausgehen, dass auch Darius König über die Chaldäer war, was ihn wohl zum Schluss führte, dass der eine Nachfolger des anderen war. Dagegen legt aber Dan 6,29 nahe, dass beide Regenten zeitgleich, der eine über die Chaldäer, der andere über Persien, regiert haben. Plausibler scheint auf dieser Textgrundlage also, dass Darius eine Art Statthalter im Reich des Kyros II. war, der ebenfalls den Titel eines Königs trug (so Freye, Darius II). Erst nach dem Tod Kambyses’ II., des unmittelbaren Nachfolgers von Kyros II. im Amt des Großkönigs von Persien, hat Darius im Jahr 522 v. Chr. dieses Amt übernommen. 16  Vgl. 2Chr 36,22 f.; Esra 1; Jes 44,28; 45,1–6. 17 Vgl. ciu. XVIII 26, S.  617, Z.  15 f. In ciu. XVIII 38 weist Augustin darauf hin, dass es bereits in der Königszeit nachweislich Schriften von inspirierten Propheten gegeben hat, die aber keinen Eingang in den Kanon gefunden haben (vgl. ciu. XVIII 38, S.  633, Z.  16–22; angespielt wird hier auf 1Chr 29,29; 2Chr 9,29). Dass dieser Umstand für Augustin kein unerhebliches theologisches Problem dargestellt hat, darauf geht Gustave Bardy ein (vgl. Bardy, Les écrits I, S.  760 f.). Denn wie verhält sich der Verlust von göttlich inspirierten Schriften zum Offenbarungshandeln Gottes und zu seiner prouidentia? (s. dazu auch Thon­ nard, Les écrits [2], S.  761 f.) 18 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 41, Z.  1 f. Es wird diskutiert, ob dem Abriss der Geschichte Israels seit der Rückkehr aus dem Babylonischen Exil, den Augustin in diesem Kapitel gibt, eine Auseinandersetzung mit Flavius Josephus, Ant. XI-XIV zugrunde liegt (vgl. Courcelle, Lettres, S.  184; Rüting, Untersuchungen, S.  184 f.). U.a. aus dem Grund, dass zu diesem Zeitpunkt wohl noch keine lateinische Übersetzung der Ant. vorlag, geht die Mehrheit der Forschung lediglich von einer Benützung der Chroniken des Eusebius aus (vgl. die Anmerkungen Carl Andresens in: BAW [ciu.] 2, S.  967 f.; Frick, Quellen, S.  63–65; Altaner, Pa­ tristik, S.  328; Dochhorn, Art. Scriptores, Sp.  104). 19 „magna erit gloria domus istius nouissimae, plus quam primae“ (Hag 2,9 nach ciu. XVIII 45, S.  641, Z.  6 f.; s. zur Rezeption von Hag 2,9 in ciu. XVIII 45.47 f. im Zusammenhang mit der Verwendung des domus dei-Begriffs bei Augustin vgl. auch Drecoll, Haus, S.  309–311).

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Steinen“ zusammensetze.20 Die ebenfalls von Haggai stammenden Weissagungen bezüglich der aus den Völkern erwählten Glaubenden (vgl. Hag 2,7) werden als Argument für diese (ekklesiologische) Deutung des ‚letzten Hauses‘ verwendet. Wenn es dort heißt, dass zum Zeitpunkt der Errichtung dieses letzten Hauses der „von allen Völkern Ersehnte“ (desideratus cunctis gentibus) kommen wird, so kann sich das Augustin zufolge nur auf die zweite Ankunft Christi am Tag des Jüngsten Gerichts beziehen, da ja die Völker erst infolge der ersten Ankunft Christi zum Glauben an ihn gelangen konnten, wodurch sie überhaupt zur Hoffnung auf dessen Wiederkunft in der Lage waren.21 Außerdem gibt es durch das Ausbleiben der Propheten sowie die fortlaufende militärische Unterdrückung Israels für jeden ersichtliche Anzeichen dafür, dass die Weissagung des letzten, weit herrlicheren Tempels nicht den wiederhergestellten Tempel in Jerusalem meinen könne.22 Nicht nur haben die Könige fortan nie wieder eine „freie Herrschaft“ (libera potestas) ausüben können, die derjenigen der ersten Könige vergleichbar gewesen wäre,23 auch haben Eroberer wie Alexander der Große im Tempel fremden Göttern geopfert. Von einer ‚weitaus größeren Herrlichkeit‘ war der Zweite gegenüber dem Ersten Tempel also weit entfernt.24 In ciu. XVIII 48 wird die Thematik des ‚ersten‘ und des ‚letzten Hauses‘ nochmals aufgegriffen und vertieft. Dabei wird zunächst vor Augen geführt, warum mit dem letzten Haus nicht der Zweite Tempel gemeint sein könne, da dessen Herrlichkeit doch zu keiner Zeit größer als die des Salomonischen Tempels, sondern im Gegenteil seit seiner Errichtung stetig gemindert wurde: einmal durch das „Auf hören der Prophetie“ (cessatio prophetiae)25, sodann durch die Unterjochungen und Niederlagen von Alexander an bis hin zu der von den Römern zugefügten „letzten Katastrophe“ (ultimum excidium)26 , womit die Einnahme Jerusalems und die Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr. gemeint ist. Spätestens nach diesem Ereignis ist die Annahme, Hag 2,9 habe sich im Zweiten Tempel erfüllt, obsolet geworden.

20  „talibus enim electis gentium domus aedificatur dei per testamentum nouum lapidibus uiuis, longe gloriosior, quam templum illud fuit, quod a rege Salomone constructum est et post captiuitatem instauratum.“ (ciu. XVIII 45, S.  641, Z.  15 – S.  642, Z.  18) 21 Vgl. ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  2 8–31. Ähnlich hatte Augustin bereits einige Kapitel zuvor argumentiert; vgl. ciu. XVIII 35, S.  629, Z.  12–15. 22 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 41, Z.  1–7; S.  6 42, Z.  18–22. Dass das Ausbleiben der Propheten nach Augustin nicht nur in moralischer Hinsicht, sondern insgesamt zu einer Verschlechterung der Situation des Volkes Israel geführt hat, darauf verweist Drecoll, Haus, S.  304 mit Anm.  7. 23 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 42, Z.  2 3–27. 24 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 42, Z.  27–29. Volker Henning Drecoll spricht in diesem Zusammenhang treffend von einer „Funktionalisierung“ der „Dekadenzgeschichte Israels“ durch Augustin (Drecoll, Haus, S.  306). 25 Vgl. ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  7. 26 Vgl. ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  8 f.

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Ferner kann der von Haggai geweissagte Tempel nicht der wiedererrichtete Zweite Tempel in Jerusalem sein, weil es in der Gottesrede nach Hag 2,9 weiter heißt: „Ich werde Frieden geben an diesem Ort.“27 Ein solcher Friede wurde den Israeliten in der Zeit des Zweiten Tempels jedoch nicht zuteil. Dennoch kann Augustin im Zweiten Tempel ein Sinnbild jenes ‚letzten Hauses‘ erkennen, von dem Haggai spricht. Der wieder aufgerichtete Tempel steht sinnbildlich für den Neuen, von Gott aufgerichteten Bund.28 Die Stätte des wiederhergestellten Tempels steht sinnbildlich für den Ort, an dem Gott seinen Frieden geben will: die Kirche. Als eine Art dreistufiger Prozess der Herrlichkeit stellt sich für Augustin der Alte Bund und der sich in der Kirche realisierende Neue Bund dar: „Größer ist deshalb die Herrlichkeit des Hauses des Neuen Bundes als die des früheren Hauses, das des Alten Bundes, und in ihrer größten Entfaltung wird sie [sc. die Herrlichkeit] dann in Erscheinung treten, wenn das Haus geweiht werden wird.“29 Eine weitere Verheißung Haggais, die im Zusammenhang mit derjenigen des ‚letzten Hauses‘ steht, führt Augustin in den beiden Versionen an, wie sie von der Hebräischen Bibel und der Septuaginta überliefert ist:30 Unmittelbar bevor das ‚letzte Haus‘ zu seiner Herrlichkeit kommt und zum Ort des gottgeschenkten Friedens wird, soll, so der hebräische Text, der „von allen Völkern Ersehnte“ (desideratus cunctis gentibus)31 kommen bzw., nach der Septuaginta, diejenigen kommen, „die vom Herrn auserwählt wurden aus allen Völkern“ (quae electa sunt domini de cunctis gentibus).32 Gemäß seiner Auffassung, dass voneinander abwei27 „et dabo pacem in loco isto.“ (Hag 2,9 nach ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  17) Eine ähnliche Argumentation begegnete schon bei Augustins Auslegung der Nathansweissagung: Der dort mit dem Bau eines Hauses Gottes verbundene Frieden (vgl. 2Sam 7,10–16) könne weder auf den ersten, noch auf den zweiten Tempel bezogen werden, da doch das Volk Israel weder in der Zeit des einen noch des anderen Tempels in Frieden leben konnte (vgl. dazu ciu. XVII 3 u. 8 sowie Abschnitte 4.1.3. u. 4.2.1). 28 Vgl. ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  13–16. 29  „maior est itaque gloria domus huius noui testamenti quam domus prioris ueteris testamenti, et tunc apparebit maior, cum dedicabitur.“ (ciu. XVIII 48, S.  646, Z.  26–28) 30  Damit bringt Augustin nach dem Beispiel aus Jon 3,4 in ciu. XVIII 44 einen weiteren Erweis dafür, dass ein vom hebräischen Text abweichendes Prophetenwort in der Septuaginta in gleicher Weise Wahrheit in Anspruch nehmen darf; s. Abschnitt 5.2.3. 31  Hag 2,7 nach ciu. XVIII 48, S.  6 46, Z.  2 8 f. Vom hebräischen Text her ist hier wohl nicht an eine von den Völkern ersehnte messianische Gestalt zu denken, sondern an die „Kostbarkeiten“ (‫ ;ֲחֻמֹדת‬Hag 2,7 [BHS; mit Wolff, Dodekapropheton 6, S.  51 f. ist die pluralische Vokalisation vorzuziehen]), die die Völker zum Tempel bringen werden. Der desideratus, den Augustin als aus dem hebräischen Text stammend anführt, geht wohl auf die Übersetzung des Hieronymus zurück. In einer Predigt greift Augustin diesen von Hieronymus missverstandenen Vers ebenfalls auf und bezieht ihn auf den kommenden Christus (vgl. s. 50,10, S.  630, Z.  201–205). Außerdem greift er in ciu. XVIII 45 die Weissagung des Haggai (Hag 2,7) erneut auf (s. dazu Abschnitt 5.2.4). 32  Hag 2,7 nach ciu. XVIII 48, S.  6 47, Z.  33 f. Zunächst einmal bezeugt die Septuaginta kein Äqivalent zu dominus – das Subjekt der Erwählung fehlt also: καὶ ἥξει τὰ ἐκλεκτὰ πάντων τῶν ἐθνῶν. Versteht man zudem τὰ ἐκλεκτά als „die auserwählten / erlesenen Dinge“ und

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chende Aussagen in der Hebräischen Bibel und der Septuaginta gleichermaßen wahr sein können,33 fügen sich auch diese beiden Verheißungen in einen schlüssigen, geläufigen christlichen Vorstellungen entsprechenden eschatologischen Geschehenszusammenhang: Dem ‚letzten Haus‘ steht eine mit der Wiederkehr Christi eingeleitete und von ihm als „Baumeister“ (architectus)34 vollzogene Läuterung bevor,35 die aus den vielen Berufenen nur diejenigen im Haus belassen wird, die erwählt sind (Mt 22,14). Die Herrlichkeit des letzten Hauses, des mit der eschatologischen Weihe vollendeten Tempels Gottes wird also auch diejenige der gegenwärtigen Kirche überstrahlen, da zu diesem Zeitpunkt von den vielen Berufenen nur diejenigen als lebendige Steine dieses Baus verbleiben werden, die auch erwählt sind.36 5.2.2 Esra und die Makkabäerbücher Während Augustin die Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi der spätexilischen Zeit und damit dem Ende des vierten Weltzeitalters zuordnet, datiert er die Niederschrift des Buches Esra auf die „Zeit der Befreiung des Volkes“ (tem-

nicht im Sinne Augustins als die von Gott Erwählten, so ist der Bedeutungsunterschied zum ursprünglichen hebräischen Begriff der „Kostbarkeiten“ (‫)ֲחֻמ ֹדת‬, die die Völker zum Tempel bringen, kaum noch gegeben. Auch inhaltlich wäre eine solche Übersetzung von Hag 2,7 (LXX) angebracht, ist doch im folgenden Vers vom Silber und vom Gold die Rede, das Gott gebührt. Ursprünglich muss Hag 2,7–9 (LXX) wohl in einem materielleren Sinn gelesen werden: Die vor Gott erzitternden Völker bringen all ihre Kostbarkeiten, ihr Silber und Gold nach Jerusalem, um dort mit diesen (Gott allein zustehenden) edelsten Materialien den herrlichsten Tempel entstehen zu lassen. Augustins Verständnis des Prophetenwortes im Sinne der aus allen Völkern von Gott Erwählten ist nicht zuletzt seiner allegorischen Herangehensweise geschuldet, die für seine Theologie des ‚Hauses Gottes‘ prägend ist. 33  Zudem weist nach Volker Henning Drecoll die Formulierung in ciu. XVIII 48, S.  6 41, Z.  6 –11 darauf hin, dass Augustin hier die von Tyconius übernommene Auslegungsregel de capite et corpore (= die erste der von Augustin in doctr. chr. besprochenen septem regulae des Tyconius; vgl. doctr. chr. 3,44, S.  226, Z.  1–11) in Anwendung gebracht hat: Die Übersetzer der LXX hätten den Vers stärker auf die Kirche (corpus) als auf Christus, deren Haupt (caput), bezogen (Drecoll, Haus, S.  304 f.). 34 Vgl. ciu. XVIII 48, S.  6 47, Z.  36. 35  Augustin illustriert diese Läuterung, die der in der Weltzeit als corpus permixtum existierenden Kirche noch bevorsteht, mit dem apokalyptischen Bild, wonach mit einer Worfschaufel der gute Weizen von der Spreu getrennt wird, damit jener in der Scheune gelagert, diese aber in den Feuerofen geworfen werden kann (vgl. Mt 3,12; Lk 3,17; vgl. ciu. XVIII 48, S.  647, Z.  4 0–43; zur Motivik von Weizen und Spreu bei Augustin s. Abschnitt 4.1.7 mit Anm.  255). 36  Diese Annahme trifft Augustin auf der Grundlage des Jesuslogions Mt 22,14. Die Erwählung jedoch ging nach Eph 1,4 bereits der Schöpfung, der „Begründung der Welt“ (constitutio mundi) voraus; vgl. ciu. XVIII 48, S.  647, Z.  34–43. Die Rede von den lebendigen und kostbaren Steinen, die von Gott ausgewählt und aus denen der geistliche Tempel errichtet werden wird, geht auf 1Petr 2,4 f. zurück (vgl. dazu Zerfass, Art. Templum, Sp.  636 f.).

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pus liberationis populi).37 Dieses Buch sei allerdings, ähnlich wie das Buch Esther, als Geschichtsschreibung, weniger als Prophetie zu werten: Absicht und Ziel einer solchen Geschichtsschreibung liegen in der „Lobpreisung Gottes“ (laus dei), die prophetische Vorhersage künftiger Ereignisse stehe demgegenüber zurück.38 Nichtsdestotrotz vermag Augustin in der Erzählung von den drei Jünglingen (3Esra 3 f.) eine Weissagung auf Christus hin zu erkennen. Demnach begaben sich drei der Leibwächter des Königs Darius in einen Wettstreit, wonach demjenigen von ihnen Reichtum und Ehre zukommen sollte, der auf die Frage, „was auf Erden am mächtigsten sei“ (quid amplius ualeret in rebus), am weisesten zu antworten vermöge. Nachdem der erste die Könige und der zweite den Wein genannt hatte, gab der dritte zunächst an, die Frauen seien am mächtigsten, nannte dann aber noch die Wahrheit, die letztlich über allem stehe und die „Siegerin“ (uictrix) in diesem Wettkampf sei.39 Nach einigem Diskutieren wird in 3Esra diese letzte Antwort als die richtige angesehen, nicht zuletzt, da die Wahrheit im Unterschied zu den zuvor Genannten keinerlei Ungerechtigkeit in sich tragen könne – im Esrabuch wird der dritte Mann wegen seines Sieges entsprechend fürstlich belohnt. Ausgehend von der neutestamentlichen Identifikation der Wahrheit mit Christus, wie sie wohl am prominentesten in einem der johanneischen Ich-bin-Worte zum Ausdruck kommt ( Joh 14,6), versteht Augustin diesen Disput und dessen Ergebnis als Weissagung Christi, der als die Wahrheit das Mächtigste auf Erden werden sollte.40 Die Makkabäerbücher werden in erster Linie als Sammlung von Erzählungen über „Märtyrer“ (martyres) verstanden, deren Leben gottesfürchtig und bis in den Tod gehorsam war. Nicht nur durch den Begriff der martyres, auch durch die Rede von deren „heftigen und bewundernswerten Leiden“ (passiones uehementes atque mirabiles) sind sie in einer Kontinuität zu den gerechten Leidenden inner-

37 Vgl.

ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  1–4. ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  4 –8. Diese Charakterisierung des 3. Esrabuchs (man beachte die sehr unterschiedlichen Vorkommen und Bezeichnungen dieser apokryphen Schrift in den verschiedenen Bibelausgaben) geht bereits auf jüdische Kanonisierungsprozesse zurück. Auch Origenes ordnete dieses Buch den Geschichtsbüchern und nicht den prophetischen Schriften zu, wie bei Eusebius zu lesen ist (vgl. Rufinus, Hist. VI 25,2, S.  573, Z.  7 – S.  575, Z.  2). Anne-Marie la Bonnardière ist der Auffassung, dass Augustin Schwierigkeiten hatte, die Bücher Judith, Esther und Tobit in „la grande histoire d’Israël“ zu integrieren, weshalb er auf eine nähere Behandlung derselben in ciu. verzichtete (vgl. Bonnardière, Le canon, S.  297). 39  ὁ τρίτος ἔγραψεν ῾Υπερισχύουσιν αἱ γυναῖκες, ὑπὲρ δὲ πάντα νικᾷ ἡ ἀλήθεια. (3Esra 3,12 [LXX]; vgl. ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  10 f.) Während Augustin die Aussage des dritten Mannes namens Zorobabel, die Frauen seien am mächtigsten, allein dahingehend deutet, dass diese eine besondere Einflussnahme auf die Herrschenden hätten (vgl. ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  9), reichen die Gedanken zum Verhältnis zwischen Frauen und Männern in 3Esra 4,13–32 deutlich weiter. 40 Vgl. ciu. XVIII 36, S.  631, Z.  11 – S.  632, Z.  12. 38 Vgl.

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halb der auf Erde pilgernden ciuitas dei zu sehen, die von Abel an bis zu den frühchristlichen Märtyrern reicht.41 5.2.3 Zur Entstehung und Eigenart der Septuaginta In die Zeit des fünften Weltzeitalters fällt die durch den über Ägypten herrschenden König Ptolemäus II. in Auftrag gegebene Übersetzung der hebräischen heiligen Schriften ins Griechische. Augustin wendet sich diesem für die Geschichte des Frühjudentums und des Frühchristentums so entscheidenden Werk in ciu. XVIII 42–44 zu. Dabei liegt ihm vor allem daran, die Septuaginta als für das Christentum autoritativen Kanon zu verteidigen – gerade auch im Angesicht der teils signifikanten Unterschiede zu den hebräischen biblischen Schriften. Eine solche Verhältnisbestimmung war bereits an früherer Stelle nötig, man denke etwa an Augustins Ausführungen zu den in den Textfassungen stark variierenden Lebensaltern der Patriarchen in ciu. XV 9–14.42 In ciu. XVIII 42–44 rückt die Entstehung der Septuaginta noch einmal stärker als ein heilsgeschichtliches Ereignis im Kontext des procursus der ciuitas dei in den Blick. Zunächst stellt Augustin in ciu. XVIII 42 die legendarische Entstehungsgeschichte der Septuaginta dar, wobei er sich an die Darstellung der durch Hieronymus übersetzten Chronik des Eusebius von Caesarea anlehnt.43 Diese wiederum stützt sich in weiten Teilen auf den Aristeasbrief, der die älteste erhaltene Quelle darstellt, die von der Entstehung der Septuaginta zeugt.44 Demnach habe König Ptolemäus II. Philadelphus nicht nur von seinem Amtsvorgänger 41 Vgl.

ciu. XVIII 36, S.  632, Z.  14–20. S. dazu Abschnitt 1.2.6. 43  Vgl. Hieronymus, Chron., S.  129, Z.  10–26; s. dazu die Anmerkungen zu ciu. XVIII 42 von Carl Andresen in: BAW [ciu.] 2, S.  965 f. Mit den ciu. XVIII 42 zugrunde liegenden Quellen hatte sich bereits Johannes Dräseke ausführlicher beschäftigt, wobei er zu dem Ergebnis kam, dass Augustins Bericht von der Entstehung der Septuaginta von Epiphanius von Salamis, genauer: dessen Schrift Περὶ μέτρων καὶ στραθμῶν / D e mensuris et ponderibus / „Über die Maße und Gewichte“ abhängig sei (vgl. Dräseke, De ciuitate dei XVIII, 42, S.  245–248; Parallelen werden von Dräseke insbesondere zwischen ciu. XVIII 42 und mens. 3.6.9–11 gesehen). Während etwa Berthold Altaner sich dieser Meinung anschließen konnte (Altaner, Epiphanius, S.  290–293), gehen andere nicht von einer Benutzung von mens. aus (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  263; s. auch die Anmerkungen Andresens in: BAW [ciu.] 2, S.  965 f.). Epiphanius ist einer der wenigen Autoren, die Augustinus nachweislich im griechischen Original gelesen und in seinen Werken benutzt hat. Wenn auch die Verwendung von mens. in ciu. XVIII 42 umstritten ist, so hat Augustin mehrfach wörtlich aus der pseudepiphanischen Schrift Anakephalaiosis (einem Auszug aus dem Panarion des Epiphanius) zitiert, obwohl zu jener Zeit keine lateinische Übersetzung dieser Schrift existierte (vgl. Altaner, a. a. O., S.  289 f.; Fürst, Art. Scriptores, Sp.  100). 44 Es wird innerhalb der Forschung zum Aristeasbrief angenommen, dass dessen vornehmliches Darstellungsinteresse die „legendarische Schilderung der inspirierten Übersetzung des Pentateuch ins Griechische bzw. die Betonung ihrer […] Legitimation“ gewesen sei, wohingegen etwa Michael Tilly die „paränetische Tendenz“ dieser Schrift stärker gewichtet (Tilly, Geographie, S.  133 mit Anm.  11, in Abgrenzung zu Feldmeier, Weise, S.  20). 42 

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exilierte Juden mit Geschenken bedacht und ihnen die Rückkehr nach Jerusalem ermöglicht, sondern er wünschte auch seine Bibliothek um die heiligen Schriften der Juden zu erweitern. Deswegen erbat er eine Abschrift derselben vom amtierenden Hohepriester Eleazar und verlangte darüber hinaus eine Übersetzung ins Griechische, weshalb Eleazar sechs gelehrte, in beiderlei Sprachen kundige Männer aus jedem der zwölf Stämme schickte – die 72 Übersetzer der LXX.45 Mögen diese Schilderungen noch einen historischen Kern haben, so ist deren Fortsetzung, die Übersetzer seien unabhängig voneinander bis in den Wortlaut hinein zu übereinstimmenden Ergebnissen gekommen, eine legendarische Hinzufügung, die im Aristeasbrief (der selbst schon höchstwahrscheinlich eine Fälschung darstellt)46 mit keinem Wort erwähnt wird. Diese Legende findet allerdings gerade bei frühchristlichen Autoren Anklang, und auch für Augustin ist sie ein zentrales Argument in seiner Verteidigung der Verbindlichkeit der LXX für den christlichen Glauben und die Kirche.47 Dass die Übersetzungen der räumlich getrennt voneinander arbeitenden 72 Gelehrten vollständig übereinstimmten, bezeichnet er als ein „wunderbares und verblüffendes“ (mirabilis ac stupendus), ja geradezu als ein „göttliches“ (diuinus) Ereignis.48 Seiner Meinung nach verbürgt diese wunderbare voneinander unabhängige Einhelligkeit das Wirken des einen Heiligen Geistes in den Gelehrten. Aus einem großangelegten Übersetzungsprojekt, das von einem heidnischen König in Auftrag gegeben wurde, wird so ein Offenbarungsgeschehen des einen Gottes. Die Leistung der Übersetzer tritt gegenüber dem sich neu manifestierenden Wort Gottes zurück: Als ob es aber ein Übersetzer gewesen wäre, so haben sie alle ein und dasselbe übersetzt; denn es war eben in der Tat ein Geist in allen. Und diese so wunderbare Gottesgabe wurde ihnen deswegen zuteil, damit auch auf solche Weise das Ansehen anempfohlen 45  Es fällt auf, dass Augustin in ciu. XVIII 42 von den 72 Übersetzern (septuaginta duo) spricht, und hier auch offensichtlich zu erkennen gibt, dass er um die Differenz zwischen der Anzahl der Übersetzer und dem Namen der Sepuaginta (= 70) weiß. Dessen ungeachtet ist aber ansonsten durchgängig von den „70 Übersetzern“ (septuaginta interpretes) die Rede (vgl. ciu. XV 11, S.  468, Z.  30 f.39 f.; XV 13, S.  470, Z.  3.8.15; XV 23, S.  491, Z.  9 0.99; XVIII 43, S.  639, Z.  20.25.28 u.ö.). Dass die Anzahl der Übersetzer von 72 auf 70 abgerundet wurde, hängt nicht zuletzt mit der Erzählung in Num 11,16 f.24 f. zusammen, wonach Mose unter den Ältesten Israels 70 Männer zu seiner Unterstützung beruft, auf die sodann der Geist Gottes gelegt wird. Diese Geistbegabung der 70 Ältesten wurde häufig als Argument für die Inspiration der Septuaginta verwendet, auch wenn es bei Augustin nicht begegnet. 46 Vgl. Tilly, Geographie, S.  133 f. 47  Augustin scheint hier, in ciu. XVIII 42, von der Wahrheit dieses über den Aristeasbrief hinausgehenden Aspekts der Entstehungslegende der Septuaginta stärker überzeugt zu sein als in seiner früheren Erwähnung dieser Legende in doctr. chr. 2,22, S.  106, Z.  1 – S.  107, Z.  32. Dort konnte er es sich nämlich auch vorstellen, dass die 70 Übersetzer nicht getrennt voneinander, sondern in gemeinsamer Arbeit die Septuaginta verfasst haben. Einen Vergleich beider Versionen führt Kotzé, Augustine, S.  250–255 durch. 48 Vgl. ciu. XVIII 42, S.  638, Z.  2 2 f.

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werde, das diesen Schriften nicht etwa als menschlichen, sondern als göttlichen, was sie nämlich sind, gebührt.49

Augustin bewertet die Entstehung der Septuaginta als ein derjenigen der he­ bräischen heiligen Schriften ebenbürtiges Offenbarungsgeschehen, dessen Absicht klar beschrieben wird: Diese griechischsprachtige Bibel soll den in der Zukunft zum Glauben kommenden Heiden zugute kommen;50 sie ist nicht nur die zentrale Referenz der neutestamentlichen Texte, sondern auch ein wesentlicher und notwendiger Schritt für die christliche Völkermission. Obwohl es auch andere Übersetzungen der Hebräischen Bibel neben der Septuaginta gibt, so hat doch nur sie eine autoritative Stellung in der Kirche erlangt und wurde zur Grundlage der lateinischen Übersetzungen, die zur Zeit Augustins in Gebrauch waren.51 Die Arbeit des Hieronymus, eine lateinische Übersetzung auf der Grundlage der Hebräischen Bibel anzufertigen, wird zwar in ciu. XVIII 43 als große philologische Leistung gewürdigt, letztlich muss sie aber, gerade wenn durch sie Differenzen zwischen der Septuaginta und der Hebräischen Bibel offenbar werden, gegenüber der Übersetzung der 72 Gelehrten zurückstehen.52 Die aus der Entstehungslegende gezogene Schlussfolgerung, dass bei der Entstehung der Septuaginta der gleiche Geist wirkte, der auch die Propheten inspirierte,53 führt Augustin zu der Annahme, dass die Septuaginta nicht wie gewöhnliche Übersetzungen als Werk „menschlichen Knechtsdienstes“ (humana seruitus), sondern als ein Werk „göttlicher Vollmacht“ (diuina potestas) anzusehen sei.54 Abweichungen von der hebräischen Textgrundlage könnten daher nicht als bloße Übersetzungsfehler abgetan werden, vielmehr sind auch sie Resultate eines Inspirationsgeschehens und tragen daher einen tieferen prophetischen Sinn in sich, den es zu ergründen gilt. Wenn nun der Eindruck bei Abweichungen zwischen der Hebräischen Bibel und der Septuaginta (die nicht durch einen Fehler in der ersten Abschrift der LXX erklärbar sind) entsteht, als habe etwa ein Prophet beides gesagt, erklärt sich dies daraus, 49  „sed tamquam unus esset interpres, ita quod omnes interpretati sunt unum erat; quoniam re uera spiritus erat unus in omnibus. et ideo tam mirabile dei munus acceperant, ut illarum scripturarum non tamquam humanarum, sed, sicut erant, tamquam diuinarum etiam isto modo commendaretur auctoritas.“ (ciu. XVIII 42, S.  638, Z.  27–32) 50 Vgl. ciu. XVIII 42, S.  638, Z.  32 f. (s. dazu auch Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  340). Dass die Septuaginta auch für das Frühjudentum eine wesentliche Bedeutung hatte, lässt Augustin hier freilich außer Acht. 51 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  638, Z.  1 – S.  639, Z.  10. 52 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  10–18. Annemaré Kotzé vertritt die These, Augustin sei von der Sorge umgetrieben gewesen, dass die auf dem Hebräischen basierende Bibelübersetzung des Hieronymus die Septuaginta in ihrem kirchlichen Gebrauch ersetzen könnte. Aus diesem Grund habe er gerade in ciu. darauf gedrungen, dass beide Versionen vom göttlichen Geist inspiriert sind und sich einander ergänzen (vgl. Kotzé, Augustine, S.  252.260; s. auch Bardy, La valeur, S.  763–765). 53 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  2 6–28. 54 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  2 8–36.

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dass der Heilige Geist sowohl in den Propheten wirksam war als auch später in den siebzig Männern, die ihre Aussprüche übersetzten.55 Die Abweichungen liegen also letztlich in der göttlichen Autorität begründet, in der freien Verfügung, durch den Heiligen Geist an derselben Stelle der Heiligen Schrift Unterschiedliches sagen zu lassen, ohne dass jedoch das vormals Gesagte durch das in der Septuaginta Stehende aufgehoben würde.56 Das Ansehen beider Fassungen findet nicht zuletzt seinen Ausdruck darin, dass einige Gelehrte in ihren Bibelhandschriften die Abweichungen der Septuaginta von der Hebräischen Bibel nicht etwa stillschweigend korrigierten, sondern sie durch textkritische Zeichen erkennbar machten, den Text der Septuaginta aber beließen.57 An einem konkreten Beispiel aus der Schrift erläutert Augustin in ciu. XVIII 44 seine These, dass zwei sich widersprechende Aussagen beide wahr sein können, da Gott durch den Heiligen Geist zu unterschiedlichen Zeitpunkten Verschiedenes offenbaren wollte. Ausgangspunkt ist Jon 3,4: In der Hebräischen Bibel kündigt der Prophet Jona den Bewohnern Ninives die Zerstörung ihrer Stadt binnen 40 Tagen an, nach der Septuaginta sind es jedoch lediglich drei Tage. Diese doppelte Angabe führt Augustin zufolge nur dann zu einem Widerspruch, wenn man auf der Ebene der „Geschichte der Tatsachen“ (historia rerum gestarum) verharrt und nicht die „Tiefe der Weissagung“ (altitudo prophetiae) zu ergründen vermag.58 Fragt man also nach diesem tieferen Sinn, ergibt sich eine sinnbildliche Vorwegnahme des Heilswirkens Christi. So wurde bereits mit dem drei Tage andauernden Verbleib Jonas im Bauch des Fisches die drei Tage andauernde Existenz Christi in der Unterwelt von seinem Tod bis zu seiner Auferstehung prophetisch vorweggenommen. Augustin sieht in der Stadt Ninive ein Abbild der Heidenkirche und in der durch Jona angedrohten Zerstörung eine Vorausschattung der die Heidenkirche gänzlich umwandelnden „Buße“ (paenitentia). Diese die Heidenkirche läuternde Buße wird durch die beiden Angaben von drei bzw. 40 Tagen in zweifacher Weise mit dem Erlöser 55  „qui profecto auctoritate diuina et aliud dicere potuit, tamquam propheta ille utrumque dixisset, quia utrumque idem spiritus diceret“ (ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  28–31). Zu diesem Schluss gelangte Augustin bereits bei seiner Erörterung der erheblich voneinander abweichenden Lebensalter der Patriarchen (vgl. ciu. XV 14, S.  474, Z.  56–61). Augustin wählt in ciu. XVIII 43 bewusst eine konjunktivische Formulierung, da ihm durchaus bewusst ist, dass es paradox wäre anzunehmen, dass der Prophet ursprünglich beides gesagt hat. Dies zeigt sich bereits im folgenden Kapitel, wo Augustin über die in LXX und Hebräischer Bibel unterschiedlich überlieferte Gerichtsankündigung über Ninive durch den Propheten Jona sagt: „Denn wer sieht es nicht, dass der Prophet keinesfalls beides gesagt haben kann“ / „quis enim non uideat non potuisse utrumque tunc dici a propheta“ (ciu. XVIII 44, S.  640, Z.  3 f.). 56 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  6 40, Z.  57–66. 57 Vgl. ciu. XVIII 43, S.  639, Z.  36 – S.  6 40, Z.  54. 58 Vgl. ciu. XVIII 44, S.  6 41, Z.  27–31. Vgl. dazu die Ausführungen Anne-Marie la Bon­ nardières, die diese Argumenation Augustins in ciu. XVIII 44 plausibel in den Kontext seiner Auseinandersetzung mit Hieronymus über das Verhältnis zwischen Septuaginta und Hebräischer Bibel einordnet (vgl. Bonnardière, Vulgate, S.  308–310).

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Christus verknüpft, wobei die drei Tage an seine Auferstehung, die 40 Tage an sein Verweilen bei den Jüngern vor der Himmelfahrt hindeuten.59 Es bedarf also lediglich des „rechten Verstehens“ (bene intelligere), um scheinbare Diskrepanzen zwischen beiden Texten aufzulösen und zu erkennen, dass in beiden Varianten (prophetische) Wahrheit zu finden ist.60 Unbefriedigend bleibt allerdings, dass eine solche Lösung, wie sie Augustin hier durch seine allegorische Interpretation von Jon 3,4 vorführt, keine Lösung auf der Ebene des historischen Sinns darstellt. Unausgesprochen verhält es sich offenbar so, dass Augustin hinsichtlich des historischen Sinns der Hebräischen Bibel folgt.61 Entscheidend ist für ihn aber der allegorische oder prophetische Sinn, den er sowohl in der Lesart der Hebräischen Bibel als auch der Septuaginta finden kann. 5.2.4 Der Verlauf des fünften Weltzeitalters In einer starken Raffung werden in ciu. XVIII 45 die Ereignisse von der Einnahme Jerusalems durch Alexander den Großen bis hin zur Herrschaft Herodes’ des Großen dargestellt. Dieser Abriss der Geschichte des Volkes Israel im fünften Weltzeitalter ist weitgehend an die Chronik des Hieronymus angelehnt.62 Trotz der Beendigung der Babylonischen Gefangenschaft und der Wiederherstellung des Tempels blieben die Hoffnungen auf eine neue Hochzeit, die dem davidisch-salomonischen Reich vergleichbar wäre, unerfüllt. Augustin zufolge beruht diese Enttäuschung auf einem Missverständnis des Prophetenwortes Haggais seitens des „fleischlich gesinnten Volkes“ (populus carnalis)63, wonach die „Herrlichkeit dieses letzten Hauses größer sein würde als die des ersten Hauses“.64 Angesichts der Unterjochung durch Alexander und des Götzendienstes im Zweiten Tempel kann in keinerlei Weise, weder im politischen noch im kultischen Sinne, davon die Rede sein, dass sich diese Prophezeiung erfüllt habe. Außerdem sei die Verheißung dieses ‚letzten Hauses‘ bei Haggai verbunden mit dessen in der Hebräischen Bibel und der Septuaginta bezeugten (und offensichtlich noch nicht erfüllten) Ankündigung (Hag 2,7), dass im Zuge der Vollendung des ‚letzten Hauses‘ der „von allen Völkern Ersehnte“ bzw. die, „die vom Herrn auserwählt wurden aus allen Völkern“, kommen werden.65 Dies 59 Vgl.

ciu. XVIII 44, S.  641, Z.  19–27. Zu einer ähnlichen Deutung der drei bzw. vierzig Tage war Augustin bereits in qu. 1,169, S.  66, Z.  262–281 gelangt (vgl. dazu C. Müller, Art. Ionas, Sp.  731, mit Anm.  16). 60 Vgl. ciu. XVIII 44, S.  6 41, Z.  36–39. 61 Vgl. ciu. XVIII 44, S.  6 40, Z.  5 –9. 62  Vgl. dazu die Anmerkungen zu ciu. XVIII 45 mit den entsprechenden Quellenangaben von Carl Andresen in: BAW [ciu.] 2, S.  967 f. 63 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 41, Z.  5. 64 „magna erit gloria domus istius nouissimae, plus quam primae“ (Hag 2,9 nach ciu. XVIII 45, S.  641, Z.  6 f.). 65 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 41, Z.  9 f.13. Zur Einordnung dieser Zitate vgl. Abschnitt 5.2.1 mit Anm.  31 und 32.

