Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts: Band 1 Entwürfe zu einer Strafverfahrensordnung und einer Friedens- und Schiedsrichterordnung (1936–1939) [Reprint 2016 ed.] 9783110909012, 9783110129458

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Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts: Band 1 Entwürfe zu einer Strafverfahrensordnung und einer Friedens- und Schiedsrichterordnung (1936–1939) [Reprint 2016 ed.]
 9783110909012, 9783110129458

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Entwürfe von 1936 bis 1939
Entwurf einer Strafverfahrensordnung, einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung und eines Gerichtsverfassungsgesetzes
Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichterordnung (aufgestellt von der Großen Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums)
Entwurf einer Strafverfahrensordnung, zusammengestellt nach den bisher vorliegenden Vorschlägen der Unterkommissionen der Großen Strafprozeßkommission
Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen der Großen Strafprozeßkommission
Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung
Begründung zum Entwurf einer Strafverfahrensordnung
Konkordanz des StVO-Entwurfs vom Mai 1939 mit den Entwürfen vom Februar 1936, Oktober 1937, Oktober 1938 und Februar 1939

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Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts

Herausgegeben von

Werner Schubert, Jürgen Regge, Peter Rieß und Werner Schmid

w DE

G 1991 Walter de Gruyter ■ Berlin ■ New York

III. Abteilung NS-Zeit (1933 —1939) - Strafverfahrensrecht Band 1 Entwürfe zu einer Strafverfahrensordnung und einer Friedens- und Schiedsrichterordnung (1936 - 1939)

Herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von

Werner Schubert

w DE

G 1991 Walter de Gruyter ■ Berlin ■ New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. Die Deutsche Bibliothek

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CIP-Einheitsaufnahme

Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeßrechts / hrsg. von Werner Schubert ... - Berlin ; New York : de Gruyter. Abt. 3, NS-Zeit (1933-1939) - Strafverfahrensrecht. NE: Schubert, Werner [Hrsg.] Bd. 1. Entwürfe zu einer Strafverfahrensordnung und einer Frie­ dens- und Schiedsrichterordnung : (1936-1939) / hrsg. und mit einer Einl. vers. von Werner Schubert. - 1991 ISBN 3-11-012945-0

© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., 0-1000 Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­ halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin 30 Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin 61

Inhalt EINLEITUNG ............................................................................................................................. I. Überblick über den Inhalt der Abteilung III .................................................................. II. Die Beratungen der Kleinen und Großen Strafprozeßkommission .......................... III. Die Ergebnisse der Beratungen der Kleinen und Großen Strafprozeßkommission . . IV Zur Bewertung der Arbeiten der Großen Strafprozeßkommission.............................. V

Anhang: Leitsätze aus der Denkschrift des NS-Rechtswahrerbundes von 1937: „Neu­ ordnung des Strafverfahrensrechts“ ...........................................................................

VII VII VIII X XVI XVIII

ENTWÜRFE VON 1936 bis 1939

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266

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Entwurf einer Strafverfahrensordnung, einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung und eines Gerichtsverfassungsgesetzes (aufgestellt von der Kleinen Strafprozeßkom­ mission des Reichsjustizministeriums. Abgeschlossen am 27. 2. 1936)...................... 3 Zur Einführung .................................................................................................................... 5 Leitgedanken ...................................................................................................................... 6 Text des Entwurfs einer Strafverfahrensordnung (§§ 1 -429) ........................................ 20 77 Text des Entwurfs einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung ( § § 1 - 4 2 ) ........ Text eines Gerichtsverfassungsgesetzes mit Ausnahme der die Zivilrechtspflege be­ treffenden Vorschriften (§§ 1-142) ............................................................................. 85 Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichterordnung (aufgestellt von der Großen Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums). Erste Lesung 1936/37. Abgeschlossen am 28. 10. 1937 (StVO) und 22. 12. 1937 (FR O )................. 103 Text des Entwurfs einer Strafverfahrensordnung (§§ 1 -4 3 4 ) ........................................ 107 Text des Entwurfs einer Friedensrichterordnung (§ § 1 -6 3 ) .......................................... 165 Entwurf einer Strafverfahrensordnung, zusammengestellt nach den bisher vorliegenden Vorschlägen der Unterkommissionen der Großen Strafprozeßkommission. (§§ 1 -3501) Zweite Lesung. Gedruckt imOktober 1936 ................................................................. 175 Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsord­ nung, zusammengestellt nach den Vorschlägen der Unterkommissionen der Großen Strafprozeßkommission. Zweite Lesung. Abgeschlossen am 14. 2. 1939 .......................................................... 221 Text des Entwurfs einer Strafverfahrensordnung (§§ 1 -4 3 4 ) ........................................ 225 Text des Entwurfs einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung (§§1 -6 3 ) Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsord­ nung. Abgeschlossen am 1. Mai 1939 ........................................................................ 297 Text des Entwurfs einer Strafverfahrensordnung (§§ 1 -4 6 9 ) ........................................ 301 Text des Entwurfs einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung (§§1 -5 9 )

362

Begründung zum Entwurf einer Strafverfahrensordnung ..................................................... Begründung zum Entwurf einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung..............

372 607

KONKORDANZ des StVO-Entwurfs vom Mai 1939 mit den Entwürfen vom Februar 1936. Oktober 1937, Oktober 1938 und Februar 1939 ........................................................................

639

Einleitung* I. ÜBERBLICK ÜBER DEN INHALT DER ABTEILUNG III In der Abteilung III der Reihe: „Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozeß­ rechts“ werden in vier Bänden die Entwürfe zu einer Neukodifikation des Strafver­ fahrensrechts, die Protokolle der Großen Strafprozeßkommission des Reichsjustiz­ amts (1936-1938) und die dort gestellten Anträge sowie die von den Unterkommis­ sionen erarbeiteten Teilentwürfe wiedergegeben. Die (Kleine) Strafprozeßkommission des Reichsjustizministeriums (Dezember 1933—1936) hat, von zusammenfassenden Berichten über die Vorberatungen im Dezember 1933 abgesehen, keine Protokolle hinterlassen. Es liegen lediglich die Anträge der Kommissionsmitglieder und Sachbearbeiter des Reichsjustizministe­ riums vor (Nr. 1 -1 3 3 der Anträge). Ferner existiert noch ein Entwurf zu einer Strafverfahrensordnung in 1. Lesung von 19341. Entgegen den ursprünglichen Plänen wurden diese Materialien der Kleinen Kommission zunächst nicht in die Edition aufgenommen, da sich ein Nachdruck dieser umfangreichen Texte nicht finanzieren ließ bzw. bei der beschränkten Aufnahmekapazität des juristischen Buchmarktes für rechtshistorische Editionen ein kostendeckender Absatz eines solchen Bandes nicht gesichert erschien. Das Weglassen der genannten Materialien (vgl. Übersicht im Band III 2,1) läßt sich sachlich damit rechtfertigen, daß die Anträge bei dem Fehlen von Protokollen nicht sehr aussagekräftig sind, da sie keinen Aufschluß über die Kräfteverhältnisse in den Beratungen geben. Der vorliegende erste Band der Abt. III enthält die Entwürfe der Kleinen Kom­ mission vom 27. 2. 1936, die Entwürfe der Großen Kommission von 1937 und 1938, vom Februar 1939 sowie die letzte, am 1.5. 1939 abgeschlossene Fassung. Nicht aufgenommen wurde die nur als Entwurf der Sachbearbeiter des Reichsjustizamtes überlieferte Begründung zum Entwurf von 19362. Abgesehen davon, daß der Druck des umfangreichen Textes ebenfalls nur schwer finanzierbar gewesen wäre, ist der Quellenwert des erhaltengebliebenen Manuskripts vom November 1936 nur gering, da sich nicht feststellen ließ, wieweit er bereits die endgültige Fassung darstellen sollte. Im übrigen wurden in die Edition nicht aufgenommen die Materialien zu den Novellen zur Strafprozeßordnung. Diese beruhen zu großen Teilen auf den Arbeiten der Kleinen und der Großen Strafprozeßkommission und sind deshalb, soweit es die Grundlagen der Regelungen betrifft, durch die Quellen der vorliegenden Edition bereits dokumentiert. Auf eine weitergehende quellenmäßige Erschließung der No­ vellen muß im übrigen aus Kostengründen verzichtet werden.

* Anstelle eines Vorworts sei dem Hrsg, gestattet, darauf hinzuweisen, daß dieser sich nach Meinung eines Rezensenten der Abt. II wiederum des wissenschaftlichen Delikts der ungerechtfertigten Bereiche­ rung der Wissenschaft durch eine neue Edition schuldig gemacht hat. In Anbetracht der großen Vorbe­ lastungen (vgl. den wissenschaftlichen Sündenregisterauszug in GA 1991, S. 49f.) hätte der Hrsg, vielleicht besser daran getan, sich in die wissenschaftliche Sicherungsverwahrung zu begeben, statt die straf­ rechtliche Literaturflut (vgl. GA 1991, S. 52) auch auf die bisher ruhigen Gefilde der neueren Strafrechts­ geschichte hinüberzuleiten. 1 Enthalten in der Akte des BA Koblenz R 22/1034. 2 In der Akte des BA Koblenz R 22/1057.

Die Einleitung in den vorliegenden Band befaßt sich einmal mit den Arbeiten der Kleinen Kommission und gibt zum anderen einen Überblick über den Inhalt der Entwürfe. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Monographie von WolfPeter Koch: Die Reform des Strafverfahrensrechts im Dritten Reich unter besonderer Berücksichtigung des StVO-Entwurfs 1939. Ein Beitrag zur Strafrechtsgeschichte (Diss. iur. Erlangen/Nürnberg, 1972). Diese Arbeit gibt einen umfassenden Überblick über die Grundlagen der strafprozessualen Reformbestrebungen in der NS-Zeit. Leider sind hierbei die Entstehungsgeschichte der Entwürfe und die Arbeiten der Kommissionen nicht zusammenhängend dargestellt. Auch die Unterschiede zwi­ schen den einzelnen Entwurfsfassungen sind nicht deutlich herausgearbeitet. Aus­ führlicher ist insoweit die Darstellung von Gruchmann3, dessen Werk allerdings stärker an dem politik- und sozialgeschichtlichen Inhalt der Quellen interessiert ist. Die Kurzbiographien sämtlicher an den Beratungen der Kleinen und Großen Strafprozeßrechtskommission beteiligten Kommissionsmitglieder und Sitzungsteil­ nehmer sind in Bd. 2,1 der vorliegenden Abt. III enthalten.

II. DIE BERATUNGEN DER KLEINEN UND GROSSEN STRAFPROZESSKOMMISSION Die Einsetzung der (Kleinen) Strafprozeßkommission geht auf ein Schreiben des Reichsjustizministers vom 25. 9. 1933 an Frank und die Justizminister Preußens, Bayerns und Sachsens zurück, die um die Benennung von Kommissionsmitgliedern gebeten wurden4. Die Reform des Strafprozesses sollte sich möglichst unmittelbar an die Strafrechtsreform anschließen und zusammen mit der damals bereits ein­ geleiteten Reform des materiellen Strafrechts erfolgen. Die Kommission sollte zu­ nächst Richtlinien für die Reform ausarbeiten und dann einen ersten Entwurf auf­ stellen. In die Kommission wurden Schraut für das Frank unterstehende Reichskom­ missariat für die Gleichschaltung der Justiz, Dürr für das bayerische Justizministe­ rium, Weber für das sächsische Justizministerium sowie Crohne, Parey und Dörffler für Preußen entsandt. Hinzu kamen später noch Detlefs aus Hamburg und Landge­ richtsrat Cuhorst aus Württemberg. Für das Reichsjustizministerium nahmen an den ersten Sitzungen teil: Ernst Schäfer, Lehmann, Doerner und Schafheutle. An der zweiten Lesung nahmen noch Bähr und Niethammer teil. Mit Vorschlägen und Vorlagen traten noch ferner folgende Mitarbeiter des Reichsjustizministeriums her­ vor: Creifelds, Rempe, Schlüter, Schönke und Wiskott sowie Reichsgerichtsrat Fritz Hartung. Die Grundzüge für den Entwurf einer Strafverfahrensordnung wurden in den Beratungen der Kommission am 4., 5., 11., 12. und 13. 12. 1933 nach ersten Sitzungen am 2. und 20.11. 1933 festgelegt, über die kurze Aufzeichnungen und Zusammen­ fassungen vorliegen5. Die erste Lesung der auszuarbeitenden Vorlagen begann im März 1934 und war am 15. 12.1934 abgeschlossen. Soweit feststellbar, fanden Sit­ zungen u.a. statt vom 5 .— 13. 2. 1934, 1 3 .-1 6 . 3. 1934, 1 1 .-1 4 .4 . 1934, 8 .-1 2 . 5. 1934 und 1 6 .-2 3 . 6. 1934. Die zweite Lesung begann am 1.4. 1935 und endete am 27. 2. 1936. Die Kommission legte den Entwurf einer Strafverfahrensordnung, den Entwurf einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung sowie den Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes (mit Ausnahme der die Zivilrechtspflege betreffenden Vorschriften) vor. Diese Vorlagen wurden am 9. 5. 1936 an die Ministerien und andere

3 Vgl. L. Gruchmann: Justiz im Dritten Reich 1933-1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner, 1988, des. S. 980ff., 1011 ff. 4 Hierzu und zum folgenden vgl. BA Abt. Potsdam, Reichsjustizministerium, Nr. 5387. 5 Vgl. BA Abt. Potsdam, RJA, Nr. 5390 und BA Koblenz R 22/1041.

Institutionen versandt6. Über die Änderungsvorschläge wurde von Schlüter eine Zusammenstellung angefertigt7. Im einzelnen waren Stellungnahmen eingegangen vom Kriegsministerium, Innenministerium, Auswärtigen Amt, Ernährungsministe­ rium, Propagandaministerium, Kirchenministerium, Arbeitsministerium, Preußischen Finanzministerium und vom Postministerium. - Ferner lagen Stellungnahmen zum Entwurf von 1936 vor vom Reichsgericht8, vom Volksgerichtshof, vom Strafprozeß­ rechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht9 und von einem Arbeitsausschuß des NS-Rechtswahrerbundes10. Da der Entwurf selbst streng vertraulich war, durften Veröffentlichungen zur Strafprozeßrechtsreform auf diese Vorlage nicht eingehen. So mußten die Stellungnahmen des Arbeitsausschusses des NS-Rechtswahrerbun­ des und der Akademie für Deutsches Recht, soweit sie der Öffentlichkeit vorgelegt wurden*11, alle Hinweise auf den Entwurf weglassen. Die vom Reichsjustizministerium eingesetzte Große Strafprozeßkommission, die die Vorlagen der Kleinen Kommission beraten sollte, tagte vom 14. 12. 1936 bis 23.10. 1937 (1. Lesung in 48 Sitzungen) und vom 4.5. 1938 bis zum 10. 12. 1936 (4 8 .-7 9 . Sitzung in 2. Lesung) unter dem Vorsitz von Gürtner und in dessen Ab­ wesenheit von Roland Freisler. Die Protokolle dieser Kommission, die als Manuskript gedruckt wurden, werden zusammen mit den Anträgen der Kommissionsmitglieder und der Sachbearbeiter des Reichsjustizministeriums in den folgenden drei Bänden der Abt. III wiedergegeben. Im vorliegenden Band sind die Entwürfe der Großen Strafprozeßkommission in erster und zweiter Lesung (Oktober/Dezember 1937, Ok­ tober 1936) sowie die revidierte Fassung 2. Lesung vom 14. 2. 1939 wiedergegeben. Die endgültige, am 1.5. 1939 abgeschlossene Fassung der Entwürfe unterscheidet sich von der Februarfassung nur noch in einigen wenigen Punkten. Sie beruht im wesentlichen auf einer Besprechung vom 27. 3 .- 1 . 4. 1939 in Hahnenklee, deren Teilnehmerkreis im einzelnen leider nicht bekannt ist12. Im Herbst 1936 hatten Hess und Frank die Aufnahme einer Bestimmung gefor­ dert13, wonach der Reichsjustizminister im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers sollte anordnen können, daß die Verfolgung einer Straftat, die jemand in Erfüllung von Parteiaufträgen begangen hatte, sollte unterbleiben können, wenn das öffentliche Interesse an der Abstandnahme überwog. Da diese und noch weiterge­ hende Vorschläge für Gürtner nicht annehmbar waren, sollte hierüber Hitler nach einem persönlichen Vortrag Gürtners entscheiden. Jedoch kam es zu dieser Unter­ redung nicht mehr, offensichtlich weil Hitler einer Entscheidung ausweichen und die Verabschiedung der geplanten Kodifikation für nicht sehr dringlich hielt. Da grund­ legende Fragen noch offen geblieben waren, sah das Reichsjustizministerium von der geplanten Verabschiedung der Vorlagen durch das Reichskabinett ab. Eine Übersendung des Entwurfs mit der Bitte um Rückäußerung unterblieb. Gürtner beschränkte sich nunmehr darauf, wenigstens das Inkrafttreten des StGB-Entwurfs durchzusetzen, scheiterte damit aber am Widerspruch Hitlers, so daß auch die Strafprozeßrechtsvorlage nicht mehr weiter verfolgt wurde. 6 Vgl. BA Koblenz R 22/1035 und 1036. 7 Vgl. BA Koblenz R 22/1035, Bl. 496ff.; 1037, Bl. 9 4 ff. 8 Vgl. BA Koblenz R 22/1054 (auch schon zum Entwurf der Kleinen Kommission in erster Lesung), 1035 und 1037 (Bl. 203ff.). 9 Vgl. BA Koblenz R 22/1038, Bl. 124ff.; vgl. auch die 1937 erschienene Denkschrift: Grundfragen des neuen Strafverfahrensrechts. Denkschrift des Ausschusses für Strafprozeß recht der Strafrechtsabteilung der ADR, vorgelegt von A. Schoetensack und LG Dir. W. Töwe. 10 Diese Stellungnahme ist 1937 erschienen unter dem Titel: Neuordnung des Strafverfahrensrechts. 11 Vgl. Fn.9 und 10. 12 Vgl. BA Koblenz R 22/1038, Bl. 626 ff.; Ergebnisse der Besprechung vom 27. 3. bis 1.4.1939 in Hahnenklee über die zurückgestellten Fragen zum Entwurf der Strafverfahrensordnung. Gegebenenfalls wird dieser Text in Band III 2,3 wiedergegeben. 13 Vgl. Gruchmann, aaO., S. 1045ff.

III. DIE ERGEBNISSE DER BERATUNGEN DER KLEINEN UND GROSSEN STRAFPROZESSKOMMISSION

Auf dem Gebiete des Strafprozesses, so die Einführung in den Strafverfahrensordnungs-Entwurf der Kleinen Kommission vom Dezember 1934, lagen nur „wenige brauchbare Vorarbeiten“ vor14: „Die Entwürfe der Vor- und Nachkriegszeit sind in solchem Maße von liberalistischen Gedankengängen beherrscht, daß sie nur in sehr beschränktem Umfange verwendet werden können. Aber auch im ersten Jahr nach der nationalsozialistischen Revolution sind auf dem Gebiete des Strafprozesses Reformvorschläge von Bedeutung in der Öffentlichkeit nicht in dem wünschenswer­ ten Maße gemacht worden. So hat die Kommission im wesentlichen auf sich selbst gestellt arbeiten müssen“. Zu den Zielen der Reform gehörte die Schaffung einer schnellen, gerechten, autoritären und volksverbundenen Justiz15. Die beiden letz­ teren Ziele traten bald in den Hintergrund, während andere Leitgedanken sich in den Vordergrund drängten. Umstritten war zunächst der Aufbau der Strafgerichte16. In den Vorberatungen sprach sich die Mehrheit gegen die Mitwirkung von Laien­ richtern in allen Instanzgerichten mit Ausnahme des Schwurgerichts aus17. Das Schwurgericht sollte in Form des Schöffengerichts in der Besetzung mit drei Be­ rufsrichtern und sechs Laienrichtern beibehalten werden. Der Vorsitzende sollte dabei die Möglichkeit haben, „die Sache an ein anderes Schwurgericht zu verweisen, wenn er der Auffassung ist, daß das Gericht bei einem Urteilsspruch das Strafgesetz zugunsten oder zu ungunsten des Angeklagten verletzt hat“. 18 Der Entwurf vom Dezember 1934, ging von folgender Organisation der Gerichte aus: Kleine Krimi­ nalität: Erste Instanz: Amtsrichter als Einzelrichter; Berufungsinstanz: Strafkammer beim Landgericht (drei Richter) oder Rechtsrügeinstanz: Oberlandesgericht (fünf Richter); Mittlere Kriminalität: Erste Instanz: Kreisgericht (beim Amtsgericht; 3 Rich­ ter), Berufungsinstanz (Strafkammer beim Landgericht; 5 Richter) oder Rechtsrü­ geinstanz (Reichsgericht; 5 Richter); Schwere Kriminalität: Erste Instanz: Schwur­ gericht beim Landgericht (drei Richter, sechs Geschworene); Zweite Instanz: Reichs­ gericht (fünf Richter). Neben diesen Gerichten waren noch vorgesehen eine Straf­ kammer für sogenannte Monstresachen als erste Instanz (zweite Instanz: Reichs­ gericht) und der Volksgerichtshof und die Oberlandesgerichte als erste und einzige Instanz für Hoch- und Landesverrat. - In 2. Lesung wurde dann beschlossen19, die meisten Strafgerichte mit Berufsrichtern und Schöffen bzw. Geschworenen zu be­ setzen. Lediglich der Amtsrichter hatte nach §95 StVO-Entwurf von 1936 als Einzel­ richter zu entscheiden (Berufung an die Schöffenkammer bei dem Landgericht: drei Richter und zwei Schöffen oder Rechtsrüge an das Oberlandesgericht: fünf Richter). Für die mittlere Kriminalität waren vorgesehen das Schöffengericht (ein Richter, zwei Schöffen oder drei Richter, zwei Schöffen; Berufung: Schöffenkammer beim Landgericht mit drei Richtern und zwei Schöffen oder Rechtsrüge: Reichsgericht mit fünf Richtern), für die schwere Kriminalität das Schwurgericht beim Landgericht (drei Richter, sechs Geschworene) mit dem Rechtsmittel der Rechtsrüge an das Reichsgericht (fünf Richter).

14 Vgl. BA Koblenz R 22/1034, Bl. 39f. 15 Vgl. die „Fragen“ von 1933 für die Neuordnung des Strafverfahrens, in der Akte des BA Koblenz, R 22/ 1041, Bl. 3 ff. 16 Vgl. zum folgenden die in Fn. 5 nachgewiesenen „Ergebnisse“ über die Sitzungen im Dezember 1933. 17 Für Laienrichter traten ein: Lehmann, Schafheutle, Schraut, Cuhorst und Detlefs. 18 Vgl. BA Koblenz R 22/1034, Bl. 51 f. 19 Vgl. Leitgedanken der Erneuerung des Strafverfahrensrechts zum Entwurf einer Strafverfahrensordnung von 1936, S. 15s.

Zu den Leitgedanken der Reform gehörten zunächst20: Stärkung der Stellung der Staatsanwaltschaft und klare Unterscheidung zwischen Staatsanwalt und Gericht (Staatsanwalt als Herr des Vorverfahrens)21: „Der Ungeist der vergangenen Epoche wird durch das Schlagwort von der ,Waffengleichheit zwischen Staatsanwalt und Angeklagten' gekennzeichnet. Soweit damit nur ausgedrückt werden sollte, daß der Strafprozeß einen Ausgleich zwischen der Sicherung der Gemeinschaft und der Sicherung des Einzelnen zu treffen hat, wird auch der neue Staat dieser selbstver­ ständlichen Forderung genügen. Der Gedanke aber, den Staatsanwalt als den Ver­ treter der Staatsführung auf eine Ebene mit dem Angeklagten zu stellen, ist nicht mehr annehmbar. Unter Verschärfung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft ist daher jeder Gedanke an den sogenannten Parteiprozeß beseitigt worden“. Die gerichtliche Voruntersuchung war nur noch für Ausnahmefälle vorgesehen. Erhob der Staatsanwalt die Anklage, so mußte die Hauptverhandlung durchgeführt werden, ohne daß der Vorsitzende das förmliche Recht haben sollte, aufgrund einer Vorprü­ fung die Anberaumung des Termins abzulehnen. Der Staatsanwalt erhielt das Recht, einen Haftbefehl zu erlassen und Durchsuchungen sowie körperliche Untersuchun­ gen anzuordnen. Gegen einen Haftbefehl konnte der Richter erst angerufen werden, wenn seit dem Beginn der Untersuchungshaft zwei Wochen verstrichen waren. Nicht übernommen wurden die Mitwirkung des Richters beim Absehen von der Strafver­ folgung und das Klageerzwingungsverfahren. Die Bindung an das Legalitätsprinzip wurde gelockert (für die kleine und die mittlere Kriminalität). Hatte der Staatsanwalt die Anklage erhoben, so sollte die Herrschaft über das Verfahren auf den Richter übergehen. Umstritten war, in welchem Umfang für die Kollegialgerichte das Führerprinzip gelten sollte. Alle im laufenden Verfahren zu treffenden Anordnungen (Entscheidung über Beweisanträge, Haftbefehl, Verbindung und Trennung von Strafsachen usw.) hatte der Vorsitzende unter Beratung der mitwirkenden Richter allein zu treffen. Nur bei dem Urteilsausspruch und bei der Ablehnung eines Beweisantrags mußte er sich nach dem Entwurf vom Dezember 1934 in Übereinstimmung mit der Mehrheit des Gerichts befinden22. Diese Regelung wurde im Entwurf vom Februar 1936 dahin modifiziert23, daß nur noch der Urteils­ spruch und die diesem gleichwertigen Entscheidungen die Zustimmung mindestens der Hälfte der beisitzenden Richter finden mußte. Fand der Vorsitzende nicht die Zustimmung, so konnte er von der in Aussicht genommenen Entscheidung absehen und die Sache an ein anderes Gericht überweisen. Diese Konzession an das Füh­ rerprinzip wurde in den folgenden Entwürfen wieder aufgegeben. Ein weiterer Leitgedanke des Entwurfs war die Auflockerung des Verfahrens24. Hierzu gehörte die Einschränkung des Anwesenheitszwangs für den Angeklagten; die Zulässigkeit der Erweiterung zur Anklage und die Möglichkeit der Anwendung eines anderen Strafgesetzes sollten unter erheblich leichteren Voraussetzungen möglich sein als bisher; das Ermessen in der Behandlung von Beweisanträgen wurde freier gestaltet; die Möglichkeit, uferlose Prozesse einzuschränken, wurde verbessert und die Verurteilung aufgrund einer Wahlfeststellung zugelassen. - Das Recht, von der Beeidigung abzusehen, wurde stark eingeschränkt mit der Begrün­ dung, daß die Gerichte unter der Herrschaft des geltenden Rechts von der Befugnis, einen Zeugen nicht zu vereidigen, in zu großen Umfang Gebrauch gemacht hätten25. Die Bestimmungen über die Untersuchungshaft und die Beschlagnahme wurden

20 21 22 23 24 25

Vgl. Leitgedanken, aaO. (Fn. 19), 8. 6 ff. (auch unten S. 6 ff.). Leitgedanken, aaO. (Fn. 19), S. 6. Vgl. §81 des Entwurfs von 1936; §§ 128, 129 GVG-Entwurf. Vgl. § 136 des GVG-Entwurfs. Vgl. Leitgedanken, aaO. (Fn. 19), 8. 8. Vgl. Leitgedanken, aaO., S. 8.

verschärft; neu zugelassen wurde die Möglichkeit einer Feststellungshaft (§ 222 des StVO-Entwurfs von 1936). Die Rechtsmittel wurden teilweise eingeschränkt. Grundsätzlich sollte der Be­ schwerdeführer bei Urteilen des Einzelrichters aber die Wahl haben zwischen der Berufung und der Rechtsrüge, welch letztere gegenüber der Revision lockerer ausgestaltet wurde. Für die Delikte der kleinen und mittleren Kriminalität wurde die Berufung zugelassen (wahlweise neben der Rechtsrüge). Während sich für ersteres alle Kommissionsmitglieder außer Weber ausgesprochen hatten, votierten für letz­ teres — Berufung in der mittleren Kriminalität - nur fünf gegen fünf Kommissions­ mitglieder (Lehmann, Doerner, Schafheutle, Dürr und Weber)26. - Das Rechtsrü­ gegericht sollte die Ausübung des richterlichen Ermessens hinsichtlich der Verwen­ dung wertender Begriffe nachprüfen dürfen. Darüber hinaus konnte das Urteil auch dann aufgehoben werden, wenn sich ernste Bedenken gegen die tatsächlichen Feststellungen des Urteils ergaben (Möglichkeit der Beseitigung offenbarer Fehlur­ teile). Während der Beschwerdeführer nur ein einziges Rechtsmittel haben sollte, hatte der Staatsanwalt das Recht, eine Rechtsrüge auch dann zu erheben, wenn er selbst die Berufung betrieben hatte. Weitere Neuerungen waren: Umgestaltung der Voruntersuchung, die nur noch in seltenen Ausnahmefällen stattfinden sollte, Neuregelung des Verfahrens gegen flüch­ tige Verbrecher27, selbständiges Feststellungsverfahren zur Verbesserung des Eh­ renschutzes, Einführung eines Verfahrens zur Entschädigung des Verletzten (Adhä­ sionsverfahren) sowie Erweiterung der Möglichkeit, einen Strafbefehl zu erlassen, und Erleichterung der Wiederaufnahme des Verfahrens (d. h. Erleichterung der Durchbrechung der Rechtskraft von Strafurteilen). Eine wichtige Neuerung schlug die Kommission im Entwurf der Friedens- und Schiedsmannsordnung vor, die fol­ gendermaßen gekennzeichnet wurde28: „Das neue Strafgesetzbuch wird das Recht der Privatperson, durch einen Strafantrag ein Strafverfahren mit dem Ziel einer kriminellen Strafe in Gang zu bringen, nicht mehr kennen. Die sogenannten Antrags­ delikte sind in Zukunft von Amts wegen zu verfolgen. Für ein auf kriminelle Strafe abzielendes Privatklageverfahren, daß das bisherige Recht für einen großen Teil der Antragsdelikte vorsah, ist im künftigen Strafprozeß kein Raum. Unter diesen bisherigen Privatklagedelikten befinden sich die zahllosen kleinen Fälle des tägli­ chen Lebens, in denen durch geringfügige Verstöße zwar der nachbarliche Rechts­ frieden gestört worden ist, aber ein vernünftiges Interesse an einer kriminellen Bestrafung nicht besteht und ein förmliches Strafverfahren seinen Zweck verfehlen würde. Für solche Fälle soll künftig ein zwangloseres, mit leichter Hand zu führendes friedensrichterliches Verfahren vorgesehen werden. Es soll offen stehen für die leichten Fälle der Ehrabschneidung und Beleidigung, der Körperverletzung, des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und des Geheimnisverrats.“ Wenn der Staatsanwalt den Anzeigenden auf das schiedsrichterliche Verfahren verwies, schied der Fall aus dem Bereich des kriminellen Unrechts aus. Kam es nicht zu einer Aussöhnung, so konnte der Friedensrichter auf Verwarnung, Auferlegung besonderer Pflichten oder auf eine Friedensbuße erkennen. Ein Rechtsmittel gegen den Frie­ densspruch war nicht vorgesehen. Dem Verfahren vor dem Friedensrichter (in der Regel der Amtsrichter) sollte grundsätzlich ein Sühneversuch vorangehen. Außer dem Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung legte die Kleine Kommission noch den Entwurf eines Ge­ richtsverfassungsgesetzes vor, soweit er die Strafrechtspflege betraf. Dieser Entwurf, 26 Enthaltung durch Doerffler und Schraut; vgl. BA Abt. Potsdam, RJM 5390, Bl. 2 8 f. 27 Diese Neuregelung sollte bereits in die Novelle vom 28. 6. 1935 übernommen werden, wogegen jedoch sich die Abt. III des RJM gewandt hatte (BA Koblenz, R 22/1061, Bl. 128ff.). 28 Leitgedanken, aaO., S. 13.

der insbesondere neue Bestimmungen über die Auswahl der Laienrichter enthielt, ist von der Großen Kommission nicht mehr weitergeführt worden. Eine Gegenposition zu den Entwürfen wurde von der Wissenschaftlichen Abtei­ lung des NS-Rechtswahrerbundes und einem Arbeitsausschuß dieses Bundes ent­ wickelt29. Die einzige ernstzunehmende, intellektuell sehr hochstehende Kritik an den Vorlagen stammt aus der Feder von Carl Schmitt30. Nach Schmitt genügte es nicht31, „die überkommene gesetzliche Regelung technisch zu verbessern und aus Bedürfnissen und Gewohnheiten der bisherigen Praxis zu ergänzen.“ Die Neure­ gelung dürfe „auch nicht einen bloßen Übergangs- und Zwischenzustand durch eine neue Kodifikation festlegen“. „Alle wesentlichen Einrichtungen und Begriffe des neuen Strafverfahrensrechts, wie Richter, Ermittlungsbehörde, Ankläger, Verletzter und Beschuldigter“ sollten „mit den Einrichtungen und Begriffen übereinstimmen, die sich in der Gesamtverfassung des nationalsozialistischen Deutschland in Partei, Staat und Stand bereits entwickelt haben und noch weiter entwickeln“. Damit allein sei der gesetzgeberischen Arbeit die feste Richtung gewiesen. Da die Kritik von Carl Schmitt keine positiven Vorschläge enthielt, entwickelte ein Arbeitsausschuß des NS-Rechtswahrerbundes in der zweiten Jahreshälfte 1936 eine Gegenkonzep­ tion, die in 32 Leitsätzen allgemein festgelegt wurde. Sie werden im Anhang zu dieser Einleitung vollständig mitgeteilt. Die Kritik des Strafprozeßrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht und der Reichsministerien hielt sich im Rahmen der Entwürfe und damit auch im Rahmen des überkommenen Strafprozeßrechts. Weitergehende Forderungen mach­ ten lediglich das Innenministerium für den Reichsführer SS und der Chef der Deut­ schen Polizei geltend32. Nach Abschluß der 1. Lesung der Großen Kommission fand deswegen bereits am 1.2. 1938 eine Vorbesprechung zwischen dem Ministerialdi­ rektor Leopold Schäfer und den Ministerialräten des Reichsinnenministeriums Zindel und Roche statt. Hier brachte Zindel folgende Wünsche vor33: „1. Die Vorschriften der Strafverfahrensordnung dürften diejenige Tätigkeit der Polizei nicht berühren, die nicht die Aufklärung und Verfolgung einer bestimmten Tat zum Gegenstand habe. Die Schaffung der Rechtsgrundlagen für die allgemeine polizeiliche Tätigkeit müsse einem Polizeiverwaltungsgesetz überlassen werden, das in Vorbereitung sei. Von diesem Standpunkt aus müsse die Polizei gegen die Regelung der Feststellungshaft (§207 StVO) Bedenken geltend machen. Die Fest­ stellungshaft sei eine typisch polizeiliche Angelegenheit, da sie außerhalb eines konkreten Strafverfahrens stehe. Sie dürfe, wenn sie nicht ihren Zweck verfehlen will, nicht an die Höchstgrenze von vier Wochen gebunden sein. Die Polizei müsse auch darauf dringen, daß die Ablehnung eines Haftbefehls durch den Richter es der Polizei nicht verwehre, aus allgemeinen polizeilichen Gründen, die mit dem vom Richter verneinten Tatverdacht nichts zu tun haben, die Schutzhaft zu verhängen. Diesem Standpunkt müsse auch bei der Formulierung der Einzelbestimmungen Rechnung getragen werden. 2. Die Polizei anerkenne, daß der Staatsanwalt schon vom Beginn der Ermittlun­ gen an Träger des Ermittlungsverfahrens sei. Die Stellung der Polizei gegenüber der Staatsanwaltschaft dürfe aber nicht nach dem Muster der alten StPO geregelt werden. Die Polizei könne sich nicht mehr als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft 29 Vgl. die in Fn. 10 aufgeführte Denkschrift des NS-Rechtswahrerbundes von 1937. 30 Stellungnahme der wissenschaftlichen Abteilung des NS-Rechtswahrerbundes zu dem von der amtlichen Strafprozeßkommission des Reichsjustizministeriums aufgestellten Entwurf einer Strafverfahrensord­ nung. 31 Neuordnung, aaO. (Fn. 10), S. 111. 32 Zum folgenden Gruchmann, aaO., S. 1021 ff. und die Vorgänge in der Akte des BA Koblenz R 22/1038, Bl. 26 6ff., 271 ff., 318ff. 33 BA Koblenz R 22/1038, Bl. 266 R s -2 6 7 Rs.

bezeichnen lassen. Dieser Ausdruck sei vor allem für die organisierte Kriminalpo­ lizei, also das Reichskriminalpolizeiamt, die Kriminalpolizeileitstellen, Kriminalpo­ lizeistellen und Kriminalabteilungen der allgemeinen Polizei nicht mehr tragbar. Das Weisungsrecht der Staatsanwaltschaft dürfe gegenüber der organisierten Kriminal­ polizei nicht so weit gehen wie gegenüber den Gendarmeriebeamten auf dem Lande. Der Staatsanwalt müsse sich gegenüber der organisierten Kriminalpolizei darauf beschränken, Ersuchen an die Kriminalpolizeibehörden zu stellen, dürfe aber nicht einzelnen bestimmten Beamten der organisierten Kriminalpolizei Weisungen ertei­ len, die die Vorgesetztenstellung im Behördenaufbau der Kriminalpolizei beeinträch­ tigten. Wenn der Staatsanwalt die Hilfe der organisierten Kriminalpolizei benötige, so solle er ihr die Aufgaben stellen, die Lösung im Einzelnen, insbesondere die Anwendung der kriminaltechnischen Mittel müsse Sache der Kriminalpolizei sein. Gegenüber der nichtorganisierten Kriminalpolizei, die kriminalpolizeiliche Aufgaben nur nebenbei erledige, könnten dem Staatsanwalt weitergehende Befugnisse ein­ geräumt werden. 3. Die Polizei anerkenne, daß der Staatsanwalt in der Lage sein müsse, als Leiter des Vorverfahrens in die polizeiliche Aufklärung einzugreifen. Es müsse aber dafür gesorgt werden, daß die polizeitaktischen und -technischen Erfahrungen der Kri­ minalpolizei voll zur Geltung kommen. Vor allem müsse verhindert werden, daß junge Staatsanwälte ohne kriminaltechnische Erfahrung zur Unzeit durch unsach­ gemäße Weisungen die polizeiliche Aufklärung stören.“ Diese und andere Forderungen wurden in einer weiteren Besprechung erneut vorgebracht, in der auch die § § 1 -1 7 5 des StVO-Entwurfs 1. Lesung ausführlich beraten wurden. Eine weitere Vorbesprechung fand am 24. 6. 1938 über die §§ 176ff. des Entwurfs statt34. Das Ergebnis waren jeweils Anträge der Sachbearbeiter des Reichsjustizministeriums35, in denen die Wünsche und Anregungen der Polizei, soweit ihnen das Reichsjustizministerium entgegenkommen wollte, der Kommission bekanntgegeben wurden. In den Kommissionsberatungen stießen die Anträge der Polizei auf den fast geschlossenen Widerstand der Kommissionsmitglieder, die allerdings in einigen Fällen den Forderungen der Polizei nachgaben36. Im einzelnen handelt es sich um folgende Regelungen: Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 des Entwurfs von 1936 sollte die Polizei den Staatsanwalt „sofort“ von dem Beginn ihrer Ermittlungstätigkeit benachrichtigen. Im Entwurf von 1939 (§8) ist dies abgeändert in „alsbald“. Nach § 221 des Entwurfs von 1936 sollte ein von der Polizei vorläufig Festgenom­ mener unverzüglich dem Richter oder der Staatsanwaltschaft vorgeführt werden. Waren noch Ermittlungen notwendig, so sollte die Zuführung 3 bzw. 5 Tage hinaus­ geschoben werden können. Nach längeren kontroversen Verhandlungen wurde die Regelung in §218 des Entwurfs von 1939 dahin abgeschwächt, daß die Zuführung erst zu erfolgen brauchte, sobald der Stand der Ermittlungen es zuließ. Die Frist zwischen der Festnahme und der Zuführung sollte jedoch nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen mehr als 3 Tage und niemals mehr als 7 Tage betragen. Die Polizeivertreter hatten vorgeschlagen, von einer starren Frist überhaupt abzusehen. Die Bestimmungen über die Feststellungshaft (§222 des Entwurfs von 1936) wurden gestrichen37.

34 35 36 37

BA Koblenz R 22/1038, Bl. 318ff.; vgl. auch den Vermerk über eine Besprechung am 9. 2. 1936 (Bl. 271 ff.). Vgl. den Umdruck D 25. Vgl. zum folgenden auch Gruchmann, aaO., S. 1023ff. m.w.N. Eine ähnliche Bestimmung sollte bereits in die Novelle vom 26. 6. 1935 aufgenommen werden, wogegen sich mit Erfolg das Reichsinnenministerium gewandt hatte (vgl. BA Koblenz R 22/1061, Bl. 3 5 ff., Bespre­ chung vom 16. 12. 1934).

Dagegen blieben trotz scharfen Protestes der Polizei Vertreter in der Kommission die Bestimmungen über das gerichtliche Sicherungsverfahren unmodifiziert beste­ hen (vgl. §§ 385 ff. des Entwurfs von 1936; §§ 411 ff. des Entwurfs von 1939). Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, inwieweit der Angeklagte von der Auf­ nahme eines Zeugenbeweises ausgeschlossen werden konnte. Nach §57 des Ent­ wurfs von 1936 sollte das nur zulässig sein, wenn zu befürchten war, daß die Anwesenheit des Angeklagten die Wahrheitsforschung erheblich erschwerte. Die Polizei wollte die Möglichkeit haben, die als Zeugen aussagenden Agenten vor dem Angeklagten geheim zu halten (sog. V-Männer). Die Kommissionsmehrheit kam der Polizei insoweit entgegen, als nach §55 des Entwurfs von 1939 der Angeklagte von einer Zeugenaussage entfernt werden durfte, wenn die Aufnahme des Beweises in Gegenwart des Angeklagten die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Die von den Polizeivertretern gewünschte Beschränkung der Akteneinsicht durch den Verteidiger (§ 140 des Entwurfs von 1936) wurde von der Kommission energisch zurückgewiesen (vgl. § 146 des Entwurfs von 1939). Nach § 168 Abs. 3 des Entwurfs von 1936 war ein Zeuge über die Gründe zu belehren, die ihn berechtigten, die Aussage bzw. Auskunft zu verweigern. Dies sollte nach § 188 Abs. 1 des Entwurfs von 1936 auch für die Vernehmung durch die Polizei gelten. Hiergegen wandte sich Klaiber mit dem Hinweis, daß die Belehrungspflicht die Ermittlungen erheblich erschweren würden. Die Kommission beschloß jedoch, es bei der Regelung des Entwurfs zu belassen (vgl. § 188 Abs. 1 des Entwurfs von 1939). Stark, aber vergeblich angefeindet wurde von der Polizei das Zeugnisverweige­ rungsrecht von Geistlichen (vgl. § 159 des Entwurfs von 1936), das im neuen Entwurf beibehalten und lediglich präzisiert wurde (vgl. § 163 des Entwurfs von 1939). Nach §§205, 207 des Entwurfs von 1936 konnte vom Erlaß oder Vollzug eines Haftbefehls unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden. Auch diese Regelung wurde entgegen den Wünschen der Polizeiführung beibehalten (vgl. § 208 des Entwurfs von 1939). Der Entwurf einer Strafverfahrensordnung von 1939 (Fassung vom 1.5.1939) behielt den Aufbau und die Systematik der Vorlage von 1936 bei, unterschied sich jedoch in einigen nicht unwesentlichen Details von dieser erheblich. Neu war die Regelung, daß das Gericht die Anberaumung einer Hauptverhandlung unter be­ stimmten Voraussetzungen ablehnen konnte. Die Möglichkeit des überstimmten Vorsitzenden, die Sache an ein anderes Gericht zu verweisen, wurde beseitigt. Die Feststellungshaft wurde, wie bereits erwähnt, auf Wunsch des Innenministerium (Polizei) nicht übernommen. Ebenfalls wurden die Bestimmungen über die Grund­ sätze (§ § 1 - 1 2 des Entwurfs) als nicht sehr aussagekräftig und wenig präzise Programmsätze gestrichen. Neu war § 250 des Entwurfs von 1939, wonach bei einer Vermögensbeschlagnahme durch den Staatsanwalt der Beschuldigte die richterliche Entscheidung anrufen konnte. Endlich wurden die außerordentlichen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und des außerordentlichen Einspruchs gegen Urteile des Amtsrichters, der Schöffengerichte und der Strafkammer geschaffen, um einer Aufhebung mißliebiger Urteile durch den Machtanspruch der nationalsozialistischen Staatsführung entgegen zu treten30. - Die Gerichtsorganisation wurde noch in letzter Minute geändert. Während der Entwurf 2. Lesung (Februar 1939) noch an der Neugliederung der erstinstanzlichen ordentlichen Strafgerichte (Amtsrichter, Schöf­ fengericht, Schöffenkammer und Schwurgericht) festhielt, beseitigte die Vorlage vom Mai 1939 die Schwurgerichte und übertrug dessen Zuständigkeit im wesentlichen auf nur mit Berufsrichtern besetzte Strafkammern. Beseitigt wurde auch das amts30 Vgl. die Verhandlungen in der 78. und 79. Sitzung (bes. die vom Hrsg, hinzugefügte ursprüngliche Fassung der Diskussion).

gerichtliche (kleine) Schöffengericht, womit die Kompetenz des Amtsrichters erheb­ lich erweitert wurde. Beibehalten wurden für die schwere Kriminalität die Schöffen­ kammern. - Als Rechtsmittel waren vorgesehen: Berufung gegen die Urteile des Amtsrichters sowie Rechtsrüge gegen die erstinstanzlichen Urteile der Schöffenkam­ mer an das Reichsgericht. Keine Rechtsmittel waren vorgesehen gegen die Urteile der Strafkammer, des Volksgerichtshofes und des Oberlandesgerichts. Während nach § 293 Abs. 2 Satz 2 der Anfechtungsberechtigte statt der Berufung auch die Urteilsrüge sollte einlegen können, war im Entwurf vom Mai 1939 dieses Wahlrecht nicht mehr enthalten.

IV. ZUR BEWERTUNG DER ARBEITEN DER GROSSEN STRAFPROZESSKOMMISSION Wenn die Entwürfe auch nicht Gesetz wurden, so waren sie doch für die straf­ prozessuale Novellengesetzgebung vom 1.9. 1939 an von großer Bedeutung39, da diese Gesetze und Verordnungen zahlreiche Regelungen aus den Entwürfen, wenn auch völlig unsystematisch und oft unabhängig davon, ob sie als typisch national­ sozialistisch zu betrachten waren oder nicht, übernahmen. Insoweit enthalten die Materialien der Großen Kommission auch die Quellen zu diesen Regelungen, die meist ohne erneute grundsätzliche Diskussionen mit nur geringen Abweichungen in Kraft gesetzt wurden. In gleicher Weise übernahmen die Entwürfe von 1939 auch die wichtigsten Neuerungen der strafprozessualen Novellen von 1933 bis 1935 (Ver­ fahren gegen Abwesende, Neuordnung des Rechts der Vereidigung, einstweiliges Unterbringungsverfahren, zwangsweise Unterbringung zur Untersuchung des Gei­ steszustandes, Wegfall der förmlichen Haftprüfung, Ermessen bei Beweiserhebung mit Beweisantizipation, Wegfall des Verbots der reformatio in peius, Wegfall der notwendigen Voruntersuchung, Wegfall des Legalitätsprinzips bei Nötigung und Er­ pressung, Erweiterung der Untersuchungshaftgründe)40. Die meisten dieser Neue­ rungen beruhen auf den Arbeiten der Kleinen Kommission. Über alle diese neuen Regelungen fanden auch noch in der Großen Kommission ausgedehnte Diskussionen statt. Auf diese Weise werden durch die Protokolle und die amtliche Begründung zum Entwurf von 1939 nicht nur die Vorlagen selbst, sondern gleichzeitig auch die Novellengesetzgebung vor und nach 193941 in ihren Grundlagen erschlossen. Erst anhand der Arbeit in der Großen Kommission läßt sich die hinter den zahlreichen Einzelregelungen der Novellen stehende Gesamtkonzeption ermitteln. Insoweit stel­ len diese Arbeiten einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Grundlagen des Strafprozeßrechts unter dem Nationalsozialismus dar. Von den Konzessionen an die Justizverwaltung (Staatsanwaltschaft) und an die Polizei abgesehen, geht der Entwurf, so das Gesamturteil von Gruchmann42, „ge­ danklich vom geltenden Recht aus und ließ die überkommene Verfahrensstruktur im Grunde unberührt. Dadurch blieben zwar gewisse Sicherungen erhalten, die dem Beschuldigten rechtliches Gehör und seinem Verteidiger eine angemessene Mitwir­ kung garantierten. Aber die Auflockerung und Beschleunigung des Verfahrens wirk­ ten sich zugunsten der Staatsmacht und zum Nachteil des einzelnen aus. Parado­ xerweise schloß gerade die .Auflockerung*1das Verfahrensnetz um den Beschuldigten so dicht, daß er nirgends mehr entschlüpfen konnte. Vor allem öffneten verschiedene 39 RGBl. 11939, S. 1658 (sog. Vereinfachungs-VO). Weitere wichtige Novellen ergingen am: 16. 9. 1939 (RGBl. I, S. 1841), 21. 2. 1940 (RGBl. I, S. 405), 13. 6. 1942 (RGBl. I, S. 508), 19. 5. 1943 (RGBl. I, S. 342) und am 13. 12. 1944 (RGBl. I, S. 339). 40 Überblick bei Gruchmann, aaO., S. 1049ff. und bei Albrecht Wagner, in: H. Weinkauf, Die Deutsche Justiz und der Nationalsozialismus. Ein Überblick, 1966, S. 261 ff. 41 Vgl. hierzu vor allem Gruchmann, aaO., S. 1068ff. 42 Gruchmann, aaO., S. 1045.

- teilweise unter dem Druck der Führung und der Partei - in den Entwurf aufge­ nommene Bestimmungen der politischen Führung »außerordentliche1 Kanäle, durch die sie in das Strafverfahrenssystem hineinwirken und die besondere verfahrens­ mäßige Behandlung einzelner Fälle herbeiführen konnte. Somit bot die vorgeschla­ gene Verfahrensordnung keine Garantie mehr gegen Urteile, die nicht dem Maß der Schuld entsprachen, d. h. ungerecht waren. Insofern war der Entwurf ein geeignetes Instrument, um eine .von nationalsozialistischem Geist getragene Rechtsordnung' zu gewährleisten.“43 - Auch Koch stellt fest44, daß der Entwurf die herkömmliche Verfahrensstruktur im Prinzip unberührt gelassen habe: „Indem der Entwurf das bisherige Verfahren auflockern, vereinfachen, beschleunigen sollte, zielte er auf Modifikation des bestehenden, nicht auf Mutation der Verfahrensstruktur. Daran änderte es nicht, daß wichtige Institutionen des traditionellen Verfahrens beseitigt, auf ein Schattendasein herabgewürdigt oder in ihrer Wirkung nachhaltig beeinträch­ tigt waren“. Sehr scharf kritisierte Koch die unübersichtliche Strafgerichtsverfassung und die Systematik des Entwurfs. Jedoch blieb beides zumindest nicht hinter dem geltenden Recht zurück. Die Gliederung des Entwurfs erscheint im Gegenteil mit der Vorwegnähme der allgemeinen Bestimmungen über den Gang des Verfahrens übersichtlicher und einprägsamer als das geltende Recht. Bei der Bewertung des Entwurfs ist zu berücksichtigen, daß er sich in die nationalsozialistische Weltanschauung zumindest einfügen ließ, wie die amtliche Begründung feststellte. Hierzu gehörte vor allem die Verschiebung der Grenzen zwischen dem Individualinteresse und dem Interesse der Allgemeinheit und des Staats zugunsten des letzteren. Daß dies allerdings auch auf der Linie der nicht­ nationalsozialistisch eingestellten Juristen lag, zeigt etwa die Feststellung Nietham­ mers in der Sitzung am 14. 12. 193645, der Leitgedanke der Sicherung des einzelnen vor der Staatsführung sei abzulehnen. Die gegenüber dem liberalen Strafverfahren reservierte Haltung auch der nichtnationalsozialistischen Mitglieder der Kommission entsprach durchaus dem konservativen Zeitgeist, der 1933 zum Durchbruch gekom­ men war und auch noch den Widerstand des 20. Juli gekennzeichnet hat. Unter diesem Aspekt dürften trotz aller Konzessionen auch die konservativen Juristen der Kommission dem Entwurf zumindest teilweise positiv gegenüber gestanden haben, wobei ihnen bewußt gewesen sein dürfte, daß die neue Strafverfahrensordnung, wäre sie Gesetz geworden, von der nationalsozialistischen Staatsführung ebenso hätte mißbraucht werden können wie das überkommene Straf- und Strafverfahrens­ recht. Insgesamt gesehen war der StVO-Entwurf ein Kompromiß zwischen dem Teil der nationalsozialistischen Juristen, die nicht primär die Interessen der Partei und Polizei im Auge hatten, und den nationalkonservativen Juristen des Reichsjustiz­ ministeriums und der Richterschaft. Da es sich um Kompromisse handelt, lassen sich die typisch nationalsozialistischen Inhalte des Entwurfs nur schwer isoliert herausarbeiten. Anhaltspunkte für letztere ergeben sich vor allem aus der Rechts­ entwicklung nach 1945, soweit nämlich die Gesetzgebung des Kontrollrats und der Bundesrepublik Deutschland, die entweder die aus den Entwürfen übernommenen Neuerungen der Novellen der NS-Zeit aufrecht erhielt oder weiterentwickelte bzw. auf Vorschläge der Entwürfe zurückgriff oder zumindest vergleichbare Regelungen schaffte.

43 Aus der amtlichen Begründung zum Entwurf vom 1. 5. 1939, S. 1 übernommen. 44 Koch, aaO., 8. 222. 45 S. 7 des 1. Protokolls vom 14. 12. 1936.

V. ANHANG: LEITSÄTZE AUS DER DENKSCHRIFT DES NS-RECHTSWAHRERBUNDES VON 1937: „NEUORDNUNG DES STRAFVERFAHRENSRECHTS“ 1. Der Führer ist der oberste Gerichtsherr des Deutschen Volkes. - Der Richter spricht Recht im Namen des Deutschen Volkes und im Auftrag des Führers. 2. Der Vorsitzende des Gerichts hat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung auf Grund der Beratung zu entscheiden. Er trägt die Verantwortung für das Urteil, das er allein unterschreibt. - Die Beisitzer sind unabhängige, beratende Richter. Die richterlichen und nichtrichterlichen Beisitzer haben gleiche Befugnis bei der Findung der Entscheidung. 3. Der Vorsitzende hat während des Verfahrens folgende Befugnisse: a) Alle Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Urteilsfin­ dung stehen, hat der Vorsitzende erst nach vorheriger Beratung mit den Beisitzern zu treffen. Dazu gehören insbesondere: Die Entscheidung über Beweisanträge, Aussetzung der Verhandlung, Unzuständigkeitserklärung und Verweisung, Beeidi­ gung, Entscheidung über die Zulassung der Wiederaufnahme des Verfahrens, Haft­ befehl. b) Alle anderen Entscheidungen trifft der Vorsitzende ohne Beratung. - Die Sitzungspolizei liegt ausschließlich in seiner Hand. Er kann Staatsanwalt und Ver­ teidiger von der Verhandlung ausschließen, soweit es für die Fortführung der Ver­ handlung erforderlich ist. Die Verhängung von Geldstrafen und die Entscheidung über weitere Folgen des Ausschlusses ist Sache der vorgesetzten Behörde und des Berufsstandes. 4. Für die Beurteilung des Verhältnisses von Richter und Staatsanwalt ist davon auszugehen, daß der Richter als Vertreter der Volksgemeinschaft und unabhängiger Herr des Verfahrens die Entscheidung zu fällen hat, während der Staatsanwalt als Vertreter des Staates die Ermittlung zu führen hat. 5. Der ermittelnde Staatsanwalt hat die von ihm bearbeitete Sache auch vor dem entscheidenden Gericht zu vertreten. - Tritt durch Versetzung, Tod, Krankheit udgl. ein notwendiger Wechsel ein, so hat der Nachfolger das wesentliche Ermittlungs­ ergebnis, also die Hauptbelastungszeugen und die Entlastungszeugen, nochmals zu hören. Er muß, um sich ein Bild von dem Angeklagten zu machen, den Angeklagten zur Sache nochmals eingehend vernehmen. 6. Der Staatsanwalt ist an Weisungen seiner vorgesetzten Dienststelle nicht gebunden, soweit es sich um die Feststellung des Ergebnisses der Hauptverhandlung handelt. 7. Das heutige Reich ist stark genug, um dem unschuldig in den Gang des Strafverfahrens geratenen Volksgenossen den größtmöglichsten Rechtsschutz zu gewähren. 8. Den Beschuldigten trifft keine Wahrheitspflicht. Es ist die Aufgabe des Staates, den Beweis für die Tat zu liefern. 9. Dem Beschuldigten ist ein Verteidiger zu bestellen, wenn es infolge der Seeh­ und Rechtslage oder aus Gründen, die in seiner Person liegen, erforderlich ist. Die Bestellung hat zu erfolgen, sobald ein Staatsanwaltschaft!iches Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Person eingeleitet wird. 10. Der Verteidiger hat grundsätzlich mit dem Beginn des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft das Recht der Akteneinsicht und der Anwesenheit bei Vernehmung des Beschuldigten, der Zeugen und Sachverständigen durch den Staatsanwalt. In begründeten Ausnahmefällen kann ihm eine Schweigepflicht auf­ erlegt werden. - Ist nach pflichtmäßigem Ermessen der Staatsanwaltschaft in der Hinzuziehung eines Verteidigers oder in der Anwesenheit des Verteidigers bei der Vernehmung eine Gefährdung des Untersuchungszwecks zu erblicken, so kann von

der Hinzuziehung abgesehen, bzw. das Recht zur Anwesenheit entzogen werden. In Streitfällen entscheidet der Verfahrensrichter. 11. Verantwortlicher Träger des Vorverfahrens ist der Staatsanwalt. 12. In gewissen Fällen, und zwar bei Haftbefehl, Unterbringung in eine Heil- und Pflegeanstalt und Vermögensbeschlagnahme, ist eine Beschwerde gegen die Maß­ nahmen des Staatsanwalts zulässig. - Über diese Beschwerde entscheidet ein Verfahrensrichter als Einzelrichter. - Dieser Verfahrensrichter soll ein auf Grund seiner Befähigung und bisherigen Tätigkeit besonders qualifizierter Richter sein, der das Vertrauen der Staatsanwaltschaft und des Anwaltsstandes besitzt und nach den Grundsätzen der Geschäftsverteilung für jedes Jahr bestellt wird. 13. Erfolgt im Vorverfahren eine Einstellung des Verfahrens durch den Staats­ anwalt, so ist dem Beschuldigten auf seinen Antrag Mitteilung zu machen. 14. Ein Beschwerderecht des Verletzten gegen die Einstellung ist nicht gegeben. 15. Der Staatsanwalt soll mit dem Beschuldigten unmittelbar Fühlung nehmen und ihn abschließend vor Einreichung der Akten an das Gericht vernehmen. 16. Die bisherige richterliche Voruntersuchung ist völlig zu beseitigen. 17. Die Überleitung zum Hauptverfahren soll nicht mehr wie bisher durch die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft erfolgen. 18. Der Staatsanwalt übergibt dem Gericht einen Bericht, der das wesentliche Ergebnis der stattgehabten Ermittlungen enthält. - In diesem Bericht ist gleichzeitig die Äußerung des Beschuldigten auf den ihm mit Frist zur Äußerung binnen ein bis zwei Wochen zugegangenen Bericht enthalten. 19. Das Gericht kann die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder gemäß dem gesamten Inhalt des Berichts oder unter Absetzung eines Teiles desselben Termins zur Hauptverhandlung anberaumen. Weitere Ermittlungen kann es vor dieser Entscheidung nur durch den Staatsanwalt einziehen. 20. Das Gericht lädt den Beschuldigten zur Hauptverhandlung mit der Mitteilung, daß er sich auf Grund des aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft entnommenen Sachverhalts zu verantworten habe. Dies ist kein Eröffnungsbeschluß im bisherigen Sinne und bedeutet nur eine vorläufige sachliche, nicht rechtliche Begrenzung. 21. Die Hauptverhandlung bildet den Schwerpunkt des Verfahrens. 22. Eine Erweiterung des im terminanberaumenden Beschluß vorläufig begrenz­ ten Sachverhalts in sachlicher und persönlicher Hinsicht ist möglich. Dies entspricht dem Gedanken des Täterstrafrechts. 23. Am Schluß der Hauptverhandlung erhält der Staatsanwalt das Wort zu einer zusammenfassenden Erklärung. Diese Erklärung kann sich auf alle Punkte erstrekken, die in der Hauptverhandlung zur Erörterung gelangt sind. 24. Der Beschuldigte hat nach der Ladung zur Hauptverhandlung ein Recht auf Verhandlung und Entscheidung in der Sache. Eine Einstellung, auch auf Grund eines Straffreiheitsgesetzes, ist ohne seine Zustimmung nicht mehr zulässig. 25. Das Urteil ist die Antwort auf die zusammenfassende Erklärung des Staats­ anwalts. Doch hat die Erklärung des Staatsanwalts nicht die Wirkung einer Begren­ zung des der richterlichen Entscheidung unterliegenden Sachverhalts. Die bisheri­ gen Nebenwirkungen der Anklage (Rechtshängigkeit) sind daher nicht an sie ge­ knüpft. 26. Bei freisprechenden Erkenntnissen ist nicht nur in den Gründen, sondern auch im Urteilsausspruch festzustellen, ob die Freisprechung wegen erwiesener Unschuld mangels begründeten Verdachts oder mangels Beweises erfolgt, entspre­ chend der in den Entschädigungsgesetzen getroffenen Regelung. 27. Jedes Todesurteil bedarf - zum Unterschied von der bisherigen Praxis bloßer Nichtausübung des Gnadenrechts - der Bestätigung durch den Führer und Reichs­ kanzler.

28. Das Strafverfahren ist einmaliger und unwiederholbarer Lebensvorgang. Eine Berufung und Revision findet nicht mehr statt. - Für die einheitliche Rechts­ auffassung sorgt eine dafür zu schaffende Stelle. 29. Das Wiederaufnahmeverfahren ist ein neues Verfahren auf Grund eines neuen Sachverhalts und von einem Verfahren zu unterscheiden, in welchem die Nichtigkeit des früheren Urteils geltend gemacht wird. - Das Wiederaufnahmeverfahren soll auch zulässig sein zum Zweck der Erzielung eines Freispruchs wegen erwiesener Unschuld, falls zunächst nur mangels Beweises oder mangels begründeten Ver­ dachts freigesprochen worden ist. - Nach Eingang des Wiederaufnahmegesuchs hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen anzustellen und alsdann die Sache zur Entscheidung an eine besondere Wiederaufnahmekammer bzw. einen besonderen Wiederaufnahmesenat bei einem dem ursprünglich mit der Sache befaßten rang­ gleichen Gericht abzugeben. - Das Gericht kann nach seinem Ermessen Beweis erheben oder den Akteninhalt seiner Entscheidung zugrunde legen. Ist die Sache ohne nochmalige Hauptverhandlung zur Entscheidung reif, so ist durch Beschluß, andernfalls durch Urteil zu entscheiden. 30. Für die Wiedergutmachung eines im Urteilsspruch enthaltenen offenkundigen, für das gesunde Volksempfinden unerträglichen Unrechts ist ein besonderes Verfah­ ren vorzusehen. - Dieses Verfahren ist kein Rechtsmittelverfahren. Die Entschei­ dung ist einer politischen Stelle zu übertragen, die in den einzelnen Gauen der NSDAP errichtet und mit Vertretern des Staates, der Bewegung und der Stände besetzt wird. Die Mitglieder der Wiedergutmachungsstelle sollen fachlich und poli­ tisch besonders qualifiziert sein. - Diese Stelle entscheidet nach Recht, nicht nach Gnade; ihr sind jedoch auch die Aufgaben der Gnadenbehörde zu übertragen. Das Wiedergutmachungsverfahren ist nur zugunsten des Beschuldigten zulässig. 31. Zur Erledigung im Strafverfahren eignet sich nur die eigentliche Kriminalität. Ein Volksgenosse, der eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, soll nicht als Rechts­ brecher angesehen werden. - Im Ordnungsstrafverfahren soll ein richterlich vor­ gebildeter, unabhängiger Einzelrichter (Amtsrichter) entscheiden, sofern gegen eine Anordnung einer Verwaltungsstelle zulässigerweise ein Rechtsmittel eingelegt wird. - Ein Rechtsmittel soll nur gewährt werden, wenn im Verwaltungsverfahren ein besonders schweres Übel verhängt wird. — Im Verfahren vor dem Amtsrichter ist eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft nicht zulässig, wohl aber soll die in Betracht kommende Verwaltungsbehörde teilnehmen können. Für das Verhältnis des Verfahrens vor dem Amtsrichter zum ordentlichen Straf­ verfahren gelten folgende Leitsätze: a) Der ordentliche Strafrichter kann nur auf Strafe, der Amtsrichter nur auf „Rüge“ (Warnung, Geldbuße, Haft) erkennen. b) Stellt der ordentliche Strafrichter fest, daß es sich nicht um eine zu seiner Zuständigkeit gehörige Sache handelt, so kann er die Sache an den Amtsrichter verweisen. Der Verweisungsbeschluß ist für den Amtsrichter bindend. Findet der Amtsrichter, daß eine Sache in das ordentliche Strafverfahren gehört, so kann er gleichfalls verweisen, ohne daß jedoch der ordentliche Strafrichter gebunden wird. Er kann vielmehr gegebenenfalls zurückverweisen. c) Ein Richter kann immer nur an einen Richter, nicht aber an Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde verweisen. 32. Im ordentlichen Strafverfahren wird nur über echte Ehrenkränkungen ent­ schieden. - Die anderen Fälle sogenannter Beleidigung sind dem friedensrichter­ lichen Verfahren zu überweisen. - Diesem geht ein Sühneverfahren vor dem Rechtspfleger voraus. Der Vergleichsvorschlag des Rechtspflegers ist nur bindend, wenn beide Parteien ihn ausdrücklich annehmen. - Das Verfahren vor dem Frie­ densrichter (Amtsrichter) ist nicht öffentlich. - Der Friedensspruch kann eine Frie­ densbuße verhängen. An ihre Stelle tritt im Falle der Nichtbeitreibbarkeit eine

Ersatzfreiheitsstrafe. - Der Friedensspruch hat Rechtskraftwirkung. Die im Frie­ densverfahren verhängten Strafen sind in einem besonderen Register zu führen. 33. 1. Der Einzelrichter soll im ordentlichen Strafverfahren nicht mehr entschei­ den. - 2. Das Schöffengericht entscheidet in der Besetzung mit zwei richterlichen und zwei nichtrichterlichen Mitgliedern. Es ist erforderlich, daß bei der Auswahl der richterlichen Mitglieder eine Verbindung von örtlicher Sachkunde und zentraler Unvoreingenommenheit in der Weise gewährleistet wird, daß der führende Richter ein Landgerichtsdirektor des übergeordneten Landgerichts ist. - 3. Die Strafkammer entscheidet in der bisherigen Besetzung der Großen Strafkammer. - 4. Das Schwur­ gericht bleibt in seiner bisherigen Besetzung bestehen. Seine Zuständigkeit umfaßt alle Kapitalverbrechen mit Einschluß des Meineides. - 5. Bei allen Gerichten einschließlich der Wiederaufnahmekammern und -Senate werden nichtrichterliche Beisitzer zugezogen. 34. Eine Einführung des Adhäsionsverfahrens in das neue Strafverfahrensrecht ist wegen der rechtlichen Verschiedenheit des Straf- und Zivilprozesses nicht mög­ lich.

Entwürfe von 1936 bis 1939

Streng vertraulich L

Entwurf einer

Slrafverfahrensordnung, einer

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung und eines

Gerichtsverfaffungsgesetzes Aufgestellt von der amtlichen Strafprozeßkommiffion des Reichsjustizministeriums

Abgeschlossen am 27. Februar 1936

— Als Manuskript gedruckt —

Inhaltsübersicht Seite

Zur Einführung........................................................... Leitgedanken der Erneuerung des Strafverfahrens Entwurf einer Strafverfahren-ordnung

. . .

5 6 17

In h a ltsv e r z e ic h n is.......................................................19 E n tw u rf............................................................................ 21 Entwurf einer Friedensrichter- und Schied-m a n n so r d n u n g ............................................................... 135 In h a ltsv e r z e ic h n is.....................................................137 E n tw u rf..........................................................................139 Entwurf eines Gerichtsverfassungsgesetzes mit Ausnahme der die Zivilrechtspflege be­ treffenden Vorschriften................................................151 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . 153 E ntw urf.......................................................................... 155

l*

Zur Einführung. Der Reichsminister der Justiz hat im Jahre 1933 eine amtliche Kommission einberufen, der er den Auf­ trag erteilt hat, den Entwurf einer Strasverfahrensordnung und eines Gerichtsversassungsgesetzes auszu­ arbeiten. Der Entwurf soll als Grundlage für die späteren Entschließungen des Ministers dienen. Die Kommission, die aus Praktikern und aus den Sachbearbeitern des Reichsjustizministeriums zusam­ mengesetzt war, hat am 27 November 1933 unter dem Vorsitz des zuständigen Abteilungsleiters ihre Tätig­ keit aufgenommen. S ie hat noch im gleichen Jahre in allgemeiner Aussprache die Grundfragen der Reform geklärt und sodann den Entwurf der Strafversahrensordnung, der Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgestellt. D ie erste Lesung wurde am 15. Dezember 1934, die zweite Lesung am 27. Februar 1936 abgeschloffen. Die Entwürfe werden hiermit vorgelegt*). Bei der Neugestaltung des Strafverfahrens sah sich die Kommission, insbesondere im ersten Jahre ihrer Arbeit, vor erheblichen sachlichen und technischen Schwierigkeiten. Auf dem Gebiete des Strafprozesses lagen nur wenige heute noch verwendbare Vorarbeiten vor. Die Entwürfe der Vor- und Nachkriegszeit waren in solchem Maße von liberalistischen Gedankengängen be­ herrscht, daß sie nur in sehr beschränktem Umfange, und zwar fast nur in technischen Fragen verwendet werden konnten. Aber auch im ersten Jahre nach der nationalsozialistischen Revolution waren auf dem Ge­ biete des Strafprozesses Reformvorschläge von B e­ deutung in der Öffentlichkeit nicht in dem wünschens­ werten Maße gemacht worden. S o hat die Kommission in dem für ihre Entschließungen entscheidenden ersten Jahre im wesentlichen auf sich selbst gestellt arbeiten müssen. Der Strafprozeßausschuß der Akademie für Deutsches Recht hat seine Tätigkeit erst zu einer Zeit aufgenommen, als der Entwurf der Kommission in erster Lesung fast fertig war; die Ergebnisse seiner Arbeiten wurden bei der zweiten Lesung berücksichtigt, ebenso die zahlreichen anderen wertvollen Beiträge, die im Jahre 1935 zur Reform des Strafverfahrens veröffentlicht worden sind. D ie Kommission konnte dabei mit Genugtuung feststellen, daß sich die neueren Vorschläge in großem Umfang mit ihren eigenen B e­ schlüssen aus den Jahren 1933 und 1934 decken. Die Arbeiten der Kommission sind inzwischen zum T eil bereits für die Gesetzgebung nutzbar gemacht worden; sie lagen der großen Novelle zum Strasverfahrensrecht zu Grunde, die die Reichsregierung am 28. Juni 1935 erlassen hat. D ie Novelle nahm einige entscheidende Fragen der Gesamtreform vorweg, um *) Die Erörterung der Entwürfe mit den anderen Refforts und den sonst beteiligten Stellen ist vorbehalten.

die Durchführung der großen Reform vorzubereiten und zu erleichtern; in ihr kam zum erstenmal die An­ schauung des nationalsozialistischen S taates vom Strafprozeß deutlich zum Ausdruck.

Leitgedanken der Erneuerung des Strafverfahrens. i.

Staatsanwalt und Richter. D a s Z i e l der n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c he n S t r a f p r o z e ß r e f o r m ist e s , e i n S t r a f v e r f a h r e n zu s c haf f e n, d a s e i n e straffe und s c h n e l l a r b e i t e n d e Justiz g e w ä h r l e i st e t, e i n e g e r e c h t e R e c h t s p r e chungsichertundinAusbauundDurchf ü h r u n g d e m V o l k e v e r s t ü n d l i c h ist.

88 13 bis 3 9 StVO. 88 351 bis 359 StVO, 8 16 StVO,

8 19 StVO, 8 21, 355 StVO,

D as geltende Recht wird diesen Anforderungen nicht gerecht. 1. D as am meisten hervortretende Merkmal des geltenden Prozeßrechts ist die gegenseitige Bindung und Überwachung der an der Strafrechtspflege be­ teiligten Organe. Es ist vor allem die Staatsanw alt­ schaft nicht mit den selbständigen Rechten ausgestattet, die der verantwortlichen Vertretung der Staatsfüh­ rung zukommen. Aber auch das Gericht wird in der Freiheit seiner Entschließungen weit mehr gehemmt, als es erträglich ist. Diese B i n d u n g e n gilt es zu lockern o de r a u f z u h e b e n . Der Ungeist der vergangenen Evocke wird durch das Schlagwort von der „Waffengleichheit zwischen Staatsanw alt und Angeklagtem" gekennzeichnet. S o ­ weit damit nur ausgedrückt werden sollte, daß der Strafvrozeß einen Ausgleich zwischen der Sicherung der Gemeinschaft und der Sicherung des Einzelnen zu treffen hat, wird auch der neue S taat dieser selbst­ verständlichen Forderung genügen. Der Gedanke aber, den Staatsanw alt als den Vertreter der Staatsfüh­ rung auf eine Ebene mit dem Angeklagten zu stellen, ist nicht mehr annehmbar. Unter Verschärfung des Anklaaemonovols der Staatsanwaltschaft ist daher ieder Gedanke an den sogenannten P a r t e i p r o z e ß beseitigt worden. Zur Sicherung einer straffen und schnellen Justiz gilt es weiter, die Verantwortung der am Prozeß be­ teiligten staatlichen Organe klar voneinander abzu­ grenzen. Der Entwurf überträgt das g e s a m t e V o r v e r f a h r e n d e m S t a a t s a n w a l t . Die gerichtliche Voruntersuchung ist nur noch für Ausnabmesälle zugelassen. Der Staatsanw alt hat in rtrnfcemt Sachen wichtige Ermittlunaen selbst zu führen, vor allem den Beschuldigten selbst zu ver­ nehmen; Ermittlungen, die er nicht selbst vornimmt, hat er zu leiten. Er darf den Richter nur ausnahms­ weise um die Vornahme von Ermittlungen ersuchen; an richterlichen Untersuchunqshandlunqen darf er teil­ nehmen. Erhebt der Staatsanwalt die Anklage, so muß die Hauptverhandlung durchgeführt werden', ohne

daß der Vorsitzende das förmliche Recht hätte, auf Grund einer Vorprüfung die Anberaumung des T er­ mins abzulehnen. D as Erössnungsverfahren des gel­ tenden Rechts ist also ohne Ersatz beseitigt. Is t die Hauptverhandlung unsachgemäß vorbereitet, haben die Ermittlungen zu lange gedauert, sind sie nicht sorg­ fältig geführt, ist die Anklage ohne zureichenden Grund erhoben, so trifft die Verantwortung allein den Staatsanw alt. Diesen n e u e n P f l i c h t e n entsprechen n e u e

88 40 bis 42,115 StVO.

R echte.

Der S taatsanw alt erhält das Recht, den H a s t b e f e h l zu erlaffen, er ordnet D u r c h s u c h u n g e n an, er verfügt B e s c h l a g n a h m e n und k ö r p e r ­ l i c he U n t e r s u c h u n g e n . N ur beim Erlaß des Haftbefehls ist gegen seine Entscheidung die An­ rufung des Richters zuläffig, und auch hier erst, wenn seit dem Beginn der Untersuchungshaft zwei Wochen verstrichen sind. I m gleichen Maße erweitert ist das Recht der Staatsanwaltschaft, über die Erhebung der Anklage zu bestimmen. Die Mitwirkung des Richters beim Ab­ sehen von der Strafverfolgung ist aufgegeben, ebenso das sogenannte Klageerzwingungsverfahren. Über die Erhebung der Anklage entscheidet also der S ta a ts­ anwalt allein. E r bleibt aber an das L e g a l i t ä t s P r i n z i p gebunden. Nur für kleine Sachen ist der Berfolgungszwang aufgegeben, für die mittlere Kri­ minalität ist er eingeschränkt. Die Kommission ist sich darüber im klaren, daß Voraussetzung für die Durchführung dieser Ge­ danken ein Umbau und eine Verstärkung der S ta a ts­ anwaltschaft ist. 2. Hat der Staatsanw alt die Anklage erhoben und sie dem Gericht eingereicht, so geht d i e H e r r s c h a f t ü b e r d a s V e r f a h r e n a uf d a s Gericht über. Hier stand die Kommission vor einer wichtigen Frage, die *ur Zeit ihrer Beratungen noch nicht ge­ nügend geklärt war, der Frage, in welchem Umfange der F ü h r e r g r u n d s a t z i m K o l l e g i a l g e ­ r i c h t anzuwenden ist. Die Kommission hat nicht verkannt, daß dies eine Frage des politischen Entschlusses ist. S ie hat, um eine Grundlage für die weitere Erörterung zu ge­ winnen, in weitem Umfang den Führerqrundsatz im Kollegialgericht eingeführt und den Vorsitzenden zum selbständigen Führer der Hauptverhandlung gemacht. Alle in ihr zu treffenden Anordnungen, insbesondere auch Entscheidungen über Beweisanträge, über Ver­ bindung und Trennung von Strafsachen, über Haft­ befehle. Durchsuchungen trifft er selbst; die mitwirken­ den Richter beraten ihn dabei. Eine Anrufung des Gerichts geaen seine Maßnahmen ist nicht zuläffig. E r hat die Sitzungspolizei. N ur bei dem Urteilsspruch selbst und einigen dem Urteilsspruch gleichwertigen Entscheidungen muß der Vorsitzer sich in Übereinstim­ mung mit mindestens der Hälfte der beisikenden Richter befinden. Aber auch hier erhält der Vorsitzende nach dem Vorscklaa der Kommission — den sie freilich nicht ohne praktische Bedenken gemacht hat und für

88 183, 213, 245 StVO.

88 214, 215 StVO. 8183 StVO.

88 25 bis 35 StVO.

88 26, 28, 29 StDO.

8 53 StDO.

8 53 StVO., 8 134 GDG.

SS 4 5 ,4 6 ,4 8 ,5 6 ,5 7 .5 8 ,6 0 , 62,63,64,65,112,113,114, 122,143,174,183,193,213, 215,219,245,255,284,325, 333, 394, 405, 427 StVO.; 88 122,128,129 GDG. 88 128,129 GDG. 881 StDO., 8134 GDG. 88 80, 99 Abs. 2, 102, 294, 301,305,314,316,319 Abs. 3, 341,343,358 StDO.

§ 136 GDG.

erörterungsbedürftig halt — besondere Rechte, die die Stärke seiner Führerstellung betonen: Findet er n i c h t die notwendige Zustimmung der Beifider zu der von ihm in Aussicht genommenen Entscheidung, so kann er davon absehen, die Entscheidung zu er­ laffen, und die Sache an ein anderes Gericht verweisen.

II.

Auflockerung des Verfahrens.

88 56 bis 58 StVO. 8 58 Abs. 2 StVO.

88 63, 75 StVO.

88 66 bis 71 StVO. 8 65 StVO. 88 27,64 StVO. 8 89 StVO. §§ 63, 78 ,1 3 1 ,1 3 2 StVO.

88 131,132 StVO.

Der Entwurf unterscheidet sich vom geltenden Recht durch eine w e i t g e h e n d e L o c k e r u n g d e s V e r f a h r e n s . Der Anwesenheitszwang ist stark eingeschränkt, das Urteil gegen den nicht erschienenen Angeklagten ist bei einer S trafe bis zu drei Monaten Gefängnis möglich, und zwar auch dann, wenn An­ klage und Ladung öffentlich zugestellt sind. Die E r­ weiterung der Anklage und die Anwendung eines anderen Strafgesetzes sind unter wesentlich leichteren Voraussetzungen möglich als bisher. D as Recht, Schriftstücke zu verlesen, ist erweitert, das Ermeffen bei der Behandlung von Beweisanträgen — wie schon in der Prozeßnovelle — freier gestaltet, die Möglich­ keit, uferlose Prozesse einzuschränken, ist verstärkt und endlich — wie gleichfalls in der Vrozeßnovelle — die Verurteilung aus Grund einer Wahlfeststellung zuge­ lassen. Förmliche Bindungen des Gerichts an eine Zustimmung des Angeklagten zu bestimmten Prozeßhandlungen, wie sie das geltende Recht kennt, sind be­ seitigt worden. Die notwendige Verteidigung ist nicht in gleichem Umfang zugelassen wie im geltenden Recht. Ein Verteidiger soll aber bestellt werden, wenn seine Mitwirkung wegen der Schwere der T at oder der Schwierigkeit des Verfahrens geboten erscheint. Es ist nicht zu besorgen, daß diese Lockerung der Verfahrensvorschriften zu einer Gefährdung der Mahrheitserforschung führt. Die Aufgabe des Gerichts bleibt es nach wie vor, nach Wahrheit und Recht zu forschen, den Schuldigen der verdienten Strafe zuzu­ führen, den Unschuldigen aber vor ungerechter Ver­ folgung zu bewahren. Nur im Rahmen dieser großen Grundsätze darf Recht gesprochen werden. E s besteht kein Anlaß, den Gerichten nicht das Vertrauen ent­ gegenzubringen. das die neuen Freiheiten voraus­ sehen. übrigens gibt die Stärkung der Stellung des Revis'onsgerichts. von der noch zu sprechen ist, die Möglichkeit, Mißgriffen zu begegnen.

H I.

Mittel der Wahrhektserforschung. 88 171 bis 175 StVO.

8173 StVO. 8 171 Abs. 2 StVO.

Die wichtigste Neuerung findet sich hier in den Vorschriften, die die Beeidigung zum Gegenstand haben. D as Recht, von der Beeidigung abzusehen, wird stark eingeschränkt, da die Gerichte unter der Herrschaft des geltenden Rechts von der Befugnis, emen Rennen nicht m vereidigen, in zu großem Um­ fang Gebrauch gemacht haben. D as Reckt, Eide abzu­ nehmen, ist allgemein dem Richter vorbehalten.

Zwangsmittel. Die Ausgestaltung der sogenannten Zwangsmittel bringt im einzelnen eine große Zahl von Neuerungen. Die wichtigsten Veränderungen finden sich im Recht der U n t e r s u c h u n g s h a f t und im Recht der B e ­ s c h l a g n a h m e . Bei der Untersuchungshaft ist dem Gedanken Rechnung getragen, daß die Strafrechts­ pflege nicht zuletzt dazu bestimmt ist, die Volksgemein­ schaft vor weiteren Taten eines Beschuldigten zu schützen. Dieser S i c h e r u n g s z w e c k tritt in der Neufassung der Vorschriften deutlich hervor. Stark unterstrichen ist ferner der Gedanke, daß bei bestimm­ ten schweren Taten der Beschuldigte, wenn dringender Tatverdacht besteht, in Untersuchungshaft genommen werden mu ß , und daß auch bei weniger schweren Taten die Verhängung der Untersuchungshaft regel­ mäßig angezeigt ist, wenn eine Freiheitsstrafe von wenigstens einem Ja h r zu erwarten steht. Ganz neu sind die Vorschriften, die einen E r s a t z f ü r d i e U n t e r s u c h u n g s h a f t ermöglichen sollen. Von diesem schweren M ittel soll nur dann Ge­ brauch gemacht werden, wenn es notwendig ist; wenn schwächere Maßnahmen ausreichen, wie Paßsperre, Aufenthaltsverbot, einzelne überwachungsmaßnahmen, so sollen sie angewandt werden. Uber die Be­ handlung des Untersuchungsgefangenen in der Unter­ suchungshaft sind nur einige große Richtlinien ge­ geben. Neu zugelassen wird die F e st st e l l u n g s h a f t, die der Feststellung der Verson eines Unbekannten dient, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, daß er als Beschuldigter oder zur Voll­ streckung einer Strafe gesucht wird (Landstreicher, Zigeuner, Razzien).

88 189 bis 223 StVO. SS 224 bis 236 StVO. 88 199, 200 StVO.

8 199 Abs. 2 StVO.

8 199 Abs. 3 StVO.

8 205 StVO.

88 217, 218 StV O .

8 222 StVO.

V. Rechtsmittel. Die Frage der Rechtsmittel beantwortet der E nt­ wurf folgendermaßen: I m Regelfälle ist gegen die Entscheidung des ersten Richters e i n Rechtsmittel zulässig, und zwar nach der W a h l d e s B e s c h w e r d e f ü h r e r s die B e r u f u n g oder die R e c h t s r ü g e . F ü r ein volksnahes Recht erschien es nicht angängig, nur das dem Volk ziemlich fremde Rechtsmittel der Rechtsrüge zu geben und damit die Erfahrungstatsache unberück­ sichtigt zu lasten, daß in Strafsachen für das Volk der Schwerpunkt in der Tatsachenfeststellung und nicht in der rechtlichen Würdigung liegt. Daher mußte für die große Gruppe der kleinen und mittleren Kriminalität die B e r u f u n g zugelassen werden. Nur in Schwur­ gerichtssachen und in Sachen, die schon in erster Instanz vor die Strafkammer kommen, ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit lediglich die R e c h t s r ü g e vorgesehen. Die Rechtsrüge ist erheblich lockerer gestaltet worden. D as Rechtsrügegericht er­ hält die Befugnis, auch die Ausübung des richterlichen

88 289,290,292,296 StVO.

8290 61930.

88 309,319,320,322 StVO.

§ 309 StBO.

§ 322 StVO.

§ 273 StVO.

§ 289 Abs. 3 StVO. §§ 302,304,319,324 StVO.

§ 289 Abs. 2, § 290 StVO.

§§ 325,326 StVO.

§§ 327 bis 329 StVO.

§ 278 StVO. §§ 335 bis 350 StVO.

§335 StVO.

Ermessens insoweit nachzuprüfen, als das Urteil wertende Begriffe des Gesetzes (z. B. gesundes Volksempfinden, schwere Nachteile, besonders schwerer Fall u. a.) verwendet. Darüber hinaus darf das Rechtsrügegericht das Urteil auch dann aufheben, wenn sich ernste Bedenken gegen die tatsächlichen Fest­ stellungen des Urteils ergeben. S o kann in Zukunft also auch das Rechtsrügegericht offenbare Fehlentschei­ dungen beseitigen. Ob ein Rechtsmittel auch dem Angeklagten gegeben werden soll, der mangels Beweises frei­ gesprochen ist, aber wegen erwiesener Unschuld frei­ gesprochen werden möchte, regelt der Entwurf nicht ausdrücklich, vermeidet es aber, einer solchen E nt­ wicklung der Rechtsprechung den Weg zu versperren. Die Teilanfechtung (und damit die Teilrechtskrast) ist beseitigt, um den Gedanken der Einheitsstrafe durchzuführen; das Rechtsmittelgericht ist aber be­ rechtigt, tatsächliche Feststellungen und Wertungen des ersten Urteils, gegen die keine Einwendungen erhoben sind, zu verwerten. Grundsatz bleibt für alle Sachen, daß der Be­ schwerdeführer n u r e i n R e c h t s m i t t e l haben soll; also auch da, wo Berufung zulässig ist, gibt es grundsätzlich nur zwei Instanzen. Eine Erweiterung der Rechtsmittel darüber hinaus ist zur Wahrung der Rechtseinheit vorgesehen. Wenn die Fortbildung des Rechtes oder die Sicherung einer einheitlichen Recht­ sprechung es erfordern, hat der S t a a t s a n w a l t die Rechtsrüge auch dann, wenn er selbst Berufung eingelegt hatte. Unter denselben Voraussetzungen kann er gegen Beschwerdeentscheidungen des Land­ gerichts weitere Beschwerde einlegen. Besondere Vor­ schriften schaffen die Möglichkeit, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung durch das Reichsgericht zu bringen. Einem Mißbrauch der Berufungsmöglichkeit beugt die Zulassung der r e f o r m a t i o i n p e j u s vor, die schon die Prozeßnovelle zugelassen hat. Die W i e d e r a u f n a h m e d e s V e r f a h ­ r e n s ist, entsprechend der allgemeinen Richtung des Entwurfs, erheblich lockerer gestaltet. Die Wieder­ aufnahme zuungunsten des Verurteilten ist nicht mehr an strengere Voraussetzungen geknüpft als die Wiederaufnahme zu seinen Gunsten; sie ist immer dann Zulässig, wenn neue Tatsachen die Bestrafung eines Freigesprochenen oder eine wesentlich schwerere Bestrafung des Verurteilten ermöglichen. V I.

Besondere Berfahrensarten. §§ 351 bis 410 StVO.

Der Entwurf bringt in seinem letzten Teil die Regelung der besonderen Berfahrensarten. Unter ihnen versteht er die Voruntersuchung, das Schnell­ verfahren. den Strafbefehl, das Verfahren gegen flüchtige Verbrecher, das Verfahren gegen Wehr­ pflichtige, das Sicherungsverfahren, das EinziehungsVerfahren, das Festsiellungsverfahren und die Schad­ loshaltung des Verletzten.

I n einigen dieser Verfahrensarten finden sich wesentliche Neuerungen. Die V o r u n t e r s u c h u n g ist völlig umgestaltet. S ie soll nur noch in seltenen Ausnahmesällen statt­ finden, hauptsächlich da, wo es aus besonderenGründen angezeigt erscheint, daß nicht der Staatsanw alt, son­ dern ein Richter die Untersuchung führt, und wo es erwünscht ist, durch Richterspruch festzustellen, ob Gründe für die Einstellung des Verfahrens vorliegen. Die Anwendung dieses Verfahrens wird sich demnach auf besondere Fälle beschränken. Ein Teil dieser Neue­ rungen ist durch die Prozeßnovelle vorweggenommen.

88 351 bis 359 StDO.

D as S c h n e l l v e r f a h r e n ist in weiterem Umfange als bisher für zulässig erklärt.

SS 360 bis 363 StDO.

Beim V e r f a h r e n gegen flüchtige B e r b r e ch e r, das schon durch die große Verfahrens­ novelle eingeführt ist, handelt es sich nicht um eine Veränderung des früher geltenden Rechts, sondern um einen völligen Neubau. E s ist notwendig, die Möglichkeit zu schassen, daß schwere und besonderes Aufsehen erregende Straftaten auch dann zur öffent­ lichen Hauptverhandlung gebracht werden können, wenn der T äter sich der Verhandlung und der Strafe durch die Flucht entzogen hat. E s kann im dringenden Interesse des S taates liegen, auch in solchen Fällen die Frage der Schuld oder Nichtschuld sofort zu klären. Diese Möglichkeit gibt der Entwurf. D as Verfahren soll auf Antrag des S taatsanw alts stattfinden. Die Verhandlung geht so wie jede andere Verhandlung vor sich. D a jedoch der Angeklagte fehlt, darf eine durch sein Ausbleiben verursachte Ungewißheit über den Hergang ihm nicht zugute kommen. Der Grundsatz in dubio pro reo gilt freilich auch hier, aber er führt nur dazu, daß eine Verhandlung, in der weder die Schuld noch die Unschuld festgestellt werden kann, auszusetzen ist. D as Urteil ergeht also nur nach sach­ licher Prüfung wie jedes andere Urteil in Strafsachen, es ist nicht etwa ein Versäumnisurteil. Im merhin werden leichtere Möglichkeiten der Wiederaufnahme vorgesehen, daneben die gewöhnlichen Rechtsmittel. Eine weitere Neuerung ist das s e l b s t ä n d i g e F e s t s t e l l u n g s v e r s a h r e n . I m Zusammen­ hang mit den auch an anderer Stelle behandelten Be­ strebungen. den Ehrenschutz zu verbessern, ist zunächst dem gewöhnlichen Strafverfahren, das wegen einer Ehrabschneidung oder Verleumdung anhängig wird, neben dem Strasziel die gleichwichtige Ausgabe gestellt, die Unwahrheit oder Nichterweislichkeit des In h a lts der ehrenrührigen Behauptung zu klären und im Ur­ teil festzustellen. Darüber hinaus ist für die Fälle, in denen der Staatsanw alt von der Erhebung einer An­ klage absieht, weil der Beschuldigte in Verfolgung berechtigter Zwecke die Ehrenkränkung begangen hat oder weil er schuldunfähig ist oder weil eine Amnestie eingreift, ein selbständiges Feststellungsverfahren vorgesehen. I n diesem Verfahren, das der S t a a t s a n w a l t und nickt der Verletzte betreibt, bat ein Aussvruck des Gerichts über die Wahrheit, Unwahrheit oder Nichterweislichkeit der Behauptung

88 373 bis 379 StDO.

§373 StDO.

8377 StDO.

8 379 StDO.

8 85 StDO.

88 397 bis 400 StDO. 8 397 StDO.

§ 77 StBO.

§8 401 bis 410 StVO.

8 401 StVO.

SS 407, 410 StBO .

8 408 Abs. 2 StVO . 88 407 Abs. 2, 410 Abs. 2 StVO.

zu ergehen. Der Spruch des Gerichts wirkt für jedes spätere Verfahren wegen Ehrenkränkung oder Ehr­ abschneidung. Ganz neu ist auch das V e r f a h r e n z u r E n t s c h ä d i g u n g d e s V e r l e t z t e n . E s muß dem Volk unverständlich bleiben, wenn der Verletzte bei klar liegendem Sachverhalt seinen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Angeklagten erst in einem zweiten Prozeß vor einem anderen Gericht verfolgen kann. Hier war Abhilfe zu schaffen. Es können nach dem Entwurf im Strafprozeß Geldansprüche inner­ halb der Wertgrenze der amtsgerichtlichen Zuständig­ keit erhoben werden. Damit durch ihre Geltend­ machung der Hauptzweck des Verfahrens, die Abur­ teilung des Täters, nicht ungebührlich verzögert wird, war es geboten, dies Sonderverfahren so einfach und flüssig wie nur irgend möglich zu gestalten. Die Frage der Rechtsmittel, die sich bei der gesetzgeberischen Regelung immer als besonders schwierig erwiesen hat, regelt der Entwurf so, daß er ein Rechtsmittel des Verletzten gegen den Anspruch über den Schadens­ ersatz im Strafprozeß überhaupt nicht gibt; dem Ver­ letzten bleibt jedoch, wenn er mit dem Spruch nicht einverstanden ist, der Weg an das Zivilgericht offen. Der Verurteilte wiederum hat gegen den Spruch die Rechtsmittel, die ihm ohnehin zustehen.

vn. Der Aufbau der Strasverfahrensordmmg.

881 bis 12 StVO.

8813 bis 93 StVO.

SS 94 bis 272 StVO.

88 273 bis 350 StVO. 88 351 bis 410 StVO. 88 411 bis 429 StVO.

Bei dem äußeren Aufbau des Gesetzes ist die Kommission von dem herkömmlichen Schema völlig abgewichen. Die vorgeschlagene Neugestaltung des Aufbaues verfolgt das Ziel, die an sich schon nüchterne Berfahrensordnung lesbarer und anschaulicher zu machen, die das ganze Verfahren beherrschenden großen Leitgedanken klar herauszuarbeiten und das feste Gerippe jedes Verfahrens klar und übersichtlich hervortreten zu lassen. Demgemäß bringt der Entwurf zunächst in einem kurzen ersten Buch in zwölf Vorschriften die Hauptgrundsätze, gleichsam die zwölf Gebote des neuen deutschen Strafprozesses. D as zweite Buch führt dann in einem Zug dasBild des typischen Strafverfahrens des praktischen Lebens von der ersten Anzeige bis zum Urteilsspruch vor. Erst dann folgen im dritten Buch die Bestim­ mungen, die im geltenden Recht am Anfang stehen und die als gemeinsame Verfahrensvorschriften be­ zeichnet werden. S ie beschäftigen sich mit dem Richter und Staatsanw alt, seiner Zuständigkeit und Aus­ schließung. mit dem Verteidiger und dem Beschul­ digten, sodann mit den M itteln der Wahrheitser­ forschung, den Zeugen, den Sachverständigen und dem Augenschein. D aran schließen sich an die Regelung der Zwangsmittel (Untersuchungshaft, Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchung') und andere gemein­ same Vorschriften. Es folgen dann im vierten bis sechsten Buch die Rechtsmittel, die besonderen Berfahrensarten und die Kostenvorschriften.

vra. Die Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung. Neuland betritt der Entwurf mit seinen Vor­ schlägen über das Verfahren vor dem Friedensrichter. D as neue Strafgesetzbuch wird das Recht einer Privatperson, durch einen Strafantrag ein Strafver­ fahren mit dem Ziele einer kriminellen Strafe in Gang zu bringen, nicht mehr kennen. Die sogenannten Antragsdelikte sind in Zukunft von Amts wegen zu verfolgen. F ür ein auf kriminelle Strafe abzielendes Privatklageverfahren, das das bisherige Recht für einen großen Teil der Antragsdelikte vorsah, ist im künftigen Strafprozeß kein Raum. Unter diesen bisherigen Privatklagedelikten be­ finden sich die zahllosen kleinen Fälle des täglichen Lebens, in denen durch geringfügige Verstöße zwar der nachbarliche Rechtsfrieden gestört worden ist, aber ein vernünftiges Interesse an einer kriminellen Be­ strafung nich? besteht und ein förmliches Strafver­ fahren seinen Zweck verfehlen würde. F ü r solche Fälle soll künftig ein zwangloseres, mit leichter Hand zu jährendes sriedensrichterliches Verfahren vorge­ sehen werden. E s soll offen stehen für die leichten Fälle der Ehrabschneidung und Beleidigung, der Körperverletzung, des Hausfriedensbruchs, der Sach­ beschädigung und des Geheimnisverrats. Wenn in diesen Fällen der S taatsanw alt eine Ahndung mit den M itteln des Strafrechts nicht für geboten hält, so kann er den Anzeiger auf das friedensrichterliche Verfahren verweisen. Damit scheidet der F äll aus dem Bereich des kriminellen Strafrechts und des Verfahrens vor den Strafge­ richten aus und kann nunmehr von dem Verletzten vor den Friedensrichter gebracht werden, in der Regel nach vorheriger Anrufung des als örtliche Sühne- und Aufsangstelle eingeschalteten Schiedsmanns. Um eine unnötige Belastung des S taatsan ­ w alts zu vermeiden, soll der Verletzte auch unmittel­ bar den Schiedsmann und Friedensrichter anrufen können, wenn nach der Lage des Einzelsalls voraus­ zusehen ist, daß der S taatsanw alt eine kriminelle Ayndung nicht für geboten halten wird. D as Verfahren vor dem Friedensrichter, das be­ sonders locker und frei gestaltet ist, soll in erster Linie der Aussöhnung der Beteiligten dienen. Dabei sollen nötigenfalls auch die bürgerlich-rechtlichen Folgen der Störungshandlung ausgeglichen werden. Kommt es nicht zu einer Aussöhnung, so ergeht ein Friedens­ spruch, der sich gegen jeden der Beteiligten richten kann und auf Verwarnung, Auferlegung besonderer Pflichten oder auf Friedensbuße in Geld lauten kann. D er Friedensrichter soll in gewissem Umfang auch vermögensrechtliche Streitigkeiten, die mit der T at zusammenhängen, entscheiden können. I m Rahmen dieses Friedensspruches ist der Friedensrichter — an­ ders als der frühere Privatklagerichter — an die Vorschriften des Strafgesetzbuchs nicht gebunden. Seine Aufgabe ist nicht, zu strafen; die von ihm an-

8 1 FSchO.

§ 29 StDO.

§ 4 FSchO. 88 1 Abs. 2,14,15 FSchO.

8 25 FSchO. 826 FSchO.

§29 FSchO.

§§10,16,17 FSchO. §29 Abs. 3 FSchO.

§34 FSchO. §§ 4 bis 13 FSchO.

§ 4 FSchO.

geordneten Maßnahmen und Auflagen kommen in kein Strafregister und kein polizeiliches Führungs­ zeugnis. Vielmehr ist das Ziel dieses Verfahrens lediglich, losgelöst von den Regeln des Strafrechts und des Strafprozesses den nachbarlichen Rechtsfrieden wieder herzustellen, der durch die Handlung eines Volksgenoffen gestört worden ist. Gegen den Friedensspruch gibt es kein Rechts­ mittel. Nur eine erleichterte Wiederaufnahme des Verfahrens ist zulässig. Durch besondere Vorschriften ist dafür gesorgt, daß Fälle krimineller Art zur Kenntnis des S ta a ts­ anwalts kommen. Da das sriedensrichterliche Ver­ fahren kein Strafverfahren ist, tritt ein Verbrauch der Strasklage nicht ein. Friedensrichter soll in der Regel der Amtsrichter sein, aber auch die Bestellung anderer geeigneter Per­ sonen zu Friedensrichtern ist vorgesehen. M it diesen Vorschriften werden Bestimmungen über den Sühneversuch vor dem Schiedsmann ver­ bunden. Dieser Sühneversuch hat dem Verfahren vor dem Friedensrichter vorauszugehen, wenn die B e­ teiligten in dem gleichen Gemeinde- oder Schiedsmannsbezirk oder in benachbarten Bezirken wohnen. Es ist nicht möglich, auf die Einrichtung des Schiedsmanns zu verzichten. S ie hat sich überall vortrefflich bewahrt, sie ijjt im Volk verwurzelt und wird auch in Zukunft gute Dienste tun.

IX. Das Gerichtsverfaffungsgesetz.

§§ 12,19,23 GDG.

Der Entwurf des Gerichtsverfaffungsgesetzes ist von der Kommission nur insoweit ausgestellt worden, als er sich aus Fragen bezieht, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Neuordnung des Strafver­ fahrens stehen. Dabei handelt es sich vor allem um den Ausbau der Strafgerichte, um die Bestellung der Schöffen und Geschworenen und um bestimmte allge­ meine Vorschriften. Vorschriften, die die Zivilgerichts­ barkeit betreffen, sind in den Entwurf nur ausge­ nommen, soweit es der Zusammenhang erfordert hat; im übrigen fehlen sie. Diejenigen Vorschriften des Entwurfs, die vorwiegend oder ausschließlich die Zivilgerichtsbarkeit oder die allgemeine Organisation der Gerichte berühren, hat die Kommission nicht beraten. Diese Teile des Entwurfs sind durch kleineren Druck kenntlich gemacht; ihre Ausnahme soll nur den Zusammenhang der Vorschriften klarstellen. Der Aufbau der Strafgerichte ist wesentlich davon abhängig, ob die Gerichte nur mit Berufsrichtern oder auch mit ehrenamtlichen Richtern besetzt werden sollen. Die Kommiffion geht davon aus, daß die Zu­ ziehung von Schöffen und Geschworenen eine Frage des politischen Entschlusses ist. S ie selbst schlägt vor, die Gerichte, die vorwiegend mit der Tatsachenfest­ stellung befaßt sind, mit Berussrichtern und mit Schöffen oder Geschworenen zu besetzen. D as recht­ fertigt sich nicht aus dem Grunde, der früher für diese Art der Besetzung häufig in den Vordergrund geschoben wurde (Überwachung der Richter), sondern

aus der Erwägung, daß gerade im national­ sozialistischen S taate die Rechtspflege die Gesamtheit der Volksgenossen angeht und daß sie vom Volke selbst ausgeübt werden soll. Deshalb ist es notwendig, daß Bolksgenoffen, die nicht Berufsrichter sind, an der Strafrechtspflege teilnehmen. N ur für kleinere S tra f­ sachen soll aus Gründen der Vereinfachung und der Ersparnis der Amtsrichter als Einzelrichter beibe­ halten werden. Seine Zuständigkeit soll im wesent­ lichen dem heutigen Rechtszustand entsprechen. Folgender Ausbau der Gerichte ist vorgesehen: 1. K l e i n e K r i m i n a l i t ä t . Amtsrichter als Einzelrichter; Berufung: Schössenkammer beim Landgericht, drei Richter, zwei Schössen, —

8 95

emo.

8291StDO.,819Abs.1GDG.

oder Rechtsrüge: Oberlandesgericht, fünf Richter.

8291Abs.2StDO.,828GDG.

2. M i t t l e r e K r i m i n a l i t ä t . Schöffengericht, ein Richter, zwei Schöffen, o d e r drei Richter, zwei Schöffen;

§ 96 StVO.. § 12 GBG.

Berufung: Schöffenkammer beim Landgericht, drei Richter, zwei Schöffen, — oder Rechtsrüge: Reichsgericht, fünf Richter. 3. S c h w e r e K r i m i n a l i t ä t . Schwurgericht beim Landgericht, drei Richter, sechs Geschworene; Rechtsrüge: Reichsgericht, fünf Richter.

8291Abs.1SlBO.,819GVG. § 291Abs.2StDO., § 37GDG.

88 97,99 StVO., 823 GBG. 8 291 Abs.2 StDO.,837GDG.

Neben diese Gerichte, die für den großen Durch­ schnitt aller Strafsachen bestimmt sind, treten nach dem P lan der Kommission, sozusagen als Sonder­ gerichte für Sonderfälle 1. eine Strafkammer für sogenannte Monstresachen als erste Instanz; sie wird zur Erhöhung ihrer Arbeitsfähigkeit mit fünf Richtern besetzt; die Rechtsrüge geht ans Reichsgericht; 2. der Volksgerichtshof und die Oberlandesgerichte als einzige Instanz für Hoch- und Landes­ verrat und volksfeindliche Handlungen von Ausländern; sie sind wie bisher besetzt. Dieser Aufbau, der so einfach wie möglich gehalten ist, trägt den tatsächlichen Bedürfniffen sorgfältig Rechnung. E r ermöglicht es der Staatsanwaltschaft, die Anklage in der untersten Instanz vor dem Gericht zu erbeben, das sich nach der A rt seiner Besetzung und im Rahmen der Zuständigkeitsvorschristen (die in die Verfahrenordnung verwiesen sind) am besten für die Aburteilung der einzelnen Sache eignet. Die große Gruppe der kleinen Kriminalität soll vor den Einzelrichter gebracht werden. Sachen der mittleren Kriminalität beginnen beim Schöffengericht; hier hängt es von dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache ab, ob der S taatsanw alt die Zuziehung von zwei weiteren Richtern beantragt. Alle Berufungen in diesen Sachen der kleinen und mittleren Krimina­ lität gehen an eine — für alle Sachen gleichmäßig besetzte — Berusungskarnmer; die Rechtsrüaen gehen an das Oberlandesgericht, wenn im ersten Rechtszug

8 98 StVO. 819 Abs. 2 GBG. 8 291 Abs. 2 StVO.

SS 100,101 StVO. 88 28. 33 GBG.

812 Abs. 2 GVS.

819A b s.1S D G . 8 291 SlVO.

8 291 StVO.

88 325 bis 330 StVO. 88 59 bis 78 ©23(0.

88 61 bis 63,76 GDG.

der Amtsrichter entschieden hat, sonst an das Reichs­ gericht. D as Reichsgericht wird als Rechtsrügegericht ferner tätig, wenn Urteile des Schwurgerichts oder der Sonderkammer angerissen werden. Besondere Vorschriften über die Wahrung der Rechtseinheit sichern dis Möglichkeit der Anrufung des Reichs­ gerichts auch in anderen Fällen. Die Auswahl der Schöffen und Geschworenen regelt der Entwurf nach neuen Grundsätzen. E s kommt darauf an, besonders geeignete Volksgenossen in den Dienst der Rechtspflege zu stellen. Der Auf­ sichtsrichter stellt im Einvernehmen mit der S ta a ts ­ anwaltschaft, den Behörden der S taats- und der Gemeindeverwaltung und mit der Nationalsozialisti­ schen Deutschen Arbeiterpartei Vorschlagslisten auf, in die er geeignete Personen einstellt. Aus diesen Listen ernennt der Landgerichtspräsident im B e­ nehmen mit den zuständigen Stellen die Geschwo­ renen und die Schöffen der Schöffenkammer, der Amtsrichter die Schössen des Schöffengerichts. Die Ernennung wird sich nach sachlichen Eigenschaften zu richten haben. Dabei wird es erwünscht sein, wenn durch häufigere Heranziehung erfahrene und bewährte Schöffen herangebildet werden.

Die in den Entwürfen angeführten Paragraphen des Strafgesetzbuchs betreffen die Vorschriften des von der amtlichen Strafrechtskommission aufgestellten E nt­ wurfs eines Deutschen Strafgesetzbuchs zweiter Lesung, Vorabdruck Februar 1936.

Entwurf einer

Strafverfahrensordnung

Slrafverfahrensordnung Inhaltsverzeichnis Zweites Hauptstück.

Erstes Buch. Grundsätze................... Zweites Buch. Gang des Berfahreus

88 1- 12 88 1 3 - 93

;

Mittel der Wahrheitserforschung 88150-198 1. A bschnitt: Z eugen........................... 2. A bschnitt: Sachverständige . . . . 3. A bschnitt: Augenschein....................

88150-184 88 185-194 88195-198

Drittes Hauptstück.

Erstes Hauptstück.

Das V orverfahren ................... §§ 1 3 - 39 1. A bschnitt: Ermittlungsverfahren des S ta a tsa n w a lts................................... SS 13— 24 2. A bschnitt: Verfolgungszwang . . . 88 25— 35 3. A bsch n itt: Erhebung der AnNage . 88 36— 39 Zweites Hauptstück.

Das H auptverfahren ................ 88 4 0 - 93 1. A bschnitt: Vorbereitung der HauptVerhandlung....................................... §§ 40— 51 2. A bschnitt: Hauptverhandlung . . . §§ 52— 80 3. A bschnitt: U r t e i l ........................... 88 « 1 - 93

Zw angsm ittel.......................... 1. A bschnitt: Untersuchungshaft . . . 2. A bschnitt: Beschlagnahme, Durch­ suchung und Untersuchung................ 1. Unterabschnitt: Beschlagnahme . . 2. Unterabschnitt: Durchsuchung . . 3. Unterabschnitt: Untersuchung von P erso n en ....................................... 4. Unterabschnitt: Gemeinsame Vor­ schriften .......................................

88 199-252 88199—223 88224-252 88 224—236 88237-240 88 241-244 S§ 245-252

Viertes Hauptstück.

Andere gemeinsame Vorschriften 88 253-272 Drittes Buch. Gemeinsame BerfahreusVorschriften ....................................... 88 94—272

1. A bschnitt: Verbindung u. Trennung 2. A b sch n itt: Entscheidungen, Nieder­ schriften, Mitteilungen........................

88253-255

3. A bschnitt: Fristen, Sprachgebrauch

88 268-272

88256-267

Erstes Hauptstück.

Richter, Staatsanw alt und Be­ teiligte ........................................... 88 94—149 1. A bschnitt: Richter und Staatsanw alt 1. Unterabschnitt: Zuständigkeit . . 2. Unterabschnitt: Ausschließung des Richters und des Staatsanw alts 2. A bschnitt: Der Verteidiger . . . . 3. A bschnitt: Der Beschuldigte . . . .

88 94—127 88 94—116 88117—127 §§ 128—143 §§ 144-149

Vierte» Buch. Rechtsbehelfe.............................

88 273-350

Erstes Hauptstück.

Allgemeine Vorschriften . . . 88 273—278 Zweites Hauptstück.

Die R echtsm ittel....................

88 279-330

1. A bschnitt: Beschwerde....................

88279-288

2*

2. A bschnitt: Anfechtung von Urteilen §§ 289—324 1. Unterabschnitt: Gemeinsame Vor­ schriften ....................................... §8 289-298 2. Unterabschnitt: Berufung . . . . §§ 299 —308 3. Unterabschnitt: Rechtsrüge . . . §§ 309—324 3. A bschnitt: Wahrung der Rechtse i n h e i t ...............................................§§ 325-330

Drittes Hauptstück.

Verfahren gegen Flüchtige und A b w esen d e...............................SS 373-384 1. A bschnitt: Hauptverhandlung gegen F lü c h ttg e ................................................§§373-379 2. A bschnitt: Verfahren gegen Abwe­ sende, die sich der Wehrpflicht entzogen h a b e n ................................................... §§ 380-384

Drittes HauptftÜck.

Andere Rechtsbehelfe.............. §§ 331—350 1. A bschnitt: Wiederholung einer ver­ säumten Hauptverhandlung . . . . §§ 331—334 2. A bschnitt: Wiederaufnahme des Verfahrens ....................................... §§ 335—350

Fünftes Buch. Besondere Verfahren-arien

Viertes Hauptstück.

Verfahren mit besonderen Zwecken ........................................... §8 385-410 1. 2. 3. 4.

§§ 351-410

Erstes HauptftÜck.

Richterliche Voruntersuchung. 88 351—359 Zweites Hauptstück.

Vereinfachte Verfahren. .

. §§ 360-372

A bschnitt: Stcherungsverfahren . . §§385 —389 A bschnitt. Einziehungsverfahren . §§ 390—396 A bschnitt: Feststellungsverfahren . §§397—400 A bschnitt: Entschädigung des Ver­ letzten ................................................... §§ 401-410

Sechste» Buch. Koste»................................................... §§411-429

1. A bschnitt: Schnellverfahren. . . . §§360—363 2. A bschnitt: S trafb efeh l....................§§ 364-372

-a-

21 22 § 6 D er Ri cht er

Slrafverfahrensordnung Erstes Buch Grundsätze § i Zi el der S t r a f r e c h t s p f l e g e Ausgabe der Strafrechtspflege ist es, das Ver­ brechen zu bekämpfen, die Rechts- und Friedensord­ nung des Volkes zu schützen und so dem Gemeinwohl zu bienen.1)

über die Anklage des S taatsanw alts entscheidet der Richter nach Recht und Gerechtigkeit als unab­ hängiges Organ der Strafrechtspflege. E r hat von Amts wegen die lautere Wahrheit zu erforschen und, unabhängig von Anträgen, alles E r­ forderliche zu tun, um das Recht zu finden. Der Richter spricht Recht im Namen des Deutschen Volkes.

§ 7

De r Be s c h u l d i g t e Der Beschuldigte hat das Recht auf Gehör. Ih m wird die erforderliche Verteidigung gewährleistet.

§ 2

§8

Ge r e c h t e S t r a f r e c h t s p f l e g e

D er V e r t e i d i g e r

Gerechtigkeit muß die unerschütterliche Grundlage für die Ausübung der Strasgewalt sein. Daher ist es die Pflicht aller Organe der Strafrechtspflege, nach Wahrheit und Recht zu forschen, den Schuldigen der verdienten Strafe zuzuführen, den Unschuldigen aber vor ungerechter Verfolgung zu bewahren.

Der Verteidiger ist als Organ der Strafrechts­ pflege dazu berufen, den Richter bei der Findung der Wahrheit und eines, gerechten Urteilsspruchs zu unter­ stützen. I m Rahmen dieser Aufgabe hat er die Sache des Beschuldigten zu führen.

§ 3

§ 9

S c hne l l e S t r a f r e c h t s p f l e g e

D e r Ve r l e t z t e

Die Strafe soll der T at aus dem Fuße folgen. Das Verfahren ist daher mit größter Beschleunigung durch­ zuführen.

D as Strafverfahren hat auch die Ausgabe, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen. F ü r die Wiedergutmachung des ihm zugefügten Schadens wird Sorge getragen, soweit das im S tra f­ verfahren ohne Beeinträchtigung seines Hauptzieles geschehen kann.

§ i

Volksverbundene

Strafrechtspflege

Die Strafrechtspflege muß von dem Vertrauen des Volkes getragen sein. Daher sollen Richter und Staatsanw alt das gesunde Volksempsinden zur Richt­ schnur ihres Handelns machen und ihr Amt in enger Verbundenheit mit dem Volke ausüben. § 5 D er

Staatsanwalt

Straftaten werden von Amts wegen verfolgt. Zu ihrer Verfolgung ist der Staatsanw alt berufen. Er führt das Vorverfahren und ist der öffentliche An­ kläger. Seines Amtes waltet er unparteiisch und ohne Ansehen der Person. !) Es bleibt vorbehalten, die Vorschrift des § 1 mit dem Vorspruch und dem grundsätzlichen Teil des Strafgesetzbuchs in Einklang zu bringen.

§ 10

Mü n d l i c h keit und Unmittelbarkeit alsGrundlagesürdieUrteilsfindung Über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten wird auf Grund einer mündlichen Hauptverhandlung durch Urteil entschieden. Der Richter muß danach trachten, sich von den Beweisen für die T at und von der Persönlichkeit des Täters einen unmittelbaren Eindruck zu bilden.

§ n OfsentlichkeitderHauptverhandlung Nach deutscher S itte wird vor dem Volke M cht gesprochen. Grundsätzlich findet deshalb die Haupt­ verhandlung öffentlich statt.

23 24 Ernst und Wü r d e der H a u p t ­ verhandlung Die Hoheit des Richteramtes, dem die Entschei­ dung über Leben und Ehre, Freiheit und Vermögen des Beschuldigten anvertraut ist, muß in der ein­ drucksvollen und würdigen Gestaltung der Hauptver­ handlung zum Ausdruck kommen?)

Zweites Buch

Gang -es Verfahrens Erstes Hauptstück Da» Borverfahren Erster Abschnitt

Er mi t t l ungs ve r f ahr e n des S t a a t s ­ a n wa l t s § 13

Anzeigen Straftaten kann jedermann bei dem Staatsanw alt anzeigen. Die Anzeige kann auch bei der Polizei oder beim Amtsgericht erstattet werden. S ie ist unverzüglich an den S taatsanw alt weiterzuleiten, soweit nichts anderes bestimmt ist. über die mündliche Anzeige ist eine Niederschrift oder ein Vermerk aufzunehmen. § 14

Ausgabe des S t a a t s a n w a l t s Erhält der Staatsanw alt durch eine Anzeige oder auf andere Weise Kenntnis von dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten Handlung, so prüft er den Sach­ verhalt und trifft alle Maßnahmen, um den Schul­ digen der verdienten S trafe zuzuführen. Ist die T at im Gesetz nicht ausdrücklich für straf­ bar erklärt, verdient sie aber nach gesundem Volksempsinden Bestrafung, so prüft der Staatsanw alt, ob auf die T at der Grundgedanke eines Strafgesetzes zutrifft und ob durch entsprechende Anwendung dieses Strafgesetzes der Gerechtigkeit zum Siege verholsen werden kann. § 15

Umfang

*) Es ist zu erwägen, im ersten Buch oder an anderer Stelle noch eine Vorschrift etwa folgenden In h a lts zu bringen: A u s l e g u n g d e s Ge s e t z e s Bei der Auslegung dieses Gesetzes gebührt S inn und Zweck der Barschaften der Vorrang vor ihrem Wortlaut. Lücken find nach den ihm zugrunde liegenden Rechts­ gedanken und im Einklang mit- dem gesunden Bolksempfinden auszufüllen.

der E r m i t t l u n g e n

Der S taatsanw alt nimmt die Ermittlungen vor, die geboten sind, um über die Erhebung der Anklage oder die Einstellung des Verfahrens entscheiden zu können. Dabei hat er den belastenden wie den ent­ lastenden Umständen sein Augenmerk zuzuwenden. Ist mit der Erhebung der Anklage zu rechnen, so ermittelt der Staatsanw alt auch die Umstände, die für die Strafbemessung und für die Anordnung sichernder Maßregeln von Bedeutung sind. E r sichert die Beweise, deren Verlust zu besorgen ist.

25 26 § 16

Stellung

des S t a a t s a n w a l t s im Vorverfahren

Der Staatsanw alt ist Herr des Vorverfahrens. E r bestimmt den Gang der Ermittlungen. I n Strafsachen von größerer Bedeutung soll er selbst die wichtigen Ermittlungen vornehmen, ins­ besondere den Beschuldigten vernehmen, und sich von den wesentlichen Beweisen einen unmittelbaren Ein­ druck verschaffen. Soweit der S taatsanw alt die Ermittlungen nicht selbst vornimmt, hat er sie zu leiten. § 17

T ä t i g k e i t der P o l i z e i Die Polizei unterstützt den Staatsanw alt bei der Aufklärung des Sachverhalts und bei der Verfolgung des Täters. Weisungen des S taatsanw alts hat sie zu ent­ sprechen. Erlangt die Polizei Kenntnis von dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten Handlung, so hat sie selbständig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ohne die Weisungen des S taatsanw alts abzuwarten. Sie hat den Staatsanw alt sofort zu benachrichtigen und ihn über den Stand der Ermittlungen aus dem Lausenden zu halten. I n Strafsachen von geringerer Bedeutung kann sie mit der Nachricht an den S ta a ts­ anwalt bis zum Abschluß der Ermittlungen warten, wenn nicht Anlaß besteht, ihm schon vorher eine Mitteilung zu machen. § 18

N i ch t n a t ü r l i c h e r

Tod

Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß je­ mand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so hat die Polizei dies dem Staatsanw alt oder dem Amtsrichter sofort anzuzeigen. Diese Pflicht hat auch die Gemeindebehörde, wenn nicht schon die Polizei die Anzeige erstattet hat. Der Tote darf nur nach schriftlicher Genehmigung des Staatsanw alts oder des Amtsrichters bestattet werden. Die Feuerbestattung bedarf der besonderen Genehmigung des Staatsanw alts. § 10

wenn aus besonderen Gründen eine Vernehmung oder die Einnahme eines Augenscheins durch den Richter geboten ist. Der S taatsanw alt stellt seine Allträge bei dem Amtsrichter des Bezirks, in dem die Handlung vor­ zunehmen ist. E r kann den Antrag auch bei dem Vorsitzer des Gerichts stellen, bei dem er die Anklage zu erheben beabsichtigt. Der Richter darf das E r­ suchen nur ablehnen, lvenn die Untersuchungs­ handlung gesetzlich unzulässig ist. §

Der Richter soll Beweise, deren Ausnahme der Beschuldigte bei seiner Vernehmung beantragt und die von Bedeutung sind, erheben, wenn ihr Verlust droht .ober wenn sie ohne wesentliche Verzögerung erhoben werden und zur Freilassung des Beschuldigten führen können. Bei Gefahr im Verzug hat der Amtsrichter die erforderlichen Untersuchungshandlungen von Amts wegen vorzunehmen. Is t die schleunige Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung erforderlich, so kann die Polizei sich unmittelbar an den Amtsrichter wenden.

§ 21 T e i l n a h m e a n ri chterlich e n U n t c r s ll ch u n g s h a n d l u n g e n Der Staatsanw alt kann an richterlichen Unter­ suchungshandlungen teilnehmen. Wird ein Augenschein eingenommen oder eilt Zeuge oder Sachverständiger vernommen, besten E r­ scheinen in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht möglich oder besonders erschwert sein wird, so sind auch der Verteidiger und der Beschuldigte zur T eil­ nahme berechtigt. Die §§ 57, 62 gelten entsprechend. Wenn nicht Gefahr im Verzug ist, sind den zur Anwesenheit Berechtigten O rt und Zeit der Unter­ suchungshandlung rechtzeitig mitzuteilen. Is t der Beschuldigte nicht aus freiem Fuß, so kann seine Vorführung unterbleiben, wenn die Unter­ suchungshandlung nicht in einem Gerichtsgebäude oder einer Gefangenenanstalt des Haftortes statt­ findet.

Ri c ht e r l i c he U n t e r s u c h u n g s ­ handlungen S oll ein Zeuge oder ein Sachverständiger eidlich vernommen werden, so beantragt der Staatsanw alt die Vernehmung durch den Richter. I m übrigen soll der Staatsanw alt eine richter­ liche Untersuchungshandlung nur beantragen, wenn der Verlust eines Beweismittels zu besorgen oder

20

Ri cht er l i che U n t e r s u c h u n g s h a n d ­ l ungen in bes onder en F ä l l e n

§ 22 Vernehmung

des

Beschuldi gten

Der Beschuldigte ist zu vernehmen, bevor die An­ klage erhoben wird. Beantragt er die Aufnahme von Beweisen, so hat der S taatsanw alt sie zu erheben, wenn sie von Be­ deutung sind.

27 28 Einstellung

des V e r f a h r e n s

Der Staatsanw alt stellt das Verfahren ein, memi er nach Abschluß der Ermittlungen von der Erhebung der Anklage absieht oder nach Zurücknahme der An­ klage das Verfahren nicht weiterführt. Die Einstellung steht einer erneuten Ausnahme des Verfahrens nicht entgegen.

Aus demselben Grunde kann der Staatsanw alt die Verfolgung auf einzelne abtrennbare Teile einer T at oder auf einzelne von mehreren Rechtsverletzungen beschränken, die durch eine und dieselbe T at be­ gangen worden sind. Abs. 1 gilt auch, wenn die übrigen Taten im Aus­ land abgeurteilt worden sind oder voraussichtlich dort abgeurteilt werden.

§ 28

§ 24

Widerspruch des Verletzten

Einstellungsbescheid

Wird nach den Strafgesetzen über die Verfolgung der T at erst nach Anhörung des Verletzten oder eines anderen entschieden, so kann der S taatsanw alt von der Verfolgung absehen. Dies gilt insbesondere, wenn der Anzuhörende der Verfolgung widerspricht und die Gründe, die vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus für die Verfolgung sprechen, nicht überwiegen.

Gibt der Staatsanw alt einer Anzeige keine Folge oder stellt er das Verfahren ein, so hat er dem An­ zeiger einen Bescheid zu erteilen. Der Bescheid ist zu begründen. Dem Beschuldigten wird die Einstellung des Ver­ fahrens mitgeteilt, wenn er vom Richter oder vom Staatsanw alt vernommen oder ein Haftbefehl gegen ihn erlaffen oder eine andere Maßnahme zur Ab­ wendung der Flucht gegen ihn getroffen worden ist. Dies soll auch dann geschehen, wenn der Beschuldigte sonst ein berechtigtes Interesse an der Bekanntgabe hat. Zweiter Abschnitt

Berfolgungszwang

§ 25 Grunds at z

Der Staatsanw alt verfolgt eine T at, wegen deren das Verfahren vor dem Friedensrichter zulässig ist, nur dann, wenn es geboten ist, sie mit den M itteln des Strafrechts zu ahnden?) Verfolgt der Staatsanw alt die T at nicht, so hat er den Verletzten darüber zu belehren, daß es ihm freisteht, den Friedensrichter anzurufen. §30

Der Staatsanw alt hat die Anklage zu erheben, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügen­ der Verdacht besteht, daß der Beschuldigte eine S tra f­ tat begangen hat.

Ausnahmen

§ 26 G e r i n g e Sc hul d

S c h u tz f ü r d i e O p f e r

einer

Er p r e s s u n g Ist eine Nötigung oder Erpreffung durch die Drohung begangen worden, eine S traftat zu offen­ baren, so braucht der Staatsanw alt die Tat, bereit Offenbarung angedroht worden ist, nur dann zu ver­ folgen, wenn es vom Standpunkt der Volksgemein­ schaft aus unerläßlich ist.

§ 31

Von der Verfolgung einer Tat, die nur mit Ge­ fängnis oder einer leichteren Strafe bedroht ist, kann der Staatsanw alt absehen, wenn die Schuld des Täters gering und nicht seine Verfolgung vom S tan d ­ punkt der Volksgemeinschaft aus geboten ist.

§ 27 Beschränkung der V e r f o l g u n g einzelne Taten

§ 29 Z u l ä s s i g k e i t des f r i e d e n s r i c h t e r ­ lichen V e r f a h r e n s

auf

Hat der Beschuldigte mehrere Taten begangen, so braucht der Staatsanw alt einzelne von ihnen nicht zu verfolgen, wenn sie angesichts der S trafe oder der sichernden Maßregel, die wegen der übrigen Taten verhängt worden oder zu erwarten ist, nicht ins Ge­ wicht fallen.

A u s l a n d s t a t en und

T a t e n von

Ausländern Der S taatsanw alt braucht eine T at nicht zu ver­ folgen, die im Ausland oder aus einem ausländischen Seeschiff oder Luftfahrzeug im In lan d begangen wor­ den ist. E r kann von der Verfolgung einer T at auch ab­ sehen, wenn der Beschuldigte sich im Ausland aufhält oder einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder durch das Gebiet des Deutschen Reiches durchgeliesert wird. Dasselbe gilt, wenn der Beschuldigte aus dem Reichsgebiet verwiesen wird. s) Nach dem Vorschlag der Strafrechtskommission ist noch zu prüfen, ob der Verfolgungszwang auch für Verleumdungen gelockert werden soll.

29 30 Die Tat muß jedoch verfolgt werden, wenn es vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus ge­ boten ist. §

32

A u s l a g e an den A n z e i g e r Hängt die Erhebung der Anklage von einer Frage ab, die nach bürgerlichem Recht oder nach Verwal­ tungsrecht zu beurteilen ist, so kann der Staatsanw alt dem Anzeiger zur Austragung der Frage im bürger­ lichen Streitverfahren oder im Verwaltungsstreitversahren eine Frist bestimmen. Wird das Streitversahren innerhalb der Frist nicht anhängig gemacht, so kann der Staatsanw alt von der Verfolgung der T at absehen. Diese Vorschriften gelten nicht für Taten, die mit Zuchthaus oder einer schwereren Strafe bedroht sind. Zeitablauf

§ 33 V e r f o l g l l ng w e i t z u r ü c k l i e g e n d e r Taten Der Staatsanw alt kann von der Verfolgung einer T at absehen nach zehn Jahren bei Taten, die mit Zuchthaus bedroht sind, nach fünf Jahren bei Taten, die mit Gefäng­ nis bedroht sind, nach drei Jahren bei Taten, die mit Haft bedroht finb.4) Aus die Verfolgung von Taten, die mit Achtung oder mit dem Tode bedroht sind, ist der Zeitablauf ohne Einfluß. §

34

Un z u l ä s s i g k e i t der V e r f o l g u n g Eine Tat, die mit keiner schwereren Strafe als Gefängnis bedroht ist, darf nicht mehr verfolgt wer­ den, wenn seit ihrer Begehung zehn Jahre verstrichen sind. Ist die T at mit keiner schwereren Strafe als Haft bedroht, so darf sie nicht mehr verfolgt werden, wenn seit ihrer Begehung fünf Jahre verstrichen sind.4) § 35 B e g i n n und R u he n der Fristen Die Fristen beginnen, wenn die strafbare Tätig­ keit abgeschlossen ist oder das strafbare Verhalten aus­ 4) Die Strafprozetzkommission schlägt vor, eine Vorschrift etwa folgenden In h alts in das Strafgesetzbuch oder an anderer Stelle aufzunehmen: „Ist eine Tat in besonders schweren Fällen mit einer schwereren Strafe bedroht, so gelten Vorschriften, die die schwerere Strafdrohung voraussetzen, nur, wenn ein be­ sonders schwerer Fall vorliegt. Ist eine Tat in minder schweren oder in leichteren Fällen nicht auch mit der Strafe bedroht, die das Gesetz für derartige Taten im all­ gemeinen vorsieht, so gelten Vorschriften, die die schwerere Strafdrohung voraussehen, nicht, wenn ein leichterer Fall

hört. T ritt der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später ein, so beginnen die Fristen mit diesem Zeit­ punkt. Die Fristen laufen nicht, solange nach gesetzlicher Vorschrift die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Der Fristenlaus ruht auch, solange gegen den Täter das Strafverfahren bei Ge­ richt anhängig ist. D ritter Abschnitt Erhebung

der

Anklage

§ 36 Einreichung

der Ankl a ge s c hr i f t

Der Staatsanw alt erhebt die Anklage durch Ein­ reichung einer Anklageschrift bei dem Vorsitzer des zu­ ständigen Gerichts. Unter mehreren sachlich und örtlich zuständigen Gerichten hat der Staatsanw alt die Wahl. Sind der Amtsrichter und das Schöffengericht zuständig, so erhebt der Staatsanw alt die Anklage vor dem Amtsrichter, wenn nur eine innerhalb der Strasgewalt des Amtsrichters liegende Strafe oder sichernde Maßregel zu erwarten und nicht aus be­ sonderen Gründen die Aburteilung durch das Schöffen­ gericht geboten ist. § 37 Inhalt

der Anklageschrist

I n der Anklageschrift sollen angegeben werden: 1. der Name, Rufname, Beruf, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Angeklag­ ten, bei Frauen auch der Mädchenname; 2. die S traftat und ihre gesetzlichen Merkmale, O rt und Zeit der Begehung und die an­ wendbaren Strafvorschristen (Anklagesatz); die gesetzlichen Merkmale können durch ein­ fache gesetzliche Begriffe ersetzt werden; 3. die Zeugen und anderen Beweismittel; 4. das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen und die Umstände, die für die Strafbemes­ sung und für die Anordnung von sichernden Maßregeln von Bedeutung sind; hiervon kann bei Anklagen vor dem Amtsrichter abgesehen werden; 5. der Verteidiger; 6. das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Die Anklageschrift enthält ferner den Antrag auf Ansetzung der Hauptverhandlung. § 38 Zurücknahme der Anklage Der Staatsanw alt kann die Anklage bis zum Be­ ginn der Hauptverhandlung zurücknehmen.

31 § 39 Zu r ü c k n a h me der A n o r d n u n g u nd des V e r l a n g e n s der S t r a f v e r f o l g u n g Wird die T at nach den Strafgesetzen nur aus An­ ordnung oder auf Verlangen verfolgt, so kann die An­ ordnung oder das Verlangen bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die in den Strafgesetzen vorgesehene Anordnung, die T at nicht zu verfolgen, ist bis zur Rechtskraft des Urteils zulässig.

Zweites Hauptstück D a s Hauplversahren Erster Abschnitt

B o r b e r e i t u n g der Ha u p t v e r h a n d l u n g § 40

32 Kann nach § 58 Abs. 2 ohne den Angeklagten ver­ handelt werden, so hat der Vorsitzer anzuordnen, daß der Angeklagte in der Ladung darauf hinzuweisen ist. Zwischen der Zustellung der Ladung an den An­ geklagten und der Hauptverhandlung muß eine Frist von mindestens einer Woche liegen. Der Vorsitzer kann sie abkürzen, wenn der Angeklagte damit einver­ standen ist oder wenn die Hauptverhandlung aus einen späteren Zeitpunkt verlegt oder wenn sie ausgesetzt wird. § 44

L a d u n g des V e r t e i d i g e r s Der bestellte Verteidiger ist stets zu laden, der gewählte Verteidiger dann, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. § 45 Beweisanträge

über Beweisanträge des Staatsanw alts, des Ver­ teidigers und des Angeklagten entscheidet der Vorsitzer D as Harlptversahren beginnt mit der Einreichung durch Beschluß. Wird ein Beweisantrag des Angeklagten abge­ der Anklageschrift. M it diesem Zeitpunkt wird das lehnt, so soll er darüber belehrt werden, daß er den Strafverfahren bei Gericht anhängig. Antrag in der Hauptverhandlung wiederholen kann. § 41 § 46 B e g i n n des H a u p t v er sa h r en s

M i t t e i l u n g der Ankl a g e s c hr i f t

Der Vorsitzer läßt die Anklageschrift dem Ange­ klagten zustellen. Zugleich wird der Angeklagte darüber belehrt, daß er innerhalb der ihm gesetzten Frist beantragen kann, zur Hauptverhandlung Zeugen oder Sachverständige zu laden oder andere Beweismittel herbeizuschaffen, und daß er dabei die Tatsachen angeben muß, die durch die Beweismittel bewiesen werden sollen. § 42 Ans et zung der H a u p t v e r h a n d l u n g Der Vorsitzer setzt die Hauptverhandlung an. E r bestimmt, welche Zeugen und Sachverständigen zu laden und welche anderen Beweismittel herbeizu­ schaffen sind. Ist ein Angeklagter oder ein Zeuge nicht auf freiem Fuß, so ordnet der Vorsitzer die Vor­ führung an. Der Vorsitzer kann diese Verfügungen schon treffen, wenn er die Anklageschrift dem Angeklagten zustellen läßt. §43 Ladung

des A n g e k l a g t e n

Der Angeklagte ist zur Hauptverhandlung zu laden. E r ist, wenn der Vorsitzer nichts anderes bestimmt, in der Ladung darauf hinzuweisen, daß er bei unentschuldigtem Ausbleiben vorgeführt oder verhaftet wer­ den kann.

Vorbereitende Beweisaufnahme Ein Zeuge oder Sachverständiger kann außerhalb der Hauptverhandlung richterlich vernommen werden, wenn er für längere oder unbestimmte Zeit durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu be­ seitigende Umstände verhindert ist, in der Hauptver­ handlung zu erscheinen. Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sachver­ ständigen wegen des Zeitverlustes oder wegen der ungünstigen Verkehrsverhältnisse nicht zugemutet werden kann, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, und der Vorsitzer seine Vernehmung vor dem erken­ nenden Gericht nicht für erforderlich hält. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung kann ein richterlicher Augenschein eingenommen werden. Eine vorbereitende Beweisaufnahme kann auch im Laufe der Hauptverhandlung angeordnet werden. §47 V e r f a h r e n bet d c r v o r b e r e i t e n d e n Beweisaufnahme Der Staatsanw alt, der Verteidiger und der An­ geklagte sind berechtigt, an einer vorbereitenden B e­ weisaufnahme teilzunehmen. Ih re r Anwesenheit be­ darf es nicht. Die §§ 57, 62 gelten entsprechend. Wenn nicht Gefahr im Verzug ist, sind den zur Anwesenheit Berechtigten O rt und Zeit der Beweis­ aufnahme rechtzeitig mitzuteilen. Ist der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so kann

33 34 seine Vorführung unterbleiben, wenn die Beweisauf­ nahme nicht in einem GerichtsgebLude oder einer Ge­ fangenenanstalt des Haftortes stattfindet. § 48

Sie benachrichtigt den S taatsanw alt, den Ver­ teidiger und den Angeklagten davon, welche Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhandlung geladen und welche anderen Beweismittel dazu herbeigeschafft werden. Spätere Änderungen teilt sie ebenfalls mit.

B e f r e i u n g des A n g e k l a g t e n v o n der Pflicht zum Erscheinen I m Verfahren vor dem Amtsrichter oder dem Schöffengericht kann der Vorsitzer dem Angeklagten aus seinen Antrag gestatten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, wenn ein Urteil zu erwarten ist, das nach § 58 Abs. 1 in seiner Abwesenheit erlaffen werden kann. Geschieht dies, so muß der Angeklagte über seine persönlichen Verhältnisse und über die Anklage richter­ lich vernommen werden. Der Staatsanw alt, der Verteidiger und Mitange­ klagte sind berechtigt, an der Vernehmung teilzu­ nehmen. Ih re r Anwesenheit bedarf es nicht. O rt und Zeit der Vernehmung sind den zur Anwesenheit Be­ rechtigten rechtzeitig mitzuteilen. Die §§ 57, 62 gelten entsprechend. I s t ein Mitangeklagter nicht aus freiem Fuß, so kann seine Vorführung unterbleiben, wenn die Ver­ nehmung nicht in einem Gerichtsgebäude oder einer Gesangenenanstalt des Hastortes stattfindet.

Zweiter Abschnitt

Haupt ver handl ung § 52 Entscheidung über

d ie A n k l a g e

Über die Anklage wird aus Grund einer Haupt­ verhandlung durch Urteil entschieden. § 53 S t e l l u n g des Ge r i c h t s und des Vorsitzers Herr des Hauptversahrens ist das Gericht unter Führung des Vorsitzers. Der Vorsitzer leitet die Verhandlung. E r trifft alle Entscheidungen, die dabei erforderlich werden. Die mitwirkenden Richter beraten ihn.^) § 54

§ 49

Anwesenhei t der M i t w i r k e n d e n

V o r b e r e i t u n g der H a u p t v e r h a n d ­ l u n g durch e i n e n b e a u f t r a g t e n o d e r ersuchten Richter

Während der Hauptverhandlung müssen die zur Urteilsfindung berufenen Richter, ein Staatsanw alt und ein Schriftführer ständig anwesend sein.

Der Vorsitzer kann mit einer vorbereitenden Be­ weisaufnahme und mit der Vernehmung des Ange­ klagten einen Richter seines Gerichts beauftragen. Er kann auch einen Amtsrichter darum ersuchen. §

50

Vorläufige Einstellung Verfahrens

des

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderes Hin­ dernis entgegen, so kann der Vorsitzer das Verfahren vorläufig einstellen. Soweit nötig, hat er die Beweise zu sichern.

§ 55 Pflicht

des A n g e k l a g t e n Erscheinen

zum

Der Angeklagte muß in der Hauptverhandlung anwesend sein, soweit das Gesetz nichts anderes be­ stimmt. Bleibt er trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Entschuldigung aus, so kann er vorgeführt oder verhaftet werden. Is t die Ladungsfrist nicht eingehalten, so ist die Hauptverhandlung aus Antrag des Angeklagten aus­ zusetzen. E r kann den Antrag nicht mehr stellen, wenn seine Vernehmung über die Anklage begonnen hat. Hieraus soll er hingewiesen werden.

§ 51

Tätigkeit

der Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle des Gerichts lädt den Ange­ klagten und den Verteidiger und führt die Verfügun­ gen aus, die der Vorsitzer nach den §§ 41 bis 43, 45 getroffen hat. S ie teilt dem Staatsanw alt, dem gesetzlichen Ver­ treter des Angeklagten und seinem Beistand O rt und Zeit der Hauptverhandlung mit.

6) I n der Gesetzesbegründung wird darauf hinzuweisen sein, daß der Entwurf davon abgesehen habe, eine Anhörung der mitwirkenden Richter vor bestimmten Entscheidungen zwingend vorzuschreiben. Der Borfitzer müsse aber dafür sorgen, dass die Meinung der mitwirkenden Richter schon bei der Sammlung der Urteilsgrundlagen berücksichtigt wird. D a­ her werde er die mitwirkenden Richter insbesondere zu hören haben, wenn er einen Beweisantrag ablehnen will oder wenn ein mitwirkender Richter abweichend von der Anficht des Vor­ sitzers es für geboten hält, datz der Angeklagte persönlich an­ wesend ist oder datz ein Beweis erhoben wird.

35 36 P f l i c h t des A n g e k l a g t e n zu u n u n t e r ­ brochener Anwesenheit Der Angeklagte darf sich aus der Hauptverhand­ lung nicht entfernen. Der Vorsitzer trifft die erforder­ lichen Maßnahmen; während einer Unterbrechung der Verhandlung kann er den Angeklagten in Gewahrsam halten lassen. Einem Mitangeklagten kann der Vorsitzer ge­ statten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, während Fragen erörtert werden, an denen er nicht beteiligt ist. Entfernt sich der Angeklagte ohne genügende E nt­ schuldigung oder bleibt er nach einer Unterbrechung aus, so kann die Hauptverhandlung ohne ihn zu Ende geführt werden, wenn er schon über die Anklage ver­ nommen worden ist und der Vorsitzer seine Anwesen­ heit nicht mehr für geboten hält. § 57 Vorübergehende Ausschließung eines Angeklagten Der Vorsitzer kann einen Angeklagten während der Vernehmung eines Mitangeklagten, Zeugen oder Sachverständigen von der Verhandlung fernhalten, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die Wahrheitsersorschung erheblich erschwert. Dasselbe gilt, wenn zu befürchten ist, daß Erörte­ rungen über den körperlichen oder geistigen Zustand des Angeklagten oder über ärztliche Fragen in Gegen­ wart des Angeklagten ihm nachteilig sein würden. Der Angeklagte ist von dem wesentlichen In h a lt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesen­ heit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Nach Abs. 3 ist auch dann zu verfahren, wenn der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens zeit­ weise von der Verhandlung ausgeschlossen werden mußte. § 58 • Verhandlung

ohne

Der Vorsitzer kann jederzeit das persönliche Ers­ cheinen des Angeklagten anordnen. Dies muß gechehen, wenn das Gericht aus eine Strafe oder eine ichernde Maßregel erkennen will, die nach Abs. 1, 2 in Abwesenheit des Angeklagten nicht verhängt werden darf. § 59 V e r t r e t u n g des abwe se n d en Angeklagten Wird ohne den Angeklagten verhandelt, so darf er sich durch einen Verteidiger vertreten lasten. § 60 Verhandlung

Bleibt der Verteidiger aus oder entfernt er sich vorzeitig, lehnt er die Verteidigung ab oder kann er sie nicht fortführen, so entscheidet der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen, ob aus diesem Grunde die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt wer­ den soll. Is t die Verteidigung notwendig (§ 1 3 1 ) oder ist der Verteidiger nach § 132 bestellt worden, so hat der Vorsitzer sofort einen neuen Verteidiger zu bestellen, wenn er die Verhandlung nicht unterbricht oder aus­ setzt. Erklärt der neue Verteidiger, daß er ohne V or­ bereitung nicht verteidigen könne, so ist die Haupt­ verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen. S ind in den Fällen der §§ 131, 132 für M it­ angeklagte verschiedene Verteidiger tätig, so kann der Vorsitzer bestimmen, daß die Anwesenheit eines Ver­ teidigers entbehrlich ist, während Fragen erörtert werden, an denen der von ihm verteidigte Angeklagte nicht beteiligt ist. Die Abs. 1 und 2 finden dann keine Anwendung, b) T rägt ein Verteidiger die Schuld an der Unter­ brechung oder Aussetzung, so sind ihm die dadurch ver­ ursachten Kosten aufzuerlegen.

den A n g e k l a g t e n

Bleibt der Angeklagte mit Erlaubnis des Vor­ sitzers der Hauptverhandlung fern, so darf gegen ihn nur auf Gefängnis oder Haft bis zu einem Jahre, auf Geldstrafe, Verfallerklärung, Bekanntmachung einer Verurteilung, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Ein­ ziehung oder Unbrauchbarmachung allein oder neben­ einander erkannt werden. Bleibt der Angeklagte in anderen Fällen trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Entschuldi­ gung aus, so kann ohne ihn verhandelt werden, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder Geld­ strafe, Bersallerklärung, Bekanntmachung einer Ver­ urteilung, Verwarnung mit Strafvorbehalt, E in ­ ziehung oder Unbrauchbarmachung allein oder neben­ einander zu erwarten und der Angeklagte aus die Zu­ lässigkeit dieses Verfahrens in der Ladung hingewiesen worden ist. D as Verfahren ist zulässig, auch wenn der Angeklagte öffentlich geladen worden ist. 3*

ohne den V e r t e i d i g e r

§

Gang

der

61

Hauptverhandlung

Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Ausruf der Sache durch den Vorsitzer. Er stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Be­ weismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vor­ sitzer vernimmt den Angeklagten über seine persön­ lichen Verhältnisse. Der Staatsanw alt verliest den Anklagesatz; er kann ihn kurz erläutern. Hierauf ver­ nimmt der Vorsitzer den Angeklagten über die Anklage. «) Bei der Neufassung der Rechtsanwaltsgebührenorbnung wird zu prüfen sein, ob dem bestellten Verteidiger in den Fällen des Abs. 3 überhaupt (oder in welcher Höhe) ein Ge­ bührenanspruch zustehen soll, wenn er in der H auptverhand­ lung anwesend ist.

37 38 Wird ohne den Angeklagten verhandelt, so werden die Erklärungen, die er bei seiner früheren Verneh­ mung vor einem Richter oder Staatsanw alt abge­ geben hat, verlesen. Andere Erklärungen des Ange­ klagten können verlesen werden. E s folgen die Aufnahme der Beweise und die Schlußvorträge des Staatsanw alts, des Verteidigers und des Angeklagten. Die Hauptverhandlung schließt mit der Verkün­ dung des Urteils. §62 Fragerecht D er Vorsitzer soll den mitwirkenden Richtern, dem Staatsanw alt und dem Verteidiger gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverstän­ digen zu richten. Solche Fragen soll er auch dem Angeklagten ge­ statten. Fragen, die nicht zur Sache gehören oder die ungeeignet sind, weist er zurück. § 63 A u s d e h n u n g der Ankl age Der Staatsanw alt kann mit Zustimmung des Vorsitzers mündlich die Anklage auf weitere S tra f­ taten des Angeklagten ausdehnen, wenn das Gericht für sie zuständig ist. Die mündliche Anklage soll den In h a lt haben, der für den Anklagesatz vorgeschrieben ist. Der Anklage­ satz ist in die Niederschrift aufzunehmen.

U mf a n g der B e w e i s a u f n a h m e Das Gericht hat von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist. I n Verhandlungen vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht darf e.ine Beweiserhebung abgelehnt werden, wenn der Vorsitzer sie nach seinem pflicht­ mäßigen Ermeffen zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält. I n der Verhandlung vor den Gerichten, gegen deren Urteile allgemein die Berufung ausgeschlossen ist, darf eine Beweiserhebung nur abgelehnt werden, wenn sie unzulässig ist, wenn es sich um offenkundige Tatsachen handelt, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, belanglos oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag gestellt worden ist, um das Verfahren zu verschleppen, wenn eine erhebliche Behauptung, die den Angeklagten entlasten soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete T at­ sache wahr, wenn es sich um den Beweis durch Augen­ schein oder durch Sachverständige handelt und der Vorsitzer seine Erhebung nach pflichtmäßigem Ermeffen zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich hält. Uber die Ablehnung eines Beweisantrags ent­ scheidet der Vorsitzer durch Beschluß.

§66

§ 64 Beschr änkung der V e r h a n d l u n g auf e i n z e l n e T a t e n Der Vorsitzer kann die Verhandlung und Entschei­ dung auf einzelne von mehreren Taten des Ange­ klagten beschränken, wenn angesichts der Strafe oder der sichernden Maßregel, die für sie zu erwarten ist, die übrigen Taten nicht ins Gewicht fallen. Aus demselben Grunde kann der Vorsitzer die Verhandlung und Entscheidung auf einzelne abtrenn­ bare Teile einer T at oder auf einzelne von mehreren Rechtsverletzungen beschränken, die durch eine und dieselbe T at begangen worden sind. Die ausgeschiedenen Taten, Tatteile oder Rechts­ verletzungen können im Laufe der Verhandlung jeder­ zeit wieder in das Verfahren einbezogen werden. Ge­ schieht dies nicht, so ist das Verfahren bei Erlaß des Urteils durch Beschluß vorläufig einzustellen, soweit Taten oder Tatteile ausgeschieden worden sind. D as Verfahren ist auf die ausgeschiedenen Taten oder Tatteile wieder zu erstrecken, wenn der S ta a ts­ anwalt es binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils beantragt. Dasselbe gilt, wenn der S ta a ts­ anwalt nach § 27 die Anklage auf einzelne Tatteile beschränkt hatte.

U n m i t t e l b a r k e i t der aufnahme

Beweis­

Beweismittel, die geeignet sind, einen Beweis unmittelbar zu erbringen, sind grundsätzlich anderen Beweismitteln vorzuziehen. Wer eine Tatsache, die bewiesen werden soll, wahr­ genommen hat, soll selbst vernommen werden. Seine Vernehmung darf nicht dadurch ersetzt werden, daß die Niederschrift über eine frühere Vernehmung oder eine schriftliche Erklärung verlesen wird. Dies gilt nicht, soweit in den §§ 67 bis 71 die Verlesung zuge­ lassen wird. Schriftstücke und Druckschriften, die als Beweis­ mittel verwertet werden dürfen und wegen ihres I n ­ halts Bedeutung haben, sind in der Hauptverbandlung m verlesen. Der Vorsitzer kann statt der Verlesung den wesentlichen In h a lt mitteilen, wenn der S ta a ts­ anwalt, der Verteidiger oder der Angeklagte nicht widerspricht. §67 Verlesung

schriftlicher

Erklärungen

Schriftliche Erklärungen öffentlicher Behörden und von Dienststellen der Nationalsozialistischen Deut-

39 40 scheu Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen, die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthalten, dürfen ver­ lesen werden. Schriftliche Erklärungen, die sich über den Leu­ mund oder die Führung des Angeklagten aussprechen, dürfen nur verlesen werden, wenn es sich um S tra f­ registerauszüge, kriminalbiologische Gutachten oder Äußerungen der Strafvollzugsbehörden handelt. Ein schriftliches Zeugnis oder Gutachten eines Arztes über eine Körperverletzung, die nicht gefährlich oder schwer ist, darf verlesen werden.