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versteht Augustin, seiner Prämisse folgend, dass voneinander abweichende Versionen in LXX und Hebräischer Bibel gleichzeitig wahr sein können, als das „Haupt“ und den „Leib“ Christi betreffende Weissagungen: die Wiederkehr des „erwarteten“ Christus und die Sammlung der aus den Völkern Erwählten zum Bau des Tempels (= der Kirche) aus lebendigen Steinen.66 Während die Argumentation im Hinblick auf die Prophetenworte in Hag 2,7–9 gegenüber derjenigen in ciu. XVIII 48 ansonsten nahezu identisch verläuft, erhält sie in ciu. XVIII 45 doch eine andere Wendung: Deshalb also hatte das [sc. jüdische] Volk von dieser Zeit an keine Propheten mehr und wurde in viele Niederlagen gestürzt durch fremde Könige und zuletzt durch die Römer, damit es nicht meine, diese Prophezeiung des Haggai sei in jener Wiederherstellung des Tempels erfüllt worden.67

Hier erscheinen die Beherrschung durch die Fremdvölker und das Auf hören der Prophetie nicht mehr nur als bloße geschichtliche Tatsachen, sondern vielmehr als absichtsvoll (vom hier ungenannt vorausgesetzten Subjekt der Geschichte, also von Gott) herbeigeführte Ereignisse. Diese dienen dem Zweck, das jüdische Volk von der Fehleinschätzung abzubringen, die Prophezeiung des ‚letzten Hauses‘, in dem dauerhafter Frieden gewährt werden soll (Hag 2,9), habe sich im wieder errichteten Tempel erfüllt. Freilich wird nur ein Teil des jüdischen Volkes zu dieser Einsicht gelangen, während das „fleischlich gesinnte Volk“ (populus carnalis)68 in seinem Irrtum verharrt. Im Umkehrschluss ist es der geistlich gesinnte Teil des Volkes, derjenige also, der zum Glauben an Jesus Christus gekommen ist, der das prophezeite letzte Haus als den ewigen Tempel Gottes, die Heimstatt der vollendeten ciuitas dei erwartet. Augustin nimmt bei seiner Auslegung von Hag 2,7–9 zwei Tendenzen innerhalb der jüdischen Frömmigkeit auf, für die sich auch jeweils Belege in den alttestamentlichen Schriften finden lassen. Hermann Gunkel hat diese beiden 66 Vgl.

ciu. XVIII 45, S.  641, Z.  9 – S.  642, Z.  18. hoc ergo nec prophetas ex illo tempore habuit illa gens et multis cladibus af­ flicta est ab alienigenis regibus ipsisque Romanis, ne hanc Aggaei prophetiam in illa instauratione templi opinaretur impletam.“ (ciu. XVIII 45, S.  642, Z.  18–22) Johannes van Oort erkennt hier eine von Augustin hergestellte Koinzidenz zwischen dem Ende der (an das Volk Israel gesandten) Propheten und der Wiedererrichtung des Tempels: Gerade zu dem Zeitpunkt, da das fleischliche Israel dachte, dass es eine Verbesserung seiner Lage erreichen würde, kam es tatsächlich zu einer deutlichen Verschlechterung (vgl. auch ciu. XVIII 45, S.  642, Z.  1–4; s. Oort, Art. Iudaei, Sp.  782). Vor diesem Hintergrund erscheint die Geschichte des Volkes Israel bereits vom Beginn des fünften Weltzeitalters an in einem Verfall begriffen. – Eine Parallelisierung der Geschichte Israels im fünften Weltzeitalter mit dem Lebensalter der senioris aetas legt sich hier nahe (vgl. Abschnitt 3.4.3). Allerdings besteht der Verfall Israels in dieser aetas nach Augustin nicht im Babylonischen Exil, das ja als Krise des vierten Weltzeitalters zu Beginn des fünften Weltzeitalters überwunden ist (gegen Fuhrer, Erneuerung, S.  271; vgl. das Schaubild im Anhang unter 2), sondern u. a. im Ende der an Israel gesandten Propheten. 68 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 41, Z.  5. 67  „propter

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Tendenzen als zwei aufeinanderfolgende Epochen innerhalb der jüdisch-christlichen Religionsgeschichte beschrieben: So folge auf die „volkstümliche Religion mit ihren natürlichen Gütern“ die „Religion der ‚geistlichen‘ Güter, die nicht von dieser Welt sind“.69 In der (durch Paulus geprägten) Sprache Augustins sind das die beiden Gruppen innerhalb des Volkes Israel: der irdisch gesinnte, zur ciuitas terrena gehörende Teil und jener, dem aufgrund des göttlichen Waltens in der Geschichte klar wurde, dass es sich beim von Haggai verheißenen ‚letzten Haus‘ Gottes nur um einen himmlischen Tempel handeln könne. Bereits in doctr. chr. hatte Augustin den nicht zum Christusglauben gekommenen Juden zum Vorwurf gemacht, dass diese aufgrund ihrer fleischlichen Ausrichtung signa als res missverstehen würden: „Freilich hielten sie [sc. die Juden] die Zeichen der geistlichen Dinge, da sie nicht wussten, worauf sie sich beziehen, für die Dinge selbst“.70 Die Zeit nach Alexander dem Großen zeigt sich von mannigfaltigen weiteren Unterwerfungen sowie weiteren blasphemischen Freveln und Idolatrien im Tempel geprägt. Positiv hervorgehoben werden in dieser für das Volk Israel schweren Zeit der Fremdherrscher Ptolemäus II. Philadelphus, da dieser die Septuaginta in Auftrag gab,71 ferner der jüdische Freiheitskämpfer Judas Makkabäus, der den Tempel zeitweise wieder vom Götzendienst befreien konnte.72 Sind es zwar vorwiegend die Fremdherrscher, die den Götzendienst im Tempel praktizieren oder ihn sogar vom Volk verlangen, so gibt es auch innerhalb der jüdischen Administration selbst gravierende Missstände, die zu einer weiteren Verschlechterung der Lage des Volkes führten: die Einsetzung eines Hohepriesters aus einem nichtpriesterlichen Geschlecht (Alkimus), die Vereini69  Gunkel, Verständnis, S.  33. Man wird die „Epochen“ wohl nicht in einem zu engen Sinne verstehen dürfen, vielmehr werden beide Ausprägungen auch zeitgleich in unterschiedlichen Frömmigkeitsströmungen des Judentums existiert haben. Zutreffend ist, dass sich die Hoffnungen im Volk Israel zunächst auf diesseitige Güter gerichtet haben (etwa die nationale Souveränität, die politische und kultische Vorrangstellung Jerusalems und seines Tempels; daneben auch auf individueller Ebene irdisches Wohlergehen als Belohnung gottgefälligen Lebens im Sinne des Tun-Ergehen-Zusammenhangs), sodann aber aufgrund von Kontingenzerfahrungen innerhalb der Geschichte Israels oder auch im persönlichen Leben (Theodizeeproblematik bei Hiob) eine zunehmende Eschatologisierung und Spiritualisierung von Heilserwartungen in weiten Teilen des Judentums stattgefunden hat (vgl. dazu Jeremias, Theologie, S.  412–417.467–472; Schmid, Theologie, S.  197–203.205–208.340– 343.368–370). Wesentliche Elemente dieser auf die ‚geistlichen Güter‘ gerichteten Frömmigkeit haben dann auch Eingang in das frühe Christentum und das Neue Testament gefunden, so auch die Vorstellung von einem himmlischen Jerusalem mit seinem himmlischen Tempel, die für Augustin von so großer Bedeutung ist. 70  „et quamquam signa rerum spiritalium pro ipsis rebus obseruarent, nescientes quo referrentur“ (doctr. chr. 3,10, S.  182, Z.  4 f.; vgl. dazu Schultheiss, Augustinus, S.  54). 71 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 42, Z.  32–34; vgl. auch die positive Bewertung in ciu. XVIII 42, s. dazu Abschnitt 5.2.3. 72 Vgl. ciu. XVIII 45, S.  6 42, Z.  36–42. Diese Wertung folgt der Darstellung der Makkabäerbücher (vgl. 1  M akk 3,16–26; 4,36–60).

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gung des Königs- und des Hohepriesteramtes in einer Person (Aristobul I.) und schließlich die gewaltsam ausgetragene Rivalität um die Herrschaft zwischen Aristobul II. und Hyrkan II. Letzterer bat sogar die Römer um Unterstützung, die ihm durch den Befehlshaber Pompeius zuteil wurde, der nach der erfolgreichen Belagerung und Einnahme des Tempels (verbunden mit weiteren frevelhaften Entehrungen u. a. des Allerheiligsten) Hyrkan als Hohepriester bestätigte sowie Antipater zum Aufseher von Judäa einsetzte.73 Mit dem aus einem idumäischen Geschlecht stammenden Herodes wird insofern eine Zäsur gesetzt, als er der erste „Ausländer-König“ (alienigena rex)74 war. Diese Tatsache dient Augustin zu einem Weissagungsbeweis, insofern nämlich Jakob in Gen 49,10 innerhalb seines Segens über Juda verheißt, dass es nicht an Herrschern aus Juda mangeln solle, bis derjenige kommt, auf den die „Sehnsucht der Völker“ (expectatio gentium) gerichtet ist.75 Dieser Verheißene sei Jesus Christus, dessen Geburt Mt 2,1 zufolge in die späte Amtszeit Herodes des Großen fällt. Die Darstellung weiter Teile des fünften Weltzeitalters ist bei Augustin auffällig knapp gehalten, der geschichtliche Abriss in ciu. XVIII 45 lehnt sich eng an gängige Darstellungen (Makkabäerbücher, Chronik des Hieronymus) an, der Verfasser scheint hier kaum an einer originellen Darstellung interessiert, auch eigenständige Bewertungen der geschilderten Ereignisse fehlen. Das fünfte Weltzeitalter zeigt sich im Wesentlichen von zwei Entwicklungen geprägt, die zusammengenommen das Ende der exklusiven Zuwendung Gottes gegenüber dem Volk Israel markieren und zugleich der universalen Ausbreitung des christlichen Evangeliums den Weg bereiten. Auf der einen Seite kommt die an Israel gerichtete Prophetie an ihr Ende, der Tempelkult wird immer wieder entehrt, während Israel durch Fremdmächte beherrscht wird. Das offensichtliche Unerfülltbleiben der Hoffnungen auf ein dauerhaft im Frieden lebendes, souveränes Israel mit einem intakten, gottgefälligen Tempelkult führt bei einem Teil des jüdischen Volkes zu der Einsicht, dass sich die entsprechenden Verheißungen nicht auf Israel im irdischen Sinn richten können. Auf der anderen Seite bildet die Entstehung der Septuaginta, die nicht als schlichtes Übersetzungsprojekt, sondern als ein gottgewolltes Inspirationsgeschehen angesehen wird, das entscheidende positive Ereignis des fünften Weltzeitalters. Die Septuaginta kommt in erster Linie den Völkern zugute, da durch 73 Vgl.

ciu. XVIII 45, S.  642, Z.  43 – S.  643, Z.  75. ciu. XVIII 45, S.  643, Z.  77. 75 „non deficiet princeps ex Iuda, neque dux de femoribus eius, donec ueniat cui repositum est, et ipse expectatio gentium“. (Gen 49,10 nach ciu. XVIII 45, S.  643, Z.  80–82) Bereits in ciu. XVI 41 hatte Augustin diese Verheißung im Zusammenhang seiner Auslegung des Juda-Segens zitiert: Trotz christologischen Verständnisses dieses Verses fehlt hier allerdings der Hinweis auf Herodes den Großen (vgl. ciu. XVI 41, S.  547, Z.  13 f.44 – S.  548, Z.  46). 74 Vgl.

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sie die alttestamentlichen Zeugnisse nun von einem sehr viel größeren Kreis von Menschen verstanden und damit auch deren Verheißungen auf Christus und die Kirche von ihnen zu eigen gemacht werden können.

6  Das sechste Weltzeitalter: Von der Inkarnation Christi bis zur Gegenwart Augustins 6.1 Die Inkarnation und das Wirken Jesu Christi Wie schon die Behandlung des fünften, so ist auch diejenige des sechsten Weltzeitalters in ciu. auffallend knapp gehalten. Dieser Umstand verwundert, fallen in diese Zeit doch die für den christlichen Glauben zentralen Heilsereignisse. Als Gründe wird man wohl erneut in formaler Hinsicht den Platzmangel anführen müssen, der Augustin an einer ausführlichen Bearbeitung der neutestamentlichen Zeit hinderte. Angesichts des fortgeschrittenen Umfangs von ciu. XVIII und seiner sich selbst auferlegten dreiteiligen Konzeption der Bücher XI-XXII war ihm dies offensichtlich nicht möglich, ohne den Rahmen des vierten und letzten Buches des procursus der beiden ciuitates zu sprengen. Hinsichtlich der inhaltlichen Gründe, so es sie denn gegeben hat, bleibt man auf Spekulationen angewiesen.1 Dass jedoch von den immerhin neun Kapiteln, die 1  Von seiner Definition von Heilsgeschichte als dem „Auftreten von Ereignissen […], die zur menschlichen Geschichte zuvor unbekannte Heils- und Erlösungsfaktoren beisteuern“, ausgehend, meint Christoph Horn in ciu. nur eine „nicht stark akzentuierte“ Heilsgeschichte zu erkennen (Horn, Geschichtsdarstellung, S.  179). Somit schließt er sich im Prinzip der Auffassung Karl Löwiths an, mit dem Auftreten Christi habe sich in Bezug auf das Heil – die Frage der Zugehörigkeit zu den beiden ciuitates – nichts Wesentliches geändert, das einzige Heilsgeschehen sei die Pilgerschaft der Glieder der ciuitas dei (vgl. Löwith, Weltgeschichte, S.  183; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.2). Löwith hatte sich die knappe Behandlung der Kirchengeschichte im eigentlichen Sinne damit erklärt, dass es für Augustin nach dem Auftreten und Wirken Christi „nichts wirklich Neues mehr geben“ könne (vgl. Löwith, Weltgeschichte, S.  181; ähnlich argumentieren Schmidt, Geschichtsverständnis, S.  376; Bardy, Introduction, S.  10). Isabelle Bochet macht deutlich, dass das Leben Jesu deswegen kaum eine Rolle spielt, da Augustins Fokus in ciu. auf den alttestamentlichen Prophetien und deren Ankündigung des Kommens Christi lag – die Inkarnation Christi ist schließlich die Erfüllung all dieser Weissagungen und Verheißungen (vgl. Bochet, Le firmament, S.  489–498). Die Erklärung Jakob B. Obersteiners, die „Geschichte Christi“ würde deshalb von Augustin nur „summarisch behandelt“ werden, da ciu. als „philosophische Schrift“ konzipiert gewesen und als solche an Heiden gerichtet sei, überzeugt dagegen nicht (vgl. Obersteiner, Geschichtstheologie, S.  332). Denn wie Christian Tornau überzeugend nachweist, kann ciu. zwar als eine „polemische Schrift gegen die Heiden“ angesehen werden, dennoch richtet sie sich „primär an ein christliches Publikum“ (Tornau, Zwischen Rhetorik, S.   114). Damit zusammenhängend, aber stärker auf die von ihm postulierte Darstellungsabsicht Augustins in ciu. abhebend (vgl. Horn, Geschichtsdarstellung, S.  177), schreibt Horn: „Die Kürze der Schilderungen des Lebens Jesu und der Kirchengeschichte erklärt sich also daraus, daß diese für die Explikation der ciuitates-Antithese nicht zentral sind.“ (a. a. O., S.  179) Einen weiteren Grund für die knappe Behandlung des sechsten Weltzeitalters ist das Fehlen von

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Augustin dem sechsten Weltzeitalter widmet, lediglich zwei Kapitel die Ankunft (ciu. XVIII 46) bzw. das Wirken Jesu Christi bis zu seiner Aussendung des Heiligen Geistes (ciu. XVIII 49) näher in den Blick nehmen, gibt Anlass zur Vermutung, dass Augustin an einer Darstellung des Lebens, Wirkens und der Lehre Jesu (zumindest innerhalb von ciu.) kein sonderliches Interesse hatte.2 Von größerer Bedeutung sind für Augustin, und auch darin zeigt er sich von Paulus geprägt, die Inkarnation, der heilvolle Kreuzestod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi. Die Geburt Jesu Christi fällt zeitlich in die Amtszeit von Kaiser Augustus. Durch diesen wurde, wie Augustin betont, der Erdkreis befriedet 3 – ein Vorgang, den Augustin in ciu. XVIII 22 bereits als von Gott gewollt und herbeigeführt beschrieben hatte.4 Gemäß den Weissagungen Michas (vgl. Mi 5,2)5 und Jesajas (vgl. Jes 7,14) wurde Jesus in Bethlehem als Sohn einer Jungfrau geboren, wobei Letzteres Augustin zu einer christologischen Aussage veranlasst, die über die neutestamentlichen Zeugnisse von der Jungfrauengeburt hinausgeht: So sei Christus „offenbarer Mensch aus der menschlichen Jungfrau“ (homo manifestus ex homine uirgine) und zugleich „verborgener Gott aus Gott, dem Vater“ (deus occultus ex deo patre).6 Zu dieser Aussage passt in gewisser Weise auch das sich unmittelbar anschließende Zitat aus Jes 7,14, wonach der erhoffte, von prophetisch begabten biblischen Schriftstellern, womit eine autoritative Deutung der Geschichte im Sinne einer historia sacra fehlt, woran sich Augustins Geschichtsdeutung hätte orientieren können. Darauf verweist u. a. Markus, Saeculum, S.  232; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.6. 2  Ulrich Duchrow urteilt, dass bei Augustin „der menschliche Jesus […] nur ein Sonderfall der Praedestination, der ewige Christus selbst der Praedestinierende“ sei (Duchrow, Christenheit, S.  305). 3 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 43, Z.  1–3. 4 Vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1–4; s. dazu Abschnitt 4.5.1. Die ‚Befriedung des Erdkreises‘ ist auch ein Topos, der sich in alttestamentlichen Texten (vgl. etwa Jes 11,1–9; Jer 23,5 f.) mit der Ankunft des erhofften Messias verbindet. Da Jesus zumindest während seines irdischen Wandels eine solche Friedensordnung nicht aufgerichtet hat, verlagerten sich derartige Hoffnungen im Christentum auf die erwartete Wiederkunft Christi als des Weltenrichters. Die Regentschaft des Augustus (und damit die mit ihr oft in Verbindung gebrachte Pax Romana) und die Ankunft Christi werden prominent im Lukasevangelium ins Verhältnis gesetzt (vgl. Lk 2,1), wobei hier auch eine offensichtliche Gegenüberstellung von dem (als Gott verehrten) römischen Kaiser und seiner weltlichen Friedensordnung auf der einen Seite und dem durch die Geburt des ‚Heilands‘ von Gott gewährten umfassenden ‚Frieden auf Erden‘ auf der anderen Seite (vgl. Lk 2,10–14) wahrzunehmen ist. Gerade innerhalb des geschichtstheologischen Denkens Eusebs spielte die Koinzidenz der Geburt Jesu Christi und der Regentschaft des Augustus eine wichtige Rolle. Nach Theodor E. Mommsen seien Eusebius und seine Anhänger davon überzeugt gewesen, dass in der Geburt Christi „the history of man had taken a fresh start […] and had ‚progressed‘ toward a new culminating-point under Constantine, when the Roman empire reached the fulfillment of its mission by becoming Christian“ (Mommsen, Idea, S.  373). 5  Die Weissagung aus Mi 5,2 hatte Augustin bereits in ciu. XVIII 30 angeführt; s. dazu Abschnitt 4.5.4. 6 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 43, Z.  3 –5.

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einer Jungfrau geborene Messias „Immanuel“ (‫)ִעָּמנּו ֵאל‬, also „Gott [ist] mit uns“ (nobiscum deus) heißen wird:7 Durch Christus ist nicht nur ein Mensch, sondern Gott selbst bei den Menschen. Die Beschreibung des Wirkens Jesu Christi auf Erden beschränkt sich in ciu. XVIII 46 auf die „Wunder“ (miracula), die Augustin zufolge dem Zweck dienten, auf jenen zunächst noch „verborgenen Gott“ (deus occultus) hinzuweisen, der in Christus war.8 Neben der wunderhaften Geburt als das miraculum primum werden hier seine Auferweckung von den Toten und die Himmelfahrt als das miraculum ultimum genannt.9 In ciu. XVIII 49 wird das Wirken Jesu Christi nochmals thematisiert, wobei hier auch seine Himmelreich-Verkündigung, seine Jüngerschaft und die durch ihn angestoßene Ausbreitung des Evangeliums in den Blick geraten. Mit dem Aufruf zur Buße angesichts des nahe herbeigekommenen Himmelreichs,10 von dem bereits die Predigt seines „Vorläufers“ (praecursor) Johannes geprägt war, sowie mit der Bemerkung, dass er das „heilige Evangelium“ (sanctum euangelium) ausgesät habe, wird die Verkündigung Jesu während seiner „leiblichen Anwesenheit“ (praesentia corporalis) zusammengefasst.11 Auffallend bei der weiteren Beschreibung des Wirkens Jesu auf Erden ist, dass Augustin in verschiedenen Begebenheiten einen höheren Sinn erkennt, der sich so nicht immer notwendig aus der Darstellung der Evangelien ergibt. So habe Jesus ganz bewusst Jünger ohne besondere soziale Herkunft, Bildung und Ansehen berufen, damit man die Größe, die sie durch ihr Sein und Wirken erreichen sollten, auf nichts als das Sein und Wirken Christi in ihnen zurückführe.12 Selbst der Verrat durch Judas Iskariot habe in zweifacher Weise einen Sinn gehabt: Jesus habe sich dieses bösen Menschen zum Guten bedient,13 war 7 „ecce

uirgo accipiet in utero et pariet filium, et uocabunt nomen eius Emmanuel, quod est interpretatum: nobiscum deus.“ ( Jes 7,14 bzw. Mt 1,23 nach ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  6 –8) 8 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  8 –10. 9 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  11–13. Diese Nennung des ersten und des letzten miraculum – bei gleichzeitigem Fehlen einer Behandlung der von Jesus selbst vollbrachten Wunder – bewertet Volker Henning Drecoll als Indiz für das „vergleichsweise geringe Interesse Augustins an Wundern“, das sich insbesondere auch in dessen Auseinandersetzung mit Porphyrios in ciu. X zeige (Drecoll, Haus, S.  306). Jean-Michel Roessli hält fest, dass Augustin, wenn er die Wundertaten Jesu behandelt, kaum am Wunder selbst, als vielmehr an dessen symbolischer Bedeutung für die Glaubenden Interesse zeigt (vgl. Roessli, Art. Mirabilia, Sp.  27). 10 „agite paenitentiam, adpropinquauit enim regnum caelorum.“ (Mt 3,2 bzw. Mt 4,17 nach ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  14 f.) Augustin geht in Io. eu. tr. 4,1 davon aus, dass Johannes der Täufer derjenige unter den Propheten war, der sowohl von seiner Botschaft als auch von seinem Lebensweg her Christus am nächsten stand (vgl. Io. eu. tr. 4,1, S.  31, Z.  6 –9; s. dazu Klöckener, Art. Iohannes, Sp.  688 f.). 11 Vgl. ciu. XVIII 49, S.   647, Z.  20–22. Sowohl das Verb „säen“ (seminare) als auch die zeitliche Begrenzung auf die praesentia corporalis Christi implizieren eine Unabgeschlossenheit der Evangeliumsverkündigung, die sich ja – ermöglicht durch das Pfingstgeschehen – erst im Verlauf des sechsten Weltzeitalters deutlich ausweiten und auf die gesamte Erde erstrecken sollte. 12 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 47, Z.  15–18; s. dazu 1Kor 1,26–31. 13 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 47, Z.  18 f. Diese Vorstellung wird üblicherweise mit dem Han-

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doch der in böser Absicht geschehene Verrat durch Judas ein notwendiger Schritt, um das „Vorhaben seines Leidens“ (suae passionis dispositum), d. h. das Leiden bis hin zum Kreuzestod, zu verwirklichen.14 Zudem wurde der Kirche mit Judas, wohl weil ihn Jesus trotz dessen Wissens um den bevorstehenden Verrat nicht aus dem Jüngerkreis verstieß,15 Augustin zufolge ein Beispiel gegeben, „wie man die Schlechten zu ertragen habe“.16 Auch das Leiden und Sterben Jesu Christi erhält abgesehen von dem dadurch gegebenen „Geheimnis“ (sacramentum) des zur Sündenvergebung vergossenen Blutes17 einen weiteren Sinn. Durch Christi Leiden wurde nämlich den Glaubenden aufgezeigt, „was [sie] um der Wahrheit willen auf sich nehmen“ sollen – hier ist ganz offensichtlich an die Martyrien im Rahmen der Christenverfolgungen zu denken, derer sich Augustin in den Folgekapiteln annimmt. Zugleich diente ihnen die Auferstehung als Aufweis dessen, was sie „in der Ewigkeit erhoffen“ dürfen.18 Nachdem der Auferstandene vierzig Tage bei seinen Jüngern verweilt hatte und zum Himmel aufgefahren war (vgl. Lk 24,51; Apg 1,3.9), sandte er zehn Tage darauf den zuvor von ihm verheißenen Heiligen Geist (vgl. Lk 24,49; Apg 1,5.8; 2,1–4), als dessen „größtes und am meisten notwendiges Kennzeichen“ (signum maximum et maxime necessarium) Augustin die Befähigung der Glaubenden ansieht, in den Sprachen aller Völker zu sprechen.19 Dies war nicht nur eine notwendige Voraussetzung für die mit Pfingsdeln Gottes in Verbindung gebracht. Augustin greift sie in ciu. u. a. bei seiner Reflexion über den Sündenfall auf (vgl. ciu. XIV 11, S.  432, Z.  32–37; vgl. auch ciu. XIV 27, S.  450, Z.  3 –5), auch bei seinen Ausführungen zu den Bösen und Ketzern innerhalb der unvollendeten Kirche wird sie bemüht (vgl. ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  11–14; hier in Verbindung mit dem paulinischen Wort aus Röm 8,28, dass den von Gott Berufenen „alle Dinge zum Guten dienen“). Als alttestamentlicher Hintergrund der Vorstellung, dass böse Absichten und Taten eines Menschen durch Gottes Eingreifen zum Guten gewendet werden, kann die Aussage in Gen 50,20 gelten, die Joseph an seine Brüder richtet: „Ihr gedachtet es zwar böse gegen mich, aber Gott hat es zum Guten gewendet [wörtlich: Gott aber gedachte es gut zu machen], um zu tun, was jetzt geschieht, nämlich ein großes Volk am Leben zu erhalten.“ Augustin selbst zitiert diesen Vers allerdings an keiner Stelle seines Werkes, auch nicht bei seiner Rezeption der Josephsnovelle in ciu. XVI 41 f. Das betreffende Motiv selbst, von dem gerade auch die alttestamenliche Weisheitsliteratur durchdrungen ist (vgl. Spr 10–29; u. a. 16,9; s. dazu Schmitt, Exodus-Geschichte, S.  176 f.179), spielt in Augustins (geschichts-)theologischem Denken allerdings eine wichtige Rolle. 14 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 47, Z.  18 f. 15 Vgl. die entsprechenden Darstellungen von Jesu Ankündigung seiner Auslieferung durch Judas (Mt 26,21–25; Mk 14,18–21; Lk 22,21–23; Joh 13,21–30). 16  „habuit inter eos unum, quo malo utens bene et suae passionis impleret dispositum et ecclesiae suae tolerandorum malorum praeberet exemplum.“ (ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  18–20) In ciu. XVIII 51 widmet sich Augustin ausführlich dem Umgang mit den Bösen und Ketzern innerhalb der Kirche (s. dazu Abschnitt 6.2.3). 17 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 47, Z.  24 f. 18  „passione ostendens quid sustinere pro ueritate, resurrectione quid sperare in aeternitate debeamus“ (ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  22–24). 19 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 47, Z.  25 – S.  6 48, Z.  31. Das mit dem Pfingstgeschehen verbundene Sprachwunder bildet für Augustin die positive Entsprechung der Sprachverwirrung,

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ten beginnende Völkermission, sondern es wurde zugleich ein Zeichen für die künftige, völkerübergreifende „Einheit der katholischen Kirche“ (unitas catholicae ecclesiae) gegeben.20

6.2 Der weitere Verlauf des sechsten Weltzeitalters 6.2.1 Das Schicksal der Juden im sechsten Weltzeitalter Die Situation der Juden im sechsten Weltzeitalter wird von Augustin als Erfüllung alttestamentlicher Weissagungen, vorwiegend aus den Psalmen Davids stammend, verstanden. Bestimmt ist seine Sicht von der Idee der gegenwärtig lebenden Juden als Bewahrer der heiligen Schriften, die sie allerdings selbst zu verstehen außerstande sind. Dies kam bereits ausführlich bei Augustins Charakterisierung von Kain (und dessen Kainsmal) zum Ausdruck, den er in c. Faust. 12,9–12 als Paradigma des jüdischen Volkes nach Christus darstellte.21 Schon im Verlauf des fünften Weltzeitalters wurde deutlich, folgt man der Argumentation Augustins, dass die Juden zunehmend im Begriff waren, ihren Vorzug als Gottesvolk, dem die exklusive Zuwendung Gottes galt, zu verlieren. Diese Entwicklung erreicht im Ausgang des Jüdischen Kriegs, der erneuten und endgültigen Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden aus Jerusalem ihre Kulmination mit den bis zur Gegenwart des Verfassers reichenden Auswirkungen für das Judentum. Mit dem Auftreten Christi hat sich bei den Juden eine Scheidung vollzogen, sodass sich ihre Situation von nun an zweigeteilt darstellt: Hat sich doch ein Teil von ihnen dem Glauben an Christus angeschlossen und sind so als Glieder der Kirche dem Schicksal entronnen, das ihre Volksgenossen treffen sollte.22 Diedie die göttliche Strafe für den Turmbau war (vgl. ciu. XVI 4, S.  504, Z.  19–23; XVI 11, S.  514, Z.  71 – S.  515, Z.  73; s. dazu Abschnitt 2.2.3). So betont er in ciu. XIX 7 auch im Hinblick auf das Imperium Romanum, Sinnbild und zugleich aktuelle Ausbildung der ciuitas terrena, dass dieses zwar von den ihm unterworfenen Völkern verlangte, in einer, nämlich der römischen Sprache zu sprechen, dass diese Völker aber gerade nicht aufgehört hatten, weiterhin ihre eigenen Sprachen zu pflegen (vgl. ciu. XIX 7, S.  671, Z.  14–17; s. dazu Szidat, Art. Imperium, Sp.  552). Die Septuaginta, die Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Griechische, betrachtet Augustin bereits als eine Vorbereitung der Völkermission und damit der Überwindung der babylonischen Sprachverwirrung (s. dazu Abschnitt 5.2.3; vgl. auch Piret, La destinée, S.  294 mit Anm.  73). 20 Vgl. ciu. XVIII 49, S.  6 48, Z.  31 f. 21  Vgl. dazu Abschnitt 1.1.1. Paula Fredriksen macht auf den interessanten Umstand aufmerksam, dass in ciu. XVIII 46 zwar alle von Augustin an früherer Stelle mit Kain verbundenen Charakteristika in Bezug auf die Juden genannt werden, dass der Name Kain nun aber an keiner Stelle fällt: „Everything but Cain reappears in book eighteen. In his absence, Augustine hangs all of these ideas, originally generated from his reading of Genesis, from the hook of Psalm 59:12 [sc. 58,12 LXX].“ (Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  347) 22  „quas plurimi eorum considerantes et ante passionem et maxime post eius resurrectionem crediderunt in eum“ (ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  19). Die Wortwahl plurimi eorum setzt hier nicht die Zahl der christusgläubigen Juden ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Juden, ist doch

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sen Umstand versteht Augustin als das Eintreten der durch Jesaja vermittelten Verheißung Gottes, wonach von den zahlreichen „Kindern Israels“ ( filii Israel) „Reste“ (reliquiae) gerettet werden sollen.23 Die übrigen Juden jedoch, „die an ihn [sc. Christus] nicht glauben wollten“, wurden, ob nun als letzte Konsequenz der bereits im vorigen Weltzeitalter erfolgten Abwendung Gottes von ihnen, oder als Strafe für die Hinrichtung Jesu, für die Augustin sie in ciu. XVIII 46 verantwortlich macht,24 von den Römern in ihrer Heimat ausgerottet und in alle Länder der Welt vertrieben.25 Doch damit nicht genug, wird dieser Teil des Judentums mit einer weiteren Strafe geschlagen: Diese Juden, die Augustin auch als „Feinde“ (inimici)26 der Christen bezeichnet, sind „verblendet“ (excaecatus)27, sodass sie ihre heiligen Schriften nur noch als „Blinde“ (caeci)28 zu lesen vermögen. In diesem Zustand sind sie außerstande zu erkennen, dass sich die Verheißungen ihrer Schriften nicht nur in positiver Hinsicht in Christus und der Kirche erfüllen, sondern dass auch die negativen Implikationen alttestamentlicher Weissagungen nun wahr werden – und zwar an ihnen selbst.29 Augustin zufolge stellt nämlich das Schicksal dieser Juden die Erfüllung entsprechender Voraussagen aus den Psalmen dar. So sei die Tatsache, dass die Juden im Jüdischen Krieg nicht getötet, sondern stattdessen in alle Lande zerstreut wurden, in Ps 58,11 f. vorausgesagt:30 Solches erbittet der Psalmbeter von Gott als Schicksal für seine Feinde. In der Gewährung dieser Bitte erweist Gott zugleich sein Erbarmen gegenüber dem Beter, weswegen Augustin das Eintreten dieses Schicksals bei den Juden als göttlichen Erbarmenserweis gegenüber der Kirche begreift, was er zudem mit einem Wort des Apostels Paulus stützt: „Ihr kurz darauf im Anschluss an Jesaja vom ‚Rest der Kinder Israels‘, die zahlreich wie ‚Sand am Meer‘ sind, die Rede: Es bleibt also eine Minorität von Juden, die gerettet werden sollen. Augustin sagt hier lediglich aus, dass „sehr viele“ (plurimi) der christusgläubigen Juden bereits zu Lebzeiten Jesu Christi, „die meisten“ (maxime) aber erst nach dessen Auferstehung zum Glauben an ihn gekommen sind. 23 „si fuerit numerus filiorum Israel sicut harena maris, reliquiae saluae fient.“ ( Jes 10,22 nach ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  21 f.) 24  Augustin gab schon in ciu. IV 34 und XVII 18 zu erkennen, dass er von einer alleinigen Schuld der Juden an der Kreuzigung Jesu überzeugt ist (s. dazu Abschnitt 4.3.4 mit Anm.  4 48). 25  „Iudaei autem, qui eum occiderunt et in eum credere noluerunt, quia oportebat eum mori et resurgere, uastati infelicius a Romanis funditusque a suo regno, ubi iam eis alienigenae dominabantur, eradicati dispersique per terras.“ (ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  13–16) 26 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  4 0. 27 Vgl. ciu. XVIII 46, S.   644, Z.  22. Vgl. hierzu auch die Ausführungen Augustins zu entsprechenden Weissagungen des Propheten Maleachi in ciu. XVIII 35; s. dazu Abschnitt 4.5.7, zum Terminus excaecare Anm.  633. 28 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  27. 29 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  2 6 f. 30 „deus meus, misericordia eius praeueniet me; deus meus demonstrauit mihi in inimicis meis, ne occideris eos, ne quando obliuiscantur legem tuam; disperge eos in uirtute tua.“ (Ps 58,11 f. nach ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  36–39)

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[sc. der Juden] Vergehen (wird zum) Heil der Heiden“.31 Ps 58,12 kann zudem zur Stützung der These Augustins herangezogen werden, dass sich mit der Nicht-Tötung der Juden eine heilsgeschichtliche Absicht Gottes verbindet: So bittet der Beter Gott in diesem Psalmvers darum, seine Feinde nicht zu töten, „damit sie nicht eines Tages dein Gesetz vergessen“.32 Die Bewahrung der heiligen Schriften und die Garantie ihrer Authentizität stellen für Augustin die Existenzberechtigung der nicht an Christus glaubenden Juden und ihre positive Funktion für die Kirche dar, wenn er schreibt: „und sie [sc. die Juden] wurden über (alle) Länder zerstreut – gibt es doch keinen Ort, an dem sie fehlen – und durch ihre Schriften geben sie Zeugnis für uns ab, dass wir die Weissagungen über Christus nicht fingiert haben“.33 Ihre Zerstreuung in alle Länder der Welt stellt dabei sicher, dass sie (freilich „gegen ihren Willen“ [inuitus]) die Funktion der Schriftbewahrung zugunsten der Kirche wahrnehmen können, die sich ja ebenfalls durch die Evangeliumsverkündigung in allen Völkern der Welt ausgebreitet hat.34 Nicht-Tötung, Zerstreuung in alle Länder und ihr Festhalten am Gesetz (= den heiligen Schriften) sind also in der Wahrnehmung Augustins die 31 „delictum

illorum salus gentibus“ (Röm 11,11 nach ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  41 f.). Nach Augustin sind die Juden auch schon in der Zeit der römischen Oberherrschaft insofern besonders behandelt worden, da sie als das einzige von den Römern unterworfene Volk nicht religiös assimiliert wurden (vgl. en. Ps. 58,1,21, S.  744, Z.  25–28; s. dazu Szidat, Art. Imperium, Sp.  552). Nicht nur die Bewahrung der heiligen Schriften, sondern auch des Glaubens an den einen Gott im ‚fleischlichen‘ Volk Israel innerhalb des sechsten Weltzeitalters ist für Augustins heilsgeschichtliches Denken von Bedeutung: Beides dient der Ausbreitung des Christentums und zugleich der Zurückdrängung der paganen Kulte (vgl. cons. eu. 1,21). 32 „ne occideris eos, ne quando obliuiscantur legem tuam“ (Ps 58,12 nach ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  38 f.). Weder die Hebräische Bibel noch die LXX bezeugt „dein [sc. Gottes] Gesetz“ (lex tua) als Objekt des Vergessens, sondern „mein Volk“. Die Variante Augustins findet sich dagegen im Codex Vaticanus und weiteren Textzeugen. 33  „dispersique per terras (quando quidem ubique non desunt) per scripturas suas testimonio nobis sunt prophetias nos non finxisse de Christo“ (ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  16–18). Aus diesen und ähnlichen Äußerungen Augustins entwickelte sich, so schreibt Paula Fredriksen, die „famous ‚witness doctrine‘“, eine Lehre von der Zeugenschaft der Juden also, die eine große Wirkung im Römischen Reich und auch im christlichen Europa des Mittelalters entfalten sollte (Fredriksen, Augustine and the Jews, S. XII.363 f.). Bei aller Würdigung dieses von Augustin vorgetragenen Konzepts als eines ‚positiven‘ Beitrags zur christlichen Wahrnehmung des Judentums (vgl. Unterseher, Mark, S.  141 f.172 f.; Oort, Art. Iudaei, Sp.  783 mit Anm.  18) muss betont werden, dass sich die positive Wertung des Judentums in der Diaspora durch Augustin immer im Rahmen einer christlichen heilsgeschichtlichen Funktionalisierung des Judentums bewegt (so votiert letztlich auch Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  372). 34 Vgl. ciu. XVIII 46, S.   644, Z.  30–35; S.  645, Z.  45–50. Das Motiv der den Christen durch das Bewahren der Heiligen Schrift dienenden Juden begegnete bereits mehrfach in ciu., etwa bei der Behandlung des Bruderkonflikts zwischen Kain und Abel (s. Abschnitt 1.1.2) sowie desjenigen zwischen Jakob und Esau (s. Abschnitt 3.3.3). Anhand dieser alttestamentlichen Gestalten wird als prophetisch vorweggenommen verstanden, was sich nun in den Augen Augustins tatsächlich erfüllt. Ernst Bammel weist in seiner Studie nach, dass sich diese Deutung Augustins auch insofern von vielen anderen Auslegern seiner Zeit unterscheidet, da er den Juden den Besitz der Schriften nicht abspricht (vgl. Bammel, Zeugen, S.  173).