§ 71 V e r l e s u n g zur Unt er s t üt zung des Gedächtnisses u n b zur K l ä r u n g von Widersprüchen Erklärt der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sach­ verständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr er­ innere, oder ergibt sich bei seiner Vernehmung ein Widerspruch zu einer Aussage, die er früher gemacht hat, so können Erklärungen, die er bei seiner früheren Vernehmung abgegeben hat, verlesen werden, um sein Gedächtnis zu unterstützen oder um den Widerspruch festzustellen oder aufzuklären.

§ 68 V e r l e s ung von Niederschrif ten über eine v o rb er ei t en d e B e w e i s a u f n a h m e Die Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen darf verlesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 46 vorliegen und bei der Vernehmung nach den §§ 21, 47 ver­ fahren worden ist. Der Grund der Verlesung ist bekanntzugeben; auch ist festzustellen, ob der Vernommene vereidigt oder weshalb dies unterlassen worden ist. Is t die Vereidi­ gung unterblieben, aber noch möglich, so ist sie nach­ zuholen, wenn sie bei einer Vernehmung in der Haupt­ verhandlung geboten wäre. Die Niederschrift über einen Augenschein, den ein Richter oder ein Staatsanw alt eingenommen hat, darf verlesen und von ihnen erläutert werden.

§72

Di ens t l i che Äu ß e r u n g Ein Richter oder ein Staatsanw alt, der zur M it­ wirkung in der Hauptverhandlung berufen ist, kann sich über Vorgänge, die den Gegenstand des Ver­ fahrens betreffen und die er bei seiner amtlichen Tätigkeit wahrgenommen hat, dienstlich äußern. Der Vorsitzer kann jedoch nach pflichtmäßigem Ermessen anordnen, daß der Richter oder der Staatsanw alt als Zeuge zu vernehmen ist. §73 Erörterung

bor t

Vorstrafen

Verurteilungen des Angeklagten oder eines Zeugen sollen nur soweit mitgeteilt oder erörtert werden, als es für die Entscheidung notwendig ist.

§69 V e r l e s u n g d e r A u s s a g e n ni cht vernehmbarer Personen Is t ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein M it­ beschuldigter verstorben oder war es nicht möglich, seinen Aufenthalt zu ermitteln, oder kann er aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit weder vor dem erkennenden Gericht noch nach § 46 vernommen werden, so darf die Niederschrift über seine frühere Vernehmung oder eine von ihm stammende schriftliche Erklärung verlesen werden. Soweit dazu Anlaß be­ steht, sind Zeugen über den Hergang und den In h a lt der früheren Vernehmung zu hören. Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge, ein Mitbeschuldigter oder der Angeklagte die Aussage verweigert. § 68 Abs. 2 gilt entsprechend. §70

B e r l e s u n g zur B e w e i s a u f n a h m e über ei n Ge s t ä n d n i s Erklärungen, die der Angeklagte bei einer Ver­ nehmung abgegeben hat, dürfen zum Beweise darüber, ob er ein Geständnis abgelegt habe, verlesen werden.

§74 A n hör ung

des A ngekl agt en

Dem Angeklagten soll nach der Vernehmung eines Mitangeklagten und nach der Benutzung eines jeden Beweismittels Gelegenheit gegeben werden, sich zu äußern. §75 H i n w e i s des A nge kl a gt e n auf neue Gesichtspunkte Will das Gericht ein anderes als das m der An­ klageschrift bezeichnete Strafgesetz anwenden, so ist dem Angeklagten unter Hinweis auf die Möglichkeit der anderen rechÜichen Beurteilung seiner T at Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung Umstände, die nach dem Gesetz die Strafe schärfen, oder die Voraussetzungen für eine sichernde Maßregel ergeben oder wenn der Staatsanw alt die Anklage aus weitere Straftaten des Angeklagten ausdehnt. Dies kann unterbleiben, wenn der Angeklagte nicht anwesend ist und der Hinweis für eine sach­ gemäße Verteidigung nicht erforderlich erscheint.

41 42 §79

§ 76 E i n h e i t s st r a f e

Schlußvorträge

Bei der nachträglichen Bildung einer Einheits­ strafe (§ 62 des Strafgesetzbuchs) kann das Gericht tatsächliche Feststellungen und Wertungen des früheren Urteils seiner Entscheidung zugrunde legen?) Abs. 1 gilt entsprechend, wenn nach § 64 Abs. 4 aus eine neue Strafe erkannt wird.

Zu den Schlußvorträgen wird zuerst dem S ta a ts­ anwalt, dann dem Verteidiger und dem Angeklagten das Wort erteilt. Der Angeklagte hat das letzte Wort.

§77

V er w ei su n g

W i rkung r e c h t s k r ä f t i g e r Feststel­ l u n g e n bei E h r e n k r ä n k u n g

D as Gericht hat sich für unzuständig zu erklären, wenn es eine seine Strafgewalt überschreitende Strafe oder sichernde Maßregel für geboten erachtet oder wenn die Aburteilung der T at zur ausschließlichen Zu­ ständigkeit eines höheren Gerichts gehört. I m übrigen darf es sich nur dann für unzuständig erklären, wenn es seine örtliche Zuständigkeit verneint. I n diesen Fällen verweist es durch Beschluß die Sache an das zuständige Gericht.

§80

Bildet den Gegenstand eines Verfahrens wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung die Be­ hauptung einer Straftat, über die ein Strafgericht rechtskräftig entschieden hat, so ist gegen diese Entschei­ dung kein Beweis zulässig, es sei denn, daß durch neue Tatsachen oder Beweismittel ihre Unrichtigkeit dar­ getan wird?) Dasselbe gilt, wenn den Gegenstand des Ver­ fahrens eine andere ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung bildet und in einem strasgerichtlichen Verfahren schon rechtskräftig festgestellt worden ist, daß die Behauptung wahr oder unwahr oder daß der Beweis der Wahrheit mißlungen ist. § 78 Un t e r b r e c h u n g und Aus s e t z ung Hauptverhandlung

Wird die Sache deshalb an ein anderes Gericht verwiesen, weil das Ergebnis der Hauptverhandlung von der Anklageschrift abweicht, so soll der Berweisungsbeschluß die für den Anklagesatz vorgeschrie­ benen Angaben enthalten. Erklärt sich das Gericht für örtlich unzuständig oder verweist es die Sache an ein niedrigeres Gericht als das vom Staatsanw alt bezeichnete, so ist befristete Beschwerde zulässig.

der

Die Hauptverhandlung soll unterbrochen oder aus­ gesetzt werden, wenn es zur weiteren Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung oder zur weiteren Aus­ klärung der Sache oder aus anderen Gründen not­ wendig ist. Die Verhandlung darf höchstens auf zehn Tage unterbrochen werden. Wird sie nicht spätestens am elften Tage wiederaufgenommen, so gilt sie als aus­ gesetzt; die Verhandlung muß dann von neuem be­ ginnen. 7) Es wird davon ausgegangen, daß § 62 Abs. 1 des StGB. Entwurfs zweiter Lesung etwa folgende Fassung erhält: „Die Vorschriften der §§ 57 bis 61 gelten auch dann, 1. wenn jemand nach einer Verwarnung mit Straf­ vorbehalt eine neue Straftat begeht und deshalb auch wegen der früheren Tat Strafe verwirkt hat, 2. wenn jemand, bevor eine rechtskräftig erkannte Strafe erlassen ist oder wegen Zeitablaufs nicht mehr vollstreckt werden darf, wegen einer weiteren S traftat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können." 8) § 77 enthält eine umfassendere Regelung der Frage, die im § 428 Abs. 2 Satz 2 StGB.-Entwurf 2. Lesung (Ehr­ abschneidung) behandelt wird. Die Strafprozeßkommission geht davon' aus, daß § 428 Abs. 2 Sah 2 SIGB.-Entwurf 2. Lesung zu streichen ist, wenn die Frage der Bindung an frühere strafgerichtliche Entscheidungen in der StVO, geregelt wird.

D ritter Abschnitt

Urteil §81

Urteilsfindung D as Gericht entscheidet durch Urteil über die E r­ gebnisse der Hauptverhandlung nach seiner Pflichtmäßigen Überzeugung. Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der An­ klage bezeichnete T at, wie sie sich in der Verhandlung dargestellt hat. §82 Recht sschöpfung Ergibt die Hauptverhündlung, daß der Angeklagte eine Tat begangen hat, die nach gesundem Bolksempsinden Bestrafung verdient, die' aber im Gesetz nicht für strafbar erklärt ist, so hat das Gericht zu prüfen, ob auf die T at der Grundgedanke eines S tra f­ gesetzes zutrifft und ob durch entsprechende Anwen­ dung dieses Strafgesetzes der Gerechtigkeit zum Siege verholfen werden kann. § 75 gilt entsprechend.

43 44 §83

gesprochen wird und es nach gesundem Volksempsinden eine unbillige Härte wäre, die Wahrheit oder die I n h a l t des U r t e i l s Unwahrheit der Behauptung nicht aufzuklären. Die Feststellungen dürfen nicht getroffen werden, Da s Urteil muß enthalten: wenn der Wahrheitsbeweis unzulässig ist. Bei Ehr­ 1. den Namen, Rufnamen, Beruf, Wohnort, abschneidungen, die nach § 428 Abs. 4 des Strafgesetz­ Geburtstag und Geburtsort des Angeklag­ buchs strafbar sind, kann das Gericht nach pflicht­ ten, bei Frauen auch den Mädchennamen; mäßigem Ermessen die Feststellung, daß die Behaup­ 2 . : die Bezeichnung des Gerichts und der mit­ tung unwahr oder daß der Beweis der Wahrheit miß­ wirkenden Richter, des S taatsanw alts, des lungen ist, in den Urteilsspruch aufnehm en.^) Verteidigers und des Schriftführers; Wird festgestellt, daß die Behauptung unwahr oder 3. den Tag der Urteilsverkündung; daß der Beweis der Wahrheit mißlungen ist, so kann 4. den Urteilsspruch ; das Gericht die öffentliche Bekanntgabe des Urteils nach § 43 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs anordnen, auch 5 die Urteilsgründe. wenn der Angeklagte nicht verurteilt wird. §84

§8 6

Urteilsspruch Der Urteilsspruch muß angeben, ob der Ange­ klagte verurteilt oder freigesprochen oder ob das Ver­ fahren eingestellt wird. Wird der Angeklagte verurteilt, so muß der Ur­ teilsspruch die strafbare Handlung bezeichnen, deren er schuldig gesprochen wird. E r muß auch die Strafe und die sichernden Maßregeln enthalten, auf die er­ kannt wird, oder aussprechen, daß von Strafe abge­ sehen wird. Wird der Angeklagte mit Strafvorbehalt ver­ warnt, so muß der Urteilsspruch den Schuldspruch und die Verwarnung enthalten sowie die vorbehaltene Strafe festsetzen. Der Beruf, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung dem Angeklagten untersagt wird, ist genau zu bezeichnen. D as Verfahren ist einzustellen, wenn ihm ein Bersahrenshindernis entgegensteht. Ein Verfahrenshin­ dernis liegt auch vor, wenn die T at wegen Zeit­ ablaufs (§ 34) nicht mehr verfolgt werden darf. §85 U r t e i l s s p r u c h bei E h r e n k r ä n k u n g Wird in einem Verfahren wegen Ehrenkränkung (§§ 428 bis 436 des Strafgesetzbuchs) oder falscher Verdächtigung (§ 365 des Strafgesetzbuchs) die W ahr­ heit oder die Unwahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauvtung erwiesen, so ist dies im Urteilsspruch festzustellen. Läßt sich weder die W ahr­ heit noch die Unwahrheit der Behauptung erweisen, so ist auszusprechen, daß der Beweis der Wahrheit mißlungen ist?) D as Gericht ist m diesen Feststellungen auch ver­ pflichtet, wenn der Angeklagte wegen Verfolgung be­ rechtigter Zwecke (§ 435 des Strafgesetzbuchs) frei9) ES bleibt vorbehalten, für die Fälle der Ehrenkränturig des Führers und Reichskanzlers (§ 127 S tG B ), der Verunglimpfung der Bolksführunq und der Führung der Wehrmacht (§§ 150, 280 des Strafgesetzbuchs) und der Berunglimpfung ausländischer Staatsoberhäupter, Regierungs­ mitglieder oder Gesandter (§§ 283, 284 StG B .) eine Sonder­ regelung zu treffen.

Anrechnung Dem Angeklagten kann die Untersuchungshast oder eine andere Freiheitsentziehung, zu der die Tat Anlaß gegeben hat, ganz oder teilweise auf die Strafe ange­ rechnet werden. Die anzurechnende Zeit soll im Urteil genau angegeben werden. Wird eine bereits erkannte Strafe in eine andere Strafe einbezogen, so ist die früher erkannte Strafe, soweit sie vollstreckt ist, aus die neue Strafe anzurechnen. Ist der Angeklagte wegen derselben T at schon im Ausland bestraft worden, so ist die ausländische Strafe, soweit sie vollstreckt ist, auf die erkannte Strafe anzurechnen. Wird in den Fällen der Abs. 2, 3 auf eine Strafe anderer Art erkannt, so bestimmt das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen, welcher Teil der neuen Strafe als vollstreckt gilt. §

Bekanntgabe

87

eines Freispruchs

Um dem Angeklagten Genugtuung zu gewähren, kann das Gericht anordnen, daß seine Freisprechung öffentlich bekanntzugeben ist, wenn die Hauptverhand­ lung seine Schuldlosigkeit ergeben oder dargetan hat, daß ein begründeter Verdacht gegen ihn nicht mehr vorliegt. Umfang, Form und Ort der Bekanntgabe werden in der Entscheidung bestimmt. Die Anordnung wird nur vollzogen, wenn der Angeklagte es binnen drei Monaten beantragt, nach­ dem ihm die rechtskräftige Entscheidung zugestellt worden ist.

§88 Urteilsgründe Die Urteilsgründe müssen die erwiesenen T a t­ sachen, aus denen sich die gesetzlichen Merkmale der io) Es wird vorallsgesetzt, datz im § 428 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs der Satz „Der W ahrheitsbeweis ist unzu­ lässig" gestrichen wird.

45 46 strafbaren Handlung ergeben, bestimmt bezeichnen und das angewendete Strafgesetz angeben. Ih re Darstel­ lung muß aus sich selbst verständlich sein. Nimmt das Gericht Umstände an, die nach dem Gesetz die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, oder verneint es solche Umstände entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag, so müssen sich die Urteilsgründe darüber aussprechen. Die Strasbemessungsgründe sind anzugeben. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb eine sichernde Maßregel angeordnet oder entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag nicht an­ geordnet worden ist. Wird keine sichernde Maßregel allgeordnet, obwohl der Angeklagte wegen Schuldunsähigkeit freigesprochen oder als vermindert Schuldfähiger verurteilt wird, so sind die Gründe hierfür anzugeben. Ein freisprechendes Urteil muß erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der Angeklagte freigesprochen wird. Hat die Verhandlung die Schuldlosigkeit des Angeklagten ergeben oder dar­ getan, daß ein begründeter Verdacht gegen ihn nicht mehr vorliegt, so ist dies auszusprechen. Die Urteilsgründe sollen angeben, wodurch die festgestellten Tatsachen bewiesen sind.

§ 89 Verurteilung

auf

Grund

von Wa h l -

f e s t s t e l l unge n Trifft das Gericht eine Wahlfeststellung, so ist der Angeklagte im Urteilsspruch nur der Verletzung des anzuwendenden Strafgesetzes schuldig zu sprechen. Die Urteilsgründe müssen angeben, welche Gesetze als verletzt in Betracht kommen. Die Tatsachen, die den Verstoß ergeben, sind festzustellen; es ist darzutun, weshalb eine eindeutige Feststellung nicht möglich ist. Sieht das Gericht entgegen einem in der Verhand­ lung gestellten Antrag von der Wahlfeststellung ab, so müssen die Gründe dafür dargelegt werden.

§90 Urteilsverkündung Der Urteilsspruch wird sofort oder binnen einer Woche durch Verlesen verkündet. Is t die Verkündung ausgesetzt worden, so können bei ihr andere Richter mitwirken als diejenigen, die das Urteil beschlossen haben. Außerdem sind die wesentlichen Urteilsgründe mit­ zuteilen. Sie sollen schriftlich abgefaßt sein, wenn die Verkündung ausgesetzt war. Der Vorsitzer kann dem Verteidiger und dem An­ geklagten gestatten, der Urteilsverkündung fern­ zubleiben, wenn wichtige Gründe dies rechtfertigen. § 91

B e h a n d l u n g des U r t e i l s D as Urteil mit den Gründen soll binnen einer Woche nach der Verkündung zu den Akten gebracht werden.

Es ist von den Berufsrichtern zu unterschreiben. Ist ein Richter an seiner Unterschrift verhindert, so vermerkt es der Vorsitzer und bei besten Verhinderung einer der mitwirkenden Berufsrichter auf dem Urteil. Der Berhinderungsgrund ist anzugeben. § 92

Verhandlungsniederschrist über die Hauptverhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen. I n ihr ist anzugeben, an welchem Ort und Tag verhandelt worden ist, wer als Richter, S taatsanw alt und Schriftführer mitgewirkt hat und welche Beteiligten anwesend waren. Die Niederschrift muß den Gang der Hauptverhandlung wiedergeben und ersehen lasten, ob die wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet worden sind. Die erhobenen Beweise, die verlesenen Schriftstücke, die Anträge und die Entschei­ dungen sind anzuführen. Aus der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter oder dem Schöffengericht ist außerdem der wesentliche In h a lt der Vernehmungen in die Niederschrift aufzu­ nehmen. Dies kann unterbleiben, wenn allseitig aus Rechtsmittel verzichtet wird oder die Hauptverhand­ lung ohne Urteil endet. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Einzelheiten eines Vorgangs oder der Wortlaut einer Aussage oder einer anderen Äußerung in die Niederschrift aufge­ nommen werden. E r kann auch anordnen, daß die Niederschrift ganz oder teilweise verlesen und daß fest­ gestellt wird, was gegen sie eingewendet wird. Die Niederschrift wird von dem Vorsitzer und bent Schriftführer unterschrieben. Is t der Vorsitzer ver­ hindert, so unterschreibt einer der mitwirkenden Berussrichter. Sind alle Berussrichter verhindert, so ge­ nügt die Unterschrift des Schriftführers. Is t der Schriftführer verhindert, so unterschreibt der Richter allein. Is t die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden, so soll die Niederschrift vor der Verkündung fertig­ gestellt werden. Sonst ist die Niederschrift spätestens binnen einer Woche nach dem Schluß der Hauptver­ handlung fertigzustellen. Vorher darf das Urteil nicht zugestellt werden.

§9 3 Nachwei s

der F ö r ml i c hke i t e n

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch die Niederschrift bewiesen werden. Die Niederschrift kann jederzeit berichtigt werden. Die Entscheidung trifft der Vorsitzer nach Anhörung des Schriftführers. Der Vorsitzer ordnet auch an, wem die Berichtigung bekanntzugeben ist. Die Berichtigung und ihre Ablehnung sind unan­ fechtbar.

47 48 S t r a s g e w a l t des Sc h ö f f e n g e r i c h t s und der S t r a f k a m m e r Das Schöffengericht und die Strafkammer können

Drittes Buch

Gemeinsame Berfahrensvorschristen Erstes Hauptstück

Richter» Staatsanwalt und Beteiligte

auf 1. zeitige Freiheitsstrafen, 2. Ehrloserkläruna. Entziehung der Amts­ fähigkeit und Bekanntgabe der Verurtei­ lung, 3. Vermögensstrafen, 4. Verwarnung mit Strafvorbehalt, 5. sichernde Maßregeln erkeiinen. § 97

Erster Abschnitt Richter und

Staatsanwalt

S t r a s g e w a l t der h ö h e r e n Gerichte

Sachliche Zuständigkeit der Gerichte

Das Schwurgericht, das Oberlandesgericht, der Volksgerichtshof und das Reichsgericht können auf Ächtung, Todesstrafe, lebenslange Freiheitsstrafe und Ausstoßung aus dem deutschen Staatsverband er­ kennen. Ih re Strafgewalt umfaßt auch die der übrigen Gerichte.

§94

§98

Grundsatz

Z u st ä n d i g k e i t d e r S o n d e r k a m m e r

Die Gerichte sind für alle Strafsachen zuständig, die nach der gegen den Täter zu verhängenden Strafe oder sichernden Maßregel in ihre Strasgewalt fallen. Dies gilt nicht, wenn die Strafsache zur ausschließ­ lichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts gehört. Bei Gerichten, die für bestimmte Strafsachen aus­ schließlich zuständig sind, darf eine Strafsache anderer Art nur anhängig gemacht werden, wenn sie mit einer zur Zuständigkeit des Gerichts gehörenden Strafsache verbunden werden kann oder wenn eine Einheitsstrafe gebildet werden soll.

Die Strafkamnier ist als Sonderkammer für um­ fangreiche Strafsachen zuständig, wenn die Hauptver­ handlung voraussichtlich mehr als sechs- Sitzungstage in Anspruch nehmen wird und der Staatsanw alt die Anklage vor ihr erhebt.

Erster Unterabschnitt Zuständigkeit

§95 Strafgewalt

des A mt s r i c h t e r s

Der Amtsrichter kann aus 1. Gefängnis und Haft bis zur Gesamtdauer von einem J a h r " ), 2. Bekanntgabe der Verurteilung, 3. Geldstrafe und Versallerklärung, 4. Verwarnung mit Strasvorbehalt, 5. erstmalige Unterbringung in einem Arbeits­ haus oder einem Asyl und Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer E nt­ ziehungsanstalt, 6. Einziehung und Unbrauchbarmachung erkennen. n ) Wird der Zweikampf im Strafgesetzbuch geregelt, so mutz § 95 Nr.. 1 folgende Fassung erhalten: „Gefängnis, Festungshaft und Haft bis zur Gesamtdauer von einem Jahr."

§

99

Zuständi gkeit des Schwurgeri chts Das Schwurgericht ist ausschließlich zuständig für die Aburteilung 1. der Taten, die mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bedroht sind und nicht zur Zuständigkeit des Volksgerichts­ hofs oder des Oberlandesgerichts gehören, 2. des Totschlags (§ 414 des Strafgesetzbuchs), 3. des Meineids (§ 385 des Strafgesetzbuchs). Is t die T at nur in besonders schweren Fällen mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bedroht, so kann sie von einem niedrigeren Gericht im Rahmen seiner Strafgewalt abgeurteilt werden. D as Gericht kann die Sache auch durch Beschluß an das Schwur­ gericht verweisen, wenn es einen besonders schweren Fall annimmt. § 100

Zuständi gkeit des O b e r l a n d e s ­ gerichts Das Oberlandesgericht ist ausschließlich zuständig zur Aburteilung. 1. des Hochverrats in den Fällen der §§ 97, 98, 100 des Strafgesetzbuchs,

49 50 2. des Landesverrats in den Fällen der §§ 107 bis 110 des Strafgesetzbuchs, 3. volksfeindlicher Handlungen von Auslän­ dern, für die nach § 125 des Strafgesetz­ buchs die in Nr. 1 und 2 genannten Strasvorschriften gelten, wenn der Reichsanwalt die Strafverfolgung an den Generalstaatsanwalt abgibt. Der Reichsanwalt kann die Abgabe bis zum Be­ ginn der Hauptverhandlung zurücknehmen.

G e r i c h t s st a n d d e s T a t o r t s Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die T at begangen worden ist. Ist eine T at wegen des In h a lts eines im In lan d erschienenen Druckwerks strafbar und hat der Täter sie sowohl am O rt des Erscheinens als auch anderswo begangen, so ist der Gerichtsstand des T atorts nur bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk das Druckwerk erschienen ist.

§ 101

Z u s t ändi gkei t des V o l k s g e r i c h t s h o f s

§105

Der Volksgerichtshof ist, soweit nicht die Zustän­ digkeit des Oberlandesgerichts dafür begründet wird, ausschließlich zuständig zur Aburteilung 1. des Hochverrats (§§ 94 bis 100 des S traf­ gesetzbuchs), 2. des Landesverrats (§§ 101 bis 122 des Strafgesetzbuchs), 3. volksfeindlicher Handlungen von Auslän­ dern (§ 125 des Strafgesetzbuchs), 4. der Gewalttätigkeiten gegen die Volks­ führung oder die Führung der Wehrmacht (§§ 149, 279 des Strafgesetzbuchs). Der Volksgerichtshof ist ferner zur Aburteilung der Volksverleumdung, der Ehrenkränkung des Führers und Reichskanzlers und der Verunglimpfung der Volkssührung oder der Führung der Wehrmacht (§§ 126, 127, 150, 280 des Strafgesetzbuchs) zustän­ dig, wenn der Reichsanwalt die Anklage vor ihm

Gerichtsstand des Wohnsitzes Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage seinen Wohnsitz hat oder seinen letzten deutschen Wohnsitz gehabt hat. Dem Wohnsitz steht der O rt des gewöhnlichen Aufenthalts gleich. §106 Gerichtsstand

des V er w a h r u n g s o r t s

Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage in Untersuchungshaft oder Strafhaft ist oder sonst aus behördliche Anordnung verwahrt wird. §107 Gerichtsstand

des

Ergreif ungsorts

Ist die T at im Ausland begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

§102 Zuständigkeit zur nachträglichen Bildung einer Einheitsstrafe Is t eine vom Schwurgericht, vom Oberlandes­ gericht oder vom Volksgerichtshof erkannte Strafe nachträglich in eine Einheitsstrafe einzubeziehen, so kann die Einheitsstrafe auch von einem anderen Ge­ richt im Rahmen seiner Strafgewalt gebildet werden. D as Gericht kann die Sache auch durch Beschluß an das Gericht verweisen, zu dessen ausschließlicher Zu­ ständigkeit die früher abgeurteilte T at gehört; auf Antrag des S taatsanw alts muß dies geschehen. Örtliche Zuständigkeit der Berichte § 103

Grundsatz

§108 Gericht sst and für T a t e n auf S e e ­ schiffen u n d L u f t f a h r z e u g e n Is t die T at aus einem Seeschiff begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der deutsche Heimathafen oder der deutsche Hafen liegt, den das Schiff nach der T at zuerst erreicht. Is t die T at auf einem Luftfahrzeug begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Luftfahrzeug nach der Tat im In la n d zuerst landet oder der Wohnsitz oder Sitz des Eigentümers des Luft­ fahrzeugs liegt. § 109

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte richtet sich im Hauptverfahren nach den §§ 104 bis 109, außer­ halb des Hauptverfahrens nach den dafür gegebenen besonderen Vorschriften. 12) Vgl. Anm. 9 zu § 85. 4

Hilssgerichtsstand Fehlt es zur Zeit der Erhebung der Anklage an einem nach den §§ 104 bis 108 zuständigen Gericht oder ist dieses nicht ermittelt, so sind das Amtsgericht Berlin und die ihm übergeordneten Gerichte zuständig.

51 52 Is t die Anklage noch nicht erhoben, so kann der Präsident des Reichsgerichts aus Antrag des Ober­ reichsanwalts ein anderes Gericht für zuständig erklären.

Zuständigkeit des S taatsanw alts

§ no S a c h li c h e Z u s t ä n d i g k e i t d e s anwalts

Staats­

Die sachliche Zuständigkeit des Staatsanw alts richtet sich nach der sachlichen Zuständigkeit der Ge­ richte, bei denen er tätig werden kann.

§ 114 Übertragung

des V e r f a h r e n s

Kann das zuständige Gericht das Richteramt nicht ausüben oder ist zu befürchten, daß die Verhandlung vor ihm die öffentliche Sicherheit gefährde, so über­ trägt der Vorsitzer des nächst höheren Gerichts die Sache auf ein anderes Gericht gleicher Ordnung in seinem Bezirk. Bestehen solche Hindernisse auch bei den übrigen Gerichten des Bezirks, so bestimmt der Vorsitzer des übergeordneten Gerichts, welches Gericht gleicher Ordnung seines Bezirks die Sache zu über­ nehmen hat. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. § 115

§ Hl Örtliche

Prüfung

Zuständigkeit anwalts

des

Staats­

F ür die örtliche Zuständigkeit des S taatsanw alts im Vorverfahren gelten die §§ 104 bis 109 ent­ sprechend. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Staatsanw alt tätig wird. Der Staatsanw alt kann in der Sache tätig bleiben, auch wenn später die Tatsachen wegfallen, die seine Zuständigkeit begründet haben.

der Z u s t ä n d i g k e i t

Das Gericht hat seine sachliche und örtliche Zu­ ständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Das Gericht, bei dem das Strafverfahren an­ hängig ist, darf seine sachliche oder örtliche Zuständig­ keit für das Hauptverfahren nur aus Grund der Hauptverhandlung verneinen. Die örtliche Zuständig­ keit wird nur aus Einwand des Angeklagten geprüft; er kann den Einwand nur erheben, bevor seine Ver­ nehmung über die Anklage begonnen hat. § HO Amtshandlungen eines unzustän­ digen Richters oder S t a a t s a n w a l t s

Gemeinsame Borschristen

§ 112 Anhängigkeit

einer

Strafsache

bei

verschiedenen Gerichten Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten ver­ schiedener Ordnung anhängig geworden, so führt das höhere Gericht das Verfahren fort. Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten gleicher Ordnung anhängig geworden, so führt das Gericht das Verfahren fort, das zuerst die Hauptverhandlung angesetzt hat. Der Vorsitzer des gemeinschaftlichen höheren Gerichts kann anordnen, daß eines der an­ deren Gerichte die Sache fortführt.

Amtshandlungen eines Richters oder eines S taatsanw alts sind nicht deshalb unwirksam, weil er sachlich oder örtlich nicht zuständig war. Bei Gefahr im Verzug hat auch ein sachlich oder örtlich nicht zuständiger Richter oder Staatsanw alt die erforderlichen Amtshandlungen in seinem Bezirk vorzunehmen.

Zweiter Unterabschnitt Ausschließung des Richters und des S taatsanw alts §

§ 113 StreitüberdieörtlicheZuständigkeit der Gerichte Streiten mehrere Gerichte über die örtliche Zu­ ständigkeit, so bestimmt der Vorsitzer des gemeinschaft­ lichen höheren Gerichts, welches von ihnen die Sache zu übernehmen hat. Dasselbe gilt, wenn mehrere Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich für örtlich unzuständig erklärt haben und ihre Entscheidungen nicht mehr anfechtbar sind.

117

Ausschließung vom Richteramt D as Richteramt darf nicht ausüben, 1. wer durch die T at verletzt worden ist, 2. wer Angehöriger des Beschuldigten oder des Verletzten ist, 3. wer Vormund des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist, 4. wer tuJ>er Sache als Staatsanw alt, als Polizeibeamter, als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist,

53 54 5. wer in der Sache als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist. Den Angehörigen des Beschuldigten oder des Ver­ letzten (Abs. 1 Nr. 2) stehen die Kinder seiner Ge­ schwister und die Geschwister seiner Eltern gleich.

§ 118 Beschrankte Ausschließung R i ch t e r a m t

§ 122 Ent s c he i dung ü b e r die A b l e h n u n g Wird ein Richter eines mit mehreren Richtern besetzten Gerichts abgelehnt, so entscheidet darüber der Vorsitzer. Wird der Vorsitzer abgelehnt, so entscheidet sein Vertreter.' Wird ein Amtsrichter als Einzelrichter, als er­ suchter Richter oder im Vorverfahren abgelehnt, so entscheidet darüber sein Vertreter.

vom

Wer als Richter bei einer Entscheidung mitgewirkt hat, die durch ein Rechtsmittel angesochten worden ist, darf bei der Entscheidung über das Rechtsmittel das Richteramt nicht ausüben. Der Untersuchungsrichter darf im Hauptverfahren weder als Vorsitzer noch als mitwirkender Richter tätig sein.

§123 P r ü f u n g von Amt s wegen Zeigt ein Richter Tatsachen an, die geeignet sind, ihn als befangen erscheinen zu lasten, oder bestehen bei einem Gericht Zweifel, ob ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, so gilt § 122 entsprechend. § 124

§ 119 A b l e h nu ng des Richters Ein Richter kann abgelehnt werden, wenn er von der Ausübung des Richteramts ausgeschloffen ist oder wenn der Ablehnende vernünftige Gründe hat, an der Unbefangenheit des Richters zu zweifeln. Z ur Ablehnung sind der Staatsanw alt und der Beschuldigte befugt. Auf Verlangen ist ihnen mit­ zuteilen, wer das Richteramt auszuüben hat.

Anfechtbarkeit Der Beschluß, der die Ablehnung für begründet erklärt, ist nicht anfechtbar. I m übrigen ist gegen den Beschluß die befristete Beschwerde zulässig. Ist ein zur Urteilsfindung be­ rufener Richter abgelehnt worden, so kann der Be­ schluß nur zusammen mit dem Urteil angesochten werden. § 125

§ 120

Unaufschiebbare A m t s h a n d l u n g e n

Verfahren

Bevor über die Ablehnung entschieden worden ist, darf der abgelehnte Richter nur Handlungen vor­ nehmen, die nicht aufgeschoben werden können.

Die Ablehnung ist bei dem Gericht geltend zu machen, bei dem der Abgelehnte das Richteramt aus­ üben soll. Der Ablehnende hat den Grund der Ablehnung glaubhaft zu machen. E r kann sich auf den abgelehnten Richter berufen. Der Abgelehnte hat sich über den Grund der Ab­ lehnung dienstlich zu äußern.

§ 121 Zeitpunkt der Ablehnung Wegen Befangenheit darf ein Richter in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges nur bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten über die Anklage, in der Berufungs- und Rechtsrügever­ handlung nur bis zum Beginn des Berichts abgelehnt werden. Alle Ablehnungsgründe sind gleichzeitig vorzu­ bringen.

§ 126 Ausschl ießung vom Amt des S t a a t s ­ anwalts D as Amt des Staatsanw alts darf nicht ausüben, 1. wer durch die T at verletzt worden ist, 2. wer Angehöriger des Beschuldigten oder des Verletzten ist, 3. wer Vormund des Beschuldigten oder des Verletzten ist oder gewesen ist, 4. wer in der Sache als Anwalt des Verletzten oder als Verteidiger tätig gewesen ist. Den Angehörigen des Beschuldigten oder des Ver­ letzten (Abs. 1 Nr. 2) stehen die Kinder seiner Ge­ schwister und die Geschwister seiner Eltern gleich. Ein Staatsanw alt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, darf in derselben Sache sein Amt in einer Hauptverhandlung nicht weiter ausüben.

55 56 Bestehell Zweifel, ob der Staatsanw alt sein Amt ausüben darf, so entscheidet darüber sein Vorgesetzter. Wegen Befangenheit kann der Staatsanw alt nicht abgelehnt werden. § 127 Schriftführer Die Vorschriften über die Ausschließung und die Ablehnung eines Richters gelten entsprechend für Ur­ kundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Schriftführer zugezogene Personen. Über die Ab­ lehnung entscheidet in der Hauptverhandlung der Vor­ sitzer des Gerichts, sonst der Richter, dem der Ab­ gelehnte beigegeben ist. Zweiter Abschnitt

De r V e r t e i d i g e r § 128

Wahl

des V e r t e i d i g e r s

Der Beschuldigte kann in jeder Lage des Ver­ fahrens einen Verteidiger wählen. Dasselbe Recht hat selbständig der gesetzliche Ver­ treter.

§ 132 Bestellung eines V e r t e i d i g e r s in anderen Fällen I n anderen Fällen kann für das ganze Hauptver­ fahren oder für einen bestimmten Teil ein Verteidiger bestellt werden. Dies soll geschehen, wenn wegen der Schwere der T at oder wegen des Umfangs oder der Schwierigkeit des Verfahrens die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn der Beschuldigte wegen körperlicher oder geistiger Ge­ brechen nicht fähig ist, sich selbst zu verteidigen.^)

§ 133 Bestellung im V o r v e r f a h r e n

§ 129

Ein Verteidiger kann auch schon im Vorverfahren bestellt werden.

E i g n u n g zum V e r t e i d i g e r Zum Verteidiger können Rechtsanwälte, die bei einem deutschen Gericht zugelassen sind, sowie Rechts­ lehrer an einer deutschen Hochschule gewählt werden. Der zum Verteidiger gewählte Rechtsanwalt kann mit Zustimmung des Beschuldigten die Verteidigung einem Assessor im anwaltlichen Probe- und Anwärter­ dienst oder einem Gerichtsreferendar übertragen, der im Vorbereitungsdienst seit mindestens einem Jahre beschäftigt ist.

§ 130 Be s c h r ä n k u n g bei der W a h l Verteidigers

2. wenn zu erwarten ist, daß die Sicherungs­ verwahrung, die Unterbringung in einer Heil- oder Pslegeanstalt oder die Ent­ mannung angeordnet werden wird, 3. wenn der Angeklagte taub oder stumm ist. I n diesen Fällen ist dem Angeklagten spätestens bei Mitteilung der Anklageschrift ein Verteidiger zu bestellen. Ergibt sich erst später, daß ein Verteidiger notwendig ist, so ist er sofort zu bestellen. Diese Vorschriften gelten nicht für die Hauptver­ handlung vor dem Rechtsrügegericht.

des

I n einem Verfahren wegen Hochverrats, Landes­ verrats oder volksfeindlicher Handlungen von Aus­ ländern bedarf die Wahl eines Verteidigers der Ge­ nehmigung. Sie kann zurückgenommen werden. I n Strafsachen jeder Art kann die Zahl der Ver­ teidiger, die in der Hauptverhandlung für einen An­ geklagten auftreten dürfen, beschränkt werden. § 131 Notwendige Verteidigung I m Hauptversahren ist ein Verteidiger notwendig: 1. wenn die Hauptverhandlung vor dem Volksgerichtshof, dem Oberlandesgericht oder dem Schwurgericht oder im Verfahren gegen Flüchtige stattfindet,

§ 134 A u s w a h l des V e r t e i d i g e r s Zum Verteidiger kann jeder Rechtsanwalt bestellt werden, der an einem Gericht des Gerichtsbezirks zu­ gelassen ist. E r kann mit Zustimmung des Vorsitzers die Verteidigung einem ihm überwiesenen Assessor im anwaltlichen Probe- und Anwärterdienst übertragen. Auch ein Justizbeamter, der nicht als Richter oder Staatsanw alt angestellt ist, kann zum Verteidiger bestellt werden. 13) Die Strafprozeßkommission geht davon aus, daß eine Vorschrift etwa folgenden In h alts in die Rechtsanwalts­ ordnung eingestellt wird: Be i or dnung eines Ver t ei di gers I n einem Strafverfahren kann der Vorsitzer des Ge­ richts dem Beschuldigten auf seinen Antrag einen Rechts­ anwalt als Verteidiger beiordnen, wenn der Beschuldigte glaubhaft macht, daß er am Sitze des Gerichts oder in dessen Nähe keinen Rechtsanwalt als Verteidiger finden kann. Die Beiordnung unterbleibt, wenn sie nur zur Anfechtung einer Entscheidung erfolgen soll und die An­ fechtung aussichtslos erscheint. Ein Rechtsanwalt, der nicht am Sitze des Gerichts oder in dessen Nähe wohnt, kann nur mit seiner Zu­ stimmung beigeordnet werden. Der beigeordnete Verteidiger hat die Stellung eines gewählten Verteidigers. E r kann die Übernahme der Verteidigung davon abhängig machen, daß der Beschul­ digte ihm einen nach der Gebührenordnung zu bemessenden Vorschuß zahlt.

57 58 § 135 W e g f al l der Bestellung Die Bestellung unterbleibt oder wird zurückge­ nommen, wenn ein gewählter Verteidiger die Ver­ teidigung übernimmt.

stücke gestatten, wenn dadurch der Zweck des Ver­ fahrens nicht gefährdet wird. Die Niederschriften über die Aussagen des Be­ schuldigten und über solche Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger anwesend sein darf, sowie Sachverständigengutachten darf der Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens einsehen.

§ 136

§ 141

V e r t e i d i g e r für mehr ere Beschuldigte Ein Verteidiger kann mehrere Beschuldigte ge­ meinschaftlich verteidigen, wenn ihre Interessen sich nicht widerstreiten. Wird eine Zustellung an den gemeinschaftlichen Verteidiger erforderlich, so bedarf es nur einer Zu­ stellung.

Vollmacht Wer in einem Strafverfahren als Verteidiger oder Vertreter eines Beteiligten auftreten oder sonst fremde Angelegenheiten wahrnehmen will, hat auf Verlangen seine Befugnis dazu nachzuweisen.

§ 142 Be i s t ä n d e

§ 137 V ert ei dig er als Zeuge Wer in der Hauptverhandlung als Zeuge ver­ nommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, darf in derselben Sache in einer Hauptverhandlung nicht mehr als Verteidiger oder als Vertreter eines Beteiligten auftreten.

§ 138 Entziehung

§ 143

der V e r t e i d i g u n g

D as Gericht kann einem Verteidiger, der bei der Führung der Verteidigung seinen Pflichten gröblich zuwiderhandelt, durch Beschluß die Befugnis zur Verteidigung entziehen, wenn andere M ittel versagen. §139 Verkehr

Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten ist nach Erhebung der Anklage als Beistand zuzulassen und auf sein Verlangen zu hören. Dasselbe gilt vom Ehemann einer Beschuldigten, wenn sie die Zulassung beantragt. I m Vorverfahren kann ihnen die Zu­ lassung gewährt werden. Andere Personen können als Beistand zugelassen werden.

mit dem V e r h a f t e t e n

Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte darf mit dem Verteidiger schriftlich und mündlich verkehren. B is zur Erhebung der Anklage kann der S ta a ts­ anwalt anordnen, daß ihm schriftliche Mitteilungen vorzulegen sind. E r kann sie zurückweisen, wenn ihm keine Einsicht gewährt wird. Der S taatsanw alt kann bis zur Erhebung der Anklage auch anordnen, daß der Beschuldigte mit dem Verteidiger nur in seiner Gegenwart oder in Gegen­ w art eines anderen Justizbeamten sprechen darf.

§ 140

Zus t ä ndi g ke i t Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist für die in diesem Abschnitt vorgesehenen Beschlüsse und Ver­ fügungen der Vorsitzer zuständig. I m Vorverfahren entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, das für die Hauptverhandlung zuständig wäre. über die Zulassung von Beiständen im Vorver­ fahren entscheidet der Staatsanw alt. D ritter Abschnitt

Der Beschuldigte § 144 Pflicht

zum Erschei nen

Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf die Ladung des Richters, des Staatsanw alts oder der Polizei zu erscheinen. Die Ladung bedarf keiner Form. Dem Beschuldigten kann angedroht werden, daß er vorgeführt wird, wenn er nicht erscheint.

Akteneinsicht Nach Erhebung der Anklage darf der Verteidiger die gerichtlichen und die ihnen beigefügten Akten ein­ sehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen. Schon vorher soll der Staatsanw alt ihm Einblick in die dem Gericht vorzulegenden Akten gewähren und die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweis­

§ 145 Wohnungswechsel Der Beschuldigte hat jeden Wechsel seiner Woh­ nung oder seines Aufenthaltsortes anzuzeigen, wenn der Richter, der Staatsanw alt oder die Polizei es verlangt.

59 60 § 146 V o r f ü h r u n g des B e s c h u l d i g t e n Der Richter, der Staatsanw alt und die Polizei können den Beschuldigten vorführen lassen, wenn er aus eine Ladung nicht erscheint und sich nicht genügend entschuldigt. D er Richter und der Staatsanw alt können den Beschuldigten auch ohne vorherige Ladung vorführen lassen, wenn Gründe vorliegen, die einen Haftbefehl rechtfertigen würden. Auch die Polizei kann so ver­ fahren, wenn sie befugt ist, den Beschuldigten vor­ läufig festzunehmen.

§ 147

Polizei als Zeuge vernehmen zu lassen. Dieselbe Pflicht hat ein Ausländer, der sich im In lan d aufhält. Die Zeugen sind verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. § 151 Ladung Die Zeugen sind zu ihrer Vernehmung zu laden. Die Ladung bedarf keiner Form. I n einer schrift­ lichen Ladung soll auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen werden. Sind Angehörige der Wehrmacht zu laden, so ist die Befehlsstelle darum zu ersuchen.

Vorführungsbesehl Die Vorführung wird in einem schriftlichen Be­ fehl angeordnet. I n dem Befehl ist der Beschuldigte genau zu be­ zeichnen. Die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, und der Grund der Vorführung sind anzugeben. D er Befehl ist dem Beschuldigten vorzuweisen.

§ 148 Vernehmung

des B e s c h u l d i g t e n

Die Vernehmung des Beschuldigten dient der E r­ mittlung der Wahrheit. Der Beschuldigte ist darauf hinzuweisen, daß von ihm eine wahrheitsgetreue Aussage erwartet wird und daß Unwahrheiten im Falle der Verurteilung zu einer höheren Strafe führen können. § 149 Gang

der

Vernehmung

Dem Beschuldigten ist zu eröffnen, was ihm zur Last gelegt wird. E r ist aufzufordern, seine persön­ lichen Verhältnisse darzulegen und sich zur Sache im Zusammenhang zu äußern. Die belastenden Umstände und die Beweise, die gegen den Beschuldigten sprechen, sind ihm mitzu­ teilen, sobald dies mit dem Zweck des Verfahrens vereinbar ist. Es ist ihm Gelegenheit zu geben, falsche Verdachtsgründe zu widerlegen, die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen, und Be­ weise für seine Angaben zu nennen.

Zweites Hauptstück M ittel der W ahrh eitserforschung Erster Abschnitt

Zeugen § 150 Zeugnispflicht Jeder deutsche Staatsangehörige ist verpflichtet, sich von dem Richter, dem S taatsanw alt oder der

§152 Pflicht

zum Erscheinen

Die Zeugen haben rechtzeitig am O rt ihrer V er­ nehmung zu erscheinen und dort zu bleiben, bis sie entlassen werden. § 153

Si c he r e s G e l e i t Einem Zeugen, der sich im Ausland aufhält, kann sicheres Geleit zugesagt werden. D as Geleit kann an Bedingungen geknüpft werden. Solange das sichere Geleit dauert, darf der Zeuge nicht wegen einer T at verfolgt oder bestraft werden, die er vor der Zusage begangen hat. E r darf auch nicht aus einem anderen vorher eingetretenen Grund in seiner persönlichen Freiheit beschränkt werden. Dies gilt nicht, wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, an die das Geleit geknüpft worden ist. D as sichere Geleit endet eine Woche, nachdem der Zeuge entlassen worden ist. § 154 V e r n e h m u n g des F ü h r e r s R e i c h s k a n z l e r 314)

und

Der Führer und Reichskanzler darf nur mit seiner Zustimmung als Zeuge vernommen oder vereidigt werden. E r ist an einem von ihm bestimmten O rt durch einen Richter oder S taatsanw alt zu vernehmen. Die Beteiligten haben kein Recht, dabei anwesend zu sein.

§ 155 Vernehmung

hoher

Staatsorgane

Die Reichsminister, die Reichsstatthalter und die Mitglieder einer Landesregierung sind an ihrem Amtssitz und, wenn sie sich an einem anderen O rt aufhalten, dort zu vernehmen. 14) Die Vorschrift ist einstweilen eingesetzt. noch der Besprechung mit der Präsidialkanzlü.

Sie bedarf

61 62 Die Mitglieder des Reichstags oder eines S ta a ts­ rats sind, wenn die Körperschaft versammelt ist und der Zeuge sich am O rt der Versammlung aufhält, dort zu vernehmen. Dasselbe gilt für die Mitglieder eines Ausschusses dieser Körperschaften, wenn nur der Aus­ schuß versammelt ist. Von diesen Vorschriften darf abgewichen werden: bei den Reichsministern mit Genehmigung der Reichsregierung/8) bei den Reichsstatthaltern mit Genehmigung des Reichsministers des In n ern , bei den Mitgliedern einer Landesregierung mit Genehmigung des Reichsstatthalters, bei den Mitgliedern des Reichstags oder eines S ta atsrats mit Genehmigung des Präsi­ denten. § 156

Ve rn eh mu n g von A m t s t r ä g e r n Amtsträger, frühere Amtsträger und Personen, die zwar nicht Amtsträger, aber für eine Behörde tätig sind oder gewesen sind, dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Pflicht zur Dienstverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung der Dienst­ behörde vernommen werden, die ihnen vorgesetzt ist oder zuletzt vorgesetzt gewesen ist. Haben sie keine vorgesetzte Dienstbehörde, so wird die Genehmigung von der Behörde erteilt, bei der sie tätig sind oder gewesen sind. F ü r die Reichsminister bedarf es der Genehmigung der Reichsregierung,") für die Reichsstatthalter der Genehmigung des Reichs­ ministers des Innern , für die Mitglieder einer Landesregierung der Genehmigung des Reichsstatt­ halters. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Vernehmung dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten toürbe.17) § 157 Vernehmung

von A n g e h ö r i g e n Wehrmacht

der

Soldaten, Angehörige des Beurlaubtenstandes und Personen, die aus dem Wehrdienst ausgeschieden sind, dürfen über Tatsachen, aus die sich ihre Pflicht zur Dienstverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur 15) Es bleibt vorbehalten, bei den Reichsministern die Genehmigung des Führers und Reichskanzlers vorzusehen. 16) Es bleibt vorbehalten, bei den Reichsministern die Genehmigung des Führers und Reichskanzlers vorzusehen. !7) Wenn an einen Zeugen Fragen gerichtet werden, durch deren Beantwortung er ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 101 StGB, verraten würde, so wird er zur Ver­ weigerung der Aussage verpflichtet sein, da er sich sonst strafbar machen würde. Die Strafprozeßkommission hielt es nicht für angängig, diese Frage nur in der Strafverfahrens­ ordnung für den Bereich des Strafverfahrens zu regeln; sie regt an zu prüfen, ob eine entsprechende Vorschrift in das Strafgesetzbuch einzufügen ist.

mit Genehmigung der militärischen Dienststelle ver­ nommen werden, die ihnen vorgesetzt ist oder zuletzt vorgesetzt gewesen ist. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Vernehmung dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten würde.

§ 158 V e r n e h m u n g von A n g e h ö r i g e n der P a r t e i u n d i h r e r G l i e d e r u n g e n 18) Politische Leiter der Nationalsozialistischen Deut­ schen Arbeiterpartei, Führer und Unterführer ihrer Gliederungen und Personen, die ihnen gleichstehen, dürfen über Angelegenheiten, mit denen sie in ihrer dienstlichen Tätigkeit befaßt gewesen sind und die sie geheimzuhalten haben, als Zeugen nur mit Geneh­ migung vernommen werden. D as gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt oder der Partei. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Vernehmung dem Wohle des Reiches Nachteile bereiten würde. Der Stellvertreter des Führers erläßt im E in­ vernehmen mit dem Reichsminister der Justiz die näheren Vorschriften. E r bestimmt insbesondere, für welchen Personenkreis diese Vorschrift gilt und wer die Genehmigung zu erteilen hat.

§ 159 Vernehmung

v on Geistlichen

Ein Geistlicher darf als Zeuge nicht über T a t­ sachen vernommen werden, über die er als Seelsorger Verschwiegenheit zu wahren hat.

§ 160 F r a g e n über W a h l e n und Abstimmungen Kein Zeuge darf gefragt werden, wie er bei einer geheimen Wahl oder Abstimmung gestimmt hat, die aus Grund gesetzlicher Vorschriften in öffentlichen An­ gelegenheiten vorgenommen worden ist. Dies gilt nicht, wenn die Vernehmung unerläßlich ist, um eine S traftat aufzuklären, die bei der Wahl oder der Abstimmung begangen worden ist. I n diesen Fällen darf der Zeuge nur durch den Richter oder den S taatsanw alt über den geheimzuhaltenden Sachver­ halt vernommen werden.

§ 161 Zeugnisverweigerung

kraft

Berufs

Personen, die berufsmäßig die Heilkunde, die Krankenpflege, die Geburtshilfe oder das Apotheker­ gewerbe ausüben oder die berufsmäßig andere Per18) Die endgültige Fassung der Vorschrift muß an den Entwurf eines Gesetzes über'die Vernehmung von Ange­ hörigen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen angepaßt werden, über den zur Zeit noch Erörterungen schweben.

63 64 sotten in Rechtsangelegenheiten beraten, vertreten oder verteidigen oder die als Wirtschaftsprüfer tätig sind, und Personen, die eine solche Tätigkeit früher aus­ geübt haben, dürfen die Auskunft über Tatsachen ver­ weigern, die ihnen bei Ausübung des Berufs anver­ traut worden oder zugänglich geworden sind. Dies ilt nicht, wenn sie von der Pflicht zur Verschwiegeneit befreit worden sind. Den Personen, die den Berus selbständig ausüben, stehen ihre Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung aus den Berus an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen. Der Zeuge ist jedoch zur Aussage verpflichtet, wenn durch die Wahrung des Berufsgeheimnisses wichtige Interessen der Allgemeinheit geschädigt werden würden. I n diesen Fällen darf der Zeuge, der die Aussage verweigern will, nur durch den Richter oder den Staatsanw alt über den geheim­ zuhaltenden Sachverhalt vernommen werden. Rechts­ anwälte, Verteidiger und Arzte dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht zur Aussage gezwungen werden.

8 162 Zeugnisverweigerung Angehörigen

von

Belehrung Vor der Vernehmung soll der Zeuge darüber unterrichtet werden, gegen wen sich das Verfahren richtet und um was es sich dabei handelt. Der Zeuge soll zur Wahrheit ermahnt und darauf hingewiesen werden, daß er seine Aussage beeidigen muß, wenn das Gesetz keine Ausnahme bestimmt oder zuläßt. Hierbei soll er in angemessener Weise darüber belehrt werden, was der Eid bedeutet und welche straf­ rechtlichen Folgen eine unrichtige oder unvollständige eidliche Aussage nach sich zieht. Ist ein Zeuge berechtigt, das Zeugnis zu ver­ weigern, so soll er darüber belehrt werden. Verzichtet er auf sein Recht, so kann er den Verzicht widerrufen. § 167 V e r n e h m u n g über persönliche Verhältnisse Die Vernehmung beginnt damit, daß der Zeuge über seine persönlichen Verhältnisse befragt wird. E r soll nur befragt werden, soweit es nötig ist, um seine Person festzustellen und zu ermitteln, ob er ver­ nommen und vereidigt werden darf.

Die Angehörigen des Beschuldigten, die Kinder seiner Geschwister und die Geschwister seiner Eltern dürfen das Zeugnis verweigern.

§

Inhalt

§ 163 Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g wegen G efah r der S t r a f v e r f o l g u n g Der Zeuge darf die Auskunft aus Fragen ver­ weigern, deren Beantwortung ihm selbst, einem seiner Angehörigen oder einem der anderen Verwandten, die der § 162 bezeichnet, die Gefahr zuziehen kann, wegen einer S traftat verfolgt zu werden. § 164

Glaubhaftmachung Verweigert der Zeuge in den Fällen der §§ 161 bis 163 das Zeugnis, so hat er die Tatsachen, auf die er seine Befugnis stützt, auf Verlangen glaubhaft zu machen.

§ 165 Einzelvernehmung. G egenüber­ stellung Die Zeugen werden einzeln vernommen. Später zu vernehmende Zeugen sollen nicht zugegen sein. Der Zeuge kann dem Beschuldigten und anderen Personen gegenübergestellt werden.

168

der Au s s a g e

Der Zeuge ist aufzufordern, im Zusammenhang anzugeben, was ihm von dem Gegenstand seiner Ver­ nehmung bekannt ist. Es kann ihm gestattet werden, zur Unterstützung seines Gedächtnisses Schriftstücke einzusehen, deren In h a lt mit seiner Vernehmung zusammenhängt. Soweit erforderlich, ist durch Fragen daraus hin­ zuwirken, daß der Zeuge seine Aussage ergänzt und angibt, worauf sein Wissen beruht. Er soll auch über seine Beziehungen zu dem Beschuldigten oder Ver­ letzten und über andere Umstände befragt werden, soweit es nötig ist, um seine Glaubwürdigkeit beur­ teilen zu können. § 169

Bl oßst el l ende F r a g e n Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen, einem seiner Angehörigen ober einem der anderen Ver­ wandten, die der § 162 bezeichnet, zur Unehre ge­ reichen kann, sollen nur gestellt werden, wenn es uner­ läßlich ist. Der Zeuge soll nach seinen Vorstrafen nur gefragt werden, soweit festgestellt werden muß, ob er vereidigt werden kann oder ob er glaubwürdig ist. Auf Strafen, die vor mehr als zehn Jahren verhängt worden sind, soll sich die Frage nur erstrecken, wenn es sich um Ehr­ loserklärung oder um Eidesverletzungen handelt.

65 66 § 170

V o r b e r e i t u n g der Au s s a g e Soll der Zeuge an Hand von Büchern oder Aus­ zeichnungen Auskunft geben, so kann ihm ausgegeben werden, vorher die nötigen Nachforschungen und Prüfungen vorzunehmen. Bezieht sich die Auskunft auf eine Sache oder Örtlichkeit, so kann ihm aus­ gegeben werden, sie vorher zu besichtigen. Die Anordnung soll in die Ladung oder, wenn sie mündlich ergeht, in eine Niederschrift ausgenom­ men werden. § 171

können, wegen einer S traftat verfolgt zu werden, oder die ihnen zur Unehre gereichen können; 5. ein Zeuge, dessen Aussage nach ihrem I n ­ halt unerheblich oder von untergeordneter Bedeutung ist, ivettn der Richter sie für glaubwürdig hält und weder der S ta a ts­ anwalt noch der Angeklagte oder der Ver­ teidiger der Nichtvereidigung widerspricht. Den Angehörigen stehen die anderen Verwandten gleich, die der § 162 bezeichnet.

§ 174

Pflicht zur E ide s l eis tung

Zeit der Vereidi gu ng

Jeder Zeuge ist zu vereidigen, soweit nichts an­ deres bestimmt ist. Vereidigen kann nur der Richter. Der Eid wird nach der Vernehmung abgenommen.

Die Zeugen werden in der Regel erst in der Haupt­ verhandlung vereidigt. Uber die Vereidigung ent­ scheidet der Vorsitzer.

§ 172

I m Hauptverfahren wird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung vereidigt, wenn er bei der vorbereitenden Beweisaufnahme vernommen wird oder wenn Beweise zu sichern sind.

Verbot

der V e r e i d i g u n g

Nicht vereidigt wird, 1. wer nach den Vorschriften der Strafgesetze untauglich ist, als Zeuge eidlich vernommen zu werden; 2. wer zur Zeit der Vernehmung das sech­ zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wer die Bedeutung des Eides nicht ausreichend begreifen kann; 3. wer verdächtig ist, an der T at, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, als Täter, Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler beteiligt zu sein oder die wegen ihr drohende Strafverfolgung vereitelt zu haben, oder wer deswegen bereits verur­ teilt ist.19) § 173 Absehen

von. der

Vereidigung

Nach pslichtmäßigem Ermessen können unvereidigt bleiben: 1. die Angehörigen des Beschuldigten; 2. der Verletzte und seine Angehörigen; 3. ein Zeuge, der zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte, aber noch nicht das acht­ zehnte Lebensjahr vollendet hat; 4. ein Zeuge, soweit er Fragen über solche Tatsachen beantwortet, die ihm oder einem seiner Angehörigen die Gefahr zuziehen 19) Es bleibt vorbehalten, die Vorschrift auf weitere Be­ teiligungshandlungen zu erstrecken (Anerbieten zu einer Straftat, Verabredung einer S traftat, Nichtanzeigen ge­ planter Verbrechen, Erwerb verdächtiger Sachen, §§ 13, 14, 359, 476 StG B . Entwurf 2. Lesung).

5

I m Vorverfahren ist die Vereidigung nur zulässig, 1. wenn Beweise zu sichern sind; 2. wenn die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht möglich oder besonders erschwert sein wird; 3. wenn die Vereidigung nötig ist, um eine wahre Aussage herbeizuführen, und wenn von der Aussage der Fortgang des Ver­ fahrens abhängt. § 175 V o r s c h r i f t e n f ü r die V e r e i d i g u n g a u ß e r h a l b der H a u p t v e r h a n d l u n g Wird der Zeuge durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder durch einen Richter im Vor­ verfahren vernommen, so entscheidet dieser über die Vereidigung. Der beauftragte oder ersuchte Richter muß jedoch den Zeugen vereidigen, wenn der Vorsitzer oder der ersuchende Richter es verlangt und die Vereidigung zulässig ist. Auch in diesem Falle kann der ver­ nehmende Richter die Vereidigung aussetzen und eine neue Entschließung des Vorsitzers oder des ersuchen­ den Richters einholen, wenn sich bei der Vernehmung Tatsachen ergeben, die nach § 173 zur uneidlichen Ver­ nehmung berechtigen. Der Zeuge darf nicht vereidigt werden, wenn die uneidliche Vernehmung verlangt wird. I m Vorverfahren muß der Zeuge vereidigt wer­ den, wenn der Staatsanw alt es verlangt, um eine wahre Aussage herbeizuführen, und die Vereidigung zulässig ist. Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

67 68 § 176

§ 181

Niederschrift

V e r l e t z u n g d e r Z e u g e n p s l i ch t ett

Wird der Zeuge nur für einen Teil seiner Aussage vereidigt, so ist dieser Teil bei der Vereidigung und in der Niederschrift genau zu bezeichnen. Wird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung vereidigt oder wird er nach den §§ 172, 173, 175 Abs. 2 nicht vereidigt, so ist der Grund in der Nieder­ schrift anzugeben.

Macht ein Zeuge falsche Angaben, um sich seinen Pflichten zu entziehen, oder bleibt er ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er ordnungsmäßig ge­ laden und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden ist, oder entfernt er sich unbefugt, so sind ihm eine Ordnungsstrafe in Geld bis zu dreißig Tagesbußen und die Kosten aufzuerlegen, die er ver­ ursacht. Auch seine Vorführung kann angeordnet werden. Gibt ein Zeuge in demselben Verfahren mehrfach zu den Maßnahmen Anlaß, so kann ihm auch O rd­ nungshast bis zu einem M onat auferlegt werden. Die Maßnahmen können wiederholt werden. Entschuldigt sich der Zeuge unverzüglich und aus­ reich en d ^ werden die Anordnungen aufgehoben. F ür die Ordnungsstrafe in Geld gelten die §§ 48 bis 50 des Strafgesetzbuchs entsprechend.

§ 177 E id es n o r m und E id es fo rm e l Der Richter richtet an den Zeugen die Worte: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts ver­ schwiegen haben". Der Zeuge spricht daraus die Worte: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe". Der Schwörende soll die rechte Hand erheben. Werden mehrere Personen gleichzeitig vereidigt, so spricht jeder die Eidesformel einzeln. Wenn der Zeuge es verlangt, läßt der Richter die Worte „bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" weg; der Schwörende beschränkt sich dann aus die E r­ klärung: „Ich schwöre es". § 178 V e r e i d i g u n g von S t u m m e n Stumme schreiben die Worte nieder: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine Wahrheit bekundet und nichts verschwiegen habe" und unterschreiben sie. Können sie nicht schreiben, so leisten sie den Eid mit Hilfe eines Dolmetschers durch Zeichen. § 177 Abs. 4 gilt entsprechend. § 179 Beteuerungsformeln

§ 183

Dürfen Mitglieder einer Religionsgesellschaft nach dem Gesetz an Stelle des Eides eine Beteuerungs­ formel gebrauchen, so kann ein Zeuge, der erklärt, der Religionsgesellschaft anzugehören, die Beteuerungssormel anwenden.^) §180 Berufung

§ 182 Unberechtigte V e r w e i g e r u n g der A u s s a g e oder des E i d e s Weigert sich ein Zeuge ohne gesetzlichen Grund, auszusagen oder die Aussage zu beeidigen oder die ihm nach § 170 auferlegte Pflicht zu erfüllen, so sind ihm eine Ordnungsstrafe in Geld bis zu dreißig Tagesbußen und die Kosten aufzuerlegen, die seine Weigerung verursacht. F ür die Ordnungsstrafe in Geld gelten die §§ 48 bis 50 des Strafgesetzbuchs entsprechend. Bleibt der Zeuge bei der Weigerung, nachdem die Ordnungsstrafe vollstreckt worden ist, so können die Maßnahmen wiederholt werden. Neben der Ordnungsstrafe kann Zwangshaft an­ geordnet werden. Sie darf in einem Rechtszug nur bis zur Verkündung des Urteils dauern. I n demselben Verfahren und in einem anderen Verfahren, das die­ selbe T at zum Gegenstand hat, darf sie insgesamt sechs Monate nicht übersteigen.

aus den f r ü h e r e n Eid

Wird ein Zeuge, nachdem er eidlich vernommen worden ist, in demselben Verfahren nochmals ver­ nommen, so kann der Richter ihn die Wahrheit seiner Aussage unter Berufung aus den früheren Eid ver­ sichern lassen. 2v) Es bleibt vorbehalten, die Vorschrift an anderer Stelle in einem allgemeineren Zusammenhange zu bringen.

5*

Zuständigkeit Über die Zusage sicheren Geleits, über Ordnungs­ strafen und Zwangsmaßnahmen entscheidet im V or­ verfahren der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer. S ie haben auch die Befugnisse der Bollstreckungsbehörde. Auch der beauftragte oder ersuchte Richter und der im Vorverfahren zur Vernehmung berufene Richter können über Ordnungsstrafen und Zwangs­ maßnahmen entscheiden und sie vollstrecken. Gegen Verfügungen des Staatsanw alts, die sich auf eine an erster Stelle verhängte Ordnungshaft, eine Zwangshaft oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe beziehen, kann der Betroffene die rich­ terliche Entscheidung anrufen. § 214 Abs. 3 und § 215 gelten entsprechend.

69 70 Um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Zwangsmaßnahmen gegen Angehörige der Wehrmacht ist die Befehlsstelle zu ersuchen.

Wer bei einer richterlichen Entscheidung mitge­ wirkt hat, soll nicht über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben, als Sachverständiger gehört werden.

8 184

§189

Vernehmung

dur ch

die

Polizei

Werden Zeugen von der Polizei vernommen, so gelten die §§ 151 bis 153, 155 bis 163, 166 Abs. 3, 169, 170 sinngemäß. Die Befugnis der Polizei, gegen Zeugen Ord­ nungsstrafen zu verhangen und Zwangsmaßnahmen anzuwenden, richtet sich nach den Vorschriften des Polizeirechts.

Zweiter Abschnitt

Sachverst ändi ge § 185 Aufgabe

des

Sachverständigen

Der Sachverständige hat die Aufgabe, den Richter und den S taatsanw alt durch seine besondere Sach­ kunde zu unterstützen. Richter und S taatsanw alt haben die Tätigkeit des Sachverständigen, soweit erforderlich, zu leiten. §186 Sachverständi ger Zeuge Werden zum Beweise vergangener Tatsachen, zu deren Wahrnehmung besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen vernommen, so sind die Vorschriften über Zeugen anzuwenden. § 187 Geltung

der

Vorschriften Zeugen

Sachverständigenpflicht Wer vom Richter oder vom Staatsanw alt zum Sachverständigen bestellt wird, ist zur Abgabe des Gutachtens verpflichtet. D as Gutachten ist auf Ver­ langen schriftlich niederzulegen. D as Gutachten kann aus denselben Gründen ver­ weigert werden wie das Zeugnis. Der Sachverstän­ dige kann auch aus anderen Gründen von seiner Pflicht befreit werden. Amtsträger und Personen, die zwar nicht Amtsträger, aber für eine Behörde tätig sind, werden nicht vernommen, wenn die vorgesetzte Behörde erklärt, daß die Vernehmung für den Dienst nachteilig wäre. D as­ selbe gilt für Soldaten, politische Leiter der N ational­ sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, Führer und Unterführer ihrer Gliederungen und Personen, die ihnen gleichstehen.^) § 156 Abs. 2 und § 158 Abs. 3 gelten entsprechend. § 190 Ablehnung

Der Sachverständige kann aus denselben Gründen wie ein Richter, aber nicht deshalb abgelehnt werden, weil er in der Sache bereits als Zeuge vernommen worden ist oder ein Gutachten erstattet hat. Zur Ablehnung sind der S taatsanw alt und der Beschuldigte befugt. Auf Verlangen sind ihnen die ernannten Sachverständigen zu nennen; dies gilt auch im Vorverfahren, wenn nicht besondere Umstände ent­ gegenstehen. Uber die Ablehnung entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer. Die §§ 120, 123 bis 125 gelten entsprechend.

über

F ü r Sachverständige gelten die Vorschriften des vorhergehenden Abschnitts entsprechend, soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist. §188 A u s w a h l der Sachverständigen Der Richter und der Staatsanw alt sind in der Auswahl der Sachverständigen frei. Sie können auch das Gutachten einer Fachbehörde einholen. S ind für gewisse Fachgebiete Sachverständige amtlich bestellt, so sollen andere Sachverständige nur gewählt werden, wenn besondere Umstände es er­ fordern. Zum Sachverständigen kann nicht bestellt werden, wer nach den Vorschriften der Strafgesetze untauglich ist, als Sachverständiger gehört zu werden.

des S a c h v e r s t ä n d i g e n

§191 Vorbereitung

des

Gutachtens

Dem Sachverständigen kann gestattet werden, die Akten einzusehen, bei der Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Beschuldigten zugegen zu sein und unmittelbar Fragen zu stellen. E r kann zur Vor­ bereitung des Gutachtens weitere Ermittlungen an­ regen. §192 Arzt

als Sachverständiger sichernde M a ß r e g e l n

für

Is t damit zu rechnen, daß die Unterbringung eines Beschuldigten in einer Heil- oder Pslegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder . 2i) Es bleibt vorbehalten, Liese Bestimmung mit dem Stellvertreter des Führers zu besprechen. Vgl. Anm. 18 zu

71 72 seine Entmannung angeordnet werden wird, so soll über seinen körperlichen und geistigen Zustand bereits im Vorverfahren ein Arzt als Sachverständiger ge­ hört werden. I n der Hauptverhandlung muß dies geschehen, wenn eine solche Anordnung zu erwarten ist. Vor Erstattung des Gutachtens muß der Sachver­ ständige den Beschuldigten untersuchen.

§193 V e r e i d i g u n g22) Der Sachverständige ist zu vereidigen, wenn der Vorsitzer es wegen der Wichtigkeit des Gutachtens für geboten hält. I n anderen Fällen steht die Vereidi­ gung im pflichtmäßigen Ermessen des Richters. Der Eid geht dahin, daß der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewisien erstattet habe. § 194 O r d n u n g s st r a s e n u n d nahmen

Zwangsmaß­

Sind gegen einen Sachverständigen Maßnahmen nach den §§ 181, 182 erforderlich, so darf ihm keine Haftstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe auferlegt werden. E r darf auch nicht vorgeführt und nicht in Zwangs­ haft genommen werden. D ritter Abschnitt

Augenschei n

Die Leichenöffnung wird vom Richter oder vom S taatsanw alt angeordnet. S ie ist einem Amtsarzt zu übertragen; ein zweiter Arzt kann zugezogen wer­ den. Der Arzt, der den Verstorbenen unmittelbar vor dem Tode behandelt hat, soll nicht beauftragt werden; der Richter oder der S taatsanw alt kann ihn aber zu­ ziehen, um ihn über die Krankheit zu vernehmen. Bei der Öffnung des Leichnams muß ein Richter oder ein Staatsanw alt zugegen sein.22) Vor der Leichenöffnung soll die Person des Ver­ storbenen festgestellt werden. Die Öffnung des Leichnams ist, soweit sein Zu­ stand es gestattet, auf die Kopf-, Brust- und Bauch­ höhle zu erstrecken.22) Wird der Leichnam eines neugeborenen Kindes geöffnet, so ist auch zu untersuchen, ob das Kind während oder nach der Geburt gelebt hat und ob es reif oder wenigstens lebensfähig gewesen ist.22) Die Niederschrift ist auch von den zugezogenen Ärzten zu unterschreiben. § 198 Verfügung

über

Leichen

Der Leichnam oder einzelne Teile dürfen zurück­ behalten werden, solange es der Zweck des Verfahrens fordert. Zur Besichtigung oder Öffnung darf auf Anord­ nung des Richters oder des S taatsanw alts ein Leich­ nam wieder ausgegraben werden.

§ 195

Pf l i cht zur D u l d u n g des

Drittes Hauptstück

Augenscheins

Zwangsm ittel

Muß der Richter, der S taatsanw alt oder die Polizei zur Aufklärung des Sachverhalts eine Sache oder eine Örtlichkeit besichtigen, so ist der Betroffene verpflichtet, die Besichtigung zu dulden. § 196

Ni e d e r s c h r i f t Nimmt der Richter außerhalb der Hauptverhand­ lung oder der Staatsanw alt einen Augenschein ein, so sind die Ergebnisse in die Niederschrift aufzu­ nehmen; wenn nötig, sind Abbildungen und Pläne anzufertigen und beizufügen.

§ 197

Lei chenschau und Le i c he nöf f nung Wird ein Leichnam in Augenschein genommen, so soll ein Arzt zugezogen werden, wenn möglich ein Amtsarzt. 22 ) Im Benehmen mit dem Reichsinnenministerium soll ge­ prüft werden, ob es erwünscht ist, wieder eine allgemeine Vereidigung von Sachverständigen und die Bezugnahme auf den geleisteten Eid zuzulassen.

Erster Abschnitt

Unt e r s uc hungs ha f t § 199 Voraussetzungen der U n t e r s u c h u n g s h a f t Gegen einen Beschuldigten, der einer S traftat dringend verdächtig ist, kann die Untersuchungshaft angeordnet werden, 1. wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält; 2. wenn die Umstände des Einzelfalles die B e­ fürchtung rechtfertigen, daß er sich dem Verfahren durch die Flucht entziehen werde (Flüchtgefahr) oder 23) Ez bleibt vorbehalten, die Fassung der Abs. 2, 4, 5 des § 197 im Benehmen mit dem Reichsinnenministerium nach­ zuprüfen. Ferner ist noch im Benehmen mit Generalstaats­ anwälten und Sachverständigen der gerichtlichen Medizin zu prüfen, ob es sich empfiehlt, die Vornahme einer Leichen­ öffnung unter bestimmten Voraussetzungen zwingend vor­ zuschreiben.

73 74 3. wenn die Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigen, daß er die Freiheit zur Verdunkelung des Sachverhalts miß­ brauchen werde (Verdunkelungsgefahr). Der Beschuldigte muß ohne Rücksicht aus Flucht­ gefahr oder Verdunkelungsgefahr in Untersuchungs­ haft genommen werden, 1. wenn er Achtung, Todesstrafe, lebenslanges Zuchthaus, Sicherungsverwahrung oder Entmannung zu erwarten hat oder 2. wenn es nach seinem Verhalten in der Freiheit geboten ist, um die Volksgemein­ schaft vor ihm zu schützen. Hat der Beschuldigte Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter einem Ja h r, Unterbringung in einem Arbeitshaus oder in einem Asyl oder Unterbringung in einer Heil- oder Pslegeanstalt zu erwarten, so soll er ohne Rücksicht auf Fluchtgefahr oder Verdunkelungs­ gefahr in der Regel in Untersuchungshaft genommen werden. § 200

Untersuchungshaft gegen unfähige

Schuld-

F ü r einen Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Schuldunfähigkeit (§§ 22,24 des Strafgesetzbuchs) begangen zu haben, gilt § 199 entsprechend. § 201

Haftbefehl Die Untersuchungshaft wird schriftlich angeordnet. I m Haftbefehl sollen angegeben werden: 1. der Name, Rufname, Beruf, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Beschul­ digten, bei Frauen auch der Mädchenname; 2. die Straftat und ihre gesetzlichen Merkmale, O rt und Zeit der Begehung und die S traf­ vorschriften; die gesetzlichen Merkmale können durch einfache gesetzliche Begriffe ersetzt werden; 3. der Haftgrund und die wesentlichen Um­ stände, die seine Annahme rechtfertigen. Is t der Beschuldigte noch nicht ergriffen, so soll angegeben werden, in welches Gefängnis er einzu­ liefern ist.

§ 202 Bekanntgabe

des H a f t b e f e h l s

Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten unverzüglich bekanntzugeben, wenn möglich bei der Verhaftung. Wird der Haftbefehl verkündet, so ist der Beschuldigte darauf hinzuweisen, daß ihm auf Verlangen eine Ab­ schrift erteilt wird. Wird der Haftbefehl nicht bei der Verhaftung bekanntgegeben, so ist dem Verhafteten

vorläufig mitzuteilen, welcher S traftat er verdächtig ist. Die Bekanntgabe ist in diesem Falle unverzüglich nachzuholen. § 203 N a c h r ic h t v o n d e r V e r h a f t u n g Dem Verhafteten ist auf Verlangen Gelegenheit zu geben, Angehörige und, wenn dafür ein wichtiger Grund besteht, andere Personen von der Verhaftung zu benachrichtigen. Der Zweck des Verfahrens darf dadurch nicht gefährdet werden. § 204 Einlieserung und V ernehmung des V e r h a f t e t e n Wer auf Grund eines Haftbefehls ergriffen wird, ist unverzüglich, spätestens am Tage nach der E r­ greifung, in das Gefängnis einzuliefern, das der Haftbefehl bezeichnet. Is t dies nicht möglich oder ist im Haftbefehl kein bestimmtes Gefängnis an­ gegeben, so ist er in das nächste Gefängnis einzu­ liefern. Der Richter oder der S taatsanw alt, der den Haftbefehl erlassen hat, ist von der Einlieferung sofort zu benachrichtigen. Der Verhaftete ist unverzüglich, spätestens am Tage nach der Einlieserung, durch den zuständigen Richter oder Staatsanw alt zu vernehmen. Hat der zuständige Richter oder S taatsanw alt seinen Amtssitz nicht am Hastort, so vernimmt der Amtsrichter des Haftortes den Verhafteten. Ergibt sich, daß der Haftbefehl aufgehoben ist oder daß der Ergriffene nicht die Person ist, die der Haftbefehl bezeichnet, so ist er sofort freizulassen. Bei der Vernehmung ist der Verhaftete über die zulässigen Rechtsbehelse zu belehren. §- 205 Andere

M a ß n a h m e n zur Abwerrdung der Flucht

Vom Erlaß oder Vollzug eines Haftbefehls kann abgesehen werden, wenn andere Maßnahmen aus­ reichen, um die Flucht des Beschuldigten zu verhüten. Zulässig ist insbesondere: 1. Pässe und sonstige Ausweise über die P e r­ son des Beschuldigten sicherzustellen oder die Ausstellung derartiger Ausweise zu sperren, 2. dem Beschuldigten das Verlaffen des Reichs­ gebiets zu untersagen (Grenzsperre), 3. ihm das Verlaffen seiner Wohnung oder seines Wohnorts zu verbieten oder ihm sonstige Aufenthaltsbeschränkungen aufzu­ erlegen, 4. ihm die Pflicht aufzuerlegen, sich zu be­ stimmten Zeiten bei einer Behörde zu melden, 5. ihm die Leistung einer Sicherheit aufzu­ geben.

75 76 Sind solche Maßnahmen angeordnet worden, so kann trotzdem ein Haftbefehl erlassen oder vollzogen werden, wenn der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten zuwiderhandelt, wenn er Anstalten zur Flucht trifft, wenn er auf eine Ladung ohne ge­ nügende Entschuldigung ausbleibt oder wenn andere Umstände die Untersuchungshaft erforderlich machen.

Haftunfähigkeit Der Vollzug des Haftbefehls kann ausgesetzt werden, solange der Vollzug für den Beschuldigten mit Lebensgefahr verbunden ist oder wegen des Zu­ standes des Beschuldigten unverhältnismäßig große Schwierigkeiten bereitet.

§ 206 Grundsatz

der

Verhaltn ismäßigkeit

Bei der Entscheidung über Anordnung und F o rt­ dauer der Untersuchungshaft oder einer Maßnahme zur Abwendung der Flucht ist darauf zu achten, daß die mit der Untersuchungshaft oder der Maßnahme verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe oder sichernden Maßregel und zu der Bedeutung der Sache -stehen.

§ 210

Überwachung der D a u e r suchungshaft

der

Unter­

Der Staatsanw alt hat jederzeit darauf zu achten, ob die Fortdauer der Haft geboten ist. Dieselbe Pflicht hat der Richter, solange das Verfahren bei Gericht anhängig ist. § 211

§ 207 S i c h e r h e i t s l e i st u n g Die Sicherheit ist in Höhe eines bestimmten Geld­ betrages zu leisten. Die Höhe des Betrages und die Art der Sicherheitsleistung bestimmt der Richter oder der Staatsanw alt, der sie auferlegt, nach pflicht­ mäßigem Ermessen. Soweit nichts anderes bestimmt wird, gelten die §§ 232 bis 240 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend. Hat der Beschuldigte im In lan d keinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt, so hat er eine Person, die im Bezirk des zuständigen Richters oder S ta a ts­ anwalts wohnt, zum Empfang der für ihn bestimmten Schriftstücke zu bevollmächtigen. Der Geldbetrag verfällt der Reichskaffe, wenn sich der Beschuldigte dem Verfahren oder der Vollstreckung der Freibeitsstrafe oder der sichernden Maßregel da­ durch entzieht, daß er flieht oder sich verborgen hält. § 208

S i c he r e s Ge l e i t Einem Beschuldigten, der sich im Ausland aufhält, kann sicheres Geleit zugesagt werden. D as Geleit kann an Bedingungen geknüpft werden. Solange das sichere Geleit dauert, darf gegen den Beschuldigten wegen der T at, für die es erteilt ist, weder die Untersuchungshaft vollzogen noch eine andere Maßnahme zur Abwendung der Flucht ge­ troffen werden. D as sichere Geleit endet, wenn der Beschuldigte die Bedingungen des Geleits nicht erfüllt, wenn er An­ stalten zur Flucht trifft, wenn er aus eine Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder wenn gegen ihn ein Urteil ergeht, das auf Achtung, Todes­ strafe oder Freiheitsstrafe, auf eine mit Freiheitsent­ ziehung verbundene sichernde Maßregel oder auf E nt­ mannung erkennt.

Aushebung

des

Haftbefehls

Der Haftbefehl ist aufzuheben, wenn die Voraus­ setzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen. Er ist insbesondere aufzuheben, wenn der Be­ schuldigte freigesprochen oder wenn das Verfahren endgültig eingestellt wird. Dies gilt nicht, wenn das Gericht die Unterbringung des Beschuldigten in einer Anstalt oder seine Entmannung anordnet. Die Aufhebung des Haftbefehls darf nicht deshalb hinausgeschoben werden, weil der S taatsanw alt ein Rechtsmittel einlegt. § 212

Aushebung anderer Maßnahmen Eine andere Maßnahme, die zur Abwendung der Flucht getroffen worden ist, ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn die Untersuchungshaft oder die gegen den Beschul­ digten erkannte Freiheitsstrafe oder sichernde M aß­ regel vollzogen wird. Abs. 1 gilt auch für die Freigabe einer Sicherheit, wenn der sichergestellte Geldbetrag noch nicht verfallen ist. Hat für den Beschuldigten ein anderer Sicherheit geleistet, so kann dieser die Freigabe auch dann ver­ langen, wenn er einen Fluchtvlan des Beschuldigten so rechtzeitig anzeigt, daß die Flucht vereitelt werden kann. § 213 Zuständigkeit Im Vorverfahren ist für den Erlaß des Haft­ befehls und die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Untersuchungshaft beziehen, der S taatsanw alt zuständig, der das Vorverfahren führt. Der Amts­ richter, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, kann im Vor­ verfahren den Haftbefehl erlassen, wenn sich an seinem Amtssitz kein zuständiger Staatsanw alt befindet; die weitere Verfügung gebührt dem Staatsanw alt.

77 78 Nach Erhebung der Anklage erläßt den Haftbefehl und die weiteren Entscheidungen der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. Ist Rechtsrüge eingelegt, so ist der Vorsitzer des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten ist; hebt das Rechtsrügegericht das angefochtene Urteil auf, so kann sein Vorsitzer auch den Haftbefehl ausheben. Der Vor­ sitzer entscheidet durch Beschluß. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die Ver­ nehmung des Verhafteten, für die Entscheidungen über andere Maßnahmen zur Abwendung der Flucht und für das sichere Geleit. § 214 A n r u f u n g des Ri c h t e r s Gegen den Haftbefehl des S taatsanw alts kann der Beschuldigte die richterliche Entscheidung anrufen. Dasselbe gilt, wenn der Staatsanw alt es abgelehnt hat, einen vom Amtsrichter erlassenen Haftbefehl aufzuheben.

Vollzug

der U n t e r s u c h u n g s h a f t

Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschrän­ kungen auferlegt werden, die der Zweck der Unter­ suchungshaft, die Ordnung der Anstalt oder die Sicherheit erfordert. Der Verhaftete soll in Einzelhaft untergebracht werden. E r darf mit anderen Gefangenen in dem­ selben Raume untergebracht werden, wenn er zu­ stimmt und der Zweck des Verfahrens nicht gefährdet wird. Der Verhaftete darf nur dann gefesselt werden, wenn er besonders gefährlich ist oder wenn er die Flucht oder einen Selbstmord versucht oder vorbereitet hat. I n der Hauptverhandlung soll er ungefeffelt sein. Die näheren Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Vollzug der Untersuchungshaft erläßt der Reichsminister der Justiz. § 218

Während des Vorverfahrens ist die Anrufung der richterlichen Entscheidung erst zulässig, wenn seit dem Beginn der Untersuchungshaft zwei Wochen ver­ strichen sind.

Entscheidungen über die B e h a n d l u n g des V e r h a f t e t e n

der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren an­ hängig ist; wenn Rechtsrüge eingelegt ist, so ent­ scheidet der Vorsitzer des Gerichts, besten Urteil ange-

Ob ein sichergestellter Geldbetrag verfallen ist, entscheidet der nach § 215 Abs. 2, 3 zuständige Vorsitzn. Vor der Entscheidung sind der Verteidiger, der Beschuldigte und Dritte, die für ihn Sicherheit ge­ leistet haben, zur Erklärung aufzufordern; für die Erklärung ist ihnen eine Frist zu bestimmen. Gegen den Beschluß ist die befristete Beschwerde zulästig. Der Beschluß, der den Geldbetrag für verfallen erklärt, wirkt gegen den, der die Sicherheit geleistet hat, wie eine Verurteilung zur Zahlung des Betrages an die Reichskasse. E r ist vorläufig vollstreckbar.

über die Behandlung des Verhafteten entscheidet der Vorsteher der Anstalt. Entscheidungen, die sich auf das Zusammenbringen Die Befugnis des Beschuldigten, gegen Ver­ fügungen des S taatsanw alts Beschwerde einzulegen, des Verhafteten mit anderen Gefangenen, auf seine bleibt unberührt. Verbindung mit der Außenwelt, auf eine Hausstrafe oder auf Sicherungsmaßnahmen beziehen, trifft der nach § 213 zuständige Richter oder Staatsanw alt. § 215 I n dringenden Fällen kann der Vorsteher der Anstalt Verfahren vorläufig entscheiden. Seine vorläufigen Anord­ Der Antrag auf richterliche Entscheidung ist im nungen bedürfen der Bestätigung durch den Richter Vorverfahren bei dem Staatsanw alt einzureichen. oder den Staatsanw alt; sie ist unverzüglich einzu­ holen. Die Entscheidung trifft im Vorverfahren der Vor­ sitzer der Strafkammer; wäre für das Hauptverfahren § 219 der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zu­ Entschei dung über den V e r f a l l ständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. sichergestellter B e t r ä g e Nach Erhebung der Anklage trifft die Entscheidung

Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. E r kann eine andere Maßnahme zur Abwendung der Flucht anordnen. Seine Anrufung hat keine aufschiebende Wirkung. § 216 Wiederholte

Anträge lassung

auf

Haftent­

Is t ein Antrag, den Haftbefehl aufzuheben oder den Vollzug auszusetzen, abgelehnt worden, so darf er nur dann erneuert werden, wenn seit der Bekannt­ gabe der letzten Entscheidung ein M onat verstrichen ist oder wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bei­ gebracht werden.

§

220

Vorlä uf ige Festnahme Bei Gefahr im Verzug kann jeder Polizeibeamte den Beschuldigten vorläufig festnehmen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Dieselbe

79 80 Befugnis hat der Staatsanw alt, auch wenn er nicht für den Erlaß des Haftbefehls zuständig ist. Wer aus frischer T at betroffen oder verfolgt wird, kann von jedermann vorläufig festgenommen werden, wenn er der Flucht verdächtig ist oder wenn seine Person nicht sofort festgestellt werden kann. Der Fest­ genommene ist sofort dem nächsten Polizeibeamten zu übergeben. § 221 Zuführung und Vernehmung Festgenommenen

des

Wird der Festgenommene nicht wieder in Freiheit gesetzt, so ist er unverzüglich dem Richter oder dem Staatsanw alt zuzuführen, der für den Erlaß des Haftbefehls zuständig ist. Sind Ermittlungen not­ wendig, um über die Haft entscheiden zu können, so darf zu diesem Zweck die Zuführung drei Tage vom Tag der Festnahme ab hinausgeschoben werden; wird der Festgenommene einer mit Zuchthaus oder einer schwereren Strafe bedrohten T at beschuldigt, so be­ trägt die Frist fünf Tage. Der Festgenommene ist unverzüglich, spätestens am Tage nach der Zuführung, zu vernehmen. Ergeht kein Haftbefehl, so ist der Festgenommene freizulassen. § 222

Feststellungshast Der S taatsanw alt und die Polizei können einen Unbekannten zur Feststellung seiner Person vorläufig in Haft nehmen, wenn dringende Gründe für die An­ nahme vorhanden sind, daß er in einem Strafver­ fahren als Beschuldigter oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Maßregel gesucht wird. Uber die Zulässigkeit einer Haft, die die Polizei angeordnet hat, entscheidet auf Antrag des Be­ troffenen der Staatsanw alt des Bezirks, in dem der Unbekannte festgenommen worden ist oder in Hast gehalten wird. Die Akten sind spätestens am dritten Tage nach der Stellung des Antrags dem S taatsan ­ walt zur Entscheidung vorzulegen. Die Haft darf die Dauer von zwei Wochen nicht übersteigen. Verzögert sich die Feststellung der Person des Unbekannten, weil er unwahre oder gröblich ent­ stellte Angaben über seine Person macht oder Angaben verweigert, so kann der Staatsanw alt die Haft um weitere zwei Wochen verlängern; dasselbe gilt, wenn Nachforschungen im Ausland nötig werden. Die §§ 201 bis 203, 209 bis 211, 217, 218 gelten entsprechend. Der Festgenommene ist über die zu­ lässigen Rechtsbehelfe zu belehren.

Ohne Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur zulässig, wenn der Festgenommene entweicht oder sich sonst der Bewachung entzieht. I n diesen Fällen kann auch die Polizei einen Steckbrief erlassen. I n dem Steckbrief ist der Verfolgte zu bezeichnen und, soweit möglich, zu beschreiben. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie O rt und Zeit ihrer Begehung sind anzugeben. Außerdem ist das Gefängnis zu be­ zeichnen, in das der Verfolgte eingeliefert werden soll. F ür die Einlieferung und die Vernehmung des Beschuldigten gilt § 204 entsprechend. Zweiter Abschnitt

Beschl agnahme, Durchsuchung und Untersuchung Erster Unterabschnitt

Beschlagnahme § 224 B e s c h l a g n a h me von Bewei sst ücken und Einziehungsstücken Gegenstände, die als Beweismittel für das Ver­ fahren in Betracht kommen (Beweisstücke) oder für verfallen erklärt, eingezogen oder unbrauchbar gemacht werden können (Einziehungsstücke), dürfen beschlag­ nahmt werden. Beweisstücke können auch auf andere Weise sichergestellt werden. § 225 Be s c hl a gna hme zur S i c h e r u n g der Beitreibung Is t der Beschuldigte einer S traftat dringend ver­ dächtig, so dürfen Gegenstände, die ihm gehören, be­ schlagnahmt werden, soweit es erforderlich ist, um die Beitreibung der Geldstrafe, eines für verfallen er­ klärten oder eingezogenen Wertes und der Kosten des Verfahrens zu sichern. Von der Beschlagnahme soll abgesehen werden, wenn genügende Sicherheit geleistet wird; § 207 Abs. 1 gilt entsprechend. § 226 Beschlagnahme zur Entschädigung des V e r l e t z t e n

Steckbrief

Gegenstände, die der Beschuldigte durch eine S tra fta t erlangt oder als Entgelt für solche Gegen­ stände empfangen hat, dürfen zur Entschädigung des Verletzten beschlagnahmt werden.

Liegt ein Haftbefehl vor, so kann der S taatsan ­ walt oder der Richter einen Steckbrief erlaßen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.

Der Verletzte ist von der Beschlagnahme unver­ züglich zu benachrichtigen und aufzufordern, seine Entschädigungsansprüche zu verfolgen.

§ 223

81 82 Durchf ührung der Bes chl agnahme Die Beschlagnahme wird schriftlich oder mündlich angeordnet. Eme mündliche Anordnung soll schrift­ lich bestätigt werden. Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch bewirkt, daß sie in amtlichen Gewahrsam genommen oder daß dem Gewahrsamsinhaber ver­ boten wird, über sie zu verfügen. Die Beschlagnahme soll durch Siegel oder in anderer Weise ersichtlich gemacht werden. Sollen Forderungen oder andere Rechte beschlag­ nahmt werden, so wird dem Berechtigten verboten, über das Recht, insbesondere durch Ginziehung, zu verfügen. Einem Schuldner wird verboten, an den Berechtigten zu leisten. Die Beschlagnahme wird mit der Bekanntgabe des Verbots an den Berechtigten wirksam, dem Schuldner gegenüber jedoch erst dann, wenn sie ihm bekannt oder wenn ihm das Leistungs­ verbot zugestellt wird. Die Beschlagnahme eines Grundstücks wird mit der Bekanntgabe der Beschlagnahme an den Eigen­ tümer wirksam. Sie wird auch in -dem Zeitpunkt wirksam, in dem das Ersuchen um Eintragung des Beschlagnahmevermerks dem Grimdbuchamt zugeht, wenn der Vermerk demnächst eingetragen wird. D er Richter und der Staatsanw alt können das Grundbuchamt um Eintragung der Beschlagnahme in das Grundbuch ersuchen.

Dienststelle der Wehrmacht, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen dienstlich verwahrt werden, dürfen nicht beschlagnahmt werden, wenn die vorgesetzte Dienststelle erklärt, daß die Beschlagnahme dem Wohle des Reiches Nachteil bereiten würde. § 231 Beschlagnahmeverbot Schriftliche Mitteilungen zwischen dem Ver­ dächtigen und den in den §§ 159, 161 genannten Personen sowie Auszeichnungen dieser Personen dürfen gegen deren Willen nicht beschlagnahmt werden, soweit sich die Mitteilungen und Auszeich­ nungen in ihrem Gewahrsam befinden und sie über ihren In h a lt Verschwiegenheit zu wahren haben. Dies gilt nicht, wenn die genannten Personen selbst verdächtig sind, an der T at beteiligt zu sein. § 232 Rück g ä b e a n d e n V e r l e t z t e n Sachen, die durch eine S traftat dem Verletzten entzogen und bei einem an der S tra fta t Beteiligten beschlagnahmt worden sind, sollen möglichst bald dem Verletzten ausgehändigt werden, wenn keine ent­ gegenstehenden Ansprüche geltend gemacht werden. Den Betroffenen bleibt der Rechtsweg vorbehalten.

§ 228 Wirkung

§ 233

der Beschlagnahme

Verfügungen über beschlagnahmte Gegenstände sind dem Reich gegenüber und, wenn die Beschlag­ nahme zur Entschädigung des Verletzten angeordnet worden ist, auch diesem gegenüber unwirksam. Dies gilt auch für eine Verfügung durch Zwangsvoll­ streckung oder durch Vollziehung eines Arrestes. Die Vorschriften zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten ent­ sprechend. § 229 D a u e r der B e s c h l a g n a h me Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn sie nicht mehr nötig ist. Die Beschlagnahme zur Entschädigung des Ver­ letzten soll ausgehoben werden, wenn seit der Benach­ richtigung des Verletzten ein M onat verstrichen ist. Der Verletzte ist in der Nachricht (§ 226 Abs. 2) darauf hinzuweisen. § 230 B e s c h l a g n a h me dienstlich v e r w a h r t e r Gegenstände Schriftstücke und andere Gegenstände, die von einer Behörde, von einem Amtsträger oder von einer 6

Notveräußerung Beschlagnahmte Sachen, die für verfallen erklärt oder eingezogen werden können, dürfen veräußert werden, wenn ihr Verderben droht oder ihre Aufbe­ wahrung^ Pflege oder Erhaltung unverhältnismäßig viel kostet. Der Erlös tritt an die Stelle der Sachen. Die Sachen werden nach den Vorschriften ver­ äußert, die für die Verwertung einer gepfändeten Sache gelten. O rt und Zeit einer Versteigerung sind dem Verdächtigen, dem Eigentümer und anderen, denen Rechte an der Sache zustehen, vorher mitzu­ teilen. § 234 P o st b e s c h l a g n a h m e u n d P o s t a u s k u n s t Postsendungen und Telegramme, die sich im Ge­ wahrsam der Deutschen Reichspost befinden, dürfen nur beschlagnahmt werden, wenn anzunehmen ist, daß sie für den Verdächtigen bestimmt sind oder von ihm herrühren, oder wenn es sich um Einziehungsstücke handelt. Die Deutsche Reichspost hat Sendungen, deren Beschlagnahme angeordnet ist, auszuliefern, und zwar verschlossene Sendungen unerösfnet. Die Postbeschlagnahme wird unwirksam, wenn seit ihrer Anordnung ein M onat verstrichen und die Beschlagnahme nicht erneuert ist.

83 84 Auskunft über den Post- und Fernmeldeverkehr hat die Deutsche Reichspost zu erteilen, soweit es sich um Sendungen oder Mitteilungen handelt, von denen anzunehmen ist, daß sie für den Verdächtigen bestimmt sind oder vonH m herrühren. Die Abs. 1 bis 3 gelten auch für eine Telegraphen­ anstalt, die nicht der Deutschen Reichspost gehört, mit ihr aber unmittelbar oder durch Vermittlung eines Dritten über beförderte Telegramme abrechnet, sowie für den Dritten, der die Abrechnung vermittelt. § 235 Vermögensbeschlagnahme D as Vermögen des Beschuldigten kann ganz oder teilweise beschlagnahmt werden, wenn er einer S tra f­ tat dringend verdächtig ist, wegen deren das Ver­ mögen eingezogen werden kann. Um einen Flüchtigen oder einen Abwesenden zum Erscheinen vor Gericht zu zwingen, kann sein inlän­ disches Vermögen ganz oder teilweise beschlagnahmt werden, wenn er einer T at dringend verdächtig ist, die mit Gefängnis oder einer schwereren Strafe bedroht ist. Die Beschlagnahme umfaßt auch das Vermögen, das dem Beschuldigten später zufällt. Die Beschlagnahme und ihre Aushebung sind schriftlich anzuordnen. S ie sind im Deutschen Reichs­ anzeiger und, soweit nötig, auch in anderen Blättern bekanntzugeben. Ein D ritter kann sich bei Versü. gungen, die nach der öffentlichen Bekanntgabe vorgenommen worden sind, nur dann daraus berufen, daß' ihm die Beschlagnahme nicht bekannt gewesen sei, wenn er nachweist, daß die Unkenntnis nicht auf Fahrlässigkeit beruht. § 228 gilt entsprechend.

Gewahrsam hat, dürfen nach Sachen durchsucht werden, die beschlagnahmt werden können. Die Räume und Sachen dürfen auch durchsucht werden, um Spuren der S traftat zu verfolgen oder nach Ver­ dächtigen zu forschen. Sonst ist eine Durchsuchung nur zulässig, wenn bestimmte Tatsachen darauf schließen lassen, daß der Verdächtige oder die gesuchte S pur oder Sache bei der Durchsuchung gefunden wird. Räume, in denen der Verdächtige gesunden wird oder die er während der Verfolgung betreten hat, und die in diesen Räumen befindlichen Sachen können ebenso durchsucht werden wie die Räume und Sachen des Verdächtigen selbst. Bei Nacht dürfen Räume, die nicht jedermann zugänglich sind, nur bei Gefahr im Verzug durchsucht werden. § 238 Unbe s c hr ä nkt e Durchsuchung Räume, die Gewohnheitsverbrecher, Dirnen, Schmuggler oder andere gemeinschädliche Leute inne­ haben oder die ihnen als Treffpunkt oder Schlupf­ winkel dienen, dürfen unbeschränkt durchsucht werden. § 239 B e f u g n i s s e des I n h a b e r s

Zur Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens kann ein Treuhänder bestellt werden. Die näheren Rechts- und Verwaltungsvorschriften erläßt der Reichsminister der Justiz; er regelt insbesondere die Rechte und Pflichten sowie die Tätigkeit des Treu­ händers. D as Vormundschaftsgericht kann zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten einen Pfleger bestellen, auch wenn die Voraussetzungen des § 1911 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vorliegen.'

Bei der Durchsuchung von Räumen oder Sachen darf ihr Inhaber zugegen sein. Is t er nicht zur Stelle, so soll sein Vertreter oder ein erwachsener An­ gehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zugezogen werden. Der Zweck der Durchsuchung ist vor ihrem Beginn, wenn aber der Inhaber der Verdächtige ist oder die Räume nach § 238 unbeschränkt durchsucht werden dürfen, erst nach ihrer Beendigung mitzuteilen. Auf Verlangen ist ein Verzeichnis der beschlagnahmten Sachen oder, wenn nichts beschlagnahmt worden ist, eine Bescheinigung hierüber auszuhändigen. Dem Verdächtigen, bei dem eine Durchsuchung vorgenommen wird,, soll mitgeteilt werden, was ihm zur Last gelegt wird, sobald dies mit dem Zweck des Verfahrens vereinbar ist.

Zweiter Unterabschnitt

§ 240

§ 236 T r e u h ä n d e r und Pfl eger

Durchsuchung

Einstweilige

§ 237 Voraussetzungen Ein Verdächtiger, seine Wohnung, seine anderen Räume und die Sachen, die er benutzt oder die er in 6*

Beschlagnahme

Werden bei einer Durchsuchung Sachen gefunden, die daraus hindeuten, daß eine andere S traftat be­ gangen oder geplant ist, so können sie einstweilen beschlagnahmt werden.

85 86 D ritter Unterabschnitt

Vierter Unterabschnitt

Untersuchung vsn Personen

Gemeinsame Vorschriften

§ 241 Untersuchung und körperlicher Eingriff

§ 245

Der Verdächtige darf zur Feststellung von T at­ sachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, körperlich und auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Andere Personen dürfen nur untersucht werden, wenn es zur Wahrheitsermittlung unerläß­ lich ist. Die Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die nach den Regeln der ärzt­ lichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, sind nur zulässig, wenn der Eingriff zur Wahrheitsermittlung unerläßlich ist, kein Nachteil für die Gesundheit des Betroffenen zu besorgen ist und ihm nach den Umständen des Einzelfalls zugemutet werden kann, den Eingriff zu dulden. § 242 Anstaltsbeobachtung Der Beschuldigte darf in einer öffentlichen Heil­ oder Pslegeanstalt untergebracht und dort auf seinen Geisteszustand untersucht werden, wenn ein Arzt als Sachverständiger erklärt, daß die Untersuchung nur in einer Anstalt durchgeführt werden könne. Untersuchungs- oder Strafgefangene können auch in der Krankenabteilüng einer Gesangenenanstalt unterge­ bracht werden. Zuvor ist der Verteidiger zu hören. Hat der Be­ schuldigte keinen Verteidiger, so ist ihm für das Ver­ fahren über die Unterbringung ein Verteidiger zu bestellen. Die Unterbringung in der Anstalt darf in dem­ selben Verfahren, auch wenn sie wiederholt angeordnet wird, höchstens sechs Wochen dauern. Gegen die Anordnung ist befristete Beschwerde zulässig. S ie hat aufschiebende Wirkung. § 243

Lichtbilder, Finger abdr ücke, Messungen Soweit es für das Strafverfahren oder für den Erkennungsdienst nötig ist, dürfen -Lichtbilder und Fingerabdrücke des Verdächtigen aufgenommen und Messungen oder ähnliche Maßnahmen an ihm vor­ genommen werden. § 244 A n w e n d u n g von Z w a n g Der Verdächtige kann unter den Voraussetzungen des § 146 zur Vornahme der Untersuchung oder des körperlichen Eingriffs vorgeführt werden. F ür andere Personen gelten die §§ 181,183 Abs. 4 entsprechend. Widerstrebt der Betroffene den Maßnahmen, so darf unmittelbarer Zwang angewandt werden.

Zuständigkeit des S t a a t s a n w a l t s und des Richters I m Vorverfahren ist für die Anordnung von Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungen und körperlichen Eingriffen der S taatsanw alt zustän­ dig, der das Vorverfahren führt. Die Anordnung kann auch' der Amtsrichter treffen, in dessen Bezirk sie zu vollziehen ist, wenn sich an seinem Amtssitz kein zuständiger S taatsanw alt befindet. Nach Erhebung der Anklage ordnet der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, die Maßnahmen an. Is t Rechtsrüge eingelegt, so ist der Vorsitzer des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten worden ist. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Staatsanw alt die Maßnahmen anordnen. Die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Maßnahmen beziehen, stehen im Vorverfahren dem Staatsanw alt, nach Erhebung der Anklage dem Vor­ sitzer zu. § 246 Zu s t ä ndi gke i t der P o l i z e i Bei Gefahr im Verzug oder mit Einwilligung des Betroffenen kann auch die Polizei die Beschlag­ nahme beweglicher Sachen, Durchsuchungen und körperliche Untersuchungen anordnen. Auch wenn keine Gefahr im Verzug ist, kann die Polizei die Beschlagnahme beweglicher Sachen, die niemand in Gewahrsam hat, die Durchsuchung der im $ 238 genannten Räume und die im § 243 genannten Maßnahmen anordnen. Der Betroffene kann jederzeit beantragen, daß der zuständige Richter oder Staatsanw alt entscheide. Wird der Antraq bei der Polizei gestellt, so hat sie ihn binnen drei Tagen vorzulegen. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung; der Richter oder S ta a ts­ anwalt kann aber anordnen, daß die angefochtene Maßnahme vorläufig nicht vollzogen wird. Körperliche Eingriffe, eine Postbeschlagnahme oder eine Beschlagnahme zur Sicherung der Beitreibung darf die Polizei nicht anordnen. § 247 Z u s t ä n d i g k e i t des A r z t e s Körperliche Eingriffe, die nach § 241 zulässig sind, darf bei Gefahr im Verzug der untersuchende Arzt auch dann vornehmen, wenn sie der Richter oder der Staatsanw alt nicht angeordnet hat. §248 M i t t e i l ungspflichten Hat der Staatsanw alt oder die Polizei nach E r­ hebung der Anklage eine Beschlagnahme, eine Durch-

87 88 suchung, eine Untersuchung (§ 241) oder einen körperlichen Eingriff angeordnet, so ist dies binnen drei Tagen dem Vorsitzer anzuzeigen. Beschlag­ nahmte Gegenstände sind ihm zur Verfügung zu stellen. Die Pflicht der Polizei, im Vorverfahren die An­ ordnung einer solchen Maßnahme dem Staatsanw alt anzuzeigen, richtet sich nach § 17 Abs. 3.

Viertes Hauptstück Andere gemeinsame Vorschriften Erster Abschnitt

Verbi ndung und Trennung § 253

§ 249

Voraussetzungen

Zuständigkeit zur Aufhebung von Beschlagnahmen Der Staatsanw alt und die Polizei können eine Beschlagnahme, die sie nach Erhebung der Anklage angeordnet haben, aufheben, solange sie dem Vorsitzer davon keine Anzeige erstattet haben. Die Polizei kann eine Beschlagnahme, die sie im Vorverfahren angeordnet hat, aufheben, solange sie die Beschlagnahme dem S taatsanw alt nicht angezeigt hat. § 250 B e s c h l a g n a h m e und Dur chsuchung militärischen Dienstgebäuden

in

Wird eine Beschlagnahme oder Durchsuchrmg in einem Dienstgebäude^) der Wehrmacht, aus einem Schiff der Reichsmarine oder auf einem Luftfahrzeug der Luftwaffe erforderlich, so ist die Befehlsstelle um die Durchführung zu ersuchen. Die Behörde, die die Maßnahme angeordnet hat, kann bei der Durch­ führung mitwirken. § 251

Strafsachen sollen verbunden werden, wenn es die Verfahren fördert. Die Verbindung soll insbesondere angeordnet werden, wenn jemand mehrerer S tra f­ taten beschuldigt wird oder wenn mehrere beschuldigt werden, an einer S traftat beteiligt zu sein. Verbundene Strafsachen können getrennt werden, wenn es zweckmäßig ist. §254

Zu s t ä n d i g k e i t Sachen, für die Gerichte verschiedener Ordnung zuständig sind, können verbunden bei bem höheren Gericht anhängig gemacht werden. Sachen, für die verschiedene Gerichte gleicher Ordnung zuständig sind, können verbunden bei jedem Gericht anhängig ge­ macht werden, das für eine von ihnen zuständig ist. § 255 E n t s c h e i d u n g ü b e r d ie V e r b i n d u n g

und T r e n n u n g

Durchsuchung und körperliche U n t e r ­ suchung von F r a u e n

über die Verbindung und Trennung von S tra f­ sachen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, nach Erhebung der Anklage der Vorsitzer.

Eine F rau soll nur von einer F rau durchsucht werden, ebenso die Kleidung, die sie an sich trägt. Is t die körperliche Untersuchung einer F rau geeignet, das Schamgefühl zu verletzen, so soll sie einer F rau oder einem Arzt übertragen werden. Der Arzt kann einen weiteren Arzt, einen Heilgehilfen oder eine F rau zuziehen. Andere Personen dürfen nicht zugegen sein. Doch soll auf Verlangen eine andere F rau oder ein Angehöriger zugelassen werden. Diese Vorschriften gelten auch, wenn die Be­ troffene mit der Durchsuchung oder Untersuchung ein­ verstanden ist.

Sind die Strafsachen bei Gerichten verschiedener Ordnung anhängig geworden, so entscheidet der Vor­ sitzer des höheren Gerichts, wenn das niedrigere Ge­ richt zu seinem Bezirk gehört. Andernfalls bedarf es zur Verbindung und Trennung von Strafsachen, die bei verschiedenen Gerichten anhängig geworden sind, einer Vereinbarung der Vorsitzer dieser Gerichte. Kommt in den Fällen des Abs. 2 Satz 2 keine Ver­ einbarung zustande, so entscheidet der Vorsitzer des gemeinschaftlichen höheren Gerichts. Wurde die Ver­ bindung von ihm angeordnet, so steht auch nur ihm die Trennung zu.

§ 252 S i c h e r st e l l u n g

von

Bewei sst ücken

F ü r die Sicherstellung von Beweisstücken (§ 224 Abs. 2) gelten die Vorschriften dieses Unterabschnitts über die Beschlagnahme entsprechend. Die Polizei ist für die Sicherstellung von Beweis­ stücken auch zuständig, wenn es sich nicht um beweg­ liche Sachen handelt. 24) Es bleibt noch zu prüfen, ob § 250 auf andere F ahr­ zeuge der Wehrmacht ausgedehnt werden soll.

Zweiter Abschnitt

Entscheidungen, Niederschriften, Mi t t e i l u ng e n § 256 Anhörung Beschlüsse. die im Lause einer Hauvtverhandlung ergehen, werden nach Anhörung des Staatsanw alts pnd der anwesenden Beteiligten erlassen,

89 90 Vor Beschlüssen, die außerhalb der Hauptverhand­ lung ergehen, und vor wichtigeren Verfügungen sollen der Staatsanw alt und, soweit es angemessen ist, auch die Beteiligten gehört werden.

mittel angefochten werden kann, soll der Betroffene über die Möglichkeit der Anfechtung und über die da­ für vorgeschriebenen Fristen und Formen belehrt werden.

§257 Glaubhaftmachung Wer etwas glaubhaft zu machen hat, kann sich dazu aller Beweismittel bedienen, die im Strafver­ fahren zugelassen sind. Auch Versicherungen an Eides S ta tt von Personen, die nicht Beschuldigte sind, sind zulässig. Hat ein Zeuge oder ein Sachverständiger etwas glaubhaft zu machen, so kann verlangt werden, daß er die Wahrheit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides S tatt versichere. § 258 Begründung Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie mit einem Rechtsmittel angefochten werden können oder aus ein Rechtsmittel ergehen oder wenn durch sie ein Antrag abgelehnt wird.

§ 262 Ger i cht l i che

Niederschrift

über jede richterliche Untersuchungshandlung und Verhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen. I n der Regel ist ein Schriftführer zuzuziehen. Niederschriften über Aussagen sollen dem Ver­ nommenen zur Genehmigung vorgelesen oder vorgelegt und von ihm unterschrieben werden. Wird die Nieder­ schrift genehmigt, so soll dies vermerkt werden. Wird die Genehmigung versagt oder unterbleibt die Unter­ schrift, so soll der Grund angegeben werden. I m übrigen soll die Niederschrift den Vorschriften entsprechen, die nach § 92 Abs. 1, 3, 4 für die Nieder­ schrift über die Hauptverhandlung gelten. F ü r die Berichtigung der Niederschrift gilt § 93 Abs. 2, 3 entsprechend. § 263

§ 259

Kurzschrift

Berichtigung

Aussagen und andere Vorgänge können in einer gebräuchlichen Kurzschrift als Anlage einer Nieder­ schrift ausgenommen werden. Die Unterschrift des Schriftführers genügt. Unverzüglich nach Beendigung der richterlichen Handlung soll die Anlage der Niederschrift in Ver­ kehrsschrift übertragen werden. Der Schriftführer hat die Übertragung zu beglaubigen. F ü r das weitere Verfahren tritt die Übertragung an die Stelle der Anlage.

Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einer Entscheidung enthalten sind, kann der Vorsitzer jederzeit berichtigen. Wer Nachricht von der Entscheidung erhalten hat, soll auch von der Berichtigung in Kenntnis gesetzt werden. Der Beschluß, der eine Berichtigung ausspricht, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten wer­ den. Der Beschluß, der einen Berichtigungsantrag ablehnt, ist unanfechtbar.

§264 § 260

Zustellungen

A r t der Bekanntgabe

F ü r das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.^)

Ergeht eine Entscheidung, die dem Betroffenen mitzuteilen ist, in seiner Anwesenheit, so wird sie ihm verkündet; er erhält eine Abschrift, wenn er es ver­ langt. Ergeht die Entscheidung in seiner Abwesenheit, so wird sie ihm zugestellt; beginnt mit der Bekannt­ gabe keine Frist zu laufen, so genügt formlose M it­ teilung. Amtliche Schriftstücke können dem Betroffenen nach Kenntnisnahme wieder abgenommen werden, wenn das öffentliche Wohl es fordert. §261 Rechtsmittelbelehrung Bei oder unmittelbar nach der Bekanntgabe einer jeden Entscheidung, die durch ein befristetes Rechts­

Schriftstücke, die dem S taatsanw alt zuzustellen sind, werden ihm in Urschrift oder in einer Ausferti­ gung vorgelegt. Beginnt mit der Zustellung eine Frist zu laufen, so ist der Tag der Vorlegung auf der Ur­ schrift oder der Ausfertigung zu vermerken. 25) Es wird vorausgesetzt, daß eine Vorschrift etwa folgen­ den In h alts in das Einführungsgesetz eingestellt wird (vgl. Art. 2 Kap. III der VO. vom 14. 6. 1932, RGBl. I S. 288): Zust el l ungsnachwei s und forml ose Mitteilung F ür den Nachweis von Zustellungen kann der Reichs­ minister der Justiz einfachere Formen zulassen. E r kann auch gestatten, daß Schriftstücke statt durch Zustellung formlos

mitgeteilt werden-

91 92 § 265 Öffentliche

Zustellung

Ei n Schriftstück kann einem Beteiligten öffentlich zugestellt werden, 1. wenn der Aufenthalt des Beteiligten unbe­ kannt ist oder 2. wenn die Zustellung im Ausland vorge­ nommen werden müßte und die Befolgung der hierfür bestehenden Vorschriften nicht möglich ist, keinen Erfolg verspricht oder das Verfahren erheblich verzögern würde. Ist an eine Person zuzustellen, die nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, oder ist in der Wohnung oder in dem Geschäftsraum oder in anderen Räumen einer solchen Person zuzustellen, so kann die öffentliche Zustellung verfügt werden, wenn die Zustimmung zur Zustellung verweigert wird und die Vermittlung des Auswärtigen Amtes ergebnislos ge­ blieben ist. Die öffentliche Zustellung ordnet der Vorsitzer an.

rung), 262 bis 266 (Niederschriften, Zustellungen) ent­ sprechend. Der Staatsanw alt kann statt einer Niederschrift einen Vermerk aufnehmen. Der Vermerk wird vom Staatsanw alt unterschrieben.

D ritter Abschnitt

. Fr i s t en, S p r a c hge br a uc h § 268 Berechnung der Fristen Die Fristen werden nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs berechnet. Is t der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter allgemeiner Feiertag, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages. § 269 U n v e r s c h u l d e t e F r i st V e r s ä u m n i s

§ 266

A u s f ü h r u n g der öf f e nt l i c he n Zus t e l l ung Soll der Angeklagte zur Hauptverhandlung öffent­ lich geladen werden, so ist die Ladung ganz oder aus­ zugsweise in einem oder mehreren öffentlichen Blättern, die der Vorsitzer auswählt, bekanntzugeben. Eine beglaubigte Abschrift der Ladung ist zwei Wochen an die Gerichtstafel anzuheften. Soll ein anderes Schriftstück öffentlich zugestellt werden, so ist eine beglaubigte Abschrift ganz oder auszugsweise an die Gerichtstafel anzuheften. D as Schriftstück kann außerdem ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffentlichen Blättern, die der Vorsitzer auswählt, bekanntgegeben werden. Der Auszug soll das Gericht, die Beteiligten, die Sache und den wesentlichen In h a lt des zuzustellenden Schriftstücks, bei Ladungen insbesondere den Zweck sowie O rt und Zeit der Verhandlung ersehen lassen. Die Ladung gilt als zugestellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem das letzte B latt er­ schienen und die Abschrift an die Gerichtstafel ange­ heftet worden ist. Ein anderes Schriftstück gilt als zugestellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem die Abschrift an die G erichtstag angeheftet worden ist. Der Vorsitzer kann die Fristen verlängern.

für

den

Innerhalb der Frist ist zugleich der Antrag zu stellen und der Grund der Säum nis anzugeben und glaubhaft zu machen. F ü r den Antrag gelten die §§ 273 bis 278 ent­ sprechend. §270 Ent s c h e i d u n g ü b e r den A n t r a g Uber den Antrag entscheidet, wer bei Wahrung der Frist zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. Der Beschluß, der dem Antrag stattgibt, ist unan­ fechtbar. Der Beschluß, der den Antrag als unzulässig verwirft oder ihn als unbegründet zurückweist, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 271 F o r t g a n g der Sache

§267 Vorschriften

Hat jemand ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumt, so kann er binnen einer Frist von einer Woche die versäumte Handlung nachholen. Geschieht dies, so ist die Handlung auf seinen Antrag als frist­ gemäß vorgenommen zu behandeln. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Grund der Säumnis wegfällt.

Staatsanwalt

F ü r die Verfügungen und Untersuchungshandlun­ gen des S taatsanw alts gelten die §§ 257 (Glaubhaft­ machung), 258 (Begründung), 259 (Berichtigung), 260 (Art der Bekanntgabe), 261 (Rechtsmittelbeleh­

Durch den Antrag wird der Fortgang des Ver­ fahrens nicht gehemmt. Der Vorsitzer des Gerichts, bei dem der Antrag gestellt wird, und der Vorsitzer des Gerichts, das über den Antrag zu entscheiden hat, können anordnen, daß das Verfahren oder die Voll­ streckung auszusetzen ist.

93 94 Sprachgebrauch I m Sinne dieses Gesetzes sind: Angeklagter

der Beschuldigte, gegen den die Anklage erhoben ist; Beteiligte der Beschuldigte, der Verteidi­ ger, der Einziehungsbeteiligte und die anderen Personen, die von der Entscheidung betroffen werden, sowie ihre Vertreter; Angehörige der Personenkreis, der im § 89 des Strafgesetzbuchs bezeichnet ist; Amtsträger ein Beamter oder wer, ohne Be­ amter zu sein, dazu bestellt ist, obrigkeitliche Aufgaben wahrzu­ nehmen (§ 90 Abs. 1 des S traf­ gesetzbuchs); sichernde Maßregeln die Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung, die im § 66 des Strafgesetzbuchs ge­ nannt sind.

Viertes Buch

Rechtsbehelfe Erstes Hauptstück Allgemeine Vorschriften §273 An s e c h t u n g s b e r e c h t i g t e Die Rechtsbehelse, die dieses Gesetz zuläßt, stehen dem S taatsanw alt und dem Beschuldigten zu, anderen, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist. Einen Rechtsbehels kann nur gebrauchen, wer be­ schwert ist. Diese Einschränkung gilt nicht für den Staatsanw alt. §274 Berechtigung

des V e r t e i d i g e r s

Der Verteidiger kann für den Beschuldigten Rechtsbehelse gebrauchen, aber nicht gegen dessen ausdruckuchen Willen. §275 R e c h t s b e h e l f e de s geset zl i chen Vertreters Der gesetzliche Vertreter kann Rechtsbehelfe, die dem Ansechtungsberechtigten zustehen, innerhalb der für diesen laufenden Frist selbständig gebrauchen. Dies gilt nicht, wenn der Ansechtungsberechtigte schon das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und der gesetzlichen Vertretung nur bedarf, weil er minder­ jährig ist. Die Vorschriften über die Rechtsbehelse des Be­ schuldigten gelten entsprechend, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 276 Abgabe der E r k l ä r u n g e n Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Erklä­ rungen über die Einlegung und die Begründung von Rechtsbehelfen bei dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, schriftlich einzureichen oder zur Nieder­ schrift der Geschäftsstelle abzugeben. Wer auf behördliche Anordnung verwahrt wird, kann die Erklärungen zur Niederschrift der Geschäfts­ stelle des Amtsgerichts abgeben, in dessen Bezirk er sich befindet. Die Frist für die Abgabe der Erklärung wird gewahrt, wenn vor ihrem Ablauf die Nieder­ schrift ausgenommen wird.

95 96 Wird der Rechtsbehels unrichtig bezeichnet, so hat dies keine nachteiligen Folgen. §277 Verzicht

und

Zurücknahme

Der Verzicht auf einen Rechtsbehelf ist unwider­ ruflich. Ist ein Rechtsbehels zurückgenommen worden, so kann er nicht von neuem gebraucht werden. Der Verteidiger darf einen Rechtsbehelf nur dann zurücknehmen oder aus ihn verzichten, wenn er dazu ausdrücklich ermächtigt ist. Hat eine Hauptverhandlung über ein Rechtsmittel begonnen, so kann es nur zurückgenommen werden, wenn der Vorsitzer zustimmt. Hat der Staatsanw alt das Rechtsmittel eingelegt, so bedarf es ferner der Zu­ stimmung des Angeklagten, hat der Angeklagte es eingelegt, der Zustimmung des Staatsanw alts.

§2 8 1 ^ Be f r i s t e t e B e s c h w e r d e Die Beschwerde ist nur dann befristet, wenn es besonders bestimmt ist. Die befristete Beschwerde ist binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.

§ 282 Wirkung Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorsitzer des Gerichts oder der Richter, besten Ent cheidung angefochten wird, kann den Vollzug der Ent cheidung aussetzen. Dieselbe Befugnis hat der Vorsitzer des Beschwerdegerichts.

§ 278

§ 283

Wi r kung

V e r f a h r e n des u n t e r e n Gerichts

Jeder Rechtsbehels hat die Wirkung, daß die ange­ fochtene Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen geändert oder aufgehoben werden kann.

Kann die Entscheidung nicht mit der Beschwerde angefochten werden oder ist die befristete Beschwerde verspätet eingelegt, so verwirft das Gericht oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten ist, die B e­ schwerde als unzulästig. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Das Gericht oder der Richter hilft der Beschwerde ab, wenn sie zulässig und begründet ist. Wird die Beschwerde nicht als unzulästig ver­ worfen oder durch Abhilfe erledigt, so ist sie unverzüg­ lich dem Beschwerdegericht vorzulegen.

Z w eites Hauptstück

Die Rechtsmittel Erster Abschnitt

Beschwerde §279

§284

Beschwerderecht

Beschwerdegericht

Die Beschwerde können der Staatsanw alt und der Beschuldigte gegen alle richterlichen Beschlüste und Verfügungen erheben, soweit nichts anderes be­ stimmt ist. Dasselbe gilt für Zeugen, Sachverständige und andere, die durch eine Entscheidung betroffen werden. Gegen Beschlüste und Verfügungen des Reichs­ gerichts, des Volksgerichtshofs und der Oberlandes­ gerichte ist keine Beschwerde zulässig.

Ist eine Entscheidung des Amtsrichters oder des Schöffengerichts angefochten, so ist Beschwerdegericht das Landgericht, sonst das Oberlandesgericht. Der Vorsitzer des Beschwerdegerichts entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung vom Vorsitzer oder vom Amtsrichter im Vorverfahren erlasten wor­ den ist.

§ 280 Entscheidungen zur V o r b e r e i t u n g des U r t e i l s Entscheidungen, die nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des Urteils erlasten werden, können nur mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen das Urteil eingelegt wird. Ausgenommen sind Entscheidungen, die sich auf Zwangsmittel beziehen, und alle Entscheidungen, durch die Dritte betroffen werden.

§ 285 Verfahren

des

Beschwerdegerichts

Eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde findet nicht statt. Vor der Entscheidung ist der S ta a ts­ anwalt zu hören; den übrigen Beteiligten kann der Vorsitzer die Beschwerdeschrist zur Erklärung mit­ teilen. E r kann Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen. über die Beschwerde wird durch Beschluß ent­ schieden. Soweit sie begründet ist, entscheidet das Be­ schwerdegericht zugleich in der Sache selbst; es kann die Sache auch zurückverweisen.

97 98 Gegen Berusungsurteile ist nur die Rechtsrüge zulässig. S ie steht nur dem zu, der nicht Berufung eingelegt hatte.

§ 286 ( £ n t f R e i b u n g e n des b e a u f t r a g t e n und des ersuchten Ri c ht e r s

§29 1

über die Beschwerde gegen Entscheidungen des beauftragten und des ersuchten Richters entscheidet der Vorsitzer, der den Richter beauftragt oder ersucht hat, und, wenn ein Amtsrichter das Ersuchen gestellt hat, der Vorsitzer des ihm übergeordneten Land­ gerichts. § 287

Über die Berufung entscheidet das Landgericht. Über die Rechtsrüge entscheidet, wenn im ersten Rechtszuge der Amtsrichter das Urteil erlassen hat, das Oberlandesgericht, sonst das Reichsgericht.

We i t e r e Beschwerde

§ 292

Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts und seines Vorsitzers ist eine weitere Beschwerde nur in den Fällen des § 325 zulässig.

Anfechtung von U r t e i l e n des A m t s ­ r i c h t e r s itn b d e s S c h ö f f e n g e r i c h t s

§ 288

Wird ein Urteil des Amtsrichters oder des Schöffengerichts angefochten, so gelten die besonderen Vorschriften der §§ 293 bis 297.

Beschwerde gegen V e r f ü g u n g e n Staatsanwalts

des

B e r u s u n g s - und

Rechtsrügegericht

§ 293

Gegen Verfügungen des S taatsanw alts können der Beschuldigte und andere, die davon betroffen werden, Beschwerde erheben, soweit nichts anderes bestimmt ist. über die Beschwerde entscheidet der vorgesetzte S taatsanw alt.^) Gegen Verfügungen des S taatsanw alts bei dem Reichsgericht, beni Volksgerichtshof und den Ober­ landesgerichten und gegen Beschwerdeentscheidungen ist keine Beschwerde zulässig. Die §§ 281 bis 283, 285 gelten entsprechend.

Anfechtungserklärung Binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils ist bei dem Gericht des ersten Rechtszuges die Erklä­ rung abzugeben, daß das Urteil angefochten wird. W ar der Angeklagte bei Verkündung des Urteils nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist mit der Zustellung. § 294 V e r w e r f u n g durch d a s u n t e r e G e r i c h t Is t das Urteil nicht rechtzeitig angefochten, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß binnen einer Woche nach Zustellung befristete Be­ schwerde erheben. A as angefochtene Urteil samt trotz der Beschwerde vollstreckt werden. Der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, und der Vor­ sitzer des Beschwerdegerichts können die Vollstreckung aussetzen.

Zweiter Abschnitt Anfechtung von U r t ei l en

Erster Unterabschnitt Gemeinsame Borschristen

§ 289

Grunds at z Alle Urteile können angefochten werden, aus­ genommen die der Oberlandesgerichte, des Volks­ gerichtshofs und des Reichsgerichts. D er Anfechtungsberechtigte kann in der Regel nur einmal ein höheres Gericht anrufen. Die Anfechtung hemmt die Rechtskraft des Urteils.

§ 295 Zu stellung

des U r t e i l s

Bei rechtzeitiger Anfechtung ist dem Beschwerde­ führer das Urteil mit Gründen zuzustellen, wenn dies noch nicht geschehen ist.

§ 290

§ 296

A rt der R e c h t s m i t t e l

A u s ü b u n g der Wa h l

Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts können mit der Berufung oder der Rechtsrüge ange­ fochten werden, Urteile der Strafkammer und des Schwurgerichts nur mit der Rechtsrüge.

Der Beschwerdeführer hat zu erklären, ob sein Rechtsmittel als Berufung oder als Rechtsrüge be­ handelt werden soll. Die Erklärung ist spätestens binnen einer Woche nach Ablauf der Frist für die Anfechtltng abzugeben; war zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zu­ stellung.

26) I n den Ausführungsvorschriften wird die Zeichnungs­ b efugnis für diese F älle besonders zu regeln sein. 7

99 100 Hat der Beschwerdeführer bereits in der Anfech­ tungserklärung das Rechtsmittel als Berufung oder als Rechtsrüge bezeichnet, so ist er daran nicht ge­ bunden. Soll das Rechtsmittel als Rechtsrüge behandelt werden, so muß der Angeklagte dies in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unter­ zeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäfts­ stelle erklären. Die Rechtsrüge muß binnen der im Abs. 1 bestimmten Frist begründet werden; der Vor­ sitzer kann die Frist nach § 312 Abs. 2 verlängern. Erklärt sich der Beschwerdeführer binnen der Frist des Abs. 1 nicht oder nicht nach den Vorschriften des Abs. 3, so wird das Rechtsmittel als Berufung be­ handelt. § 297 Einlegung

mehrerer

Aus der Begründung soll hervorgehen, inwieweit und aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen G rün­ den der Beschwerdeführer sich gegen das Urteil wendet. Neue Beweismittel sollen dabei angegeben werden. § 300 Weiteres Verfahren Die Geschäftsstelle teilt die Schriftstücke, mit denen die Berufung eingelegt und begründet worden ist, dem Staatsanw alt zur Erklärung mit, wenn der Ange­ klagte, und dem Angeklagten, wenn der Staatsanw alt Berufung eingelegt hat. Die Sache wird beim Berufungsgericht anhängig, wenn der Staatsanw alt ihm die Akten vorlegt.

Rechtsmittel

Haben mehrere Anfechtungsberechtigte das Urteil angefochten und der eine die Berufung, der andere die Rechtsrüge eingelegt, so werden beide Rechtsmittel als Berufung behandelt. I n diesem Falle kann der Anfechtungsberechtigte, der die Rechtsrüge eingelegt hat, das Berusungsurteil mit der Rechtsrüge an­ fechten. Wird im Falle des Abs. 1 die Berufung zurück-' genommen oder wird sie als unzulässig oder nach § 306 Abs. 1 verworfen, so wird mit der Rechtsrüge nach den für sie geltenden Vorschriften verfahren, außer wenn der Änsechtungsberechtigte in der Be­ rufungsverhandlung verlangt, daß die Rechtsrüge als Berufung weiter behandelt wird. § 298 R e c h t s m i t t e l des V e r l e t z t e n bei Ehrenkränkung Wird in einem Verfahren wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung im Urteilsspruch die Wahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Be­ hauptung festgestellt, so kann der Verletzte die Fest­ stellung mit den gegen das Urteil zulässigen Rechts­ mitteln anfechten. Die Anfechtungsfrist beginnt für den Verletzten mit der Zustellung des Urteils. Der Verletzte hat im Rechtsmittelverfahren selbständig die Rechte des An­ geklagten, soweit es die Feststellung betrifft. I n der Hauptverhandlung kann er sich durch einen Rechts­ anwalt vertreten lassen. I m übrigen gelten die Vorschriften über die Rechtsbehelfe des Angeklagten entsprechend. Zweiter Unterabschnitt Berufung § 299 Berusungsbegründung Die Berufung soll begründet werden. Dies soll binnen der im § 296 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist geschehen. 7»

§ 301 E n t s c h e i d u n g des B e r u f u n g s g e r i c h t s Is t die Berufung nicht vorschriftsmäßig eingelegt, so kann das Berufungsgericht sie durch Beschluß als unzulässig verwerfen. Der Beschluß ist nicht anfecht­ bar. I m übrigen wird über die Berufung auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden. § 302 Gang

der V e r h a n d l u n g

I n der Hauptverhandlung hat das Gericht neu in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden, soweit sich aus § 304 Abs. 1 nichts anderes ergibt. Nach Beginn der Hauptverhandlung hält ein Be­ richterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vor­ trag über das bisherige Verfahren. D as Urteil des ersten Rechtszuges kann verlesen werden. Alsdann sind der Angeklagte zu vernehmen und die Beweise zu erheben. Die Anklage darf nicht aus weitere Straftaten des Angeklagten ausgedehnt werden. Bei den Schlußvorträgen spricht der Beschwerde­ führer in der Regel zuerst. § 303 Beweisaufnahme Der Vorsitzer darf eine Beweiserhebung ablehnen, wenn sie nach seinem pslichtmäßigen Ermessen zur E r­ forschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen dürfen aus der Niederschrift über die Hauptverhand­ lung des ersten Rechtszuges verlesen werden. Dies gilt nicht, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger vorge­ laden und erschienen oder seine Ladung vor der Hauptverhandlung beantragt worden ist und der Staatsanw alt oder der Angeklagte aus die Verneh­ mung nicht verzichten. Andere Vorschriften über die Verlesung von Aussagen bleiben unberührt.

101 102 § 304 N a c h p r ü f u n g des U r t e i l s Da s Berufungsgericht prüft das U rteil in vollem Umfange nach. Tatsächliche Feststellungen und W er­ tungen des ersten U rteils, gegen die keine Einw en­ dungen erhoben sind, kann es seiner Entscheidung zugrunde legen. S ow eit das U rteil unrichtig ist, hat das Be­ rufungsgericht es zu ändern oder aufzuheben und selbst zu entscheiden. B eruht das U rteil auf einem Verfahrensm angel, so kann das Berufungsgericht das U rteil aufheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zu­ rückverweisen oder an das zuständige Gericht ver­ weisen. Die Zurückverweisung ist auch möglich, wenn das Berufungsgericht T aten oder T atteile, über die im angefochtenen U rteil nicht entschieden worden ist, in das V erfahren einbezieht. Abs. 1 Satz 2 gilt für das zur Entscheidung berufene Gericht entsprechend.

§ 308 Andere Versahrensvorschristen I m übrigen gelten die Vorschriften über die H auptverhandlung des ersten Rechtszuges und ihre Vorbereitung entsprechend. D er Angeklagte ist in der Ladung auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens hinzuweisen. D ritter Unterabschnitt Rechtsrüge

§ 309 Rechtsrügegründe Die Rechtsrüge kan:: nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einem Fehler im V erfahren be­ ruhe oder wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts oder eines W ertmaßes auf die festgestellten Tatsachen ungerecht sei.

§ 305 Entscheidung über M itangeklagte Is t das U rteil des ersten Rechtszuges für einen M itangeklagten schon rechtskräftig geworden und er­ gibt sich in der H auptverhandlung, daß ihm gegen­ über die Voraussetzungen der W iederaufnahme des V erfahrens vorliegen/so kann das Berufungsgericht in dem anhängigen Verfahren durch Beschluß die W iederaufnahme anordnen und auch ihm gegenüber in der Sache neu entscheiden. F ü r das V erfahren gelten die §§ 343, 345, 346, 349 entsprechend. § 306 A u s b l e i b e n des An g e k l a g t e n

Is t bei B eginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch, wo dies zulässig ist, ein V er­ treter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so w ird, wenn der Ange­ klagte allein B erufung eingelegt hat. das Rechtsmittel ohne V erhandlung in der Sache selbst verworfen. Sonst w ird verhandelt oder die V orführung oder Verhaftung des Angeklagten angeordnet. § 307 B e r u f u n g des gesetzlichen V e r t r e t e r s Hat der gesetzliche V ertreter des Angeklagten selb­ ständig B erufung eingelegt, so bestimmt sich die Pflicht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung zu er­ scheinen, nach den allgemeinen Vorschriften. § 306 gilt entsprechend, wenn beim Beginn einer Hauptverhandlung weder der Anaeklagte oder sein Verteidiger noch der Beschwerdeführer oder für ihn ein Rechtsanwalt a ls V ertreter erscheint.

§ 310 Ei nl egungsfri st B innen einer Woche nach Verkündung des U rteils ist die Rechtsrüge bei dem Gericht einzulegen, dessen Urteil angefochten wird. W ar der Angeklagte bei der Verkündung des U rteils nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist m it der Zustellung. Bei rechtzeitiger Einlegung der Rechtsrüge ist dem Beschwerdeführer das Urteil mit G ründen zuzustellen, wenn dies noch nicht geschehen ist. §311 Rechtsrügebegründung D er Beschwerdeführer muß die Rechtsrüge be­ gründen. Die Begründung muß enthalten: 1. die Angabe, inwieweit er sich gegen das Urteil wendet, 2. die G ründe hierfür. Die Begründung muß ersehen lassen, ob das Urteil wegen eines Fehlers im Verfahren oder wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts oder eines W ertm aßes auf die festgestellten Tatsachen beanstandet wird. W ird ein Fehler im Verfahren gerügt, so müssen die Tatsachen bezeichnet werden, in denen er gesunden wird. § 312 Begründungsfrist Die Rechtsrügebegründung ist bei dem Gericht anzubringen, dessen U rteil angefochten ist. Die Frist beträgt eine Woche. S ie beginnt mit dem Ablauf der Frist für die Anfechtung des U rteils (§ 293) oder für

103 die Einlegung der Rechtsrüge (§ 310). W ar zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung. Auf Antrag des Beschwerdeführers kann der Vor­ sitzer die Frist bis zu einem Monat verlängern; seine Entscheidung ist unanfechtbar. Rügt der Beschwerdeführer einen Fehler int Ver­ fahren, der nur durch eine Berichtigung der Verhand­ lungsniederschrift bewiesen werden kann, so muß er die Berichtigung bis zum Ablauf der Frist für die Be­ gründung der Rechtsrüge beantragen. Wird die Begründung der Rechtsrüge durch eine Berichtigung der Verhandlungsniederschrift gegen­ standslos, so kann der Beschwerdeführer die Rechts­ rüge neu begründen. Die Frist dafür beträgt eine Woche; sie beginnt mit der Zustellung der Berichti­ gung.

104 § 316 E n t s c h e i d u n g d e s Rech t s r ü g e g e r i c h t s Sind die Vorschriften über die Einlegung und die Begründung der Rechtsrüge nicht beachtet, so stellt das Rechtsrügegericht in den Fällen des § 296 Abs. 4 durch Beschluß fest, daß die Anfechtung des Urteils als Berufung zu behandeln ist. Der Beschluß bindet das Berufungsgericht. I n anderen Fällen kann das Rechts­ rügegericht das Rechtsmittel durch Beschluß als unzu­ lässig verwerfen. Das Rechtsrügegericht kann auch durch Beschluß entscheiden, wenn die Rechtsrüge offensichtlich unbe­ gründet ist. Im übrigen wird über die Rechtsrüge auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden. § 317 Teilnahme

§313 F o r m der B e g r ü n d u n g Der Angeklagte kann die Rechtsrüge nur in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Ge­ schäftsstelle begründen.

des An g e k l a g t e n

Ort und Zeit der Hauptverhandlung werden dem Angeklagten und seinem Verteidiger bekanntgegeben. Der Angeklagte kann an der Hauptverhandlung teil­ nehmen oder sich durch einen Verteidiger vertreten lassen. Is t er nicht auf freiem Fuße, so braucht er nicht vorgeführt zu werden. § 318

§ 314

Hauptverhandlung

V e r w e r f u n g dur ch d a s u n t e r e G e r i c h t

Nach Beginn der Hauptverhandlung hält ein B e­ richterstatter einen Vortrag über das bisherige Ver­ fahren. Deut Staatsanw alt, dem Verteidiger und dem Angeklagten wird ztt ihren Ausführungen und An­ trägen das Wort erteilt. I n der Regel spricht der Beschwerdeführer zuerst. Der Angeklagte hat das letzte Wort.

Is t die Rechtsrüge verspätet eingelegt oder nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden, so verwirft das Gericht, dessen Urteil angefochten ist, die Rechtsrüge durch Beschluß als unzulässig. Dies gilt nicht, wenn die Rechtsrüge nach § 296 Abs. 4 als Berufung zu behandeln ist. Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß binnen einer Woche nach Zustellung befristete Be­ schwerde erheben. Über die Beschwerde entscheidet das Rechtsrügegericht. D as angefochtene Urteil kann trotz der Beschwerde vollstreckt werden. Der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, und der Vor­ sitzer des Rechtsrügegerichts können die Vollstreckung aussetzen. §315 Weiteres Verfahren Is t die Rechtsrüge rechtzeitig eingelegt und fristund formgerecht begründet worden, so teilt die Ge­ schäftsstelle die Schriftstücke, mit denen die Rechtsrüge eingelegt und begründet worden ist, dem S ta a ts­ anwalt mit, wenn der Angeklagte, und dem Angeklag­ ten, wenn der Staatsanw alt Rechtsrüge eingelegt hat. Binnen einer Woche kann eine Gegenerklärung abgegeben werden. Der Angeklagte hat sie schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle anzubringen. Die Sache wird beim Rechtsrügegericht anhängig, wenn der Staatsanw alt ihm die Akten vorlegt.

§ 319

Na c hpr üf ung des U r t e i l s Das Gericht prüft das Vorbringen des Be­ schwerdeführers. Es kann die Prüfung von Amts wegen aus nichtgerügte Fehler erstrecken. Hat sich das Gesetz nach Erlaß des angefochtenen Urteils geändert, so kann auch geprüft werden, ob das neue Gesetz angewendet werden soll. Das Gericht hebt das angefochtene Urteil auf oder verwirft die Rechtsrüge. § 320 E n t s c h e i d u n g i n de r Sache Wird das angefochtene Urteil aufgehoben, so kann das Rechtsrügegericht in der Sache selbst entscheiden, wenn es auf Grund der in dem angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen dazu in der Lage ist. Es kann eine Freiheitsentziehung, die der Ange­ klagte seit dem Erlaß des angefochtenen Urteils er­ litten hat, aus die Strafe anrechnen.

105 106 § 321

Zurückverweisung Entscheidet das Rechtsrügegericht bei Aushebung des U rteils nicht in der Sache selbst, so verweist es die Sache zur neuen V erhandlung und Entscheidung an das Gericht, bessert U rteil ausgehoben wird, oder an ein anderes Gericht derselben O rdnung zurück. E s kann die Sache an ein niedrigeres Gericht zurückverweisen, wenn dieses nach der rechtlichen Be­ urteilung des Rechtsrügegerichts für die S tra fta t zu­ ständig ist. W ird ein Urteil aufgehoben, weil das Gericht seine S trafg ew alt überschritten hat oder weil ein anderes Gericht für die A burteilung der T a t ausschließlich zu­ ständig ist, so verweist das Rechtsrügegericht die Sache an d as zuständige Gericht. § 322 A b h i l f e bet F e h l u r t e i l e n D a s Rechtsrügegericht kann das U rteil auch dann aufheben, wenn sich bei der Prüfung der Rechtsrüge ernste Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen ergeben. § 323 Wi r k u n g auf M i t a n g e k l a g t e W enn ein Fehler, der zur Aufhebung des Urteils führt, auch das schon rechtskräftig gewordene Urteil gegen einen M itangeklagten unhaltbar macht, so kann das Rechtsrügegericht das Urteil auch gegenüber dem M itangeklagten als angefochten behandeln. Abs. 1 gilt entsprechend, wenn das Rechtsrüge­ gericht ein U rteil nach § 322 aufhebt. § 324 Neue V e r h a n d l u n g und Entscheidung D a s Gericht, an das die Sache verwiesen w ird, ist bei seiner Entscheidung an die rechtliche B eurteilung gebunden, die zur Aufhebung des U rteils geführt hat. E s kann die tatsächlichen Feststellungen und W ertungen des früheren U rteils seiner Entscheidung zugrunde legen, soweit sie nicht vom Rechtsrügegericht beanstandet sind. D ritter Abschnitt

Wa h r u n g der Re c h t s e i n h e i t § 325 Weitere

Beschwerde

W enn die F ortbildung des Rechts oder die Siche­ rung einer einheitlichen Rechtsprechung es erfordert, kann der S ta a tsa n w a lt gegen Entscheidungen, die das Landgericht als Beschwerdegericht getroffen hat, weitere Beschwerde erheben.

Über die weitere Beschwerde entscheidet das O ber­ landesgericht; hat der Vorsitzer der Strafkam m er die angefochtene Entscheidung erfassen, so entscheidet der Vorsitzer des Strafsenats. § 326 E r w e i t e r t e Rechtsrüge gegen B er u fu n gs u r t eil e Unter den Voraussetzungen des § 325 steht dem S ta a tsa n w a lt gegen ein B erufungsurteil auch dann die Rechtsrüge zu', wenn er Berufung eingelegt hatte. § 327 E i n h o l u n g der Ent sc he i du ng des Reichsgerichts .hat ein Strasseitat des Oberlandesgerichts oder sein Vorsitzer in einer Rechtsrüge- oder Beschwerde­ sache über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher B e­ deutung zu entscheiden, so kann er die Rechtsrüge oder die Beschwerde dem Reichsgericht vorlegen, wenn die F ortbildung des Rechts oder die Sicherung einer ein­ heitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Reichsgerichts erfordert. D as Oberlandesgericht oder sein Vorsitzer hat bei der Vorlage seine Rechtsauf­ fassung darzulegen. Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann auch der G eneralstaatsanw alt die Entscheidung des Reichs­ gerichts herbeiführen. I n Rechtsrügesachen kann der A ntrag nu r bis zum Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden. D as Reichsgericht kann sich ans die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken. E rfordert die Entscheidung der Sache eine neue H auptverhandlung vor dem Oberlandesgericht, so wird dem S ta a tsa n w a lt und den Beteiligten die E n t­ scheidung der Rechtsfrage rechtzeitig vorher mitgeteilt. § 328 Rechtsfragen von grundsätzlicher B edeu t nn g E in Strafsenat des Reichsgerichts kann in einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung die E n t­ scheidung des Großen S e n a ts für Strafsachen herbei­ führen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung es er­ fordert. D er Große S en at entscheidet auch, wenn der Oberreichsanwalt wegen der grundsätzlichen Bedeu­ tung einer Rechtsfrage es beantragt. § 329 A b w e i c h e n d e R e ch t s a u f f a s s u n g D er Große S en at für Strafsachen entscheidet ferner, wenn ein Strafsenat des Reichsgerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines andern S tr a f ­ senats des Reichsgerichts oder des Großen S e n a ts für Strafsachen abweichen will.

107 W ill ein Strafsenat des Reichsgerichts von der Entscheidung eines Zivilsenats des Reichsgerichts oder des Großen S e n a ts für Zivilsachen abweichen, so entscheiden die vereinigten Großen S enate. D a s­ selbe gilt, wenn ein S trafsenat des Reichsgerichts von einer Entscheidung der vereinigten Großen Senate abweichen will. § 330 Ve r f a h r e n D er Große S e n a t für Strafsachen und die ver­ einigten G roßen S enate entscheiden ohne vorherige mündliche Verhandlung nur über die Rechtsfrage. D er Oberreichsanwalt w ird gehört. E r kann auch in der Sitzung seine Auffassung darlegen. Die Entscheidung bindet den erkennenden S en at in der vorliegenden Sache. E rfordert die Entscheidung der Sache eine neue H auptverhandlung vor dem erkennenden S en at, so wird dem S ta a tsa n w a lt und den Beteiligten die E n t­ scheidung der Rechtsfrage rechtzeitig vorher mitgeteilt.

108 Der Beschluß, der dem A ntrag stattgibt, ist un an ­ fechtbar. D er Beschluß, der den A ntrag als unzulässig verw irft oder ihn als unbegründet zurückweist, kann m it der befristeten Beschwerde angefochten werden. M it dem Beschluß, der die Wiederholung der Hauptverhandlung anordnet, wird das alte Urteil hinfällig. § 334 V e r h ä l t n i s d e s A n t r a g s z u r Anf ech t u n g des Ur t e i l s

Erster Abschnitt

D er Lauf der Fristen für die Anfechtung des U rteils wird nicht dadurch gehemmt, daß die W ieder­ holung der H auptverhandlung beantragt werden kann. Macht der Angeklagte von beiden Rechtsbehelfen Ge­ brauch, so ist zunächst der A ntrag auf Wiederholung der H auptverhandlung zu erledigen. B eantragt der Angeklagte nur die Wiederholung der H auptverhandlung, so gilt der A ntrag für den F a ll seiner Ablehnung zugleich als Anfechtung des U rteils, wenn der Angeklagte nichts anderes erklärt. D ie in den §§ 296, 312 bestimmten Fristen beginnen in diesem Falle mit dem Ablauf der Frist, innerhalb deren die Ablehnung des A ntrags angefochten werden kann; hat der Angeklagte gegen die Ablehnung B e­ schwerde erhoben, so beginnen die Fristen mit der Zu­ stellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts.

Wi e d e r h o l u n g e i n e r n er s ä u mt e n Hauptverhandlung

Zweiter Abschnitt

Drittes Hauptstück Andere Rechtsbehelfe

§ 331 Voraussetzungen

Wi e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s

Hat der Angeklagte ohne eigenes Verschulden die H auptverhandlung ganz oder teilweise versäumt und ist ein U rteil auf G rund des § 56 Abs. 3, des § 58 Abs. 2 oder des § 306 ergangen, so ist die H auptver­ handlung auf seinen A ntrag zu wiederholen. Die W iederholung ist unzulässig, wenn der Ange­ klagte in der H auptverhandlung von einem V ertei­ diger vertreten worden ist.

W i e d e r a u f n a h m e wegen neuer T a t ­ sachen oder B e w e i s m i t t e l

§ 332 An t r a g D er A ntrag kann n u r binnen einer Woche bei dem Gericht gestellt werden, vor dem die H auptverhand­ lung stattgefunden hat. Die F rist beginnt mit der Z u­ stellung des U rteils. In n e rh a lb der F rist sind auch die Gründe der S äu m n is anzugeben und glaubhaft zu machen. D er A ntrag hemmt die Vollstreckung nicht. D er Vorsitzer kann anordnen, daß sie auszusetzen ist . §333 Entscheidung Uber den A ntrag entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat.

§ 335

Ein durch rechtskräftiges Urteil geschloffenes V er­ fahren wird wieder aufgenommen, wenn neue T a t­ sachen oder Bew eism ittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung m it den früheren Beweisen ge­ eignet gewesen wären, 1. die Freisprechung eines V erurteilten oder eine wesentlich geringere Bestrafung oder statt der V erurteilung die Einstellung des V erfahrens zu begründen, 2. die Bestrafung eines Freigesprochenen oder eine wesentlich schwerere Bestrafung oder statt der Einstellung des Verfahrens eine V erurteilung des Angeklagten zu begrün­ den, 3. eine wesentlich andere Entscheidung über eine sichernde M aßregel herbeizuführen, 4. statt der Feststellung, daß eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung w ahr oder unw ahr oder daß der Beweis der W ahrheit mißlungen ist, eine wesentlich andere Fest­ stellung zu treffen. D er Angeklagte kann sich nur auf solche neuen Tatsachen oder B ew eism ittel berufen, die er in dem früheren Verfahren nicht kannte oder ohne V er­ schulden 'nicht geltend machen konnte.