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drei aus Ps 58,11 f. hervorgehenden notwendigen Bedingungen für die Rolle der nicht der Kirche zugehörigen Juden, die er ihnen im sechsten Weltzeitalter zuweist. Vor diesem Hintergrund gibt er auch den Schriften des Alten Testaments, die Weissagungen auf Christus enthalten, gegenüber nichtbiblischen Christusweissagungen (etwa denjenigen der erythräischen Sibylle) den Vorzug, da ersteren aufgrund ihrer Bezeugung durch die den Christen feindlichen Juden nicht der Vorwurf der Fälschung durch die Christusgläubigen zu machen ist.35 Ps 68,23 f. zieht Augustin als Schriftbeweis heran, der die an einem Teil der Juden erfolgte Verblendung als Erfüllung einer prophetischen Weissagung belegt: „Ihr Tisch werde ihnen selbst zum Fallstrick und zur Vergeltung [retributio] und zum Anstoß. Verfinstern sollen sich ihre Augen, sodass sie nicht sehen; und ihren Rücken krümme du für immer.“36 Ps 68,22–24 hatte Augustin bereits in ciu. XVII 19 als Weissagung Davids behandelt und dort einen Zusammenhang zwischen der Passion Christi (Ps 68,22 sagt die Tränkung des Gemarterten mit Essig voraus) und der darauf folgenden „Vergeltung“ (retributio) hergestellt, die die für das Leiden und den Tod Jesu verantwortlichen Juden zu erwarten haben.37 Diese Vergeltung realisiert sich zum einen in der Verblendung, die in erster Linie dazu führt, dass sie die heiligen Schriften zwar weiterhin bewahren, aber nicht verstehen, insbesondere im Hinblick auf die sich seit dem Kommen Christi erfüllenden Weissagungen. Zum anderen wirkt sich die Vergeltung als Krümmung des Rückens aus, was Augustin in ciu. XVII 19 nicht als Ausdruck körperlicher, sondern „seelischer Gebrechen“ (uitia animorum) verstanden wissen will.38 Denn mit ihren gekrümmten Rücken können diese Juden nicht mehr zu den „himmlischen Dingen“ (caelestia) auf blicken, sondern sind dazu gezwungen, sich fortwährend den „irdischen Dingen“ (terrena) zuzuneigen.39 Damit werden die nicht an Christus glaubenden Juden klar als Bürger der ciuitas terrena identifiziert. Ihre Ausrichtung auf das Irdische und ihr Unvermögen, sich (wie die Bürger der ciuitas dei) in ihrem Streben auf das Himmlische zu richten, sind Strafe und gottgegebenes Schicksal zugleich. Denn, wie bereits aus frühe35 Vgl. ciu. XVIII 46, S.  6 44, Z.  27–30. Dieses Argument wird nochmals im folgenden Kapitel aufgegriffen und auf einen missionarischen Kontext übertragen. So könne man Außenstehende sicherer vom christlichen Glauben überzeugen, wenn man ihnen Weissagungen von Christus in den heiligen Schriften der Juden vor Augen führt, da nichtjüdischen Christusweissagungen (etwa die der erythräischen Sibylle) einfacher der Vorwurf gemacht werden könne, von Christen „erdichtet“ (confingere) zu sein; vgl. ciu. XVIII 47, S.  646, Z.  36–43. 36 „fiat mensa eorum in laqueum et in retributionem et scandalum. obscurentur oculi eorum, ne uideant; et dorsum illorum semper incurua.“ (Ps 68,23 f. nach ciu. XVIII 46, S.  644, Z.  23–25) 37  S. dazu Abschnitt 4.3.5. 38 Vgl. ciu. XVII 19, S.  586, Z.  16 f. Vgl. zum Motiv des gekrümmten Rückens in Bezug auf die Juden Augustins Auslegung des 68. Psalms in ciu. XVII 19; s. dazu Abschnitt 4.3.5 mit Anm.  462. 39  „quid mirum, si caelestia non suspiciunt, qui ut in terrena sint proni, dorsum eorum semper incuruum est?“ (ciu. XVII 19, S.  586, Z.  14–16)

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ren Ausführungen Augustins hervorgeht, war der Großteil der Juden bereits mit Blindheit geschlagen, noch bevor er sich durch die Verfolgung und Hinrichtung Jesu schuldig machen konnte.40 Eingedenk der Rede von den aus den Kindern Israels zur Rettung ausgesonderten ‚Resten‘ ( Jes 10,22) in ciu. XVIII 46 wird man das doppelte Geschick der Juden im sechsten Weltzeitalter letzten Endes auf das prädestinatorische Handeln Gottes zurückführen müssen, das die Erwählung der einen zu Bürgern der ciuitas dei (die sich im Glauben an Christus auswirkt) und die Nicht-Erwählung der anderen und somit ihr Verbleiben in der ciuitas terrena zur Folge hat. Da es für die Bewertung des Volkes Israel durch Augustin von Interesse ist, soll hier noch ein Blick auf dessen Antwort auf die Frage nach dem Schicksal der Juden im eschatologischen Gericht geworfen werden. Insbesondere im Römerbrief des Paulus, der das Denken Augustins in vierlerlei Hinsicht beeinflusst hat, lassen sich Aussagen finden, die durchaus so verstanden werden können, als ob Gott sich im Endgericht „ganz Israel“ (πᾶς Ἰσραήλ, vgl. Röm 11,25–27) oder gar „aller“ (πάντες, vgl. Röm 11,32) erbarmen und sie erretten werde. Letzteres weist Augustin in ciu. XXI 24 entschieden zurück: Gott werde sich nur all jener erbarmen, die er zuvor aus den Heiden und den Juden als „Gefäße der Barmherzigkeit“ (vgl. Röm 9,21–24) vorherbestimmt und berufen hat, keineswegs aber aller Menschen.41 Hinsichtlich des Schicksals der Juden im Gericht teilt Augustin die Hoffnung auf eine Wiederkehr Elias, die sich u. a. auf die Prophezeiung in Mal 3,23 f. stützen kann. Elia würde den Juden das Gesetz auslegen, sodass sie zum Glauben kommen – was für Augustin freilich nur den Glauben an Christus bedeuten 40  „sed multi eorum, quem quaesierunt et uoluerunt, uenisse non agnouerunt, excaecati in cordibus suis praecedentibus meritis suis.“ (ciu. XVIII 35, S.  630, Z.  72–74) 41 Vgl. ciu. XXI 24, S.  793, Z.  163–185. Heinrich Scholz erkennt in dieser Haltung Augustins dessen Absage an eine Theologie der „Allbeseligung“, als deren vornehmlichster Vertreter Origenes zu gelten hat (vgl. H. Scholz, Glaube, S.  189). In letzter Konsequenz führt eine solche Theologie zur Annahme, dass selbst der Teufel und die gefallenen Engel, nachdem sie ihre Strafen gemäß ihrer Schuld verbüßt haben, die Seligkeit erlangen. Origenes stützt sich hierbei biblisch u. a. auf die in der Endzeit erwartete „Wiederherstellung aller Dinge“ (restitutio omnium; vgl. Apg 3,21) sowie auf die paulinische Erwartung, dass am Ende der Zeit ‚Gott alles in allem‘ sein werde (vgl. 1Kor 15,28); vgl. Origenes, Princ. I 6,2, S.  79, Z.  19 – S.  82, Z.  3; II 3,5, S.  120, Z.  17–29; III 5,7, S.  278, Z.  18–24 (die Seiten- und Zeilenzählung der Edition von H. Görgemann/ H. Karpp folgt derjenigen von P. Koetschau / GCS 22; aus ciu. XI 23; XII 14 kann geschlossen werden, dass Augustin Princ. gekannt und wohl auch in einer lateinischen Übersetzung [Rufin bzw. Hieronymus] gelesen hat [vgl. Fürst, Art. Origenes, Sp.  383]). – Augustin widerspricht diesen Schlussfolgerungen des Origenes vehement und sieht u. a. aus diesem Grund dessen kirchliche Verurteilung als gerechtfertigt an (vgl. ciu. XXI 17, S.  783, Z.  6 –18; s. dazu Fürst, a. a. O., Sp.  386). Dass Augustin die Errettung aller Juden angenommen habe, wird in der Forschung immer wieder fälschlicherweise vertreten (vgl. Signer, Jews, S.  472; Cohen, Mystery, S.  267), kann allerdings anhand der Quellen klar zurückgewiesen werden (vgl. Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  328.430 f., Anm.  17).

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kann.42 Allerdings wird nur diese unmittelbar vor dem Gericht lebende Generation der Juden von Elia belehrt zum Glauben an Christus kommen und somit auch im Gericht bestehen können.43 Ihre Vorfahren, so Augustin in seiner Auslegung von Sach 12,9 f., werden zwar auferstehen und wie ihre zum Glauben gekommenen Nachfahren die Parusie Christi in Herrlichkeit erleben. Auch werden sie von einer Trauer darüber ergriffen sein, dass sie diesen Christus einst getötet und ihn in seinem Leiden noch verspottet haben. Letztendlich wird ihre Auferstehung und damit ihre Begegnung mit dem Richter Christus jedoch nur eine Auferstehung zur (ewigen) Strafe, nicht zur Bekehrung sein.44 42  „per hunc Heliam magnum mirabilemque prophetam exposita sibi lege ultimo tempore ante iudicium Iudaeos in Christum uerum, id est in Christum nostrum, esse credituros, celeberrimum est in sermonibus cordibusque fidelium.“ (ciu. XX 29, S.  752, Z.  7–11) Dass dieser in den Juden geweckte Glaube Christus zum Inhalt hat, versucht Augustin in diesem Kapitel damit zu belegen, dass die LXX in Mal 3,24 im Unterschied zur Hebräischen Bibel („Der [sc. Elia] soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen“) statt des Plurals „Väter/ Söhne“ jeweils den Singular „Vater/ Sohn“ verwendet (ὃς ἀποκαταστήσει καρδίαν πατρὸς πρὸς υἱὸν). Dieser Umstand wird Augustin zum Argument für ein christologisches Verständnis der Prophezeiung Maleachis: Elia werde die Juden darüber belehren, dass das Herz Gottes, des Vaters seinem Sohn Christus zugewandt ist. Deshalb sollen nun die Juden den ihnen vorher verhassten Christus lieben, da ihr Gott ihn liebt (vgl. ciu. XX 29, S.  753, Z.  25–35). 43  Gregory W. Lee betont, „that Augustine believes in the massive future conversion of national Israel to Jesus“, räumt aber selbst ein, dass diese ‚massenhafte‘ Konversion der Juden nur diejenigen betrifft, die von Elia belehrt werden (vgl. Lee, Israel, S.  540 f.). Der Großteil des Volkes Israel, so muss in aller Klarheit gesagt werden, bleibt nach Augustin ohne Glauben an Christus und damit außerhalb des Heils. Lee räumt diesen Punkt an späterer Stelle zwar ein: „Old Testament Israel was for Augustine a kind of tertium quid – part of the earthly city, yet not identical with it, mostly damned, yet possessing within herself individual members of the heavenly city.“ (a. a. O., S.  551) Die Rede vom tertium quid ist allerdings auch hier irreführend, insofern beide ‚Teile‘ Israels einer der beiden ciuitates angehören – durch ihr Zusammenkommen in einem irdischen Volk entsteht keine dritte Größe. Die Behauptung Lees, Augustin würde die „ongoing validity of God’s promises“ an das (fleischliche) Volk Israel nicht explizit ausschließen, muss vor diesem Hintergrund in Frage gestellt werden. Worin bestünde denn konkret der Wert dieser Verheißungen im Eschaton, wenn den ‚fleischlichen‘ Samen Abrahams die ewige Pein erwartet? Die vor dem Hintergrund der Schoah verständliche theologische Rede von der ‚bleibenden Erwählung Israels‘ scheint nicht nur bei Lee zu einem Paradigma zu werden, das den Blick auf antike Texte in ahistorischer Weise lenkt. 44 Vgl. ciu. XX 30, S.  755, Z.  74 – S.  756, Z.  8 8. Augustin hatte im Hinblick auf die paulinische Rede davon, dass „ganz Israel“ gerettet werde (vgl. Röm 11,25–27), wie schon Paulus selbst kein numerisches (die Summe aller Glieder des Volkes Israel), sondern ein repräsentatives Verständnis von πᾶς Ἰσραήλ im Sinne des ‚heiligen Restes‘. Dies wird u. a. deutlich in qu. 1,148, S.  56, Z.  914 – S.  57, Z.  932 (vgl. zum Verständnis von πᾶς Ἰσραήλ bei Paulus: E. Lohse, Brief an die Römer, S.  320). In seiner kommentierten Übersetzung von Simpl. hat Kurt Flasch in Bezug auf Augustins Vorstellungen von Gnade, Erwählung und Gericht bekanntermaßen von einer „Logik des Schreckens“ gesprochen. Um die Gerechtigkeit Gottes angesichts des Umstands zu verteidigen, dass ein Großteil der Menschheit nicht erwählt ist, habe Augustin die Erbsündenlehre entwickelt. Dieser Teil der Menschheit sei von Gott ‚verworfen‘ worden (Flasch unterstellt Augustin eine gemina praedestinatio), um die electi dadurch zu prüfen; die Verworfenen werden zu einem pädagogischen Instrument des Schreckens (Flasch, Logik, S.  72–81). Die pole-

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6.2.2 Bürger der ciuitas dei außerhalb Israels Bereits an verschiedenen Stellen wurde deutlich, dass sich die auf Erden pilgernde ciuitas dei in den fünf Weltzeitaltern vor Christus hauptsächlich, aber eben nicht ausschließlich aus Gliedern des Volkes Israel zusammensetzt.45 Es kann nämlich nicht bestritten werden, dass Gott auch Menschen anderer Völker Offenbarungen zuteil werden lässt.46 So habe, ähnlich wie die erythräische Sibylle im vierten Weltzeitalter, ein ebenfalls nicht aus dem Volk Israel stammender (von Augustin nicht näher identifizierter) Mann von Christus geweissagt.47 Zudem belegen neutestamentliche Zeugnisse, dass selbst Dämonen Christus bekennen können.48 Daraus folgt aber zugleich, dass ein Weissagender, auch misch überspitzten und Augustins Theologie teilweise bewusst verzeichnenden Argumentationen Flaschs (vgl. Ring, Bruch, S.  106–113) wurden anhand der Quellen wirksam widerlegt (vgl. ausführlich a. a. O., S.  37–106; kompakt: Drecoll, Entstehung, S.  245–250). Vor dem Hintergrund des hier dargestellten endzeitlichen Schicksals der Juden muss Flasch allerdings in einem Punkt Recht gegeben werden: Der doppelte Ausgang des Gerichts, das faktische Zugehen des übergroßen Teils der Menschheit auf die ewige Pein lässt tatsächlich daran zweifeln, ob es nach Augustin einen „universalen Heilswillen“ Gottes gibt (vgl. Flasch, a. a. O., S.  79; Drecoll, a. a. O., S.  247 mit Anm.  238). Denn wie sollte sich ein solcher universaler Heilswille realisieren, wenn es nach Augustin gerade nicht zu einer ‚Allversöhnung‘, sondern zu einer Scheidung beider ciuitates und ihrem jeweils ‚geschuldeten Ende‘ kommen wird? Der Grundgedanke eines ‚doppelten Ausgangs des Gerichts‘, von dem – eine unvoreingenommene Sichtweise des Betrachtenden vorausgesetzt – die überwiegende Mehrheit sowohl der alt- als auch der neutestamentlichen Gerichtsaussagen ausgeht (vgl. Seybold, Art. Gericht I; Brandenburger, Art. Gericht III), war auch für Augustin selbstverständlich. Nicht zuletzt deshalb geht die Annahme Flaschs hinsichtlich einer „Rückkehr“ Augustins „zum zuvor verworfenen Manichäismus“, die sich u. a. in einem (echten, d. h. unableitbaren) Dualismus im Denken Augustins zeige, fehl (Flasch, a. a. O., S.  29). 45  Exemplarisch sei hier auf Augustins Beurteilung der erythräischen Sibylle verwiesen, die er aufgrund ihrer Christusweissagungen und ihrer dezidiert gegen den Götzendienst gerichteten Rede zu den Gliedern der Gottesstadt zählt (vgl. ciu. XVIII 23, S.  614, Z.  65–70; s. dazu Abschnitt 4.5.2). Eine Ausnahme zu dieser Einschätzung bildet dagegen die Aussage in ciu. XVII 16, wonach die ciuitas dei sich einst „nur“ (solus) bei den Israeliten befand (vgl. ciu. XVII 16, S.  582, Z.  77–80). 46 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  5 –8. Jürgen Habermas deutet Augustins Annahme von Gliedern der ciuitas dei außerhalb Israels als ein Zugeständnis an die Tatsache, dass in seiner Gegenwart das Römische Reich und das Christentum miteinander verwachsen waren. Die „heilsgeschichtlichen Fronten“, die zwischen Israel und Babylon bestanden hatten, konnten von Augustin „in Fortschreibung der biblischen Heilsgeschichte“ (und in Anwendung auf die Kirche und Rom) nicht aufrechterhalten werden (vgl. Habermas, Geschichte, S.  611). Diese Argumentation macht auf einen wichtigen Zusammenhang aufmerksam, dennoch scheint die durch die Pauluslektüre geschärfte Gnadentheologie Augustins der eigentliche Ausgangspunkt für dessen Abwertung des ‚fleischlichen‘ Israel und der Integration der ‚Völker‘ in die ciuitas dei zu sein und weniger das Verhältnis zwischen der Kirche und dem Römischen Reich in der Gegenwart des Autors. 47 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  1–5. 48 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  9 –11. Zu denken ist hier etwa an die Erzählung von dem unreinen Geist, der von einem Gerasener Besitz ergriffen hatte und Jesus als ‚Sohn des höchsten Gottes‘ anspricht (vgl. Mk 5,7 parr.).

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wenn seine Rede von Gott inspiriert und wahr ist, nicht notwendigerweise der Gnade teilhaftig (und damit Glied der ciuitas dei) sein muss. Schon aus dem Grund, dass es bereits in der Urzeit – vor der Volkwerdung Israels – Glieder der ciuitas dei gab (man denke an Abel, Henoch oder Noah), muss die Auffassung zurückgewiesen werden, allein im Volk Israel habe es Bürger der Gottesstadt gegeben. Doch auch nach der Entstehung Israels in der Person des in Gen 32,29 mit ebendiesem Namen bezeichneten Patriarchen Jakob49 fanden sich außerhalb dieses Volkes stehende Menschen, die „Gott angehörten“ (pertinere ad deum), was Augustin zufolge selbst die Juden nicht leugnen würden. Gibt es doch mit Hiob einen prominent in den heiligen Schriften der Juden 50 bezeugten Mann, der durch seine schweren Prüfungen hindurch in vorbildlicher Weise am Glauben festhielt und so unzweifelhaft als Glied der ciuitas dei zu gelten hat, der aber ebenso unzweifelhaft Angehöriger der Idumäer und nicht der Israeliten war.51 Von Gott selbst, so betont Augustin, wurde er wegen seiner Gerechtigkeit und Frömmigkeit gelobt, an die kein zu seiner Zeit Lebender heranreichte (vgl. Hi 1,8).52 Ganz bewusst habe Gott es in seinem 49  Augustin terminiert den Ursprung Israels hier auffälligerweise nicht positiv mit der Verleihung des Namens ‚Israel‘ an Jakob (wie er es in ciu. XVI 39 tat), sondern negativ mit der Verwerfung seines Bruders Esau; vgl. ciu. XVIII 47, S.  645, Z.  11–13. Offensichtlich ist dies dem weiteren Argumentationsgang geschuldet, wonach Hiob aus dem Geschlecht der Idumäer (= Edomiter) und damit aus der Nachkommenschaft des verworfenen Bruders Esau, des augenscheinlichen Nicht-Israeliten stammte. In ciu. XVI 35, S.  540, Z.  17–28 hatte Augustin bekräftigt, dass sich die von Gott an Rebekka gerichtete Verheißung, dass von den beiden Söhnen in ihrem Bauch, die zugleich Ahnväter zweier Völker sind, „der Ältere dem Jüngeren dienen wird“ (maior seruiet minori), nicht auf das israelitische Volk (im fleischlichen Sinn) und das Volk der Idumäer beziehen kann. Vielmehr müsse man darin das Verhältnis zwischen den ( jüngeren) Christen und den (älteren) Juden geweissagt sehen (s. dazu auch Abschnitt 3.3.3). Vor diesem Hintergrund scheint es sehr viel weniger ungewöhnlich, dass auch aus dem Geschlecht der Edomiter ein gottesfürchtiger Mann wie Hiob hervorgehen kann. 50 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  24–26. Während in ciu. lediglich Hiob und die erythräische Sibylle aufgeführt werden, macht Alois Wachtel (vgl. Beiträge, S.  69) darauf aufmerksam, dass Augustin an anderer Stelle mit Melchisedek (vgl. ep.  177,12, S.  681, Z.  5 –7), den Bewohnern Ninives (vgl. ep.  164,2, S.  523, Z.  3 –15) oder der Hure Rahab (vgl. c. mend. 34, S.  518, Z.  6 –14) weitere im Alten Testament begegnende Glieder der ciuitas dei nennt, die nicht zum Volk Israel gehören. 51  Allerdings findet sich kein direkter biblischer Beleg dafür, dass Hiob von den Idumäern (= Edomitern) abstammt. Allenfalls kann dies indirekt aus der Notiz, dass Hiob in dem Land „Uz“ (‫„ ;עּוץ‬Ausitide“ nach dem einzigen Zitat Augustins von Hi 1,1 in perf. iust. 29, S.  29, Z.  2) wohnte, geschlossen werden, denn in dieser Region sollen nach Klgl 4,21 die Edomi­ter gesiedelt haben. Dass Hiob „in der dritten Generation nach Israel [= Jakob]“ (ciu. XVIII 47, S.  645, Z.  23– 26) gelebt habe, ist eine Aussage, die sich entgegen der Auffassung Augustins nicht direkt aus dem Hiobbuch, sondern ebenfalls nur indirekt aus dem biblischen Zeugnis ableiten lässt. Diese chronologische Einordung wurde von Eusebius vorgenommen, auf die sich Augustin wohl bezieht (vgl. Eusebius, Dem. ev. I 2,4 f., S.  8, Z.  4 –11; I 6,13 f., S.  25, Z.  10–19). 52 Vgl. ciu. XVIII 47, S.   645, Z.  21–23. Innerhalb des Pelagianischen Streits wurde der

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„Vorhersehen“ (prouidere) so gefügt, dass dieser paradigmatische Gottesfürchtige kein Israelit war, um an ihm zu zeigen, dass auch Angehörige anderer Völker zum „geistlichen Jerusalem“ (spiritalis Hierusalem) gehören können.53 Zwar würdigt Augustin in ciu. XVIII 47 durchaus auch das irdische Volk Israel und seine besondere Stellung als „Volk Gottes“, doch lässt er auch keinen Zweifel daran, dass es letzten Endes darauf ankommt, „in himmlischer Gemeinschaft den wahren Israeliten, den Bürgern des oberen Vaterlandes“ anzugehören.54 Diejenigen, die wie Hiob außerhalb des Volkes Israel standen und dennoch Bürger der ciuitas dei waren, bezeichnet Augustin als die „vorzeitlichen Heiligen“ (antiqui sancti). Sie eint die göttliche Gnadenwahl, die sich darin auswirkte, dass ihnen Jesus Christus noch vor seiner Inkarnation offenbart wurde.55 In ihnen wurde derselbe Glaube erweckt, der alle diejenigen erfüllt, die dazu „vorherbestimmt“ (praedestinatus) sind, zur „Gottesstadt“, zum „Haus Gottes“ und zum „Tempel Gottes“ zu gehören.56 6.2.3 Das Schicksal der Kirche in der noch unerlösten Welt Die letzten fünf Kapitel des achtzehnten Buches widmet Augustin der sich im sechsten Weltzeitalter über alle Länder der Welt ausdehnenden Kirche, wobei sein besonderes Augenmerk den Verfolgungen gilt, die sie dabei zu erleiden hatte und hat. Die mit dem Pfingstereignis beginnende Ausbreitung des Evangeliums von Jerusalem aus über die ganze Erde wird als Erfüllung sowohl alttestamentlicher ( Jes 2,3; Mi 4,2)57 als auch jesuanischer Vorhersagen, die er als Auferstandener getroffen hatte (Lk 24,46 f.; Apg 1,7 f.), angesehen. Umstand, dass Hiob als vor Christus Geborener und nicht zu Israel Gehörender dennoch in der Bibel als vor Gott „gerecht“ (iustus) bezeichnet wird, zum Ausgangspunkt von Diskussionen. Analog zur pelagianischen Debatte um Abel (s. Abschnitt 1.1.4) macht Augustin gegenüber seinen Gegnern deutlich, dass Hiob zwar gerecht, aber dennoch nicht ohne Sünde war (vgl. u. a. Io. eu. tr. 41,9, S.  362, Z.  12–23), da dies allein von Christus ausgesagt werden könne (s. dazu mit weiteren Quellenverweisen Roessli, Art. Iob, Sp.  685 f.). 53 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  27–30. 54  „populus enim re uera, qui proprie dei populus diceretur, nullus alius fuit; homines autem quosdam non terrena, sed caelesti societate ad ueros Israelitas supernae ciues patriae pertinentes etiam in aliis gentibus fuisse negare non possunt“ (ciu. XVIII 47, S.  645, Z.  13– 18). Mit dieser Einschätzung bewegt sich Augustin ganz auf der Linie des Paulus (vgl. etwa Röm 9,6–13). 55 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  3 0–33. 56 Vgl. ciu. XVIII 47, S.  6 45, Z.  33 – S.  6 46, Z.  36. Es fällt auf, dass die Begriffe ciuitas dei, domus dei und templum dei hier als Synonyme begegnen (was sie sachlich gesehen auch sind). 57 „ex Sion lex prodiet et uerbum domini ex Hierusalem.“ ( Jes 2,3 bzw. Mi 4,2 nach ciu. XVIII 50, S.  648, Z.  1 f.) Augustin hatte dieses Zitat bereits in ciu. XVIII 30, S.  621, Z.  7 f. als Weissagung Michas angeführt, allerdings ohne es dort weiter zu kommentieren. In ciu. XVII 17 findet sich ein deutlicher Bezug auf diese Weissagung, ist hier doch von dem von Zion ausgegangenen „Gesetz Christi“ (lex Christi) als dem Evangelium die Rede. Diese Realität müssen die Feinde (gemeint sind mit den inimici wohl die Juden) ebenso akzeptieren wie das Herrschen Christi mitten unter ihnen. Diese Auslegungen Augustins beziehen sich auf Ps

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Die prophetische Weissagung in Jes 2,3 und Mi 4,2, dass das „Wort des Herrn“ von Jerusalem ausgehen wird, womit ursprünglich das „Wort JHWHs“ (‫ )ְדַבר־ ְיה ָוה‬gemeint war, wird in der Rezeption Augustins (freilich vermittelt durch die Septuaginta: ὁ λόγος κυρίου) zur Ausbreitung des uerbum domini, also der Verkündigung des dominus Christus selbst bzw. der Frohbotschaft, die das Heilswerk Christi zum Inhalt hat.58 Der Inhalt der Missionspredigt wird durch das Zitat aus Lk 24,47 weiter spezifiziert: In Christi Namen sollen unter allen Völkern „Buße und Vergebung der Sünden“ (paenitentia et remissio peccatorum) gepredigt werden.59 Damit verbindet sich in komprimierter Form die endzeitliche Bußpredigt Jesu (paenitentia)60 mit der nachösterlichen Verkündigung des Heilswerkes Christi für die Glaubenden, d. h. der Sündenvergebung (remissio peccatorum)61. In Apg 1,8 schließlich wird nicht nur der Empfang der „Kraft des Heiligen Geistes“ (uirtus spiritus sancti) durch die Jünger verheißen, der sich an Pfingsten ereignete, sondern auch die lokale Ausbreitung des Evangeliums von Jerusalem aus wird konkretisiert: So müsse es zunächst in ganz Judäa und Samarien verbreitet werden, bevor es die „Enden der Erde“ ( fines terrae) erreichen sollte.62 Auch die Leiden, die die von Christus durch den Heiligen Geist „gleichwie Leuchten“ (sicut luminaria)63 entzündeten Prediger des Evangeliums auf sich nehmen mussten, wurden ihnen von Christus vorher angesagt. Das aus Mt 10,28 zitierte Logion verheißt ihnen aber zugleich, dass ungeachtet selbst des leiblichen Todes ihre „Seele“ (anima / ψ υχή) nicht getötet werden könne.64­ So nahmen nicht nur die Christen der ersten Generation, die die Passion und die Auferstehung Christi noch erlebt hatten, sondern auch ihre Nachfolger Verfolgungen, Folter und zuletzt sogar Hinrichtungen furchtlos auf sich, um so das Evangelium erfolgreich auf dem ganzen Erdkreis zu verkünden. Indem er sie dabei Wunder tun ließ und sie mit besonderen Kräften und Geistesgaben

109,2 (vgl. ciu. XVII 17, S.  582, Z.  7–15; s. dazu Abschnitt 4.3.3). An späterer Stelle wird zwischen dem „ersten Gesetz“ (lex prima), das Mose auf dem Berg Sinai erhielt und mit dem Alten Bund identifiziert wird, und dem „zweiten Gesetz“ (lex secunda) unterschieden, das den Neuen Bund bedeutet: das Evangelium vom Gekreuzigten und Auferstandenen (vgl. ciu. XVIII 54, S.  654, Z.  21–31). 58 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  1–3. 59 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  6 –8. 60  Mit Bezug auf Mt 3,2; 4,17 hatte Augustin im vorangegangenen Kapitel die Predigt Jesu und seines Vorläufers Johannes als Bußpredigt angesichts des nahe herangekommenen Himmelreiches beschrieben (vgl. ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  12–15). 61 In ciu. XVIII 49 war von dem „Geheimnis“ (sacramentum) die Rede, dass das Blutvergießen Jesu Christi die Vergebung der Sünden bewirkt habe – eine deutliche Bezugnahme auf die Abendmahlsworte Jesu (vgl. Mt 26,28 parr.); vgl. ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  24 f. 62 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  10–13. 63 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  16. 64 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  15–19.

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ausstattete, bestätigte Gott sie öffentlich sichtbar in ihrem missionarischen Tun.65 Wenn auch nicht von Augustin selbst thematisiert, so bedeutet es doch für sein geschichtstheologisches Denken eine nicht zu unterschätzende Zäsur, wenn im Folgenden die in den biblischen Schriften beider Testamente bezeugte Zeit verlassen wird. Da nun die von Gott durch Inspiration autorisierte historia sacra als Grundlage seiner Geschichtsdarstellung fehlt,66 mangelt es Augustin an einer vorgegebenen klaren heilsgeschichtlichen Einordnung der Ereignisse. Daraus resultiert bei ihm eine Zurückhaltung gegenüber heilsgeschichtlichen Bewertungen von Entwicklungen jüngerer Zeit.67 Sozusagen als vorerst letzte Stufe der erfolgreichen Völkermission beschreibt Augustin Verhältnisse, die offensichtlich die Situation der Kirche infolge des als ‚Konstantinische Wende‘ benannten religiösen und politischen Prozesses spiegeln: So verehren nun die zum christlichen Glauben gekommenen Völker das Blut der Märtyrer, das sie dereinst als Verfolger der Christen vergossen hatten, und selbst „Könige“ (reges), die vormals mit ihren Gesetzen das Christentum unterdrückten, verehren nun Christus und den „wahren Gott“ (deus uerus) und verfolgen stattdessen die „falschen Götter“ (dei falsi), denen sie einst selbst gedient hatten.68 Neben dieser positiven Entwicklung der Völkermission ist die Geschichte der Kirche im sechsten Weltzeitalter aber auch wesentlich vom Wirken des „Teufels“ (diabolus) geprägt, der der zunehmenden Verehrung Christi bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Vielgötterei unter anderem durch die Entsendung von 65 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  19–25. Zur göttlichen Bestätigung durch Zeichen und Wunder, die Augustin hier erwähnt, vgl. Mk 16,20. 66  Vgl. dazu C. Müller, Geschichte, S.  164–168; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.7. 67  Jürgen Habermas formuliert: Augustin „kann […] die Heilsgeschichte post Christum nicht mehr als Offenbarungsgeschichte fortschreiben“. Seine Begründung allerdings, dies läge daran, dass die „Kirche die Lehrautorität an sich gezogen“ habe (vgl. Habermas, Geschichte, S.  609 f.), trifft den Kern nicht. An die Stelle der Bibel als von Gott autorisierter Deutungsinstanz der Geschichte tritt bei Augustin nicht einfach eine ‚Lehrmeinung‘ der Kirche, vielmehr wird in den entsprechenden Äußerungen Augustins das Fehlen einer solchen Deutungsinstanz erkennbar. Die Zurückhaltung Augustins gegenüber heilsgeschichtlichen Einordnungen von Ereignissen der Gegenwart zeigt sich nicht zuletzt auch anhand seiner skeptischen Haltung gegenüber nicht an der Bibel belegbaren Wundern, welche sich erst in seinen letzten Lebensjahren etwas aufweichte. So ist Augustin Jean-Michel Roessli zufolge gerade gegenüber den Heiden bemüht, „à défendre […] les seuls miracles historiques de l’Ancien et du Nouveau Testament, n’accordant aucun crédit aux miracles de son temps“ (Roessli, Art. Mirabilia, Sp.  27, mit Bezug auf ep.  102,30–33). 68 Vgl. ciu. XVIII 50, S.  6 48, Z.  25–31. In dieser Formulierung Augustins klingt deutlich das aus der Biographie des Apostels Paulus bekannte Motiv an, der als Bekehrter den Glauben verkündigt, den er einst verfolgt hatte (vgl. Gal 1,13.23). Vgl. auch Augustins Würdigung Kaiser Konstantins als einen mit großem Glück gesegneten Herrscher und Verehrer des wahren Gottes in ciu. V 25 oder auch seine Würdigung Theodosius’ I. in ciu. V 26, der ihm ebenfalls als frommer christlicher Kaiser gilt.

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„Häretikern“ (haeretici) begegnet. Diese sollten mit ihren falschen Lehren in der Kirche „Verwirrung“ (confusio) stiften, wie es Bürgern der ciuitas terrena entspricht.69 Quantitativ machen die „vielen Verworfenen“ (multi reprobi) nach der Einschätzung Augustins sogar einen großen Teil der gegenwärtigen Kirche aus.70 Jedoch wirkt Gott dem entgegen, indem er sich dieser Bösen zum Guten bedient 71 und die Häretiker der Kirche zur „Übung“ (exercitatio) werden lässt: Durch ihr bösartiges Wirken üben sie die Kirche in „Geduld“ (patientia), „Weisheit“ (sapientia), „Wohlwollen“ (beneuolentia) und „Wohltätigkeit“ (beneficentia).72 Wenn Augustin hier allerdings neben der „sanften Belehrung“ (doctrina suadibilis) auch die „scharfe Zucht“ (disciplina terribilis) als Möglichkeit des Umgangs mit Häretikern nennt, so wird daraus deutlich, dass er über die theologische Auseinandersetzung hinaus auch rabiatere Formen der Ketzerbekämpfung innerhalb der Kirche befürworten konnte.73 Durch dieses Einwirken Gottes also kann die Kirche trotz der Agitationen des „Fürsten der gottlosen Stadt“ (princeps impiae ciuitatis) letztlich keinen Schaden nehmen, womit sich Augustin zufolge das Psalmwort bewahrheitet, wonach Gott die Seele des Betenden, dessen Herz gequält ist, mit Tröstungen erquickt (vgl. Ps 93,19).74 Folgt man Paulus, so gehört das Erleiden von Verfolgungen notwendig zur christlichen Existenz in der unerlösten Welt.75 Zwar sind, so die Gegenwartsanalyse Augustins, nun die äußeren Bedrängnisse zurückgegangen,76 die Kirche aber wird noch immer von vielen geplagt, die sich in ihr befinden: sei es, 69 Vgl.

ciu. XVIII 51, S.  648, Z.  1 – S.  649, Z.  6. ciu. XVIII 49, S.  647, Z.  5 –8; s. dazu Lamirande, Art. Ciuitas, Sp.  963. 71  Vgl. zu diesem in ciu. immer wieder begegnenden Topos Abschnitt 6.1 mit Anm.  13. 72 Vgl. ciu. XVIII 51, S.  6 49, Z.  7–20. 73  Carl Andresen geht davon aus, dass Augustin hier „zweifelsohne das polizeiliche Vorgehen gegen die Donatisten“ vor Augen stand (BAW [ciu.] 2, S.  969). Eine solche Lesart, die auch Heinrich Scholz teilt (vgl. Glaube, S.  131–131), kann sich etwa auf Augustins positive Bewertung der Theodosianischen Religionspolitik in ciu. V 26, S.  162, Z.  43–47 stützen, die eine Bekämpfung von Irrlehrern innerhalb der Kirche unter Zuhilfenahme weltlicher Gewalt legitimierte. Hermann Reuter geht gar so weit, Augustin als den „erste[n] Dogmatiker der Inquisition“ zu bezeichnen (vgl. Reuter, Studien, S.  501, Anm.  3). Otfried Höffe verweist in diesem Zusammenhang auf die 407/408 verfasste ep.  93, in der Augustin die Verfolgung von Donatisten durch die Behörden des Römischen Reiches fordert, hält es aber dennoch für unangemessen, ihn deswegen „als repressiven Großinquisitor hinzustellen“ (Höffe, Positivismus, S.  286; zur Datierung der an Vincentius gerichteten ep.  93 vgl. Divjak/Red., Art. Epistulae, Sp.  965.1029). Tatsächlich belegt ep.  93, dass Augustin die Legitimation der „scharfen Zucht“ auch mit dem Alten Testament begründen konnte. Hier rechtfertigt Augustin die Verfolgung der Donatisten mit den von Gott angeordneten Strafmaßnahmen Moses nach der Verehrung des Goldenen Kalbes: Ex 32,27 f. zufolge wurden 3000 Israeliten getötet (vgl. ep.  93,6, S.  450, Z.  22 – S.  451, Z.  1; s. dazu Walzer, Exodus, S.  6). 74 Vgl. ciu. XVIII 51, S.  6 49, Z.  2 0–29. 75 „quicumque uolunt in Christo pie uiuere, persecutionem patiuntur.“ (2Tim 3,12 nach ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  31 f.) 76  Zu denken ist hier wohl erneut an die deutliche Stabilisierung der Situation der Christen infolge der sogenannten Konstantinischen Wende. 70 Vgl.