109

110

§ 336 Wiederaufnahme wegen Rechts­ verletzung Das Verfahren wird auch wieder ausgenommen, wenn das Gericht auf eine Strafe oder eine sichernde Maßregel erkannt hat, auf die nach den angewendeten Strafvorschristen überhaupt nicht erkannt werden durfte. § 337 W i e d e r a u f n a h m e wegen Verletzung d e r A m t s p f l i ch t D as Versahrerr wird endlich wieder ausgenommen, wenn rechtskräftig feststeht, daß ein Richter, der bei dem Urteil mitgewirkt hat, in der Sache seine Amts­ pflicht in strafbarer Weise verletzt hat. Der rechtskräftigen Feststellung bedarf es nicht, wenn ein gerichtliches Strafverfahren aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht ein­ geleitet oder nicht durchgeführt werden kann. § 338

An t r a g D as Verfahren wird nur auf Antrag eines Ansechtungsberechtigten wieder ausgenommen. Der Antrag muß die Tatsachen, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme ergeben sollen, und die Beweismittel angeben. E r ist beim zuständigen Gericht einzureichen; dadurch wird das Verfahren bei Gericht anhängig. Der Angeklagte samt den Antrag nur tu einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Ge­ schäftsstelle des Gerichts oder des Amtsgerichts seines Wohnorts stellen. Die Wiederaufnahme ist auchdann zulässig, wenn die Strafe oder die sichernde Maßregel schon voll­ streckt ist. Auch der Verletzte samt die Wiederaufnahme be­ antragen, wenn er nach § 298 zur Anfechtung des Urteils berechtigt gewesen ist.

§ 341 E n t s c h e i d u n g ü b e r d ie Z u l a s s u t t g D as Gericht entscheidet durch Beschluß, ob der Alttrag zuzulassen oder als unzulässig zu verwerfen ist. E s verwirft den Antrag als unzulässig, wenn er den Formvorschristen nicht entspricht, wenn sich aus den aufgestellten Behauptungen nicht die gesetzliche!: Voraussetzungen einer Wiederaufnahme ergeben oder wenn keine geeigneten Beweismittel angeführt sind. Dasselbe gilt, wettn der Antrag ausschließlich aus T at­ sachen, Behauptungen oder Beweismittel gestützt wird, die schon in einem früheren Wiederaufnahmeverfahren vorgebracht worden sind. Ergibt sich aus den Tatsache::, die zur Begrün­ dung des Antrags vorgebracht worden sind, der Ver­ dacht einer S traftat, so kann das Gericht die E nt­ scheidung über die Zulassung des Antrags aussetzen, bis wegen der T at ein Verfahre:: durchgeführt ist. §342

Ermittlungen Läßt das Gericht den Antrag zu, so teilt der Vor­ sitzer ihn dem S taatsanw alt zur Erklärung mit, wenn der Angeklagte, und dem Angeklagten, wenn der Staatsanw alt den Antrag gestellt hat. E r bestimmt für die Erklärung eine Frist. Die erforderlichen Beweise hat der Vorsitzer selbst zu erheben oder von einem beauftragten oder ersuchten Richter erheben zu lassen. Zeugen und Sachverständige können nach pslichtmäßigem Ermessen vereidigt werden. I m übrigen gelten die Vorschriften über das Vor­ verfahren entsprechend. An die Stelle des S ta a ts­ anwalts tritt der Vorsitzer oder der von ihm beauf­ tragte Richter. Sind die Ermittlungen abgeschlossen, so ist dem Staatsanw alt, dem Angeklagten, seinem Verteidiger und den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Äuße­ rung zu geben und dafür eine Frist zu bestimmen. Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, so ist ihm dabei das Ergebnis der Beweiserhebung mitzuteilen, soweit er bei ihr nicht anwesend war.

§ 339 § 343

Z u st ä n d i g ke i t Zur Entscheidung ist im Falle des § 335 das Ge­ richt, dessen Feststellungen angegriffen werden, im Falle des § 336 das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, und im Falle des § 337 das Gericht zuständig, bei dessen Urteil der Schuldige als Richter mitgewirkt hat. §340 Wirkung Der Antrag hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht. Der Vorsitzer kann anordnen, daß sie auszusetzen ist.

Anordnung

der W i e d e r a u f n a h m e

Nach Ablauf der Erklärungsfrist entscheidet das Gericht durch Beschluß darüber, ob die Wiederauf­ nahme des Verfahrens anzuordnen ist. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Wieder­ aufnahme nicht oargetan, so weist das Gericht den Antrag als unbegründet zurück. Sonst ordnet es die Wiederaufnahme des Verfahrens und eine neue Hauptverhandlung an. Is t für die in Frage kommende S traftat ein anderes Gericht sachlich zuständig, so kann die neue Hauptverhandlung vor diesem Gericht angeordnet werden.

111 Der Vorsitzer hat zu entscheiden, ob die Voll­ streckung des Urteils fortzusetzen, aufzuschieben oder zu unterbrechen ist; die Entscheidung kann auch der Vorsitzer des Gerichts treffen, vor dem die Hauptver­ handlung stattfinden soll. ' F ü r das weitere Verfahren gelten die Vorschriften über das Hauptversahren entsprechend, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 344 Neue H a u p t v e r h a n d l u n g I n der Hauptverhandlung hat das Gericht neu in der Sache zü verhandeln und zu entscheiden, soweit sich aus § 346 Abs. 1 nichts anderes ergibt. Nach Beginn der Hauptverhandlung hält ein Be­ richterstatter einen Vortrag über das frühere Ver­ fahren. Der Anklagesatz, der Urteilsspruch und der Beschluß, der die Wiederaufnahme anordnet, werden verlesen. § 345 H a u p t v e r h a n d l u n g in Ab we s e n h e i t des A n g e k l a g t e n Ohne den Angeklagten kann auch dann verhandelt werden, wenn er wegen Geisteskrankheit oder aus anderen Gründen dauernd verhandlungsunfähig ist und lediglich auf Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens zu erkennen ist.

112 2. wenn das Verfahren einzustellen ist, 3. wenn es nach § 336 wiederaufgenommen wird. § 348 T od des V e r u r t e i l t e n Ist der Verurteilte gestorben, so kann das Ver­ fahren nur dann wieder ausgenommen werden, wenn es zur Freisprechung führen soll. F ür den Verstorbenen können der Ehegatte, die Verwandten gerader Linie und die Geschwister die Wiederaufnahme beantragen; hatte schon der Verur­ teilte den Antrag gestellt, so können sie das Ver­ fahren fortsetzen, wenn es zur Freisprechung führen soll. Läßt das Gericht den Antrag zu, so hat es zugleich oder nach Erhebung der Beweise ohne neue Haupt­ verhandlung durch Beschluß in der Sache zu ent­ scheiden. Es hat den Antrag zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen der Freisprechung nicht dargetan sind; sonst hat es das frühere Urteil aufzuheben und freizusprechen. § 349 Öffentliche B e k a n n t g a b e Das Gericht kann im Urteil oder Beschluß an­ ordnen, daß die zugunsten des Verurteilten erfolgte Aufhebung des früheren Urteils öffentlich bekanntzu­ geben ist. § 87 Abs. 2, 3 gilt entsprechend.

§ 346

Urt ei l D as Gericht prüft das frühere Urteil in vollem Umfange nach. Tatsächliche Feststellungen und Wer­ tungen des früheren Urteils, gegen die keine Einwen­ dungen erhoben sind, kann es seiner Entscheidung zugrunde legen. Soweit die frühere Entscheidung von dem neuen Urteil abweicht, ist sie auszuheben; soweit sie mit ihm übereinstimmt, ist sie aufrechtzuerhalten. Wird die Verurteilung aufrechterhalten oder wird aus eine andere Strafe erkannt, so ist die früher er­ kannte Strafe, soweit sie schon vollstreckt ist, im neuen Urteil anzurechnen. Wird aus eine Strafe anderer Art erkannt, so bestimmt das Gericht nach pflicht­ mäßigem Ermeffen, welcher Teil der Strafe als voll­ streckt gilt. § 347 E n t s c h e i d u n g dur ch B e s c h l u ß Ohne neue Hauptverhandlung kann durch Beschluß entschieden werden, 1. wenn die Schuldlosigkeit des Verurteilten oder der Mangel eines begründeten Ver­ dachts dargetan ist und der S taatsanw alt der Freisprechung oder der Aushebung des früheren Urteils zustimmt.

§ 350 Befristete Beschwerde Die Beschlüsse, durch die das Gericht über den Antrag entscheidet, können mit der befristeten Be­ schwerde angefochten werden. § 338 Abs. 3 gilt ent­ sprechend. Ordnet das Beschwerdegericht die Wiederaufnahme an, so kann es zugleich bestimmen, daß die neue Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat.

113 114 I m übrigen gelten für die Hilssuntersuchungsrichter die Vorschriften über den Untersuchungsrichter entsprechend.

§ 354 Verfahrensvorschriften

Fünftes Buch

Besondere Verfahrensarten Erstes Hauptstück Richterliche Voruntersuchung § 351 Voraussetzungen Gebieten außergewöhnliche Umstande die Führung des Vorverfahrens durch einen Richter, so kann der Staatsanw alt die Bestellung eines Untersuchungs­ richters beantragen. I n dem Antrag sollen die S traftat, die den Ge­ genstand der Voruntersuchung bilden soll, und, wenn schon gegen eine bestimmte Person Verdacht besteht, der Beschuldigte angegeben werden.

§ 352

Die Vorschriften über das Vorverfahren gelten für die richterliche Voruntersuchung entsprechend, so­ weit nichts anderes bestimmt ist. An die Stelle des Staatsanw alts tritt der Untersuchungsrichter. Der Untersuchungsrichter hat auch die Befugnisse, die im Vorverfahren dem Amtsrichter zustehen. E r kann einen Amtsrichter, der sich nicht an seinem Amtssitz befindet, um die Vornahme einzelner Unter­ suchungshandlungen ersuchen. über Beschwerden gegen Entscheidungen des Untersuchungsrichters entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer und, wenn für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig wäre, der Vorsitzer des S enats dieses Gerichts. Werden Maßnahmen eines Hilssuntersuchungsrichters beanstandet, so entscheidet zunächst der Unter­ suchungsrichter. Erst gegen seine Entscheidung ist die Beschwerde zulässig.

§ 355 Stellung

BestellungdesUntersuchungsrichters Den Untersuchungsrichter bestellt der Präsident des Oberlandesgerichts; wäre für die Aburteilung der T at der Volksgerichtshof zuständig, so bestellt ihn der Präsident dieses Gerichts. F ü r den F all der Verhin­ derung des Untersuchungsrichters ist zugleich ein Ver­ treter zu bestellen. Der Präsident des Volksgerichtshofs kann einen Richter dieses Gerichts, eines Oberlandesgerichts, Landgerichts oder Amtsgerichts, der Präsident des Oberlandesgerichts einen Richter seines Bezirks be­ stellen. Die Bestellung des Untersuchungsrichters und seines Vertreters ist unwiderruflich. Wird der Unter­ suchungsrichter abgelehnt, so entscheidet darüber der Präsident, der ihn bestellt hat. Nach der Bestellung des Untersuchungsrichters kann der Antrag des Staatsanw alts nicht mehr zurückgenommen werden.

§ 353 Hilssuntersuchungsrichter Zur Unterstützung des Untersuchungsrichters können Hilssuntersuchungsrichter bestellt werden, wenn die Voruntersuchung sonst wegen des Umsangs der Sache oder der Schwierigkeit der Ermittlungen verzögert werden würde. Die Bestellung kann wider­ rufen werden. Der Untersuchungsrichter hat die Untersuchungs­ handlungen, die er nicht selbst vornimmt, zu leiten. Die Hilssuntersuchungsrichter unterstehen bei der Führung der Geschäfte seinen Weisungen. 8

des

Staatsanwalts

Der Staatsanw alt kann sich jederzeit über den Stand der Voruntersuchung unterrichten, an den Untersuchungshandlungen teilnehmen und Anträge stellen. E r kann den Antrag auf Voruntersuchung aus Grund des Ergebnisses der Ermittlungen auf einen anderen Beschuldigten oder eine andere T at aus­ dehnen. Schon vor der Stellung eines solchen An­ trags hat der Untersuchungsrichter bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Untersuchungshandlungen vorzunehmen.

§ 356 Abschl uß der V o r u n t e r s u c h u n g Hält der Untersuchungsrichter das Ziel der Vor­ untersuchung für erreicht, so schließt er nach Anhörung des Staatsanw alts die Voruntersuchung. Der Beschuldigte und sein Verteidiger sind von dem Abschluß der Voruntersuchung zu benachrichtigen. Nach Abschluß der Voruntersuchung richtet sich die Befugnis des Verteidigers, die Akten einzusehen und mit dem Beschuldigten zu verkehren, nach den Vor­ schriften, die für die Zeit nach der Erhebung der An­ klage gelten.

§ 357 E r h eb un g der Anklage Hält der Staatsanw alt die Erhebung der Anklage für geboten, so reicht er bei dem Vorsitzer des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, die Anklageschrift ein. D as weitere Verfahren richtet sich dann nach den allgemeinen Vorschriften.

115 116 § 358

§ 361

Gerichtliches V e r f a h r e n

Anset zung der H a u p t v e r h a n d l u n g

Will der Staatsanw alt die Anklage nicht erheben, so stellt er bei dem Landgericht und, wenn für die Ab­ urteilung der T at der Volksgerichtshof oder das Ober­ landesgericht zuständig wäre, bei diesem Gericht den Antrag auf Einstellung des Verfahrens. Der An­ trag ist zu begründen. Der Vorsitzer des Gerichts kann zur besseren Auf­ klärung der Sache anordnen, daß die Voruntersuchung zu ergänzen sei. E r kann auch Beweise erheben und damit einen Richter seines Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. D as Gericht stellt das Verfahren ein, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen kein genügender Verdacht besteht, daß der Beschuldigte die S traftat begangen hat. Dasselbe gilt, wenn das Gericht im Einvernehmen mit dem Staatsanw alt einen der Gründe annimmt, aus denen von der Verfolgung der T at abgesehen werden kann. Andernfalls ordnet das Gericht die Hauptverhandlung an. Der Beschluß ist dem Staatsanw alt und dem Beschuldigten bekannt­ zugeben; er ist unanfechtbar. Ordnet das Gericht die Hauptverhandlung an, so sind in den Beschluß die für den Anklagesich vor­ geschriebenen Angaben aufzunehmen. Der S ta a ts­ anwalt hat dem Beschluß entsprechend eine Anklage­ schrift bei dem Vorsitzer des Gerichts einzureichen, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. Ist das Verfahren eingestellt worden, so kann die Anklage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweis­ mittel erhoben werden.

Beantragt der S taatsanw alt die Aburteilung im Schnellverfahren, so ist die Hauptverhandlung sogleich durchzuführen oder, wenn dies nicht angängig ist, mit kürzester Frist anzusetzen. Bedarf es der Ladung des Beschuldigten, so soll ihm in der Ladung mit­ geteilt werden, was ihm zur Last gelegt wird. Eine Ladungsfrist braucht nicht eingehalten zu werden. Nach der Stellung des Antrags richtet sich die Be­ fugnis des Verteidigers, die Akten einzusehen und mit dem Beschuldigten zu verkehren, nach den Vor­ schriften, die für die Zeit nach der Erhebung der An­ klage gelten. D as Verfahren darf durch die Aus­ übung dieser Befugnis nicht verzögert werden.

§ 359 Örtliche Zuständi gkeit F ür die örtliche Zuständigkeit zur Bestellung des Untersuchungsrichters und zu richterlichen Entschei­ dungen gelten die §§ 104 bis 109 entsprechend. Maß­ gebend ist der Zeitpunkt, in dem der Richter tätig wird.

§ 362 Anklage Eine Anklageschrift ist nicht nötig. Der Staatsanw alt erhebt die Anklage mündlich zu Beginn der Hauptverhandlung. Der Anklagesatz ist in die Niederschrift aufzunehmen. Der Staatsanw alt kann die Anklage bis zur Ver­ kündung eines Urteils im ersten Rechtszug zurück­ nehmen. § 363 Ü b e r g a n g in d a s orde nt l i c he Verfahren Stellt sich in der Hauptverhandlung heraus, daß die Sache sich zur Verhandlung im Schnellverfahren nicht eignet, so verweist der Vorsitzer die Sache an den S taatsanw alt zurück. Geschieht dies, so gilt die Anklage als nicht erhoben. Der Beschlich ist unanfechtbar.

Zweiter Abschnitt

Strafbefehl Zw eites Hauptstück

§ 364 Voraussetzungen

Vereinfachte V erfahren

Durch Strafbefehl kann der Amtsrichter aus schriftlichen Antrag des Staatsanw alts ohne Hauptverhandlung aus Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, Geldstrafe, Verfallerklärung, Bekanntgabe der Ver­ urteilung, Verwarnung mit Strasvorbehalt, E in­ ziehung oder Unbrauchbarmachung allein oder neben­ einander erkennen.

Erster Abschnitt

Sc h ne l l v e r f a h r e n § 360 Grundsatz Vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht kann aus Antrag des Staatsanw alts eine T at im Schnellverfahren abgeurteilt werden, wenn der Be­ schuldigte vorläufig festgenommen oder auf frischer T a t betroffen worden ist oder wenn die sofortige Ab­ urteilung der T at aus anderen Gründen angezeigt ist. 8*

§ 365 Antrag Der Staatsanw alt hat eine bestimmte Strafe oder Maßnahme zu beantragen. Beantragt er eine Ber-

117 Warnung mit Strasvorbehalt, so hat er zugleich die Strafe zu beantragen, die vorbehalten werden soll. I n dem Antrag sollen angegeben werden: 1. der Name, Rufname, Beruf, Wohnort, Ge­ burtstag und Geburtsort des Angeklagten, bei Frauen auch der Mädchenname; 2. die S traftat und ihre gesetzlichen Merkmale, O rt und Zeit der Begehung und die an­ wendbaren Strafvorschristen; die gesetz­ lichen Merkmale können durch einfache gesetzliche Begriffe ersetzt werden; 3. die Zeugen und anderen Beweismittel. Der Antrag steht der Anklage gleich. § 366 Ansetzung

der

H a up t v erh a n d l u n g

Hat der Amtsrichter Bedenken, den Strafbesehl zu erlassen, so setzt er die Hauptverhandlung an. Dies gilt namentlich, wenn er eine andere als die bean­ tragte Strafe oder Maßnahme festsetzen will und der Staatsanw alt damit nicht einverstanden ist. Bei der Ladung ist dem Angeklagten mitzuteilen, was ihm zur Last gelegt wird. § 367 Erlaß

des S t r a f b e f e h l s

Hat der Amtsrichter keine Bedenken gegen den Antrag, so erläßt er den Strafbefehl. Der Strafbefehl muß die beantragte Strafe oder Maßnahme festsetzen und den In h a lt haben, der für den Antrag vorgeschrieben ist Der Strafbefehl ist dem Angeklagten bekanntzu­ geben. Hat der Angeklagte einen gesetzlichen Ver­ treter, so soll er auch diesem mitgeteilt werden. Die öffentliche Zustellung ist unzulässig. B is zur Bekanntgabe kann der Amtsrichter den Strafbefehl zurücknehmen. § 368 Einspruch Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl binnen einer Woche nach der Bekanntgabe beim Amtsgericht Einspruch erheben. F ü r den Einspruch gelten die Vorschriften der §§ 274 bis 278 entsprechend. I m Strafbefehl ist darauf hinzuweisen, daß er vollstreckbar werde, wenn nicht binnen einer Woche nach seiner Bekanntgabe beim Amtsgericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle Einspruch erhoben wird. § 369 Ent s c h e i d u n g aus den Einspruch Is t der Einspruch nicht vorschriftsmäßig eingelegt, so verwirft ihn der Amtsrichter als unzulässig. An­ dernfalls setzt er die Hauptverhandlung an.

118 D er Beschluß, durch den der Einspruch als unzu­ lässig verworfen wird, kann mit der befristeten B e­ schwerde angefochten werden. § 370 Zurücknahme von Anklage Einspruch

und

Der Staatsanw alt kann die Anklage bis zur Ver­ kündung eines Urteils im ersten Rechtszug zurück­ nehmen, nach Beginn einer Hauptverhandlung jedoch nur mit Zustimmung des Amtsrichters und des An­ geklagten. B is zu demselben Zeitpunkt kann der Angeklagte den Einspruch zurücknehmen, nach Beginn einer Hauptverhandlung jedoch nur mit Zustimmung des Amtsrichters und des Staatsanw alts. § 371 Verfahren bei Ausbleiben Is t bei Beginn einer Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges weder der Angeklagte noch, wo dies zu­ lässig ist, ein Vertreter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so wird der Einspruch ohne Verhandlung in der Sache selbst verworfen. Hat der gesetzliche Vertreter des Angeklagten selb­ ständig Einspruch eingelegt, so gilt Abs. 1 entsprechend, wenn beim Beginn einer Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges weder der Angeklagte oder sein Verteidiger noch der Beschwerdeführer oder für ihn ein Rechtsanwalt als Vertreter erscheint. Die Vorschriften über die Wiederholung einer ver­ säumten Hauptverhandlung (§§ 331 bis 334) gelten entsprechend. § 372 Rechtskraft Der Strafbefehl erlangt die Wirkung eines rechts­ kräftigen Urteils, wenn gegen ihn kein Einspruch er­ hoben oder wenn der Einspruch zurückgenommen oder durch eine Entscheidung verworfen wird, die nicht mehr anfechtbar ist. F ü r die Wiederaufnahme eines durch rechts­ kräftigen Strafbefehl geschlossenen Verfahrens gelten die §§ 335 bis 350 entsprechend.

Drittes Hauptstück Verfahren gegen Flüchtige und Abwesende Erster Abschnitt

H a u p t v e r h a n d l u n g gege n Fl üc ht i ge § 373 Grundsatz Der S taatsanw alt kann gegen einen flüchtigen Beschuldigten die Durchführung der Hauptverhand-

119 lung beantragen, wenn das Rechtsempfinden des Volkes die alsbaldige Aburteilung der T at verlangt. Der Antrag kann auch nach der Erhebung der Anklage gestellt werden. Flüchtig im Sinne der Vorschriften dieses Ab­ schnitts ist ein Beschuldigter, der sich der deutschen Gerichtsbarkeit dadurch entzieht, daß er sich im Aus­ land aufhält oder im In la n d verbirgt. Ob das Rechtsempfinden des Volkes die als­ baldige Aburteilung der T at verlangt, hat das Gericht nicht zu prüfen. F ü r das Verfahren gelten die allgemeinen Vor­ schriften, soweit ihnen nicht die Abwesenheit des Be­ schuldigten entgegensteht oder in den folgenden Vor­ schriften etwas anderes bestimmt ist. § 374 Öffentliche L a d u n g Der Flüchtige wird zur Hauptverhandlung öffent­ lich geladen. Die Ladung soll den In h a lt haben, der im § 37 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5, 6 für die Anklageschrift vorge­ schrieben ist, und Ort und Zeit der Hauptverhandlung bezeichnen. Die öffentliche Ladung ersetzt die Zustellung der Anklageschrift. I n der Ladung ist der Flüchtige daraus hinzu­ weisen, daß die Hauptverhandlung auch bei seinem Ausbleiben stattfinden werde und daß das Urteil voll­ streckbar sei. § 375

120 § 378 Urteil Das Urteil ist als Abwesenheitsurteil zu kenn­ zeichnen und öffentlich zuzustellen. Wird das Urteil angefochten, so ist es in den Fällen der §§ 295, 310 Abs. 2 dem Verteidiger oder dem Angehörigen zuzustellen, der als Vertreter auf­ getreten ist. D as Urteil ist zu vollstrecken, soweit es möglich ist. § 379 W i e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so ist ihm das Abwesenheitsurteil erneut zuzustellen. Das Verfahren wird auf Antrag des Verurteilten wieder aufgenommen, wenn der Flüchtige sein Aus­ bleiben durch triftige Gründe rechtfertigt oder wenn sonstige Gründe vorliegen, die eine Erneuerung der Hauptverhandlung als notwendig erscheinen lassen. Der Antrag kann nur binnen einer Woche nach der Zustellung gestellt werden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt. Der Verurteilte soll über die Möglichkeit der Wiederaufnahme und die dafür vorgeschriebene Frist belehrt werden. Uber den Antrag auf Wiederaufnahme des Ver­ fahrens entscheidet das Gericht, vor dem die Haupt­ verhandlung des ersten Rechtszuges stattgefunden hat. I m übrigen gelten für die Wiederaufnahme des Ver­ fahrens die allgemeinen Vorschriften.

B e ka n n t g a b e der L adung Is t der Aufenthalt des Flüchtigen, seiner Ange­ hörigen oder anderer ihm nahestehender Personen bekannt, so soll ihnen die Ladung und die Anklage­ schrift mitgeteilt werden. Der Vorsitzer kann weitere Maßnahmen treffen, um die Ladung dem Flüchtigen zur Kenntnis zu bringen. E r kann insbesondere veranlassen, daß sie durch Rundfunk verbreitet wird. § 376 V e r t e i d i g e r und Beistände Ein Verteidiger des Angeklagten bedarf keiner Vollmacht. Auch Angehörige des Angeklagten sind ohne Vollmacht als Vertreter zuzulassen.

Zweiter Abschnitt

Ber s ahr e n gegen Abwesende, die sich der Wehrpsl i cht entzogen haben § 380

Grundsatz Is t ein Wehrpflichtiger beschuldigt, sich nach den §§ 154, 155 oder 156 des Strafgesetzbuchs strafbar gemacht zu haben, so findet eine Hauptverhandlung gegen den abwesenden Beschuldigten nach folgenden Vorschriften statt. § 381 Zuständigkeit

§ 377

V o r l ä u f i g e Ei n s t e l l u n g Ergibt die Hauptverhandlung, daß sich in Ab­ wesenheit des Angeklagten weder seine Schuld noch seine Nichtschuld feststellen läßt, so stellt das Gericht das Verfahren vorläufig ein. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage seinen letzten deutschen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Ist ein Gerichtsstand hiernach nicht begründet oder nicht ermittelt, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschuldigte geboren ist. Liegt der Geburtsort im Ausland oder ist er un­ bekannt, so gilt § 109.

121

122

§ 382

Viertes Hauptstück

E r k l ä r u n g der Überwachungs behörde

Verfahren mit besonderen Zwecken

Die Anklage wird aus Grund einer Erklärung der Behörde erhoben, die mit der militärischen Über­ wachung des Wehrpflichtigen beauftragt ist. Diese Erklärung lautet im Fall des § 154 des Strafgesetzbuchs: daß der Wehrpflichtige sich den militärischen llberwachungsmaßnahmen entzogen habe, daß sein Aufenthalt im Deutschen Reich nicht er­ mittelt worden sei und daß die Ermittlungen keine Umstände ergeben haben, die die An­ nahme ausschließen, daß der Wehrpflichtige, um sich der Erfüllung der aktiven Dienstpflicht zu entziehen, ohne Erlaubnis das Reichsgebiet verlassen habe oder nach Erreichung des wehr­ pflichtigen Alters außerhalb des Reichsgebietes verblieben sei; im Falle des § 155 des Strafgesetzbuchs: daß der Aufenthalt des Wehrpflichtigen tut Deutschen Reich nicht ermittelt worden sei, daß ihm keine Erlaubnis zum Auswandern erteilt worden sei und daß die Ermittlungen keine Umstände ergeben haben, die die Annahme ausschließen, daß er ausgewandert sei; im Falle des § 156 des Strafgesetzbuchs: daß der Aufenthalt des Wehrpflichtigen im Deutschen Reich nicht ermittelt worden sei und daß die Ermittlungen keine Umstände ergeben haben, die die Annahme ausschließen, daß er nach der öffentlichen Bekanntmachung der Anordnung des Führers und Reichskanzlers entweder das Reichsgebiet verlassen habe oder sich außerhalb des Reichsgebietes aufhalte.

Erster Abschnitt

Si c h e r u n g s v e r s a h r e n § 385 Voraussetzungen Der S taatsanw alt kann den Antrag stellen, eine mit Freiheitsentziehung verbundene sichernde M aß­ regel oder die Entmannung selbständig anzuordnen, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügende Gründe dafür sprechen, daß die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung der Maßregel vorliegen (Sicherungsverfahren). § 386 Verfahrensvorschriften F ü r das Sicherungsverfahren gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Antrag steht der Anklage gleich; er muß den Erfordernissen der Anklageschrift entsprechen. Wird die Maßregel nicht angeordnet, so ist der Antrag im Urteilsspruch abzulehnen. An die Stelle des Schwurgerichts tritt das Schöffengericht. § 387 H a u p t v e r h a n d l u n g nt A b w e s e n h e i t des Be schul di gt en

§ 384

Leidet der Beschuldigte an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit und kann deshalb in seiner Anwesenheit nicht verhandelt werden, so ist es zulässig, die Hauptverhandlung ganz oder teilweise in seiner Abwesenheit durchzuführen. Kann der Beschuldigte aus diesem Grunde in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden, so muß er vorher unter Zuziehung eines ärztlichen Sachver­ ständigen richterlich vernommen werden. § 48 Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Auch der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten ist berechtigt, an der Vernehmung teilzunehmen.

Urteil

§ 388

Sind die vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet, so ist der abwesende Angeklagte auf Grund der im § 382 bezeichneten Erklärung zu verurteilen, wenn sich nicht Umstände ergeben, die dieser Erklärung ent­ gegenstehen. Bedarf es bei einer Verhandlung gegen mehrere Angeklagte in einer Sache einer Beweisaufnahme, so ist sie abzutrennen. D as Urteil ist öffentlich zuzustellen. § 378 Abs. 2, 3 und § 379 gelten entsprechend.

Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß aus Strafe zu erkennen ist, so ist nach folgenden Vor­ schriften zu verfahren: Der Beschuldigte ist auf die veränderte Rechtslage hinzuweisen. Es ist ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Ist nach § 387 in Abwesenheit des Beschuldigten verhandelt worden, so sind diejenigen Teile der

§ 383 Hauptverhandlung F ü r die Ladung und die Verteidigung des Ange­ klagten gelten die §§ 374, 376 entsprechend. Auch die Angehörigen des Angeklagten können von den ihm zustehenden Rechtsbehelfen Gebrauch machen.

Übergang zum S t r a f v e r f a h r e n

123 Hauptverhandlung zu wiederholen, bei denen der Beschuldigte nicht zugegen war. Is t das Schöffengericht an die Stelle des Schwur­ gerichts getreten, so erklärt es sich für unzuständig und verweist die Sache an das Schwurgericht. § 389 Nachverfahren gegen im A u s l a n d Verurteilte Hat der Beschuldigte eine im Ausland erkannte Strafe verbüßt und hätte nach den deutschen Gesetzen wegen der abgeurteilten T at aus eine Ehrenstrafe oder eine sichernde Maßregel erkannt werden müssen oder können, so kann der Staatsanw alt den Antrag stellen, auf die Ehrenstrafe oder die sichernde Maßregel nach­ träglich zu erkennen. F ü r das Verfahren gilt § 386 Abs. 1, 2 ent­ sprechend. Die Befugnis des Staatsanw alts, wegen der Tat die Anklage zu erheben, bleibt unberührt. Zweiter Abschnitt

Ei nzi ehungsver sahren § 390 Zuzi ehung des E i n z i e h u n g s beteiligten Macht ein anderer als der Beschuldigte an einem Gegenstand, der eingezogen werden kann, ein Recht geltend oder ist damit zu rechnen, daß einem anderen als dem Beschuldigten ein Recht an dem Gegenstand zusteht, so soll er als Beteiligter (Einziehungsbe­ teiligter) zur Hauptverhandlung geladen werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. I n der Ladung ist der Einziehungsbeteiligte darauf hinzuweisen, daß über die Einziehung auch ihm gegenüber entschieden wird. M it der Ladung soll die Anklageschrift oder ein Auszug daraus mitgeteilt werden. Ein nichtgeladener Einziehungsbeteiligter, besten Benachrichtigung möglich ist, soll rechtzeitig aufgefor­ dert werden, sein Recht bis zur Verkündung des Urteils beim Gericht geltend zu machen. § 391 R e c h te

des

Einziehungsbeteiligten

Der Einziehungsbeteiligte hat selbständig die Rechte des Angeklagten, soweit das Verfahren die Einziehung betrifft. I n der Hauptverhandlung kann er sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lasten. Auch wenn er nicht geladen ist, kann er erscheinen und sein Recht geltend machen. Bleibt er auf ordnungsmäßige Ladung aus, so wird ohne ihn verhandelt. Einziehungsbeteiligten, die zur Hauptverhandlung geladen waren oder bis zur Verkündung des Urteils

124 ihr Recht beim Gericht geltend machen, ist das Urteil zuzustellen, wenn sie bei der Verkündung nicht zugegen und auch nicht vertreten gewesen sind. § 392 Rechtsbehelfe Die Frist für die Anfechtung des Urteils beginnt für Einziehungsbeteiligte, denen das Urteil zuzustellen ist, mit der Zustellung, für andere Einziehungs­ beteiligte mit der Verkündung. Hat der Einziehungsbeteiligte ohne eigenes Ver­ schulden die Hauptverhandlung versäumt und ist er in ihr auch nicht vertreten worden, so kann er ihre Wiederholung verlangen, soweit das Verfahren die Einziehung betrifft. § 393 B e t e i l i g u n g i in S t r a f b e f e h l s verfahren

.

Wird die Einziehung durch Strafbefehl ausge­ sprochen, so soll er auch dem Einziehungsbeteiligten bekanntgegeben werden. § 390 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend. Die Frist zur Erhebung des Einspruchs beginnt für den Einziehungsbeteiligten, dem der Strafbefehl nicht bekanntgegeben wird, mit der Bekanntgabe des Strafbefehls an den Beschuldigten. § 394 B e t e i l i g u n g im Ho c h v e r r a t s - und Landesverratsverfahren Würde die Teilnahme eines Einziehungsbe­ teiligten an einem Verfahren wegen Hochverrats, Landesverrats oder volksfeindlicher Handlungen von Ausländern dem Wohle des Reichs Nachteile bereiten, so kann der Vorsitzer anordnen, daß der Einziehungs­ beteiligte zur Hauptverhandlung nicht zu laden ist und darin nicht anwesend sein darf. Geschieht dies, so ist der Einziehungsbeteiligte rechtzeitig aufzufordern, sein Recht schriftlich geltend zu machen. Seine Erklärungen sind in der Hauptver­ handlung zu verlesen. § 395 Selbständiges Einziehungs verfahren Der Staatsanw alt kann den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügende Gründe dafür sprechen, daß die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung der Einziehung vorliegen. F ü r das selbständige Einziehungsverfahren gelten sinngemäß die Vorschriften über das Sicherungsver­ fahren, soweit sich aus dem Zweck der Einziehung oder aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Uber den Antrag des Staatsanw alts wird nach mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden,

125 wenn der Vorsitzer es für angemessen hält. Sonst entscheidet das Gericht durch Beschluß. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Örtlich zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk sich der einzuziehende Gegenstand zur Zeit der Stellung des Antrags befindet. Die Rechtsstellung der Einziehungsbeteiligten richtet sich nach den §§ 390 bis 394. § 396 Anwendungsbereich I m Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts stehen der Einziehung die Versallerklärung und die Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes sowie der Ausspruch gleich, daß neben dem Beschuldigten ein anderer für Geldstrafe und Kosten haftet. D ritter Abschnitt

Fes t f t e l l ungs ve r f ahr e n § 397 Voraussetzungen Sieht der S taatsanw alt davon ab, wegen einer Ehrenkränkung^) die Anklage zu erheben, weil die T at wegen Verfolgung berechtigter Zwecke (§ 435 des Strafgesetzbuchs) oder wegen Schuldunfähigkeit (§§ 22, 24 des Strafgesetzbuchs) nicht strafbar ist, oder ist das Strafverfahren wegen der T at nicht durchführbar, so kann er gegen den Beschuldigten die selbständige Feststellung beantragen, daß die ehren­ rührige oder herabsetzende Behauptung unwahr ist. D as Festsiellungsverfahren ist unzulässig, wenn der Wahrheitsbeweis unzulässig ist, wenn die Tat wegen Zeitablauss nicht mehr verfolgt werden darf oder wenn sie nur aus Anordnung verfolgt werden darf und die Anordnung nicht erteilt wird. § 398 Antra g Der Staatsanw alt soll den Antrag nur stellen, wenn es vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus geboten ist, die Unwahrheit der Behauptung im ge­ richtlichen Verfahren festzustellen. Zuvor sind der betroffene und bei Beschimpfung eines Verstorbenen seine nächsten Angehörigen zu hören. § 399 Versahrensvorschristen F ür das Verfahren gelten sinngemäß die Vor­ schriften über das Sicherungsverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist. Bleibt der Beschuldigte trotz ordnungsmäßiger Ladung in der Verhandlung aus, so kann ohne ihn 27) Vgl. Anm. 9 zu § 85.

126 verhandelt werden, wenn er auf die Zulässigkeit dieses Verfahrens in der Ladung hingewiesen worden ist. D as Verfahren ist zulässig, auch wenn der Beschuldigte öffentlich geladen worden ist. Der Beschuldigte kann sich in der Verhandlung durch einen Verteidiger vertreten lassen, wenn nicht der Vorsitzer sein persönliches Erscheinen angeordnet hat. Jrn Urteilsspruch sind die nach § 85 gebotenen Feststellungen zu treffen. Die Untersuchungshaft, Maßnahmen zur Abwen­ dung der Flucht und die Anstaltsbeobachtung sind unzulässig. § 400 V e r h ä l t n i s zum S t r a f v e r f a h r e n Ergibt sich erst nach Erhebung der Anklage, daß das Strasversahren undurchführbar ist, das Fest­ stellungsverfahren aber zulässig wäre, so kann der Staatsanw alt beantragen, die Feststellung in dem an­ hängigen Verfahren selbständig zu treffen. Ergibt sich im Feststellungsversahren, daß aus Strafe zu erkennen ist, so ist aus Antrag des S ta a ts­ anwalts zum Strasversahren überzugehen. Vierter Abschnitt

Ent schädi gung des Verl etzten §40 1

Grunds at z Hat der Verletzte nach den Vorschriften des bür­ gerlichen Rechts wegen der S traftat einen Anspruch gegen den Angeklagten, so kann er beantragen, daß der Angeklagte im Strafverfahren zu der geschuldeten Leistung verurteilt wird?») Der gesetzliche Vertreter stellt den Antrag für den Vertretenen. Is t eine Ehefrau verletzt, so kann der Ehemann den Antrag stellen, wenn er zur Geltend­ machung des Anspruchs befugt ist. Ein Anspruch, der die für die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Streitigkeiten über vermögensrecht­ liche Ansprüche festgesetzte Wertgrenze übersteigt, kann nur geltend gemacht werden, wenn er auf Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes gerichtet ist. Der Anspruch kann nicht im Strafverfahren gel­ tend gemacht werden, wenn ein Rechtsstreit darüber anderweit rechtshängig ist. § 402 Antrag Der Antrag kann bis zur Beendigung der Beweis­ aufnahme in der Hauptverhandlung des ersten Rechts28) Bei der Beratung des Einführungsgesetzes wird zu prüfen sein, ob die Anwendung der Vorschriften dieses Ab­ schnitts in Jugendsachen durch eine Vorschrift , im Jugend­ gerichtsgesetz ausgeschlossen werden soll.

127 zuges, in der Hauptverhandlung aber nur, wenn der Angeklagte anwesend ist, gestellt und geändert werden. Außerhalb der Hauptverhandlung geschieht dies schrift­ lich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle; Ab­ schriften werden dem Angeklagten zugestellt und dem Staatsanw alt mitgeteilt. Der Antragsteller soll die Leistung, die er von dem Angeklagten verlangt, genau bezeichnen und die T at­ sachen und Beweismittel angeben, aus die er seinen Anspruch stützt. Die Zustellung des schriftlichen Antrags an den Angeklagten und die mündliche Stellung des Antrags in der Hauptverhandlung haben die gleichen Wirkun­ gen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit?») Der Antrag kann bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszuge und, wenn Berufung ein­ gelegt ist, bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurückgenommen werden.

128 Der Beschluß kann schon vor der Hauptverhand­ lung erlasten werden. E r ist unanfechtbar. §406 E n t s c h e i d u n g ü b e r den Anspruch Is t der Anspruch bei der Urteilssällung zur E nt­ scheidung reif, so wird über ihn im Urteil entschieden. Aus mehr, als verlangt ist, darf nicht erkannt werden. Die Entscheidung über den Anspruch ist in den Urteilsspruch aufzunehmen und in den Urteilsgründen zu rechtfertigen. I m Eingang des Urteils sind auch der Name, Ruf­ name, Beruf und Wohnort des Berechtigten anzu­ geben, bei Frauen auch der Mädchenname. Eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder ein Auszug daraus ist dem Antragsteller mitzuteilen. §407

§403

R e c h t s mi t t e l

Mitteilungen

Der Antragsteller kann gegen das Urteil fein Rechtsmittel einlegen. Der Angeklagte kann sich darauf beschränken, die Entscheidung über den Anspruch anzufechten. Ist dies geschehen, so kann das Berufungs- oder das Rechts­ rügegericht ohne Hauptverhandlung nach Anhörung des Antragstellers und des Angeklagten über das Rechtsmittel durch Beschluß entscheiden. Der Beschluß ist dem Antragsteller und dem Angeklagten zuzustellen. E r ist unanfechtbar.

Wer zur Stellung des Antrags berechtigt ist, kann verlangen, daß ihm die Erhebung der Anklage und Ort und Zeit der Hauptverhandlung bekanntgegeben werden. Stellt er den Antrag vor der Hauptverhandlung, so ist er zu ihr zu laden. § 404 Behandlung

des A n t r a g s

§ 408

über den Antrag wird nach den für das Strafver­ fahren geltenden Vorschriften verhandelt und entschie­ den, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Antragsteller darf nur seinen bürgerlichrecht­ lichen Anspruch geltend machen. Der Antragsteller kann im Beistand eines Rechts­ anwalts erscheinen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lasten. Seine Anwesenheit in der Hauptver­ handlung ist nicht erforderlich, über die Zulassung anderer Personen als Beistand oder als Bevollmäch­ tigter entscheidet der Vorsitzer.

Soweit der Anspruch zuerkannt ist, wirkt die rechtskräftige Entscheidung zwischen dem Verletzten und dem Angeklagten wie ein in einem bürgerlichen Rechtsstreit ergangenes Endurteil. § 325 der Zivil­ prozeßordnung gilt entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er im bürgerlichen Rechtsstreit geltend gemacht werden.

§ 405

Vollstreckung

Zurückweisung

des

Antrags

Is t der Antrag nicht zulästig oder ist der Antrag­ steller nicht befugt, den Anspruch geltend zu machen, so weist der Vorsitzer den Antrag zurück. Der Vorsitzer lehnt die Entscheidung über den Antrag ab, wenn er sich nicht zur Erledigung im Strafverfahren eignet, insbesondere wenn die Ver­ handlung und Entscheidung über den Antrag das Strafverfahren erheblich verzögern würde.

verfahren seine Verjährung unterbricht.

Re c ht s kr a f t

§409

Die Entscheidung über den Anspruch ist nach den Vorschriften über Urteile in bürgerlichen Rechtsstreitig­ keiten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. F ür die Vollstreckung der Entscheidung gelten die Vorschriften des achten Buches der Zivilprozeßordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend. I n den Fällen der §§ 731, 767, 768 der Zivil­ prozeßordnung ist die Klage bei dem für den Sitz des Strafgerichts zuständigen Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zu erheben. Einwendungen, die den An­ spruch selbst betreffen, sind insoweit zulästig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, in einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sie im Strafverfahren nicht mehr geltend gemacht werden konnten.

129 130

W i e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s Der Antragsteller kann nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Der Angeklagte kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter Beschränkung aus die Entscheidung über den Anspruch beantragen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet ge­ wesen wären, eine wesentlich andere Entscheidung über den Anspruch herbeizuführen. § 335 Abs. 2 und die §§ 338 bis 344, 346 und 350 gelten entsprechend.

Sechstes Buch

Kosten § 411 Kost enl ast

des

Verurteilten

Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen, soweit sie durch die Verfolgung einer T at ent­ standen sind, wegen deren er zu einer S trafe oder einer sichernden Maßregel verurteilt wird. § 412 Mehrere Verurteilte Mehrere Angeklagte, die wegen derselben T at zu einer Strafe oder einer sichernden Maßregel verurteilt werden, haften für die Auslagen als Gesamtschuldner. Dies gilt nicht für Auslagen, die durch die Unter­ suchungshaft oder die Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Maßregel entstehen. §413

Abs e he n von S t r a f e Wird von Strafe abgesehen oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen, so trägt der An­ geklagte die Kosten wie ein Verurteilter. §414 Fr e i s pr uc h und E i n s t e l l u n g des Verfahrens Wird der Angeklagte freigesprochen oder wird das Verfahren eingestellt, so fallen die Kosten des Ver­ fahrens der Reichskaffe zur Last, wenn nicht neben dem Freispruch die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt oder seine Entmannung angeordnet wird. Der Reichskaffe können auch die notwendigen Aus­ lagen des Angeklagten und seines gesetzlichen Ver­ treters auferlegt werden. Dem Angeklagten sind Auslagen aufzuerlegen, die er durch Säum nis verschuldet hat. §415 Kostenlast des A n z e i g e r s Hat jemand das Verfahren durch eine Anzeige veranlaßt, die er wider besseres Wiffen oder leicht­ fertig erstattet hat, so können ihm die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten und seines gesetzlichen Vertreters auferlegt werden.

131 132 Rechtsbehelse des S t a a t s a n w a l t s Nimmt der Staatsanw alt einen Rechtsbehelf zu­ rück oder hat er damit keinen Erfolg, so fallen die Kosten des Rechtsbehelss der Reichskasse zur Last. Dasselbe gilt, wenn ein Rechtsbehels Erfolg hat, den der Staatsanw alt zugunsten eines Beteiligten ge­ braucht hat. D er Reichskaffe können auch die notwendigen Aus­ lagen des Beschuldigten, seines gesetzlichen Vertreters oder eines anderen Beteiligten auferlegt werden. §417

unwahr oder der Beweis der Wahrheit mißlungen ist, so kann das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen die Kosten des Verfahrens dem Beschuldigten oder der Reichskaffe auferlegen oder sie angemessen verteilen. Wird die Wahrheit der Behauptung festgestellt, so fallen die Kosten des Verfahrens der Reichskaffe zur Last. Legt der Verletzte gegen die Feststellung, daß die Behauptung wahr ist, im Feststellungsverfahren ein Rechtsmittel ein und hat er damit Erfolg, so können seine notwendigen Auslagen dem Beschuldigten oder der Reichskasse auferlegt werden. Dies gilt im S tra f­ verfahren entsprechend. §421

Re c h t s b e h e l f e der B e t e i l i g t e n Nimmt ein Beteiligter einen Rechtsbehelf zurück oder hat er damit keinen Erfolg, so hat er die Kosten des Rechtsbehelss zu tragen. Wird das Verfahren gegen einen Flüchtigen oder einen abwesenden Wehrpflichtigen nach den §§ 379, 384 wiederaufgenommen, so können in der neuen E nt­ scheidung dem Angeklagten die Kosten der früheren Hauptverhandlung auch dann auferlegt werden, wenn er nicht wieder verurteilt wird. § 418

V e r t e i l u n g der Kosten Hat ein Rechtsbehelf nur teilweise Erfolg, so kann das Gericht die Kosten des Verfahrens und die not­ wendigen Auslagen der Beteiligten angemessen ver­ teilen. Haben mehrere Ansechtungsberechtigte erfolglos einen Rechtsbehelf gebraucht, so kann das Gericht die Auslagen der Reichskasse angemessen auf sie verteilen.

Entschädigung

des

Verletzten

Die durch den Antrag des Verletzten entstandenen Kosten und seine notwendigen Auslagen sind dem An­ geklagten aufzuerlegen, wenn dem Verletzten der An­ spruch zuerkannt wird. Wird der Antrag zurückgewiesen oder der Anspruch aberkannt, so hat der Verletzte die durch den Antrag entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. Wird dem Antrag nur zum Teil entsprochen oder die Entscheidung über den Antrag abgelehnt, so kann das Gericht die durch den Antrag entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten nach pflichtmäßigem Ermeffen einem von ihnen auferlegen oder angemessen verteilen. Dasselbe gilt, wenn der Antrag zurückgenommen wird oder sich ohne E n t­ scheidung erledigt. Die Kosten können auch der Reichs­ kaffe auferlegt werden. § 422

§419

Härteausgleich

Einziehungsbeteiligte

Das Gericht kann über die Kosten und die not­ wendigen Auslagen der Beteiligten abweichend von den §§ 411 bis 421 nach pflichtmäßigem Ermeffen entscheiden, wenn es zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist.

Wird einem Antrag auf Einziehung stattgegeben, so können einem Einziehungsbeteiligten die durch seine Beteiligung entstandenen besonderen Kosten auf­ erlegt werden. Die dem Beteiligten erwachsenen notwendigen Auslagen können, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Reichskasse und, wenn ihm stattgegeben wird, dem Angeklagten auferlegt werden. Wird aus Einziehung selbständig erkannt, so fallen die Kosten des Verfahrens der Reichskaffe zur Last, soweit im Abs. 1 nichts anderes bestimmt ist. Diese Vorschriften gelten entsprechend, wenn aus Bersallerklärung oder Unbrauchbarmachung erkannt oder ausgesprochen wird, daß neben dem Beschuldig­ ten ein anderer für Geldstrafe und Kosten hastet. §420 Fes t s t e l l ung bei E h r e n k r ä n k u n g Wird im Feststellungsverfahren ausgesprochen, daß die ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung 9*

§423

Umf a n g der Kosten Kosten im Sinne dieses Abschnitts sind die für die Reichskasse zu erhebenden Gebühren und Auslagen. Zu den Kosten des Verfahrens gehören die Kosten des Vorverfahrens, des Hauptverfahrens und der Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden M aß­ regel. Kosten des Verfahrens sind auch die Kosten, die in den Fällen der §§ 87, 349 durch die öffentliche Bekanntgabe der Entscheidung entstehen. Notwendige Auslagen eines Beteiligten umfassen außer den notwendigen baren Auslagen auch die E n t­ schädigung für die notwendige Zeitversäumnis; die Vorschriften über die Entschädigung von Zeugen gel­ ten entsprechend. Hat der Ersatzberechtigte einen

133

134

Rechtsanwalt zugezogen, so gehören zu seinen not­ wendigen Auslagen auch die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 der Zivil­ prozeßordnung zu erstatten sind.

Die Entscheidung des Vorsitzers kann mit der be­ fristeten Beschwerde angefochten werden, wenn die Beschwerdesumme den Betrag von fünfzig Reichsmark übersteigt.

§ 424

§428

Entscheidung

über

bte

Kos t en

I m Urteil, im Strafbefehl und in jeder anderen richterlichen Entscheidung, die ein Verfahren ab­ schließt, muß darüber entschieden werden, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Dasselbe gilt für Entscheidungen des Richters oder des S ta a ts­ anwalts, die auf einen Rechtsbehels ergehen. Im Urteil ist die Entscheidung in den Urteilsspruch auf­ zunehmen. Is t im Vorverfahren eine Entscheidung nach h 415 zu treffen, so entscheidet der Staatsanw alt.

V e r t e i l u n g nach B r u c h t e i l e n S ind die Kosten nach Bruchteilen verteilt und be­ antragt ein Betroffener, seine Kosten festzusetzen, so fordert der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die an­ deren Betroffenen auf, binnen einer Woche die Be­ rechnung ihrer Kosten einzureichen. Versäumt einer von ihnen die Frist, so bleiben seine Kosten bei der Festsetzung unberücksichtigt. E r kann den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend machen; entstehen dadurch Mehrkosten, so fallen sie ihm zur Last. §429

§ 425

Fest setzung im V o r v e r f a h r e n

Festsetzung der A u s l a g e n

Die Vorschriften der §§ 426 bis 428 gelten ent­ sprechend, wenn der Staatsanw alt über die Erstattung der Auslagen entschieden hat (§ 424 Abs. 2). An die Stelle des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts tritt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des S taatsanw alts, an die Stelle des Vorsitzers der Staatsanw alt.

F ü r die Festsetzung der Auslagen, die einem Be­ teiligten zu erstatten sind, gelten die Vorschriften der §§ 426 bis 429. Der Festsetzungsbeschluß wird nach den Vorschrif­ ten der Zivilprozeßordnung vollstreckt. §426 Festsetzungsgesuch D as Gesuch um Festsetzung wird bei dem Urkunds­ beamten der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht, das im ersten Rechtszug entschieden hat. Beizufügen sind die Kostenrechnung, die Belege für die einzelnen Ansätze und, wenn sich der Anivruch nicht gegen die Reichskaffe richtet, eine Abschrift der Kostenrechnung. Richtet sich der Anspruch gegen die Reichskaffe, so hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle das Ge­ such zunächst dem Staatsanw alt zur Erklärung vor­ zulegen. §427 Festsetzungsbeschluß Uber das Gesuch entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. Hält er eine von der Erklärung des S taatsanw alts abweichende Festsetzung für geboten, so entscheidet der Vorsitzer des Gerichts. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt es, wenn er glaubhaft gemacht ist. Der Beschluß ist den Beteiligten bekanntzugeben. Richtet sich der Anspruch nicht gegen die Reichskaffe, so wird dem Schuldner auch eine Abschrift der Kosten­ rechnung mitgeteilt. Gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten können die Beteiligten binnen einer Woche nach der Bekanntaabe die Entscheidung des Vorsitzers beantragen. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Festsetzung vor seiner Entscheidung nicht vollstreckt werden darf.

Entwurf einer

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung

Inhaltsverzeichnis Erster Abschnitt:

Boraussetzun-en des friedeasrichterkchen Verfahrens . . .

§§ 1— 3

Z w eiter Abschnitt: SühneversnchdurchdenSchiedsm a n n .......................................

88 4—13

D ritter Abschnitt: Verfahren vor dem Friedens­ richter ............................................. 88 14—31 V ierter Abschnitt: K osten .......................................

88 3 2 -3 3

F ün fter Abschnitt: Friedensrichter nad Schledsm a n u .......................................

88 34—42

139

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung Erster Abschnitt

Vor aus s et zungen des s r i e de ns richt erli chen Ve r f a h r e n s

§i Z u l ä s s i g k e i t des V e r f a h r e n s Der Friedensrichter ist berufen, nach den Vor­ schriften dieses Gesetzes zu schlichten, wenn der Friede durch eine leichte Körperverletzung, eine fahrlässige Körperverletzung, eine Ehrabschneidung, eine Beleidi­ gung, eine Beschimpfung Verstorbener, einen Haus­ friedensbruch, eine Verletzung des Briefgeheimnisses oder eine Sachbeschädigung gestört ist und die Ahn­ dung der T at mit den M itteln des Strafrechts nicht geboten erscheint. Ziel des sriedensrichterlichen Ver­ fahrens ist die Wiederherstellung des Friedens. Der Friedensrichter wird nur tätig, wenn der Verletzte ihn anruft.

§2

B e t e i l i g u n g des gesetzl i chen Vertreters Hat der Verletzte einen gesetzlichen Vertreter, so ruft dieser für ihn den Friedensrichter an. Wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und gesetzlich ver­ treten wird, nur weil er minderjährig ist, kann mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters den Frie­ densrichter selbst anrufen.

§3

Tod des Ve r l e t z t e n S tirb t der Verletzte, so können seine nächsten An­ gehörigen den Schiedsmann und den Friedensrichter anrufen oder das Verfahren fortführen. Als nächste Angehörige gelten Eltern, Kinder, Ehegatten und Geschwister. Wollen Angehörige ein anhängiges Verfahren fortführen, so haben sie das binnen einem M onat nach dem Tode des Verletzten dem Schiedsmann oder dem Friedensrichter anzuzeigen.

140 wenn der Verletzte und sein Gegner in demselben Ge­ meinde- oder Schiedsmannsbezirk oder in benach­ barten Bezirken wohnen. Benachbart sind Bezirke mit gemeinsamer Grenze und solche Bezirke, die die Justiz­ verwaltung bestimmt. Der Friedensrichter kann den Sühneversuch er­ lassen, wenn ein Beteiligter für längere Zeit ver­ hindert ist, vor dem Schiedsmann zu erscheinen.

§5 Örtliche Zuständigkeit Schieds m a n n s

des

Zuständig ist der Schiedsmann, in bessert Bezirk der Antragsgegner wohnt. Zuständig ist auch der Schiedsmann, in bessert Bezirk der Antragsteller wohnt, wenn die T at in seinem Bezirk begangen ist. Ein unzuständiger Schiedsmann wird durch Ver­ einbarung der Beteiligten zuständig; er kann in diesem Falle ablehnen, sein Amt auszuüben.

§6 Ans et zen d e r S ü h n e v e r h a n d l u n g Der Schiedsmann setzt die Sühneverhandlung an, wenn die Voraussetzungen des § 1 gegeben sind. Der Antragsteller soll schriftlich oder mündlich die T at nach Art, Zeit und O rt sowie den Antragsgegner nach Namen, S tand und Wohnung bezeichnen. Über den mündlichen Antrag ist eine Niederschrift aufzu­ nehmen. Der Antrag kann jederzeit zurückgenommen werden.

§7 Ladungen Die Ladungen sollen die Beschuldigung wieder­ geben, Zeit und O rt der Sühneverhandlung bezeichnen und auf die Folgen des Ausbleibens Hinweisen. S ie sind den Beteiligten in zuverlässiger Weise mitzu­ teilen. Steht der Antragsgegner unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft, so ist der gesetzliche Vertreter zu benachrichtigen, wenn es nicht aus besonderen Gründen untunlich ist. Dasselbe gilt von dem Ehe­ mann einer Beteiligten.

§8 Persönliches Erscheinen

Zweiter Abschnitt

Sühnever s uch durch den Sc hi eds ma nn §4 S ü h n e v ersuch Der Anrufung des Friedensrichters muß ein Sühneversuch durch den Schiedsmann vorangehen,

Die Beteiligten haben in der Sühneverhandlung persönlich zu erscheinen. Is t ein Beteiligter durch Krankheit oder aus einem anderen Grunde für längere Zeit verhindert, so kann ihm der Schiedsmann ge­ statten, sich vertreten zu lassen. Beistände kann der Schiedsmann zurückweisen. Dies gilt nicht für den gesetzlichen Vertreter und für den Ehemann eines Beteiligten.

141 142 §9 Ausbleiben

i n d e r S ü h n e v e r h a nd lung

Bleibt ein Beteiligter trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Entschuldigung aus oder ent­ fernt er sich vorzeitig, so kann der Schiedsmann gegen ihn eine Ordnungsstrafe von einer bis zu dreißig Reichsmark festsetzen. Die Ordnungsstrafe ist aufzuheben, wenn der Aus­ gebliebene sich nachträglich genügend entschuldigt.

geschlossener Vergleich hinfällig wird, weil eine Ver­ pflichtung binnen einer bestimmten Frist nicht erfüllt worden ist. Is t der Antragsteller selbst in der Verhandlung ausgeblieben oder hat er sich vor Schluß der Verhand­ lung entfernt, so darf ihm ein Zeugnis nicht erteilt werden.

D ritter Abschnitt

Ve r f a h r e n vor dem Fr i e d e n s r i c h t e r §10 §14

SühneVerhandlung Die Sühneverhandlung ist nicht öffentlich. Der Schiedsmann hat den Sachverhalt nach Mög­ lichkeit aufzuklären und aus eine Aussöhnung der Be­ teiligten hinzuwirken. E r kann vermögensrechtliche Streitigkeiten, die mit der Sache zusammenhängen, in die Verhandlung einbeziehen. D er Schiedsmann kann Zeugen und Sachver­ ständige, die freiwillig vor ihm erscheinen, uneidlich vernehmen und einen Augenschein einnehmen. Ergibt sich, daß das sriedensrichterliche Verfahren nicht zulässig ist (§ 1), so verweist der Schiedsmann den Antragsteller an den Staatsanw alt. § n Niederschrift Über das Ergebnis der Sühneverhandlung ist eine Niederschrift aufzunehmen. Ein Vergleich, den die Beteiligten schließen, ist in der Niederschrift festzustellen.

der A n r u f u n g

§ 15

Fr i s t f ü r d i e A n r u f u n g des Friedensrichters

§12 Vol l s t r eckung a u s

Form

Der Antrag an den Friedensrichter ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu erklären. Dabei sollen angegeben werden: 1. Name, Rufname, Berus, Wohnort und Wohnung des Antragsgegners, des Ver­ letzten und des gesetzlichen Vertreters, wenn dieser für den Verletzten handelt; 2. die T at, die dem Antragsgegner zur Last gelegt wird, und O rt und Zeit ihrer Begehung; 3. die Zeugen und anderen Beweismittel. Ist ein Sühneversuch notwendig, so ist das Zeugnis des Schiedsmanns beizufügen. Abschriften des Antrags für den Staatsanw alt und den Antragsgegner sollen beigelegt werden.

V e r g l e i c h en

Aus Vergleichen, die vor dem Schiedsmann ge­ schlossen werden, findet die gerichtliche Zwangsvoll­ streckung statt. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden gelten entsprechend. Die Vollstreckungsklausel erteilt das Amtsgericht, das für den Bezirk des Schiedsmanns zuständig ist.

Der Friedensrichter kann nur binnen drei Monaten seit dem Tage angerufen werden, an dem der Verletzte; sein gesetzlicher Vertreter oder ein zum Antrag berechtigter Angehöriger von der Tat und dem Täter Kenntnis erlangt hat. Zur Wahrung der Frist genügt die Anrufung des Schiedsmanns. Hat der Antragsteller innerhalb dieser Frist die T at bei dem Staatsanw alt angezeigt und der S ta a ts­ anwalt ihn an den Friedensrichter verwiesen, so läuft die Frist nicht früher als einen M onat nach dem Empfang des Bescheides ab.

§13 Scheitern

des

Sühneversuchs

Scheitert der Sühneversuch, so hat der Schieds­ mann hierüber dem Antragsteller aus Verlangen ein Zeugnis auszustellen. Als gescheitert gilt der Sühneversuch auch dann, wenn der Antragsgegner ohne genügende Entschuldi­ gung ausgeblieben ist oder sich vorzeitig aus der Ver­ handlung entfernt hat. Der Sühneversuch gilt ferner als gescheitert, wenn ein von den Beteiligten bedingt

§16 V e r f o l g u n g durch d e n S t a a t s a n w a l t Der Staatsanw alt wirkt im sriedensrichterlichen Verfahren nicht mit, ist aber nicht gehindert, jederzeit die T at strafrechtlich zu verfolgen. Eine Abschrift des Antrags wird ihm mitgeteilt, wenn der Friedensrichter es für angezeigt hält. Der S taatsanw alt kann jederzeit verlangen, daß der Friedensrichter ihm die Akten zur Einsicht überläßt.

143 144 §17 Vorprüfung

durch d e n F r i e d e n s ­ richter

Ist die Frist zur Anrufung des Friedensrichters versäumt oder liegt kein Fall des § 1 vor, so stellt der Friedensrichter das Verfahren ein. E r legt die Akten dem Staatsanw alt vor, wenn der Verdacht einer anderen T at besteht. Findet der Friedensrichter, daß die Ahndung einer in § 1 genannten T at mit den M itteln des S traf­ rechts geboten ist, so führt er eine Entscheidung des Staatsanw alts darüber herbei, ob dieser die Tat ver­ folgen will. Lehnt der Staatsanw alt die Verfolgung ab, so schlichtet der Friedensrichter nach diesem Gesetz. §18 V o r b e r e i t u n g der mündl i chen Verhandlung Der Friedensrichter teilt eine Abschrift des An­ trags dem Antragsgegner zur Äußerung binnen einer bestimmten Frist mit und stellt ihm frei, Beweismittel anzugeben, die zur Aufklärung des Sachverhalts dienen können. E r kann die Beteiligten hören und andere Ermittlungen anstellen. Der Friedensrichter setzt die Verhandlung an und bestimmt, welche Zeugen und Sachverständigen ge­ laden und welche anderen Beweismittel herbeigeschafft werden sollen. Die Geschäftsstelle lädt die Beteiligten und die Zeugen und weist dabei auf die Folgen des Aus­ bleibens hin. §19 Mündliche V e r h a n d l u n g Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Die Beteiligten können einen Beistand haben. Sie dürfen sich nur dann durch einen Bevollmächtigten vertreten lasten, wenn der Friedensrichter es aus einem wichtigen Grunde erlaubt. Der Friedensrichter leitet die Verhandlung, ver­ nimmt die Beteiligten und bestimmt den Umfang der Beweisaufnahme. E r kann alle Taten der im § 1 bezeichneten Art, die ein Beteiligter gegen den anderen begangen hat, und die vermögensrechtlichen Streitig­ keiten, die damit im Zusammenhang stehen, in die Verhandlung einbeziehen. Zeugen und Sachverständige werden vereidigt, wenn es notwendig ist, um eine wahre Aussage her­ beizuführen. Am Schluß der Verhandlung ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem Ergebnis der Ver­ handlung zu äußern.

§ 20 Ausbleiben

der B e t e i l i g t e n

Erscheint in der Verhandlung trotz ordnungs­ mäßiger Ladung weder der Verletzte noch, wenn dies

zulästig ist, ein Vertreter und ist das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so kann der Friedensrichter das Verfahren einstellen. Wird das Ausbleiben genügend entschuldigt, so setzt er eine neue Verhandlung an. Bleibt der Antragsgegner aus, so kann ohne ihn verhandelt werden.

§21 Erzwingung

des Er s c h e i n e n s der

Beteiligten Der Friedensrichter kann Ordnungsstrafen bis zum Betrage von dreißig Reichsmark androhen und verhängen, um die Beteiligten zum Erscheinen zu zwingen. Is t eine Ordnungsstrafe nicht beizu­ treiben, so kann sie in Ordnungshast bis zu drei Tagen umgewandelt werden. Der Antragsgegner kann auch vorgeführt werden. Gegen die Festsetzung einer Ordnungsstrafe und die Anordnung der Vorführung ist die befristete Be­ schwerde zulästig. Uber sie entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer.

§22 U n g e h o r s a m von Z e u g e n und Sachverständigen Bleibt ein ordnungsmäßig geladener Zeuge oder Sachverständiger aus, ohne sich genügend zu entschul­ digen, oder verweigert er ohne gesetzlichen Grund die Aussage oder den Eid, so kann der Friedensrichter ihm eine Ordnungsstrafe bis zum Betrage von dreißig Reichsmark und die Kosten auferlegen, die durch sein Ausbleiben oder seine Weigerung verursacht sind. Is t die Ordnungsstrafe nicht beizutreiben, so kann sie in eine Ordnungshaft bis zu drei Tagen umgewandelt werden; dies gilt nicht für Sachverständige. Ein ausgebliebener Zeuge kann auch vorgeführt werden. § 21 Abs. 3 gilt entsprechend. §23 Zurücknahme des A n t r a g s Nach Beginn der Verhandlung kann der Antrag­ steller den Antrag nur noch mit Zustimmung des Antragsgegners zurücknehmen. §24 Erweiterte

Schlichtun g.sbefugnis

I n der mündlichen Verhandlung gilt § 17 ent­ sprechend. Ergibt sich jedoch, daß weder ein Fall des § 1 noch eine strafbare Handlung vorliegt, so kann der Friedensrichter das Verfahren gleichwohl fortführen, wenn ein Bedürfnis zur Schlichtung besteht.

145 §25 A u s s ö h n u n g der B e t e i l i g t e n Der Friedensrichter hat auf die Aussöhnung der Beteiligten hinzuwirken und hierbei darauf Bedacht zu nehmen, daß auch die vermögensrechtlichen S trei­ tigkeiten ausgeglichen werden, die mit der T at zu­ sammenhängen. Schließen die Beteiligten einen Vergleich, so ist er in die Niederschrift aufzunehmen. Aus dem Ver­ gleich findet die Zwangsvollstreckung nach den Vor­ schriften der Zivilprozeßordnung statt.

146 int Friedensspruch festzustellen. Läßt sich weder die Wahrheit noch die Unwahrheit der Behauptung er­ weisen, so ist auszusprechen, daß der Beweis der Wahrheit mißlungen ist. Die Feststellungen dürfen nicht getroffen werden, wenn der Wahrheitsbeweis unzulässig ist. I m Falle des § 428 Abs. 4 des Strafgesetzbuchs kann der Frie­ densrichter nach pflichtmäßigem Ermessen die Fest­ stellung, daß die Behauptung unwahr oder daß der Beweis der Wahrheit mißlungen ist, in den Friedens­ spruch aufnehmen.

§28 §26 Friedensspruch Kommt es nicht zu einer Aussöhnung, so hat der Friedensrichter den Friedensspruch zu fällen. Der Friedensspruch kann sich gegen jeden der Be­ teiligten richten und auf Verwarnung, Auferlegung besonderer Pflichten oder aus Friedensbuße in Geld allein oder in Verbindung miteinander lauten. Der Friedensrichter kann auch aussprechen, daß von be­ sonderen Maßnahmen abzusehen ist. Die Friedensbuße darf sieben Tagesbußen nicht übersteigen; für sie gelten die §§ 48 bis 50 des S traf­ gesetzbuchs entsprechend. Eine Friedensbuße kann auch für den F all aus­ gesprochen werden, daß ein Beteiligter eine ihm auf­ erlegte Pflicht nicht innerhalb der bestimmten Frist erfüllt. Um die Erfüllung zu erzwingen, kann ange­ ordnet werden, daß ein Geldbetrag zu hinterlegen ist. Abs. 3 gilt entsprechend. D er Friedensrichter kann auch die mit der Tat zusammenhängenden vermögensrechtlichen Streitig­ keiten entscheiden, wenn der W ert des Streitgegen­ standes die Grenze nicht übersteigt, bis zu der nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung gegen das Urteil des Amtsrichters eine Berufung nicht statt­ findet.*) Der Friedensspruch hat insoweit die Wir­ kungen eines rechtskräftigen Zivilurteils und kann wie ein solches vollstreckt werden. Der Friedensrichter kann anordnen, daß der Friedensspruch ganz oder teilweise öffentlich bekannt­ gemacht wird. E r bestimmt, in welcher Form dies geschehen soll, und entscheidet über die Kosten.

V e r k ü n d u n g un d schr i f t l i che N i e d e r ­ l egung des F r i e d e n s s p r u c h s Der Friedensspruch ist durch Verlesen zu ver­ künden. Dabei sind die wesentlichen Gründe bekannt­ zugeben. Der Friedensspruch ist schriftlich abzufassen und von dem Friedensrichter zu unterschreiben. Er soll enthalten: 1. die Namen der Beteiligten, ihren Ruf­ namen, Beruf, Geburtstag und Geburtsort, 2. den Namen des Friedensrichters, 3. den Tag des Friedensspruchs, 4. die Entscheidung in der Sache und über die Kosten, 5. den Sachverhalt und die Gründe in gedrängter Kürze.

§29 Wiederaufnahme Gegen den Friedensspruch gibt es kein Rechts­ mittel. Die Wiederaufnahme eines durch Einstellung oder durch einen Friedensspruch geschloffenen Verfahrens ist nur zuläffig, wenn sich wichtige neue Umstände er­ geben, die der Entscheidung des Friedensrichters die Grundlage entziehen. Der Staatsanw alt ist durch den Friedensspruch nicht gehindert, die T at zu verfolgen. Das Gericht, vor dem er anklagt, kann den Friedensspruch aufheben oder abändern.

§27 S o n d e r v o r s c h r i s t e n f ür bie F ä l l e der Ehrabschneidung Wird in einem Verfahren wegen Ehrabschneidung die Wahrheit oder die Unwahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung erwiesen, so ist dies *) Es bedarf noch der Prüfung, ob solche vermögensrecht­ lichen Streitigkeiten, die zwar mit der DN zusammenhängen, aber nicht die bürgerlichrechtlichen Folgen der Tat betreffen, vor dem Friedensrichter nur durch Vergleich der Beteiligten beigelegt oder vom Friedensrichter nur im Einverständnis mit den Beteiligten entschieden werden können.

§3 0 E n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g der allgemeinen Vorschriften Soweit sich aus den vorstehenden Vorschriften und dem Zweck des sriedensrichterlichen Verfahrens nichts anderes ergibt, gelten die Vorschriften der Strafversahrensordnung und des Gerichtsversaffungsgesetzes entsprechend. Für eine Beleidigung oder Ehrabschneidung, die durch den In h a lt einer im In la n d erschienenen Druck­ schrift begangen worden ist, ist auch der Friedens-

147 richter zuständig, in besten Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn in diesem Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist. Unter mehreren zuständigen Friedensrichtern hat der Verletzte die Wahl. Untersuchungshaft und andere Beschränkungen der persönlichen Freiheit sind unzulästig; § 21 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 bleiben unberührt. §31 Vollstreckung des F r i e d e n s s p r u c h s Die Vollstreckung der Friedensbuße und der Orb* nungshast richtet sich nach den Vorschriften des S tra f­ vollstreckungsgesetzes. I m Falle des § 26 Abs. 4 ent­ scheidet der Friedensrichter durch Beschluß darüber, ob die Voraussetzungen für die Verhängung der Friedensbuße eingetreten sind.

148 Fünfter Abschnitt

Fr i e de ns r i c ht e r und Schi e ds mann §34 A m t des

Friedensrichters

Friedensrichter ist der Amtsrichter. Der Reichs­ minister der Justiz kann auch andere Personen, die die Fähigkeit zum Richteramt oder zum höheren Vertvaltmtgsdienst haben, aus die Dauer von drei Jahren für einen Amtsgerichtsbezirk oder für einen Teil des Amtsgerichtsbezirks zum Friedensrichter bestellen. Die näheren Bestimmungen über die Bestellung eines Friedensrichters, der nicht zugleich Amtsrichter ist, trifft der Reichsminister der Justiz. Die Dienstaussicht über den Friedensrichter führt der Landgerichtspräsident. §35

Vierter Abschnitt

A m t des S c h i e d s m a n n s

Kosten

Das Amt des Schiedsmanns ist ein Ehrenantt. Der Schiedsmann wird vont Präsidenten des Landgerichts für zwei Jahre bestellt; Wiederbestellung ist zulästig. Der Schiedsmann bleibt auch über den Ablauf der Zeit hinaus, für die er bestellt worden ist, im Amt, bis ein neuer Schiedsmann das Amt über­ nimmt. Bor der Bestellung sind der Bürgermeister der Gemeinde und, wenn der Schiedsmannsbezirk aus mehreren Gemeinden besteht, die untere Verwaltungs­ behörde mit ihren Vorschlägen zu hören. Die Vor­ schläge sind dem Beauftragten der Nationalsoziali­ stischen Deutschen Arbeiterpartei zur Stellungnahme vorzulegen, die Vorschläge der Gemeinde auch der unteren Verwaltungsbehörde. § 23 der Deutschen Gemeindeordnung gilt ent­ sprechend. §36

§32 K o s te n d e s S c h i e d s m a n n s v e r f a h r e t t s Die Gebühren und Auslagen im Verfahren vor dem Schiedsmann schuldet, -wer sie durch seinen An­ trag veranlaßt hat. Soweit ein anderer durch Erklä­ rung gegenüber dem Schiedsmann Kosten übernimmt, hastet auch er. Der Schiedsmann samt seine Tätigkeit davon ab­ hängig machen, daß vorher die Gebühren und voraus­ sichtlichen Auslagen bezahlt werden. D as Zeugnis über die Erfolglosigkeit des Sühneversltchs soll einem Antragsteller erst erteilt werden, wenn er die Gebühren und Auslagen, die ihn treffen, entrichtet hat. Der Schiedsmann kann die Gebühren ganz oder teilweise erlasten, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Zahlungspflichtige ohne seine Schuld nicht zahlen kann. §33 Kos t e n des f r i e d e n s r i c h t e r l i c h e n Verfahrens Uber die Kosten des friedensrichterlichen Ver­ fahrens entscheidet der Friedensrichter nach freiem Ertnesten. Haben sich die Beteiligten versöhnt, so kann er anordnen, daß eine Gebühr außer Ansatz bleibt. Der Friedensrichter kann Auslagen, die einem Beteiligten entstanden sind, dem Gegner auferlegen. E r kann auch einem Beteiligten für einen Vermögens­ aussall, der durch Teilnahme an einer Verhandlung entstanden ist, eine Entschädigung auf Kosten des Gegners zubilligen. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Armenrecht gelten entsprechend.

V o r a u s s e t z n n g e n f ür d a s Amt des Schiedsmanns Der Schiedsmann soll ein M ann von Charakter und unbeirrbarem Gerechtigkeitssinn sein, der sich durch Lebenserfahrung und Menschenkenntnis aus­ zeichnet und nach seiner Persönlichkeit geeignet ist, Streitigkeiten zu schlichten. E r muß mindestens dreißig Jahre alt sein. §

37

Amt s b e z i r k F ü r jede Gemeinde ist ein Schiedsmann zu be­ stellen, für jeden Schiedsmann ein Stellvertreter. Kleinere Gemeinden können zu einem Schieds­ mannsbezirk vereinigt, größere in mehrere Bezirke geteilt werden. Die Abgrenzung der Bezirke bestimmt der Land­ gerichtspräsident oder die von ihm beauftragte Stelle im Benehmen mit den beteiligten Gemeindebehörden.

§38 D i e n staufsicht Die Dienstaussicht über den Schiedsmann führt der aussichtsührende Amtsrichter. Der Präsident des Landgerichts kann einen Schiedsmann seines Amtes entheben, wenn Umstande eintreten oder bekannt werden, die seine Bestellung verhindert haben würden, oder wenn andere triftige Gründe vorliegen. I n dringenden Fällen kann der aussichtsührende Amtsrichter den Schiedsmann seines Amtes vorläufig entheben. Vor der Entscheidung ist der Schiedsmann zu hören; die Entscheidung ist unanfechtbar.

§39 Vereidigung Bevor der Schiedsmann sein Amt antritt, hat er vor dem aufsichtsührenden Amtsrichter folgenden Eid zu leisten: „Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schiedsmanns getreulich zu erfüllen und bei der Ausübung meines Amts Wahrer des Rechts und der Gerech­ tigkeit zu sein, so wahr mir Gott helfe." I m übrigen gelten die Vorschriften für die Ver­ eidigung eines Schössen entsprechend. Wird der Schiedsmann nach Ablauf seiner Amtszeit wieder be­ stellt, so genügt eine Verweisung aus den bereits ge­ leisteten Eid.

§40 Ausschließung und A b l e h n u n g Die Bestimmungen der Strafverfahrensordnung über die Ausschließung und Ablehnung eines Richters gelten für den Schiedsmann entsprechend. Die Ent­ scheidung trifft der aussichtsührende Amtsrichter. Die Ablehnung ist in der Sühneverhandlung nur bis zum Beginn der Verhandlung zur Sache zulässig. § 41

Kos t en de s

Schieds m a n n s a m t s

Die Kosten des Schiedsmannsamts trägt die Gemeinde. Der Schiedsmann erhält eine angemessene Auf­ wandsentschädigung.

§42 A u s s ü h r u n g s - und U b e r g a n g s ­ vorschriften Die Ausführungs- und Übergangsvorschriften er­ läßt der Reichsminister der Justiz, und zwar, soweit es sich um Angelegenheiten der Gemeinden handelt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern.

Entwurf eines

Gerichtsverfaffungsgefetzes mit Ausnahme der die Zivilrechtspflege betreffenden Vorschriften

Gerichtsverfassungsgesetz mit A usnahm e der die Zivilrechtspflege betreffenden Vorschriften

Inhaltsverzeichnis Erste» Buch. Die Unabhängigkeit der Gerichte §§ i— 5 Zweites Buch. Die Organe der Rechtspflege. . §§

6. 7. 8. 9. 10.

Unterabschnitt: Ehrenamtliche Richter des Volksgerichtshofs . . 88 7 9 - 82

Drittes Hauptstück.

6-103

Die Staatsanwaltschaft . . . .

SS 83— 90

v iertes Hauptstück

Erstes Hauptstück.

1. 2. 3. 4. 5.

3.

Die Gerichte

§§

Abschnitt: Die Amtsgerichte . . Abschnitt: Die Schöffengerichte . . Abschnitt: Die Landgerichte . . . Abschnitt: Die Schwurgerichte . . Abschnitt: Die Kammern für Han­ delssachen ........................................ Abschnitt: Die Oberlandesgerichte. Abschnitt: Der Volksgerichtshof. . Abschnitt: Das Reichsgericht . . . Abschnitt: Gliederung der Gerichte Abschnitt: Dienstaufsicht über die Gerichte............................................

§§ 6— 10 §§ 11— 12 88 13— 21 §§ 22— 25

6 -5 2

Andere Organe der Rechts­ pflege ..........................................SS 9 1 - 98 1. Abschnitt: Die Geschäftsstellen . . 88 9 1 - 95 2. Abschnitt: Vollstreckung»- und Zu­ stellungsbeamte ................................. 88 96— 98 Fünftes Hauptstück.

Die Justizverwaltung ............... 88 99—103 §§ 26— 30 §§ 31— 34 88 35 - 39 SS 40— 48 88 4 9 - 52

Zweites Hauptstück.

Die R ic h te r............................. 88 5 3 - 82 j 1. Abschnitt: Die Berufsrichter . . . 88 53— 58 j 2. Abschnitt: Ehrenamtliche Richter . 88 5 9 - 82 j 1. Unterabschnitt: Die Schöffen . . 88 5 9 - 74 1 2. Unterabschnitt: Die Geschworenen §8 75— 78

Drittes Buch. Gemeinsame Vorschriften für alle Arten der Rechtspflege SS 104-142 1. Abschnitt: Befreiung von der deut­ schen Gerichtsbarkeit...................... 88 2. Abschnitt: Gerichtssprache . . . . 88 3. Abschnitt: Öffentlichkeit der Ver­ handlung ............................................ 88 4. Abschnitt: Ordnungsgewalt . . . §8 5 Abschnitt. Beratung und Entschetd u n g ................................................ 88 6. Abschnitt: Rechts- und Amtshtlfe. 88

104—106 107—114 115-127 128—133 134-138 139-142

155 156

Gerichtsverfassungsgefetz (mit Ausnahme der die Zivilrechtspslege betreffenden Vorschriften)

Zweites Buch

Die Organe der Rechtspflege Erstes Hauptstück

Erstes Buch

Die Unabhängigkeit der Gerichte

Die Gerichte Erster Abschnitt

Di e Amt sgeri cht e § i*)

Grunds at z

§6

Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige Richter ausgeübt.

Besetzung der A m t sg e r i ch t e

Die Richter sind bei der Ausübung der richterlichen Ge­ walt nur an Recht und Gesetz gebunden und ihrem Gewissen unterworfen.

§ 2 Nachprüfung

richterlicher

Die Amtsgerichte werden mit einem oder mehreren Amts­ richtern und, soweit erforderlich, mit einem Präsidenten und mit Direktoren besetzt. Das Amtsgericht entscheidet, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, durch den Amtsrichter als Einzelrichter.

Entscheidungen

Die sachliche Nachprüfung richterlicher Entscheidungen ist den Gerichten vorbehalten, die dem erkennenden Gericht im Rechtszuge übergeordnet sind; die Dienstaufsicht erstreckt sich nur auf Pflichtwidrigkeiten.

§ 7 Abteilungen Bei den mit mehreren Amtsrichtern besetzten Amts­ gerichten werden Abteilungen gebildet. Jeder Amtsrichter kann mehreren Abteilungen angehören.

§ 3

Umf a n g der ri cht erl i chen Ge wa l t

§8

Die richterliche Gewalt umfaßt nicht die Tätigkeit der Gerichte als Justizverwaltungs- und Vollstreckungsbehörde.

Geschästsverteilung

§ 4

Die Geschäftsverteilung regelt der Präsident des Amts­ gerichts. Hat das Amtsgericht keinen Präsidenten, so obliegt die Geschäftsverteilung dem Präsidenten des Landgerichts.

De r gesetzl i che Ri cht er Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

Dieser kann jeden Richter seines Bezirks zum Beisitzer des Schöffengerichts bestimmen.

§9

§ 5 Geschäftsverteilung Soweit nichts anderes bestimmt ist, regelt der Präsident des Gerichts die Geschästsverteilung für die Dauer eines Geschäftsjahres. Der Reichsminister der Justiz kann Grundsätze für die Berteilung der Geschäfte aufstellen. Bon der Geschäftsverteilung darf nur abgewichen werden, wenn es wegen Überlastung, Wechsels oder dauernder Be­ hinderung eines Richters erforderlich wird. Bei Gefahr im Verzüge hat ein Richter auch solche Amts­ handlungen vorzunehmen, die nach der Geschästsverteilung von einem anderen Richter vorzunehmen sind. *) A n m e r k u n g : Die Vorschriften in Kleindruck find von der Strafprozeßkommissiou nicht beraten. Vgl. Einführung E. 14.

Zweigstellen

und

Gerichtstage

Der Reichsminister der Justiz kann anordnen, daß außer­ halb des Sitzes eines Amtsgerichts Zweigstellen errichtet oder Gerichtstage abgehalten werden. §

10-)

Gemeinsames

Amtsgericht

Der Reichsminister der Justiz kann durch allgemeine Anordnung einem Amtsgericht amtsrichterliche Geschäfte aus dem Bezirk mehrerer Amtsgerichte ganz oder zum Teil zu­ weisen. Geschieht dies, so erstreckt sich im Rahmen der Zu­ weisung der Bezirk des beauftragten Amtsgerichts auf die Bezirke der übrigen Amtsgerichte. i) Bgl. hierzu die Sinnt. 6 zu § 40.

157 Zweiter Abschnitt

D i e Sc hö f f e ng e r i c ht e

Bildung

§ 11 der Schöffengerichte

Für den Bezirk eines oder mehrerer Amtsgerichte werden Schöffengerichte gebildet. Der Reichsminister der Justiz bestimmt die Bezirke der Schöffengerichte und die Amtsgerichte, bei denen Schöffengerichte gebildet werden. § 12

Besetzung

der

158 Der Beirat besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzer, den Direktoren und den beiden dem Dienstaller nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Richtern. Sind bei einem Landgericht bei Beginn des Geschäfts­ jahres mehr als sechs Direktoren angestellt, so besteht der Beirat aus dem Präsidenten, seinem ständigen Vertreter (§ 17), fünf weiteren Direktoren und zwei Mitgliedern. Die Direktoren werden von der Gesamtheit der Direktoren, die Mitglieder von der Gesamtheit der Richter des Landgerichts für die Dauer des Geschäftsjahres gewählt; bei der Wahl sollen Richter der Zivilkammern und der Strafkammern be­ rücksichtigt werden. Ist für den Präsidenten mehr als ein ständiger Vertreter bestellt, so gehören die beiden dienstältesten Vertreter dem Beirat an. Bei Änderungen der Geschäftsverteilung im Laufe des Geschäftsjahres kann der Präsident in dringenden Fällen von der Anhörung des Beirats absehen.

Schöffengerichte

Die Schöffengerichte sind in der Hauptverhandlung mit einem Amtsrichter als Vorsitzer und zwei Schössen besetzt. Der Vorsitzer muß planmäßig angestellt und soll tunlichst Direktor sein. Zur Hauptverhandlung werden zwei weitere Amtsrichter als Beisitzer zugezogen, wenn der S ta a ts­ anwalt es bis zum Beginn der Hauptverhandlung beantragt. Der Staatsanw alt soll den Antrag nur stellen, wenn der Umfang oder die Bedeutung der Sache es erfordert?) Außerhalb der Hauptverhandlung werden die E nt­ scheidungen des Schöffengerichts vom Vorsitzer er­ lassen. D ritter Abschnitt

D i e Landge r i c ht e §13 Beset zung der La ndge r i c ht e Die Landgerichte werden mit einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Direktoren und Richtern besetzt. Von der Ernennung eines Direktors kann abgesehen werden, wenn der Präsident' den Vorsitz in den Kammern allein führen kann. § 14

Ka mme r n Bei den Landgerichten werden Straskaminern und Zivilkammern gebildet, deren Zahl der Präsident des Landgerichts bestimmt. Jeder Richter kann mehreren Kammern angehören. Den Vorsitz in den Kammern führen der Präsident und die Direktoren. Innerhalb der Kammer verteilt der Vorsitzer die Geschäfte. § 15

Be i r at Vor der Verteilung der Geschäfte hat der Präsident des Landgerichts seinen Beirat zu hören. 2) I n den Richtlinien wird vorzusehen sein, datz der Staatsanwalt den Antrag stets stellen soll, wenn zu erwarten ist, daß das Gericht auf Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren, Vermögenseinziehung, Sicherungsverwahrung oder Entmannung erkennen wird.

§ 16 Behandlung

a n h ä n g i g e r Sachen

Der Präsident des Landgerichts kann bestimmen, daß in einzelnen Sachen, in denen während des Geschäftsjahres eine Verhandlung bereits stattgefunden hat, die Kammer in ihrer früheren Zusammensetzung auch nach Ablauf des Geschäfts­ jahres zu verhandeln und zu entscheiden hat.

§17 V e r t r e t e r des P r ä s i d e n t e n Der Reichsminister der Justiz kann zum ständiger! Ver­ treter des Präsidenten des Landgerichts einen oder mehrere Direktoren und, wenn kein Direktor ernannt ist, einen Richter des Landgerichts bestellen. Er kann für die Vertretung Grund­ sätze aufstellen. Ist kein ständiger Vertreter bestellt worden oder ist er ver­ hindert, so vertritt den Präsidenten der dienstälteste und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach älteste Direktor. Ist kein Direktor ernannt worden, so vertritt ihn der dienstälteste und bei gleichem Dienstalter der der Geburt nach älteste Richter des Landgerichts. Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten nicht für die Geschäfte, die dem Präsidenten als Vorsitzer einer Kammer obliegen.

Vertreter

§ 18 de r Vo r s i t z e r

u nd d e r Ri c h t e r

Vertreter des Vorsitzers kann nur ein ständiger Richter des Landgerichts sein. Ist ein Vertreter für den Vorsitzer nicht bestellt worden, so führt der dienstälteste, bei gleichem Dienst­ alter der der Geburt nach älteste Richter der Kammer den Vorsitz. Ist ein Vertreter für einen Richter des Landgerichts nicht bestellt worden oder ist der Vertreter verhindert, so bestimmt der Präsident des Landgerichts für die Zeit der Verhinderung den Vertreter aus den Richtern seines Bezirks. §

19

Besetzung der S t r a f k a m m e r n I n der Hauptverhandlung ist die Strafkammer mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt (Schöffenkammer). Entscheidet die Strafkammer als Gericht des ersten Rechtszuges, so ist sie in der Hauptverhandlung mit fünf Berilfsrichtern besetzt (Sonderkammer). Außerhalb der Hauptverhandlung entscheidet die Strafkammer in der Besetzung von. drei Berufs­ richtern.

159 §20 Abgetrennte Strafkammer Der Reichsminister der Justiz kann anordnen, daß wegen großer Ausdehnung des Landgerichtsbezirkes oder wegen des Umfangs der Geschäfte bei einem Amts­ gericht für den Bezirk eines oder mehrerer Amts­ gerichte eine Strafkammer gebildet und ihr für diesen Bezirk die Tätigkeit der Strafkammer des Land­ gerichts ganz oder zum Teil zugewiesen wird. Die auswärtige Strafkammer, wird mit Richtern des Landgerichts besetzt oder mit Amtsrichtern des Bezirks, für den sie gebildet wird. § 21»)

Gemeinsames

Landgericht

Der Reichsminister der Justiz kann durch allgemeine An­ ordnung einem Landgericht landgerichtliche Geschäfte aus dem Bezirk mehrerer Landgerichte ganz oder zum Teil zu­ weisen. Geschieht dies, so erstreckt sich im Rahmen der Zu­ weisung der Bezirk des beauftragten Landgerichts auf die Bezirke der übrigen Landgerichte.'

160 Wird im Laufe des Geschäftsjahres eine Schwur­ gerichtstagung erforderlich, für die Berussrichter nicht ernannt worden sind, so können sie nachträglich ernannt werden. Ebenso können nachträglich Ver­ treter ernannt werden, wenn eine Vertretung erfor­ derlich wird und die regelmäßigen Vertreter behindert sind. § 254)

Gemeins ames Schwurgericht Der Reichsminister der Justiz kann anordnen, daß die Bezirke mehrerer Landgerichte zu einem Schwur­ gerichtsbezirk vereinigt und die Sitzungen des Schwurgerichts bei einem der Landgerichte abgehalten werden. Geschieht dies, so nimmt das Landgericht, bei dem die Sitzungen des Schwurgerichts abgehalten werden, und sein Präsident die ihnen in den Vor­ schriften über das Schwurgericht und die Geschworenen zugewiesenen Geschäfte für den Umfang des Schwur­ gerichtsbezirks wahr. Fünfter Abschnitt

Vierter Abschnitt

Di e Ka mme r n f ür Ha nde l s s a c he n

Di e Sc hwur ge r i c ht e §

Bildung

von

22

Schwurgerichten

Bei den Landgerichten werde,: nach Bedarf Schwurgerichte gebildet. Der Präsident des Landgerichts bestimmt, wann die Tagung des Schwurgerichts beginnt; er kann den Beginn für das Geschäftsjahr im voraus festlegen. § 23 Beset zung

der

Schwurgerichte

I n der Hauptverhandlung ist das Schwurgericht mit drei Berufsrichtern und sechs Geschworenen besetzt. Während der Tagung entscheiden außerhalb der Hauptverhandlung die Berufsrichter. Außerhalb der Tagung entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. § 24

DieBerufsrichterdesSchwurgerichts Bor Beginn des Geschäftsjahres werden für jede Tagung des Schwurgerichts aus den Richtern des Oberlandesgerichts und den im Bezirk des Ober­ landesgerichts planmäßig angestellten Richtern die Vorsitzer des Schwurgerichts und aus den Richtern des Landgerichts und den im Bezirk des Landgerichts angestellten Richtern die Vertreter der Vorsitzer, die Beisitzer und ihre Vertreter bestellt. Der Präsident des Oberlandesgerichts ernennt die Vorsitzer, der P r ä ­ sident des Landgerichts die Vertreter- der Vorsitzer, die Beisitzer und deren Stellvertreter. 3) Vgl. die Anm. 6 zu tz 40.

Sechster Abschnitt

Di e Ob e r l a n d e s g e r i c h t e §26 B e s e t z u n g d e r O b e r l a n d e s g e r i ch t e Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von Senatspräsidenten und Richtern besetzt. Der Vizepräsident ist der ständige Vertreter des Präsidenten des Oberlandesgerichts.

§ 27

Senate Bei den Oberlandesgerichten werden Strafsenate und Zivilsenate gebildet, deren Zahl der Präsident des

Oberlandesgerichts bestimmt. § 28 B e s e t z u n g der S e n a t e

I n der Hauptverhandlung sind die Senate mit fünf Richtern besetzt. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden die Senate in der Besetzung von drei Richtern. § 29b) Ge m e i n s a m es O b e r l a n d e s g e r i c h t Der Reichsminister der Justiz kann durch allgemeine An­ ordnung einem Oberlandesgericht oberlandesgerichtliche Ge­ schäfte aus dem Bezirk mehrerer Oberlandesgerichte ganz oder zum Teil zuweisen. Geschieht dies, so erstreckt sich im Rahmen der Zuweisung der Bezirk des beauftragten Oberlandes­ gerichts aus die Bezirke der übrigen Oberlandesgerichte. 4) Vgl. die Anm. 6 zu tz 40. 5) Vgl. die Anm. 6 zu 8 40.

161

162

§30

§ 37

Entsprechende A n w e n d u n g von Vorschri ft en f ür die L a ndge r i cht e Die Vorschriften der §§ 14 Abs. 2 bis 4, 15 bis 18 gellen für die Oberlandesgerichte entsprechend. Mitglied des Beirats ist auch der Vizepräsident des Ober­ landesgerichts.

Bes et zung der S e n a t e Die Strafsenate und die Zivilsenate des Reichs­ gerichts entscheiden in der Besetzung von fünf Richtern. § 38

Siebenter Abschnitt

Ent s pr echende A n w e n d u n g von V o r ­ s c hr i f t en ü b e r di e L a n d g e r i c h t e

Der Vol ks ger i cht s hof § 31 B e s e t z u n g d e s B o l k s g e r i ch t s h o s s Der Volksgerichtshof wird mit einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Senatspräsidenten und Räten als hauptamtlichen Richtern und mit ehren­ amtlichen Richtern besetzt.

Der § 14 Abs. 2 bis 4, § 15 Abs. 1, 4 und die §§ 16, 17, 18 Abs. 1 gelten für das Reichsgericht entsprechend. Der Beirat des Reichsgerichts besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzer, dem Vizepräsidenten, den Senatspräsidenten und den vier dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Räten. § 39

§ 32 Senate Beim Volksgerichtshof werden Senate gebildet, deren Zahl der Reichsminister der Justiz bestimmt. § 33 Besetzung der S e n a t e I n der Hauptverhandlung sind die Senate mit fünf Richtern besetzt. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden die Senate in der Besetzung von drei Richtern. Der Vorsitzer und ein weiteres Mitglied müssen hauptamtliche Richter sein. § 34 Entsprechende Anwendung von V o r ­ schr i ft en ü b e r die L a n d g e r i c h t e Der § 14 Abs. 2 bis 4, § 15 Abs. 1, 4 und die §§ 16, 17, 18 Abs. 1 gelten für den Volksgerichtshof entsprechend. Der Beirat des Volksgerichtshofs besteht aus dem Präsidenten als Vorsitzer, den Senatspräsidenten und den beiden dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienstalter der Geburt nach ältesten Räten. Achter Abschnitt

Da s Rei chsgericht § 35 Bes et zung

des

Gr o ße S e n a t e Beim Reichsgericht werden für die in den §§. 328, 329 der Strasversahrensordnung und den §§ der Zivilprozeßordnung bestimmten Aufgaben ein Großer Senat für Strafsachen mtb ein Großer Senat für Zivil­ sachen gebildet. Jeder Große Senat besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und sieben Mitgliedern. Die Mitglieder, ihre Vertreter und der Vertreter des Vizepräsidenten werden vom Reichsminister der Justiz aus den Senatspräsidenten und Räten jeweils für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. Die vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und sämtlichen Mitgliedern der Großen Senate. Den Vorsitz in den Großen Senaten und in den vereinigten Großen Senaten führt der Präsident des Reichsgerichts. Ih n vertritt bei seiner Verhinderung der Vizepräsident und, falls auch dieser verhindert ist, sein Vertreter. I n den Fällen des § 328 der Strafversahrensordnung und des § der Zivilprozeßordnung können der Präsident des erkennenden Senats, in den Fallen des § 329 der Strasversahrensordnung und des § der Zivilprozeßordnung die Präsidenten der beteiligten Senate an den Sitzungen des Großen Senats oder der vereinigten Großen Senate mit den Befugnissen eines Mitglieds teilnehmen oder ein Mitglied ihres S enats in die Sitzungen entsenden.

Re i c hs ger i cht s

Das Reichsgericht wird mit einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von Senats­ präsidenten und Räten besetzt. Der Vizepräsident ist der ständige Vertreter des Präsidenten des Reichsgerichts.

Neunter Abschnitt

Gl i e de r ung der Gerichte § 40

§ 36

Senate

Zahl,

Bei dem Reichsgericht werden Strafsenate und Zivilsenate gebildet, deren Zahl der Reichsminister der Justiz bestimmt. 11

Si t z

und Bezi r ke

der

Ge r i c h t e

Die Errichtung und die Aufhebung eines Gerichts und die Verlegung eines Gerichtssitzes wird -durch Reichsgesetz angeordnet.

163 164 Änderungen in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke ver­ ordnet der Reichsminister der Justiz.«)

§ 41 Änderung

von

Gemeindegrenzen

Gemeinden und gemeindefreie Grundstücke (Gutsbezirke), die mit ihrem ganzen Gebiet einheitlich einem Amtsgericht zugeteilt sind, gehören dem Bezirk dieses Gerichts mit ihrem leweiligen Gebietsumfang an. Werden Gemeinden oder gemeindefreie Grundstücke (Guts­ bezirke) neu gebildet, so bestimmt der Reichsminister der Justiz, zu welchem Gerichtsbezirk ihr Gebiet gehört.

§ 42 Anderungder

Gr e n z e n von Ge r i c ht s ­ bezirken

Ist die Grenze eines Gerichtsbezirks nach dem Bezirk eines anderen Gerichts bestimmt, so umfaßt sie den Bezirk in seiner jeweiligen Ausdehnung.

§ 43 E i n f l u ß d e r Ä n d e r u n g von Ge r i c h t s b e z i r k e n u n d d e r A u f h e b u n g v o n G e r i c h t e n a u f a nhängige Verfahren Bei der Änderung von Gerichtsbczirken und der Auf­ hebung von Gerichten gelten für die Erledigung von S traf­ sachen und bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einschließlich des Konkurses und des Vergleichsverfahrens die Vorschriften der §§ 44 bis 46, 47 Abs. 1.

§ 44 Änderung

von Ger i cht sbezi r ken

Wird der Bezirk eines Gerichts geändert, so wird dadurch die Zuständigkeit des Gerichts für die bei ihm anhängigen Sachen nicht berührt. Das Gericht bleibt auch weiterhin für die Angelegenheiten zuständig, bei denen sich die Zuständigkeit nach einem bei ihm anhängigen oder anhängig gewesenen Verfahren bestimmt. § 45 Aufhebung

von Ge r i c h t e n

Wird der gesamte Bezirk eines aufgehobenen Gerichts dem Bezirk eines änderen Gerichts zugelegt, so tritt dieses Gericht an die Stelle des aufgehobenen Gerichts. Wird der Bezirk eines aufgehobenen Gerichts auf die Be­ zirke mehrerer Gerichte aufgeteilt, so bestimmt der Reichs­ minister der Justiz durch allgemeine Anordnung, welches Gericht oder welche Gerichte die anhängigen Sachen zu erledigen haben und für die im § 44 Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten zuständig sind. Ist eine solche Anordnung nicht getroffen, so geht die Zuständigkeit auf das Gericht über, beffen Bezirk der Sitz des aufgehobenen Gerichts zugeteilt ist.

Is t im Zeitpunkt der Aufhebung eines Gerichts die Hauptverhandlung in einer Strafsache noch nicht beendet, so kann sie vor dem nach dem Abs. 1, 2 zu­ ständigen Gericht fortgesetzt werden, wenn dieselben Richter weiterhin an ihr teilnehmen. § 46 Re c ht s mi r t el ge r i cht Wird ein Gericht einem anderen übergeordneten Gericht unterstellt, so ist für die Entscheidung über Rechtsmittel, die sich gegen eine vor dem Inkrafttreten der Änderung erlassene Entscheidung richten, das Gericht zuständig, das dem erkennenden Gericht vor dem Inkrafttreten der Änderung übergeordnet war. F ür die Entscheidung über Rechtsmittel, die sich gegen die Entscheidung eines aufgehobenen Gerichts richten, ist das Gericht zuständig, das dem aufgehobenen Gericht übergeordnet war. Ist das übergeordnete Gericht, das für die Entscheidung über Rechtsmittel nach den Abs. 1, 3 zuständig sein würde, aufgehoben, so gilt § 45 entsprechend. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels wird nicht dadurch berührt, daß es bei einem nach den vorstehenden Vorschriften unzuständigen Gericht eingelegt wird. Die Sache ist von Amts wegen an das zuständige Gericht abzugeben; der Abgabebeschluß ist für das in dem Beschluß bezeichnete Gericht bindend.

§ 47 Sondervorschriften Der Reichsminister der Justiz kann bei der Änderung von Gerichtsbezirken und der Aushebung von Gerichten durch allgemeine Anordnung eine von den Vorschriften der §§ 44 bis 46 abweichende Regelung treffen. Der Reichsminister der Justiz erläßt auch die Vorschriften, die bei der Änderung von Gerichtsbezirken und der Aus­ hebung von Gerichten auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der den Gerichten sonst zugewiesenen Aufgaben erforderlich werden. F ür die Rechtsmittel gilt § 46 Abs. 4 entsprechend.

§ 48 Zuweisung

von

ehrenamtlichen

Ri cht ern Bei der Änderung von Gerichtsbezirken und der Aushebung von Gerichten kann der Reichsminister der Justiz ehrenamtliche Richter, die bei den ausgehobenen oder den von der Änderung betroffenen Gerichten vorhanden sind, für den Rest der Amtszeit anderen Gerichten zuweisen. Zehnter Abschnitt

Di e n staufsicht übe r die Ger i cht e 6) Es empfiehlt sich vielleicht, folgenden § 40 a einzustellen: § 40 a G e m e i n s a m e Ge r i cht e Der Reichsminister der Justiz kann durch allgemeine Anordnung, einem Gericht die einem anderen Gericht gleicher Ordnung obliegenden Geschäfte ganz oder zum Teil zuweisen. Geschieht dies, so erstreckt sich im Rahmen der Zuweisung der Bezirk des beauftragten Gerichts auf die Bezirke der übrigen Gerichte. Die §§ 10, 21, 29 könnten dann ganz, § 25 teilweise ent­ behrt werden.

§ 49 D i e n st v o r g e s e t z t e Die Dienstaufsicht üben aus: 1. der Reichsminister jber Justiz über sämtliche Gerichte, 2. der Präsident des Reichsgerickts und des Volks­ gerichtshofs über das Gericht, dem er angehört, 3. der Oberlandesgerichtspräsident über das Ober­ landesgericht und die niedrigeren Gerichte seines Bezirks,

165 4. der Landgerichtspräsident über das Landgericht und die niedrigeren Gerichte seines Bezirks, 5. der aufsichtführende Amtsrichter über das Amts­ gericht.

§ 50 Di e ns t a u f s i c h t über d a s A mt s g e r i c h t Die Dienstaussicht über ein Amtsgericht, das mit einem Amtsrichter besetzt ist, steht dem Amtsrichter zu. Ist ein Amtsgericht mit mehreren Amtsrichtern besetzt, so bestimmt der Reichsminister der Justiz den aufsichtführenden Amtsrichter. Ist ein Präsident bestellt, so ist dieser aufsichtführender Amtsrichter. Der Präsident übt die Dienst­ aufsicht an Stelle des Landgerichtspräsidenten aus: der Reichsminister der Justiz kann ihm diese Befugnis auch für andere Amtsgerichte desselben Landgerichtsbezirks übertragen. Der Reichsminister der Justiz kann einen oder mehrere Amtsrichter zu ständigen Vertretern des aufsichtführenden Amtsrichters bestellen. Wird kein ständiger Vertreter bestellt oder ist er verhindert, so wird der aufsichtführende Amts­ richter durch den dem Dienstalter nach, bei gleichem Dienst­ alter durch den der Geburt nach ältesten Amtsrichter ver­ treten. Der Reichsminister der Justiz kann Grundsätze für die Vertretung des aufsichtführenden Amtsrichters aufstellen.

§ 51 Umfang

der

D i c n st a u f s i ch t

Die Dienstaufsicht über ein Gericht erstreckt sich auf die bei Hirn angestellten oder beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter. Die Dienstaufsicht des aufsichtführenden Amtsrichters be­ schränkt sich, wenn das Amtsgericht nicht mit einem Präsi­ denten besetzt ist. auf die nichtrichterlichen Beamten. Angestellten und Arbeiter, die bei dem Amtsgericht angestellt oder beschäftigt sind.

§ 52 Auf s i cht s bef ugni s s e Wer die Dienstaufsicht über einen Beamten ausübt, ist Dienstvorgesetzter des Beamten. I n der Dienstaufficht liegt die Befugnis, die ordnungs­ widrige Ausführung eines Amtsgeschäfts zu rügen und zu seiner sachgemäßen Erledigung zu ermahnen.

Zweites Hauptstück D ie Richter Erster Abschnitt

Di e Be r uf s r i c ht e r § 53 Fähigkeit

z u m R i ch t e r a m t

Das Richteramt kann nur von Männern bekleidet werden, die nach den Vorschriften der Iustizausbildungsordnung die große Staatsprüfung bestanden haben. Zum Mitglied des Reichsgerichts und des Bolksgerichtshof§ kann mir ernannt werden, wer das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. Die Iustizausbildungsordnung wird vom Reichsminister der Justiz erlaffen.

§ 54 Ernennun g a u f Lebenszeit Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt.

166 Ve r s e t z ung Die Richter können ohne ihre Zustimmung nur in ein anderes Richteramt, das mit mindestens gleich hohem Endgrundgehalt verbunden ist, und nur dann versetzt werden, wenn die Einteilung der Gerichte verändert wird oder wenn die Versetzung im Interesse der Rechtspflege dringend geboten ist. Die Versetzung im Interesse der Rechtspflege ist nur zu­ lässig, wenn die Dienststrafkammer beim Oberlandesgericht feststellt, daß die Voraussetzung für die Versetzung vorliegt. Bei einer Änderung in der Einteilung der Gerichte ist die Versetzung nur bis züm Ablauf von drei Kalendermonaten nach dem Inkrafttreten der Änderung zulässig.

§ 56 W a r t e st a n d Werden Gerichte aufgehoben oder ihre Bezirke geändert, so können die Richter der beteiligten Gerichte in den Warte­ stand versetzt werden. Die Versetzung in den Wartestand ist nur bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach dem Inkrafttreten der Auf­ hebung oder der Änderung und nur innerhalb der Zahl der Stellen zulässig, die aus Anlaß der Aufhebung oder der Änderung im Haushaltsplan abgesetzt werden. Die Versetzung eines Richters in den Wartestand aus anderem Anlaß ist nicht zulässig. Richter im Wartestand brauchen nur ein solches Richter­ amt anzunehmen, in das sie ohne ihre Zustimmung versetzt werden können (§ 55 Abs. 1). Sie find jedoch verpflichtet, vorübergehend auch ein anderes Richterami wahrzunehmen. Sie erhalten ein Wartegeld in voller Höhe ihrer letzten Dienstbezüge.

§ 57 Hilfsrichter Soweit der Reichsminister der Justiz ein Bedürfnis an­ erkennt, können bei den Gerichten Hilfsrichter beschäftigt werden. Beim Reichsgericht, beim Volksgerichtshof und bei den Oberlandesgerichten können nur planmäßig angestellte Richter zu Hilfsrichtern bestellt werden. Die Hilfsrichter werden beim Reichsgericht und beim Volksaerichtshof vom Reichsminister der Justiz, im übrigen vom Präsidenten des Oberlandesgerichts einberufen. Die Richter an den Amtsgerichten und an den Land­ gerichten sind vervflichtet. richterliche Geschäfte an einem Gericht der ordentlichen oder der besonderen Gerichtsbarkeit im Bezirk des Landgerichts und am übergeordneten Ober­ landesgericht wahrzunehmen. Die Richter an den Amts­ gerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten sind ver­ pflichtet. richterliche Geschäfte am Reichsgericht und am Volksgerichtshof wahrzunehmen. Die Abordnung eines Hilfsrichters darf, wenn sie auf bestimmte Zeit erfolgt, nicht vor Ablauf dieser Zeit und. wenn sie auf unbestimmte Zeit erfolgt, nicht vor Wegfall des Bedürfnisses widerrufen werden.

§ 58 S t a a t s a n w ä l t e als Hilfsrichter Staatsanwälte können bei allen Gerichten zu Hilfsrichtern bestellt werden. Eine Tätigkeit in Strafsachen dürfen sie dabei nicht ausüben. Die Vorschriften des $ 57 Abl. 2 und 4 gelten entsprechend mit der Maßgabe, daß der Präsident des Oberlandesgerichts die Staatsanwälte im Einvernehmen mit dem ihnen vor­

gesetzten Generalstaatsanwalt einberuft.

167 168 Zweiter Abschnitt

E h re n a m tl ic h e Richter Erster Unterabschnitt

Die Schöffen § 59

Eignung

zum Sc h ö f f e n a mt

Zu dem Amt eines Schössen sollen nur M änner von Charakter und unbeirrbarem Gerechtigkeitssinn berufen werden, die sich durch Lebenserfahrung und Menschenkenntnis auszeichnen und nach ihrer P er­ sönlichkeit geeignet sind, zu einer volksverbundenen Ausübung der Strafrechtspflege beizutragen. Die Schössen sollen aus allen Bevölkerungskreisen ent­ nommen werden. § 60 Zahl

der Schöffen

Der Präsident des Landgerichts bestimmt die für jedes Schöffengericht und für jede Schösfenkammer erforderliche Zahl von Hauptschössen und Hilfsschöffen. Die Zahl der Hauptschöffen soll so bemessen werden, daß jeder von ihnen voraussichtlich zu höchstens sechs Sitzungstagen im Geschäftsjahr herangezogen wird. Die Zahl der Hauptschöffen der Schösfenkammern wird durch den Präsidenten des Landgerichts auf die Schöfsengerichtsbezirke in dem Verhältnis verteilt, das der Einwohnerzahl der Bezirke entspricht. §

61

Vorschlagsliste Der Amtsrichter, der die Dienstaussicht über das Schöffengericht führt, stellt in jedem Jah r, in dem die Amtszeit der Schössen abläuft, im Benehmen mit dem Staatsanw alt, der zuständigen Staatsverw al­ tungsbehörde und dem Beauftragten der National­ sozialistischen Deutschen A rbeiterpartei) eine Liste von Personen auf, die im Bezirk des Schöffengerichts wohnen, das dreißigste Lebensjahr vollendet haben und für die Berufung zum Schöfsenamt geeignet sind (Vorschlagsliste). Die Vorschlagsliste soll mindestens das Doppelte der auf den Schösfengerichtsbezirk entfallenden Zahl von Schöffen und von Geschworenen umfassen. Der Amtsrichter legt die Vorschlagsliste dem Präsidenten des Landgerichts vor. § 62 E r n e n n u n g der Schöffen der Schöffenkammern Der Präsident des Landgerichts ernennt im Be­ nehmen mit dem Staatsanw alt, der zuständigen Staatsverwaltungsbehörde und dem Beauftragten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei?) aus 7) Die Vorschrift bedarf noch der Besprechung mit dem Stellvertreter des Führers.

der Reihe der in die Vorschlagslisten aufgenommenen Personen die Hauptschöfsen und die Hilfsschöffen für die Schösfenkammern. Die Namen der Hauptschöfsen und der Hilssschöfsen sind in besondere Listen aufzunehmen (Schöfsenlisten). Der Präsident des Landgerichts gibt die Vor­ schlagsliste, in der die zu Schöffen ernannten P e r­ sonen zu kennzeichnen sind, an den Amtsrichter zurück. § 63 E r n e n n u n g de r S c h ö f f e n des Schöffengerichts Der Amtsrichter (§ 61) ernennt im Benehmen mit dem Staatsanw alt, der zuständigen Staatsver­ waltungsbehörde und dem Beauftragten der National­ sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei die Haupt­ schöffen und die Hilfsschöffen für das Schöffengericht. Er kann die Schöffen aus der Reihe der in die Vorschlagsliste aufgenommenen Personen entnehmen, die nicht vom Präsidenten des Landgerichts zu Schöffen oder Geschworenen ernannt worden sind. § 62 Abs. 2 gilt entsprechend. § 64 D a u er des Sc hös f e na mt s Die Schöffen werden auf zwei Jah re ernannt. Die Amtszeit beginnt mit dem auf die Ernennung folgenden Geschäftsjahr. Ausscheidende Schöffen können wiederernannt werden. Erstreckt sich die Dauer einer Verhandlung über die Amtszeit des Schöffen hinaus, so hat er das Amt bis zum Ende der Verhandlung fortzuführen. § 65 Reihenfolge

der E i n b e r u f u n g

Die Reihenfolge, in der die Hauptschöfsen an den Sitzungen teilnehmen, wird für jedes Geschäftjahr im voraus durch Auslosung bestimmt. Werden außerordentliche Sitzungen angesetzt, so werden die Schöffen vor der Sitzung ausgelost. Schöffen, deren Berufung eine Vertagung oder eine erhebliche Verzögerung der Hauptverhandlung not­ wendig machen würde, können übergangen werden. Die Auslosung erfolgt in öffentlicher Sitzung. D as Los zieht für die Schöffen des Schöffengerichts der Amtsrichter (§ 61), im übrigen der Präsident des Landgerichts. § 66

P f l i c h t z u m S ch ö f f e n d i e n st Wer zum Schöffen ernannt ist, ist verpflichtet, sein Amt auszuüben.

169 § 67 Befreiung

von

der

§ 71

S ch ö f f e n p f l i ch t

Der Schöffe kann aus seinen Antrag aus wichtigen Gründen von der Pflicht zum Schösf'endienst befreit werden. Personen, die im öffentlichen Dienst oder im Dienst der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter­ partei oder ihrer Gliederungen hauptberuflich tätig sind, sind von der Pflicht zum Schöffendienst zu be­ freien, wenn ihre vorgesetzte Dienststelle erklärt, daß die Ausübung des Schöffenamts den dienstlichen Interessen nachteilig sei. Uber die Befreiung entscheidet bei den Schöffen des Schöffengerichts der Amtsrichter (§ 61), im übrigen der Präsident des Landgerichts. Die Ent­ scheidung ist unanfechtbar. § 68 Befreiung

an

170

bestimmten tagen

Sitzungs­

Der Vorsitzer des Gerichts, in dem der Schöffe sein Amt ausüben soll, kann einen Schöffen auf seinen Antrag von der Dienstleistung an bestimmten Sitzungstagen befreien.

Hilfsschösfen Fällt ein Hauptschösfe weg, so tritt an seine Stelle ein Hilfsschöffe in der Reihenfolge der Hilfsschösfenliste. Soweit ein Schöffe an den für ihn bestimmten Sitzungstagen sein Amt nicht ausübt, wird an seiner Stelle ein Hilfsschöffe einberufen. Die Reihenfolge der Einberufung wird in derselben Weise bestimmt wie bei den Hauptschöfsen. § 65 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Zu Hilfsschösfen sollen nur Personen ernannt werden, die am Sitze des Gerichts, in dem sie ihr Amt ausüben sollen, oder in seiner nächsten Umge­ bung wohnen. Findet eine Sitzung der Schöffenkammer im Gerichtsbezirk außerhalb des Gerichtssitzes statt und wird die Zuziehung von Hilfsschösfen erforderlich, so können als solche auch die Hilfsschöffen des für den Sitzungsort zuständigen Schöffengerichts herange­ zogen werden. § 72

§ 69

V e r e i d i g u n g der Schöss en

Enthebung vom Schösfenamt

Die Schöffen werden bei ihrer ersten Dienst­ leistung in öffentlicher Sitzung für die Dauer der Amtszeit vereidigt. Der Eid, der von jedem Schöffen einzeln zu leisten ist, lautet: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schöffen getreulich zu erfüllen und bei der Ausübung meines Amtes Wahrer des Rechts und der Gerechtigkeit zu sein, so wahr mir Gott helfe." Der Schwörende soll bei der Eidesleistung die rechte Hand erheben. Der Schöffe kann den Eid in der Weise leisten, daß er die Worte: „bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" und die Worte „so wahr mir Gott helfe" fortläßt. Gestattet ein Gesetz den Mitgliedern einer Reli­ gionsgesellschaft an Stelle des Eides den Gebrauch einer Beteuerungsformel, so kann ein Schöffe, der erklärt, der Religionsgesellschaft anzugehören, die Be­ teuerungsformel sprechen.

Der Präsident des Oberlandesgerichts kann einen Schöffen seines Amtes entheben, wenn dieser seine Amtspflichten gröblich verletzt oder wenn seine Tätig­ keit als Schöffe aus anderen Gründen mit einer geordneten Rechtspflege unvereinbar wäre. Die Ent­ hebung erfolgt bei den Schöffen des Schöffengerichts auf Antrag des Amtsrichters (§ 61), im übrigen auf Antrag des Präsidenten des Landgerichts. Vor der Entscheidung ist der Staatsanw alt und der Schöffe zu hören. Die Entscheidung ist unan­ fechtbar. Ein Schöffe, bessert Amtsenthebung beantragt ist, soll bis zur Entscheidung über den Antrag nicht ein­ berufen werden. § 70 Verletzung

der

Schöffen pflichten

Macht ein Schöffe falsche Angaben, um sich seinen Pflichten zu entziehen, oder erscheint er ohne genügende Entschuldigung nicht oder nicht rechtzeitig zu den Sitzungen oder entzieht er sich sonst seinen Pflichten, so können ihm eine Ordnungsstrafe in Geld bis zu dreißig Tagesbußen und die Kosten auferlegt werden, die er verursacht. Der Beschluß wird durch den Vorsitzer des Ge­ richts, in dem der Schöffe sein Amt ausüben soll, nach Anhörung des Schöffen und des Staatsanw alts erlassen. Gegen ihn findet nach den Vorschriften der Strafverfahrensordnung die befristete Beschwerde statt.

§ 73 Entschädigung Den Schöffen wird Ersatz der Fahrtkosten und eine angemessene Aufwandsentschädigung gewährt. Sie erhalten ferner für ihren Verdienstausfall eine angemessene Entschädigung.

171 172 § 74 Ausführungsvorschristen Der Reichsminister der Justiz kann Grundsätze für die Ernennung der Schössen ausstellen. E r erläßt auch die weiteren zur Ausführung der Vorschriften über die Schössen erforderlichen Anordnungen. Der Stellvertreter des Führers bestimmt, wer Beauftragter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Sinne der Vorschriften dieses Ab­ schnitts ist. Zweiter Unterabschnitt Die Geschworenen § 75 Z ah l der Geschworenen Die Zahl der Hauptgeschworenen soll so bemessen werden, daß jeder von ihnen voraussichtlich nur zu einer Tagung des Schwurgerichts im Geschäftsjahr herangezogen wird. Die Zahl der Hauptgeschworenen wird von dem Präsidenten des Landgerichts auf die Schöfsengerichtsbezirke in dem Verhältnis verteilt, das der Ein­ wohnerzahl dieser Bezirke entspricht. § 76 E r n e n n u n g der Geschworenen Der Präsident des Landgerichts ernennt im Be­ nehmen mit dem Staatsanw alt, der zuständigen Staatsverwaltungsbehörde und dem Beauftragten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterparteib) au§ der Reihe der in die Vorschlagslisten aufgenommenen Personen die Hauptgeschworenen und die Hilfsge­ schworenen. Die Namen der Hauptgeschworenen und der Hilfs­ geschworenen sind in besondere Listen aufzunehmen (Geschworenenlisten). § 77 S i t z u n g e n a u ß e r h a l b des Gerichtssitzes Findet eine Sitzung des Schwurgerichts im Schwurgerichtsbezirk außerhalb des Gerichtssitzes statt und wird die Zuziehung von Hilfsgeschworenen er­ forderlich, so können als Hilfsgeschworene auch die Hilfsschöffen des für den Sitzungsort zuständigen Schöffengerichts herangezogen werden. § 78 Entsprechende A n w e n d u n g der V o r s c h r i f t e n ü b e r die Sc höf f e n Fm übrigen gelten für die Geschworenen die Vor­ schriften der §§ 59 bis 74 entsprechend. 8) Die Vorschrift bedarf noch der Besprechung mit beut Stellvertreter des Führers.

D ritter Unterabschnitt Ehrenamtliche Richter des Volksgerichtshofs § 79

E r n e n n u n g der e h r e na mt l i c he n

Richter Der Führer und Reichskanzler ernennt auf Vor­ schlag des Reichsministers der Justiz für die Dauer von fünf Jahren die ehrenamtlichen Richter des Volksgerichtshofs und ihre Vertreter. Die wieder­ holte Ernennung ist zulässig. Der Führer und Reichskanzler kann die ehrenamt­ lichen Richter und ihre Vertreter auf ihren Antrag aus wichtigen Gründen vom Amt befreien. § 80

Vereidigung Die ehrenamtlichen Richter des Volksgerichtshofs und ihre Vertreter werden bei ihrer ersten Dienst­ leistung in öffentlicher Sitzung für die Dauer der Amtszeit vereidigt. Der Eid, der von jedem ehrenamtlichen Richter einzeln zu leisten ist, lautet: „Ich. schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, meine Richterpflichten ge­ treulich zu erfüllen und bei der Ausübung meines Amtes Wahrer des Rechts und der Gerechtigkeit zu sein, so wahr mir Gott helfe". Die Vorschriften des § 72 Abs. 3 bis 5 gelten entsprechend. § 81

Entschädigung Den ehrenamtlichen Richtern des Volksgerichts­ hofs wird Ersatz der Fahrtkosten und eine angemessene Aufwandsentschädigung gewährt. Sie erhalten ferner für ihren Verdienstausfall eine angemessene E nt­ schädigung. § 82 Ausführungsvorschriften Der Reichsminister der Justiz kann Grundsätze über die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter des Volksgerichtshofs an den Sitzungen teilnehmen, aufstellen. E r erläßt auch die weiteren zur Ausführung der Vorschriften über die ehrenamtlichen Richter des Volksgerichtshofs erforderlichen Anordnungen.

173 174 Drittes Hauptstück D ie Staatsanwaltschaft § 83 Gliederung

der

Staatsanwaltschaft

Bei dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof, den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind Staatsanwaltschaften einzurichten. Die S ta a ts­ anwaltschaft bei dem Landgericht nimmt auch die Ge­ schäfte der Staatsanwaltschaft bei den zum Bezirk des Landgerichts gehörenden Amtsgerichten wahr. Bei einem Amtsgericht kann eine Zweigstelle der Staatsanwaltschaft beim Landgericht eingerichtet werden. I h r kann die Wahrnehmung der Geschäfte bei einem oder mehreren Amtsgerichten oder abge­ trennten Strafkammern übertragen werden. § 84

B e a mt e der S t a a t s a n w a l t s c h a f t D as Amt des Staatsanw alts wird beim Reichs­ gericht und beim Volksgerichtshof durch Reichs­ anwälte oder Staatsanw älte, bei den übrigen Ge­ richten durch Staatsanw älte ausgeübt?) Staatsanw alt kann nur sein, wer die Fähigkeit zum Richteramt hat. Die Reichsanwälte und die Staatsanw älte können durch Verfügung des Führers und Reichskanzlers jederzeit in den Wartestand versetzt werden?") § 85

Le i t e r der S t a a t s a n w a l t s c h a f t Die Staatsanwaltschaft leitet 1. beim Reichsgericht der Oberreichsanwalt; 2. beim Volksgerichtshof ein Reichsanwalt; 3. beim Oberlandesgericht ein Generalstaats­ anwalt; 4. beim Landgericht ein Oberstaatsanwalt. Die dem Leiter einer Staatsanwaltschaft unter­ stellten Staatsanw älte handeln bei der Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Geschäfte als dessen Vertreter. Ih re Amtshandlungen sind nicht deshalb unwirksam, weil sie die nach den innerdienstlichen Weisungen ihnen zustehenden Befugnisse überschritten haben.

2. der Oberreichsanwalt für dieS ta a ts­ anwaltschaft bei dem Reichsgericht; 3. der Reichsanwalt bei dem Volksgerichtshof für die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht; 4. der Generalstaatsanwalt bei dem Ober­ landesgericht für die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht und t>ie Staatsanw alt­ schaften bei den zu dessen Bezirk gehörigen Landgerichten; 5. der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht für die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht. § 87 Befugnisse

der Vorgeset zten

Die Staatsanw älte haben den dienstlichen Weisun­ gen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten. Die vorgesetzten Staatsanw älte können staatsanwaltschaftliche Geschäfte von anderen als den zu­ ständigen Staatsanw älten, die ihnen unterstellt sind, wahrnehmen lasten oder Dienstgeschäfte der ihnen unterstellten Staatsanw älte selbst übernehmen.

§88 Besondere Befugnisse Der Oberreichsanwalt kann ein Rechtsmittel des Staatsanw alts, über das das Reichsgericht zu ent­ scheiden hat, oder einen Antrag des Generalstaatsanwalts, die Entscheidung des Reichsgerichts herbei­ zuführen, zurücknehmen. E r kann ferner in einer Strafsache, in der das Reichsgericht über eine Rechts­ rüge oder eine Beschwerde zu entscheiden hat, dem Generalstaatsanwalt oder dem Oberstaatsanwalt Weisungen erteilen. Der Reichsanwalt bei dem Volksgerichtshof kann in den zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs ge­ hörigen Sachen den Generalstaatsanwälten und den Oberstaatsanwälten Weisungen erteilen. § 89 Dienstaufsicht

Die Dienstaussicht üben die im § 86 genannten Vorgesetzten aus; sie erstreckt sich auf die Beamten, Angestellten und Arbeiter, die bei den ihnen unter­ stellten Behörden angestellt oder beschäftigt sind. § 86 Der Reichsminister der Justiz kann dem Leiter einer Zweigstelle der Staatsanwaltschaft die Dienst­ Vorgesetzte aufsicht über die Zweigstelle übertragen. Die Dienst­ aufsicht des Leiters der Zweigstelle erstreckt sich nicht Vorgesetzte sind: 1. der Reichsminister der Justiz für alle auf die bei ihr beschäftigten Staatsanw älte. Staatsanwaltschaften; §90 Hilfskräfte 9) I n der Begründung wird klarzustellen sein, daß S taats­ anwälte i. S. der StVO, und des GVG. auch die Reichs­ Der Reichsminister der Justiz kann bestimmen, anwälte sind. 10) Es wird anzustreben sein, diesen Absatz in den Entw. daß Geschäfte des Staatsanw alts zeitweilig von Richtern oder Gerichtsaffestoren wahrgenommen werd. D. Beamtenges, einzustellen.

175 den. E r kann ferner bestimmen, daß bestimmte Ge­ schäfte der Staatsanwaltschaft in den Sachen, die zur Zuständigkeit des Amtsrichters gehören, von Beamten ohne die Fähigkeit zum Richteramt versehen werden.

Viertes Hauptstück Andere Organe der Rechtspflege

176 Zweiter Abschnitt

Bol l st reckungs- und Zu s t e l l u n g s ­ beamt e §

96

Gerichtsvollzieher Bei jedem Amtsgericht sind die für die Erledigung von Vollstreckungen und Zustellungen erforderlichen Beamten (Ge­ richtsvollzieher) zu bestellen.

Erster Abschnitt

Di « Geschäf t sst el l en § 91 Einrichtung

der

Ge s c hä f t s s t e l l e n

Bei jedem Gericht und bei jeder Staatsanwaltschaft wird eine Geschäftsstelle eingerichtet und mit der erforderlichen Zahl von Urkundsbeamten besetzt. F ür Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie für mehrere Gerichte oder mehrere Staatsanwaltschaften desselben Amts­ sitzes können gemeinsame Geschäftsstellen eingerichtet werden.

§ 92 Fähigkeit

z u m A m t des U r ku n d s b e a m t e n und des R e c h t s p f l e g e r s

Wer die Prüfung für den einfacheren Justizdienst bestan­ den hat, kann die Geschäfte eines Schriftführers und die ein­ facheren Geschäfte eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrnehmen: der Reichsminister der Justiz bestimmt, welche Geschäfte zu den einfacheren gehören. Wer die Prüfung für den schwierigen Justizdienst bestan­ den hat, kann die Geschäfte eines Schriftführers und alle Ge­ schäfte eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrnehmen. Er kann auch durch allgemeine Anordnung ermächtigt werden, bestimmte Geschäfte des Richters oder des Staatsanwalts als Rechtspfleger selbständig wahrzunehmen; das Nähere be­ stimmt der Reichsminister der Justiz.

§ 93 Referendare

a l s Urkundsbeamte

Wer die erste juristische Staatsprüfung bestanden hat, kann die Geschäfte eines Schriftführers oder eines Urkundsbeamten wahrnehmen, die Geschäfte eines Rechtspflegers jedoch nur dann, wenn er mindestens sechs Monate im Borbereitungs­ dienst beschäftigt gewesen ist.

§ 94 Ergänzende

Vor s c h r i f t e n

Der Reichsminister der Justiz bestimmt die Voraussetzun­ gen für die zeitweilige Wahrnehmung der Geschäfte des Urkundsbeamten. Er regelt die Dienst- und Geschäftsverhältnissc der Urkundsbeamten.

§ 97 F ä h i g k e i t z u m G e r i c h t s v o l l z i e h e r d i e n st Die Geschäfte eines Gerichtsvollziehers kann wahrnehmen, wer die Prüfung für den Gerichtsvollzieherdienst oder für den schwierigen Justizdienst bestanden hat.

§ 98 E r g ä n z e n d e Vor schri ft en Der Reichsminister der Justiz bestimmt die Voraussetzun­ gen für die zeitweilige Wahrnehmung der Geschäfte eines Gerichtsvollziehers. Der Reichsminister der Justiz regelt die Dienst- und Ge­ schäftsverhältnisse der Gerichtsvollzieher. Er kann den Ge­ richtsvollziehern über die in Gesetzen und Verordnungen be­ gründete Zuständigkeit hinaus weitere Geschäfte übertragen.

Fünftes Hauptstück Die Justizverwaltung § 99 M i t w i r k u n g Bei d e r J u s t i z v e r w a l t u n g Die Präsidenten der Gerichte, die aufsichtführenden Amts­ richter und die Leiter der Staatsanwaltschaften haben nach den Anordnungen des Reichsministers der Justiz die ihnen zugewiesenen Geschäfte der Justizverwaltung zu erledigen. Sie können die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Beamten zu den Geschäften der Justizverwaltung heranziehen. Jni Falle der Behinderung werden sie in diesen Geschäften durch ihre ständigen Vertreter vertreten.

5 io«) Gut ac ht e n Die Gerichte und die Leiter der Staatsanwaltschaften haben auf Verlangen der Dienstaufsichtsbehörde über Ange­ legenheiten der Gesetzgebung oder der Justizverwaltung Gut­ achten zu erstatten.

§ 101

§ 95

Be s c hwe r de n

Notschriftführer I n dringenden Füllen kann der Richter oder der S taats­ anwalt jede geeignete Person zum Schriftführer bestimmen. Falls diese nicht einen Diensteid geleistet hat, ist sie zu ver­ pflichten, dasi sie die Pflichten eines Schriftführers treu und gewissenhaft erfüllen werde.

Beschwerden in Angelegenheiten der Justizverwaltung werden im Aufsichtswege erledigt. über Aufsichtsbeschwerden, die sich gegen einen im ersten Rechtszug vom Präsidenten eines Amtsgerichts erlassenen Be­ scheid richten, entscheidet der Oberlandesgerichtspräsident end­ gültig, wenn für Beschwerden dieser Art bestimmt ist, daß die Entscheidung des Landgerichtspräsidenten endgültig ist.

177

178

§ 102 Geschäf t sj ahr Geschäftsjahr im Sinne dieses Gesetzes ist das Kalender­ jahr.

§ 103 Ü b e r t r a g u n g von Be f u g n i s s e n Der Reichsminister der Justiz kann die Ausübung der ihm in diesem Gesetz übertragenen Befugnisse auf die ihm un­ mittelbar Nachgeordneten Präsidenten der Gerichte und Leiter der Staatsanwaltschaften übertragen.

Drittes Buch

Gemeinsame Vorschriften für alle Arten der Rechtspflege Erster Abschnitt

Be f r e i u n g von der deutschen Ger i cht s bar kei t § 104 Befreiung diplomatischer V e r t r e ­ t u n g e n von der deutschen G e r i c h t s ­ barkeit Die Leiter und Mitglieder der bei dem Deutschen Reich beglaubigten diplomatischen Vertretungen sind von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dasselbe gilt für andere Personen, die nach den allgemein an­ erkannten Regeln des Völkerrechts oder nach einem Staatsvertrag des Deutschen Reichs der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen sind. Die Befreiung der im Abs. 1 genannten Personen erstreckt sich aus ihre den Hausstand teilenden Fam i­ lienmitglieder, ihr Geschästspersonal und ihre Be­ diensteten, es sei denn, daß diesen nach einer im Reichsgesetzblatt veröffentlichten Bekanntmachung der Reichsregierung die Befreiung von der deutschen Ge­ richtsbarkeit nicht gewährt wird. Besitzt eine der in den Abs. 1, 2 bezeichneten P e r­ sonen die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist sie von der deutschen Gerichtsbarkeit nur befreit, wenn das Reich sich der Gerichtsbarkeit über sie durch eine Ver­ fügung der Reichsregierung begeben hat. § 105 Befr ei ung konsularischer V e r t r e ­ t u n g e n von der deutschen G e r i c h t s ­ barkeit Die Leiter und Mitglieder der im Deutschen Reich zugelassenen konsularischen Vertretungen sind von der deutschen Gerichtsbarkeit nur befreit, wenn das Deutsche Reich sich durch einen Staatsvertrag der Ge­ richtsbarkeit über sie begeben hat.

§ 106 Aus s c hl i e ßl i c he r

dinglicher

G e r i c h t s st a n d

Die ߧ 104 und 105 lassen die Vorschriften über den aus­ schließlichen dinglichen Gerichtsstand in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unberührt.

179

180

Zweiter Abschnitt

§ 112

Gerichtssprache

Vereidigung

§107 Grundsatz Die Gerichtssprache ist deutsch.

8 108 E i d e s l e i st u n g

in fremder

Sprache

Wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, leistet den Eid in der ihm geläufigen Sprache.

des Dolmetschers

Der Dolmetscher kann nach dem Ermessen des Vorsitzers vereidigt werden. Auf Antrag des S ta a ts­ anwalts oder eines Beteiligten ist er zu vereidigen. Die Vereidigung erfolgt in der Weise, daß der Richter an den Dolmetscher die Worte richtet: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß Sie die Übertragung treu und gewissenhaft vorgenommen haben"; und der Dolmetscher hierauf die Worte spricht: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe". § 72 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend.

§ 109 Zuziehung

von

Dolmetschern

Sind an einer Verhandlung Personen beteiligt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzuziehen. Eine Nebenniederschrift in der fremden Sprache wird nicht aufgenommen. Der die Verhandlung leitende Richter oder Staatsanw alt kann aber anordnen, daß Aussagen und Erklärungen in fremder Sprache auch in dieser Sprache in die Niederschrift oder eine Anlage ausgenommen werden. I n geeigneten Fällen soll der Niederschrift eine von dem Dolmetscher zu beglaubigende Übersetzung bei­ gefügt werden. Die Zuziehung eines Dolmetschers kann unter­ bleiben, wenn alle beteiligten Personen der fremden Sprache mächtig sind. § HO

§ 114 S c h r i f t f ü h r e r a l s Dolmetscher Der Dienst des Dolmetschers kann von dem Schriftführer versehen werden. Einer besonderen Ver­ eidigung bedarf es nicht. Dritter Abschnitt

Öf f e nt l i c hke i t der V e r h a n d l u n g

V e r h a n d l ung in St r a fsa c he n und Anwaltsprozessen I n Strafsachen hat der Dolmetscher dem Ange­ klagten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, aus den Schlußvorträgen mindestens die Anträge des Staatsanw alts und des Verteidigers mitzuteilen. I n Anwaltsprozessen entscheidet der Vorsitzer nach freiem Ermessen, ob einer P a rte i, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, der B ortrag bei der mündlichen Verhandlung zu gestatten ist.

§ Hl V e r h a n d l u n g mit ta u b en st ummen P e r s o n e n

§ 113 A b l e h n u n g des Dolmet schers F ür den Dolmetscher gelten die Vorschriften über, die Ablehnung eines Sachverständigen entsprechend. Zur Entscheidung ist der Richter oder S ta a ts­ anwalt berufen, von dem der Dolmetscher zuge­ zogen ist.

und

Zur Verhandlung mit tauben oder stummen P er­ sonen ist ein Dolmetscher zuzuziehen, wenn die schrift­ liche Verständigung nicht möglich ist oder nicht genügt. § 110 Abs. 1 gilt entsprechend, wenn der Ange­ klagte taub ist und mit ihm durch einen Dolmetscher verhandelt wird. Ob bei der mündlichen Verhandlung einem Tauben der Bortrag zu gestatten ist, entscheidet der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen. Einem An­ geklagten darf der Bortrag nicht deshalb untersagt werden, weil er taub ist.

§ 115 Grundsatz Vor den erkennenden Gerichten wird öffentlich verhandelt, soweit nichts anderes bestimmt ist. Dies gilt auch für die Verkündung der E nt­ scheidungen. § 116 A u s s c h l u ß a u s G r ü n d e n des öffentlicheil W o h l s Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn die öffentliche Verhandlung das Wohl des Reichs, die Ruhe und Ordnung oder die Sittlichkeit gefährden würde. § 117 Ausschluß wegen G e f ä h r d u n g der Wahrheitsermittlung Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn es zur Erforschung der Wahrheit unerläßlich ist. Einzelnen Personen kann die Anwesenheit unter­ sagt werden, wenn zu befürchten ist, daß bei ihrer An­ wesenheit nicht die volle Wahrheit erforscht werden kann.

181 182 § 118

§ 123

Ausschluß zur W a h r u n g von Geheimnissen

Urteilsverkündung Auch wenn nicht öffentlich verhandelt worden ist, wird das Urteil öffentlich verkündet. Unter den Voraussetzungen der §§ 116 und 118 kann der Vorsitzer auch für die Verkündung der Ur­ teilsgründe oder eines Teiles davon die Öffentlichkeit ausschließen. Der Grund dafür ist bekanntzugeben.

Di e Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn es zur Wahrung eines wichtigen Geschäfts-, Betriebs- oder Erfindungsgeheimnisses geboten ist oder wenn Personen, die zur Wahrung eines Berufs­ geheimnisses verpflichtet sind, sich über Tatsachen äußern sollen, die ihnen bei Ausübung ihres Berufs anvertraut worden oder zugänglich geworden sind. § 119

Ausschluß aus persönlichen G r ü n d e n Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn persönliche, häusliche oder Familienverhältnisse erörtert werden, deren öffentliche Erörterung für den Betroffenen eine unbillige Härte wäre. Die Öffentlichkeit kann ferner ausgeschlossen wer­ den, wenn an der Verhandlung Geisteskranke teil­ nehmen und die Rücksicht aus sie den Ausschluß der Öffentlichkeit verlangt.

§ 120 Ausschluß in Ehesachen I n Ehesachen ist die Öffentlichkeit auszuschließen, wenn der Vorsitzer es für angebracht hält oder eine der Parteien es beantragt.

§ 121 Ausschluß

in

Entmündigungssachen

I n dem auf die Klage wegen Anfechtung oder Wieder­ aufhebung der Entmündigung einer Person wegen Geistes­ krankheit oder wegen Geistesschwäche eingeleiteten Verfahren (§§ 664, 679 der Zivilprozeßordnung) ist die Öffentlichkeit während der Vernehmung des Entmündigten auszuschließen. D as Verfahren wegen Entmündigung oder Wiederauf­ hebung der Entmündigung (§§ 645 bis 663, 675 bis 678 der Zivilprozeßordnung) ist nicht öffentlich.

§ 122 V e r f a h r e n b e i Ausschluß der Ö f f e n t ­ lichkeit Die Anordnungen nach den §§ 116 bis 121 trifft der Vorsitzer durch Beschluß. E r kann die Öffentlichkeit für die ganze Verhand­ lung oder für Teile davon ausschließen. 116er den Ausschluß der Öffentlichkeit wird nicht öffentlich verhandelt, wenn der Vorsitzer es für ange­ bracht hält oder der Staatsanw alt es beantragt, in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auch dann, wenn eine der Parteien den Antrag stellt.'

Die Anordnung über den Ausschluß der Öffent­ lichkeit wird öffentlich verkündet. I n den Fällen der §§ 116 bis 119 ist der Grund für den Ausschluß der Öffentlichkeit bekanntzugeben.

§124 Z u t r i t t zu n i c h t ö f f e n t l i c h e n Verhandlungen Der Vorsitzer kann einzelnen Personen den Zutritt zu nichtöffentlichen Verhandlungen gestatten. Wer zur Dienstaufsicht über das Gericht oder die Staatsanwaltschaft berufen ist, kann an Verhand­ lungen teilnehmen, bei denen die Öffentlichkeit aus­ geschlossen ist. §125 Schweigepflicht Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung des Wohles des Reiches ausgeschlossen worden, so dürfen Mitteilungen über den In h a lt der Verhandlung und amtlicher Schriftstücke, die die Sache betreffen, nicht öffentlich bekanntgegeben werden. Der Vorsitzer kann den in. der Verhandlung anwesenden Personen die völlige Geheimhaltung' bestimmter Tatsachen zur Pflicht machen, die ihnen durch die Verhandlung oder durch amtliche, die Sache betreffende Schriftstücke be­ kannt werden. Ist die Öffentlichkeit aus anderen Gründen aus­ geschlossen worden, so kann der Vorsitzer den in der Verhandlung anwesenden Personen verbieten, be­ stimmte Tatsachen öffentlich bekanntzugeben, die durch die Verhandluna oder durch amtliche, die Sache be­ treffende Schriftstücke zu ihrer Kenntnis gelangen. Die Vorschrift des Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Öffentlichkeit zur Wahrung eines Geschäfts-, Be­ triebs-, Erfindungs- oder Berufsgeheimnisses ausge­ schlossen worden ist. Die nach Abs. 1 S ah 2, Abs. 2 zulässigen Anord­ nungen können auch der Amtsrichter im Vorver­ fahren, der Untersuchungsrichter, der beauftragte und der ersuchte Richter sowie der Staatsanw alt in den vor ihnen stattfindenden Verhandlungen treffen. §126 V e r f a h r e n bet A u f e r l e g u n g von Schweigepflichten Die Verfügung des Richters oder des S ta a ts­ anwalts. durch die eine Schweigepflicht auferlegt oder ihre Auferlegung abgelehnt wird, ist aktenkundia zu machen. Sie kann nach den Vorschriften der Versahrensordnungen mit der Beschwerde angefochten

werden.

183

184

§ 127 Zutritt

zu

öffentlichen lungen

§ 132 Verhand­

De r Z u tritt zu öffentlichen Verhandlungen kann untersagt werden: 1. Personen, die nicht nachweisen, daß sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, 2. Personen, die für ehrlos erklärt sind, 3. Personen, deren Anwesenheit m it der Würde des Gerichts nicht vereinbar ist. V ierter Abschnitt

Ordnungsgewal t § 128

Beschwerde

gegen

U n g e b ü h r st r a s e n

Die Verfügung des Richters oder des S ta a ts ­ anw alts, durch die eine Ungebührstrase festgesetzt wird, kann nach den Vorschriften der Verfahrensordnungen mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. §133 Begehung

einer S tra fta t Verhandlung

in

W ird bei einer richterlichen Verhandlung eine S tra fta t begangen, so stellt der Richter den Sachver­ halt fest und teilt die Niederschrift über den Hergang dem S ta atsa n w a lt mit. E r kann vorläufig den T äter festnehmen und auch andere Z w angsm ittel anwenden lassen.12)

Grundsatz

F ünfter Abschnitt

D er Vorsitzer sorgt für den ernsten und würdigen Verlauf der Verhandlung und übt in der Sitzung die Ordnungsgew alt aus. W er seinen Anordnungen nicht folgt, kann aus der Sitzung gewiesen und bis zum Ende der Sitzung festgehalten w erden.")

Be r a t u n g und Entschei dung

§ 129 U n g e b ü h r st r a s e D er Vorsitzer kann gegen Personen, die sich in der Sitzung oder im unm ittelbaren Zusammenhang mit der Sitzung an der Gerichtsstätte einer Ungebühr schuldig machen, unbeschadet der strafgerichtlichen Ver­ folgung eine Ordnungsstrafe in Geld bis zu fünf Tagesbußen oder Ordnungshast bis zu fünf Tagen festsetzen und sofort vollstrecken lassen. F ü r die Ordnungsstrafe in Geld gelten die §§ 48 bis 50 des Strafgesetzbuchs entsprechend. S in d Ungebührstrafen gegen Personen zu voll­ strecken, die der Wehrmacht angehören, so ist die B e­ fehlsstelle darum zu ersuchen. § 130 O r d n u n g s g e w a l t bei a n d e r e n A m t s ­ handlungen Die O rdnungsgew alt (§§ 128, 129) wird bei richterlichen Am tshandlungen außerhalb einer Sitzung durch den Richter, bei Amtshandlungen eines S ta a ts ­ anw alts durch ihn ausgeübt. § 131 N i e d e r s chrift I s t auf G rund der vorstehenden Vorschriften jemand festgehalten oder eine Ungebührstrafe festgesetzt worden, so sind die Verfügung und ihre Gründe in die Niederschrift aufzunehmen. n ) I n der Begründung wird klarzustellen sein, datz die Sitzung im Sinne dieser Vorschrift mehrere Verhandlungen umfassen kann. jedoch jeweils spätestens am Ende des ein­ zelnen Sitzungstages endigt.

der

§ 134

Grundsatz D er Vorsitzer des Gerichts erläßt die Entschei­ dungen. I n den mit mehreren Richtern besetzten Gerichten bereiten ihn die mitwirkenden Richter. Zu den E n t­ scheidungen, die nach den Verfahrensordnungen dem Gericht vorbehalten sind, bedarf der Vorsitzer der Z u­ stimmung mindestens der Hälfte der mitwirkenden R ichter.' Die ehrenamtlichen Richter wirken bei den E n t­ scheidungen des Vorsitzers und des Gerichts in gleicher Weise wie die Berufsrichter mit. § 135 Beratungsgrundsätze D er Vorsitzer leitet die Beratung. Die B eratung ist geheim. Äber ihren Hergang ist Stillschweigen zu bewahren. Kein Richter darf sich der Stellungnahm e zu einer Frage enthalten, weil er bei einer vorangegangenen Frage mit seiner Ansicht nicht durchgedrungen ist. Bei der B eratung dürfen außer den mitwirkenden Richtern nur die dem Gericht zur juristischen A usbil­ dung überwiesenen Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzer ihnen die Anwesenheit gestattet.

§ 136 V e r w e i s u n g s b e s u g n i s des Vorsitzers Findet der Vorsitzer nicht die erforderliche Zustim­ mung der mitwirkenden Richter (§ 134 Abs. 2 Satz 2), so kann er anordnen, daß in der Sache von einem 12) Die Strafprozetzkommission geht davon aus, daß im Ordnungsstrafgesehbuch eine Strafe wegen Ungebühr in schriftlichen Eingaben an Behörden angedroht wird und daß diese Strafe in denienigen Fällen, in denen die Eingaben an das Gericht oder die Staatsanwaltschaft gerichtet sind, vom Richter oder vom Staatsanw alt verhängt werden kann.

185 anders besetzten Gericht zu entscheiden ist. Der Vor­ sitzer und die Richter, die bei der früheren Beratung mitgewirkt haben, sind von der Mitwirkung in dem zur Entscheidung berufenen Gericht ausgeschlossen. Die Besetzung des zur Entscheidung berufenen Gerichts wird bei der Geschäftsverteilung allgemein bestimmt. Reicht hierfür die Zahl der Richter des Ge­ richts nicht aus, so bestimmt der Oberlandesgerichts­ präsident vor Beginn des Geschäftsjahres, welches Gericht seines Bezirks die Entscheidung zu treffen hat. § 137

186 § 141 Beistandspflicht anderer Behörden Die öffentlichen Behörden haben im Rahmen ihrer Zuständigkeit den Gerichten und Staatsanwaltschaften jede zur Erledigung gerichtlicher oder staatsanwaltschastlicher Verfahren dienliche Hilfe zu leisten, ins­ besondere auf Ersuchen Auskunft zu erteilen und E in­ sicht in ihre Akten und sonstigen Urkunden zu ge­ währen. Dies gilt nicht, soweit besondere Vorschriften ent­ gegenstehen.

Ergänzungsrichter

§ 142

I n den mit mehreren Richtern besetzten Gerichten kann der Vorsitzer zu Verhandlungen von längerer Dauer Ergänzungsrichter zuziehen. S ie nehmen an der Verhandlung teil und haben im Fall der Behin­ derung eines Richters als erkennende Richter einzu­ treten.

Vo rn ah me von A m t s h a n d l u n g e n a u ß e r h a l b des Be z i r k s Die Richter und Staatsanw älte können Amts­ handlungen auch außerhalb ihres Amtssitzes und ihres Bezirks vornehmen, wenn es zweckmäßig ist.

§ 138 Ü b e r t r a g u n g der E n t s c h e i d u n g s ­ b e f u g n i s des Vorsi t zers Is t in einer Strafsache der Vorsitzer eines mit mehreren Richtern besetzten Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung zu einer Entscheidung berufen, so kann er die Entscheidung einem Richter seiner Kammer oder seines Senats übertragen. Die Ent­ scheidung ist wie eine Entscheidung des Vorsitzers an­ sechtbar.

Sechster Abschnitt

Rechts- und Amt s h i l f e § 139

Re c ht s hi l f e Die Gerichte haben einander Rechtshilse zu leisten. Ein Gericht darf ein Ersuchen um Rechtshilfe nur ablehnen, wenn es nicht örtlich zuständig ist oder wenn die Amtshandlung gesetzlich unzulässig ist. F ür die Erledigung von Ersuchen um eine Ver­ nehmung oder die Einnahme eines Augenscheins ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Amts­ handlung vorgenommen werden soll. Beschwerden über verweigerte Rechtshilfe werden im Aufsichtswege erledigt.

§ 140 Beistandspflicht

der S t a a t s a n w a l t ­ schaf t

Die Staatsanwaltschaften haben einander Bei­ stand zu leisten.

Gedruckt im Strafgefängnis Berlin-Tegel.

Ktreng vertraulich!

Entwurf einer

Strafverfahrensordnung und einer

Friedensrichterordnung aufgestellt von der Großen Strafprozeßkommisston des Reichsjustizministeriums

Erste Lesung 1936/1937

Abgeschlossen am 28. Oft. 1937 (S tV O ) und 22. Dez. 1937 (FRO)

— Als Manuskript gedruckt —

Inhaltsübersicht Seite

Entwurf einer Strafoerfahrensordnung Inhaltsverzeichnis .....................................

3

Vorbemerkung .............................................

5

Entwurf

7

......................................................

Entwurf einer Friedensrichterordnung Inhaltsverzeichnis Entwurf

.....................................

121

......................................................

123

Strafverfahrensordnung Inhaltsverzeichnis Drittes Hauptstück.

E r s te s B u c h . G a n g d e s V e r f a h r e n s ................. §§ 1 — 85

Z w angsm ittel...................... §§ 1 8 8 -2 4 5 1. A bschnitt: Untersuchungshaft . . .

Erstes Hauptstück. D a s V o r v e r f a h r e n ......................§ § 1 — 27 Zw eites Hauptstück. D a s H a u p t v e r f a h r e n ................. § § 2 8 - 8 5 1. A bsch nitt: Anordnung der HauptV erhandlung...........................................§ § 2 8 — 35 2. A bsch nitt: Vorbereitung der Hauptverhandlung ...........................................§ § 3 6 — 43 3. A bschnitt: Hauptverhandlung. . .

§ § 4 4 — 85

Z w e ite s B uch. G e m e in s a m e V e r f a h r e n s V o rsch riften

...........................................§§ 86—275

Erstes Hauptstück.

Besondere Vorschriften für das Verfahren vor dem Volks­ gerichtshof und vor den Ober* landesg erichten ...............................

88 246-254

Fünftes Hauptstück.

Vorschriften

............................................... §§ 86—142

1. A bschnitt: Richter und Staatsanwalt 1. Unterabschnitt: Zuständigkeit

V iertes Hauptstück.

Andere gemeinsame Verfahrens-

R ichter, S t a a t s a n w a l t u n d B e ­ te ilig te

§§ 188—208

2. A bschnitt: Beschlagnahme, Durch­ suchung und Untersuchung................§§209-245 1. Unterabschnitt: Beschlagnahme . . §§ 209—224 2. Unterabschnitt: Durchsuchung . . §§ 225—232 3. Unterabschnitt: Untersuchung von P erso n en ....................................... §§ 233—239 4. Unterabschnitt: Gemeinsame Vor­ schriften ....................................... §§ 240-245

§§ 86—123

. .

§§ 86— 110

2. Unterabschnitt: Ausschließung und A blehnung......................................

§§ 111—123

2. A bschnitt: Der Verteidiger . . . .

§§ 124— 137

3. A bschnitt: Der Beschuldigte . . . .

§§ 138—142

Z w eites Hauptstück.

88 255 -275

Dritte» Buch. Rechtsbehelfe............................... § § 2 7 6 -3 5 0 Erstes Hauptstück.

M itte ld e r W a h r h e its e r fo r s c h u n g 8 8 1 4 3 -1 8 7 1. A bschnitt: Z eu g en ..............................§§ 1 4 3 -1 7 5 2. A bschnitt: Sachverständige . . . .

.................................

1. A bschnitt: Verbindung u. Trennung 88 255—257 2. A bschnitt: Entscheidungen, Nieder­ schriften, M itteilungen........................SS 258—270 3. A bschnitt: Fristen, Sprachgebrauch SS 271—275

§§ 1 7 6 -1 8 3

3. A bschnitt. Augenschein......................§§ 1 8 4 -1 8 7

Allgemeine Vorschriften

. . . §§276-282

Zweite» HavptstLck.

Die R echtsm ittel ............................ §§283-332 1. A bschnitt: Beschwerde....................§§283 - 292

2. A bschnitt: Berufung und Urteilsrüge §§ 293—325 1. Unterabschnitt: Gemeinsame Vor­ schriften ....................................... 88 293-296 2. Unterabschnitt: Berufung . . . . §§ 297—310 3. Unterabschnitt: Urteilsrüge . . . §§ 311—325 3. A bschnitt: Wahrung der Rechts­ einheit ................................................... §§326—332 Drittes HauptstÜck.

Andere Rechtsbehelfe.SS 333-350 1. A bschnitt: Wiederholung einer ver­ säumten Hauptverhandlung . . . . §§ 333 —335 2. A bschnitt: Wiederaufnahme des Verfahrens ....................................... SS 336-350

Viertes Buch. Besondere V erfah ren .§§351-415 Erstes Hauptstück.

Vereinfachte Verfahren.

. . . §§ 351 -365

1. A bschnitt: Schnellverfahren. . . . §§ 351—355 ! 2. A bschnitt: S trafb efeh l.§§ 356 -3 6 5 |

Zweites Hauptstück.

Verfahren gegen Flüchtige und A bw esende ................................... §§ 366-377 1. A bschnitt: Hauptverhandlung gegen Flüchtige............................................... §§ 366-372 2. A bschnitt: Verfahren gegen Abwe­ sende, die sich der Wehrpflicht entzogen h a b e n ........................................................ §§373-377 Drittes Hauptstück.

Verfahren mit besonderen A u fg a b en .................................§§378-415 1. 2. 3. 4.

A bschnitt: Sicherungsverfahren . . §§ 378—381 A bschnitt: Einziehungsverfahren . §§382—360 A bschnitt: Ehrenschutz des Verletzten §§ 391—408 A bschnitt: Entschädigung des Ver­ letzten . ................................................§§409-415

Fünfte» Buch. Koste«.......................................... §§416—434

Vorbemerkung Die Zahlen in der Klammer über den Paragraphenüberfchriften weisen auf die entsprechenden Paragraphen in dem von der kleinen Strafprozeßkommission des Reichs­ justizministeriums aufgestellten Vorentwurs hin. Die angeführten Paragraphen des Strafgesetzbuchs betreffen die Vorschriften des Entwurfs eines • Deutschen Strafgesetzbuchs in der Fassung der Kabinettsvorlage.

7 8 § 4 (§ 22) V e r n e h m u n g des Beschuldigten

Slrafverfahrensordnung Erstes Buch

Gang des Verfahrens Erstes Hauptstück Das Vorverfahren § 1 (§ 1 3 )

Anzei gen Jederm ann kann S tra fta te n bei dem S ta a ts ­ anw alt anzeigen. D ie Anzeige kann auch bei der Polizei oder beim Amtsgericht erstattet werden. S ie ist unverzüglich an den S ta a tsa n w a lt weiterzuleiten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Uber die mündliche Anzeige wird eine Nieder­ schrift oder ein Vermerk aufgenommen. § 2 (§ 18) Unnatürlicher Tod Liegt ein A nhalt dafür vor, daß jemand eines unnatürlichen Todes gestorben ist, oder w ird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so hat dies die Polizei dem S ta a tsa n w a lt oder dem Amtsrichter sofort anzuzeigen. Diese Pslicht hat auch die G e­ meindebehörde, wenn nicht schon die Polizei die A n­ zeige erstattet hat. D er T ote darf erst nach schriftlicher Genehmigung des S ta a tsa n w a lts oder des Am tsrichters bestattet werden. I s t der Verdacht einer S tra fta t nicht offen­ bar unbegründet, so soll vor E rteilung der Genehm i­ gung in der Regel ein A m tsarzt zur Feststellung der Todesursache zugezogen werden. Die Feuerbestattung bedarf der besonderen Genehmigung des S ta a ts ­ anw alts. § 3 (§§ 14, 15) Ziel der E r m i t t l u n g e n E rfäh rt der S ta a tsa n w a lt von dem Verdacht einer m it S trafe bedrohten T a t, so prüft er den Sach­ verhalt und nim m t die E rm ittlungen vor, die zur Entscheidung darüber nötig sind, ob die Anklage zu erheben oder das V erfahren einzustellen ist. D abei achtet er aus alles, w as den Beschuldigten belasten oder entlasten kann. D er S ta a tsa n w a lt erm ittelt auch die Umstände, die für die Strafbemessung und für die A nordnung sichernder M aßregeln von Bedeutung sind. E r sorgt für die Sicherung der Beweise, deren Verlust zu befürchten ist.

S o ll Anklage erhoben werden, so ist der B e­ schuldigte zuvor zu vernehmen. I n einfacheren Sachen genügt es, daß er sich schriftlich äußert. B eantragt der Beschuldigte die Aufnahme von Beweisen, so erhebt sie der S ta a tsa n w a lt, wenn sie von Bedeutung sind. § 5 (§ 16 Abs. 1) S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s im V o r v e r f a h r e n D er S taatsallw alt ist der H err des V orver­ fahrens. E r bestimmt den G ang der Erm ittlungen lmd -verfügt im Rahmen des Gesetzes über alle zur verantwortlichen Führung des Vorverfahrens er­ forderlichen M ittel und Zwangsbefugnisse. § 6 (§ 16 Abs. 2, 3) ( Ei gene E r m i t t l u n g e n des Staatsanwalts D er S ta a tsa n w a lt soll in Strafsachen von größerer Bedeutung die wichtigen Erm ittlungell selbst vornehmen, insbesondere selbst den Beschul­ digten vernehmen, lind sich von den wesentlichen B e­ weisen einen unm ittelbaren Eindruck verschaffen. Sow eit der S ta a tsa n w a lt Erm ittlungen nicht selbst vornilnm t, hat er sie zu leiten. § 7 (§ 17) Unterstützung des S t a a t s a n w a l t s durch di e P o l i z e i Die Polizei hat den S ta a tsa n w a lt bei der Auf­ klärung des Sachverhalts und der Verfolgung des T ä ters zu unterstützen. D ie Polizeibehörden sind verpslichtet, den E r ­ suchen des S ta a tsa n w a lts zu entsprechen. Die zu Hilfsbeamten des S ta a tsa n w a lts bestellten Beam ten der O rdnungs- und Sicherheitspolizei haben die Weisungen des S ta a tsa n w a lts zu befolgen. *) E rfährt die Polizei von dem Verdacht einer m it S tra fe bedrohten T at, so hat sie die zum ersten A n­ griff erforderlichen M aßnahm en zu treffen, ohne E r ­ suchen oder Weisungen des S taa tsa n w a lts abzu­ w arten. Bei Gefahr im Verzug hat sie auch in schwebenden Verfahren die unaufschiebbaren M aß ­ nahmen von sich aus zu ergreifen, wenn es unmöglich ist, vorher die Weisung des S taa tsa n w a lts einzu­ holen. D er S ta a tsa n w a lt ist stets sofort zu benach­ richtigen und über den S ta n d der Erm ittlungen auf dem Lausenden zu halten. I n Strafsachen von ge­ ringerer Bedeutung genügt es, dem S taatsan w alt erst beim Abschluß der E rm ittlungen zu berichten, wenn er nicht aus besonderen G ründen schon früher unter­ richtet werden muß. 1) I m Einführungsgesetz ober an anderer S telle wird zu bestimmen sein, datz der Reichsminister des In n e r n im E in ­ vernehm en m it dem Reichsminister der Ju stiz die H ilfs­ beam ten des S ta a tsa n w a lts bestellt.

9 10 § 8 (§ 20) Unterstützung des S t a a t s a n w a l t s durch d e n R i c h t e r Der Staatsanw alt darf aus besonderen Gründen den Amtsrichter ersuchen, Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Der Amtsrichter darf das Ersuchen nur ablehnen, wenn die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. Bei Gesahr im Verzug hat der Amtsrichter von Amts wegen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Is t die schleunige Vornahme einer Untersuchungs­ handlung erforderlich, so kann die Polizei sich un­ mittelbar an ihn wenden. Die weitere Verfügung gebührt dem Staatsanw alt. Vernimmt der Richter einen festgenommenen oder verhafteten Beschuldigten und beantragt dieser die Ausnahme von Beweisen, die von Bedeutung sind, so soll der Richter sie erheben, wenn ihr Verlust droht oder wenn sie ohne wesentliche Verzögerung erhoben werden und zur Freilassung des Beschul­ digten führen können. § 9 (§§ 19, 21) Vorwegnähme einer B ew eisauf­ n a h me des H a u p t v e r f a h r e n s D er Staatsanw alt ersucht den Richter um eine vorbereitende Beweisaufnahme, wenn die Ver­ nehmung eines Zeugen oder Sachverständigen oder die Einnahme eines Augenscheins in der Hauptver­ handlung voraussichtlich nicht möglich ist und deshalb vorweggenommen werden soll. Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge zur Erzwingung einer wahren Aussage eidlich vernommen werden soll. Der S taatsanw alt richtet das Ersuchen an den Vorsitzer des Gerichts, bei dem er die Anklage zu erheben beabsichtigt, oder an den Amtsrichter des Bezirks, in dem die Handlung vorzunehmen ist. Der Vorsitzer kann einen Richter seines Gerichts mit der Untersuchungshandlung beauftragen. D as Ersuchen darf nur abgelehnt werden, wenn die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. F ü r die Teilnahme des Staatsanw alts, des Ver­ teidigers und des Beschuldigten an der Untersuchungs­ handlung gelten die Vorschriften über das Hauptversahren (§ 40) entsprechend. S ie gelten auch dann, wenn der Richter solche Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzug von Amts wegen vornimmt. § 10 (neu) Abschluß der E r m i t t l u n g e n Nach dem Abschluß der Ermittlungen teilt der Staatsanw alt, bevor er die Anklage vor der Schössenkammer oder einem höheren Gericht erhebt, das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dem Beschul­ digten mündlich oder schriftlich mit und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. E r kann hiervon absehen, wenn der Beschuldigte aus eine zur Ent­ gegennahme der Mitteilung an ihn ergehende Ladung nicht erscheint, aus die Anhörung verzichtet oder ab­ wesend ist. Der Abschluß der Ermittlungen wird in den Akten vermerkt.

Grundsatz

des

§ 11 (§ 25) Verfolgungszwanges

Der Staatsanw alt hat die Anklage zu erheben, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen ge­ nügender Verdacht besteht, daß der Beschuldigte eine S traftat begangen habe. § 12 (§ 26) Nichtver fol gung wegen

geringer

Schul d Ist die Schuld des Täters gering und würde der Richter voraussichtlich von Strafe absehen oder höchstens auf Gefängnis, Festungshaft oder Haft von einem M onat oder Geldstrafe von dreißig Tages­ bußen, allein oder nebeneinander, erkennen, so kann der S taatsanw alt von der Verfolgung absehen, wenn sie nicht zur Sühne oder zum Schutz der Volksgemein­ schaft geboten ist. § 13 (§ 27) Ausscheidung von Unwesentlichem Hat der Beschuldigte mehrere Taten, eine fort­ gesetzte Handlung oder durch eine und dieselbe T at mehrere Rechtsverletzungen begangen, so soll der Staatsanw alt solche Taten, abtrennbare Tatteile oder Rechtsverletzungen nicht verfolgen, die bei der Ge­ samtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Ist der Beschuldigte wegen einzelner von mehreren Taten schon verurteilt worden, so soll der S ta a ts­ anwalt von der Verfolgung der übrigen auch dann absehen, wenn sie angesichts der bereits verhängten Strafe oder sichernden Maßregel nicht ins Gewicht fallen. Der fortgesetzten Handlung stehen eine gewerbsoder gewohnheitsmäßig begangene T at und andere Sammeltaten gleich. § 14 (§ 30) S c h u tz f ü r d i e O p f e r

einer

Er p r e s s u n g Ist eine Erpressung durch die Drohung begangen worden, eine S traftat zu offenbaren, und führt der Bedrohte die Verfolgung des Erpresiers herbei, so verfolgt der Staatsanw alt die Tat, deren Offen­ barung angedroht worden ist, nur dann, wenn es zur Sühne oder zum Schutz der Volksgemeinschaft un­ erläßlich ist. Der Staatsanw alt kann auch von der Verfolgung derjenigen absehen, die an dieser T at als M ittäter, Anstifter oder Gehilfen teilgenommen haben. Ist die Verfolgung des Erpressers auf andere Weise herbeigeführt worden, so kann der S ta a ts ­ anwalt von der Verfolgung der Tat, deren Offen­ barung angedroht worden ist, absehen, wenn sie mit Rücksicht auf die Schutzvorschrift des Abs. 1 eine unbillige Härte wäre. Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Der Erpressung stehen die Nötigung zur Unzucht und andere Nötigungen gleich.

11 12 § 15 (§ 28) A n h ö r u n g des Verletzten Ist nach den Strafgesetzen der Verletzte vor der Erhebung der Anklage zu hören, so steht die Ver­ folgung der T at im Ermessen des Staatsanw alts. Beantragt der Verletzte, die T at nicht zu verfolgen, so wird die Anklage nur erhoben, wenn dies trotz des Antrags des Verletzten vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus geboten ist. Diese Vorschriften gelten entsprechend, wenn nicht der Verletzte, sondern ein anderer vor der Erhebung der Anklage zu hören ist. § 16 (§ 29) Z u l ä s s i g k e i t des f r i e d e n s r i c h t e r ­ lichen V e r f a h r e n s Is t wegen einer T at das Verfahren vor dem Friedensrichter zulässig, so verfolgt sie der S ta a ts­ anwalt nur dann, wenn es geboten ist, sie mit den M itteln des Strafrechts zu ahnden. Verfolgt der Staatsanw alt die T at nicht, so belehrt er den Verletzten darüber, daß er den Friedensrichter anrufen könne. § 17 (§ 31 Abs. 1) A u s l a n ds t a t en Begeht ein deutscher Staatsangehöriger eine Tat im Ausland 2), so kann der Staatsanw alt von ihrer Verfolgung absehen, wenn vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus die Verfolgung dem Ausland überlassen werden kann oder wenn sie auf unver­ hältnismäßig große Schwierigkeiten stößt. Taten, die ein Ausländer im Ausland begeht, werden nur auf Anordnung des Reichsministers der Justiz verfolgt.

Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen würde und wenn auch die Voraussetzungen für das Ver­ fahren gegen Flüchtige oder Abwesende nicht vor­ liegen. § 20 (§ 33) V e r f o l g u n g weit zurückliegender Taten Der Staatsanw alt kann von der Verfolgung einer T at absehen nach drei Jahren, wenn der Richter voraussicht­ lich höchstens auf Haft, Festungshaft, Geldstrafe, allein oder nebeneinander, erkennen würde, nach fünf Jahren, wenn der Richter voraussicht­ lich höchstens auf Gefängnis, allein oder neben einer Ehrenstrafe, erkennen würde, nach zehn Jahren, wenn der Richter voraussicht­ lich höchstens auf zeitiges Zuchthaus, allein oder neben einer Ehrenstrafe, erkennen würde. Der Zeitablauf ist ohne Einfluß auf die Ver­ folgung einer Tat, wenn die Todesstrafe oder lebens­ langes Zuchthaus zu erwarten ist. § 21 (§ 34) U n z ul ä s s i gke i t der Ver sol gu n g wegen Z e i t a b l a u f s Der S taatsanw alt verfolgt eine T at nicht mehr nach fünf Jahren, wenn der Richter voraussichtlich höchstens auf Haft, Festungshaft oder Geldstrafe, allein oder nebeneinander, erkennen würde, nach zehn Jahren, wenn der Richter voraussichtlich höchstens aus Gefängnis, allein oder neben einer Ehrenstrafe, erkennen würde.

§ 18 (§ 27 Abs. 3) Vollstreckung e i n e r a u s l ä n d i s c h e n Strafe Der Staatsanw alt braucht eine T at nicht zu ver­ folgen, wenn gegen den Beschuldigten wegen derselben T at im Ausland bereits eine Strafe vollstreckt worden ist und die im In lan d zu erwartende S trafe nach Anrechnung der ausländischen Strafe nicht mehr ins Gewicht fällt. § 19 (§ 31 Abs. 2) A u f e n t h a l t i m A u s l a n d 3) Der Staatsanw alt kann von der Verfolgung eines Beschuldigten, der sich im Ausland aufhält, absehen, wenn die Auslieferung des Beschuldigten nicht mög­ lich ist oder der damit verbundene Aufwand außer 2) Es wird noch zu prüfen sein, ob der im Ausland be­ gangenen Tat eine Tat gleichgestellt werden kann, die auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug im Inland begangen worden ist. Der Prüfung bedarf auch die Fracie. ob im § 84 EStGB. das Wort „Seeschiff" durch „Schiff" zu ersetzen ist. 3) Die Fälle des § 154 a Abs. 1, 2 StPO , sollen im Aus­ lieferungsgesetz geregelt werden.

§ 22 (§ 35) Beginn

it n b R u h e n

der

Fristen

Die Fristen (§§ 20, 21) beginnen, wenn die straf­ bare Tätigkeit abgeschlossen ist oder das strafbare Verhalten aushört. Gehört zum Tatbestand der E in­ tritt eines Erfolges, so beginnen die Fristen erst, wenn der Erfolg eintritt. Die Fristen laufen nicht, solange nach gesetzlicher Vorschrift die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Wird die T at nur auf An­ ordnung, mit Zustimmung oder auf Verlangen einer Dienststelle verfolgt, so laufen jedoch die Fristen, auch wenn diese Voraussetzungen fehlen. Der Fristenlauf ruht auch, solange gegen den Täter das Strafverfahren bei Gericht anhängig ist. § 23 (§§ 36, 37, 40 Satz 2) Erhebung

der

Anklage

Der S taatsanw alt erhebt die Anklage durch E in­ reichung einer Anklageschrift bei dem Vorsitzer des zuständigen Gerichts. Sie enthält den Antrag, die Hauptverhandlung anzuordnen.

13 14 I n der Anklageschrift werden angegeben: 1. der Name, Rufname, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Angeklagten, bei Frauen auch der Mädchenname, sowie die S ta a ts­ angehörigkeit, wenn der Angeklagte Aus­ länder ist; 2. die T at, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und O rt ihrer Begehung, die straf­ bare Handlung, die sie darstellt, und die anzu­ wendenden Strafvorschriften (Anklagesatz); 3. die Zeugen und anderen Beweismittel; 4. das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen; hiervon kann bei Anklagen vor dem Amts­ richter abgesehen werden; 5. das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll; 6. der Verteidiger; 7. die Dauer einer etwaigen Untersuchungshaft oder anderen Freiheitsentziehung, zu der die T at Anlaß gegeben hat. M it der Einreichung der Anklageschrift wird das Verfahren bei Gericht anhängig. § 24 (§ 38) Zur ücknahme der Ankl age Der Staatsanw alt kann die Anklage bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurücknehmen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. § 25 (§ 39) Zurücknahme der A n o r d n u n g , der Z u s t i mmu n g und des V e r l a n g e n s Wird die T at nach den Strafgesetzen nur auf Anordnung, mit Zustimmung oder auf Verlangen einer Dienststelle verfolgt, so kann die Erklärung bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen werden. Die in den Strafgesetzen vorgesehene Anordnung, die T at nicht zu verfolgen, ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung zulässig. § 26 (§ 23) Ei n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s Der Staatsanw alt stellt das Verfahren ein, wenn er nach Abschluß der Ermittlungen die Anklage nicht erheben oder nicht durchführen will. Die Einstellung steht einer erneuten Aufnahme des Verfahrens nicht entgegen. § 27 (§ 24) Einstellungsbescheid Gibt der Staatsanw alt einer Anzeige keine Folge oder stellt er das Verfahren ein, so erteilt er dem Anzeiger einen Bescheid, der mit Gründen zu ver­ sehen ist. Dem Beschuldigten teilt der Staatsanw alt die Einstellung des Verfahrens stets mit, wenn ein Richter oder Staatsanw alt ihn vernommen hat oder

ein Zwangsmittel gegen ihn angewendet worden ist, sonst nur, wenn der Beschuldigte an der Mitteilung ein berechtigtes Interesse hat. Hat sich ergeben, daß der Beschuldigte unschuldig ist oder daß gegen ihn kein begründeter Verdacht mehr besteht, so ist ihm dies bekanntzugeben. 4)

Zweites Hauptstück Das Hauptverfahren Erster Abschnitt

An o r d n u n g

der Ha u p t v e r h a n d l u n g

Mitteilung

§ 28 (§ 4 1 ) der Ankl ageschr i f t

Der Vorsitzer läßt die Anklageschrift dem Ange­ klagten zustellen. Ist die Anklage vor der Schöffenkammer oder einem höheren Gericht erhoben, so wird der Ange­ klagte zugleich daraus hingewiesen, daß er innerhalb einer Frist von einer Woche Einwendungen gegen die Anordnung der Hauptverhandlung erheben und einzelne Beweisanträge zur Abwendung der Haupt­ verhandlung stellen kann. Der Vorsitzer kann aus wichtigen Gründen die Frist verlängern. I n allen Sachen wird der Angeklagte daraus hin­ gewiesen, daß er beantragen kann, zur Hauptverhand­ lung Zeugen oder Sachverständige zu laden oder andere Beweismittel herbeizuschaffen, und daß er dabei die Tatsachen angeben muß, die durch die Be­ weismittel bewiesen werden sollen. Der Staatsanw alt wird zu den Einwendungen und Beweisanträgen des Angeklagten gehört. § 29 (neu)

We i t e r e A u f k l ä r u n g Der Vorsitzer kann den Staatsanw alt ersuchen, weitere Ermittlungen vorzunehmen. Er kann zur weiteren Aufklärung auch selbst Be­ weise erheben und damit einen Richter seines Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. Der S taatsanw alt wird von dem Ergebnis der E r­ mittlungen unterrichtet. Über Beweisanträge des Angeklagten entscheidet der Vorsitzer durch Beschluß. Der Angeklagte wird darüber belehrt, daß er einen abgelehnten Beweis­ antrag in der Hauptverhandlung wiederholen kann. § 30 (§ 42 Abs. 1) A n o r d n u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g dur ch d e n Vo r s i t z e r Hat der Vorsitzer keine Bedenken, so ordnet er die Hauptverhandlung an. Andernfalls führt er die Entscheidung des Gerichts herbei. 4) Es wird zu Prüfen sein, ob sich aus dieser Vorschrift Folgerungen für die Vorschriften über die Entschädigung des Beschuldigten ergeben.

15 16 § 31 (neu) § 35 (§ 50) Entschei dung des Gerichts V o r l ä u f i g e E i n s t e l l u n g des Verfahrens Das Gericht lehnt die Anordnung der Haupt­ verhandlung ab, wenn es nach seiner Überzeugung aus Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderes ist, daß die Hauptverhandlung zur Verurteilung des in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so Angeklagten führen wird. kann das Gericht das Verfahren vorläufig durch E s lehnt die Anordnung der Hauptverhandlung Beschluß einstellen. Der Vorsitzer sichert, soweit nötig, wegen Unzuständigkeit ab: die Beweise. 1. wenn in seinem Bezirk kein Gerichtsstand begründet ist, Zweiter Abschnitt 2. wenn die Sache ausschließlich zur Zuständigkeit eines höheren Gerichts oder eine vor dem Vorbereitung Schwurgericht oder einem höheren Gericht an­ der H a u p t v e r h a n d l u n g hängige Sache zur Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung gehört oder wenn es nach § 36 (§ 42) der Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen ist, Anberaumung lediglich auf eine innerhalb seiner Strasgewalt der H a u p t v e r h a n d l u n g liegende Strafe oder sichernde Maßregel zu er­ kennen. Der Vorsitzer bestimmt Ort und Zeit der Haupt­ Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ordnet verhandlung. das Gericht die Hauptverhandlung an. Er bestimmt, welche Zeugen und Sachverständigen Is t Anklage wegen mehrerer Taten erhoben und zu laden und welche Beweismittel sonst herbei­ wird die Anordnung der Hauptverhandlung nur zuschaffen sind. Wenn ein Angeklagter oder ein Zeuge wegen einzelner von ihnen abgelehnt, so werden nicht aus freiem Fuß ist, so ordnet er die Vor­ diese Taten in dem Beschluß bezeichnet. führung an. Der ablehnende Beschluß wird dem Staatsanw alt und dem Angeklagten bekannt gegeben. § 37 (§ 43) § 32 (neu) L a d u n g des A n g e k l a g t e n Anfechtung Der Angeklagte wird zur Hauptverhandlung ge­ Gegen den ablehnenden Beschluß steht dem laden. Dabei wird er, wenn der Vorsitzer nichts Staatsanw alt die befristete Beschwerde zu. Hat die anderes bestimmt, daraus hingewiesen, daß er bei Strafkammer den Beschluß erlassen, so ist Beschwerde­ unentschuldigtem Ausbleiben vorgeführt oder ver­ gericht das Reichsgericht. Ordnet das Beschwerde­ haftet werden kann. Kann nach § 50 Abs. 2 ohne den Angeklagten gericht die Hauptverhandlung an, so kann es zugleich bestimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem verhandelt werden, so läßt der Vorsitzer den Ange­ anderen Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. klagten darauf hinweisen. Die Hauptverhandlung findet erst eine Woche nach I m übrigen kann die Entscheidung über die An­ ordnung der Hauptverhandlung nicht angefochten Zustellung der Ladung statt. Der Vorsitzer kann diese Frist abkürzen, wenn der Angeklagte damit einver­ werden. standen ist oder wenn die Hauptverhandlung auf einen § 33 (neu) späteren Zeitpunkt verlegt oder wenn sie ausgesetzt wird. Rechtskraft Is t die Anordnung der Hauptverhandlung nicht lediglich wegen Unzuständigkeit durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt worden, so kann die Anklage n ur aus Grund neuer Tatsachen oder Beweis­ mittel erneuert werden. § 34 (neu) E i n s t e l l u n g d e s V e r f a h r e n s na c h A n o r d n u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g Stellt sich nach der Anordnung der Hauptverhandlung heraus, daß dem Verfahren ein Ver­ fahrenshindernis entgegensteht, so kann das Gericht das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß einstellen. Der Beschluß ist mit der befristeten Beschwerde anfechtbar.

§ 38 (§ 44) L a d u n g des V e r t e i d i g e r s Der bestellte Verteidiger wird stets geladen, der gewählte Verteidiger dann, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. § 37 Abs. 3 gilt entsprechend. § 39 (§ 46) Vorbereitende Beweisaufnahme Eine Beweisaufnahme zur Vorbereitung der Hauptverhandlung findet nur in folgenden Fällen statt: 1. Ein Zeuge oder Sachverständiger wird außer­ halb der Hauptverhandlung durch einen Richter vernommen, wenn ihn Krankheit, Gebrechlich-

17 18 feit oder andere nicht zu beseitigende Uniftötibe längere Zeit verhindern, in der Hauptverhand­ lung zu erscheinen. 2. Dasselbe gilt, wenn einem Zeugen oder Sach­ verständigen wegen des Zeitverlustes oder wegen ungünstiger Verkehrsverhältnisse nicht zugemutet werden kann, in der Hauptverhand­ lung zu erscheinen. 3. Ein richterlicher Augenschein kann zur Vor­ bereitung der Hauptverhandlung stets ange­ ordnet werden. Die vorbereitende Beweisausnahme ist unzulässig, wenn die Erforschung der Wahrheit darunter leiden würde. Eine vorbereitende Beweisaufnahme kann auch während der Hauptverhandlung angeordnet werden. § 40 (§ 47) V e r f a h r e n bet der v o r b e r e i t e n d e n Beweisaufnahme Der Staatsanw alt, der Verteidiger und der An­ geklagte können an einer vorbereitenden Beweisauf­ nahme teilnehmen. Ort und Zeit werden ihnen mitgeteilt. Wenn nicht Gefahr im Verzüge ist, muß ihnen die Mitteilung so rechtzeitig zugehen, daß ihnen die Teilnahme möglich ist. Ih re r Anwesenheit bedars es nicht. Ist der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so wird er vorgeführt. Die Vorführung unterbleibt nur, wenn die Bedeutung der Sache und die Verteidigung des Angeklagten die Vorführung nicht erfordern. Die §§ 49, 54 gelten entsprechend. § 41 5) (§ 48) B e f r e i u n g des A n g e k l a g t e n von Pflicht zum Erscheinen

klagten einen Richter seines Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. § 43 (§ 51) M itteilung über di e H a u p tv e r h a n d ­ lung Dem Staatsanw alt, dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten und seinem Beistand werden O rt und Zeit der Hauptverhandlung mitgeteilt. Der Staatsanw alt, der Verteidiger und der An­ geklagte werden davon benachrichtigt, welche Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhandlung geladen und welche Beweismittel sonst herbeigeschafft werden. Spätere Änderungen werden mitgeteilt.

D ritter Abschnitt

Ha u p t v e r h a n d l u n g § 44 (§ 52) E n t s c h e i d u n g durch U r t e i l Das Gericht entscheidet über die Anklage auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil.

§ 45 (§ 53) Vorsitzer und

Gericht

Der Vorsitzer leitet die Verhandlung. E r trifft die Entscheidungen, die dem Urteil vorangehen. Die anderen Richter beraten ihn.

der

I m Verfahren vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht kann der Vorsitzer dem Angeklagten auf seinen Antrag gestatten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, wenn zu erwarten ist, daß gegen ihn höchstens auf Gefängnis oder Haft bis zu sechs Mo­ naten, auf Geldstrafe, Verfallerklärung, Bekannt­ machung der Verurteilung, Verwarnung mit S traf­ vorbehalt, Einziehung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, erkannt werden wird. Geschieht dies, so wird der Angeklagte über seine persönlichen Verhältnisse und über die Anklage durch einen Richter vernommen. F ü r die Anwesenheit des Staatsanw alts, des Verteidigers und von Mitangeklagten gilt § 40 ent­ sprechend. § 42 (§ 49) D u r c h f ü h r u n g der v o r b e r e i t e n d e n Beweisaufnahme Der Vorsitzer kann mit einer vorbereitenden Be­ weisaufnahme und mit der Vernehmung des Ange5) Die Prüfung der Frage, ob eine Befreiung auch im Berufungsrechtszug zugelassen werden soll, bleiot vorbe­ halten.

§ 46 (§ 54) A nwe s e n h e i t der M i t w i r k e n d e n Die zur Urteilsfindung berufenen Richter, der S taatsanw alt und der Schriftführer müssen in der Hauptverhandlung ständig anwesend sein.

§ 47 (§ 55) Pflicht des A n g e k l a g t e n zum

Er s c he i ne n Der Angeklagte muß in der Hauptverhandlung anwesend sein, soweit das Gesetz nichts anderes be­ stimmt. Bleibt er trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Entschuldigung aus, so kann er vorgeführt oder verhaftet werden. Die Hauptverhandlung wird auf Antrag des An­ geklagten ausgesetzt, wenn die Ladungssrist nicht ein­ gehalten ist. Nach dem Beginn der Vernehmung über die Anklage kann der Angeklagte diesen Antrag nicht mehr stellen. Hierauf wird er hingewiesen. . Dasselbe Recht hat der Verteidiger, wenn die Ladungssrist ihm oder dem Angeklagten gegenüber nicht eingehalten worden ist.

19 20 § 48 (§ 56) P s l i ch t d e s A n g e k l a g t e n z u r Anwesenheit Der Angeklagte darf sich aus der Hauptverhand­ lung nicht entfernen. Der Vorsitzer trifft die Maß­ nahmen, die notwendig sind, um eine Entfernung zu verhindern; während einer Unterbrechung der Ver­ handlung kann er den Angeklagten in Gewahrsam halten lassen. Einem Mitangeklagten kann der Vorsitzer ge­ statten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, während Fragen erörtert werden, an denen er nicht beteiligt ist. Entfernt sich der Angeklagte ohne genügende E nt­ schuldigung oder bleibt er nach einer Unterbrechung aus, so kann die Hauptverhandlung ohne ihn zu Ende geführt werden, wenn er schon über die Anklage ver­ nommen worden ist und der Vorsitzer seine Anwesen­ heit nicht mehr für geboten hält.

§ 51 (§ 60) Verhandlung

ohne

den

Verteidiger

Bleibt in den Fällen der notwendigen Verteidi­ gung (§ 127) oder der Bestellung eines Verteidigers (§ 128) der Verteidiger aus oder entfernt er sich vor­ zeitig, lehnt er die Verteidigung ab oder kann er sie nicht fortführen, so bestellt der Vorsitzer sofort einen neuen Verteidiger. E r kann stattdesien die Verhand­ lung unterbrechen oder aussetzen. Erklärt der neue Verteidiger, daß er ohne Vorbereitung nicht ver­ teidigen könne, so wird die Hauptverhandlung unter­ brochen oder ausgesetzt. S ind in den Fällen der §§ 127, 128 für M itangeklagte verschiedene Verteidiger tätig, so kann der Vorsitzer bestimmen, daß die Anwesenheit eines Ver­ teidigers entbehrlich ist, während Fragen erörtert werden, an denen der von ihm verteidigte Angeklagte nicht beteiligt ist. § 52 (§ 331)

§ 49 (§ 57) V o r ü b e r g e h e n d e Allsschließung eines Angeklagten Der Vorsitzer darf einen Angeklagten während der Aussage eines Mitangeklagten, Zeugen oder Sach­ verständigen von der Verhandlung fernhalten, wenn u befürchten ist, daß seine Anwesenheit die Wahreitserforschung erheblich erschweren würde. Dasselbe gilt, wenn zu befürchten ist, daß E rör­ terungen über den körperlichen oder geistigen Zustand des Angeklagten oder über ärztliche Fragen in Gegen­ wart des Angeklagten seine Gesundheit ernstlich gefährden würden. Voraussetzung ist, daß die E r­ forschung der Wahrheit darunter nicht leidet. Der Vorsitzer unterrichtet den Angeklagten vom wesentlichen In h a lt dessen, was in seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Nach Abs. 3 wird auch daml verfahren, wenn der Angeklagte wegen ordnungswidrigen Benehmens zeit­ weise von der Verhandlung ausgeschlossen worden ist. § 50 (§ 58) Verhandlung

ohne den A n g e k l a g t e n

Bleibt der Angeklagte mit Erlaubnis des Vor­ sitzers der Hauptverhandlung fern, so darf gegen ihn nur auf die in § 41 Abs. 1 genannten Strafen und Maßregeln erkannt werden. Bleibt der Angeklagte trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Entschuldigung aus, so darf ohne ihn verhandelt werden, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe, Verfall­ erklärung, Bekanntmachung der Verurteilung, Ver­ warnung mit Strafvorbehalt, Einziehung oder Un­ brauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. Der Angeklagte muß aus die Zulässigkeit dieses Verfahrens in der Ladung hingewiesen werden. Das Gericht darf nur aus die genannten Strafen und Maßregeln erkennen.

Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung Hat der Angeklagte ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung ganz oder teilweise versäumt und ist ein Urteil auf Grund des § 48 Abs. 3 oder des § 50 Abs. 2 ergangen, so ist die Hauptverhandlung auf seinen Antrag zu wiederholen. D as Verfahren richtet sich nach §§ 333 bis 335. § 53 (§ 61) Gang

der H a u p t v e r h a n d l u n g

Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache durch den Vorsitzer. E r stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die ge­ ladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzer vernimmt den Angeklagten über seine per­ sönlichen Verhältnisse. Der S taatsanw alt trägt die Anklage mit dem Anklagesatz vor; dabei bleiben die­ jenigen Taten unberücksichtigt, wegen deren die An­ ordnung der Hauptverhandlung abgelehnt ist. Hier­ auf gibt der Vorsitzer dem Angeklagten Gelegenheit zu einer Erklärung über die Anklage. Wird ohne den Angeklagten verhandelt, so werden die Erklärungen, die er bei seiner früheren Ver­ nehmung vor einem Richter oder Staatsanw alt ab­ gegeben hat, verlesen; andere Erklärungen des Ange­ klagten können verlesen werden. E s folgen die Ausnahme der Beweise und die Schlußvorträge des S taatsanw alts und des Ver­ teidigers. Der Angeklagte hat das letzte Wort. Die Hauptverhandlung schließt mit der Ver­ kündung des Urteils. § 54 (§ 62) Fragerecht Der Vorsitzer gestattet den Richtern, dem S ta a ts­ anwalt, dem Verteidiger und dem Angeklagten,

21 22 Fragen an die Zeugen und Sachverständigen zu richten. Fragen, die nicht zur Sache gehören oder die ungeeignet sink, weist er zurück. § 55 (§ 63) A u s d e h n u n g der Ankl age Erstreckt der Staatsanw alt die Anklage aus weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren ein­ beziehen, wenn es für sie zuständig und der An­ geklagte anwesend ist. Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Die mündliche Anklage hat den In h a lt, der für den Anklagesatz vorgeschrieben ist. Sie wird in die Niederschrift ausgenommen. Auf Antrag des Angeklagten wird die Verhand­ lung auf mindestens eine Woche unterbrochen. Auf das Recht, dies zu beantragen, wird er hingewiesen. § 56 (§ 64) Ausschei dung von Unwes ent l i chem D as Gericht kann die Verhandlung 5a) mit Zu­ stimmung des Staatsanw alts auf einzelne von mehreren Taten des Angeklagten beschränken, wenn die übrigen Taten bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Aus demselben Grunde kann das Gericht die Ver­ handlung auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder aus einzelne von mehreren Rechtsverletzungen beschränken, die durch eine und dieselbe T at begangen worden sind. Die Beschränkung kann schon bei der Anordnung der Hauptverhandlung beschlossen werden. Die ausgeschiedenen Taten, Tatteile oder Rechts­ verletzungen können im Lause der Verhandlung jederzeit wieder in das Verfahren einbezogen werden. Geschieht dies nicht, so wird das Verfahren im Urteil eingestellt, soweit Taten ausgeschieden worden sind.

soweit es die §§ 59 bis 63 gestatten, darf als Ersatz der Vernehmung eine schriftliche Erklärung oder die Niederschrift über eine frühere Vernehmung verlesen werden. Voraussetzung ist, daß die Erforschung der Wahrheit darunter nicht leidet. Schriftstücke und Druckschriften, die als Beweis­ mittel verwertet werden dürfen und wegen ihres In h a lts Bedeutung haben, werden in der Hauptver­ handlung verlesen. Der Vorsitzer kann stattdessen den wesentlichen In h a lt mitteilen; Voraussetzung ist, daßdie Erforschung der Wahrheit darunter nicht leidet. § 59 (§ 67) V e r l e s u n g schriftlicher E r k l ä r u n g e n Schriftliche Erklärungen von Dienststellen des Staates und der Partei, die ein Zeugnis oder Gut­ achten enthalten, dürfen verlesen werden. Dies gilt auch von Strafregisterauszügen, Äußerungen der Strafvollzugsbehörden und kriminalbiologischen Gut­ achten. Zeugnisse über den Leumund des Angeklagten dürfen nicht verlesen werden. Ein schriftliches Zeugnis oder Gutachten eines Arztes über eine Körperverletzung, die nicht gefähr­ lich oder schwer ist, darf verlesen werden. 6) § 60 (§ 68)

V e r l e s u n g v o n Ni e d e r s c h r i f t e n über eine v o r b e r e i t e n d e B e w e i s a u f n a h m e Die Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen darf verlesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 39 vorliegen und bei der Vernehmung nach den §§ 9, 40 verfahren worden ist. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben; dabei wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt oder weshalb dies unterlassen worden ist. Die Ver­ eidigung wird nachgeholt, wenn sie bei einer Ver­ nehmung in der Hauptverhandlung geboten wäre. Die Niederschrift über einen Augenschein, den ein Richter oder ein Staatsanw alt eingenommen hat, darf verlesen und von ihn: erläutert werden. § 61 (§ 69)

Umfang

§ 57 (§ 65) der B e w e i s a u f n a h m e

D as Gericht ist verpflichtet, von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig Uber die Ablehnung eines Beweisantrags ent­ scheidet der Vorsitzer durch Beschluß. § 58 (§ 66) U n m i t t e l b a r k e i t der Beweisaufnahme Wer über eine Tatsache krast eigener Wahrneh­ mung aussagen kann, wird selbst vernommen. Nur r,a) B ei der zweiten Lesung wird die Vorschrift m it § 13 in Einklang zu bringen sein.

V e r l e s u n g der A u s s a g e n n ic h t v e r n e h m b a r e r

Personen

Ist ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein M it­ beschuldigter verstorben oder war es nicht möglich, seinen Aufenthalt zu ermitteln, oder kann er alls einem cmbcmt Grunde in absehbarer Zeit weder vor dem erkennenden Gericht noch nach § 39 vernommen werden, so darf die Niederschrift über seine frühere Vernehmung oder eine von ihm stammende schriftliche Erklärung verlesen werden. Soweit dazu Anlaß be­ steht, sind Zeugen über den Hergang und den In h alt der früheren Vernehmung zu hören. Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge, ein Mitbeschul­ digter oder der Angeklagte die Aussage verweigert. § 60 Abs. 2 gilt entsprechend. (:) Nachprüfung vorbehalten.

23 24

§ 63 (§ 71) V e r l e s u n g zur Unt er s t üt zung des Gedächtnisses und zur K l ä r u n g von Widersprüchen

weil die T at nach dem gesunden Volksempfinden in Übereinstimmung mit dem Grundgedanken dieses Ge­ setzes Strafe verdient. Ebenso wird ferner verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung Umstände, die nach dem Gesetz die Strafe schärfen, oder die Voraus­ setzungen für eine sichernde Maßregel ergeben. Dies kann unterbleiben, wenn der Angeklagte nicht an­ wesend ist und der Hinweis für eine sachgemäße Ver­ teidigung nicht erforderlich erscheint. Dem Angeklagten wird auch Gelegenheit zur Ver­ teidigung gegeben, wenn der S taatsanw alt die An­ klage auf weitere Straftaten des Angeklagten aus­ dehnt.

Kann sich der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sachverständiger einer Tatsache nicht mehr erinnern, oder ergibt sich bei seiner Vernehmung ein Wider­ spruch zu einer Aussage, die er früher gemacht hat, so dürfen Erklärungen, die er bei seiner früheren Ver­ nehmung abgegeben hat, verlesen werden, um sein Gedächtnis zu unterstützen oder um den Widerspruch festzustellen oder aufzuklären.

§ 68 (§ 76) Einheitsstrafe Bei der Bildung einer Einheitsstrafe (§§ 58, 63 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs) kann das Gericht tatsäch­ liche Feststellungen und Wertungen des früheren Ur­ teils seiner Entscheidung zugrundelegen.

§ 62 (§ 70) Verlesung zurBeweisausnahme über ein G e s t ä n dn i s Erklärungen, die der Angeklagte bei einer Ver­ nehmung abgegeben hat, dürfen zum Beweise darüber, ob er ein Geständnis abgelegt habe, verlesen werden.

§ 64 (§ 72)

Di ens t l i che Ä u ß e r u n g

§ 69 (§ 77 Abs. 1) B i n d u n g a n f r ü h e r e st r a s r i c h t e r l i c h e Fe s t s t e l l u n g e n bei E h r e n k r ä n k u n g

Soll ein Richter, ein Staatsanw alt oder Schrift­ führer, der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufen ist, über Vorgänge vernommen werden, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen und die er bei seiner amtlichen Tätigkeit wahrgenommen hat, so kann der Vorsitzer anordnen, daß der Richter, der Staatsanw alt oder der Schriftführer an Stelle der Vernehmung sich dienstlich äußert.

Bildet den Gegenstand eines Verfahrens wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung die Be­ hauptung einer S traftat, über die ein Strafgericht rechtskräftig entschieden hat, so ist gegen diese E nt­ scheidung kein Beweis zulässig.8)

§ 65 (§ 73)

§ 70 (§ 78) Unterbr echung und Aussetzung der Hauptverhandlung

Erörterung

von

Vorstrafen

Verurteilungen des Angeklagten oder eines Zeugen 7) sollen nur insoweit mitgeteilt oder erörtert werden, wie es für die Entscheidung notwendig ist. § 66 (§ 74) Anhörung

des

Angeklagten

Dem Angeklagten wird nach der Vernehmung von Mitangeklagten und nach dem Gebrauch eines jeden Beweismittels Gelegenheit gegeben, sich zu äußern. § 67 (§ 75) H i n w e i s auf neue Gesichtspunkte Will das Gericht ein anderes als das in der An­ klageschrift bezeichnete Strafgesetz anwenden, so wird dem Angeklagten unter Hinweis auf die Möglichkeit anderer rechtlicher Beurteilung Gelegenheit zur Ver­ teidigung gegeben. Ebenso wird verfahren, tuemt das Gericht abweichend von der Anklageschrift das in ihr bezeichnete Gesetz nicht für unmittelbar anwendbar hält, aber den Angeklagten nach ihm bestrafen will, 7) D ie Vorschrift soll in den R ichtlinien erläutert werden; dort soll darauf hingewiesen werden, das; die Erörterung von Vorstrafen des Angeklagten in wesentlich weiterem Um fang zulässig ist, a ls die Erörterung von Vorstrafen hrfi Zeugen.

Die Hauptverhandlung wird unterbrochen oder ausgesetzt, wenn es zur weiteren Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung oder zur weiteren Auf­ klärung der Sache oder aus anderen Gründen not­ wendig ist. Die Verhandlung darf höchstens aus zehn Tage unterbrochen werden. Wird sie nicht spätestens am elften Tage wieder aufgenommen, so gilt sie als aus­ gesetzt; die Verhandlung beginnt dann von neuem.

§ 71 (§ 81 Abs. 2) Gegenstand der U r t e i l s f i n d u n g Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der An­ klage bezeichnete T at, wie sie sich in der Hauptver­ handlung dargestellt hat. § 72 (§ 81 Abs. 1) Freie

Beweiswürdigung

Das Gericht entscheidet über die Ergebnisse der Hauptverhandlung nach seiner freien Überzeugung. 8) E s wird vorausgesetzt, datz die entsprechende Vorschrift des § 421 Abs. 2 Satz 2 E S tG B . gestrichen wird.

25 26 § 73 (§ 83) I n h a l t des U r t e i l s Das Urteil enthält: 1. den Namen, Rufnamen, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Angeklagten, bei Frauen auch den Mädchennamen, sowie die S ta a ts­ angehörigkeit, wenn der Angeklagte Ausländer

-st:

2. die Bezeichnung des Gerichts und der mit­ wirkenden Richter, des Staatsanw alts, des Verteidigers und des Schriftführers; 3. den Tag der Verkündung; 4. den Urteilsspruch; 5. die Urteilsgründe. § 74 (§ 84 Abs. 1) I n h a l t des U r t e i l s s p r u c h s Der Urteilsspruch lautet auf Verurteilung, Frei­ sprechung, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Schul­ digsprechung unter Absehen von S trafe oder Ein­ stellung des Verfahrens. § 75 (§ 84 Abs. 2) Verurteilung Wird der Angeklagte verurteilt, so muß der Urteilsspruch die strafbare Handlung, deren er schuldig gesprochen wird, mit ihrer gesetzlichen Bezeichnung neunen. E r muß auch die Strafe und die sichernden Maßregeln enthalten, aus die erkannt wird. § 76 (§ 84 Abs. 5) E i n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s D as Verfahren ist einzustellen, wenn ihm ein Versahrenshindernis entgegensteht. Dasselbe gilt, wenn der Richter eine geringere Strafe als Zuchthaus für verwirkt hält und der S taatsanw alt bei Zugrunde­ legung dieser Strafe die Tat wegen Zeitablaufs nicht mehr hätte verfolgen dürfen. § 77 (neu) Abweichung des Schuldspruchs von der Anklage Is t der Angeklagte nicht der ihm in der Anklage zur Last gelegten, sondern einer wesentlich gering­ fügigeren strafbaren Handlung schuldig oder entlastet ihn das Ergebnis der Hauptverhandlung sonst in wesentlichen Punkten von der Anklage, ohne jedoch seinen Freispruch zu begründen, so kann das Gericht dies in dem auf Verurteilung oder Einstellung des Verfahrens lautenden Urteilsspruch zum Ausdruck bringen. § 78 (§ 86) Anrechnung Hat der Angeklagte Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, zu der die Tat Anlaß gegeben hat, so kann sie ganz oder teilweise auf die Strafe angerechnet werden. Die angerechnete Zeit wird im Urteilsspruch bestimmt.

Wird eine bereits ausgesprochene Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so ist. auf die neue Strafe die frühere anzurechnen, soweit sie vollstreckt worden ist. Ist der Angeklagte-wegen derselben T at schon im Ausland bestraft worden, so ist auf die neue Strafe die ausländische anzurechnen, soweit sie vollstreckt worden ist. Wird auf eine Strafe anderer Art erkannt oder eine ausländische S trafe angerechnet, so bestimmt das Gericht nach pslichtmäßigem Ermessen, welcher M aß­ stab der Anrechnung zugrundezulegen ist. § 79 (§ .87) Bekanntmachung eines Freispruchs Hat die Hauptverhandlung ergeben, daß der An­ geklagte unschuldig ist oder daß gegen ihn kein begrün­ deter Verdacht besteht, so ordnet das Gericht die öffentliche Bekanntmachung des freisprechenden Ur­ teils an, wenn es geboten ist, um den guten Ruf des Angeklagten wiederherzustellen. Umfang, Form und O rt der Bekanntmachung werden in der Entscheidung bestimmt. Die Anordnung wird nur vollzogen, wenn es der Angeklagte binnen drei Monaten beantragt, nachdem ihm die rechtskräftige Entscheidung zugestellt wor­ den ist.

§ 80 (§ 88) Urteilsgründe Die Gründe eines jeden Urteils müssen darlegen, auf welcher tatsächlichen und rechtlichen Grundlage es beruht. Es ist anzugeben, welche Tatsachen das Gericht für erwiesen oder nicht erwiesen erachtet, auf welche Beweise es sich dabei stützt und wie es die Aus­ sagen des Angeklagten und die aufgenommenen Be­ weise würdigt. D as angewendete Gesetz ist anzu­ führen. Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so müssen die Tatsachen bestimmt bezeichnet werden, aus denen sich die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung ergeben. Nimmt das Gericht Umstände an, die nach dem Gesetz die S trafe schärfen, mildern oder aus­ schließen, so müsien sich die Urteilsgründe darüber aussprechen. Verneint es solche Umstände, so gilt das­ selbe, wenn sie nach den Umständen des Falles in Betracht kommen können oder in der Verhandlung be­ hauptet worden sind. Die Strasbemesiungsgründe sind unter besonderer Berücksichtigung des § 48 des Strafgesetzbuchs im einzelnen darzulegen. Wird eine sichernde Maßregel angeordnet, so sind die Gründe dafür darzulegen. Dasselbe gilt, wenn die Anordnung einer sichernden Maßregel nach den Umständen des Falles in Erwägung zu ziehen war oder in der Verhandlung beantragt worden, aber unterblieben ist. Hat die Hauptverhandlung ergeben, daß der An­ geklagte unschuldig ist oder daß gegen ihn kein be­ gründeter Verdacht mehr besteht, so ist dies aus­ zusprechen.

27 28 § 81 (§ 89) V e r u r t e i l u n g auf G r u n d ei ner Wa b l f e st st e l l u n g Steht fest, daß der Angeklagte gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, läßt sich aber nicht feststellen, welches von ihnen er verletzt hat, so wird er derjenigen strafbaren Handlung schuldig ge­ sprochen, die für die S trafe maßgebend ist. Trifft das Gericht eine Wahlfeststellung, so müssen die Urteilsgründe die in Betracht kommenden straf­ baren Handlungen angeben und die Tatsachen fest­ stellen, aus denen sich ergibt, daß der Angeklagte gegen eines von mehreren Strafgesetzen oder durch eine von mehreren Taten gegen ein Strafgesetz verstoßen hat. Sie müssen auch dartun, daß keine eindeutige Fest­ stellung möglich ist.

§ 82 (§ 90) Urteilsverkündung Der Urteilsspruch wird am Schluß der Haupt­ verhandlung durch Verlesen verkündet. Aus beson­ deren Gründen darf die Verkündung bis zu einer Woche ausgesetzt werden. Bei der Verkündung werden auch die wesentlichen Urteilsgründe mitgeteilt. Ist die Verkündung aus­ gesetzt worden, so werden die Urteilsgründe vor ihr schriftlich festgestellt. Sind die Urteilsgründe schriftlich festgestellt, so können bei der Verkündung andere Richter als die­ jenigen, die das Urteil beschlossen haben, als Beisitzer teilnehmen. Der Vorsitzer kann dem Verteidiger und dem An­ geklagten gestatten, der Urteilsverkündung fern­ zubleiben, wenn wichtige Gründe es rechtfertigen.

§ 83 (§ 91) F e r t i g st e l l u n g d e s U r t e i l s D as Urteil wird binnen einer Woche nach der Verkündung mit den Gründen zu den Akten gebracht. Es wird von den Berufsrichtern unterschrieben. Ist ein Richter verhindert zu unterschreiben, so ver­ merkt es der Vorsitzer und bei dessen Verhinderung einer der mitwirkenden Berufsrichter aus dem Urteil. Der Grund der Verhinderung wird angegeben.

§ 84 (§ 92) Verhandlungsniederschrift Über die Hauptverhandlung wird eine Nieder­ schrift aufgenommen. I n ihr wird angegeben, wann und wo verhandelt worden ist, wer als Richter, Staatsanw alt, Schriftführer und. Verteidiger mit­ gewirkt hat und welche Beteiligten anwesend gewesen sind. Die Niederschrift muß den Gang der Haupt­ verhandlung Wiedergebell und ersehen lassen, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren in der Hauptverhandlung beobachtet worden sind. Die er­ hobenen Beweise und die verlesenen Schriftstücke werden angeführt. Auch die Anträge, die Entschei­ dungen und der Urteilsspruch werden aufgenommen.

Aus der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht wird außerdem der wesent­ liche In h a lt der Vernehmungen in die Niederschrift aufgenommen. Dies darf unterbleiben, wenn alle Ansechtungsberechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder die Hauptverhandlung ohne Urteil endet. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Einzel­ heiten eines Vorgangs in'der Verhandlung oder der W ortlallt einer Aussage oder anderen Äußerung fest­ gestellt werden. Die Feststellungen werden dann ver­ lesen. E s wird vermerkt, ob sie genehmigt sind; werden Einwendungen erhoben, so werden auch sie aufgenommen. Der Vorsitzer und der Schriftführer unterschreiben die Niederschrift. Ist der Vorsitzer verhindert, so unterschreibt einer der mitwirkenden Berufsrichter. S ind alle Berufsrichter verhindert, so genügt die Unterschrift des Schriftführers. Ist der Schriftführer verhindert, so unterschreibt der Richter allein. Der Grund der Verhinderung wird angegeben. Ist die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden, so wird die Niederschrift vor ihr, in anderen Fällen spätestens binnen einer Woche nach dem Schluß der Hauptverhandlung fertiggestellt. Vorher soll das Urteil nicht zugestellt werden.

§ 85 (§ 93) Beweiskraft

der Ni eder s chr i f t

Nur die Niederschrift beweist, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren in der Haupt­ verhandlung beobachtet worden sind, es sei denn, daß sie offenbar unrichtig ist. Die Niederschrift kann jederzeit berichtigt werden. Über Berichtigungsanträge entscheidet der Vorsitzer nach Anhörung des Schriftführers. Dem Verteidiger und den Beteiligten, die die Niederschrift vorher ein­ gesehen haben, wird die Berichtigung mitgeteilt. Die Berichtigung und ihre Ablehnung sind unan­ fechtbar. Wird eine Berichtigung vorgenommen, nach­ dem die Urteilsrüge eingelegt und daraus gestützt worden ist, daß eine Vorschrift über das Verfahren verletzt sei, so ist gegen die berichtigte Niederschrift der Nachweis der Unrichtigkeit zulässig.

29 30 2. Ehrloserklärung, Entziehung der Amtsfähig­ keit und Bekanntmachung der Verurteilung, 3. Vermögensstrafen, 4. Verwarnung mit Strasvorbehalt, 5. sichernde Maßregeln.

Zweites Buch Gemeinsame Verfahrensvorschriften Erstes Hauptstück

Richter» Staatsanwalt und Beteiligte Erster Abschnitt

Richter und S t a a t s a n w a l t Erster Unterabschnitt

Zuständigkeit Sachliche Zuständigkeit § 86 (§ 95) S t r a f g e w a l t des Amtsrichters Der Amtsrichter kann erkennen auf 1. Gefängnis, Haft oder Festungshaft bis zu sechs Monaten, 2. Bekanntmachung der Verurteilung, 3. Geldstrafe und Verfallerklärung, 4. Verwarnung mit Strafvorbehalt, 5. erstmalige Unterbringung in einem Arbeits­ haus oder einem Asyl und Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Ent­ ziehungsanstalt, 6. Einziehung und Unbrauchbarmachung.

Strafgewalt

§ 87 (§ 96) des Schöffengerichts

D as Schöffengericht kann erkennen auf 1. Zuchthaus bis zu zwei Jahren, 2. Gefängnis oder Festungshaft bis zu fünf Jahren, 3. Haft, 4. Bekanntmachung der Verurteilung, 5. Geldstrafe und Verfallerklärung, 6. Verwarnung mit Strafvorbehalt, 7. sichernde Maßregeln mit Ausnahme von Sicherungsverwahrung, Entmannung und Be­ rufsverbot aus Lebenszeit. § 88 (§ 98) Strafgewalt

der

S ch ö s s e n k a m m e r

Die Schössenkammer kann erkennen aus 1. zeitige Freiheitsstrafen,

§ 89 (§§ 36 Abs. 3, 94 Abs. 1) A b g r e n z u n g der Zu s t ä n d i g k e i t zwi schen dem A m t s r i c h t e r , dem Sc höf f e nge r i c ht und der Schössenkammer Der Staatsanw alt erhebt die Anklage vor dem Gericht, dessen Strafgewalt ausreicht für die Strafe oder sichernde Maßregel, die zu erwarten ist. E r kann jedoch die Anklage statt vor dem Amtsrichter vor dem Schöffengericht oder vor der Schössenkammer und statt vor dem Schöffengericht vor der Schössenkammer erheben, wenn dies mit Rücksicht auf den Umfang oder die Bedeutung der Sache angezeigt ist. § 90 (§ 99) Z u s t ä n d i g k e i t des S c h w u r g e r i c h t s D as Schwurgericht ist zuständig zur Aburteilung 1. der Taten, die mit dem Tode oder mit lebens­ langem Zuchthaus bedroht sind und nicht zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs oder des Oberlandesgerichts gehören, des Totschlags auch in den Fällen des § 407 des Strafgesetz­ buchs, 2. des Meineids (§§ 378, 381 des Strafgesetz­ buchs). Is t das Schwurgericht nur bei Annahme eines besonders schweren Falles zuständig unb ergibt sich erst in der Hauptverhandlung vor dem niedrigeren Gericht, daß ein solcher Fall vorliegt, so urteilt das mit der Sache befaßte Gericht die T at ab, wenn es eine innerhalb seiner Strafgewalt liegende Strafe oder sichernde Maßregel für ausreichend hält. Ist in solchen Fällen die Anklage vor dem Schwurgericht erhoben, so kann die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht angeordnet werden, auch wenn das Gericht abweichend von der Anklage keinen besonders schweren Fall annimmt. § 91 (neu) Zuständigkeit des O b e r l a n d e s g e r i c h t s D as Oberlandesgericht ist zuständig zur Ab­ urteilung 1. der Angriffe auf die Ehre des Deutschen Volkes in den Fällen der §§ 124 bis 130 des S tra f­ gesetzbuchs, 2. der nach den §§ 132 b bis 132 e des S tra f­ gesetzbuchs strafbaren Taten, soweit sie sich gegen den Schutz von Volksabstimmungen richten, 3. der Störungen der Beziehungen zum Ausland (§§ 132 f bis 1321 des Strafgesetzbuchs), 4. der Angriffe aus Rasse und Erbgut in den Fällen der §§ 136, 138 des Strafgesetzbuchs,

31 32 5. der Angriffe auf die W ehrkraft in den F ällen der §§ 144, 145 des Strafgesetzbuchs, 6. der Angriffe auf die Arbeitskraft in den Fällen der §§ 159, 166 des Strafgesetzbuchs, 7. der Schmähung von Ehe und Mutterschaft (§ 188 des Strafgesetzbuchs), 8. der Angriffe auf die Wirtschaft in den F ällen der §§ 240 bis 242 des Strafgesetzbuchs, 9 / der Auflehnung gegen die S taatsg ew alt in den F ällen der §§ 290, 291 des Strafgesetzbuchs, 10. der S tö ru n g des Volksfriedens in den Fällen der §§ 297 bis 299 des Strafgesetzbuchs, 11. des Verächtlichmachens der Rechtspflege (§ 346 des Strafgesetzbuchs). Bei T aten von besonderer Bedeutung kann der Reichsanwalt die Anklage vor dem Volksgerichtshof erheben.

ländern, für die nach § 1 2 2 des Strafgesetzbuchs die in Satz 1 erw ähnten brasvorschriften gelten, sowie im F alle des § 351 des Strafgesetzbuchs, soweit sich dieser auf solche T aten bezieht. D er Volksgerichtshof kann in den im Abs. 2 bezeichneten Sachen mit Zustimmung des Reichs­ an w alts die V erhandlung und Entscheidung dem Oberlandesgericht überweisen, solange die H auptver­ handlung vor dem Volksgerichtshof nicht ange­ ordnet ist. D er Reichsanwalt kann die Abgabe und die Z u­ stimmung bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurücknehmen.

§ 92 (§ 100) W e i t e r e Zu s t ä ndi gke i t des Oberlandesgerichts D as Oberlandesgericht ist ferner zur A burteilung zuständig, wenn in einer zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörenden Strafsache der Reichs­ anw alt nach § 93 Abs. 2 die Strafverfolgung an den G eneralstaatsanw alt abgibt oder der Volksgerichtshof nach § 93 Abs. 3 m it Zustimmung des Reichsanw alts die V erhandlung und Entscheidung dem O berlandes­ gericht überweist.

I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Schwur­ gerichts, des Oberlandesgerichts oder des Volks­ gerichtshofs gehören, darf die Anklage n u r vor diesen Gerichten erhoben werden. Sonst darf eine S tra f­ sache bei diesen Gerichten nur anhängig gemacht w er­ den, wenn sie m it einer zur Zuständigkeit des Gerichts gehörenden Strafsache verbunden wird oder wenn eine Einheitsstrafe gebildet werden soll.

§ 91 (§ 94 Abs. 2) E r h e b u n g der An k l a g e vor dem S c h w u r g e r i c h t u it b d e n h ö h e r e r : Ge r i c ht e n

§ 95 (§ 80 Abs. 1, 2) Verweisung

Wen:: nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung § 93 (§ 101) Z u st ä n d i g k e i t d e s V o l k s g e r i c h t s h o f s das Gericht eine seine S trafgew alt überschreitende S tra fe oder sichernde M aßregel für geboten hält oder D er Volksgerichtshof ist zuständig zur A burteilung die A burteilung der T a t zur ausschließlichen Z u­ 1. des Hochverrats (§§ 89 bis 98 des Strafgesetz­ ständigkeit eines höheren Gerichts gehört, so erklärt buchs), es sich für unzuständig und verweist durch Beschluß die 2. des L andesverrats (§§ 99 bis 119 des S tr a f ­ Sache an das zuständige G ericht.10) W ird eine Sache an den Volksgerichtshof ver­ gesetzbuchs), 3. feindlicher H andlungen von A usländern (§ 122 wiesen, so kann dieser in den Fällen des § 93 Abs. 2 m it Zustimmung des Reichsanwalts bis zum Beginn des Strafgesetzbuchs), der H auptverhandlung die Sache zur V erhandlung 4. der Wehrmittelbeschädigung (§ 154 des S tr a f ­ und Entscheidung dem Oberlandesgericht überweisen. gesetzbuchs) '>), ' D as Gericht darf sich nach der A nordnung der 5. der Nichtanzeige eines geplanten, mit dem H auptverhandlung nicht für unzuständig erklären, Tode oder m it Zuchthaus bedrohten V er­ weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung brechens des Hoch- oder L andesverrats, feind­ gehöre. licher H andlungen von A usländern oder der W ird die Sache deshalb an ein anderes Gericht Wehrmittelbeschädigung (§ 351 des S tr a f ­ verwiesen, w eil das Ergebnis der Hauptverhandlung gesetzbuchs). von der Anklageschrift abweicht, so hat der Ver­ Bei T aten, die nach den §§ 92, 93, 96 bis 98, weisungsbeschluß die für den Anklagesatz vor­ 105 bis 108 und 154 Abs. 3, 4 des Strafgesetzbuchs geschriebenen Angaben zu enthalten. strafbar sind, kann der Reichsanwalt die S tra fv e r­ § 96 (§ 102) folgung an den G eneralstaatsanw alt abgeben. D a s ­ selbe gilt bei feindlichen Handlungen von AusZuständi gkeit zur nachträglichen Bildung einer Einheitsstrafe 9) D ie Vorschrift lautete in der von der Unterkommission vorgeschlagenen Fassung: „4. der W ehrmittelbeschädigunq in besonders schweren F ällen (§ 154 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs) . . . . (Abs. 2) B ei T aten, die nach den §§ 92 / 93, 96 bis 98 und 105 b is 108 des Strafgesetzbuchs strafbar sind, kann der R eichsanw alt die S trafverfolgu ng an den G eneralstaats­ an w alt abgeben. D a s gleiche gilt bei volksfeindlichen H a n d lu n g e n ____ " . D ie neue Fassung Paßt die Vorschrift der geänderten Fassung des § 154 des Strafgesetzbuchentwurfs an.

I s t eine Einheitsstrafe zu bilden, bei der früher erkannte oder vorbehaltene S trafen zu berücksich­ tigen sind, so ist das Gericht zuständig, das m it der 10) E s bedarf noch der P rüfun g, w ie bei der Verweisung an ein höheres Gericht das Wahlrecht des S ta a tsa n w a lts gesichert werden kann. B ei der zweiten Lesung ist zu erw ägen, die Vorschrift in dem Abschnitt über die H aupt­ verhandlung einzustellen.

33 34 noch nicht rechtskräftigen Sache besaßt ist. Dies gilt auch dann, wenn eine von einem Schwurgericht, einem Oberlandesgericht oder dem Volksgerichtshof erkannte S tra ss in der Einheitsstrafe aufgeht. Würde das Gericht seine Strasgewalt überschreiten, so gilt § 95.

oder ist dieses nicht ermittelt, so sind das Amtsgericht B erlin und die ihm übergeordneten Gerichte zuständig. Is t die Anklage noch nicht erhoben, so kann der Präsident des Reichsgerichts auf Antrag des Ober­ reichsanwalts ein anderes Gericht für zuständig er­ klären.

Örtliche Zuständigkeit

§ 103 (§ 36 Abs. 2) Zusammentreffen mehrerer G e r i c h t s st ä n d e

§ 97 (§ 104) G e r i c h t s st a n d d e s T a t o r t s Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die T at begangen worden ist. Is t eine T at wegen des In h a lts eines im In lan d erschienenen Druckwerks strafbar und hat der Täter sie sowohl am O rt des Erscheinens als auch anderswo begangen, so ist der Gerichtsstand des Tatorts nur bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk das Druckwerk erschienen ist. § 98 (§ 105) G e r i c h t s st a n d d e s W o h n s i t z e s Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage seinen Wohnsitz hat oder seinen letzten deutschen Wohnsitz gehabt hat. Dem Wohnsitz steht der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts gleich. § 99 (§ 106) G e r i c h t s st a n d d e s V e r w a h r u n g s o r t s Zuständig ist auch das Gericht, in dessen Bezirk der Beschuldigte, zur Zeit der Erhebung der Anklage aus behördliche Anordnung verwahrt wird. § 100 (§ 107) G e r i c h t s st a n d

des

Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat der Staatsanw alt die Wahl. § 104 (§ 114) Ü b e r t r a g u n g des V e r f a h r e n s Kann das zuständige Gericht das Richteramt nicht ausüben oder ist zu befürchten, daß die Verhandlung vor ihm die öffentliche Sicherheit gefährden würde, so überträgt der Vorsitzer des nächst oberen Gerichts die Sache aus ein anderes Gericht gleicher Ordnung in seinem Bezirk. Bestehen solche Hindernisse auch bei den übrigen Gerichten des Bezirks, so bestimmt der Vorsitzer des übergeordneten Gerichts, welches Gericht gleicher Ordnung seines Bezirks die Sache zu übernehmen hat. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. § 105 (§ 103) Örtliche Zus t ändi gkei t der Gerichte a u ß e r h a l b des H a u p t v e r s a h r e n s Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte außerhalb des Hauptverfahrens richtet sich nach den dafür ge­ gebenen besonderen Vorschriften.

E r gr ei fun gs or t s

Ist die T at im Ausland begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist. § 101 (§ 108) G e r i c h t s st a n d s ü r T a t e n a u f S c h i s s e n und Luftfah rze uge n Is t die T at auf einem deutschen Schiff im In lan d oder im Ausland oder in offener See begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der deutsche Heimathafen oder der deutsche Hasen liegt, den das Schiff nach der T at zuerst erreicht. Is t die T at auf einem Luftfahrzeug begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Luftfahrzeug nach der T at im In lan d zuerst landet oder seinen Heimatort hat. § 102 (§ 1 0 9 ) H i l f s g e r i c h t s st a n d Fehlt es zur Zeit der Erhebung der Anklage an einem nach den §§ 97 bis 101 zuständigen Gericht

§ 106 (§ 111) Örtliche Zu s t ä n d i g k e i t des Staatsanwalts F ü r die örtliche Zuständigkeit des S taatsanw alts im Vorverfahren gelten die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte entsprechend. M aß­ gebend ist der Zeitpunkt, in dem der Staatsanw alt tätig wird. Der Staatsanw alt kann das Vorverfahren zu Ende führen, auch wenn die Tatsachen weggefallen sind, die seine Zuständigkeit begründet haben. Gemeinsame Vorschriften

§ 107 (§ 112) A n h ä n g i g k e i t e i n e r S t r a f s a c h e bei verschiedenen Gerichten Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten ver­ schiedener Ordnung anhängig geworden, so steht die weitere Entscheidung dem Gericht höherer Ordnung zu.

35 36 Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten gleicher Ordnung anhängig geworden, so führt das Gericht das Verfahren fort, das zuerst die Hauptverhandlung angeordnet hat. Der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts kann die Sache einem anderen Gericht übertragen. § 108 (§ 113) ZustLndigkeitsstreit Streiten mehrere Gerichte über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, so bestimmt der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts, welches von ihnen die Sache zu übernehmen hat. Dasselbe gilt, wenn mehrere Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich für unzuständig erklärt haben und ihre Entscheidungen nicht mehr anfechtbar sind. § 109 (§ 115) Prüfung

der Zuständigkeit

schuldigten, des Verletzten oder des Einziehungsbeteiligten ist oder gewesen ist, 4. wer in der Sache als Staatsanw alt, als Polizeibeamter, als Verteidiger, als Beistand oder als Anwalt des Verletzten oder des E in­ ziehungsbeteiligten tätig gewesen ist, 5. wer in der Sache als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, 6. wer in einem Dienststrafverfahren, einem ehrengerichtlichen Verfahren oder einem ähn­ lichen staatlich geregelten oder rechtlich aner­ kannten Verfahren, das dieselbe Sache betrifft, untersuchend oder entscheidend tätig ist oder gewesen ist. § 112 (§ 118)

Ausschließung in an deren F ä l l e n Wer als Richter bei einer Entscheidung mitgewirkt hat, die durch ein Rechtsmittel angefochten worden ist, darf bei der Entscheidung über das Rechtsmittel das Richteramt nicht ausüben.

D as Gericht prüft seine sachliche und örtliche Zu­ ständigkeit von Amts wegen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach der Anordnung der Hauptverhandlung darf sich das Gericht nur auf Einwand des Angeklagten für örtlich unzuständig erklären. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zu seiner Vernehmung über die Anklage erheben. Erklärt sich das Gericht für unzu­ ständig, so verweist es die Sache an das zuständige Gericht; der Beschluß ist für dieses Gericht bindend. Verweist das Gericht die Sache an ein niedrigeres Gericht als das vom Staatsanw alt bezeichnete, so ist befristete Beschwerde zulässig.

Ein Richter kann abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt des Ablehnenden aus vernünftige Gründe vorliegen, an der Unbefangenheit des Richters zu zweifeln. Zur Ablehnung sind der Staatsanw alt, der B e­ schuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und der Ver­ teidiger befugt. Auf Verlangen wird ihnen mitge­ teilt, wer das Richteramt auszuüben hat.

§ HO (§ 116)

§ 114 (§ 120)

Amtshandlungen eines u nzust ändigen Richters oder Staatsanwalts Amtshandlungen eines Richters oder eines Staatsanw alts sind nicht deshalb unwirksam, weil er sachlich oder örtlich nicht zuständig war. Bei Gefahr im Verzug hat auch ein sachlich oder örtlich nicht zuständiger Richter oder Staatsanw alt die erforderlichen Amtshandlungen in seinem Bezirk vorzunehmen.

§ HB (§ HO) A b l e h n u n g we g e n B e s o r g n i s der Befangenheit

Verfahren Die Ablehnung ist bei dem Gericht geltend zu machen, bei dem der Abgelehnte das Richteramt aus­ üben soll. Der Ablehnende hat den Grund der Ablehnung glaubhaft zu machen. E r kann sich aus den abge­ lehnten Richter berufen. Der Abgelehnte hat sich über den Grund der Ab­ lehnung dienstlich zu äußern.

§ 115 (§ 121) Zweiter Unterabschnitt

Ausschließung und Ablehnung § H l (§ 117) Au s s c h l i e ß u n g v o m R i c h t e r a m t D as Richteramt darf nicht ausüben, 1. wer durch die T at verletzt worden ist, 2. wer Angehöriger des Beschuldigten, des Ver­ letzten oder des Einziehungsbeteiligten ist, 3. wer Vormund oder wer im Falle des § 1910 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Pfleger des Be­

Z e i t p un kt der A b le h n u n g Ein Richter darf in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges nur bis zum Beginn der Ver­ nehmung des Angeklagten über die Anklage, in der Berufungs- und Urteilsrügeverhandlung nur bis zum Beginn des Berichts abgelehnt werden; alle Ab­ lehnungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen. § 116 (neu) Unzulässige Ablehnung D as Gericht verwirft die Ablehnung als unzu­ lässig, wenn

37 38 1. die Ablehnung verspätet ist oder 2. ein Grund zur Ablehnung oder ein M ittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben ist. Bei der Entscheidung darf der abgelehnte Richter mitwirken. Wird ein Amtsrichter als Einzelrichter, als ersuchter Richter oder im Vorverfahren oder wird ein beauftragter Richter abgelehnt, so verwirft er selbst die Ablehnung als unzulässig.

§ 121 (§ 125) UnaufschiebbareAmtshandlungen Bevor über die Ablehnung entschieden worden ist, darf der abgelehnte Richter nur Handlungen vor­ nehmen, die nicht aufgeschoben werden können. § 122 (§ 126) Au s s c h l i e ß u n g des S t a a t s a n w a l t s

§ 117 (§ 122) Entscheidung über den A b l e h n u n g s g r u n d Is t die Ablehnung zulässig, so entscheidet über sie das Gericht, dem der Abgelehnte angehört. S tatt des Abgelehnten wirkt sein Vertreter mit. Wird ein Richter eines mit mehreren Richtern be­ setzten Gerichts int Vorverfahren oder außerhalb der Hauptverhandlung abgelehnt, so entscheidet das Gericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Besetzung; Abs. 1 Satz 2 gilt auch hier. Wird ein Amtsrichter als Einzelrichter, als er­ suchter Richter oder im Vorverfahren abgelehnt, so entscheidet sein Vertreter. Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch das Ausscheiden des Abgelehnten beschlußunfähig, so entscheidet das nächst obere Gericht.

Ein Staatsanw alt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger ge­ hört worden ist, darf in der Sache sein Amt in einer Hauptverhandlung nicht weiter ausüben. § 123 (§ 127) Schriftführer Die Vorschriften über die Ausschließung und die Ablehnung eines Richters gelten entsprechend für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und andere als Schriftführer zugezogene Personen, über die Ab­ lehnung entscheidet in der Hauptverhandlung der VorKtzer des Gerichts, sonst der Richter, dem der Ab­ gelehnte beigegeben ist. Zweiter Abschnitt

Der V e r t e i d i g e r n ) § 124 (§ 129 Abs. 1) Eignung

§ 118 (§ 123) P r ü f u n g von Amts wegen Treten in der Hauptverhandlung Umstände her­ vor, die geeignet sind, einen Richter als befangen er­ scheinen zu lasten, oder zeigt ein Richter solche Um­ stände an, so gilt § 117 entsprechend.

§ 119 (neu) Ablehnung wegen Ausschließung vom Richteramt Wird ein Richter abgelehnt, weil er von der Aus­ übung des Richteramts ausgeschlossen sei, oder be­ stehen bei einem Gericht Zweifel, ob ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, so gelten die §§ 113 Abs. 2, 114, 115, 116, 117 ent­ sprechend. § 120 (§ 124) Anfechtbarkeit Der Beschluß, der die Ablehnung für begründet erklärt, ist nicht anfechtbar. I m übrigen ist gegen den Beschluß die befristete Beschwerde zulässig. Is t ein zur Urteilsfindung be­ rufener Richter abgelehnt worden, so kann der Be­ schluß nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.

zum V e r t e i d i g e r

Verteidiger können die bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte und die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen sein. § 125 (§ 128) W a h l des V e r t e i d i g e r s Der Beschuldigte kann in jeder Lage des Ver­ fahrens einen Verteidiger wählen. Dasselbe Recht hat selbständig der gesetzliche Vertreter. § 126 (§ 129 Abs. 2) A u s ü b u n g der V e r t e i d i g u n g dur ch A s s e s s o r e n Der zum Verteidiger gewählte Rechtsanwalt kann mit der Ausübung der Verteidigung einen Assessor im anwaltlichen Probe- oder Anwärterdienst be­ trauen, wenn der Beschuldigte zustimmt. § 127 (§ 131 Abs. 1, 3) Notwendige Verteidigung Die Verteidigung ist notwendig: 1. wenn die Hauptverhandlung vor dem Volks­ gerichtshof, dem Oberlandesgericht oder dem H) Die Kommission hat beschlossen, daß die in den §§ 128 Abs. 2 und 129 des Entwurfs eines GVG. erwähnten Zwangs­ maßnahmen gegen den Staatsanwalt und den Verteidiger nicht zur Anwendung kommen.

39 40 Schwurgericht oder im V erfahren gegen Flüch­ tige stattfindet, 2. wenn zu erw arten ist, daß die Sicherungs­ verwahrung, die Unterbringung in einer Heil­ oder Pflegeanstalt, die E ntm annung oder das B erufsverbot aus Lebenszeit angeordnet wird, 3. wenn der Beschuldigte taub oder stumm ist. Diese Vorschrift gilt nicht für die H auptverhand­ lung vor dem Urteilsrügegericht. § 128 (§ 132) Bestellung eines Verteidigers in a n d e r e n F ä l l e n I n anderen Fällen wird für das ganze V erfahren oder für einen bestimmten T eil ein V erteidiger be­ stellt, wenn wegen der Schwere der T a t oder wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die M it­ wirkung eines V erteidigers geboten erscheint oder wenn sich der Beschuldigte seiner Persönlichkeit nach, insbesondere wegen ungenügender K enntnis der deutschen Sprache, nicht selbst verteidigen kann. § 129 (§§ 131 Abs. 2 Satz 2, 133) Ze i t der Be s t e l l u n g D er S ta a tsa n w a lt führt eine Entscheidung des Vorsitzers herbei, wenn der Beschuldigte die Bestellung eines V erteidigers beantragt oder wenn ihm die M it­ wirkung eines V erteidigers geboten erscheint. I n 'd e n Fällen der §§ 127, 128 wird der V er­ teidiger spätestens beim Abschluß der E rm ittlungen bestellt. D er S ta a tsa n w a lt übersendet die Akten dem V or­ sitzer des Gerichts m it einem begründeten A ntrag. E rgibt sich erst später, daß ein V erteidiger not­ wendig ist, so ist er sofort zu bestellen. § 130 (§ 134) Auswahlgrundsätze Zum Verteidiger kann jeder Rechtsanw alt be­ stellt werden, der an einem Gericht des Gerichts­ bezirks zugelassen is t.12) S in d bei einem Amtsgericht keine Rechtsanwälte zugelassen oder die zugelassenen behindert, so kann ein Rechtsanwalt bestellt werden, der bei einem benachbarten Amtsgericht zugelassen ist. D er Rechtsanw alt kann m it der A usübung der V er­ teidigung einen ihm überwiesenen Assessor im an w alt­ lichen Probe- oder A nwärterdienst betrauen, wenn der Vorsitzer zustimmt. § 131 (§ 135) We g s a l l der Be s t e l l u n g D ie Bestellung unterbleibt, wenn der Beschuldigte bereits einen Verteidiger hat. S ie w ird zurückge­ nommen, wenn ein anderer Verteidiger gewählt wird und die V erteidigung übernimmt. 12) Es wird davon ausgegangen, daß im S in n e des § 130 Satz 1 die Bezirke sämtlicher B erliner Amtsgerichte a ls ein Gerichtsbezirk anzusehen sind.

§ 132 (§ 136) V erteidiger für mehrere Beschuldigte E in Verteidiger kann mehrere Beschuldigte ge­ meinschaftlich verteidigen, wenn es der Aufgabe der Verteidigung nicht widerstreitet. § 133 (§ 137) Ausschließung des V e r t e i d i g e r s W er in der Hauptverhandlung als Zeuge ver­ nommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, kann in derselben Sache in einer Hauptverhandlung als Verteidiger oder als V ertreter eines Beteiligten n u r weiter auftreten, wenn seine Aussage oder sein Gutachten von untergeordneter Bedeutung war. § 134 (§ 139) V e r k e h r mit dem V e r h a f t e t e n D er nicht auf freiem F uß befindliche Beschuldigte darf m it dem Verteidiger schriftlich und mündlich ver­ kehren. B is zum Abschluß der E rm ittlungen darf der S ta a tsa n w a lt anordnen, daß der Beschuldigte m it dem Verteidiger nur in seiner G egenwart spricht und daß ihm schriftliche M itteilungen vorher vorzulegen sind. D ies gilt nicht, wenn die Freiheitsentziehung lediglich wegen Fluchtgefahr oder zum Schutz der All­ gemeinheit (§ 188 Abs. 1 N r. 1, 3, 4) gerechtfertigt ist. § 135 (§ 140) Akteneinsicht D er Verteidiger darf die Akten, die zum Gegen­ stand der V erhandlung gemacht werden sollen, ein­ sehen sowie amtlich verw ahrte Beweisstücke besichtigen. Jedoch darf ihm der S ta a tsa n w a lt bis zum Abschluß der E rm ittlungen den Einblick in die dem Gericht vorzulegenden Akten und die Besichtigung der amtlich verw ahrten Beweisstücke versagen, wenn dadurch der Zweck des Verfahrens gefährdet würde. Die Niederschriften über die Aussagen des B e­ schuldigten und über solche Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger anwesend sein darf, sowie Gutachten Sachverständiger darf der Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens einsehen. § 136 (§ 141) Vo l l ma c ht W er in einem Strafverfahren als Verteidiger oder als V ertreter eines Beteiligten auftreten oder sonst fremde Angelegenheiten wahrnehmen will, hat auf V erlangen seine B efugnis dazu nachzuweisen. § 137 (§ 143) Zuständigkeit Sow eit nichts anderes bestimmt ist, ist für die in diesem Abschnitt vorgesehenen Beschlüsse und V er­ fügungen der Vorsitzer zuständig. I m Vorverfahren entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, vor dem der S ta a tsa n w a lt die Anklage zu erheben beabsichtigt.

41 42 -über den Nachweis der Vollmacht entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt. D ritter Abschnitt

Der Bes chul di gt e § 138 (§§ 144, 145) Pflicht zum Erscheinen

Zulassung zustimmt. I m Vorverfahren kann ihnen die Zulassung gewährt werden. Andere Personen können als Beistand zugelassen werden. Über die Zulassung von Beiständen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, im Hauptversahren der Vorsitzer.

Der Beschuldigte ist verpflichtet, vor dem Richter, dem Staatsanw alt und der Polizei zu erscheinen. Die Ladung ist an keine Form gebunden. Auf Verlangen des Richters, des Staatsanw alts oder der Polizei hat der Beschuldigte jeden Wechsel seiner Wohnung oder seines Aufenthaltsortes anzu­ zeigen.

Mittel der Wahrheilserforschung

§ 139 (§ 146) V o r f ü h r u n g des Bes c hul di gt e n

§ 143 (§ 150) Zeugnispslicht

Der Richter, der S taatsanw alt und die Polizei können den Beschuldigten vorführen lassen, wenn er trotz ordnungsmäßiger Ladung ohne genügende Ent­ schuldigung ausbleibt. Der Richter und der Staatsanw alt können den Beschuldigten auch ohne vorherige Ladung vorführen lassen, wenn Gründe vorliegen, die einen Haftbefehl rechtfertigen würden. Auch die Polizei kann so ver­ fahren, wenn sie befugt ist, den Beschuldigten vor­ läufig festzunehmen. Der Vorgeführte ist unverzüglich, spätestens am Tage nach der Zuführung, zu vernehmen.

Jeder deutsche Staatsangehörige ist verpflichtet, vor dem Richter, dem Staatsanw alt und der Polizei als Zeuge zu erscheinen und wahrheitsgemäß aus­ zusagen. Dieselbe Pflicht hat ein Ausländer, der sich im In lan d aushält.

§ 140 (§ 147) Vorführungsbefehl Die Vorführung wird in einem schriftlichen Be­ fehl angeordnet. I n dem Befehl wird der Beschuldigte genau be­ zeichnet. Die T at, die ihm zur Last gelegt wird, und der Grund der Vorführung werden angegeben. Der Befehl wird dem Beschuldigten vorgewiesen. § 141 (§ 1 4 9 ) V e r n e h m u n g des Beschuldigten Bei der Vernehmung werden die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten nach Möglichkeit fest­ gestellt. Die belastenden Umstände und die Beweise, die gegen ihn sprechen, werden ihm mitgeteilt, sobald und soweit dies mit dem Zweck des Verfahrens vereinbar ist. Es wird ihm Gelegenheit gegeben, falsche Ver­ dachtsgründe zu widerlegen, die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen, und Beweise für seine Angaben zu nennen. § 142 (§§ 142, 143 Abs. 2)

Beistände Wer die Sorge für die Person des Beschuldigten hat, wird nach Erhebung der Anklage als Beistand zu­ gelassen und auf sein Verlangen gehört. Dasselbe gilt vom Ehemann einer Beschuldigten, wenn sie der

Zw eites Hauptstück Erster Abschnitt

Zeugen

§ 144 (§ 151)

La d u n g Die Zeugen werden zu ihrer Vernehmung geladen und dabei aus die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen. Die Ladung ist an keine Form ge­ bunden. Um die Ladung von Soldaten wird die M ilitär­ behörde 13) ersucht.

Zeugnis

§ 145 (§ 154) des F ü h r e r s und Rei chs­ kanzlers")

Der Führer und Reichskanzler bestimmt, ob und wie er sich äußern will, wenn sein Zeugnis in Frage kommt. § 146 (§ 155) V ern ehm un g hoher S t a a t s o r g a n e Die Reichsminister, die Reichsstatthalter und die Vorsitzenden und Mitglieder einer Landesregierung werden an ihrem Amtssitz oder, wenn sie sich an einem anderen O rt aushalten, dort vernommen. Von dieser Vorschrift darf bei Reichsministern und Reichsstatthaltern mit Genehmigung des Führers und Reichskanzlers, bei den Vorsitzenden und Mitgliedern einer Landesregierung mit Genehmigung des Reichs­ statthalters abgewichen werden. 13) Der Reichskriegsminister wird in einem Erlaß den Begriff klarstellen. Die Vorschrift ist nur vorläufig eingestellt. Sie bedarf der Besprechung mit der Präsidialkanzlei und mit dem Reichsministeriüm des Innern.

14i

43 44 § 147 (§ 156) V e r n e h m u n g von A m t s t r ä g e r n Amtsträger, frühere Amtsträger, Personen, die als Angestellte für eine Behörde tätig sind oder ge­ wesen sind, und Personen, denen zur Sicherung der Landesverteidigung von einer Behörde oder im Auf­ trag einer Behörde eine Verschwiegenheitspflicht auf­ erlegt worden ist, dürfen über Tatsachen, aus die sich ihre Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung des Dienstvorgesetzten oder des letzten Dienstvorgesetzten vernommen werden. Haben sie keinen Dienstvorgesetzten, so wird die Genehmigung von der Behörde erteilt, für die sie tätig sind oder gewesen sind. F ü r die Reichsminister und Reichsstatthalter bedarf es der Genehmigung des Führers und Reichskanzlers, für die Vorsitzenden und Mitglieder einer Landesregierung der Genehmigung des Reichsstatthalters.

§ H 8 (§ 157) V e r n eh mung von S o l d a t e n und früheren Wehrpflichtigen Soldaten, Angehörige des Beurlaubtenstandes, frühere Soldaten und frühere Angehörige des Be­ urlaubtenstandes dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung der Militärbehörde ver­ nommen werden, die ihnen vorgesetzt ist oder zuletzt vorgesetzt gewesen ist.15) § 149 (§ 158) V e r n e h m u n g von Angeh öri gen der P a r t e i Unterführer der Partei, die die Amtstätigkeit eines Stützpunktleiters, eine dieser gleichstehende oder eine höhere Amtstätigkeit ausüben, dürfen über T at­ sachen, auf die sich ihre Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ver­ nommen werden. Dasselbe gilt für Angehörige der Parteigerichte und des Sicherheitsdienstes der M. Angehörige der Partei dürfen als Zeugen nur mit Genehmigung vernommen werden, soweit sie über dienstliche schriftliche oder mündliche Anordnungen, Verhandlungen oder Mitteilungen aussagen sollen, die im Einzelfall von der zuständigen Stelle bei der Bekanntgabe als geheim oder vertraulich bezeichnet worden sind. Die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 gelten auch nach dem Ausscheiden aus der Partei, der Gliederung oder dem Amt. Der Stellvertreter des Führers erläßt im E in­ vernehmen mit dem Reichsminister der Justiz die zur Ausführung dieser Vorschrift erforderlichen Bestim­ mungen. E r bestimmt insbesondere, für welche Unter* 1B) Es ist zu prüfen, ob eine entsprechende Vorschrift für die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes eingefügt werden

soll.

sührer diese Vorschrift gilt, welche Stellen über die Genehmigung entscheiden und welche Stellen dienst­ liche Anordnungen, Verhandlungen oder Mitteilun­ gen als geheim oder vertraulich bezeichnen können.

§ 150 (§§ 156 Abs. 3, 157 Abs. 2) V e r f a h r e n b ei der G e n e hm ig u ng I n den Fällen der §§ 147 bis 149 darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Reichs Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Die Genehmigung ist durch die vernehmende Stelle einzuholen, soweit sie nicht schon von dem Zeugen beigebracht ist. Ih re Erteilung ist dem Zeu­ gen vor der Vernehmung bekanntzugeben.

§ 151 (§ 161) E i.n s ch r ä n k u n g d e r A u s s a g e bei B e r u f s g e h e i m n i s s e n Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Arzte und Apotheker, ihre berufsmäßig tätigen Gehilsen und Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, dürfen nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen die Auskunft über Tatsachen verweigern, die ihnen kraft ihres Berufs anvertraut worden oder zugänglich geworden sind. Dies gilt auch für Personen, die früher eine solche Tätigkeit ausgeübt haben. Wer im übrigen nach den §§ 184, 255, 359 des Strafgesetzbuchs (Preisgabe des ärztlichen Geheim­ nisses, Geheimnisverrat durch Wirtschaftsprüfer, Ge­ heimnisverrat durch Rechtsanwälte) zur Verschwie­ genheit verpflichtet ist, wird über solche Tatsachen nur dann befragt, wenn das zur Wahrheitserforschung unerläßlich und angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist. Nur in diesem Fall darf der Zeuge zur Aussage gezwungen werden. Abs. 1 Satz 2 gilt ent­ sprechend. Wenn der Zeuge von der Pflicht zur Verschwie­ genheit befreit worden ist, besteht keine Einschränkung für Frage und Auskunft.

§ 152 (§ 159) V e r n e h m u n g v o n Gei st l i chen Ein Geistlicher darf die Auskunft über Tatsachen verweigern, die ihm bei Ausübung der Seelsorge an­ vertraut worden sind und über die er deshalb als Seelsorger Verschwiegenheit zu wahren hat. § 153 (§ 162) Zeugnisverweigerung gehörigen

von A n -

Angehörige des Beschuldigten dürfen das Zeugnis verweigern.

45

46 zu erm itteln, ob er vernommen und vereidigt werden

§ 154 (§ 163) V e r w e i g e r u n g der A u s k u n f t wegen G e f a h r der S t r a f v e r f o l g u n g De r Zeuge darf die Auskunft auf eine Frage ver­ weigern, deren B eantwortung ihn- selbst oder einen seiner Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer S tr a fta t oder wegen einer anderen T a t verfolgt zu werden, die m it einer Ordnungsstrafe oder Verwaltungsstrafe geahndet werden kann.16) D ies gilt nicht, wenn die Auskunft zur W ahrheits­ erforschung unerläßlich ist und die Gefahr für den Zeugen oder seinen Angehörigen gegenüber der B e­ deutung der Sache nicht ins Gewicht fällt.

Sodann hat der Zeuge im Zusammenhang an­ zugeben, was ihm von dem Gegenstand seiner V e r­ nehmung bekannt ist. E s kann ihm gestattet werden, zur Unterstützung seines Gedächtnisses Schriftstücke einzusehen, deren In h a lt m it seiner Aussage zu­ sammenhängt. S o w e it erforderlich, w ird durch Fragen daraus hingewirkt, daß der Zeuge seine Aussage ergänzt und angibt, worauf sein Wissen beruht. E r w ird auch über seine Beziehungen zu dem Beschuldigten und dem Verletzten und über andere Umstände befragt, soweit das nötig ist, um seine Glaubwürdigkeit beurteilen zu können.

§ 155 (§ 164) Glaubhaftmachung Verweigert der Zeuge in den F ä lle n der §§ 151, 153, 154 das Zeugnis oder die Auskunft, so hat er auf Verlangen die Tatsachen glaubhaft zu machen, auf die er seine Weigerung stützt. Hierüber w ird auf A ntrag des Zeugen in nicht­ öffentlicher Sitzung verhandelt. § 156 (§ 165) Einzelvernehmung. stellung

Gegenüber­

D ie Zeugen werden einzeln vernommen. Zeugen, die später zu vernehmen sind, sollen nicht zugegen sein. D e r Zeuge kann dem Beschuldigten und anderen Personen gegenübergestellt werden. § 157 (§ 166) Belehrung V o r der Vernehmung w ird dem Zeugen mitgeteilt, gegen wen sich das Verfahren richtet und um was es sich dabei handelt. D e r Zeuge w ird zur W ahrheit ermahnt und dar­ auf hingewiesen, daß er seine Aussage beschwören muß, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt. H ier­ bei wird er darüber belehrt, was der E id bedeutet und welche strafrechtlichen Folgen eine unrichtige oder unvollständige eidliche Aussage nach sich zieht. D a rf ein Zeuge das Zeugnis oder eine Auskunft verweigern, so w ird er darüber belehrt. H at er auf die Weigerung verzichtet, so kann er den Verzicht widerrufen.

§ 159 (§ 169) B l o ß stellende

D e r Zeuge w ird nach seinen Vorstrafen nur ge­ fragt, soweit das nötig ist, um festzustellen, ob er ver­ eidigt werden kann oder ob er glaubwürdig ist. D e r Zeuge darf die Auskunft nicht verweigern. § 160 (§ 170) Vorbereitung

D e r Zeuge w ird über Fam iliennam en, Vornam en, A lte r, Familienstand, B eruf und W ohnort befragt. Uber seine weiteren persönlichen Verhältnisse wird er zunächst nu r vernommen, soweit das nötig ist, um 10) Die Vorschrift ist in dieser Fassung vorläufig eingestellt. I m Einführungsgesetz ist klarzustellen, um welche Verfahren es sich handelt. Dabei ist auch zu prüfen, wie es m it dem Verfahren vor dem Friedensrichter und dem Dienststrafver­ fahren im Reichsarbeitsdienst gehalten werden soll. Das allgemeine Dienststrafverfahren ist nicht einzubeziehen.

der

Aussage

S o ll der Zeuge an der Hand von Büchern oder Aufzeichnungen Auskunft geben, so kann ihm auf­ gegeben werden, vorher die nötigen Nachforschungen und Prüfungen vorzunehmen. Ih m kann ferner auf­ gegeben werden, einen O rt oder eine Sache zu besich­ tigen, aus die sich die Auskunft bezieht. Auch andere Auslagen, die der Wahrheitserforschung dienen, sind zulässig. D ie Anordnung w ird in der Ladung oder, wenn sie mündlich ergeht, in einer Niederschrift auf­ genommen. § 161 (§ 171) E i d e s l e i st u n g Jeder Zeuge hat seine Aussage zu beschwören, so­ weit das Gesetz nichts anderes bestimmt. D en E id nim m t der Richter ab. D e r E id w ird nach der Vernehmung abgenommen.

§ 162 (§ 172)

§ 158 (§§ 167, 168) Vernehmung

Fragen

Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen zur Unehre gereichen kann, werden nur gestellt, wenn es unerläßlich ist.

Verbot

der

Vereidigung

Nicht vereidigt w ird, 1. wer nach den Vorschriften des Strafgesetzes eidesuntauglich ist; 2. wer zur Z e it der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wer die Bedeutung des Eides nicht ausreichend begreifen kann; 3. wer verdächtig ist, an der T a t, die den Gegen­ stand des Verfahrens bildet, oder an einer T a t

47 48 beteiligt zu sein, die m it ih r unm ittelbar zu­ sammenhängt, oder wer deswegen bereits ver­ u rte ilt ist. § 163 (§ 173) Absehen

von

der

Vereidigung

Nach pflichtmäßigem Ermessen des Richters können unvereidigt bleiben: 1. die Angehörigen des Beschuldigten; 2. der Verletzte und seine Angehörigen; 3. ein Zeuge, der zur Z eit der Vernehmung das sechzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; 4. ein Zeuge, soweit er eine Frage über eine T a t­ sache beantwortet, die ihn oder einen A n ­ gehörigen der Gefahr aussetzen kann, wegen einer S tra fta t oder wegen einer anderen T a t verfolgt zu werden, die m it einer O rdnungs­ strafe oder Verwaltungsstrafe geahndet werden kann, oder die ihnen zur Unehre gereichen kann; 5. ein Zeuge, dessen Aussage nach ihrem I n h a lt unerheblich oder von untergeordneter Bedeu­ tung ist, wenn weder der S ta a tsa n w a lt noch der Angeklagte noch der Verteidiger der Nicht­ vereidigung widerspricht. § 164 (§ 174) Zeit

der

Vereidigung

Di e Zeugen werden in der Regel erst in Hauptverhandlung vereidigt.

der

I m Hauptverfahren w ird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung vereidigt, wenn er bei der vo r­ bereitenden Beweisaufnahme vernommen w ird oder wenn Beweise zu sichern sind. I m Vorverfahren ist die Vereidigung nur zulässig, 1. wenn Beweise zu sichern sind; 2. wenn die Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht möglich sein w ird ; 3. wenn die Vereidigung nötig ist, um eine wahre Aussage herbeizuführen, und wenn von der Aussage der Fortgang des Verfahrens ab­ hängt. 17) § 165 (§ 175) Vorschriften für di e V e reidigung außerhalb derH auptverhandlung W ird der Zeuge durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder durch einen Richter im V o r­ verfahren vernommen, so entscheidet dieser über die Vereidigung. D er beauftragte oder ersuchte Richter muß jedoch den Zeugen vereidigen, wenn der Vorsitzer oder der ersuchende Richter es verlangt und die Vereidigung 17) D e r Ausnahmecharaktei? dieser V o rs c h rift ist in R ic h tlin ie n stark zu betonen und sicherzustellen.

den

zulässig ist. Auch in diesem F alle kann der ver­ nehmende Richter die Vereidigung aussetzen und eine neue Entschließung des Vorsitzers oder des ersuchen­ den Richters einholen, wenn sich bei der Vernehmung Tatsachen ergeben, die nach § 163 zur uneidlichen Vernehmung berechtigen. D e r Zeuge darf nicht ver­ eidigt werden, wenn die imeidliche Vernehmung ver­ langt w ird.

§ 166 (§ 176) Niederschrift W ird der Zeuge n u r fü r einen T e il seiner Aussage vereidigt, so w ird dieser T e il bei der Vereidigung und in der Niederschrift genau bezeichnet. W ird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhand­ lung vereidigt oder w ird er nach den §§ 162, 163, 165 Abs. 2 nicht vereidigt, so w ird der Grund in der Niederschrift angegeben. § 167 (§ 177) Eidesnorm

und

Eidesformel

Der Richter richtet an den Zeugen die W orte: „ S ie schwören bei G o tt dem Allmächtigen und Allwissenden, daß S ie nach bestem Wissen die reine W ahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben." Der Zeuge spricht darauf die W orte: „Ic h schwöre es, so wahr m ir G o tt helfe." Der Schwörende erhebt die rechte Hand. Werden ausnahmsweise mehrere Personen gleichzeitig ver­ eidigt, so spricht jeder die Eidesformel einzeln. Wenn der Zeuge es verlangt, läßt der Richter die W orte „bei G o tt dem Allmächtigen und Allwissenden" weg; der Schwörende beschränkt sich dann aus die E rklärung: „ Ic h schwöre es." § 168 (§ 178) Vereidigung

von

Stummen

Stumme schreiben die W orte nieder: „Ic h schwöre bei G ott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wissen die reine W ahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe" und unterschreiben sie. Können sie nicht schreiben, so leisten sie den Eid m it H ilfe eines Dolmetschers durch Zeichen. § 167 Abs. 4 g ilt entsprechend.

§ 169 (§ 179) B e t e u e r u n g s f o r m e l n i8 ) Dürfen M itg lie d e r einer Religionsgesellschaft nach dem Gesetz an Stelle des Eides eine Beteuerungs­ formel gebrauchen, so kann ein Zeuge, der glaubhaft macht, daß er einer solchen Religionsgesellschaft an­ gehört, die Beteuerungssormel anwenden. 1S) I m E n tw u rf des Strafgesetzbuchs ist wiederum v o r­ zusehen, daß eine Aussage, die u n te r einer solchen F o rm e l abgegeben w ird , der beeidigten Aussage gleichsteht.

49 50 § 170 (§ 180)

Um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Zwangsmaßnahmen gegen Angehörige der Wehr­ macht wird die Militärbehörde ersucht.

B e r u f u n g a u f d e n f r ü h e r e n E id Wird ein Zeuge, nachdem er eidlich vernommen worden ist, in demselben Verfahren nochmals ver­ nommen, so kann der Richter ihn die Wahrheit seiner Aussage unter Berufung auf den früheren Eid ver­ sichern lassen. § 171 (§ 181) Verletzung der Pfl icht zum Erscheinen und zur Aussage Macht ein Zeuge falsche Angaben, um sich seinen Pflichten zu entziehen, oder bleibt er ohne genügende Entschuldigung aus, obwohl er geladen und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen wor­ den ist, oder entfernt er sich unbefugt, so wird ihm eine Ordnungsstrafe 19) in Geld bis zu dreißig Tages­ bußen auferlegt; auch seine Vorführung kann ange­ ordnet werden. Gibt ein Zeuge in demselben Verfahren mehrfach zu der Maßnahme Anlaß, so kann ihm auch Ord­ nungshaft 19) bis zu einem M onat auferlegt werden. Die Maßnahme kann wiederholt werden. Entschuldigt sich der Zeuge ausreichend, so wer­ den die Anordnungen aufgehoben. F ü r die Ordnungsstrafe 19) in Geld gelten die §§ 41, 44, 45 des Strafgesetzbuchs entsprechend. § 172 (§ 182) Unberechtigte V er w ei ger ung Au s s a g e oder des E i d e s

der

Weigert sich ein Zeuge unberechtigt auszusagen oder eine ihm nach § 160 auferlegte Pflicht zu er­ füllen oder die Aussage zu beschwören, so wird ihm eine Ordnungsstrafe in Geld bis zu dreißig Taaesbußen auferlegt. F ür die Ordnungsstrafe in Geld gelten die §§ 41, 44, 45 des Strafgesetzbuchs ent­ sprechend. Bleibt der Zeuge bei der Weigerung, nachdem die Ordnungsstrafe vollstreckt worden ist, so kann die Maßnahme wiederholt werden. Neben der Ordnungsstrafe kann Zwangshaft an­ geordnet werden. Sie darf in einem Rechtszug nur bis zur Verkündung des Urteils dauern. I n dem­ selben Verfahren und in einem anderen Verfahren, das dieselbe T at zum Gegenstand hat, darf sie ins­ gesamt sechs Monate nicht übersteigen.

auf

§ 174 (§ 183 Abs. 3) Antrag r i c h t e r l i c h e E n t s c h e i d u n g 19a)

Gegen Verfügungen des Staatsanw alts, die sich aus eine an erster Stelle verhängte Ordnungshaft, eine Zwangshast oder die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe beziehen, kann der Betroffene, unbe­ schadet seines Beschwerderechts (§ 292), die Entschei­ dung des Richters anrufen. Der Antrag ist bei dem Staatsanw alt einzu­ reichen. über den Antrag entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer. Gehört die Tat, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, zur Zuständigkeit des Ober­ landesgerichts oder des Volksgerichtshofs, so ent­ scheidet der Vorsitzer des Senats. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. Seine Anrufung hat keine aufschiebende Wirkung. § 175 (§ 184) V e r n e h m u n g durch d i e P o l i z e i Werden Zeugen von der Polizei vernommen, so gelten die §§ 144, 146 bis 154, 155 Abs. 1, 157 Abs. 1, 3, 159, 160 sinngemäß. Die Polizei ist befugt, geaen Zeugen, die nicht erscheinen, Zwangsstrasen in Geld zu verhängen, die im Falle der Nichtbeitreibbarkeit in Zwangshast um­ gewandelt werden können. Auch die Vorführung ist zulässig. D as Nähere bestimmt das Reichspolrzeiverwaltungsgesetz. Zweiter Abschnitt

Sachvers t ändi ge § 176 (§§ 185, 186) Sachverständige und sachverständige Zeugen Der Sachverständige hat die Aufgabe, den Richter und den Staatsanw alt durch seine besondere Sach­ kunde zu unterstützen. Werden zum Beweise von Tatsachen, zu deren Wahrnehmung besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen vernommen, so sind die Vor­ schriften über Zeugen anzuwenden.

§ 173 (§ 183 Abs. 1, 2) Z u st ä n d i g k e i t

§ 177 (§ 188) A u s w a h l der Sachverständigen

Über Ordnungsstrafen und Zwangsmaßnahmen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer. Sie haben auch die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde. Auch der beauftragte und der ersuchte Richter und der im Vorverfahren zur Vernehmung berufene Richter können über Ordnungsstrafen und Zwangs­ maßnahmen entscheiden und sie vollstrecken.

I m Vorverfahren wählt der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer den Sachverständigen nach freiem Ermessen aus. Sie können auch das Gut­ achten einer Fachbehörde einholen. Sind für gewisse Fachgebiete Sachverständige amtlich bestellt, so werden andere Sachverständige nur gewählt, wenn besondere Umstände es erfordern.

10) Die Änderung dieser Bezeichnung bleibt vorbehalten.

4

19a ) Die Vorschrift wird m it den §§ 203, 241 in Einklang zu bringen sein.

51 52 Wer bei einer richterlichen Entscheidung mitge­ wirkt hat, soll nicht über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben, als Sachverständiger gehört werden.

Ablehnung

§ 178 (§ 190) des S a c h v e r s t ä n d i g e n

Der Sachverständige kann aus denselben Gründen wie ein Richter, aber nicht deshalb abgelehnt -werden, weil er in der Sache bereits als Zeuge vernommen worden ist oder ein Gutachten erstattet hat. Zur Ablehnung sind der Staatsanw alt und der Beschuldigte befugt. Dem Beschuldigten wird die Be­ stellung des Sachverständigen unverzüglich mitgeteilt. Dies gilt auch im Vorverfahren, wenn nicht besondere Gründe entgegenstehen. Uber die Ablehnung entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer. Die §§ 114, 117 bis 119 gelten entsprechend. § 179 (§ 189) Pflicht zur E r s t a t t u n g

§ 182 (§ 193) Vereidigung Der Sachverständige wird vereidigt, wenn der Vorsitzer es nach pflichtmäßigem Ermessen für geboten hält. Der Eid geht dahin, daß der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe. § 183 (§§ 187, 194) Anwendung

der

Vorschriften

Soweit in den vorstehenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, gelten für den Sachverständigen die Vorschriften des Zeugenabschnitts (§§ 143 bis 175). Ordnungshaft und Ersatzsreiheitsstrafe dürfen gegen den Sachverständigen nicht verhängt werden; er darf auch nicht vorgeführt und nicht in Zwangshast genommen werden.

des

Gut a c ht e ns

D ritter Abschnitt

Wer vom Richter oder vom Staatsanw alt zum Sachverständigen bestellt wird, ist verpflichtet, das Gutachten abzugeben. Aus Verlangen hat er es schriftlich niederzulegen. D as Gutachten kann aus denselben Gründen ver­ weigert werden wie das Zeugnis. Der Sachverstän­ dige kann auch aus anderen Gründen von seiner Pflicht befreit werden. Amtsträger und Angestellte des Staates und der Partei sowie Soldaten werden nicht als Sachver­ ständige gehört, wenn die vorgesetzte Dienststelle er­ klärt, daß ihre Heranziehung sür den Dienst nachteilig wäre. Die §§ 147 Abs. 2 und 149 Abs. 5 gelten ent­ sprechend.

Augenschein

§ 180 (§ 191) V o r b e r e i t u n g des Gut acht e ns

§ 184 (§§ 195, 196)

Au g e n s c h e i n Jedermann ist verpflichtet, die Besichtigung einer Örtlichkeit oder einer Sache zu dulden, wenn der Richter, der S taatsanw alt oder die Polizei diese Besichtigung zur Aufklärung des Sachverhalts sür nötig hält. Erfolgt der Augenschein außerhalb der Hauptver­ handlung, so werden die Ergebnisse in einer Nieder­ schrift ausgenommen; wenn nötig, sind Abbildungen und Pläne anzufertigen und beizufügen. § 185 (§ 197 Abs. 1) Leichenschau

Dem Sachverständigen kann gestattet werden, die Akten einzusehen, bei der Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Beschuldigten zugegen zu sein und unmittelbar Fragen zu stellen. E r kann zur Vor­ bereitung des Gutachtens weitere Ermittlungen an­ regen.

Arzt

über

Ze u g e n

Wird ein Leichnam in Augenschein genommen, ohne daß eine Öffnung geboten ist, so soll ein Arzt, möglichst ein Amtsarzt, hinzugezogen werden. § 186 (§ 197 Abs. 2 bis 5)

20 )

Leichenöffnung

§ 181 (§ 192) als Sachverständiger

Is t damit zu rechnen, daß die Unterbringung eines Beschuldigten in einer Heil- oder Pslegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder seine Entmannung angeordnet werden wird, so soll über seinen körperlichen und geistigen Zustand bereits im Vorverfahren ein Arzt als Sachverständiger gehört werden. Die Anordnung einer dieser Maßregeln ist nur auf Grund eines in der Hauptverhandlung er­ statteten ärztlichen Gutachtens zulässig. Vor Erstattung des Gutachtens hat der Sach­ verständige den Beschuldigten zu untersuchen. 4*

Wenn zur Aufklärung einer S traftat die Öffnung eines Leichnams erforderlich ist, so ordnet sie der Richter oder der Staatsanw alt an. Die Leichenöff­ nung erfolgt in Gegenwart des Richters oder des S taatsanw alts durch einen Amtsarzt; dieser kann einen zweiten Arzt hinzuziehen. Der Arzt, der den Verstorbenen unmittelbar vor dem Tode behandelt hat, soll nicht zur Mitwirkung bei der Leichenöffnung herangezogen werden; jedoch kann der Richter oder der S taatsanw alt ihn hinzuziehen, damit er aus der Krankengeschichte Aufschlüsse gibt. 20) Eine Besprechung der Vorschriften mit dem Reichs­ ministerium des In n ern bleibt vorbehalten.

53 54 Vor der Leichenöffnung wird tunlichst die Person des Verstorbenen festgestellt. Die Öffnung des Leich­ nams erstreckt sich, soweit sein Zustand es gestattet, aus die Kops-, Brust- und Bauchhöhle; bei einem neu­ geborenen Kind wird die Untersuchung namentlich auch darauf gerichtet, ob es nach oder während der Geburt gelebt hat und ob es reif oder wenigstens lebensfähig gewesen ist. Die Niederschrift wird auch von den zugezogenen Ärzten unterschrieben. § 187 (§ 198) V e r f ü g u n g ü b e r Le i c he n Der Leichnam oder einzelne Teile dürfen zurück­ behalten werden, solange es der Zweck des Verfahrens fordert. Zur Besichtigung oder Öffnung darf aus Anord­ nung des Richters oder des S taatsanw alts ein Leich­ nam ausgegraben werden.

§ 190 (§ 201)

Ha f t b e f e h l Die Untersuchungshaft wird schriftlich angeordnet. I m Haftbefehl ist der Beschuldigte genau zu be­ zeichnen. I n ihm werden ferner angegeben: 1. die Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, Zeit und O rt ihrer Begehung, die straf­ bare Handlung, die sie darstellt, und die anzu­ wendenden Strafvorschriften; 2. der Haftgrund und die wesentlichen Umstände, die seine Annahme rechtfertigen. Is t der Beschuldigte noch nicht ergriffen, so wird auch das Gefängnis bezeichnet, in das er einzu­ liefern ist.

§ 191 (§ 202) Bekanntgabe

Drittes Hauptstück Zwangsmittel

Der Haftbefehl wird dem Beschuldigten unver­ züglich bekanntgegeben, wenn möglich bei der Ver­ haftung. Wird der Haftbefehl nicht bei der Ver­ haftung bekanntgegeben, so wird dem Verhafteten vorläufig mitgeteilt, welcher S traftat er verdächtig ist; die Bekanntgabe wird in diesem Falle unverzüg­ lich nachgeholt.

Erster Abschnitt

Untersuchungshaft § 188 (§§ 199, 206) Vo r a u s s e t z u n g e n der U n t e r s u c h u n g s ­ haft Gegen einen Beschuldigten, der einer Straftat dringend verdächtig ist, wird die Untersuchungshaft angeordnet, 1. wenn zu befürchten ist, daß er flieht, oder wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält; 2. wenn nach den Umständen der Verdacht be­ gründet ist, daß er die Freiheit zur Verdunke­ lung des Sachverhalts mißbrauchen werde; 3. wenn nach seinem Verhalten zu befürchten ist, daß er die Freiheit zu neuen Straftaten miß­ brauchen werde; 4. wenn sein Verbleiben in der Freiheit mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflich­ keit der T at und die durch ihn hervorgerufene Erregung der Öffentlichkeit für die Volks­ gemeinschaft unerträglich wäre. Die Untersuchungshaft darf nur angeordnet wer­ den, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache, dem Zweck der Untersuchung und der zu erwartenden Strafe oder sichernden Maßregel stehen. § 189 (§ 200) Unt ersuchungshaft gegen unfähige

des H a f t b e f e h l s

Schuld-

F ü r einen Beschuldigten, der dringend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte T at im Zustand der Schuldunfähigkeit (§§ 19, 21 des Strafgesetzbuchs) begangen zu haben, gilt § 188 entsprechend.

Wird der Haftbefehl dem Beschuldigten verkündet, so wird er darauf hingewiesen, daß er auf Verlangen eine Abschrift erhält.

§ 192 (§ 204) E i n l i e s e r u n g und V e r n e h mu n g desVerhafteten Wer auf Grund eines Haftbefehls ergriffen wird, wird unverzüglich, spätestens am Tage nach der E r­ greifung, in das Gefängnis eingeliefert, das der Haftbefehl bezeichnet. Is t dies nicht möglich oder ist im Haftbefehl kein bestimmtes Gefängnis angegeben, so wird er in das nächste Gefängnis eingeliefert. Der Richter oder der Staatsanw alt, der den Haftbefehl erlassen hat, wird von der Einlieferung sofort be­ nachrichtigt. Der Verhaftete wird unverzüglich, spätestens am Tage nach der Einlieferung, durch den zuständigen Richter oder Staatsanw alt vernommen. Hat der zuständige Richter oder Staatsam oalt seinen Amtssitz nicht am Hastort, so vernimmt der Amtsrichter des Haftortes den Verhafteten. Ergibt sich, daß der Haftbefehl aufgehoben ist oder daß der Ergriffene nicht die Person ist, die der Haftbefehl be­ zeichnet, oder erweist sich der im Haftbefehl ange­ nommene Tatverdacht als offensichtlich haltlos, so wird der Beschuldigte sofort freigelassen. Bei der Vernehmung wird der Verhaftete über die zulässigen Rechtsbehelse belehrt.

55 56 § 193 (§ 203) Nachr i cht v o n d e r V e r h a f t u n g Dem Verhafteten w ird aus V erlangen Gelegenheit gegeben, Angehörige und, wenn dafür ein wichtiger G rund besteht, andere Personen von der Verhaftung zu benachrichtigen. D er Zweck des V erfahrens darf dadurch nicht gefährdet werden. § 194 (§ 205) Ander e M a ß n a h m e n zur A b w e n d u n g der Fl ucht Vom Vollzug des Haftbefehls kann abgesehen werden, wenn andere M aßnahm en ausreichen, um die Flucht des Beschuldigten zu verhüten. Zulässig ist insbesondere: 1. Pässe und sonstige Ausweise über die Person des Beschuldigten sicherzustellen oder die A us­ stellung derartiger Ausweise zu sperren; 2. dem Beschuldigten das Verlassen des Reichs­ gebiets zu untersagen (Grenzsperre); 3. ihm die Pflicht aufzuerlegen, sich zu bestimmten Zeiten bei einer Behörde zu melden; 4. ihm die Leistung einer Sicherheit aufzugeben. Trotz solcher M aßnahm en kann der Haftbefehl vollzogen werden, wenn der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten zuwiderhandelt, wenn er A n­ stalten zur Flucht trifft, wenn er aus eine Ladung ohne gellügende Entschuldigung ausbleibt oder wenn andere Umstände die Untersuchungshaft erforderlich machen. § 195 (§ 207) S i c h e r h e i t s l e i st u n g W ird dem Beschuldigten die Leistung einer Sicher­ heit aufgegeben, so w ird der Geldbetrag, in dessen Höhe die Sicherheit zu leisten ist, und die A rt der Sicherheitsleistung bestimmt. Die §§ 232 bis 240 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend, soweit nichts anderes bestimmt wird. D er Geldbetrag verfällt der Reichskasse, tDeitn sich der Beschuldigte dem V erfahren oder der Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der sichernden M aßregel da­ durch entzieht, daß er flieht oder sich verborgen hält. H at der Beschuldigte im In la n d keinen Wohnsitz o d e r. dauernden A ufenthalt, so hat er eine Person, die im Bezirk des zuständigen Richters oder S ta a ts ­ anw alts wohnt, zum Em pfang der für ihn bestimmten Schriftstücke za bevollmächtigen. § 196 (§ 210) Übe r wa c hung der Ha f t d a u e r W ird die Untersuchungshaft vollzogen, so achtet der S ta a tsa n w a lt, im H auptverfahren der Richter jederzeit daraus, ob die F o rtdauer der Hast ge­ boten ist.

§ 197 (§ 209) Haftunfähigkeit D er Vollzug des Haftbefehls kann ausgesetzt werden, solange der Beschuldigte infolge ernster E r­ krankung für den Vollzug untauglich ist. D ie Aussetzung des Vollzugs kann an B e­ dingungen geknüpft werden. § 198 (§ 211) A u f h e b u n g des H a f t b e f e h l s D er Haftbefehl wird aufgehoben, wenn die V or­ aussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vor­ liegen. E r ist insbesondere aufzuheben, wenn der B e­ schuldigte freigesprochen oder wenn das Verfahren endgültig eingestellt wird. D ies gilt nicht, wenn das Gericht die Unterbringung des Beschuldigten in einer Anstalt oder seine Entm annung anordnet. D ie Aufhebung des Haftbefehls darf nicht deshalb hinausgeschoben werden, weil der S taatsan w alt ein Rechtsmittel einlegt. § 199 (§ 212)

Aufhebung anderer Maßnahmen Eine andere M aßnahm e, die zur Abwendung der Flucht getroffen worden ist, wird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn die Untersuchungshaft oder die gegen den B e­ schuldigten erkannte Freiheitsstrafe oder sichernde M aßregel vollzogen wird. D ies gilt auch für die Freigabe einer noch nicht verfallenen Sicherheit. Hat für den Beschuldigten ein anderer Sicherheit geleistet, so kann dieser die F re i­ gabe auch dann verlangen, wenn er einen Fluchtplan des Beschuldigten so rechtzeitig anzeigt, daß die Flucht vereitelt wird. 22) § 200 (§ 216) Wiederholte Aufhebungsanträge I s t ein A ntrag abgelehnt worden, den Haftbefehl oder eine andere zur Abwendung der Flucht getroffene M aßnahm e aufzuheben oder den Vollzug des H aft­ befehls auszusetzen, so darf ein solcher A ntrag erst wieder gestellt werden, wenn seit der Bekanntgabe 21) E s wird davon ausgegangen, daß in den A usführungsbeftim m ungen über den Vollzug der Untersuchungshaft etwa in A nlehnung an § 32 Abs. 2 S . 1 des E ntw u rfs einer A V O . z. Strafvollstreckungsges. eine nähere R egelung darüber er­ folgt, w ann der Beschuldigte für den Vollzug des Haftbefehls untauglich ist. D ie Vorschrift könnte etwa folgenderm aßen lauten : „D er Verhaftete ist im S in n e des § 197 S tV O , für den Vollzug der Untersuchungshaft untauglich, wenn der Vollzug für ihn m it Lebensgefahr verbunden ist oder wenn sich eine infolge seines Zustandes von ihm ausgehende Ansteckungsgefahr oder eine sonstige Gefährdung des A nstaltsbetriebs nicht ausschließen läßt." 22) Nach dieser Fassung kann (abweichend von § 121 S tP O , und § 212 V E .) der D ritte die Rückgabe der Sicher­ heit nicht verlangen, wenn die Flucht trotz seiner Anzeige nicht vereitelt worden ist — etwa infolge eines Verschuldens staatlicher O rgane — . E s wird angeregt, diese F rage in der 2. Lesung nochm als zu prüfen.

57 58 der letzten Entscheidung ein Monat verstrichen ist oder wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bei­ gebracht werden.

§ 201 (§§ 217 , 218) Vollzug

der U n t e r s u c h u n g s h a f t

Dem Verhafteten dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft, die Ordnung der Anstalt oder die Sicherheit erfordert. Der Verhaftete soll in Einzelhaft untergebracht werden; dies muß geschehen, wenn es der Zweck des Verfahrens erfordert. Entscheidungen, die sich auf das Zusammenbringen des Verhafteten mit anderen Gefangenen, auf seine Verbindung mit der Außenwelt oder auf Maßnahmen zur Sicherung des Strafverfahrens beziehen, trifft der nach § 202 zuständige Richter oder Staatsanw alt. I n dringenden Fällen kann der Vorsteher der Anstalt vorläufig entscheiden. Seine vorläufigen Anord­ nungen bedürfen der Bestätigung durch den Richter oder den Staatsanw alt; sie ist unverzüglich ein­ zuholen.

§ 202 (§ 213) Zuständigkeit I m Vorverfahren ist für den Erlaß des Haft­ befehls und für die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Untersuchungshaft beziehen, der Staatsanw alt zuständig, der das Vorverfahren führt. Der Amts­ richter, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, kann im Vor­ verfahren den Haftbefehl erlassen, wenn sich an seinem Amtssitz kein zuständiger Staatsanw alt befindet und wenn Gefahr im Verzug ist oder wegen des Zeitver­ lustes oder wegen der ungünstigen Verkehrsverhält­ nisse die Zuführung des Beschuldigten an den zu­ ständigen Staatsanw alt untunlich ist; die weitere Verfügung gebührt dem Staatsanw alt. Nach Erhebung der Anklage erläßt den Haftbefehl und die weiteren Entscheidungen der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. Ist Urteilsrüge eingelegt, so ist der Vorsitzer des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten ist; der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts kann den Haftbefehl aufheben. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die Ver­ nehmung des Verhafteten und für die Entscheidungen über andere Maßnahmen zur Abwendung der Flucht. § 203 (§§ 214 , 215) Richt erli che B e s t ä t i g u n g des H a f t b e f e h l s 22a) Gegen den Haftbefehl des S taatsanw alts oder des Amtsrichters kann der Beschuldigte im Vorverfahren die Entscheidung des Vorsitzers der Strafkammer an­ rufen, in deren Bezirk der Staatsanw alt seinen Amts­ sitz hat, und, wenn für das Hauptverfahren der Volks­ gerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig ist, die Entscheidung des Vorsitzers des Senats. Die An22a) Die Vorschrift wird mit den §§ 174, 241 in Einklang zu bringen sein.

rufung ist erst zulässig, wenn seit dem Beginn des Vollzugs der Untersuchungshaft zwei Wochen ver­ strichen sind. Nach Erhebung der Anklage trifft die Entschei­ dung der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Ver­ fahren anhängig ist, wenn Urteilsrüge eingelegt ist, der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. E r kann eine andere Maßnahme zur Abwendung der Flucht anordnen. Hebt der Vorsitzer im Vorverfahren den Haftbefehl aus oder ordnet er eine Maßnahme zur Abwendung der Flucht an, so läßt der Staatsanw alt den Verhafteten frei, wenn er nicht binnen vierund­ zwanzig Stunden Beschwerde einlegt.

§ 204 (§ 219) En t s c h e i d u n g ü b e r den V e r f a l l sichergestellter B e t r ä g e Die Entscheidung darüber, ob ein sichergestellter Geldbetrag verfallen ist, trifft im Vorverfahren der Vorsitzer der Strafkammer, wenn für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof oder das Oberlandes­ gericht zuständig ist, der Vorsitzer des Senats. Nach Erhebung der Anklage trifft die Entscheidung der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, wenn Urteilsrüge eingelegt ist, der Vor­ sitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist. Vor der Entscheidung werden der Staatsanw alt, der Verteidiger, der Beschuldigte, sein gesetzlicher Ver­ treter und Dritte, die für ihn Sicherheit geleistet haben, zur Erklärung aufgefordert; für die Erklärung wird ihnen eine Frist bestimmt. Gegen den Beschluß ist die befristete Beschwerde zulässig. Der Beschluß, der den Geldbetrag für verfallen erklärt, wirkt gegen den, der die Sicherheit geleistet hat, wie eine Verurteilung zur Zahlung des Betrages an die Reichskasse. E r ist, solange die Beschwerde zu­ lässig ist, vorläufig vollstreckbar. Wird bei der Be­ friedigung aus einer dinglichen Sicherheit der sicher­ gestellte Geldbetrag nicht erlöst, so ist eine Nach­ forderung ausgeschlossen; wird ein Uberschuß erzielt, so wird er herausgegeben.

§ 205 (§ 220) V o r l ä u f i g e Fe s t na hme Bei Gefahr im Verzug kann jeder Staatsanw alt und jeder Polizeibeamte jemanden, der einer mit Strafe bedrohten T at verdächtig ist, vorläufig fest­ nehmen, wenn die Umstände die Annahme rechtferti­ gen, daß sich bei weiterer Aufklärung alsbald die Voraussetzungen für den Erlaß des Haftbefehls er­ geben werden. Wer auf frischer T at betroffen oder verfolgt wird, kann von jedermann vorläufig festgenommen werden, wenn er der Flucht verdächtig ist oder wenn seine Person nicht sofort festgestellt werden kann. Der Fest­ genommene ist sofort dem nächsten Polizeibeamten zu übergeben.

59 60 § 206 (§ 221) Z u f ü h r u n g und V e r n e h m u n g d e s v o r l ä u f i g F e st g e n o m m e n e n Wird der vorläufig Festgenommene nicht wieder in Freiheit gesetzt, so wird er unverzüglich dem Richter oder dem Staatsanw alt zugeführt, der für den Erlaß des Haftbefehls zuständig ist. Sind Ermittlungen notwendig, um über die Haft entscheiden zu können, so kann zu diesem Zweck die Zuführung drei Tage vom Tag der vorläufigen Festnahme ab hinaus­ geschoben werden. Der vorläufig Festgenommene wird unverzüglich vernommen, spätestens am Tage nach der Zuführung. Ergeht kein Haftbefehl, so wird der vorläufig Fest­ genommene freigelassen. § 207 (§ 222) Feststellungshaft Der Staatsanw alt und die Polizei können einen Unbekannten zur Feststellung seiner Person vorläufig in Hast nehmen, wenn begründeter Verdacht besteht, daß er in einem Strafverfahren als Beschuldigter oder zur Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Maßregel gesucht wird. über die Zulässigkeit der Hast, die die Polizei an­ geordnet hat, entscheidet auf Antrag des Betroffenen der Staatsanw alt des Bezirks, in dem der Unbekannte festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird. Die Akten werden spätestens am dritten Tage nach der Stellung des Antrags dem S taatsanw alt zur Entscheidung vorgelegt. Die Hast darf die Dauer von zwei Wochen nicht übersteigen. Verzögert sich die Feststellung der P e r­ son des Unbekannten, weil er unwahre oder gröblich entstellte Angaben über seine Person macht oder An­ gaben verweigert, so kann der Staatsanw alt die Haft um weitere zwei Wochen verlängern; dasselbe gilt, wenn Nachforschungen im Ausland nötig werden. Die §§ 190, 191, 193, 196 bis 198, 201 gelten entsprechend; die Entscheidungen nach § 201 trifft der zuständige Staatsanw alt. Der Festgenommene wird über die zulässigen Rechtsbehelfe belehrt. § 208 (§ 223)

St e c kbr i e f Liegt ein Haftbefehl vor, so kann der S ta a ts­ anwalt oder der Richter einen Steckbrief erlassen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält. Ohne Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur zulässig, wenn der vorläufig Festgenommene ent­ weicht oder sich sonst der Bewachung entzieht. I n diesen Fällen kann auch die Polizei einen Steckbrief erlassen. F ür die Einlieserung und die Vernehmung des Beschuldigten gilt § 192 entsprechend. I n dem Steckbrief wird der Verfolgte bezeichnet und, soweit möglich, beschrieben. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung werden angegeben. Außerdem wird das Gefängnis bezeichnet, m das der Verfolgte einzuliefern ist.

Zweiter Abschnitt

Bes chl agnahme, Durchsuchung und Unt ersuchung Erster Unterabschnitt

Be s c hl a gna hme 23) § 209 (§ 224 Abs. 1) B e s c h l a g n a h m e v o n Bewei sst ücken und Einziehungsstücken Gegenstände, die als Beweismittel für das Ver­ fahren von Bedeutung sein können (Beweisstücke) oder für verfallen erklärt, eingezoaen oder unbrauch­ bar gemacht werden können (Einziehungsstücke), dürfen beschlagnahmt werden. § 210 (§ 226) Beschlagnahme zur Entschädigung des Verletzten Gegenstände, die der Beschuldigte durch eine mit S trafe bedrohte T at erlangt hat, dürfen beschlag­ nahmt werden, um die Entschädigung des Verletzten zu sichern. Dasselbe gilt für Gegenstände, die der Beschuldigte durch Verwertung der dem Verletzten entzogenen Gegenstände oder als Ersatz für sie er­ worben hat. Der Verletzte wird von der Beschlagnahme unver­ züglich benachrichtigt. § 211 (§ 227) Vollziehung

der Beschlagnahme

Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch bewirkt, daß sie in dienstliche Verwahrung geitommen oder daß dem Gewahrsamsinhaber verboten wird, über sie zu verfügen. Wird die Sache nicht in dienstliche Verwahrung genommen, so soll die Be­ schlagnahme durch Anlegung von Siegeln oder in anderer Weise ersichtlich gemacht werden. Die Beschlagnahme anderer Gegenstände wird da­ durch bewirkt, daß dem Berechtigten verboten wird, über den Gegenstand zu verfügen. Wird dem Berech­ tigten die Verfügung über einen Anspruch, ins­ besondere die Einziehung einer Forderung, verboten, so ist auch dem Schuldner zu verbieten, an den Be­ rechtigten zu leisten. Die Beschlagnahme wird mit der Bekanntgabe des Verbots an den Berechtigten wirksam, dem Schuldner gegenüber jedoch erst dann, wenn sie ihm bekannt oder wenn ihm das Leistungs­ verbot zugestellt wird. Is t ein Grundstück, ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht beschlagnahmt worden, so können der Staatsanw alt und der Richter das Grundbuchamt um Eintragung der Beschlag­ nahme in das Grundbuch ersuchen. Die Beschlag­ nahme wird auch in dem Zeitpunkt wirksam, in dem 23) Es bleibt vorbehalten, die Vorschriften über die Voll­ ziehung und die Wirkung der Beschlagnahme einzelner Gegenstände und der Vermögensbeschlagnahme (§§ 211, 212, 221,222) unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen.

61 62 das Ersuchen um Eintragung des Beschlagnahme­ vermerks dem Grundbuchamt zugeht, wenn demnächst der Vermerk eingetragen wird. Die Anordnung der Beschlagnahme wird dem Be­ troffenen mitgeteilt, sobald es den Zweck des Ver­ fahrens nicht mehr gefährdet. § 212 (§ 228) Wirkung

der Beschlagnahme

Verfügungen über beschlagnahmte Gegenstände sind dem Reich gegenüber und, wenn die Beschlag­ nahme zur Entschädigung des Verletzten angeordnet worden ist, auch diesem gegenüber unwirksam. Dies gilt auch für eine Verfügung durch Zwangsvoll­ streckung oder durch Vollziehung eines Arrests. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu­ gunsten derjenigen, die Rechte von einem Nicht­ berechtigten herleiten, gelten entsprechend. § 213 (§ 232) Rückgabe an den Ve r l e t z t e n I s t eine Suche durch eine mit Strafe bedrohte T at dem Verletzten entzogen und bei einem an der T at Beteiligten beschlagnahmt worden, so wird sie, sobald sie im Verfahren entbehrlich ist, dem Verletzten zu­ rückgegeben, wenn keine entgegenstehenden Ansprüche geltend gemacht werden. Bestehen Zweifel darüber, wer der Empfangs­ berechtigte ist, so kann die Sache bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt werden. Dem Betroffenen bleibt der Rechtsweg vor­ behalten. § 214 (§ 229) Aushebung

der B e s c h l a g n a h me

Die Beschlagnahme wird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn sie nicht mehr nötig ist. Eine Beschlagnahme, die lediglich die Entschä­ digung des Verletzten sichert, wird auch dann auf­ gehoben, wenn der Verletzte innerhalb eines M onats seit seiner Benachrichtigung (§ 210 Abs. 2) die Sicherung oder Befriedigung seiner Entschädigungs­ ansprüche nicht betreibt oder später unterläßt, sie weiter zu betreiben, und auf diese Folge in der Nach­ richt hingewiesen worden ist. § 215 (§ 230) B e s c h l a g n a h m e dienstlich v e r w a h r t e r G e g e n st ä n d e Ein Schriftstück oder ein anderer Gegenstand, der von einer Dienststelle oder einem Amtsträger des S taates oder der Partei, einem Soldaten oder einem Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes dienstlich ver­ wahrt totrb oder einem anderen dienstlich in Ver­ wahrung gegeben worden ist, darf nicht beschlagnahmt werden, wenn die zuständige Dienststelle erklärt, daß

die Beschlagnahme dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Ausgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Ist eine Dienststelle des Staates für die Ver­ wahrung verantwortlich, so ist die ihr vorgesetzte Dienststelle für die Erklärung zuständig. Welche Dienststelle zuständig ist, wenn für die Verwahrung eine Dienststelle der Partei verantwortlich ist, be­ stimmt der Stellvertreter des Führers im Ein­ vernehmen mit dem Reichsminister der Justiz. § 216 (§ 231) B e s c h l a g n a h m e bet A u s s a g e verweigerungsberechtigten Befinden sich schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach den § 151 Abs. 1, 152 zur Verweigerung der Aussage erechtigt sind, sowie Aufzeichnungen der letzteren in deren Gewahrsam, so dürfen die Papiere nur mit Zustimmung dieser Personen beschlagnahmt werden, wenn sie nicht selbst verdächtig sind, an der T at be­ teiligt zu sein. Dasselbe gilt für schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und seinen Verwandten gerader Linie, seinen Geschwistern, seinem Ehegatten oder Verlobten. Befinden sich schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den im § 151 Abs. 2 ge­ nannten Personen sowie Aufzeichnungen der letzteren in deren Gewahrsam, so sollen die Papiere ohne Zu­ stimmung dieser Personen nur beschlagnahmt werden, wenn es zur Wahrheitsersorschung unerläßlich und angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist, es sei denn, daß sie selbst verdächtig sind, an der T at be­ teiligt zu sein. Die Beschränkungen gelten nicht, wenn diese P er­ sonen von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit worden sind. § 217 (§ 233) Notveräußerung Beschlagnahmte Sachen, die für verfallen erklärt oder eingezogen werden können, dürfen nach den Vor­ schriften über die Verwertung im Verwaltungs­ zwangsverfahren veräußert werden, wenn ihr Ver­ derben droht oder ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung unverhältnismäßig viel kostet. Der Erlös tritt an die Stelle der Sachen. Zeit und Ort der Veräußerung werden dem B e­ schuldigten, dem Eigentümer und anderen, denen Rechte an der Sache zustehen, möglichst vorher mit­ geteilt. § 218 (§ 234 Abs. 1, 2) P o st s p e r r e Gegen den Beschuldigten kann die Postsperre an­ geordnet werden. Der Postsperre unterliegen die im Gewahrsam der Deutschen Reichspost befindlichen Postsendungen, Telegramme und Aufträge im Postscheckverkehr (Sen-

63 64 düngen), die an den Beschuldigten gerichtet sind oder von denen anzunehmen ist, daß sie für den Beschul­ digten bestimmt sind oder von ihm herrühren. Die Deutsche Reichspost liefert gesperrte Sendun­ gen dem Staatsanw alt oder Richter aus, der in der Anordnung als zuständig bezeichnet ist, und zwar ver­ schlossene Sendungen uneröffnet. Dieser Prüft, ob die Sendungen zu beschlagnahmen sind. E r ist befugt, verschlossene Sendungen zu öffnen. Sendungen, deren Beschlagnahme nicht erforderlich ist, gibt er an die Deutsche Reichspost zurück. Die Postsperre wird unwirksam, wenn seit ihrer Anordnung ein M onat verstrichen und die Sperre nicht erneuert worden ist. § 219 (§ 234 Abs. 3) Postauskunft Der Staatsanw alt und der Richter können die Deutsche Reichspost um Auskunft über den Post-, Postscheck- und Fernmeldeverkehr ersuchen, soweit es sich um Sendungen oder Mitteilungen handelt, die an den Beschuldigten gerichtet sind, oder von denen anzunehmen ist, daß sie für den Beschuldigten be­ stimmt sind oder von ihm herrühren. S ie können die Deutsche Reichspost auch um Aus­ kunft über das Postscheckkonto des Beschuldigten ersuchen. § 220 (§ 234 Abs. 4) A n d e r e F e r n m e l denn Vernehmen Die §§ 218, 219 gelten auch für Unternehmen, die eigene Fernmeldeanlagen für Übermittlungen des öffentlichen Verkehrs betreiben und mit der Deutschen Reichspost über solche Übermittlungen ganz oder teil­ weise abrechnen, sowie für andere, die die Abrechnung vermitteln. § 221 (§ 235 Abs. 1) Vermögensbeschlagnahme

einem oder mehreren öffentlichen Blättern bekannt­ zumachen. § 211 Abs. 3 gilt entsprechend. Ein D ritter kann sich bei Verfügungen, die nach der öffentlichen Bekanntmachung oder nach der Zu­ stellung an ihn vorgenommen worden sind, nicht dar­ auf berufen, daß ihm die Beschlagnahme nicht bekannt gewesen fei, außer wenn er nachweist, daß seine Un­ kenntnis nicht fahrlässig war. § 223 (§ 236) T r e u h ä n d e r und P flege r Zur Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens kann ein Treuhänder bestellt werden'. Die näheren Rechts- und Verwaltungsvorschriften erläßt der Reichsminister der Justiz; er regelt insbesondere die Rechte und Pflichten sowie die Tätigkeit des Treu­ händers. Die Anordnung der Vermögensbeschlagnahme gegen einen Flüchtigen oder Abwesenden wird dem Vormundschaftsgericht mitgeteilt. E s kann für ihn einen Pfleger bestellen, auch wenn die Voraussetzun­ gen des § 1911 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vorliegen. § 224 (§ 224 Abs. 2) S i c h e r st e l l u n g v o n B e w e i s e n S oll ein Augenscheinsbeweis gesichert werden, so kann dies auch anders als durch Beschlagnahme ge­ schehen, insbesondere durch Maßnahmen des E r­ kennungsdienstes, durch Absperrung des Tatorts oder durch das Verbot, bestimmte Sachen zu berühren oder bestimmte Orte zu betreten. Zweiter Unterabschnitt

Durchsuchung § 225 (§ 237 Abs. 1) Dur chsuchung bei V e r d ä c h t i g e n

D as Vermögen des Beschuldigten kann ganz oder teilweise beschlagnahmt werden, wenn er einer S tra f­ tat dringend verdächtig ist, wegen -bereit das Ver­ mögen eingezogen werden kann. Die Vermögensbeschlagnahme wird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn sie nicht mehr nötig ist.

Ein Verdächtiger, seine Wohnung, seine anderen Räume und die Hachen, die er besitzt oder benutzt, dürfen durchsucht werden, um Sachen zu ermitteln, die beschlagnahmt werden können, um Spuren der T at zu verfolgen oder um nach Verdächtigen zu forschen.

§ 222 (§ 235 Abs. 3 bis 5)

§ 226 (§ 237 Abs. 2, 3) Durchsuchung bei Un v e r d ä c h t i g e n

W i r k u n g der V e r m ö g e n s b e s c h l a g ­ nahme Die Vermögensbeschlagnahme und ihre Auf­ hebung werden schriftlich angeordnet. Die Anordnung wird dem Betroffenen bekanntgegeben. M it der Anordnung der Bermögensbeschlagnahme treten die Wirkungen ein, die an die Beschlagnahme einzelner Gegenstände (§ 212) geknüpft sind. Sie ergreift auch das Vermögen, das der Beschuldigte nach der Anordnung erwirbt. Die Bermögensbeschlagnahme und ihre Auf­ hebung sind im Deutschen Reichsanzeiger und in

Andere Personen, Räume und Sachen dürfen nur durchsucht werden, um bestimmte Sachen zu beschlag­ nahmen, bestimmte Spuren der T at zu verfolgen oder nach einem bestimmten Verdächtigen zu forschen. Die Durchsuchung ist nur zulässig, wenn ein Anhalt dafür vorliegt, daß der Verdächtige, die S p u r oder die Sache bei der Durchsuchung gefunden wird. Räume, in denen der Verdächtige gefunden wird oder die er während der Verfolgung betreten hat, und die in diesen Räumen befindlichen Sachen dürfen ebenso durchsucht werden wie die Räume und Sachen des Verdächtigen selbst.

65 66 § 227 (§ 237 Abs. 4) D u r c h s u c h u n g b e t Na c h t

Dem Inhaber oder demjenigen, der an seiner Stelle zugezogen wird, wird ein Verzeichnis der be­ schlagnahmten Sachen übergeben und, wenn nichts beschlagnahmt worden ist, auf Verlangen eine Be­ scheinigung darüber erteilt. Dem Verdächtigen, bei dem eine Durchsuchung vorgenommen wird, wird mitgeteilt, was ihm zur Last gelegt wird, sobald es den Zweck des Verfahrens nicht mehr gefährdet.

Bei Nacht darf zur Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume und des befriedeten Besitztums ohne Einwilligung des Inhabers nur bei Verfolgung auf frischer T at, bei Gefahr im Verzug oder zum Zweck der Wiederergreifung eines entwichenen Ge­ fangenen geschritten werden. Diese Beschränkung gilt nicht für Räume, die bei Nacht jedermann zugänglich sind. Als Nacht gelten vom ersten April bis zum dreißigsten September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens, vom ersten Oktober bis zum einunddreißigsten M ärz die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens.

Werden bei einer Durchsuchung Sachen gesunden, die aus eine andere S traftat hindeuten, so können sie einstweilen beschlagnahmt werden.

§ 228 (§ 238) Unb e s c h r ä n k t e Durchsuchung

Dritter Unterabschnitt

Die Beschränkungen der §§ 226, 227 gelten nicht für 1. Räume, die Gewohnheitsverbrecher, Dirnen, Schmuggler, Glücksspieler oder andere gemein­ schädliche Leute innehaben oder die ihnen als Treffpunkt oder Schlupfwinkel dienen, 2. Räume, die als Niederlagen von Diebesbeute, gehehltem Gut oder Schmuggelware bekannt sind. § 229 (neu) D u r c h s u c h u n g e n bet D i e n s t s t e l l e n des S t a a t e s und der P a r t e i Bei der Durchsuchung von Räumen und Sachen einer Dienststelle des S taates oder der P artei wird der Leiter der Dienststelle oder sein Vertreter zu­ gezogen. Behältnisse für geheime Reichssachen dürfen nicht durchsttcht werden. § 230 (§ 251" Abs. 1, 3) Durchsuchung von F r a u e n Eine F rau soll nur von einer F rau durchsucht werden ebenso die Kleidung, die sie an sich trägt. Dies gilt auch dann, wenn die Betroffene mit der Durchsuchung einverstanden ist.

§ 232 (§ 240) ( Si nf t r n e i l i g e B e s c h l a g n a h m e

Untersuchung von Per s o n e n § 233 (§ 241 Abs. 1) Unt e r s uc hung des K ö r p e r s und des G e i st e s z u st a n d e s Der Verdächtige darf zur Feststellung von T a t­ sachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, körperlich untersucht werden. Andere Personen dürfen ohne ihre Einwilligung körperlich untersucht werden, wenn die Untersuchung zur Wahrheitsermittlung unerläßlich ist und ihnen nach den Umständen des Einzelfalles zugemutet wer­ den kann. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die Untersuchung des Geisteszustandes. § 234 (§ 241 Abs. 2) Körperliche Ein gri ffe Die Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenom­ men werden, sind ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn der Eingriff zur Wahrheitsermittlung unerläßlich ist, keinen Nachteil für die Gesundheit des Betroffenen besorgen läßt und ihm nach den Um­ ständen des Einzelsalls zugemutet werden kann. § 235 (§ 242)

§ 231 (§ 239)

Anstaltsbeobachtung

Be f u g n i s s e des B e t r o f f e n e n Bei der Durchsuchung von Räumen oder Sachen darf ihr Inhaber zugegen sein. Is t er nicht zur Stelle, so wird sein Vertreter, ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar zugezogen, wenn es möglich ist. Der Zweck der Durchsuchung wird dem Inhaber oder demjenigen, der an seiner Stelle zugezogen wird, vor ihrem Beginn mitgeteilt. Die M itteilung kann unterbleiben, wenn der Inhaber der Verdächtige ist oder die Räume nach § 228 unbeschränkt durchsucht werden dürfen. 5

Der Beschuldigte darf in einer öffentlichen Heil­ oder Pflegeanstalt untergebracht und dort auf felneu Geisteszustand untersucht werden, wenn ein Arzt als Sachverständiger erklärt, daß die Untersuchung nur in einer Anstalt durchgeführt werden könne. Unter« suchungs- und Strafgefangene können auch in der Krankenabteilung einer Gefangenenanstalt unter­ gebracht werden. Der Verteidiger wird zuvor gehört. Hat der Be­ schuldigte keinen Verteidiger, so wird ihm für das Verfahren über die Unterbringung ein Verteidiger bestellt.