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dass sie durch ihre „ruchlosen Sitten“ (mores perditi) dem Ruf der Kirche schaden, sei es, dass sie durch Irrlehren die weitere Ausbreitung des Evangeliums behindern. Durch all dies fügen sie den Herzen und den Seelen der Frommen Schaden zu.77 Doch auch hier führt Augustin Ps 93,19 an: „Nach der Vielzahl meiner Schmerzen in meinem Herzen haben deine Tröstungen meine Seele erquickt.“78 Bezogen auf die Kirche bedeutet das für Augustin, dass Gott um die Schmerzen in den Herzen der Frommen weiß, und, da er ‚die Seinen kennt‘ (vgl. etwa 2Tim 2,19), lässt er die, die er „vorhererkannt und vorherbestimmt hat“ (Röm 8,29),79 nicht verloren gehen und wendet ihnen Tröstungen der Seele zu. Denn in zweifacher Weise werden die den Frommen durch die moralisch „Schlechten“ (mali)80 und die haeretici zugefügten Schmerzen zum Trost: Zum einen wird durch sie die „Liebe“ (caritas) der Frommen erkennbar, die es weder ertragen kann, dass die Schlechten und Irrlehrer selbst, noch dass durch deren Wirken eventuell andere des Heils nicht teilhaftig werden. Zum anderen, falls den Frommen die „Zurechtweisung“ (correctio) der mali und haeretici gelingt, werden ihre vormaligen Schmerzen durch eine besondere Freude aufgewogen, die ihre Seelen erfasst.81 Augustin beschließt seine Ausführungen zu Ps 93,19 und den Leiden der unvollendeten Kirche, indem er noch einmal den Bogen zum Beginn der sich in der Weltzeit entfaltenden Geschichte der ciuitas dei schlägt: Nicht erst seit der Zeit Christi und der Apostel, sondern schon vom „ersten Gerechten“ (primus iustus), Abel, an sei die Pilgerschaft der „Kirche“ (ecclesia) bzw. der Bürger der ciuitas dei auf der Erde geprägt gewesen von „Verfolgungen der Welt“ (persecutiones mundi; man denke an den Brudermord an Abel durch Kain) auf der einen Seite und „Tröstungen Gottes“ (consolationes dei) auf der anderen Seite.82 Diese Einordnung der Situation der noch nicht erlösten Kirche im sechsten Weltzeitalter in die Gesamtgeschichte der ecclesia ab Abel, die Geschichte der auf der Erde pilgernden ciuitas dei, zeigt deutlich, dass für Augustin mit Christus nicht einfach der Triumph des wahren Glaubens über den falschen gekommen ist – auch wenn gewisse Fortschritte, etwa in der Bekehrung der Völker, erreicht werden.83 Der auf der Erde pilgernde Teil der ciuitas dei, der dereinst die Lücke der 77 Vgl.

ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  31 – S.  650, Z.  51. multitudinem dolorum meorum in corde meo consolationes tuae iucundauerunt animam meam.“ (Ps 93,19 nach ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  27–29) 79 „nouit dominus qui sunt eius (quos enim praesciuit et praedestinauit conformes imaginis filii sui“ (Röm 8,29 nach ciu. XVIII 51, S.  650, Z.  55 f.). 80 Vgl. ciu. XVIII 51, S.  6 49, Z.  4 0. 81 Vgl. ciu. XVIII 51, S.  650, Z.  58–64. 82 Vgl. ciu. XVIII 51, S.  650, Z.  6 4–69. Es handelt sich hier um eine wichtige Belegstelle für die Vorstellung der ecclesia ab Abel, die erstmals von Augustin formuliert wurde (vgl. dazu Abschnitt 1.1.2). Gerard J. P. O’Daly ist der Meinung, dass Augustin hier eine „ring-composition“ zu ciu. XV 1 erstellt habe (vgl. O’Daly, A reader’s guide, S.  193). 83  Vgl. dazu Thonnard, Deux cités, S.  769 f. Henri-Irénée Marrou warnt in diesem Zusammenhang zu Recht davor, die Ambivalenz des Geschichtsdenkens Augustins durch die 78 „secundum

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himmlischen ciuitas dei schließen soll, lebt weiterhin auf der Erde ‚im Exil‘, kämpft als regnum militiae gegen Häretiker und andere Anfeindungen und harrt der Wiederkunft Christi. 6.2.4 Diskussion von Theorien, die das Ende des sechsten Weltzeitalters betreffen In den letzten drei Kapiteln wendet sich Augustin christlichen Theorien zu, die den Verlauf und das Ende des sechsten Weltzeitalters, d. h. die Wiederkunft Christi, genau terminieren wollen. Bei seiner Diskussion wird insgesamt eine antichiliastische Haltung Augustins ebenso deutlich erkennbar wie seine Zurückhaltung gegenüber Versuchen, innerhalb der Zeitgeschichte (für die entsprechende biblische geschichtstheologische Bewertungen fehlen) das Planen und Wirken Gottes präzise ausmachen zu wollen.84 So wendet sich Augustin gegen die Theorie, dass die Christen – analog zu den zehn Plagen, die die Ägypter vor dem Exodus des Volkes Israel trafen – von zehn Verfolgungen heimgesucht werden sollten, bevor mit dem Antichristen die elfte und letzte Plage käme, die wiederum sich analog zur Vernichtung des ägyptischen Heeres im Schilfmeer verhält. Die biblische Grundlage dieser Vorstellung wird man allerdings weniger in der alttestamentlichen Erzählung von den zehn Plagen zu suchen haben, sondern eher in der Vision vom ersten der beiden satanischen Tiere mit zehn Hörnern und zehn Kronen in Off b 13,1–8, das wiederum einen deutlichen Bezug zum vierten und letzten Tier in Dan 7,7–27 hat.85 Demgegenüber erscheint der Rückgriff auf die Exoduserzählung Annahme von „zwei Geschichtsabläufe[n]“ auflösen zu wollen, und spricht daher vom „Janusantlitz der historischen Zeit“ bei Augustin: „Die geistliche Geschichte der Menschheit, die Geschichte des fortschreitenden Wachstums des Gottesstaates, spielt sich in derselben schmerzerfüllten und zerrissenen Zeitdauer ab wie die Profangeschichte.“ (Marrou, Janusantlitz, S.  358) 84  Davon ausgehend, dass für Augustin historia sacra nur insofern ‚heilige‘ Geschichte ist, als sie in den heiligen Schriften bezeugt wird (vgl. inbesondere die Einsichten Christof Müllers; s. Einleitung, Abschnitt 2.7), ist dem Urteil Johannes van Oorts uneingeschränkt Recht zu geben, wenn er über Augustins Umgang mit der ‚nachbiblischen‘ Geschichte schreibt: „The present is not to be described in the terms of historia sacra. This opinion implies great carefulness (even principal reserve) in any pointing out a ‚God’s hand in history‘.“ (Oort, The end, S.  7 ). 85  Diesem Tier soll nach Off b 13,2 große Macht beschieden sein, sein Handeln aber ist gotteslästerlich (V. 5 f.) und gegen die Heiligen gerichtet (V. 7). Wird es zwar zunächst in allen Ländern der Welt als Gott verehrt, so widerstehen ihm doch die Heiligen und nehmen sogar eher Gefängnisstrafen und Hinrichtungen hin, als ihm zu dienen (V. 9 f.). Auch ist seine Herrschaft auf 42 Monate begrenzt (V. 5). Nach Dan 7,23–27 bedeuten die zehn Hörner des Tieres zehn Könige, die aus demselben (vierten) Königreich hervorgehen sollen (V. 24). Auf deren Regentschaft folgt ein letzter König, der Gott lästern und die „Heiligen des Höchsten“ bedrücken wird (V. 25), doch wird er mit Eintritt des (End-)Gerichts ganz und gar vernichtet werden, sodass nun alle Macht dem endzeitlichen Gottesvolk gegeben wird, dessen Reich ewig währen wird. Mehrheitlich wird angenommen, dass mit dem in Off b 13,2 beschriebenen Tier „das die ganze Oikumene umspannende Imperium Romanum“ gemeint ist, dessen Kaiser sich als

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und die Konstruktion einer zeichenhaften Vorwegnahme der Christenverfolgungen im Alten Testament als eine spätere Erweiterung. Augustins Ablehnung dieser auf die Plagen in Ägypten abhebenden Konstruktion liegt nicht zuletzt darin begründet, dass er erhebliche Zweifel an ihrer Grundlage in Dan 7,7– 27 / Off b 13,1–8 hatte. So wird in ciu. XX 23 deutlich, dass er die dort angeführte Zehnzahl der durch den Antichristen ausgesandten Könige nicht wörtlich, sondern symbolisch verstanden wissen will: Die zehn Könige stünden dann nämlich für die Gesamtheit der vor der Ankunft des Antichrists aufgetretenen Könige.86 Der Auffassung, dass die zehn Plagen in Ägypten eine Präfiguration darstellen, war unter anderem Paulus Orosius,87 der als ein Schüler Augustins gilt und von ihm zum Verfassen seiner Schrift Historiae adversum Paganos (i.F.: Adv. pag.) veranlasst worden war.88 Orosius hatte hier zehn Christenverfolgungen aufgezählt, wobei eine jede unter einem anderen römischen Machthaber erfolgte. Augustin führt in ciu. XVIII 52 hingegen zwei Argumente an, warum die von Orosius (re-)konstruierte Zehnzahl der Verfolgungen anzuzweifeln ist: Erstens fehlen in der Auflistung des Orosius offensichtlich römische Herrscher, unter denen Christen verfolgt wurden;89 zweitens dürfe sich eine solche AufGötter verehren lassen, die Heiligen verfolgen und der Herrschaft Christi entgegenstehen. Auch verbanden sich schon früh mit Off b 13,3 f. Spekulationen über Kaiser Nero und seine angebliche Wiederkehr als Nero rediuiuus; vgl. E. Lohse, Offenbarung, S.  76–78 (Zitat S.  77). Augustin hat sich allerdings in ciu. XX 19, S.  731, Z.  53 – S.  732, Z.  64 ausdrücklich gegen die verschiedenartigen apokalyptischen Vorstellungen, die sich mit Kaiser Nero verbinden, ausgesprochen. 86  „uereri me sane fateor, ne in decem regibus, quos tamquam decem homines uidetur inuenturus antichristus, forte fallamur, atque ita ille inopinatus adueniat, non existentibus tot regibus in orbe Romano. quid si enim numero isto denario uniuersitas regum significata est, post quos ille uenturus est“ (ciu. XX 23, S.  743, Z.  58–63; s. dazu Horn, Geschichtsdarstellung, S.  190 f.). 87  Die Theorie der zehn Verfolgungen geht wohl nicht auf Orosius zurück, ihr Ursprung ist aber schwer zu klären. Sie kann Gustave Bardy zufolge nicht vor der Amtszeit Konstan­tins I. und dessen Religionspolitik entstanden sein, die vielen Christen den Eindruck vermittelte, die Verfolgungen durch die Römer nun überstanden zu haben. Diese Wende könnte sie dazu veranlasst haben, die Verfolgungen retrospektiv einzuordnen – u. a. mithilfe der biblischen Assoziation der zehn Plagen (vgl. Bardy, Persécutions, S.  770). 88  Vgl. Orosius, Adv. pag. II 26, S.  494, Z.  19 – S.  495, Z.  4; II 27, S.  495, Z.  2 0 – S.  496, Z.  7 (i.F. werden dann die Plagen in Ägypten mit den Verfolgungen der Christen parallelisiert). Als Augustin Orosius im Jahr 418 veranlasste, dieses Geschichtswerk zu schreiben, hatte er selbst bereits mit der Abfassung von ciu. begonnen. So konnte sich Orosius in seinen Historiae bereits auf dessen Argumentationen stützen, obwohl sein Werk doch eine eigenständige historiographische und geschichtsphilosophische Betrachtung darstellt (vgl. den von Karl Löwith durchgeführten Vergleich beider Werke in Löwith, Weltgeschichte, S.  148– 167; s. zu Augustins Auseinandersetzung mit Orosius in ciu. XVIII 52 auch Maxfield, Providence, S.  345; Markus, Saeculum, S.  54; Heil, Rom, S.  529–537). 89  Augustin erinnert daran, dass es bereits vor Nero (den Orosius aber als ersten nennt; vgl. Adv. pag. II 27, S.  496, Z.  7–12) Verfolgungen gab, und denkt dabei insbesondere an die Verfolgungen der ersten Christen unter König Herodes Agrippa I.; vgl. ciu. XVIII 52, S.  651,

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listung angesichts der Christenverfolgungen in anderen Ländern, etwa im Gotenreich oder in Persien, nicht auf römische Machthaber beschränken.90 Weil die geschichtlichen Tatsachen also offensichtlich dagegensprechen, dass sich die Christenverfolgungen auf die Zahl zehn beschränken lassen,91 wird auch die von Orosius und anderen vertretene Theorie der alttestamentlichen Präfiguration der Christenverfolgungen in den Plagen der Boden entzogen: Augustin zufolge können die „Ereignisse in Ägypten“ keine „prophetischen Sinnbilder“ der Christenverfolgungen sein.92 Hier wird einmal mehr die grundsätzliche Aufgeschlossenheit Augustins gegenüber allegorischen Auslegungen alttestamentlicher Texte durch andere Exegeten deutlich; zugleich zeigen sich aber deren Grenzen: Wenn Realitäten einer solchen Auslegung allzu deutlich widersprechen, so ist diese wohl nicht auf das Wirken des „prophetischen Geistes“ (spiritus propheticus) zurückzuführen, sondern lediglich Ergebnis einer „Schlussfolgerung des [grundsätzlich fehlbaren] menschlichen Geistes“ (coniectura mentis humanae).93 Auch gegenüber präzisen Festlegungen, wann das Kommen des Antichrists und die Parusie Christi erfolgen sollen, zeigt sich Augustin skeptisch und weist sie als „unschicklich“ (importunus)94 zurück. Augustin nennt hier als Zeiträume, die für die Dauer von der Auferstehung Christi bis zu seiner Wiederkehr von verschiedener Seite angenommen werden, 400, 500 und 1000 Jahre. Die Annahme von 400 Jahren fußt wohl auf 4Esra 7,28–38, wo von einer 400-jährigen Zwischenzeit bis zum Gericht die Rede ist. Die Angabe von 500 bzw. 1000 Jahren basiert auf chiliastischen Vorstellungen eines 1000-jährigen messianischen Friedensreiches zwischen der Parusie Christi und dem Weltgericht (vgl. Off b 20,1–10), die i.d.R. mit der Einteilung der diesem Friedensreich vorausgehenen Weltzeitalter in jeweils exakt 1000 Jahre einhergehen (vgl. Ps 89,4; 2Petr 3,8). Dabei kann die Inkarnation Christi auf die Mitte oder auf den Beginn des sechsten Weltzeitalters gelegt werden, woraus sich die unterschiedliZ.  21–40. Als nicht von Orosius genannte römische Herrscher führt er zudem die Kaiser Julian II. und Flavius Valens an; vgl. ciu. XVIII 52, S.  651, Z.  4 0–52. 90 Vgl. ciu. XVIII 52, S.  651, Z.  53 – S.  652, Z.  6 4. Die Beschränkung auf römische Herrscher in der Auflistung des Orosius wird sich nicht zuletzt der biblischen Grundlage verdanken, wonach die zehn Hörner des Tieres zehn Könige des gleichen Königreiches meinen (vgl. Dan 7,24). 91 Vgl. ciu. XVIII 52, S.  652, Z.  6 4–66. 92  „sed ego illa re gesta in Aegypto istas persecutiones prophetice significatas esse non arbitror“ (ciu. XVIII 52, S.  651, Z.  15 f.). 93 Vgl. ciu. XVIII 52, S.   651, Z.  17–20. Auffällig ist allerdings, dass Augustin am Ende offenbar eine neutrale Position einnimmt, die zu seiner schlüssigen Argumentation gegen die Theorie der zehn Verfolgungen nicht recht passen will (vgl. ciu. XVIII 52, S.  652, Z.  68–71). Er scheint nämlich immerhin insoweit mit Orosius einer Meinung zu sein, dass die Ver­ folgungen bis zum Kommen des Antichrists zu einem Abschluss gekommen sind; vgl. ciu. ­X VIII 52, S.  652, Z.  66–68; vgl. auch seine Rede von der eingekehrten „Ruhe“ (tranquillitas) vor äußeren Feinden in ciu. XVIII 51, S.  649, Z.  32–35. 94 Vgl. ciu. XVIII 53, S.  652, Z.  5.

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chen Zeitspannen (500 bzw. 1000 Jahre zwischen Inkarnation und Wiederkunft Christi) ergeben. Obwohl der Chiliasmus bereits im 3. Jahrhundert n. Chr. innerhalb der katholischen Kirche als Häresie bekämpft wurde, war seine Verbreitung gerade in Nordafrika noch relativ groß.95 Während Augustin in früherer Zeit nach eigenem Bekunden ebenfalls dieser Lehre anhing,96 entwickelte er sich zu einem entschiedenen Gegner derselben.97 Auch bestimmte apokalyptische Topoi werden von Augustin nicht aufgegriffen: So entscheidet er sich in ciu. gegen eine Identifizierung der vier Tiere in der Vision Daniels (vgl. Dan 7,3–7) mit vier aufeinanderfolgenden Weltreichen.98 Ebenso fehlt die apokalyptische Einteilung der Geschichte in einen ersten, bösen Äon und einen zweiten Äon des Heils – das innergeschichtliche Gegeneinander der beiden ciuitates findet vielmehr sowohl vor als auch nach dem Kommen Christi statt und steht somit gewissermaßen quer zur Äonenvorstellung. Schließlich plädiert Augustin mehrfach dafür, die Zahl der tausend Jahre in einem übertragenen Sinne aufzufassen, womit endzeitlichen Berechnungen weiter die Grundlage entzogen wird.99 Diese Entwicklung, die Rudolf Bultmann als einen wesentlichen Wandel im Geschichtsverständnis der 95 

Vgl. die Bemerkungen von Carl Andresen in: BAW [ciu.] 2, S.  983. ciu. XX 7, S.  709, Z.  28–34. Solche Neigungen Augustins begegnen u. a. in einer seiner Predigten; vgl. s. 259,2, S.  1197, Z.  10 – S.  1198, Z.  32. 97  Eine ausführliche Widerlegung des Chiliasmus findet sich in ciu. XX 7–9 (s. zu dieser Thematik Bonner, Millenarianism; Coyle, Apocalyptic; ders., Millenianism). Martine Dulaey argumentiert dafür, dass die Ablehnung des Chiliasmus, wie sie in den letzten Büchern von ciu. begegnet, u. a. auf Augustins Auseinandersetzung mit dem Apokalypse-Kommentar des Tyconius zurückgeht (vgl. Dulaey, L’Apocalypse, S.  372–376). Ferner geht sie von konkreten Einflüssen dieses Werkes des Donatistenbischofs auf Augustins Darstellung der Ereignisse des Jüngsten Tages in ciu. XX 1–16 aus (vgl. a. a. O., S.  378–386). 98 Vgl. ciu. XX 23, S.   742, Z.  42–46; s. dazu Abschnitt 4.5.7 mit Anm.  615. Christian Tornau vertritt die These, Augustin sei in ciu. absichtlich nur von zwei Weltreichen ausgegangen. Dies zeige sich auch in seiner Rede von Rom als dem „anderen Babylon“ („Roma uelut altera Babylon“; vgl. ciu. XVIII 22, S.  612, Z.  1–4). Augustin habe somit das Daniel’sche Schema von den vier Weltreichen „verkürzt“, um „reichstheologische […] Spekulationen“, wie sie in der Daniel-Exegese häufig anzutreffen waren, zu vermeiden (Tornau, Zwischen Rhetorik, S.  319; s. auch Wachtel, S.  66.87; C. P. Mayer, Art. Dani[h]el, Sp.  233; Szidat, Art. Imperium, Sp.  554; einzig Horn, Geschichtsdarstellung, S.  183 schließt sich dieser Auffassung nicht an). Dadurch wird, folgt man Karl Löwith, dem Imperium Romanum in ciu. der eschatologische Charakter des vierten und damit letzten Weltreiches genommen (vgl. Löwith, Weltgeschichte, S.  182; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.2). 99  Augustin macht deutlich, dass die u. a. in Ps 89,4; 2Petr 3,8; Off b 20,1–10 genannten tausend Jahre nicht in einem wörtlichen Sinne aufgefasst werden dürfen. So erklärt er anhand des Wortes aus Ps 83,11, „Besser ist ein Tag in deinen Vorhöfen als sonst tausend (Tage)“, dass die Zahl eintausend (mille) eine nicht näher bestimmte Dauer meinen kann (vgl. lib. arb. 3,77, S.  153, Z.  26 – S.  154, Z.  4). Auch symbolische Verständnisse von mille (etwa im Sinne von perfectio) führt Augustin gegen ein wörtliches Verständnis an (vgl. ciu. XX 7, S.  710, Z.  64–70; vgl. dazu Coyle, Art. Mille, Sp.  17). All dies vermag auch seine in ciu. XVIII 53 vorgetragene skeptische Beurteilung von menschlichen Terminierungen der bis zum Endgericht verbleibenden Zeit zu stützen. 96 Vgl.

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Alten Kirche beschreibt und die im speziellen Fall Augustins auch mit dessen Bekämpfung des manichäischen Mythos zusammenhängt, hat zwei Konsequenzen, die sich beide auch in ciu. nachvollziehen lassen: Zum einen verbindet sich damit eine deutliche Aufwertung der Zeit vor Christus (d. h. des ehemaligen ‚Äons des Bösen‘), und das bedeutet insbesondere: eine Aufwertung der alttestamentlichen Geschichte;100 zum anderen fällt aber ein skeptischerer bzw. realistischerer Blick auf die Gegenwart (d. h. den vermeintlich mit Christus angebrochenen ‚Äon des Heils‘), die eben (noch) keine „den weltlichen Bedingungen enthobene Zeit [ist], sondern eine auch mit Bösem vermischte Geschichte, in der die Kirche gegen politische Anfeindungen und Verfolgungen und gegen Irrlehren zu kämpfen hat“.101 In ciu. XVIII 53 wird in Erinnerung gerufen, dass der Auferstandene selbst auf die Frage seiner Jünger nach der Wiederaufrichtung Israels (vgl. Apg 1,6) geantwortet habe: „Es gebührt euch nicht, die Zeiten zu wissen, die der Vater in seiner Macht festgelegt hat.“102 Die vielen verschiedenen Spekulationen, die christlicherseits zur Zeitspanne bis zur Parusie angestellt wurden, tut Augustin als „menschliche Vermutungen“ (coniectura humana) ab, die sich allesamt nicht hinreichend aus den kanonischen Schriften begründen lassen.103 Neben diesen christlichen Spekulationen und Berechnungen wurden auch von paganer Seite Zeitspannen ins Spiel gebracht, wie lange das Christentum andauern werde. Freilich verbanden sich damit keine Endzeiterwartungen, sondern lediglich die Hoffnung, dass diese unliebsame und (letztlich vergeblich) 100  Rudolf Bultmann schreibt im Hinblick auf die Chroniken des Eusebius (der freilich die römische Kultur und die Pax Romana deutlich positiver gesehen hat als Augustin), aber durchaus auch zutreffend auf die Geschichtsdarstellung in ciu.: „Die Zeit vor Christus wird jetzt als eine Zeit der Vorbereitung auf die Erscheinung Christi und der Kirche gesehen. Sie steht unter dem Plan der Vorsehung Gottes, der Christus zu einer Zeit sandte, die durch die alttestamentliche Religion, die griechische Philosophie und das römische Recht aufnahmefähig gemacht worden war. Augustus und die Pax Romana haben die Bedeutung, den Frieden auf der Erde als die Voraussetzung der Verbreitung des Evangeliums herbeigeführt zu haben.“ (Bultmann, Geschichte, S.  67) 101  Ebd.; s. dazu auch das von Reinhart Koselleck beschriebene „augustinische Modell“: „Die eigentlich neue Antwort des Kirchenvaters auf die Krisenlage um 400 bestand aber darin, daß die wahre Gerechtigkeit nur in Gott ruhe, an der die Christen gnadenhalber partizipieren mochten, aber deren Vollstreckung mit Sicherheit erst im iudicium maximum nach dem Ende der Zeiten zu erwarten ist.“ (Koselleck, Geschichte, S.  343) 102 „non est uestrum scire tempora, quae pater posuit in sua potestate.“ (Apg 1,7 nach ciu. XVIII 53, S.  652, Z.  9 f.22 f.) 103 Vgl. ciu. XVIII 53, S.  652, Z.  14–20. Augustin beurteilt nicht nur eine genaue Terminierung des Eschatons als dem Menschen unmöglich, auch grundsätzlich zeigt sich eine Skepsis, bestimmte Ereignisse der Gegenwart (etwa den Einfall der Westgoten in Rom 410) mit in der Bibel prophezeiten ‚Zeichen der Endzeit‘ zu identifizieren (vgl. u. a. Oort, The End, S.  5). Dass die Bewertung des Goteneinfalls durch christliche Theologen seiner Zeit sehr unterschiedlich ausfiel, zeigt u. a. Steffen Patzold: Er vergleicht dazu Schriften von Augustin, Hieronymus und Orosius (vgl. Patzold, Alarichs Truppen).

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verfolgte Religion alsbald wieder verschwinden würde.104 Unter anderem kursierte ein Orakelspruch, wonach es der Apostel Petrus durch „Zaubereien“ (maleficia) erreicht hatte, Menschen dazu zu bewegen, Christus zu lieben – allerdings sollte dieser Zauber nur 365 Jahre anhalten und die christliche Religion danach untergehen. Für Augustin handelt es sich hier um eine Erfindung (excogitare), die als göttliches Orakel ausgegeben wurde.105 Zwar habe Petrus Wunder getan und auch Menschen dazu bewegt, Christus zu lieben, jedoch gelang ihm dies nicht durch seine eigenen Zauberkräfte, sondern durch die „himmlische Gnade“ (gratia superna), die den Glauben an Christus und die Auferstehungshoffnung erst ermöglichte.106 Zudem habe Petrus mit seiner Predigt und auch mit seinen Wundertaten nie das Bestreben verbunden, selbst verehrt zu werden, sondern er habe sich stets bis hin zu seinem Martyrium für die Verehrung Christi eingesetzt.107 Die „Götter“ (dei), auf die diese Orakelsprüche108 angeblich zurückgehen sollen, hält Augustin für „Dämonen“ (daemoni), wenn er ihre Existenz aufgrund ihrer Ohnmacht gegenüber der Ausbreitung des Christentums und der damit einhergehenden Zurückdrängung des ihnen selbst geltenden Kultes nicht gänzlich in Frage stellt.109 Als weiteres Argument gegen diese angeblich von einem Orakel stammende Weissagung wird in ciu. XVIII 54 angeführt, dass sie sich nicht erfüllt habe: Die Zeitspanne von 365 Jahren ist bereits verstrichen, ohne dass das Christentum verschwunden wäre – unabhängig davon, ob man dessen Beginn auf die Inkarnation Jesu Christi, dessen Taufe im Jordan, seine Auferstehung oder das Pfingst­ereignis datiert.110 Augustin nimmt Letzteres zum Ausgangspunkt einer 104 Vgl.

ciu. XVIII 53, S.  652, Z.  24 – S.  653, Z.  36. ciu. XVIII 53, S.  653, Z.  30–35. Es fällt auf, dass sich Augustin innerhalb von ciu. immer wieder mit Orakelsprüchen aus der paganen Umwelt befasst. John O’Meara führt diesen Umstand darauf zurück, dass Augustin mit der (nur fragmentarisch erhaltenen) Schrift „Über die Philosophie der Orakelsprüche“ des Porphyrios konfrontiert worden war. Diese Konfrontation habe bei ihm zu einem Umdenken geführt: „God’s revelation was not confined solely to Scripture, and Augustine was ready to recognize that God might reveal His truth as He pleased. The God we worship chose certain spirits and gave them the power of foresight, and through them He makes prophecies“ (O’Meara, Charter, S.  37, unter Bezugnahme auf ciu. VII 30, S.  211, Z.  4 –11; s. auch ders., Philosophy, S.  63; vgl. mit weiterführender Literatur: Hübner, Art. Oraculum, Sp.  326 f.). So kann Augustin, wie etwa im Fall der erythräischen Sibylle gesehen (vgl. ciu. XVIII 23 und Abschnitt 4.5.2), auch außerbiblischen Orakeln einen Wahrheitsanspruch zusprechen. 106 Vgl. ciu. XVIII 53, S.  653, Z.  36–49. 107 Vgl. ciu. XVIII 53, S.  653, Z.  36–42; XVIII 54, S.  655, Z.  7 7 – S.  656, Z.  82. 108 Augustin ergänzt den Orakelspruch über Petrus um eine Erzählung, wonach der Apostel als Zaubermeister einen einjährigen (d. h. 365 Tage alten und damit symbolisch für die 365 Jahre stehenden) Knaben in grausamen Zeremonien getötet, zerstückelt und begraben haben soll (vgl. ciu. XVIII 53, S.  653, Z.  49–56; s. dazu Hübner, Art. Oraculum, Sp.  327 f.; zu den Hintergründen der Legende über den puer anniculus vgl. mit weiterführender Literatur Folliet, L’oracle). 109 Vgl. ciu. XVIII 53, S.  652, Z.  24 – S.  653, Z.  31.56–61. 110 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  653, Z.  1 – S.  654, Z.  2 0. Zu den Quellen, an denen sich Augus105 Vgl.

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chronologischen Rekonstruktion, mit dem Ergebnis, dass exakt 365 Jahre nach dem Pfingsttag die christliche Religion nicht untergegangen sei. Im Gegenteil seien noch nach dieser Zeit, etwa in Karthago, Tempel von „falschen Göttern“ (dei falsi) und deren Standbilder zerstört worden.111 Der Siegeszug des Christentums und der Niedergang paganer Kulte setzt sich also – zumindest im Imperium Romanum, „andere Teile der Welt“ (aliae partes terrarum) lässt Augustin hier außen vor – offensichtlich fort.112 Buch XVIII endet mit einem Resümee über das Geschick der beiden ciuitates in ihrem „irdischen Ablauf “ (excursus mortalis)113, den er in den nun zum Abschluss gekommenen Büchern XV-XVIII dargestellt hat. Dabei gibt er noch einmal eine knappe Charakterisierung beider ciuitates: Die Bürger beider Städte eint, dass sie zeitliche Güter „nutzen“ (uti)114 und sich von zeitlichen Übeln „heimsuchen“ (affligere) lassen müssen. Allerdings schaffen sich die Bürger der ciuitas terrena ihre Götter selbst, während diejenigen der ciuitas dei nur den einen wahren Gott verehren, der sie geschaffen hat.115 In dieser Differenzierung klingt nicht nur der die alttestamentlichen Schriften durchziehende Monotheismus mit seiner Ablehnung des Götzendienstes an, sondern auch der auf Paulus zurückgehende Vorwurf an die gottlosen Heiden, den Schöpfer mit dem Geschöpf vertauscht und Letzterem statt Ersterem gedient zu haben (vgl. Röm 1,23–25). Der Unterschied beider Gruppen, und damit nimmt Augustin erneut ein paulinisches Motiv auf, besteht hinsichtlich ihres Glaubens, ihrer Liebe und

tin bei seiner Datierung der neutestamentlichen Geschehnisse orientiert hat, vgl. Bardy, L’année. 111 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  654, Z.  2 0 – S.  655, Z.  67. 112 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  655, Z.  67–77. 113 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  86. Augustin verwendet offenbar excursus (vgl. ciu. XI 1, S.  322, Z.  31; XV 1, S.  453, Z.  24.28; XIX 5, S.  669, Z.  4 u.ö.) und procursus (vgl. ciu. XVI 3, S.  501, Z.  4; XVII 4, S.  554, Z.  1; XVIII 1, S.  592, Z.  10 u.ö.) für den Verlauf der beiden ciuitates synonym. Allerdings gibt er in einem Brief an den Presbyter Firmus, in dem er ihm u. a. seine Gliederung von ciu. erklärt, dem Begriff excursus den Vorzug: „sic enim a nobis pars eadem distributa est, ut quattuor ostenderent exortum illius ciuitatis totidemque procursum, siue dicere malumus, excursum, quattuor uero ultimi debitos fines.“ (ep.  1A*,1, CSEL 88, S.  8, Z.  9 –12; vgl. dazu auch Oort, Letters, S.  418 mit Anm.  11) Schließlich verwendet Augustin an wenigen Stellen in ciu. auch den Begriff transcursus (dt.: Durchlaufen), allerdings v. a. bezogen auf das alte, sterbliche Zeitalter (vgl. ciu. XIII 11, S.  393, Z.  23–27; XV 18, S.  481, Z.  37–40). Theodor E. Mommsen wendet sich unter anderem unter Bezugnahme auf ep.  1A* gegen ein Verständnis von procursus im Sinne von „progress“ (Fortschritt), wie es sich in einigen englischen Übersetzungen findet (vgl. Mommsen, Idea, S.  371). 114 Der sonst begegnende, die Bürger der beiden ciuitates charakterisierende Gegensatz von uti und frui wird hier zunächst nicht zur Sprache gebracht. Dennoch ergibt sich aus dem Folgenden, dass die Bürger der ciuitas terrena die zeitlichen Güter, zu denen auch Menschen zählen, nicht nur benutzen (uti), sondern auch genießen ( frui), wenn sie diese zu ihren Göttern machen. 115 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  86–92.

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ihrer Hoffnung (1Kor 13,13).116 Sind sie in der Weltzeit noch „vermischt“ (permixtus)117, so sollen sie im „Letzten Gericht“ (iudicium ultimum) voneinander geschieden werden, wobei beide ein unterschiedliches ewiges Ende erwartet:118 entweder die ewige Seligkeit oder die ewigen Höllenstrafen – das Thema der letzten vier Bücher von ciu.

116 Vgl.

ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  92 f. ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  85 f.; vgl. dazu bereits ciu. XI 1, S.  322, Z.  31. 118 Vgl. ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  93–95.

117 Vgl.

Ergebnisse Die eingangs aufgestellte Hypothese dieser Untersuchung besagte, dass das Alte Testament für das Geschichtsdenken Augustins, wie es in ciu. seinen Ausdruck findet, von grundlegender Bedeutung ist. Oder, wie es bereits 1954 von Jakob B. Obersteiner formuliert worden ist: Die Bibel, namentlich die des Alten Testamentes, ist der Fruchtboden, in dem das augustinische Geschichtsdenken wurzelt und aus dem es erwachsen ist. So muss letztlich die biblische Sinndeutung der Geschichte den Schlüssel zum Verständnis der augustinischen Geschichtsinterpretation bieten.1

Die Quellenanalysen zu ciu. XV-XVIII können in vielerlei Hinsicht als Verifizierung dieser Hypothese angesehen werden. Im Folgenden sollen noch einmal einige wichtige Einzelergebnisse gebündelt dargeboten werden. Zu Augustins Hermeneutik des Alten Testaments 1. Augustin unterscheidet in seiner Auslegungspraxis in ciu. im Wesentlichen zwischen einem historischen und einem geistlichen Sinn der Schrift – ungeachtet seiner vielgestaltig verwendeten Terminologie. So kann Augustin etwa von einem allegorischen, prophetischen, geistlichen, mystischen oder figürlichen Sinn reden, ohne diese Klassifizierungen genauer zu definieren und voneinander abzugrenzen.2 Der typus bzw. die typologische Auslegung scheint dabei eine Sonderform des ‚geistlichen Schriftsinns‘ darzustellen, insofern hier der Bezug zum Typologisierten (d. h. ein Ereignis, eine Gestalt oder eine Begebenheit des Alten Testaments) stärker erhalten bleibt.3 Die Anwendung des geistlichen Schriftsinns auf die Texte des Alten Testaments führt in der Regel zu der Einsicht, dass in diesen Texten höhere Wahrheiten enthalten sind, die zuallermeist Christus, Gottes Gnadengaben des Neuen Bundes, die Kirche und das Eschaton betreffen. 1 

Obersteiner, Geschichtstheologie, S.  314. Freilich soll mit dieser Vorordnung des Alten Testaments als ‚Schlüssel‘ des Verständnisses von Augustins Geschichtsdenken nicht ausgesagt werden, dass alle anderen Einflüsse, die auf dasselbe einwirkten, zu vernachlässigen sind. Eine solche Tendenz ist allerdings bei Obersteiner festzustellen (vgl. a. a. O., S.  333– 350). 2  S. Einleitung, Abschnitt 1.4. 3  S. Abschnitt 3.1.3.

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2. Augustin ist bei seiner Darstellung der alttestamentlichen Geschichte durchgängig bemüht, deren Plausibilität und Historizität zu verteidigen. Zu einer solchen Verteidigung sah er sich ursprünglich veranlasst durch die Angriffe der Manichäer, aber auch seitens einiger heidnischer Gegner des Christentums, die an der historischen Wahrheit vieler alttestamentlicher Erzählungen zweifelten. In ciu. wird allerdings ein weiterer Impetus deutlich, der auf Augustins Verständnis von res und signum beruht. Die im Alten Testament bezeugten Geschehnisse verweisen als res (gestae) auf die signa des Neuen Bundes. Dieser Verweiszusammenhang funktioniert jedoch nur dann, wenn die res auch tatsächlich in der Weise stattgefunden haben, wie sie in den alttestamentlichen Schriften bezeugt sind.4 Für Augustin ist die Vorstellung leitend, dass Gott den Menschen etwas über die Geheimnisse des Neuen Bundes mitteilen möchte. Aus diesem Grund bedient er sich nicht nur der Propheten, sondern eben auch der Geschichte. Daraus ergibt sich zugleich eine Einsicht im Hinblick auf eine ‚Heilsgeschichte‘ bei Augustin: Die Geschichte Gottes mit den Menschen ist geprägt von dessen fortwährender Kundgabe seines Heilsplans, die sich in ihrer Deutlichkeit immer weiter steigert und in Christus ihren innergeschichtlichen Höhepunkt erreicht.5 Nur wer die doppelte Absicht Gottes mit der Bibel begreift, die Glaubenden zum einen über die tatsächlich stattgefundenen Ereignisse zu unterrichten und ihnen zum anderen damit zugleich größere Geheimnisse über die Zukunft und den Neuen Bund zu eröffnen, gebraucht die Schriften richtig. Ein Hauptvorwurf Augustins an die Juden besteht darin, dass sie eben diesen zweiten Schritt nicht gehen oder nicht gehen können: Sie glauben zwar an die Historizität des in der Bibel Berichteten, verstehen aber nicht den darin enthaltenen höheren Sinn, der auf Christus und die Kirche weist. 3. Augustin zufolge kann nur die Bibel der wahre Geschichtsbericht sein. Sie allein ist durch den göttlichen Geist inspiriert und deshalb wahr. Durch das Inspirationsgeschehen wird die historia der heiligen Schriften zur autoritativen historia sacra. Damit wird die Bibel zugleich zum Prüfstein für alle übrigen historiographischen Zeugnisse: Solange sie der Bibel nicht widersprechen, können auch sie wahr sein; sobald sie allerdings von der Bibel abweichen, sind sie in jedem Fall unwahr. Es verwundert daher nicht, dass Augustin die Bibel nahezu ausschließlich zur Quellengrundlage seiner Darstellung der Menschheitsge4  Vor diesem Hintergrund kann im Hinblick auf die Schriftauslegung Augustins von einem von den res gestae gelösten ‚Literalsinn‘ nicht sinnvoll geredet werden; s. dazu Einleitung, Abschnitt 1.4. 5  Die auf dem Zusammenhang von res und signum gegründete wechselweise Bezogenheit von historischem und geistlichem Schriftsinn in der Hermeneutik Augustins zeigt sich etwa in seiner Bewertung der Erzählung von der Arche in ciu. XV 27: Hier verwirft er sowohl die Annahme, die Archeerzählung entbehre jeder historischen Grundlage und sei nur als Symbolgeschichte zu verstehen, als auch die gegenläufige Behauptung, die Geschichte habe zwar wie dargestellt stattgefunden, enthalte aber keinen höheren Sinn (s. dazu Abschnitt 2.1).