67 68 Die Unterbringung in der Anstalt darf in dem­ selben Verfahren, auch wenn sie wiederholt angeordnet wird, höchstens sechs Wochen dauern. Gegen die Anordnung ist befristete Beschwerde zulässig. S ie hat aufschiebende Wirkung. § 236 (§ 243) Lichtbilder, Fingerabdrücke, Me s s u n gen Soweit es für das Strafverfahren oder für den Erkennungsdienst nötig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Verdächtigen aufgenommen und Messungen oder ähnliche Maßnahmen an ihm vor­ genommen werden.

gelegt, so ist der Vorsitzer des Gerichts zuständig, deffen Urteil angefochten worden ist. Bei Gefahr im Verzug kann auch der Staatsanw alt die Beschlag­ nahme anordnen. Die weiteren Entscheidungen, die sich aus die Be­ schlagnahme beziehen, stehen im Vorverfahren dem Staatsanw alt, nach der Erhebung der Anklage dem Vorsitzer zu. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die An­ ordnung der Vermögensbeschlagnahme, der Post­ sperre, der Durchsuchung, der Untersuchung, körper­ licher Eingriffe und der Anstaltsbeobachtung und für die Sicherstellung von Beweisen. § 241 (neu)

Ant r a g

§ 237 (§ 251 Abs. 2, 3) Körperliche Untersuchung von F r a u e n Kann die körperliche Untersuchung einer F rau das Schamaesühl verletzen, so soll sie einer F rau oder einem Arzt übertragen werden. Der Arzt kann einen weiteren Arzt, einen Heilgehilfen oder eine F rau zuziehen. Sonst soll niemand zugegen sein. Doch soll auf Verlangen der Betroffenen eine andere F rau oder ein Angehöriger zugelassen werden. Diese Vorschriften gelten auch dann, wenn die Betroffene mit der Untersuchung einverstanden ist.

auf richterliche Entschei dung Hat der Staatsanw alt oder der Amtsrichter im Vorverfahren die Vermögensbeschlagnahme ange­ ordnet, so kann der Beschuldigte die Entscheidung des Richters anrufen. 23a) Uber den Antrag entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer, in deren Bezirk der Staatsanw alt seinen Amtssitz hat. Is t für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zu­ ständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. Seine Anrufung hat keine aufschiebende Wirkung. § 242 (§ 246)

§ 238 (§ 244) A n w e n d u n g von Z w a n g Der Verdächtige kann unter den Voraussetzungen des § 139 zur Vornahme der Untersuchung oder des körperlichen Eingriffs vorgeführt werden. F ü r andere Personen gelten die §§ 171, 173, 174, 175 Abs. 2 (Verletzung der Pflicht zum Erscheinen) entsprechend. Widerstrebt der Betroffene den Maßnahmen, so darf unmittelbarer Zwang angewandt werden. § 239 (neu) ErschöpfendeRegelung Untersuchungen von Personen und körperliche Eingriffe sind unzulässig, wenn die in den §§ 233 bis 238 genannten Voraussetzungen fehlen. Vierter Unterabschnitt

Geme i ns ame Vorschri ften § 240 (§ 245) Zu s t ä n d i g k e i t des S t a a t s a n w a l t s und des Richt ers I m Vorverfahren ist für die Anordnung der Be­ schlagnahme der Staatsanw alt zuständig, der das Vorverfahren führt. Auch der Amtsrichter, in deffen Bezirk sie zu vollziehen ist, kann die Anordnung treffen, wenn sich an seinem -Amtssitz kein zuständiger Staatsanw alt befindet und Gefahr im Verzug ist. Nach der Erhebung der Anklage ordnet der Vor­ sitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, die Beschlagnahme an. Is t die Urteilsrüge ein5*

Zust ändi gkei t der P o l i z e i Bei Gefahr im Verzug kann auch die Polizei die Beschlagnahme beweglicher Sachen, eine Durch­ suchung, eine körperliche Untersuchung und die Entnahme von Blutproben anordnen. Auch wenn keine Gefahr im Verzug ist, kann die Polizei 1. bewegliche Sachen beschlagnahmen, die nie­ mand im Gewahrsam hat oder die der Ge­ wahrsamsinhaber freiwillig an sie herausgibt, 2. Beweise nach § 224 sicherstellen, 3. die im § 228 genannten Räume durchsuchen, 4. die im § 236 genannten Maßnahmen vor­ nehmen. Der Betroffene karrn jederzeit beantragen, daß der zuständige Staatsanw alt oder Richter entscheide. Wird der Antrag bei der Polizei gestellt, so hat sie ihn binnen drei Lagen vorzulegen. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung; der Staatsanw alt oder Richter kann aber anordnen, daß die angefochtene Maßnahme vorläufig nicht vollzogen werde. § 243 (§ 247) Vornahme körperlicher Eingriffe bei G e f a h r i m V e r z u g Der Arzt, der beauftragt ist, eine Untersuchung auszuführen, darf körperliche Eingriffe, die nach § 234 zulässig sind, bei Gefahr im Verzug auch dann vornehmen, wenn sie nicht angeordnet sind. 23a) Die Vorschrift wird mit den.§§ 174, 203 in Einklang zu bringen sein.

69 § 244 (§§ 248, 249)

Pf l i c ht zur A n z e i g e Hat der Staatsanw alt oder die Polizei nach Er­ hebung der Anklage eine Maßnahme auf Grund der §§ 240, 242 angeordnet, so ist dies binnen drei Tagen dem Vorsitzer des Gerichts anzuzeigen. Beschlag­ nahmte Sachen sind ihm zur Verfügung zu stellen. Der Staatsanw alt und die Polizei können eine Maß­ nahme, die sie nach der Erhebung der Anklage an­ geordnet haben, ausheben, solange die Anzeige nicht erstattet ist. Die Pflicht der Polizei, im Vorversahren die An­ ordnung einer solchen Maßnahme dem Staatsanw alt anzuzeigen, richtet sich nach § 7 Abs. 3. Die Polizei kann eine Maßnahme, die sie im Vorversahren an­ geordnet hat, ausheben, solange die Maßnahme dem Staatsanw alt nicht angezeigt ist. § 245 (§ 250) Maßnahmen

im Bereich

der

We hr mac ht Wird eine Beschlagnahme, eine Durchsuchung oder die Sicherstellung von Beweisen in einem Dienst­ gebäude der Wehrmacht, auf einem Kriegsfahrzeug oder aus einer nicht allgemein zugänglichen Antage der Wehrmacht erforderlich, so wird die vorgesetzte Stelle der Wehrmacht um die Durchführung ersucht. Die Stelle, die die Maßnahme angeordnet hat, kann bei der Durchführung mitwirken.

Viertes Hauptstück

Besondere Vorschriften für das Verfahren vor dem Volksgerichtshof nnd vor den Oberlandesgerichten24) § 246 (neu) Geltungsbereich I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Volks­ gerichtshofs gehören, gelten die besonderen Vor­ schriften der §§ 247 bis 254. 25) 24) I n den 2. Abschnitt des Jugendgerichtsgesetzes wird etwa folgende Bestimmung aufzunehmen sein: „Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auf das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den Ober­ landesgerichten (§§ 246 bis 254 der Strafverfahrens­ ordnung) keine Anwendung." 25) Die Beschlußfassung darüber, ob der Volksgerichtshof im S inne der §§ 104 Abs. 1, 107 Abs. 2, 108, 117 Abs. 4 und 257 Abs. 3 als das „obere Gericht" anzusehen sei, ist bis zur zweiten Lesung zurückgestellt worden, yfüt die zweite Lesung wird folgende Fassung zur Erörterung gestellt:

70 S ie sind auch anzuwenden, wenn in einer zur Zu­ ständigkeit des Oberlandesgerichts gehörenden S tra f­ sache der'Reichsanwalt die Anklage vor dem Volks­ gerichtshof erhebt, wenn in einer zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörenden Strafsache der Reichsanwalt die Strafverfolgung an L>en General­ staatsanwalt abgibt oder wenn der Volksgerichtshof die Verhandlung und Entscheidung dem Oberlandes­ gericht überweist. § 247 (neu) Ermittlungsrichter I m Vorversahren können die dem Amtsrichter obliegenden Geschäfte durch den Ermittlungsrichter 26) wahrgenommen werden. über Beschwerden gegen Verfügungen des E r­ mittlungsrichters entscheidet der Vorsitzer des Senats, der für das Hauptversahren zuständig ist. § 248 (neu) Vorweggen om men e unb v o r ­ bereitende Beweisaufnahme Ist der Beschuldigte nicht aus freiem Fuß, so braucht er zu einer vorweggenommenen oder vor­ bereitenden Beweisaufnahme (§§ 9, 39) nicht vor­ geführt zu werden. § 249 (neu) Beschlagnahme und

Durchsuchung

Eine Beschlagnahme bei Aussageverweigerungs­ berechtigten (§ 216) ist auch ohne Zustimmung des Betroffenen zulässig, wenn es zur Wahrheits­ erforschung unerläßlich ist. Eine Durchsuchung der Wohnung, der Geschäfts­ räume und des befriedeten Besitztums ist auch zur Nachtzeit ohne Einwilligung des Inhabers zulässig. § 250 (§ 130 Abs. 1) Verteidiger Die Wahl eines Verteidigers bedarf der Ge­ nehmigung. Die Genehmigung kann mit besonderen Pflichten zur Geheimhaltung verbunden und jederzeit zurückgenommen werden. Is t der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann der Staatsanw alt bis zum Abschluß der Ermittlungen anordnen, daß der Beschuldigte mit dem Verteidiger nur in seiner Gegenwart spricht und daß ihm schrift­ liche Mitteilungen vorher vorzulegen sind, auch wenn die Freiheitsentziehung lediglich wegen Fluchtgefahr oder zum Schutz der Allgemeinheit (§ 188 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4) gerechtfertigt ist. § 251 (neu) Einstellungsbescheid

Volksgerichtshof a ls das obere Gericht im S inne der §§ 104 Abs. 1, 107 Abs. 2, 108, 117. Abs. 4. Dies gilt auch, wenn nach § 257 Abs. 3 über die Verbindung oder Trennung von Strafsachen zu entscheiden ist, von denen mindestens eine zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszuge gehört." Die Bestimmung wird in den Abschnitt „V erfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den Oberlandesgerichten" ein­ zustellen sein.

Gibt der Reichsanwalt beim Volksgerichtshof oder der Generalstaatsanwalt einer Anzeige keine Folge 2ti) Die näheren Bestimmungen über die Bestellung der Erm ittlungsrichter (Ernennung durch den Reichsminister der Justiz; D auer der Bestellung; Verteilung der Geschäfte unter mehrere Erm ittlungsrichter usw.) werden in das GVG aus­ genommen.

71 72 oder stellt er das Verfahren ein, so braucht er den Bescheid, den er dem Anzeiger erteilt, nicht mit Gründen zu versehen.

§ 257 (§ 255) E n t s c h e i d u n g ü b e r die V e r b i n d u n g und T r e n n u n g

§ 252 (neu)

Uber die Verbindung und Trennung von S tra f­ sachen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, nach der Erhebung der Anklage der Vorsitzer. Sind die Strafsachen bei Gerichten verschiedener Ordnung anhängig geworden, so entscheidet der Vor­ sitzer des höheren Gerichts, wenn das andere Gericht zu seinem Bezirk gehört. Sonst können Strafsachen, die bei verschiedenen Gerichten anhängig geworden sind, nur durch eine Vereinbarung der Vorsitzer dieser Gerichte verbunden oder getrennt werden. Kommt in den Fällen des Abs. 2 Sah 2 keine Vereinbarung zustande, so entscheidet der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts. Hat er die Sachen verbunden, so kann auch nur er sie trennen.

Bezeichnung von Zeugen Sachverständigen

und

Personen, die als Zeugen oder Sachverständige in der Anklage nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 aufzuführen sind oder zur Hauptverhandlung geladen werden oder als Sachverständige nach § 178 Abs. 2 mitzuteilen sind, werden nicht namentlich bezeichnet, wenn das Wohl des Reiches es erfordert. Unter denselben Voraussetzungen werden Zeugen und Sachverständige in der Hauptverhandlung nicht über ihre persönlichen Verhältnisse vernommen und, wenn ihre schriftlichen Erklärungen oder die Nieder­ schriften über ihre Vernehmung verlesen werden, nicht namentlich bezeichnet. § 253 (neu) Au s s ch l i eß u n g des A n g e k l a g t e n a u s der H a u p t v er h a n d l u n g Der Vorsitzer darf einen Angeklagten außer in den Fällen des § 49 Abs. 1 und 2 auch von solchen Teilen der Verhandlung fernhalten, in denen geheim­ haltungsbedürftige Tatsachen erörtert werden. § 254 (neu)

Be i s t ä n d e Beistände brauchen nicht zugelassen zu werden.

Fünftes Hauptstück

Andere gemeinsame VerfahrensVorschriften Erster Abschnitt

Ve r b i n d u n g und Tr e nnung § 255 (§ 253)

Bo r a u s s e t z ung e n Strafsachen sollen verbunden werden, wenn es die Verfahren fördert, insbesondere, wenn jemand mehrerer Taten beschuldigt wird oder wenn mehrere beschuldigt werden, an einer T at beteiligt zu sein. Verbundene Strafsachen können wieder getrennt werden. § 256 (§ 254) Gemeinsame Zuständigkeit Sachen, für die Gerichte verschiedener Ordnung zuständig sind, können verbunden bei dem höheren Gericht anhängig gemacht werden. Sachen, für die verschiedene Gerichte derselben Ordnung zuständig sind, können verbunden bei jedem Gericht anhängig gemacht werden, das für eine von ihnen zuständig ist.

Zweiter Abschnitt

Ent s chei dungen, Ni eders chri f t en, Mi t t e i l u n g e n § 258 (§ 256) Anhörung Bevor in der Hauptverhandlung ein Beschluß er­ lassen wird, werden der Staatsanw alt und die an­ wesenden Beteiligten gehört. Vor Beschlüßen, die außerhalb der Hauptverhand­ lung ergehen, und vor wichtigeren Verfügungen werden der Staatsanw alt und, soweit es angemessen ist, auch die Beteiligten gehört. § 259 (§ 257) Glaubhaftmachung Wer etwas glaubhaft zu machen hat, kann sich dazu aller Beweismittel bedienen, die im Strafver­ fahren zugelassen sind. Auch Versicherungen an Eides S ta tt sind zulässig; nur Beschuldigte können solche Versicherungen nicht abgeben. Hat jemand, der nicht Beschuldigter ist, etwas glaubhaft zu machen, so kann verlangt werden, daß er die Wahrheit und Vollständigkeit, seiner Angaben an Eides S ta tt versichere. § 260 (§ 258) B eg r ü n d ung von Beschlüssen Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie mit einem Rechtsmittel angefochten werden können oder über ein Rechtsmittel entscheiden oder wenn durch sie ein Antrag abgelehnt wird. § 261 (§ 259) Berichtigung Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einer Entscheidung enthalten sind, kann der Vorsitzer jederzeit berichtigen. Wer Nachricht von der Entscheidung erhalten hat, wird auch von der Berichtigung in Kenntnis gesetzt.

73 74 D e r Berichtigungsbeschluß kann m it der befristeten Beschwerde angefochten werden. D e r Beschluß, der einen Berichtigungsantrag ablehnt, ist unanfechtbar.

D e r Reichsminister der Justiz kann nähere V o r ­ schriften erlaffen. § 267 (§ 264)

§ 262 (§ 260) A rt

der

Bekanntgabe

Eine Entscheidung, die dem Betroffenen mitzu­ teilen ist, w ird ihm verkündet; er erhält eine Abschrift, wenn er es verlangt. Is t der Betroffene nicht an­ wesend, so w ird ihm die Entscheidung zugestellt; be­ ginnt m it der Bekanntmachung keine Frist zu lausen, so genügt eine formlose M itte ilu n g . Amtliche Schriftstücke können dem Betroffenen, nachdem er Kenntnis genommen hat, wieder abge­ nommen werden, wenn es das öffentliche W ohl erfordert. § 263 (§ 261) Rechtsmittelbelehrung K ann eine Entscheidung durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden, so soll der- B e­ troffene darüber belehrt werden, welche Rechtsmittel ihm zustehen, bei welchem Gericht und in welchen Fristen und Form en sie einzulegen sind. § 264 (§ 262) Gerichtliche

Niederschrift

N im m t ein Richter außerhalb der Hauptverhand­ lung eine Untersuchungshandlung vor, so w ird dar­ über eine Niederschrift aufgenommen. I n der Regel w ird dazu ein Schriftführer zugezogen. Niederschriften über Aussagen werden dem V e r­ nommenen zur Genehmigung vorgelesen oder vor­ gelegt und sollen von ihm unterschrieben werden. Genehmigt er sie, so w ird es vermerkt. Genehmigt er sie nicht oder unterbleibt die Unterschrift, so wird der G rund in der Niederschrift angegeben. I m übrigen sind die Vorschriften entsprechend an­ zuwenden, die nach § 84 Abs. 1, 3, 4 für die Nieder­ schrift über die Hauptverhandlung gelten. § 265 (§ 263) Kurzschrift Aussagen und andere Vorgänge können in einer gebräuchlichen Kurzschrift als Anlage einer Nieder­ schrift aufgenommen werden. D ie Unterschrift des Schriftführers genügt. Nachdem die richterliche Handlung beendigt ist, w ird die Anlage der Niederschrift unverzüglich in V erkehrsschrist übertragen. D e r S chriftführer beglaubigt die Übertragung. F ü r das weitere V erfahren tritt die Übertragung an die S telle der Anlage. § 26 6 (neu) Schallaufnahmen Aussagen und andere Vorgänge können auch durch Schallaufnahmen und andere zur Wiedergabe ge­ eignete M itte l festgehalten werden.

Zustellungen F ü r das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend.??) Is t ein Schriftstück dem S ta a ts a n w a lt zuzustellen, so w ird es ihm in Urschrift oder in einer A u s ferti­ gung vorgelegt. B eainnt m it der Zustellung eine F rist zu laufen, so w ird der T a g der Vorlegung aus der Urschrift oder der Ausfertigung vermerkt. § 268 (§ 265) Öffentliche

Zustellung

E in Schriftstück kann einem Beteiligten öffentlich zugestellt werden, 1. wenn der Aufenthalt des Beteiligten unbekannt ist oder 2. wenn die Zustellung im Ausland vorgenommen werden nmßte und die Befolgung der hierfür bestehenden Vorschriften nicht möglich ist oder keinen E rfolg verspricht. Is t im In la n d an jemand zuzustellen, der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist, oder ist in der W ohnung, in dem Geschäftshaus oder in anderen R äum en einer solchen Person zuzustellen, so kann öffentlich zugestellt werden, wenn der Zustellung nicht zugestimmt w ird und die V erm ittlun g des A us­ w ärtigen Amtes ergebnislos geblieben ist. D ie öffentliche Zustellung ordnet der Richter an, der m it der Sache befaßt ist. § 269 (§ 266) Ausführung

der

öffentlichen

Zust el l ung S o ll der Angeklagte zur Hauptverhandlung öffentlich geladen werden, so ist die Ladung ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffent­ lichen B lä tte rn - die der Richter auswählt, bekannt­ zugeben; außerdem ist eine beglaubigte Abschrift der Ladung an die Gerichtstafel anzuheften. Dasselbe g ilt, wenn andere Personen öffentlich geladen werden sollen. S o ll ein anderes Schriftstück öffentlich zugestellt werden, so ist eine beglaubigte Abschrift ganz oder auszugsweise an die G erich tstag anzuheften. D a s Schriftstück kann außerdem ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffentlichen B lä tte rn , die der Richter auswählt, bekanntgegeben werden. D e r Auszug soll das Gericht, die Beteiligten, die Sache und den wesentlichen In h a lt des Schriftstücks, bei Ladungen insbesondere den Zweck sowie O r t und Z e it der Verhandlung ersehen lassen. E ine Ladung gilt als zugestellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem das letzte B la tt erschienen und die Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet worden 2T) E s bleibt vorbehalten, die Vorschriften über Z u ­ stellungen im S trafverfa h ren in einer besonderen Zustellungs­ ordnung zusammenzustellen.

75 76 ist. Ein anderes Schriftstück gilt als zugestellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem die Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet worden ist. Der Richter kann die Fristen verlängern. § 270 (§ 267) Vo r s c h r i f t e n für den S t a a t s a n w a l t F ür die Verfügungen und Untersuchunashandlungen des Staatsanw alts gelten die §§ 259 (Glaub­ haftmachung), 260 (Begründung von Beschlüssen), 261 (Berichtigung), 262 (Art der Bekanntgabe), 263 (Rechtsmittelbelehrung), 264 bis 269 (Nieder­ schriften, Zustellungen) entsprechend. Der S taatsanw alt kann statt einer Niederschrift einen Vermerk aufnehmen. D ritter Abschnitt

Fri s t en, Sprachgebrauch § 271 (§ 268) Berechnung der Fristen Die Fristen werden nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs berechnet. Ist der letzte Tag einer Frist ein Sonntag oder ein allgemeiner Feiertag, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages. § 272 (§ 269) U n v e r s c h u l d e t e F r i st V e r s ä u m n i s Hat jemand ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumt, so kann er binnen einer Frist von einer Woche die versäumte Handlung nachholen. Geschieht dies, so ist die Handlung auf seinen Antrag als frist­ gemäß vorgenommen zu behandeln. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Grund der Säum nis wegfällt. Innerhalb der Frist ist zugleich der Antrag zu stellen und der Grund der Säum nis anzugeben und glaubhaft zu machen. F ür den Antrag gelten die §§ 276 bis 282 ent­ sprechend. § 273 (§ 270) Entscheidung über den A n t r a g über den Antrag entscheidet, wer bei Wahrung der Frist zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. Der Beschluß, der dem Antrag stattgibt, ist unan­ fechtbar. Der Beschluß, der den Antrag als unzulässig verwirft oder als unbegründet zurückweist, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 274 (§ 271) W i r k u n g des A n t r a g s Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorsitzer des Gerichts und der Richter, bei denen der Antrag gestellt wird, können anordnen, daß das Ver-

fahren oder die Vollstreckung auszusetzen ist. Gleiche Befugnis haben der Vorsitzer des Gerichts und der Richter, die über den Antrag zu entscheiden haben. § 275 (§ 272) Sprachgebrauch I m Sinne dieses Gesetzes sind: Beteiligte der Beschuldigte, der Einziehungsbeteiligte und die anderen Personen, die von der Entschei­ dung betroffen werden; Angehörige der Personenkreis, der im § 86 des S tra f­ gesetzbuchs bezeichnet ist; Amtsträger des S taates die Beamten und wer, ohne Beamter zu sein, dazu bestellt ist, obrigkeitliche Aufgaben wahr­ zunehmen (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetz­ buchs); Amtsträger der Partei die Unterführer der Partei, welche die Amts­ tätigkeit eines Stützpunktleiters, eine dieser gleichstehende oder eine höhere Amtstätigkeit ausüben, die Parteirichter und Urkunds­ personen der Parteigerichte (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuchs); Partei auch die Gliederungen der Nationalsoziali­ stischen Deutschen Arbeiterpartei; sichernde Maßregeln die Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung, die im § 64 des Strafgesetzbuchs genannt sind.

77 78 § 280 (§ 276) A b g a b e der E r k l ä r u n g e n

Drittes Buch

Rechtsbehelfe Erstes Hauptstück Allgemeine Vorschriften § 276 (§ 273) Ansechtungsberechtigte Die Rechtsbehelse, die dieses Gesetz gewährt, stehen dem Staatsanw alt und, wenn er beschwert ist, dem Beschuldigten zu. Einem anderen steht ein Rechts­ behelf nur zu, soweit das Gesetz dies ausdrücklich be­ stimmt und er beschwert ist. § 277 (neu) Rechtsbehelse

gegen Freispruch

Der Angeklagte ist auch beschwert, wenn die Gründe eines Urteils, das aus Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens lautet, seine Ehre schwer mindern oder andere Belange des Angeklagten schwer verletzen. D as zur Entscheidung über den Rechtsbehelf zu­ ständige Gericht kann den Rechtsbehelf, der aus diese Beschwer gestützt wird, durch Beschluß als unzulässig oder offensichtlich unbegründet verwerfen. § 278 (§ 274) Berechtigung

des

Verteidigers

Der Verteidiger kann für den Beschuldigten Rechtsbehelfe gebrauchen, wenn er dazu ausdrücklich ermächtigt ist.

Erklärungen über die Einlegung und die B e­ gründung von Rechtsbehelfen sowie über den Bergicht auf einen Rechtsbehels und die Zurücknahme emes Rechtsbehelfs können, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, schriftlich eingereicht oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht abgegeben werden. Die Erklärungen sind, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, bei dem Gericht anzubringen, das oder dessen Vorsitzer die Entscheidung erlassen hat. Wer auf behördliche Anordnung verwahrt wird, kann die Erklärungen zur Niederschrift bei dem Amts­ gericht abgeben, in dessen Bezirk er sich befindet. Die Frist für die Abgabe der Erklärung wird gewahrt, wenn die Niederschrift vor ihrem Ablauf aufge­ nommen wird. Wird ein Rechtsbehels unrichtig bezeichnet oder bei dem Gericht angebracht, das über ihn zu ent­ scheiden hat, so hat dies keine nachteilige Folge. § 281 (§ 277) Verzicht und Zurücknahme Der Verzicht auf einen Rechtsbehelf und die Zurücknahme eines Rechtsbehelss sind unwiderruflich. Die Erklärung über die Zurücknahme eines Rechtsbehelss kann auch bei dem Gericht ange­ bracht werden, das über den Rechtsbehels zu ent­ scheiden hätte. Die Erklärung des Verteidigers, daß er auf einen Rechtsbehelf verzichte oder einen Rechtsbehelf zurück­ nehme, ist nur wirksam, wenn er dazu ausdrücklich und in einer besonderen Urkunde ermächtigt ist. Hat eine Hauptverhandlung über ein Rechtsmittel begonnen, so kann es nur zurückgenommen werden, wenn der Vorsitzer zustimmt. Hat der Staatsanw alt das Rechtsmittel eingelegt, so bedarf es ferner der Zustimmung des Angeklagten; hat der Angeklagte es eingelegt, der Zustimmung des Staatsanw alts. § 282 (§ 278)

§ 279 (§ 275)28)

Wi r k u n g

Re c h t s b e h e l s e des E h e m a n n s und des gesetzlichen V e r t r e t e r s

Jeder Rechtsbehelf hat die Wirkung, daß die an­ gefochtene Entscheidung zugunsten oder zuungunsten des Betroffenen geändert oder aufgehoben werden kann.

Der Ehemann einer anfechtungsberechtigten Frau kann Rechtsbehelfe, die ihr zustehen, innerhalb der für sie laufenden Frist selbständig gebrauchen. D ies gilt nicht, wenn die eheliche Gemeinschaft nicht besteht. Desgleichen kann der gesetzliche Vertreter Rechts­ behelfe des Anfechtungsberechtigten innerhalb der für ihn laufenden Frist selbständig gebrauchen. Dies gilt nicht, wenn der Anfechtungsberechtigte schon das acht­ zehnte Lebensjahr vollendet hat und der gesetzlichen Vertretung nur bedarf, weil er minderjährig ist. Die Vorschriften über die Rechtsbehelfe des B e­ schuldigten gelten entsprechend, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. 28) I m Hinblick auf § 1634 B G B . bestehen Bedenken, das Rechtsmittelrecht dem mit der Sorge für die Person des Angeklagten B etrauten zu geben.

Zweites Hauptstück Die Rechtsmittel Erster Abschnitt

Beschwerde § 283 (§ 279) Beschwerderecht Die Beschwerde können der Staatsanw alt und der Beschuldigte gegen alle richterlichen Beschlüsse und

79 80 Verfügungen erheben, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Dasselbe gilt für Zeugen, Sachverständige und andere, die durch eine Entscheidung betrossen werden. Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Reichs­ gerichts, des Volksgerichtshofs und der Oberlandes­ gerichte ist keine Beschwerde zulässig. § 284 (§ 280) Entscheidungen zur V o r b e r e i t u n g des U r t e i l s Entscheidungen, die nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des Urteils erlassen worden sind, können, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nur mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen das Urteil eingelegt wird. Ausgenommen sind Entscheidungen, die sich aus Zwangsmittel beziehen, und alle Entscheidungen, durch die Dritte betroffen werden. § 285 (§ 281) ^Bef r i s t et e B e s c h w e r d e Die Beschwerde ist nur dann befristet, wenn das Gesetz dies besonders bestimmt. Die befristete Beschwerde ist binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 286 (§ 282)

Wi r k u n g Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorsitzer des Gerichts oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, kann den Vollzug der Entscheidung aussetzen. Dieselbe Befugnis hat der Vorsitzer des Beschwerdegerichts. § 287 (§ 283) V e r f a h r e n des u n t e r e n Gerichts Kann die Entscheidung nicht mit der Beschwerde angefochten werden oder ist die befristete Beschwerde verspätet eingelegt, so verwirft derjenige, dessen E nt­ scheidung angefochten ist, die Beschwerde als unzu­ lässig. $)er Beschluß kann mit der befristeten Be­ schwerde angefochten werden. Der Beschwerde wird abgeholfen, wenn sie zulässig und begründet ist. Wird die Beschwerde nicht als unzulässig ver­ worfen oder durch Abhilfe erledigt, so wird sie un­ verzüglich dem Beschwerdegericht vorgelegt. § 288 (§ 284) B e schwerdegericht ^ Is t eine Entscheidung des Amtsrichters oder des Schöffengerichts angefochten, so ist das Beschwerde­ gericht das Landgericht, sonst das Oberlandes­ gericht. 29) Ist für das Hauptversahren der Volks­ gerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig, so Es soll geprüft werden, ob statt „Landgericht" „S traf­ kammer" und statt „Oberlandesgericht" „Strafsenat" gesagt werden kann. m)

entscheidet über eine Beschwerde gegen eine Ver­ fügung des Amtsrichters im Vorverfahren der V or­ sitzer des Senats. Der Vorsitzer des Beschwerdegerichts entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung vom Vorsitzer oder vom Amtsrichter außerhalb der Hauptverhand­ lung erlassen worden ist. § 289 (§ 285) V e r f a h r e n d e s B e s ch w e r d e g e r i ch t s Eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde findet in der Regel nicht statt. Vor der Entscheidung wird der Staatsanw alt gehört; dem Verteidiger und den Beteiligten soll der Vorsitzer die Beschwerdeschrift zur Erklärung mitteilen. Er kann Ermittlungen an­ ordnen oder selbst vornehmen. Über die Beschwerde wird durch Beschluß ent­ schieden. Soweit sie begründet ist, entscheidet das Beschwerdegericht zugleich in der Sache selbst; es kann die Sache auch zurückverweisen. § 290 (§ 286) E n t s c h e i d u n g e n des b e a u f t r a g t e n it ri b d e s e r s u c h t e n R i c h t e r s Über die Beschwerde gegen Entscheidungen des be­ auftragten und des ersuchten Richters entscheidet der Vorsitzer, der den Richter beauftragt oder ersucht hat, unb, wenn ein Amtsrichter oder ein Vorsitzer des Schöffengerichts das Ersuchen gestellt hat, der V or­ sitzer des ihm übergeordneten Landgerichts. 29) § 291 (§ 287) Weitere

Beschwerde

Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts und seines Vorsitzers ist eine weitere Beschwerde nur in den Fällen des § 326 zulässig. § 292 (§ 2 8 8 )so) V e r s a h r e n s b e s c h w e r d e gegen V e r f ü g u n g e n des S t a a t s a n w a l t s Gegen Verfügungen des Staatsanw alts können der Beschuldigte und andere, die davon betroffen werden, die Versahrensbeschwerde erheben, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Über die Verfahrensbeschwerde entscheidet der vor­ gesetzte Staatsanw alt. Gegen Verfügungen des S taatsanw alts bei dem Reichsgericht, dem Volksgerichtshof und den Ober­ landesgerichten und gegen Beschwerdeentscheidungen ist keine Verfahrensbeschwerde zulässig. Die §§ 285 bis 287, 289 gelten entsprechend. Die Dienstaussichtsbeschwerde gegen Verfügungen des Staatsanw alts bleibt unberührt. 29) Es soll geprüft werden, ob statt „Landgericht" „S traf­ kammer" und statt „Oberlandesgericht" „Strafsenat" gesagt werden kann. 30) Die Entscheidung, ob § 292 bestehen bleiben oder ge­ strichen werden soll, ist vorbehalten geblieben.

81 82 § 299 (§ 299)

Zweiter Abschnitt

Be r u f u n g und U r t e i l s r ü g e

Begründung

der B e r u f u n g

Der Beschwerdeführer soll die Berufung begrün­ den. Neue Beweismittel soll er dabei angeben. Die Erklärung soll eine Woche nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Berufung abgegeben werden; war zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zu­ gestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung.

Erster Unterabschnitt

Ge me i ns ame Vorschri ften § 293 (§ 289 Abs. 1)

R e c h t s mi t t e l g e g e n U r t e i l e Urteile von Gerichten, die im ersten Rechtszug oder im Berusungsrechtzug entscheiden, können an­ gefochten werden. Der Volksgerichtshof und die Oberlandesgerichte entscheiden rechtskräftig. § 294 (§ 289 Abs. 3) H e m m u n g der Re c h t s k r a f t Die Anfechtung hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 295 (§ 290) A rt d e r R e c h t s m i t t e l Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts können mit der Berufung angefochten werden, Urteile der Schösfenkammer und des Schwurgerichts mit der Urteilsrüge. S ta tt der Berufung kann der Anfechtungsberechtigte die Urteilsrüge einlegen. Gegen Berusungsurteile steht nur dem die Urteils­ rüge zu, der nicht selbst Berufung eingelegt hatte. Diese Beschränkung gilt nicht, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist und wenn das Urteilsrügegericht das zweite Rechtsmittel für zulässig erklärt. Das Recht des Staatsanw alts, zur Wahrung der Rechtseinheit ein zweites Rechts­ mittel einzulegen (§ 327), bleibt unberührt. § 296 (§ 291) B eru fungs- und Urteilsrügegericht Uber die Berufung entscheidet das Landgericht. Über die Urteilsrüge entscheidet, wenn im ersten Rechtszuge der Amtsrichter das Urteil erlaffen hat, das Oberlandesgericht, sonst das Reichsgericht. Zweiter Unterabschnitt

Be r u f u n g

Der Vorsitzer des Berufungsgerichts kann den Angeklagten über die Gründe für die Berufung hören oder hören lassen. § 300 (§ 296 Abs. 3) U m w a n d l u n g der B e r u f u n g llrtei lsrüge

in eine

Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils erklären, daß seine Be­ rufung als Urteilsrüge behandelt werden soll. Die Erklärung des Angeklagten ist in einer Don dem Verteidiger oder von einem Rechtsanwalt unter­ zeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäfts­ stelle abzugeben. § 301 (§ 297) Zusammentrefsen mehrerer mittel

Rechts­

Haben mehrere Anfechtungsberechtigte das Urteil angefochten und der eine die Berufung, der andere die Urteilsrüge eingelegt, so werden beide Rechtsmittel als Berufung behandelt. I n diesem Falle kann der Atrfechtungsberechtigte, der die Urteilsrüde eingelegt hat, das Berusungsurteil mit der Urteusrüge an­ fechten. Wird im Falle des Abs. 1 die Berufung zu­ rückgenommen oder wird sie als unzulässig oder nach § 308 Abs. 1 verworfen, so wird nnt der Urteilsrüge nach den für sie geltenden Vorschriften verfahren, außer wenn der Anfechtungsberechtigte in der Be­ rufungsverhandlung verlangt, daß die Urteilsrüge als Berufung weiter behandelt wird.

§ 297 (§ 302 Abs. 1) § 302 (§ 294)

Wi r k u n g der B e r u f u n g Die Berufung führt zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung in der Sache. § 298 (§§ 293, 295) E i n l e g u n g der B erusung Die Berufung ist binnen einer Woche nach Ver­ kündung des Urteils einzulegen. W ar der Angeklagte bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist mit der Zustellung. I s t die Berufung rechtzeitig eingelegt, so wird das Urteil mit Gründen dem Beschwerdeführer zugestellt, wenn das noch nicht geschehen ist. 6

Verwerfnng

durch d a s Gericht

untere

Is t die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges sie durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß binnen einer Woche nach Zustellung befristete Be­ schwerde erheben. Das angefochtene Urteil kann trotz der Beschwerde vollstreckt werden. Der Vorsitzer des Gerichts, deffen Urteil angefochten ist, und der Vor­ sitzer des Beschwerdegerichts können die Vollstreckung aussetzen.

83 84 § 303 (§ 300) Weiteres Verfahren Die zuständige Geschäftsstelle legt die Akten mit der Berufung und ihrer'Begründung dem S ta a ts­ anwalt zur Erklärung vor, wenn der Angeklagte Berufung eingelegt hat. Hat der Staatsanw alt Berufung eingelegt, so teilt sie dem Angeklagten eine Abschrift der Berufung und ihrer Begründung mit. Entsprechendes gilt von der Berufung eines Mitangeklagten. Die Sache wird beim Berufungsgericht anhängig, iDCim der Staatsanw alt ihm die Akten vorlegt. § 304 (§ 301) Ent sc he i dung des B e r u f u n g s g e r i c h t s Is t die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt, so kann das Berufungsgericht sie durch Beschluß als un­ zulässig verwerfen. I m übrigen wird über die Berufung auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden.

Gang

§ 305 (§ 302) der V e r h a n d l u n g

Nach Beginn der Hauptverhandlung berichtet ein Richter in Abwesenheit der Zeugen über das bisherige Verfahren. Alsdann sind der Angeklagte zu vernehmen und die Beweise zu erheben. Die Anklage darf nicht auf weitere Straftaten des Angeklagten ausgedehnt werden. Bei den Schlußvorträgen spricht der Beschwerde­ führer in der Regel zuerst. § 306 (§ 304) E n t s c h e i d u n g in der

Sache

Soweit das Urteil unrichtig ist, hat das Beru­ fungsgericht es zu ändern oder aufzuheben und selbst zu entscheiden. Beruht das Urteil auf einem Verfahrensmangel, so kann das Berufungsgericht das Urteil ausheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen oder an das zuständige Gericht ver­ weisen. Die Zurückverweisung ist auch möglich, wenn das Berufungsgericht Taten oder Tatteile, über die im angefochtenen Urteil nicht entschieden worden ist, in das Verfahren einbezieht. § 307 (§ 305) Wir ku ng auf M i t a n g e k l a g t e T ritt bei der Vorbereitung der Verhandlung über die Berufung oder im Lauf dieser Verhandlung ein zuverlässiger Anhalt für die Annahme hervor, daß ein Grund, der zur Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann, auch die in dem Urteil ausgesprochene, rechtskräftige. Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt habe, so kann das Berufungsgericht beschließen, die Verhandlung aus diesen Mitangeklagten zu erstrecken.

Ergibt die Verhandlung über die Berufung, daß der Grund, der zur Änderung oder Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, auch die in dem Urteil ausgesprochene, rechtskräftige Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt hat, so beschließt das Be­ rufungsgericht, daß auch über diesen Mitangeklagten im Berusungsverfahren zu verhandeln und zu ent­ scheiden ist. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Voll­ streckung auszusetzen oder zu unterbrechen ist. Die §§ 346 Abs. 3, 349 gelten entsprechend. § 308 (§ 306) A u s b l e i b e n des A n g e k l a g t e n Ist bei Beginn einer Hauptverhandlung der An­ geklagte nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so wird, wenn der Angeklagte allein Berufung eingelegt hat, das Rechtsmittel ohne Verhandlung in der Sache selbst verworfen. Sonst wird in der Sache verhandelt oder die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten angeordnet. Ist aus Grund dieser Vorschrift ein Urteil er­ gangen, so gilt der § 52 über die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung entsprechend. § 309 (§ 307) B e r u f u n g des geset zl i chen V e r t r e t e r s Hat der gesetzliche Vertreter des Angeklagten selb­ ständig Berufung eingelegt, so bestimmt sich die Pflicht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, nach den allgemeinen Vorschriften. D as­ selbe gilt, wenn der Ehemann einer Angeklagten Be­ rufung eingelegt hat. § 308 gilt entsprechend, wenn beim Beginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch der Beschwerdeführer erscheint. § 310 (§ 308) Andere Verfahrensvorschriften I m übrigen gelten die Vorschriften über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges entsprechend. Der Angeklagte ist in der Ladung auf die Folgen nnentschuldigten Ausbleibens hinzuweisen. D ritter Unterabschnitt

Urt ei l srüge § 311 (§ 309) Urteilsrügegründe Der Beschwerdeführer kann die Urteilsrüge nur darauf stützen, daß das Urteil auf einem Fehler im Verfahren beruhe oder wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht fei. 31) 31) I n der Begründung soll zum Ausdruck gebracht werden, datz auch die Strafbemessung nach § 311 angefochten werden kann, aber nicht allein mit der Begründung, datz die Strafe nicht angemessen sei.

86 86 § 312 (§ 310) Einlegungsfrist Die Urteilsrüge ist binnen einer Woche nach Ver­ kündung des Urteils einzulegen. W ar der Angeklagte bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist mit der Zustellung. Ist die Urteilsrüge rechtzeitig eingelegt, so wird das Urteil mit Gründen dem Beschwerdeführer zu­ gestellt, wenn das noch nicht geschehen ist.

Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß befristete Beschwerde erheben. Uber die Beschwerde entscheidet das Urteilsrügegericht. Die Beschwerde hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht. Der Vor­ sitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, und der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts können die Voll­ streckung aussetzen. § 317 (§ 315)

Der Beschwerdeführer muß die Urteilsrüge be­ gründen. Die Begründung muß ersehen lasten, ob er das Urteil wegen eines Fehlers im Verfahren oder wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen beanstandet. Rügt er einen Fehler im Verfahren, so muß er die Tatsachen bezeich­ nen, in denen er den Fehler erblickt.

Weiteres Verfahren Is t die Urteilsrüge rechtzeitig eingelegt und sristund formgerecht begründet, so wird die Urteilsrüge des Angeklagten dem Staatsanw alt, die des S ta a ts­ anwalts dem Angeklagten mit der Begründung mit­ geteilt. Binnen einer Woche kann eine Gegenerklärung abgegeben werden. Der Angeklagte kann sie schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht anbringen. Die Sache wird beim Urteilsrügegericht anhängig, wenn der Staatsanw alt ihm die Akten vorlegt.

§ 314 (§ 312)

§ 318 (§ 316)

§ 313 (§ 311) B e g r ü n d u n g der U r t e i l s r ü g e

Begründungsfrist Die Urteilsrüge ist binnen einer Woche nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Urteilsrüge, im Falle des § 300 innerhalb der dort bestimmten Frist zu begründen. War zu dieser Zeit-das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zu­ stellung. Aus Antrag des Beschwerdeführers kann der Vor­ sitzer des Gerichts, besten Urteil angefochten ist, die Frist bis zu einem M onat verlängern; seine Entschei­ dung ist unanfechtbar. Rügt der Beschwerdeführer einen Fehler im Ver­ fahren, der nur durch eine Berichtigung der Verhand­ lungsniederschrift bewiesen werden kann, so muß er die Berichtigung bis zum Ablauf der Frist für die Begründung der Urteilsrüge beantragen. Wird die Begründung der Urteilsrüge durch eine Berichtigung der Verhandlungsniedersajrift gegen­ standslos, so kann der Beschwerdeführer die Urteils­ rüge binnen einer Woche nach Zustellung der Berichti­ gung neu begründen. Hierüber wird er belehrt. § 315 (§ 313) F o r m der B e g r ü n d u n g Der Angeklagte kann die Urteilsrüge nur in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht begründen. § 316 (§ 314) V e r w e r f u n g dur ch d a s u n t e r e G e r i c h t Is t die Urteilsrüge verspätet eingelegt oder nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 315 vorgeschriebenen Form begründet, so verwirft das Gericht, dessen Urteil angefochten ist, die Urteilsrüge durch Beschluß als unzulässig.

des

Entscheidung Urteilsrügegerichts

Das Urteilsrügegericht entscheidet über die Ur­ teilsrüge auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Es kann ohne Hauptverhandlung durch Be­ schluß die Urteilsrüge verwerfen, wenn sie unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. § 319 (§ 317) M i t t e i l u n g über d i e Hauptverhandlung Dem Angeklagten und dem Verteidiger werden O rt und Zeit der Hauptverhandlung bekanntgegeben. Der Angeklagte kann an der Hauptverhandlung teilnehmen. Ein Verteidiger kann für ihn auftreten. Der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts kann das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen und ihn vorführen lasten, wenn er nicht auf freiem Fuß ist. § 320 (§ 318) Gang

d er V e r h a n d l u n g

I n der Hauptverhandlung berichtet ein Richter über das bisherige Verfahren. Eiye Beweisaufnahme findet nur statt, wenn nach Verkündung des angefochtenen Urteils eine neue T at­ sache hervorgetreten ist, die zu betn Schluß zwingt, daß der Angeklagte unschuldig ist, und wenn der Staatsanw alt der Beweisaufnahme zustimmt. Dem Staatsanw alt, dem Verteidiger und dem Angeklagten wird zu ihren Ausführungen und An­ trägen. das Wort erteilt. I n der Regel spricht der Beschwerdeführer zuerst. Der Angeklagte hat das letzte Wort.

87 § 321

(§ 319 Abs. 1, 2)

Ge ge ns t a nd der P r ü f u n g Urteilsrügegerichts

des

D a s Urteilsrügegericht prüft, ob der vom B e ­ schwerdeführer behauptete Fehler im Verfahren vo r­ liegt und ob das Verfahren auf ihm beruht. E s kann die P rü fun g von Amts wegen auf nicht gerügte Fehler im V erfahren erstrecken. D a s Urteilsrügegericht prüft ferner, ob das an ­ gefochtene U rte il wegen eines Fehlers bei der A n ­ wendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht ist. H at sich das Recht nach Verkündung des angefochtenen U rteils geändert, so prüft das Gericht auch, ob das neue Recht angewandt werden soll (§ 80 des Strafgesetzbuchs). § 322 (§§ 319 Abs. 3, 320, 321) I n h a l t der E n t s c h e i d u n g Urteilsrügegerichts

des

88 rügegericht, als ob auch die Entscheidung über diesen Mitangeklagten m it der Urteilsrüge angefochten wäre. D e r Vorsitzer des Urteilsrügegerichts oder des Gerichts, an das zurückverwiesen w ird, kann an­ ordnen, daß die Vollstreckung auszusetzen oder gu unterbrechen ist. F ü r das V erfahren vor dem Gericht, an das zu­ rückverwiesen w ird, gelten die §§ 346 Abs. 3, 349 entsprechend. § 325 (§ 324) NeueVerhandlung

und

Entscheidung

D as Gericht, an das die Sache verwiesen w ird, ist bei seiner Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden, auf die das Urteilsrügegericht die A u f­ hebung des angefochtenen U rteils gestützt hat. Es kann die tatsächlichen Feststellungen des früheren U rteils seiner Entscheidung zugrundelegen, soweit sie vom Urteilsrügegericht nicht beanstandet sind.

D a s Urteilsrügegericht hebt das angefochtene U rte il auf oder verw irft die Urteilsrüge. W ird das angefochtene U rte il aufgehoben, so kann das Urteilsrügegericht in der Sache selbst entscheiden, wenn es auf Grund der festgestellten Tatsachen dazu in der Lage ist. E s kann eine Freiheitsentziehung, die der Angeklagte seit der Verkündung des angefoch­ tenen U rteils erlitten hat, auf die S tra fe anrechnen. Entscheidet das Urteilsrügegericht bei Aushebung des U rteils nicht in der Sache selbst, so verweist es die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, dessen U rte il aufgehoben w ird, oder an ein anderes Gericht derselben Ordnung zurück. Gehört nach der rechtlichen Beurteilung des Urteilsrüge­ gerichts die Aburteilung der T a t zur Zuständigkeit eines niedrigeren Gerichts, so kann es die Sache an dieses zurückverweisen. W ird das angefochtene U rte il aufgehoben, w eil das Gericht für die Entscheidung nicht zuständig w ar, so verweist das Urteilsrügegericht die Sache an das zuständige Gericht. § 323 (§ 322) Erweiterte

Aufhebungsbefugnis

D a s Urteilsrügegericht hebt das angefochtene U rte il von A m ts wegen auf und verweist die Sache zurück, wenn zw ar keiner der im § 311 angeführten Fehler vorliegt, aber andere Gründe das U rte il in seinem In h a lt so sehr erschüttern, daß eine neue V e r ­ handlung und Entscheidung in der Sache unerläß­ lich ist. § 324 (§ 323) Wirkung

auf

Mitangeklagte

E rg ib t die Verhandlung über die Urteilsrüge, daß der G rund, der zur Änderung oder Aufhebung des angefochtenen U rteils führt, auch die in dem U rte il ausgesprochene, rechtskräftige Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt hat, so erkennt das U rte ils ­

D ritte r Abschnitt

W a h r u n g der Rec ht sei nhei t § 326 (§ 325) Weitere

Beschwerde zur W a h r u n g der R e c h t s e i n h e i t

Gegen eine Entscheidung, die die Strafkam m er als Beschwerdegericht getroffen hat, kann der S taa tsan ­ w alt weitere Beschwerde erheben, wenn er das wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache für erforder­ nder die weitere Beschwerde entscheidet der S tr a f­ senat des Oberlandesgerichts. § 327 (§ 326) Besondere U r t e i l s r ü g e zur W a h r u n g der Rech tse inh ei t H ä lt der S ta a ts a n w a lt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache eine Entscheidung des U rteils­ rügegerichts für erforderlich, so steht ihm gegen ein Berufungsurteil auch dann die U rteilsrüge zu, wenn er selbst Berufung eingelegt hatte. § 328 (§ 327) E i n h o l u n g der Entschei dung des R e i c h s g e r i c h t s H at ein Strafsenat des Oberlandesgerichts oder sein Vorsitzer in einer Urteilsrüge- oder Beschwerde­ sache über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeu­ tung zu entscheiden, so legt er unter Darlegung seiner Rechtsauffassung die Sache dem Reichsgericht zur E n t­ scheidung vor, wenn er es für erforderlich hält oder wenn der Generalstaatsanwalt es beantragt. I n Urteilsrügesachen kann der Generalstaatsanwalt den A ntrag nur bis zum B eginn der Hauptverhandlung stellen.

89 90 D as Reichsgericht kann sich auf die Entscheidung der Rechtsfrage beschränken. Erfordert die Entscheidung der Sache eine neue Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht, so wird dem Staatsanw alt und den Beteiligten die Ent­ scheidung der Rechtsfrage rechtzeitig vorher mitgeteilt. § 329 (§ 328) E nt schei dung der G r o ß e n S e n a t e in grundsätzlichen Rechtsf rag en Hat ein Strafsenat des Reichsgerichts über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent­ scheiden, so kann er die Sache dem Großen S enat für Strafsachen zur Entscheidung vorlegen. Dies muß geschehen, wenn der Oberreichsanwalt es beantragt. Aus demselben Grunde kann ein Senat des Volks­ gerichtshofs eine Sache dem Großen Senat des Volks­ gerichtshofs zur Entscheidung vorlegen; Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. § 330 (§ 329) En t s c h e i d u n g der G r o ß e n S e n a t e b e i a b w e i c h e n d e r R e ch t s a u f f a s s u n g D er Große Senat für Strafsachen beim Reichs­ gericht entscheidet ferner, wenn ein Strafsenat des Reichsgerichts in einer Rechtsfrage von der Entschei­ dung eines anderen Strafsenats des Reichsgerichts oder des Großen Senats für Strafsachen abweichen will. Will ein Strafsenat des Reichsgerichts von der Entscheidung eines Zivilsenats des Reichsgerichts oder des Großen Senats für Zivilsachen abweichen, so ent­ scheiden die Vereinigten Großen Senate des Reichs­ gerichts. Dasselbe gilt, wenn ein Strafsenat des Reichsgerichts von einer Entscheidung der Vereinigten Großen Senate abweichen will. Will ein Senat des Volksgerichtshofs in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen S enats oder des Großen S enats des Volksgerichts­ hofs abweichen, so entscheidet der Große Senat des Volksgerichtshofs.

Verfahren

§ 331 (§ 330) vor den G r o ß e n

Senaten

Die Großen Senate entscheiden ohne vorherige mündliche Verhandlung nur über die Rechtsfrage; sie können dabei auch über andere Rechtsfragen entschei­ den, die mit der zur Entscheidung gestellten Rechts­ frage im Zusammenhang stehen. Der Oberreichsanwalt, beim Volksgerichtshof der Reichsanwalt, wird gehört. E r legt in der Sitzung seine Auffassung dar. Die Entscheidung bindet den erkennenden Senat in der vorliegenden Sache. Erfordert die Entscheidung der Sache eine neue Hauptverhandlung vor dem erkennenden Senat, so wird dem Oberreichsanwalt oder dem Reichsanwalt beim Volksgerichtshof und den Beteiligten die Ent­ scheidung der Rechtsfrage rechtzeitig vorher mitgeteilt.

§ 332 (neu) Entscheidung der V e r e i n i g t e n G r o ß e n S e n a t e des Reichsgerichts und des V o l k s g e r i c h t s h o f s Hat der Große S enat des Reichsgerichts oder des Volksgerichtshofs in einer Strafsache über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent­ scheiden, so legt er die Sache den Vereinigten Großen Senaten des Reichsgerichts und des Volksgerichtshofs zur Entscheidung vor, wenn er es für erforderlich hält oder wenn der Oberreichsanwalt oder der Reichs­ anwalt beim Volksgerichtshof es beantragt. § 331 gilt entsprechend.

Drittes Hauptstück Andere Rechtsbehelfe Erster Abschnitt

Wi e d e r h o l u n g e i ne r ve r s ä umt e n Ha upt ver handl ung § 333 (§ 332) Antrag S oll auf Grund der §§ 52, 308 Abs. 2 eine ver­ säumte Hauptverhandlung wiederholt werden, so muß der Angeklagte dies binnen einer Woche bei dem Gericht beantragen, vor dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat. Die Frist beginnt mit der Zu­ stellung des Urteils. Innerhalb der Frist sind auch die Gründe der Säum nis anzugeben und glaubhaft zu machen. Der Antrag hemmt die Vollstreckung nicht. Der Vorsitzer kann anordnen, daß sie auszusetzen ist. § 334 (§ 333) Entscheidung Uber den Antrag entscheidet der Vorsitzer des Ge­ richts, vor dem die Hauptverhandlung stattgefunden hat. Der Beschluß, der dem Antrag stattgibt, ist unan­ fechtbar. Der Beschluß, der den Antrag als unzulässig verwirft oder ihn als unbegründet zurückweist, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden.' M it dem Beschluß, der die Wiederholung der Hauptverhandlung anordnet, wird das alte Urteil hinfällig. § 335 (§ 334) V e r h ä l t n i s des A n t r a g s zur Anfechtung des U r t e i l s Der Lauf der Fristen für die Anfechtung des Ur­ teils wird nicht dadurch gehemmt, daß die Wieder­ holung der Hauptverhandlung beantragt werden kann. Macht der Angeklagte von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch, so ist zunächst der Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung zu erledigen.

91 92 Beantragt der Angeklagte nur die Wiederholung der Hauptverhandlung, so gilt der Antrag für den Fall seiner Ablehnung zugleich als Anfechtung des Urteils, wenn der Angeklagte nichts anderes erklärt. Die im § 314 bestimmte Frist beginnt in diesem Falle mit dem Ablauf der Frist, innerhalb deren der Ange­ klagte die Ablehnung des Antrags anfechten kann; hat der Angeklagte gegen die Ablehnung Beschwerde erhoben, so beginnt die Frist mit der Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts. Zweiter Abschnitt

Wi e d e r a u f n a h me des Ve r f a h r e n s

§ 339 (§ 337) W i e d e r a u f n a h m e wegen Verletzung d e r D i e n st P f l i c h t D as Verfahren wird endlich wieder ausgenommen, wenn ein Richter, der bei dem Urteil mitgewirkt hat, wegen Verletzung seiner Dienstpflicht in der Sache rechtskräftig verurteilt worden ist. D as gilt auch, wenn ein gerichtliches Strafver­ fahren gegen den Richter aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht eingeleitet oder nicht durchgeführt werden kann. § 340 (§ 338 Abs. 4) Wiederaufnahme

§ 336 (§ 335) W i ed e ra uf n ah m e wegen neuer Tatsachen oder B e w e i s m i t t e l Ein durch rechtskräftiges Urteil geschlossenes Ver­ fahren wird wieder aufgenommen, wenn neue T at­ sachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, 1. die Freisprechung eines Verurteilten oder eine wesentlich mildere Bestrafung oder statt der Verurteilung die Einstellung des Verfahrens zu begründen, 2. die Bestrafung eines Freigesprochenen oder eine wesentlich schwerere Bestrafung oder statt der Einstellung des Verfahrens eine Ver­ urteilung des Angeklagten zu begründen, 3. eine wesentlich andere Entscheidung über eine sichernde Maßregel herbeizuführen. Einer Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift steht es gleich, wenn der Angeklagte mit S trafvor­ behalt verwarnt ist oder wenn das Gericht von Strafe abgesehen hat.

nach

Vollstreckung

Die Wiederaufnahme ist auch dann zulässig, wenn die Strafe oder die sichernde Maßregel schon voll­ streckt ist. § 341 (§ 338 Abs. 1 bis 3)

Ant r ag D as Verfahren wird nur auf Antrag eines An­ fechtungsberechtigten wieder aufgenommen. Der Antrag muß die Tatsachen, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme ergeben sollen, und die Beweismittel angeben. E r ist' bei dem zur Entscheidung über den Antrag beru­ fenen Gericht einzureichen; dadurch wird das Ver­ fahren bei Gericht anhängig. Der Angeklagte kann den Antrag nur in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder mündlich zur Nieder­ schrift des Gerichts oder des Amtsgerichts seines Wohnorts stellen. Der Antrag hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht. § 342 (§ 339)

§ 337 (neu)

Zuständigkeit

W i e d e r a u f n a h m e b e i B e s c h w e r dur ch die G r ü n d e

Zur Entscheidung ist in den Fällen der §§ 336, 337 das Gericht, dessen Feststellungen angegriffen werden, im Falle des § 338 das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, und im Falle des § 339 das Gericht zuständig, bei dessen Urteil dxr Schuldige als Richter mitgewirkt hat.

Enthalten die Gründe eines rechtskräftigen Ur­ teils, das auf Freisprechung oder Einstellung des Verfahrens lautet, eine schwere Minderung der Ehre oder eine schwere Verletzung anderer Belange des Angeklagten, so wird das Verfahren wieder aufge­ nommen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, die dem An­ geklagten ungünstigen Gründe zu entkräften. § 338 (§ 336) Wiederaufnahme

wegen u n z u l ä s s i g e r

Strafe D as Verfahren wird auch wieder ausgenommen, wenn das Gericht auf eine Strafe oder eine sichernde Maßregel erkannt hat, die nach den angewendeten Strafvorschristen nicht zulässig ist.

§ 343 (§ 341) Entscheidung über di e Zulassung D as Gericht entscheidet durch Beschluß, ob der An­ trag zuzulassen oder als unzulässig zu verwerfen ist. Es verwirft den Antrag als unzulässig, wenn er den Formvorschriften nicht'entspricht, wenn sich aus den aufgestellten Behauptungen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme ergeben oder wenn keine geeigneten Beweismittel angeführt sind. Dasselbe gilt, wenn der Antrag ausschließlich auf Tatsachen oder Beweismittel gestützt wird, die schon in einem früheren, rechtskräftig als unbegründet zu­ rückgewiesenen Antrag geltend gemacht worden sind.

93 94 Ergibt sich aus den Tatsachen, die zur Begründung des Antrags vorgebracht worden sind, der Verdacht einer S traftat, so kann das Gericht die Entscheidung über die Zulassung des Antrags aussetzen, bis wegen der T at ein Verjähren durchgeführt ist. Wird der Antrag zugelassen, so kann der Vorsitzer anordnen, daß die Vollstreckung des Urteils auszusetzen ist. § 344 (§ 342) Ermittlungen Läßt das Gericht den Antrag zu, so fordert der Vorsitzer den Staatsanw alt zur Erklärung über die vorzunehmenden Ermittlungen auf, wenn der Ange­ klagte, und den Angeklagten, wenn der Staatsanw alt den Antrag gestellt hat. E r bestimmt für die E r­ klärung eine Frist. Die erforderlichen Beweise erhebt der Vorsitzer selbst oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter. Zeugen und Sachverständige können nach pflichtmäßigem Ermessen vereidigt werden. I m übrigen gelten für die Stellung des Vor­ sitzer und des von ihm beauftragten Richters die Vorschriften über die Stellung des S taatsanw alts im Vorverfahren, über seine Ermittlungen, seine Unter­ stützung durch Richter und Polizei und über die Vor­ wegnähme einer Beweisaufnahme des Hauptversahrens (§§ 3 bis 9) entsprechend. S ind die Ermittlungen abgeschlossenes ist dem Staatsanw alt, dem Angeklagten, dem Verteidiger und den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Äuße­ rung zu geben und dafür eine Frist zu bestimmen. Hat der Angeklagte keinen Verteidiger, so ist ihm dabei das Ergebnis der Beweiserhebung mitzuteilen, soweit er bei ihr nicht anwesend war. § 345 (§ 343) Anordnung

der W i e d e r a u f n a h m e

S ind die gesetzlichen Voraussetzungen der Wieder­ aufnahme nicht dargetan, so weist das Gericht den Antrag durch Beschluß als unbegründet zurück. Sonst beschließt es die Wiederaufnahme des Verfahrens und eine neue Hauptverhandlung. Ist für die in Frage kommende S traftat ein anderes Gericht sachlich zu­ ständig, so wird die neue Hauptverhandlung vor diesem Gericht angeordnet.32) B is zu dem Beschluß des Gerichts kann der An­ trag auf Wiederaufnahme zurückgenommen werden; hatte der S taatsanw alt den Antrag gestellt, so bedarf es zur Zurücknahme der Zustimmung des Angeklagten, hatte dieser ihn gestellt, der Zustimmung des S ta a ts­ anwalts. Der Vorsitzer entscheidet, ob die Vollstreckung des Urteils fortzusetzen oder zu unterbrechen ist; die Ent­ scheidung kann auch der Vorsitzer des Gerichts treffen, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll. a2) Es bedarf neuer Prüfung, ob es sachgemäß ist, das Urteil eines Schwurgerichts vom Einzelrichter aufheben zu lassen.

F ü r das weitere Verfahren gelten die Vorschriften über das Hauptversahren entsprechend, soweit nichts anderes' bestimmt ist. § 346 (§§ 344 Abs. 1, 346 Abs. 2, 3) Verhandlung

und Urteil

I n der Hauptverhandlung hat das Gericht neu in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden. Soweit die frühere Entscheidung von dem neuen Urteil abweicht, ist sie aufzuheben; soweit sie mit ihm übereinstimmt, ist sie aufrechtzuerhalten. Wird die Verurteilung aufrechterhalten oder 'wird aus eine andere Strafe erkannt, so ist die früher er­ kannte Strafe, soweit sie schon vollstreckt ist, im neuen Urteil anzurechnen. Wird auf eine Strafe anderer Art erkannt, so bestimmt das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen, welcher Teil der Strafe als voll­ streckt gilt. 32a) § 347 (§ 347) E n t s c h e i d u n g durch Be s c h l u ß Ohne neue Hauptverhandlung kann durch Beschluß entschieden werden, 1. wenn die Schuldlosigkeit des Verurteilten oder der Mangel eines begründeten Verdachts dar­ getan ist und der Staatsanw alt der F rei­ sprechung oder der Aufhebung des früheren Urteils zustimmt, 2. wenn das Verfahren einzustellen ist, 3. wenn es nach § 338 wieder aufgenommen wird.

Tod

oder

§ 348 (§ 348) Geisteskrankheit Verurteilten

des

Ist der Verurteilte gestorben oder in Geisteskrank­ heit verfallen oder ist er aus anderen Gründen dauernd verhandlungsunsähig, so kann das Verfahren dann wieder ausgenommen werden, wenn es zur Freisprechung führen oder wenn eine besonders schwere Ehrenminderung, die der Verurteilte durch das Urteil erfahren hat, auch ohne Freisprechung be­ seitigt werden soll. F ü r den Verurteilten können der Ehegatte, die Verwandten gerader Linie und die Geschwister die Wiederaufnahme beantragen; hatte schon der Verur­ teilte den Antrag gestellt, so können sie das Verfahren fortsetzen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vor­ liegen. Läßt das Gericht den Antrag zu, so hat es zu­ gleich oder nach Erhebung der Beweise ohne neue Hauptverhandlung durch Beschluß in der Sache zu entscheiden. Sind die Voraussetzungen für die Freisprechung oder die Beseitigung der schweren Ehrenminderung nicht dargetan, so wird der Antrag zurückgewiesen. Anderenfalls wird das frühere Urteil aufgehoben; ist der Angeklagte nicht freizusprechen, so wird das Ver­ fahren eingestellt. 32a) § 346 Abs. 3 wird mit § 78 Abs. 2, 4 in Einklang zu bringen sein.

95 96 § 349 (§ 349) Öffentliche B e k a n n t g a b e Das Gericht kann anordnen, daß der In h a lt der neuen Entscheidung öffentlich bekanntzugeben ist. § 79 Abs. 2, 3 gilt entsprechend.

Viertes Buch

Besondere Verfahren

§ 350 (§ 350) ^Bef r i s t et e B e s c h w e r d e Die Beschlüsse, durch die das Gericht über den Antrag entscheidet, können mit der befristeten Be­ schwerde angefochten werden. § 341 Abs. 3 gilt ent­ sprechend. Ordnet das Beschwerdegericht die Wiederaufnahme an, so kann es zugleich bestimmen, daß die neue Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat.

Erstes Hauptstück

Vereinfachte Verfahren Erster Abschnitt

Sc h ne l l v e r f a h r e n § 351 (§ 360)

Grunds at z Vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht kann aus Antrag des S taatsanw alts eine T at im Schnellverfahren abgeurteilt werden, wenn der Be­ schuldigte sich freiwillig gestellt hat, auf frischer Tat betroffen oder vorläufig festgenommen ist oder weun die sofortige Aburteilung der T at aus anderen Gründen angezeigt ist. Dies gilt nicht, wenn sich die Sache zur Verhandlung im Schnellverfahren nicht eignet, insbesondere wenn die Verteidigung des Beschuldigten unbillig erschwert würde. Das Schöffengericht kann im Schnellverfahren nicht auf Zuchthaus und nicht auf mehr als zwei Jahre Gefängnis oder Festungshaft erkennen. § 352 (§ 361)

An b e r a u mu n g der H a u p t v e r h a n d l u n g Aus den Antrag des S taatsanw alts wird die Hauptverhandlung sofort durchgeführt oder, wenn dies nicht angängig ist, mit kürzester Frist anberaumt. Bedarf es der Ladung des Beschuldigten, so wird ihm mit der Laduna mitgeteilt, was ihm zur Last gelegt wird. Die Ladungssrist kann auf vierundzwanzig Stunden abgekürzt werden. Ein Beschluß über die Anordnung der Hauptver­ handlung ist nicht erforderlich. § 353 (§ 362) Anklage Der S taatsanw alt kann die Anklage zu Beginn der Hauptverhandlung mündlich erheben. I n diesen! Fall wird der Anklagesatz in die Niederschrift auf­ genommen. § 354 (§ 361 Abs. 2) Verteidigung Spätestens nach der Stellung des Antrags, im Schnellverfahren zu entscheiden, richtet sich die Befugnis des Verteidigers, mit dem Beschuldigten zu verkehren und die Akten einzusehen, nach den Vor­ schriften, die für die Zeit nach dem Abschluß der Ermittlungen gelten.

97 98 § 355 (§§ 363, 362 Abs. 3) Verweisung. , , i n d a s o r d e n t l i c h e Vl rer sa y r en D er Vorsitzer lehnt die Anberaumung der HauptHauptverhandlung Sache in das ordentliche Verfahren; in diesem Falle reicht der S taatsanw alt eine Anklageschrift nach, wenn eine solche noch nicht vorliegt. D er Beschluß ist nicht anfechtbar. D er S taatsanw alt kann die Anklage mit Zu­ stimmung des Gerichts und des Angeklagten bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszug zurück­ nehmen.

Is t der Antrag nicht abzulehnen, hat der Amts­ richter aber Bedenken, die T at ohne Mündliche VerHandlung abzuurteilen, so ordnet er die HauptverHandlung an. Dies gilt namentlich, wenn er eine andere als die beantragte Strafe oder Maßregel fest-

was ihm zur Last gelegt wird. § 359 (§§ 367, 368 Abs. 3) Erlaß

des S t r a f b e f e h l s

Durch Strafbefehl kann der Amtsrichter aus schriftlichen Antrag des Staatsanw alts ohne Haupt­ verhandlung auf Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, Geldstrafe, Berfallerklärung, Bekanntmachung der Verurteilung, Einziehung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, erkennen.

Hat der Amtsrichter keine Bedenken gegen den Antrag, so erläßt er den Strafbefehl. D er Strafbefehl hat den In h a lt, der für den Antrag vorgeschrieben ist; in ihm wird die beantragte S trafe oder Maßregel festgesetzt. E r enthält ferner den Hinweis, daß er vollstreckbar werde, wenn nicht binnen einer Woche seit seiner Bekanntgabe bei dem Amtsgericht schriftlich oder mündlich zur Niederschrift Einspruch erhoben wird. Der Strafbefehl wird dem Angeklagten bekannt­ gegeben. E r wird ferner dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten sowie demjenigen, der, ohne gesetz­ licher Vertreter zu sein, die Sorge für die Person des Angeklagten ausübt, mitgeteilt. Die öffentliche Zustellung ist unzuläffig. B is zur Bekanntgabe kann der Amtsrichter den Strafbefehl zurücknehmen.

§ 357 (§ 365)

§ 360 (§ 368)

Zweiter Abschnitt

St r af be f e hl § 356 (§ 364) Voraussetzungen

Antrag

Einspruch

Der Staatsanw alt beantragt eine bestimmte Strafe oder Maßregel. I n dem Antrag werden angegeben: 1. der Name, Rufname, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Angeklagten, bei Frauen auch der Mädchenname, sowie die S ta a ts­ angehörigkeit, wenn der Angeklagte Aus­ länder ist; 2. die T at, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und O rt ihrer Begehung, die straf­ bare Handlung, die sie darstellt, und die anzuwendenden Strasvorschristen; 3. die Zeugen und anderen Beweismittel. Der Antrag steht der Anklage gleich.

Der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl binnen einer Woche nach der Bekanntgabe Einspruch erheben. F ü r den Einspruch gelten die Vorschriften der §§ 278 bis 282 entsprechend.

§ 358 (§ 366) Ablehnung

§ 361 (§ 369) Entscheidung auf den Ei ns pr uch Is t der Einspruch nicht vorschriftsmäßig eingelegt, so verwirft ihn der Amtsrichter als unzuläffig. Andernfalls beraumt er die Verhandlung an. Der Beschluß, durch den der Einspruch als unzuläffig verworfen wird, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden.

des A n t r a g s

D er Amtsrichter lehnt den Antrag ab, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen auf eine Anklage die Anordnung der Hauptverhandlung abzu­ lehnen wäre. Gegen die Ablehnung des Antrags steht dem Staatsanw alt die befristete Beschwerde zu. Ist diese begründet, so ordnet das Beschwerdegericht die Haupt­ verhandlung vor dem Amtsrichter an.

§ 362 (§ 370) Zurücknahme

der

Anklage

Der S taatsanw alt kann die Anklage bis zur Ver­ kündung eines Urteils im ersten Rechtszug zurück­ nehmen^ nach Beginn einer Hauptverhandlung jedoch nur mrt Zustimmung des Amtsrichters und des Angeklagten.

99 100 § 363 (§ 371) Verfahren

Zweites Hauptstück

bei A u s b l e i b e n

Ist bei Beginn einer Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges der Angeklagte nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so wird, wenn der Angeklagte allein Einspruch eingelegt hat, der Einspruch ohne Verhandlung in der Sache selbst verworfen. Sonst wird in der Sache verhandelt oder die Vorführung oder Verhastung des Angeklagten angeordnet. Hat der gesetzliche Vertreter des Angeklagten selbständig Einspruch eingelegt, so bestimmt sich die Pflicht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, nach den allgemeinen Vorschriften. D as­ selbe gilt, wenn der Ehemann einer Angeklagten E in­ spruch eingelegt hat. Abs. 1 gilt entsprechend, wenn beim Beginn einer Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges weder der Angeklagte noch der Beschwerdeführer erscheint. Ist auf Grund dieser Vorschriften ein Urteil ergangen, so gelten die §§ 52, 333 bis 335 über die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung entsprechend. § 364 (§ 372)

Verfahren gegen Flüchtige und Abwesende Erster Abschnitt

Ha upt v e r ha nKl ung gegen Fl ücht i ge § 366 (§ 373)

Grunds at z Gegen einen Beschuldigten, der sich der deutschen Gerichtsbarkeit dadurch entzieht, daß er sich im Aus­ land aufhält oder im In lan d verbirgt (Flüchtiger), kann aus Antrag des Staatsanw alts die Hauptver­ handlung in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Der Staatsanw alt soll den Antrag nur stellen, wenn die alsbaldige Aburteilung der Tat vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus geboten ist. 34) Ist auf Grund dieser Vorschriften ein Urteil ergangen, so gelten die §§ 52, 333 bis 335 über die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung entsprechend. § 367 (§ 374)

Rechtskraft

Ös s e nt l i c he La d u n g

Der Strafbefehl erlangt die Wirkung eines rechts­ kräftigen Urteils, wenn gegen ihn kein Einspruch erhoben oder wenn der Einspruch zurückgenommen oder durch eine Entscheidung verworfen wird, die nicht mehr anfechtbar ist. F ür die Wiederaufnahme eines durch rechts­ kräftigen Strafbefehl geschloffenen Verfahrens gelten die §§ 336 bis 350 entsprechend. Die Wiederaufnahme findet auch dann statt, wenn die T at unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt werden soll, der eine erhöhte Strafbarkeit und damit die Zuständigkeit eines höheren Gerichts begründet. 33)

Der Flüchtige wird zur Hauptverhandlung öffent­ lich geladen. Einer Zustellung der Anklageschrift bedarf es nicht. Die Ladung hat den In h alt, der im § 23 Abs. 2 Nr. 1, 2, 5, 6 für die Anklageschrift vorgeschrieben ist, und gibt O rt und Zeit der Hauptverhandlung an. I n der Ladung wird der Flüchtige darauf hinge­ wiesen, daß die Hauptverhandlung auch bei seinem Ausbleiben stattfinden werde und daß das Urteil vollstreckbar sei. Ist der Flüchtige bereits zu einer Hauptverhandlnng öffentlich geladen, so gilt für eine weitere Ladung § 269 Abs. 2 entsprechend.

§ 365 (§ 364 Satz 1, § 365 Abs. 1 Satz 2) Verwarnungsbefehl Durch Verwarnungsbefehl kann der Amtsrichter auf schriftlichen Antrag des Staatsanw alts ohne Hauptverhandlung eine Verwarnung mit Strasvorbehalt aussprechen. Der S taatsanw alt beantragt zugleich die Strafe, die vorbehalten werden soll. Bor dem Erlaß des Verwarnungsbesehls hört der Amts­ richter den Beschuldigten. I m übrigen gelten die Vorschriften über den Strafbefehl entsprechend.

33) Die Vorschrift wird mit § 336 und der neuen Regelung der sachlichen Zuständigkeit in Einklang zu bringen sein. 7*

§ 368 (§ 375) B e k a n n t g a b e der La d u ng Ist der Aufenthalt des Flüchtigen bekannt, so können ihm die Anklageschrift und Ort und Zeit der Hauptverhandlung mit dem Hinweis mitgeteilt werden, daß er zum Erscheinen öffentlich geladen sei. Angehörigen des Flüchtigen oder anderen ihm nahestehenden Personen kann eine Abschrift der Ladung mitgeteilt werden. Der Vorsitzer kann weitere Maßnahmen treffen, um die Ladung dem Flüchtigen zur Kenntnis zu bringen. E r kann ins­ besondere veranlaffen, daß sie durch Rundsunk ver­ breitet wird. '") Es wird zu erwägen sein, bei der zweiten Lesung eine Fassung zu wählen, die klarstellt, daß das Gericht bei der Entscheidung über die Anordnung der Hauptverhandlung im Flüchtigenverfahren zwar zu prüfen hat, ob der Be­ schuldigte flüchtig ist, nicht aber, ob die alsbaldige Ab­ urteilung der Tät vom Standpunkt der Bolksgemeinschast aus geboten ist.

101

102

§ 369 (§ 376)

§ 374 (§ 381)

Verteidiger

Zuständigkeit

Ein Verteidiger des Flüchtigen bedarf keiner Voll­ macht und zum Gebrauch und zur Zurücknahme eines RechtAbehelfs keiner ausdrücklichen Ermächtigung.

Zuständig ist das Gericht, in besten Bezirk der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage seinen letzten deutschen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Is t ein Gerichtsstand hiernach nicht begründet oder nicht ermittelt, so ist das Gericht zuständig, in besten Bezirk der Beschuldigte geboren ist. Liegt der Geburtsort im Ausland oder ist er unbekannt, so gilt § 102.

§ 370 (§ 377)

V o r l ä u f i g e Ei n s t e l l u n g Ergibt die Hauptverhandlung, daß sich in Ab­ wesenheit des Angeklagten weder seine Schuld noch seine Nichtschuld feststellen läßt, so stellt das Gericht das Verfahren vorläufig ein. Der Beschluß ist unanfechtbar. § 371 (§ 378)

Urt ei l

§ 375 (§ 382) Erklärung derUberwachungsbehörde Die Anklage wird auf Grund einer Erklärung der Behörde erhoben, die mit der militärischen Über­ wachung der Wehrpflichtigen beauftragt ist. Diese Erklärung entspricht dem W ortlaut der §§ 149 bis 151 des Strafgesetzbuchs. 3*a)

D as Urteil wird als Abwesenheitsurteil gekenn­ zeichnet und öffentlich zugestellt. Wird es angefochten, so ist es in den Fällen der §§ 298 Abs. 2, 312 Abs. 2 dem Verteidiger zuzustellen.

Hauptverhandlung

§ 372 (§ 379)

F ü r die Ladung und Verteidigung des An­ geklagten gelten die §§ 367 und 369 entsprechend.

Wiederholung

§ 376 (§ 383)

des V e r f a h r e n s

Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er sich freiwillig, so wird ihm das Abwesenheitsurteil erneut zugestellt. Dabei wird er über die Möglichkeit der Wiederholung des Verfahrens und die dafür vorge­ schriebene Frrst (Abs. 2) belehrt. Binnen einer Woche nach der Zustellung kann der Verurteilte die Wiederholung des Verfahrens beantragen. S ie findet statt, wenn er sein Ausbleiben durch triftige Gründe rechtfertigt oder wenn sonstige triftige Umstände vorliegen, die eine Erneuerung der Hauptverhandlung als notwendig erscheinen lasten. Uber den Antrag auf Wiederholung des Ver­ fahrens entscheidet das Gericht, welches das letzte Urteil in der Sache gefällt hat. Es bestimmt, welcher Abschnitt des Hauptverfahrens zu wiederholen ist. Der Antrag aus Wiederholung des Verfahrens ist auch statt oder neben einem Rechtsmittel zulässig. Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt.

§ 377 (§ 384) Urteil Sind die vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet, so wird der abwesende Angeklagte auf Grund der im § 375 bezeichneten Erklärung verurteilt, wenn sich nicht Umstände ergeben, die dieser Erklärung ent­ gegenstehen. Bedarf es bei einer Verhandlung gegen mehrere Angeklagte in einer Sache einer Beweisaufnahme, so ist sie abzutrennen. Die §§ 371 und 372 gelten entsprechend.

Drittes Hauptstück

Verfahren mit besonderen Aufgaben Erster Abschnitt

Si cherungsversahren Zweiter Abschnitt

Ve r f a h r e n gegen Abwesende, die sich der Wehr pf l i cht e nt zogen haben § 373 (§ 380) Grundsatz Is t ein Wehrpflichtiger beschuldigt, sich nach den §§ 149, 150 oder 151 des Strafgesetzbuchs strafbar gemacht zu haben, so findet eine Haüptverhandlung gegen den abwesenden Beschuldigten nach folgenden Vorschriften statt.

§ 378 (§ 385) Voraussetzungen Bestehen nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügende Gründe für die Annahme, daß die selb­ ständige Anordnung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen sichernden Maßregel oder der E nt­ mannung zulästig ist, so kann der Staatsanw alt den. Antrag stellen, die Maßregel selbständig anzuordnen (Sicherungsversahren). 34a ) Bei der zweiten Lesung wird zu prüfen sein, ob der I n h a lt der Erklärung nicht näher bezeichnet werden muß.

103

104

§ 379 (§ 386)

Zweiter Abschnitt

Ve r f a h r e n s v orschri sten

Ei nzi ehungs ver s ahr en

F ü r das Sicherungsversahren gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Antrag steht der Anklage gleich; er muß den Erfordernißen der Anklageschrift entsprechen. Wird keine Maßregel angeordnet, so wird der Antrag im Urteilsspruch abgelehnt. An die Stelle Schöfsenkammer.

des Schwurgerichts tritt die

§ 380 (§ 387) H a u p t v e r h a n d l u n g in A bwesenhei t des Beschuldi gten Ist der Beschuldigte wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder Geistesschwäche nicht verhandlungsfähig, so kann die Hauptverhandlung ganz oder teilweise in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Wird der Beschuldigte aus diesem Grunde nicht in der Hauptverhandlung vernommen, so vernimmt ihn der Vorsitzer oder ein beauftragter Richter vorher über seine persönlichen Verhältniße und den Antrag des S taatsanw alts; dabei wird ein ärztlicher Sach­ verständiger zugezogen. F ü r die Anwesenheit des Staatsanw alts, des Verteidigers und der M it­ beschuldigten gilt § 40 entsprechend. Auch der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten und derjenige, der die Sorge für die Person des Be­ schuldigten hat, können an der Vernehmung teil­ nehmen. Ist das Urteil in Abwesenheit des Beschuldigten und des gesetzlichen Vertreters verkündet worden, so wird es auch dem gesetzlichen Vertreter mitgeteilt.

§ 381 (§ 388) Übergang

zum

§ 382 (§ 390) Zuziehung des E i n z i e h u n g s b e t e i l i gt en Macht ein anderer als der Beschuldigte an einem Gegenstand, über dessen Einziehung zu entscheiden ist, ein Recht geltend oder liegt ein Anhalt dafür vor, daß einem anderen als dem Beschuldigten ein Recht an dem Gegenstand zusieht, so wird er als Ein­ ziehungsbeteiligter zum Strafverfahren zugezogen. Der Einziehungsbeteiligte hat auf Verlangen sein Recht glaubhaft zu machen. § 383 (§§ 390 Abs. 2, 391) R e c h te d e s E i n z i e h u n g s b e t e i l i g t e n Der Einziehungsbeteiligte wird zur Hauptver­ handlung geladen und in der Ladung darauf hinge­ wiesen, daß über die Einziehung auch ihm gegenüber entschieden wird. M it der Ladung wird ihm die Anklageschrift oder ein Auszug daraus mitgeteilt; der Vorsitzer kann aus wichtigen Gründen anordnen, daß diese Mitteilung unterbleibt. Ist der Einziehungs­ beteiligte im Ausland zu laden, so genügt eine form­ lose Mitteilung der Ladung. Eine öffentliche Ladung findet nicht statt. Der Einziehungsbeteiligte hat dieselben Rechte wie der Angeklagte, soweit das Verfahren die Ein­ ziehung betrifft. E r kann sich in der Hauptverhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Auch wenn er nicht geladen ist, kann er erscheinen und sein Recht geltend machen. Bleibt er auf ordnungsmäßige Ladung aus, so wird ohne ihn verhandelt. Einem Einziehungsbeteiligten, der zur Haupt­ verhandlung geladen oder erschienen ist, wird das Urteil zugestellt, wenn er bei der Verkündung nicht zugegen und auch nicht vertreten gewesen ist. Dies gilt nicht, wenn die Zustellung im Ausland vor­ genommen werden müßte oder wenn der Aufenthalt des Einziehungsbeteiligten nicht bekannt ist.

Strafverfahren

Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß auf Strafe zu erkennen ist, so wird nach folgenden Vor­ schriften verfahren: Dem Beschuldigten wird unter Hinweis auf die veränderte Rechtslage Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Ist nach dem § 380 in Abwesenheit des Be­ schuldigten verhandelt worden, so werden die Teile der Hauptverhandlung wiederholt, bei denen der Beschuldigte nicht zugegen war. Is t die Schöffenkammer an die Stelle des Schwurgerichts getreten, so erklärt sie sich für unzu­ ständig und verweist die Sache durch Beschluß an das Schwurgericht.

§ 384 (§ 392) Rechtsbehelfe Die Frist für die Anfechtung des Urteils beginnt für Einziehungsbeteiligte, denen das Urteil zu­ zustellen ist, mit der Zustellung, für andere Ein­ ziehungsbeteiligte mit der Verkündung. Is t der Angeklagte verurteilt worden und ficht weder der Staatsanw alt noch der Angeklagte das Urteil an oder nehmen sie bas Rechtsmittel zurück, so ist das Rechtsmittelgericht bei der Entscheidung auf ein Rechtsmittel des Einziehungsbeteiligten an den Schuldspruch des angefochtenen Urteils gebunden. Dies gilt nicht, wenn das angefochtene Urteil im Verfahren gegen Flüchtige oder Abwesende erlaßen worden ist.

105 106 Hat der Einziehungsbeteiligte die Hauptverhand­ lung versäumt, so kann er nicht ihre Wiederholung verlangen. Is t die Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich auf Antrag des Einziehungsbeteiligten angeordnet worden, so kann im Wiederaufnahmeverfahren ohne neue Hauptverhandlung durch Beschluß entschieden werden. § 385 (neu) V o r b e h a l t d e r Re c h t e Würde die Zuziehung des Einziehungsbeteiligten das Strafverfahren verzögern, so kann der Vorsitzer durch Beschluß anordnen, daß dem Einziehungs­ beteiligten vorbehalten wird, Einwendungen gegen die Einziehung in einem Nachverfahren geltend zu machen. Die §§ 383, 384 finden aus solche Einziehungs­ beteiligte im Strafverfahren keine Anwendung. § 386 (§ 393) Beteiligung im Strafbefehls­ verfahren Wird die Einziehung durch Strafbefehl an­ geordnet, so wird der Strafbefehl auch dem Ein­ ziehungsbeteiligten bekanntgegeben. Der Ein­ ziehungsbeteiligte wird darauf hingewiesen, daß über die Einziehung auch ihm gegenüber entschieden wird. § 383 Abs. 1 Satz 3, 4 gilt entsprechend. Die Frist zur Erhebung des Einspruchs beginnt für den Einziehungsbeteiligten, dem der Strafbefehl nicht zugestellt oder verkündet wird, mit der Bekannt­ gabe des Strafbefehls an den Beschuldigten. § 387 (§ 394) B e t e i l i g u n g im V e r f a h r e n vor dem V o l k s g e r i c h t s h o f it n b d e n O b e r ­ landesgerichten

Uber den Antrag des Staatsanw alts wird nach mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden, wenn der Staatsanw alt es beantragt oder der Vor­ sitzer es für angemessen hält. Die Rechtsstellung des Beschuldigten und des Einziehungsbeteiligten richtet sich nach den §§ 382 bis 387. Sonst entscheidet das Gericht durch Beschluß nach Anhörung der Beteiligten. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. I m übrigen gelten die Vorschriften über das Strafverfahren und der § 379 Abs. 2, 3 entsprechend. Örtlich zuständig ist auch das Gericht, in dessen Be­ zirk sich der einzuziehende Gegenstand zur Zeit der Stellung des Antrags befindet. § 389 (neu) S t e l l u n g d e r ni cht z u g e z o g e n e n Einziehungsbeteiligten Ist ein Einziehungsbeteiligter zum Verfahren nicht zugezogen worden oder hat er ohne eigenes Ver­ schulden die Hauptverhandlung versäumt, so kann er die Aufhebung oder Änderung des Ausspruchs über die Einziehung beantragen. Dasselbe gilt, wenn einem Einziehungsbeteiligten die Befugnis vor­ behalten worden ist, Einwendungen gegen die Ein­ ziehung in einem Nachverfahren geltend zu machen. Der Antrag muß binnen einer Woche nach dem Zeit­ punkt gestellt werden, in dem der Einziehungs­ beteiligte davon Kenntnis erhält, daß über die Ein­ ziehung rechtskräftig entschieden ist. Uber den Antrag wird nach den Vorschriften ent­ schieden, die für das selbständige Einziehungsver­ fahren gelten. Ist der Angeklagte verurteilt worden, so ist das Gericht an den Schuldspruch der früheren Entscheidung gebunden; dies gilt nicht, wenn das frühere Urteil im Verfahren gegen Flüchtige oder Abwesende erlassen worden ist. Ist der Antrag nicht zulässig, so weist das Gericht ihn durch Beschluß zurück. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 390 (§ 396)

I n den im § 246 genannten Verfahren kann der Vorsitzer anordnen, daß ein Einziehungsbeteiligter nicht zur Hauptverhandlung geladen wird und an ihr nicht teilnehmen darf, wenn seine Anwesenheit dem Wohle des Reiches Nachteile bereiten würde. Der Einziehungsbeteiligte wird rechtzeitig aufgefordert, seine Rechte schriftlich geltend zu machen; seine Erklärungen werden in der Hauptverhandlung ver­ lesen.

Anwendungsbereich I m Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts steht der Einziehung die Unbrauchbarmachung eines Gegen­ standes gleich.

§ 388 (§ 395)

Ehrenschutz im Strafverfahren

Selbständiges E inzi ehungs­ verfahren

§ 391 (§ 85 Abs. 1)

Bestehen nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügende Gründe für die Annahme, daß nach den Strafgesetzen die selbständige Anordnung der Ein­ ziehung zulässig ist, so kann der Staatsanw alt den Antrag stellen, die Einziehung selbständig an­ zuordnen.

I n einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung ist das Gericht nach den Vorschriften dieses Abschnitts zu Feststellungen über die Unwahrheit der ehren­ rührigen oder herabsetzenden Behauptung verpflichtet, auch wenn der Beschuldigte nicht zu S trafe verurteilt

D ritter Abschnitt

Ehrenschutz

des

Verletzten

Grunds at z

107 108 wird. Der Verletzte kann auch selbst int Verfahren für den Schutz und die Wiederherstellung seiner Ehre eintreten. § 392 (neu) T e i l n a h m e des Verletzten am Verfahren Dem Verletzten wird die Erhebung der Anklage mitgeteilt. E r wird aus Verlangen am Hauptverfahren beteiligt. Stellt er das Verlangen, so werden ihm Ort und Zeit der Hauptverhandlung und einer vor­ bereitenden Beweisaufnahme bekanntgegeben. E r kann BeweisantrLge stellen, an der Hauptverhand­ lung teilnehmen und wird darin aus Verlangen gehört. § 393 (§ 85 Abs. 2, 3) A u f k lä r un g von Amts wegen und Feststellung in den U r t e i l s g r ü n d e n Hat der Angeklagte über einen anderen eine ehren­ rührige oder herabsetzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so klärt das Gericht die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung auch dann auf, wenn er wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde freizusprechen ist. Dasselbe gilt, wenn das Verfahren einzustellen ist, es sei denn, daß die Einstellung deshalb geboten ist, weil die nach dem Gesetz erforderliche Anordnung der Strafverfolgung fehlt oder ein ähnliches Versahrenshindernis besteht. Abs. 1 gilt nicht, wenn der Wahrbeitsbeweis unzulässig ist, wenn es sich um dienstliche Äußerungen eines Amtsträgers des S taates oder der Partei oder tadelnde Äußerungen über wissenschaftliche, künst­ lerische, gewerbliche oder sonstige Leistungen handelt, die nicht mit Strafe bedroht sind, oder wenn der Ver­ letzte aus anderen Gründen an der Aufklärung kein berechtigtes Jntereffe hat. 35) Die Urteilsgründe müssen das Ergebnis der Prüfung darlegen.

§ 395 (neu) Feststellungsantrag Der Verletzte kann den Antrag schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle, in der Hauptverhand­ lung auch mündlich bis zur Beendigung der Schluß­ vorträge im Berufungsrechtszug stellen. I n dem Antrag sind der Angeklagte, die Behaup­ tung, auf die sich die Feststellung beziehen soll, und die Beweismittel zu bezeichnen. Wird der Antrag außer­ halb der Hauptverhandlung gestellt, so wird dem S taatsanw alt und dem Beschuldigten eine Abschrift mitgeteilt. Der Antrag kann bis zur Verkündung eines Ur­ teils im ersten Rechtszug zurückgenommen werden. Is t eine zulässige Berufung eingelegt, so ist die Zu­ rücknahme bis zur Verkündung des Urteils im Berufungsrechtszug möglich. § 396 (neu) R e c h t s s t e l l u n g des A n t r a g s t e l l e r s im V e r f a h r e n Der Antragsteller wird zur Hauptverhandlung geladen. M it der Ladung wird ihm die Anklageschrift oder ein Auszug daraus mitgeteilt, soweit er nicht als Zeuge in Betracht kommt und nicht deshalb Be­ denken gegen die Mitteilung bestehen. Der Antragsteller hat dieselben Rechte wie der Angeklagte, soweit das Verfahren das Festftellungsbegehren betrifft. E r kann sich in der Hauptverhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Bleibt er auf ord­ nungsmäßige Ladung aus, so wird ohne ihn ver­ handelt. Der Vorsitzer kann anordnen, daß der Antrag­ steller in der Hauptverhandlung persönlich erscheint. Bleibt der Antragsteller entgegen einer solchen An­ ordnung ohne genügende Entschuldigung aus, so kann der Feststellungsantrag als zurückgenommen behandelt werden.

§ 394 (neu) auf

A n t r a g des Verletzten Fest stel lung im Ur t e i l s s p r u c h

Der Verletzte kann beantragen, daß das Gericht auch im Urteilsspruch eine Feststellung über die Un­ wahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Be­ hauptung treffe. Der Antrag ist unzulässig, wenn der Wahrheits­ beweis unzulässig ist, wenn es sich um dienstliche Äußerungen eines Amtsträgers des S taates oder der Partei oder tadelnde Äußerungen über wiffenschaft­ liche, künstlerische, gewerbliche oder sonstige Leistungen handelt, die nicht mit Strafe bedroht sind, oder wenn der Verletzte aus anderen Gründen an der Feststellung kein berechtigtes Jntereffe h a t.35) Dasselbe gilt, wenn das Verfahren einzustellen ist, weil die nach dem Gesetz erforderliche Anordnung der Strafverfolgung fehlt oder ein ähnliches Verfahrenshindernis besteht. 35) Die Anpassung dieser Vorschrift an die endgültige Fassung des § 427 E S tG B . (Verfolgung berechtigter Zwecke »ei Ehrenkränkungen) bleibt vorbehalten.

§ 397 (neu) Zurückweisung

des

Antrags

Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des Fest­ stellungsantrags nicht vor, so weist das Gericht ihn im Urteilsspruch als unzulässig zurück. § 398 (neu) Inhalt

des U r t e i l s s pr uc hs

Ist der Feststellungsantrag zulässig, so gelten für den In h a lt des Urteilsspruchs folgende Vorschriften: Wird in der Hauptverhandlung der Beweis für die Unwahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung erbracht, so stellt das Gericht fest, daß die Unwahrheit der Behauptung erwiesen ist. Hat die Hauptverhandlung zwar nicht die Unwahrheit der Behauptung ergeben, jedoch dargetan, daß die Be­ hauptung völlig haltlos ist oder daß sie jeder tatsäch­ lichen Unterlage entbehrt, so spricht das Gericht dies aus.

109 Liegen die im Abs. 2 bezeichneten Voraus­ setzungen nicht vor, ist in der Hauptverhandlung aber auch der Beweis für die Wahrheit der Behauptung nicht erbracht, so stellt das Gericht fest, daß die Be­ hauptung sich nicht bewahrheitet hat. D as Gericht kann auch eine andere Feststellung treffen, wenn sie das Ergebnis der Hauptverhandlung zutreffender wiedergibt. I s t der Beweis der Wahrheit erbracht -oder hat der Angeklagte die Behauptung weder ausgestellt noch verbreitet, so weist das Gericht den Feststellungs­ antrag als unbegründet ab. § 399 (neu) Weitere Vorschriften über das Urteil Is t ein Feststellungsantrag gestellt, so werden im Urteil auch der Name, Rufname und Wohnort des Antragstellers angegeben, bei Frauen auch der Mädchenname. Eine Abschrift des Urteils mit Gründen wird dem Antragsteller mitgeteilt. § 400 (§ 298)

R e c h t s mi t t e l Der Antragsteller kann das Urteil nur insoweit anfechten, als es eine Entscheidung über den Fest­ stellungsantrag enthält. Die Vorschriften über die Rechtsmittel des Angeklagten gelten entsprechend. Wird auf das Rechtsmittel des Antragstellers die Entscheidung mber den Feststellungsantrag aufgehoben oder geändert und wirken sich die Gründe dafür auch auf den schon rechtskräftig gewordenen Teil des Urteils aus, so gelten für die Aufhebung oder Änderung des übrigen Teils -des Urteils die §§ 307, 324 entsprechend. 36) F ü r die Anfechtung des Urteils durch den S ta a ts­ anwalt und den Angeklagten gelten die allgemeinen Vorschriften. Hat der Antragsteller die Hauptverhandlung ver­ säumt, so kann er nicht ihre Wiederholung verlangen. § 401 (§ 77 Abs. 2) W i r k u n g des F e s t s t e l l u n g s ­ ausspruchs I s t die im Urteilsspruch getroffene Feststellung oder die Abweisung des Feststellungsantrags rechts­ kräftig geworden, so bindet der Ausspruch den S tra f­ richter und den Friedensrichter in einem späteren Verfahren gegen denselben Beschuldigten wegen einer Behauptung gleichen In h a lts, es sei denn, daß durch neue Tatsachen oder Beweismittel seine Unrichtigkeit dargetan wird oder ein anderer Verletzter an dem neuen Verfahren beteiligt ist. 37) 3W) Die Anpassung dieser Vorschrift an die §§ 307, 324 bleibt vorbehalten. 37) Es erscheint geboten, auch der Feststellung, daß die Behauptung sich nicht bewahrheitet hat, bindende Wirkung zu geben. Die Bindung an eine solche Feststellung soll nur dann entfallen, wenn in dem neuen Verfahren ihre Unrichtig­ keit durch neue Tatsachen oder Beweismittel dargetan wird.

110 § 402 (§ 335 Abs. 1 Nr. 4) W i e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s Is t die im Urteilsspruch getroffene Feststellung oder die Abweisung des Feststellungsantrags rechtskräftig geworden, so kann jeder Ansechtungsberechtigte die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früheren Beweisen geeignet sind, eine wesentlich andere E nt­ scheidung über den Feststellungsantrag herbeizuführen. Die Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens gelten entsprechend. Selbständiges Feststellungsversahren

Feststellung

§ 403 (neu) außerhalb verfahrens

des S t r a f ­

Erhebt der S taatsanw alt wegen einer Ehren­ kränkung keine Anklage, so kann der Verletzte nach den Vorschriften über das friedensrichterliche Ver­ fahren den Friedensrichter anrufen, um eine Fest­ stellung über die Unwahrheit der Behauptung herbei­ zuführen. Ein Feststellungsverfahren vor dem Strafrichter findet nur unter den im § 404 genannten Voraus­ setzungen statt. § 404 (§ 397) V o r a u s s e t z u n g e n des s el bst ändi gen Feststellungsverfahrens Hat jemand über einen anderen eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung aufgestellt oder ver­ breitet, wird aber gegen ihn keine Anklage erhoben, die Anklage zurückgenommen oder die Anordnung der Hauptverhandlung abgelehnt, weil er wegen Ver­ folgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde freizusprechen wäre oder das Strafverfahren undurchführbar ist, so kann der Staatsanw alt gegen ihn die Feststellungsklage erheben, wenn der Verletzte den Antrag stellt, eine Feststellung über die Unwahr­ heit der Behauptung herbeizuführen. Der S taatsanw alt soll die Feststellungsklage nur erheben, wenn es vom Standpunkt der Volksgemein­ schaft aus geboten ist, die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung durch Richterspruch zu klären. Hält der Staatsanw alt diese Voraussetzung nicht für erfüllt, so verweist er den Verletzten auf den Weg des sriedensrichterlichen Verfahrens.

Gang

§ 405 (§ 399) des s e l b s t ä n d i g e n Fest stellungsversahrens

Der S taatsanw alt kann die Feststellungsklage vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht oder der Schösfenkammer erheben. 38) Die Klageschrift ent38) I n den Richtlinien wird klarzustellen sein, datz der Staatsanwalt in der Regel die Feststellunasklage vor dem Schöffengericht oder der Schöffenkammer erheben soll.

111 112 halt den Antrag, eine richterliche Feststellung über die Unwahrheit der Behauptung zu treffen. Im übrigen muß sie den Erfordernissen der Anklageschrift ent­ sprechen.

können die Befugnisse des Verletzten selbst w ahr­ nehmen. 3

§§201—254

1. A bschnitt: Untersuchungshaft . . §§201—218 2. A bschnitt: Beschlagnahme, Durch­ suchung und Untersuchung.....................§§219—254 1. Unterabschnitt: Beschlagnahme und Sicherstellung von Beweisen . . . §§ 219—235 2. Unterabschnitt: Durchsuchung . . §§ 236—242 3. Unterabschnitt: Untersuchung von Menschen............................ §§ 243-248 4. Unterabschnitt: Gemeinsame Vor­ schriften ....................................... §§ 249-254

Viertes Hauptstück.

Besondere Vorschriften über das Verfahren vor dem Volks­ gerichtshof und vor den Ober­ landesgerichten ............................... §§ 255-266

Fünftes Hauptstück.

Andere gemeinsame VerfahrensVorschriften ................ ... §§ 267-298 1. A bschnitt: Strafantrag, Anordnung und Verlangen der Strafverfolgung §§ 267—274 2. A bschnitt: Verbindung u. Trennung §§275—277 3. A bschnitt: Entscheidungen, Nieder­ schriften, M itteilungen....................... §§ 278-290 4. A bschnitt: Fristen ........................§§291-294 5. A bschnitt: Sprachgebrauch . . . . §§295—298

Dritte» Buch. Rechtrbehelse...................... §§299-376

R ichterliche V o ru n te rs u c h u n g

§§ 377-386

Zweite» Hauptstück.

Erste» Hauptstück. A llg em ein e V o rsch riften

Erste» Hauptstück.

. .

V ereinfachte D e rfa h re n

§§ 299-304

. . . .

§§ 387 -4 0 0

1. A bschnitt: Beschleunigtes Derfahren §§387 —390 2. A bschnitt: Strafbefehl....................§§391-400

3m eltes Hauptstück. D ie R e c h t s m i t t e l ........................§§ 305-350 1. A bschnitt: Beschwerde....................§§305 - 314 2. A bschnitt: Berufung und Urtetlsrüge §§ 315-346 1. Unterabschnitt: Gemeinsame Bor« sc h rtste n ............................... . . §§315-318 2. Unterabschnitt: Berufung . . . . §§ 319—330 3. Unterabschnitt: Urteilsrüge . . . §§ 331—346 3. A bschnitt: Wahrung der Rechtseinheit §§ 347 -3 5 0 Dritte» Hauptstück. A n d e re R ech tsb eh else

. . . .

§§ 351-376

1. A b schnitt: Wiederholung einer ver­ säumten Hauptoerhandlung . . . . §§ 351—353 2. A bsch n itt: Wiederaufnahme des Ver­ fahrens ................................................... §§354—369 3. A bschnitt: Nichtigkeitsbeschwerde und auherordentlicher Einspruch gegen U r t e i l e ....................................................§§370-376

Vierte» Buch. Besondere Derfahren....................§§377—452

Dritte» Havptstück. V e rfa h re n g eg en F lü ch tig e . .

§§ 401-410

Vierte» Hauptstück. V e r fa h re n m it beso n d eren A u f­ g a b e n ................................... ... §§ 411-444 1. 2. 3. 4.

A bschnitt: Sicherungsverfahren. . A bschnitt: Einziehung-verfahren . A bschnitt: Ehrenschutz des verletzten A bschnitt: Entschädigung des Ver­ letzten ................................... ...

§§ 411—414 §§ 415—422 §§ 423—437 §§ 438 -4 4 4

Fünfte» Hauptstück. N achträgliche richterliche E n t­ scheidungen ................................... §§ 445-452 1. A bschnitt: Verwarnung mit Straf, v o r b e h ä lt........................................... §§ 445—447 2. A bschnitt: Ergänzende Entscheidun­ gen ........................................................... §§448-452

Fünftes Buch. K o ste n ................... ...............................§§453-469

Slrafverfahrensordnung Erstes Buch Gang des Verfahrens Erstes Hauptstück Das Vorverfahren § i

Verfolgung

von

Die Strafverfolgungsbehörden achten bei ihren Ermittlungen auf alles, was den Beschuldigten be­ lasten oder entlasten kann.

A in t s lv e g e n

Straftaten werden von Amts wegen verfolgt. Zu ihrer Verfolgung ist der Staatsanw alt berufen. Die Gerichte sprechen ein Urteil nur, wenn der Staatsanw alt die Anklage erhebt. §

§ 5

Umf a n g der E r m i t t l u n g e n

2

An z e i g e n Straftaten können bei der Polizei, dem S ta a ts­ anwalt und dem Amtsgericht angezeigt werden. Uber die mündliche Anzeige wird eine Niederschrift oder ein Vermerk aufgenommen. § 3

Ni cht na t ür l i c he r Tod Liegt ein Anhalt dafür vor, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so hat die Polizei und, wenn diese es nicht schon getan hat, der Bürgermeister es dem S taatsanw alt oder dem Amtsrichter sofort anzuzeigen. Der Tote darf erst bestattet werden, wenn der Staatsanw alt oder der Amtsrichter es schriftlich ge­ nehmigt hat. Is t der Verdacht einer S traftat nicht offenbar unbegründet, so soll zuvor in der Regel ein Amtsarzt die Todesursache ermitteln. Die Feuer­ bestattung ist nur zulässig, wenn der S taatsanw alt sie besonders genehmigt. § 4 Z i el der E r m i t t l u n g e n Erfährt der Staatsanw alt von dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten Tat, so prüft er den Sachverhalt und stellt die Ermittlungen an, die notwendig sind, um darüber zu entscheiden, ob die Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist.

S ie ermitteln auch die Umstände, die für die Strafbemessung und für die Anordnung sichernder Maßregeln von Bedeutung sind, und sorgen dafür, daß die Beweise gesichert werden, deren Verlust zu be­ fürchten ist. § 6 S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s Der Staatsanw alt ist für die Führung des Vor­ verfahrens verantwortlich. E r bestimmt den Gang der Ermittlungen. § 7 E i g e n e E r m i t t l u n g e n des S t a a t s ­ anwalts I n Strafsachen von größerer Bedeutung soll der Staatsanw alt selbst den Beschuldigten verneymen und die wesentlichen Beweise selbst aufnehmen oder sich von ihnen einen unmittelbaren Eindruck verschaffen. I n allen Strafsachen kann der Staatsanw alt die Ermittlungen selbst übernehmen. § 8 Unterstützung des S t a a t s a n w a l t s durch d i e P o l i z e i Die Polizei unterstützt den Staatsanw alt bei der Aufklärung des Sachverhalts und bei der Verfolgung des Täters. Sie ist verpflichtet, den Ersuchen des S taatsanw alts zu entsprechen. Erfährt die Polizei von dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten T at, so besaßt sie sich sofort von sich aus mit den Ermittlungen und unterrichtet alsbald den Staatsanw alt, regelmäßig durch Mitteilung ihrer Unterlagen. Sie hält ihn über den Stand der E r­ mittlungen aus dem Laufenden. I n Strafsachen von

geringerer Bedeutung genügt es, den Staatsanw alt erst beim Abschluß der Ermittlungen zu unterrichten. Bei Gefahr im Verzug trifft die Polizei die er­ forderlichen Maßnahmen Don sich aus, auch wenn der Staatsanw alt die Ermittlungen führt. Der Reichsminister des In n e rn bestimmt im E in­ vernehmen mit dem Reichsminister der Justiz, welche Dienststellen und Beamten als Polizei int Sinne dieses Gesetzes gelten. § 9 Unt er s t üt zung des S t a a t s a n w a l t s dur ch d e n R i c h t e r Aus besonderen Gründen kann der Staatsanw alt um die Vornahme einer Untersuchungshandlung den Amtsrichter des Bezirks ersuchen, in dem die Hand­ lung vorzunehmen ist. Der Amtsrichter darf das Ersuchen nur ablehnen, wenn er unzuständig oder wenn die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. Bei Gefahr im Verzug trifft der Amtsrichter von sich aus die erforderlichen Maßnahmen. I n solchen Fällen kann die Polizei sich unmittelbar an ihn wenden. D as Weitere verfügt der Staatsanw alt. Vernimmt der Richter einen festgenommenen oder verhafteten Beschuldigten und beantragt dieser die Aufnahme von Beweisen, die von Bedeutung sind, so erhebt sie der Richter, wenn ihr Verlust droht oder wenn sie ohne wesentlichen Aufschub erhoben werden und zur Freilassung führen können. Das Weitere verfügt der Staatsanw alt.

dies nötig ist, um eine wahre Aussage herbeizuführen, und von der Aussage der Fortgang des Verfahrens abhängt. § 10 Abs. 2, 3 gilt entsprechend.

§12 A n h ö r u n g des Be s c h u l d i g t e n Bevor die Anklage erhoben wird, ist der Beschul­ digte zu vernehmen. I n einfacheren Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich 51t äußern. Beantragt der Beschuldigte die Aufnahme von Be­ weisen, so erhebt sie der Staatsanw alt, wenn sie von Bedeutung sind. §13

Abschl uß der E r m i t t l u n g e n Der Abschluß der Ermittlungen wird in den Akten vermerkt. Bevor die Anklage vor der Schöffenkammer oder einem höheren Gericht erhoben wird, hört der S ta a ts­ anwalt den Beschuldigten nach dem Abschluß der E r­ mittlungen zu deren Ergebnis, wenn sich seit der letzten Vernehmung des Beschuldigten weitere Ver­ dachtsgründe ergeben haben oder wenn es aus anderen Gründen sachdienlich ist. Hat der Beschuldigte einen Verteidiger, so gibt her Staatsanw alt in diesen Sachen dem Verteidiger nach dem Abschluß der E r­ mittlungen Gelegenheit, innerhalb angemessener Frist zum Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen. §14

§ 10

Vorwegnähme einer B e w e i s a u f ­ n a h m e d e s H a up t v e r f a h r e n s Der S taatsanw alt ersucht den Richter um eine vorbereitende Beweisaufnahme, wenn die Verneh­ mung eines Zeugen oder Sachverständigen oder die Vornahme eines Augenscheins im Hauptverfahren voraussichtlich unmöglich ist. E r wendet sich an den Vorsitzer des Gerichts, das für das Hauptverfahren zuständig wäre, oder an den Amtsrichter des Bezirks, in dem die Handlung vorzunehmen ist. Der Richter darf das Ersuchen nur ablehnen, wenn er unzuständig oder wenn die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. Der Vorsitzer kann einen Richter seines Gerichts mit der Untersuchungshandlung be­ auftragen. F ür die Teilnahme des S taatsanw alts, des Ver­ teidigers und des Beschuldigten an der Untersuchungs­ handlung gelten die Vorschriften über das Hauptver­ fahren (§ 47) entsprechend. S ie gelten auch dann, wenn der-Richter solche Untersuchungshandlungen bei Gefahr im Verzug von sich aus vornimmt. § 11

H e r b e i f ü h r u n g ei ne r eidlichen Aussage Der Staatsanw alt kann den Vorsitzer des Ge­ richts, das für das Hauptverfahren zuständig wäre, ersuchen, einen Zeugen eidlich zu vernehmen, wenn

Verfolgungspslicht Der S taatsanw alt hat die Anklage zu erheben, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen genügen­ der Verdacht besteht, daß der Beschuldigte eine S tra f­ tat begangen habe. §15 Nichtverfolgung

wegen

geringer

Schul d Der S taatsan w alt kann von der Verfolgung einer T at absehen, wenn sie nicht zum Schutz des Volkes oder zur Sühne der T at geboten und wenn die Schuld des Täters so gering ist, daß voraussichtlich von S trafe abgesehen oder höchstens auf Gefängnis, Festungshaft oder Haft von einem Monat, Geldstrafe von dreißig Tagesbußen, Verfallerklärung, Verwar­ nung mit Strafvorbehalt, allein oder nebeneinander oder neben Einziehung, Vernichtung oder Unbrauch­ barmachung erkannt werden würde. §

16

Ausschei dung von Unwesent l i chem Hat der Beschuldigte mehrere Taten begangen, so soll der S taatsanw alt solche Taten nicht verfolgen, die bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Aus demselben Grunde kann der S taatsanw alt die Verfolgung auf einzelne abtrennbare Teile einer Tat

ober auf eittzelne non mehreren Rechtsverletzungen beschränken, die durch ein und dieselbe T a t begangen worden sind. Is t der Beschuldigte wegen einzelner von mehreren T aten schon rechtskräftig verurteilt worden, so soll der S ta a tsa n w a lt von der Verfolgung der übrigen ab­ sehen, wenn sie angesichts der verhängten S tra fe oder sichernden M aßregel nicht in s Gewicht fallen. §

17

S c h u tz f ü r d ie O p f e r e i n e r Erpressung Is t eine Erpressung durch die Drohung begangen worden, eine S tra fta t zu offenbaren, und führt der Bedrohte die Verfolgung des Erpressers herbei, so verfolgt der S ta a tsa n w a lt die T at, deren Offen­ barung angedroht worden ist, nur dann, wenn es zum Schutz des Volkes oder zur Sühne unerläßlich ist. E r kann auch von der Verfolgung der an dieser T a t B e­ teiligten absehen. W ird die Verfolgung des Erpressers nicht durch den B edrohten, sondern aus andere Weise herbei­ geführt, so kann der S ta a tsa n w a lt ebenso verfahren, wenn die Verfolgung angesichts der Schutzvorschrift des Absatz 1 eine unbillige H ärte wäre. D er Erpressung stehen die Nötigung zur Unzucht und andere N ötigungen gleich. §

18

S c h u tz f ü r Z e u g e n Bezichtigt ein Zeuge in seiner Aussage sich oder einen seiner Angehörigen einer S tra fta t, so kann der S ta a ts a n w a lt von der Verfolgung dieser T a t ab­ sehen, weiln ihre Verfolgung eine unbillige H ärte wäre. §

19

V e r f o l g u n g ans A n t r a g Eine T at, die nach den Strafgesetzen n u r auf A n­ trag verfolgt w ird, verfolgt der S ta a tsa n w a lt n u r bann, w enn der Antragsberechtigte den A ntrag recht­ zeitig (§§ 267 bis 273) stellt. W ird der A ntrag gestellt, so kann der S ta a ts a n ­ w alt dennoch von der Verfolgung absehen, wenn trif­ tige G ründe gegen sie sprechen. §

20

Spruchbereich des F r i e d e n s r i c h t e r s K ann der Friedensrichter wegen einer T a t angerufen werden, so verfolgt sie dev S ta a tsa n w a lt nu r dann, wenn er ihre Ahndung m it den M itteln des S trafrechts für geboten hält. V erfolgt der S ta a tsa n w a lt die T a t nicht, so be­ lehrt er, wenn es angebracht ist, den Verletzten darüber, daß er Klage vor dem Friedensrichter erheben könne. §

21

A u s l a n d s t a t en und T aten von Ausländern D er S ta a tsa n w a lt kann von der Verfolgung einer T a t, die ein deutscher S taatsangehöriger im A usland

ober ein ausländischer S taatsallgehöriger auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug im In la n d begangen hat, absehen, wenn die Verfolgung vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus nicht geboten ober unverhältnism äßig schwierig wäre. Eine T at, die ein A usländer im Ausland begeht, wird n u r auf Anordnung des Reichsministers der Justiz verfolgt. §

22

B e s t r a f u n g i nt A u s l a n d D er S ta a tsa n w a lt kann von der Verfolgung einer T a t absehen, wenn wegen derselben T a t im A usland schon eine S trafe gegen den Beschuldigten vollstreckt worden ist und die im In la n d zu erwartende S trafe nach Anrechnung der ausländischen nicht ins Gewicht siele. § 23 A u f e n t h a l t i nt A u s l a n d D er S ta a tsa n w a lt kann von der Verfolgung eines Beschuldigten, der sich im A usland aufhält, absehen, wenn dessen Auslieferung nicht möglich ist oder un­ verhältnism äßigen Aufwand verursachen würde und wenn auch kein A nlaß besteht, das Hauptverfahren in Abwesenheit des Beschuldigten durchzuführen. § 24 Verfolgung weit zurückliegender Tat en D er S taatsan w alt kann von der Verfolgung einer T at absehen nach drei Jah ren , wenn voraussichtlich höch­ stens auf Hast, Festungshaft, Geldstrafe, Verfallerklärung, Bekanntmachung des U r­ teils, V erw arnung m it S trafvorbehalt, allein oder neben einander oder neben Einziehung, Vernichtung ober Unbrauchbarmachung, er­ kannt werden würde, nach fünf Jah ren , wenn voraussichtlich höch­ stens auf G efängnis oder eine sichernde M aß­ regel, allein ober nebeneinander ober neben einer Ehrenstrafe, erkannt werden würde, nach zehn Ja h re n , wenn voraussichtlich höch­ stens aus zeitiges Zuchthaus, allein oder neben einer sichernden M aßregel oder einer Ehrenstrase, erkannt werden würde. D ie T a t muß ohne Rücksicht auf den Zeitablauf verfolgt werden, wenn die Todesstrafe ober lebens­ langes Zuchthaus zu erw arten ist. § 25 Unzulässigkeit der V e r f o l g u n g wegen Z eitab lau fs D er S ta a tsa n w a lt verfolgt eine T a t nicht mehr nach fünf Jah ren , wenn voraussichtlich höch­ stens aus Haft, Festungshaft, Geldstrafe, Versallerklärung, Bekanntmachung des U r­ teils, V erw arnung m it S trafvorbehalt, allein oder nebeneinander ober neben Einziehung,

Vernichtung ober Unbrauchbarmachung, er­ kannt werden würde, nach zehn Jahren, wenn voraussichtlich höch­ stens auf Gefängnis oder eine sichernde M aß­ regel, allein oder nebeneinander oder neben einer Ehrenstrafe, erkannt werden würde.

E in s t el l un g des V e r f a h r e n s Der Staatsanw alt stellt das Verfahren ein, wenn er nach Abschluß der Ermittlungen die Anklage nicht erhebt oder nach Zurücknahme der Anklage die T at nicht weiter verfolgt.

§ 26 B e g i n n und R u h e n der Fristen Die Fristen (§§ 24, 25) beginnen, wenn die straf­ bare Tätigkeit abgeschlossen ist oder das strafbare Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand der E in­ tritt eines Erfolges, so beginnen die Fristen erst, wenn der Ersplg eintritt. D er Fristenlaus ruht, solange gegen den Täter das Strafverfahren bei Gericht anhängig ist. § 27 E n t s c h e i d u n g ü b e r d ie A n k l a g e Ob die Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist, entscheidet der Staatsanw alt. § 28 E r h e b u n g der Anklage Der S taatsanw alt erhebt die Anklage durch E in­ reichung einer Anklageschrift bei dem Vorsitzer des zuständigen Gerichts. Sie enthält den Antrag, die Hauptverhandlung anzuberaumen. I n der Anklageschrift werden angegeben: 1. der Name (auch Geburtsname), Rufname, Wohnort, Geburtstag und Geburtsort des Angeklagten und, wenn er Ausländer ist, seine Staatsangehörigkeit; 2. die Tat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die straf­ bare Handlung, die sie darstellt, und die an­ zuwendenden Strafvorschristen (Anklagesatz); 3. die Zeugen und anderen Beweismittel; 4. das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll; 5. der Verteidiger; 6. die Dauer einer etwaigen Untersuchungshaft oder anderen Freiheitsentziehung, zu der die Tat Anlaß gegeben hat. I n der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt einsach und die Darstellung nicht zur Vorbereitung der Hauptver­ handlung erforderlich ist. M it der Einreichung der Anklageschrift wird das Verfahren bei Gericht anhängig.

§31 Einstellungsbescheid Gibt der Staatsanw alt einer Anzeige keine Folge oder stellt er das Verfahren ein, so erteilt er dem Beschuldigten einen mit Gründen versehenen Bescheid, wenn dieser vernommen oder ein Zwangsmittel gegen ihn angewendet worden ist oder wenn er um einen Bescheid gebeten oder sonst ein berechtigtes Interesse hat. Hat sich ergeben, daß der Beschuldigte unschuldig ist oder daß gegen ihn kein begründeter Verdacht mehr besteht, so ist dies in dem Bescheid auszusprechen. Der Staatsanw alt erteilt einen solchen Bescheid auch dem, der die Anzeige erstattet oder den Antrag auf Verfolgung gestellt hat. Von der Erteilung eines Bescheides oder der M it­ teilung der Gründe kann der Staatsanw alt absehen, wenn die Belange der Allgemeinheit oder des Emp­ fängers das erfordern.

Zweites Hauptstück Das Hauptverfahrea Erster Abschnitt

An b e r a u mu n g d e r Ha u p t v e r h a n d l u n g §32 M i t t e i l u n g der Anklageschrift Der Vorsitzer läßt die Anklageschrift dem Ange­ klagten zustellen. S tellt sich dieser freiwillig zur Hauptverhandlung oder wird er dem Gericht vorge­ führt, so kann sie ihm formlos ausgehändigt werden. Is t die Anklage vor der Schösfenkammer oder einem höheren Gericht erhoben, so kann der Ange­ klagte binnen einer Woche Einwendungen gegen die Anberaumung der Hauptverhandlung erheben und Beweisanträge stellen. Darauf wird er bei Zustellung der Anklageschrift hingewiesen und belehrt, daß er die Tatsachen angeben muß, die er beweisen will. Der Vorsitzer kann die Frist aus wichtigen Gründen ver­ längern oder bis auf vierundzwanzig Stunden ab­ kürzen. über Beweisanträge des Angeklagten ent­ scheidet der Vorsitzer durch Beschluß. § 33

§29 Zurücknahme der Anklage Der Staatsanw alt kann die Anklage bis zum Be­ ginn der Hauptverhandlung zurücknehmen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

Weitere

Aufklärung

Hält der Vorsitzer weitere Ermittlungen für er­ forderlich, so ersucht er den Staatsanw alt, sie vor­ zunehmen.

§ 34

§38

Anb e r a u m u n g der H a u p t v e r h a n d ­ l ung durch den Vor s i t zer

Vo r l ä u f i g e Ei nst el l ung des V e r f a h r e n s

Hat der Vorsitzer keine Bedenken, so bestimmt er Ort und Zeit der Hauptverhandlung. Andernfalls führt er die Entscheidung des Gerichts herbei.

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeklagten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren vorläufig durch Beschluß einstellen. Der Vorsitzer sichert, soweit nötig, die Be­ weise.

§ 35 Gerichtsbeschluß D as Gericht lehnt die Anberaumung der Haupt­ verhandlung ab, wenn nach seiner Überzeugung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen mit Sicherheit zu erwarten ist, daß der Angeklagte in der Haupt­ verhandlung nicht verurteilt, mit Strasvorbehalt ver­ warnt oder unter Absehen von Strafe schuldig ge­ sprochen wird. Es lehnt die Anberaumung der Hauptverhandlung wegen Unzuständigkeit ab: 1. wenn in seinem Bezirk kein Gerichtsstand be­ gründet ist, 2. wenn die Sache nicht zur sachlichen Zuständig­ keit des Gerichts gehört, insbesondere wenn nach der Überzeugung des Amtsrichters mit Sicherheit zu erwarten ist, daß die zu verhän­ gende S trafe oder sichernde Maßregel seine Strafgewalt überschreitet. Hat das Gericht gegen.die Anberaumung der Hauptverhandlung keine Bedenken, so bestimmt der Vorsitzer Ort und Zeit der Hauptverhandlung. , Ist wegen mehrerer Taten Anklage erhoben und wird nur wegen einzelner von ihnen die Anberau­ mung der Hauptverhandlung abgelehnt, so werden diese Taten in dem Beschluß bezeichnet. Der ablehnende Beschluß wird dem S taatsanw alt und dem Angeklagten bekanntgegeben. § 36

Anfecht ung Gegen den ablehnenden Beschluß kann der S ta a ts­ anwalt die befristete Beschwerde erheben. Dem An­ geklagten wird die Beschwerdeschrift zur Erklärung mitgeteilt, über die Beschwerde entscheidet, wenn der Amtsrichter den Beschluß erlaffen hat, die S tra f­ kammer, sonst das Reichsgericht. Gibt das Beschwerde­ gericht der Beschwerde statt, so kann es zugleich be­ stimmen, daß die Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. Im übrigen kann die Entscheidung des Gerichts nicht angefochten werden. § 37 Neue Anklage Hat das Gericht die Anberaumung der Haupt­ verhandlung aus einem anderen Grunde als wegen Unzuständigkeit durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann wegen der T at nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel Anklage erhoben werden.

§39

E i n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s nach A n ­ b e r a u m u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g Stellt sich nach Anberaumung der Hauptverhand­ lung ein Versahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Ver­ fahren durch Beschluß einstellen. Der Beschluß ist mit der befristeten Beschwerde anfechtbar. Zweiter Abschnitt

Borbereitung der H a u p t v e r h a n d l u n g § 40 L a d u n g des A n g ek l a g t e n Der Angeklagte wird zur Hauptverhandlung geladen; ist er nicht aus freiem Fuß, so ordnet der Vorsitzer auch seine Vorführung an. Der Ladung bedarf es nicht, wenn der Angeklagte sich freiwillig zur Hauptverhandlung stellt und diese sogleich statt­ findet. Wenn der Vorsitzer nichts anderes bestimmt, wird der Angeklagte bei der Ladung darauf hinge­ wiesen, daß er bei unentschuldigtem Ausbleiben vorge­ führt oder verhaftet werden kann. Kann nach § 56 Abs. 2 ohne den Angeklagten verhandelt werden, so läßt der Vorsitzer den Ange­ klagten darauf hinweisen. § 41

B e w e i s a n t r ä g e des An g e k l a g t e n Der Angeklagte kann zur Hauptverhandlung Be­ weisanträge stellen. Dabei muß er die Tatsachen an­ geben, die er beweisen will. Dies wird ihm bei der Ladung mitgeteilt. Über Beweisanträae entscheidet der Vorsitzer durch Beschluß. Der Beschluß wird dem Angeklagten be­ kanntgegeben; zugleich wird er darüber belehrt, daß er einen abgelehnten Beweisantrag in der Haupt­ verhandlung wiederholen kann. § 42

La düng s f r ist Zwischen der Zustellung der Ladung und der Hauptverhandlung muß in Sachen, die vor dem Amts­ richter verhandelt werden, eine Frist von mindestens

drei Tagen, in anderen Sachen eine Frist von min­ destens einer Woche liegen. Der Vorsitzer kann die Ladungsfrist bis aus vierundzwanzia Stunden abkürzen, wenn die E rfor­ schung der Wahrheit nicht darunter leidet. § 43 L a d u n g des V e r t e i d i g e r s Der bestellte Verteidiger wird stets geladen, der gewählte Verteidiger dann, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. F ü r die Ladungssrist gilt § 42 entsprechend. §44 L'adung der Z eu g e n und Sachverständigen Der Vorsitzer bestimmt, welche Zeugen und Sach­ verständigen zu laden und welche anderen Beweis­ mittel herbeizuschaffen sind. Ist ein Zeuge nicht aus freiem Fuß, so läßt der Vorsitzer ihn vorführen. § 45 Vorbereitende Beweisaufnahme Der Vorsitzer ordnet vor oder während der Haupt­ verhandlung die Aufnahme eines Beweises durch einen Richter nur an, 1. wenn Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Umstände einen Zeugen oder Sachverständigen längere Zeit verhin­ dern, in der Hauptverhandlung an Gerichts­ stelle zu erscheinen; 2. wenn einem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung an Gerichtsstelle wegen Zeitverlustes oder ungün­ stiger Verkehrsverhältnisse einen großen Nach­ teil zufügen würde; 3. wenn ein richterlicher Augenschein notwen­ dig ist. Der Vorsitzer sieht von der vorbereitenden Beweis­ aufnahme ab, wenn die Erforschung der Wahrheit es erfordert, den Beweis in der Hauptverhandlung, sei es auch an Ort und Stelle, zu erheben. § 46 D u rc hf üh ru ng der v o r b e r e i t e n d e n Beweisaufnahme Der Vorsitzer kann mit einer vorbereitenden Be­ weisaufnahme einen Richter seines Gerichts beauf­ tragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. §47 V e r f a h r e n bei der v o r b e r e i t e n d e n Beweisaufnahme Der Staatsanw alt, der Verteidiger und der An­ geklagte können an einer vorbereitenden Beweisauf­ nahme teilnehmen. O rt und Zeit werden ihnen mitgeteilt. Wenn nicht Gefahr im Verzüge ist, muß ihnen die Mitteilung so rechtzeitig zugehen, daß ihnen

die Teilnahme möglich ist. Ih re r Anwesenheit bedarf es nicht. I s t der Angeklagte nicht auf freiem Fuß, so wird er vorgeführt. E r wird nicht vorgeführt, wenn die Bedeutung der Sache und seine Verteidigung es nicht erfordern oder wenn Gefahr im Verzug ist. F ü r die vorübergehende Ausschließung eines An­ geklagten und für das Fragerecht gelten bte §§ 55, 60 entsprechend. §48 B e f r e i u n g d e s A n g e kl agt en von der Pflicht zum Erscheinen I m Verfahren vor dem Amtsrichter kann der Vorsitzer dem Angeklagten aus seinen Antrag gestatten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, wenn nur Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe, Verfallerklärung, Bekanntmachung des Urteils, Ver­ warnung mit Strasvorbehalt, Einziehung, Vernich­ tung oder Unbrauchbarmachung, allein oder neben­ einander, zu erwarten ist. Darf der Angeklagte fernbleiben, so vernimmt ihn ein Richter über seine persönlichen Verhältnisse und über die Anklage. F ü r die Vernehmung des Angeklagten gelten die Vorschriften der §§ 46, 47 über das Verfahren bei der vorbereitenden Beweisaufnahme entsprechend. §49 M i t t e i l u n g ü b e r die H a u p t v e r h a n d lung Dem Staatsanw alt, dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten und demjenigen, der das Recht hat, für die Person des Angeklagten zu sorgen, sowie dem Bei­ stand werden O rt und Zeit der Hauptverhandlung mitgeteilt. Is t jedoch die M utter neben dem Vater sorgeberechtigt, so erhält nur der Vater eine M ittei­ lung. Der Staatsanw alt, der Verteidiger und der An­ geklagte werden davon benachrichtigt, welche Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhandlung geladen und welche anderen Beweismittel herbeigeschafft werden. D ritter Abschnitt

Haupt ver handl ung § 50 E n t s c h e i d u n g durch U r t e i l D as Gericht entscheidet über die Anklage aus Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Die erkennenden Richter müssen in der Haupt­ verhandlung ununterbrochen anwesend sein. § 51 Vorsitzer und

Gericht

Der Vorsitzer leitet die Verhandlung. E r trifft die Entscheidungen, die dem Urteil vorangehen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

A n w e s e n h e i t des S t a a t s a n w a l t s und des S c h r i f t f ü h r e r s S taatsanw alt und Schriftführer sind in der Hauptverhandlung ständig anwesend. §53 Pflicht des A n g e k l a g t e n zum Erscheinen Der Angeklagte muß in der Hauptverhandlung anwesend fern, soweit das Gesetz nichts anderes be­ stimmt. Ist er ordnungsmäßig geladen, bleibt er aber unentschuldigt aus, so kann er vorgeführt oder verhaf­ tet werden, wenn er bei der Ladung daraus hingegewiesen worden ist. Der Vorsitzer setzt auf Antrag des Angeklagten die Hauptverhandlung aus, wenn die Ladungsfrist nicht eingehalten ist. Nach. Beginn der Vernehmung über die Anklage kann der Angeklagte diesen Antrag nicht mehr stellen. Hierauf wird er hingewiesen. Aus Antrag des Verteidigers wird die Hauptver­ handlung ausgesetzt, wenn die Ladungssrist ihm oder dem Angeklagten gegenüber nicht eingehalten worden ist. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.

§54 Pflicht des A n g e k l a g t e n zur Anwes enheit Der Angeklagte darf sich aus der Hauptverhand­ lung nicht entfernen. Der Vorsitzer trifft die M aß­ nahmen, die notwendig sind, um zu verhindern, daß der Angeklagte sich entfernt; während einer Unter­ brechung der Verhandlung kann er ihn in Gewahrsam halten lassen. Einem Mitangeklagten kann der Vorsitzer ge­ statten, der Hauptverhandlung fernzubleiben, während Fragen erörtert werden, an denen er nicht beteiligt ist. Entfernt sich der Angeklagte oder bleibt er nach einer Unterbrechung unentschuldigt aus, so kann der Vorsitzer die Hauptverhandlung ohne ihn zu 'Ende führen, wenn er schon über die Anklage vernommen worden ist und die Erforschung der Wahrheit nicht darunter leidet. §55 V orü bergehende Ausschließ u n g eines Angeklagten Der Vorsitzer darf einen Angeklagten während der Aufnahme eines Beweises, jedoch nicht während der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen, von der Verhandlung fernhalten, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die Wahrheitserforschung er­ schweren oder die Aufnahme des Beweises in seiner Gegenwart die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Dasselbe gilt, wenn zu befürchten ist, daß E r­ örterungen über den körperlichen oder geistigen Zu­ stand des Angeklagten oder über ärztliche Fragen in Gegenwart des Angeklagten seine Gesundheit ernstlich

gefährden würden und auch die Erforschung der W ahr­ heit nicht darunter leidet. Der Vorsitzer unterrichtet den Angeklagten vom wesentlichen In h a lt besten, was in seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. D ies gilt auch, wenn der Angeklagte wegen ordnungs­ widrigen Benehmens zeitweise von der Verhandlung ausgeschlossen worden ist. §56 Verhandlung

ohne den A n g e k l a g t e n

Bleibt der Angeklagte mit Erlaubnis des V or­ sitzers der Hauptverhandlung fern, so darf gegen ihn nur auf die im § 48 Abs. 1 genannten Strafen und Maßregeln erkannt werden. I s t der Angeklagte ordnungsmäßig geladen und bleibt er unentschuldigt aus, so darf ohne ihn ver­ handelt werden, wenn er bei der Ladung darauf hin­ gewiesen worden und nur Freiheitsstrafe bis zu einem M onat oder Geldstrafe, Verfallerklärung, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Einziehung, Ver­ nichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder neben­ einander, zu erwarten ist. Das Gericht darf nur auf die genannten Strafen und Maßregeln erkennen. § 57 Verhandlung

ohne

den V e r t e i d i g e r

Is t nach § 138 die Verteidigung notwendig oder ist nach § 139 ein Verteidiger bestellt und bleibt der Verteidiger aus oder entfernt er sich vorzeitig, lehnt er die Verteidigung ab oder kann er sie nicht fort­ führen, so bestellt der Vorsitzer sofort einen neuen Ver­ teidiger. Er kann statt besten die Verhandlung unter­ brechen oder aussetzen. Erklärt der neue Verteidiger, daß er ohne Vorbereitung nicht verteidigen könne, so wird die Hauptverhandlung unterbrochen oder ausgesetzt. S in d in den Fällen der §§ 138, 139 für M itangeklagte verschiedene Verteidiger tätig, so kann der Vorsitzer einem Verteidiger gestatten, der Hauptver­ handlung fernzubleiben, während Fragen erörtert werden, an denen der von ihm verteidigte Angeklagte nicht beteiligt ist. § 58 Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung Hat der Angeklagte ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung ganz oder teilweise versäumt und ist ein Urteil aus Grun.d des § 54 Abs. 3 oder des § 56 Abs. 2 ergangen, so ist die Hauptverhandlung aus seinen Antrag zu wiederholen. D as Verfahren richtet sich nach den §§ 351 bis 353. § 59 Gang her H a u p t v e r h a n d l u n g Der Vorsitzer eröffnet die Hauptverhandlung. E r stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger an­ wesend und die Beweismittel herbeigeschafft, ins-

besondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind. Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzer vernimmt den Angeklagten über seine per­ sönlichen Verhältnisse. Der S taatsanw alt trägt die Anklage mit dem Anklagesatz vor, soweit nicht das Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung abgelehnt hat: Hierauf vernimmt der Vorsitzer den Angeklagten über die Anklage. Wird ohne den Angeklagten ver­ handelt, so wird die Aussage verlesen, die er bei seiner früheren Vernehmung vor einem Richter oder Staatsanw alt gemacht hat; andere Aussagen können verlesen werden. E s folgen die Ausnahme der Beweise und die Schlußvorträge des Staatsanw alts und des Ver­ teidigers. Der Angeklagte hat das letzte Wort. Die Hauptverhandlung schließt mit der Ver­ kündung des Urteils. §60

Das Gericht kann die Beschränkung schon be­ schließen, wenn die Hauptverhandlung anberaumt wird. Die ausgeschiedenen Taten, Teile einer T at oder Rechtsverletzungen kann das Gericht im Laufe der Verhandlung jederzeit wieder in das Verfahren ein­ beziehen. Geschieht dies nicht, so wird das Verfahren im Urteil eingestellt, soweit Taten ausgeschieden wor­ den sind. §63 Einstellttng wegen geritlgsügiger

Tat en Das Gericht kann mit Zustimmung des S ta a ts­ anwalts das Verfahren einstellen, wenn der An­ geklagte wegen einzelner von mehreren Taten in einem anderen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden ist und die den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildenden Taten angesichts der bereits verhängten S trafe oder sichernden Maßregel nicht ins Gewicht fallen.

Fragerecht Der Vorsitzer gestattet den Richtern, dem S ta a ts­ anwalt, dem Verteidiger und betn Angeklagten, die Zeugen und Sachverständigen zu befragen. Fragen, die nicht zur Sache gehören oder die ungeeignet sind, weist er zurück.

§64 Umfang

der B e w e i s a u f n a h m e

Das Gericht ist verpflichtet, von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwen­ dig ist.

§61 A u s d e h n u n g der Anklage Erstreckt der S taatsanw alt die Anklage aus weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einveziehen, wenn es für sie zuständig und der An­ geklagte anwesend ist. Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Die mündliche Anklage hat den In h a lt, der für den Anklagesatz vorgeschrieben ist. Sie wird in die Niederschrift ausgenommen. Der Vorsitzer gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich , zu verteidigen. Auf Antrag des Angeklagten unterbricht der Vor­ sitzer die Verhandlung auf mindestens eine Woche; aus das Recht, dies zu beantragen, weist er den An­ geklagten hin. E r unterbricht die Verhandlung auch, wenn der Verteidiger es beantragt. §62 Auss cheioung von Unwesentlichem D as Gericht kann die Verhandlung mit Zustim­ mung des Staatsanw alts auf einzelne von mehreren Taten des Angeklagten beschränken, wenn die übrigen Taten bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Aus demselben Grunde kann das Gericht die Ver­ handlung auf einzelne abtrennbare Teile einer T at oder aus einzelne von mehreren Rechtsverletzungen beschränken, die durch eine und dieselbe T at be­ gangen worden sind.

§ 65 Entscheidung

über

B ew eis a n tr ä ge

Uber Beweisanträge entscheidet der Vorsitzer dttrch Beschluß.

§66

U n m i t t e l b a r k e i t der Beweisaufnahme Zeugen und Sachverständige werden in der Hauptverhandlung vernommen. Der Augenschein wird in der Hauptverhandlung vorgenommen, soweit er nicht nach § 10 oder § 45 in einer vorbereitenden Beweisaufnahme stattge­ funden hat. Schriftstücke und Druckschriften, die wegen ihres Inhaltes als Beweismittel dienen, werden in der Hauptverhandlung verlesen. Der Vorsitzer kann statt* dessen den wesentlichen In h a lt mitteilen, wenn die Erforschung der Wahrheit nicht darunter leidet. § 67 A us n ah m en von der U n m i tt el b ar k ei t S ta tt der Vernehmung eines Zeugen oder Sach­ verständigen darf eine schriftliche Erklärung oder die Niederschrift über eine frühere Vernehmung nur ver­ lesen werden, soweit es die §§ 68 bis 72 gestatten und die Erforschung der Wahrheit nicht darunter leidet. Die Niederschrift über einen Augenschein, den ein Richter nach § 10 oder § 45 vorgenommen hat, darf verlesen und von ihm erläutert werden, wenn die E r­ forschung der Wahrheit nicht darunter leidet.

V e r l e s u n g schriftlicher E r k l ä r u n g e n Schriftliche Erklärungen von Dienststellen des S taates und der Partei, die ein Zeugnis oder Gut­ achten enthalten, dürfen verlesen werden. Dies gilt auch von Strafregisterauszügen, Äußerungen der Strafvollzugsbehörden und kriminalbiologischen Gut­ achten. Zeugnisse über den Leumund des Angeklagten dürfen nicht verlesen werden. Steht eine Körperverletzung, die nicht gefährlich oder schwer ist, in Frage, so darf ein schriftliches Zeugnis oder Gutachten eines Arztes verlesen werden. §69 V er l e sun g von N i e d e r s c h r i f t e n ü b e r eine v o r b e r e i t e n d e B e w e i s a u f n a h m e Die Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen darf verlesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 10 oder des § 45 vorliegen und bei der Vernehmung nach den §§ 10, 11, 47 verfahren worden ist. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben; dabei wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt oder weshalb dies unterlassen worden ist. Die Ver­ eidigung wird nachgeholt, wenn sie bei einer Ver­ nehmung in der Hauptverhandlung geboten wäre und noch ausführbar ist. § 70 V erl es un g der A us sag en nicht v e r n e h m b a r e r P e r s o n e n Is t ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein M it­ beschuldigter verstorben oder war es nicht möglich, seinen Aufenthalt zu ermitteln, oder kann er aus einem arideren Grunde in absehbarer Zeit weder vor dem erkennenden Gericht noch nach § 45 vernommen werden, so darf die Niederschrift über seine frühere Vernehmung oder eine von ihm stammende schriftliche Erklärung verlesen werden. Soweit dazu Anlaß be­ steht, sind Zeugen über den Hergang und den In h a lt der früheren Vernehmung zu hören. Dasselbe gilt, wenn ein Zeuge, ein Mitbeschul­ digter oder der Angeklagte die Aussage verweigert. F ü r die Verlesung gilt § 69 Abs. 2 entsprechend. §71 Verlesung zurBeweisaufnahme ü b e r ein G e s t ä n d n i s Erklärungen, die der Angeklagte bei einer Ver­ nehmung abgegeben hat, dürfen zum Beweise darüber, ob er ein Geständnis abgelegt hat, verlesen werden. § 72 V e rl e s u n g zur Unterstützung Gedächtnisses und zur K l ä r u n g von Widersprüchen Erklärt der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sach­ verständiger, daß er . sich einer Tatsache nicht mehr

des

erinnern könne, oder ergibt sich bei seiner Vernehmung ein Widerspruch zu einer Aussage, die er früher ge­ macht hat, so dürfen Erklärungen, die er bei seiner früheren Vernehmung abgegeben hat, verlesen werden, um sein Gedächtnis zu unterstützen oder um den Widerspruch festzustellen oder aufzuklären. § 73 Dienstliche Ä u ß e r u n g Soll ein Richter, ein Staatsanw alt oder ein Schriftführer, der zur Mitwirkung in der Hauptver­ handlung berufen ist, über Vorgänge vernommen werden, die den Gegenstand des Verfahrens be­ treffen und die er bei seiner amtlichen Tätigkeit wahr­ genommen hat, so kann der Vorsitzer, statt ihn zu vernehmen, anordnen, daß er sich dienstlich äußert. § 74 E r ö r t e r u n g von Vorstrafen Verurteilungen des Angeklagten werden insoweit mitgeteilt oder erörtert, als es für die Entscheidung notwendig ist. § 75 A n h ö r u n g des A nge kla gte n Der Vorsitzer gibt dem Angeklagten nach der Ver­ nehmung von Mitangeklagten und nach dem Gebrauch eines jeden Beweismittels Gelegenheit, sich zu äußern. § 76 Hinweis auf neue Gesichtspunkte Erwägt das Gericht eine andere rechtliche B e­ urteilung, als sie die Anklage enthält, so weist der Vorsitzer den Angeklagten auf diese Möglichkeit hin und gibt ihm Gelegenheit, sich zu verteidigen. Dies kann unterbleiben, wenn der Angeklagte nicht an ­ wesend und der Hinweis für eine sachgemäße Vertei­ digung nicht erforderlich ist. § 77 Einheitsstrafe Bildet das Gericht eine Einheitsstrafe (§§ 58, 63 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs), so kann es tatsächliche Feststellungen des früheren Urteils dem neuen zu­ grundelegen. § 78 B i n d u n g a n f r ü h e r e st r a s r i c h t e r l i c h e Fest stel lungen bei E h r e n k r ä n k u n g Hat in einem Verfahren wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung, dem die Behauptung einer S traftat zugrunde liegt, über die Straftat ein Strafgericht oder Friedensrichter rechtskräftig ent­ schieden, so ist dagegen kein Beweis zulässig. § 79 Un t e r b r e c h u n g und Aussetzung der Hauptverhandlung Der Vorsitzer unterbricht die Hauptverhandlung oder setzt sie aus, wenn es notwendig ist, um Anklaae

oder Verteidigung bester vorzubereiten oder die Sache w eiter aufzuklären, oder wenn andere Gründe es erfordern. D ie Verhandlung bars höchstens auf zehn Tage unterbrochen werden. W ird sie nicht spätestens am elften Tage wieder aufgenommen, so g ilt sie als aus­ gesetzt; die Verhandlung beginnt dann von neuem.

V ie rte r Abschnitt

Urteil §80 © e g e n ft a n b d e r

W ird der Angeklagte m it Strafvorbehalt verw arnt oder eine sichernde M aßregel aufgeschoben, so gibt der Urteilsspruch auch die Probezeit oder die Z e it des Aufschubs an. § 85 Einstellung

U rteilsfindung

§81 Beweiswürdigung

D a s Gericht entscheidet nach seiner aus dem I n ­ halt der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugung.

§ 86 Abweichung von

des der

des U r t e i l s

1. den Namen (auch Geburtsnam en), Rufnam en, W ohnort, Geburtstag und G eburtsort des A n ­ geklagten und, wenn der Angeklagte Ausländer ist, die Staatsangehörigkeit; 2.

§ 87 U r t e i l s fpruch bet in

D a s U rteil enthält:

die Bezeichnung des Gerichts, der m it­ wirkenden Richter, des S ta a ts a n w a lts , des Schriftführers und des V erteidigers;

3. den T a g der Verkündung; 4. den Urteilsspruch; 5. die Urteilsgründe.

Schuldspruchs Anklage

Is t der Angeklagte nicht der ihm in der Anklage zur Last gelegten, sondern einer wesentlich leichteren S tr a fta t schuldig oder sonst in wesentlichem Umfang entlastet, ohne daß Freispruch begründet wäre, so kann das Gericht dies im Urteilsspruch zum Ausdruck bringen.

§82 In h a lt

Verfahrens

E in Verfahrenshindernis besteht auch, wenn nu r eine S tra fe oder sichernde M aßregel verwirkt ist, an­ gesichts deren der S ta a ts a n w a lt die T a t wegen Z e it­ ablaufs nicht mehr hätte verfolgen dürfen.

D a s Gericht u rte ilt über den Angeklagten wegen der in der Anklage bezeichneten T a t, w ie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt.

Freie

des

D a s Gericht stellt das Verfahren ein, wenn ein Versahrenshindernis besteht und das Ergebnis der Hauptverhandlung den Freispruch nicht begründet.

Rücksi cht

auf

Einheitsstrafe

besondere

Rechts­

nachteile V eru rte ilt das Gericht den Angeklagten wegen mehrerer S trafta ten zu einer S tra fe und besteht Grund zu der Annahme, daß sich besondere Rechts­ nachteile aus A rt und M a ß der S tra fe ergeben können, die der Angeklagte wegen einer der Taten verwirkt hat, so gibt das Gericht die durch sie verwirkte S tra fe im Urteilsspruch an. D er Ausspruch steht int S in n e von Vorschriften, die an die V erurteilung zu einer solchen S tra fe be­ sondere Rechtsnachteile knüpfen, einer V erurteilung gleich.

§83 §

Urteilsspruch D e r Urteilsspruch geht dahin, daß der Angeklagte verurteilt, m it Strafvorbehalt verw arn t, unter Ab­ sehen von S trafe schuldig gesprochen oder frei­ gesprochen oder daß das Verfahren eingestellt wird. § 84 B erurteilung

Anrechnung

der

88

Untersuchungshaft

H at der Angeklagte aus A nlaß einer T a t, die Gegenstand des U rteils ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so kann diese ganz oder teilweise auf die S tra fe angerechnet werden. I m Urteilsspruch w ird bestimmt, ob die ganze S tra fe oder welcher T e il verbüßt ist. W ird eine rechtskräftig ausgesprochene S tra fe in einem späteren Verfahren durch eine andere S tra fe ersetzt, so w ird auf die neue S tra fe die frühere an­ gerechnet, soweit sie vollstreckt ist.

W ird der Angeklagte zu S tra fe veru rteilt oder m it S trafvo rb eh alt verw arnt oder sieht das Gericht davon ab, den schuldigen Angeklagten zu bestrafen, so gibt der Urteilsspruch die strafbare Handlung, deren der Angeklagte schuldig gesprochen w ird, m it ih rer gesetz­ lichen Bezeichnung an.

Is t der Angeklagte wegen derselben T a t im A u s­ land bestraft worden, so w ird auf die neue S tra fe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist.

D e r Urteilsspruch enthält auch die verhängte oder vorbehaltene S tra fe und eine sichernde M aßregel, die neben der S tra fe oder selbständig angeordnet wird.

W ird auf eine S tra fe anderer A rt erkannt oder eine ausländische S tra fe angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach pslichtmäßigem Ermeffen.

Bekanntmachung eines Freispruchs Hat die Hauptverhandlung ergeben, daß der An­ geklagte unschuldig ist oder daß kein begründeter Ver­ dacht gegen ihn besteht, so ordnet das Gericht die öffentliche Bekanntmachung des Urteils an, wenn es geboten ist, um den guten Ruf des Angeklagten wiederherzustellen. Aus demselben Grund kann das Gericht die öffent­ liche Bekanntmachung des Urteils anordnen, wenn der Schuldspruch von der Anklage abweicht (§ 86). Umfang, Form und Ort der Bekanntmachung werden im Urteilsspruch bestimmt. Die Anordnung wird nur vollzogen, wenn es der Angeklagte binnen drei Monaten beantragt, nachdem ihm das rechtskräftige Urteil zugestellt worden ist. Uber das Antragsersordernis und die Frist wird der Angeklagte belehrt. § 90 Verweisung Das Gericht darf sich nach Anberaumung der Hauptverhandlung nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung ge­ höre, die Strafkammer auch nicht deshalb, weil die Schösfenkammer zuständig sei. Hält das Gericht nach dem Ergebnis der Haupt­ verhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, hält insbesondere der Amtsrichter eine Strafe oder sichernde Maßregel für geboten, die seine Strafgewalt überschreitet, oder hält die Schösfenkammer die Strafkammer für zu­ ständig, so erklärt sich das Gericht für unzuständig und verweist die Sache durch Beschluß an das zu­ ständige Gericht. Dasselbe gilt, wenn das Gericht örtlich unzuständig ist und der Angeklagte dies bis zum Beginn seiner Vernehmung über die Anklage einwendet. Die Sache kann an das frühere Gericht nicht zurückverwiesen werden. Erklärt sich das Gericht für unzuständig, weil es ein anderes als das in der Anklageschrift bezeichnete Gesetz für anwendbar hält, so nimmt es den geänder­ ten Anklagesatz in den Verweisungsbeschluß auf. Wird eine Sache an den Volksgerichtshof ver­ wiesen, so kann dieser in den Fällen des § 103 Abs. 2 mit Zustimmung des Oberreichsanwalts beim Volks­ gerichtshof die Sache bis zum Beginn der Haupt­ verhandlung dem Oberlandesgericht zur Verhandlung und Entscheidung überweisen. Verweist das Gericht die Sache an ein niedrigeres Gericht als das vom Staatsanw alt bezeichnete, so steht diesem die befristete Beschwerde zu. § 91 Urteilsgründe Die Urteilsgründe machen die tatsächliche und rechtliche Grundlage des Urteils ersichtlich. S ie geben an, wie das Gericht die Erklärungen des Angeklagten und die erhobenen Beweise würdigt, welche Tatsachen es demnach für erwiesen oder nicht erwiesen erachtet und welche Gesetze es anwendet.

Wird der Angeklagte schuldig gesprochen oder gegen ihn eine sichernde Maßregel angeordnet, so heben die Urteilsgründe die Tatsachen hervor, in denen das Gericht die Merkmale der strafbaren Hand­ lung erblickt. S ie legen die Strafbemessung int ein­ zelnen dar und beachten dabei insbesondere die im § 48 des Strafgesetzbuchs aufgestellten Grundsätze. Kommt eine sichernde Maßregel oder ein Umstand in Frage, der nach dem Gesetz die Strafe schärst, mildert oder ausschließt, so geben die Gründe auch an, warum die Maßregel angeordnet oder nicht angeord­ net oder der Umstand angenommen oder nicht an­ genommen wird. Wird der Angeklagte freigesprochen, weil das Ge­ richt ihn für unschuldig erachtet oder davon überzeugt ist, daß kein begründeter Verdacht gegen ihn besteht, so bringen die Urteilsgründe das zum Ausdruck. § 92 Verurteilung au f Grund einerWahlf e st st e l l u n g Steht fest, daß der Angeklagte gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, läßt sich aber nicht feststellen, welches von ihnen er verletzt hat, so wird er derjenigen strafbaren Handlung schuldig ge­ sprochen, die für die S trafe maßgebend ist. Trifft das Gericht eine Wahlfeststellung, so geben die Urteilsgründe auch die Umstände an, die eine ein­ deutige Feststellung unmöglich machen. § 93 Urteilsverkündung Der Urteilsspruch wird am Schluß der Hauptver­ handlung durch Verlesen verkündet. E r wird vor der Verkündung von den Berussrichtern unterschrieben. Die Verhandlung darf unmittelbar vor der Verkün­ dung nur aus besonderen Gründen und höchstens auf eine Woche unterbrochen werden. Bei der Verkündung werden auch die wesentlichen Urteilsgründe mitgeteilt. Is t die Verhandlung un­ mittelbar vor der Verkündung unterbrochen worden, so werden die Urteilsgründe vor ihr schriftlich fest­ gestellt. Sind die Urteilsgründe schriftlich festgestellt, so nimmt an der Verkündung mindestens einer der Richter teil, die das Urteil beschlossen haben; im übrigen können andere Richter teilnehmen. Der Vorsitzer kann dem Angeklagten und dem Verteidiger gestatten, der Urteilsverkündung fernzu­ bleiben, wenn wichtige Gründe es rechtfertigen. § 94 Abfassung des U r t e i l s D as Urteil wird spätestens binnen einer Woche nach der Verkündung mit den Gründen zu den Akten gebracht. Die Berussrichter unterschreiben das Urteil. Ist ein Richter verhindert zu unterschreiben, so vermerkt es der Vorsitzer und bei dessen Verhinderung ein mit­ wirkender Berussrichter auf dem Urteil; er gibt den Grund der Verhinderung an.

§ 96

V e r h a n d l u n g s Ni ede r s chr i f t über die Hauptverhandlung wird eine Nieder­ schrift ausgenommen. I n ihr wird angegeben, wann und wo verhandelt worden ist, wer als Richter, Staatsanw alt, Schriftführer und Verteidiger mit­ gewirkt hat und welche Beteiligten anwesend gewesen sind. Die Niederschrift stellt den Gang der Hauptver­ handlung dar; sie macht ersichtlich, daß die gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren beobachtet worden sind, und führt die erhobenen Beweise, die Anträge, die Beschlüsse und den Urteilsspruch an. Aus der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter wird außerdem der wesentliche In h a lt der Verneh­ mungen niedergeschrieben. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Einzel­ heiten eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder der W ortlaut einer Aussage oder anderen Äußerung festgestellt werden. Die Feststellung wird verlesen. Es wird vermerkt, ob sie genehmigt oder welcher Einwand gegen sie erhoben worden ist. Der Vorsitzer und der Schriftführer unterschreiben die Niederschrift. Ist der Vorsitzer verhindert, so unterschreibt ein mitwirkender Berufsrichter. Sind alle Berufsrichter verhindert, so genügt die Unter­ schrift des Schriftführers. I s t der Schriftführer verhindert, so unterschreibt der Richter allein. ~ Grund der Verhinderung wird angegeben.

5ft die Hauptverhandlung unmittelbar vor der Verkündung des Urteils unterbrochen worden, so wird die Niederschrift vor ihr, im anderen Falle spätestens binnen einer Woche nach dem Schluß der Verhand­ lung fertiggestellt. Vorher wird das Urteil nicht zu­ gestellt. § 96

B e r i c h t i g u n g der Ni e d e r s c h r i f t Der Vorsitzer und der Schriftführer können die Niederschrift jederzeit gemeinsam berichtigen. Die Berichtigung wird in der Niederschrift kenntlich ge­ macht. Hat der Staatsanw alt, der Verteidiger oder ein Beteiligter die Niederschrift vorher eingesehen, so wird ihm die Berichtigung mitgeteilt. Die Berichtigung und ihre Ablehnung sind unan­ fechtbar. § 97

Beweiskraft

der N i e d e r s c h r i f t

F ü r die vom Rechtsmittelgericht zu prüfende Frage, ob die gesetzlichen Vorschriften über das Ver­ fahren in der Hauptverhandlung beobachtet worden sind, beweist die Niederschrift, was in der Hauptver­ handlung vorgegangen ist. Der Nachweis der Un­ richtigkeit ist zulässig.

Zweites Buch Gemeinsame Verfahrensvorschriften Erstes Hauptstück Richter und Staatsanwalt, der Verteidiger, der Beschuldigte Erster Abschnitt

Richter und S t a a t s a n w a l t Erster Unterabschnitt

Zuständigkeit Sachliche Zuständigkeit § 98 S t r a s g e w a l t des A m t s r i c h t e r s Der Amtsrichter kann erkennen aus 1. Zuchthaus bis zu zwei Jahren, 2. Gefängnis oder Festungshaft bis zu fünf Jahren, 3. Haft, 4. Bekanntmachung der Entscheidung, 5. Geldstrafe und Versallerklärung, 6. Verwarnung mit Strasvorbehalt, 7. sichernde Maßregeln mit Ausnahme von Siche­ rungsverwahrung, Entmannung und Berufs­ verbot aus Lebenszeit. Werden bei Tatmehrheit gesonderte Freiheits­ strafen verhängt, so darf die Gesamtdauer der F rei­ heitsstrafen fünf Jahre nicht übersteigen; eine Ersatz­ freiheitsstrafe wird nicht eingerechnet. § 99 S t r a f g e w a l t d e r S ch ö f f e n k a m m e r Die Strasgewalt der Schösfenkammer umfaßt alle Strafen und sichernden Maßregeln, die das Ge­ setz vorsieht.

§100 Ab g r e n z u n g d e r Z u s t ä n d i g k e i t zwi schen A m t s r i c h t e r u nd Schöffenkammer Der Staatsanw alt erhebt die Anklage vor dem Amtsrichter, wenn er dessen Strafgewalt für aus­ reichend hält, sonst vor der Schöffenkammer. E r kann jedoch die Anklage statt vor dem Amts­ richter vor der Schöffenkammer erheben, wenn dies

mit Rücksicht aus den Umfang oder die Bedeutung der Sache angezeigt ist.

§101 Z u s t ä n d i g k e i t der S t r a f k a m m e r Die Strafkammer ist zuständig für 1. Angriffe aus die Ehre des Deutschen Volkes in den Fällen der §§ 121 bis 127 des S tra f­ gesetzbuchs, 2. Störungen der Beziehungen zum Ausland (§§ 131 bis 136 des Strafgesetzbuchs), 3. Angriffe aus Rasse und Erbgut in den Fällen der §§ 140, 142 des Strafgesetzbuchs, 4. Angriffe auf die Wehrkraft in den Fällen der §§ 148, 149 des Strafgesetzbuchs, 5. Angriffe auf die Arbeitskraft in den Fällen der §§ 163, 175 des Strafgesetzbuchs, 6. Schmähung von Ehe und Mutterschaft (§ 196 des Strafgesetzbuchs), 7. Angriffe auf die Wirtschaft in den Fällen der §§ 245 bis 247 des Strafgesetzbuchs, 8. Auflehnung gegen die öffentliche Gewalt in den Fällen der §§ 284, 285 des Strafgesetz­ buchs, 9. Störung des Volksfriedens in den Fällen der §§ 298 bis 301 des Strafgesetzbuchs, 10. die nach den §§ 307 bis 310 des Strafgesetz­ buchs strafbaren Taten, soweit sie sich gegen den Schutz von Volksabstimmungen richten, 11. Verächtlichmachen der Rechtspflege oder Ver­ waltung (§ 367 des Strafgesetzbuchs). Wegen anderer Taten kann der Staatsanw alt die Anklage vor der Strafkammer erheben, wenn er mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der T at oder die in der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung die sofortige Aburteilung durch die S tra f­ kammer für geboten hält.

§102 Zust ä n d i gk e i t des O b e r l a n d e s ­ gerichts D as Oberlandesgericht ist zuständig, wenn in einer zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehö­ renden Strafsache der Oberreichsanwalt nach § 103 Abs. 2 die Strafverfolgung an den Generalstaats­ anwalt abgibt oder der Volksgerichtshof nach § 103 Abs. 3 mit Zustimmung des Oberreichsanwalts die Verhandlung und Entscheidung dem Oberlandes* gericht überweist.

§103 Zuständigkeit

des V o l k s g e r i c h t s h o f s

De r Volksgerichtshof ist zuständig fü r 1. Hochverrat (§§ 89 bis 97 des Strafgesetz­ buchs), 2. Landesverrat (§§ 98 bis 117 des Strafgesetz­ buchs), 3. feindliche Handlungen von Ausländern (§ 120 des Strafgesetzbuchs), 4. Verlassen des Reichsgebiets während eines Kriegs (§ 155 des Strafgesetzbuchs), 5. Wehrmittelbeschädigung (§ 158 des S tr a f­ gesetzbuchs), 6. Nichtanzeige eines geplanten, m it dem Tode oder m it Zuchthaus bedrohten Verbrechens des Hoch- oder Landesverrats, feindlicher Hand­ lungen von Ausländern oder der W ehrm ittel­ beschädigung (§ 371 des Strafgesetzbuchs). B e i Taten, die nach den §§ 93 Abs. 3, 95 bis 97, 103 bis 106, 155 Abs. 2 und § 158 Abs. 1, 2, 4 des Strafgesetzbuchs strafbar sind, samt der Oberreichsan­ w a lt beim Volksgerichtshof die S tra fve rfo lg u n g an den Generalstaatsanwalt abgeben. Dasselbe g ilt bei feindlichen Handlungen von Ausländern, soweit nach § 120 des Strafgesetzbuchs die in Satz 1 erwähnten Strafvorschristen gelten, sowie im F alle des § 371 des Strafgesetzbuchs, soweit sich dieser auf solche Taten bezieht. D e r Volksgerichtshof kann in den im Absatz 2 be­ zeichneten Sachen m it Zustimmung des Oberreichs­ a nw alts die Verhandlung und Entscheidung dem Oberlandesgericht überweisen, solange die Haupt­ verhandlung vor dem Volksgerichtshof nicht an­ beraumt ist. D e r Oberreichsanwalt kann die Abgabe und die Zustimmung bis zum Beginn der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht zurücknehmen.

reii, kann der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht die Anklage vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts erheben, wenn er das wegen der Bedeu­ tung der Sache fü r angezeigt hält. Örtliche Zuständigkeit

§106 G e r i c h t s st a n d

des

Tatorts

Zuständig ist das Gericht, in desien Bezirk die T a t begangen worden ist. I s t eine T a t wegen des In h a lts eines im In la n d erschienenen Druckwerks strafbar und hat der T äte r sie sowohl am O rt des Erscheinens als auch anderswo begangen, so ist der Gerichtsstand des T a to rts nur bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk das Druckwerk erschienen ist. §107 G e r i c h t s st a n d

des

Wohnsitzes

Zuständib ist auch das Gericht, in desien Bezirk der Beschuldigte zur Z e it der Erhebung der Anklage seinen Wohnsitz hat oder seinen letzten deutschen Wohnsitz gehabt hat. Dem Wohnsitz steht der O rt des gewöhnlichen Aufenthalts gleich. §108 G e r i c h t s st a n d

des

Verwahrungsorts

Zuständig ist auch das Gericht, in desien Bezirk der Beschuldigte zur Z e it der Erhebung der Anklage auf behördliche Anordnung verw ahrt w ird. §109 Gerichtsstand

des

Ergreifungsorts

§104

I s t die T a t im Ausland begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in desien Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

E r h e b u n g der A n k l a g e v o r der S t r a f k a m m e r , den: O b e r l a n d e s ­ geri cht und dem V o l k s g e r i c h t s h o f

Gerichtsstand für T a t e n auf Schiffen und L u f t f a h r z e u g e n

I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit des V olks­ gerichtshofs, des Oberlandesgerichts oder nach § 101 Abs. 1 zur Zuständigkeit der Strafkam m ern gehören, darf die Anklage n u r vor diesen Gerichten erhoben werden. I m übrigen darf eine Strafsache bei diesen Gerichten n u r anhängig gemacht werden, wenn sie m it einer zur Zuständigkeit des Gericht gehörenden Strafsache verbunden w ird , wenn eine Einheitsstrafe gebildet werden soll oder die Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 vorliegen oder wenn im Zustand der Trunkenheit eine T a t begangen worden ist, die sonst zur Zuständigkeit dieser Gerichte gehören würde. § 105 E r h e b u n g d e r A n k l a g e v o r t> c m B e s o n d e r e n S t r a f s e n a t des Reichsgerichts I n Strafsachen, die nicht zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts oder des Volksgerichtshofs gehö-

§110

Is t die T a t auf einem Schiss begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in desien Bezirk der deutsche Heimathafen oder der deutsche Hasen liegt, den das Schiff nach der T a t zuerst erreicht. Is t die T a t auf einem Luftfahrzeug begangen, so ist auch das Gericht zuständig, in desien Bezirk das Luftfahrzeug seinen deutschen H eim atort hat oder nach der T a t im In la n d zuerst landet.

§111 Hilssgerichtsstand F ehlt es zur Z eit der Erhebung der Anklage an einem nach den §§ 106 bis 110 zuständigen Gericht oder ist dieses nicht e rm ittelt, so sind das Amtsgericht B e rlin und die ihm übergeordneten Gerichte zuständig. I s t die Anklage noch nicht erhoben, so kann der Präsident des Reichsgerichts auf A n tra g des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht ein anderes Gericht fü r zuständig erklären.

§112 Zusammentreffen mehrerer G e r i c h t s st ä n d e Unter mehreren örtlich zuständigen Gerichten hat der Staatsanw alt die Wahl.

§113 Ü b e r t r a g u n g des V e r f a h r e n s Kann das zuständige Gericht das Richteramt nicht ausüben oder ist zu befürchten, daß die Verhandlung vor ihm die öffentliche Sicherheit gefährden würde, so überträgt der Vorsitzer des nächst oberen Gerichts die Sache auf ein anderes Gericht gleicher Ordnung in. seinem Bezirk. Bestehen solche Hindernisse auch bei den übrigen Gerichten des Bezirks, so bestimmt der Vorsitzer des dem nächst oberen Gericht über­ geordneten Gerichts, welches Gericht gleicher Ordnung seines Bezirks die Sache zu übernehmen hat. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß.

§114 Örtl iche Z u s t ä n d i g k e i t der Gerichte a u ß e r h a l b des H a u p t v e r s a h r e n s Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte außerhalb des Hauptverfahrens richtet sich nach den dafür ge­ gebenen besonderen Vorschriften.

§115 Örtliche Zu s t ä n d i g k e i t des Staatsanwalts F ü r die örtliche Zuständigkeit des S taatsanw alts gelten die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte entsprechend. Maßgebend ist der Zeit­ punkt, in dem der Staatsanw alt tätig wird. Der Staatsanw alt kann das Vorverfahren zu Ende führen, auch wenn die Tatsachen weggefallen sind, die seine Zuständigkeit begründet haben.

Gemeinsame Borschristen §116 A n h ä n g i g k e i t e i n e r S t r a s s a c h e bei verschiedenen Gerichten Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten ver­ schiedener Ordnung anhängig geworden, so führt das Gericht höherer Ordnung das Verfahren fort. Is t dieselbe Sache bei mehreren Gerichten gleicher Ordnung anhängig geworden, so führt das Gericht das Verfahren fort, das zuerst die Hauptverhandlung anberaumt hat. Der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts kann die Sache einem anderen Gericht übertragen.

§117 Zuständigkeitsstreit Streiten mehrere Gerichte über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, so bestimmt der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts, welches von ihnen die Sache zu übernehmen hat.

Dasselbe gilt, wenn mehrere Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich für unzuständig erklärt haben und ihre Entscheidungen-nicht mehr anfechtbar sind.

§118

Zu s t ä n d i g k e i t zur B i l d u n g einer Einheitsstrafe F ü r die Bildung einer Einheitsstrase, bei der früher erkannte oder vorbehaltene Strafen zu berück­ sichtigen sind, ist das Gericht zuständig, das mit der noch nicht rechtskräftigen Sache besaßt ist. Dies gilt auch dann, wenn eine von der Strafkammer oder einem höheren Gericht erkannte Strafe in der E in ­ heitsstrafe ausgeht. Würd> das Gericht seine S trasgewalt überschreiten, so gilt § 90. § 119

P r ü f u n g d e r Z u st ä n d i g k e i t Das Gericht prüft seine sachliche und örtliche Z u­ ständigkeit von Amts wegen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§120 Amtshandlungen eines unzust ändigen Richters oder Staatsanwalts Amtshandlungen eines Richters oder S ta a ts ­ anwalts sind nicht deshalb ungültig, weil er sachlich oder örtlich unzuständig war. Bei Gefahr im Verzug hat auch ein sachlich oder örtlich nicht zuständiger Richter oder Staatsanw alt die erforderlichen Amtshandlungen in seinem Bezirk vorzunehmen. Zweiter Unterabschnitt

Ausschließung und A b l e h n u n g § 121

Ausschl ießung vom Ri cht er amt D as Richteramt darf nicht ausüben, 1. wer durch die T at verletzt worden ist, 2. wer Angehöriger des Beschuldigten, Verletzten oder Einziehungsbeteiligten ist, 3. wer Vormund oder wer Pfleger des Beschul­ digten, Verletzten oder Einziehungsbeteiligten ist oder gewesen ist, 4. wer in der Sache als Staatsanw alt, Vertei­ diger, Beistand oder als Anwalt des Verletzten oder Einziehungsbeteiligten oder wer unter­ suchend oder entscheidend im Dienst der Polizei tätig gewesen ist, 5. wer in der Sache als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, 6. wer in einem Dienststrafverfahren, ehren­ gerichtlichen Verfahren oder ähnlichen staatlich geregelten oder anerkannten Rechtsverfahren, das dieselbe Sache betrifft, untersuchend oder entscheidend tätig ist oder gewesen ist.

§122 Ausschl ießung in a n d e r e n F ä l l e n Wer als Richter bei einer Entscheidung mitgewirkt hat, die durch ein Rechtsmittel angefochten worden ist, darf bei der Entscheidung über das Rechtsmittel das Richteramt nicht ausüben^ §123 P r ü f u n g der A u s s c h l i e ß u n g s g r ü n d e I n jeder Lage des Verfahrens wird von Amts wegen geprüft, ob ein Richter von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist. Bestehen Zweifel darüber, ob ein Ausschließungs­ grund vorliegt, so entscheidet darüber durch Beschluß der Vorsitzer des Gerichts, dem der Richter angehört, und, wenn es sich um den Vorsitzer handelt, sein Ver­ treter. Handelt es sich um den Amtsrichter im Vor­ verfahren, als Einzelrichter oder als ersuchten Richter, so entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts. Dieser Richter entscheidet auch durch Beschluß, wenn der Staatsanw alt, der Beschuldigte, sein gesetz­ licher Vertreter oder der Verteidiger einen Aus­ schließungsgrund geltend macht. Behauptet einer von ihnen, daß ein Richter ausgeschlossen sei, so hat er dies glaubhaft zu machen; er kann sich auf den Richter berufen. §124 A b l e h n u n g des R i c h t e r s Ein Richter kann abgelehnt werden, wenn der Ablehnende aus verständlichen Gründen an der Un­ befangenheit des Richters zweifelt. Z ur Ablehnung sind der Staatsanw alt, der Be­ schuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und der Ver­ teidiger befugt. Auf Verlangen wird ihnen mitge­ teilt, wer das Richteramt auszuüben hat. § 125

Umstände eintreten, die die Besorgnis, er sei befangen, verständlich erscheinen lassen können, und die Ableh­ nung unverzüglich geltend gemacht wird. §127

Unzul äs s i ge Abl e hnung Der Vorsitzer des Gerichts verwirft die Ablehnung als unzulässig, wenn 1. die Ablehnung verspätet ist, 2. ein Grund zur Ablehnung oder ein M ittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben ist, 3. die Ablehnung offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens geltend ge­ macht wird. Der Vorsitzer verwirft die Ablehnung, auch wenn er selbst betroffen ist. Wird ein beauftragter oder ersuchter Richter oder der Amtsrichter im Vor­ verfahren oder als Einzekrichter abgelehnt, so ver­ wirft er selbst die Ablehnung. §128 Entscheidung über d i e Ablehn ung Wird die Ablehnung nicht nach § 127 als unzu­ lässig verworfen, so entscheidet über sie der nach § 123 Abs. 2 zuständige Richter durch Beschluß. §129 P r ü sung von Amt s wegen Zeigt ein Richter Umstände an, die die Besorgnis, er sei befangen, verständlich erscheinen lasten sönnen, so entscheidet durch Beschluß der nach § 123 Abs. 2 zuständige Richter, gleichviel, in welcher Lage sich das Verfahren befindet. §130 UnausschiebbareAmtshandlungen Bevor über die Ablehnung entschieden worden ist, darf der abgelehnte Richter nur Handlungen vor­ nehmen, die nicht aufgeschoben werden können.

Ablehnungsverfahren Die Ablehnung ist bei dem Gericht geltend zu machen, wo der Abgelehnte das Richteramt aus­ üben soll. D er Ablehnende hat den Grund der Ablehnung glaubhaft zu machen. E r kann sich auf den abge­ lehnten Richter berufen. D er Abgelehnte äußert sich dienstlich über den Grund der Ablehnung.

§131 Anfechtung

Z e i t p un k t der A b l e h n u n g

Der Beschluß, der einen Richter als ausgeschlosten bezeichnet oder die Ablehnung für begründet erklärt, ist nicht anfechtbar. Gegen den Beschluß, der die Behauptung eines Ausschließungsgrundes zurückweist oder der Ableh­ nung nicht stattgibt, ist die befristete Beschwerde zu­ lässig. Betrifft der Beschluß einen zur Urteilsfindung berufenen Richter, so kann er nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.

Ein Richter darf in der Hauptverhandlung des ersten und des Berufungsrechtszuges nur bis zum Beginn der Vernehmung des Angeklagten über die Anklage, in der Urteilsrügeverhandlung nur bis zum Beginn der Berichts abgelehnt werden. Alle Ableh­ nungsgründe sind gleichzeitig vorzubringen. Nach diesem Zeitpunkt darf ein Richter nur ab­ gelehnt werden, wenn in der Hauptverhandlung neue

§132 Ausschließung des S t a a t s a n w a l t s Das Amt des S taatsanw alts darf nicht ausüben, wer nach § 121 Nr. 1, 2, 3, 5, 6 vom Richteramt ausgeschlosten wäre oder in der Sache als Richter, Verteidiger, Beistand oder als Anwalt des Verletzten oder Einziehungsbeteiligten tätig gewesen ist.

§126

Z w eiter Abschnitt

Strafgesetzbuchs oder ein M eineid (§§ 379, 382 des Strafgesetzbuchs) in F rage kommt, 3. wenn die H auptverhandlung vor der S tr a f ­ kammer stattfindet,' in den Fällen des § 101 Abs. 1 N r. 1 aber nu r dann, wenn ein beson­ ders schwerer F all im S in n e des § 127 des Strafgesetzbuchs in F rag e kommt, 4. wenn die Sicherungsverw ahrung, die U nter­ bringung in einer Heil- oder Pslegeanstalt, die Entm annung oder das Berufsverbot auf Lebenszeit in F rage kommt, 5. wenn der Beschuldigte taub oder stumm ist. Diese Vorschrift gilt für das Verfahren vor dem Urteilsrügegericht nur, wenn eine Beweisaufnahm e nach § 340 Abs. 2 stattfindet.

De r V e r t e i d i g e r

§139

§134

Bestellung eines Verteidigers in a n d e r e n F ä l l e n

Bestehen Zweifel darüber, ob der S ta a tsa n w a lt sein Amt ausüben darf, so entscheidet darüber sein Vorgesetzter. §133 Schriftführer D ie Vorschriften über Ausschließung und Ableh­ nung eines Richters gelten entsprechend für Urkunds­ beamte der Geschäftsstelle und andere als Schrift­ führer zugezogene Personen. D ie Entscheidung trifft in der H auptverhandlung der Vorsitzer des Gerichts, sonst der Richter, dem der Schriftführer beigegeben ist.

A ufgabe des V e r t e i d i g e r s D er Verteidiger steht dem Beschuldigten im S tra f­ verfahren zur S eite. E r wirkt mit bei der Findung des Rechts. §135 E i g n u n g 5i i nt V e r t e i d i g e r V erteidiger können die bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälte und die Professoren der Rechtswissenschaft an deutschen Hochschulen sein. §136 W ahl des V e r t e i d i g e r s D er Beschuldigte kann in jeder Lage des V er­ fahrens einen V erteidiger wählen. Dasselbe Recht haben selbständig der gesetzliche V ertreter des Beschuldigten und derjenige, der das Recht hat, für die Person des Beschuldigten zu sorgen. §137 A u s ü b u n g d e r V e r t e i d i g u n g durch A s s e s s o r e n urtd G e r i c h t s r e s e r e n d a r e D er zum Verteidiger gewählte Rechtsanw alt kann m it Zustimmung dessen, der ihn gewählt hat, einen Assessor im anwaltlichen Probe- oder Anwärterdienst oder einen Gerichtsreferendar m it der Verteidigung in der H auptverhandlung betrauen. §138 Notwendige Verteidigung Dem Beschuldigten wird ein V erteidiger bestellt, 1. wenn die H auptverhandlung vor dem Reichs­ gericht im ersten Rechtszuge, vor dem Volks­ gerichtshof oder dem Oberlandesgericht statt­ findet, 2. wenn eine T at, die m it dem Tode oder m it lebenslangem Zuchthaus bedroht ist, ein T o t­ schlag auch in den F ällen des § 408 des

I n anderen F ällen wird für das ganze Verfahren oder nur für das Hauptverfahren ein Verteidiger be­ stellt, wenn wegen der Schwere der T a t oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage 'die M it­ wirkung eines V erteidigers geboten erscheint oder wenn sich der Beschuldigte seiner Persönlichkeit nach, insbesondere wegen ungenügender Kenntnis der deutschen Sprache, nicht selbst verteidigen kann. §140 Z e i t der B e s te llu n g D er S taatsattw alt führt eine Entscheidung des Vorsitzers herbei, wenn ihm die M itwirkung eines V erteidigers geboten erscheint oder wenn der Beschul­ digte oder ein sonst zur W ahl des Verteidigers Berechtigter (§ 136 Abs. 2) die Bestellung eines V er­ teidigers beantragt. S o ll Anklage erhoben werden, so wird in den F ällen der §§ 138, 139 der Verteidiger spätestens beim Abschluß der Erm ittlungen bestellt. E rgibt sich erst später, daß ein Verteidiger n o t­ wendig ist, so wird er sofort bestellt. §141 Auswahlgrundsätze Zum Verteidiger soll möglichst ein Rechtsanwalt bestellt werden, der bei einem Gericht des Gerichts­ bezirks oder des Gerichtssitzes zugelassen ist. D er Rechtsanwalt kann m it der Ausübung der Verteidigung einen Asseffor im anwaltlichen P ro b e­ oder A nwärterdienst oder einen Gerichtsreferendar betrauen, wenn der Vorsitzer zustimmt. §142 W e g f a l l der B e s t e l l u n g D ie Bestellung unterbleibt, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat. S ie kann zurückgenommen werden, wenn ein anderer Verteidiger gewählt w ird und die Verteidigung übernimmt.

§143

D ritter Abschnitt

V er te id ig er für mehrere Beschuldigte Ei n Verteidiger kann mehrere Beschuldigte ge­ meinschaftlich vertreten, wenn es der Ausgabe der Ver­ teidigung nicht widerstreitet.

De r Be s c hul di gt e

§144 Ausschließung des V e r t e i d i g e r s Wer in der Hauptverhandlung als Zeuge ver­ nommen oder als Sachverständiger gehört worden ist, darf in dieser Sache in einer Hauptverhandlung als Verteidiger oder als Vertreter eines Beteiligten nur weiter auftreten, wenn seine Aussage oder sein Gutachten unerheblich oder von untergeordneter Be­ deutung war. §145 V e r ke hr mit dem V e r h a f t e t e n Der nicht aus freiem Fuß befindliche Beschuldigte darf mit dem Verteidiger schriftlich und mündlich ver­ kehren. Is t die Freiheitsentziehung wegen Verdunkelungs­ gefahr gerechtfertigt (§ 201 Abs. 1 Nr. 2), so darf der S taatsanw alt bis zum Abschluß der Ermittlungen anordnen, daß der Beschuldigte mit dem Verteidiger nur in seiner Gegenwart spricht und daß ihm schrift­ liche Mitteilungen vor der Weitergabe vorzulegen sind. §146 Akteneinsicht Der Verteidiger darf die Akten, die dem Gericht vorgelegt werden sollen oder vorliegen, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen. Jedoch darf ihm der S taatsanw alt bis zum Ab­ schluß der Ermittlungen die Einsicht in die Akten und die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke versagen, wenn sonst der Zweck des Verfahrens gefähr­ det würde. Die Niederschriften über die Aussagen des Beschuldigten und über solche Untersuchungshand­ lungen, bei denen der Verteidiger anwesend sein darf, sowie Gutachten Sachverständiger darf der Verteidiger in jeder Lage des Verfahrens einsehen. §147 Befugnis

zur

Verteidigung

Wer in einem Strafverfahren als Verteidiger tätig wird, hat auf Verlangen nachzuweisen, daß er als Verteidiger gewählt oder bestellt ist.

§ 149

Pf l i c ht zum Er s c he i ne n Der Beschuldigte ist verpflichtet, vor dem Richter, dem S taatsanw alt und der Polizei zu erscheinen. Die Ladung ist an keine Form gebunden. Auf Verlangen des Richters, des S taatsanw alts oder der Polizei hat der Beschuldigte jeden Wechsel seiner Wohnung oder seines Aufenthaltsortes anzu­ zeigen.

Vorführung

§15 0 d e s. B e s ch u l d i g t e n

Der Richter, der Staatsanw alt und die Polizei können den Beschuldigten vorführen lasten, wenn er unentschuldigt ausbleibt, obwohl er auf die Folgen in der Ladung hingewiesen worden ist. Sie können den Beschuldigten auch ohne vorherige Ladung vorführen lassen, wenn Gründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls oder die vorläufige Festnahme rechtfertigen würden. Der Vorgeführte wird spätestens am Tage nach der Vorführung vernommen. §151 Vorführungsbefehl Die Vorführung wird in einem schriftlichen Be­ fehl angeordnet. I n dem Befehl wird der Beschuldigte genau be­ zeichnet. Der Grund der Vorführung wird angegeben, wenn dadurch der Zweck des Verfahrens nicht ge­ fährdet wird. Der Befehl wird dem Beschuldigten vorgezeigt.

Vernehmung

§15 2 des Be s c h u l d i g t e n

Bei der Vernehmung werden die persönlichen Verhältniste des Beschuldigten festgestellt. Dieser ist verpflichtet, Auskunft über seine Person zu geben. Die T at, die ihm zur Last gelegt wird, und die Umstände und Beweise, die gegen ihn sprechen, werden ihm mitgeteilt, sobald und soweit dies mit dem Zweck des Verfahrens vereinbar ist. Der Beschuldigte er­ hält Gelegenheit, Verdachtsgründe zu widerlegen, Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen, und Beweismittel für seine Angaben zu nennen. §153

§ 148

Beistände

Zuständigkeit

Der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten und derjenige, der das Recht hat, für die Person des Be­ schuldigten zu sorgen, werden nach Abschluß der E r­ mittlungen als Beistand zugelassen und auf Verlangen gehört. Der Ehemann einer Beschuldigten wird als Beistand zugelassen, wenn sie dem zustimmt. Andere Personen können als Beistand zugelassen werden.

Soweit nichts anderes bestimmt ist, ist für die in diesem Abschnitt vorgesehenen Verfügungen der Vor­ sitzer des Gerichts zuständig, bei dem das Verfahren anhängig ist. I m Vorverfahren entscheidet der Vor­ sitzer des Gerichts, das für das Hauptverfahren zu­ ständig wäre.

Beistände können auch schon vor Abschluß der E r­ mittlungen zugelassen werden. über die Zulassung entscheidet für das Vorver­ fahren der Staatsanw alt, für das Hauptverfahren der Vorsitzer.

Zweites Hauptstück Mittel der Wahrheitserforschung Erster Abschnitt

Zeugen §154 Zeugnispslicht Jeder deutsche Staatsangehörige und ein Aus­ länder, der sich im Inlan d aufhält, ist verpflichtet, vor dem Richter, dem Staatsanw alt und der Polizei als Zeuge zu erscheinen und wahrheitsgemäß auszusagen. §155

La d u n g Der Zeuge wird zu seiner Vernehmung geladen und dabei auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens hingewiesen. Die Ladung ist an keine Form gebunden. Um die Ladung von Soldaten und von Ange­ hörigen des Reichsarbeitsdienstes wird die vorgesetzte Dienststelle *) ersucht. §15 6 Z e u g n i s des F ü h r e r s und Reichskanzlers Der Führer und Reichskanzler bestimmt, ob und wie er sich äußern will, wenn sein Zeugnis in Frage kommt *2). §15 7 Z e u g n i s der R e g i e r u n g s M i t g l ie d e r , der O b e r b e f e h l s h a b e r und der R e i c h s st a t t h a l t e r Die Reichsminister, die Oberbefehlshaber des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe, die Reichsstatthalter und die Vorsitzenden und Mitglieder einer Landesregierung werden an ihrem Amtssitz oder, wenn sie sich außerhalb ihres Amtssitzes auf­ halten, an ihrem Aufenthaltsort vernommen. Von dieser Vorschrift darf bei Reichsministern, Oberbefehlshabern des Heeres, der Kriegsmarine und der Luftwaffe und Reichsstatthaltern mit Geneh­ migung des Führers und Reichskanzlers, bei den Vorsitzenden und Mitgliedern einer Landesregierung mit Genehmigung des Reichsstatthalters abgewichen werden. J) Der Begriff soll in einem Erlaß klargestellt werden. 2) über diese Vorschrift ist die Entscheidung des Führers und Reichskanzlers herbeizuführen.

Zeu gn is von A m t s t r ä g e r n des S t a a t e s Amtsträger und frühere Amtsträger des Staates dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihres jetzigen oder des letzten Dienstvorgesetzten, Personen, die als Angestellte für eine Dienststelle des S taates tätig sind oder gewesen sind, nur mit Genehmigung dieser Stelle vernommen werden; Personen, die zur Sicherung der Landesverteidigung oder sonst zur Wahrung öffentlicher Belange durch eine Dienststelle des S taates oder in derewÄustrag zur Verschwiegen­ heit verpflichtet worden sind, bedürfen der Genehmi­ gung dieser Stelle. F ür Amtsträger und frühere Amtsträger des Staates, die keinen Dienstvorgesetzten haben, erteilt die Genehmigung die Dienststelle, für die sie tätig sind oder gewesen sind und, wenn sie selbst die Dienst­ stelle leiten, die staatliche Aufsichtsbehörde. F ü r die Reichsminister und Reichsstatthalter bedarf es der Genehmigung des Führers und Reichskanzlers, für die Vorsitzenden und Mitglieder einer Landesregie­ rung der Genehmigung des Reichsstatthalters. §159 Z e u g n i s von A m t s t r ä g e r n und A n g e h ö r i g e n der P a r t e i Amtsträger der Partei und Angehörige des Sicherheitsdienstes der hh dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung vernommen werden. Angehörige der Partei dürfen als Zeugen nur mit Genehmigung vernommen werden, soweit sie über dienstliche schriftliche oder mündliche Anordnungen, Verhandlungen oder Mitteilungen aussagen sollen, die im Einzelfall von der zuständigen Stelle bei der Bekanntgabe als geheim oder vertraulich bezeichnet worden sind. Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten auch nach dem Ausscheiden aus der Partei oder dem Amt. Der Stellvertreter des Führers erläßt im Einver­ nehmen mit dem Reichsminister der Justiz die zur Ausführung dieser Vorschrift erforderlichen Bestim­ mungen. E r bestimmt insbesondere, für welche Amts­ träger diese Vorschrift gilt, welche Stellen über die Genehmigung entscheiden und welche Stellen dienst­ liche Anordnungen, Verhandlungen oder Mitteilungen als geheim oder vertraulich bezeichnen können. §160 Zeugnis

von

Soldaten

Soldaten, Angehörige des Beurlaubtenstandes, frühere Soldaten und frühere Angehörige des Beur­ laubtenstandes dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, als Zeugen nur mit Ge­ nehmigung der Wehrmachtsbehörde vernommen wer­ den, die ihnen vorgesetzt ist oder zuletzt vorgesetzt gewesen ist.

Entsprechendes gilt für Ungehörige des Reichsarbeitsdienstes *).

seiner Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer S traftat verfolgt zu werden.

§161 E r t e i l u n g der G e n e h m i g u n g Die Genehmigung nach §§ 158 bis 160 soll nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Reichs schaden oder die Erfüllung öffentlicher Auf­ gaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Die Genehmigung wird durch die vernehmende Stelle eingeholt, soweit der Zeuge sie nicht selbst bei­ gebracht hat, und dem Zeugen vor der Vernehmung bekanntgegeben.

§ 166 Glaubhaftmachung Verweigert der Zeuge nach den §§ 162 bis 165 das Zeugnis oder die Auskunft, so hat er die T a t­ sachen, auf die er seine Weigerung stützt, anzugeben und aus Verlangen glaubhaft zu machen. Hierüber kann auf seinen Antrag in nichtöffent­ licher Sitzung verhandelt werden.

§162 Einschränkung der Aus s age bei B e r u f s g e h e i m n i s s e n Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Arzte und Apotheker dürfen nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen die Auskunft über Tatsachen verweigern, die ihnen kraft ihres Berufs anvertraut worden oder zugänglich geworden sind. Dies gilt auch für Personen, die früher eine solche Tätigkeit ausgeübt haben. Personen, die nach den §§ 255, 260, 347, 348 des Strafgesetzbuchs (Preisgabe von Betriebs- und Ge­ schäftsgeheimnissen, Preisgabe von Geheimnissen durch Wirtschaftsprüfer 2), Preisgabe des ärztlichen Geheimnisses, Preisgabe von Geheimnissen durch Rechtsanwälte) zur Verschwiegenheit verpflichtet sind unb nicht nach Absatz 1 die Auskunft verweigern können, werden über Tatsachen, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, nur dann befragt, wenn es zur Wahrheitsersorschung unerläßlich und bei der Bedeutung der Sache geboten ist. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Wenn der Zeuge von der Schweigepflicht befreit worden ist, gelten die Absätze 1 und 2 nicht.

§16 7 Einzelvernehmung. Gegenüberst e l l u n g Die Zeugen werden einzeln vernommen. Zeugen, die später zu vernehmen sind, sollen nicht zugegen sein. Der Zeuge kann dem Beschuldigten und anderen Personen gegenübergestellt werden. §16 8

Bel ehrung Vor der Vernehmung wird dem Zeugen mitgeteilt, gegen wen sich das Verfahren richtet und um w as es sich handelt. Der Zeuge wird zur Wahrheit ermahnt und dar­ auf hingewiesen, daß er seine Aussage beschwören muß, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt. Hier­ bei wird er darüber belehrt, was der Eid bedeutet und welche strafrechtlichen Folgen eine unrichtige oder unvollständige eidliche Aussage nach sich zieht. Der Zeuge ist über die Gründe zu belehren, die ihn berechtigen, das Zeugnis, eine Auskunft oder die Eidesleistung zu verweigern. Hat er auf die Weige­ rung verzichtet, so kann er den Verzicht widerrufen.

§163 Zeugnisverweigerung

§ 169 Vernehmung

v o n Gei s t l i chen

Der Zeuge wird über Namen (auch Geburts­ namen), Rufnamen, Alter, Familienstand, Berus und Wohnort befragt, über andere persönliche Verhält­ nisse aber zunächst nur, soweit das nötig ist, um zu ermitteln, ob er vernommen und vereidigt werden darf. Sodann hat er im Zusammenhang anzugeben, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist. Es kann ihm gestattet werden, zur Unter­ stützung seines Gedächtnisses Schriftstücke einzusehen, deren In h a lt mit seiner Aussage zusammenhängt. Soweit erforderlich, wird er durch Fragen ver­ anlaßt, seine Aussage zu ergänzen und anzugeben, worauf sein Wissen beruht. E r wird auch über seine Beziehungen zum Beschuldigten und zum Verletzten und über andere Umstande befragt, soweit das nötig ist, um seine Glaubwürdigkeit beurteilen zu können.

Ein Geistlicher darf die Auskunft Aber Tatsachen verweigern, die ihm bei Ausübung der Seelsorge an­ vertraut worden sind und über die er deshalb als Seelsorger Verschwiegenheit zu wahren hat. § 164 Z eu gni s v er w ei ger ung von A n ­ gehörigen Angehörige des Beschuldigten dürfen das Zeugnis verweigern. §165 Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g wegen Gefahr der S t r a f v e r f o l g u n g Der Zeuge darf, die Auskunft auf eine Frage ver­ weigern, bereit Beantwortung ihn selbst oder einen x) Die Vorschrift setzt voraus, daß für die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes die Verschwiegenheitspflicht ein­ geführt wird. 2) Es bleibt zu prüfen, ob die Wirtschaftsprüfer den Rechtsanwälten usw. (Abs. 1) gleichgestellt werden können.

§ 170 B l o ß st e l l e n d e F r a g e n Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen einen besonders schweren

Nachteil zufügen ober zur Unehre gereichen kann, werden nur gestellt, wenn es zur Wahrheitserforschung unerläßlich und angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist Fragen an den Zeugen nach seinen Vorstrafen unb Erörterungen hierüber sind nur zulässig, um fest­ zustellen, ob er vereidigt werden kann oder ob er glaubwürdig ist. E r darf die Auskunft nicht verweigern. §171 V o r b e r e i t u n g der Au s s a g e Soll der Zeuge an der Hand von Büchern oder Aufzeichnungen Auskunft geben, so kann ihm aus­ gegeben werden, vorher die nötigen Nachforschungen und Prüfungen vorzunehmen. Ih m kann ferner auf­ gegeben werden, einen Ort oder eine Sache zu besich­ tigen, auf die sich die Auskunft bezieht, und auch anderes zu tun, was der Wahrheitsersorschung dient. Die Anordnung wird in die Ladung oder, wenn sie mündlich ergeht, in eine Niederschrift aus­ genommen. §172 E i d e s l e i st u n g Jeder Zeuge hat seine Aussage zu beschwören, so­ weit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Den Eid nimmt der Richter ab. Der Eid wird nach der Vernehmung abgenommen. §17 3 Verbot

der V e r e i d i g u n g

Nicht vereidigt wird, 1. wer nach den Vorschriften des Strafgesetzes eidesuntauglich ist; 2. wer zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wer die Bedeutung des Eides nicht ausreichend begreifen kann; 3. wer verdächtig ist, an der T at, die den Gegen­ stand des Verfahrens bildet, oder an einer T at beteiligt zu sein, die mit ihr unmittelbar p zusammenhängt, oder wer deswegen bereits verurteilt ist. §174 Absehen von der V e r e i d i g u n g Nach Ermessen des Richters können unvereidigt bleiben: 1. die Angehörigen des Beschuldigten; 2. der Verletzte und seine Angehörigen; 3. wer zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; 4. wer eine Frage über eine Tatsache beantwortet, die ihn oder einen Angehörigen der Gefahr aussetzen kann, wegen einer S tra fta t verfolgt zu werden, oder die ihnen einen besonders

schweren Nachteil zufügen oder zur Unehre gereichen kann; 5. ein Zeuge, wenn die Tatsachen, über die er ausgesagt hat, unerheblich oder von unterge­ ordneter Bedeutung sind und wenn weder der Staatsanw alt noch der Angeklagte noch der Verteidiger der Nichtvereidigung widerspricht. § 175 V e r w e i g e r u n g des Ei d e s Angehörige des Beschuldigten können den Eid verweigern. §176 Zeit

der V e r e i d i g u n g

Die Zeugen werden in der Regel erst in der Hauptverhandlung vereidigt. I m Hauptverfahren wird ein Zeuge außerhalb der Hauptverhandlung vereidigt, wenn er bei der vor­ bereitenden Beweisaufnahme vernommen wird oder wenn Beweise zu sichern sind. I m Vorverfahren ist die Vereidigung nur zu­ lässig, 1. wenn Beweise zu sichern sind; 2. wenn der Zeuge im Hauptverfahren vor­ aussichtlich nicht vernommen werden kann; 3. wenn die Vereidigung nötig ist, um eine wahre Aussage herbeizuführen, und wenn von der Aussage der Fortgang des Verfahrens ab­ hängt. §177 Vorschri ft en für d i e V e r e i d i g u n g außerhalb derHauptverhandlung Wenn der Zeuge durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder durch einen Richter im Vor­ verfahren vernommen wird, so entscheidet dieser über die Vereidigung. Der beauftragte oder ersuchte Richter muß jedoch den Zeugen vereidigen, wenn der Vorsitzer oder der ersuchende Richter es verlangt und wenn es zulässig ist. Auch in diesem Falle kann der vernehmende Richter die Vereidigung aussetzen und eine neue Entschließung des Vorsitzers oder des ersuchenden Richters einholen, wenn sich bei der Vernehmung Tatsachen ergeben, die nach § 174 zur uneidlichen Vernehmung berechtigen. Der Zeuge darf nicht ver­ eidigt werden, wenn die uneidliche Vernehmung ver­ langt wird. §178 N i e d e r s christ Wird der Zeuge nur für einen Teil seiner Aus­ sage vereidigt, so wird dieser Teil dabei und in der Niederschrift genau bezeichnet. Wird er außerhalb der Hauptverhandlung ver­ eidigt oder wird er nach den §§ 173, 174, 175, 177 Abs. 2 nicht vereidigt, so wird der Grund in der Niederschrift angegeben.

§179 Eidesnorm

ui t b E i d e s f o r m e l

Der Richter richtet an den Zeugen die Worte: „Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß S ie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben." D er Zeuge spricht daraus die Worte: „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe." D er Schwörende erhebt die rechte Hand. Werden ausnahmsweise mehrere Personen gleichzeitig ver­ eidigt, so spricht jeder die Eidesformel einzeln. Wenn der Zeuge es verlangt, läßt der Richter die Worte „bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden" weg; der Schwörende beschränkt sich dann auf die Erklärung: „Ich schwöre es." §180 Vereidigung

Entschuldigt sich der Zeuge genügend, so werden die Anordnungen ausgehoben. §184 Un b e r e c h t i g t e V e r w e i g e r u n g der A us s age oder des E id e s Wenn der Zeuge ohne gesetzlichen Grund die Aus­ sage oder den Eid verweigert oder der Auslage, die Aussage vorzubereiten, nicht nachkommt, wird ihm eine Ungehorsamsstrafe in Geld auferlegt. Bleibt er bei der Weigerung, nachdem die Unge­ horsamsstrase vollstreckt ist, so kann sie wiederholt werden. Neben der Ungehorsamsstrafe kann Zwangshaft angeordnet werden. S ie darf in einem Rechtszug nur bis zur Verkündung des Urteils dauern; in dem­ selben Verfahren und in einem anderen Verfahren, das dieselbe T at zum Gegenstand hat, darf sie sechs Monate nicht übersteigen.

ft u m nt c r Z e u g e n

Der stumme Zeuge schreibt die Worte nieder: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich nach bestem Wißen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe." E r unterschreibt diese Worte. Kann er nicht schreiben, so leistet er den Eid mit Hilfe eines Dol­ metschers durch Zeichen. § 179 Abs. 4 gilt entsprechend. §181 Beteuern ngssormelni) Dürfen Mitglieder einer Religionsgesellschaft nach dem Gesetz an Stelle des Eides eine Beteuerungs­ formel gebrauchen, so kann ein Zeuge, der glaubhaft macht, daß er einer solchen Religionsgesellschaft an­ gehört, die Beteuerungsformel anwenden. §18 2

Die Ungehorsamsstrafe in Geld beträgt mindestens eine und höchstens eintausend Reichsmark. Die Un­ gehorsamshaft dauert mindestens einen Tag und höchstens einen Monat. Is t eine Ungehorsamsstrafe in Geld auch bei Be­ willigung von Zahlungsfristen oder Teilzahlungen uneinbringlich, so tritt an ihre Stelle Ungehorsams­ haft. Diese wird nach billigem Ermessen festgesetzt; sie dauert mindestens einen Tag und höchstens einen M onat. Ist der Betroffene ohne sein Verschulden zur T il­ gung der Ungehorsamsstrafe in Geld außerstande und wäre die Vollstreckung der Ersatzsreiheitsstrafe eine unbillige Härte, so kann die Vollstreckungsbehörde an­ ordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt. §186

B e r u f u n g auf den f r ü h e r e n Eid Wenn ein Zeuge in dem Verfahren nochmals ver­ nommen wird, in dem er bereits -vereidigt worden ist, kann der Richter ihn die Wahrheit seiner Aussage unter Berufung auf den früheren Eid versichern lassen. §183

Fal s che A n g a b e n und unentschuldigtes

§185 U n g e h o r s a m s st r a s e

Ausbleiben

Macht der Zeuge falsche Angaben, um sich seinen Pflichten zu entziehen, oder bleibt er unentschuldigt aus, obwohl er geladen und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist, oder entfernt er sich unbefugt, so wird ihm eine Ungehorsamsstrase in Geld oder Ungehorsams­ haft auferlegt; auch seine Vorführung kann angeord­ net werden. Die Bestrafung kann wiederholt werden. *) E s bleibt zu prüfen, ob für diese Vorschrift ein B ed ürfnis besteht.

Z u st ä n d i g k e i t Uber Ungehorsamsstrafen und Zwangsmaßnahmen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer. Sie haben auch die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde. Auch der beauftragte und der ersuchte Richter und der im Vorverfahren zur Vernehmung berufene Richter können über Ungehorsamsstrafen und Zwangs­ maßnahmen entscheiden und sie vollstrecken. Um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Zwangsmaßnahmen gegen Angehörige der Wehr­ macht und des Reichsarbeitsdienstes wird die vor­ gesetzte Dienststelle ersucht. §187 A n t r a g auf richterliche Entschei dung Gegen Verfügungen des Staatsanw alts, die sich auf eine an erster Stelle verhängte Ungehorsamshaft, Zwangshaft oder Vollstreckung einer Ersatzsreiheits­ strafe beziehen, kann der Betroffene die Entscheidung

des Vorsitzers der Strafkammer anrufen, in bereu Bezirk der S taatsanw alt seinen Amtssitz hat. Ist für das Hauptversahren der Besondere Strafsenat des Reichsgerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig, so entscheidet der Vor­ sitzer des Senats. Nach Erhebung der Anklage entscheidet der Vor­ sitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, und wenn Urteilsrüge eingelegt ist, der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist. Der Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung; der S ta a ts­ anwalt sowie der Vorsitzer können den Vollzug der Entscheidung aussetzen. Die §§ 300 bis 304 gelten entsprechend. §188 V e r n e h m u n g durch b t e P o l i z e i Werden Zeugen von der Polizei vernommen, so gelten die §§ 155, 157 bis 165, 166 Abs. 1, 168 Abs. 1, 3,170, 171 sinngemäß. Die Polizei kann gegen Zeugen in den Fällen des § 183 Ungehorsamsstrafe in Geld von einer bis zu fünfhundert Reichsmark verhängen und die Vor­ führung anordnen. F ür die Ungehorsamsstrafe gilt § 185 Abs. 2, 3. D as Verfahren richtet sich nach Polizeirecht.

Zweiter Abschnitt

Sa c h v e r s t ä n d i g e §189 Sachverständige und sachverständige Zeugen Der Sachverständige hat die Aufgabe, den Richter, den Staatsanw alt und die Polizei durch seine beson­ dere Sachkunde zu unterstützen. Werden zum Beweise vergangener Tatsachen, zu deren Wahrnehmung besondere Sachkunde erforderlich war, Sachkundige vernommen, so sind die Vorschriften über Zeugen anzuwenden. §190

Dem Beschuldigten wird die Bestellung des Sach­ verständigen unverzüglich mitgeteilt, im Vorverfahren jedoch dann nicht, wenn besondere Gründe ent­ gegenstehen. §191 A b l e h n u n g des S a c h v e r s t ä n d i g e n Der Sachverständige kann aus den Gründen ab­ gelehnt werden, die die Ablehnung des Richters recht­ fertigen oder ihn vom Richteramt ausschließen würden, aber nicht deshalb, weil er in der Sache als Zeuge vernommen worden ist oder ein Gutachten erstattet hat. Zur Ablehnung sind b*r Staatsanw alt, der Be­ schuldigte, sein gesetzlicher Vertreter und der Vertei­ diger befugt. Uber die Ablehnung entscheidet im Vor­ verfahren der Staatsanw alt, im Hauptversahren der Vorsitzer. Die §§ 125, 129 und 130 gelten entsprechend. §192 Pflicht zur E rs t at t un g

des

Gut a c h t e n s Wer zum Sachverständigen bestellt wird, ist ver­ pflichtet, das Gutachten abzugeben. Auf Verlangen hat er es schriftlich niederzulegen. D as Gutachten kann aus denselben Gründen ver­ weigert werden wie das Zeugnis. Der Sachverstän­ dige tarnt auch aus anderen Gründen von seiner Pflicht befreit werden. Amtsträger des Staates und der Partei, Ange­ stellte einer Dienststelle des Staates, Soldaten und Angehörige des Reichsarbeitsdienstes werden nicht als Sachverständige gehört, wenn der Dienstvorge­ setzte erklärt, daß ihre Heranziehung für den Dienst nachteilig wäre. Die §§ 158 Abs. 2 und 159 Abs. 4 gelten entsprechend ]). § 193 V o r b e r e i t u n g des Gut acht e ns Deut Sachverständigen kann gestattet werden, die Akten einzusehen, bei der Vernehmung von Beschul­ digten, Zeugen imd anderen Sachverständigen zugegen zu sein und unmittelbar Fragen zu stellen. E r kann zur Vorbereitung des Gutachtens weitere E rm itt­ lungen anregen.

A u s w a h l der S a c h v e r s t ä n d i g e n

§194

I m Vorverfahren wählt der Staatsanw alt, im Hauptverfahren der Vorsitzer den Sachverständigen nach freiem Ermessen aus. Die Polizei kann zu ihren Ermittlungen ebenfalls Sachverständige zuziehen. Auch das Gutachten einer Fachbehörde kann eingeholt werden. Sind für gewisse Fachgebiete Sachverständige amtlich bestellt, so werden andere Sachverständige nur gewählt, wenn besondere Umstände es erfordern. Wer bei einer richterlichen Entscheidung mitge­ wirkt hat, soll nicht über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben, als Sachverständiger gehört werden.

Arzt a l s Sachverständiger Ist damit zu rechnen, daß die Unterbringung eines Beschuldigteit in einer Heil- oder Pslegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder seine Entmannung angeordnet werden wird, so soll über seinen körperlichen und geistigen Zustand schon im Vorverfahren ein Arzt als Sachverständiger gehört werden. Eine solche Maßregel darf nur angeordnet werdett, nachdem in der Hauptverhandlung ein Arzt als Sachverständiger gehört worden ist. *) D er Besprechung m it dem Stellvertreter des F üh rers bleibt vorbehalten, zu prüfen, ob auch Angestellte von D ien st­ stellen der P a rtei in die Vorschrift einbezogen werden sollen.

V or E rstattung des Gutachtens hat der Sach­ verständige den Beschuldigten zu untersuchen. §195 Vereidigung D er Sachverständige wird vereidigt, wenn der Richter es nach pflichtmäßigem Ermessen für geboten hält. D er E id geht dahin, daß der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewisien erstattet habe. §196 A n weud u n g der Vorschriften: üb e r Zeugen F ü r Sachverständige gelten im übrigen die V o r­ schriften des Abschnitts über die Zeugen entsprechend. O rdnungshaft und Ersatzfreiheitsstrafe dürfen gegen Sachverständige nicht verhängt werden; sie dürfen auch nicht vorgeführt und nicht in Z w angs­ haft genommen werden. D ritte r Abschnitt

Augenschein §197 Voraussetzungen D er Richter, der S ta a tsa n w a lt und die Polizei besichtigen einen Menschen, eine Örtlichkeit oder eine Sache, wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts nötig ist. I n einem Dienstgebäude, einer nicht allgemein zugänglichen A nlage oder auf einem Fahrzeug der W ehrmacht darf die Besichtigung n u r vorgenommen werden, wenn die vorgesetzte Stelle der Wehrmacht sie genehmigt. Die Genehmigung soll n u r versagt werden, wenn die Besichtigung dem W ohl des Reiches Nach­ teile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. D er Wehrmacht steht der Reichsarbeitsdienst gleich. Geheime Reichssachen dürfen nicht besichtigt werden. W ird der Augenschein außerhalb der H auptver­ handlung vorgenommen, so werden seine Ergebnisse i n 4 eine Niederschrift aufgenommen; wenn nötig, werden Abbildungen und P lä n e angefertigt und bei­ gefügt.

oder der S ta a tsa n w a lt an. D ie Leichenöffnung wird in Gegenwart des Richters oder des S ta a tsa n w a lts durch zwei Arzte vorgenommen, von denen einer A m tsarzt sein muß. D er A rzt, der den Verstorbenen unm ittelbar vor dem Tode behandelt hat, soll nicht zur M itw irkung bei der Leichenöffnung herangezogen werden; der Richter oder der S ta a tsa n w a lt kann ihn jedoch zuziehen, dam it er aus der Krankengeschichte Aufschlüsse gebe. V or der Leichenöffnung wird, soweit möglich, festgestellt, wer der Verstorbene war. D ie Öffnung des Leichnams erstreckt sich, soweit sein Zustand es gestattet, mindestens auf die Kopf-, Brust- und Bauch­ höhle; bei einem neugeborenen Kinde wird die U nter­ suchung namentlich auch darauf gerichtet, ob es w äh­ rend oder nach der G eburt gelebt hat und ob es rdif oder wenigstens lebensfähig gewesen ist i). Die Niederschrift wird auch von den Ärzten unter­ schrieben. §200

V e r f ü g u n g ü b e r Leichen D er Leichnam oder einzelne Teile dürfen zurück­ behalten werden, solange es der Zweck des V erfahrens erfordert. D er Richter oder der S ta a tsa n w a lt kann an ­ ordnen, daß ein Leichnam zur Besichtigung oder Öff­ nung ausgegraben werde.

Drittes Hauptstück Zwangsmittel Erster Abschnitt

Untersuchungshaft §201

§199

V o r a u s s e t z u n g e n für die A nordnung der Untersuchungshaft Gegen einen Beschuldigten, der einer S tra fta t dringend verdächtig ist, wird die Untersuchungshaft angeordnet: 1. wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält, oder wenn zu besorgen ist, daß er fliehen werde; 2. wenn zu besorgen ist, daß er die Freiheit zur Verdunkelung des Sachverhalts mißbrauchen werde; 3. wenn zu besorgen ist, daß er die Freiheit zu neuen S traftaten mißbrauchen werde; 4. wenn sein Verbleiben in der Freiheit mit Rück­ sicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der T a t für die Volksgemeinschaft unerträglich wäre. Die Untersuchungshaft darf nicht angeordnet werden, wenn die m it ihr verbundenen Nachteile zu

Leichenöffnung I s t zur Aufklärung des Sachverhalts die Öffnung eines Leichnams erforderlich, so ordnet sie der Richter

a) I m Benehmen m it dem Reichsinnenministerium und dem Reichsgesundheitsamt ist noch zu prüfen, ob der Absatz 2 Satz 2 im Gesetz gestrichen und in die Dienstvorschriften für die A m tsärzte eingestellt werden soll.

§198 L e i c h e n s chau W ird ein Leichnam besichtigt, ohne daß seine Öff­ nung geboten ist, so w ird ein Arzt, wenn möglich ein A m tsarzt, zugezogen.

der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden S trafe oder sichernden M aßregel außer V erhältnis stehen 1). §202

Un t e r s u c h u n g s h a f t g e g e n Sc hul dunfähige F ü r einen Beschuldigtes, der dringend verdächtig ist, eine m it S tra fe bedrohte I^at im Zustand der Schuldunfähigkeit (§§ 20, 22 des Strafgesetzbuchs) begangen zu haben, gilt § 201 entsprechend. § 203 Haftbefehl Die Untersuchungshaft wird schriftlich angeordnet. I m Haftbefehl wird der Beschuldigte genau be­ zeichnet. F erner werden darin angeführt: 1. die T at, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, Zeit und O rt ihrer Begehung, die straf­ bare H andlung, die sie darstellt, und die anzu­ wendenden Strafvorschristen; 2. der H aftgrund und die wesentlichen Umstände, die seine Annahme rechtfertigen. Is t der Beschuldigte noch nicht ergriffen, so wird auch das G efängnis bezeichnet, in das er einzu­ liefern ist. §204 B e k a n n t g a b e des H a f t b e f e h l s D er Haftbefehl wird dem Beschuldigten unver­ züglich bekanntgegeben, wenn möglich bei der V er­ haftung. W ird der Haftbefehl nicht bei der V er­ haftung bekanntgegeben, so wird dem Verhafteten vorläufig mitgeteilt, welcher S tra fta t er verdächtig ist; die Bekanntgabe wird unverzüglich nachgeholt. W ird der Haftbefehl dem Beschuldigten verkündet, so wird er darauf hingewiesen, daß er auf Verlangen eine Abschrift erhält. ' §205 E in l i e f e r u n g u n d V e r n e h m u n g des V e r h a f t e t e n W er auf G rund eines Haftbefehls ergriffen wird, wird unverzüglich, spätestens am T age nach der E r­ greifung, in das G efängnis eingeliefert, das der Haftbefehl bezeichnet. I s t das nicht möglich oder ist im Haftbefehl kein bestimmtes G efängnis angegeben, so wird er in das nächste G efängnis eingeliefert. D er Richter oder der S ta a tsa n w a lt, der den Haftbefehl 2) Hinsichtlich der Antragsdelikte geht die Kommission davon aus, daß in den Richtlinien etwa folgendes bestimmt wird: „Wird wegen einer Tat, die nach den S traf­ gesetzen nur auf Antrag verfolgt wird, der Beschul­ digte vorläufig festgenommen oder Haftbefehl er» lassen, so ist der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer, unverzüglich zu benachrichtigen. Das gilt auch, wenn die Tat nur auf Anordnung, mit Zustimmung oder auf Verlangen einer Dienst­ stelle verfolgt wird." Ferner wird in den Richtlinien zu regeln sein, wer die MitLeitung zu bewirken hat.

erlassen hat, wird von der Einlieferung sofort be­ nachrichtigt. D er Verhaftete wird unverzüglich, spätestens am Tage nach der Einlieferung, durch den zuständigen Richter oder S ta a tsa n w a lt vernommen. H at der zuständige Richter oder S ta a tsa n w a lt seinen Amtssitz nicht am H aftort, so vernim m t der Amtsrichter des H astortes den Verhafteten, Ergibt sich, daß der Haftbefehl aufgehoben ist oder sich nicht auf den Ergriffenen bezieht, oder erweist sich der im Haftbefehl angenommene Tatverdacht als offensichtlich haltlos, so läßt der Amtsrichter den Verhafteten so­ fort frei. B ei der Vernehmung wird der Verhaftete über die zulässigen Rechtsbehelfe belehrt. § 206 N a c h ric h t v o n d e r V e r h a f t u n g Dem Verhafteten wird auf Verlangen Gelegenheit gegeben, Angehörige und, wenn dafür ein wichtiger G rund besteht, auch andere von seiner Verhaftung zu benachrichtigen. D er Zweck des V erfahrens darf d a­ durch nicht gefährdet werden. § 207 M a ß n a h m e n zur Ve r me i d u n g des H a f t v o l l z u g s D er Richter oder der S ta a tsa n w a lt sieht vom Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr erlassen worden ist, ab, wenn sich der Zweck der Untersuchungshaft durch andere M aßnahm en, wie Auferlegung von Verpflichtungen oder Aufenthaltsbeschränkungen, erreichen läßt. Trotz einer solchen M aßnahm e wird der Haftbefehl voll­ zogen, wenn der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen zuwiderhandelt oder wenn andere Umstände den Vollzug des Haftbefehls erfordern. Vom Vollzug eines wegen Fluchtgefahr erlassenen Haftbefehls kann auch abgesehen werden, wenn der Beschuldigte oder ein D ritter für ihn angemessene Sicherheit leistet. § 208 S i c h e r h e i t s l e i st u n g S o ll vom Vollzug des Haftbefehls gegen Sicher­ heitsleistung abgesehen werden, so wird der Geld­ betrag, in dessen Höhe die Sicherheit zu leisten ist, und die A rt der Sicherheitsleistung bestimmt. Die §§ 232 bis 240 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend. Die Sicherheit verfällt in Höhe des festgesetzten G eldbetrags der Reichskasse, wenn sich der Beschul­ digte dem V erfahren oder der Vollstreckung der F re i­ heitsstrafe oder der sichernden M aßregel dadurch ent­ zieht, daß er flieht oder sich verborgen hält. Hat der Beschuldigte im In la n d keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen A ufenthalt, so hat er zum Em pfang der für ihn bestimmten Schriftstücke einen Bevollmäch­ tigten zu bestellen, der im Bezirk des zuständigen Richters oder S ta a tsa n w a lts wohnt.

§ 209 Überwachung

der

Haftdauer

W ird die Untersuchungshaft vollzogen, so achtet der S ta a ts a n w a lt, nach Erhebung der Anklage der Richter, jederzeit darauf, ob die F o rtdau er der H aft geboten ist. § Aufhebung

210

des

Haftbefehls

D e r Haftbefehl w ird aufgehoben, wenn die V o r ­ aussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vo r­ liegen. E r w ird insbesondere aufgehoben, wenn der Beschuldigte freigesprochen oder wenn das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt w ird. Trotz Aufhebung des Haftbefehls kann der S ta a ts nmunlt von der Freilassung des Angeklagten absehen, wenn er binnen vierundzwanzig S tunden gegen das U rte il, das zur Aushebung des Haftbefehls A nlaß gegeben hat, ein Rechtsmittel einlegt und sogleich beim Rechtsmittelgericht den E rla ß eines neuen H a ft­ befehls beantragt. I n diesen F ä lle n verbleibt der Angeklagte bis zur Entscheidung über den A ntrag des S ta a ts a n w a lts in vorläufiger V erw ahrung. Absatz 1 Satz 2 g ilt nicht, wenn die V o ra u s ­ setzungen für die Untersuchungshaft gegen einen Schuldunfähigen (§ 202) vorliegen oder wenn das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt oder seine Entm annung anordnet. § Aufhebung

211

anderer

Maßnahmen

E ine M aßnahm e, die zur Vermeidung des Hast­ vollzugs getroffen worden ist, w ird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder wenn die Untersuchungshaft oder die erkannte Freih eits­ strafe oder sichernde M aßregel vollzogen w ird. U nter denselben Voraussetzungen w ird eine noch nicht verfallene Sicherheit freigegeben. H at für den Beschuldigten ein anderer Sicherheit geleistet, so kann dieser die Freigabe auch dann verlangen, wenn er einen Fluchtplan des Beschuldigten so rechtzeitig an­ zeigt, daß die Flucht vereitelt werden kann. § Wiederholte

212

Aufhebungsanträge

Is t ein A ntrag abgelehnt worden, den Haftbefehl oder eine zur Vermeidung des Haftvollzugs angeord­ nete M aßnahm e aufzuheben oder vom Vollzug des Haftbefehls abzusehen, so darf ein solcher A ntrag erst wieder gestellt werden, wenn seit der Bekanntgabe der letzten Entscheidung ein M o n a t verstrichen ist oder wenn neue Tatsachen oder B ew eism ittel beigebracht werden.

§ 213 Vollzug

der

Untersuchungshaft

D em Verhafteten dürfen nu r solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft, die Ordnung der Anstalt oder die Sicherheit erfordert. E r kann zur A rb eit angehalten werden.

D er Verhaftete soll in Einzelhaft untergebracht werden; das muß geschehen, wenn es der Zweck des Verfahrens erfordert. über Maßnahm en zur Sicherung des S tra fv e r­ fahrens, über den Verkehr des Verhafteten m it der Außenwelt sowie darüber, ob er zusammen m it anderen Gefangenen verwahrt werden soll, entscheidet der Richter oder der S taa tsan w alt. I n dringenden F ä llen kann der Vorsteher bet Anstalt vorläufige A n ­ ordnungen treffen. S ie bedürfen der Bestätigung durch den Richter oder den S taa tsan w alt. D ie näheren Rechts- und Verwaltungsvorschriften über den Vollzug der Untersuchungshaft erläßt der Reichsminister der Justiz.

§ 214 Zuständigkeit I m Vorverfahren ist für den E rla ß des H a ft­ befehls und für die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Untersuchungshaft beziehen, der S ta a ts a n w a lt zuständig, der das V orverfahren führt. Auch der Amtsrichter, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand be­ gründet ist oder der Beschuldigte sich aufhält, kann bei Gefahr im Verzug den Haftbefehl erlassen, wenn sich an seinem Amtssitz kein zuständiger S ta a ts a n w a lt befindet; das W eitere verfügt der S taa tsan w alt. Nach Erhebung der Anklage erläßt den Haftbefehl und die weiteren Entscheidungen der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. Is t Urteilsrüge eingelegt, so entscheidet über den E rla ß und die Äufhebung des Haftbefehls der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts, im übrigen der Vorsitzer des Gerichts, dessen U rte il angefochten ist. D e r Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. D ie Zuständigkeit zur Vernehmung des V erhaf­ teten und für Entscheidungen über M aßnahm en zur Vermeidung des Haftvollzugs richtet, sich nach den Vorschriften über den E rla ß und die Aushebung des Haftbefehls.

§ 215 Richterliche

Bestätigung

des

H a ft­

befehls Gegen den Haftbefehl des S taa tsan w alts oder des Amtsrichters kann der Beschuldigte im Vorverfahren die Entscheidung des Vorsitzers der Strafkam m er an­ rufen, in deren Bezirk der S ta a ts a n w a lt seinen A m ts­ sitz hat. Is t für das Hauptversahren der Besondere Strafsenat des Reichsgerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. D ie Anrufung ist erst zulässig, wenn die D au er der Untersuchungshaft und einer etwa vorausgegangenen vorläufigen Festnahme zwei Wochen überschritten hat. Nach Erhebung der Anklage entscheidet der V o r­ sitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. D e r Vorsitzer entscheidet durch Beschluß. E r kann eine M aßnahm e zur Vermeidung des Haftvollzugs an­ ordnen. Hebt er im Vorverfahren den Haftbefehl auf, oder ordnet er eine Maßnahm e zur Vermeidung des

Haftvollzugs an, so läßt der Staatsanw alt den Ver­ hafteten frei, wenn er nicht binnen vierundzwanzig Stunden Beschwerde einlegt. Die §§ 300 bis 304 gelten entsprechend. § 216 Entscheidung

über

den V e r f a l l

zuläßt. Die Frist zwischen der Festnahme und der Zuführung darf jedoch mir ausnahmsweise und in besonderen Fällen mehr als drei Tage und niemals mehr als sieben Tage betragen *). Der Festgenommene wird spätestens am Tage nach der Zuführung vernommen. Ergeht kein Haftbefehl, so wird er freigelassen.

ei ner Si cherhei t Uber den Verfall einer Sicherheit entscheidet im Vorverfahren der Vorsitzer der Strafkammer, in deren Bezirk der Staatsanw alt seinen Amtssitz hat, wenn für das Hauptversahren der Besondere S tra f­ senat des Reichsgerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig ist, der Vorsitzer des Senats. Nach Erhebung der Anklage entscheidet der Vor­ sitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist, wenn Urteilsrüge eingelegt ist, der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist. Nach E intritt der Rechtskraft des Urteils entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren im ersten Rechts­ zug anhängig gewesen ist. Vor der Entscheidung werden der Staatsanw alt, der Verteidiger, der Beschuldigte, sein gesetzlicher Ver­ treter und Dritte, die für ihn Sicherheit geleistet haben, zur Erklärung aufgefordert. Gegen den Beschluß ist die befristete Beschwerde zulässig. Der Beschluß, der die Sicherheit für verfallen erklärt, wirkt gegen den, der sie geleistet hat, wie eine Verurteilung zur Zahlung des festgesetzten Geld­ betrages an die Reichskasse. E r ist, solange die B e­ schwerde zulässig ist, vorläufig vollstreckbar. Wird bei der Befriedigung aus einer dinglichen Sicherheit der festgesetzte Geldbetrag nicht erlöst, so ist eine Nach­ forderung ausgeschlossen; wird ein Uberschuß erzielt, so wird er herausgegeben. § 217

Vo r l ä u f i g e Fest nahme Bei Gefahr im Verzug kann jeder Staatsanw alt, jeder Amtsrichter und jeder Polizeibeamte einen Verdächtigen vorläufig festnehmen, wenn die Um­ stände die Annahme rechtfertigen, daß sich bei weiterer Aufklärung alsbald die Voraussetzungen für den E r­ laß des Haftbefehls ergeben werden. Wer auf frischer T at betroffen oder unmittelbar nachher verfolgt wird, kann von jedermann vorläufig festgenommen werden, wenn er der Flucht verdächtig ist oder wenn nicht sofort festgestellt werden kann, wer er ist. D er Festgenommene ist sofort dem nächsten Polizeibeamten zu übergeben. § 218 Z u f ü h r u n g und V e r n e h m u n g d e s F e st g e n o m m e n e n Wird der vorläufig Festgenommene nicht wieder in Freiheit gesetzt, so wird er dem für den Erlaß des Haftbefehls zuständigen Richter oder S taatsanw alt zugeführt, sobald der Stand der Ermittlungen es

Zweiter Abschnitt

Bes chl agnahme, Durchsuchung und Untersuchung Erster Unterabschnitt

Beschl agnahme und Si cherstel l ung von B e we i s e n § 219 Zuläs s igkei t der Beschlagnahme Der Beschlagnahme unterliegen: 1. Sachen, die als Beweismittel für das Ver­ fahren von Bedeutung sein können (Beweis­ stücke), 2. Gegenstände, die für verfallen erklärt, ein­ gezogen, vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden können (Einziehungsstücke), 3. Gegenstände, die der Beschuldigte durch eine mit Strafe bedrohte T at erlangt oder durch Verwertung solcher Gegenstände oder als E r­ satz für sie erworben hat, wenn die Beschlag­ nahme erforderlich ist, um die Schadloshaltung des Verletzten 51t sichern. § 220

S c h u tz d e s D i e n s t g e h e i m n i s s e s Eine Sache, die eine Dienststelle oder ein Amts­ träger des S taates oder der Partei, ein Soldat oder ein Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes dienstlich verwahrt oder durch einen anderen dienstlich ver­ wahren läßt, darf nicht beschlagnahmt werden, wenn die zuständige Dienststelle erklärt, daß die Beschlag­ nahme dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich ge­ fährden oder erheblich erschweren würde. Is t eine Dienststelle des Staates für die Ver­ wahrung verantwortlich, so steht der ihr vorgesetzten Dienststelle die Erklärung zu. Welcher Dienststelle sie zusteht, weiln für die Verwahrung eine Dienststelle der Partei verantwortlich ist, bestimmt der Stell­ vertreter des Führers int Einvernehmen mit dem Neichsminister der Justiz. § 221

S c h u tz d e s B e r u f s g e h e i m n i s s e s Hat jemand, der nach den §§ 162 Abs. 1, 163 zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist, eine *) Vorausgesetzt wird, daß in einer Dienstanweisung für die Polizei bestimmt wird, daß der Dienststellenleiter zu entscheiden hat, wenn die Zuführung länger als drei Tage hinausgeschoben werden soll.

schriftliche Mitteilung über das Berufsgeheimnis, die der Anvertrauende ihm oder er diesem gemacht hat, oder eine Aufzeichnung im Gewahrsam, die er über das Berufsgeheimnis angefertigt hat oder hat an­ fertigen lassen, so darf das Schriftstück nur mit seiner Zustimmung beschlagnahmt werden. Hat jemand, der nach § 162 Abs. 2 über ein Be­ rufsgeheimnis nur unter besonderen Voraussetzungen befragt wird, eine solche Mitteilung oder Aufzeich­ nung im Gewahrsam, so darf das Schriststück ohne seine Zustimmung nur beschlagnahmt werden, wenn es zur Wahrheitserforschung unerläßlich und ange­ sichts der Bedeutung der Sache geboten ist. Diese Beschränkungen gelten nicht, wenn der Ge­ wahrsamsinhaber selbst verdächtig ist, an der T at beteiligt zu sein. Verweigert der Gewahrsamsinhaber die Zustimmung, so hat er die Tatsachen, auf die er seine Verweigerung stützt, anzugeben und aus Ver­ langen glaubhaft zu machen. § 222

V o l l z i e h u n g der Beschlagnahme Die Beschlagnahme einer beweglichen Sache wird dadurch vollzogen, daß sie in dienstliche Verwahrung genommen oder gegenüber dem, der sie in Gewahrsam hat, für beschlagnahmt erklärt wird. Wird die Sache nicht dienstlich verwahrt, so soll die Beschlagnahme durch Siegel oder in anderer Weise ersichtlich gemacht werden. Die Beschlagnahme eines anderen Gegenstandes wird dadurch vollzogen, daß er gegenüber dem Berech­ tigten für beschlagnahmt erklärt wird. Wird ein An­ spruch beschlagnahmt, so wird zugleich dem Schuldner verboten, an den Berechtigten zu leisten. Die Beschlag­ nahme wird mit der Bekanntgabe der Erklärung an den Berechtigten wirksam, dem Schuldner gegenüber jedoch erst dann, wenn sie ihm bekannt oder wenn ihm das Leistungsverbot zugestellt wird. Wird ein Grundstück, ein Recht an einem Grund­ stück oder ein Recht an einem solchen Recht beschlag­ nahmt, so kann der S taatsanw alt oder der Richter das Grundbuchamt um Eintragung der Beschlag­ nahme in das Grundbuch ersuchen. Wird der Beschlag­ nahmevermerk eingetragen, so ist die Beschlagnahme schon von dem Zeitpunkt an wirksam, in dem das E r­ suchen um Eintragung dem Grundbuchamt zugegan­ gen ist. § 223 Wir ku ng der Beschlagna hme Eine Verfügung über einen beschlagnahmten Gegenstand ist dem Reich gegenüber und, wenn die Beschlagnahme die Schadloshaltung des Verletzten sichert, auch diesem gegenüber unwirksam. Dies gilt auch für eine Verfügung durch Zwangsvollstreckung oder durch Vollziehung eines. Arrestes. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu­ gunsten derjenigen, die Rechte, von einem Nicht­ berechtigten herleiten, gelten entsprechend. Is t eine Sache lediglich als Beweisstück beschlag­ nahmt worden und beeinträchtigt eine Verfügung dar­

über nicht den Zweck der Beschlagnahme, so soll der zuständige S taatsanw alt oder Richter der Verfügung zustimmen. § 224 Mitteilung

der

Beschlagnahme

Dem Betroffenen wird die Beschlagnahme und, wenn sie die Schadloshaltung des Verletzten sichert, auch dies mitgeteilt, sobald es den Zweck des Verfah­ rens nicht mehr gefährdet. Auf Verlangen wird ihm über die Beschlagnahme eine schriftliche Bestätigung erteilt. Von der Beschlagnahme zur Schadloshaltung des Verletzten wird dieser unverzüglich benachrichtigt. § 225 Sicherstellung von Be we i se n Ein Beweis durch Augenschein kann auch anders als durch Beschlagnahme gesichert werden, insbeson­ dere durch Absperren des T atorts oder durch das Verbot, bestimmte Sachen zu berühren, bestimmte Orte zu betreten oder auf andere Weise den Zustand eines Beweismittels zu verändern. § 226 A u f h e b u n g der Be s c hl a gna hme Die Beschlagnahme wird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Eine Beschlagnahme, die lediglich die Schadloshaltung des Verletzten sichert, kann auch aufgehoben werden, wenn der Verletzte innerhalb eines M onats seit seiner Benachrichtigung (§ 224 Abs. 2) die Sicherung oder Befriedigung seines Anspruchs nicht betreibt und auf diese Folge in der Pcitteilung hin­ gewiesen worden ist oder wenn er sie trotz eines solchen Hinweises nicht weiterbetreibt. §22 7 R ü c k g a b e ein d e n V e r l e t z t e n Eine Sache, die dem Verletzten durch eine mit Strafe bedrohte T at entzogen worden und im Ver­ fahren entbehrlich ist, wird dem Verletzten zurück­ gegeben, wenn keine entgegenstehenden Ansprüche gel­ tend gemacht werden. Bestehen Zweifel darüber, wer der Empfangs­ berechtigte ist, so kann eine Sache, die zur Hinter­ legung angenommen wird, für den Berechtigten hinterlegt werden. Dem Betroffenen bleibt der Rechtsweg vor­ behalten. § 228 Notveräußerung Beschlagnahmte Sachen, die für verfallen erklärt oder eingezogen werden können, dürfen nach den Vor­ schriften über die Verwertung im Verwaltungs­ zwangsverfahren veräußert werden, wenn sie sonst verderben könnten oder ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung unverhältnismäßig viel kostet. Der Erlös tritt an die Stelle der Sachen.

Zeit und O rt der Veräußerung schuldigten, betn Eigentüm er und Rechte an bet Sache zustehen, vorher es ohne Gefahr im Verzug möglich

werden bcnt B e­ anderen, denen mitgeteilt, soweit ist.

§ 229 Zulässigkeit der V e r m ö g e n s beschlagnahme D as Vermögen des Beschuldigten oder ein T eil des Vermögens kann beschlagnahmt werden, wenn der Beschuldigte einer T at, die m it Einziehung des V er­ mögens bestraft werden kann, dringend verdächtig und wenn zu erw arten ist, daß diese S tra fe verhängt werden wird. D ie Vermögensbeschlagnahme wird aufgehoben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegett. § 230 V ollziehung und Wirkung der V e r m ö g e n s b e s c h l a g n a h m e Die Vermögensbeschlagnahme wird unter Angabe des T ages und der S tunde schriftlich angeordnet. M it der A nordnung treten die W irkungen ein, die an die Beschlagnahme einzelner Gegenstände geknüpft sind. S ie ergreift auch das Vermögen, das der Beschuldigte während der D auer der Vermögensbeschlagnahme erwirbt. D ie Anordnung der Vermögensbeschlagnahme und ihre Aushebung werden dem Beschuldigten bekannt­ gegeben. S ie werden außerdem im Deutschen Reichs­ anzeiger und in einem oder mehreren öffentlichen B lättern bekanntgemacht. F ü r die E intragung der Vermögensbeschlagnahme im Grundbuch gilt § 222 Abs. 3 Satz 1 entsprechend. N iem and kann sich bei Verfügungen, die vor­ genommen werden, nachdem die Anordnung der Ver-mögensbeschlagnahme in einem öffentlichen B la tt bekanntgemacht oder ihm zugestellt worden ist, darauf berufen, daß sie ihm nicht bekannt gewesen sei, außer wenn er nachweist, daß seine Unkenntnis nicht fahr­ lässig w ar. §231 T re u h ä n d e r und Pfleger Z u r V erw altung des beschlagnahmten Vermögens kann ein Treuhänder bestellt werden. D ie näheren Rechts- und Verwaltungsvorschristen erläßt der Reichsminister der Justiz; er regelt insbesondere die Rechte, die Pflichten und die Tätigkeit des T reu ­ händers. D ie Anordnung der Vermögensbeschlagnahme gegen einen Beschuldigten, der sich im A usland auf­ hält oder dessen A ufenthalt unbekannt ist, wird dem Vormundschaftsgericht m itgeteilt. E s kann für ihn einen Pfleger bestellen, auch wenn die Voraussetzungen des § 1911 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor­ liegen. § 232 Arrest I n das Vermögen des Beschuldigten kann der Arrest angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, daß

sonst die Vollstreckung einer Geldstrafe oder der V er­ fallerklärung eines Geldbetrages vereitelt oder wesent­ lich erschwert werden würde. V or dem Urteil ist der Arrest n u r zulässig, wenn der Beschuldigte der T a t dringend verdächtig ist. Z ur Sicherung geringfügiger B eträge ergeht kein Arrest. I m Arrestbefehl wird der zu sichernde Geldbetrag festgestellt. W ird er hinterlegt, so wird der Vollzug des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest auf­ gehoben. D er Vollzug des Arrestes richtet sich nach den V or­ schriften über den Arrest int V erw altungszw angs­ verfahren. § 233 P o st s p e r r e Z ur E rm ittlung von Beweisstücken und E in ­ ziehungsstücken kann die Postsperre der im G ew ahr­ sam der Deutschen Reichspost befindlichen Postsendun­ gen, Telegramme und Aufträge im Postscheckverkehr (Sendungen) angeordnet werden, die an den Beschul­ digten gerichtet sind oder von denen anzunehmen ist, daß sie für den Beschuldigten bestimmt sind oder von ihm herrühren oder Einziehungsstücke enthalten. Die Deutsche Reichspost liefert gesperrte S endun­ gen, und zwar verschlossene unerösfnet der Dienststelle aus, die die S perre angeordnet hat. Die Postsperre wird unwirksam, wenn seit ihrer A nordnung ein M onat verstrichen und die S p erre nicht erneuert worden ist. D er Betroffene wird von der Postsperre benach­ richtigt. Sendungen, die nicht geöffnet oder nicht zurückbehalten werden, werden dem Empfangsberech­ tigten ausgehändigt. D er T eil einer beschlagnahmten S endung, dessen V orenthaltung nicht erforderlich ist, soll ihm in Abschrift m itgeteilt werden. Die M it­ teilung oder Aushändigung unterbleibt, solange sie den Zweck des Verfahrens gefährden würde. §234 Postauskunft Von der Deutschen Reichspost kann Auskunft über den Post-, Postscheck-, Postsparkaffen- und Fernm elde­ verkehr verlangt werden, wenn die Sendungen oder M itteilungen an den Beschuldigten gerichtet sind oder wenn anzunehmen ist, daß sie für den Beschuldigten bestimmt sind oder von ihm herrühren oder daß eine S endung Einziehungsstücke enthält. Auch eine Auskunft über das Postscheck- und Post­ sparkassenkonto des Beschuldigten kann verlangt werden. §235 Andere Fernmeldeunternehmen D ie §§ 233, 234 gelten auch für Unternehmen, die eigene Fernm eldeanlagen für Übermittlungen des öffentlichen Verkehrs betreiben und mit der Deutschen Reichspost darüber ganz oder teilweise abrechnen, so­ wie für andere, die die Abrechnung vermitteln.

Zweiter Unterabschnitt

§241

Durchsuchung

B e f u g n i s s e des B e t r o f f e n e n

§236

Bei der Durchsuchung von Räumen oder Sachen darf ihr Inhaber zugegen sein. Is t er nicht zur Stelle oder seine Anwesenheit mit dem Zweck der Durch­ suchung nicht vereinbar, so wird als sein Vertreter ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse, Nachbar oder Angehöriger der Gefolgschaft zugezogen, wenn es möglich ist. Bei einer körperlichen Durchsuchung wird dem Durchsuchten, bei einer Durchsuchung von Räumen oder Sachen dem Inhaber oder seinem Vertreter der Zweck der Durchsuchung vor ihrem Beginn mitgeteilt. Dies kann unterbleiben, wenn der Betroffene der Verdächtige ist oder die Räume nach § 239 unbe­ schränkt durchsucht werden dürfen. Der Betroffene oder sein Vertreter erhält ein Verzeichnis der beschlagnahmten Sachen. Ist nichts beschlagnahmt worden, so wird ihm das auf Verlangen bescheinigt. Dem Verdächtigen, bei dem eine Durchsuchung vorgenommen wird, wird die ihm zur Last gelegte T at mitgeteilt, sobald dies den Zweck des Verfahrens nicht mehr gefährdet.

Dur chsuchung bet V e r d ä c h t i g e n Der Verdächtige, seine Wohnung, seine anderen Räume und die Sachen, die er besitzt, dürfen durch­ sucht werden, wenn zu erwarten ist, daß ein Verdäch­ tiger, eine S pur der T at oder eine Sache gefunden werde, die der Beschlagnahme unterliegt. §23 7 Durchsuchung bei U n v e r d ä c h t i g e n Andere Menschen, Räume oder Sachen dürfen nur durchsucht werden, wenn ein bestimmter Verdächtiger oder eine bestimmte S p u r der Tat ermittelt oder ein bestimmter Gegenstand beschlagnahmt werden soll und ein Anhalt dafür besteht, daß der Verdächtige, die S p u r oder die Sache gefunden werde. Räume, in denen der Verdächtige gefunden wird oder die er während der Verfolgung betreten hat, und die darin befindlichen Sachen dürfen ebenso durchsucht werden wie die des Verdächtigen. § 238 Durchsuchung

§ 242 bei Nacht

Bei Nacht darf zur Durchsuchung einer Wohnung, eines Dienstraumes oder Geschäftsraumes, eines Ver­ kehrsmittels oder eines befriedeten Besitztums ohne Einwilligung des Inhabers nur geschritten werden, wenn ein Verdächtiger unmittelbar nach der T at ver­ folgt wird oder ein entwichener Gefangener ergriffen werden soll oder Gefahr im Verzug ist. Diese Be­ schränkung gilt nicht für Räume, die bei Nacht jederntantt zugänglich sind. Als Nacht gelten vom ersten April bis zum dreißigsten September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens, vom ersten Oktober bis zum einunddreißigsten M ärz die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens. § 239 Unbeschränkte

Durchsuchung

Die Beschränkungen der §§ 237, 238 gelten nicht für 1. Räume, die Gewohnheitsverbrecher, Dirnen, Schmuggler, Glücksspieler oder andere gemein­ schädliche Leute innehaben oder die ihnen als Treffpunkt oder Schlupfwinkel dienen, 2. Räume, die als Niederlagen von Diebesbeute, gehehltem Gut oder Schmuggelware bekannt sind. §240 Durchsuchung von F r a u e n Eine F rau und die Kleider, die sie an sich trägt, dürfen nur von einer F rau durchsucht werden, auch wenn die Betroffene in die Durchsuchung einwilligt.

Einstweilige Beschlagnahme Wird bei der Durchsuchung eine Sache gefunden, die auf eine andere S traftat hindeutet, so kann sie einstweilen beschlagnahmt werden.

D ritter Unterabschnitt

Untersuchung von Metrscherr §243 Unt e r s u c h u n g des K ö r p e r s und des Geisteszustandes Z ur Feststellung von Tatsachen, die für das Ver­ fahren von Bedeutung sind, darf der Verdächtige körperlich und aus seinen Geisteszustand untersucht werden. Eine solche Untersuchung ist auch bei einem Un­ verdächtigen zulässig, wenn er einwilligt oder wenn die Maßnahme zur Wahrheitsersorschung unerläßlich ist und nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. §244 Körperliche E in g ri ff e Die Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenom­ men werden und keinen Nachteil für die Gesundheit des Betroffenen besorgen lasten, sind bei einem Ver­ dächtigen zulässig, wenn er einwilligt oder wenn der Eingriff zur Wahrheitserforschung notwendig ist.

Ein solcher Eingriff ist bei einem Unverdächtigen ohne seine Zustimmung nur zulässig, wenn er zur Wahrheitserforschung unerläßlich ist und nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht.

Widerstrebt der Betroffene einer Maßnahme, so darf unmittelbarer Zwang angewandt werden, gegen einen Unverdächtigen aber nur, wenn er trotz Auf­ erlegung einer Ordnungsstrafe bei der Weigerung beharrt oder wenn Gefahr im Verzug ist.

§245 Anstaltsbeobachtung Der Beschuldigte darf in einer öffentlichen Heil­ oder Pslegeanstalt untergebracht und dort aus seinen Geisteszustand untersucht werden, wenn ein Arzt als Sachverständiger erklärt, daß die Untersuchung nur in einer Anstalt durchgeführt werden könne. Untersuchungs- und Strafgefangene dürfen auch in der Krankenabteilung einer Gefangenenanstalt unter­ gebracht werden. Der Verteidiger wird zuvor gehört. Hat der Be­ schuldigte keinen Verteidiger, so wird ihm ein Vertei­ diger bestellt. F ü r das weitere Verfahren ist die Ver­ teidigung notwendig. Die Unterbringung in einer Anstalt darf in dem­ selben Verfahren, auch wenn sie wiederholt angeordnet wird, höchstens sechs Wochen dauern. D as Gericht, das für das Hauptverfahren zuständig ist, kann jedoch die Frist angemessen verlängern, wenn ein Gutachten des Sachverständigen ergibt, daß eine längere Beobachtung des Beschuldigten unerläßlich ist. Gegen die richterliche Anordnung ist die befristete Beschwerde zulässig. Sie ha? aufschiebende Wirkung. § 246 Aus n ah me von Lichtbildern und ähnliche M a ß n a h m e n F ür Zwecke des Strafverfahrens dürfen Lichtbilder des Verdächtigen aufgenommen und Messungen oder ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden. Solche Maßnahmen sind auch bei einem Unver­ dächtigen zulässig, wenn er einwilligt. oder wenn sie zur Wahrheitsersorschung unerläßlich sind. §247 Körperliche Untersuchung von F r a u e n Kann die körperliche Untersuchung einer F rau das Schamgefühl verletzen, so wird sie einer F rau oder einem Arzt übertragen. Dieser kann einen zweiten Arzt, einen Heilgehilfen oder eine F ra u zuziehen. Aus Verlangen der Betroffenen soll eine andere F rau oder ein Angehöriger zugelassen werden. Sonst soll nie­ mand zugegen sein. Diese Vorschriften gelten auch dann, wenn die Betroffene in die Untersuchung einwilligt. § 248 Anwendung von Z wa ng Der Verdächtige kann nach § 150 zur Unter­ suchung oder zur Vornahme des Eingriffs vorgeführt werden. Anderen gegenüber gelten die §§ 183 bis 188 über die Verletzung der Zeugenpslichten ent­ sprechend,

Vierter Unterabschnitt

Ge me i ns a me Vor schr i f t en §249 Zus t ä ndi gke i t des S t a a t s a n w a l t s und des Richters I m Vorverfahren ist für die Anordnung der Be­ schlagnahme und für die weiteren Entscheidungen, die sich aus die Beschlagnahme beziehen, der Staatsanw alt zuständig, der das Vorverfahren führt. Die Beschlag­ nahme kann auch der Amtsrichter anordnen, in dessen Bezirk sie zu vollziehen ist, wenn sich an seinem Amts­ sitz kein zuständiger Staatsanw alt befindet und Gefahr im Verzug ist; das Weitere verfügt der Staatsanw alt. Nach der Erhebung der Anklage ist für die An­ ordnung der Beschlagnahme und die weiteren E nt­ scheidungen der Vorsitzer des Gerichts zuständig, bei dem das Verfahren anhängig ist. Ist Urteilsrüge eingelegt, so ist der Vorsitzer des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten ist. Bei Gefahr im Verzug kann auch der S taatsanw alt die Beschlagnahme an­ ordnen; das Weitere verfügt der Richter. Diese Vorschriften gelten entsprechend für die Sicherstellung von Beweisen, die Vermögensbeschlag­ nahme, den Arrest, die Postsperre, Postauskunft, Durchsuchung, Untersuchung, körperliche Eingriffe und die Anstaltsbeobachtung. § 250 Richterliche B e s t ä t i g u n g der Ve r mö g e ns b e s c hl ag n ah m e Hat der Staatsanw alt oder der Amtsrichter im Vorverfahren die Vermögensbeschlagnahme angeord­ net, so kann der Beschuldigte die Entscheidung des Vorsitzers der Strafkammer anrufen, in deren Bezirk der S taatsanw alt seinen Amtssitz hat. Ist für das Hauptverfahren der Besondere Strafsenat des Reichs­ gerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandes­ gericht zuständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. Nach der Erhebung der Anklage entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, bei dem 'das Verfahren an­ hängig ist und, wenn Urteilsrüge eingelegt ist, der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist. Die §§ 300 bis 304 gelten entsprechend. § 251 Zuständigkeit

der

Polizei

Bei Gefahr im Verzug kann auch die Polizei eine Beschlagnahme beweglicher Sachen, eine Postsperre, Durchsuchung, körperliche Untersuchung und Ent­ nahme von Blutproben anordnen und Postauskunft verlangen.

Auch wenn Gefahr nicht int Verzug ist, kann sie 1. bewegliche Sachen beschlagnahmen, die nie­ mand im Gewahrsam hat oder die freiwillig an sie herausgegeben werden, 2. Beweise nach § 225 sicherstellen, 3. die im § 239 genannten Räume durchsuchen, 4. die im § 246 genannten Maßnahmen vor­ nehmen. Der Betroffene kann jederzeit beantragen, daß der zuständige S taatsan w alt oder Richter über die Auf­ rechterhaltung der polizeilichen Maßnahmen ent­ scheide. Die Polizei hat diesem einen Antrag, der bei ihr eingeht, binnen drei Tagen vorzulegen. Der An­ trag hat keine aufschiebende Wirkung; der S ta a ts­ anwalt oder Richter kann aber anordnen, daß die an­ gefochtene Maßnahme vorläufig nicht vollzogen werde. § 252 V o rn a h m e körperlicher E in gr if fe bei G e f a h r im V e r z u g Der Arzt, der beauftragt ist, eine Untersuchung auszuführen, darf einen körperlichen Eingriff im Rahmen des § 244 bei Gefahr im Verzug auch dann vornehmen, wenn er nicht angeordnet ist.

Viertes Hauptstück

Besondere Dorfchristen über das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den oberlandesgerichten § 255 Geltungsbereich I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Volks­ gerichtshofs oder des Oberlandesgerichts gehören, gelten die besonderen Vorschriften der §§ 256 bis 266. § 256

Er mi t t l ungs r i c ht e r I m Vorverfahren können die dem Amtsrichter ob­ liegenden Geschäfte durch den Ermittlungsrichter wahrgenommen werden. Uber Beschwerden gegen Verfügungen des Erm itt­ lungsrichters entscheidet der Vorsitzer des für das Hauptverfahren zuständigen Senats.

§ 253

P f l i c ht zur Un t e r r i c h t u n g Der S taatsanw alt und die Polizei sind ver­ pflichtet, den Vorsiher des Gerichts über jede M aß­ nahme, die sie nach Erhebung der Anklage auf Grund der §§ 249, 251 anordnen, binnen drei Tagen zu unterrichten und ihm beschlagnahmte Sachen zur Ver­ fügung zu stellen. Sie können ihre Maßnahmen wieder aufheben, solange der Vorsitzer noch nicht unter­ richtet ist. Die Pflicht der Polizei, den Staatsanw alt über ihre Maßnahmen im Vorverfahren zu unterrichten, bestimmt sich nach § 8. Die Polizei kann ihre M aß­ nahmen wieder aufheben, solange der S taatsanw alt noch nicht unterrichtet ist. § 254 M a ß n a h m e n b ei Dienststellen des S t a a t e s , der P a r t e i und der Wehrmacht Is t eine Beschlagnahme, Durchsuchung oder Sicherstellung von Beweisen in einem Dienstgebäude oder einer nicht allgemein zugänglichen Anlage einer Dienststelle des S taates oder der Partei durchzu­ führen, so wird der Leiter der Dienststelle oder sein Vertreter zugezogen. Wird eine solche Maßnahme in einem Dienst­ gebäude, einer nicht allgemein zugänglichen Anlage oder auf einem Fahrzeug der Wehrmacht erforderlich, so wird die vorgesetzte Dienststelle der Wehrmacht um die Durchführung ersucht. Diese kann bei der Durchführung die ersuchende Stelle zuziehen. Der Wehrmacht steht der Reichsarbeitsdienst gleich. Geheime Reichssachen dürfen weder beschlagnahmt noch durchsucht werden.

§257 Beschlagnahme und

Durchsuchung

Die Beschränkungen der Beschlagnahme bei denen, die ein Berufsgeheimnis zu wahren haben (§ 221), gelten nicht, wenn die Beschlagnahme zur Wahr­ heitserforschung unerläßlich ist. Die Durchsuchung einer Wohnung, eines Dienst­ raums oder eines Geschäftsraums, eines Verkehrs­ mittels oder eines befriedeten Besitztums ist auch zur Nachtzeit ohne Einwilligung des Inhabers zulässig. § 258 M i t t e i l u n g d e r A n k l a g e s ch r i f t Erfordert es das Wohl des Reichs, so wird dein nicht auf freien F uß befindlichen Angeklagten nur ein Auszug aus der Anklageschrift zugestellt. Die Zustellung an den auf freiem Fuß befindlichen Ange­ klagten erfolgt an seinen Verteidiger. § 259 B ezeichnung von Zeugen Sachverständigen

und

Erfordert es das Wohl des Reichs, so werden die Namen von Zeugen oder Sachverständigen in der Anklage nicht aufgeführt und auch nachher nicht mit­ geteilt. Unter derselben Voraussetzung werden Zeugen und Sachverständige in der Hauptverhandlung nicht über ihre persönlichen Verhältnisse vernommen und, wenn ihre schriftlichen Erklärungen oder die Nieder­ schriften über ihre Vernehmung verlesen werden, nicht namentlich bezeichnet.

§ 260 Vorführung

des Beschuldigten

I s t der Beschuldigte nicht aus freiem Fuß, so kann davon abgesehen werden, ihn zu einer vorweggenom­ menen oder vorbereitenden Beweisaufnahme (§ § 1 0 , 11, 47) vorführen zu lassen. §261 Verteidiger Die W ahl eines Verteidigers bedarf der Geneh­ migung des nach § 148 zuständigen Vorsitzers. D er Vorsitzer kann die Genehmigung jederzeit zurück­ nehmen. E r kann dem Verteidiger besondere Pflichten zur Geheimhaltung auferlegen. I s t der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so kann der S ta a tsa n w a lt bis zum Abschluß der Erm ittlungen anordnen, daß der Beschuldigte m it dem Verteidißer nur in seiner Gegenwart spricht und daß ihm schrift­ liche M itteilungen vor der W eitergabe vorzulegen sind.

§266 Volksgerichtshof a l s oberes Gericht I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Ober­ landesgerichts im ersten Rechtszug gehören, gilt der Volksgerichtshof a ls das obere Gericht im S in n e der §§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2, 117. D a s gilt auch, wenn nach § 277 Abs. 2 über die V erbindung und Trennung von Strafsachen zu entscheiden ist, von denen m in­ destens eine zur Zuständigkeit des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug gehört.

Fünftes Hauptstück Andere gemeinsame VerfahrensVorschriften Erster Abschnitt

S t r a f a n t r a g , An o r d n u n g und Ve r l a n g e n der S t r a f v e r f o l g u n g

§ 262

Be i s t ä n d e I m Vorverfahren entscheidet der S ta a tsa n w a lt, im Hauptverfahren der Vorsitzer nach seinem E r­ messen darüber, ob er Beistände zulassen will. §263 Vorübergehende Ausschließung des A n g e k l a g t e n D er Vorsitzer Lars einen Angeklagten außer in den Fällen des § 55 Abs. 1 und 2 auch von T eilen der Verhandlung fernhalten, in denen geheimhaltungs­ bedürftige Tatsachen erörtert werden.

§267 Antragsberechtigte W ird die T a t nur auf A ntrag verfolgt, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der V er­ letzte den A ntrag stellen. I s t der Antragsberechtigte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche V er­ treter und derjenige, dem die Sorge für die Person des Antragsberechtigten zusteht, den Antrag stellen. Beschränkt Geschäftsfähige können auch selbständig den A ntrag stellen, wenn sie das achtzehnte Lebens­ jahr vollendet haben. I s t eine Ehefrau verletzt, so kann auch der Ehe­ m ann den A ntrag stellen, solange die eheliche Gem ein­ schaft besteht.

§ 264

Mi t tei l ung

des U r t e i l s

D er Angeklagte erhält keine Abschrift des U rteils. E r kann den ihn betreffenden T eil des U rteils unter Aussicht einsehen. I s t der Angeklagte freigesprochen worden, so wird ihm dies aus Verlangen vom S ta a tsa n w a lt be­ scheinigt. § 265 Einziehungsbeteiligte E rfordert es das W ohl des Reichs, so kann der Vorsitzer anordnen, daß ein Einziehungsbeteiligter (§§ 415, 422) nicht zur H auptverhandlung geladen wird und an ihr nicht teilnehmen darf. D er E inziehungs'beteiligte w ird aber rechtzeitig aufgefordert, seine Rechte schriftlich geltend zu machen. D er wesent­ liche I n h a lt seiner E rklärungen w ird in der Hauptver­ handlung mitgeteilt; seine Vernehmung als Zeuge darf dadurch nicht ersetzt werden.

§ 268 T od des Verletzten S tirb t der Verletzte, so geht sein Antragsrecht auf den Ehegatten, die Kinder, E ltern, Großeltern, Enkel und Geschwister über. D a s Recht, A ntrag auf V er­ folgung des Ehebruchs zu stellen, erlischt jedoch m it dem Tode des verletzten Ehegatten. Die im Absatz 1 bezeichneten Angehörigen sind auch bei Beschimpfung eines Verstorbenen a n tra g s­ berechtigt (§ 428 des Strafgesetzbuchs). D er A ntrag eines Angehörigen kann a ls nicht gestellt behandelt werden, wenn die Verfolgung dem Willen des Verletzten widerspricht oder ein anderer Berechtigter beachtliche Gründe gegen sie geltend macht. § 269 Antrag

des

D i e n st v o r g e s e t z t e n

I s t die T a t gegen eine Dienststelle oder einen A m tsträger des S ta a te s oder der P a rtei, einen Be-

härdenangestellten, einen Soldaten oder einen An­ gehörigen des Reichsarbeitsdienstes begangen und werden dienstliche Belange durch sie betrossen, so kann auch der Dienstvorgesetzte den Antrag stellen. Antragsberechtigt ist, wer zur Zeit der T at Dienst­ vorgesetzter des Verletzten war und, wenn er aus dieser Stellung ausgeschieden ist, sein Dienstnachfolger. Bei Amtsträgern des Staates, die keinen Dienst­ vorgesetzten haben, ist die Dienststelle, für die sie tätig waren und, wenn sie selbst die Dienststelle leiten, die staatliche Aufsichtsbehörde antragsberechtigt. Bei Dienststellen und Amtsträgern der P artei bestimmt der Stellvertreter des Führers, wer Dienstvorgesetzter ist. §270 F o r m des A n t r a g s Der Antrag ist schriftlich bei einem Amtsgericht, einem Staatsanw alt oder der Polizei zu stellen. Die Klage im friedensrichterlichen Verfahren steht dem Antrag gleich. §271 AnLragsfrist Der Antrag kann nur binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt, sobald der Berechtigte von der T at und der Person eines nur auf Antrag verfolgbaren Beteiligten Kenntnis erlangt. Wird der Antrag von dem gesetzlichen Vertreter, dem Sorge­ berechtigten oder dem Ehemann gestellt, so entscheidet dessen Kenntnis. I n den Fällen des § 268 beginnt die Frist, sobald einer der antragsberechtigten An­ gehörigen die Kenntnis Erlangt. Hat bei wechselseitig begangenen Taten, die miteinander im Zusammenhang stehen, der eine den An­ trag gestellt, so kann der andere noch bis zur Ver­ kündung des Urteils im ersten Rechtszug den Antrag stellen, auch wenn für ihn die Antragsfrist verstrichen ist. I s t durch Tod des Verletzten das Antragsrecht auf andere übergegangen, so endet für sie die Frist frühestens drei Monate nach dem Tode des Verletzten. Der Antrag kann nicht nachgeholt werden, auch wenn die Frist unverschuldet versäumt worden ist. § 272 Unteilbarkeit Alle an der T at Beteiligten können verfolgt werden, auch wenn der Antrag nur gegen einen gerichtet ist.

so kann die Erklärung bis zum Beginn der Haupt­ verhandlung zurückgenommen werden. Die in den Strafgesetzen vorgesehene Anordnung, die T at nicht zu verfolgen, ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung zulässig.

Zweiter Abschnitt

Ve r b i n d u n g und Tr e nnung §275 Voraussetzungen Strafsachen sollen verbunden werden, wenn es die Verfahren fördert, insbesondere, wenn jemand mehrerer Taten beschuldigt wird oder wenn mehrere beschuldigt werden, an einer T at beteiligt zu sein. Verbundene Strafsachen können wieder getrennt werden. §276 G e m e i n s a m e Z u st ä n d i g k e i t I m Falle der Verbindung können Strafsachen, für die Gerichte verschiedener Ordnung zuständig sind, bei dem höheren Gericht-und Strafsachen, für die ver­ schiedene Gerichte derselben Ordnung zuständig sind, bei jedem Gericht anhängig gemacht werden, das für eine von ihnen zuständig ist. Strafsachen, die einzeln zur Zuständigkeit der Schöffenkammer und der Strafkammer gehören, können verbunden bei der Strafkammer anhängig gemacht werden. § 277 E n t s c h e i d u n g ü b e r die V e r b i n d u n g und T r e n n u n g Über die Verbindung und Trennung von S tra f­ sachen entscheidet im Vorverfahren der Staatsanw alt, nach Erhebung der Anklage der Vorsitzer. Sind die Strafsachen bei Gerichten verschiedener Ordnung anhängig geworden, so entscheidet der V or­ sitzer des höheren Gerichts, wenn das andere Gericht zu seinem Bezirk gehört. Sonst können Strafsachen, die bei verschiedenen Gerichten anhängig geworden sind, nur durch eine Vereinbarung der Vorsitzer dieser Gerichte verbunden und wieder getrennt werden. Kommt keine Vereinbarung zustande, so entscheidet der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts.

§273

D ritter Abschnitt

Unwiderruslichkeit

Ent s chei dungen, Ni eder s chri f t e n, Mi t t e i l u n g e n

D er Antrag kann nicht zurückgenommen werden. §274 Zurücknahme der A n o r d n u n g , der Z u s t i m m u n g und des V e r l a n g e n s Wird die T at nur auf Anordnung, mit Zustim­ mung oder auf Verlangen einer Dienststelle verfolgt,

§278 Gehör Vor Beschlüssen, die in der Hauptverhandlung er­ gehen, werden der Staatsanw alt, und, wenn sie an­ wesend sind, der Verteidiger und die Beteiligten

gehört. Vor Beschlüssen, die außerhalb der Hauptver­ handlung ergehen, wird der S taatsanw alt gehört. I m übrigen gibt der Richter dem Staatsanw alt, dem Verteidiger und den Beteiligten vor Entschei­ dungen Gelegenheit zur Äußerung, wenn er es nach pflichtmäßigem Ermessen für erforderlich hält. § 279 Glaubhaftmachung Wer etwas glaubhaft zu machen hat, kann sich dazu aller Beweismittel bedienen, die im Strafver­ fahren zugelassen sind. Auch Versicherungen an Eides S ta tt sind zulässig; nur Beschuldigte können solche Versicherungen nicht abgeben. Eine Versicherung an Eidesstatt und eine eidliche Aussage dürfen zur Glaubhaftmachung der Befugnis, wegen Gefahr der Strafverfolgung die Auskunft zu verweigern (§ 165), nicht verlangt werden. §280

B e g r ü n d u n g vo n Be s c hl üs s e n Beschlüsse werden begründet, wenn sie mit einem Rechtsmittel angefochten werden können oder wenn durch sie über ein Rechtsmittel entschieden oder ein Antrag abgelehnt wird. §281

Be r i c h t i g u n g Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einer Entscheidung enthalten sind, können jederzeit berichtigt werden. Eine Berichtigung der Nrteilsgründe darf keinen Einfluß auf den In h a lt des Urteilsspruchs haben. Die Berichtigung wird jedem mitgeteilt, der Nach­ richt von der Entscheidung erhalten hat. Der Berichtigungsbeschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Der Beschluß, der einen Berichtigungsantrag ablehnt, ist unanfechtbar.

§264 Ger i cht l i che Ni e d e r s c h r i f t Nimmt ein Richter außerhalb der Hauptverhand­ lung eine Untersuchungshandlung vor, so wird dar­ über eine Niederschrift aufgenommen. I n der Regel wird dazu ein Schriftführer zugezogen. Niederschriften über Aussagen werden dem Ver­ nommenen zur Genehmigung vorgelesen oder vor­ gelegt und sollen von ihm unterschrieben werden. Genehmigt er sie, so wird es vermerkt. Genehmigt er sie nicht oder unterbleibt die Unterschrift, so wird der Grund in der Niederschrift angegeben. I m übrigen sind die Vorschriften maßgebend, die nach § 95 Abs. 1, 3, 4, § 96 für die Niederschrift über die Hauptverhandlung gelten. § 285 Kurzschrift Aussagen und andere Vorgänge können in einer gebräuchlichen Kurzschrift aufgenommen werden. Die Aufzeichnung wird vom Schriftführer unterschrieben und der Niederschrift als Anlage beigefügt. Nachdem die richterliche Handlung beendigt ist, wird die Anlage der Niederschrift unverzüglich in Ver­ kehrsschrift übertragen. Der Schriftführer beglaubigt die Übertragung. F ü r das weitere Verfahren tritt die Übertragung an die Stelle der Anlage. Die Un­ richtigkeit der Übertragung kann jederzeit nachgewiesen werden. §286 S ch a l l a u f n a h m e n Aussagen und andere Vorgänge können auch durch Schallaufnahmen und andere zur Wiedergabe ge­ eignete M ittel festgehalten werden. Der Reichsminister der Justiz kann nähere Vor­ schriften erlassen. §287

§ 282

Z u st e l l u n g e n

A rt der B e k a n n t g a b e Eine Entscheidung, die dem Betroffenen mitzu­ teilen ist und in seiner Anwesenheit ergeht, wird ihm verkündet; er erhält auf Verlangen eine Abschrift. Ergeht die Entscheidung in seiner Abwesenheit, so wird sie ihm zugestellt; beginnt mit der Bekannt­ machung keine Frist zu laufen, so genügt formlose Mitteilung. Amtliche Schriftstücke können dem Empfänger, nachdem er Kenntnis genommen hat, wieder abge­ nommen werden, soweit es das öffentliche Wohl erfordert.

F ü r das Verfahren bei Zustellungen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. Is t ein Schriftstück dem Staatsanw alt zuzustellen, so wird es ihm in Urschrift oder in einer Ausferti­ gung vorgelegt. Beginnt mit der Zustellung eine Frist zu laufen, so wird der Tag der Vorlegung aus der Urschrift oder der Ausfertigung vermerkt.

§283 Rechtsmittelbelehrung Kann eine Entscheidung durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden, so soll der Betroffene darüber belehrt werden, welches Rechtsmittel ihm zu­ steht, bei welchem Gericht und in welcher Frist und Form es einzulegen ist.

§ 288 Öffentliche Zustellung Ein Schriftstück kann einem Beteiligten öffentlich zugestellt werden, 1. wenn der Aufenthalt des Beteiligten unbekannt ist oder 2. wenn die Zustellung im Ausland vorgenommen werden mußte und die Befolgung der hierfür bestehenden Vorschriften nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Is t im In la n d an jemand zuzustellen, der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist, oder ist in der

Wohnung, im Geschäftshaus oder in anderen Räumen solcher Personen zuzustellen, so kann öffentlich zuge­ stellt werden, wenn der Zustellung nicht zugestimmt wird und die Vermittlung des Auswärtigen Amtes ergebnislos geblieben ist. Die öffentliche Zustellung ordnet der Richter an, der mit der Sache befaßt ist. § 289 A u s f ü h r u n g der öff ent l i chen Z u st e l l u n g S oll jemand öffentlich geladen werden, so wird die Ladung ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffentlichen B lättern, die der Richter aus­ wählt, bekanntgegeben; außerdem wird eine beglau­ bigte Abschrift der Ladung an die Gerichtstasel ange­ heftet. Soll ein anderes Schriftstück öffentlich zugestellt werden, so wird eine beglaubigte Abschrift ganz oder auszugsweise an die Gerichtstafel angeheftet.. D as Schriftstück kann außerdem ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffentlichen Blättern, die der Richter auswählt, bekanntgegeben werden. D er Auszug soll das Gericht, die Beteiligten, die Sache und den wesentlichen In h a lt des Schriftstücks, bei Ladungen insbesondere den Zweck sowie Ort und Zeit der Verhandlung ersehen lassen. Eine Ladung gilt als zugestellt, toeittt zwei Wochen verstrichen sind, seitdem das letzte B latt erschienen und die Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet worden ist. Ein anderes Schriftstück gilt als zugestellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem die Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet worden ist. Der Richter kann die Frist verlängern. § 290 Vo r s c h r i f t e n f ür den S t a a t s a n w a l t F ü r die Verfügungen und Untersuchungshandlnngen des S taatsanw alts gelten die §§ 279 (Glaub­ haftmachung), 280 (Begründung von Beschlüssen), 281 (Berichtigung), 282 (Art der Bekanntgabe), 283 (Rechtsmittelbelehrung), 284 bis 289 (Nieder­ schriften, Zustellungen) entsprechend. Der Staatsanw alt kann statt einer Niederschrift einen Vermerk aufnehmen.

Vierter Abschnitt

Fri st en §291 Ber echnung der Fri st en Die Fristen werden nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs berechnet. I s t der letzte Tag einer nicht nach Stunden be­ messenen Frist ein Sonntag oder ein allgemeiner Feiertag, so endigt sie mit Ablauf des nächsten Werktages.

§ 292 U n v e r s c h u l d e t e F r i st V e r s ä u m n i s Hat jemand ohne eigenes Verschulden eine Frist versäumt, so kann er binnen einer Frist von einer Woche die versäumte Handlung nachholen. Geschieht dies, so wird die Handlung auf seinen Antrag als fristgemäß vorgenommen behandelt. Die Frist be­ ginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Grund der Säum nis wegfällt. Innerhalb der Frist wird zugleich der Antrag gestellt und der Grund der Säum nis angegeben und glaubhaft gemacht. F ü r den Antrag gelten die §§ 299 bis 303 ent­ sprechend. § 293 Ent s chei dung über den A n t r a g Über den Antrag entscheidet, wer bei Wahrung der Frist zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. Der Beschluß, der dem Antrag stattgibt, ist unan­ fechtbar. Der Beschluß, der den Antrag als unzulässig oder als unbegründet verwirft, kann mit der be­ fristeten Beschwerde angefochten werden. § 294

Wi r k u n g des A n t r a g s Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorsitzer des Gerichts und der Richter, bei denen der Antrag gestellt wird, können anordnen, daß das Ver­ fahren oder die Vollstreckung auszusetzen ist. Dieselbe Befugnis haben der Vorsitzer des Gerichts und der Richter, die über den Antrag zu entscheiden haben.

Fünfter Abschnitt

Sprachgebrauch § 295 A m t s t r ä g e r des S t a a t e s

und der

Partei Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Amtsträger des S taates: die Beamten und wer, ohne Beamter zu sein, dazu bestellt ist, obrigkeitliche Aufgaben wahrzunehmen; 2. Amtsträger der P artei: die Unterführer der Partei, welche die Amtstätigkeit eines Stütz­ punktleiters, eine dieser gleichstehende oder eine.höhere Amtstätigkeit ausüben, die P artei­ richter und Urkundspersonen der Parteigerichte. § 296

We hr ma c ht , P a r t e i Der deutschen Wehrmacht stehen im Sinne dieses Gesetzes die jj-Verfügungstruppe, die it-Totenkopsverbände und die SA -Standarte „Feldherrnhalle" gleich. Dem deutschen Soldaten steht im Sinne dieses Gesetzes der Angehörige dieser Verbände gleich.

Wo das Gesetz von P artei spricht, versteht es darunter die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter­ partei einschließlich ihrer Gliederungen. Den Glie­ derungen steht im Sinne dieses Gesetzes das Natio­ nalsozialistische Fliegerkorps gleich. § 297 A ir g e h ö r i g e Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind: Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten und Kinder der Geschwister, Geschwister der Eltern, Ge­ schwister des Ehegatten, und zwar auch dann, wenn die Beziehung durch eine uneheliche Geburt vermittelt wird. D as Angehörigenverhältnis bleibt bestehen, auch meint die Ehe, durch die es begründet ist, nicht mehr besteht. Angehörige sind auch Personen, die miteinander durch Annahme an Kindes S ta tt oder durch Pslegekindschaft verbunden sind.

§298 Angeklagte, Verdächtige, B e te i­ l i gt e , sichernde M a ß r e g e l n , S o r g e ­ berechtigte I m Sinne dieses Gesetzes sind 1. Angeklagte: Beschuldigte, gegen die Anklage erhoben ist; 2. Verdächtige: wer einer mit Strafe bedrohten Tat verdächtig ist, auch wenn sich das Ver­ fahren nicht gegen ihn richtet; 3. Beteiligte: der Beschuldigte, der Einziehungs­ beteiligte und andere, die von der Entscheidung betroffen werden; 4. sichernde Maßregeln: die Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung, die im § 64 des Strafgesetzbuchs genannt sind. Bei der Ausübung versahrensrechtlicher Befug­ nisse, die dieses Gesetz dem Sorgeberechtigten zuweist, geht, wenn die M utter neben dem Vater sorgeberech­ tigt ist, die Meinung des Vaters der Meinung der M utter vor.

Drittes Buch

Rechlsbehelfe Erstes Hauptstück

W ird ein Rechtsbehelf unrichtig bezeichnet, so hat dies keine nachteilige Folge.

Allgemeine Vorschriften

§303

Verzicht und Zurücknahme D er Verzicht auf einen Rechtsbehels und die Z u­ A n s e ch t u n g s b e r e ch t i g t e rücknahme eines Rechtsbehelss sind unwiderruflich. D ie in diesem Buch geregelten Rechtsbehelfe stehen Beziehen sich diese Erklärungen auf ein Rechtsmittel dem S ta a tsa n w a lt und, wenn er beschwert ist, dem gegen ein Urteil, so kann der Angeklagte sie frühestens Beschuldigten zu. Einem anderen steht ein Rechts­ am Tage nach der Urteilsverkündung abgeben. behelf nur zu, soweit das Gesetz dies ausdrücklich Die Erklärung über die Zurücknahme eines bestimmt und er beschwert ist. Rechtsbehelfs kann auch bei dem Gericht angebracht werden, das über den Rechtsbehelf zu entscheiden § 300 hätte. B e r e chtigung des V e r t e i d i g e r s Die Erklärung des Verteidigers, daß er aus einen D er V erteidiger kann für den Beschuldigten Rechtsbehels verzichte oder einen Rechtsbehelf zurück­ Rechtsbehelfe gebrauchen, jedoch nicht gegen dessen nehme, ist nur wirksam, wenn er dazu ausdrücklich und in einer besonderen Urkunde ermächtigt ist. ausdrücklichen W illen. Hat die H auptverhandlung über ein Rechtsmittel §301 begonnen, so kann es nur m it Zustimmung des V or­ sitzers zurückgenomen werden. D ie Zurücknahme be­ Rechtsbehelfe darf auch der Zustimmung des Angeklagten, wenn der des gesetzlichen V e r t r e t e r s S ta a tsa n w a lt, und der Zustimmung des S ta a ts a n ­ D er gesetzliche V ertreter des Ansechtungsberech- w alts, wenn der Angeklagte das Rechtsmittel eingelegt tigten und der, dem die Sorge für die Person des hat. Ansechtungsberechtigten zusteht, können die zulässigen §30 4 Rechtsbehelfe innerhalb der für diesen laufenden F rist selbständig gebrauchen. Wi r k u n g D er Ehem ann kann die zulässigen Rechtsbehelfe Jed er Rechtsbehelf hat die Wirkunh, daß die an­ seiner Ehefrau innerhalb der für sie laufenden Frist gefochtene Entscheidung zugunsten oder zuungunsten selbständig gebrauchen, solange die eheliche Gem ein­ des durch sie Betroffenen geändert oder aufgehoben schaft besteht. werden kann. D ie Vorschriften über die Rechtsbehelfe des B e­ schuldigten gelten entsprechend, soweit das Gesetz Zweites Hauptstück nichts anderes bestimmt. §299

§ 302

A b g a b e der E r k l ä r u n g e n E rklärungen über die Einlegung und die B egrün­ dung von Rechtsbehelfen sowie über den Verzicht auf einen Rechtsbehels und die Zurücknahme eines Rechts­ behelfs können, soweit das Gesetz nichts anderes be­ stimmt, schriftlich eingereicht oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht abgegeben werden. D ie Erklärungen sind, soweit das Gesetz nichts a n ­ deres bestimmt, bei dem Gericht anzubringen, das die Entscheidung erlaffen hat. E s ist jedoch unschädlich, wenn sie bei dem Gericht angebracht werden, d as über den Rechtsbehelf zu entscheiden hat. W er auf behördliche A nordnung verw ahrt wird, kann die E rklärungen zur Niederschrift bei dem Amtsgericht abgeben, in bessert Bezirk er sich befindet. Die Frist für die Abgabe der Erklärung wird gewahrt, wenn die Niederschrift vor ihrem Ablauf aufgenom­ men wird.

Die Rechtsmittel Erster Abschnitt

Beschwerde § 305

Beschwerderecht Die Beschwerde können der S ta a tsa n w a lt und der Beschuldigte gegen richterliche Beschlüsse und Verfü­ gungen erheben, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Dasselbe gilt für Zeugen, Sachverständige und andere, die durch eine Entscheidung betroffen werden. Gegen Beschlüffe und Verfügungen des Reichs­ gerichts, des Volksgerichtshofs, der Oberlandesgerichte und des Vorsitzers des S e n a ts eines solchen Gerichts ist keine Beschwerde zulässig. D a s gleiche gilt für Beschlüffe und Verfügungen der Strafkam m ern und ihrer Vorsitzer in den Strafsachen, die § 101 be­ zeichnet.

§ 306

§ 312

Ent sche i d ü n g e n des Amt s r i c h t e r s im V o r v e r f a h r e n

En t s c h e i d u n g e n des B e a u f t r a g t e n und des er sucht en Ri c ht e r s

Werden Maßnahmen des Amtsrichters im Vorver­ fahren beanstandet, so entscheidet zunächst der S ta a ts­ anwalt, soweit ihm die weitere Verfügung gebührt. Erst gegen dessen Entscheidung ist die Beschwerde (§ 314) zulässig.

Is t eine Entscheidung des beauftragten Richters angefochten, so ist Beschwerdegericht das Gericht, dessen Vorsitzer den Auftrag erteilt hat. Is t eine Entscheidung eines von einem Amts­ richter ersuchten Richters angefochten, so entscheidet die Strafkammer bei dem Landgericht, das dem ersuchenden Richter übergeordnet ist. Geht das E r­ suchen von dem Vorsitzer eines anderen Gerichts aus, so entscheidet dieses Gericht.

§307 Entscheidungen zur V orb er ei tung

des U r t e i l s Entscheidungen, die nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des Urteils erlassen worden sind, unterliegen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Zwangs­ mittel und Straffestsetzungen sowie Entscheidungen, soweit durch sie Dritte betroffen werden. § 308 Befri stet e Beschwerde Die Beschwerde ist nur dann befristet, wenn das Gesetz dies -bestimmt. Die befristete Beschwerde ist binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.

§ 313 V e r f a h r e n des Bes chwer deger i cht s Eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde findet in der Regel nicht statt. Vor der Entscheidung wird der Staatsanw alt gehört; dem Verteidiger und den Beteiligten soll der Vorsitzer die Beschwerdeschrift zur Erklärung mitteilen. E r kann Ermittlungen an­ ordnen oder selbst vornehmen. Uber die Beschwerde wird durch Beschluß ent­ schieden. Soweit sie begründet ist, entscheidet das Beschwerdegericht zugleich in der Sache selbst; es kann die Sache auch zurückverweisen. Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts ist keine weitere Beschwerde zulässig.

§ 309

Wi rkung Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Vorsitzer des Gerichts oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, kann den Vollzug der Entscheidung aussetzen. Dieselbe Befugnis hat der Vorsitzer des Beschwerdegerichts. §310

§ 314

Bes chwer de gegen V e r f ü g u n g e n des S t a a t s a n w a l t s Gegen Verfügungen des S taatsanw alts können der Beschuldigte und andere, die davon betroffen werden, Beschwerde erheben. Uber die Beschwerde entscheidet der Vorgesetzte des Staatsanw alts.

V e r f a h r e n des u n t e r e n Ge r i cht s Kann die Entscheidung nicht mit der Beschwerde angefochten werden oder ist die befristete Beschwerde verspätet eingelegt, so verwirft derjenige, dessen Ent­ scheidung angefochten ist, die Beschwerde als unzu­ lässig. Der Beschluß kann mit der befristeten Be­ schwerde angefochten werden. Der Beschwerde wird abgeholfen, wenn sie be­ gründet ist. § 313 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Wird die Beschwerde nicht als unzulässig ver­ worfen oder durch Abhilfe erledigt, so wird sie un­ verzüglich dem Beschwerdegericht vorgelegt. § 311

Bes chwer dege r i cht Is t eine Entscheidung des Amtsrichters angefoch­ ten, so ist Beschwerdegericht die Strafkammer, sonst der Strafsenat des Oberlandesgerichts. Is t für ein Hauptverfahren der Volksgerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig, so entscheidet über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsrichters im Vorverfahren der Senat, der für das Hauptverfahren zuständig sein würde.

Zweiter Abschnitt

B e r u f u n g und U r t e i l s r ü g e Erster Unterabschnitt

G e m e i n s a m e Vorschri f ten § 315 Recht smi t tel gegen Urtei le Urteile des Amtsrichters können mit der Berufung angefochten werden, Urteile der Schössenkammer im ersten Rechtszug mit der Urteilsrüge. Gegen Entscheidungen des Reichsgerichts, des Volksgerichtshofs, der Oberlandesgerichte und der Strafkammern ist ein Rechtsmittel nicht zulässig. § 316 R e c h t s m i t t e l gegen bte Urteilsgründe Der Angeklagte ist auch beschwert (§ 299), wenn die Gründe eines Urteils, das ihn freispricht oder das

Verfahren einstellt, seine Ehre schwer «lindern oder ihn sonst erheblich schädigen. D as zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu­ ständige Gericht kann das Rechtsmittel, das hieraus gestützt wird, ohne Hauptverhandlung durch Beschluß verwerfen, wenn es unzulässig ist oder einstimmig für offensichtlich unbegründet erklärt wird. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. § 317

Hemmung der Recht skraf t Die rechtzeitige Anfechtung hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 318 B eruf ungs- und Urteilsrügegericht Uber die Berufung entscheidet die Schösfenkammer, über die Urteilsrüge das Reichsgericht. Zweiter Unterabschnitt

Be r u f u n g § 319 Ausgabe

der B e r u f u n g

Auf die Berufung wird in der Sache neu ver­ handelt. Einlegung

§ 320 der B e r u f u n g

Die Berufung ist binnen einer Woche nach Ver­ kündung des Urteils einzulegen. W ar der Angeklagte nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist mit der Zustellung. Dem Beschwerdeführer wird das Urteil mit Gründen zugestellt, wenn die Berufung rechtzeitig eingelegt ist. § 321 B e g r ü n d u n g der B e r u f u n g Der Beschwerdeführer soll die Berufung binnen einer Woche nach Ablauf der Frist, in der sie einzu­ legen ist, begründen. W ar zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zu­ stellung. Aus der Begründung soll hervorgehen, inwieweit und aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der Beschwerdeführer sich gegen das Urteil wendet. Neue Tatsachen und Beweismittel soll er angeben. Der Vorsitzer des Berufungsgerichts kann den An­ geklagten über die Gründe für die Berufung hören oder hören lasten. § 322 V e r w e r f u n g durch d a s G e r i c h t d e s ersten R e c h t s z u g e s Is t die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt, so verwirft sie das Gericht, besten Urteil angefochten ist, als imzulässig.

Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß befristete Beschwerde erheben. Sie hemmt die Voll­ streckung des Urteils nicht. Der Vorsitzer des Gerichts, besten Urteil angefochten ist, und der Vorsitzer des Beschwerdegerichts können die Vollstreckung aussetzen. § 323 Weiteres Verfahren Verwirft das Gericht die Berufung nicht nach § 322 als unzulässig, so legt es die Berufung des Angeklagten und ihre Begründung mit den Akten dem Staatsanw alt vor; die Berufung des S taa tsa n ­ walts und ihre Begründung teilt es dem Angeklagten mit. Die Sache wird beim Berufungsgericht anhängig, sobald der Staatsanw alt ihm die Akten vorlegt. § 324 Entschei dung des B e r u f u n g s g e r i c h t s D as Berufungsgericht entscheidet aus Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Is t die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt, so kann das Berufungsgericht sie ohne Hauptverhand­ lung als unzulässig verwerfen. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. § 325 Gang der V e r h a n d l u n g I n der Hauptverhandlung berichtet ein Richter in Abwesenheit der Zeugen über das bisherige Ver­ fahren. Dann werden der Angeklagte vernommen und die Beweise erhoben. D as Gericht kann davon absehen, Beweis über einzelne von mehreren sTaten, abtrenn­ bare Teile einer T at oder andere Vorgänge, die selb­ ständig festgestellt werden können, zu erheben, wenn sie nach seiner Überzeugung im ersten Urteil einwandfrei festgestellt sind und wenn diese Feststellungen vom Staatsanw alt und vom Angeklagten nicht beanstandet werden. Die Anklage darf nicht aus weitere Straftaten des Angeklagten ausgedehnt werden. Bei den Schlußvorträgen spricht der Beschwerde­ führer in der Regel zuerst. § 326 U r t e i l des B e r u f u n g s g e r i c h t s D as Gericht hebt das angefochtene Urteil auf oder verwirft die Berufung. Beruht das Urteil aus einem Versahrensmangel, so kann das Gericht es aufheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, besten Urteil aufgehoben wird, zurückverweisen vder an das zuständige Gericht verweisen. Die Zurückverweisung ist auch möglich, wenn das Gericht Taten oder Tatteile, die Gegenstand der Anklage sind, über die aber im angefochtenen Urteil nicht entschieden worden ist, in das Verfahren einbezieht.

D ritter Unterabschnitt

§ 327 Wi r k u n g auf M i t a n g e k l a g t e Ergibt die Vorbereitung oder der Lauf der Ver­ handlung, daß ein Grund, der zur Aufhebung des Urteils führen kann, auch die in dem Urteil ausge­ sprochene rechtskräftige Entscheidung über einen M it­ angeklagten beeinflußt haben kann, so kann das Gericht beschließen, die Verhandlung auf diesen M it­ angeklagten zu erstrecken, wenn eine wesentlich andere Entscheidung gegen diesen Mitangeklagten zu erwar­ ten ist. Ergibt die Verhandlung, daß der Grund, der zur Aushebung des angefochtenen Urteils führt, auch die darin ausgesprochene rechtskräftige Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt hat, so beschließt das Gericht, daß auch über diesen Mitangeklagten im Be­ rufungsverfahren verhandelt und entschieden wird, wenn eine wesentlich andere Entscheidung gegen diesen Mitangeklagten zu erwarten ist. Vor der Entscheidung werden der Staatsanw alt und der Mitangeklagte gehört. Der Vorsitzer kann anordnen, daß die Vollstreckung ausgesetzt wird. § 328 Ausbleiben

des

Angeklagten

Wenn der Angeklagte allein die Berufung ein­ gelegt hat, aber bei Beginn einer Hauptverhandlung nicht erschienen und sein Ausbleiben unentschuldigt ist, so wird durch Urteil festgestellt, daß die Berufung als zurückgenommen gilt. Sonst wird in der Sache verhandelt oder seine Vorführung oder Verhaftung angeordnet. Ist nach dieser Vorschrift ein Urteil' ergangen, so gilt der § 58 über die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung. § 329 B e r u f u n g de s geset zl i chen V e r t r e t e r s Hat der gesetzliche Vertreter des Angeklagten selb­ ständig Berufung eingelegt, so bestimmt sich die Pflicht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, nach den allgemeinen Vorschriften. D as­ selbe gilt, wenn derjenige, der das Recht hat, für die Person des Angeklagten zu sorgen, oder der Ehemann einer Angeklagten Berufung eingelegt hat. Ist beim Beginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch ein Beschwerdeführer erschienen, so gilt § 328.

Urteilsrüge § 331 Wi r kung

der U r t e i l s r ü g e

Auf die Urteilsrüge wird das angefochtene Urteil nachgeprüft, 1. ob es auf einem Fehler im Verfahren beruht, 2. ob es wegen eines Fehlers in der Anwendung -des Rechts aus die festgestellten Tatsachen oder bei Ausübung des richterlichen Ermessens, ins­ besondere der Bemessung der Strafe, ungerecht ist, 3. ob ein so schweres Bedenken gegen die Richtig­ keit der tatsächlichen Feststellungen besteht, daß eine neue Entscheidung notwendig ist. § 332 Einlegung

der

Urteilsrüge

Die Urteilsrüge ist binnen einer Woche nach Ver? kündung des Urteils einzulegen. W ar der Angeklagte bei der Verkündung nicht anwesend, so beginnt für ihn die Frist mit der Zustellung. Dem Beschwerdeführer wird das Urteil mit G rün­ den zugestellt, wenn die Urteilsrüge rechtzeitig ein­ gelegt ist. § 333 Begründung

der

Urteilsrüge

Der Beschwerdeführer nmß die Urteilsrüge be­ gründen. Die Begründung soll ersehen lassen, ob er das Urteil wegen eines Fehlers im Verfahren oder wegen eines Fehlers in der Anwendung des Rechts aus die festgestellten Tatsachen beanstandet oder was er sonst gegen das Urteil vorbringt. Rügt er einen Fehler im Verfahren, so muß er die Tatsachen bezeichnen, in denen er den Fehler erblickt. § 334

Begr ündungs f r i s t

§ 330

Der Beschwerdeführer muß die Urteilsrüge binnen einer Woche nach Ablauf der Frist, in der sie einzu­ legen ist, begründen. W ar zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zu­ stellung.

Andere Versahrensvorschrist en I m übrigen gelten die Vorschriften über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges. Der Ange­ klagte kann nach § 48 von der Pflicht zum Erscheinen befreit werden. Der Angeklagte wird in der Ladung aus die Folgen unentschuldigten Ausbleibens hingewiesen. D as Gleiche gilt für den, der gemäß § 329 Berufung eingelegt hat.

Auf Antrag kann der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, die Frist verlängern. Seine Entscheidung ist nicht anfechtbar. Kann ein vom Beschwerdeführer gerügter Fehler im Verfahren nicht mehr durch die Verhandlungs­ niederschrift bewiesen werden, weil diese berichtigt worden ist, nachdem die Urteilsrüge auf den Fehler gestützt worden war, so kann der Beschwerdeführer die Urteilsrüge binnen einer Woche nach Zustellung

der Berichtigung neu begründen. Hierüber wird er belehrt. Der Angeklagte kann an der Hauptverhandlung teilnehmen. Ein Verteidiger kann für ihn austreten.

Der Vorsitzer kann das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen.

§ 335

G a n g der V e r h a n d l u n g

§ 340 Fornr

der

Begründung

Der Angeklagte kann die Urteilsrüge nur in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht begründen. § 336 V e r w e r f u n g dur ch d a s u n t e r e Ge r i c h t D as Gericht, dessen Urteil angefochten ist, verwirft die Urteilsrüge als unzulässig, wenn sie verspätet ein­ gelegt oder nicht rechtzeitig oder nicht in der vorge­ schriebenen Form begründet worden ist. Der Beschwerdeführer kann gegen den Beschluß befristete Beschwerde erheben, über sie entscheidet das Urteilsrügegericht. Sie hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht. Der Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, und der Vorsitzer des Urteils­ rügegerichts können die Vollstreckung aussetzen.. § 337 Weiteres Verfahren Verwirft das Gericht die Urteilsrüge nicht nach § 336 als unzulässig, so legt es die Urteilsrüge des Angeklagten und ihre Begründung mit Len Akten dem Staatsanw alt vor; die Urteilsrüge des S ta a ts­ anwalts und ihre Begründung teilt es dem Ange­ klagten mit. Binnen einer Woche kann eine Gegenerklärung abgegeben werden. D er Angeklagte kann sie schrift­ lich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht an­ bringen. Die Sache wird beim Urteilsrügegericht anhängig, sobald der S taatsanw alt ihm die Akten vorlegt. § 338 EntscheidungdesUrteilsrügegerichts D as Urteilsrügegericht entscheidet über die Ur­ teilsrüge auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. E s kann ohne Hauptverhandlung durch Be­ schluß die Urteilsrüge verwerfen, wenn sie unzulässig ist oder einstimmig für offensichtlich unbegründet erklärt wird. § 339 Mi t t e i l u n g über d i e Hauptv erhandlung Dem Angeklagten und dem Verteidiger werden Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitgeteilt. Im übrigen gilt § 49.

I n der Hauptverhandlung berichtet ein Richter über das bisherige Verfahren. D as Urteilsrügegericht kann Beweise selbst auf­ nehmen oder durch einen beauftragten öder ersuchten Richter aufnehmen lassen, wenn der Oberreichsanwalt es beantragt. Findet eine Beweisaufnahme statt, so kann es Feststellungen über einzelne von mehreren Taten, abtrennbare Teile einer T a t oder andere Vor­ gänge, die selbständig festgestellt werden können, seiner Entscheidung zugrundelegen, wenn sie nach seiner Überzeugung in dem angesochtenep Urteil einwandfrei getroffen sind. Bei den Schlußvorträgen spricht der Beschwerde­ führer in der Regel zuerst. Der Angeklagte hat das letzte Wort. § 341

U mf a n g der P r ü f u n g D as Urteilsrügegericht prüft in jedem Fall die im § 331 Nr. 2 und 3 bezeichneten Fragen. Hat sich das Recht nach Verkündung des angefochtenen Urteils geändert, so prüft es auch, ob das neue Recht angewandt werden soll (§ 80 S tG B ). Bei der Prüfung des Verfahrens geht das Urteils­ rügegericht von der Begründung der Urteilsrüge aus. Erkennt es sonst einen nicht gerügten Fehler im Ver­ fahren, so berücksichtigt es auch ihn. § 342 Inhalt

der Ent schei dung

D as Urteilsrügegericht hebt das angefochtene Urteil auf oder verwirft die Urteilsrüge. Hebt es das Urteil auf, so kann es in der Sache selbst entscheiden oder sie zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, desien Urteil aufgehoben wird, oder an ein anderes Gericht zurückverweisen. D as Urteilsrügegericht kann eine Freiheitsent­ ziehung, die der Angeklagte seit der Verkündung des angefochtenen Urteils erlitten hat, auf die Strafe an­ rechnen. § 343 E n t s c h e i d u n g ü b e r d ie t a t s ä c hl i c he n Feststellungen Verweist das Urteilsrügegericht die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück, so entscheidet es darüber, ob. und inwieweit die tatjächlichen Fest­ stellungen des angefochtenen Urteils aufgehoben werden.

D as Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, kann seiner Entscheidung tatsächliche Feststel­ lungen des früheren Urteils, die das Urteilsrüge­ gericht nicht aufgehoben hat, zugrundelegen. § 344 W i r k u n g a u f M i t a n g e kl a g t e Ergibt die Verhandlung, daß der Grund, der zur Aushebung des angefochtenen Urteils führt, auch die darin ausgesprochene rechtskräftige Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt hat, so erkennt das Urteilsrügegericht, als ob auch dieser Teil der E n t­ scheidung mit der Urteilsrüge angefochten wäre. Vor der Entscheidung werden der Staatsanw alt und der Mitangeklagte gehört. Der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts oder des Gerichts, an das zurück­ verwiesen wird, kann anordnen, daß die Vollstreckung ausgesetzt wird. § 345 Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung Hat der Angeklagte ohne eigenes Verschulderl die Hauptverhandlung ganz oder teilweise versäumt, so kann das Urteilsrügegericht auf seinen Antrag an­ ordnen, daß die Hauptverhandlung zu wiederholen 'ftD as Verfahren richtet sich nach den §§ 351, 352. § 346 B i n d u n g a n di e recht l i che B en r t ei l u n g D as Gericht, an das die Sache verwiesen wird, ist bei seiner Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden, auf die das Urteilsrügegericht die Auf­ hebung des angefochtenen Urteils gestützt hat. Dritter Abschllitt

Wa h r u n g der R e c h t s e i n h e i t § 347 E i n h o l u n g der Ent schei dung des Rei chs ger i cht s Hat ein Strafsenat des Oberlandesgerichts in einer Beschwerdesache über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, so legt er die Sache dem Reichsgericht zur Entscheidung vor, wenn er das zur Sicherung einer einheitlichen Recht­ sprechung für erforderlich hält. Der Senat legt bei der Vorlegung seine Rechtsaufsassung dar. D as muß auch dann geschehen, wenn der General­ staatsanwalt aus diesen Gründen die Vorlegung für erforderlich hält.

§ 348 i) Ent s chei dung des G r o ß e n S e n a t s des Re i c hs ge r i c ht s in grundsätzlichen Recht s f r agen Hat ein Strafsenat des Reichsgerichts über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent­ scheiden, so legt er die Sache dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor, wenn er das zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält. D as muß auch dann geschehen, wenn der Ober­ reichsanwalt beim Reichsgericht aus diesen Gründen die Vorlegung für erforderlich hält. § 349 E n t s c h e i d u n g d e r G r o ß e n S e n a t e bei a b w e i c h e n d e r R e ch t s a u f f a s s u n g Der Große Senat für Strafsachen entscheidet ferner, wenn ein Strafsenat des Reichsgerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Strafsenats des Reichsgerichts oder des Großen S e ­ nats für Strafsachen abweichen will. Will ein Strafsenat des Reichsgerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines Zivilsenats des Reichsgerichts oder des Großen S en ats für Zivil­ sachen abweichen, so entscheiden die Vereinigten Großen Senate des Reichsgerichts. Dasselbe gilt, wenn ein Strafsenat des Reichsgerichts von einer Entscheidung der Vereinigten Großen Senate ab­ weichen will. § 350 V e r f a h r e n vor den Gr o ß e n

Senaten

Die Großen Senate entscheiden ohne mündliche Verhandlung nur über die Rechtsfrage. S ie *) Es wird davon ausgegangen, daß in den Entwurf des GVG. folgender § eingestellt wird: §

Gr o ß e S e n a t e Beim Reichsgericht wird für die in den §§ 348, 349 der Strafverfahrensordnung............bestimmten Aus­ gaben ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Jeder Große Senat besteht aus dem Präsidenten und acht Mitgliedern. Die Mitglieder und ihre Vertreter werden vom Reichsminister der Justiz jeweils für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. Bestellt werden kann nur, wer die Fähigkeit zum Richteramt hat; die Mehrheit der Mitglieder müssen Senatspräsidenten oder Räte des Reichsgerichts, zwei Mitglieder müssen ordent-liche Professoren der Strafrechtswissenschaft an einer deutschen Universität sein. Die Vereinigten Großen Senate des Reichsgerichts bestehen aus dem Präsidenten und sämtlichen Mitgliedern der Großen Senate. Den Vorsitz in den Großen Senaten und in den Vereinigten Großen Senaten des Reichsgerichts führt dessen Präsident. Ih n vertritt bei seiner Verhinderung das dienstälteste Mitglied des Großen Senats. I n den Fällen des § 348 der Strafverfahrensord­ nung .................können der Präsident des erkennenden Senats, in den Fällen des § 349 der Strafverfahrensord­ nung ..............die Präsidenten der beteiligten Senate an der Sitzung des Großen Senats oder der Vereinigten Großen Senate mit den Befugnissen eines Mitgliedes teil­ nehmen oder ein Mitglied ihres Senats in die Sitzung entsenden.

können dabei auch über andere Rechtsfragen entschei­ den, die m it der zur Entscheidung gestellten Rechts­ frage im Zusam m enhang stehen. D er O berreichsan­ w alt wird zuvor gehört; er kann auch in der Sitzung seine Auffassung darlegen. Die weitere Entscheidung in der Sache steht dem erkennenden S e n a t zu. F ü r ihn ist die Entscheidung des G roßen S e n a ts in der vorliegenden Sache b in ­ dend. E rfordert deren Entscheidung eine neue mündliche V erhandlung vor dem erkennenden S e n a t, so w ird die Entscheidung der Rechtsfrage dem V er­ teidiger und den Beteiligten rechtzeitig vorher m it­ geteilt.

Drittes Hauptstück Andere Rechtsbehelfe Erster Abschnitt

Wi e d e r h o l u n g ei ner ve r s ä umt e n Haupt ver handl ung § 351 Ant r a g D er A ntrag, eine versäumte Hauptverhandlung gemäß §§ 58, 328 Abs. 2, 345 zu wiederholen, ist binnen einer Woche bei dem Gericht zu stellen, vor dem die H auptverhandlung stattgesunden hat. Die Frist beginnt m it der Zustellung des U rteils. I n n e r ­ halb der F rist sind auch die G ründe der S ä u m n is anzugeben und glaubhast zu machen. D er A ntrag hemmt die Vollstreckung nicht. D er Vorsitzer kann anordnen, daß sie ausgesetzt wird. § 352 Ent s c he i dung Uber den A ntrag entscheidet das Gericht, vor dem die H auptverhandlung stattgefunden hat. D er Beschluß, der dem A ntrag stattgibt, ist u n ­ anfechtbar. D er Beschluß, der den A ntrag als u n ­ zulässig verw irft ober als unbegründet zurückweist, kann mit der befristetem Beschwerde angefochten werden.

die Frist mit der Zustellung des Beschlußes des B e­ schwerdegerichts. Zweiter Abschnitt

Wi e d e r a u f n a h me des Ve r f a h r e n s § 354 Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder B e w e i s m i t t e l E in durch rechtskräftiges U rteil geschloffenes V er­ fahren wird wieder aufgenommen, wenn neue T a t­ sachen oder Bew eism ittel beigebracht sind, die allein oder verbunden m it den früheren geeignet sind, 1 /b ie Freisprechung eines V erurteilten oder eine wesentlich mildere Ahndung oder statt der V er­ urteilung die Einstellung des Verfahrens zu begründen, 2. die V erurteilung eines Freigesprochenen oder eine wesentlich strengere Ahndung oder statt der Einstellung des V erfahrens die V erur­ teilung des Angeklagten zu begründen, 3. eine wesentlich andere Entscheidung über eine sichernde M aßregel herbeizuführen. E iner V erurteilung im S in n e dieser Vorschrift steht die V erw arnung mit S trasvorbehalt oder das Absehen von S trafe gleich. § 355 W i e d e r a u f n a h m e b e i B e s c h w e r durch die G r ü n d e des U r t e i l s D as Verfahren wird wieder ausgenommen, wenn die Gründe des rechtskräftigen U rteils, das freispricht oder das Verfahren einstellt, die E h reb es Angeklagten schwer mindern oder ihn sonst erheblich schädigen, aber neue Tatsachen oder B ew eism ittel beigebracht sind, die allein oder verbunden mit den früheren geeignet sind, die dem Angeklagten ungünstigen Gründe zu ent­ kräften.

§ 353

§ 356 V o r a u s s e t z u n g der W i e d e r a u f n a h m e D as V erfahren wird nach den §§ 354, 355 nur dann wieder aufgenommen, wenn eine Änderung des U rteils m it großer Wahrscheinlichkeit zu erw arten ist.

V e r h ä l t n i s des A n t r a g s zur Anf ec ht ung des U r t e i l s W enn der Angeklagte beantragt, die H auptver­ handlung zu wiederholen, und daneben das U rteil anficht, so wird zunächst der A ntrag erledigt. S tellt der Angeklagte nur den A ntrag, die H aupt­ verhandlung zu wiederholen, und w ird dieser abge­ wiesen, so gilt d as U rteil als angefochten, es sei denn, daß der Angeklagte etwas anderes erklärt. Die in § 334 bestimmte F rist beginnt in diesem F alle m it dem Ablauf der Frist, innerhalb deren der Angeklagte die Ablehnung des A ntrags anfechten kann; hat er gegen die Ablehnung Beschwerde erhoben, so beginnt

§ 357 W i e d e r a u f n a h m e wegen Verletzung der Dienstpflicht D as V erfahren wird wieder ausgenommen, wenn ein Richter, der bei dem Urteil mitgewirkt hat, wegen Verletzung seiner Dienstpflicht in der Sache rechts­ kräftig verurteilt worden ist. Eine W iederaufnahme wegen Verletzung der Dienstpflicht findet nicht statt, wenn der Richter von der Anklage wegen der S tra fta t rechtskräftig freige­ sprochen oder das gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen M angels an Beweisen eingestellt worden ist.