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schichte in ciu. XV-XVIII macht. Von hervorgehobener Bedeutung sind für Augustin das Buch Genesis und die Psalmen, die er auch in ciu. XV-XVIII am intensivsten behandelt. Dabei überschreitet er durch seine Auslegungsweise die traditionelle Einteilung des alttestamentlichen Kanons in Tora, Propheten- und Weisheitsbücher, insofern er bereits die Patriarchen und auch David als den Sänger der (der Weisheit zugeordneten) Psalmen als Propheten versteht und durch die allegorisch-figürliche Auslegung auch in den von der Tora berichteten Ereignissen einen ‚prophetischen‘ Sinn ausmacht. Während es (auch aufgrund der zugrunde liegenden biblischen Bücher) in ciu. XV-XVI stärker um die Verteidigung des historischen Sinns der Schrift und die Ergründung des prophetischen Sinns der alttestamentlichen Geschichte geht, werden in ciu. XVII-XVIII die Prophetien in zunehmendem Maße losgelöst von ihrem geschichtlichen Ort behandelt. Allerdings differenziert Augustin weiterhin auch terminologisch zwischen historia / res gestae und prophetia, wie er auch durchgängig zwischen einem historischen und einem übertragenen Sinn der Schrift unterscheidet.6 4. Hinsichtlich seines Verständnisses der Bibel als autoritatives Zeugnis der historia sacra ist es plausibel, wenn Augustin gegenüber heilsgeschichtlichen Einordnungen der nachbiblischen Geschehnisse sich merklich zurückhaltend verhält. Dies zeigt sich nicht nur in einer gewissen Distanz gegenüber einer bei christlichen Zeitgenossen deutlich ausgeprägteren Wundergläubigkeit sowie konkreten apokalyptischen ‚Zeitplänen‘, oder allgemeiner gegenüber der Anmaßung, das Handeln Gottes in den Ereignissen der Weltgeschichte erkennen zu wollen.7 Es fehlt für die nachbiblische Zeit schlicht die Instanz einer letztgültigen Geschichtsdeutung, die (zumindest bei Augustin selbst) auch nicht ohne Weiteres von der Lehrautorität der Kirche übernommen werden kann. 5. Augustin hält sowohl die Septuaginta als auch die Hebräische Bibel für gleichermaßen vom Heiligen Geist inspirierte und damit göttlich autorisierte Schriften. Die Diskrepanzen zwischen beiden Schriftencorpora, auf die er u. a. durch seine Auseinandersetzung mit Hieronymus und dessen Projekt der Bibelübersetzung aus dem Hebräischen gestoßen wird, sind für ihn immer wieder Anlass zu weitreichenden Ausführungen. Wichtig ist ihm dabei zu zeigen, dass die Abweichungen, sofern sie nicht auf einen simplen Fehler in der Abschrift zurückgehen, von Gott intendiert sind: Er wollte zu verschiedenen Zeitpunkten durch den Heiligen Geist Unterschiedliches offenbaren. Das in der Hebräischen Bibel Geschriebene verliert also nicht etwa durch die Abweichung in der Septuaginta seine Gültigkeit, sondern wird durch eine zusätzliche, neue Offenbarung erweitert. Nach Augustin widersprechen die beiden Versionen einander 6 

Gegen Markus, Saeculum, S.  190 (s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.6). hat insbesondere Robert A. Markus hingewiesen (vgl. Markus, Saeculum, S.  232; s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.6 sowie Abschnitte 6.2.3 u. 6.2.4). 7 Darauf

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nicht, sondern interpretieren und erhellen sich gegenseitig. Um sein Postulat der Wahrheit beider Schriftencorpora zu verteidigen, muss Augustin – da es gerade auf der historischen Ebene anderenfalls zu Widersprüchen kommt – immer wieder auf den geistlichen Schriftsinn zurückgreifen. 6. Augustins Blick auf das Alte Testament ist ganz wesentlich von seiner Lektüre der paulinischen Schriften gelenkt. Das reicht von grundsätzlichen hermeneutischen Aspekten wie der Unterscheidung von ‚geistlich‘ und ‚fleischlich‘ über Auslegungstraditionen bestimmter alttestamentlicher Figuren (Abraham, Hagar und Sarah, Isaak und Ismael, Jakob und Esau etc.), Ereignisse und Weissagungen bis hin zur Klärung konkreter theologischer Einzelfragen. Die allgemein feststellbare hohe Wertschätzung des apostolus durch Augustin erstreckt sich in besonderer Weise auch auf dessen Rezeption des Alten Testaments. 7. Da Augustin den Anspruch hat, in ciu. XV-XVIII die Geschichte beider ciuitates darzustellen, zieht er auch nichtbiblische Quellen heran. Jedoch begegnet er diesen mit einer deutlich erkennbaren Skepsis. Gerade jüngere Forschungen zu ciu. haben gezeigt, dass sich Augustin nicht nur in den ersten zehn Büchern von ciu., sondern auch in den folgenden zwölf kritisch mit paganer Philosophie, Kult und Mythologie auseinandersetzt. Grundsätzlich unterstellt er paganen Autoren, dass sie einander widersprechen, und stellt dem die Einhelligkeit aller biblischen Schriften gegenüber, von der er selbst ausgeht. Hier spielt auch die mit der Stadt Babylon verbundene Etymologie der confusio eine Rolle, die Augustin als Charakteristikum der Bürger der irdischen Stadt ansieht. Im Hinblick auf die Weisheit bemüht er sich über mehrere Kapitel nachzuweisen, dass alle Weisheit ihren Ursprung in den alttestamentlichen Schriften hat. Bedeutung alttestamentlicher Motive 8. Abgesehen davon, dass der Gesamtrahmen der Geschichtsdarstellung Augustins in ciu. bereits in einem sehr basalen Sinne – Geschichte als von Gott gelenkter sinnhafter Zusammenhang mit Anfang (Schöpfung), Verlauf und Ende (Endgericht und Eschaton), in welchem Gott das von ihm erwählte Volk, den populus dei (= bei Augustin: die ciuitas dei), begleitet – alttestamentlichen Ursprungs ist, gilt es den Blick noch einmal auf einige der alttestamentlichen Motive zu richten, die für Augustins Geschichtsdenken von besonderem Interesse sind. 9. Der Jerusalemer Tempel bzw. das Haus Gottes ist in alttestamentlichen Texten ein Ort der Gottesbegegnung, der wahren Gottesverehrung, der Sammlung der an Gott Glaubenden. Im Laufe der Geschichte Israels und angesichts politischer Katastrophen und damit einhergehender Zerstörungen des Tempels wird dieser bereits in weiten Teilen des Judentums zu einem Symbol der ewigen Gottesgegenwart und zum Objekt eschatologischer Hoffnungen spiritualisiert. Augustin greift das in neutestamentlichen Schriften begegnende Motiv des sich

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im Bau befindlichen Tempels auf und bezieht es auf die in der Geschichte sich vollziehende Sammlung der Glieder der ciuitas dei. 10. Das alttestamentliche Motiv der Bevorzugung des ‚Jüngeren vor dem Älteren‘ begegnet gerade im Hinblick auf die Erzväter sehr häufig. Augustin greift dieses Motiv auf und gebraucht es (vor dem Hintergrund der paulinischen Rezeption) insbesondere zur Explikation seiner Gnadenlehre, aber auch zur geschichtstheologischen Erklärung der Bevorzugung des ‚jüngeren Volkes‘ der Christen vor dem ‚älteren Volk‘ der Juden. 11. ‚Jerusalem‘ und ‚Babylon‘ sind bereits im Alten Testament symbolträchtige Städte, die über den Weg der neutestamentlichen Rezeption, der spiritualisierten Zion-Tradition und der apokalyptischen Deutung Babylons etwa in der Offenbarung des Johannes, auch Eingang in das Geschichtsdenken Augustins gefunden haben. Die biblische Tradition dieser beiden einander entgegengesetzten Städte, die bei Augustin zu den Symbolstädten der beiden Bürgerschaften, der ciuitas dei und der ciuitas terrena werden, stellt den wesentlichen Entstehungszusammenhang des ciuitas-Konzepts dar. Damit soll freilich nicht ausgeschlossen werden, dass Augustin hier nachweislich auch von anderer Seite Beeinflussungen erfahren hat. 12. Das Motiv der ‚Wanderschaft‘, von dem nicht nur die Patriarchenerzählungen geprägt sind, sondern das sich auch in der Vorstellung vom ‚wandernden Gottesvolk‘ in der Zeit des Exodus wiederfindet und das so gerade durch die nachexilische Theologie(n) vertieft wurde, ist auch für Augustins Beschreibung der auf Erden lebenden Glieder der ciuitas dei prägend: Sie befinden sich auf einer irdischen ‚Pilgerschaft‘ hin zu ihrem Ziel, der himmlischen Gottesstadt. Allerdings fällt auf, dass Augustin es gerade unterlässt, die naheliegende Parallele zwischen dem ‚wandernden Gottesvolk‘ Israel in der Wüste und der ciuitas dei peregrinans stärker zu akzentuieren. So spielt die Exoduserzählung in ciu. eine deutlich untergeordnete Rolle. 13. Das Alte Testament ist vielfach vom Grundgedanken des Monotheismus (bzw. in den älteren Texten zunächst der Monolatrie) und der entsprechenden Ablehnung der Verehrung fremder Götter durchzogen. Darin trifft sich Augustins Hauptanliegen in ciu., die christliche Religion auch vor einem paganen Forum als die seit Anbeginn der Weltgeschichte (ecclesia ab Abel) bestehende und einzig wahre Form des Glaubens und der Gottesverehrung zu erweisen. 14. Dass Augustin die sechs Weltzeitalter u. a. auch mit den sechs Schöpfungstagen parallelisiert – das auf das Endgericht folgende Eschaton, die Vollendung der ciuitas dei entspricht der Ruhe Gottes am siebten Tag (eschatologischer Sabbat) –, ist ein weiteres Indiz für die Verwurzelung des augustinischen Geschichtsdenkens im Alten Testament. Einen Zusammenhang von Schöpfung und Gottes Wirken in der Geschichte stellt bereits das Jesajabuch her (vgl. Jes 41,17–20; 43,16–19; 45,12 f. u.ö.).

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15. Augustin ordnet die Gestalten der alttestamentlichen Erzählungen konsequent in sein theologisches Konzept der beiden ciuitates ein. Dabei werden aus den Protagonisten des Alten Testaments prominente Glieder der ciuitas dei, aus den problematischen Gestalten dagegen Repräsentanten der ciuitas terrena. Dies wird in den ersten Kapiteln von ciu. XV ausführlich anhand von Kain und Abel, den jeweils ersten menschlichen Vertretern beider ciuitates, vorgeführt und entsprechend fortgesetzt. Besondere Aufmerksamkeit werden auf der Seite der ciuitas dei dem Patriarchen Abraham und König David geschenkt, was seinen Grund vor allem darin hat, dass sich mit diesen beiden Gestalten die zentralen Verheißungen verbinden, die sich nach Augustin auf Christus, die Kirche und das Eschaton beziehen. Insgesamt stellt Letzteres eines der wichtigsten Kriterien Augustins in der Auswahl des alttestamentlichen Stoffes dar, dem er sich in der Darstellung des Geschichtsverlaufs in ciu. XV-XVIII widmet. Immer wieder lässt sich bei Augustins Auseinandersetzung mit s.E. der ciuitas dei zugehörigen alttestamentlichen Gestalten die Tendenz der moralischen Rechtfertigung erkennen, was wohl auch mit entsprechenden Angriffen etwa seitens der Manichäer oder paganer Philosophen in Verbindung steht. Dabei wird allerdings – nun wiederum gegen die Pelagianer – betont, dass von keiner biblischen Gestalt außer Christus eine völlige Sündlosigkeit ausgesagt werden kann, selbst wenn in der Bibel, wie etwa bei Abel, nicht explizit von Sünden dieser Person berichtet wird. Bei der Deutung alttestamentlicher Figuren bedient sich Augustin der oftmals bereits im hebräischen Text angelegten Namens­ etymologien, die er – auf der Grundlage des Onomasticon des Hieronymus – aufnimmt und für seine eigene Darstellungsabsicht fruchtbar macht. 16. Mit der Charakterisierung der Glieder der ciuitas terrena als von Hochmut (superbia) geprägte Menschen, die den von Gottes- und Nächstenliebe (amor dei / caritas) bestimmten Gliedern der ciuitas dei gegenüberstehen, greift Augustin ein zentrales Element alttestamentlicher Geschichtsschreibung auf: Auch hier werden die Akteure der Geschichte oftmals in jene unterteilt, die Gott verehren und sich gegenüber dem Nächsten wohlverhalten, und jene, die sich selbst verherrlichen, den Nächsten und gerade auch den Unterprivilegierten missachten, sich allein an irdischen Gütern erfreuen und darüber Gott vergessen.8 Augustin macht sich eine solche schematisierende Einteilung in zwei konträr gegenüberstehende Menschengruppen zu eigen und erhebt sie im Rahmen des ciuitates-Konzepts zu einer Art Geschichtsprinzip. 17. Damit zusammenhängend weiß sich Augustin in seinem von der Ursünde her bestimmten Menschenbild nicht nur mit der Beschreibung der Menschen beim Bau des babylonischen Turms als von der superbia geleitet und von Gott entfremdet einig, auch bei ihm wird das Motiv der ‚babylonischen Sprachverwirrung‘ ein Symbol für die sündige und nicht nur von Gott getrennte, sondern 8 

Vgl. dazu Obersteiner, Geschichtstheologie, S.  337.

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auch in sich zerstrittene, Kriege führende Menschheit. Für Augustin vermag erst das die Völker einigende Band in Christus (deutlich geworden im Pfingstwunder der völkerübergreifenden Verständigung) die die ciuitas terrena bestimmende confusio aufzuheben und auf diese Weise vermehrt auch Glieder aus den Völkern der ciuitas dei zuzuführen. 18. Augustins durch Paulus geprägte, von den Kategorien ‚fleischlich‘ und ‚geistlich‘ bestimmte Hermeneutik hat Ansätze bereits in den Theologie(n) des Alten Testaments. Aus Krisenerfahrungen wie insbesondere dem Babylonischen Exil hatte sich bei den Propheten ein tieferes Bewusstsein für die Sündhaftigkeit des Menschen und seine Bedürftigkeit nach der gnädigen Zuwendung Gottes entwickelt. Dass fleischliche Abstammung vom Volk Israel keineswegs ein Garant dafür ist, dem Willen Gottes gerecht zu werden, und dass es zur Überwindung der durch die Sündhaftigkeit der Menschen geschaffenen Distanz zwischen ihnen und Gott eines heilvollen Eingreifens Gottes bedarf, wissen bereits Propheten wie Jeremia und Deuterojesaja ( Jer 31,31–34; Jes 48,1– 8 u.ö.), und auch etwa die priesterschriftliche Theologie ist von solchem Denken bestimmt. 19. Die Integration alttestamentlicher Gestalten in die ciuitas dei durch Augustin, die bis hin zu seiner Rede von der ecclesia ab Abel reicht, lässt einerseits dessen Interesse erkennen, die alttestamentliche Geschichte nicht als belanglose oder nur zeichenhafte Vorgeschichte, sondern als integralen Bestandteil der göttlichen Heilsgeschichte und damit des christlichen Glaubensgutes zu verstehen. Andererseits kann dieser Herangehensweise ein vereinnahmender Charakter nicht abgesprochen werden, der mit judenfeindlichen Tendenzen im Denken Augustins in Verbindung steht. So werden aus den großen Glaubensvorbildern und verehrten Vorvätern der Juden prominente Glieder der ciuitas dei, die selbst (und sei es nur in einer vorläufigen Weise) an Christus glauben und deren entscheidende Bedeutung darin besteht, Offenbarungen über Christus und die Kirche empfangen zu haben. Spannungen zwischen dem Geschichtsdenken Augustins und dem Alten Testament 20. Von der Grundkonzeption der beiden in der Weltzeit vermischten ciuitates schließt sich die exklusive Zuwendung Gottes an ein irdisches Volk für Augustin eigentlich aus, hält er doch Städte- und Staatenbildungen für ein Signum der Bürger der ciuitas terrena. Dennoch nimmt das Volk Israel als populus dei auch bei Augustin eine besondere Stellung ein – als vornehmlicher Träger der ciuitas dei und als wichtiges Instrument Gottes im Hinblick auf die Offenbarung seines Heilsplans. 21. Es mangelt bei Augustin nicht an positiven Würdigungen des Volkes Israel, etwa wenn er in ciu. XVI 11 den Nachweis unternimmt, dass das Hebräische die ursprüngliche Sprache der Menschheit ist. Auch in der positiven Be-

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wertung vieler Protagonisten dieses Volkes, sei es nun der Erzvater Jakob, der Anführer Mose oder aber die Könige David und Salomo, folgt er alttestamentlichen Tendenzen. Und dennoch ist seine Würdigung Israels anders begründet als im Alten Testament. Nicht das Volk als solches wurde aus allen anderen Völkern von Gott erwählt, sondern jedes einzelne Glied wurde als Glied der ciuitas dei erwählt. Und so existieren in jedem Volk sowohl Glieder der ciuitas terrena als auch der ciuitas dei. Die Besonderheit Israels besteht nun darin, dass über weite Zeiträume der Geschichte ein großer Teil der Glieder der ciuitas dei innerhalb dieses Volkes Israel existiert. Außerdem bedient sich Gott Israels, um sich an ihm als geschichtsmächtig zu erweisen, und zugleich, um ihm durch Prophezeiungen oder bestimmte geschichtliche Ereignisse Offenbarungen zuteilwerden zu lassen, die letztlich die gesamte Menschheit betreffen. 22. Spätestens mit dem Kommen Christi verliert Israel aber diese besondere Eigenschaft, vornehmlicher Träger der ciuitas dei zu sein. Die Völkermission hat zur Folge, dass vermehrt in allen Völkern der Welt Glieder der ciuitas dei gesammelt werden. Auch als Empfänger von Offenbarungen kommt Israel nicht mehr in Betracht, die Sendung der Propheten an Israel hat nach Augustin schon vor dem Kommen Christi ein Ende genommen. Die Geschichte des fleischlichen Volkes Israel durchläuft eine von Aufstieg (Frühzeit des Volkes der Hebräer), Zenit (Herrschaft unter David und Salomo) und Dekadenz geprägte Entwicklung, die in der propheten- und staatenlosen Existenz des Judentums nach 70 n. Chr. endet. Dies verbindet sich mit der Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Lebensaltern eines Menschen, die ebenfalls zunächst von Entwicklung und sodann vom Verfall des Alters geprägt sind. Dagegen ist in der Geschichte des geistlichen Volkes Israel, der ciuitas dei, kein solcher Verfall zu erkennen. Sie versteht Augustin als das zwar nicht durch Krisen ungehemmte, aber dennoch stetige und sich gerade im sechsten Weltzeitalter intensivierende Wachstum des ‚neuen Menschen‘, d. h. des mystischen Leibes Christi in der Geschichte.9 23. Mit dem alttestamentlichen Motiv des ,Heiligen Krieges‘10 hatte Augustin sichtlich Schwierigkeiten. Dies nicht nur deshalb, da er vor dem Hintergrund seines ciuitates-Konzepts die unbedingte Bindung Gottes an ein irdisches Volk ablehnen musste, sondern weil das betreffende Motiv auch in Spannung zur ‚Lehre vom gerechten Krieg‘ steht, zu deren Integration in das Christentum Augustin einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Letztlich muss er aber dennoch – weil sich aufgrund seines Schriftverständnisses für ihn Sachkritik an biblischen Texten ausschließt – einräumen, dass es Kriege gibt, die allein deswegen gerecht sind, weil sie von Gott befohlen wurden. Hatte es sich die Lehre vom bellum iustum zum Ziel gesetzt, Kriege möglichst zu begrenzen, indem sie ihn an strenge Bedingungen knüpfte, macht Augustin für den ‚Heiligen Krieg‘ 9 

S. Abschnitt 3.4.3. S. dazu Abschnitt 3.4.2.

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also eine Ausnahme: Hier reicht der Befehl Gottes dazu aus, einen Krieg als gerechtfertigt, ja zwingend notwendig anzusehen. Augustin akzeptiert den ,Heiligen Krieg‘ als Ausnahme des fünften Gebots in ciu. I 21 oder aber im Hinblick auf die Kriege Israels in der Landnahme- und Richterzeit in ciu. XVI 43. Dass dies ein Zugeständnis an die heiligen Schriften darstellt, zeigt sich daran, dass bei Augustin für die nachbiblische Zeit nicht mehr von heiligen Kriegen die Rede ist. Grundsätzlich geht Augustin davon aus, dass der Ausgang eines jeden Krieges dem Willen Gottes entspricht und Gott sich bestimmter irdischer Völker bedienen kann, um durch deren Siege seine eigenen Absichten umzusetzen. Oftmals begegnet in diesem Zusammenhang der ebenfalls im Alten Testament vorkommende Topos, dass Gott sich des Bösen um des Guten willen bedient. 24. Die Mehrzahl der Äußerungen Augustins lässt sich so deuten, dass er einen innerweltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang bzw. Tat-Folge-Zusammenhang11 abgelehnt hat. Ein Beispiel dafür findet sich etwa am Ende von ciu. XVIII, wo über die beiden ciuitates gesagt wird: Beide [sc. Bürgerschaften] gebrauchen jedoch die zeitlichen Güter in gleicher Weise, und sie werden in gleicher Weise von zeitlichen Übeln heimgesucht; verschieden (sind sie aber) im Glauben, verschieden in der Hoffnung und verschieden in der Liebe, bis sie im Letzten Gericht voneinander getrennt werden und jede einzelne ihr jeweiliges Ende entgegennimmt, ein Ende, das kein Ende hat.12

Dass Augustin auch einen eschatologisch gewahrten Tun-Ergehen-Zusammenhang nicht annehmen konnte, hängt nicht zuletzt an seiner Lehre von der Prädestination, der gemäß die Begnadigung eines Menschen und seiner Herauslösung aus der massa damnata durch Gott seinen Grund nicht in dessen Taten, sondern in Gottes ewigem Ratschluss hat. Selbstverständlich ergibt sich aus der Zugehörigkeit des Begnadeten zur ciuitas dei auch ein Wohlverhalten desselben. Allerdings ist das Erste nicht im Zweiten begründet. Demgegenüber lassen sich jedoch bei Augustins Rezeption der alttestamentlichen Geschichte auch Äußerungen finden, die einen innerweltlichen Tun-Ergehen-Zusammenhang zumindest in eingeschränkter Weise bejahen.13 Auch die innere Dynamik der sechs Weltzeitalter mit ihrem an das Richterschema erinnernden Wechsel von Neubeginn Gottes mit der ciuitas dei – Sünde und 11 

S. dazu v. a. Einleitung, Abschnitt 1.2 sowie Abschnitte 3.4.2 u. 3.4.4. tamen temporalibus uel bonis pariter utuntur uel malis pariter affliguntur, diuersa fide, diuersa spe, diuerso amore, donec ultimo iudicio separentur, et percipiat unaquaeque suum finem, cuius nullus est finis“ (ciu. XVIII 54, S.  656, Z.  91–94). 13  So etwa in ciu. XVI 43: „In den Zeiten der Richter aber wechselten sich in den Kriegen Glück und Unglück ab, wie es die Sünde des Volkes [Israel] und Gottes Barmherzigkeit mit sich brachte.“ / „temporibus autem iudicum, sicut se habebant et peccata populi et misericordia dei, alternauerunt prospera et aduersa bellorum.“ (ciu. XVI 43, S.  549, Z.  55–57; s. dazu Abschnitt 3.4.2) 12  „ambae

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Abfall von Gott – Bestrafung am Ende eines Weltzeitalters kann im Sinne eines überindividuellen Tun-Ergehen-Zusammenhangs begriffen werden. Allerdings scheint es nach Augustin nicht so zu sein, dass Gott mit seinen Straf handlungen tatsächlich auf die Taten der Menschen reagiert, vielmehr hat Gott diesen Geschichtsablauf schon von Beginn an so vorherbestimmt und gewollt. 25. Augustin bemüht sich durchweg darum, die anthropomorphen Gottesbilder des Alten Testaments seinem eigenen, neuplatonisch geprägten Gottesbild anzupassen, indem er sie entsprechend umdeutet. Die anthropomorphe Art und Weise, in der in vielen alttestamentlichen Texten von Gott gesprochen wird, sei zum Zweck des besseren Verständnisses durch die Gläubigen geschehen. In qu. 1,39 sagt Augustin: „Gott spricht ja in den Schriften auf menschliche Weise zu den Menschen“.14 Näherhin bedeutet das für Augustin: a) Gott ist frei von Leidenschaften (perturbationes), die den Menschen betreffen können. In dieser Weise argumentiert er etwa in ciu. XV 25 gegen die Annahme, dass Gott von Zorn ergriffen gewesen sei, als er die Sünde der vorsintflutlichen Menschheit sah. b) Gott kann durch in der Bibel berichtete Tätigkeiten des Wahrnehmens nichts erkennen, was er aufgrund seiner Allwissenheit nicht zuvor schon gewusst hätte. Auch wenn Gott einen Menschen wie etwa Abraham in Gen 22 „versucht“ (tentare), so tut er dies nicht des eigenen Erkenntnisgewinns wegen, sondern um damit ein exemplum für die kommenden Generationen zu geben.15 c) Schließlich sind auch Verben der Bewegung aufgrund der Allgegenwart Gottes in einem anderen Sinne zu verstehen. Beides zeigt sich z. B. bei Augustins Deutung des „Erkennens“ und „Herabfahrens“ Gottes, um den babylonischen Turmbau zu betrachten (Gen 11,17) in ciu. XVI 5. Zur Problematik des Antijudaismus bei Augustin 26. Mit der kaum zu überschätzenden Leistung Augustins, die Geschichte des Alten Testaments als solche und in ihrer grundlegenden Bedeutung für den christlichen Glauben ernst genommen zu haben, verbindet sich zwangsläufig die Problematik der Vereinnahmung der heiligen Schriften des Judentums für die ‚Sache des Christentums‘. Dabei handelt es sich freilich um eine neuzeitliche Problematik, die nicht im Horizont Augustins stand, die sich aber vor dem Hintergrund der in den Gräueln des 20. Jahrhunderts gipfelnden jahrhundertelangen Geschichte des Antisemitismus stellt, an der auch der christlich begründete Antijudaismus einen wesentlichen Anteil hat. Wenn Ausführungen Augustins zum ,fleischlichen‘ Volk Israel vielfach als antijudaistisch bezeichnet werden müssen, geht es dabei nicht um einen moralischen Vorwurf an einen antiken Autor. Vielmehr gilt es, einen Beitrag zu einer kritischen historischen 14  „more quippe humano deus in scripturis ad homines loquitur“ (qu. 1,39, S.  16, Z.  495 f.; s. zum Folgenden auch: Gross, Einleitung, S.  87 f.). 15 Vgl. ciu. XVI 32; s. dazu Abschnitt 3.2.8.

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Aufarbeitung eines die christliche Theologie- und Kirchengeschichte durchziehenden Phänomens zu leisten, um so nicht zuletzt auch der gesellschaftlichen Verantwortung der Geschichtswissenschaft und der Theologie gerecht zu werden. 27. Wesentlich für Augustins Umgang mit dem Volk Israel ist die von der paulinischen Rezeption Abrahams geleitete Unterscheidung zwischen einem ‚fleischlichen‘ und einem ‚geistlichen‘ Samen Abrahams.16 Glied des ‚wahren Israels‘ zu sein, bedeutet Glied der ciuitas dei zu sein, was den Glauben an Christus notwendig voraussetzt. Nur ein Teil des ,fleischlichen‘ Israels ist zum Glauben an Christus gekommen, die übrigen verharren im Unglauben und in Unkenntnis der Schrift. Ihnen kommt nur noch die Funktion zu, als „Träger der Schriften“ für die Wahrheit der heiligen Schriften zu bürgen. Zwei verschiedene Heilswege oder gar eine ‚bleibende Erwählug Israels‘ schließen sich für Augustin aus: Der nicht an Christus glaubende Teil Israels gehört zur ciuitas terrena und wird den ewigen Qualen anheimgegeben werden, nur den am Gerichtstag lebenden Juden wird durch die Belehrung Elias ermöglicht, noch zum Glauben an Christus zu kommen und somit errettet zu werden.17 28. Gewisse Tendenzen, Augustins Konzept der ‚Zeugnisschaft der Juden‘ überzubewerten, sind zwar vor dem Hintergrund moderner Toleranzbemühungen begreiflich. Sie laufen aber Gefahr, den historischen Blick auf das Judenbild Augustins zu verfälschen. Eine Überbewertung dieses Aspekts seiner Geschichtstheologie, der v. a. auch aus der Notwendigkeit heraus entstanden ist, die fortdauernde Existenz der Juden nach dem Auf kommen des Christentums und trotz des Verlusts ihrer Staatlichkeit zu erklären,18 würde sich auch schlecht in das Gesamtbild dessen einfügen, was Augustin ansonsten über das ‚fleischliche‘ Volk Israel und insbesondere das Judentum in den letzten Weltzeitaltern zu sagen weiß. Das Argument Johannes van Oorts, dass der in vielen Einzelaussagen feststellbare Antijudaismus Augustins aus dem Grund weniger schwer wiegt, da es Zeitgenossen wie Ambrosius gab, deren antijüdische Agitation gravierender war,19 wird zwar dem methodischen Ansatz gerecht, bei der historischen Bewertung von Einstellungen einer bestimmten Person als ‚antijudaistisch‘ diese in den Kontext anderer Aussagen von Zeitgenossen einzuordnen. Die Rezeption des Alten Testaments durch Augustin in ciu. XV-XVIII zeigt aber, dass dieser nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, die bereits im Neuen Testament angelegte Abwertung des Judentums als des ‚fleischlichen‘ Israels nicht nur aufzugreifen, sondern zu erweitern und zu vertiefen.

16  Dies zeigt sich insbesondere in ciu. XVI 16.21 u. XVII 2; s. dazu Abschnitte 3.2.3 u. 4.1.2. 17  S. dazu Abschnitt 6.2.1. 18 Vgl. Blumenkranz, Judenpredigt, S.  180 f. 19 Vgl. Oort, Art. Iudaei, Sp.  789; ders., Jews, S.  249.257.

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29. Tatsächlich geht es Augustin nicht um eine „Christian defense of Jews and Judaism“20 im Sinne einer Verteidigung des Judentums an sich.21 Wohl aber, und das zeigt sich nicht nur bei seiner ‚Theorie der Zeugenschaft‘, sondern gerade auch in ciu. XV-XVIII, war es ihm ein großes Anliegen, das Alte Testament, die Historizität des darin Berichteten und auch die moralische Integrität wichtiger alttestamentlicher Figuren zu verteidigen. Letztere versteht Augustin aber bezeichnenderweise nicht in erster Linie als Repräsentanten des (irdischen) Volkes Israel, sondern als Glieder der ciuitas dei peregrinans, der ecclesia ab Abel. Die Rede von einer „Christian defense of the Old Testament“ wäre also deutlich sachgemäßer. Augustins Umgang mit dem irdischen Volk Israel ist von einer Ambivalenz gekennzeichnet: Zum einen nimmt Augustin die Geschichte Gottes mit Israel, die dispensatio vor Christus ernst; dies tut er nicht zuletzt im Rahmen seiner spezifischen Hermeneutik des Alten Testaments. Zugleich hält er aber vieles (insbesondere den Kultus, einen Großteil der Gesetze, aber auch Amtsstrukturen wie das Königtum Israels und das Hohepriesteramt) für zeitbedingt und in Christus überwunden: Der geschichtlich bedeutsame Zweck dieser alttestamentlichen Einrichtungen liegt in ihrem zeichenhaften, auf Christus und die Kirche verweisenden Charakter. Augustin versteht das Ende der besonderen Bindung Gottes an das irdische Volk Israel und die Ausbreitung des Evangeliums unter den Völkern als einen notwendigen, im ewigen Ratschluss Gottes angelegten und in der Geschichte umgesetzten Schritt. Auch dem irdischen Volk Israel selbst eignet letztlich nur Verweischarakter auf den eigentlichen populus dei. Diesen Charakter hat das gegenwärtige Judentum gänzlich verloren, da mit Christus im sechsten Weltzeitalter der ‚neue Mensch‘ in Erscheinung getreten ist, der die Sammlung der ciuitas dei ihrer Vollendung zuführt. 30. In jüngerer Zeit wird eine Tendenz in der Forschung erkennbar, den Antijudaismus Augustins durch die Annahme zu relativieren, dieser habe, wenn er nicht explizit vom historischen Judentum rede, vielfach lediglich ein ‚Judenbild‘ konstruiert – den „exegetically and hermeneutically constructed hermeneutical Jew“ – und etwa in polemischen Kontexten gegen Heiden oder Häretiker eingesetzt. Durch diesen Ansatz wird nicht selten suggeriert, ein solches ‚Judenbild‘ Augustins habe eigentlich nichts mit dem Judentum selbst zu tun. Allerdings erweist sich diese scheinbare Lösung des Problems, die auf der historisch korrekten Tatsache beruht, dass Augustin selbst wenig persönlichen Umgang mit Juden hatte, als nicht tragfähig.22 So ist zwar unbestritten, dass Augustin bereits etablierte antijüdische Topoi wie etwa den der Eigengerechtigkeit gegen die von ihm häresiologisch konstruierte Gruppierung der Pelagiani an20 

So der Untertitel der Arbeit von Fredriksen, Augustine and the Jews. So bereits Lee, Israel, S.  544. 22 Vgl. Oort, Jews, S.  259.261 f.264; s. auch Fredriksen, Augustine and the Jews, S.  2 26– 231; Lee, Israel, S.  543 f. 21 

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wenden konnte.23 Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass der antijüdische Topos nicht immer zugleich auch einen Angriff auf das Judentum darstellt. Werden doch antijüdische Ressentiments durch ihr Einspielen in aktuelle Konfliktsituationen immer wieder aktualisiert und weiter verfestigt. Wirft man ferner einen Blick auf die Wirkungsgeschichte der judenfeindlichen Aussagen Augustins, so zeigt sich, dass diese eben gerade doch auf das reale Judentum bezogen wurden. 31. Insgesamt gilt also: Eine kritische Aufarbeitung der das Christentum von seinen Anfängen an über die Jahrhunderte begleitenden Geschichte des Antijudaismus, wie sie innerhalb der neutestamentlichen und kirchenhistorischen Forschung bereits vielfach betrieben wird, dient dem christlich-jüdischen Dialog mehr als wohlmeinende Hypothesen, die sich bei näherer historischer Betrachtung als nicht haltbar erweisen. Theologiegeschichtliche Konfliktlagen / zu Kontext und Argumentationsziel von De ciuitate dei 32. In Augustins Darstellung des Geschichtsverlaufes in ciu. XV-XVIII spiegeln sich alle großen theologischen Konflikte wider, in die er bis dahin verwickelt war. Augustin benennt allerdings in den wenigsten Fällen die mit seinen Positionen jeweils angegriffenen theologischen Gegner, sodass man auf Hypothesen angewiesen ist. Ein interessantes Beispiel dafür ist seine Erörterung des angemessenen christlichen Umgangs mit alttestamentlichen Weissagungen in ciu. XVII 3.24 33. Einige Grundlinen apologetischen Bemühens in ciu. XV-XVIII seien hier skizziert: Gegen den Manichäismus verteidigt Augustin etwa das alttestamentliche Gottesbild, die Moralität alttestamentlicher Figuren oder auch die Legitimität christologischer Auslegungen des Alten Testaments – deutliche Bezüge zu c. Faust stellt Augustin selbst immer wieder her. Gegen den Donatismus richtet Augustin v. a. sein Verständnis der ecclesia als eines corpus permixtum: In der Gegenwart ist die unerlöste Kirche durchmischt von Gliedern beider ciuitates; dem Menschen ist es weder möglich noch erlaubt, die endzeitliche, allein Gott zustehende Scheidung beider ciuitates innerhalb der Kirche vorzunehmen. Gegen Vertreter des Pelagianismus, der im Unterschied zu den beiden vorher genannten Gruppierungen nie als eine organisierte Gruppierung aufgetreten ist – bei den pelagiani handelt es sich also um eine häresiologische Konstruktion –,25 23  Die

von Augustin in polemischer Absicht durchgeführte Gleichsetzung der Pelagiani mit den Iudaei hinsichtlich ihrer Eigengerechtigkeit, bei der er sich v. a. auf Röm 10,3 beruft, lässt sich mehrfach beobachten; vgl. etwa ep.  140,83, S.  231, Z.  18 – 232, Z.  4; c. ep. Pel. 3,9, S.  494, Z.  27 – S.  496, Z.  2 . Für ein ausführliches Gespräch über diese Thematik danke ich David Burkhart Janssen. 24  S. dazu Abschnitt 4.1.3. 25 Vgl. Drecoll, Art. Pelagius, Sp.  653 f.657–659.