§ 358 W i e d e r a u f n a h m e nach V o l l s t r e c k u n g Di e W iederaufnahme ist auch dann zulässig, wenn die S tra fe oder sichernde M aßregel schon vollstreckt ist. § 359 Ant rag D as Verfahren wird n u r auf A ntrag eines. A n­ fechtungsberechtigten wieder aufgenommen. D er S ta a tsa n w a lt stellt den A ntrag nach § 354 Abs. 1 N r. 2 nur, wenn die neue Verfolgung zum Schutz des Volkes oder zur S ühne der T a t geboten ist. D er A ntrag muß die Tatsachen, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der W iederaufnahme ergeben sollen, und die B ew eism ittel anführen. E r ist bei dem zur Entscheidung berufenen Gericht ein­ zureichen; dadurch w ird das Verfahren bei Gericht anhängig. D er Angeklagte kann den A ntrag nur in einer von seinem V erteidiger oder einem R echtsanw alt unterzeichneten Schrift oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht oder beim Amtsgericht seines W ohnortes stellen. D er A ntrag hemmt die Vollstreckung des U rteils nicht. § 360 Z u st ä n d i g k e i t Über die W iederaufnahme nach den §§ 354, 355 entscheidet das Gericht, dessen Feststellungen ange­ griffen werden, über die W iederaufnahme nach § 357 das, bei dessen Urteil der Richter mitgewirkt hat. § 361 Ent sc he i dun g über d i e Z u l a ssu n g D as Gericht entscheidet durch Beschluß, ob der A ntrag zulässig oder zu verwerfen ist. E s verw irft den A ntrag als unzulässig, wenn er den Formvorschriften nicht entspricht, wenn sich aus den aufgestellten Behauptungen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der W iederaufnahme ergeben oder keine geeigneten B ew eism ittel angeführt sind oder wenn er sich ausschließlich auf Tatsachen oder B ew eis­ mittel stützt, die schon in einem früheren, rechtskräftig als unbegründet zurückgewiesenen A ntrag gellend gemacht worden sind. E rg ib t sich aus den Tatsachen, auf die der A ntrag gestützt ist, der Verdacht einer S tra fta t, so kann das Gericht die Entscheidung über den A ntrag aussetzen, bis wegen der T a t ein V erfahren durchgeführt ist. W ird der A ntrag zugelassen, so kann der Vorsitzer anordnen, daß die Vollstreckung des U rteils ausgesetzt wird. § 362 Ermittlungen Läßt das Gericht den A ntrag zu, so fordert der Vorsitzer den S ta a ts a n w a lt zur E rklärung über die vorzunehmenden E rm ittlungen auf, wenn der Ange­

klagte, und den Angeklagten, wenn der S taatsan w alt den A ntrag gestellt hat. E r bestimmt eine Frist für die Erklärung. Die Beweise erhebt der Vorsitzer selbst oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter. Zeugen und Sachverständige können vereidigt werden. I m übrigen gelten die Vorschriften über das V o r­ verfahren. A n die Stelle des S ta a tsa n w a lts treten der Vorsitzer und der von ihm beauftragte Richter. S in d die Erm ittlungen abgeschlossen, so wird dem S taatsan w alt, dem Angeklagten, dem Verteidiger und den übrigen Beteiligten Gelegenheit gegeben, inner­ halb angemessener Frist zum Ergebnis der E rm itt­ lungen Stellung zu nehmen. H at der Angeklagte keinen Verteidiger, so wird ihm dabei das Ergebnis der Beweiserhebung mitgeteilt, soweit er bei ihr nicht anwesend w ar. § 363 A n o r d n u n g der W i e d e r a u f n a h m e W enn die gesetzlichen Voraussetzungen der W ieder­ aufnahme nicht dargetan sind, weist das Gericht den A ntrag durch Beschluß als unbegründet zurück. Sonst beschließt es die W iederaufnahme des Verfahrens. H ält das Gericht nach dem E rgebnis der E rm itt­ lungen die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer O rdnung für begründet, hält insbesondere der Amtsrichter eine S tra fe oder sichernde M aßregel für geboten, die seine S trafgew alt überschreitet, oder hält die Schöffenkammer die Strafkam m er für zu­ ständig, so erklärt sich das Gericht in dem Beschluß, der die W iederaufnahme anordnet, für unzuständig und verweist die Sache an das zuständige Gericht. I n diesem F alle gilt § 90 Abs. 3 bis 5 entsprechend. B is zum Beschluß des Gerichts kann der A ntrag auf W iederaufnahme zurückgenommen werden; hatte ihn der S ta a tsa n w a lt gestellt, so bedarf es dazu der Zustimmung des Angeklagten, im anderen F all der des S ta a tsa n w a lts. Beschließt das Gericht die Wiederaufnahme, so entscheidet der Vorsitzer, ob das U rteil weiter zu voll­ strecken oder die Vollstreckung auszusetzen ist; auch der Vorsitzer des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, kann darüber entscheiden. F ü r das weitere Verfahren gelten die Vorschriften über das Hauptversahren, soweit nichts anderes be­ stimmt ist. § 364 V e r h a n d l u n g un d U r t e i l I n der H auptverhandlung verhandelt und ent­ scheidet das Gericht in der Sache neu. D as Gericht kann davon absehen, Beweis über einzelne von mehreren T aten, abtrennbare Teile einer T a t oder andere Vorgänge, die selbständig festgestellt werden können, zu erheben, wenn sie nach seiner Überzeugung im früheren U rteil einwandfrei festgestellt sind und wenn diese Feststellungen vom S ta a tsa n w a lt und vom Angeklagten nicht beanstandet werden. Durch das neue Urteil fällt das frühere weg.

§ 365

Ent s c he i dung durch Bes chl uß D as Gericht kann ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entscheiden, w en n . die Schuldlosigkeit des Verurteilten oder der Mangel eines begründeten Ver­ dachts dargetan ist und der Staatsanw alt der Auf­ hebung des früheren Urteils zustimmt, oder wenn das Verfahren einzustellen ist. § 366 Tod

oder V e r h a n d l u n g s u n s ä h i g k e i t des V e r u r t e i l t e n

I s t der Verurteilte gestorben oder wegen Geistes­ krankheit oder aus einem anderen Grund dauernd verhandlungsunfähig, so wird das Verfahren nach §§ 354, 356, 357 wieder aufgenommen, wenn es dazu führen soll, daß der Verurteilte freigesprochen oder eine schwere Ehrenminderung, die er durch das Urteil erfahren hat, auch ohne Freispruch beseitigt werde. F ü r den Verurteilten können der Ehegatte, die Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel oder Geschwister die Wiederaufnahme beantragen; sie können das Ver­ fahren fortsetzen, wenn der Verurteilte schon den An­ trag gestellt hatte und die Voraussetzungen des Ab­ satz 1 vorliegen. Ordnet das Gericht die Wiederaufnahme an, so kann es ohne Hauptverhandlung durch Beschluß ent­ scheiden. Sind die Voraussetzungen für den Freispruch oder die Beseitigung der schweren Ehrenminderung nicht gegeben, so wird der Antrag zurückgewiesen. Andern­ falls wird das frühere Urteil aufgehoben, ist die Unschuld des Verurteilten erwiesen oder fehlt es am Beweis für seine Schuld, so wird er freigesprochen.

Ordnet das Beschwerdegericht die Wiederaufnahme an, so kann es zugleich bestimmen, daß die neue Hauptverhandlung vor einem anderen Gericht gleicher Ordnung stattzufinden hat. § 369 Wiederaufnahme

§ 368 Be f r i s t e t e Bes chwer de Die Beschlüsse, durch die das Gericht über beu Antrag entscheidet, können mit der befristeten Be­ schwerde angefochten werden. § 359 Abs. 3 gilt ent­ sprechend.

Be s c hl üs s e

Hat das Gericht wegen eines Verfahrenshindernifses das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt (§ 39), so kann das Verfahren nach § 354 Abs. 1 Nr. 2, § 357 wieder aufgenommen werden. F ü r das Verfahren der Wiederaufnahme gelten die Vorschriften dieses Abschnitts entsprechend.

D ritter Abschnitt Nichtigkeitsbeschwerde und außerordentlicher Einspruch gegen Urteile § 370 Vo r a u s s e t z u n g e n der Ni c h t i g k e i t s ­ bes chwer de Gegen rechtskräftige Urteile des Amtsrichters, der Schösfenkanlmer und der Strafkammer kann der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht Nichtigkeitsbe­ schwerde erheben, wenn das Urteil wegen eines groben Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils mehr als sechs Monate verstrichen sind.

§ 367 Öf f ent l i c he B e k a n n t g a b e Hat das Verfahren ergeben, daß der Angeklagte unschuldig ist oder daß kein begründeter Verdacht gegen ihn besteht, oder ist er einer wesentlich leichteren S traftat schuldig oder sonst in wesentlichem Umfang entlastet, ohne daß Freispruch begründet wäre, so kann das Gericht anordnen, daß der In h a lt der neuen Entscheidung öffentlich bekanntgegeben wird. Umfang, Form und O rt der Bekanntmachung bestimmt das Gericht. Die Anordnung wird nur vollzogen, weiln es der Angeklagte binnen drei Monaten beantragt, nachdem ihm die rechtskräftige Entscheidung zugestellt worden ist. Uber das Antragserfordernis und die Frist wird der Angeklagte belehrt. I m Falle des § 366 treten an Stelle des Angeklagten die daselbst genannten Angehörigen.

gegen

§ 371 E n t s c h e i d u n g ü b e r bte Ni cht i gkei t sbeschwer de Die Nichtigkeitsbeschwerde wird beim Reichs­ gericht schriftlich eingelegt. Dieses entscheidet über sie auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Die §§ 339, 340 Abs. 1, 3 und 361 Abs. 4 gelten entsprechend. Hebt das Reichsgericht das angefochtene Urteil auf, so kann es in der Sache selbst entscheiden, wenn die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Ur­ teils dazu ausreichen; sonst verweist es die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein anderes Gericht zurück. § 372 Verfahren

vor

den: u n t e r e n

Ge r i c h t

D as Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, verhandelt neu in der Sache. Bei seiner E n t­ scheidung ist es an die rechtliche Beurteilung gebun­ den, auf die das Reichsgericht die Aufhebung des angefochtenen Urteils gestützt hat.

§ 373

§ 374

Au ß e r o r d e u t l i ch e r E i n s p r u c h

Wi r k u n g - e s Ei ns pr uc hs

Gegen rechtskräftige Urteile des Amtsrichters, der Schöfsenkammer und der Strafkammer kann der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht Einspruch er­ heben, wenn er wegen schwerwiegender Bedenken gegen die Richtigkeit des Urteils eine neue Verhand­ lung und Entscheidung in der Sache für notwendig hält. Auf Grund des Einspruchs entscheidet der Beson­ dere Strafsenat des Reichsgerichts (§ des Gerichtsverfassungsgesetzes *)). Der Einspruch ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem E intritt der Rechtskraft des Urteils mehr als sechs Monate verstrichen sind.

Der Einspruch wird beim Reichsgericht schriftlich eingelegt. E r bewirkt den Wegfall des Urteils, gegen das er sich richtet. Is t das Urteil im Berufungsverfahren ergangen, so fällt auch das Urteil des ersten Rechts­ zuges weg.

l ) I n das Gerichtsversassungsgesetz ist folgende Vorschrift aufzunehmen: § - - - Besonderer Strafsenat F ür die in den §§ 105, 373 der Strafverfahrensordnung bestimmten Aufgaben wird ein Besonderer Strafsenat des Reichsgerichts gebildet. Der Besondere Strafsenat besteht aus dem Präsidenten und vier Mitgliedern. Den Vorsitz führt der Präsident des Reichsgerichts, bei dessen Verhinderung der Vizepräsident des Reichsgerichts. Die Mitglieder und ihre Vertreter werden auf Vorschlag des Reichsministers der Justiz vom Führer uttd Reichskanzler für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. Zwei von ihnen müssen Senatspräsidenten oder Räte des Reichsgerichts sein.

§ 375 Weiteres Verfahren Die Sache wird beim Reichsgericht anhängig, sobald der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht ihm die Akten vorlegt. Befindet sich der Verurteilte auf Grund des weg­ gefallenen Urteils in Strafhaft, so kann der Ober­ reichsanwalt anordnen, daß er festgehalten wird, bis der Vorsitzer des S enats über die Untersuchungshaft entscheidet. § 376 Berfahren

vor dem Reichsgericht

Aus den Einspruch wird die Sache neu verhandelt. D as Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges; der S enat kann von diesen Vorschriften abweichen, wenn er es den Umständen nach für angemessen hält.

Viertes Buch

Besondere V erfahren Erstes Hauptstück Richterliche Voruntersuchung § 377 VorausscJungen S o ll wegen außergewöhnlicher Umstände das V or­ verfahren durch einen Richter geführt werden, so kann der S ta a tsa n w a lt beantragen/ einen Untersuchungs­ richter zu bestellen. D er A ntrag gibt die S tra fta t, die den Gegenstand der Voruntersuchung bilden soll, und, wenn schon ein bestimmter Verdacht besteht, den Beschuldigten an.

der Erm ittlungen verzögert werden würde. E r kann ihre Bestellung zurücknehmen. S ow eit der Untersuchungsrichter die Unter­ suchungshandlungen nicht selbst vornim m t, hat er sie zu leiten. D ie Hilfsuntersuchungsrichter unterstehen seinen Weisungen. I m übrigen gelten für sie die V or­ schriften über den Untersuchungsrichter. W erden M aßnahm en eines Hilfsuntersuchungs­ richters beanstandet, so entscheidet zunächst der U nter­ suchungsrichter. Erst gegen seine Entscheidung ist die Beschwerde zulässig. § 381 S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s D er S ta a tsa n w a lt kann sich jederzeit über den S tan d der Voruntersuchung unterrichten, an den Untersuchungshandlungen teilnehmen und Anträge stellen. Bei Gefahr im Verzug kann er die Befugnisie aus­ üben, die ihm sonst im Vorverfahren zustehen. Uber seine M aßnahm en unterrichtet er alsbald den Unter­ suchungsrichter, der das W eitere verfügt. D er S ta a tsa n w a lt kann den A ntrag auf V or­ untersuchung auf weitere Beschuldigte oder weitere T aten ausdehnen. G ibt die Voruntersuchung hierzu A nlaß, so trifft der Untersuchungsrichter bei Gefahr im Verzug von sich aus die erforderlichen M aß­ nahm en; das W eitere verfügt der S ta a tsa n w a lt.

§ 378 Bestellung d e sU n te r suchungsrichters W äre für das H auptverfahren der Volksge­ richtshof zuständig, so bestellt den Untersuchungsrichter und einen V ertreter der P räsident des Volksgerichts­ hofs, sonst der Präsident des Oberlandesgerichts. D er Präsident des Volksgerichtshofs kann Richter seines Gerichts, eines Oberlandesgerichts, L and­ gerichts oder Amtsgerichts, der P räsident des O ber­ landesgerichts Richter seines Bezirks bestellen. D ie Bestellung ist unwiderruflich. I s t sie erfolgt, so kann der S ta a tsa n w a lt seinen A ntrag nicht mehr zurücknehmen. § 379 Verfahrensvorschriften D er Untersuchungsrichter ist für die Führung der Voruntersuchung verantwortlich. Die Vorschriften über das V orverfahren gelten entsprechend. An die Stelle des S ta a ts a n w a lts tritt der Untersuchungs­ richter. D er Untersuchungsrichter kann auch die H and­ lungen vornehmen, für die im V orverfahren der Richter zuständig ist. Um die Vornahm e einzelner Untersuchungshandlungen kann er einen Amtsrichter ersuchen. Uber die Ausschließung oder Ablehnung des U nter­ suchungsrichters entscheidet der Präsident, der ihn be­ stellt hat. Uber Beschwerden gegen Entscheidungen des Untersuchungsrichters entscheidet der Vorsitzer eines S e n a ts des Oberlandesgerichts und, wenn für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof zuständig wäre, der Vorsitzer eines S e n a ts des Volksgerichtshofs.

§ 383 Weiteres Verfahren Nach Schluß der Voruntersuchung entscheidet der S ta a tsa n w a lt darüber, ob die Anklage zu ergeben oder das V erfahren einzustellen ist. D a s weitere V er­ fahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. Jedoch gilt die Vorschrift über das Schlußgehör (§ 13 Abs. 2) nicht.

§ 380 Hilssuntersuchungsrichter D er Präsident des Gerichts, der den U nter­ suchungsrichter bestellt, kann ihm Hilfsuntersuchungs­ richter beigeben, wenn sonst die Voruntersuchung wegen des Um fangs der Sache oder der Schwierigkeit

§ 384 Gerichtliche E inste llu n g des Verfahrens Erhebt der S ta a tsa n w a lt nicht die Anklage, so kann er auch beantragen, daß über die Einstellung des

§ 382 Sc hl uß der Vo r u n t e r s u c h u n g Nach dem Abschluß der E rm ittlungen hört der Untersuchungsrichter den Beschuldigten und gibt bcnt V erteidiger Gelegenheit zur Stellungnahm e ent­ sprechend den im V orverfahren geltenden Vorschriften (§ 13). D an n schließt er nach A nhörung des S ta a ts ­ anw alts die Voruntersuchung. D er S ta a tsa n w a lt kann den Untersuchungsrichter ersuchen, die Voruntersuchung zu ergänzen.

Verfahrens das Gericht entscheide. W äre für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof zuständig, so entscheidet dieser, sonst das Oberlandesgericht. D er Vorsitzer des Gerichts kann den Untersuchungsrichter ersuchen, die Voruntersuchung zu ergänzen. D as Gericht entscheidet über den A ntrag nach den für die Einstellung durch den S ta a tsa n w a lt geltenden Vorschriften. Lehnt das Gericht die Einstellung des V erfahrens ab, so hat der S ta a tsa n w a lt die Anklage zu erheben. E r kann sie nicht zurücknehmen. D a s Gericht, vor dem er die Anklage erhebt, kann die Anberaum ung der H auptverhandlung n u r wegen Unzuständigkeit ab­ lehnen. Hat das Gericht das V erfahren eingestellt, so kann es nach den §§ 354 Abs. 1 N r. 2, 357 wiederauf­ genommen werden. D ie Vorschriften über die W iederaufnahme des V erfahrens gelten entsprechend. § 385 Ö r t l i c h e Z u st ä n d i g k e i t Die örtliche Zuständigkeit zur Bestellung des Untersuchungsrichters und zu richterlichen Entschei­ dungen, die aus A nlaß einer Voruntersuchung ergehen, richtet sich nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte im Hauptverfahren. M aß­ gebend ist der Zeitpunkt, in dem der Richter tätig wird. § 386 A u s s c h l i e ß u n g von: R i c h t e r a m t D er Untersuchungsrichter darf in derselben Sache weder a ls Vorsitzer noch bei Entscheidungen des er­ kennenden Gerichts als mitwirkender Richter tätig sein. W er als Richter bei der Entscheidung über die Einstellung des V erfahrens mitgewirkt hat, darf in der H auptverhandlung das Richteramt nicht ausüben.

A nberaum ung der H auptverhandlung (§§ 32 bis 37) finden keine Anwendung. D er Ladung des Beschuldigten bedarf es hur, wenn er sich nicht freiwillig zur Hauptverhandlung stellt oder nicht dem Gericht vorgeführt wird. M it der Ladung wird ihm mitgeteilt, w as ihm zur Last gelegt wird. Die Ladungssrist beträgt vierundzwanzig S tunden. D er S ta a tsa n w a lt erhebt die Anklage m ünd­ lich zu B eginn der Hauptverhandlung. D er Anklage­ satz wird in die Niederschrift aufgenommen. § 389 Verteidigung Sow eit die B efugnis des Verteidigers, mit dem Beschuldigten zu verkehren, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, nach den §§ 145, 146 bis zum Abschluß der Erm ittlungen beschränkt werden kann, sind diese Beschränkungen bis zur Stellung des A ntrags (§ 387) zulässig. § 390 A b l e h n u n g des be s c hl e uni g t e n Verfahrens D er Amtsrichter lehnt die A burteilung im be­ schleunigten V erfahren ab, wenn sich die Sache zur Verhandlung in diesem Verfahren nicht eignet, in s­ besondere, wenn die Verteidigung des Beschuldigten dadurch wesentlich erschwert werden würde. D ies kann auch in der Hauptverhandlung geschehen. D er Beschluß ist unanfechtbar. W ird die Aburteilung im beschleunigten V er­ fahren abgelehnt, so gilt die Anklage als nicht erhoben. Zw eiter Abschnitt

Strafbefehl

Zweites Hauptstück Vereinfachte Verfahren Erster Abschnitt

Beschleunigtes Verfahren § 387 Voraussetzungen D er S ta a tsa n w a lt kann schriftlich oder mündlich den A ntrag stellen, daß der Amtsrichter eine T a t im beschleunigten V erfahren aburteilt, wenn der Sach­ verhalt einfach und die sofortige A burteilung ohne weiteres möglich ist. § 388 Anklage und A n b e r a u m u n g der H a u p t V e r h a n d l u n g Auf A ntrag des S ta a tsa n w a lts w ird die H auptverhandlung sofort durchgeführt oder m it kür­ zester F rist anberaum t. D ie Vorschriften über die

§ 391 Vorailssetzungen Durch Strafbefehl kann der Amtsrichter auf schriftlichen A ntrag des S taa tsa n w a lts ohne H aupt­ verhandlung auf Freiheitsstrafe bis zu drei M onaten oder Geldstrafe, allein oder nebeneinander oder neben Bekanntmachung der Entscheidung, Verfallerklärung, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung erkennen. § 392 Antrag D er S ta a tsa n w a lt beantragt eine bestimmte S trafe oder M aßregel. I m A ntrag werden ange­ geben: 1. der Name (auch Geburtsnam e), Rufname, W ohnort, G eburtstag und G eburtsort des Angeklagten und, wenn er A usländer ist, seine Staatsangehörigkeit; 2. die T a t, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, Zeit und O rt ihrer Begehung, die stras-

bare H andlung, die sie darstellt, und die anzu­ wendenden Strasvorschristen; 3. die Zeugen und anderen B ew eism ittel. D er A ntrag steht der Anklage gleich. § 393 A b l e h n u n g des A n t r a g s D er Am tsrichter lehnt den A ntrag ab, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter 'denen aus eine A n­ klage die A nberaum ung der Hauptverhandlung abzu­ lehnen wäre. Gegen die Ablehnung des A ntrags steht dem S ta a tsa n w a lt die befristete Beschwerde zu. I s t diese begründet, so bestimmt das Beschwerdegericht, daß der Amtsrichter die Hauptverhandlun-g anzuberaum en hat. I s t der A ntrag nicht abzulehnen, hat der A m ts­ richter aber Bedenken, ohne H auptverhandlung zu entscheiden, so beraum t er die H auptverhandlung an. D ies gilt namentlich, wenn er eine andere als die beantragte S tra fe oder M aßregel sestsetzen will und der S ta a tsa n w a lt dam it nicht einverstanden ist. B ei der Ladung wird dem Angeklagten der A ntrag des S ta a ts a n w a lts ohne die beantragte S tra fe oder M aßregel m itgeteilt. § 394 E r l a ß des S t r a f b e f e h l s H at der Am tsrichter keine Bedenken gegen den A ntrag, so erläßt er den Strafbefehl. D er S trafbefehl hat den I n h a lt, der für den A ntrag vorgeschrieben ist; in ihm wird die beantragte S tra fe oder M aßregel festgesetzt. E r enthält ferner den H inw eis, daß er vollstreckbar wird, wenn nicht binnen einer Woche seit seiner Bekanntgabe bei dem Amtsgericht schriftlich oder mündlich zur Niederschrift Einspruch erhoben wird. D er S trafbefehl wird dem Angeklagten be­ kanntgegeben. E r wird ferner dem gesetzlichen V er­ treter des Angeklagten und dem, der das Recht hat, für die Person des Angeklagten zu sorgen, mitgeteilt. Is t jedoch die M u tter neben dem V ater sorgeberechtigt, so w ird er n u r dem V ater mitgeteilt. E r darf nicht öffentlich zugestellt werden. B is zur Bekanntgabe kann der Amtsrichter den Strafbefehl zurücknehmen. § 395 Ei ns pruch D er Angeklagte kann gegen den Strafbefehl binnen einer Woche nach der Bekanntgabe Einspruch erheben. F ü r den Einspruch gelten die §§ 300 bis 304 entsprechend. § 396 Entscheidung auf den Einspruch Aus den Einspruch beraum t der A m tsrichter die H auptverhandlung an.

I s t der Einspruch nicht vorschriftsmäßig er­ hoben, so verw irft ihn der Amtsrichter als unzulässig. D er Beschluß kann m it der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 397 Zur üc kna hme der A n k l a g e und des

Ei nspruchs D er S ta a tsa n w a lt kann die Anklage bis zur Verkündung eines U rteils im ersten Rechtszuge zurück­ nehmen, nach B eginn der H auptverhandlung jedoch nur m it Zustimmung des Am tsrichters und des A n­ geklagten. B is zu demselben Zeitpunkt kann der Ange­ klagte den Einspruch zurücknehmen, nach B eginn der Hauptverhandlung jedoch n u r mit Zustimmung des Amtsrichters und des S taatsan w alts. § 398 A u s b l e i b e n des A n g e k l a g t e n I s t der Angeklagte bei Beginn der H auptver­ handlung des ersten Rechtszuges nicht erschienen und sein Ausbleiben nicht entschuldigt, so wird durch U r­ teil festgestellt, daß der Einspruch als zurückgenommen gilt. H at der gesetzliche V ertreter des Angeklagten selbständig Einspruch eingelegt, so bestimmt sich die Pflicht des Angeklagten, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, nach den allgemeinen Vorschriften. D a s­ selbe gilt, wenn derjenige, der das Recht hat, für die Person des Angeklagten zu sorgen, oder der Ehem ann einer Angeklagten den Einspruch eingelegt hat. Is t bei B eginn der Hauptverhandlung weder der Ange­ klagte noch ein Beschwerdeführer erschienen, so gilt Absatz 1 entsprechend. I s t nach diesen Vorschriften ein U rteil ergan­ gen, so gilt § 58 über die W iederholung einer ver­ säumten H auptverhandlung entsprechend. § 399 Re c ht s kr af t D er Strafbefehl erlangt die W irkung eines rechtskräftigen U rteils, wenn gegen ihn kein Einspruch erhoben oder wenn der Einspruch zurückgenommen oder durch eine Entscheidung verworfen wird, die nicht mehr anfechtbar ist. F ü r die W iederaufnahme eines durch rechts­ kräftigen Strafbefehl geschloffenen V erfahrens gelten die §§ 354 bis 369 entsprechend. D as V erfahren wird auch dann wieder aufgenommen, wenn die T at unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gewür­ digt werden soll und danach 1. die T at zur Zuständigkeit der Strafkam m er, des Oberlandesgerichts oder des Volksgerichts­ hofs gehört oder 2. eine T at, die m it dem Tode oder m it lebens­ langem Zuchthaus bedroht ist, ein Totschlag auch in den F ällen des § 408 des Strafgesetz­ buchs oder ein M eineid (§§ 379, 382 des Strafgesetzbuchs) in F rage kommt.

§ 400 V e r w a r n u n g mit S t r a s v o r b e h a l t H ält der S ta a tsa n w a lt eine V erw arnung mit Strasvorbehalt für angemessen, so kann der A m ts­ richter sie auf A ntrag des S ta a tsa n w a lts ohne H aupt­ verhandlung aussprechen. D er S ta a tsa llw a lt bean­ tragt zugleich die S trafe, die vorbehalten werden soll. I m übrigen gelten die Vorschriften über den S tr a f ­ befehl entsprechend.

D rittes Hauptstück Verfahren gegen Flüchtige § 401 Grunds at z Entzieht sich der Angeklagte der deutschen Gerichts­ barkeit dadurch, daß er sich im A usland aufhält oder im In la n d verbirgt (Flüchtiger), so wird auf A ntrag des S ta a tsa n w a lts die Hauptverhandlung in Ab­ wesenheit des Angeklagten durchgeführt. D er S ta a tsa n w a lt soll den A ntrag n u r stellen, wenn die alsbaldige A burteilung des Angeklagten geboten, ist. F ü r das V erfahren gelten die allgemeinen V or­ schriften, soweit ihnen nicht die Abwesenheit des A n­ geklagten entgegensteht oder die folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmen. § 402 Öf f e nt l i c he La d u n g D er Flüchtige w ird zur H auptverhandlung öffent­ lich geladen. D ie Anklageschrift w ird ihm nicht zu­ gestellt. D ie Ladung hat den In h a lt, der im § 28 Abs. 2 N r. 1, 2, 4, 5 für die Anklageschrift vorgeschrieben ist. S ie gibt O rt und Zeit der H auptverhandlung an und weist darauf hin, daß bitf H auptverhandlung auch beim Ausbleiben des Flüchtigen stattfinden w ird und das U rteil vollstreckbar ist. Die wiederholte öffentliche Ladung des Flüchtigen zur H auptverhandlung kann nach § 289 Abs. 2 a u s­ geführt werden. § 403 Ande r e Mi t t e i l u n g e n I s t der Aufenthalt des Flüchtigen bekannt, so soll ihm der I n h a lt der Ladung (§ 402 Abs. 2) m it dem Hinweis mitgeteilt werden, daß er zur H auptverhand­ lung öffentlich geladen ist. D er Vorsitzer kann auch andere M aßnahm en treffen, um die Ladung dem Flüchtigen zur K enntnis zu bringen, insbesondere veranlaßen, daß sie durch Rundfunk verbreitet wird. Angehörigen des Flüch­ tigen und anderen Ihm nahestehenden Personen kann eine Abschrift der Ladung mitgeteilt werden. § 404 Verteidiger D er Flüchtige muß einen Verteidiger haben. Auch Angehörige des Flüchtigen können einen Verteidiger wählen.

D er Verteidiger kann auf einen Rechtsbehelf ver­ zichten oder ihn zurücknehmen, auch wenn er dazu nicht besonders (§ 306 Abs. 3) ermächtigt ist. § 405 V o r l ä u f i g e Ei n s t e l l u n g E rgibt die H auptverhandlung, daß sich tu Ab­ wesenheit des Flüchtigen weder seine Schuld noch seine Nichtschuld feststellen läßt, so stellt das Gericht das Verfahren vorläufig ein. D er Beschluß ist unanfechtbar. § 406 Urteil D as U rteil wird als Abwesenheitsurteil gekenn­ zeichnet und dem Flüchtigen öffentlich zugestellt. W ird es angefochten, so w ird es in den Fällen der §§ 320 Abs. 2, 332 Abs. 2 dem Verteidiger zugestellt. I m Berusungsversahren findet § 328 keine A n­ wendung. § 407 (Bestellung W ird der Angeklagte ergriffen oder stellt er sich dem Gericht, so wird das V erfahren in der Lage, in der es sich befindet, fortgesetzt. D er Vorsitzer u n ter­ richtet ihn vom wesentlichen In h a lt dessen, w as in seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Eine H auptverhandlung des ersten, oder des Berusungsrechtszuges, die in Abwesenheit des Angeklag­ ten stattgefunden hat, wird jedoch auf seinen A ntrag wiederholt, w enn er sein Ausbleiben durch triftige G ründe rechtfertigt oder wenn sonstige Umstände ihre W iederholung als notwendig erscheinen lassen. U nter diesen Voraussetzungen kann auch eine Hauptverhand­ lung des Urteilsrügegerichts wiederholt werden. Is t ein Abwesenheitsurteil ergangen, so w ird es dem Angeklagten erneut zugestellt. E r kann den A n ­ trag nur binnen einer Woche nach der Zustellung des U rteils und, wenn ein^Abwesenheitsurteil noch nicht ergangen ist, nur bis zur Beendigung der Schlußvorträge stellen. Uber das Antragsrecht und darüber, bei welchem Gericht und in welcher Frist der A ntrag zu stellen ist, wird er belehrt. Die Vorschriften über die W iederaufnahme des V erfahrens bleiben unberührt. § 408 V e r f a h r e n bei W i e d e r h o l u n g der Hauptverhandlung über den A ntrag auf W iederholung der H aupt­ verhandlung entscheidet das Gericht, bei dem das V erfahren anhängig ist, und, wenn das Urteil rechts­ kräftig geworden ist, das Gericht, das zuletzt ent­ schieden hat. Entscheidet das Gericht eines höheren Rechtszuges, so kann es auch bestimmen, daß die H auptverhandlung des früheren Rechtszuges w ieder­ holt wird.

F ü r den Antrag gelten die allgemeinen Vorschrif­ ten über Rechtsbehelfe (§§ 300 bis 304), für das Ver­ fahren im übrigen die §§ 351 Abs. 2, 352 Abs. 2 und 353 Abs. 1 entsprechend. § 409 Sicherungsmaßnahme Wird der Flüchtige verurteilt oder das Verfahren wegen seiner Abwesenheit vorläufig eingestellt, so kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß Ver­ mögenswerte des Flüchtigen in Höhe eines bestimm­ ten Geldbetrages als Sicherheit zu beschlagnahmen sind, um die Gestellung des Flüchtigen zu erzwingen. D as Gericht bestimmt die Höhe der Sicherheit nach pflichtmäßigem Ermessen. Is t der Flüchtige der T at dringend verdächtig und ein solcher Beschluß zu erwarten, so kann der nach § 249 zuständige Staatsanw alt oder Richter die Be­ schlagnahme vorläufig anordnen. Die §§ 231, 250 über die Bestellung eines Treu­ händers und Pflegers und die richterliche Bestätigung gelten entsprechend. Die Sicherheit verfällt in Höhe des festgesetzten Geldbetrages der Reichskasse, wenn der Flüchtige sich nicht binnen drei Jahren, nachdem ihm der Gerichts­ beschluß bekanntgegeben worden ist, dem Gericht stellt. Hieraus wird der Flüchtige bei der Bekanntgabe hin­ gewiesen. F ü r die Entscheidung über den Verfall der Sicherheit gilt § 216 entsprechend. § 410 Sondervorschristen We hr pf l i cht i ge

für

Nach den Vorschriften dieses Hauptstücks wird auch verfahren, wenn ein Wehrpflichtiger, der sich im Aus­ land aufhält, einer T at beschuldigt wird, die nach den §§ 153,154 oder 155 des Strafgesetzbuchs strafbar ist. Bei Taten, die lediglich nach § 154 des S tra f­ gesetzbuchs strafbar sind, ist die Verteidigung nicht not­ wendig. Örtlich zuständig sind auch das Amtsgericht Berlin und die ihm übergeordneten Gerichte.

Viertes Hauptstück Verfahren mit besonderen Aufgaben Erster Abschnitt

Sicherungsversahren § 411 Voraussetzungen Der Staatsanw alt kann den Antrag stellen, eine mit Freiheitsentziehung verbundene sichernde Maß­ regel oder die Entmannung selbständig anzuordnen, wenn nach dem Ergebnis der Ermittlungen die selb­ ständige Anordnung zu erwarten ist (Sicherungsver­ fahren).

§ 412 Verfahrensvorschriften F ü r das Sicherungsverfahren gelten die Vor­ schriften über das Strafverfahren entsprechend, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Der Antrag steht der Anklage gleich. Er bezeich­ net die Maßregel, die angeordnet werden soll, und entspricht dem In h a lt der Anklageschrift. Der S ta a ts­ anwalt kann den Antrag bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszug zurücknehmen. Wird keine Maßregel angeordnet, so spricht das Urteil aus, daß der Antrag abgelehnt wird. § 413 Ha u p t v e r h a n d l u n g i n Abwesenheit des B e t r o f f e n e n Soweit eine Verhandlung in Anwesenheit des Betroffenen wegen seines Zustandes unmöglich oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unangebracht ist, kann die Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit durchgeführt werden. Kann der Betroffene deshalb nicht in der Haupt­ verhandlung vernommen werden, ist er aber verneh­ mungsfähig, so vernimmt ihn zuvor der Vorsitzer oder ein beauftragter Richter über seine persönlichen Ver­ hältnisse und den Antrag des S taatsanw alts; dabei wird ein Arzt als Sachverständiger zugezogen. F ü r die Vernehmung gilt § 47 über das Verfahren bei der vorbereitenden Beweisaufnahme entsprechend. Auch der gesetzliche Vertreter und derjenige, der das Recht hat, für die Person des Betroffenen zu sorgen, können an der Vernehmung teilnehmen. § 414 Übergang zu m S t r a f v e r f a h r e n Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß auf Strafe zu erkennen ist, so weist der Vorsitzer den Be­ troffenen auf die veränderte Rechtslage hin und gibt ihm Gelegenheit, sich zu verteidigen. Is t nach § 413 in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt worden, so werden die Teile der Hauptverhandlung wiederholt, bei denen er nicht zugegen war.

Zweiter Abschnitt

Einziehungsversahren § 415 Z u z i e h u n g des E i n z i e h u n g s ­ beteiligten Macht ein anderer als der Beschuldigte an einem Gegenstand, über dessen Einziehung zu entscheiden ist, ein Recht geltend oder liegt ein Anhalt dafür vor, daß einem anderen als dem Beschuldigten ein solches Recht zusteht, so wird er als Einziehungsbeteiligter zum Strafverfahren zugezogen. Der Einziehungsbeteiligte hat sein Recht glaubhaft zu machen.

§ 416 Einzieh ungsbeteiligten

D ie §§ 416, 417 finden in diesem Falle keine A n­ wendung.

Der Ein^iehungsbeteiligte hat dieselben Rechte wie der Angeklagte, soweit das V erfahren die Einziehung betrifft. E r w ird zur H auptverhandlung geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, daß über die E in ­ ziehung auch ihm gegenüber entschieden wird. M it der Ladung wird ihm die Anklageschrift oder ein A u s­ zug d arau s mitgeteilt, wenn nicht wichtige G ründe dagegen sprechen. Eine Ladung im A usland kann formlos m itgeteilt werden; eine öffentliche Ladung findet nicht statt. D er Einziehungsbeteiligte kann sich in der H aupt­ verhandlung durch einen Rechtsanw alt vertreten lassen. Auch wenn er nicht geladen ist, kann er er­ scheinen und sein Recht geltend machen. B leibt er auf ordnungsm äßige Ladung aus, so wird ohne ihn ver­ handelt. I s t der Einziehungsbeteiligte zur H auptverhand­ lung geladen oder erschienen, bei der Verkündung des Urteils aber nicht zugegen und auch nicht vertreten, so wird ihm das U rteil zugestellt. D ies gilt nicht, wenn das U rteil im A usland oder öffentlich zugestellt werden müßte.

§ 419 B e t e i l i g u n g im S t r a f b e f e h l s ­ verfahren W ird die Einziehung durch Strafbefehl angeorduet, so wird dieser auch dem Einziehungsbeteiligten bekanntgegeben. D er Einziehungsbeteiligte wird darauf hingewiesen, daß über die Einziehung auch ihm gegenüber entschieden wird. F ü r die Bekanntgabe des Strafbefehls gilt § 416 Abs. 2 Satz 3 entsprechend. D er Einziehungsbeteiligte kann gegen den S tra f­ befehl Einspruch nu r einlegen, soweit er die E in ­ ziehung betrifft. § 417 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend. D ie Frist zur Erhebung des Einspruchs beginnt für den Einziehungsbeteiligten, dem der Strafbefehl nicht zuzustellen ist und auch nicht verkündet wird, m it der Bekanntgabe des Strafbefehls an den Beschuldigten.

Recht e

d es

§ 417 Rechtsbehelse D er Einziehungsbeteiligte kann das Urteil nur anfechten, soweit es die Einziehung betrifft. Die A n­ fechtungsfrist beginnt für Einziehungsbeteiligte, denen das U rteil zuzustellen ist, m it der Zustellung, für an ­ dere m it der Verkündung. I m übrigen gelten die Vorschriften über die Rechtsbehelse des Angeklagten entsprechend. D as Rechtsmittelgericht ist an den Schuldspruch des angefochtenen U rteils gebunden, wenn es nicht zugleich auf ein Rechtsmittel des S ta a tsa n w a lts ober des Angeklagten zu entscheiden hat. D ies gilt nicht, wenn das U rteil im V erfahren gegen Flüchtige ergan­ gen ist. Hat der Einziehungsbeteiligte die Hauptverhandluna versäumt, so kann er nicht ihre W iederholung verlangen. I s t die W iederaufnahme des V erfahrens lediglich auf A ntrag des Einziehungsbeteiligten angeordnet worden, so kann ohne neue H auptverhandlung durch Beschluß entschieden werden. § 418 V o r b e h a l t der Rechte D er Vorsitzer kann dem Einziehungsbeteiligten im Urteil die Geltendmachung seiner Rechte vorbehalten, wenn seine Zuziehung das S trafv erfah ren verzögern würde. D er V orbehalt kann schon vor Verkündung des U rteils durch Beschluß ausgesprochen werden. D er Einziehungsbeteiligte kann diese Entscheidung nicht anfechten.

§ 420 S e l b st ä n d i g e s Einziehungsverfahren D er S ta a tsa n w a lt kann den A ntrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn nach dem E rgebnis der Erm ittlungen die selbständige A nord­ nung zu erwarten ist. IX b z x den A ntrag des S ta a tsa n w a lts wird ans G rund einer H auptverhandlung durch Urteil ent­ schieden, wenn der S ta a tsa n w a lt es beantragt oder der Vorsitzer es für angemessen hält. Die Rechtsstellung des Beschuldigten und des Einziehungsbeteiligten richtet sich nach den §§ 415 bis 417. S o n st entscheidet das Gericht durch Beschluß nach A nhörung des S ta a tsa n w a lts und der Beteiligten. D er Beschluß kann m it der befristeten Beschwerde an­ gefochten werden. I m übrigen gelten die Vorschriften über das S trafverfahren und des § 412 Abs. 2, 3 ent­ sprechend. Örtlich zuständig ist auch das Gericht, tu dessen Bezirk sich der einzuziehende Gegenstand zur Z eit der Stellung des A ntrags befindet. § 421 Nachträgliche Ge l t e n d ma c h u n g der Rechte D er Einziehungsbeteiligte kattn Einwendungen gegen eine rechtskräftig angeordnete Einziehttttg in einem Nachversahren geltend machen, 1. wenn er zum Verfahren nicht zugezogen worden ist, 2. wenn er ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung versäumt hat oder 3. wenn ihm die Geltendmachung seiner Rechte vorbehalten worden ist. E r muß den A ntrag, die frühere Entscheidung auf­ zuheben oder zu ändern, spätestens binnen einer Woche

stellen, nachdem ihm die rechtskräftige Entscheidung zugestellt worden oder bekannt geworden ist. Der Antrag ist unzulässig, wenn seit E intritt der Rechts­ kraft sechs Monate verstrichen sind. Der Antrag hemmt die Vollstreckung nicht; der Vorsitzer kann an­ ordnen, daß sie ausgesetzt wird. Uber den Antrag wird nach den Vorschriften ent­ schieden, die für das selbständige Einziehungsverfahren gelten. D as Gericht ist an den Schuldspruch der früheren Entscheidung gebunden, es sei denn, daß er im Verfahren gegen Flüchtige ergangen ist. §422 Anwendungsbereich I m Sinne der Vorschriften dieses Abschnitts stehen der Einziehung die Vernichtung und die Unbrauchbar­ machung eines Gegenstandes gleich.

D ritter Abschnitt

Ehr ens chut z d e s V e r l e t z t e n Ehrenschutz im Strafverfahren § 423

Grunds at z . I n einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung trifft das Gericht nach den folgenden Vorschriften Feststellungen über die Unwahrheit einer ehrenrüh­ rigen oder herabsetzenden Behauptung, auch wenn der Angeklagte nicht zu Strase verurteilt wird. Der Ver­ letzte kann im Verfahren auch selbst für den Schutz und die Wiederherstellung seiner Ehre eintreten. Der Ehrenkränkung stehen die Herabwürdigung der Volksführung, die Gefährdung des Vertrauens zur Volkssührung und die falsche Verdächtigung (§§ 122, 123, 376 des Strafgesetzbuchs) gleich.

§ 426

§ 424 T e i l n a h m e des Ve r l e t z t e n Verfahren

A u f k l ä r u n g v o n A m t s w e g e n u itb F e s t s t e l l u n g i n b e n U r t ei l s g r ü n d e n Hat der Angeklagte eine ehrenrührige oder herab­ setzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so klärt das Gericht von Amts wegen aus, ob die Be­ hauptung unwahr ist, auch wenn er wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde freizusprechen oder das Verfahren einzustellen ist. Die Urteilsgründe legen das Ergebnis der Prüfung dar. Diese Vorschriften gelten nicht, 1. wenn der Wahrheitsbeweis unzulässig ist, 2. wenn es sich um dienstliche Äußerungen eines Amtsträgers des Staates ober der Partei, eines Soldaten oder eines Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes handelt, die nach § 426 des Strafgesetzbuchs nicht strafbar sind, mib der Reichsminister der Justiz die Aufklärung nicht für zulässig erklärt hat, 3. wenn es sich um tadelnde Äußerungen über wissenschaftliche, künstlerische, gewerbliche oder sonstige Leistungen handelt und die Äuße­ rungen nach § 426 des Strafgesetzbuchs nicht strafbar sind, 4. wenn das Verfahren eingestellt werden muß, weil die Anordnung der Strafverfolgung oder die Zustimmung dazu fehlt oder weil an­ geordnet worden ist, daß die Verfolgung unterbleibt, und der Reichsminister der Justiz die Aufklärung nicht für zulässig erklärt hat oder 5. wenn der Verletzte an der Aufklärung kein berechtigtes Interesse hat oder wenn ihr über­ wiegende Belange der Allgemeinheit entgegen­ stehen. Die im Absatz 2 Nr. 2, 4 vorgesehene Erklärung des Reichsministers der Justiz kann bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen werden.

am

Der Verletzte wird von der Erhebung der Anklage benachrichtigt. Aus Verlangen werden ihm Ort und Zeit einer vorbereitenden Beweisaufnahme und der Hauptverhandlung mitgeteilt. E r kann Beweisan­ träge stellen, an einer vorbereitenden Beweisaufnahme und der Hauptverhandlung teilnehmen und wird darin auf Verlangen gehört. Der Vorsitzer darf ihn von der Verhandlung fern­ halten, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die Erforschung der Wahrheit erschweren würde oder wenn andere wichtige Gründe es rechtfertigen. Gegen Entscheidungen, die die Ausübung dieser Befugnisse betreffen, kann der Verletzte keine B e­ schwerde erheben. Die Rechte des Verletzten, der einen Feststellungs­ antrag stellt, richten sich nach § 427.

AntragdesVerletztenaufFeststellnng i nt U r t e i l s s p r u c h Der Verletzte kann beantragen, daß das Gericht auch int Urteilsspruch eine Feststellung über die Un­ wahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Be­ hauptung trifft (Feststellungsantrag). Der Antrag ist unzulässig, wenn die im § 425 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Der Verletzte kann den Antrag schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht, in der Haupt­ verhandlung auch mündlich bis zur Beendigung der Schlußvorträge im Berufungsrechtszug stellen. Der Antrag muß den Angeklagten, die Behaup­ tung, auf die sich die Feststellung beziehen soll, und die Beweismittel bezeichnen. Wird er außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird dem S taatsanw alt und 'dem Angeklagten eine Abschrift mitgeteilt. E r kann bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszug und, wenn eine zulässige Berufung

eingelegt ist, bis zur Verkündung des B erufungsur­ teils zurückgenommen werden. E in zurückgenommener A ntrag kann nicht erneuert werden. § 427 Rechte des A n t r a g s t e l l e r s D er Antragsteller hat dieselben Rechte wie der A n­ geklagte, soweit das V erfahren das Feststellungsbe­ gehren betrifft. E r wird zur H auptverhandlung geladen. M it der Ladung w ird ihm die Anklageschrift oder ein Auszug daraus m itgeteilt, wenn nicht wichtige Gründe da­ gegen sprechen, insbesondere nicht die Vernehmung des Antragstellers als Zeuge dadurch beeinträchtigt wird. D er Antragsteller kann sich in der Hauptverhandlung durch einen Rechtsanw alt vertreten lassen. B leibt er auf ordnungsm äßige Ladung aus, so kann ohne ihn verhandelt werden. D er Vorsitzer kann anordnen, daß der A ntrag­ steller in der Hauptverhandlung persönlich erscheint. Bleibt er dann ohne genügende Entschuldigung au s, so kann der A ntrag als zurückgenommen behandelt werden. Geschieht dies und wird das Ausbleiben nachträglich entschuldigt, so kann der Antragsteller den A ntrag erneuern. § 428 Z u r ü ckwei sung des A n t r a g e s Fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen des Fest­ stellungsantrages, so weist das Gericht ihn im U rteil als unzulässig zurück. § 429 I n h a l t der Fe s t s t e l l ung e n im U r t e i l s s p r u ch I s t der Feststellungsantrag zulässig, so gelten für den In h a lt des Urteilsspruchs folgende Vorschriften: W ird die Unwahrheit der B ehauptung erwiesen oder dargetan, daß die B ehauptung völlig haltlos ist oder der tatsächlichen Unterlage entbehrt, so spricht das Gericht dies aus. Können diese Feststellungen nicht getroffen werden, ist aber auch der Beweis für die W ahrheit der B ehaup­ tung nicht erbracht, so stellt das Gericht fest, daß die Behauptung sich nicht bewahrheitet hat. I s t der B ew eis der W ahrheit erbracht oder hat der Angeklagte die B ehauptung weder aufgestellt noch ver­ breitet, so weist das Gericht den Feststellungsantrag als unbegründet ab. § 430 Weitere Vorschriften über dasUrteil I s t ein Feststellungsantrag gestellt, so enthält das Urteil auch den Namen (m it G eburtsnam en), R uf­ nam en und W ohnort des Antragstellers. Eine Abschrift des U rteils m it G ründen w ird dem Antragsteller mitgeteilt.

§ 431 Re c ht s bc he l s e D er Antragsteller kaun das Urteil n u r anfechten, soweit es über den Feststellungsantrag entscheidet. Die Vorschriften über die Rechtsbehelfe des Angeklagten gelten entsprechend. E rgibt die V erhandlung über ein Rechtsmittel des Antragstellers, daß ein G rund, der zur Aufhebung der Entscheidung über den Feststellungsantrag führt, auch die Entscheidung über die Schuld oder die S trafe des Angeklagten beeinflußt hat, so gelten für die Auf­ hebung dieser Entscheidung die §§ 327, 344 ent­ sprechend. Hat der Antragsteller die Hauptverhandlung ver­ säumt, so kann er nicht ihre W iederholung verlangen. § 432 B i n d u n g a n d i e F e st st e l l u n g e n d e s Urteilsspruchs Die rechtskräftige Feststellung im Urteilsspruch und die rechtskräftige Abweisung des Feststellungsantrages binden den Strafrichter und den Friedens­ richter in einem späteren V erfahren gegen denselben Beschuldigten wegen einer Behauptung gleichen I n ­ halts, wenn nicht durch neue Tatsachen oder Bew eis­ m ittel ihre Unrichtigkeit dargetan wird oder ein an ­ derer Verletzter a n dem neuen V erfahren beteiligt ist. § 433 W i e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s E in Verfahren, in dem durch Urteilsspruch eine Feststellung rechtskräftig getroffen oder der Feststel­ lungsantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist, w ird auch wieder ausgenommen, wenn neue Tatsachen oder B ew eism ittel beigebracht sind, die allein oder ver­ bunden m it den früheren geeignet sind, eine wesentlich andere Entscheidung über den Feststellungsantrag herbeizuführen. Zuständig ist das Gericht, desien Feststellungen a n ­ gegriffen werden.

Selbständiges Festftellungsversahren § 434 Voraussetzungen Hat jemand eine ehrenrührige oder herabsetzende B ehauptung aufgestellt oder verbreitet, wird aber gegen ihn keine Anklage erhoben, die Anklage zurück­ genommen oder die A nberaum ung der H auptverhand­ lung abgelehnt, weil er wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen G runde freizu­ sprechen w äre oder das S trafverfahren undurchführ­ b ar ist, so kann der S ta a tsa n w a lt gegen ihn auf A rltrag des Verletzten die Feststellungsklage erheben. E r soll die Feststellungsklage n u r erheben, wenn es vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus geboten ist, die W ahrheit oder Unwahrheit der Behauptung aufzuklären.

F ü r ben Antrag des Verletzten gelten die Vor­ schriften über den Feststellungsantrag (§ 426) ent­ sprechend. Sieht der Staatsanw alt von der Erhebung der Feststellungsklage ab, so kann der Verletzte eine Fest­ stellung über die Unwahrheit der Behauptung durch Klage vor dem Friedensrichter nach den dafür maß­ gebenden Vorschriften herbeiführen. Der S taatsan ­ walt belehrt ihn darüber, wenn es angebracht ist. D er Verletzte kann die Klage vor dem Friedens­ richter erheben, ohne zuvor eine Entschließung des Staatsanw alts herbeizuführen. § 435 G a n g des s el bst ändi gen Feststellungsverfahrens Der Staatsanw alt kann die Feststellungsklage vor dem Amtsrichter oder der Schöfsenkammer erheben. I n den Fällen der §§ 122, 123 des Strafgesetzbuchs (Herabwürdigung der Volkssührung, Gefährdung des Vertrauens zur Volksführung) ist die Strafkammer zuständig. Der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht kann die Feststellungsklage vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts erheben, wenn er das wegen der Bedeutung der Sache für angezeigt hält. Die Klageschrift enthält den Antrag, festzustellen, ob die Behauptung unwahr ist. Sie entspricht im übrigen dem In h a lt der Anklageschrift. Uber die Feststellungsklage wird auf Gruird einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden. F ü r das Verfahren gelten die Vorschriften über das Strafver­ fahren und den Ehrenschutz im Strafverfahren ent­ sprechend, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Untersuchungshaft, Maßnahmen zur Vermeidung des Haftvollzugs und Anstaltsbeobachtung sind unzu­ lässig. Der Antragsgegner kann sich in der Hauptver­ handlung durch einen Rechtsanwalt -vertreten lassen, wenn nicht der Vorsitzer sein persönliches Erscheinen angeordnet hat. Ohne ihn darf verhandelt werden, wenn er ordnungsmäßig geladen ist, aber unent­ schuldigt ausbleibt, obwohl er in der Ladung hieraus hingewiesen worden ist. I n seiner Abwesenheit kann auch unter den Voraussetzungen des.§ 413 verhandelt werden. § 436 Übergang

zum S t r a f v e r f a h r e n

Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß auf Strafe zu erkennen ist, so kann der Staatsanw alt den Antrag stellen, zum Strafverfahren überzugehen. Die Feststellungsklage tritt dann an die Stelle der An­ klage; § 4 1 4 gilt entsprechend. Gemeinsame Borschrist § 437 A u s ü b u n g der B e f u g n i s s e des V e r l e t z t e n dur ch a n d e r e Is t der Verletzte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter und

derjenige, -den: die Sorge für die Person des Ver­ letzten zusteht, besten Befugnisse ausüben. Beschränkt Geschäftsfähige können die Befugnisse des Verletzten selbst wahrnehmen, wenn sie das achtzehnte Lebens­ jahr vollendet haben. Is t eine Ehefrau verletzt, so kann auch der Ehe­ mann die Befugnisse der Verletzten ausüben, solange die eheliche Gemeinschaft besteht. S tirb t der Verletzte, so gehen seine Befugnisse auf den Ehegatten, die Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel und Geschwister über. Ihnen stehen die Besugniste des Verletzten auch zu, wenn ein Verstorbener be­ schimpft worden ist. Einem Angehörigen kann jedoch die Ausübung dieser Befugnisse versagt werden, wenn sie dem Willen des Verletzten widerspricht oder ein anderer Berechtigter beachtliche Gründe gegen sie geltend macht. Vierter Abschnitt Entschädigung

des Verletzten

§ 438 Voraussetzungen Macht der Verletzte gegen den Angeklagten einen aus der S traftat erwachsenen Anspruch geltend, der zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehört, und wird der Angeklagte verurteilt, mit Strasvorbehalt ver­ warnt oder unter Absehen von Strafe schuldig ge­ sprochen, so können der Amtsrichter und die Schöffen­ kammer den Angeklagten auf Antrag des Verletzte!: zugleich zu der geschuldeten Leistung verurteilen oder das Bestehen des Anspruchs feststellen. Auch der Erbe des Verletzten kann den Anspruch im Strasversahren geltend machen. § 439 Antrag Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht, in der Hauptverhandlung auch mündlich, bis zur Beendigung der Schlußvor­ träge des ersten Rechtszuges gestellt werden. E r muß den Gegenstand und den Grund des Anspruchs be­ stimmt bezeichnen. Der Antrag ist unzulässig, soweit der Anspruch anderweit gerichtlich anhängig ist. E r kann bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszug und, wenn eine zulässige Berufung eingelegt ist, bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurückgenommen werden. Die Zustellung des Antrags an den Angeklagten und die mündliche Stellung des Antrags in der Hauptverhandlung haben dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. § 440 Verfahrensvorschriften Der Antragsteller wird von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. E r kann an der Hauptverhandlung teilnehmen. Der Vorsitzer darf ihn von der Hauptverhandlung

fernhalten, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesen­ heit die Erforschung der Wahrheit erschweren würde, oder wenn andere wichtige Gründe es rechtfertigen. Der anwesende Antragsteller und der Angeklagte werden in der Hauptverhandlung über den geltend­ gemachten Anspruch gehört. Dem Antragsteller stehen keine Rechtsbehelfe zu.

der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges und, wenn das Berufungsgericht entschieden hat, nach Schluß der Hauptverhandlung im Berufungsrechtszug entstanden sind.

§ 441

Der Angeklagte kann beantragen, die Wiederauf­ nahme des Verfahrens aus die Entscheidung über den Anspruch zu beschränken, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder verbun­ den mit den früheren geeignet sind, eine wesentlich andere Entscheidung über den Anspruch herbeizu­ führen. Zuständig ist das Gericht, dessen Feststellungen a n ­ gegriffen werden. Uber den Antrag kann es ohne neue Hauptverhandlung durch Beschluß entscheiden, von der Entscheidung in der Sache selbst aber nicht nach § 441 absehen.

A b s e h e n v o n d e r E n t s ch e i d u n g D as Gericht beschließt, von der Entscheidung über den Antrag abzusehen, wenn er sich zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet, insbesondere wenn seine Prüfung das Strafverfahren verzögern würde oder wenn er unzulässig oder unbegründet ist. Der Beschluß kann in jeder Lage des Verfahrens erlassen werden. Er bedarf keiner Begründung. § 442

Z u e r k e n n u n g des Ans pr uc hs Soweit der Antrag nach dem Ergebnis der Haupt­ verhandlung begründet ist, verurteilt das Gericht den Angeklagten im Urteil. Is t die Feststellung des An­ spruchs beantragt und besteht an der alsbaldigen Feststellung ein rechtliches Interesse, so stellt es im Urteil den Anspruch fest, soweit er in den Rahmen der amtsgerichtlichen Zuständigkeit fällt. Der Ange­ klagte kann diese Entscheidungen zugleich mit der straf­ rechtlichen Entscheidung anfechten. Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit den Gründen oder einen Auszug daraus. Wird der Angeklagte wegen der S traftat weder verurteilt noch mit Strafvorbehalt verwarnt oder unter Absehen von Strafe schuldig gesprochen, so er­ ledigt sich der Antrag ohne Entscheidung. § 443 Rechtskraft

und

Vol l s t r eckung

Die Entscheidung steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Endurteil gleich. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. D as Gericht kann die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären. E s kann die vorläufige Voll­ streckung von einer vorherigen Sicherheitsleistung ab­ hängig machen oder dem Angeklagten gestatten, sie durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Durch Be­ schluß können diese Anordnungen auch nachträglich getroffen, geändert und, wenn gegen die Entscheidung ein Rechtsbehelf gebraucht wird, aufgehoben werden. Der Beschluß ist unanfechtbar. Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. F ü r das Verfahren nach den §§ 731, 767, 768, 887 bis 890 der Zivilprozeß­ ordnung ist das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege M ü n d ig , in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat. Einwendungen, die den Anspruch »selbst betreffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Schluß

§ 444 Wiederaufnahme

des V e r f a h r e n s

F ü nftes Hauptstück Nachträgliche richterliche Entscheidungen Erster Abschnitt

Ve r wa r n u n g mi t S t r a s v o r b e h a l t § 445 E r ö f f n u n g an den V e r w a r n t e n Ist eine Verwarnung mit Strasvorbehalt ausge­ sprochen, so belehrt der Vorsitzer des Gerichts des ersten Rechtszuges den Verwarnten nach Eintritt der Rechtskraft, tunlichst mündlich, über die Bedeutung der Verwarnung, des Strafvorbehalts, der Probezeit und über die ihm auferlegten besonderen Pflichten. E r kann auch mit der Belehrung einen Richter seines Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen. § 446 Nacht r ägl i che A n o r d n u n g e n D as Gericht des ersten Rechtszuges kann dem Ver­ warnten auch während der Probezeit blondere Pflich­ ten (§ 62 des Strafgesetzbuchs) auferlegen und auf­ erlegte Pflichten ändern oder erlassen. Is t die Probezeit auf weniger als drei Jahre be­ messen, so kann das Gericht des ersten Rechtszuges sie nachträglich aus besonderen Gründen auf drei Jah re verlängern. D as Gericht entscheidet nach Anhörung des Staatsanw alts und des Verwarnten durch Beschluß. Dieser kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 447 Entscheidung

über

die Bewährung

D as Gericht entscheidet, wenn Anlaß zur Verur­ teilung besteht, während der Probezeit, andernfalls alsbald nach ihrem Ablauf darüber, ob der Verwarnte

zu der vorbehaltenen Strase zu verurteilen ist ober ob es bei der Verwarnung |;ein Bewenden hat. F ü r die Entscheidung ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Wird gegen den Verwarnten Anklage wegen einer S traftat erhoben, die er nach der Verwarnung und vor dem Ablauf der Probezeit begangen hat, so ist auch das Gericht zuständig, das über die neue T at zu entscheiden hat. Ist eine Ein­ heitsstrafe zu bilden, so richtet sich die Zuständigkeit nach § 118. Will das Gericht es bei der Verwarnung bewenden lasten, so entscheidet es durch Beschluß, der mit der befristeten Beschwerde anfechtbar ist. Hat das Gericht Bedenken, es bei der Verwarnung bewenden zu lasten, so entscheidet es aus Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil. Die Hauptverhandlung ist in der Regel nicht öffentlich; ist zugleich über eine neue T at zu entscheiden, so gelten die allgemeinen Vorschriften über die Öffentlichkeit.

§ 450 Ergänzung rechtskräftiger E n t s c h e i d u n g e n dur ch Be s c h l u ß Das Gericht entscheidet nachträglich durch Be­ schluß, 1. wenn auf die erkannte Strafe entgegen den Anrechnungsvostchristen dieses Gesetzes eine voll­ streckte Strafe nicht angerechnet worden ist, 2. wenn neben einer Geldstrafe oder einer Ver­ fallerklärung eine Ersatzfreiheitsstrafe festzu­ setzen war, die Festsetzung aber unterblieben ist, 3. wenn der Verfall eines Gegenständes nicht möglich oder nicht durchführbar ist und ent­ gegen den Strafgesetzen ein seinem Wert ent­ sprechender Geldbetrag nicht für verfallen er­ klärt worden ist, 4. wenn entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes ein Beschluß über die Entschädigung des Be­ schuldigten für die Untersuchungshaft oder die Vollstreckung unterblieben ist 1).

Zweiter Abschnitt

Er g ä nz e nde Ent s chei dungen § 448 Ergänzung rechtskräftiger E n t s c h e i d u n g e n dur ch U r t e i l Is t in einer rechtskräftigen Entscheidung offensicht­ lich übersehen worden, über den Verfall, die E in ­ ziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes oder über die Bekanntmachung der E n t­ scheidung zu entscheiden, so kann das Gericht des ersten Rechtszuges die Entscheidung aus Antrag des Staatsanw alts oder eines Beteiligten auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil ergänzen. Der Antrag ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem E intritt der Rechtskraft der früheren Entscheidung mehr als sechs Monate verstrichen sind. § 449 E r gä nz ung rechtskräftiger Entschei­ d u n g e n dur ch U r t e i l o d e r B e s c h l u ß D as Gericht entscheidet nachträglich durch Urteil oder Beschluß, 1. wenn jemand mehrfach rechtskräftig verurteilt und entgegen den Strafgesetzen eine Einheits­ strafe nicht gebildet worden ist, 2. wenn jemand rechtskräftig wegen mehrerer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden ist und der Urteilsspruch entgegen dem § 87 die durch eine der Taten verwirkte Strafe im Urteilsspruch nicht angibt, 3. wenn eine rechtskräftige Entscheidung wegen eines Teils der abgeurteilten Taten oder Rechtsverletzungen infolge eines Straffrei­ heitsgesetzes oder aus einem anderen Grunde nicht vollstreckt werden kann und daher auf eine neue Strase erkannt werden muß.

§ 451

B e h e b u n g von Z w e i f e l n D as Gericht entscheidet durch Beschluß, 1. wenn zweifelhaft.oder streitig ist, wie eine strafrichterliche Entscheidung auszulegen ist, 2. wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung erhoben werden und es sich nicht um Fragen handelt, über die nach dem S tra f­ vollstreckungsgesetz die Vollstreckungsbehörde oder eine andere Stelle zu entscheiden hat. § 452 Verfahren D as Gericht entscheidet in den Fällen der §§ 449 bis 451 von Amts wegen oder auf Antrag des Staatsanw alts oder eines Beteiligten. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges. Ist eine Einheitsstrafe zu bilden und haben ver­ schiedene Gerichte entschieden, so ist das Gericht der­ jenigen Sache zuständig, in der aus die Strase der schwersten Art, bei Strafen derselben A rt auf die höchste Strafe und bei Strafen derselben Art und Höhe auf die letzte Strafe erkannt worden ist. I n den Fällen des § 449 entscheidet das Gericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der S taatsanw alt es beantragt oder der V or­ sitzer es für angemessen hält. Sonst entscheidet das Gericht durch Beschluß nach Anhörung des S ta a tsa n ­ walts und der Beteiligten. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Tatsächliche Feststellungen der früheren Urteile kann das Gericht dem Ergänzungsurteil (§§ 448, 449) zugrunde legen. D as Verfahren hemmt die Vollstreckung nicht. Der Vorsitzer des Gerichts kann anordnen, daß die Voll­ streckung ausgesetzt wird. *) E s bleibt vorbehalten, die beiden Entschädigungs­ gesetze in die S tV O , einzuarbeiten.

Fünftes Buch

Kosten § 453 Umf a n g der Kosten Kosten find die Gebühren und WitMageii der Reichskaffe. Z u den Kosten des V erfahrens gehören auch die Kosten des V orverfahrens, der Vollstreckung einer S tra fe oder einer sichernden M aßregel und der öffent­ lichen Bekanntmachung der Entscheidung. Die Pflicht zur E rstattung der A uslagen der Reichskaffe erstreckt sich auf A uslagen anderer öffentlicher Kostenträger. Notwendige Auslagen eines Beteiligten umfaffen auch die Entschädigung für eine notwendige Zeitver­ säumnis nach den Vorschriften, die für die Entschädi­ gung von Zeugen gelten, und die Gebühren und A us­ lagen eines R echtsanw alts, soweit seine Zuziehung zur sachgemäßen Rechtsverfolgung oder Verteidigung angezeigt war. § 454 K o st enpf l i c ht des V e r u r t e i l t e n D ie Kosten des V erfahrens trägt der Angeklagte, soweit sie durch die Verfolgung einer T a t entstanden sind, wegen deren er zu S trafe oder einer sichernden M aßregel verurteilt wird. S in d jedoch A uslagen durch Am tshandlungen entstanden, die für die V erurteilung nicht in Betracht kommen, so können sie der Reichskaffe auferlegt werden. M ehrere Angeklagte, die wegen Beteiligung an derselben T a t verurteilt werden, haften für die A us­ lagen der Reichskaffe als Gesamtschuldner, nicht aber für Auslagen, die durch die Vollstreckung einer S trafe oder einer sichernden M aßregel entstehen. V on der M ithaftung für solche A uslagen kann ein Angeklagter befreit werden, wenn sie durch A m tshandlungen ent­ standen sind, die ausschließlich gegen andere Ange­ klagte gerichtet w aren. W ird der Angeklagte m it Strafvorbehalt verw arnt oder unter Absehen von S trafe schuldig gesprochen, so trägt er die Kosten wie ein V erurteilter. § 455 Fr e i s pr uc h und Ei n s t e l l u n g de s V e r f a h r e n s W ird die Anberaum ung der H auptverhandlung abgelehnt, der Angeklagte freigesprochen, der A ntrag aus selbständige A nordnung einer sichernden M aßregel abgelehnt oder das V erfahren eingestellt, so träg t die Reichskaffe die Kosten des V erfahrens, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. W ird der Angeklagte nicht verurteilt, so können der Reichskaffe auch »seine notwendigen A uslagen auf­ erlegt werden. E r träg t jedoch A uslagen der Reichskaffe, die durch seine schuldhafte S äu m n is entstanden sind.

§ 456 K o s t e n p f l i c h t We g e n f a l s c h e r Verdächtigung oder Vortäuschens einer S tra fta t E rgibt sich, daß jemand wider befferes Wiffen, vor­ sätzlich oder leichtfertig bei einer Dienststelle des S ta a te s oder der P a rte i oder öffentlich eine unwahre Behauptung aufgestellt oder verbreitet und dadurch die Einleitung oder Fortsetzung des V erfahrens gegen einen anderen veranlaßt hat, so werden ihm die Kosten und die notwendigen A uslagen des Beschuldigten auf­ erlegt. Ergibt sich, daß jemand einer Dienststelle des S ta a te s die Begehung einer S tra fta t vorgetäuscht oder die Dienststelle über die Person eines an der S tra fta t Beteiligten getäuscht und dadurch die E in ­ leitung oder Fortsetzung des V erfahrens veranlaßt hat, so werden ihm die Kosten auferlegt. § 457 R e ch t s b e h c l f e d e s S t a a t s a n io a l t s Nim m t der S ta a tsa n w a lt einen Rechtsbehelf zu­ rück oder hat er mit einem Rechtsbehelf keinen Erfolg, so trägt dessen Kosten die Reichskasse. Dasselbe gilt, wenn ein Rechtsbehelf Erfolg hat, den der S ta a tsa n ­ w alt zugunsten eines Beteiligten gebraucht hat. D er Reichskaffe können auch die notwendigen A us­ lagen des Beschuldigten oder eines anderen Beteilig­ ten auferlegt werden, soweit sie durch den Rechtsbehelf veranlaßt worden sind. § 458 Rechtsbehelse der B e t e i l i g t e n Nimmt ein Beteiligter einen Rechtsbehels zurück oder hat er mit einem Rechtsbehelf keinen Erfolg, so trägt er dessen Kosten. Ih m können auch die notwen­ digen Auslagen eines anderen Beteiligten auferlegt werden, »soweit sie durch den Rechtsbehelf veranlaßt worden sind. W ird die Hauptverhandlung gegen einen Flüchti­ gen nach § 407 wiederholt, so kann die neue E n t­ scheidung dem Angeklagten, der nicht wieder verurteilt wird, die Kosten der früheren Hauptverhandlung auf­ erlegen. Z u den Rechtsbehelfen gehören auch die Nach­ holung einer versäumten H andlung (§ 292) und der Einspruch gegen den Strafbefehl. § 459 We i t e r e Vorschriften für Recht s­ behelfe H at ein Rechtsbehels nur teilweise Erfolg, so kann das Gericht die A uslagen der Reichskaffe und die not-

wendigen A uslagen der B eteiligten angemessen ver­ teilen. Haben mehrere Anfechtungsberechtigte erfolglos einen Rechtsbehelf gebraucht, so kann das Gericht die' Auslagen der Reichskasse angemessen aus sie verteilen. § 460 T e i l n a h m e des E i n z i e h u n g s b e t e i ­ l i g t e n und des Verletzten N im m t jemand als Einziehungsbeteiligter (§§ 415 bis 422) oder als Verletzter (§§ 423 bis 444) am V er­ fahren teil, so entscheidet das Gericht nach pflicht­ mäßigem Ermessen darüber, w er die dadurch erwach­ senen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der B eteiligten trägt. Die Kosten können der Reichs­ kasse auferlegt werden, soweit es unbillig w äre, damit die B eteiligten zu belasten; dies gilt auch für die not­ wendigen A uslagen des Einziehungsbeteiligten, wenn von der Einziehung abgesehen wird. S ieh t das Gericht nach § 441 davon ab, über den Anspruch des Verletzten zu entscheiden, erledigt sich sein A ntrag ohne Entscheidung oder wird er zurück­ genommen, so trägt die Reichskasse die durch ihn ent­ standenen besonderen Kosten. § ‘161 Kos t enpf l i cht von Ze u g e n und Sachverständigen W ird gegen einen Zeugen oder Sachverständigen wegen Verletzung seiner W ichten eine Ungehorsamsstrase verhängt, so werden ihm in der Entscheidung darüber auch die A uslagen der Reichskasse auferlegt, die er verursacht. § 462 V e r t a g u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g W er in einer H auptverhandlung mitzuwirken oder sonst an ihr teilzunehmen hat und durch grobes V er­ schulden verursacht, daß sie nicht rechtzeitig stattsinden kann oder unterbrochen oder ausgesetzl werden muß, träg t die dadurch entstandenen A uslagen der Reichs­ te . § 463 Notwendige Auslagen Anderer Die Vorschriften, nach denen die notwendigen Auslagen eines B eteiligten einem anderen Beteiligten oder der Reichskaffe auferlegt werden können, gelten auch zugunsten solcher, die selbständig Rechtsbehelfe des Beteiligten gebrauchen oder sonst seine Befugnisse im V erfahren ausüben können. § 464 Vermeidung von Härten D as Gericht kann bei der Entscheidung über die Kosten und die notwendigen A uslagen der Beteiligten von den vorstehenden Vorschriften abweichen, wenn ihre Beachtung wegen außergewöhnlicher Umstände des V erfahrens zu einer unbilligen H ärte gegenüber

den B eteiligten oder zu einer ungerechtfertigten B e­ lastung der Reichskaffe führen würde § 465 E n t s c h e i d u n g ü b e r bie Kosten I m Urteil, im Strafbefehl und in jeder anderen richterlichen Entscheidung, die ein V erfahren ab­ schließt, w ird darüber entschieden, wer die Kosten des V erfahrens trägt. Dasselbe gilt für Entscheidungen des Richters oder des S ta a tsa n w a lts, die aus einen Rechtsbehelf ergehen. S in d Kosten oder notwendige A uslagen eines B e­ teiligten nicht der Reichskaffe oder dem Angeklagten, sondern anderen aufzuerlegen, so entscheidet das Ge­ richt, das m it der Sache befaßt ist, darüber durch besonderen Beschluß. I n den Fällen des § 456 ent­ scheidet im V orverfahren der S ta a tsa n w a lt. Endet ein gerichtlich anhängiges V erfahren ohne richterliche Entscheidung oder bestimmt eine richter­ liche Entscheidung, die nicht mehr angefochten werden kann, nichts über die Kosten oder die notwendigen A uslagen eines Beteiligten, so entscheidet darüber von Am ts wegen oder auf A ntrag des Beteiligten das mit der Sache befaßte Gericht durch Beschluß. I n den Fällen der Absätze 2 und 3 werden die B eteiligten gehört. D er Beschluß kann mit der be­ fristeten Beschwerde angefochten werden. S in d Kosten oder notwendige A uslagen mehrereil aufzuerlegen, so tarnt das Gericht sie unter ihnen nach Bruchteilen verteilen. § 466 Festsetzung der A u s l a g e n ein e s B e t e i l i g t-e n D as Gesuch um Festsetzung der einem Beteiligten zu erstattenden A uslagen wird bei dem Urkundsbeam­ ten der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht, das im ersten Rechtszuge entschieden hat. Beizufügen sind die Kostenrechnung nebst Abschrift und die Belege für die einzelnen Ansätze. Richtet sich der Anspruch gegen die Reichskaffe, so hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle das Gesuch zunächst dem S ta a tsa n w a lt zur Erklärung vorzulegen. § 467 Festsetzungsbeschluß über das Gesuch entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle. W ill er von der Erklärung des S ta a tsa n w a lts abweichen, so entscheidet der Vorsitzer des Gerichts. E in Anisatz wird berücksichtigt, wenn er glaubhaft gemacht ist. D er Beschluß wird den B eteiligten bekanntge­ geben. Richtet sich der Anspruch nicht gegen die Reichskasse, so wird dem Schuldner auch eine Ab­ schrift der Kostenrechnung mitgeteilt.. D ie B eteiligten können gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten binnen einer Woche nach der B e­ kanntgabe die Entscheidung des Vorsitzers beantragen.

Dieser kann anordnen, -daß die Festsetzung vor seiner Entscheidung nicht vollstreckt wird. Der Beschluß des Vorsitzers kann mit der befriste­ ten Beschwerde angefochten werden, wenn die Be­ schwerdesumme mehr als fünfzig Reichsmark beträgt. F ü r die Vollstreckung des Festsetzungsbeschlusses gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung ent­ sprechend.

Auslagen einzureichen. Versäumt einer von ihnen die Frist, so bleiben seine Auslagen unberücksichtigt. E r kann den Anspruch auf Erstattung nachträglich geltend machen, trägt aber die entstehenden M ehr­ kosten.

§ 468

Die §§ 466 bis 468 gelten entsprechend, wenn der Staatsanw alt über die Erstattung der Auslagen entschieden hat (§ 465 Abs. 2 Satz 2). An die Stelle des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts tritt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Staatsanw alts, an die Stelle des Vorsitzers der Staatsanw alt.

V e r t e i l u n g na c h B r u c h t e i l e n Sind die Auslagen nach Bruchteilen verteilt und beantragt ein Beteiligter, seine Auslagen festzusetzen, so fordert der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die anderen auf, binnen einer Woche die Berechnung ihrer

§ 469 Festsetzung

i nt

Vorverfahren

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung

Inhaltsverzeichnis Erstes Hauptstück

Friedensrichterordnung...............................§§ 1 —44 E rster A bschnitt: Allgemeine Vorschriften. .

§§ 1 — 12

Z w e ite r A bschnitt: Verfahren vor dem Friedensrichter...........................................§§18 — 44

Zweites Hauptstück

Schiedsm annsordnung...............................§§45—58 Schluhbestimmung...................................................

§ 59

Erstes Hauptstück

Friedensrichlerordnung Der Friedensrichter kann auch mehrere M aß­ nahmen nebeneinander treffen.

Erster Abschnitt

Al l g e me i n e Vorschri f t en

§

§ 1 Au s g a b e des F r i e d e n s r i c h t e r s Der Friedensrichter ist berufen, 1. wegen der in seinen Spruchbereich fallenden Taten dem Verletzten Genugtuung zu ver­ schaffen und den Frieden unter den Beteiligten wiederherzustellen, 2. Maßnahmen zu treffen, um künftige Friedens­ störungen unter den Beteiligten zu verhüten, 3. Streitigkeiten beizulegen, die die Ursache des Unfriedens bilden oder zu neuem Unfrieden Anlaß geben können.

§2 Spruchbereich

des

Friedensrichters

Der Friedensrichter kann angerufen werden wegen Ehrabschneidung, Beleidigung und ehrabschneidender Beschimpfung Verstorbener, leichter vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, Verletzung des Briefgeheimnisses, Sachbeschädigung und Sachentziehung. E r kann wegen dieser Taten auch angerufen werden, wenn sie im Zustand der Trunkenheit be­ gangen sind (§ 305 des Strafgesetzbuchs). E r wird nicht tätig, wenn der S taatsanw alt es für geboten hält, die T at mit den M itteln des S tra f­ rechts zu ahnden.

§3 Friedensrichteramt Friedensrichter ist der Amtsrichter. §4 Schlichtung Der Friedensrichter sucht zu schlichten. es nicht, so fällt er den Friedensspruch:

Gelingt

§5 Spruchgewalt

des

Friedensrichters

Der Friedensrichter kann 1. zur Ahndung der Tat aus Friedensbuße oder Verwarnung erkennen, 2. zur Verhütung künftiger Friedensstörungen eine Friedensbürgschast auferlegen, 3. zur Wiederherstellung des guten Rufs Fest­ stellungen treffen, 4. zur Sicherung des Rechtsfriedens S treitig­ keiten bürgerlich-rechtlicher Art entlscheiden.

6

A h n d u n g der T a t Is t jemand einer T at schuldig, die in den Spruch­ bereich des Friedensrichters fällt, so kann der F rie­ densrichter gegen ihn auf Friedensbuße erkennen oder ihn verwarnen. Die Friedensbuße beträgt eine bis zwölf Tages­ bußen, auch wenn sie wegen mehrerer Taten verhängt wird. Die §§ 41, 43, 44 des Strafgesetzbuchs gelten entsprechend. Der Friedensrichter kann die Friedensbuße unter der Bedingung auferlegen, daß sie zu entrichten ist, wenn sich der Täter während einer Probezeit nicht ordentlich führt. Die Probezeit beträgt mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre. Die §§ 62, 63 des Strafgesetzbuchs gelten entsprechend. Der Friedensrichter kann von Maßnahmen gegen den T äter absehen, wenn dieser dem Verletzten freiwillig Genug­ tuung leistet, namentlich wenn er eine ehren­ rührige Behauptung widerruft oder sich ange­ messen entschuldigt, wenn auch der Verletzte ihm gegenüber un­ recht gehandelt hat, wenn aus anderen Gründen eine Ahndung nicht erforderlich ist. §

7

Friedensbürgschaft Ergibt sich in dem Verfahren vor dem Friedens­ richter die begründete Besorgnis, daß jemand eine T at begehen werde, wegen deren die Anrufung des Friedensrichters zulässig ist, kann der Friedens­ richter ihn verpflichten, eine Sicherheit dafür zu leisten, daß er die T at unterläßt und Frieden hält. Der Friedensrichter bestimmt den Geldbetrag, in dessen Höhe Sicherheit zu leisten ist, und die Art der Sicherheitsleistung. Der Geldbetrag darf zwölf Tages­ bußen nicht übersteigen. Die §§ 232 bis 240 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten entsprechend, soweit der Friedensrichter nichts anderes bestimmt *). Die Friedensbürgschast verfällt der Reichskasse, wenn der Verpflichtete innerhalb der vom Friedens­ richter bestimmten Frist die T at begeht. Der F rie ­ densrichter kann sie auch für verfallen erklären, wenn der Verpflichtete durch andere Handlungen innerhalb der Frist den Frieden stört. Die Frist beträgt min­ destens sechs Monate und höchstens zwei Jahre. *) I m Strafvollstreckungsgesetz oder an anderer Stelle ist auszusprechen: „Wird die Sicherheit nicht geleistet, so wird sie auf Ersuchen des Friedensrichters durch die Gerichtskasse nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung beige­ trieben."

§ 8 Wiederherst el l ung

§ n des g u t e n R u f s

Hat jemand eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so stellt- der Friedensrichter auf Antrag des Verletzten im F rie­ densspruch fest, ob die Behauptung unwahr ist. Er tut dies auch.dann, wenn der T äter wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden kann. Diese Vorschriften gelten nicht, 1. wenn der Wahrheitsbeweis unzulässig ist, 2. wenn es sich um dienstliche Äußerungen eines Amtsträgers des S taates oder der Partei, eines Soldaten oder eines Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes handelt, die nach § 426 des Strafgesetzbuchs nicht strafbar sind, und der Reichsminister der Justiz die Aufklärung nicht für zulässig erklärt hat, 3. wenn es sich um tadelnde Äußerungen über wissenschaftliche, künstlerische, gewerbliche oder sonstige Leistungen handelt und die Äußerungen nach § 426 des Strafgesetzbuchs nicht strafbar sind, 4. wenn das Verfahren eingestellt werden muß, weil die Anordnung der Strafverfolgung oder die Zustimmung dazu fehlt oder weil angeord­ net worden ist, daß die Verfolgung unterbleibt, und der Reichsminister der Justiz die Auf­ klärung nicht für zulässig erklärt hat oder 5. wenn der Verletzte an der Aufklärung teilt berechtigtes Interesse hat oder wenn ihr über­ wiegende Belange der Allgemeinheit entgegen­ stehen. § 9 Entschei dung von S t r e i t i g k e i t e n bürgerlichrechtlicherArt Über Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art, die mit der T at zusammenhängen oder zu künftigen F rie­ densstörungen führen können, entscheidet der F rie­ densrichter auf Antrag eines Beteiligten, wenn das Amtsgericht zuständig ist (§ 23 'des Gerichtsversassungsgesetzes) und der Wert des Streitgegenstandes einhundert Reichsmark oder — bei Einverständnis der Beteiligten — die für die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ntaßgebende Wertgrenze nicht übersteigt. I s t der Anspruch anderweit gerichtlich anhängig, so kann der Friedensrichter entscheiden, wenn die Be­ teiligten damit einverstanden sind. D er Friedensrichter kann die Behandlung solcher Streitigkeiten ablehnen, wenn sie sich zur Erledigung in seinem Verfahren nicht eignen, insbesondere wenn sie es erheblich verzögern würden. §

10

Einstweilige Be f r i e d u n g Der Friedensrichter kann auf Antrag ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilen regeln, soweit das Amts­ gericht zu einer einstweiligen Verfügung zuständig ist. Dabei bleibt es, bis etwa das ordentliche Gericht eine andere Regelung trifft.

B e k a n n t m achung Der Friedensrichter kann die öffentliche Bekannt­ machung des Friedensspruchs anordnen. E r bestimmt Umfang, Form und Ort der Bekannt­ machung. §

12

S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s Der Staatsanw alt wirkt im friedensrichterlichen Verfahren nicht mit. E r kann jedoch bis zum rechts­ kräftigen Abschluß des Verfahrens die Verfolgung im Strafverfahren übernehmen. Zweiter Abschnitt

Ve r f a h r e n vor dem Fr i e d e n s r i c h t e r § 13

Kl a g e des Ve r l e t z t e n Der Friedensrichter wird nur auf Klage des Ver­ letzten tätig. Ist der Verletzte geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig, so können der gesetzliche Vertreter und derjenige, dem die Sorge für die Person des Ver­ letzten zusteht, die Klage erheben. Beschränkt Geschäfts­ fähige können auch selbständig die Klage erheben, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben. Ist eine Ehefrau verletzt, so kann auch der Ehe­ mann die Klage erheben, solange die eheliche Gemein­ schaft besteht. §

14

To d des Ve r l e t z t e n Ist der Verletzte gestorben oder ein Verstorbener beschimpft worden, so können der Ehegatte, die Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel und Geschwister die Klage erheben. S tirb t der Verletzte nach der Erhebung der Klage, so können sie binnen drei Monaten nach seinem Tode das Verfahren fortsetzen. Der Friedensrichter kann die Klage oder die F o rt­ setzung des Verfahrens ablehnen, wenn sie dem Willen des Verletzten widerspricht oder ein anderer Berech­ tigter beachtliche Gründe gegen sie geltend macht. § 15 Me h r e r e Klage berechtigte Können wegen einer und derselben T at mehrere die Klage erheben, so üben sie ihr Recht unabhängig voneinander aus. Hat ein Berechtigter die Klage erhoben, so 'können die anderen nur dem Verfahren beitreten, und zwar in der Lage, in der es sich befindet. § 16 Sühneversuch Der Klage muß ein Sühneversuch vor dem Schiedsmann vorausgehen, wenn die Beteiligten in

denselben oder in benachbarten Gemeinde- oder Schiedsmannsbezirken wohnen *). D es Sühneversuchs bedarf es nicht, wenn einem bereits eingeleiteten Verfahren ein anderer Berech­ tigter bettritt oder w enn der Verklagte seinerseits Klage erhebt. D er Friedensrichter kann den S ü h n e­ versuch erlassen, wenn er unzweckmäßig wäre. §

17

Klagesrist Die Klage kann nur binnen drei M onaten erhoben werden. Die Frist beginnt, sobald der Verletzte von der T a t und der Person des T äters K enntnis erlangt. W ird die Klage von dem gesetzlichen V ertreter, dem Sorgeberechtigten oder dem Ehem ann erhoben, so ent­ scheidet dessen K enntnis. S in d infolge des Todes des Verletzten andere zur Klage befugt, so beginnt die Frist, sobald einer der antragsberechtigten Angehörigen von der T a t und der Person des T äters K enntnis erlangt; sie endet frühestens drei M onate :mcf) dem Tode des Verletzte::. H at der zur Klage Berechtigte wegen der T a t innerhalb der F rist einen Sühneversuch beim Schiedsm ann beantragt oder Strafanzeige erstattet, so endet für ihn die Klagefrist frühestens einen M onat, nach­ dem die S ühnehandlung vor den: Schiedsm ann statt­ gefunden hat oder ihm ein Bescheid des Schiedsm anns über die Ablehnung des S ü h n ean trag s oder das Scheitern des Sühneversuchs oder ein Bescheid des S ta a ts a n w a lts über die Ablehnung der Verfolgung zugegangen oder der S ü h n ean trag zurückgenommen ist. D ie Klage ist unzulässig, wenn seit der Begehung der T a t drei J a h re verstrichen sind. F ü r diese F rist gilt § 26 der S trafverfahrensordnung entsprechend. D ie Klage kann nicht nachgeholt werden, auch wenn die F rist unverschuldet versäumt worden ist. §

Is t ein Sühneversuch notwendig, so ist eine B e­ scheinigung des Schiedsm anns beizufügen, daß der Versuch gescheitert ist. Erscheinen die Beteiligten vor dem Friedensrich­ ter, so kann die Klage m it seiner Zustimmung auch mündlich vor ihm erhoben werden. Diese Vorschriften gelten auch für die Erklärung, durch die ein anderer einem bereits eingeleiteten V er­ fahren beitritt. §

19

Zu r üc k na h me der Kla ge Die Klage kann zurückgenommen werden, bis der Spruch verkündet, und, wenn eine zulässige Berufung eingelegt ist, bis über sie entschieden ist, nach B eginn der Verhandlung jedoch nur mit Zustimmung des Gegners. Der Friedensrichter kann die Klage für zurück­ genommen erklären, wenn der Kläger eine Frist nicht einhält, die ihm unter Androhung dieser Folge gesetzt w ar. Eine zurückgenommene Klage kann nicht von neuem erhoben werden. §

20

Ö r t l i c h e Z u st ä n d i g k e i t F ü r die örtliche Zuständigkeit des Friedensrichters gelten die Vorschriften der Strafversahrensordnung entsprechend. Is t eine T a t wegen des In h a lts eines int In la n d erschienenen Druckwerks a ls Ehrenkränkung strafbar, so ist auch der Friedensrichter zuständig, in dessen B e­ zirk das Druckwerk verbreitet worden ist, wenn dort der Verletzte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. D er Friedensrichter kann das V erfahren an einen anderen örtlich zuständigen Friedensrichter verweisen, wenn es zweckmäßig ist.

18

I n h a l t der Kl a g e

§ 21

D ie Klage ist bei dem Friedensrichter schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift der G e­ schäftsstelle zu erklären. S ie soll enthalten: 1. Name (auch G eburtsnam e), Rufnam e und W ohnort des Klägers, des Verklagten und, wenn ein anderer als der Verletzte die Klage erhebt, des Verletzten, 2. die T a t, die dem Verklagten vorgeworfen wird, sowie Z eit und O rt ihrer Begehung, 3. die Zeugen und anderen Bew eism ittel. Begehrt der Kläger, daß der gute Ruf wiederher­ gestellt, über Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher A rt entschieden oder eine einstweilige Befriedung geschaffen werde, so bedarf es eines entsprechenden A ntrags.

Ausschließung u n d Ablehnung F ü r die Ausschließung und die Ablehnung des Friedensrichters und des Schriftführers gelten die Vorschriften der Strafversahrensordnung entsprechend.

2) I n der Ausführungsverordnung ist zu bestimmen: „Benachbart sind Bezirke mit gemeinsamer Grenze und solche Bezirke, die der Oberlandesgerichtspräsident als benachbart

§

22

Berfahrensgrundsätze D er Friedensrichter bestimmt das Verfahren nach pflichtmäßigem Ermessen. Die Grundsätze des S tr a f ­ verfahrensrechts dienen ihm dabei als Richtschnur. E r tu t von A m ts wegen alles, was zur Erforschung der W ahrheit notwendig ist. Friedensrichterliche M aßnahm en sind nur gegen einen Verklagten zulässig. B ei der Entscheidung von Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher A rt hält sich der Friedensrichter im R ahm en der gestellten Anträge. Entscheidet der Friedensrichter nicht in der Sache selbst, so soll er tunlichst die Beteiligten darüber be­ lehren, wie sie ihr Recht verfolgen können.

§ 23 A n h ö r u n g d es V e r k l a g t e n Der Friedensrichter gibt dem Verklagten Gelegen­ heit, sich zu erklären. § 24 Ei ng- r ei f en des S t a a t s a n w a l t s Erhebt der Staatsanw alt wegen der T at die An­ klage oder die Feststellungsklage, so wird das friedens­ richterliche Verfahren eingestellt. Lehnt der S ta a ts­ anwalt die Verfolgung der T at ab oder stellt er das Verfahren ein, so verfährt der Friedensrichter nach den für das sriedensrichterliche Verfahren geltenden Vorschriften. Handelt es sich um eine T at, wegen deren der Friedensrichter nicht angerufen werden kann, oder hält der Friedensrichter die Ahndung der T at mit den Mitteln des Strafrechts für geboten, so legt er die Akten dem Staatsanw alt vor. Ebenso verfährt der Friedensrichter, wenn ein Feststellungsantrag gestellt ist und er die Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit im Strafverfahren für geboten hält. § 25

Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aus­ sage für notwendig hält. Der Kläger und der Ver­ klagte dürfen nicht vereidigt werden. Eine Ungehorsamsstrase in Geld gegen Zeugen und Sachverständige darf einhundertfünfzig Reichs­ mark, eine Ungehorsamshaft gegen Zeugen sechs Tage nicht übersteigen. Untersuchungshaft, Maßnahmen zur Vermeidung des Haftvollzugs, Anstaltsbeobachtung und Postsperre sind unzulässig; Postauskunft kann nicht verlangt werden. § 28 Re c ht s a nwä l t e und Beistände Die Beteiligten können in jeder Lage des Ver­ fahrens einen Rechtsanwalt zuziehen. Der gesetzliche Vertreter eines Beteiligten und derjenige, der das Recht hat, für die Person eines Beteiligten zu sorgen, werden als Beistand zugelasien. Der Ehemann einer Beteiligten wird als Beistand zugelassen, wenn sie dem zustimmt. Andere Personen können als Beistand zugelasien werden. Die Rechtsanwälte der Beteiligten dürfen die Akten einsehen und amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen.

A b l e h n u n g der K l a g e

§ 29

Der Friedensrichter lehnt die Klage ab, 1. wenn der Verklagte nach dem in der Klage bezeichneten Sachverhalt keiner T at schuldig erscheint, wegen deren der Friedensrichter an­ gerufen werden kann, 2 . wenn er örtlich nicht zuständig ist, 3. wenn die Klage nach den Versahrensvorschristen unzuläjssig ist oder dem Verfahren ein an­ deres Verfahrenshindernis entgegensteht. Der Friedensrichter kann die Klage nach seinem Ermessen ablehnen, wenn der Schiedsmann die Sache für erledigt erklärt hat (§ 54 Abs. 2). Die Klage darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Friedensrichter es entgegen der Meinung des Staatsanw alts für geboten hält, die T at mit den M itteln des Strafrechts zu ahnden oder, tvenn ein Feststellungsantrag gestellt ist, die Wahrheit oder Un­ wahrheit im Strafverfahren aufzuklären.

Ar me nr e c ht

§ 26 Ab l e hn u n g der Kl a ge wegen E h r e n kr ä n ku n g Hat der Verklagte nach dem in der Klage bezeich­ neten Sachverhalt eine ehrenrührige oder herab­ setzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so darf die Klage nicht deshalb abgelehnt werden, weil er wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden kann. § 8 Abs. 2 gilt entsprechend. § 27 Untersuchung

des S a c h v e r h a l t s

Zeugen und Sachverständige werden nur vereidigt, wenn der Friedensrichter es wegen der Bedeutung der

Der Friedensrichter kann den Beteiligten das Armenrecht bewilligen. Die Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung über das Armenrecht gelten ent­ sprechend. § 30 A n we s e n h e i t der B e t e i l i g t e n Die Beteiligten müssen in der Verhandlung per­ sönlich anwesend sein. Der Friedensrichter kann aus wichtigen Gründen zulassen, daß ein Beteiligter nicht erscheint oder sich durch einen Rechtsanwalt oder Bei­ stand vertreten läßt. Wenn bei Beginn einer Verhandlung trotz ord­ nungsmäßiger Ladung weder der Kläger noch, wenn es zulässig ist, für ihn ein Vertreter erschienen und das Ausbleiben nicht entschuldigt ist, kann der F rie­ densrichter die Klage für zurückgenommen erklären. I n der Ladung wird der Kläger aus diese Folge hin­ gewiesen. Hat der Kläger die Verhandlung ohne eigenes Verschulden versäumt, so ist sie auf seinen Antrag 511 wiederholen; die §§ 351 bis 353 der Strafverfahrens­ ordnung gelten entsprechend. Wenn ein Beteiligter unentschuldigt ausbleibt, ob­ wohl er auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist, oder sich ent­ fernt, so kann der Friedensrichter ihm die gleiche Un­ gehorsamsstrafe auferlegen wie einem ausgebliebenen Zeugen und seine Vorführung anordnen. § 31

Verhandlung I n der Verhandlung sucht der Friedensrichter zwischen den Beteiligten zu schlichten. Sow eit es

nicht gelingt, spricht er dieä)t auf Grund der Ergeb­ nisse der Verhandlung. Die Verhandlung ist nicht öffentlich. Der F rie­ densrichter kann jedoch die öffentliche Verhandlung anordnen. § 32 Aufklärung

bet E h r e n k r ä n k u n g

Hat der Verklagte eine ehrenrührige oder herab­ setzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so klärt der Friedensrichter von Amts wegen aus, ob die Behailptung unwahr ist, auch wenn der Verklagte wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden kann. § 8 Abs. 2 gilt entsprechend. Findet wegen der Behauptung einer S traftat ein friedensrichterliches Verfahren wegen Ehrenkränkung statt, so ist, wenn über die S tra fta t ein Strafgericht oder ein Friedensrichter rechtskräftig entschieden hat, dagegen kein Beweis zulässig. Die Gründe des Spruchs legen das Ergebnis der Prüfung dar. § 33

E r w e i t e r u n g des Ge g e n s t a n d e s des V e r f a h r e n s Der Kläger kann mit Zustimmung des Friedens­ richters in der Verhandlung die Klage mündlich auf weitere Taten des Verklagten ausdehnen, wenn ihret­ wegen der Friedensrichter angerufen werden kann. E r kann in der Verhandlung mit Zustimmung des Friedensrichters mündlich die Klage auch gegen an­ dere in der Verhandlung Anwesende erheben. Der Verklagte kann bis ^zur Verkündung des Spruchs, in der Verhandlung auch mündlich, gegen den Kläger wegen einer T at Klage erheben, wegen deren der Friedensrichter angerufen werden kann. Ist der Kläger nicht der Verletzte, so kann der Verklagte die Klage auch gegen den Verletzten erheben. Der Verklagte ist hierzu auch berechtigt, wenn wechselseitig begangene Taten miteinander zusammenhängen, aber eine selbständige Klage nicht mehr zulässig wäre. Die Zurücknahme der Klage des Klägers beeinflußt die Klage des Verklagten nicht. Der Friedensrichter soll mehrere Verfahren ver­ binden, wenn es sie fördert. E r fmm sie wieder trennen. § 34 Friedensspruch Der Friedensrichter entscheidet über die Ergeb­ nisse der Verhandlung nach seiner freien Überzeugung. über die zu verhängenden Maßnahmen wird im Friedensspruch entschieden. Der schuldige Verklagte wird auch dann für schuldig erklärt, wenn der F rie­ densrichter von Maßnahmen absieht. Is t der Verklagte einer Tat, wegen deren der F rie­ densrichter angerufen werden kann, nicht schuldig, so wird er von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf los­ gesprochen.

Ist beantragt, festzustellen, daß eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung unwahr ist, so gelten für den In h a lt des Friedensspruchs die §§ 428, 429 der Strafverfahrensordnung ensprechend. § 35 Einstellung

des V e r f a h r e n s

Ergibt sich in der Verhandlung, daß die Klage nach den Berfahrensvorschriften unzulässig ist oder daß dem Verfahren ein anderes Verfahrenshindernis ent­ gegensteht, so stellt der Friedensrichter das Verfahren ein. Handelt es sich um eine T at, wegen deren der Frie­ densrichter nicht angerufen werden kann, so stellt der Friedensrichter das Verfahren ein und legt die Akten dem S taatsanw alt vor. § 36 Verkündung u n d äußere F or m des Spr uchs Der Spruch wird am Schluß der Verhandlung durch Verlesen seines erkennenden Teils verkündet. Dabei werden auch die wesentlichen Gründe mitgeteilt. Der Spruch enthält: 1. Name (auch Geburtsname), Rufname, Wohn­ ort des Klägers, des Verklagten und, wenn ein anderer als der Verletzte die Klage erhoben hat, des Verletzten, 2. die Bezeichnung des Friedensrichters, 3. den Tag der Verkündung, 4. die Entscheidung in der Sache und über die Kosten, 5. die Gründe, 6. die Unterschrift des Friedensrichters. Die Beteiligten erhalten auf Antrag eilte Aus­ fertigung des Spruchs mit den Gründen. § 37 Niederschri f t über die Verhandlung wird eine Niederschrift auf­ genommen. I n ihr wird angegeben, wer als Frie­ densrichter und als Schriftführer mitgewirkt hat und welche Beteiligten anwesend gewesen sind. S ie muß den Gang der Verhandlung wiedergeben und die An­ träge, die Entscheidungen und den erkennenden Teil des Spruchs enthalten. Kommt zwischen den Beteiligten o-der zwischen einem Beteiligten und einem Dritten eine Einigung zustande, so wird sie in die Niederschrift aufgenommen. Der Friedensrichter und der Schriftführer unter­ schreiben die Niederschrift. § 38 Anfechtung

d e r F e st st e l l u n g

Die Entscheidungen des Friedensrichters sind un­ anfechtbar. Die Entscheidung über den Feststellungs­ antrag kann jedoch von den Beteiligten mit der Be­ rufung angefochten werden.

über die Berufung verhandelt und entscheidet die Schöfsenkammer des Landgerichts im sriedensrichterlichen Verfahren. Die §§ 320, 322, 324 Abs. 1 und 328 der Strafverfahrensordnung gelten entsprechend. Hebt die Schöffenkammer die Entscheidung über den Feststellungsantrag auf und wirken sich die Gründe dafür auch auf den übrigen Teil des Spruchs aus, so kann sie auch diesen Teil des Spruchs auf­ heben.

ligten und einem D ritten geschlossen wird, ist wie ein in einem bürgerlichen Rechtsstreit geschlossener Ver­ gleich vollstreckbar. § 42 Na c h t r ä g l i c h e E n t s c h e i d u n g e n bei Streitigkeiten

bürgerlich-recht­

li cher Ar t § 39 Nichti gkeit sbeschwerde des S t a a t s a n w a l t s Der Staatsanw alt kann gegen den Spruch des Friedensrichters die Nichtigkeitsbeschwerde erheben, 1- wenn der Spruch eine T at zum Gegenstand hat, wegen deren der Friedensrichter nicht an­ gerufen werden kann, 2. wenn der Friedensrichter auf eine Maßnahme erkannt hat, die er überhaupt nicht verhängen darf, 3. wenn andere erhebliche Mängel eine neue Entscheidung notwendig machen. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht mehr zulässig, wenn seit der Verkündung des Spruchs mehr als sechs Monate verstrichen sind. Beschwerdegericht ist die Schöffenkammer des Landgerichts. Die Nichtigkeitsbeschwerde hemmt die Voll­ streckung. D as Beschwerdegericht entscheidet im friedens­ richterlichen Verfahren ohne neue Verhandlung durch Beschluß. § 40

Wi r k u n g des Spr uc hs Der Spruch des Friedensrichters hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Die Feststellung über die Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzen­ den Behauptung und die Abweisung des Feststellungs­ antrags haben dieselbe Wirkung wie ein Feststellungs­ ausspruch im Strafverfahren. Der Staatsanw alt kann trotz d.es Spruchs die T at verfolgen, wenn sich aus neuen Tatsachen oder Beweismitteln ergibt, daß wegen der T at der F rie­ densrichter nicht angerufen werden konnte oder ihre Ahndung mit M itteln des Strafrechts geboten ist. Das Strafgericht bestimmt im Urteil, ob der Friedensspruch aufzuheben und eine geleistete Friedensbuße anzu­ rechnen ist. Soweit im Friedensspruch Streitigkeiten bürger­ lich-rechtlicher Art entschieden sind, steht die Entschei­ dung einem Schiedsurteil, soweit solche Streitigkeiten einstweilig befriedet sind, steht die Entscheidung einer einstweiligen Verfügung gleich. § 41 Wi r kung

der E i n i g u n g

Eine Einigung, die vor dem Friedensrichter zwischen den Beteiligten oder zwischen einem Betei­

F ü r Klagen nach den §§ 731, 767, 768 der Zivil­ prozeßordnung ist das Amtsgericht am Sitz des F rie­ densrichters, für Entscheidungen nach den §§ 887 bis 890 der Zivilprozeßordnung der Friedensrichter zuständig. § 43 Wiederaufnahme

des V e r f a h r e n s

D as friedensrichterliche Verfahren wird auf An­ trag eines Beteiligten wieder aufgenommen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die geeignet sind, der Entscheidung des Friedens­ richters die Grundlage zu entziehen. Der Antrag ist innerhalb einer Frist von einem M onat zu stellen. Die Frist beginnt, sobald der Be­ teiligte von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erhält. Der Antrag ist nicht mehr zulässig, wenn seit der Verkündung des Spruchs drei Jahre verstrichen sind. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Wieder­ aufnahme nicht dargetan sind, weist der Friedens­ richter den Antrag durch Beschluß als unbegründet zurück. Sonst beschließt er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Die Wiederaufnahme des Verfahrens lediglich gegenüber der Entscheidung über Streitigkeiteil bürgerlich-rechtlicher Art richtet sich nach den Vor­ schriften, die für die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber einem Schiedsurteil gelten. F ür die Nichtigkeits- und Restitutionsklage ist das Amtsgericht am Sitz des Friedensrichters zuständig. § 44

Kosten Der Friedensrichter entscheidet nach pslichtmäßigem Ermessen darüber, wer die Kosten des friedens­ richterlichen Verfahrens und die notwendigen Aus­ lagen der Beteiligten trägt. E r kann die Kosten und die notwendigen Auslagen angemessen verteilen. Der Friedensrichter setzt den Betrag der zu er­ stattenden Kosten und Auslagen in der Regel im Spruch fest. Die §§ 453, 465 bis 468 der Strafverfahrensord­ nung gelten im übrigen entsprechend. Die Entschei­ dung über die Kosten und Auslagen ist unanfechtbar. *) Es wird vorausgesetzt, daß das Strafvollstreckungs­ gesetz die Vorschriften über die Vollstreckung enthält.

Zweites Hauptstück

Schiedsmannsordnung 45 Be s t e l l u n g des Schi eds m a n n s

Schiedsmannsbezirk zusammenfassen oder in einer Gemeinde mehrere Schiedsmannsbezirke bilden.

Der Landgerichtspräsident bestellt den Schiedsntann und für den Fall seiner Verhinderung einen Vertreter im Benehmen mit dem Beauftragten der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ^und dem Bürgermeister der Gemeinde, in der der Schiedsmann sein Amt ausüben soll. Sind der Schiedsmann und sein Vertreter an der Ausübung des Amtes verhindert, so kann der aussichtführende Amtsrichter die Wahrnehmung der Geschäfte des Schiedsmanns vorübergehend dem Schiedsmann eines Nachbarbezirks oder seinem Vertreter über­ tragen. F ü r die Ablehnung des Amtes und das Aus­ scheiden des Schiedsmanns gilt § 23 Abs. 1 der Deutschen Gemeindeordnung entsprechend. Ob ein wichtiger Grund die Ablehnung des Amtes oder das Ausscheiden des Schiedsmannes rechtfertigt, ent­ scheidet der Landgerichtspräsident.

§ 48 D i e n sta u f s i ch t Die Dienstaussicht über den Schiedsmann führt der Amtsrichter, der die Dienstaufsicht über das Amts­ gericht des Schiedsmannsbezirks hat. Der Präsident des Landgerichts kann einen Schiedsmann seines Amtes entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt oder wenn seine T ätig­ keit als Schiedsmann aus anderen Gründen mit einer geordneten Rechtspflege unvereinbar wäre. I n drin­ genden Fällen kann der ausstchtsührende Amtsrichter den Schiedsmann seines Amtes vorläufig entheben. Vor der Entscheidung wird der Schiedsmann gehört. Dieser kann die Entscheidung mit Beschwerde an­ fechten. über die Beschwerde entscheidet ein Strafsenat des Oberlandesgerichts. Untersteht das Amtsgericht des Schiedsmannsbe­ zirks der Dienstaussicht eines Amtsgerichtspräsidenten, so obliegen diesem die Geschäfte, die in.diesem Ab­ schnitt dem Landgerichtspräsidenten übertragen sind.

§

§ 46

E h r e n a mt D as Amt des Schiedsmanns ist ein Ehrenamt. Dem Schiedsmann kann eine angemessene Auf­ wandsentschädigung bewilligt werden. D as Reich trägt die Aufwandsentschädigung und die sächliches! Ausgaben des Schiedsmanns. Der Schiedsmann wird für die Dauer von drei Jahren bestellt. E r ist wie ein Gemeindebeamter zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Kenntnis von An­ gelegenheiten, über die er verschwiegen zu sein hat, darf er nicht unbefugt verwerten. D as gilt auch dann, wenn er sein Amt nicht mehr ausübt. Vor A ntritt seines Amtes leistet der Schiedsmann vor dem aussichtsührenden Amtsrichter folgenden Eid: „Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Schiedsmanns getreulich zu erfüllen und bei' der Ausübung meines Amtes Wahrer des Rechts und der Gerech­ tigkeit zu sein, so wahr mir Gott helfe." I m übrigen gelten die Vorschriften über die Ver­ eidigung eines Schöffen entsprechend. Bei Wieder­ bestellung' des Schiedsmanns genügt eine Verweisung auf den früher geleisteten Eid. § 47

Schiedsmannsbezirk Jede Gemeinde bildet einen Schiedsmannsbezirk. Der Präsident des Landgerichts oder die von ihm be­ auftragte Stelle kann mehrere Gemeinden zu einem

§ 49 Ö r t l i c h e Z u st ä n d i g k e i t Örtlich zuständig ist der Schiedsmann, in dessen Bezirk der Gegner wohnt. Örtlich zuständig ist auch der Schiedsmann, in dessen Bezirk die T at begangen worden ist, wenn der Antragsteller in diesem Bezirk wohnt. Sind wegen einer und derselben Tat von mehreren Antragsberechtigten verschiedene Schiedsmänner an­ gerufen worden, so gebührt demjenigen Schiedsmann der Vorzug, bei dem der Antrag zuerst eingegangen ist. Ein an sich unzuständiger Schiedsmann, der zur Vornahme des Sühneversuchs bereit ist, wird durch Vereinbarung der Beteiligten zuständig. § 50 Ausschließung Die Vorschriften der Strafversahrensordnuna über die Ausschließung des Richters gelten für den Schieds­ mann entsprechend. Über die Ausschließung entscheidet in Zweifelsfällen der aussichtführende Amtsrichter.

Antrag

§ 51 a u f V o r n a h m e der S ü h n e ­ verhandlung

Die Sühneverhandlung vor dem Schiedsmann findet nur auf Antrag statt. Antragsberechtigt ist, wer die Klage vor dem Friedensrichter erheben sam t

D e r A ntrag sann bei dem Schiedsmann schriftlich eingereicht oder mündlich zur Niederschrift erklärt werden. E r soll Nam en (auch Geburtsnamen), Rufnam en, W ohnort des Antragstellers, des A ntrag s­ gegners und, wenn ein anderer als der Verletzte den A n tra g stellt, des Verletzten sowie die T a t, die dem Gegner vorgeworfen w ird, angeben. D e r A n tra g kann bis zum Schluß der Sühnever­ handlung zurückgenommen werden. E in zurückgenom­ mener A ntrag kann nicht von neuem gestellt werden.

§ 52 Anberaumung

der

S ühneverhand­

schlichten. E r kann Zeugen und Sachverständige, die freiw illig vor ihm erscheinen, uneidlich vernehmen und einen Augenschein vornehmen. D ie Verhandlung ist nicht öffentlich. Handelt es sich um ein Schimpfwort oder eine sonstige belanglose Ehrenkränkung, die keine ehren­ rührige oder herabsetzende Behauptung enthält, und m ißlingt der Schlichtungsversuch, so kann der Schieds­ m ann die Sache fü r erledigt erklären. Handelt es sich um eine T a t, wegen deren der Friedensrichter nicht angerufen werden kann, so lehnt der Schiedsmann die Sühneverhandlung ab und be­ lehrt den Antragsteller, daß er Strafanzeige erstatten könne.

lung D e r Schiedsmann lehnt den A ntrag auf V o r ­ nahme der Sühneverhandlung ab, wenn er örtlich nicht zuständig oder der A ntrag sonst unzulässig ist. H andelt es sich um eine T a t, wegen deren der F r ie ­ densrichter nicht angerufen werden kann, so belehrt der Schiedsmann zugleich den Antragsteller, daß er S trafanzeige erstatten könne. A ndernfalls beraumt der Schiedsmann die Sühne­ verhandlung an. E r lädt die Beteiligten und weist sie auf die Folgen des Ausbleibens hin. B e i der Ladung wird dem Gegner auch m itgeteilt, welche T a t ihm vorgeworfen wird. D e r gesetzliche V ertreter eines B eteiligten derjenige, der das Recht hat, für die Person eines teiligten zu sorgen, werden von O r t und Z e it Sühneverhandlung benachrichtigt. Is t jedoch M u tte r neben dem V a te r sorgeberechtigt, so w ird der V a te r benachrichtigt.

und B e­ der die nur

§ 53 Anwesenheit

der

Beteiligten

D ie Beteiligten müssen in der Sühneverhandlung persönlich erscheinen. D e r Schiedsmann kann aus wichtigen Gründen zulassen, daß sie sich durch einen Beistand vertreten lassen. Beistände kann der Schiedsmann zurückweisen. W enn ein B eteiligter in der Sühneverhandlung unentschuldigt ausbleibt, obwohl er auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist, oder sich entfernt, so kann der Schieds­ m ann gegen ihn eine Ungehorsamsstrafe in Geld bis zu dreißig Reichsmark festsetzen. D ie Ungehorsamsstrase ist aufzuheben, wenn der Bestrafte sich nach­ träglich genügend entschuldigt. W enn der Antragsteller in der Sühneverhandlung unentschuldigt ausbleibt, obwohl er auf die gesetz­ lichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hinge­ wiesen worden ist, oder sich entsernt, so g ilt der A n ­ trag als zurückgenommen. D e r Schiedsmann beraumt eine neue Verhandlung an, wenn die S ä u m n is des Antragstellers innerhalb einer Woche genügend entschuldigt ist.

§ 55 Niederschrift D e r Schiedsmann nim m t über die Sühneverhand­ lung eine Niederschrift auf. I n ihr werden die A n ­ wesenden und das Ergebnis der Sühneverhandlung vermerkt. Kommt zwischen den Beteiligten oder zwischen einem Beteiligten und einem D ritte n eine E inigung zustande, so w ird sie in die Niederschrift aufgenommen.

§ 56 Vollstreckbarkeit

der

Einigung

Eine Einigung, die vor dem Schiedsmann zwischen den B eteiligten oder zwischen einem Beteiligten und einem D ritte n geschlossen w ird, ist vollstreckbar. D ie Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Zwangsvollstreckung aus notarischen Urkunden gelten entsprechend. D ie Vollstreckungsklausel erteilt das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schiedsmann seinen Sitz hat.

§ 57 Scheitern

des

Sühneversuchs

Is t der Sühneversuch gescheitert, so stellt der Schiedsmann dem Antragsteller und dem Gegner aus Verlangen eine Bescheinigung darüber aus. D e r Sühneversuch gilt auch dann als gescheitert, wenn der Gegner unentschuldigt ausbleibt, obwohl er aus die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist, oder sich entfernt, oder wenn eine bedingt geschlossene E inig un g hinfällig w ird, w eil eine Verpflichtung nicht fristgemäß erfüllt w ird. D e r Schiedsmann beraumt eine neue Sühne­ verhandlung an, wenn die S äum nis des Antragsgeg­ ners innerhalb einer Woche genügend entschuldigt ist.

§ 58 Kost en

Sühneverhandlung

I m Verfahren vor dem Schiedsmann schuldet die Gebühren und die Auslagen des Verfahrens der B e ­ teiligte, der sie durch seinen A n tra g , veranlaßt hat. S o w e it ein anderer durch Erklärung gegenüber dem Schiedsmann Kosten übernim mt, hastet auch er.

D e r Schiedsmann erörtert in der Sühneverhand­ lung den Sachverhalt m it den Beteiligten und sucht zu

D e r Schiedsmann kann seine Tätigkeit davon ab­ hängig machen, daß die Gebühren und voraussicht-

§ 54

lichen Auslagen werden.

des Verfahrens

vorher

entrichtet

D ie Bescheinigung über -das Scheitern des S üh ne­ versuchs soll einem Beteiligten erst erteilt werden, wenn er die ihn treffenden Kosten entrichtet hat. D a s ­ selbe gilt für die E rteilu ng einer Ausfertigung oder einer Abschrift der Einigung. D e r Schiedsmann kann die Gebühren ganz oder teilweise erlassen, wenn der Zahlungspflichtige glaub­ haft macht, daß er ohne seine Schuld nicht zahlen kann, oder wenn die Beteiligten sich ausgesöhnt haben.

Beschwerden über die Kosten werden int Aufsichts­ weg entschieden.

Schlußbestimmung §

59

A usführungs­ und ü b e r g a n g s v o r s c h r i s t e n D e r Reichsminister der Justiz erläßt die zur Durchführung hieses Gesetzes erforderlichen Ausführungs- und Übergangsvorschriften.

Begründung Allgemeine Einleitung. I.

Beispiel hierfür seien die Verwarnung mit S tra f­ vorbehalt, die Erweiterung des richterlichen E r­ messens, die Richtlinien für die Strafbemessung und die Einführung der Einheitsstrafe bei Tatmehrheit genannt. D as neue S tG B , hat ferner viele Vor­ schriften verfahrensrechtlicher Art, z. B. diejenigen über den Strafantrag, die Verfolgung von Aus­ landstaten, die Berücksichtigung deS Zeitablauss, die bisher im Strafgesetzbuch vorhanden waren, aus­ geschieden und der Versahrensordnung zugewiesen. D erart weitgehende Anpassungen des Verfahrens­ rechts an das neue sachliche Recht lassen sich nur durch eine völlige Neugestaltung des Verfahrensrechts er­ reichen. Schließlich fordert btä Einheit des Großdeutschen Reiches nicht nur ein einheitliches Strafgesetzbuch, sondern auch ein einheitliches Strafversahrensrecht. I n der Ostmark gilt noch das österreichische Recht, das im wesentlichen auf der österreichischen S tra f­ prozeßordnung von 1873 beruht und in vielen Vor­ schriften überaltert und reformbedürftig ist, freilich auch manches enthält, was wertvoll und vorbildlich ist. Es ist eine unabweisbare Forderung, bei der Vereinheitlichung des Strafverfahrensrechts Hes Großdeutschen Reiches die wertvollen Bestandteile des Rechts der Ostmark zu erhalten und die beidett bisher geltenden Strafprozeßordnungen zu einer neuen, organischen Einheit zu verbinden. Aus allen diesen Gründen besteht ein unabweis­ bares Bedürfnis nach einer neuen Strasverfahrensordnung.

Die mit beut Umbruch eingetretene Veränderung des Rechtsdenkens, die insbesondere das Strafrecht tiefgreifend beeinflußt hat, zwingt auch zu einer völligen Neugestaltung des Strafverfahrensrechts. D as Verfahrensrecht gibt den Organen der Rechts­ pflege die Arbeitsordnung, die ihnen die Umsetzung des sachlichen Rechts aus den einzelnen Lebenssall ermöglichen soll. Diese Arbeitsordnung hat nicht nur technischen Charakter. Ziel und Methode der Rechts­ anwendung können nicht weltanschaulich beziehungs­ los sein, sondern müssen von den leitenden Grund­ sätzen der Volks- und Staatsführung getragen werden. Auch die Strafverfahrensordnung muß daher in sich das nationalsozialistische Gedankengut ver­ körpern. Die bisher geltende Strafprozeßordnung von 1877 ist individualistisch ausgerichtet. S ie bildet eine Ergänzung verfassungsmäßiger „Grundrechte", die die möglichste „Freiheit" des Einzelnen gegenüber der Staatsgew alt zum Ausgangspunkt und Ziel haben. Die Voraussetzungen und Wege, unter denen sie E in­ griffe in Ehre, Leben, Freiheit und Vermögen des Einzelnen zuläßt, sind wesentlich daraus abgestimmt, die Jndividualfreiheit zu schützen. D as Schutz- und Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft ist demgegen­ über in der Strafprozeßordnung von 1877 stark ver­ nachlässigt worden. Ein solches Verfährensrecht, dessen Ausgangspunkt und Grundgedanken im Gegensatz zum II. nationalsozialistischen Rechtsdenken stehen, kann nicht durch Änderung einzelner Vorschriften derart umge­ Auf Anordnung des Führers und Reichskanzlers staltet werden, daß es den Anforderungen des neuen begannen Ende 1933 die Vorarbeiten für die Erneu­ Rechtsdenkens entspricht. Eine von nationalsozia­ erung des Strasverfahrensrechts. Eine kleine Borlistischem Geist getragene Rechtsanwendung kann nur kommission des Reichsjustizministeriums, die aus gewährleistet werden, wenn die Grundsätze dieses' Praktikern und aus den Sachbearbeitern des Reichs­ neuen Rechtsdenkens alle Einzelheiten durchdringen justizministeriums zusammengesetzt war, stellte unter und die Arbeitsordnung der Strafrechtspflege im dem Vorsitz des zuständigen Abteilungsleiters in zwei ganzen neu gestalten. Eine neue Verfahrensordnung Lesmtgen einen Entwurf der Strasverfahrensordist aus diesem Grunde unerläßlich. nung auf. Nach dem Abschluß der Beratungen dieser Dazu kommt, daß die Neugestaltung des sachlichen Vorkommission berief der Reichsminister der Justiz Strafrechts eine ihr entsprechende neue Form des im November 1936 eine größere Kommission, die sich Strafverfahrens verlangt. D as Strafvexfahrens- aus M ännern der P raxis und Wissenschaft und aus recht ist in seinen Zwecken stets an das sachliche S tra f­ den Kommissaren des Reichsjustizministeriums sowie recht gebunden. S ein Ziel, sein Geist und seine —- nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem grundsätzliche Ausrichtung müssen dem sachlichen Reich — zwei Vertretern der Ostmark zusammensetzte. Strafrecht entsprechen, es muß gewissermaßen, als Um den Einfluß der N S D A P , bei den Erneuerungs­ Spiegelbild des sachlichen Strafrechts dessen Charak­ arbeiten zu gewährleisten und ihre Mitwirkung in terzüge tragen. Viele grundsätzliche Neuerungen des der Strafrechtspflege zu sichern, nahm an den Arbei­ sachlichen Strafrechts ziehen ohne Weiteres ent­ ten ein Vertreter der N S D A P , teil. An ihnen sprechende neue Verfahrensvorschriften nach sich. Als beteiligt waren auch Vertreter der Wehrmacht, um

die Arbeiten der Kommission mit der Erneuerung des Strafverfahrens der Wehrmacht in Einklang zu halten, und Vertreter der deutschen Polizei, deren Wirken bei der Verbrechensbekämpfung im Entwurf mitgeregelt wird. Unter dem Vorsitz des Reichs­ ministers der Justiz wurde das Strafverfahrensrecht an Hand des Vorentwurfs der Vorkommission in zwei Lesungen durchberaten. Die Arbeiten der Großen Kommission wurden Ende 1938 abgeschlossen. Dem hiermit vorgelegten Entwurf liegen die Beratungs­ ergebnisse dieser Kommission zugrunde. Auch die Arbeitsergebnisse des Strafprozeßrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht und des vom Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund gebildeten Ausschusses sind in ihm verwertet. Ebenso ist das Schrifttum, das sich seit der Machtübernahme mit der Strafverfahrenserneuerung befaßt hat, berücksichtigt worden. 111. Der Entwurf legt besonderes Gewicht auf eine Vereinfachung des Ganges der Strafrechtspflege, namentlich im Aufbau der Strafgerichte, in der Rege­ lung ihrer Zuständigkeit und der Gestaltung des Rechtsmittelzuges. Die Strafgerichtsorganisation soll wie bisher int Gerichtsversassungsgesetz geregelt werden. Hingegen sind die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit und den Rechtsmittelzug in den Entwurf aufgenommen. Zum besseren Verständnis der Vorschriften sei an dieser Stelle eine kurze Über­ sicht über den dem Entwurf zugrundeliegenden Ausbau der Strafgerichte gegeben. Der Aufbau der Strafgerichte hängt wesentlich davon ab, ob sie nur mit Berufsrtchtern oder auch mit ehrenamtlichen Volksrichtern besetzt werden. D as Strafverfahren ist eine unmittelbare Äußerung des völkischen Gemeinschaftslebens. Die Strafurteile er­ gehen nicht nur äußerlich „ Im Namen des Volkes", sondern sollen auch inhaltlich vom Volk als eigene Handlung empfunden werden. D araus ergibt sich die Forderung, daß das Volk selbst bei der Ausübung der Strasgewalt beteiligt werden muß. Die Beteili­ gung von Volksrichtern an der Strafrechtspflege beruht nicht etwa wie in der Zeit des Liberalismus auf einem M ißtrauen des Volkes gegenüber seinen berufsmäßigen Rechtswahrern, sie ist vielmehr der organische Ausdruck dafür, daß die Strafrechtspflege eine besonders wichtige Aufgabe der Volksgemeinschaft darstellt und einer nahen Verbindung mit dem Volke bedarf. Die Mitwirkung von Volksrichtern gibt eine willkommene Gelegenheit zu ständiger Wechselwirkung zwischen dem Volk und seinen berufsmäßigen Rechts­ wahrern und zur Vertiefung des Verständnisses des Volkes für seine Rechtspflege. D as Ausmaß, in dem Volksrichter an der S tra f­ rechtspflege beteiligt werden, bestimmt sich jedoch nicht nur nach dem Bedürfnis der Strafrechtspflege. Es muß sich mit den anderen staatlichen Belangen im Einklang halten. Die Mitwirkung von Volksrichtern erscheint als notwendig bei der schweren Kriminalität, also bei allen Taten, die sich gegen den Bestand von Volk, S ta a t und Bewegung richten, oder die mit dem Tode oder schwerer Freiheitsstrafe bedroht sind. Bei den Strafsachen der kleinen und mittleren Krimina­

lität hingegen muß daraus Bedacht genommen werden, daß die Heranziehung timt Volksrichtern bei der an­ gespannten Arbeitslage der deutschen Volkswirtschaft und dem Mängel an Arbeitskräften nicht zu S törimgett im Arbeitsablauf des Volkes führt. Aus diesem Grunde sieht der Entwurf bei den Strassachett der kleinett und mittleren Kriminalität im ersten Rechtszug, also vor deut Amtsrichter von der M it­ wirkung von Schöffen ab und begnügt sich in diesen Sachen damit, ihre Mitwirkung im Berufungsrechts­ zug vor den Schöffenkammern vorzuschreiben.

A. Ausbau der Strafgerichte des ersten Rechtszuges. Die Strafgerichte des ersten Rechtszuges sollen künftig wie folgt aufgebaut sein: 1. K l e i n e u n d m i t t l e r e K r i m i n a l i t ä t. Es entscheidet der A m t s r i c h t e r a l s E i n z e l r i c h t e r . Seine Strafgewalt umfaßt im wesentlichen Haft, Gefängnis und Festungshaft bis zu fünf Jahren, Zuchthaus bis zu zwei Jahren, ferner die sichernden Maßregeln mit Ausnahme von Sicherungsverwahrung, Entmannung und Berufsverbot auf Lebenszeit. Das Schöffengericht als besondere Form des amtsgerichtlichen S tra f­ gerichts fällt infolge der Einschränkung der Volks­ richterbeteiligung fort. 2. S c h w e r e K r i m i n a l i t ä t. f Zuständig ist die S ch ö f f e n k a nt in e t , die beim Landgericht gebildet wird und in der Haupt­ verhandlung mit drei Berufsrichtern mit) zwei Schöffen, außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern besetzt ist. Ih re Strafgewalt ttmfaßt sämtliche im Gesetz vorgesehenen Strafen und Maßregeln. Die Schöffenkammer übernimmt auch die Zustättdigkeit des bisherigett Schwur­ gerichts, das schort bisher ein großes Schöffen­ gericht war und in seiner bisherigen Form und Besetzung keine Daseinsberechtigung mehr hat. Die Zuständigkeit zwischen Amtsrichter und Schöffenkammer ist in der Weise abgegrenzt, daß der S taatsanw alt Anklage vor dem Amtsrichter erheben soll, wenn er dessen Strasgewalt für au s­ reichend hält, und die Schöffenkammer nur angeht, wenn die amtsrichterliche Strafgewalt nicht aus­ reicht oder wettn die Verhandlung vor dem Amts­ richter mit Rücksicht auf den Umfang oder die Bedeutung der Sache nicht angezeigt ist. 3. S o n d e r f ä l l e . Neben den Atntsrichter uttd die Schöffenkammer treten für Sonderfälle: a) Die beim Landgericht gebildete S t r a f ­ kammer. S ie soll die Aufgaben der bisherigen Sondergerichte übernehmen und ist in und außerhalb der Hauptverhandlung mit drei B e­ rufsrichtern besetzt. Da es bei ihr auf eine besonders schlagfertige Abwehr ankontmt, soll von der Beteiligung von Volksrichtern in der Strafkammer wie bisher abgesehen werden. Neben einer Reihe bestimmter Straftaten,

Unter denen sich im wesentlichen die bisherigen Sonderger'chtsdelikte befinden, sind ihr ent­ sprechend der Verordnung über die Erweite­ rung der Zuständigkeit der Sondergerichte vom 20. November 1938 (RGBl. I S . 1632) solche Taten zugewiesen, bei betten der S taatsanw alt mit Rücksicht auf ihre Schwere oder Verwerf­ lichkeit oder die in der Öffentlichkeit hervor­ gerufene Erregung die sofortige Aburteilung durch die Strafkammer für geboten hält. b) Der V o l k s g e r i c h t s h o f und d i e O b e r l a n d e s g e r i c h t e als Gerichte des ersten und letzten Rechtszuges für Hoch- und Landes­ verrat und einige gleichgestellte Straftaten. Der Volksgerichtshof ist wie bisher in der Haupt­ verhandlung mit zwei Berufsrichtern und drei ehrenamtlichen Richtern, außerhalb der Haupt­ verhandlung mit zwei Berussrichtern und einem ehrenamtlichen Richter besetzt. Die Zu­ ständigkeit der Oberlandesgerichte ist wie bis­ her aus die Sachen beschränkt, die der Ober­ reichsanwalt beim Volksgerichtshof oder der Volksgerichtshof an sie abgibt. Ih re Besetzung wird an die des Volksgerichtshofs angeglichen. c) Der B e s o n d e r e S t r a f s e n a t d e s Reichsgerichts. E r ist eilt Gericht des ersten unb letzten Rechtszuges und mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Vor ihm kaun der Oberreichsanwalt Anklage erheben, wenn er dies wegen der Bedeutung der Sache für angezeigt hält. Nur in seltenen Aus­ nahmefällelt wird ein Anlaß oazu bestehen. 8 . Rechtsmittelzug.

Ordentliche Rechtsmittel gegen Urteile sind die Berufung und die Urteilsrüge. Urteile des Amts­ richters können mir mit der Berufung angefochten lverden, über die die Schöfsenkammer des Land­ gerichts in derselben Besetzung wie als Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet. F ür die Zulassung der Urteilsrüge (Revision) gegen Urteile des Amts­ richters besteht, wie die Erfahrung gezeigt hat, kein praktisches Bedürfnis. Urteile der Schöffenkammer, die im ersten Rechtszug erlaßen sind, können nur mit der Urteilsrüge angefochten werden. Über sie entschei­ det das Reichsgericht in der Besetzung mit fünf Be­ russrichtern. M it den ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar sind die im Berufungsrechtszug er­ gehenden Entscheidungen der Schösfenkammern und die Entscheidungen der Strafkammern, die die Ausgabe der bisherigen Sondergerichte übernehmen. Dasselbe gilt für die Entscheidungen der Oberlandes­ gerichte, des Volksgerichtshofs und des Reichsgerichts. An außerordentlichen Rechtsbehelfen gegen Urteile gewährt der Entwurf die Nichtigkeitsbeschwerde und den Einspruch, die nur in wenigen, eng begrenzten Fällen Platz greisen. S ie stehen nur dem Oberreichs­ anwalt beim Reichsgericht zu und führen zu einer Entscheidung des Reichsgerichts. Hiernach ergibt sich für den Gerichtsaufbau und den Rechtsmittelzug folgende

schematische Übersicht *): 1. kleine und mittlere Kriminalität

2. schwere Krtminalttät

Amtsrichter (1 DR.)

Schöffenkammer (3 B R . + 2 DR.)

Schöfsenkammer (3 B R . + 2 DR.)

Reichsgericht (5 DR.) 3. Sonderfälle

Strafkammer

(3 B R .) _________

Volksgerichtshof

Oberlandesgericht

Besonderer Strafsenat des Reichsgerichts (2B R .-i-3D R .) (2 BR.-f-3DR.) (3 B R -j-2 DR.) keine Rechtsmittel

0 BR. — Berufsrichter; VR. — Volksrichter.

IV. Die Erneuerung des Strasversahrensrechts ist aus das sachliche Strafrecht ausgerichtet. Diese Zweck­ gebundenheit ist bei der Neugestaltung nirgends außer acht gelassen und muß auch bei der praktischen Handhabung der Versahrensordnung stets beachtet werden. Alle Verfahrensvorschristen verfolgen das Ziel, die gerechte und zugleich zweckmäßigste, d. h. sicherste, schnellste und einfachste Art der Umsetzung des sachlichen Strafrechts auf den einzelnen F all zu ermöglichen. Der Vorspruch zum Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuchs bezeichnet als S in n und Zweck des Strafrechts den Schutz des Volkes, die Sühne für Unrecht unb die Festigung des Willens zur Gemeinschaft. Damit wird die „Gerechtigkeit", wie sie das auf die Gemeinschaft bezogene national­ sozialistische Rechtsdenken versteht, zum tragenden Grundsatz des Strafrechts erhoben. Dieser Grundsatz bildet auch den Leitgedanken für das Strasversahrensrecht. Konnte int Strafversahrensrecht der ver­ gangenen Zeit die Gerechtigkeit vielfach nur eine formale sein, da sie mangels einer tragenden völ­ kischen Weltanschauung beziehungslos war, so hat im nationalsozialistischen S ta a t die Gerechtigkeit durch die Ableitung aus der völkischen Weltanschauung einen sittlichen, sachlichen In h a lt erhalten. Aus ihr ergeben sich für das Strafverfahren folgende Forde­ rungen: Richtige und vollständige Erkenntnis der Persönlichkeit des Täters, seiner T at und seines Willens, der Tatumstände, der inneren Beziehung des Täters und seiner T at zum Volk und seinen Lebensnotwendigkeiten, Gewährleistung richtiger Tatsachenseststellung und -bewertung und Sicherung eines auf das Schutz- und Sühnebedürsnis der Ge­ meinschaft ausgerichteten Spruchs. Die für die Ver­ wirklichung dieses Ziels erforderlichen M ittel müssen int Strafverfahren in vollem Umsang zur Verfügung gestellt werden. Jede zur Strafverfolgung berufene Stelle muß im Rahmen ihres Aufgabenbereichs von diesen M itteln kraft eigener Verantwortung den sachlich gebotenen Gebrauch machen können. 3*

Ein wichtiges M ittel zur Verwirklichung wahrer Gerechtigkeit sieht der Entwurf zunächst in der Be­ seitigung aller nicht unbedingt notwendigen Form ­ vorschriften, in der Auflockerung der Verfahrensvorschriften unb in der Vereinfachung des Gangs der Strafrechtspflege. Die Arbeitsweise des Strafge­ richts soll einfach, natürlich und dem Volke verständ­ lich sein. Dies erfordert eine möglichst freie und dem Einzelfall angepaßte Verfahrensführung. Allerdings kann ein gewisses Mindestmaß zwingender Vor­ schriften nicht entbehrt werden. Aber der Entwurf sieht solche Vorschriften nur da vor, wo sie für unser Gerechtigkeitsempfinden unentbehrlich sind, wie etwa die-Vorschriften über die Unmittelbarkeit und Münd­ lichkeit der Hauptverhandlung, die Öffentlichkeit des Verfahrerls, die Gewährleistung rechtlichen Gehörs und angemessener Verteidigung. Manche Form- und Fristbestimmungen, deren Auswirkungen im Einzel­ sall dem Gerechtigkeitsempfinden widerstreben können, müssen in Kauf genommen werden, um eine allge­ meine Verfahrensunsicherheit und Verfahrensun­ gleichheit zu verhindern. Der Entwurf trifft zudem Vorsorge, daß durch Belehrung des Rechtsunkundigen Nachteile infolge Nichtbeachtung von Form- und Fristvorschristen nach Möglichkeit vermieden und be­ gangene Versehen wiedergutgemacht werden können. Die Auflockerung des Verfahrens prägt sich vor allem in der Regelung des Hauptverfahrens aus. Die Möglichkeit, uferlose Verfahren einzuschränken, wird erweitert. Beseitigt werden im wesentlichen die förm­ lichen Bindungen des Gerichts an eine Zustimmung des Angeklagten zu bestimmten Verfahrenshand­ tungen, wie sie das bisherige Recht noch vorsieht. Die Erweiterung der Anklage und die Anwendung eines anderen Strafgesetzes werden an wesentlich leichtere Voraussetzungen gebunden als bisher. D as richter­ liche Ermessen bei der Behandlung von Beweisan­ trägen wird freier gestaltet. F ü r alle Arten von Gerichten wird an Stelle starrer Beweisregeln nur die eine Richtschnur gegeben, daß das Gericht ver­ pflichtet ist, von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist. Damit soll das Gebot der Wahrheitsersorschung nicht abge­ schwächt, sondern verstärkt werden. Die vom neuen Willensstrafrecht geforderte klare Erkenntnis der P e r­ sönlichkeit des Täters ist nur dann möglich, wenn grundsätzlich alle Beweismittel, die zur Verfügung stehen, von den Strafverfolgungsbehörden auch aus­ geschöpft werden. Eine Mißachtung dieses Gebots würde das neue Strafrecht entwerten. Der Entwurf lockert daher die zu starren Regeln des geltenden Rechts über die Zulassung und Verwertung von Be­ weismitteln. Die Möglichkeit, beim Mangel besserer Beweismittel Schriftstücke zu verlesen, wird im In te r­ esse der Wahrheitsersorschung erweitert. D as her­ vorragendste Beweismittel, die Zeugenaussage, wird für das Strafverfahren in weiterem Umfange nutzbar gemacht als bisher. Die Befugnis zur Aussagever­ weigerung aus persönlichen Gründen wird dem höheren Interesse der Volksgemeinschaft an der W ahr­ heitserforschung und Strafverfolgung untergeordnet. D as Amts- und Dienstgeheimnis erhält dagegen einen verstärkten Schutz. Auch das Berufsgeheimnis

wird durch Einschränkung der Äussagepflicht bei gewissen Berufsträgern weiterhin gesichert. Zu den Beweismitteln, die künftig voll ausgeschöpft werden sollen, gehört auch der Eid, von dem in den letzten Jahren zum Schaden der Gerechtigkeit vielfach zu wenig Gebrauch gemacht worden ist. Künftig soll der Zeuge grundsätzlich seine Aussage beschwören, wovon nur in Ausnahmefällen abgesehen werden kann. Die Ausschöpfung aller erreichbaren Erkenntnis­ quellen setzt voraus, daß den Strasverfolgungsbehörden die hierfür notwendigen Machtmittel gegeben werden. Der Entwurf erweitert und verstärkt daher die Zwangsmittel, die dazu dienen sollen, die Person des Beschuldigten sowie Beweise und Gegenstände für das Verfahren sicherzustellen. Die wichtigsten Neu­ erungen enthält das Recht der Untersuchungshaft. S ie kann künftig nicht nur bei Flucht- oder Verdunke­ lungsgefahr verhängt werden, sondern auch dann, wenn zu besorgen ist, daß der Beschuldigte seine Freiheit zu neuen Straftaten mißbrauchen werde, oder wenn sein Verbleiben in der Freiheit mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der T at für die Volksgemeinschaft unerträglich wäre. Anderer­ seits darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn ihre Nachteile zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen. Reichen gelindere M aß­ nahmen, wie die Auferlegung von Verpflichtungen oder Aufenthaltsbeschränkungen aus, so soll vom Vollzug des Haftbefehls, der wegen Flucht- oder Ver­ dunkelungsgefahr erlassen worden ist, abgesehen werden. Diese Regelung trägt den Belangen der Volksgemeinschaft voll Rechnung und nimmt doch die gebührende Rücksicht auf die Belange des Einzelnen. Auch die übrigen Zwairgsmittel (Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchung) werden von allen Hemmnissen befreit, die der Sicherung eines gerechten Urteils im Wege stehen und nach nationalsozialistischer Anschauung über das Verhältnis der Volksgemein­ schaft zum Einzelnen nicht mehr gerechtfertigt sind. Insbesondere wird die Befugnis zu körperlichen Untersuchungen und Eingriffen derart ausgestaltet, daß die Forderung nach gründlicher Erforschung der Täterpersönlichkeit, besonders auf erbbiologischem Gebiet, erfüllt werden kann. Eine gerechte Entscheidung erfordert nicht nur die Ausschöpfung aller erreichbaren Erkenntnisquellen; ebenso wichtig ist es, daß zur Wahrheitserforschung jeweils die zuverlässigsten Erkenntnismittel ange­ wandt werden. Der Entwurf fordert daher für die Hauptverhandlung die Unmittelbarkeit und M ünd­ lichkeit der Beweisaufnahme. Auskunftspersonen sind grundsätzlich in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Auch bei den übrigen Beweismitteln wird darauf hin­ gewirkt, daß sie in weiterem Umfang als bisher dem erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung dar­ geboten werden. Auch für das Vorverfahren wird dem S taatsanw alt die Verschaffung eines unmittel­ baren Eindrucks von dem Beschuldigten und von den Beweisen nahegelegt. Der Entwurf vermeidet an ­ dererseits jede schädliche Übertreibung des G rund­ satzes der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. D as Gericht kann die sachliche Gerechtigkeit nur dann voll verwirklichen, wenn es von formalen B e­ weisregeln befreit ist und über die Ergebnisse der

Hauptverhandluug nach freier Überzeugung entschei­ det. Der Entwurf hält andererseits daran fest, daß das Gericht seine Entscheidung über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten nur auf solche Erkennt­ nisquellen stützen darf, die in der Hauptverhandlung ausgewertet worden find. VI. Der Entwurf begnügt sich nicht mit einer abstrak­ ten Gerechtigkeit, sondern er erstrebt die Verwirk­ lichung sachlicher Gerechtigkeit im Einzelfall. D as geltende Recht gruppiert die Straftaten nach A rt und Höhe der im Gesetz vorgesehenen S trafe (Verbrechen — Vergehen — Übertretungen) und knüpft an diese Unterscheidung in der Strafprozeßordnung und im Gerichtsverfassungsgesetz wichtige Rechtsfolgen. I m neuen Verfahrensrecht muß dagegen der abstrakte Tatbestand hinter die Persönlichkeitsbewertung zu­ rücktreten, wie dies auch den Grundsätzen des neuen Strafrechts als Willensstrasrecht entspricht. Die Zugrundelegung der abstrakten Strafdrohung bei der Gestaltung verfahrensrechtlicher Rechtsfolgen ist für das neue Recht auch deshalb unbrauchbar, weil bei der Weite der neuen Strafrahm en aus Art und Maß der a n g e d r o h t e n S trafe kein zuverlässiges Kennzeichen für die Schwere einer T at entnommen werden kann. Der Entwurf hat sich deshalb von der abstrakten Regelung des bisherigen Rechts abgewandt und die konkrete Betrachtung des Einzelfalls in den Vordergrund gerückt. S o soll insbesondere für die Nichtverfolgung wegen geringer Schuld, für den E in­ fluß des Zeitablaufs auf die Strafverfolgung, für die Zulässigkeit der Verhandlung ohne den Angeklagten und für die Regelung der sachlichen Zuständigkeit nicht das a n g e d r o h t e Strafm aß entscheidend sein, sondern Art und Höhe der S trafe ober sichernden Maßregel, die nach der vorausschauenden Beurteilung des S taatsanw alts oder Richters im E i n z e l f a l l z u e r w a r t e n ist. Der Entwurf sucht damit jede schematische Behandlung verschiedenartiger Straftaten zu verhindern und für jeden Einzelfall die ihm zu­ kommende gerechte Entscheidung zu gewährleisten. Dem gleichen Ziel sollen die besonderen Vorschriften dienen, die der Entwurf für das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten vorsieht. ' VII. Eine nicht minder wichtige Aufgabe der Erneu­ erung des Strafverfahrensrechts ist es, nachdrücklichst für die Beschleunigung des Strafverfahrens Sorge zu tragen. Die Strafe muß, wenn irgend möglich, der T at auf dem Fuße folgen. J e schneller die Sühne den Verbrecher trifft, umso wirksamer erfüllt die S trafe ihren Zweck. D as Ziel der Beschleunigung darf daher nicht nur bei einzelnen Verfahren verfolgt werden, die vor den sogenannten Schnellgerichten stattfinden, sondern verlangt Berücksichtigung in Strafverfahren jeder Art, welches Gericht auch für sie zuständig sein mag. Der Entwurf läßt es sich bei der Gestaltung zahlreicher Einzelvorschriften besonders angelegen sein, Verfahren jeder Art mit der gebotenen Beschleunigung durchführen zu können. Die wich­ tigsten Beschleunigungsmittel seien hier hervor­

gehoben. Zunächst gebietet der Entwurf dem S ta a ts­ anwalt, bei einer Mehrheit von Taten oder Rechts­ verletzungen eines Angeklagten die Verfolgung ouf das Wesentliche zu beschränken und — vor allem auch zur Bewältigung der Monstreprozesse — Vorgänge auszuscheiden, die bei der Gesamtwürdigung der P e r­ sönlichkeit des Täters und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Auch das Gericht hat in weitestem Umfang die Befugnis, die Verhandlung und E nt­ scheidung auf das Wesentliche zu beschränken. Sodann kürzt der Entwurf die Ladungsfrist für die Haupt Verhandlung, soweit das mit den Belangen der Ver­ teidigung des Angeklagten vereinbar ist. Ein wesent­ liches M ittel für die Beschleunigung der S trafver­ fahren sieht der'Entwurf auch darin, die Verhandlung vor höheren Gerichten stattfinden zu lassen, gegen deren Spruch kein Rechtsmittel zugelassen zu werden braucht, da die Besetzung des Gerichts besondere Ge­ währ für eine richtige Entscheidung bietet. Schließ­ lich erweitert der Entwurf über das geltende Recht hinaus die Möglichkeit, eine T at durch den Amts­ richter in einem besonders beschleunigten Verfahren aburteilen zu lassen. VIII. Es wäre irrig, eine Sicherung der Gerechtigkeit durch Schwächung der Stellung des Beschuldigten und seines Verteidigers erreichen zu wollen. Vielmehr gehört eine vernünftig ausgebaute Rechtsstellung des Beschuldigten zu den wesentlichen Grundlagen eines auf Gerechtigkeit gerichteten Verfahrens. Gerade ein S ta a t mit starker Führung und kraftvoller Gerichts­ barkeit kann ohne Schaden für die Wahrheitserfor­ schung und für das Ansehen des Gerichts dem Beschul­ digten volle Verteidigungsfreiheit gewähren. Zur vollen Verteidigungsfreiheit gehört zunächst das Recht auf Anwesenheit bei allen wesentlichen Verfahrens­ handlungen. I m Vorverfahren kann allerdings dieses Recht wegen möglicher Gefährdung des Unter­ suchungszwecks nur in beschränktem Umfange gewährt werden. I m Hauptverfahren wandelt sich das Anwesenheits r e c h t des Beschuldigten zur Anwesenheits P f l i c h t . Ein gerechtes Urteil, das entsprechend den Forderungen des Willensstrafrechts auf einer eingehenden Persönlichkeitswertung beruht, kann das Gericht im allgemeinen nur dann finden, wenn es den Angeklagten selbst vor sich sieht und ihn mit seiner Verteidigung hört. Der Entwurf schränkt daher die Möglichkeit zur Befreiung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen gegenüber dem gel­ tenden Recht erheblich ein. Andererseits erweitert der Entwurf die Möglichkeit zur Verhandlung gegen den ohne Erlaubnis ausbleibenden Angeklagten, und baut auch das Verfahren gegen Flüchtige aus, um nicht durch die Anwesenheitspflicht die Durchführung des Verfahrens zu vereiteln. Die Verteidigungs­ freiheit erfordert ferner volle Sicherung des Gehörs. Hierhin gehört die im Entwurf zwingend vorgeschrie­ bene Vernehmung des Beschuldigten vor der An­ klageerhebung, die Mitteilung der Anklageschrift, das Recht zur Stellung von Anträgen in- und außerhalb der Hauptverhandlung, das Fragerecht gegenüber allen Auskunftspersonen, das Recht, zu jeder einzel­ nen Beweiserhebung alsbald nach ihrer Vornahme

sachlich Stellung zu nehmen, und die Sicherung des letzten Worts. IX. D as beste Verfahrensrecht und die beste Richter­ auswahl können nicht verhindern, das gelegentlich infolge des unzulänglichen menschlichen Erkenntnis­ vermögens Irrtü m er vorkommen. Die Gerechtigkeit verlangt aber, daß Einrichtungen geschaffen werden, die die Beseitigung von Fehlern und Mängeln durch die Gerichte ermöglichen. Dazu sollen in erster Linie die R e c h t s m i t t e l (Beschwerde, Berufung und Urteilsrüge) dienen. Sie sind grundsätzlich nur da ausgeschlossen, wo die höchsten Gerichte (Reichsgericht, Volksgerichtshof, Oberlandesgerichte) entschieden haben und die Anrufung einer höheren Instanz nicht möglich oder nicht angängig ist. Die Beschwerde wird dem Betroffenen gegen richterliche Beschlüsse und Verfügungen gegeben, soweit sie nicht ausdrück­ lich der Anfechtung entzogen werden. Bei Urteilen wird für die große Gruppe der kleinen und mittleren Kriminalität, d. h. bei den Urteilen des Amtsgerichts, die Berufung zugelassen. S ie führt zu einer Erneu­ erung der Hauptverhandlung vor einem höheren Gericht und ermöglicht damit eine umfassende Nach­ prüfung der tatsächlichen Feststellungen und ihrer rechtlichen Wertung, der Persönlichkeit des Angeklag­ ten und der Angemessenheit von Strafe und sichern­ den Maßregeln. Bei Urteilen der Schöffenkammern wird nur die Urteilsrüge gegeben, die zum Reichs­ gericht führt. Um die große Zahl der Urteilsrügen bei einen: einzigen Gericht bewältigen zu können, muß bei der Urteilsrüge der Umfang der Nachprüfung be­ schränkt werden. D as wird jedoch durch die Q ualität der Rechtsprechung ausgeglichen, die durch die Be­ setzung des Reichsgerichts gewährleistet ist. Die für das Gerechtigkeitsempsinden vielfach unerträglichen Beschränkungen, die das Rechtsmittel der Revision int bisherigen Recht den: Gericht bei der Nachprüfung des angefochtenen Urteils auferlegte, werden bei der Urteilsrüge weitgehend beseitigt. S ie soll umfassender als die bisherige Revision der Gerechtigkeit dienen, und zwar nicht nur dadurch, daß sie die Anwendung gleichen Rechts für alle Volksgenossen und damit die Rechtseinheit wahrt, sondern auch dadurch, daß sie über die Rechtsanwendung hinaus die gerechte Ge­ samtbeurteilung des Einzelfalls sichert. Der Entwurf ermöglicht daher im Urteilsrügeverfahren nicht nur eine Nachprüfung des Verfahrens und der Rechts­ anwendung (einschließlich der Anwendung von W ert­ maßen), sondern auch eine Nachprüfung von Fehlern bei der Ausübung des richterlichen Ermessens, insbe­ sondere bei der Strafbemessung. Als Ziel der Nach­ prüfung bezeichnet der Entwurf die Feststellung, ob das Urteil „ungerecht" erscheint. Darüber hinaus hat das Urteilsrügeaericht zu prüfen, ob schwere Be­ denken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Fest­ stellungen eine neue Entscheidung erfordern. D as Rügegericht kann also künftig über die reine Rechts­ prüfung weit hinausgreifen. Es braucht nicht mehr einen Richterspruch aufrecht zu erhalten, der ihm sachlich ungerecht erscheint. Auch das Verfahren vor dem Urteilsrügegericht wird zur Erzielung einer gerechten Entscheidung von allen Bindungen befreit, die der Rechtsfindung Hindernisse bereiten könnten.