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wird von Augustin hervorgehoben, dass die Gerechtigkeit der antiqui iusti wie etwa Abel, Abraham oder Hiob nicht auf deren Erfüllung des Gesetzes beruht, sondern ihnen allein durch die göttliche Gnade gewährt wurde. Das wesentliche Verhältnis des Glaubenden zu Christus besteht nicht in dessen imitatio, sondern in der durch dessen Heilswerk ermöglichten regeneratio, die ihn aus dem Zustand der Ursünde erlöst. Gegen die heidnische Philosophie schließlich unternimmt es Augustin in ciu. XI-XXII, das Christentum sowohl von seiner Lehre als auch von seiner religiösen Praxis her als die wahre Religion zu präsentieren. Gerade auch gegen die Vorstellung des Porphyrios und seiner Nachfolger, dass potenziell viele religiöse Praktiken die Möglichkeit bieten, zum Heil zu gelangen, bzw. dass alle diese ‚Wege‘ zum Heil letztlich im System des Neuplatonismus konvergieren, postuliert Augustin einen einzigen Heilsweg, der aber – und darin nimmt er eine wichtige Kritik der paganen Philosophie auf – bereits den Menschen vor der Inkarnation Christi zugänglich war. Nicht zuletzt darin liegt einer der Gründe für Augustins intensive Auseinandersetzung mit der alttestamentlichen Geschichte in ciu. 34. Die Frage der intendierten Adressaten von ciu. ist wie die damit zusammenhängende Frage nach der Gattung dieser im Grunde beispiellosen Schrift nicht leicht zu beantworten. Eingedenk der mannigfaltigen, aber meist implizit bleibenden Frontstellungen leuchtet es aber am ehesten ein, ciu. (entgegen des Titelzusatzes contra paganos) nicht als eine an Heiden, sondern an gebildete Christen gerichtete Schrift anzusehen, die diese mit ihren Argumenten von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen und darin zu festigen sucht. Dabei werden ihnen Argumente an die Hand gegeben, die christliche Lehre vor dem Forum paganer Philosophie, aber auch in Abgrenzung zu häretischen Gruppierungen oder nichtchristlichen Religionen zu vertreten. Gerade ciu. XV-XVIII lässt sich auch als eine umfangreiche Darlegung des rechten Verständnisses des Alten Testaments und dessen Bedeutung für den christlichen Glauben begreifen. Mit Johannes van Oort ist auf den gleichermaßen apologetischen wie thetischen Charakter der Schrift zu achten; seine Annahme einer Verwendung im katechetischen Kontext leuchtet durchaus ein.26 Die bereits zu Lebzeiten Augustins beginnende Rezeptionsgeschichte von ciu. bestätigt die Annahme, dass dieses Werk vornehmlich in philosophisch und theologisch gebildeten christlichen Kreisen gelesen wurde. 35. Das Verhältnis Augustins gegenüber Rom muss als ambivalent bezeichnet werden. So folgt er auf der einen Seite der Bewertung in der Offenbarung des Johannes, dass es sich bei Rom um das zweite Babylon und damit die ciuitas diaboli par excellence handelt. Auf der anderen Seite würdigt er sowohl die militärischen als auch die kulturellen Leistungen des Römischen Reiches mehr als das bei allen anderen weltlichen Reichen der Fall ist. Der militärischen Einnah26  Vgl.

Oort, Jerusalem, S.  164–198.

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me weiter Teile des Erdkreises kann er sogar einen positiven heilsgeschichtlichen Sinn abgewinnen, insofern diese der Ausbreitung des Evangeliums den Weg bereitet habe. Geschichtstheologische Fragestellungen 36. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es sich bei der Frage, ob Augustin von einem ‚Sinn‘ oder einem ‚Fortschritt‘ innerhalb der Geschichte ausgeht, um moderne Fragestellungen handelt, die an eine antike Quelle herangetragen werden. Dennoch scheinen sie für die Ergründung des Geschichtsdenkens Augustins legitim zu sein. Überblickt man die Gesamtdarstellung Augustins in ciu. XI-XXII, in der er den exortus, den excursus und die debiti fines der beiden ciuitates darstellt, so muss die Frage nach dem Sinn bejaht werden: Augustin hat den Sinn der Geschichte darin gesehen, die durch den Engelfall entstandene Lücke in der himmlischen ciuitas dei mit jenen von Gott aus der massa damnata erwählten Menschen anzufüllen. Diese werden im Verlauf der Geschichte gesammelt und schließlich am Jüngsten Tag mit der himmlischen ciuitas dei vereint. So wird der Urzustand der vollumfänglichen Verehrung Gottes wiederhergestellt, während die Glieder der abgefallenen ciuitas terrena – sowohl die Dämonen als auch die nicht erwählten Menschen – ewige Pein leiden. Streng genommen liegt das Ziel der Geschichte zwar nach ihrem Ende und damit außerhalb ihrer selbst. Dennoch wird man dem innergeschichtlichen, durch Gott gelenkten Sammlungsprozess, der seinen Höhepunkt mit der Sendung Christi erreicht, eine Sinnhaftigkeit nicht absprechen können. 37. Aber auch abgesehen von diesem teleologischen Sinn der Geschichte hat Augustin bestimmte Prozesse innerhalb der Geschichte als sinnhaft ansehen können. So ist die ciuitas dei in einem fortwährenden Prozess des Erkenntnisgewinns begriffen, da Gott sie durch seine Offenbarungen immer weiter in die Geheimnisse seines Heilsplans einweiht. Auch im Hinblick auf die ciuitas terrena lässt sich ein gewisses Fortschrittsdenken bei Augustin erkennen, etwa wenn er die kulturellen und politischen Leistungen, aber auch den Fortschritt der Wissenschaft und der Philosophie würdigen kann. Allerdings stehen diesen Einsichten auch Aussagen entgegen, wenn er etwa von der Vergänglichkeit der Welt spricht, ihrem Hang zu Krankheit, Verfall und Tod. Es bleibt für ihn klar, dass die Welt für die auf ihr pilgernden Glieder der ciuitas dei nur ein Übergangsstadium ist. Deren vornehmliches Streben ist auf Gott und die himmlische ciuitas ausgerichtet. 38. Die Diskussion um antike Geschichtskonzeptionen war lange Zeit von der Unterscheidung zwischen einem zyklischen und einem linearen Geschichtsdenken geprägt.27 Die Forschung über das alttestamentliche Geschichtsdenken, 27 

Das Werk „Weltgeschichte und Heilsgeschehen“ von Karl Löwith ist ein Beispiel dafür, wie diese Heuristik auch auf das Denken Augustins angewendet wurde. Dieser wird hier als

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die in jüngerer Zeit etwa durch Bernd Janowski vorangebracht wurde, hat gezeigt, dass dem Alten Testament keineswegs ein rein lineares Geschichtsverständnis zugrunde liegt, sondern dass durchaus zyklische und periodische Elemente darin enthalten sind. Führt man sich auf der anderen Seite vor Augen, dass die Geschichtsschreibung im engeren Sinne ihre Wurzeln im antiken Griechenland hat, muss auch in Zweifel gezogen werden, dass pagan-antike Denker Geschichte nicht linear, sondern ausschließlich zyklisch dachten. Entsprechendes gilt nun auch für Augustin, in dessen Geschichtsdenken sich sowohl lineare als auch periodische Elemente ausmachen lassen. Die Tatsache, dass er aufgrund des biblischen Zeugnisses von einem Ursprung, einem Verlauf und einem Ende der Geschichte ausgeht, zeigt einerseits sein grundsätzlich lineares bzw. teleologisches Verständnis von Geschichte. Auch wendet sich Augustin expressis verbis in ciu. XII 16 gegen die Vorstellung einer ‚ewigen Wiederkehr‘. Andererseits ist in seiner Periodisierung der Weltgeschichte in sechs Weltzeitalter, die von einer ähnlichen heilsgeschichtlichen Dynamik (Neubeginn Gottes mit der ciuitas dei – Abfall von Gott – Strafe Gottes) geprägt sind, ein Bestreben der Rhythmisierung von Zeit und Geschichte zu erkennen. Der Unterschied zu tatsächlich zyklischen Modellen besteht freilich darin, dass diese Wiederholung sich auf sechs Weltzeitalter erstreckt, nach der endgültigen Scheidung beider ciuitates im Endgericht und dem Empfang ihres jeweiligen Schicksals es aber keine Geschichte mehr gibt und folglich auch keine heilsgeschichtliche Dynamik. Das siebte Zeitalter ist der ewige himmlische Sabbat. 39. Zur Frage des Verhältnisses zwischen ecclesia und ciuitas dei muss vor dem Hintergrund von ciu. XV-XVIII eine Identität beider Größen ausgeschlossen werden, auch wenn sie sich aufeinander beziehen. Die ciuitas dei peregrinans als der noch nicht zu seinem Ziel gelangte Teil der zu seiner überwiegenden Mehrheit im Himmel existierenden und insofern geistlichen ciuitas dei befindet sich in einem geschichtlichen Sammlungsprozess der von Gott Erwählten. Es hat seinen guten Grund, dass Augustin von der ecclesia ab Abel und nicht etwa von der ecclesia ab initio spricht. Der geschichtliche Sinn der ecclesia besteht ja in der Sammlung der electi zur Auffüllung der durch den Engelfall entstandenen Lücke in der himmlischen ciuitas dei. Wenn Augustin die Kirche als corpus permixtum versteht und auch deren Missstände aufweist, zeigt sich bei ihm sehr wohl ein Bewusstsein von einer ‚empirischen‘ Kirche, die aus electi und reprobi besteht. Dieser Gedanke spielt, gerade auch vor dem Hintergrund seiner antidonatistischen und antipelagianischen Argumentationen, für Augustin eine weitaus zentralere Rolle als etwa der Charakter der Kirche als Kult- bzw. Eucharistiegeein dem biblischen Denken verpflichteter, jüdisch-christlicher Verfechter einer linearen Geschichtskonzeption verstanden. Durch ihre eschatologische Ausrichtung wird Augustins Geschichtsdarstellung als zielgerichtet und damit im Kontrast zu den zyklischen bzw. periodischen Geschichtskonzeptionen der paganen Antike stehend verstanden (vgl. dazu Einleitung, Abschnitt 2.2; zur Kritik an Löwith s. Abschnitt 3.1.3).

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meinschaft.28 Obwohl sein Kirchenbegriff durchaus nicht konsistent ist, weiß Augustin um die Vorläufigkeit und Unvollkommenheit der gegenwärtigen Kirche. Auffallend ist, dass nur eine überschaubare Anzahl der biblischen Gestalten von Augustin eindeutig als Glieder der ciuitas dei identifiziert wird. Eine definitive Entscheidung über die Zugehörigkeit der gegenwärtig innerhalb der Kirche lebenden Personen maßt sich Augustin nicht an; sie steht allein Gott bzw. Christus als dem Richter zu. Führt man sich vor Augen, dass Augustin den Konflikt beider ciuitates auch in das Innere des glaubenden, aber noch nicht erlösten Menschen verlegen kann,29 wird noch anschaulicher, warum sich kein Glied der gegenwärtigen Kirche bis zum Tag des Gerichts seiner electio und damit seines Heils sicher sein kann. Man muss also auch angesichts des eschatologischen Vorbehalts von einer Differenz der ciuitas dei peregrinans und der himmlischen ciuitas dei ausgehen und kann diese nicht ohne Weiteres im Begriff der ecclesia einebnen. 40. Das Alte Testament bildet die maßgebliche Basis der Geschichtsdarstellung Augustins in ciu. XV-XVIII. Nicht nur stellt es in materialer Hinsicht die wesentliche Quelle dar, die er seinen Ausführungen zugrunde legt. Bis hinein in die Grundstrukturen ist Augustins Geschichtsdenken vom Alten Testament geprägt. Das gilt auch für das seine Darstellung durchziehende Konzept der beiden ciuitates. Hinlänglich wird dieses Konzept mit alttestamentlichen Zitaten erläutert und von Augustin als Modell für ein übergreifendes Verständnis der biblischen Geschichte plausibel gemacht. Es entsteht keineswegs der Eindruck, als entstammten Grundzüge des augustinischen Geschichtsdenkens einem der Bibel fremden Kontext (etwa dem ‚manichäischen Mythos‘) und seien dann von Augustin sekundär durch biblische Belege legitimiert worden. Die heilsgeschichtliche Dynamik der Weltzeitalter erinnert auffallend an das alttestamentliche Richterschema, die einzelnen Ereignisse, die jeweils Beginn, Verlauf und Ende der Weltzeitalter markieren,30 sind allesamt (bis auf diejenigen des sechsten Weltzeitalters) dem Alten Testament entnommen. Abschließende Würdigung Augustin war daran gelegen, die im Alten Testament bezeugte Geschichte als unverzichtbaren Bestandteil christlichen Glaubensgutes zu erweisen. Seine umfassende Bibelkenntnis und seine ausgereiften exegetischen und philologischen Fähigkeiten sind ihm dabei von großem Nutzen. Vehement verteidigt er die Plausibilität des in der Bibel Berichteten, und seine Ausführungen über den geistlichen Sinn alttestamentlicher Texte zeigen ein hohes Maß an Kreativität 28  Gegen Ratzinger, Volk, S.  414–418 u.ö. (s. dazu Einleitung, Abschnitt 2.4); s. dazu auch Drecoll, Haus, S.  312. 29 Vgl. ciu. XV 5, S.  458, Z.  37–48 (s. dazu Abschnitt 1.2.3). 30  Vgl. Abschnitte 2.2.7 u. 3.4.4; s. dazu das Schaubild im Anhang unter 2.

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und theologischer Durchdringung. Mit seinem Drängen auf die Ergründung des ‚historischen Sinnes‘ (teilweise unter Bezugnahme auf nicht biblische Quellen) sowie seinen vielfältigen philologischen und schrifthermeneutischen Überlegungen zeigt er sich als ein hochgebildeter und nicht nur in den theologischen Diskussionen seiner Zeit beheimateter Exeget, bei dem sich früheste Ansätze eines historisch-kritischen Umgangs mit der Bibel erkennen lassen. Nicht zuletzt seine immer wieder deutlich werdende Toleranz gegenüber alternativen Auslegungen, die er, sofern sie der regula fidei entsprechen, als ebenfalls legitim ansieht, seien hier ebenso hervorgehoben wie sein Eingeständnis der Unzulänglichkeit der eigenen exegetischen Bemühungen. Allerdings fällt es modernen Leserinnen und Lesern oftmals schwer, seinen Auslegungen zustimmend zu folgen, was vor allem daran liegt, dass Augustins Prämissen von der Inspiriertheit und der Einhelligkeit der Schrift, aber auch sein christlich-vereinnahmender Umgang mit dem Alten Testament von historisch-kritisch denkenden Menschen nicht geteilt werden können. Ähnliches gilt für seine häufig recht assoziative, eklektische und durch weitreichende ‚figürliche‘ Deutungen geprägte Exegese der Bibel, die für Augustin und seine Hörer- und Leserschaft sicherlich einen deutlich höheren Grad an Plausibilität gehabt haben muss, als dies heute der Fall ist. Judenfeindliche Aspekte treten in Augustins Auslegung des Alten Testaments immer wieder hervor. Er nimmt damit Tendenzen auf, die bereits im Neuen Testament zu finden sind, und führt diese konsequent weiter. Nicht nur aus historisch-kritischer Perspektive, sondern auch in Verantwortung für das jüdisch-christliche Verhältnis müssen die Ausführungen Augustins mit der nötigen Distanz gelesen werden: als Zeugnisse eines antiken christlichen Autors, eines gelehrten Exegeten, Predigers und Seelsorgers seiner Zeit.

Anhang 1  Schaubild zur Verteilung der sechs Weltzeitalter (WZA) auf ciu. XV-XVIII und zum jeweiligen biblischen Bezug Inhalt

Biblische Grundlage

Textbereich in ciu.

1. WZA

Von Kain und Abel bis zur Sintflut

Gen 4–7

ciu. XV 1–25 (25 Kapitel)

2. WZA

Von Noah bis zum Turmbau zu Babel

Gen 8–11

ciu. XV 26 – XVI 11 (13 Kapitel)

3. WZA

Von Abraham bis zum Gen 12–50; Ex; Regierungsantritt (Lev; Num; Dtn); Davids Jos; Ri

ciu. XVI 12–43 und XVIII 1–20 (52 Kapitel)

4. WZA

Vom Beginn der Regentschaft Davids bis zum Babylonischen Exil

1/2Sam; 1/2Kön; 1/2Chr; Pss; Spr; Koh; Hld; Weish; Sir; Am; Hos; Jes; Mi; Jon; Obd; Nah; Hab; Jer; Zeph; Dan; Ez; Hag; Mal

ciu. XVII 1–23 und XVIII 20–25.27– 35.37–41 (43 Kapitel)

5. WZA

Vom Ende des Babylonischen Exils bis zum Erscheinen Christi

1–3Esra; Hag; 1/2Makk

ciu. XVII 23–24 und XVIII 26.36.42–45 (8 Kapitel)

6. WZA

Vom Erscheinen Christi und dem Pfingstereignis bis zur Gegenwart Augustins

Mt; Mk; Lk; Joh; Apg

ciu. XVIII 46–54 (9 Kapitel)

520

Anhang

2  Schaubild zur inneren heilsgeschichtlichen Dynamik der sechs Weltzeitalter nach ciu. XV-XVIII Neubeginn Gottes mit der ciuitas dei

Abfall von Gott bis zur Krise

Strafendes göttliches Eingreifen

1. WZA

Abel als erstes Glied der auf der Erde pilgernden ciuitas dei – ecclesia ab Abel

Verkehr der „Gottessöhne“ mit den „Menschentöchtern“

Sintflut

2. WZA

Noah

Turmbau zu Babel

Sprachverwirrung und Zerstreuung der Völker

3. WZA

Abraham

Abfall des Volkes Israel in der Zeit des Exodus

‚Unvollständige Landnahme‘

4. WZA

König David (und Prophet Samuel)

Reichsteilung, Abfall von Gott trotz der Propheten

Einnahme Israels und Judas, Tempelzerstörung, Babylonisches Exil

5. WZA

Rückkehr nach Jerusalem, Neubau des Tempels

Erneut Abfall des Volkes Israel von Gott, sowohl kultisch als auch ethisch

Ende der Prophetie, militärische Besetzung Israels durch Fremdvölker (zuletzt die Römer)

6. WZA

Inkarnation Christi

Eschatologische Wirren; Christenverfolgungen, haeretici und mali innerhalb der Kirche, die Welt im „Greisenalter“

Endgericht

(7. WZA)

Eschatologische Ruhe bei Gott

Literaturverzeichnis 1 Quellen 1.1 Bibelausgaben und Apostolische Väter ApV  Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe, übers. u. hg. v. Andreas Lindemann u. Henning Paulsen, Tübingen: Mohr Siebeck 1992. BHS  Biblia Hebraica Stuttgartensia, hg. v. Karl Elliger u. Wilhelm Rudolph, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 21984. BSVC(S)  Biblia sacra iuxta Vulgatam versionem, hg. v. Roger Gryson, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 52007. LXX(S)  Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, 2 Bde., hg. v. Alfred Rahlfs, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1979 (1935). NTG  Nestle-Aland. Novum Testamentum Graece, hg. v. Barbara u. Kurt Aland u. a., Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 282012. VL  Vetus Latina. Die Reste der altlateinischen Bibel, Freiburg i. Br.: Herder 1949 ff.. VLD-O  Vetus Latina Database – Online, verantwortet von Tim Denecker, Brepols, URL: http://apps.brepolis.net/vld/default.aspx (abgerufen am 16.06.2020). VLSabatier  Bibliorum sacrorum Latinae versiones antiquae, hg. v. Petrus Sabatier, 3 Bde., Paris: Didot 1751. VTG.ASG  Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientarum Gottingensis editum, Vol. I–XVI,2, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1931 ff..

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retr. s.



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Plinius Secundus (der Ältere) Nat.

C. Plinii Secundi naturalis historiae libri XXXVII. Liber VII. / C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, Lateinisch-deutsch, Buch VII: Anthropologie, hg. u. übers. v. Roderich König u. Gerhard Winkler, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975.

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Marc.

Pat. Virg.

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Tyconius Reg.

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Vergil Aen.

1.3.2

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Kommentierte Übersetzungen

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Jub Meg

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Register 1 Bibelstellenregister 1.1  Altes Testament Genesis 1,26 f. 172 f., 369 2,17 252 4,1–16 79–116 4,1 117, 124 f., 133–135 4,3 f. 125 4,6 110 f., 114 4,7 81 f., 110–114 4,9 82 4,10 82 4,11 f. 82 f. 4,12 83 4,13 f. 83 f. 4,15 84–86 4,16 83 f. 4,17–26 176 4,17–24 118, 126–128, 138–140 4,17 98 f., 116, 242 4,25 f. 138 4,25 126 f., 133, 135–137 4,26 131–133 5 117–123, 130, 138, 176, 183 5,1 f. 138 5,2 131 5,3 135 5,6–32 126, 139 f. 5,32 142 f., 149 6,1–4 26, 140–144, 188 6,5–9,17 148–156 6,5–7 143–147 6,5 181, 188 6,7 188 6,9 212

6,10 149 6,12 181, 188 6,13 188 6,14 149 6,15 f. 153 6,19 f. 150 f. 7,2 f. 150 7,6 149 7,11 143 9,18 f. 157 9,20–27 161–167 9,21 162 f. 9,25–27 166 9,25 163, 166 9,26 f. 182 10 157–161, 166, 216 10,5b 167 10,8 158 10,9 168–170 10,11 f. 159 10,11 158 10,13 160 10,20 167 10,21 159 f. 10,22–24 310 10,22 158 10,25 177 f., 186 10,31 167 11,1–9 167–176 11,1 180 f., 216 11,5 172 f. 11,7 172 f. 11,9 171 11,10–26 138, 176–184 11,10 179 11,12 f. 180

562 11,14 184 11,17 510 11,26 215, 217, 267 11,27–29 271 11,27 212 11,31 212–214, 217–219 11,32 215, 232, 267 12,1–5 215, 217 12,1–4 265 12,1–3 208, 215, 221, 223, 333–336, 461 12,1 f. 337 12,1 213 12,2 f. 193 12,3 43, 209, 224, 313 f., 337, 436 12,4 217 12,7 221, 223 f. 12,10–20 207, 214, 226–228 13,1–13 228 f. 13,14–17 221, 224 13,15 224 f. 14,18–20 409 15 221, 225, 230–240 15,4 248 15,5 193 15,6 192–194, 208 f., 223, 226, 231 15,7 208, 213, 218 15,8 230 f. 15,10 f. 237 15,13–16 221, 231 15,13 231 f. 15,16 232 f., 303 f. 15,17 239 15,18–21 231 15,18 334 f. 16,2 f. 247 16,2 245 16,4 f. 249 17 249–254 17,4 f. 252 f. 17,5 208, 253 17,10–13 250 17,12 252 17,14 252 17,15 f. 252 f. 17,16–21 269

Register

17,16 248, 253 f., 260, 268 17,17 250 f., 258 f. 17,21 241 17,23 250 18,1–15 254–258 18,3 255 f. 18,4 f. 257 18,9–15 251 18,12 251, 258 f. 18,18 258 18,20–33 256 19,1 256 19,6–8 257 19,17 257 f. 19,18 f. 256 20 207, 214, 226–228, 271 20,7 204, 330, 452 20,12 f. 214, 228 21,6 258 21,12 261, 270, 278 f. 22 194, 202, 206, 259–267, 510 22,1 f. 264–266 22,10 243 22,13 263 22,15–18 266–268 22,18 43 22,20–24 270 f. 23,1 267 23,3–17 267 24,2–9 270 f. 24,27 270 25,1 f. 268–270 25,5 269 25,19–26 273–276 25,21–23 275 25,23 89–91, 223, 272–275, 293 25,27 276 25,29–34 276 26,1–14 271 f. 26,3–5 271 f. 26,5 277 26,23 f. 272 26,24 277 27,1–40 276–278 27,27–29 276 f. 27,33 278

1 Bibelstellenregister

28,1 f. 278 28,3 f. 278 f. 28,10–22 279–281 28,22 280–283 29,1–30 281 29,31–30,24 282 f. 29,35 f. 288 30,23 f. 324 31,45 280 32,23–33 283–286 32,27–29 284 f. 32,28–31 397 32,29 487 33,1–17 275 35,24 324 36 275 37–50 324 38,13–17 288 41,45 f. 287 45,13 286 46,17 184 46,8–27 286 f. 47,9 287 48,1–20 294 f. 48,13–49,28 288 49,8–12 288–292, 324 49,9 289 f. 49,10 292, 474 49,11 f. 290–292 50,1–14 233 50,22 287 f. Exodus 1,8–10 325 3,7–10 334 6,5–8 334 12,40 219 17,3–7 300 17,6 347 24,12 325 25,40 280 26,7–9 118 f. 31,18 325 32,19 326 33,12–23 70 33,20–23 165 f. 34,33–35 379

Leviticus 16 300–302 Numeri 13,8 308 13,16 303, 308 20,1–13 300, 308 20,11 347 20,12 307 f. 21,6–9 300 Deuteronomium 1,15 453 9,10 325 34,10 330 Josua 11,20 303 f. 24,2 212 Richter 1,1–2,5 334 3,30 396 4,4 328 4,11 184 5 328 11,30–40 87 1. Samuelbuch 1,3 350 1,5 f. 249 1,9 350 2,1–10 351–365, 417, 439 2,12–17 350 2,22–25 350 2,27–36 350 f., 365–372 2,30 372 2,35 372 f. 3,11–14 350 7,7–12 379 f. 7,15–17 350 f. 8 350 f. 10,17–27 350 f. 13,13 f. 373 15,11 146 15,23.26 375 15,24 414 15,27–29 421, 460

563

564

Register

15,28 f. 375 15,28 146 f., 376 f. 15,29 377 f., 421 16,14–23 398 21,1–7 374 24 373 f.

2. Chronikbuch 9,29 462 36,22 f. 332, 462

2. Samuelbuch 5,14 374 7,1–17 342 7,8–29 130 f. 7,8–16 381–384 7,10 f. 396 f. 7,14 f. 385–387 7,19.29 395 7,27 395 f. 12,1–14 339 12,13 414 15,24 366

Nehemia 9,7 213 12,27 128

1. Königebuch 1,11–40 382 5,1 334 f. 11,1–13 415 11,11 f. 423 11,26–43 378 11,26 422 11,28 422 f. 11,29–39 422 f. 12,1–20 422 f. 12,21–24 422–424 12,26–33 423 12,28–30 424 f. 12,29 336 12,31 423 f. 12,33–13,34 423 f. 19,10.18 425 2. Königebuch 17 426 25 426 1. Chronikbuch 4,18 184 8,17 184 14,4 374 29,29 462

Esra 1,1–11

Judith 5,5–9 5,8 f.

332, 462

213 f. 215

1. Makkabäerbuch 3,16–26 473 4,36–60 473 Psalmen (LXX) 3,6 410 6,3 356 11,7 371 13,2–4 161 13,3 181 15,9 f. 412 f. 15,10 359 f. 16,8 369 17,44 405 f. 17,46 285 21,17–19 409 21,28–30 410 22,5 290 f. 24,3 420 30 394 31,1 414 33,3 96 39,3 447 f. 39,7 419 40,6–11 410–412 40,13 90 44 400–408 45 22 47 22 48,20 92 f. 58,11 f. 481–483 58,12 89 f. 64 399

1 Bibelstellenregister

67,21 413 68,22–24 413 f., 483 f. 71 384 71,8 384 73,12 363 81,6 141 83,11 371, 496 86 22 86,3 98 86,5 407 88 381, 384–397 89,4 495 f. 93,19 491 f. 101,28 361 103,4 141 104,15 386 109,1 376 f., 408 109,2 408 f. 109,4 229, 409 141,6 341 143,4 391 Hiob 1,1 487 1,8 487 f. Sprüche 1,11–13 416 9,1–5 417 f. 9,1 357 f. 10,4a 166 Kohelet 1,9 f. 31, 318 7,3.5 418 8,15 418 10,16 419 f. Hohelied 1,3 164 Weisheit 2,12–21 415 f. 8,1 246 11,20 161 14,6 f. 152

Jesus Sirach 36,1–5 416 44,17 f. 151 44,19 190 Jesaja 2,3 488 f. 5,6 364 5,7 162 7,14 477 f. 10,22 f. 371 10,22 370 11,2 358 26,19 110 28,16 129 44,28 332, 462 45 332 45,1–6 462 45,1–5 439 52,13–53,12 438 f. Jeremia 9,22 f. 362 16,19 443 f. 17,9 444 23,5 443 31,31–33 (38,31–33 LXX) 340 31,31 444 34,18 f. 230 Klagelieder 4,20 443 Baruch 3,38 443 Ezechiel 34,23 f. 446 37,22–24 446 Daniel 6,1 462 6,29 462 7,3–7 496 7,7–27 493 f. 7,13 f. 445 f. 9,1–3 461

565

566

Register

9,1 462 9,24–27 445 Hosea 1,10 437 1,11 437 3,4 f. 437 f. 4,12 f. 438 6,2 438 Joel 2,28 f.

439

Amos 9,11 f.

438

Obadja 1,1 440 1,5–21 440–443 Jona 3,4

470 f.

Micha 4,1–3 439 4,2 488 f. 5,2 439, 477 Nahum 1,13–2,1

440 f.

Habakuk 3,2–19 441 3,11 375 Zephanja 3,8 444 3,9–11 444 3,11–13 444 f. Haggai 2,4–15 43 2,6 f. 446 f. 2,7–9 471–473 2,7 463–465 2,9 462–465

Sacharja 3,1 361 9,9 f. 447 9,11 447 f. 12,9 f. 485 Maleachi 1,2 f. 89, 272 f. 1,10 f. 448 2,5–7 448 3,1 f. 141, 448 f. 3,13–15 449 3,16 449 3,17–4,3 449 3,23 f. 484 f. 4,5 f. 438

1.2  Neues Testament Matthäusevangelium 1,1–17 117, 187, 193, 308 f., 374 1,1 351 1,11 f. 332 1,17 209, 309, 331 f., 458 1,21 413 1,23 478 2,1–12 446 2,1 474 3,2 478 3,9 193 3,12 377, 465 4,17 478 5,3 359, 417 5,4 442 5,35 403 7,16 166 7,20 166 8,11 193, 200 10,22 364 10,28 489 f. 11,10 141 11,13 459 12,28 303 12,40 439 13,24–30.36–43 377 13,32 238 16,18 50

1 Bibelstellenregister

17,1–8 441 19,27 f. 360 20,1–16 87 f. 21,5 447 21,38 416 22,14 465 22,43 399 23,35 86 f. 24,37–39 152 26,21–25 479 26,28 489 26,39 162 26,69–75 339 27,34–48 413 27,51 83 Markusevangelium 1,2 141 14,18–21 479 16,19 402 16,20 490 Lukasevangelium 1,27 351 1,32 f. 351 1,34 231 1,69 351 2,4 351 2,13–15 446 2,21–24 237 2,29–32 355 3,17 377, 465 3,23–38 187 3,31 374 3,36–38 130 11,20 302 f. 15,11–32 91 17,26 f. 152, 156 20,35 131 22,21–23 479 24,44–47 43 24,46 f. 488 f. 24,49 479 24,51 479 Johannesevangelium 2,19 290 2,21 290

3,14 f. 300 6,32 356 6,51 371 6,71 412 8,37–41 193 13,21–30 479 13,21 412 14,6 466 19,30 289 f. Apostelgeschichte 1,3 479 1,6 f. 497 1,7 f. 488 1,7 26, 60 1,8 f. 479 1,8 489 2,1–4 479 2,17 f. 439 2,29 419 2,31 360 2,33–35 402 3,21 484 7,2 f. 208, 217 7,4 217, 267 f. 7,14 286 7,22 451 13,21–23 438 13,22 f. 351 Römerbrief 1,3 351, 438 1,23–25 499 3,25 301 4 192, 208 f., 313 f. 4,11 f. 193 4,15 252 5,5 420 5,12–21 197 f., 260 5,12–19 91–93 5,12 175 5,18 f. 175 6,12 95 7,12 114 8,28 479 8,29 492 8,32 263 9–11 438

567

568 9,1–13 89 9,6–13 91, 204, 223, 293 f., 488 9,6–11 244 9,8 269, 294 9,10–13 272 f. 9,12 272 9,13 273 9,21–24 484 9,21–23 244 9,21 101–103, 139 9,24–26 437 9,27 445 9,28 371 10,3 355 10,4 327 11,3 f. 425 11,5 370 11,6 425 11,11 482 11,17–24 454 11,25–27 485 f. 11,32 29, 484 12,4–6 153 13,1–7 24 1. Korintherbrief 1,18–31 451 1,18–25 393 1,22–24 358 1,26–31 478 1,31 96 2,4 f.7–13 358 3,2 291 f. 3,5–17 184 3,9–17 342 3,11–15 50 3,11 129 3,12–14 239 3,15 239 10,1–11 203 f. 10,1 f. 300 10,4 300, 347 10,6 202 f. 10,11 202–204, 346 10,17 372 11,19 166 12,12–27 153

Register

13,13 499 f. 15,10 96 15,21 f.42–49 197 f., 260 15,21 f.47 100 15,28 395, 484 15,46 98, 274, 326 15,47 326 2. Korintherbrief 3,6 14 3,12–18 379 5,10 363 6,16 342 8,9 359 Galaterbrief 1,13.23 490 2,21 94 3,5 209 3,6–18 43, 192, 209, 313 f. 3,6–14 208 3,6 193 3,10 82 3,16 f. 232 3,16 193, 249, 337 3,17 219 4,21–31 91, 102 f., 204, 240–245, 259, 268 f., 337 f., 347, 358, 378 4,23 236 4,24 195 4,25 259, 268 f. 4,26 36, 243, 397 4,28 240 f. 4,29 236 5,1–6 327 5,1 102 f., 242 5,6 194 5,17 108 Epheserbrief 1,4 465 1,22 f. 153 2,19–22 129 f., 342, 417, 437 2,20 402 4,9 f. 363 4,12–16 153 5,23 f. 153

569

1 Bibelstellenregister

Philipperbrief 3,7 f. 360 3,20 36 Kolosserbrief 1,18 153 2,16 f. 327 2,19 153 3,1–3 359 3,1 402 1. Timotheusbrief 1,5 362 2,5 153, 391 2. Timotheusbrief 2,8 351 2,19 492 3,12 491 Hebräerbrief 1,8–10 402 1,8 401 1,13 402 7 229 8,1–5 279 f. 8,1 402 8,8–10 340 9,5 301 10,12–18 418 10,12 402 11,7 152 11,8–10 36 11,10 22 11,11 254, 259 11,13 36 11,16 22 11,17–19 261 f. 12,22 22, 36 13,2 256 f. 13,14 22, 36, 99 f.

Jakobusbrief 2,20–24 191, 194 2,20 194 4,6 359 1. Petrusbrief 1,1 36 1,17 36 2,4–10 342 2,4 f. 465 2,6 129 2,9 371 2,11 36 3,19–21 152 5,8 361 2. Petrusbrief 3,8

495 f.

1. Johannesbrief 1,8 94, 96 2,16 135 3,10.12 134 4,7 362 Judasbrief 14 f.

452

Offenbarung des Johannes 1,4 357 1,12 f. 357 1,20 357 2 f. 357 3,12 22, 36 5,5 289, 351 13,1–8 493 f. 20,1–10 495 f. 20,4–6 29 20,4 23, 58 21,2 22, 36 22,16 351

2 Quellenregister 2.1  Antikes Judentum

2.3 Augustin

3. Esra 3 f.

Contra aduersarium legis et prophetarum 1,40–42 145–147 2,17 86 f.

466

4. Esra 7,28–38 495 Jubiläenbuch 15,1 190 16,21 190 19,8 f. 190 21,5 190 Midrash Genesis Rabbah 31,10 149 44,13 219 Syrische Baruch–Apokalypse 57,2 190 Talmud Megilla 14A 214

2.2  Frühes Christentum Barnabasbrief 13,1–3 272 Epistula Apostolorum 19 410 Protevangelium des Jakobus 10,1 385

Aduersus Iudaeos 1 454 De baptismo 1,25 86, 102, 130, 269 1,62 102 2,9 43 5,24 237 5,39 155 De bono coniugali 3 f. 248 31 261 Breuiculus conlationis cum Donatistis III 19 45 De catechizandis rudibus 6 71 32 143, 153, 156 Ad catholicos fratres 36 193 De ciuitate dei I 8–10 I 14 I 15 I 21 I 26 I 34 II 20 III 3

4 439 2 19, 259, 509 259 104 f. 130 429

2 Quellenregister

III 5 III 18 III 28 IV 4 IV 5 IV 6 IV 15 IV 23 IV 33 IV 34 V 12 V 14 V 16 V 17 V 18 V 19 V 21 V 25 V 26 VII 30 VII 32 VIII 4 VIII 11 IX 5 IX 15 X 3 X 4 X 5 X 8 X 13 X 14 X 25 X 32 XI 1 XI 3 XI 4–6 XI 4 XI 6 XI 13 XII 10 XII 11 XII 12–15 XII 14 XII 16 XII 17–21 XII 18 XII 20 XII 21

428 f. 428 428 24 105 40, 60 19, 307 48 24 33, 411 f., 481 27, 33 23 28 105 33, 130 25 27, 33, 321 f. 490 490 f. 314, 322, 498 20 455 450 145 46 49 80 72 299 f. 299 25, 314 53, 403 403, 457 1, 10, 22, 210, 499 f. 70, 454 31 30 31 314 31 67, 453 31 31, 318 516 31 145, 314 318 32

XII 22 XII 24 XIII 10 XIII 11 XIII 14 XIII 21 XIV 11 XIV 13 XIV 14 XIV 15 XIV 26 XIV 27 XIV 28 XV 1–3 XV 1 XV 2 f. XV 2 XV 3 XV 4 f. XV 4 XV 5 XV 7 XV 8–15 XV 8 XV 9–14 XV 9 XV 10 XV 11 XV 12 XV 13 XV 14 XV 15 XV 16 XV 17 XV 18 XV 19 XV 20 XV 21 XV 22 XV 23

571 19 f. 137 18 f. 499 26, 414 22, 300, 346 f. 145, 307, 347, 479 112 f., 354 113 260, 391 110, 314 69, 479 47 f. 114 17, 97–102, 134, 242, 250, 274, 499 240 f., 244 102 f., 236, 241–246, 268, 337 245 f. 321 98, 106–108 28, 98, 103–110, 114 f., 517 86, 97, 107 f., 110–115, 229 f. 180 2, 116 f., 119, 126, 136, 139 f., 168 233 119 f., 142 119, 128 119 f., 468 116, 118, 121 120–123, 468 119, 122, 470 117 f., 126, 133, 137, 328 95 97–99, 124, 127, 131 f., 187, 341 125, 127, 132 f. 49, 128 f. 118 f., 138 f., 144, 233 138 f., 176 f. 140, 143 f. 141 f., 144, 168, 256, 468

572 XV 24 XV 25 XV 26 XV 27 XVI 1 XVI 2 XVI 3 XVI 4 XVI 5 XVI 6 XVI 7 XVI 8 XVI 9 XVI 10 XVI 11 XVI 12 XVI 13 XVI 14 XVI 15 f. XVI 15 XVI 16 XVI 17 XVI 18 XVI 19 XVI 20 XVI 21 XVI 22 XVI 23 XVI 24 XVI 25 XVI 26 XVI 27 XVI 28 XVI 29 XVI 30 XVI 31 XVI 32

Register

92, 142 f., 145 145–147, 156, 378, 510 22, 153 f., 229 148–151, 155, 174, 345, 349, 502 155, 162 f., 182 f., 298 53, 65 f., 161–166, 281, 323 158–160, 167, 170, 184 f., 499 167–171, 184, 341, 480 169, 172, 177, 510 170, 172 f., 186 156 f., 171, 173 f. 171 f., 174 f. 175 f., 225 161, 166 f., 177–183, 186 160, 184–187, 310, 480, 507 f. 181, 209, 212–215, 309, 350 213 f. 215 333 215–218, 267 203, 205, 219, 221–223, 227, 333, 511 157–159, 179, 219–221, 323 223 f. 226–229 228 f. 224 f., 511 193, 229, 409 209, 225 213, 215, 218, 231–239, 304 247 f., 268, 282 f. 21, 203 f., 240, 245, 248–251, 258, 264, 268 252 208, 240, 249, 253 f., 358 255–258 228, 257 f. 251, 258 f., 268 259–267, 510

XVI 33 XVI 34 XVI 35 XVI 36 XVI 37 XVI 38 XVI 39 XVI 40 XVI 41 f. XVI 41 XVI 42 XVI 43 XVII 1 XVII 2 XVII 3 XVII 4 XVII 5 XVII 6 XVII 7 XVII 8 XVII 9 XVII 10 XVII 11 XVII 12 XVII 13 XVII 14 XVII 15 XVII 16 XVII 17 XVII 18 XVII 19 XVII 20 XVII 21 XVII 22 XVII 23 XVII 24 XVIII 1 XVIII 2 XVIII 4 XVIII 6 XVIII 7 XVIII 8

270 f. 268–270, 282 186, 273–275, 487 271, 277 276–278, 281 153, 247, 278–283, 286 283–286, 293, 324, 397 286–288, 324 479 229 f., 288–292, 324, 474 275, 288, 292–295 33, 295–317, 324, 327 f., 451, 509 330–333, 353 310, 333–336, 461, 511 53, 113, 148, 205, 222, 337–340, 342–346, 348, 367, 381, 388, 464 350–365, 417, 499 229, 365–372, 376 351, 373 f. 333, 372, 375–380, 421, 460, 489 380–384, 464 384–388 388 f. 26, 389–392 130 f., 392–396 383, 396 f. 398 f. 399 f., 408 33, 400–408, 486 408–410, 488 f. 410–413, 481 413 f., 483 414–420 421–424 424 f. 320, 425–427, 458 320, 421, 427, 458–461 210 f., 319 f., 458, 499 28, 106, 220 f., 306, 321 f., 445 324 324, 388 324 f. 67, 325

2 Quellenregister

XVIII 11 XVIII 13 XVIII 15 XVIII 18 XVIII 20 XVIII 21 XVIII 22 XVIII 23 XVIII 24 XVIII 25 XVIII 26 XVIII 27 XVIII 28 XVIII 29 XVIII 30 XVIII 31 XVIII 32 XVIII 33 XVIII 34 XVIII 35 XVIII 36 XVIII 37 XVIII 38 XVIII 39 f. XVIII 39 XVIII 40 XVIII 41–44 XVIII 41 XVIII 42 XVIII 43 XVIII 44 XVIII 45 ff. XVIII 45 XVIII 46 XVIII 47 XVIII 48 XVIII 49 XVIII 50–53 XVIII 50 XVIII 51 XVIII 52–54 XVIII 52 XVIII 53

325–327 328 328 18, 323 320, 328 f., 331 428–430 311, 430–432, 436, 445, 477, 496 65, 320, 432 f., 486 432, 434, 451 332, 435 437, 458 f., 461 f. 311, 435 f. 437 f. 438 f. 367, 439, 477, 488 440 f. 374 f., 441–443 443–445 445 f. 446–449, 463, 481, 484 332, 458, 465–467 104, 298, 320, 450–452 65, 452, 456 f., 462 104, 320 21, 53, 452–454 453 f. 21, 320 5, 67, 455–457 467–469, 473 122, 468–470 65 f., 70, 367, 470 f. 33 129, 131, 462, 464, 471–474 84, 411 f., 433 f., 477 f., 480–483 62, 406, 462, 483, 486–488 49, 131, 462–465 25, 171, 224, 478–480, 489, 491 60, 315 488–490 115 f., 491 f. 445 66, 494 f. 495–498

573

XVIII 54 4, 384, 498–500, 509 XIX 4 340 XIX 5 19, 499 XIX 7 305, 431, 480 XIX 13 18, 398 XIX 22 346 XX 68 XX 2 4, 307 XX 4 21 XX 6–9 23 XX 7–9 496 XX 9 23, 58 f., 305 XX 10 365 XX 11 99 XX 18 156 XX 19 494 XX 23 445, 494, 496 XX 26 301 XX 29 348, 438, 485 XX 30 485 XXI 6 454 XXI 16 315, 320 XXI 17 484 XXI 21 50 XXI 24 26, 29, 484 XXI 25 38 XXII 1 19, 314 XXII 2 145 XXII 24 18, 451 XXII 30 26, 332 XXV 25 156 XXV 27 156 Confessiones 1,13 310 2,6 311 5 80 7,13 354 11,38 398 De consensu euangelistarum 1,4–6 374 1,9 289 1,21 185, 482 1,47 439

574

Register

Contra Cresconium grammaticum et Donatistam 2,16 104 De diuersis quaestionibus octoginta tribus 53,4 71 58,2 60, 80, 203 f., 263, 274, 309 61,2 374 66,7 26, 252 76,2 194 De doctrina christiana 1,41 344 2,13 415 2,16 12 2,18 120 2,22 12, 468 2,28,43 450 2,42–44 67 2,59 123 3 12 3,10 473 3,33–37 343 3,36 289 3,42 216 3,45 338 3,52 217 3,54 216 f. Enarrationes in Psalmos 3,5 410 8,13 82, 155 9,27 60 26,2,2 388 29,2,10 50 30,2,3,5 394 33,1,4 123 33,1,7 372 34,2,9 60 38,18 193 39,12 84, 419 40,14 90 f. 43,16 449 44,1–3 400 44,19 402 44,25 405 44,31 129

44,32 407 f. 47,3 437 48,2,11 92 49,18 340 49,29 289 50,3 339 50,5 339, 414 50,17 414 51,1 351, 410 51,2 410 58,1,21 90, 482 58,2,6 145 59,1 373, 386 61,6–7 100 61,8 204 64,2 100 64,16 377 70,1,19 177 71,1 384 88,2,9 390 88,2,10 419 89,1 204 90,2,1 89 93,4 289 97,3 284 98,10 366 98,12 308 101,2,11 93 f., 130 105,28 307 108,1 412 118,29,9 87 128,2 130 130,9 292 131,3 322 132,11 123 142,3 98, 403 145,11 341 149,5 403 Enchiridion ad Laurentium de fide et spe et caritate 59 283 119 72 Epistulae 1A*,1 296 f., 499 28,3.5 457 55,11 289

2 Quellenregister

55,31 410 78,7 155 82,5 339, 457 93 491 102,15 207 102,17 80 102,31–38 439 105,15 439 138,19 454 140,27 86 140,50 193 140,83 513 147,14.18.26 255 149,9 89 157,21 93 164,2 154, 487 164,6 94 175,8 410 177,12 371, 487 179,8.10 95 f. 185 62 194,34 273 196,12 246 198,7 445 199 445 Contra duas epistulas Pelagianorum 2,11 354 3,9 513 3,24 89, 96 f. Contra epistulam Parmeniani 1,1 216 2,4.7 f.12.15 45 2,38 366 Epistolae ad Romanos inchoata expositio 5 377 In epistulam Joannis ad Parthos tractatus decem 5,8 112 De excidio urbis Romae sermo 2 105 Contra Faustum 6,2–4 85

12,1 81 12,4 83 12,7 81 12,9–13 80–86 12,9 80–82, 97, 230 12,10 82, 85 f. 12,11 82 f. 12,12 84, 86 12,13 84 f. 12,14–22 230 12,14 129, 154 12,15 155 12,16 154 12,23 164 12,25 263 12,26 281, 285 12,28 300 12,30 302 12,33–40 230 12,33 350 12,39 348 f. 12,42 230, 288 f., 291 13,10 90 16,15–17 300 16,17 307 16,21 90 16,23 388 16,24 325 19,13 85 19,20 130 22,5 207 22,17 80 22,33–40 228 22,60–64.83–89 288 22,60 62 22,67 414 22,69 303 22,70–79 304 f. 22,70 307 22,87 339 22,98 454 23,1–5.9 385 33,2 193 Contra Felicem Manicheum 1,17 9

575

576 De Genesi ad litteram 1,1,1–3 13 1,1,1 12, 345–347 8,1,1 347 8,2,5 347 8,24,45 257 9,12,20 184 11,34,46 255 De Genesi ad litteram inperfectus liber 2,5 12, 14, 65 De Genesi aduersus Manicheos 1,35–43 57, 313 1,35–40 375 1,38 315 De gestis Pelagii 22 96 De gratia Christi et de peccato originali II 32 222 De gratia et libero arbitrio 41 412 De haeresibus 18 80 19 136 In Iohannis euangelium tractatus 4,1 331, 478 7,4 136 7,23 281 9,8 44 13,5 289 29,6 53 41,9 488 45,9 300 46,3 289 84,2 46 117,4 171 Contra Iulianum 3,23 247 4,33 268

Register

Contra Iulianum opus imperfectum 2,54.62.101.180– 184 79 3,85 79 6,7.11.22 f.27.30 79 De libero arbitrio 2,42 233 3,61 53 3,77 496 Contra litteras Petiliari 3,6 44 3,14 305 Locutionum in heptateuchum 1,14 145 f. Contra Maximinum Arrianum 2,5–11 255 2,26,5 256 2,26,6 255 2,26,9 283, 285 Contra mendacium 34 487 De moribus ecclesiae catholicae et de moribus Manichaeorum 1,62 259 De natura et gratia 1 157 10 94 42 94–96, 207 44 96 45 95 De nuptiis et concupiscentia 1,9 207 2,17 124, 134 f. 2,19 137 De ordine 1,2 175

2 Quellenregister

De peccatorum meritis et remissione et de baptismo paruulorum 1,19 91 f. 2,55 187 2,56 419 De perfectione iustitiae hominis 42 207 Quaestiones expositae contra paganos 31–38 439 Quaestionum in heptateuchum 1, praef. 116 1,1 116 1,2 120 f. 1,3 140 1,4 149 f. 1,5 149 1,17 163 1,21 168 f. 1,23 143 1,33 255 1,37 255 1,39 f. 256 1,39 510 1,41 255 1,42 257 1,48 228 1,57 264 f. 1,59 255, 377 1,70 269 1,73 274 f. 1,74 276 1,83 279 f. 1,84 280 1,96 280 1,104 285 1,116 280 1,148 485 1,152 288 1,166 294 1,167 324 1,173 288 2,2 307 2,70 325 2,71 325 2,95 327

2,105 301 2,144 326 3,55 301 f. 4,19 308 6,10 327 6,15 157 6,18 304 7,1–13 334 7,49,3 87 Retractationes 1,13,3 69 1,18 343 1,21,1 51 1,26 194 2,4,2 415 2,16 185 2,22 261 2,43,2 366 2,55,2 366 Contra Secundinum Manichaeum 22 248 Sermones 2,1 246, 264 2,4 f. 265 4 274 4,18 f. 276 4,32 377 5 283 5,4 275 5,5 89 5,8 286 8,17 204 47,18 377 51,8 309, 332 62,5 193 73,2 289 81,8 249 87,6 87 f. 122,2 281 122,4 286 154,7 364 201,2 193 201,3 89 f. 214,3 412 216,8 312 f.

577

578 225,2 358 263,2 289 264,5 156 f. 293,2 331 294,15 93 313,2 305 350,3 80 Sermones a M. Denis editi 4,1 289 Sermones a F. Dolbeau editi 25 62 Sermones ab Angelo Mai editi 128,4 340 Sermones Moriniani ex collectione Guelferbytana 6 289 Ad Simplicianum 1,2 273 1,2,20 101 De trinitate 2,17–34 255 2,21 255 f. 2,27 70 2,28 168 2,30 168 3,13 137 3,20–26 255 5,15 136 9,12 170 f. 13,16 145 14,11 67 15,17–25 170 f. De uera religione 7 354 46 65 47 269 48 311, 315 De utilitate credendi 5 12

Register

2.4  Andere antike Autoren Abu’l–Fida Historia anteislamica S.  18 185 Ambrosius De Abraham I 4,31 I 5,33 I 8,66 II 8,50 II 8,51 II 8,52 II 8,53 II 8,55 II 8,56 II 11,85 II 11,86

251 255 265 f. 234 235 235 237 f. 237 238 254 251 f.

De Cain et Abel I 1,2 I 1,3 I 2,5

124, 133 f. 124 f. 97

Epistulae 30,10 338 Exhortatio virginitatis 6,36 124 De Jacob et vita beata II 7,30 f. 285 De Noe et arca 6,13

153 f.

De officiis ministrorum I, XXV 119 206 Cicero De domo sua 139 130 Epiphanius von Salamis De mensuris et ponderibus 3 467 6 467 9–11 467

579

2 Quellenregister

Eusebius Demonstratio evangelica I 2,4 f. 487 I 6,13 f. 487 Herodot Historiae I §§  67–68

141

Hieronymus Altercatio Luciferiani et orthodoxi seu dialogus contra Luciferianos 22 162 Chronicon Eusebii a Graeco Latine redditum et continuatum S.  15 f. 220 S.  20a/b 220 f. S.  22a 220 S.  23a/b 219 f. S.  27b 452 S.  36a 324 S.  84a 436 S.  87a 436 S.  88b 434 S.  96b 434 S.  98b 434 S.  99b 434 S.  100a 389 S.  102 434 S.  112 434 S.  129 467 Commentarii in Ecclesiasten I 1 383 Dialogus adversus Pelagianos I 35 251 Explanationes in Danielem prophetam 7,1–7 445 De nominibus hebraicis praef. 123 Gen. A 125 f., 253 Gen. B 171 Gen. C 124 Gen. E 127, 132

Gen. F Gen. I Gen. N Gen. S Gen. T Ex. I Ios. M I Reg. A II Reg. S III Reg. S IV Reg. F IV Reg. M Is. I Is. S Matth. S Act. S Rom. S Hebr. S Barn. S

178 164, 258 84, 119, 170 126, 164, 254 212 284 379 352 404 404 302 379 171 404 383 383 404 404 404

Quaestionum hebraicarum liber in Genesim 4,1 124 4,7 126 4,16 84 4,26 131 f. 5,25–27 120 6,3 143 10,24.25 185 11,28 218 f. 11,29 214 12,4 217 15,7 218 17,15 254 32,29 284 f. De situ et nominibus locorum Hebraicorum 158 380 Hilarius Tractatus super Psalmos Prol. 2 399 Hippolytus Commentarium in Danielem IV 23 f. 445 IV 30–35 445

580 Irenäus Adversus Haereses II 23,1 IV 5,4 f. IV 5,4 IV 18,3 IV 21,3 V 14,1

Register

202 202 263 111 202 82

Josephus Antiquitates Iudaicae I 2 112 I 3,9 121 I 4,2 f. 167 I 7,1 192 I 20,2 285 V 11,5 365 Justin der Märtyrer Dialogus cum Tryphone 19,3 87 40,4 302 43,1 385 86,2 f. 281 Lactantius Divinarum institutionum libri septem IV 18 f. 433 Epitome divinarum institutionum 5,1 f. 432 Lucanus De bello civili I 33–66

484 484 484 346

Orosius Historiae adversus paganos II 1,6 445 II 3 56 II 27 494 VII 2,4 445 Pelagius Epistula ad Demetriadem 5 92 Expositiones in epistulas Pauli (ad Romanos) 1,17 226 5,1 226 Philo De Cherubim §§  125–130

134

Quod deterius potiori insidari soleat §  138 132 De migratione Abrahami §§  74 f. 111 De posteritate Caini §  124 133

106 f.

Optatus von Mileve Contra Parmenianum Donatistam II 25 374 Origenes Contra Celsum II 30

De Principiis I 6,2 II 3,5 III 5,7 IV 3,1

Quaestiones et solutiones in Genesim I 58 134 I 59 91 I 60 112 I 78 133 II 1–4 153 III 1–16 234 III 53 254

436

Homiliae in Genesim 2,1 148 f. 2,2 149 f. 8,1 262

De sacrificiis Abelis et Caini §  2 91, 125 §  52 112 §  72 112

581

2 Quellenregister

De virtutibus §  199

134

De coniuratione Catilinae 11,8 415

Platon Protagoras 343a 434

Tertullian Adversus Marcionem V 11,8 203

Plinius Secundus (der Ältere) Naturalis historia VII 2 174 VII 16,73–75 119 VII 49,154 119 f.

De idolatria 5,4 203

Pseudo-Hieronymus Quaestiones hebraicae in libros Regum et Paralipomenon I 2,27 f. 365

De virginibus velandis I 309

Pseudo-Tertullian Adversus omnes haereses 2 135 f. Rufinus Eusebii Historia ecclesiastica a Rufino translata et continuata VI 25,2 466 X 12 128 Sallustius De bello Iugurthino 17,1–7 157

De Patientia V 15

134

Tibullus Albii Tibulli aliorumque carmina II 5,23 f. 106 Tyconius Liber regularum II 1 II 10

338 338

Vergil Aeneis XII 899 f.

119

3 Namenregister 3.1  Biblische Namen Aaron  88, 102, 295, 301, 307 f., 366–368, 370–373, 409 Abel  9 f., 27 f., 69, 71, 79–83, 85–102, 104 f., 107–116, 123–127, 130, 132 f., 135–137, 139, 148, 153, 176, 182, 187 f., 193, 200, 204, 207 f., 221, 226, 230 f., 240, 242, 268, 274, 295, 310, 317, 335, 406, 454, 467, 482, 487 f., 492, 505–507, 512, 514, 516 Abimelech  207, 227 f., 271 Abraham / Abram  9, 19 f., 27, 43, 56 f., 70, 79, 88, 105, 117, 130, 136, 138, 143, 157, 159, 161, 176–183, 185 f., 189–195, 197, 200–234, 236–241, 243–272, 277–279, 282, 288, 293–295, 298, 303, 306, 308–311, 313–315, 317, 319 f., 323, 330 f., 333–337, 342, 350, 366, 374, 378, 406, 435–437, 451 f., 454, 461 f., 485, 504, 506, 510 f., 514 Adam  8, 10, 20, 48, 55 f., 61, 68, 91–98, 100 f., 103, 106, 113, 116–118, 120, 126, 128 f., 131–139, 143 f., 154, 172, 174–177, 180, 183, 187, 197 f., 215, 252, 260, 391, 453 Ahas 431 Ahija von Silo  378, 422 f. Alexander d. Gr.  463, 471, 473 Alkimus 473 Amos 436 Arphaxad 178–180 Augustus  39, 477, 497 Baruch 443 Batseba  339, 414 Benjamin  283, 422 f. Betuël  270 f., 278 Bilha  282 f.

Daniel  32, 445 f., 461, 496 Darius  461 f., 466 David  27, 56 f., 70, 72, 75, 79, 96, 117, 130 f., 190, 193, 210 f., 232, 236, 265, 275, 289, 295–299, 308 f., 311 f., 314 f., 317, 320, 322, 328 f., 330 f., 334–336, 339, 341 f., 350 f., 366, 373–376, 380–390, 392, 395, 398 f., 408, 410 f. 413 f., 419, 422, 424, 427, 438, 443, 446, 454, 458, 462, 480, 483, 503, 506, 508 Debora  214, 328 Dedan 158 Dina 287 Doëg 411 Edem 286 Ehud  396 f. Eleazar 468 Eli  249, 350 f., 365–368, 370, 372 f., 374, 381 Elia  290, 348, 390, 425, 438, 441, 484 f., 511 Elisa  290, 425 Elisabeth  331, 460 Enosch  120 f., 125, 127, 131–133, 138 f. Ephraim  232, 286–288, 294 f. Ephron 267 Esau / Edom  89–92, 104, 186, 204, 221, 223, 244, 272–279, 292–294, 298, 440, 482, 487, 504 Esra  330 f., 459 f., 465 f. Ethan  384, 389, 392 Eva  95 f., 113, 117, 119, 133–136, 139, 143, 154, 187 Ezechiel  445 f. Galaad 286

3 Namenregister

Habakuk 440–443 Hagar  102 f., 195, 207, 240–249, 259, 261, 268–270, 282, 288, 298, 337 f., 347, 364, 378, 504 Haggai  43, 331, 445–447, 462–465, 471–473 Ham  119, 143, 155, 157–167, 176, 182 f. Hanna (AT)  214, 249, 350–366, 372, 381, 417, 439 Hanna (NT)  331, 460 Haran  178, 214, 219, 227 f., 271 Heber  88, 159 f., 177 f., 182, 184–186, 212, 221, 310, 406, 452 Henoch (Sohn Kains)  98, 116, 118, 127, 130, 138, 242 Henoch (Sohn Jereds)  49, 87, 93, 120, 123, 127–130, 342, 452, 456, 487 Herodes d. Gr.  471, 474 Herodes Agrippa I.  494 Hiob  371, 406, 473, 487 f., 514 Hiskia 431 Hophni  350, 368 Hosea (König)  431 Hosea (Prophet)  436–438 Irad 128 Isaak  27, 91, 102 f., 117, 183, 190, 193, 195, 202, 204–207, 228, 240–247, 249–251, 258–264, 267–275, 277–279, 282 f., 288, 294 f., 334, 337, 366, 504 Ismael  91, 102 f., 195, 204, 240–248, 261, 268 f., 337, 504 Jakob / Israel  27, 87, 89–92, 104, 117, 119, 183, 186, 193 f., 204 f., 219, 221, 223, 230, 233, 244, 247, 257, 270, 272–289, 292–295, 298, 324, 334, 366, 440, 444, 474, 482, 487, 504, 508 Japhet  143, 157 f., 160–162, 164 f., 167, 176, 182 f. Jeftah 87 Jered  127 f. Jeremia  330, 340, 352, 399, 443 f., 450, 461, 507 Jerobeam  336, 378, 421–425, 460 Jesaja  36, 162, 364, 436, 438 f., 449, 477 f., 481, 505, 507

583

Jesus Christus  3, 6, 20, 26 f., 29, 31–38, 40, 42–47, 49–60, 68–72, 80–94, 96 f., 99–101, 105, 115, 117, 123, 127, 129 f., 133, 136, 138, 141 f., 148 f., 152–156, 162–166, 184, 187, 193, 196–198, 200, 202–205, 209–211, 221–223, 226–230, 236 f., 241–244, 248–250, 253, 255 f., 260–263, 266 f., 269, 276–278, 280 f., 283–286, 288–290, 292 f., 298, 300, 302–310, 316 f., 319 f., 322, 326–328, 331 f., 337–339, 346–348, 350–352, 354–360, 363, 365–379, 381–395, 399–422, 427, 432 f., 435–449, 451, 455, 457, 459–461, 464–466, 470–479, 480–486, 488–490, 492, 495–498, 502, 506–508, 511 f., 514, 517 Jesus Sirach  151, 415 Jiska  214, 227, 271 Joel  436, 439 Johannes (Apostel)  94, 96, 289, 357, 505, 514 Johannes der Täufer  96, 141, 331, 377, 384, 459 f., 478, 489 Johannes von Jerusalem  95 Jojachin 332 Jona  65, 346, 367, 436, 439, 470 f. Josia  280, 332, 443 Josef (NT)  374, 385 Joseph (AT)  91, 204, 232, 283, 286–288, 292, 294 f., 298, 324 f., 422, 479 Joseph von Arimathäa  442 Josua / Jesus Nave  232, 236, 295, 303 f., 306–308, 327, 335 Juda  230, 288–292, 324, 340, 384, 437, 421–424, 431 f., 436 f., 440 f., 460, 474 Judas Iskariot  80, 102, 411 f., 478 f. Judas Makkabäus  473 Kain  9 f., 28, 79–86, 89–92, 95–102, 104–119, 122–128, 130, 133–139, 142, 148, 168, 176, 182, 187 f., 221, 230, 233, 240, 242, 268, 274, 295, 321, 341, 354, 358, 480, 482, 492, 506 Kainan  178, 180 Kanaan  162 f., 165 f. Kenan  120 f. Kettura  268–270, 288 Kusch  158, 182

584

Register

Kuschaja 384 Kyros II.   332, 336, 461 f. Laban  278 f., 281–283 Lamech  118 f., 138, 180 Lea  282 f., 287 Lot  87, 212–214, 223 f., 226–229, 256–258 Machir  286 f. Mahalalel 120 Maleachi  141, 331, 445, 448 f., 465, 481, 485 Manasse  232, 286–288, 294 f., 432 Maria  94, 231, 237, 352, 385, 406 f., 417 Melchisedek  229, 371–373, 409, 418, 448, 487 Methusalem  120 f. Micha  436, 438 f., 477, 488 Milka  214, 271 Mose  5, 20, 27, 56, 70, 75, 88, 102, 130, 150, 165, 177, 205, 229, 232, 252, 279 f., 295, 297–300, 303, 307 f., 325 f., 330, 334 f., 347, 379, 388, 407, 441, 451–453, 468, 489, 491, 508 Naama 119 Nachor  178, 182, 214, 270 f. Nahum  440 f. Nathan  130 f., 339, 342, 374, 381–387, 395–397, 414, 435, 464 Nathanael 281 Nikodemus 442 Nimrod  28, 158–160, 167–170, 182 f., 188, 221, 425, 427 Noah  57, 87 f., 93, 116 f., 119, 130, 138, 142–144, 148–153, 155–167, 176, 179–183, 188 f., 200, 204, 207, 212, 215 f., 226, 295, 310, 317, 330, 332, 335, 349, 406, 452, 454, 462, 487 Obadja  440 f. Paulus  6, 14, 19 f., 24, 29, 38, 43, 55, 61, 85, 89–91, 93, 96, 100–103, 106, 109, 114, 139, 153, 163, 175, 182–184, 191–195, 197 f., 201–206, 208 f., 223, 226, 232, 236, 239–245, 252, 259 f.,

262 f., 268 f., 272–275, 291, 293, 297 f., 300, 308, 315 f., 326, 333, 337 f., 348, 355 f., 359 f., 363, 378 f., 391 f., 410, 413, 420, 425, 437 f., 442, 451, 454, 457, 473, 477, 479, 481 f., 484–486, 488, 490 f., 499, 504 f., 507, 511 Petrus  50, 339, 360, 457, 498 Phalech/Peleg  160, 177 f., 182, 185 f. Pinehas  350, 368 Potiphar 324 Ragau  178, 182 Rahel 281–283 Rebekka  223, 270 f., 273–275, 277, 293 Rehabeam  333, 375, 420–425, 460 Saba 158 Sacharja  331, 445, 447 f., 465 Sala  178, 180 Salomo  27, 131, 312, 330, 334–336, 341 f., 351, 357, 374 f., 378, 380–384, 386–389, 394–397, 414–418, 420–423, 427, 458, 462 f., 471, 508 Samuel  70, 146 f., 205, 330 f., 335, 350–353, 365–368, 370, 372–376, 379–381, 421, 435, 460 Sarah / Sarai  102 f., 195, 207 f., 212, 214, 223, 226–228, 230, 236, 240–256, 258 f., 264, 267–271, 282 f., 298, 337 f., 347, 358, 378, 504 Saul  146, 296, 308, 317, 320, 328 f., 331, 350 f., 373–378, 381, 388, 410, 414, 421 f., 460 Schealtiël 332 Schemaja  422 f. Sem  143, 157–165, 167, 176–180, 182–184, 186, 281, 310 Serach 287 Seruch  178, 182 Seth  10, 93, 95, 100, 116, 118–121, 123, 125–127, 129 f., 132–140, 142 f., 176, 188, 207, 221 Silpa  282 f. Simeon  331, 460 Stephanus  208, 217, 219, 267, 286, 377 Sutalaam 286 Taam 286

3 Namenregister

Thara / Terach  161, 178 f., 181 f., 194, 211–219, 228, 232, 267 f., 335, 406 Thomas (Apostel)  408 Urija 339 Usia 436 Zacharias  331, 460 Zedekia 434 Zephanja 443–445 Zorobabel 466

3.2  Namen aus der Antike Abu’l-Fida 185 Acca 428 Adimantus 297 Aeneas 329 Agamemnon 141 Ambrosiaster 185 Ambrosius  3, 62, 97, 124 f., 133 f., 148, 150, 153 f., 192, 202, 205–208, 233–238, 251 f., 254 f., 257, 265 f., 274, 285, 338, 345 f., 428, 450, 511 Amulius 428 Anaximander 435 Anaximenes 435 Aquila  126, 141 Arion 439 Aristobul I.  473 f. Aristobul II.  474 Aristoteles  30, 313 Assur  158 f. Belus  159, 220 Bias von Priene  434 Callistus I.  155 Cassius Dio  130 Chilon von Sparta  434 Cicero  47, 130, 175, 429 Cresconius 104 Cyprian  45, 162, 299, 308, 377 Demetrias  91 f. Eleazar (Hohepriester)  468 Empedokles 30

585

Epiphanius  80, 135, 415, 467 Eusebius  3 f., 28, 39 f., 120, 159, 219 f., 225, 232, 328, 380, 436, 462, 466 f., 477, 487, 497 Evodius  93 f., 154 Faustulus 428 Faustus  62, 80–86, 90, 129, 148, 155, 207, 228–230, 288 f., 297, 346, 349, 350, 385 Felix (Manichäer)  9 Hadrian 225 Heraklit 30 Herodot 141 Hieronymus  12, 84, 119 f., 123–127, 130–132, 137, 143, 148, 157, 159, 162, 164, 166, 170 f., 178, 185, 192, 212, 214, 217–221, 250 f., 253 f., 258, 284 f., 302, 324, 328 f., 339, 348, 352, 376, 379 f., 383, 389 f., 397, 399, 403 f., 428, 434, 436, 438, 440, 445, 452, 457, 464, 467, 469 f., 471, 474, 484, 497, 503, 506 Hilarius  93, 162, 399 Hippolytus  136, 155, 164, 445 Honorius  62, 86 Hyrkan II.  474 Irenäus  82, 111, 202 f., 205, 263, 345 Isis 451–453 Johannes von Jerusalem  95 f. Josephus  112, 121, 124, 167, 169, 191 f., 208, 284 f., 365, 462 Julian von Aeclanum  124, 134 f., 137, 247, 268 Justin der Märtyrer  87, 281, 302, 308, 385 Kelsos 348 Kleobulos von Lindos  434 Konstantin  3 f., 61, 86, 128, 490 f., 494 Lactantius  125, 175, 432 f. Livius 130 Lucanus  106 f. Lucretius 175

586

Register

Lukian von Samosata  175 Mani 9 Marc Aurel  30 Marcus Pulvillus  130 Markion 397 Mars 428–430 Merkur (Hermes) Trismegistus  453 Nero  106 f., 494 Ninus  28, 159, 179, 220 f., 323, 430 f. Numa  432, 434 Numitor  428, 430 Optatus von Mileve  374 Orestes 141 Origenes  17, 21 f., 29, 31, 39, 123, 125, 127, 148–150, 152, 261 f., 300, 302, 308, 318, 346, 348, 352, 436, 466, 484 Orosius  56, 66, 445 f., 494 f., 497

Sallustius  157, 415, 429 f. Seneca 30 Sibylle (erythräische)  65, 320, 432 f., 483, 486 f., 498 Sibylle (samische)   432 Silvius 329 Sixtus 273 Sokrates 450 Solon von Athen  434 Tertullian  134, 202–205, 225, 299, 302, 308 f., 316, 345 Thales von Milet  434 f. Theodosius I.  61 f., 490 f. Tibullus 106 Tyconius  22, 138, 176, 216, 338, 343, 366, 465, 496 Vergil 119 Xenophanes 435

Parmenian  45, 216, 365 f., 374 Paulinus 89 Pelagius  8, 91 f., 94–96, 102, 116, 226 f., 513 Periandros von Korinth  434 Philo  22, 91, 111, 123–125, 132–134, 148, 153, 191 f., 196, 206, 208, 234, 241, 254, 284, 300, 302, 348 Pittakos von Mytilene  434 Platon  30, 175, 313, 354, 434, 450, 455 Plinius Secundus (der Ältere)  119, 142, 174 f. Plotin  22, 25 Plutarch 130 Porphyrios  22, 43, 46, 53, 76, 298, 346, 348, 432, 439, 451, 457, 478, 498, 514 Pseudo-Hieronymus 365 Pseudo-Tertullian  135 f. Ptolemäus II.   120, 467 f., 473 Pythagoras 450 Remus  28, 103–109, 321, 428–430 Rhea  428, 430 Romulus  28, 103–109, 321, 428–432, 434 Rufinus  128, 150, 152, 466, 484

3.3  Moderne Autorinnen und Autoren (in Auswahl) Altaner, Berthold  12, 82, 123–125, 149 f., 152 f., 192, 348 f., 462, 467 Andresen, Carl  75, 159, 175, 320, 324, 338, 343, 376, 409, 437, 445, 462, 467, 471, 491, 496 Bardy, Gustave  75, 121, 123, 148, 154, 174 f., 213, 216 f., 220, 234, 273, 284, 286 f., 321, 338, 352, 384, 387, 399, 402, 415, 433, 462, 469, 476, 494, 499 Berrouard, Marie-François  112, 248, 261, 327 Blum, Erhard  5, 30, 280, 293 Blumenkranz, Bernhard  73, 85 f., 89, 310, 370, 411, 449, 511 Bochet, Isabelle  12, 14, 43, 74 f., 101, 103, 297–299, 340, 370, 436, 451, 454 f., 476 Böhlig, Alexander  9, 22, 80, 100 Bonnardière, Anne-Marie la  8, 217, 295, 297, 311, 330, 374 f., 398, 415, 437 f., 466, 470

3 Namenregister

587

Bonner, Gerald  48, 61, 135, 187, 470, 496 Borst, Arno  157, 160 f., 164 f., 167, 170 f., 185 Brachtendorf, Johannes  4 f., 12 f., 98, 112, 165, 304 f., 345, 431 Brennecke, Hanns Christof  3, 274, 284, 397 Bultmann, Rudolf  5, 97, 132, 195–198, 201 f., 429, 496 f.

Gärtner, Hans Armin  269, 364, 415 Geerlings, Wilhelm  69, 314 f. Gertz, Jan Christian  104, 111, 124 f., 131, 145, 166, 177 Goppelt, Leonhard  195–198, 200 f. Groß, Walter  12 f., 85, 88, 121, 195, 256, 286, 288, 316, 327 f., 510 Guitton, Jean  68 Gunkel, Hermann  472 f. Guy, Jean-Claude  109 f.

Campenhausen, Hans von  17, 385 Cocchini, Francesca  150, 194, 307 Congar, Yves  79, 86, 97 Cook, John Granger  346, 348, 439 Cullmann, Oscar  63 f.

Habermas, Jürgen  4, 454, 486, 490 Harnack, Adolf von  6, 57 f. Heidegger, Martin  34 Heil, Uta  14, 62, 64, 67, 123, 380, 494 Heither, Theresia  278, 281, 286, 311 Helleman, Wendy Elgersma  13, 240–242, 337 Hengel, Martin  190 f. Hill, Edmund  80, 87, 89 Höffe, Otfried  4, 491 Horn, Christoph  4, 17, 19, 22, 30 f., 99, 170 f., 173, 233, 315, 322 f., 454, 476, 494, 496 Hübner, Wolfgang  4, 97, 184 f., 296, 398, 415, 432, 498 Hunter, David G.  247 f.

Daniélou, Jean  196, 212, 231, 272 Decret, François  62, 80, 346 DeMarco, David C.  43, 76, 457 Dolbeau, François  80, 87, 89, 93, 110, 249 Drecoll, Volker Henning  3, 7–9, 13 f., 42 f., 45 f., 51, 62, 76, 87 f., 91 f., 94, 96, 101 f., 104 f., 114, 134, 136, 146, 194, 226, 242, 246, 261, 273 f., 297, 309, 316, 326, 346, 364, 370, 404, 414, 438 f., 462 f., 465, 478, 486, 513, 517 Duchrow, Ulrich  6, 17, 22, 75, 477 Dulaey, Martine  75, 153, 155, 228, 280, 290, 300, 302, 322, 325, 339, 351, 373 f., 386, 388, 399, 410 f., 414, 443, 446, 450 f., 496 Dupont, Anthony  8, 76, 226 f., 281, 286 Eichrodt, Walther  197–199 Eyben, Emiel  309–312, 315 Fladerer, Ludwig  243 f., 313 Flasch, Kurt  28 f., 31, 39, 52, 70, 344, 485 f. Fredriksen, Paula  73 f., 90, 115, 339, 469, 480, 482, 484, 512 Fries, Heinrich  22, 40, 316, 429 Fuhrer, Therese  4, 19, 136, 307, 315, 327, 332, 375, 472 Fürst, Alfons  31, 123, 150, 219, 318, 380, 457, 467, 484

Jacob, Christoph  247, 273 Janowski, Bernd  110, 199 f., 301, 411, 515 f. Journet, Charles  98 f., 103 Kamlah, Wilhelm  2 f., 33–41, 58, 316, 436 Kampling, Rainer  272, 274 f. Karfíková, Lenka  32, 47 f., 142 Kimmerle, Nadja  107 Klöckener, Martin  129 f., 302, 317, 331, 357, 372, 478 Koselleck, Reinhart  14, 40, 62, 64, 497 Kötting, Bernhard  314 f. Kraus, Hans-Joachim  390, 401, 405 Kudella, Mirjam  3, 9, 14, 297, 346, 370, 404 Laato, Anni Maria  272, 275, 277

588

Register

Lamirande, Emilien  89, 102, 105, 224, 243, 259, 403, 426, 491 Laoye, John Anjola  6, 99, 242 Lee, Gregory W.  74, 140, 330 f., 333, 377, 485, 512 Leisegang, Hans  103 Lewis, Jack P.  152, 154 f., 162 Lienhard, Joseph T.  255, 283, 374 Lof, Laurens J. van der  2, 192, 202–204, 206, 263, 407 Löhr, Winrich  94–96, 137, 220 Lohse, Bernhard  38, 58 f., 314 Lohse, Eduard  485, 494 Lorenz, Rudolf  112 f. Löwith, Karl  17, 29–33, 62, 198, 316, 476, 494, 496, 515 f. Luneau, Auguste  70, 299, 303, 307 Margoni-Kögler, Michael  319, 327, 437 Markus, Robert Austin  4, 13, 61–66, 86, 99, 477, 494, 503 Marrou, Henri-Irénée  98 f., 103, 233, 296, 314, 316, 492 f. Maxfield, John A.  62 f., 494 Mayer, Cornelius P.  13 f., 68 f., 74, 191, 194 f., 201, 204, 207, 222, 248, 255, 257, 261, 309, 343, 345–347, 354, 374, 385, 388, 445, 496 Meconi, David Vincent  75 Mommsen, Theodor E.  3, 31, 33, 106, 316, 321, 436, 451, 477, 499 Müller, Christof  1, 15 f., 32, 58, 62, 64, 66–73, 75, 131, 250, 316, 318, 439, 471, 490, 493 Müller, Hildegund  15, 82, 87, 90, 92, 98, 100, 136, 408 Näf, Beat  40, 48, 430f,, 450 Niehoff, Maren R.  192, 234 Nietzsche, Friedrich  318 Obersteiner, Jacob B.  11, 76, 476, 501, 506 O’Daly, Gerard J. P.  75, 79, 98, 106, 114, 122 f., 153, 186, 225, 299, 321, 330, 374, 408, 452, 459 f., 467, 492 O’Meara, John  2, 10 f., 22, 99, 127, 224, 314, 432, 498

Oort, Johannes van  1 f., 22, 63, 67, 73, 75, 79, 88, 98, 100, 109 f., 284, 288, 310, 404, 412, 472, 482, 493, 497, 499, 511 f., 514 Pannenberg, Wolf hart  5, 14, 69 Pilhofer, Peter  20, 324, 452 Pintard, Jacques  97, 307, 366, 372 f. Piret, Pierre  75, 98, 100, 103 f., 119, 140, 167, 321, 330 f., 353, 378, 392, 426 f., 461, 480 Pollmann, Karla  12 f., 99, 216, 347 Rad, Gerhard von  5, 30, 198 f. Rahner, Hugo  151, 153–155 Ratzinger, Joseph  9, 22 f., 38, 41–52, 129 f., 154, 280, 305, 517 Raveaux, Thomas  73 f., 87, 146 Reemts, Christina  119, 352, 354, 366, 376, 378 Reuter, Hermann  24, 52, 58, 491 Ribreau, Mickaël  168–170 Ring, Thomas Gerhard  14, 96, 486 Roessli, Jean-Michel  432, 478, 488, 490 Rüting, Wilhelm  88, 462 Schenke, Hans-Martin  135 f. Schmidt, Ernst A.  6, 17, 20, 28, 33, 40, 51, 66 f., 69, 323, 476 Scholz, Heinrich  2, 16–29, 45, 52, 54, 56, 252, 305, 323, 445, 484, 491 Schrenk, Sabine  80, 82, 87, 104, 111 Schultheiß, Jochen  2, 99, 344, 473 Schwarte, Karl-Heinz  15, 69, 75, 309, 312, 315 f., 319 Simard, Georges  97, 319, 323 Slenczka, Notger  6 f. Soden, Hans von  58, 364 Staubach, Nikolaus  6, 14, 22 Szidat, Joachim  106, 480, 482, 496 Thonnard, François-Joseph  112, 176, 321 f., 435, 462, 492 Thraede, Klaus  22, 274, 279, 283 Tornau, Christian  43, 74 f., 101 f., 476, 496 Troeltsch, Ernst  51 f., 320 f.

3 Namenregister

Unterseher, Lisa A.  73 f., 84 f., 90, 482 Wachtel, Alois  51–60, 69, 252, 299, 315–317, 371, 445, 487, 496 Walsh, Patrick G.  76, 276, 281 Walzer, Michael  108, 305, 491 Weidmann, Clemens  13, 88, 263–265 Westermann, Claus  104, 167, 186, 213, 230, 232, 384

589

Wurst, Gregor  81, 101, 229, 346  Wutz, Franz  119, 123–127, 132, 164, 166, 170 f., 178, 253, 284, 352, 380, 383, 404 Zerfaß, Alexander  3, 301, 400, 465

4 Sachregister 4.1 Begriffe Adam-Christus-Typologie  55, 91–93, 100 f., 197, 260, 315 f., 326, 391 Ägypten  149 f., 213 f., 219 f., 232, 284, 286–288, 295 f., 298–302, 323–325, 334, 450–454, 467 f., 493–495 Allegorie  12–15, 21 f., 148 f., 195–197, 200 f., 238–243, 343–349, 420 f., 471, 495, 501–503 Altes Testament – alttestamentliche Motive  10, 76, 504–508 – Bedeutung des Alten Testaments  7, 10 f., 76 f., 320, 497, 501, 504–507, 517 f. Ambiguität der Schrift  67 f., 342 Anthropologie  61, 108 f., 199 f., 235 f., 362–364, 506 f., 517 – Sexualität  117, 133 f., 137, 139–144, 244–249, 268, 282 f., 310 f., 428 – Tod und Vergänglichkeit  54, 125, 335, 390 f., 411 f., 515 Antijudaismus → Judentum Äonenlehre  36, 224, 496 f. Apokalyptik / Endzeit  23, 28 f., 60, 64, 68, 151 f., 156, 408, 432, 465, 493–497, 503, 505, 513 – endzeitliche Drangsale  238, 390, 490–493, 520 Apologetik  6, 8, 17, 37, 57, 68, 106, 146 f., 166, 210, 229 f., 321, 343–451, 454, 504, 513 f. Arche  22, 143, 148–157, 163 f., 171, 173 f., 204, 230, 344 f., 348 f., 437, 452, 502 Archetyp  6, 10, 27, 97, 103 f., 115, 124, 134, 139, 226, 321, 354

Assur / Assyrien  40, 56, 60, 158 f., 179, 220 f., 322 f., 426 f., 430 f., 435 f., 445 Astronomie  191, 208, 434, 453 Auferstehung / resurrectio  29, 126–129, 260–263, 289 f., 359 f., 394, 410–413, 438 f., 470 f., 478, 485 Auslegungsgeschichte  11, 190–195, 202–210 Autorität (der Schrift)  2, 12, 15, 43, 64, 67, 120, 328, 411, 453 f., 457, 459, 467–470, 477, 490, 502 f. Babylon / Babel  2, 6, 47, 56, 100, 158 f., 167–172, 182, 184–188, 190 f., 220 f., 322 f., 335 f., 341, 355 f., 395, 404 f., 425–427, 430, 435 f., 456, 458, 480, 486, 496, 504–506, 510, 514 → confusio – ‚zweites Babylon‘  28, 322 f., 427, 430, 445, 496 Babylonisches Exil  35, 49, 130, 211, 309 f., 315, 317, 330–332, 336, 394 f., 414, 426 f., 434, 443, 445, 450, 458 f., 461 f., 471 f., 507, 519 f. Bekehrung – Abrahams 191, 194 – der Juden  275, 277 f., 285, 348, 370, 390, 438, 484 f., 511 – der Völker  36, 358, 403, 405 f., 409 f., 416, 437, 443, 460, 470 f., 480, 492 Beschneidung  85, 209, 249–252 Bildung  74 f., 192, 241, 312 f., 434, 451, 456, 478 Bischofsamt  41, 230, 407 Bruderkonflikt  80, 86, 96 f., 102–116, 130, 161 f., 165 f., 182, 188, 240, 268, 278 f., 286 f., 424, 428–430, 479, 482, 492

4 Sachregister

– Bevorzugung des Jüngeren  82, 89–91, 102, 204, 223, 272–276, 292–294, 440, 487, 505 – Brudermord  28, 82, 103 f., 106–108, 114 f. Bund  35, 151, 187, 209, 221, 230–234, 239 f., 242, 248, 252, 258, 295, 336, 350, 387 f., 446 f., 449, 464 – Alter Bund  41, 71 f., 85, 86, 201, 204, 236, 240, 259, 269, 303, 326, 340, 350 f., 378 f., 395, 418 f., 441, 449, 464, 489 – Neuer Bund  68, 71 f., 85, 89, 124, 197, 201, 204, 211, 240, 259, 269, 303, 305, 326, 336, 340, 350 f., 356, 367 f., 379 f., 418 f., 440 f., 444, 448 f., 462, 464, 489, 501 f. Buße → Umkehr Chaldäa  212–219, 378, 426, 461 f. Chiliasmus  60, 315, 493, 495 f. Christologie  51, 477 f. → Auferstehung → fundamentum → (Hohe-)Priesteramt → imitatio → mediator → Sünde, Sündlosigkeit – christologische Deutung  127, 132, 165 f., 276, 281, 288 f., 300, 328, 348 f., 359 f., 387, 415–420, 435–449, 466, 474, 485, 513 – christologische Deutung der Psalmen  285, 384, 387, 398–414, 483 – Christusglaube der Väter  72, 133, 373, 507 – Davidssohnschaft  193, 309, 374, 376, 380–385, 394, 422, 443 – Himmelfahrt  129, 363 f., 471, 478 f. – Inkarnation  53 f., 69, 72, 162, 255, 270 f., 357, 360, 363, 391, 407, 417, 447, 476–478, 495 f., 520 – Jungfrauengeburt  385, 417, 446 f., 477 – Königtum Christi  350–353, 358, 371–377, 381, 383 f., 394, 401–409, 419 f. – Kreuzestod  35, 87, 162, 289, 302, 359, 393 f., 410–413, 479

591

– Leib Christi  20, 42, 45–51, 55 f., 58, 100, 130, 153–155, 290 f., 316, 338, 360, 365, 371 f., 386 f., 391, 412, 417–419, 472, 508 – Parusie  37, 198, 200, 211, 309, 447 f., 463–465, 472, 477, 485, 493–497 – Passion Christi  69, 162 f., 202, 283 f., 409, 415 f., 433, 478 f., 483 – Salbung  164, 280 f., 365, 374, 385–389, 392–395, 401–403, – Singularität Christi  26, 31, 68 – Sühnetod  46, 69, 87, 263, 302, 413, 443, 447 f. – Verkündigung Jesu  36 f., 306, 359, 477 f., 489, 497 – Zwei Naturen  46, 391, 402, 407, 477 f. Chronologie  158 f., 215–221, 232 f., 267 f., 287 f., 323 f., 328–332, 431, 434–437, 440, 443, 445, 450–454, 487, 498 f. Dämonen  18, 21, 28, 46, 48, 51, 63, 133 f., 141, 302 f., 486, 498, 515 – abtrünnige Engel  59, 136, 220 f., 323, 484 Darstellungsabsicht  11, 17, 36, 52, 104, 117, 233, 250, 420 f., 455, 459 f., 476 f., 506, 513–515 Dekalog  85, 118 f., 303, 308, 325–327 Determination  18, 25, 321, 457 Donatismus  4, 42, 68, 79, 374 → Ekklesiologie, antidonatistische – antidonatistische Argumentationen Augustins  9, 42, 102, 104, 237, 274, 305, 374, 366, 377, 386, 513, 516 – Donatistischer Streit  42–45, 50, 57 f., 102, 155, 230, 377 – Tyconius als Donatist  22, 216, 338 – Verfolgung der Donatisten  305, 491 Dualismus  9, 58, 404, 486 Dunkelheit der Schrift  110, 217 Ehe  144, 207, 245, 247 f., 282 f., 404 f., 420 Einhelligkeit – der Heiligen Schrift  5, 67 f., 204, 452, 455–457, 504, 518

592

Register

– der Prophetie  237, 456 Ekklesiologie  42 f., 50–52, 58, 99, 129 f., 280, 316, 338, 407 f., 416 f. → Christologie, Leib Christi → corpus permixtum → ecclesia → mater – antidonatistische Ekklesiologie  9, 42, 44 f., 50, 57 f., 68, 155, 237, 377, 386, 513, 516 – doppelter Kirchenbegriff  37 f., 44, 57 f., 516 f. – ekklesiologische Deutung  81 f., 150, 152–155, 163, 286, 298, 349, 353–358, 386 f., 398–400, 403–407, 415–421, 463 f. – Haus Gottes  41, 48–51, 129, 279 f., 330, 341, 395 f., 462–465, 471–473, 488, 504 – Kirchengeschichte  32, 66, 476 Engellehre  257 f., 314, 377 → Dämonen – Engel als Gottes Boten  172, 261, 263 f., 266, 279, 281, 446, 448 f. – Engel als himmlische ciuitas dei  44, 48, 51, 63, 340 f., 516 – Engel am Jabbok  283–285 – Engel in Mamre  251, 255–258 – Engelehen (Gen 6)  26, 140 f., 142, 168 – Engelfall  40, 48, 57, 140, 143, 187, 314, 404, 515 f. – Gottes Kommunikation mit Engeln 170–173 Erdteile  157 f., 179, 220, 322 Erlösung → Soteriologie – Allerlösung  29, 484, 486 Erwählung  29, 38, 57, 100–102, 139, 183 f., 244, 273, 278, 364, 376, 385, 417, 449, 465, 484 f., 508, 515–517 – Erwählte aus den Völkern  441 f., 463 f., 471 f., 507 – erwählter Rest  151 f., 370 f., 425, 444 f., 480 f., 484 f. – erwähltes Volk  5, 86, 193, 306, 485, 504, 511 Etymologie  6, 123–128, 132 f., 506

Eucharistie  37 f., 42, 45, 47 f., 82, 145, 290 f., 357, 368, 371 f., 417–420, 448, 489, 516 f. ‚Eusebianische Reichstheologie‘  3, 39 f., 477 Evangelium  184, 291, 308 f., 357, 393, 403, 409, 457, 460, 478, 488 f. – Ausbreitung des Evangeliums  33, 60, 319, 322, 357, 409, 435 f., 440, 447, 460, 469, 474 f., 482, 489, 492, 497, 512, 515 Exodus  299 f., 325 f., 334 Fluch  82 f., 162–167, 230, 394 Fortschritt → Offenbarung, fortschreitende → procursus / excursus – Fortschritt der ciuitas dei  33, 70, 314, 316, 318 f., 350, 436 – Fortschritt der Geschichte  17 f., 26, 30, 73 f., 312 f., 316, 515 – innerweltlicher Fortschritt  33, 40, 56, 312–316, 429 f., 451 Frieden – ewiger Frieden  351, 394–397 – irdischer Frieden  19, 41, 229, 394–397, 464, 474 Gehorsam → oboedientia – Gehorsam gegenüber dem Staat  24 – Gesetzesgehorsam  85, 190, 308, 335, 449, 482 f. – Glaubensgehorsam 27, 259–266, 271 f., 277, 308, 466 – Gottesfurcht  71, 251, 449, 487 f. Genealogie  116–119, 138–140, 157–161, 176–184, 288 – Stammbaum Jesu  209, 288, 308–311, 331 f., 374, 385 Gerechtigkeit  92–97, 226 f., 362–364, 401 f., 442, 487 f., 514 Gericht  → debiti fines – Endgericht  28 f., 151, 239, 318 f., 363–365, 433, 441, 444, 484–486, 493–500, 509

4 Sachregister

– endzeitliche Rettung  151 f., 156, 239 f., 257 – innerweltliches 135, 257 f. – Scheidung der ciuitates  105, 338, 499 f., 486, 500, 513 – über Israel  35, 364, 379, 484 f. Geschichte – dreiteilige Geschichtsgliederung 26, 56, 252, 299 – Geschichtlichkeit 34–41, 101 – Geschichtsbewusstsein 51, 198–200 – Geschichtsdenken  1, 7 f., 76 f., 195–201, 492 f., 501, 504–507, 515–517 – Geschichtsphilosophie  17, 19 f., 29 f., 32, 51, 67, 318, 494 – Geschichtstheologie  4 f., 14, 51, 66 f., 72, 91, 231, 272 f., 306, 321, 330, 382, 386, 426, 490, 505, 511, 515–517 – Geschichtstheorie 1, 72 – lineares versus zyklisches Denken  30 f., 198–202, 318, 515 f. – profane Geschichtsschreibung 64, 67 f., 174 f., 321, 429 f., 432 f., 453 f., 502 – Profangeschichte  66, 177, 219–223, 319–321, 328 f., 427–432, 493 – Sinn der Geschichte  24 f., 41 f., 73 f., 515 – Sinnlosigkeit der Geschichte  40, 73 – Universalgeschichte  32, 267, 316 Gesetz / lex  14, 47, 85, 252, 277, 325, 424, 482, 488 f. – Werke des Gesetzes  81–83, 90, 194, 327, 512 f. Glaube  16–29, 50, 238, 507, 511 → fides / credere → Unglaube – Glaube Abrahams  191–195, 208 f., 212, 231, 258–264, 267, 271 f. – Glaube und Werke  194, 206–208, 226, 308, 356 – Glaubenszweifel  3, 231, 250 f., 264, 307 Glück → Krieg, Kriegsglück – (ewige) Glückseligkeit  88, 132, 379 f., 453–456, 500

593

Gnadenlehre  4, 49, 72, 95 f., 101–103, 114, 139–142, 182–184, 206–210, 226 f., 248–254, 272 f., 307, 360–362, 485–488, 498, 505, 507 → natura / gratia Gnosis  80, 100, 135 f., 146 – Sethianismus 135 f. Goteneinfall  3, 37, 52, 62, 64, 104 f., 497 Gott – anthropomorphes Gottesbild 79 f., 146 f., 172, 264 f., 269 f., 370, 510 – Gott als höchstes Gut  17, 25 – Gottes Allgegenwart  172, 510 – Gottes Allmacht  17 f., 25, 41 – Gottes Allwissenheit  25, 172, 264, 355, 373, 510 – Gottes Eingreifen  4, 62, 249, 303–306, 350, 430 f., 472 f., 478 f., 508 – Gottes Gerechtigkeit  24, 327, 355, 497 – Gottes Heilsplan → dispensatio – Gottes Pädagogik  25, 39, 56, 71, 304 f., 314 f., 319, 325, 386, 485, 491 f. – Gottes Reue  145–147, 156, 375, 378 – Gottes Strafe  83 f., 142 f., 145, 169 f., 317–319, 359, 412, 421–427, 481, 500, 509 f., 520 – Gottes Unveränderlichkeit  18, 31, 54, 145–147, 173, 373, 382 – Gottes Vorherwissen  25, 147, 378 f., 391 – Gottes Vorsehung → prouidentia – Gottes Zorn  145–147, 151 f., 426, 444, 510 – Gottesbegriff 25 f. Götzendienst  43, 213 f., 217–219, 280 f., 317, 336, 382, 423–425, 429 f., 432–434, 440, 446, 471, 473 f., 490, 499 Häresie → haeretici Hebräer  159 f., 185, 284, 302, 310, 450 – Hebräische Sprache  160, 185–187, 211 f., 310 f., 452 Heilsgeschichte  5, 33, 316, 476, 490, 502, 507 → historia sacra

594

Register

– heilsgeschichtliche Dynamik 187–189, 316–319, 335 f., 458 f., 509 f., 516 f., 520 – als modernes Konzept  14, 63 f., 66, 69, 72 Heilsuniversalisierung  35, 37, 187, 298, 431 f., 435 f., 444, 451, 460, 474 f., 485 f., 514 Hermeneutik  8, 11, 21, 74, 196 f., 216, 299, 337, 345–349, 400, 457, 501–504, 507, 512 Herrschaft → Erdteile → regnum militiae – Bewertung von Staaten  24, 106 f., 321, 507 – Fremdherrschaft  36, 292, 321, 426 f., 430 f., 458 f., 463, 473 f., 482, 520 Himmelreich / Reich Gottes  36, 58–60, 131, 193, 200, 238, 332, 351, 380, 478, 489 – Kirche als Reich Gottes  23, 39 Historische Kritik  5 f., 11, 518 Historizität  70 f., 119–121, 148–151, 344 f., 349, 428 f., 455, 502, 512 → Schriftsinn, historischer Hochmut → superbia Hoffnung  32, 132 f., 138 f., 198, 227 f., 420 (Hohe-)Priesteramt  45 f., 279 f., 327, 350, 365–376, 380 f., 388, 408 f., 418 f., 468, 474, 512 Idumäer  186, 274 f., 292 f., 440, 474, 487 Inspiration  63–65, 487 → Septuaginta, Inspirationsgeschehen – Inspiration der Propheten  27, 328, 349, 399, 462 – Inspiriertheit der Schrift  2, 5, 104, 116, 177, 452, 457, 490, 502 f., 518 Israel  284, 421 → Erwählung – ‚irdisches‘ Volk Israel  182 f., 231–239, 406 f., 459, 461, 472 f., 487, 507, 510–512 – Königtum Israels  311 f., 315, 339, 350–353, 364 f., 372–376, 383–388, 394, 414 f., 419–427, 512

– Teilung Israels  377 f., 420–427, 446, 458, 460, 520 – Untreue Israels  43 f., 57, 233 f., 335 f., 382, 431 f., 421–427, 459 – Vorzug Israels  27, 183 f., 278, 298, 356 f., 474, 480, 507 f. – ‚wahres‘ Israel  284, 391, 396 f. Jerusalem  2, 6, 23, 75, 100, 105, 128, 171, 222, 225, 242 f., 268, 285, 317, 332, 336–344, 351, 364, 367–370, 372, 374 f., 381, 388 f., 394 f., 397 f., 403, 409, 414, 422–424, 426 f., 447, 458 f., 463–465, 473, 480, 489, 504 f., 520 – himmlisches  36, 100, 110, 222, 240, 259, 268, 285, 308, 337 f., 341–343, 354, 367–370, 389, 392, 394 f., 397 f., 414, 473, 488, 505 Judenchristentum  39, 165, 437, 440 Judentum  73 f., 190–192, 348, 512 f. → Bekehrung, der Juden → Schicksal, der Juden → Unglaube – Antijudaismus  74 f., 80–86, 272–275, 308, 376–379, 394, 411–414, 449, 480–485, 507, 510–513, 518 – dienende Funktion der Juden  89–91, 240–245, 272–275, 379, 480, 482, 511 f. – Unverständnis der Schrift  244, 277, 348 f., 357 f., 413 f., 480 f., 483, 502 – Verantwortung für den Tod Jesu  81– 86, 165, 360, 405, 410–412, 415 f., 481 – Verlust der Staatlichkeit  83–86, 89, 292, 358, 427, 480 f., 508, 511 – Zerstreuung der Juden  83–90, 292, 481 f. Kainszeichen  83–86, 89 f., 358 Kanon – Kanonizität  63–65, 331, 415 f., 452, 456 f., 459, 462 – Slenczka-Debatte 6 f. Kirche → Ekklesiologie Konstantinische Wende  3, 61, 86, 490 f., 494 Kosmologie

4 Sachregister

– Ordnung der Schöpfung  14, 30 f., 33, 40, 48, 58 f., 74, 135, 175, 192, 451 – Unterwelt  176, 358 f., 392, 412 f. Krieg – gerechter Krieg  19, 304 f., 327 f., 508 f. – heiliger Krieg  19, 108, 304 f., 327 f., 440, 508 f. – Kampf der beiden ciuitates  16, 275 f., 323, 492, 517 – Kriegsglück  302 f., 306 f., 328, 381, 426, 430 f., 509 Kult → Opfer – heidnischer Kult  3, 49, 130, 373 f., 482, 490, 498 f. – Kult der ciuitas dei  46–49, 59 – Kult Israels  46–48, 72, 85, 295, 300–302, 327, 367 f., 371 f., 409, 418 f., 423 f., 440 f., 448, 474 – römische Religion  9, 37, 46–49, 127 f., 130, 490, 499 Kultur  18, 199 f., 313, 430, 451, 514 f. Landnahme  236 f., 304, 306 f., 327, 334 f., 431, 520 Leben – Lebensalter  55 f., 249, 309–316, 419, 472, 508 – Lebensdauer 115–123, 142 f. – Ordnung des Lebens  235, 354, 430 Liebe → caritas – Gottesliebe / amor dei  23, 47 f., 101 f., 346, 506 – göttliche Liebe  71, 265, 403 – Nächstenliebe  36, 48, 71, 227, 305, 506 – Selbstliebe / amor sui  23, 47 f., 102, 364 Liturgie  3, 46, 357 Lobgesang Hannas  249, 350–365, 372, 417 Makkabäerbücher  465–467, 473 f. Manichäismus – antimanichäische Argumentation 79 f., 207, 229 f., 264, 288 f., 279, 326, 348 f., 374, 385, 502, 513 – Augustin als auditor  3, 8, 370, 486

595

– manichäischer Mythos  9, 404, 419, 497, 517 – manichäischer Schriftgebrach  9, 279, 326, 346, 370 Märtyrer  86 f., 115 f., 377, 417, 466 f., 479, 490 Monotheismus  21, 27, 35, 191, 194, 213 f., 323, 429 f., 451, 499, 505 Moral → Tugend – moralische Verteidigung biblischer Gestalten  79 f., 162 f., 227 f., 245–247, 250 f., 270–272, 276 f., 280–282, 307, 324, 339, 506 Musik 398 Mystik  45, 98, 316, 327, 359, 433 – mystische Mutterschaft  102, 240 f., 243, 259, 268–270 Nathansweissagung  342, 381–387, 395–397, 464 Natur – Naturgesetz  24, 122, 245 f., 258, 321 – Naturphilosophie 233, 434 f. – Naturwissenschaft 149–151, 174 f., 191 f., 453 – unnatürlich  175, 228, 254, 262, 429 Neid  107, 113–115, 286, 325, 361, 416 Neuplatonismus  13, 22, 43, 52–55, 58, 99, 316, 454 Nordafrika  9, 60, 376, 496 Offenbarung  15, 33 – als Geschichte  65, 69 f., 439, 508, 512 Opfer – fortschreitende  70, 350, 435 f., 502, 515 – Menschenopfer 87, 260 – Opfer Kains und Abels  80 f., 110–115 – Opferung Isaaks  190 f., 206, 259–267 Paradies  110, 187, 198, 252, 346 f. Passah → transitus Patriarchen  55, 72, 94, 121, 178 f., 190–192, 200, 207 f., 247 f., 307, 324, 419 f., 452–454, 487, 503, 505 f. – Namenswechsel  193, 208, 252–254, 283–286

596

Register

– Patriarchen und Propheten  55, 94, 102, 187, 407, 453 f. Pelagianismus  39, 42 f., 45, 68, 89, 91–96, 101, 209, 268, 354, 488, 506, 512–514, 516 – Pelagianischer Streit  8, 91, 134 f., 139, 206 f., 210, 226 f., 230, 487 f. Persien  445, 461 f., 495 Pessimismus  18, 26, 315 Pfingsten  59, 171, 302 f., 439, 478–480, 488 f., 498 f., 507, 519 Philologie  11 f., 348, 369, 517 f. Philosophie → Geschichte, Geschichtsphilosophie → Natur, Naturphilosophie – Abraham als Philosoph  191, 206, 208 – antike Philosophie  31, 37, 43, 52 f., 74 f., 104, 148, 192, 318, 348, 450–457, 476, 504, 506, 514 f. – Existentialphilosophie  34, 71, 429 – moderne Philosophie  30, 34 – ‚zerstrittene‘ antike Philosophie  21, 455–457, 504 Pilgerschaft → peregrinatio Platonismus  22, 43, 68, 103, 354, 450, 510, 514 Pneumatologie  122, 155, 202, 302 f., 357 f., 469 f., 503 f. → spiritales – Geist und Buchstabe  14, 196, 358 – geistlich und fleischlich  14, 70, 108, 240, 244 f., 293, 504, 507 Prädestination  → Determination → Erwählung Predigt  73, 87 f., 92, 235, 274, 408, 518 Prophetie → tempus prophetarum – Ausbleiben der Propheten  459 f., 462 f., 472, 476 f., 508, 520 – außerbiblische  432–435, 483, 486, 497 f. – falsche  166, 425, 456 – Prophetieverständnis 63–66, 202–205, 221–223, 332 f., 337–349, 352 f., 366 f., 376, 388, 400, 425, 427, 435, 438 f., 459 f., 503 Prüfung  194 f., 259 f., 244–266, 487 f.

Rechtfertigungslehre  85, 194, 208–210, 226, 308 Reich Gottes → Himmelreich Reinheit / Unreinheit  150 f., 155 f., 174 Religionsgeschichte  7, 71, 230, 473 Richterschema  316 f., 509, 517, 520 Riesen  140–142, 152, 167 f. Rom / Imperium Romanum  3 → Goteneinfall → pax romana – Bewertung Roms  3 f., 28, 40, 61–63, 106 f., 429–432, 486, 493–496, 514 f. – Gründungsmythos 103–109, 427–432 – Niedergang Roms  33, 60 – römisches Recht  100, 128, 497 Sabbat  82 f., 85, 128 f., 250, 318 f., 326 f., 516 Samen / semen  137, 247 – Samen Abrahams  193, 223–225, 239, 333–337, 454, 461, 485, 511 Schatten und Licht – in Bezug auf AT/NT  21, 27, 72 – in Bezug auf die ciuiates  211, 242–244 – Schatten als Zeichen  279 f., 367, 373 f., 383 f., 388, 396, 398, 418 Schau / uisio  100, 171, 183, 199, 214, 253, 284, 380, 397, 403 f. Schicksal  18, 35, 203, 307, 516 – der ciuitates 354, 515 – der Juden  29, 86, 292, 319, 389, 427, 437 f., 480–486 – der Kirche 488–493 Schleier  83, 163, 348, 379, 420 Schöpfung  → exortus – und Neuschöpfung 54 f., 58, 187 f. – Schöpfungstage  26, 54, 57, 128 f., 313, 317–319, 375, 505 Schriftsinn – dreifacher 21 f. – geistlicher  12 f., 201, 470 f., 501, 518 – historischer  13, 65, 470 f., 501, 518 – literaler  13, 67, 502 – mystischer 17, 21 – vierfacher  12, 14, 65 Schwur  230, 266, 270, 387, 392

4 Sachregister

Seelenlehre  114, 235 f., 359, 369 f., 392, 412 f., 457, 489, 491 f. Segen  162, 166 f., 274–279, 284 f., 288–294, 324 f., 395, 474 Septuaginta  – Differenz zur Hebräischen Bibel  120– 123, 160 f., 179 f., 215 f., 286–288, 375, 389, 393, 464 f., 467–471, 485, 503 f. – Inspirationsgeschehen 122 f., 180, 467–469, 474, 503 Sintflut  142–145, 148–156, 160 f., 188, 212, 310, 317, 519 f. Soteriologie  29, 61, 68 f., 72, 208, 226, 359 f., 391 f., 405, 447 f. Soziologie  19 f., 42, 48, 59 – Gesellschaftsverständnis 61, 63 Sprachverwirrung → confusio Staatsbegriff  2, 38 f., 63, 83 Stadtgründung  98, 104–108, 116–119, 122, 127 f., 159, 168, 427–432 Sterblichkeit → Anthropologie – Sterblichkeit Christi  46, 96, 357, 393, 433 – Sterblichkeit der Menschen  8, 131, 138 f., 153, 174, 188 Stiftshütte → Zelt Stoa  26, 30, 206, 318 Sühne (AT)  118 f., 300 f. → Christologie, Sühnetod Sünde → peccatum → Ursündenlehre – Sündenfall  26, 54 f., 97 f., 135, 140, 143 f., 187 f., 252, 391 – Sündenvergebung  80–83, 105, 252, 285, 357, 414, 448, 479, 489 – Sündlosigkeit  91–97, 226 f., 385–387, 433, 487, 506 Taufe  104, 152–154, 227, 250–252, 290 f., 300, 365 Teleologie  17, 54 f., 109 f., 198, 318, 515 f. Tempel – Salomonischer Tempel  336, 341 f., 381–384, 388 f., 396, 423 f., 462 f.

597

– Tempel Gottes  48–51, 128–131, 342, 383 f., 395 f., 437, 462–465, 472, 504 f. – Tempelweihe → dedicatio – Zweiter Tempel  336, 342, 367, 372, 409, 458 f., 461–464, 471 f., 480 Tendenzkritik → Darstellungsabsicht Teufel / diabolus  29, 93, 134, 265, 320, 361 f., 404 f., 419, 456 f., 490 Theodizee  175, 260–267, 473, 485 f. Tiere  149–156, 171–175, 230–239, 445, 493–496 Toleranz gegenüber anderen Schriftauslegungen  344 f., 349, 518 Tora  205, 503 – Toraobservanz → Gesetz Trinitätslehre  172, 238, 255 f. Tugend  191 f., 206, 241, 312 f. Tun-Ergehen-Zusammenhang  4, 25, 306 f., 317, 334, 339, 426, 449, 473, 509 f. Turmbau zu Babel  160, 167–173, 176, 181 f., 184, 216, 317, 480, 519 f. Typologie  192–203, 221, 260, 501 Umkehr  104, 143, 339, 361, 414, 470, 478 Unfruchtbarkeit  240, 245–250, 254, 264, 273, 353, 357 f., 417, 439 Ungehorsam / inoboedientia  187 f., 260, 304 Unglaube  16 f., 22 f., 26, 31, 33, 87, 251, 258 f., 307 f., 323, 395, 481 – der Juden  27, 393 f., 413 f., 454, 511 Urchristentum  36 f., 397 Ursündenlehre  19 f., 68 f., 91, 93, 137, 175, 207, 226 f., 252, 273, 391, 485 f., 506 Verfolgung → Donatismus, Verfolgung der Donatisten – Christenverfolgung  60, 354, 360, 392–394, 410, 443, 479, 488–499 – von Häretikern  108, 305, 491 f. Verheißung  221–225, 240–253, 260–269, 333–336, 372 f., 380–384, 506

598

Register

– Verheißung und Erfüllung  5, 10, 14, 56, 221–225, 435 Vernunft  21., 34, 37, 114, 173 f., 456 Verstockung  304, 379, 413 f., 444, 448 f., 481, 483 f. Verwerfung  101 f., 273, 373, 442 Vetus Latina  12, 376, 390, 419 Volk / Völker  4, 274 f., 293–295 – Volk Gottes / populus dei  41–45, 51, 91, 186, 231, 286, 314, 387, 437, 442, 446, 504 f. – Völkertafel  157–161, 166 f., 176, 178–182 Vollendung  38, 44 f., 49 f., 108–110, 129, 471 f., 505 Wachstum – der ciuitas dei  40, 186, 314, 352–354, 504, 515 f. – des Leibes Christi  39, 55–57, 493, 508 – der Menschheit  95, 135, 144, 314 – des Volkes Israel  224 f., 232, 248, 268, 282 f., 311, 324 f. Wahrheit  20–22, 53, 173, 457, 466, 479, 504, 511, 514 Weisheit  20 f., 53, 291, 312 f., 357 f., 415, 417 f., 450–457, 503 f. – Sapientia Salomonis 415 Weissagung  195–202, 337–349 – Weissagungsbeweis  20, 31, 474 Weltbild  175 f., 225 Weltzeit → saeculum – Weltzeitalter / aetas  26, 75, 187–189, 309–319, 329–332, 505, 516 f., 519 f. Werke → Gesetz, Werke des Gesetzes Wiedergeburt → regeneratio Wiederkehr → Christologie, Parusie – (ewige) Wiederkehr des Gleichen  17, 26, 30–32, 55, 318, 484, 516 Willensfreiheit  92, 94–97, 139, 226 Wirkungsgeschichte  23, 41, 74, 157, 305, 397, 482, 511, 513 f. Wunder  20 f., 28, 171 f., 218, 262, 300, 425, 429 f., 439, 441, 446 f., 468 f., 478, 489 f., 498, 503

Zahl – Zahl der Erwählten  60, 150 f., 224, 319, 485, 517 – Zahlenspekulationen  118 f., 153 f., 160 f., 233, 470 f., 493–499 Zeichenlehre → res / signum Zeit  18, 31, 58 – Zeitrechnung  117 f., 121 f., 138 f., 180, 493–499 Zelt / tabernaculum  50, 279 f., 300–302, 327

4.2  Lateinische Begriffe antipodes  172, 175 f., 225 antiqui iusti  130, 226, 514 asylum Romuli  104 f. caritas  44, 47–48, 50, 80, 112, 362, 492, 506 ciuitas  2, 6, 22 f., 38 f., 47 f., 59 concupiscentia  109, 114, 135, 207, 247 confusio  19, 100, 140, 170 f., 220, 341, 480, 490 f., 504, 506 f. corpus permixtum  38, 58, 102, 150 f., 155, 163–167, 338, 377, 465, 513, 516 debiti fines  1, 51, 69, 276, 354, 515 dedicatio  49 f., 127–131, 280, 342, 396, 464 f. dispensatio  14 f., 30 f., 67, 69, 72, 198, 248, 373, 432, 502, 512 ecclesia – ecclesia ab Abel  27, 69, 71, 86 f., 89, 97, 193, 208, 231, 454, 492, 505, 507, 512, 516, 520 – ecclesia catholica  43–45, 171, 480, 496 exortus  1, 51, 69, 97 f., 515 fides / credere  276 f., 293 f., 408 filii dei  136, 139–142, 168 fruitio dei  113 fundamentum  50, 87, 129 generatio → regeneratio

4 Sachregister

– generatio / regeneratio  92 f., 131 f., 139, 184, 250, 514 haeretici  165–167, 269 f., 292, 338, 490 f. – mali et haeretici  44, 156, 305, 320, 479, 492, 520 historia sacra  14 f., 63 f., 67, 70, 177, 201, 477, 490, 493, 502 humilis / humilitas  69, 328, 359, 396, 414 imago  103, 242–244, 383 – imago dei  369 f. imitatio  17, 92–94, 191, 226, 294, 514 massa damnata  99–102, 241, 244, 509 mater – mater ecclesia  43 f., 102, 130, 243, 259, 274, 354 mediator  46, 52 f., 68, 154 mysterium  32, 151, 163, 246, 270, 276, 283, 288, 298

peregrinatio  6, 33, 41, 50, 97, 99–102, 109 f., 115 f., 153, 160, 174, 241 f., 316–319, 337, 364, 397, 403 f. 442, 505, 512, 515–517, 520 plantatio ciuitas dei  181 f., 211 f. possessio  98 f., 124 f., 138, 341 – possessio dei  340 f. procursus / excursus  1, 32 f., 41, 69, 97, 187, 210 f., 316 f., 318 f., 467, 476, 499, 515 prouidentia  14, 149, 304, 321 f., 426, 462 recapitulatio  138, 176 f., 211, 216 f., 320 f. regeneratio  72, 227, 514 regnum militiae  24, 50, 305, 493 regula fidei  344, 518 res gestae  13, 53, 148, 345, 502 f. res / signum  14, 70, 123 f., 346–349, 473, 502 saeculum  61, 63, 97, 99, 224 spiritales  237, 290–292, 364 superbia  23, 113, 169 f., 354 f., 506

natura / gratia  244–248 oboedientia  23 f., 259 f., 271 f. paruuli  252, 291 f. pax romana  33, 39, 430–432, 436, 477, 497 peccatum  107 f., 113–115, 187 f., 273, 339

599

tempus prophetarum  298 f., 330–333, 350–353, 420 f., 459 f., tertium quid  98 f., 103, 109 f., 485 transitus  302, 356 f. uita beata  52 uti / frui  18, 67, 112 f., 188 f., 247, 499