Die Wahrung der Rechtseinheit, die im Groß­ deutschen Reich von noch größerer Bedeutung ist als innerhalb der Grenzen des Altreichs, wird durch be­ sondere Maßnahmen des Entwurfs wesentlich geför­ dert. Der Entwurf ermöglicht es im Beschwerde­ verfahren bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, eine Entscheidung des Reichsgerichts her­ beizuführen. Außerdem wird für gewisse Fälle statt einer Senatsentscheidung des Reichsgerichts die E n t­ scheidung durch den Großen Senat für Strafsache:: oder durch die Vereinigten Großen Senate (für Strafsachen und Zivilsachen) vorgesehen. Mit diesen Maßnahmen will der Entwurf nicht nur der Einheit des Großdeutschen Reiches dienen, die in der Einheit der Rechtsprechung jedem fühlbar werden muß, son­ dern auch mittelbar der sachlichen Gerechtigkeit dienen, indem gleiches Recht für alle Volksgenossen gewährleistet wird. Das neue Willensstrafrecht erfordert eilte allseitige und umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des T äters und seiner Taten. Eine unter diesem Ge­ sichtspunkt gerechte Entscheidung ist nur dann möglich, wenn das Rechtsmittelgericht die Vollmacht zur E n t­ scheidung in demselben Umfang hat wie das untere Gericht und- nicht durch die Teilrechtskrast der ange­ fochtenen Entscheidung an der Nachprüfung als irrig oder zweifelhaft erkannter Einzelentscheidungen ge­ hindert wird. Eine bindende Beschränkung des Rechtsmittels auf . einzelne Teile einer Entscheidung lehnt der Entwurf daher ab. Der Entscheidungs­ gewalt des Rechtsmittelgerichts ist stets das ganze Urteil gegenüber einem Angeklagten unterworfen. Aus demselben Grunde ermöglicht es der Entwurf, die Wirkung eines Rechtsmittels auch auf M ita n ­ geklagte zu erstrecken, denen gegenüber das Urteil zu­ nächst rechtskräftig geworden ist. Wenn ein Grund, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, auch die in dem Urteil ausgesprochene rechtskräftige Entscheidung über einen Mitangeklagten beeinflußt hat, so soll künftig der Mitangeklagte, der kein Rechts­ mittel eingelegt hat, in die Verhandlung und in das neue Urteil des Rechtsmittelgerichts einbezogen werden können. Die Gerechtigkeit soll auch nicht dadurch gehemmt werden, daß ein Rechtsmittel nur zugunsten oder zuungunsten des Betroffenen eingelegt ist. Jedes Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung nicht nur zugunsten, son­ dern auch zuungunsten des Betroffenen geändert oder aufgehoben werden kann. X. Is t eine richterliche Entscheidung rechtskräftig geworden, so muß das Streben nach Gerechtigkeit im Einzelsall in Einklang gebracht werden mit dem allge­ meinen Verlangen nach Rechtssicherheit und Rechtssrieden und der Achtung vor dem Richterspruch. Der Entwurf wählt in diesen: Widerstreit zwischen Rechts­ kraft und Gerechtigkeit einen Weg, der stärker als das geltende Recht die Beseitigung sachlicher Ungerechtig­ keiten ermöglicht, andererseits aber starke Sicherungen gegen voreilige und zu weit gehende Einbrüche in die Rechtskraft vorsieht. Die Regelung des Wiederaufnahmerechts zeigt den grundsätzlichen Wandel der

Rechtsanschauungen. I m geltenden Recht tritt gerade im Wiederaufnahmeverfahren die dem Strafprozeß zugewiesene Sicherungsfunktion zum „Schutz" des Einzelnen vor der Staatsgew alt besonders kraß in Erscheinung. Indem die Wiederaufnahme zuun­ gunsten des Angeklagten nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen zugelassen wird als die zugunsten des Angeklagten, werden offensichtliche Ungerechtig­ keiten bewußt in Kauf genommen. Der Entwurf kennt dagegen keine „verschiedene" Gerechtigkeit, je nachdem sie sich zugunsten oder zuungunsten des Ange­ klagten auswirkt. Die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten wird daher künftig an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie die zu seinen Gunsteil. Aus Gründen der Gerechtigkeit wird die Wiederauf­ aufnahme auch zum Zweck wesentlich anderer Strafbemessung im Rahmen d e s s e l b e n S tra f­ gesetzes zugelassen. Die Zulassung der Wiederauf­ nahme bei Beschwer durch die Gründe eines frei­ sprechenden Urteils dient gleichfalls der Gerechtigkeit. Neben der Wiederaufnahme gibt der Entwurf zur Sicherung eines gerechten Urteils noch die außeror­ dentlichen Rechtsbehelfe der Nichtigkeitsbeschwerde und des Einspruchs. Die dem österreichischen Recht nachgebildete Nichtigkeitsbeschwerde wird gegen Ur­ teile des Amtsrichters, der Schösfenkammer und der Strafkammer gegeben, die wegen eines groben Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die fest­ gestellten Tatsachen ungerecht sind, während der Ein­ spruch von diesen Voraussetzungen unabhängig ist. Beide Rechtsbehelfe sind wegen ihres außerordent­ lichen Charakters dem Oberreichsanwalt vorbehalten und führen 51t einer neuen Entscheidung durch das Reichsgericht.

XI. F ü r die Erzielung einer gerechten Endentscheiduilg sollen sich die für das StrafverfahrenVerantwortlichen, insbesondere Staatsanw alt und Richter, mit der ganzen Kraft ihrer Persönlichkeit einsetzen. Dies er­ fordert eine Erhöhung der Verantwortlichkeit und eine Stärkung der zur Aufgabenerfüllung gegebenen Rechte, eine klare Zielsetzung für die verantwortlichen Versahrensträger und eine klare Abgrenzung der von jedem Strafverfolgungsorgan im jeweiligen Versahrensabschnitt zu erfüllenden Aufgaben. D as geltende Recht ist gekennzeichnet durch eine weitgehende gegenseitige Bindung und Überwachung der an der Strafrechtspflege beteiligten Organe. Vor allem ist der Staatsanw alt nicht mit den selbständigen Rechten ausgestattet, die ihm als dem verantwort­ lichen Vertreter der Staatsführung zukommen. Aber auch das Gericht ist in der Freiheit seiner Entschlie­ ßungen weit mehr gehemmt als dies für eine der Ge­ rechtigkeit dienende Entscheidung erträglich ist. Zur Klarstellung der Verantwortlichkeit und damit auch zur Stärkung der Verantwortungsfreudigkeit mußten diese Bindungen aufgehoben oder wenigstens gelockert werden. Die grundsätzliche Richtung der Verant­ wortungszuteilung geht dahin, daß die Verantwortung für das Vorverfahren der S taatsanw alt und die für das Hauptverfahren das Gericht tragen soll. I n welcher Weise der Entwurf diese Grundsätze bei der Gestaltung des Vorverfahrens und des Haupt­

verfahrens im eiugelncii durchführt, ist in der E in­ leitung zu den Hauptstücken über das Vorverfahren und das Hauptverfahren jeweils dargelegt. Die Stellung, die der Entwurf dem Verteidiger gewährt, beruht auf der Erkenntnis, daß die Vertei­ digung für eine gesunde Strafrechtspflege unentbehr­ lich ist und daher ihre freie Tätigkeit gesichert werden muß. Als Organ der Strafrechtspflege hat der Ver­ teidiger dem Beschuldigten beizustehen und im R ah­ men seiner Fürsorge für den Beschuldigten zugleich der Ermittlung der Wahrheit zu dienen uttb zur Findung eines gerechten Urteils beizutragen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe gewährt der Entwurf bcm Verteidiger freie Verteidigungsmöglichkeit, insbeson­ dere die Befugnis zutn Verkehr mit dem Verhafteten und zur Akteneinsicht. Beschränkungen sind nur soweit vorgesehen, als sie zur Wahrheitsermittlurtg oder zur Sicherung eines ungestörten Versahrensfortgangs unerläßlich sind. Die Arbeit des Vertei­ digers dient nicht nur der Fürsorge für den Beschul­ digten, sondern sie ist zugleich Dienst an der Gemein­ schaft. Der Entwurf bringt dem Verteidiger volles Vertrauen in der Erwartung entgegen, daß er von seinen Befugnissen den Gebrauch macht, der seiner Stellung als Organ der Strafrechtspflege entspricht.

XII. D as Hauptziel des Strafverfahrens geht dahin, die Schuld oder Nichtschuld des Beschuldigten festzu­ stellen und gegebenenfalls die zum Schutz des Volkes und zur Sühne der T at erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine solche Entscheidung enthält vielfach mittelbar ein Urteil über die Ehre des Angeklagten, indem sie seine Stellung und sein Verhalten zur Volksgemeinschaft bewertet. Im Strafverfahren wegen Ehrenkränkung tritt die Ehre des Verletzten a ls Gegenstattd des Verfahrens noch stärker in den Vordergrtmd. D as geltende Recht hat den Schutz der Ehre im Strafverfahren stark vernachlässigt. Die Vorstellung, daß das Strafverfahren nach Art eines bürgerlichen Rechtsstreits lediglich die Entscheidung über den staatlichen „Strasanspruch" zum Gegenstand habe, und daß sich seine Aufgabe in der Bejahung oder Verneinung dieses Anspruchs erschöpfe, führte zu einer Verkümmermrg des Ehrenschutzes. Der E nt­ wurf gibt der Ehre auch im Strafverfahren die Be­ deutung, die ihr nach nationalsozialistischer Lebens­ auffassung zukotnmt. E r sieht in einem ausreichenden Ehrenschutz für den Verletzten, aber auch für den Be­ schuldigten, eine wichtige Aufgabe des Strafverfah­ rens. Den strafrechtlichen Ehrenschutz für den Verletzten verstärkt der Entwurf zunächst dadurch, daß er alle harmloseren Ehrenkränkungen des Alltags, die mehr einer Befriedung als einer kriminellen Ahndung be­ dürfen, dem Friedensrichter zuweist und damit die kriminelle Natur der ernsthaften Ehrenkränkungen, gegen die die M ittel strafrechtlicher Ahndung mit aller Schärfe eingesetzt werden, stark unterstreicht. Im Strafverfahren wegen Ehrenkränkung erhält der Ver­ letzte alle Rechte, die es ihm ermöglichen, nachdrücklich für den Schutz und die Wiederherstellung seiner Ehre einzutreten. D as Gericht soll künftig zum Schutz und

zur Wiederherstellung der verletzten Ehre Feststel­ lungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung treffen. F ü r die Fälle, in denen kein Strafverfahren möglich ist, schafft der Entwurf zu diesem Zweck ein selbständiges Feststel­ lungsverfahren. Der Entwurf trifft aber auch Vorsorge dafür, daß die Ehre des Beschuldigten durch das Strafverfahren nicht mehr als notwendig beeinträchtigt wird. Neben der vollen Verteidigungsfreiheit dient vor allem die Gestaltung des Eröffnungsverfahrens einen: wirk­ samen Ehrenschutz, indem sie die Durchführung von Hauptverhandlungen verhindert, die nicht zur Ver­ urteilung des Angeklagten führen können, ihn aber möglicherweise unnötig bloßstellen. Vorstrafen des Angeklagten sollen künftig nur erörtert werden, wenn und soweit es notwendig ist. Ergibt sich in der Hauptverhandlung, daß der Angeklagte von dem An­ klagevorwurf tu wesentlichem Umfange entlastet ist, ohne daß ein Freispruch begründet wäre, so wird dies künftig im Urteilsspruch zum Ausdruck gebracht. Zur Wiederherstellung des guten Rufs des Angeklag­ ten wird in weiterem Umfange als bisher die öffent­ liche Bekanntmachung des Urteils vorgesehen. Die Rechtsmittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens werden auch bei schwerer Ehrenminderung durch die G r ü n d e eines freisprechenden oder einstellenden Urteils zugelassen. Auch die vermögensrechtliche Genugtuung für den Verletzten wird im Entwurf als wichtige Nebenauf­ gabe des Strafverfahrens anerkannt. Damit wird eine bewährte Einrichtung des österreichischen Rechts, das dem Entwurf auch an anderen Stellen zum Vor­ bild gedient hat, für das neue Verfahren nutzbar gemacht. Der Entwurf mußte bei der Gestaltung des Entschädigungsverfahrens noch mehr als beim Ehren­ schutz darauf achten, daß durch die Erfüllung von Nebenaufgaben das Verfahren nicht von seinem Hauptziel, der Entscheidung über Schuld oder Nicht­ schuld des Angeklagten, abgelenkt werden darf. D es­ halb ist die Entscheidung über bürgerlichrechtliche An­ sprüche nur vorgesehen, wenn sie ohne Beeinträchti­ gung des Strafverfahrens miterledigt werden können. D as Verfahren zur Entschädigung des Verletzten ist im übrigen so einfach wie nur möglich gestaltet, damit auch der rechtsunkundige Verletzte ohne die Gefahr eines Nechtsverlustes von diesem Verfahren Gebrauch machen kann. XIII. Der äußere Aufbau des Entwurfs verfolgt das Ziel, die Verfahrensordnung leicht lesbar und an­ schaulich zu machen, die das Verfahren beherrschen­ den Leitgedanken klar herauszustellen und das feste Gefüge des Verfahrens klar hervortreten zu lassen. D as erste Buch führt deshalb in einem Zuge das Bild des künftigen Strafverfahrens von der ersten Anzeige bis zum Urteilsspruch vor. Erst dann folgen im zweiten Buch die Vorschriften, die im bisherigen Recht am Ansang standen und als „Gemeinsame Versah-, rensvorschriften" bezeichnet werden. S ie befassen sich mit dem Richter und dem Staatsanw alt, ihrer Zuständigkeit, Ausschließung und Ablehnung, mit dem Verteidiger und dem Beschuldigten, mit den M itteln

der Wahrheitserforschung (Zeugen, Sachverständige, Augenschein), ferner mit den Zwangsmitteln (Unter­ suchungshaft, Beschlagnahme, Durchsuchung, Unter­ suchung), mit dem Verfahren vor dem Volksgerichts­ hof und vor den Oberlandesgerichten und schließlich mit anderen gemeinsamen Verfahrensvorschriften. D as dritte Buch behandelt die Rechtsbehelfe, insbe­ sondere die Rechtsmittel (Beschwerde, Berufung und Urteilsrüge) und die Wiederaufnahme des Verfahrens. I m vierten Buch folgen die besonderen Verfahren und im fünften Buch die Kostenvorschriften. Der äußere Umfang des Entwurfs ist nicht größer als der der bisherigen Strafprozeßordnung, obwohl der Entwurf eine Reihe von Vorschriften übernimmt, die bisher das Gerichtsverfassungsgesetz enthielt, in s­ besondere die Bestimmungen über die sachliche Zu­ ständigkeit der Gerichte. Bisher fehlende Vorschriften wurden dadurch nötig, daß der Entwurf den S tra f­ gerichten die Aufgabe des Ehrenschutzes und der E nt­ scheidung über bürgerlichrechtliche Ansprüche des Ver­ letzten zuweist. XIV. Der Entwurf gibt nur soviel Vorschriften, als für ein festes Gefüge des Strafverfahrens unerläßlich ist. Er kann und will nicht alle Einzelheiten des Verfah­ rens regeln. Die Fülle der Lebenserscheinungen und die stetige Weiterentwicklung des politischen, wirtschaft­ lichen und technischen Lebens verhindern eine restlose und alle zukünftigen Möglichkeiten überschauende Regelung. Der Entwurf gibt deshalb dem Strafver­ fahren die Weite und Beweglichkeit, deren es zur Regelung aller vorkommenden Lebenserscheinungen auf weite Sicht bedarf. Bei dieser Weite und Beweg­ lichkeit des Verfahrens werden sich auch künftig manche Zweifelsfragen ergeben, die durch Auslegung und durch rechts gestaltende Weiterentwicklung gelöst werden müssen. Daß dabei S in n und Zweck der Vor­ schriften höher stehen als der W ortlaut des Gesetzes, bedarf für den nationalsozialistischen Rechtswahrer keiner Hervorhebung. Die tragenden Leitgedanken des Entwurfs muffen stets die Richtlinie sein, nach der sich jede Einzelentscheidung auszurichten hat. Die rest­ lose Erfassung und Anwendung der leitenden Grund­ gedanken ist für die Zukunft um so wichtiger, als der Entwurf den Richter und den Staatsanw alt in weitem Umfange auf ihr freies pflichtmäßiges E r­ messen verweist und Begriffe verwendet, die bei der Anwendung einer Wertausfüllung bedürfen. Der Entwurf will damit die Rechtsanwendung in der völ­ kischen Gesinnung verankern und ihren steten E in­ klang mit den tragenden Ideen des politischen und staatlichen Lebens sicherstellen. Dies erfordert von den mit der Rechtsanwendung betrauten Beamten einerseits die völlige Vertrautheit mit dem Gesetz und seinen tragenden Leitgedanken und andererseits das stete innere und äußere Miterleben der völkischen Ge­ meinschaft. Nur so ergibt sich der vom Entwurf er­ strebte Zusammenklang zwischen dem notwendiger­ weise abstrakten Gesetz und dem fortschreitenden Leben. Der Entwurf hat das Vertrauen, daß der deutsche Richter, S taatsanw alt und Verteidiger dieser Aufgabe gewachsen ist und ihr mit der ganzen Hin­ gabe seiner Persönlichkeit dienen wird.

Erstes Buch

Gang des Verfahrens Erstes Hauptstück Das Vorverfahren Einleitung Die Klarstellung der Verantwortung für die E r­ füllung der int Strafverfahren gestellten Aufgaben fuhrt dazu, im Entwurf den Anklagegrundsatz reiner als im bisherige!: Recht durchzuführen. Die S tra f­ gerichte urteilen über den einer S traftat Verdächtigen nur, wenn gegen ihn Anklage erhoben wird. Das führt zu einer Scheidung des Strafverfahrens in das Vorverfahren, das die Entscheidung darüber vorbe­ reitet, ob gegen jemand Anklage erhoben werden soll, und das Hauptverfahren, in dem das Gericht den Angeklagten zur Verantwortung zieht. Der Tren­ nung dieser Verfahrensabschnitte entspricht eine Scheidung der Verantwortung. Die Verantwortung für das Vorverfahren trägt der Staatsanw alt, die Verantwortung für das Hauptverfahren das Gericht. Damit der Staatsanw alt die ihm auferlegte Veranttvortung tragen könne, baut der Entwurf seine versahrensrechtliche Stellung nach verschiedenen Rich­ tungen aus. Der Entwurf gewährt zunächst ausschließlich dem S taatsanw alt als dem Vertreter der Staatshoheit das Recht, die Anklage zu erheben. Die kriminelle S trafe und die Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung dienen dem Zweck, die Volksgemeinschaft zu schützen, das Unrecht zu sühnen und den Willen zur Gemeinschaft zu stärken. Diese Zweckbestimmung stempelt die gerichtliche Ahndung von Straftaten zu einer Sache nicht des Einzelnen, sondern der Volks­ gemeinschaft. Daher ist auch die strafrechtliche Ver­ folgung eine wichtige Ausgabe der Staatshoheit, deren Erfüllung einem Vertreter der Staatsgew alt vorbehalten sein muß. M it der Aufgabe, die . dem Strafverfahren nach dem neuen Recht gestellt ist, !väre es unvereinbar, die Erhebung der Anklage und damit die Herbeiführung einer kriminellen Strafe dem einzelnen Volksgenossen zu überlasten. Das führt den Entwurf dazu, d a s A n k l a g e m o n o ­ p o l d e s S t a a t s a n w a l t s einzuführen. Er beseitigt die Privatklage und die Nebenklage des Ver­ letzten. Soweit die Nebenklage bisher nicht dem Verletzten, sondern staatlichen Dienststellen zustand, wird durch besondere Vorschriften der Nebengesetze dafür Sorge getragen, daß diesen Dienststellen im Strafverfahren eine angemessene Stellung gesichert ist. Soweit aber bisher der einzelne Volksgenoste die Privatklage erheben konnte, schafft der Entwurf der Friedensrichterordnung an ihrer Stelle ein srie-

densrichterliches Verfahren, dein im Gegensatz zum bisherigen Privatklageverfahren das umfassende Ziel einer Gesamtbefriedung der Beteiligten mit friedens­ richterlichen Mitteln gestellt, die Verhängung krimi­ neller Strafen aber sreind ist. Der Grundsatz, daß den: Staatsanw alt unter der Aufsicht der ihm übergeordneten Stellen allein die Entscheidung über die Erhebung der Anklage zusteht, nmß auch dazu führen, das K l a g e e r z w i n g u n g s v e r f a h r e n zu b e s e i t i g e n . Das geltende Recht hat in den §§ 172 ff. S tP O , dein Verletzten das Recht eingeräumt, das Gericht anzu­ rufen, damit es die Erhebung der Anklage beschließe, wenn der S taatsanw alt sie ohne ausreichenden Grund nicht erhebt. Beschließt das Gericht die E r­ hebung der Anklage, so ist zwar die Ausführung dieses Beschlusses dem S taatsanw alt überlasten. I n Wahrheit ist aber in solchen Fällen Ankläger nicht der Staatsanw alt, sondern das Gerichts das sich durch die Anordnung der Anklageerhebung in der Beur­ teilung des Sachverhalts vorzeitig festlegt. Ein solches übergreifen gerichtlicher Befugnisse in den Aufgabenkreis des S taatsanw alts ist mit den Grund­ sätzen des neuen Strafverfahrensrechts nicht verein^ bar. Es bedarf auch keiner gerichtlichen Überprüfung der Anklagetätigkeit des Staatsanw alts. Lehnt der Staatsanw alt die Erhebung der Anklage ab, so steht nach dem Entwurf dem Verletzten dagegen die Be­ schwerde zu, über die der vorgesetzte S taatsanw alt entscheidet, der seinerseits wieder unter der Aussicht der ihm übergeordneten Stellen steht. Diese Über­ wachung der staatsanwaltlichen Tätigkeit bietet volle Sicherung gegen einen Mißbrauch des Anklagemono­ pols des Staatsanw alts. F ü r ein gerichtliches Klageerzwingungsversahren ist daneben kein Raum. D as Anklagemonopol des Staatsanw alts findet nach dem Entwurf seine notwendige Ergänzung in dem L e g a l i t ä t s g r u n d s a t z . Der Entwurf würde falsche Wege gehen, wenn er den Verfolgungs­ zwang beseitigen und die Erhebung der Anklage in das Ermessen des Staatsanw alts stellen wollte. Das Gesetz, das den Volksgenoffen zu bestimmten Hand­ lungen verpflichtet oder ihm bestimmte Handlungen verbietet, ist im nationalsozialistischen S ta a t vor­ nehmste Form des Führerbesehls. Stellt ein solches Gesetz Zuwiderhandlungen gegen den Befehl des Führers unter kriminelle Strafe, so ist es nicht an­ gängig, daß einer Stelle, die gerade dazu berufen ist, im Strafverfahren den Willen der Staatsführung zur Geltung zu bringen, das Recht verliehen würde, nach ihrem Belieben sich über den allgemeinen Führerbefehl hinwegzusetzen und den auf Bestrafung des Schuldigen gerichteten Willen des Gesetzes außer

acht zu lassen. D as durch beit Nationalsozialismus neu gestaltete deutsche Strafrecht verlangt Beobach­ tung durch jeden, der seinen Geboten unterliegt. D araus ergibt sich als zwingende Folgerung, daß grundsätzlich die Pflicht des S taatsanw alts zur Ver­ folgung von Straftaten erhalten bleiben muß. M it dieser Erwägung verbindet sich aber noch eine andere. Legt die Staatsgew alt die Befugnis zur Verfolgung von Straftaten nicht in die Hand des Verletzten, son­ dern ausschließlich in die des Staatsanw alts, dann tnuß es grundsätzlich auch die Pflicht des S ta a tsa n ­ walts sein, ohne Rücksicht auf Zweckmäßigkeitserwä­ gungen den Schuldigen durch die Erhebung der An­ klage der verdienten S trafe zuzuführen. Dies verlangt die Gerechtigkeit; die Strafrechtspflege würde ohne die pflichtmäßige Einhaltimg dieses Grundsatzes Gefahr laufen, das Vertrauen des Volkes 31t verlieren. Sollten Fälle vorkommen, in denen ein Handeln, das sich nach den Gesetzen als strafbares Unrecht darstellt, nicht strafwürdig erscheint, dann kann es grundsätzlich nicht die Aufgabe des S taatsanw alts, sondern nur die der obersten Staatsführung als Trägerin des Niederschlagungs- und Gnadenrechts sein, dem Rech­ nung zu tragen. Nur für ein beschränktes, deutlich abgegrenztes Gebiet lockert der Entwurf die Pflicht zur Verfolgung im Interesse der Strafrechtspflege durch Ausnahmen, in denen bei der Verfolgung von Straftaten das E r­ messen des S taatsanw alts obwalten soll. Bei dieser Regelung galt es, das Strafverfahrensrecht in Über­ einstimmung mit den Forderungen der Strafrechts­ erneuerung zu halten. S o hängt die Regelung der Verfolgung von Auslandstaten (§ 21) und der Taten, die schon im Ausland verfolgt sind (§ 22), mit der Erweiterung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts und die Einführung des Ermessens­ grundsatzes bei der Verfolgung weit zurückliegender Taten mit der Beseitigung der Verfolgungsverjäh­ rung zusammen. Andere Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht beruhen auf Erwägungen verfah­ rensrechtlicher Art. S ie iverden bei den einzelnen Bestimmungetl dargelegt. Der Entwurf verstärkt aber nicht nur den Einfluß des Staatsanw alts als Ankläger, er erweitert auch seine Befugnisse als Un tersuchungs­ f ü h r e r . D as bisherige Recht hat dem S ta a ts­ anwalt unter der Einwirkung der Lehre von: P artei­ prozeß nicht die maßgebende Stellung als Unter­ suchungsführer des Vorverfahrens eingeräumt, die ihm nach heutiger Auffassung gebührt. Es hat ihm vor allem die M ittel versagt, deren er zur verant­ wortlichen Führung des Vorverfahrens bedarf. Zeugetr und Sachverständige sind nach dem bisherigen Recht zum Erscheinet: und zur Aussage vor dem S taatsanw alt nicht verpflichtet. Die Entscheidungen über die Untersuchungshaft sind dem Richter vorbe­ halten, Beschlagnahtnen, Durchsuchungen und körper­ liche Untersuchungen kann der S taatsanw alt nur bei Gefahr im Verzug anordnen. Dieser Mangel an Zwangsbefugnissen konnte im geltenden Recht nur da­ durch ausgeglichen werden, daß der Richter zu E nt­ scheidungen im Vorverfahren herangezogen wurde. Gerade bei den schwersten Straftaten hat die S tP O , von 1877 die Führung des Vorverfahrens schließlich

dem Staatsanw alt ganz entzogen und sie durch V or­ schriften, die erst nach der nationalsozialistischen Um­ wälzung wesentlich umgestaltet worden sind, in die Hand des Untersuchungsrichters gelegt. Der Entwurf ändert demgegenüber grunbsegenb die Stellung des Staatsanw alts als Untersuchungs­ führers. E r beseitigt die Voruntersuchung als ordent­ liche Einrichtung des Strafverfahrens und läßt sie aus Gründen, die bei den Vorschriftet: über die V or­ untersuchung noch darzulegen sind, in veränderter Gestalt nur noch für besondere Ausnahmefälle zu. D as Vorverfahren faittt nur dann zweckvoll, schlagkräftig und schnell durchgeführt werden, wenn es unter einer einheitlichen und von formalen Hemmungen freien Führung steht, wenn vor allem dem Untersuchungs­ führer auch die erforderlichen Zwangsbefugnisse ge­ währt sind. Damit der Staatsanw alt die ihm aus­ getragene Verantwortung für das Vorverfahren tragen könne, räumt der Entwurf ihm im Vorver­ fahren in: wesentlichen diejenige:: Zwangsbefugnisse ein, die im Hauptverfahren dem Richter zustehen. Der Beschuldigte und ebenso die Zeuget: und Sachverstän­ digen sind demnach verpflichtet, vor dem S taa tsa n ­ walt zu erscheinen (§§ 149, 154, 196). Dieser kann den Beschuldigten vorführen lassen (§ 150) und gegenüber Zeugen und Sachverständigen, die ihre Pflicht zum Erscheinen oder zur Aussage verletzen, durch Ordnuttgsstrafen und Zwangsmaßnahnten ein­ schreiten (§§ 186,196). F ü r die Entscheidungen über die Untersuchungshaft, die Beschlagnahme, die Durch­ suchung und die Untersuchung von Menschen ist in: Vorverfahren der S taatsanw alt zuständig. Von bet: bisherigen richterlichen Handlungen ist nur die Ver­ eidigung von Zeugen und Sachverständigen auch küttftig dem Richter vorbehalten (§ 172). Die T ätig­ keit des Richters im Vorverfahren drängt der Entwurf demnach stark zurück. Die richterliche Tätigkeit be­ ginnt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst mit der Erhebung der Anklage. Folgerungen aus der Stellung des S taatsanw alts als des verantwortlichen Führers des Vorverfahrens ergeben sich aber auch für das Verhältnis zwischet: Staatsanw alt und Polizei. Dieses Verhältnis ist durch wenige grundsätzliche Vor­ schriften in einer Weise geordnet, die der Organisation und den Leistungen der heutigen Kriminalpolizei Rechnung trägt und eine vertrauensvolle Zusammen­ arbeit zwischet: den beiden Behörden gewährleistet. Neu gestaltet sind schließlich auch die Vorschriftet: über die Stellung des Verteidigers im Vorverfahret:. Die Tätigkeit des Verteidigers kann sich nach bis­ herigem Recht in der Regel erst nach der Erhebung der Anklage entfalten. Die unbeschränkte Aktenein­ sicht und der unbeaufsichtigte Verkehr mit dem verhaf­ teten Beschuldigten ist ihm erst nach der Erhebung der Anklage (§§ 147, 148 S tP O .) gewährt. Is t die Verteidigung notwendig, so ist der Verteidiger bisher erst nach der Erhebung der Anklage zu bestellen (§ 140 Abs. 3 S tP O .). Diese Regelung ist der Strafrechts­ pflege abträglich. S ie entzieht dem Verteidiger die Gelegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts schon im Vorverfahren mitzuwirken und den S ta a ts ­ anwalt auf entlastende Umstände hinzuweisen, deren Kenntnis ihn vielleicht veranlaßt hätte, weitere E r­ mittlungen anzustellen oder von der Erhebung der

Anklage abzusehen. Die Erhebung unbegründeter und ungenügend vorbereiteter Anklagen aber muß int Interesse der Strafrechtspflege und des mit Un­ recht Beschuldigten möglichst vermieden werden. Der Entwurf versetzt daher den Verteidiger in die Lage, schon vor der Erhebung der Anklage die Belange der Verteidigung wahrzunehmen. Is t die Verteidigung notwendig, so ist der Verteidiger spätestens beim Ab­ schluß der Ermittlungen 51t bestellen (§ 140 Abs. 2). M it dem Zeitpunkt, in dem der S taatsanw alt die Ermittlungen abschließt, beginnt auch die unbe­ schränkte Befugnis des Verteidigers, die Akten ein­ zusehen und mit deut nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten zu verkehren (§§ 145, 146). Soll die Anklage vor der Schöfsenkammer oder einem höheren Gericht erhoben werden, so hat der S taatsanw alt nach dem Abschlitß der Ermittlungen dem Verteidiger Ge­ legenheit zu geben, imterhalb angemessener Frist zum Ermittlungsergebnis Stellung zu nehmen (§ 13). Diese Vorschriften sind in ihrer Gesamtheit dazu be­ stimmt, eine genügende Verteidigung des Beschuldigteit schon im Vorverfahren zu gewährleisten, die 9Ttv klage sorgfältig vorzubereiten und zu verhindern, daß Unschuldige sich in öffentlicher Verhandlung vor dem Richter verantworten müssen. Demselben Ziel dienen die Vorschriften über die Stellung des Beschuldigten im Vorverfahren. Nach dem bisherigen Recht braucht der Beschuldigte im Vorverfahren zu dein Gegenstand der Beschuldigung überhaupt nicht gehört zu werden. Seine Vernehnuittg ist nur in der Voruntersuchung vorgeschrieben. Vor der Erhebung der Anklage braucht er nicht zu erfahren, wessen er beschuldigt ist und welche Ver­ dachtsgründe gegen ihn vorliegen. Demgegenüber macht es der Entwurf den Strafverfolgungsbehörden zur Pflicht (§ 12), den Beschuldigten zu hören, bevor die Anklage erhoben wird. Die Anhörung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die Verdachtsgründe zu widerlegen und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen. Altßerdem hat der Staatsanw alt in den wichtigeren Sachen vor der E r­ hebung der Anklage den Beschuldigten zum Ergebnis der Ermittlungen abschließend zu hören (§ 13). I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken. § 1

Ve r f o l g u n g von Amt s wegen Der Entwurf stellt zwei leitende Grundsätze, die dem Gang des Strafverfahrens das Gepräge geben, an die Spitze seiner Vorschriften. Es ist der Grundsatz der Verfolgung von Amts wegen und der Anklagegrundsatz. _Beide Grundsätze werden, wie in der Einleitung zu diesem Hauptstück dargelegt ist, im Entwurf in reinerer Form durchgeführt als im gel­ tenden Recht. D er erste Grundsatz spricht aus, daß die Verfol­ gung von Straftaten Aufgabe nicht des Einzelnen, sondern des Staates ist. Der Staatsgew alt obliegt es, wegen einer Straftat, d. h. einer mit krimineller Strafe bedrohten T at einzuschreiten und diejenigen Maßnahmen herbeizuführen, die zu ihrer Ahndung nötig sind. Dieser Grundsatz erfährt auch da keine

wesentliche Beeinträchtigung, wo eine S traftat nur auf Antrag des Verletzten oder eines anderen An­ tragsberechtigten verfolgt werden darf. I n diesen Fällen ist zwar die Verfolgung der T at wider den Willen des Antragsberechtigten nicht möglich. Wird aber der Antrag auf Verfolgung gestellt, so liegt ihre Durchführung wiederum ausschließlich in der Hand der Strafversolgungsbehörden. Der Grundsatz der Verfolgung tioti Amts wegen durchdringt das gesamte Strafverfahrensrecht. E r findet seine Ausführung und Ergänzung in zahlreichen Vorschriften, die Ge­ währ dafür schassen, daß das gesamte Strafverfahren von Amts wegen betrieben wird, nnb seinen Gang von einer unsachgentäßen Einwirkung der Beteiligten unabhängig machen. Sodann hebt der Entwurf hervor, daß die Auf­ gabe der Strafverfolgung dem Staatsanw alt zuge­ wiesen ist. Damit ist zugleich ausgesprochen, daß die Privatklage und die Nebenklage des Verletzten besei­ tigt sind. Die Gründe, die zur Abschaffung dieser Einrichtungen des geltenden Rechts geführt haben, sind in der Einleitung dargelegt. Die Verfolgung von Straftaten hat ihren Höhepunkt in der Entschei­ dung über die Erhebung der Anklage, die 511 den wichtigsten Ausgaben des S taatsanw alts gehört. Aus deut Grundsatz, bcn der Absatz 1 ausspricht, folgt daher auch das Anklagemottopol des Staatsanw alts, eine Befugnis, die in § 27 ihrer Wichtigkeit wegen nochmals ausdrücklich festgelegt ist. Inwieweit der S taatsanw alt bei der Verfolgung von Straftaten durch die Polizei oder durch den Richter unterstützt wird, ergeben die einzelnen Vorschriften des Haupt­ stücks (vgl. §§ 8 bis 11). Soweit an der Strafver­ folgung die Finanzbehörden und die Devisenstellen beteiligt sind, findet sich die Regeltmg in den Neben­ gesetzen. I m zweiten Absatz spricht der Entwurf den An­ klagegrundsatz aus, der auch dem geltenden Recht (§ 151 S tP O .) bekannt ist. Die Anklage des S ta a ts­ anwalts ist ttach dem Entwurf die unerläßliche V or­ aussetzung dafür, daß jemand wegen einer S traftat in einem gerichtlichen Verfahren abgeurteilt werden katm. Damit wird die Attklage des Staatsanw alts gleichsam der Markstein, der das Vorverfahren vom Hauptverfahren scheidet. Die Anklage des S ta a ts­ anwalts grenzt auch gegenständlich die Aufgabe des Gerichts int Hauptverfahren ab. Denn die gerichtliche Untersuchung und Entscheidung des Hauptverfahrens kann sich nur auf den in der Anklage Beschuldigten und nur auf die in der Anklage bezeichnete T at er­ strecken (vgl. § 80). Der Anklagegrundsatz bezieht sich nur auf die Tätigkeit der Gerichte im Hauptver­ fahren. ^ Die Vornahme einzelner richterlicher Hand­ lungen im Vorverfahren wird durch ihn nicht berührt. §

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Anzei gen Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit zur E nt­ gegennahme von Anzeigen dahin, daß Anzeigen Don Straftaten bei der Polizei, dem Staatsanw alt und dem Amtsgericht erstattet werden können. Die nähere Bezeichnung der Dienststellen und Beamten, die als Polizei gelten, ist den in § 8 Abs. 4 vorgesehenen

^Bestimmungen vorbehalteil. Die bezeichneten ©teilen haben eine Anzeige auch dann entgegenzunehmen, wenn sie für die weitere Behandlung der Sache sach­ lich oder örtlich nicht zuständig sind. S ie haben für die Weiterleitung an die zuständige Stelle Sorge zu tragen. Der Erstattung leichtsertiger oder gar bösgläu­ biger Anzeigen muß mit allen M itteln entgegen­ getreten werden. Ih re r Verhütung dienen die S tra f­ vorschrifteil über die falsche Verdächtigung und das Vortäuschen einer S traftat (§§ 376, 377 StG B .), aber auch die Kostenvorschriften des Entwurfs (§ 456), die denjenigen, der schuldhaft eine unrichtige Anzeige erstattet, zu den durch ihil verursachten Kosten des Strafverfahrens herailziehen. Der Absatz 2, der die Aufnahme einer Niederschrift oder eines Vermerks über die mündliche Anzeige vorschreibt, entspricht § 158 Abs. 1 Satz 2 S tP O . Die Vorschriften über die Niederschriften des S ta a ts­ anwalts und des Richters sind in den §§ 284 ff. ent­ halteil. Vermerke sind biefen Vorschriften nicht unter­ worfen. §

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Ni cht n a t ür l i c he r Tod Wenn der Verdacht auftaucht, daß jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wenn der Leichnam eines Unbekannten aufgefunden wird, muß der Staatsanw alt oder der Amtsrichter so schnell wie möglich davon in Kenntnis gesetzt werden. Zur An­ zeige verpflichtet ist die Polizei, neben ihr der B ür­ germeister als Leiter der Genleindebehörde. Um un­ nötige Doppelarbeit zu vermeiden, ist der Bürger­ meister nur dann verpflichtet, die Anzeige zu erstatten, wenn nicht schon die Polizei es getan hat. Daß dies geschehen sei, hat der Bürgermeister verläßlich sestzustellen. Geht die Anzeige dem Amtsrichter zu, so hat er bei Gefahr im Verzug nach § 9 Abs. 2 die erfor­ derlichen Maßnahmen selbst zu treffen, in jedem Falle aber die Anzeige cm den S taatsanw alt weiterzuleiten. § 3 Abs. 2 fordert ausdrücklich eine Genehmigung für jede A rt der Bestattung, nicht nur für die Beer­ digung. F ü r die Erteilung der Genehmigung ist der zur Führung des Vorverfahrens berufene S ta a tsa n ­ walt zuständig und, wenn keine S traftat in Frage kommt, der Staatsanw alt, in dessen Bezirk der Tod eingetreten ist oder der Leichnam gefunden wird. Ist die Anzeige dem Amtsrichter zugegangen, so ist zur Erteilung der Bestattungsgenehmigung auch dieser zuständig. Die einwandfreie Aufklärung der Todesilrsache ist die Unterlage dafür, ob die Bestattung genehmigt werden soll. Zur Vermeidung von Fehl­ griffen schreibt der Entwurf vor, daß zur Ermittlung der Todesursache in der Regel ein Amtsarzt zuzu­ ziehen ist. Davon kann abgesehen werden, wenn der Verdacht einer S traftat offenbar unbegründet ist oder wenn ein Amtsarzt nur mit erheblichen Schwierig­ keiten zugezogen werden könnte. Die Feuerbestattung macht der Entwurf von einer besonderen Genehmi­ gung des S taatsanw alts abhängig. Dadurch soll der Gefahr vorgebeugt werden, daß Beweismittel ver­ nichtet werden, ohne daß der für die Verfolgung ver­ antwortliche Staatsanw alt die Möglichkeit gehabt hätte, die Beweise zu sichern. I n der Genehmigung

des Staatsanw alts mujj nach § 3 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Feuerbestattung vom 15. M ai 1934 (RGBl. I S . 380) zum Ausdruck kommen, daß die Feuerbestattung für unbedenklich erachtet wird. D a­ neben ist nach diesem Gesetz noch die Genehmigung der Polizeibehörde des Einäscherungsortes erforder­ lich. § 4

Z i e l der E r m i t t l u n g e n Die dein. Staatsanw alt durch § 1 auferlegte Pflicht, Straftaten zu verfolgen, wird int § 4 durch die Angabe des Zieles des Ermittlungsverfahrens genauer umschrieben. Der S taatsanw alt ist immer dann zum Einschreiten verpflichtet, wenn er aus ir­ gendeine Weise von dem Verdacht einer mit Strafe bedrohten T a t amtlich Kenntnis erhält, sei es, daß ihm der Verdacht durch Anzeigen, durch eigene W ahr­ nehmung, durch Gerüchte oder sonstwie bekanntge­ worden ist. Inwieweit er durch privates Wissen, das er ohne Zusammenhang mit seiner Dienststellung er­ langt, zum Einschreiten verpflichtet wird, kann bei der Verschiedenheit der in Betracht kommenden Fälle im Gesetz nicht geregelt werden. Doch wird vielfach, besonders in schwerwiegenden Fällen, das private Wissen von der amtlichen Stellung nicht getrennt werden können. Ergibt eine Vorprüfung ausreichendetr Verdacht, so hat der S taatsanw alt ttach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu prüfen, was vorliegt und welche strasbare Handlung in Frage kommt. Ziel dieser Prüfung ist es, dem Staatsanw alt die Grundlage für die Entscheidung zu verschaffen, ob die Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen ist. Welcher Ermittlungen es hierzu bedarf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Erweist sich eine An­ zeige ohne weiteres als haltlos oder betrifft sie eine Tat, die offensichtlich nicht strafbar ist, so wird der S taatsanw alt ihr keine Folge geben und von weite­ ren Maßnahmen absehen. Sind die Unterlagen für eine solche Entscheidung nicht ausreichend, so muß der Staatsanw alt zur Klärung die nötigen Ermittlungen anstellen. Wenn Anklage erhoben werden soll, so müssen die Ermittlungen die Hauptverhandlüng der­ art vorbereiten, daß sie ohne Schwierigkeiten zum Urteil führen kann. Ein nicht weniger wichtiges Ziel der Ermittlungen ist es, Verfahren vom Gericht fern­ zuhalten, in denen mangels genügenden Tatverdachts oder aus rechtlichen Gründen eine Verurteilung aus­ geschlossen ist. D as Vorverfahren soll gleichsam als Sieb dienen, das die grundlosen Anzeigen ausscheidet und den mit Unrecht Beschuldigten davor bewahrt, sich in einer Hauptverhandlung vor Gericht verant­ worten zu müssen. Welche Ermittlungen dem S ta a ts­ anwalt selbst obliegen und in welchem Umfang er die Polizei und den Richter zu den Ermittlungen heranziehen kann, regeln die folgenden Vorschriften. Der Staatsanw alt hat auch stets sein Augenmerk darauf zu richten, welche Fahndungs- und Zwangs­ maßnahmen ergriffen werden müssen, um das S tra f­ verfahren rasch und sicher seinem Ziel entgegenzu­ führen. Der Entwurf läßt es genügen, daß der S ta a ts­ anwalt von dem Verdacht „einer mit Strafe bedroh-

ien Tat" Kenntnis erhält. Dem gesetzlichen Sprach­ gebrauch entsprechend wird damit zum Ausdruck ge­ bracht, daß der S taatsanw alt zur Prüfung des Sach­ verhalts auch dann verpflichtet ist, wenn die T at zwar mit Strafe bedroht, aber wegen der Schuldun­ fähigkeit des Täters nicht strafbar ist. I n diesen Fällen hat der Staatsanw alt zu prüfen, ob eine sichernde Maßregel in Frage kommt. Als durch das Gesetz vom 28. J u n i 1935 (RGBl. I S . 844) die Rechtsschöpfung durch ent­ sprechende Anwendung von Strafgesetzen zugelassen wurde, ist der S taatsanw alt im § 170 a S tP O , auf die Pflicht hingewiesen worden, die Strafbarkeit einer T at auch unter dem Gesichtspunkt der entsprechenden Anwendung von Strafvorschriften zu prüfen. Der Übernahme dieses Hinweises in den Entwurf bedarf es nicht, nachdem die Rechtspflege inzwischen mit der entsprechenden Anwendung von Strafgesetzen ver­ trant geworden ist. § 5 Umf a n g der E r m i t t l u n g e n

Der § 5 enthält die Grundsätze über den Umfang der Ermittlungen, deren Ziel der § 4 bezeichnet hat. Er wendet sich an alle Strafverfolgungsbehörden, die Ermittlungen vorzunehmen haben, an die Polizei und den Richter nicht minder als an den S ta a tsa n ­ walt. E r legt den Strafverfolgungsbehörden die Pflicht ans, die Ermittlungen unparteiisch und auf dem Boden strengster Sachlichkeit zu führen. Gerech­ tigkeit kann es nur auf der Grundlage der Wahrheit geben. S ie ohne jede Einseitigkeit zu suchen, ist nicht nur Ausgabe des Richters, sondern auch die der Strafverfolgnngsbehörden. Sie haben ihres Amtes ohne Ansehen der Person zu walten und daher auf alles zu achten, was den Beschuldigten belasten oder ent­ lasten kann. Is t mit der Erhebung der Anklage zu rechnen, so enveitert sich der Umfang der Ermittlungen. Die Strafverfolgnngsbehörden haben dann auch die Um­ stände zu ermitteln, die für die Strafbemessung und für die Anordnung sichernder Maßregeln von Be­ deutung sind. Angesichts der Weite der Strafrahmen imb der Regelung der besonders schweren und beson­ ders leichten Fälle im künftigen Strafrecht ist die Strafbemessung von solcher Bedeutung, daß schon durch die Ermittlungen im Vorverfahren die Grund­ lage für eine sorgfältige Entscheidung über S trafart und Strafhöhe gelegt werden muß. Nicht weniger wichtig ist es, durch eingehende Ermittlungen über die Persönlichkeit des T äters schon im Vorver­ fahren die Entscheidung darüber vorzubereiten, ob sichernde Maßregeln zu verhängen sind. Auch für die Sicherung der Beweise, deren Ver­ lust zu befürchten ist, haben die Strafverfolgungsbe­ hörden zu sorgen. Wie das im einzelnen zu geschehen hat und ob der Richter anzugehen ist, richtet sich nach dem Einzelfall (vgl. dazu die Bemerkungen zu § 10). Die tut § 5 enthaltenen Vorschriften über den Um­ fang der Ermittlungen werden im § 12 durch eine Vorschrift über d-ie Anhörung und die Berücksichtigung von Beweisanträgen des Beschuldigten ergänzt.

§ «

S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s Gegenüber dem geltenden Recht ändert der Ent­ wurf die Stellung des Staatsanw alts auch in seiner Eigenschaft als Untersuchungsführer des Vorverfah­ rens wesentlich, wie in der Einleitung zu diesem Hauptstück dargelegt ist. Die Führerstellung, die der Entwurf dem Staatsanw alt im Vorverfahren zuweist, kommt in dem Grundsatz des § 6 zum Ausdruck: Der Staatsanw alt ist für die Führung des Vorverfahrens verantwortlich und bestimmt den Gang der Erm itt­ lungen. F ü r alle Verfahrenshandlungen bis zum Beginn des Hauptverfahrens wird damit die Ver­ antwortlichkeit klargestellt. Die Verantwortung wird nicht einer anonymen Behörde auferlegt, sondern klar erkennbar einem bestimmten Untersuchungsführer, dem Staatsanw alt, auch wenn es sich nicht um von ihm selbst getroffene Maßnahmen handelt. Der Ent­ wurf bringt durch diesen Grundsatz auch zum Aus­ druck, daß der S taatsanw alt alle Entscheidungen und Maßnahmen des Vorverfahrens maßgebend zit be­ stimmen hat, da er die Verantwortung für diesen Verfahrensabschnitt ohne diese Befugnis nicht tragen könnte. Wer dafür verantwortlich ist, ob die Anklage erhoben wird, der muß auch selbst den P lan für die Ermittlungen aufstellen, ihre Richtung und ihren Umfang bestimmen. E r muß die Sammlung der Beweise verantwortlich leiten, die Fahndungs- und Verfolgungsmaßnahmen selbst anordnen oder über­ wachen und wenigstens in den bedeutenderen Sachen sich durch persönliche Vernehmungen einen zuver­ lässigen Eindruck vom Beschuldigten und von den wich­ tigeren Zeugen gebildet haben. I n welchem Umfang der Staatsanw alt hiernach verpflichtet ist, die E r­ mittlungen selbst in die Hand zu nehmen, regelt der § 7. Folgerungen aus der Führung des Vorver­ fahrens durch den S taatsanw alt ergeben sich aber auch für das Verhältnis zwischen dem S taatsanw alt und der Polizei; sie sind in § 7 Abs. 2 und in § 8 in den Einzelheiten geregelt. Auch das Verhältnis des S taatsanw alts zum Richter untersteht im Vor­ verfahren dem erwähnten Grundsatz. Die Befug­ nisse, die der Richter im Hauptverfahren hat, werden im Vorverfahren grundsätzlich durch den S taa tsa n ­ walt ausgeübt. Gegen Entscheidungen, die der S taatsanw alt im Vorverfahren trifft, ist die Anru­ fung des Richters nur vorgesehen, wenn sie freiheits­ entziehende Maßnahmen gegen Zeugen, die Unter­ suchungshaft oder die Vermögensbeschlagnahme be­ treffen (§§ 187, 215, 250, 409). I m übrigen ist die Angehung des Richters im Vorverfahren nur not­ wendig, wenn die Untersuchungshandlung sich auch im Hauptverfahren auswirkt. Die richterliche T ätig­ keit im Vorverfahren ist im einzelnen in den §§ 9, 10, 11 geregelt. §

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Ei gene Er mi t t l u n g e n des S t a a t s a n w a l t s Die eigene Ermittlungstätigkeit des S taa tsa n ­ walts schreibt der Entwurf für alle Strafsachen von größerer Bedeutung vor. Ob der S taatsanw alt hier­ nach die Ermittlungen selbst zu übernehmen hat, wird

sich nach der Schwere und der Art der Tat, der P e r­ son des Beschuldigten, der Bedeutung des Strafversahrens, der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierig­ keit der Ermittlungen und ähnlichen Gesichtspunkten richten. I n diesen wichtigeren Strafsachen hat der Staatsanw alt ähnlich dem bisher vom Untersuchungs­ richter geübten Verfahren den Beschuldigten selbst zu vernehmen und die wesentlichen Beweise selbst auf­ zunehmen oder, soweit er dazu nicht in der Lage ist und deshalb die Ermittlungen durch ihm unterstellte staatsanwaltschaftliche Beamte oder durch die P o li­ zei führen läßt, sich von dem Beschuldigten und den wesentlichen Beweisen einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen. Auch wenn polizeiliche Ermittlungen vorausgegangen sind, wird der Staatsanw alt daher in diesen Sachen sich durch Augenschein und persön­ liche Vernehmungen ein Urteil darüber zu bilden haben, ob die Entscheidung über die Erhebung der Anklage auf die gesammelten Beweisunterlagen ge­ stützt werden kann. Der Absatz 2 zieht aus der Verantwortlichkeit des Staatsanw alts für das Vorverfahren die Folgerung, daß er in allen Strafsachen die Ermittlungen selbst an sich ziehen kann. Dieser Grundsatz ist bedeutsam vor allem für das Verhältnis zwischen S taatsanw alt und Polizei, dessen Einzelheiten in § 8 geregelt werden. Inw iefern der Staatsanw alt in Finanz­ strafsachen die Ermittlungen von den Finanzbehörden übernehmen kann, regelt die Reichsabgabenordnung. §

u it t e r st ü t z u n g d e s

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Staats anwalts dur ch di e P o l i z e i I m bisherigen Recht hat die Tätigkeit der Polizei im Strafverfahren ihre Grundlagen in den §§ 161, 163 S tP O ., § 152 GVG. und hinsichtlich der Zwangsmittel in den §§ 81 a, 98, 105, 127 S tP O , gefunden. Die Behörden und Beamten des Polizeinnb Sicherheitsdienstes haben danach strafbare Hand­ lungen zu erforschen, die keinen Aufschub gestattenden Altordnungen zu treffen und ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft oder dem Amts­ richter zu übersenden. Die Staatsanwaltschaft kann auch Ermittlungen jeder Art durch die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes vor­ nehmen lassen. Diese sind verpflichtet, dem E r­ suchen der Staatsanwaltschaft zu entsprechen. Die zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bestellten P o li­ zeibeamten stehen in einer engeren Verbindung zur Staatsanwaltschaft. Diese kann den Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft unmittelbar Aufträge erteilen. D as frühere Landesrecht hat der Staatsanwaltschaft über sie auch der Dienstaufsicht ähnliche Befugnisse eingeräumt. Diese Vorschriften beruhten auf der po­ lizeilichen Organisation und Arbeitsweise zur Zeit des Erlasses der Reichsjustizgesetze, als eine organi­ sierte Reichskriminalpolizei noch nicht vorhanden war und die polizeilichen Methoden zur Bekämpfung und Verhütung des Verbrechens noch in den Ansängen steckten. I m Lauf der Jahrzehnte haben sich im Rahmen dieser Vorschriften in der Organisation und der Tätigkeit der Kriminalpolizei in den einzelnen deutschen Ländern, zu deren Zuständigkeitsbereich die

Polizei gehörte, große Verschiedenheiten entwickelt, so daß das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in den Ländern des Reiches nicht einheitlich war. Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus hat das Reich die deutsche Kri­ minalpolizei unter eine einheitliche Leitung gestellt, so daß sie nunmehr eine wohlorganisierte, straff ge­ gliederte und schlagkräftige Waffe gegen das Ver­ brechertum darstellt. I n den gesetzlichen Vorschriften, die die Tätigkeit der Polizei im Strafverfahren und insbesondere ihr Verhältnis zur Staatsanwaltschaft zu regeln haben, muß diese Entwicklung berücksichtigt und damit der heutigen Organisation und den Leistungen der Kriminalpolizei Rechnung getragen werden. D as Verhältnis zwischen S taatsanw alt und P o ­ lizei ist int § 8 geregelt, der die §§ 163 S tP O ., 152 GVG. und hinsichtlich der Beistandspslicht der Polizei gegenüber dem S taatsanw alt auch den § 161 S tP O , ersetzt. Weitere Vorschriften über die T ätig­ keit der Polizei im Strafverfahren enthalten die §§ 149, 150, 188, 196, 217, 218, 251, 253 StV O . I m übrigen ist die Beistandspflicht der staatlichen Dienststellen gegenüber dem S taatsanw alt int GVG. geordnet. Welche Dienststellen und Beamten als Polizei im S inne dieser Vorschriften gelten, soll nach § 8 Abs. 4 vom Reichsminister des In n e rn im E in­ vernehmen mit dem Reichsminister der Justiz be­ stimmt werden, da es bei der Mannigfaltigkeit der polizeilichen Organisation nicht möglich ist, dies gesetzlich festzulegen, und insbesondere bei der E in­ räumung der polizeilichen Befugnisse im Strafverfah­ ren die staatliche Kriminalpolizei, die Geheime Staatspolizei, die Gendarmerie, die kommunale P o ­ lizei und die Sonderpolizeien anderer Verwaltungen verschieden behandelt werden müssen. Der § 8 und die übrigen die Polizei betreffenden Vorschriften des Entwurfs regeln nur die polizeiliche Tätigkeit im Strafverfahren. S ie ergreifen nicht die­ jenigen Zweige der polizeilichen Tätigkeit, die aus dem Gebiet der Vorbeugung, der inneren Verwaltung und der übrigen polizeilichen Aufgaben liegen. Die Tätigkeit der Polizei und ihre Befugnisse in dem Auf­ gabengebiet außerhalb des Strafverfahrens werden ausschließlich durch die dafür maßgebenden Vorschrif­ ten und nicht durch die Strafversahrensordnung be­ stimmt. Wo aber die Polizei bei der Verfolgung einer bestimmten S traftat tätig wird, sind für ihre Maßnahmen, ihre Befugnisse und ihre Zuständig­ keiten die Vorschriften der Strafverfahrensordnung maßgebend. Zu dem § 8 ist im einzelnen folgendes zu be­ merken: Der Entwurf beseitigt die durch die Entwicklung überholte Einrichtung der Hilssbeamten der S ta a ts­ anwaltschaft. Staatsanwaltschaft und Polizei sind or­ ganisatorisch geschieden, sie treten sich demnach bei ihrer Arbeit als Behörden gegenüber, so daß für die Unterstellung einzelner Polizeibeamter unter die Staatsanwaltschaft als deren Hilssbeamte kein Raum mehr ist. Der Absatz 1 enthält den Grundsatz über die Stellung und die Aufgaben der Polizei im S traf-

verfahren. Die Polizei unterstützt den Staatsanw alt bei der Aufklärung des Sachverhalts und der Ver­ folgung des Täters. D a es sich dabei um eine Unter­ stützung des S taatsanw alts handelt, gehen die Ent­ scheidungen und Maßnahmen des Staatsanw alts int Vorverfahren denjenigen der Polizei vor. D as er­ gibt sich auch als Auswirkung des im § 6 ausge­ sprochenen Grundsatzes, daß der Staatsanw alt für die Führung des Vorverfahrens verantwortlich ist und den Gang der Ermittlungen zu bestimmen hat. Aus der Pflicht zur Unterstützung folgt die in Absatz 1 Satz 2 allsgesprochene Pflicht der Polizei, bei der Verfolgung von S traftaten und ihrer gesamten Tätig­ keit im Strafverfahren den Ersuchen des S taa tsa n ­ walts zu entsprechen. Die Ersuchen des S ta a tsa n ­ w alts sind, nachdem die Einrichtung der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft beseitigt ist, an die Polizei­ behörde und lticht an den einzelnen Polizeibeamten zil richten, soweit nicht nach § 8 Abs. 4 gewisse Gruppen von Polizeibeamten, insbesondere solche der Gendarmerie, den Polizeibehörden nach dieser Richtung gleichgestellt werden. Sonderaufträge des Staatsanw alts können demnach an bestimmte Beamte der Polizei ohne Einschaltung des Leiters der P o li­ zeibehörde nicht erteilt werden, wenngleich der Be­ hördenleiter einem begründeten Wunsch des S ta a ts­ anwalts, daß ein bestimmter Polizeibeamter mit den Ermittlungen betraut werde, nach Möglichkeit ent­ sprechen wird. Hier wie auch bei anderen Einzel­ fragen geht der Entwurf davon aus, daß das Verhält­ nis zwischen S taatsanw alt und Polizei durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen diesen Be­ hörden bestimmt wird, die bei der Verbrechensbe­ kämpfung int Dienste derselben Aufgabe stehen und daher in engster Fühlung miteinander arbeiten müssen. Die Absätze 2 und 3 behandeln eingehender als das bisherige Recht (§ 163 S tP O .) die Frage, in welchem Umfang die Polizei bei der Verfolgung von Straftaten zu selbständigem Handeln berufen ist. Da die Polizei, insbesondere die Kriminalpolizei, viel­ fach rascher als der S taatsanw alt von Straftaten Kenntnis erhält und da in vielen Fällen von dem ersten Angriff der Erfolg des Strafverfahrens ab­ hängt, verpflichtet der Entwurf wie das bisherige Recht die Polizei, auf Grund eigener Entschließung Ermittlungen vorzunehmen, Beweismittel zu sichern und Fahndungs- und Verfolgungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten zu treffen, sobald sie von dem Ver­ dacht einer mit S trafe bedrohten T at Kenntnis er­ hält. Ein Ersuchen des Staatsanw alts braucht sie also nicht abzuwarten. Die Polizei muß aber den Staatsanw alt in die Lage versetzen, seine verfahrensrechtlicheit Befugnisse und Pflichten wahrzunehmen, also den Gang der Ermittlungen zu bestimmen oder selbst die Ermittlungen zu übernehmen. S ie hat daher den Staatsanw alt alsbald, nachdem sie von dem Tatverdacht erfahren hat, darüber und über die in­ zwischen getroffenen Maßnahmen zu unterrichten, ohne daß dadurch in ihrer weiteren Ermittlungstätig­ keit eine Unterbrechung eintritt. Was unter alsbal­ diger Unterrichtung zu verstehen ist, ergibt sich aus ihrem Zweck, das Tätigwerden des Staatsanw alts zu ermöglichen. Der S taatsanw alt muß daher in

der Regel am Ansang der Ermittlungen, in wichti­ geren Fällen sofort nach dem Auftauchen des Ver­ dachts unterrichtet werden. Die Mitteilung soll regelmäßig in der Form erfolgen, daß die Polizei ihm ihre Unterlagen vorlegt, also die Akten zulei.tet oder, wettn das nicht möglich ist, Abschriften der An­ zeige, der Meldungen und Berichte übersendet. Der fernmündliche Bericht wird durchweg nur vorläufige Bedeutung haben köttnen. Zieht der Staatsanw alt die Ermittlungen nicht an sich, wozu er nach § 7 Abs. 2 stets in der Lage ist, so hat die Polizei ihn auch weiterhin über den S tand der Ermittlungen aus dem Laufenden zu halten. Erteilt der Staatsanw alt Weisungen über das weitere Vorgehen, so ist die P o ­ lizei nach dem Absatz 1 Satz 2 zu ihrer Befolgung verpflichtet. Ferner hat die Polizei bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Ermittlungs-, Fahndungs­ und Verfolgungsmaßnahmen selbständig zu treffen. D as gilt auch dann, wenn der S taatsanw alt Wei­ sungen bestimmter Art erteilt oder die Ermittlungen selbst übernommen hat. Daß die Polizei in diesen Fällen dem Staatsaitw alt ihre Maßnahmen alsbald anzuzeigen Hat, ergibt sich aus ihrer Pflicht, den S taatsanw alt über den S tand der Ermittlungen auf hem Laufendeit zu haltett. . I n Strafsachen, die wegen Einfachheit der Sachund Rechtslage und Geringfügigkeit der T at als Sachen von geringerer Bedeutung anzusehen sind, ist ein selbständiges Handeln der Kriminalpolizei bis zur Anklagereife oft zweckmäßig und bei der großen Zahl dieser Strafsachen nicht zu eittbehren. Die Polizei soll daher befugt sein, in solchen Strafsachen die Unterrichtung des Staatsattw alts bis zum Abschluß ihrer Ermittlungen aufzuschieben, ihnt die Akten also erst bei Anklagereife vorzulegen. Aber auch in diesen Sachen geht die Pflicht zur alsbaldigen Unter­ richtung vor, wenn besondere Gründe, die in der Art der S traftat, ihrem Zusammenhang mit anderen Taten, in der Person des Beschuldigten oder anderett Umständen liegen könnett, eine frühere Unterrichtung des Staatsanw alts nahe legen oder dieser darum ersucht. §

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Unt er s t üt zung des S t a a t s a n w a l t s dur ch d e n R i c h t e r Dem Charakter des Vorverfahrens als eines staatsanwaltschaftlichen Verfahrens entspricht es, daß um die Vornahme von Ermittlungen, die der das Vorverfahren führende S taatsanw alt nicht selbst aus­ führen kann, grundsätzlich nicht der Richter, sondern der S taatsanw alt des Vernehmungsorts oder nach § 8 StV O , die Polizei ersucht werden soll. Untersuchungshandlungen eines Richters im Vor­ verfahren werden künftig weit seltener als bisher er­ forderlich werden, weil der Entwurf dem S ta a tsa n ­ walt die Zwangsbefugnisse einräumt, die bisher nur dem Richter zustanden. Andererseits aber geht der Entwurf an der Wirklichkeit nicht vorbei. Hier wie an anderer Stelle (§§ 214, 249) trägt er der Tatsache Rechnung, daß auch in Zukunft der örtlichen Aus­ dehnung der Staatsanwaltschaft Grenzen gezogen

sind. Auch künftig muß der Amtsrichter in den Dienst der Verbrechensaufklärung gestellt werden, vor allem in ländlichen Bezirken, wo sich am nächsten Amtssitz zwar ein Amtsgericht, aber kein S taatsanw alt befin­ det. Auf diesen Erwägungen beruhen die Einzelvor­ schriften der Absätze 1 bis 3. Gegenüber dem bisherigen Recht (§ 162 S tP O .) schränkt der Absatz 1 die Ersuchen des Staatsanw alts um Vornahme einer richterlichen Untersuchungs­ handlung ein. Der Staatsanw alt soll ein solches Ersuchen nur stellen, wenn besondere Gründe es recht­ fertigen. Zur Ersparung von Zeit und Kosten kann es beispielsweise angebracht sein, einen Zeugen durch den Amtsrichter seines Wohnorts vernehmen zu lassen, wenn sich daselbst kein Staatsanw alt befindet, eine polizeiliche Vernehmung aber nicht ausreicht. Wird bei Gefahr im Verzug vom Amtsrichter ein Augenschein eingenommen, so erweist es sich oft als zweckmäßig, dabei Auskunftspersonen zu vernehmen. Hier wäre es unangebracht, wenn der Richter zwar den Augenschein einnehmen würde, die Vernehmung der Auskunftspersonen aber dem S taatsanw alt über­ lassen müßte. Daß der Staatsanw alt den Richterangehen muß, wenn eine Beweisaufnahme des Haupt­ verfahrens vorweggenommen oder eine Aussage be­ eidigt werden soll, ergibt sich aus den §§ 10, 11, die diese Fälle besonders regeln. D as Ersuchen ist an den Amtsrichter des Bezirks zu richten, in dem die Handlung vorzunehmen ist. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des Ersuchens prüft der Amtsrichter nicht. E r darf das Ersuchen nur ablehnen, wenn er unzuständig oder wenn die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. Absatz 2 macht es entsprechend den: § 165 S tP O , dem Amtsrichter zur Pslicht, bei Gefahr im Verzug die notwendigen Untersuchungshandlungen von sich aus vorzunehmen. Die Vorschrift soll vor allem den Amtsrichter ländlicher Bezirke aus den eingangs er­ wähnten Gründen in den Dienst der Strafverfolgung stellen. S ie gilt auch dann, wenn das Verfahren beim S taatsanw alt bereits anhängig ist. Ergänzend erklären § 214 Abs. 2 Satz 2, § 249 Abs. 1 Satz 2 den Amtsrichter, an dessen Amtssitz sich kein zuständiger Staatsanw alt befindet, in Eilfällen auch für zuständig, den Haftbefehl zu erlassen, sowie Beschlagnahmen, Durchsuchungen und ähnliche Zwangsmaßnahmen an­ zuordnen. I n allen diesen Fällen kann nach Absatz 2 L>atz 2 die Polizei unmittelbar den Amtsrichter an­ gehen (vgl. auch § 218). Wird der Amtsrichter nach dem Absatz 2 bei Gefahr im Verzug tätig, so handelt er gewissermaßen als Notstaatsanwalt. S ind diese Handlungen beendigt, so gebührt gemäß Satz 3 die weitere Verfügung dem Staatsanw alt. Eine Folge­ rung daraus zieht § 306 für das Beschwerderecht. ' Absatz 3 verpflichtet den Richter, der aus Grund eines Ersuchens des Staatsanw alts oder aus anderem Anlaß, etwa bei einer Zuführung (vgl. §§ 205, 218), den festgenommenen oder verhafteten Beschuldigten vernimmt, sachdienlichen Beweisanträgen des Be­ schuldigten stattzugeben. D as soll aber nur dann geschehen, wenn die Beweise sonst verloren gehen würden oder wenn sie ohne wesentlichen Aufschub er­ hoben werden und dann unter Umständen zur F rei­ lassung des Beschuldigten führen können. Ob der

Aufschub, den die sofortige Erhebung der Beweise verursacht, wesentlich ist, wird unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache abzuwägen sein. Die weitere Verfügung steht auch hier dem Staatsanw alt zu. § 10

Vorwegna hme einer B e w e i s a u f ­ n a h me des H a u p t v e r f a h r e n s Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen, unter denen der Richter auf Ersuchen des S taatsanw alts im Vorverfahren zur Vorwegnähme einer Beweisauf­ nahme des Hauptversahrens tätig wird. Sie steht im engsten Zusammenhang mit den §§ 45, 47, 67, 69, 70, 176 des Entwurfs. Den Vorschriften über die Verlesung von Niederschriften in der Hauptver­ handlung liegt der Gedanke zugrunde, daß um der Erforschung der Wahrheit willen kein taugliches Be­ weismittel von der Verwertung in der Hauptverhand­ lung ausgeschlossen werden darf. Is t es unmöglich, jemand im Hauptverfahren zu vernehmen, so sollen Niederschriften über eine frühere Vernehmung nicht deshalb von der Verwertung in der Hauptverhand­ lung ausgeschlossen werden, weil die Beweisaufnahme nicht der Richter vorgenommen hat. Daher läßt der Entwurf im § 70 in solchen Fällen die Verlesung von Niederschriften über eine frühere Vernehmung zu, auch wenn der Staatsanw alt oder die Polizei sie vorgenommen hat. Der Grundsatz von der Verwer­ tung aller tauglichen Beweismittel überschneidet sich mit einem anderen, nach dem das Urteil sich auf eine Beweisaufnahme, stützen soll, die ein Richter — wenn irgendmöglich in der Hauptverhandlung — vorge­ nommen hat. Um dieses ebenso wichtigen Verfah­ rensgrundsatzes willen muß dafür Sorge getragen werden, daß der Staatsanw alt Untersuchungshand­ lungen des Vorverfahrens, die voraussichtlich im Hauptverfahren nicht nochmals vom Richter vorge­ nommen werden können, durch einen Richter vor­ nehmen läßt. Der § 10 hat den Zweck, in solchen Fällen die Angehung des Richters sicherzustellen. Der Staatsanw alt muß den Richter um eine vor­ bereitende Beweisaufnahme ersuchen, wenn schon im Vorverfahren vorauszusehen ist, daß die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen oder die V or­ nahme eines Augenscheins im Hauptverfahren vor­ aussichtlich unmöglich ist. I s t die Beweisaufnahme im Hauptverfahren, sei es in der Hauptverhandlung, sei es nach § 45 außerhalb der Hauptverhandlung möglich, so soll sie dem Hauptverfahren vorbehalten werden. Wie eine Vergleichung des § 45 mit dem § 10 Abs. 1 ergibt, ist eine vorbereitende Beweisauf­ nahme im Hauptverfahren in weiterem Umfang mög­ lich als im Vorverfahren. Von den Gründen, die nach § 45 eine vorbereitende Beweisaufnahme im Hauptversahren außerhalb der Hauptverhandlung rechtfertigen, erfaßt der § 10 Abs. 1 insbesondere nicht die im § 45 Abs. 1 Nr. 2 erwähnten Gründe. Würde das Erscheinen in der Hauptverhandlung einem Zeugen oder Sachverständigen wegen Zeitverlustes oder ungünstiger Verkehrsverhältniste einen großen Nachteil zufügen, so soll es im Hauptverfahren dem Vorsitzer des Gerichts überlasten werden, zu prüfen,

ob es erträglich ist, deswegen eine vorbereitende Be­ weisaufnahme nach § 45 vorzunehmen. D a es sich um eine Vorwegnähme einer Beweis­ aufnahme des Hauptverfahrens handelt, empfiehlt es sich, abweichend vom geltenden Recht mit der Beweis­ aufnahme einen Richter des Gerichts zu betrauen, bei beut voraussichtlich das Hauptverfahren anhängig werden wird. Der S taatsanw alt hat daher das E r­ suchen an den Vorsitzer des Gerichts zu richten, das für das Hauptversahren zuständig wäre; dieser kann einen Richter seines Gerichts mit der Untersuchungs­ handlung beauftragen. I n zweiter Linie ist aus prak­ tischen Gründen auch der Amtsrichter des Bezirks für zuständig erklärt, in dem die Handlung vorzunehmen ist. D as ist insbesondere von Bedeutung, wenn das für das Hauptverfahren zuständige Gericht noch nicht feststeht, wenn Gefahr im Verzug ist oder die Beweis­ aufnahme durch einen Richter des zuständigen Ge­ richts auf unverhältnismäßig große Schwierigkeiten stoßt. Die Regelung des Absatz 2 Satz 1 über die Gründe, die die Ablehnung des Ersuchens rechtfer­ tigen, entspricht dem § 9 Absatz 1 Satz 2. D as E r­ suchen darf demnach nur abgelehnt werden, wenn der angegangene Richter unzuständig oder die Handlung nach dem Gesetz unzulässig ist. Soweit es danach auf die sachliche Zuständigkeit für das Hauptverfahren ankommt und der S taatsanw alt das sachlich zustän­ dige Gericht auswählt, ist seine Wahl auch für die Vornahme der Untersuchungshandlung maßgebend. Bestehen zwischen Staatsanw alt und Richter Mei­ nungsverschiedenheiten über die Angemessenheit der Vereidigung eines Zeugen oder Sachverständigen, so kommt es nach § 177 Abs. 1 auf die Meinung des Richters an. Entsprechend den §§ 169, 193 S tP O , muß dem Staatsanw alt, dem Verteidiger und dem Beschuldig­ ten die Teilnahme an der Untersuchungshandlung des Richters ermöglicht werden, da sie ein Stück der Be­ weisaufnahme des Hauptverfahrens vorwegnimmt. D as gilt gleichviel, ob der Richter auf Ersuchen des S taatsanw alts tätig wird oder nach § 9 Abs. 2 bei Gefahr im Verzug von sich aus Beweise aufnimmt, deren Aufnahme im Hauptverfahren voraussichtlich unmöglich ist. Wegen der Einzelheiten der Teil­ nahmebefugnis verweist der § 10 Abs. 3 auf das Verfahren bei einer vorbereitenden Beweisaufnahme des Hauptverfahrens (§ 47), bei der dieselbe Sachlage besteht. Auf die Begründung zu § 47 kann daher verwiesen werden. § ii

Herbeiführung einer Aussage

eidlichen

Der Entwurf behält die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen aus den zu § 172 erörterten Gründen dem Richter vor. Daher muß der S ta a ts­ anwalt im Vorverfahren den Richter auch stets dann um eine Vernehmung ersuchen, wenn ein Zeuge oder Sachverständiger vereidigt werden soll. Im Vorver­ fahren ist die Vereidigung nur unter den im § 176 Abs. 3 bezeichneten Voraussetzungen zulässig. Von den Gründen, die eine Vereidigung im Vorverfahren rechtfertigen, ist die Beweissicherung und die Verneh­

murig eines Zeugen, der im Hauptverfahren voraus­ sichtlich nicht vernommen werden kann (§ 176 Abs. 3 Nr. 1, 2) als Vorwegnähme einer Beweisaufnahme des Hauptversahrens nach der verfahrensrechtlichen Seite im § 10 geregelt. Nach § 176 Abs. 3 Nr. 3 ist die Vereidigung im Vorverfahren wie bisher aber auch zulässig, wenn sie nötig ist, um eine wahre Aus­ sage herbeizuführen, und von der Aussage der F o rt­ gang des Verfahrens abhängt. F ü r die Vereidigung in diesem Falle enthält der § 11 die Versahrensvorschriften. Die Vereidigung eines Zeugen im Vorverfahren legt erfahrungsgemäß den In h a lt seiner Aussage auch für eine spätere Vernehmung fest. Von der Vereidi­ gung im Vorverfahren als M ittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage darf daher nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn sie das letzte Aushilssmittel ist, um die Wahrheit an den Tag zu bringen, und die Entscheidung über die Erhebung der Anklage sonst keine tragfähige Unterlage hätte. Um den Ausnahme­ charakter dieser Vereidigung sicherzustellen, weist der Entwurf die Entscheidung darüber, ob zur Herbeifüh­ rung einer wahrer: Aussage die eidliche Vernehmung eines Zeugen stattsinden soll, weder dem S taatsanw alt noch dem Amtsrichter, sondern dem Vorsitzer des Ge­ richts zu, das für das Hauptversahren zuständig wäre (vgl. § 177 Abs. 1). D as ist auch deshalb geboten, weil eine solche eidliche Vernehmung wegen der Festlegung des In h a lts der Aussage tatsächlich die Vorwegnähme einer Beweisaufnahme des Hauptverfahrens darstellt. Der Vorsitzer kann wie in den Fällen des § 10 einen Richter seines Gerichts mit der eidlichen Vernehmung beauftragen. Soweit bei Gefahr im Verzug ein Be­ dürfnis für die Heranziehung des Amtsrichters be­ steht, kann ihm im Rahmen des § 9 Abs. 2, § 10 Rechnung getragen werden. Zugleich muß dafür Sorge getragen werden, daß der Staatsanw alt, der Verteidiger und der Beschuldigte in derselben Weise wie bei einer Vernehmung im Hauptverfahren an der eidlichen Vernehmung teilnehmen können und Ge­ legenheit haben, an den Zeugen Fragen zu stellen. Wegen der Einzelheiten der Teilnahmebefugnis ver­ weist der § 11 über den § 10 Abs. 3 auf den § 47. § 12

A n h ö r u n g des Beschuldigter: Die Vernehmung des Beschuldigten war bisher in § 192 S tP O , nur in der Voruntersuchung gesetzlich vorgeschrieben. I n allen wichtigeren Sachen ist naturgemäß, auch wenn keine Voruntersuchung ge­ führt wurde, entsprechend verfahren worden. Aber das kann nicht genügen. Wer durch eine Anklage in einer Hauptverhandlung zur Verantwortung ge­ zogen werden soll, muß vorher Gelegenheit haben, sich zu verteidigen. Der Entwurf erweitert daher die Pflicht zur Anhörung des Beschuldigten im Vor­ verfahren und verlangt allgemein, daß der Beschul­ digte im Vorverfahren zu hören ist, bevor der S ta a ts­ anwalt die Anklage erhebt. Der Anhörung bedarf es nicht, wenn der Staatsanw alt einer Anzeige keine Folge gibt oder das Verfahren einstellt. Die An­ hörung des Beschuldigten soll grundsätzlich durch mündliche Vernehmung geschehen; nur in einfacheren'

Sachen soll es genügen, daß ihm Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme gegeben wird. Zweck, Gegenstand und Gang der Vernehmung richten sich nach § 152. Der Staatsanw alt, der das Vorver­ fahren führt, soll sie nach § 7 Abs. 1 in Strafsachen von größerer Bedeutung selbst vornehmen; in an­ deren Sachen kann der Beschuldigte auch durch einen ersuchten Staatsanw alt, den Richter oder die Polizei vernommen werden. Die Vernehmung des Beschuldigten dient nicht nur dem Zweck, den Sachverhalt sorgfältig zu erfor­ schen und dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, Verdachtsgründe zu widerlegen und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen. Sie soll auch schon im Vorverfahren dem S taatsanw alt eine Würdigung der Täterpersönlichkeit ermöglichen, die im neuen Strafrecht von grundlegender Bedeu­ tung ist. Inw iew eit dem Beschuldigten auch vor Ein­ stellung des Verfahrens rechtliches Gehör zu gewähren ist, soll durch die Richtlinien geregelt werden, insbe­ sondere für die Fälle, in denen die Einstellungsver­ fügung mit einer Schuld des Beschuldigten rechnet. Auf denselben Erwägungen beruht die Vorschrift des Absatz 2. Bei der Vernehmung oder sonst im Lause des Vorverfahrens soll der Beschuldigte Be­ weisanträge stellen können; der Staatsanw alt hat ihnen zu entsprechen, wenn sie nach seiner Auffassung für das Vorverfahren von Bedeutung sind. Lehnt der Staatsanw alt sie ab, so hat er dem Antragsteller nach den §§ 280, 290 einen mit Gründen versehenen Bescheid zu erteilen. Dieser Bescheid wird spätestens beim Abschluß der Ermittlungen zu geben sein. § 13

Abschl uß

der E r m i t t l u n g e n

Der Entwurf hat aus den in der Einleitung dar­ gelegten Gründen die Vorschriften über die Stellung des Verteidigers und des Beschuldigten im Vorver­ fahren neu gestaltet. Von dem Abschluß der Erm itt­ lungen an werden die Befugnisse des Verteidigers und des Beschuldigten erweitert, um eine genügende Verteidigung schon vor Erhebung der Anklage zu ermöglichen und ungenügend vorbereitete oder un­ richtige Anklagen zu verhüten. D er Abschluß der Ermittlungen ist maßgebend als Zeitpunkt, in dem nach § 140 Abs. 2 bei notwendiger Verteidigung der Verteidiger spätestens zu bestellen ist, und nach den §§ 145, 146 die unbeschränkte Befugnis des Verteidi­ gers beginnt, mit dem nicht aus freiem Fuß befind­ lichen Beschuldigten zu verkehren und die Akten ein­ zusehen. Der gesetzliche Vertreter, der Sorgeberech­ tigte und der Ehemann der Beschuldigten werden nach § 153 vom Abschluß der Ermittlungen an als Bei­ stand zugelassen. Endlich ist nach § 13 Abs. 2 in diesem Zeitpunkt in den wichtigen Sachen das Schluß­ gehör zu gewähren. Diese Vorschriften machen es erforderlich, den Zeitpunkt des Abschlusses der E r­ mittlungen äußerlich festzulegen. Nach dem Absatz 1 ist daher der Abschluß der Ermittlungen in den Akten zu vermerken. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, wenn der S taatsanw alt alle nach seiner Meinung erforderlichen Unterlagen für die Entscheidung dar­ über, ob die Anklage zu erheben oder ob das Verfah­

ren einzustellen ist, gesammelt hat. Selbstverständlich wird der S taatsam valt durch den Vermerk über den Abschluß der Ermittlungen nicht gehindert, weitere Ermittlungen vorzunehmen, etwa solche, die durch Beweisanträge des Verteidigers oder des Beschul­ digten veranlaßt werden. I n den Strafsachen, die vor die Schösfenkammer oder ein höheres Gericht gehören, erweitert der E nt­ wurf das rechtliche Gehör des Beschuldigten durch die Einführung der Schlußanhörung des Beschuldigten und des Verteidigers, die in der Schlußvernehmung des militärischen Strafverfahrens (§ 114 Abs. 5 M StG O .) ein Vorbild hat. D a in diesen Strafsachen die Berufung nicht zulässig ist, findet in ihnen eine umfassende gerichtliche Tatsachenfeststellung nur in einem Rechtszug statt. I n diesen Sachen bedarf des­ halb die Anklage einer besonderen sorgfältigen Vor­ bereitung, die durch eine Erweiterung der Verteidi­ gungsmöglichkeiten nur gewinnen kann. Als Aus­ gleich für die fehlende Berufung sollen der Beschul­ digte und der Verteidiger in diesen Sachen schon vor der Erhebung der Anklage Gelegenheit erhalten, nach dem Abschluß der Ermittlungen die gegen die An­ klage sprechenden Gesichtspunkte geltend zu machen und Beweisanträge zu stellen. Der Staatsanw alt soll ihr Verteidigungsvorbringen schon bei der Entschei­ dung über die Erhebung der Anklage berücksichtigen. Zu diesem Zweck hat der S taatsanw alt den Beschul­ digten zu dem Ermittlungsergebnis zu hören, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind. Die Schlußanhörung ist jedoch nicht für die vor der Strafkammer zu verhandelnden Strafsachen vorgesehen. Die Eigenart dieser Strafsachen, die im wesentlichen den bisherigen Sondergerichtsdelikten entsprechen, erfor­ dert eine besonders schnelle Anberaumung der Haupt­ verhandlung. Die mit der Schlußanhöruug meist verbundene Verzögerung des Verfahrens muß in diesen Sachen vermieden werden. Die Schlußanhörung wäre zwecklos, wenn der Be­ schuldigte schon bei einer früheren Vernehmung er­ fahren hat, was die Ermittlungen ergeben haben und welche Verdachtsgründe und Beweismittel gegen ihn sprechen, und dabei Gelegenheit zur Verteidigung ge­ habt hat. S ie soll daher nur stattfinden, wenn sich seit der letzten Vernehmung des Beschuldigten weitere Verdachtsgründe ergeben haben, oder wenn es aus anderen Gründen sachdienlich ist, d. h., wenn sie ge­ eignet ist, die Verteidigung gegen die beabsichtigte Anklage oder in der Hauptverhandlung zu unter­ stützen. Die Schlußanhörung wird insbesondere dann nicht sachdienlich sein, wenn der Beschuldigte geständig ist, wenn er sich dem Strafverfahren entzieht und des­ halb ohne ihn verhandelt werden muß oder wenn es sich um einen Verbrecher handelt, der nicht willens ist, zur Aufklärung des Sachverhalts einen sachlichen Beitrag zu leisten. Nicht selten wird sie als nicht­ sachdienlich auch dann zu entbehren sein, wenn der Angeklagte auf sie verzichtet. Die Schlußanhörung ist nur in den Fällen vorgeschrieben, in denen die Anklage erhoben werden soll. Oft wird aber auch vor der Einstellung des Verfahrens Anlaß gegeben sein, den Beschuldigten zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu hören.

I n der Regel wird der Beschuldigte zur Schlußanhörung zu laden oder, wenn er nicht auf freiem Fuß ist, vorzuführen sein. Erscheint der Beschuldigte auf die Vorladung nicht und ist er nicht genügend ent­ schuldigt, so hat der Staatsanw alt seiner Pflicht ge­ nügt. Auch dem Verteidiger hat der Staatsanw alt in den Sachen, in denen die Anklage vor der Schöfsenkammer oder einem höheren Gericht erhoben wird, nach dem Abschluß der Ermittlungen innerhalb ange­ messener Frist Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen. Der Vertei­ diger hat zu diesem Zweck vom Abschluß der Erm itt­ lungen an nach § 146 die unbeschränkte Befugnis zur Akteneinsicht. Die Anklage, darf erst erhoben werden, nachdem der Beschuldigte und der Verteidiger diese Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben. Jedoch steht dem Gericht eine Nachprüfung nicht zu. § 14

V e r s o l g u n g s p f l i ch t § 14 enthält den Grundsatz der Versolgungspslicht, den das bisherige Recht tm § 152 Abs. 2 S tP O , aus­ gesprochen hat. Seine Bedeutung für das neue S tra f­ verfahrensrecht ist in der Einleitung dargelegt. Der Staatsanw alt ist danach, soweit nicht das Gesetz an­ deres bestimmt, zur Erhebung der Anklage stets dann verpflichtet, wenn nach dem Ergebnis der Erm itt­ lungen genügender Verdacht besteht, daß der Beschul­ digte eine S traftat begangen hat. Die Bedeutung der Vorschrift liegt zugleich darin, daß sie die Vor­ aussetzungen näher umschreibt, unter denen das Vor­ verfahren durch die Anklageerhebung in das Haupt­ verfahren übergeleitet werden soll. Wie ein Vergleich der §§ 14 und 35 ergibt, sind die Voraussetzungen der Anklageerhebung weiter als die entsprechenden Voraussetzungen für das Gericht, die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen. Der Verdacht, daß der Beschuldigte eine S traftat begangen hat, wird jedenfalls dann für die Anklageerhebung „genügend" sein, wenn bei Erhärtung des Ergebnisses der Erm itt­ lungen mit Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung des Beschuldigten zu erwarten ist. Doch wird der S ta a ts­ anwalt nicht pflichtwidrig handeln, wenn er eine An­ klage in Fällen erhebt, deren Ausgang auch nach seiner Meinung zweifelhaft ist. Eine solche Anklage wird zur Voraussetzung haben, daß nach Auffassung des S taatsanw alts nur durch die umfassende Prüfung der Beweise in mündlicher Verhandlung ein zuver­ lässiges Bild über den Sachverhalt gewonnen und daher nur durch die Hauptverhandlung die Frage der Schuld oder Nichtschuld einwandfrei geklärt werden kann. An Hand dieser Richtlinien, deren Aufnahme in das Gesetz selbst sich nicht empfiehlt, wird der Staatsanw alt 4m Einzelfall pflichtgemäß zu bestim­ men haben, ob die Ermittlungen ausreichen, um die Anklage zu erheben. Die Ausnahmen von der Verfolgungspflicht sind in den §§ 15 bis 26 enthalten. Eine dem § 154 a S tP O , entsprechende Vorschrift weist der Entwurf nicht mehr auf. Die Gründe dafür sind bei § 21 dargelegt. Eine Vorschrift über die Lockerung der Verfolgungspflicht, die der Entwurf nicht mehr kennt, enthielt auch die DO. vom 6. Oktober 1931, Sechster

Teil Kapitel I § 3 (RGBl. I S . 537). Danach konnte der Staatsanw alt bisher zur Austragung einer Frage des bürgerlichen Rechts oder des Ver­ waltungsrechts, von deren Entscheidung die Erhebung der Anklage wegen eines Vergehens abhing, eine Frist bestimmen und nach fruchtlosem Ablauf der Frist das Verfahren einstellen. Die Vorschrift sollte dem M iß­ brauch begegnen, daß Strafanzeigen nur zu dem Zweck erstattet wurden, um auf den Angezeigten in einem Streitfall einen Druck auszuüben oder in einem bür­ gerlichen Rechtsstreit oder in einem Verwaltungsver­ fahren auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bezug nehmen zu können. Der Erstattung mißbräuch­ licher Anzeigen treten andere Vorschriften des neuen Rechts entgegen, insbesondere § 376 S tG B , über die falsche Verdächtigung und § 456 StV O , über die Kostenpslicht des Anzeigers. Es ist mit den neuen Rechtsanschauungen nicht vereinbar, allgemein den Grundsatz auszustellen, daß der S taatsanw alt bei der Verfolgung von Straftaten dem Betroffenen die Auf­ klärung des Sachverhalts überlassen kann und, wenn dieser dem nicht nachkommt, den S taatsanw alt von der Pflicht zur Verfolgung zu entbinden. Die Vor­ schrift ist daher beseitigt worden. §

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N i ch t v e r s o l g u n g w e g e n

geringer

Schul d Die. erste und wichtigste Ausnahme von der Ver­ folgungspflicht betrifft die Fälle geringer Schuld. Der Befugnis des Staatsanw alts, in Sachen von nicht erheblicher Bedeutung von der Verfolgung abzusehen, entspricht in gewissem Umfang die dem Richter nach einzelnen Vorschriften des Strafgesetz­ buchs zustehende Befugnis, in besonders leichten Fällen von Strafe abzusehen. Allerdings muß die Ermächtigung für den Staatsanw alt, die Verfolgung von Straftaten wegen geringer Schuld zu unterlassen, umfassender sein als die entsprechende Befugnis des Richters. Es ist Aufgabe des S taatsanw alts, die nicht strafwürdigen Fälle auszuscheiden. Der Richter soll nur mit Taten besaßt werden, deren Bestrafung der S taatsanw alt nach dem Ergebnis der Ermittlungen für notwendig erachtet. Gegenüber dem bisherigen Recht sieht der Ent­ wurf eine Reihe von Neuerungen vor. D a die Ord­ nungsstraftaten aus dem Strafgesetzbuch und damit auch aus der Strafversahrensordnung ausscheiden, wird das Ordnungsstrafgesetzbuch die Grundsätze über die Verfolgung solcher Taten enthalten. § 15 be­ trifft daher in erster Linie diejenigen Taten, die das bisherige Recht als Vergehen bezeichnete und bei denen der S taatsanw alt nur mit Zustimmung des Amts­ richters (§ 153 Abs. 2 S tP O .) von der Verfolgung absehen konnte. Weil das Strafgesetzbuch die Ein­ teilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen nicht mehr kennt und die Strafrahm en im Strafgesetz­ buch stark erweitert sind, können die Straftaten, bei denen die Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld zulässig sein soll, nicht durch die angedrohten Strafen näher umgrenzt werden. Der Entwurf be­ folgt daher hier die konkrete Betrachtungsweise des Strafgesetzbuchs und stellt daraus ab, welche Strafe

im E in ze lfa ll zu erwarten ist. D e r S ta a tsa n w a lt kann dann von der Verfolgung absehen, wenn vo r­ aussichtlich von S tra fe abgesehen oder höchstens auf Gefängnis, Festungshaft oder H aft von einem M on a t, Geldstrafe von dreißig Tagesbußen, Versallerklärung, V erw arnung m it S tra fvo rb e h a lt, allein oder neben­ einander oder neben Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung erkannt werden würde. D as bisherige Recht gestattet bei Vergehen von der Verfolgung dann abzusehen, wenn die Schuld des T äters gering ist und die Folgen der T a t unbedeu­ tend sind. Demgegenüber verlangt der E n tw u rf, daß die Verfolgung weder zum Schutz des Volkes noch zur Sühne der T a t geboten und die Schuld des T äters gering ist. F ü r die S tra fw ü rd ig ke it sind die Folgen der T a t nach den Grundsätzen des W ille n s­ strafrechts n u r bedeutsam, wenn sie von der Schuld m itum faßt werden (§ 18 S tG B .) ; der besonderen E r ­ wähnung dieses M erkm als bedarf es daher nicht. Auch kann selbst bei geringer oder fehlender Schuld und bei unbedeutenden Folgen der T a t die Verfolgung zum Zweck der Verhängung sichernder Maßregeln geboten sein. Endlich gibt es Fälle, in denen die Schuld gering ist, bei denen aber nach den Umständen der T a t, nach der Persönlichkeit des Täters oder aus anderen Gründen sich die Notwendigkeit ergibt, den T äte r vor Gericht zu stellen. F ü r die Entscheidungen des S ta a tsa n w a lts sollen daher nicht die äußeren Folgen der T a t bestimmend sein. E r soll vielmehr von einem umsassenderen Gesichtspunkt ausgehen und die Erwägung maßgebend sein lassen, ob zum Schutz der Volksgemeinschaft oder zur Sühne die Verfolgung trotz geringer Schuld geboten ist. D as E rfordernis der Zustimmung des Am tsrich­ ters beseitigt der E n tw u rf. Es verträgt sich nicht m it der dem S ta a tsa n w a lt im künftigen Recht einge­ räumten S tellung und ist ein Ausfluß jenes Systems gegenseitiger hemmender Bindungen und Über­ wachungen von Staatsanwaltschaft und Gericht, das der E n tw u rf ablehnt. S o ll der S ta a tsa n w a lt w irk­ lich fü r das Vorverfahren verantwortlich sein, so muß er von derartigen Bindungen befreit werden und gegenüber der S taatsführung die V erantw ortung fü r seine Maßnahmen selbst tragen. Nach § 153 Abs. 3 S tP O , kann das Gericht nach Erhebung der Anklage — auch in der Hauptverhandlung — das Verfahren m it Zustimmung der S ta a ts ­ anwaltschaft einstellen, soweit die Einstellungsbefug­ n is der Staatsanwaltschaft reicht. D er E n tw u rf be­ seitigt auch diese Befugnis des Gerichts. Is t das Verschulden des Täters so gering, daß er keine S tra fe verdient, so ermächtigt das Strafgesetzbuch den Rich­ ter, in besonderen F ällen von S tra fe abzusehen oder eine V erw arnung m it Strasvorbehalt auszusprechen. E s ist nicht angängig, neben dieser sachlich-rechtlichen Regelung noch die gerichtliche Einstellung des V e r­ fahrens im Hauptversahren nach § 15 zuzulassen und dam it die Vorschriften des Strafrechts durch Verfahrensvorschristen zu erweitern. B is zum B eginn der Hauptverhandlung kann übrigens der S ta a tsa n w a lt neu hervorgetretene Umstände, die im Vorverfahren ein Absehen von der V erfolgung gerechtfertigt hätten, dadurch berücksichtigen, daß er nach § 29 die Anklage zurücknimmt.

Ausscheidung von Unwesentlichem § 16 regelt die Befugnis des S taatsanw alts, den Gegenstand der Verfolgung und der Anklage auf Vorgänge zu beschränken, die fü r die verwirkte S tra fe oder sichernde M aßregel wesentlich erscheinen. E n t­ sprechende Befugnisse gewähren im Hauptverfahren die §§ 62, 63 dem Gericht. Diese Vorschriften ergänzen sich gegenseitig; sie verfolgen den Zweck, das Strafverfahren von unwesentlichen E rm ittlungen und Untersuchungen zu entlasten und durch Beschränkung des Verhandlungsstoffes auf das Wesentliche zur V e r­ einfachung und Abkürzung der S trafverfahren beizu­ tragen. D ie Erfahrungen, die vor allem in den soge­ nannten Monstreprozessen gesammelt wurden, zw in ­ gen dazu, die Befugnisse des S ta a tsa n w a lts und des Richters zur Ausscheidung unwesentlicher Vorgänge gegenüber dem § 154 S tP O , erheblich zu erweitern. Bei sinnvoller Anwendung werden die neuen V o r ­ schriften eines der Hauptm ittel sein, um Monstreprozesse einzudämmen und auch umfangreiche Versahren m it der gebotenen Beschleunigung durchzuführen. D e r Absatz 1, der die Begehung mehrerer selb­ ständiger Taten durch denselben Beschuldigten vo r­ aussetzt, t r it t an die Stelle des bisherigen § 154 Abs. 1 S tP O . Abweichend von dieser Vorschrift soll es nicht im Ermessen des S ta a tsa n w a lts liegen, son­ dern seine P flich t sein, bei Tatm ehrheit solche Taten nicht zu verfolgen, die bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. D er S ta a tsa n w a lt soll nicht nur die Erhebung der Anklage, sondern die gesamte Verfolgung, insbesondere die E rm ittlun g e n auf die hiernach wesentlichen Taten beschränken. Das E r ­ m ittlungsverfahren ist nicht weiter auszudehnen, als nötig ist, um die Bedeutung der etwa auszuscheiden­ den Vorgänge beurteilen zu können. Neu ist der Absatz 2, der eine empfindliche Lücke des bisherigen Rechts schließen soll. D as Bedürfnis, die Verfolgung auf die fü r das U rte il wesentlichen Handlungen zu beschränken, besteht auch bei einer M ehrheit von Handlungen, die rechtlich eine Hand­ lungseinheit darstellen. Es wäre sinnwidrig, die ein­ zelnen Teilhandlungen einer fortgesetzten T at, einer gewerbs- oder gewohnheitsmäßig begangenen T at oder einer anderen Sam m eltat in aller Vollständigkeit zu untersuchen, wenn schon einzelne Teilhandlungen zur F indung der verdienten S tra fe ausreichen, wenn also die Untersuchung weiterer Vorgänge weder auf die S tra fe noch auf sonstige Folgen der T a t E influß ausüben kann. D e r E n tw u rf ermächtigt daher den S ta a tsa n w a lt, die Verfolgung auf einzelne abtrenn­ bare T eile einer T a t zu beschränken, wenn die übrigen Teile bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der gesamten T a t nicht in s Gewicht fallen. Den Ausdruck „abtrennbare Teile einer T a t" verwendet der E n tw u rf auch in den §§ 62, 325, 340, 364. E r versteht darunter Handlungen, die im n a tü r­ lichen S in n e in sich abgeschlossen sind und erst bei der rechtlichen B eurteilung m it anderen Handlungen zu einer rechtlichen Handlungseinheit zusammengefaßt werden, aus ih r aber ausgeschieden werden können, ohne daß dadurch die Gesamtwürdigung der T a t be-

einträchtigt wird. I m Gegensatz zu solchen Teilhand­ lungen stehen einzelne Tatbestandsmerkmale einer Handlung, sodaß es unzulässig wäre, etwa einen Raub unter Absehen von der Nötigungshandlung als Dieb­ stahl zu verfolgen. Dasselbe Bedürfnis besteht aber auch beim Zu­ sammentreffen verschiedener Rechtsverletzungen in einer einzigen T at. I n der P ra ris hat sich vielfach die Neigung gezeigt, in den Fällen des § 73 des bisherigen S tG B , alle nur irgendwie denkbaren Strafgesetze heranzuziehen, die durch dieselbe Hand­ lung verletzt sein könnten. Nach künftigem Recht ist allerdings das Zusammentreffen mehrerer Rechtsver­ letzungen in einer T at auf die Strafe von größerem Einfluß^ als nach bisherigem Recht (§ 55 Abs. 2 StG B .). Auch künftig wird es aber für das Gewicht des irrt Schuldspruch liegenden Unwerturteils und für die strafrechtlichen Folgen vielfach ohne Belang sein, ob die T at über die dem Urteil zugrundegeleqten Rechts­ verletzungen hinaus noch weitere Rechtsverletzungen enthält. I n solchen Fällen dient es der Klarheit und leichteren Verständlichkeit des Verfahrens, auf ihre Erörterung in der Anklage und im Urteil zu ver­ zichten. Die Beschränkung der Verfolgung liegt nach dem Absatz 2 anders als bei einer Mehrheit von Taten im Ermessen des Staatsanw alts. Die Pflicht zur Ausscheidung unwesentlicher Vorgänge innerhalb einer und derselben T at könnte die Gefahr einer Zer­ reißung des Tatvorgangs herbeiführen. Der Absatz 3 ergänzt den Absatz 1 für solche Fälle der Tatmehrheit, in denen wegen einzelner Taten schon eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist. Fallen die noch nicht abgeurteilten Taten bei der Ge­ samtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten und seiner Taten nicht ins Gewicht, so ergibt sich schon aus dem Absatz 1 die Pflicht des Staatsanw alts, solche Taten nicht zu verfolgen. Nach dem Absatz 3 soll der S taatsanw alt von ihrer Verfolgung aber auch dann absehen, wenn sie zwar für die Gesamt­ würdigung des Beschuldigten von Bedeutung sind, wenn sie aber angesichts der bereits verhängten Strafe oder sichernden Maßregel nicht ins Gewicht fallen, also nicht zu einer Erhöhung der Strafe oder zu einer weiteren sichernden Maßregel führen würden. Die Beschränkung der Anklage auf einzelne von mehreren Taten ist für das Gericht bindend, da es nur solche Taten aburteilen kann, auf die sich die Anklage erstreckt. Hingegen hindert die Beschränkung der Verfolgung auf einzelne abtrennbare Teile einer T at oder einzelne von mehreren Rechtsverletzungen das Gericht nicht, die Verhandlung und Entscheidung auf die nichtangeklagten Tatteile oder Rechtsver­ letzungen zu erstrecken, da sie nach § 80 Gegenstand der Urteilsfindung sind. Hat der S taatsanw alt die Anklage aus einzelne von mehreren Taten des Ange­ klagten beschränkt, so erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils nur auf diejenigen Taten, wegen deren An­ klage erhoben ist. Führt dieses Verfahren zu einer geringeren als der vom S taatsanw alt erwarteten Strafe oder ganz zum Freispruch, so steht es dem Staatsanw alt frei, die ausgeschiedenen Taten später zu verfolgen. Ih re Verfolgung ist nur in dem im Absatz 3 bezeichneten Rahmen beschränkt.

Die Ausscheidung unwesentlicher Vorgänge Hauptverfahren ist in den §§ 62, 63 geordnet. der Begründung dieser Vorschriften sind auch Fragen erörtert, die das bisherige Recht in § Abs. 3 bis 5 S tP O , geregelt hat. §

im In die 154

17

S c h u tz

f ü r d ie O p f e r e i n e r Erpressung § 17 erseht den durch die Strafprozeßnovelle vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) eingefügten § 154 b S tP O ., dessen Grundgedanken er übernimmt, zugleich aber auch auf Grund der bisherigen Erfah­ rungen fortentwickelt. Erpressungen sind besonders gefährlich, wenn der Erpresser mit der Drohung vor­ geht, er werde eine von seinem Opfer begangene S traftat offenbaren. Der Erpreßte fürchtet sich dann oft, sich durch die Anzeige des Erpressers selbst der Strafverfolgung auszuliefern, und steht dadurch häufig wehrlos einer fortlaufenden Kette von E r­ pressungen gegenüber. Da die Handlungen des E r­ pressers nicht selten verbrecherischer sind, als die S traftat des Erpreßten, muß nach M itteln gesucht werden, den Erpreßten zttr Anzeige des Erpressers zu ermutigen und damit den gefährlichen Täter ver­ folgen zu können. Um dieses Zieles willen ist es gerechtfertigt, von der Verfolgung des Erpreßten unter Umständen abzusehen und damit die Drohung des Erpressers unwirksam zu machen oder sie wenig­ stens in ihrer Wirkung abzuschwächen. Die Vorschrift soll die Bekämpfung des Erpressers dadurch erleichtern, daß sie dem Erpreßten durch die Aussicht aus Straffreiheit einen Anreiz zur Anzeige gegen den Erpresser gibt. Dieser Anreiz ist umso größer, je sicherer der Erpreßte Aussicht hat, wegen der eigenen Straftaten nicht verfolgt zu werden. Ab­ weichend von § 154 b S tP O , macht der Absatz 1 es daher dem Staatsanw alt zur Pflicht, von der Ver­ folgung des Erpreßten abzusehen, wenn dieser durch Anzeige oder auf andere Weise die Verfolgung des Erpressers herbeiführt. Die T at des Erpreßten soll nur dann verfolgt werden, wenn es zum Schutze des Volks oder zur Sühne unerläßlich ist. Der S ta a ts­ anwalt kann nach seinem Ermessen auch von der Ver­ folgung derjenigen absehen, die an der T at des E r­ preßten als M ittäter, Anstifter, Gehilfen oder in anderer Weise beteiligt sind. Auch dadurch sollen für den Erpreßten Hemmungen ausgeschaltet werden, die ihn an der Erstattung der Anzeige hindern könnten. Wird die Verfolgung des Erpressers nicht durch den Bedrohten, sondern auf andere Weise herbeige­ führt, so fehlt im allgemeinen der Anlaß, den Bedroh­ ten straffrei ausgehen zu lassen. Der S taatsanw alt soll in diesem Falle gegenüber dem Bedrohten und den an dessen T at Beteiligten von der Verfolgung nur absehen können, wenn sie angesichts der Schutz­ vorschrift des Absatz 1 eine unbillige Härte wäre. Eine solche Härte könnte insbesondere dann vorliegen, wenn nicht der Bedrohte, sondern ohne sein Zumn einer seiner nahen Angehörigen gegen den Erpresser Anzeige erstattet oder wenn zwar der bedrohte selbst Anzeige erstattet, die Strafverfolgungsbehörden aber

zuvor schon von der Erpressung K enntnis erhalten haben. I n diesen F ällen liegt das Absehen von der Verfolgung im Ermessen des S ta a tsa n w a lts.

das an der Bestrafung der T at des Zeugen. Dieses Wertverhältnis erst rechtfertigt es, von der Verfol­ gung abzusehen.

Der Absatz 3 stellt wie das bisherige Recht der Erpressung andere Nötigungen gleich. Der § 17 ist daher auch anwendbar, wenn durch die Drohung, eine S traftat zu offenbaren, eine Nötigung im Sinne des § 430 S tG B , begangen worden ist. Die Gleich­ stellung bezieht sich aber auch auf Sondertatbestände der Nötigung, wie der Hinweis auf die Nötigung zur Unzucht ’(§ 207 S tG B .) dartut. Die Vorschrift wird nur barm ihren Zweck er­ füllen können, wenn der Erpreßte, der gegen den Erpresser Anzeige erstattet, mit einiger Sicherheit auf die Nichtversolgung vertrauen kann. Es wird Auf­ gabe der von den Staatsanw älten zu bcachtendeu Richtlinien und der Aufsichtsbehörden sein, eine un­ angemessene Verfolgung des Erpreßteil zu verhüten.

D ie Vorschrift bezieht sich nur aus Taten, die der Zeuge selbst begangen hat, nicht auf T aten seiner M ittäter, Anstifter und Gehilfen.

§ 18 S c h u tz f ü r Z e u g e n Die Vorschrift, die dem geltenden Recht nicht be­ kannt ist, steht in enger Beziehung zil dem § 165. Danach darf ein Zeuge die Auskunft auf eine Frage verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen seiner Angehörigen der Gefahr aussetzen würde, wegen einer S traftat verfolgt zu werden. Dieses Aussageverweigerungsrecht gewährt der Entwurf aus den in der Begründung zu § 165 erörterten Gründen ohne Rücksicht auf die Schwere der S tra fta t des Zeugen und ihr Verhältnis zu der S traftat, zu deren Aufklärung er aussagen soll. Der Zeuge, dessen Aus­ sage einen Mörder überführen könnte, kann auch dann die Aussage verweigern, wenn die ihm selbst zur Last fallende Tat, die er durch eine wahrheitsgetreue Aus­ sage offenbaren müßte, verhältnismäßig geringfügig ist, wenn er etwa zugleich zugeben müßte, daß er nur deshalb Augenzeuge des Mordes war, weil er am T atort gestohlenes Gut verbarg. I n : Interesse der Strafrechtspflege soll der Richter in solchen Fällen daraus hinwirken sönnen, daß der Zeuge sich zur Aus­ sage entschließt. Eine Aussage wird aber von dem Zeugen nur zu erwarten sein, tuciut er nicht die Ver­ folgung wegen der ihm selbst oder einem seiner All­ gehörigen zur Last fallenden Tat zu befürchten hat. Die Aussage soll ihm daher durch die Aussicht er­ leichtert werden, daß der S taatsanw alt von der Ver­ folgung der T at absieht. Die Lockerung der Verfol­ gungspflicht ist in solchen Fällen auch deshalb gerecht­ fertigt, weil es vielfach eine unbillige Härte fein würde, einen Zeugen zur Aussage aufzufordern, zu­ gleich aber wegen des In h a lts seiner Aussage ihn selbst oder einen Angehörigen strafrechtlich zu be­ langen. Der § 18 ermächtigt daher den Staatsanw alt, von der Verfolgung einer Tat, deren ein Zeuge durch seine Aussage sich selbst oder einen seiner Angehörigen bezichtigt, abzusehen, wenn die Verfolgung eine un­ billige Härte wäre. Der Entwurf verwendet damit hier einen ähnlichen Gesichtspunkt wie in der Vor­ schrift über den Schutz der Opfer einer ErpressungD as Interesse der Volksgemeinschaft an der Auf­ klärung der einen T at muß erheblich größer sein als

Die Vorschrift muß ähnlich wie der § 17 sorg­ fältig gehandhabt werden, damit sie ihren Zweck er­ füllen kann. Ih re Anwendung wird daher an Hand der für die Staatsanw älte bindenden Richtlinien von den Aufsichtsbehörden besonders eingehend zil über­ wachen sein. § 19

V e r f o l g u n g auf A n t r a g Die Vorschriften der Strafgesetze sehen vor, daß eine Reihe von Straftaten nur auf Antrag des Ver­ letzten oder eines anderen Antragsberechtigten ver­ folgt werden. Die Gründe, die diese Einschränkung des Grundsatzes der Verfolgung voll Amts wegen rechtfertigen, sind in der Begründung des Strafgesetz­ buchs dargelegt. Der Entwurf der Strafverfahrens­ ordnung ergänzt diese Vorschriften des fachlichen Rechts durch Bestimmungen, die bisher in den §§ 61 bis 65 S tG B , enthalten waren, ihres überwiegend verfahrensrechtlicheu Charakters wegen aber besser in die Strafverfahreusordnuug eingestellt werden. D a­ von sind die Vorschriften über die Antragsberechtig­ ten, die Antragsfrist, die Form, Unteilbarkeit und Unwiderruslichkeit des Antrages in den §§ 267 bis 273 enthalten. Der § 19 regelt die Abweichungen von der Verfolgungspslicht, die bei den nur auf An­ trag zu verfolgenden Straftaten gelten. Die im Absatz 1 erwähnten S traftaten darf der Staatsanw alt nur verfolgen, wenn der Antrag von einem Antragsberechtigten innerhalb der Antragsfrist bei einer zuständigen Behörde gestellt ist. Das Gebot, Taten, bei bcitcit diese Voraussetzungen nicht vor­ liegen, nicht zu verfolgen, schließt jedoch Ermittlungen und vorbereitende Maßnahmen im Vorversahrell ilicht aus, solange mit der Stellung des Antrags zu rechnen ist. Entsprechend dem geltenden Recht sind solange auch die vorläufige Festnahme, die Verhaftung und andere Zwangsmittel nicht ausgeschlossen (vgl. Begründung zu § 201). Die Gründe, die dazu führen, die Strafverfolgung von einem Antrag abhängig zu machen, sind verschie­ dener Art. Teils handelt es sich um Taten, die in den engsten Persönlichkeitsbereich des Einzelnen ein­ greifen und deren Verfolgung die Belange des Ver­ letzten aufs schwerste beeinträchtigen kann, wie z. B. bei der Verführung und der Preisgabe des ärztlichen Geheimnisses. Teils sind es Taten, bei deren Ver­ folgung sonst an dem Willen des Verletzten nicht vor­ beigegangen werden.kann, wie z. B. leichte Körper­ verletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Ge­ währt das Strafrecht dem Verletzten die Befugnis, durch die Unterlassung des Antrags die Verfolgung einer solchen T at zu verhindern, so ist es andererseits vom Standpunkt des neuen Strafrechts aus nicht erträglich, dem S taatsanw alt eine geringere Versügungsmacht über die Verfolgung der T at einzuräumen und ihn bei Stellung des Antrages ohne weiteres zur

Verfolgung der T a t zu verpflichten. Vielm ehr muß der S ta a ts a n w a lt in der Lage sein, bei den nur aus A n trag zu verfolgenden T a te n die Gründe, die für und gegen die Verfolgung sprechen, gegeneinander ab­ zuwägen, wenn einmal die Verfolgung beantragt ist. D ie Befugnis des S ta a ts a n w a lts trotz S tellung des A ntrag s von der Verfolgung abzusehen, ist auch des­ halb nicht zu entbehren, w eil ohne sie die G efahr be­ stände, daß die staatliche S trafverfolgung zur B efriedi­ gung persönlicher Rachegelüste mißbraucht würde und der S ta a ts a n w a lt in eine Abhängigkeit vom Verletz­ ten käme, die m it den Ausfassungen des neuen S tr a f­ rechts nicht vereinbar ist. W ird der A n trag auf V e r­ folgung gestellt, so soll daher der S ta a ts a n w a lt zur Verfolgung mix verpflichtet sein, wenn triftige G rü n d e für die Verfolgung sprechen. D ie Prüfung, die dem S ta a ts a n w a lt dabei obliegt, ist vom S ta n d ­ punkt der Volksgemeinschaft aus vorzunehmen.

Strafrechts w ird daher stets geboten sein, wenn diese M aßnahm e nicht ausreicht, auf eine Ahndung aber nicht verzichtet werden kann. B e i Ehrenkränkungen w ird der S ta a ts a n w a lt auch zu berücksichtigen haben, ob Feststellungen über die Unwahrheit einer ehren­ rührigen oder herabsetzenden Behauptung (§ 42 3) zweckmäßiger durch den Strafrichter in einem S t r a f ­ verfahren als durch den Friedensrichter erfolgen. D ie Friedensrichterordnung sichert durch eine Reihe von Vorschriften die Zuweisung solcher Sachen, in denen die kriminelle Ahndung geboten ist, an den S ta a ts ­ an w alt. V erfolg t der S ta a ts a n w a lt die T a t nicht im S trafverfahren , so hat er nach Absatz 2 den Verletzten, wenn es angebracht ist — d. h. insbesondere wenn die Erhebung einer Klage des Verletzten vor dem Friedensrichter zulässig ist — darüber zu belehren, daß es ihm freisteht, Klage vor dem Friedensrichter zu erheben.

F ü r den Ehebruch enthält der § 200 S tG B , eine Sondervorschrift; er w ird n u r verfolgt, wenn es im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. W ie die Begründung zu § 200 S t G B , bemerkt, ist in A us­ sicht genommen, R ichtlinien darüber aufzustellen, unter welchen Voraussetzungen der S ta a ts a n w a lt ein dringendes öffentliches Interesse an der Verfolgung des Ehebruchs bejahen soll. S o w e it das S t G B , bei T a te n , die nur aus A n trag verfolgt werden, die A hn­ dung durch den Friedensrichter für zulässig erklärt, richtet sich die Verfolgung durch den S taa tsan w alt nach dem § 20.

D ie Einzelheiten des V erhältnißes zwischen S trafverfahren und friedensrichterlichem V erfahren sind in der Begründung zur Friedensrichterordnung dargelegt.

§ 20 Spruchbereich

des

Friedensrichters

Nach dem E n tw u rf der Friedensrichterordnung kann der Friedensrichter wegen Ehrabschneidung, Be­ leidigung, ehrabschneidender Beschimpfung Verstorbe­ ner, leichter vorsätzlicher Körperverletzung und fahr­ lässiger Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, V e r­ letzung des Briefgeheimnisses, Sachbeschädigung und Sachentziehung augerufen werden, wenn nicht der S ta a ts a n w a lt die Ahndung der T a t m it den M itte ln des Strafrechts für geboten hält (§ 2). D ie F r ie ­ densrichterordnung scheidet diese T a te n aus dem Be­ reich des kriminellen Strafrechts aus, sofern -sie nach den Umständen des Einzelfalles keine kriminelle Ahn­ dung verdienen. Z u r Ergänzung ihrer Vorschriften stellt der § 20 S tV O , den Grundsatz auf, daß der S ta a ts a n w a lt eine T a t, wegen deren der Friedens­ richter angerufen werden kann, nur dann zu verfolgen hat, wenn er ihre Ahndung m it den M itte ln des Strafrechts für geboten hält. D a s unterscheidende M e rkm al für die Zuweisung solcher Sachen in den Bereich der Strafgerichte oder den des Friedens­ richters liegt somit nicht im Tatbestand des äußeren Geschehens, sondern in der Gesamtbewertung des T ä ters. Entscheidend ist, ob für die T a t eine krim i­ nelle S tra fe m it allen W irkungen einer solchen erfor­ derlich ist. Is t dies zu bejahen, so ist es Sache des S ta a ts a n w a lts , die T a t zu verfolgen. Ob die krim i­ nelle Ahndung der T a t geboten ist, wird nicht zuletzt durch die Spruchgewalt des Friedensrichters be­ stimmt. D e r Friedensrichter kann eine T a t m it einer Friedensbuße von höchstens zwölf Tagesbußen ahn­ den. D ie Ahndung der T a t m it den M it te ln des

§ 21 Auslandstaten

und

Taten

von

Ausländern D a s bisherige Recht hat die Ausnahmen von der Verfolgungspslicht bei Auslandstaten und T a ten von A usländern teils in den §§ 4 ff. S tG B ., teils im § 154 a S t P O , geregelt. D e r E n tw u rf faßt die Regeln über die Verfolgungspflicht bei solchen T a ten im § 21 zusammen, da es sich um verfahrensrechtliche Vorschriften handelt. S ie stellen eine wichtige E r ­ gänzung der §§ 81 bis 84 S tG B . dar. Nach dem bisherigen Recht gilt für Auslandstaten keine Verfolgungspflicht. Ih r e Verfolgung liegt nach § 4 S tG B , im Ermessen des S taa tsan w alts. D arüber hinaus besteht nach § 5 S tG B , ein Verfolgungsverbot für T a ten , die Deutsche im Ausland begangen haben, wenn der Beschuldigte wegen der T a t im A usland rechtskräftig freigesprochen worden ist, wenn er die gegen ihn im Ausland erkannte S tra fe verbüßt hat oder wenn nach ausländischem Recht gewisse Versolgungshindernisse vorliegen. F ü r Auslandstaten von A usländern gilt seit dem Gesetz vom 24. A p r il 1934 (R G B l. I © .'3 4 1 ) nach § 4 Abs. 3 S tG B , der G ru n d ­ satz, daß die Anklage nur m it Zustimmung des Reichs­ ministers der Justiz erhoben werden darf. D en Vorschriften des neuen S tG B , über den per­ sönlichen und räumlichen Geltungsbereich liegt ab­ weichend born bisherigen Recht nicht der Grundsatz der Gebietshoheit, sondern der der Volkszugehörigkeit zugrunde. D ie Gebote des deutschen Strafrechts ver­ pflichten danach jeden deutschen Staatsangehörigen, auch wenn er im Ausland w eilt. Dieser W andel der Rechtsausfassung muß sich auch in den Grundsätzen über die Verfolgungspflicht bei Auslandstaten aus­ wirken. D e r E n tw u rf beseitigt zunächst das in § 5 des bisherigen S tG B , enthaltene Verfolgungsverbot. S eine Beseitigung ist eine notwendige Folge davon, daß das neue S tG B , eine Bestrafung von A uslands­ taten Deutscher nicht davon abhängig macht, ob sie auch nach den Gesetzen des Begehungsortes unter S tra fe

gestellt sind (§ 81 des neuen StG B .). Solche Taten sollen nach dem S in n des Personalgrundsatzes der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt sein, gleichgültig, ob sie bereits von ausländischen Gerichten abgeurteilt worden sind und ob ihre Verfolgung nach dem aus­ ländischen Recht wegen Verjährung oder aus anderen Gründen unzulässig wäre oder nicht. Der Vermei­ dung von Unbilligkeiten, die sich aus einer dopvelten Verfolgung ergeben könnten, dienen die §§ 22, 88 Abs. $. Nach § 37 des bisherigen S tG B ., § 429 e S tP O , war es möglich. gegen einen im Ausland bestraften Deutschen ein Nachverfahren mit dem Ziele durchzu­ führen, gegen ihn auf Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte. aus Sicherunasverwabrunq oder Entmannung zu erkennen, wenn diese Maßnahmen bei inländischer Aburteilung zulässig gewesen wären. Nach Beseitigung des im § 5 des bisheriaen S tG B , enthaltenen Ver­ folgungsverbots sind diese Vorschriften entbehrlich geworden, da ein ausländisches Strafverfahren kein Hindernis für die inländische Verfolgung mehr dar­ stellt. Sodann beseitigt der Entwurf für Auslandstaten deutscher Staatsauaehöriger auch den bisherigen Grundsatz der völligen Ermessenssreiheit (§ 4 S tG B .), da er mit den Auffassungen des neuen Strafrechts nicht mehr vereinbar ist. Freilich kann der Grundsatz der Verfolgungspflicht bei Auslands­ taten von deutschen Staatsangehörigen auch künftig nicht mit der Strenge durchgeführt werden wie bei Jnlandstaten. Bei Taten, die nach deutscher Rechts­ auffassung strafwürdig sind, wird ein Bedürfnis für eine inländische Verfolgung vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus vielfach dann nicht bestehen, wenn der T äter im Ausland angemessen bestraft wird und deutsche Interessen nicht in besonderem Maße berührt werden. Auch kann die inländische Verfol­ gung daran scheitern, daß wesentliche Beweismittel nicht herbeigeschafft werden können, die Zeugen im Ausland wohnen und die Aufklärung des Sachver­ halts vor deutschen Gerichten deshalb nicht möglich ist. Der Entwurf ermächtigt daher den S ta a tsa n ­ walt, von der Verfolgung von Auslandstaten eines deutschen Staatsangehörigen abzusehen, wenn die Verfolgung vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus nicht geboten oder unverhältnismäßig schwierig wäre. F ü r Taten, die ein Ausländer im In lan d begeht, gilt nach § 82 StG B , das deutsche Strafrecht. Hat der Ausländer die T at zwar im In lan d , aber auf einem ausländischen Schiff oder Luftfahrzeug begangen, so kann von der Strafverfolgung unter den gleichen Voraussetzungen abgesehen werden wie bei Auslandstaten eines deutschen Staatsangehö­ rigen. I n solchen Fällen wird mitunter an der in­ ländischen Verfolgung kein Interesse bestehen, wenn etwa die T at auf einem vom Ausland nach dem Ausland verkehrenden Luftfahrzeug begangen wird, lediglich ausländische Interessen verletzt werden und die Bestrafung des Täters im Ausland sichergestellt ist. Die Auslandstat eines Ausländers wird nach dem Absatz 2 nur auf Anordnung des Reichsministers der Justiz verfolgt. Diese Vorschrift trägt der Tatsache

Rechnung, daß regelmäßig allein die oberste Reichs­ behörde die politischen Gesichtspunkte für die Durch­ führung einer solchen Strafverfolgung überblicken kann. Dieser Gedanke ist schon seit dem oben er­ wähnten Gesetz vom 24. April 1934 geltendes Recht. Nach § 154 a S tP O , kann der Staatsanw alt von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn der Beschuldigte einer ausländischen Regierung aus­ geliefert oder aus dem Reichsgebiet verwiesen wird. Was für die Verfolgungspflicht des Staatsanw alts künftig im Falle einer Auslieferung des Beschuldigten an eine ausländische Regierung gilt, wird im Aus­ lieferungsgesetz geregelt werden. Die durch das Aus­ führungsgesetz zum Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 (RGBl. I S . 1000) in den § 154 a S tP O , eingefügte Vorschrift, wonach von der Verfolgimg einer T at auch abgesehen werden kann, wenn der Beschuldigte aus dem Reichsgebiet verwiesen wird, beseitigt der Entwurf. Es hat sich ergeben, daß die Verurteilung eines Beschuldigten, der danach aus dem Reichsaebiet verwiesen wird, gegen seine Rückkehr in das Reichsgebiet eine starke Hemmung darstellt, auf die nicht verzichtet werden sollte. Den praktischen Bedürfnissen genügt in der Regel vollauf die Möglichkeit, nach § 456 a S tP O , und den entsprechenden Vorschriften des Strasvollstreckunasgesetzes im Falle der Reichsverweisung von der Vollstreckung abzusehen. I n den seltenen Fällen, in denen es sich empfiehlt, bei Reichsverweisung auch von der Verfolgung abzusehen, soll die Niederschla­ gung des Verfahrens der dazu berufenen Stelle vor­ behalten bleiben. § 22

Bestrafung im Au s l a n d Aus den zu § 21 dargelegten Gründen beseitigt der Entwurf das im § 5 des bisherigen StG B , gereaelte Verfolgungsverbot für Taten, wegen deren der Beschuldigte eine im Ausland gegen ihn erkannte Strafe verbüßt hat. Eine Tat, die nach den §§ 81 ff. S tG B , in den Geltungsbereich des deutschen S tra f­ rechts fällt, kann danach in Deutschland verfolgt werden, auch wenn ihretwegen schon eine ausländische Verfolgung stattgefunden hat. Zur Vermeidung einer Dovvelbestrafung genügt die Vorschrift des § 88 Abs. 3 StV O ., nach der eine im Ausland vollstreckte Strafe auf eine wegen derselben T at im In lan d erkannte Strafe anzurechnen ist. Entspricht nun die im Aus­ land vollstreckte S trafe im wesentlichen der Strafe, auf die ein deutsches Gericht wegen derselben T at erkennen würde, so wäre eine Durchführung des Strafverfahrens in Deutschland in der Regel ohne S in n . Der Entwurf sieht daher vor, daß der S ta a ts­ anwalt in solchen Fällen von der Verfolgung der T at absehen kann. E r wird die T at dennoch zu ver­ folgen haben, wenn auch eine sichernde Maßregel zu erwarten ist, oder an der Aufklärung des Sachver­ halts vor deutschen Gerichten ein besonderes In te r­ esse besteht. § 23 A u f e n t h a l t i nt A u s l a n d Die Vorschrift sieht aus praktischen Gründen eine Lockerung der Berfolgungspflicht gegenüber Beschul-

digten vor, die sich tut Ausland aufhalten. Dabei ist allerdings als Grundsatz hervorzuheben, daß der Auf­ enthalt des Beschuldigten im Ausland niemals ein rechtliches Hindernis für die inländische Verfolgung bieten kann. D arin weicht der Entwurf von dem früheren deutschen Verfahrensrecht wesentlich ab. Ist es nicht möglich, des Beschuldigten durch ein Ersuchen um Auslieferung nach Deutschland habhaft zu werden, so stellt das Verfahrensrecht seit dem Gesetz vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) das Verfahren gegen Flüchtige zur Verfügung, das der Entwurf in bcu §§ 401 bis 410 regelt. Kann der Beschuldigte im Ausland ordnungsmäßig geladen werden, so ist es auch möglich, ohne ihn zu verhandeln, wenn nur die im § 56 Abs. 2 genannten Strafen und Maßnah­ men zu erwarten sind. Solange trotz dieser Mög­ lichkeiten aber das Hauptverfahren nicht durchgeführt werden kann, sind einstweilige Verfolgungsmaß­ nahmen gegen den Beschuldigten zu treffen und die Beweise nach den §§ 5 Abs. 2, 38 zu sichern. Die Nichtverfolgung eines Beschuldigten mit Rücksicht darauf, daß er sich im Ausland aufhält, wird danach nur in engen Grenzen gerechtfertigt sein. Die Gründe dafür können darin liegen, daß die Auslieferung des Beschuldigten durch das Ausland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist oder daß sie zwar möglich ist, aber einen Aufwand verursachen würde, der außer Verhältnis zu der Bedeutung der Tat stehen würde. I n solchen Fällen ist der S ta a ts­ anwalt ermächtigt, von der Verfolgung abzusehen, wenn kein Anlaß besteht, auf Grund der eingangs erwähnten Vorschriften das Hauptverfahren in Ab­ wesenheit des Beschuldigten durchzuführen.

fluß des Zeitablauss nicht im Strafgesetzbuch, sondern in der Strafverfahrensordnung. Um den grundsätz­ lichen Wandel der Anschauungen hervorzuheben, wird für die neue Regelung der Ausdruck „Verjährung" nicht mehr gebraucht. Die Gründe, die ein Absehen von der S trafver­ folgung nach einer gewissen Zeitspanne rechtfertigen, sind verschiedener Art. Wird eine in jungen Jahren begangene Verfehlung erst viele Jah re später entdeckt, nachdem sich der Täter im Leben lange bewährt hat, so wäre es oft nutzlos hart, ihn durch die Verfolgung jener alten Schuld um Ansehen und Stellung zu bringen. D as Sühnebedürfnis kann abgeklungen sein, die Erinnerung an die T at verblaßt, und viel­ fach treten einer späteren Verfolgung Beweisschwie­ rigkeiten entgegen. Handelt es sich aber um Verrat am Volk, um Mord oder um die Taten eines Berufs­ verbrechers, der es lange Zeit verstanden hat, sich der Verfolgung zu entziehen, so würde es dem Gerechtigkeitsempsinden widersprechen, den Täter nicht auch noch nach vielen Jahren zur Rechenschaft zu ziehen. Die Aufstellung starrer Verjährungsfristen schemati­ siert die Beendigung der Verfolgbarkeit in unerträg­ licher Weise. Dies hat in früheren Entwürfen dazu geführt, eine Verlängerung der Verjährungsfristen durch richterliche Verfügung zuzulassen. Zweckmä­ ßiger ist es, die Frage, ob von der Verfolgung abzu­ sehen sei, nur mit Rücksicht auf den Einzelfall zu beantworten. Es empfiehlt sich auch nicht, den Ver­ folgungszwang nach Ablauf gewisser Fristen unver­ mittelt durch ein Verfolgungsverbot abzulösen; ra t­ samer ist es vielmehr, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne die Entscheidung über die Verfolgung in das Ermessen der Verfolgungsbehörde zu legen und §§ 24 bis 26 damit eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu ermöglichen. D araus ergibt sich die Lösung, E i n f l u ß de s Z e i t a b l a u f s auf die daß nach Ablauf gewisser Fristen die Verfolgungs­ Strafverfolgung pflicht aufhört und an ihre Stelle nicht ein VersolD as bisherige Strafrecht hat der Verjährung der gungsverbot, sondern die Verfolgungsmöglichkeit Strafverfolgung die Bedeutung beigelegt, daß durch tritt. Der Entwurf hält es für geboten, von dieser sie die Strafbarkeit der T at beseitigt und ihre Ver­ Regelung die Taten auszunehmen, wegen deren die folgung unzulässig wird. Nach Ablauf gewisser Todesstrafe oder lebenslanges Zuchthaus zu erwarten Fristen, die durch richterliche, die Verjährung unter­ ist. S ie sollen um der Schwere dieser Taten willen brechende Handlungen unter Umständen verlängert ohne Rücksicht auf den Zeitablaus stets der Verfol­ werden können, erlangt der T äter die Gewißheit, von gungspflicht unterworfen sein. Die Fristen, nach Verfolgung und Strafe frei zu sein. Auch das neue deren Ablauf der Staatsanw alt von der Verfolgung Recht verschließt sich nicht der Einsicht, daß der Ab­ aller übrigen Taten absehen kann, liegen zwischen lauf einer gewissen Zeit seit der Begehung der Tat drei und zehn Jahren. Bei ihrer Abstufung ging es das Bedürfnis nach Sühne und Ahndung zurücktreten wegen der Erweiterung der Strafrahm en im S tra f­ und unter Umständen ganz verschwinden läßt und daß gesetzbuch nicht an, die Länge der Fristen davon ab­ es schon wegen des Verlustes der Beweise nicht immer hängig zu machen, welche S trafe allgemein für eine möglich ist, eine T at noch nach langen Jahren zu T at im Gesetz angedroht ist. Entsprechend einem verfolgen. Daher erkennt auch das neue Recht dem auch sonst befolgten Grundsatz verwendet der Entwurf Zeitablauf gewisse Wirkungen auf die Verfolgung von auch hier die konkrete Betrachtungsweise, die gerech­ Straftaten zu. Es unterscheidet sich dabei aber von tere Ergebnisse gewährleistet. Der S taatsan w alt muß dem bisherigen Recht in wichtigen Punkten. bei der Prüfung, ob die Verfolgung einer S traftat Nach den sittlichen Grundanschauungen des wegen Zeitablaufs unzulässig oder in sein Ermessen deutschen Volkes bekennt sich der Gesetzgeber zu dem gestellt ist, die S trafe zugrundelegen, die der Richter Satz, daß die S t r a f b a r k e i t einer T at durch voraussichtlich gerade in diesem Einzelfalle verhängen Zeitablauf nicht erlischt. Hingegen sprechen Erwä­ würde. F ür eine gleichmäßige Ausübung seiner Ergungen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit dafür, bei messenssreiheit werden die Aufsichtsbehörden Sorge weniger schweren Straftaten nach dem Verstreichen zu tragen haben. einer gewissen Zeitspanne von der V e r f o l g u n g Auch bei nicht mit dem Tode oder lebenslangem abzusehen. Daher regelt das neue Recht den Ein­ Zuchthaus zu bestrafenden schweren Straftaten

können die Umstände derart fein, daß das B edürfnis nach einer S tra fve rfo lg u n g auch nach vielen Jahren nicht erlischt. M it dem Interesse des Volksganzen, derartige Taten ohne Rücksicht aus den Zeitablaus ver­ folgen zu können, begegnet sich der Gedanke, daß keinem Täter, der sich in schwerer Weise gegen die Friedensordnung des Volkes vergangen hat, der A n ­ spruch und die Gewißheit gewährt werden darf, nach Ablaus bestimmter Jahre gegen die S trafverfolgung gefeit zu sein. D ie Verfolgung von Taten, fü r die der T ä te r zeitige Zuchthausstrafe zu erwarten hat, w ird nach dem E n tw u rf daher durch Zeitablaus nicht unzulässig, und dasselbe g ilt fü r die m it dem Tode oder lebenslangem Zuchthaus zu bestrafenden Taten, aus deren Verfolgung der Zeitablaus ohnedies ohne E in flu ß ist. N u r fü r Taten, die zum Bereich der m ittleren mit) kleinen K rim in a litä t gehören, sieht der E n tw u rf nach A blauf einer weiteren Zeitspanne ein Verfolgungsverbot vor. Es besteht ein praktisches B edürfnis dafür, derartige m inder schwere Taten nach vielen Jahren nicht im m er zum Gegenstand eines Strafverfahrens zu machen. S o w e it es in den Fällen, in denen der Z eitablauf die S trafverfolgung nicht unzulässig macht, m it der Volksanfchauung nicht ver­ einbar wäre, die T a t noch nach Ablauf vieler Jahre zu verfolgen, kann dem durch das Niederschlagungsrecht des Staatsoberhauptes Rechnung getragen werden. Z u der Regelung im einzelnen ist folgendes zu bemerken: §

Verfolgung

weit

24 z u r ü ck l i e g e n b c r

Taten D er § 24 regelt die Befugnis des S taatsanw alts, wegen Zeitablaufs von der Verfolgung einer T a t ab­ zusehen. D ie F rist, nach deren Ablauf die V e rfo l­ gungspflicht endet und die Ermessensfreiheit des S taatsanw alts beginnt, ist aus den in der Vorbemer­ kung dargelegten G ründen nach der Schwere der S trafe und der Bedeutung der Maßnahmen ab­ gestuft, auf die der Richter voraussichtlich er­ kennen würde. S ie beträgt drei Jahre, wenn vo r­ aussichtlich höchstens auf Haft, Festungshaft, G eld­ strafe, V erfallerklärung, Bekanntmachung des U rteils, V erw arnung m it S tra fvo rb e h a lt, allein oder neben­ einander oder neben Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung erkannt werden würde, fünf Jahre, wenn voraussichtlich höchstens aus Gefängnis oder eine sichernde Maßregel, allein oder nebenein­ ander oder neben einer Ehrenstrafe erkannt werden würde und zehn Jahre, wenn voraussichtlich höchstens auf zeitiges Zuchthaus allein oder neben einer sichern­ den Maßregel oder einer Ehren strafe erkannt werden würde. § 25 U n z u l ä s s i g k e i t der V e r f o l g u n g wegen Z e i t a b l a u f s Das in t § 25 behandelte Verfolgungsverbot g ilt n u r fü r Taten, wegen deren voraussichtlich auf keine schwerere S tra fe als Gefängnis erkannt werden würde. F ü r Taten, wegen deren der T äter zeitiges oder lebenslanges Zuchthaus oder die Todesstrafe zu

erwarten hat, kennt der E n tw u rf keine zeitigen Schranken der Verfolgung mehr. Hingegen gelten solche Schranken fü r sichernde M aßregeln jeder A rt, sofern sie neben Gefängnis oder einer geringeren S tra fe oder selbständig zu verhängen sind. B ei der Bemessung der maßgebenden Zeitspanne legt der E n t­ w u rf die Erwägung zugrunde, daß das Verfolgungs­ verbot erst einsetzt, wenn ungefähr die doppelte Z eit der im § 24 erwähnten Fristen verstrichen ist. D ie Fristen des § 24 sind demnach von drei auf fünf Jahre, und von fünf auf zehn Jahre verlängert. S ie sind derart erstreckt, daß ein Bedürfnis, die Unter­ brechung des Fristenlaufs einzuführen, nicht mehr anzuerkennen ist. Vergleicht man sie m it den Fristen, die nach § 67 des bisherigen S tG B , fü r die V e rfo l­ gungsverjährung bei entsprechettden Taten gelten, so ergibt sich eine nicht unwesentliche Fristverlängerung. F ü r Ordnungsstraftaten sieht das Ordnungsstraf­ gesetzbuch kürzere Fristen vor. Abweichend von den übrigen Vorschriften über die Lockerung der Verfolgungspflicht ist das V e rfo l­ gungsverbot, das der § 25 ansspricht, auch vom Ge­ richt zu beachten. Nach § 85 Abs. 2 begründet es nämlich ein Verfahrenshindernis, das der Richter von Am ts wegen zu beachten hat, wenn nur eine S tra fe oder eine sichernde M aßregel verw irkt ist, an­ gesichts deren der S ta a tsa n w a lt die T a t nach § 25 nicht mehr hätte verfolgen dürfen. § 26 Beginn

und Ruhen

d e r F r i st e n

D ie Vorschrift enthält über Beginn und Ruhen der Fristen Grundsätze, die fü r die §§ 24 und 25 gemeinsam gelten. Zweifelsfragen, zu denen die A u s ­ legung des bisherigen § 67 Abs. 4 S tG B , geführt hat, sollen durch die neue Fassung behobelt werden. D ie Fristett, also auch diejenigen des § 25, sind von der Begehung der S tra fta t ab zu berechnen. Was darunter zu verstehen ist, spricht der Absatz 1 Satz 1 aus. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die straf­ bare Tätigkeit abgeschlossen ist oder das strafbare V e r­ halten aufhört. Gehört zum Tatbestand der E in tr itt eines Erfolges, so beginnen die Fristen erst, wenn der E rfo lg e in tritt. D ie Fristen werden gemäß § 291 nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs berechnet. D ie Fristen der §§ 21, 25 können n a tu r­ gemäß n u r dann die S trafverfolgung beeinflussen, wenn die Verfolgung gesetzlich möglich ist. Die Fristen laufen daher nicht, solange nach dem Gesetz die V e r­ folgung nicht begonnen ober nicht fortgesetzt werden kann. Es erschien unnötig, dies im Gesetz besonders hervorzuheben. Z u den Verfahrenshindernisfen, die den Fristenlauf hemmen, gehört z. B . die Nichtig­ erklärung, die Aufhebung oder die Scheidung der Ehe bei Erschleichen einer Eheschließung, Ehebetrug und Ehebruch (§§ 198 bis 200 S tG B .) oder die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit nach den §§ 104 ff. G V G . D a s Verfahrenshindernis des Fehlens des A ntrags, der Anordnung, der Zustimmung oder des Verlangens der S trafverfolgung hat jedoch auf den Fristenlauf keinen Einfluß. I s t das Gericht m it dem S trafverfahren befaßt, so wäre es nicht erträglich, daß die Verfolgung im

Laufe des Verfahrens durch Zeitablauf unzulässig w ird . D er E n tw u rf bestimmt daher, daß der F rifte n lauf ruht, solange das Strafverfahren gegen den T ä te r bei Gericht anhängig ist. Vorschriften über die Rechtshängigkeit des Verfahrens enthalten unter anderem der § 28 Abs. 4, § 359 Abs. 2, § 392 Abs. 2. M it der Rechtskraft des U rteils lä u ft die F rist weiter. D er Wiederaufnahme des Verfahrens m it dem Z iel einer Aufhebung oder Änderung des U rte ils Zugunsten des V erurteilten steht der Zeitablauf nicht entgegen. § 27 Entscheidung

über

di e Anklage

D ie Entscheidung darüber, ob die Anklage zu er­ heben oder das Verfahren einzustellen ist, weist der E n tw u rf ausschließlich dem S ta a tsa n w a lt zu. Dieser Grundsatz ergibt sich schon daraus, daß der S ta a ts ­ a n w alt zur Verfolgung von S tra ftate n berufen (§ 1) und fü r die Führung des Vorverfahrens verantw ort­ lich ist (§ 6). Um der Wichtigkeit der Entscheidung w illen, die das V orverfahren abschließt, spricht der E n tw u rf diesen Grundsatz im § 27 ausdrücklich aus. D ie ausschließliche V erantw ortung des S ta a tsa n ­ w alts fü r die Entscheidung darüber, ob die Anklage zu erheben oder bas Verfahren einzustellen ist, führt der E n tw u rf folgerichtig durch. D as Klageerzwin­ gungsverfahren des bisherigen Rechts ist ihm aus den in der E in le itu n g dargelegten Gründen fremd. Auch nach einer Voruntersuchung liegt die Entschei­ dung über die Erhebung der Anklage wiederum beim S ta a tsa n w a lt. D a s Gericht w ird m it der die V o r­ untersuchung abschließenden Entscheidung nach dem § 384 n u r befaßt, wenn der S ta a tsa n w a lt es be­ sonders beantragt. D ie Vorschrift des § 27 ist aber auch bedeutsam, um den Einflußbereich des S ta a ts ­ anw alts gegenüber der T ätigkeit der anderen S tr a f­ verfolgungsbehörden, nämlich der P o lize i (§ 8) und des Amtsrichters als Notstaatsanwalts (§ 9) klarzu­ stellen. Werden Anzeigen bei der P o lize i oder beim Amtsgericht erstattet und von diesem nach den §§ 8, 9 E rm ittlun g e n vorgenommen, ohne daß sich ein A n h a lt fü r eine S tra fta t ergibt, so gebührt die das Verfah­ ren abschließende Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens stets dem S taatsanw alt.

§ 28 Erhebung

der

Anklage

D as Erm ittlungsverfahren des S ta a tsa n w a lts endigt bannt, daß entweder die Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt w ird . D er E n tw u rf be­ handelt die A rt und Weise der Anklageerhebung im § 28, die Zurücknahme der Anklage im § 29. E r regelt die Einstellung des Verfahrens in den §§ 30, 3 s. D as bisherige Recht fcim t nach § 170 S tP O , zwei Arten der Anklageerhebung: den A ntrag aus gericht­ liche Voruntersuchung und die Einreichung der A n ­ klageschrift bei Gericht. Rach dem E n tw u rf hat der A n tra g auf richterliche Voruntersuchung, wie in der Begründung zu den Vorschriften über die V oruntersuchung ausgeführt ist, nicht mehr die W irkungen der Anklageerhebung. D ie Erhebung der Anklage besteht

nach § 28 Abs. 1 vielmehr darin, daß der S ta a ts ­ a n w a lt die Anklageschrift bei dem Vorsitzer des zu­ ständigen Gerichts einreicht. F ü r den Bereich der besonderen Versahrensarten werden der Anklage im S in n e dieser Vorschrift die Anträge auf E rla ß des Strafbefehls (§ 392 Abs. 2) und der A n tra g auf Verfolgung im Sicherungsverfahren (§ 412 Abs. 2) gleichgestellt. D ie Anklageschrift ist bei dem Vorsitzer des sachlich und örtlich zuständigen Gerichts einzureichen. S in d mehrere Gerichte nach den Zuständigkeitsvorschriften sachlich und örtlich zuständig, so hat der S ta a tsa n w a lt nach den §§ 100, 112 die W ahl. D a der E n tw u rf den Eröfsnungsbeschluß beseitigt, t r it t an die Stelle des A n tra gs auf E röffnung des Hauptversahrens der A n ­ trag, die Hauptverhandlung anzuberaumen. D ie Anklageschrift hat nach dem E n tw u rf größere Bedeutung als nach dem bisherigen Recht. I h r e E in ­ reichung scheidet das V orverfahren vom Hauptver­ fahren. S ie übernim mt die bisher dem Erössnungsbeschluß zugewiesene Ausgabe, den Gegenstand des Hauptverfahrens nach der persönlichen und sachlichen Seite zu bestimmen. D a m it w ird sie an S telle des Erösfnungsbeschlusses zur Grundlage des gerichtlichen Verfahrens. Während bisher der Eröfsnungsbeschluß verlese:: wurde, ist künftig nach § 59 die Anklage m it dem Anklagesatz vorzutragen. D ie Anklageschrift soll auch den Angeklagten, dem sie nach § 32 zuzustellen ist, über die Anklage unterrichten und ihm die Rich­ tung und die Begründung der Beschuldigung zur K enntnis bringen. Diese Bedeutung der Anklage­ schrift macht es notwendig, ihren I n h a lt eingehender zu regeln als das bisherige Recht es tat. I n der Anklageschrift ist zunächst der Angeklagte durch Angabe seines Namens, Rufnamens, W ohnorts, Geburtstags und Geburtsorts genau zu bezeichnen; ist er Ausländer, so ist auch seine Staatsangehörigkeit anzugeben. D ie ihm zur Last gelegte T a t ist anzu­ geben, und zwar durch die M itte ilu n g des tatsächlichen Vorgangs und seiner rechtlichen W ürdigung. Es ist also außer dem Hergang der T a t, Z e it und O rt ihrer Begehung auch anzugeben, welche strafbare Handlung, d. h. welcher gesetzliche Tatbestand verw irklicht ist und welche Strafvorschristen anwendbar sind. Diese Be­ zeichnung der den Gegenstand der Anklage bildenden T a t nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite nennt der E n tw u rf den Anklagesatz. A ls Kernstück der A n ­ klageschrift umgrenzt der Anklagesatz den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, er ist nach § 59 Abs. 2 in der Hauptverhandlung vom S ta a tsa n w a lt vorzu­ tragen. A u f seinen I n h a lt w ird auch in den §§ 61, 90 Abs. 3, § 388 Abs. 3 Bezug genommen. Um einen zu schleppenden und zu schwer verständlichen Aufbau des Anklagesatzes zu vermeiden, kann der gesetzliche Tatbestand durch einfache gesetzliche Begriffe, insbeson­ dere die im Strafgesetzbuch gebrauchten Bezeichnungen dargestellt toerbcu, wenn sie auch fü r Nichtsachkundige ohne weiteres verständlich sind. D ie Zeugen und anderen Beweism ittel, von denen in der Hauptver­ handlung Gebrauch zu machen sein w ird , sind tote nach bisherigem Recht anzuführen. In so w e it enthält die Anklageschrift zugleich den A n tra g des S ta a ts ­ anw alts, Zeugen zu laden und B ew eism ittel herbei­ zuschaffen, über den nach § 44 der Vorsitzer zu ent-

scheiden hat. Auch das Gericht, vor dem die Haupt­ verhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger sind anzugeben. D er gewandelten Stellung des Vertei­ digers entspricht es, ihn als Glied der Strafrechts­ pflege in der Anklageschrift zu nennen, wie er nach § 82 Nr. 2 auch im Urteil anzuführen ist. Ferner ist auf die Dauer einer etwaigen Untersuchungshaft oder anderen Freiheitsentziehung, zu der die T at An­ laß gegeben hat, hinzuweisen, damit die Entscheidung über ihre Anrechnung auf die Strafe (§ 88 Abs. 1) erleichtert wird. Zur Begründung der Anklage ist nach dem Ab­ satz 3 das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift darzustellen. Dazu gehört auch die Angabe der Umstände, die für die Strafbemessung und für die Anordnung von sichernden Maßregeln von Bedeutung sind. Diese Angaben dienen nicht nur der Unterrichtung des Gerichts, sondern sollen auch dem Angeklagten Gelegenheit geben, seine Verteidi­ gung vorzubereiten. Von der Darstellung des E r­ mittlungsergebnisses darf nur abgesehen werden, wenn der Sachverhalt einfach und die Darstellung nicht zur Vorbereitung der Hauptverhandlung erfor­ derlich ist. Ist im Urteil eine Wahlfeststellung möglich (§ 92), so ist es, ohne daß dies ausdrücklich ausgesprochen werden muß, auch zulässig, Anklage wegen der einen oder der anderen strafbaren Handlung zu erheben. Der Absatz 4 stellt klar, daß mit der Einreichung der Anklageschrift das Verfahren bei Gericht anhän­ gig wird. Damit wird der Zeitpunkt festgelegt, in dem die Verantwortung für das Verfahren vom S taatsanw alt auf das Gericht übergeht. An die Rechtshängigkeit des Verfahrens knüpft der Entwurf in verschiedenen Vorschriften (vgl. §§ 26 Abs. 2, 116, 214, 215, 249,250) Zuständigkeiten und Rechtsfolgen. § 29 Zur üc kna hme der An k l a g e Nach § 156 S tP O , kann der Staatsanw alt die Anklage bis zur Eröffnung der Untersuchung zurück­ nehmen. Auch der Entwurf erachtet es für geboten, die Zurücknahme der Anklage zu ermöglichen, und für die Ausübung dieser Befugnis des Staatsanw alts eine zeitliche Schranke zu setzen. E r läßt aber ab­ weichend vom bisherigen Recht die Zurücknahme der Anklage nicht nur bis zur Anberaunmng der Haupt­ verhandlung, die im künftigen Recht der Eröffnung der Untersuchung ungefähr entsprechen würde, son­ dern bis zum Beginn der Hauptverhandlung zu. Das geschieht hauptsächlich aus praktischen Erwägungen. D a das Gericht die Anberaumung der Hauptverhand­ lung nur aus den im § 35 genannten Gründen ab­ lehnen kann, trägt der S taatsanw alt im wesentlichen die Verantwortung dafür, daß der Angeklagte vor Gericht gestellt und in einer Hauptverhandlung zur Rechenschaft gezogen wird. Diese Regelung ist nur tragbar, wenn der S taatsanw alt in der Lage ist, wenigstens bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf Bedenken des Vorsitzers, eine Sache zur Haupt­ verhandlung zu bringen, einzugehen. Hält der Vor­ sitzer die Anklage für unbegründet oder das Absehen von der Verfolgung ans Zweckmäßigkeitsgründen für

angezeigt, so soll er sich deswegen in erster Linie an den S taatsanw alt wenden und einen Gerichtsbeschluß nach § 35 nur herbeiführen, wenn der S taatsanw alt trotz seiner Bedenken aus der Anberaumung der Hauptverhandlung besteht. Teilt der Staatsanw alt die Bedenken des Vorsitzers, so wird er ihnen durch Zurücknahme oder Änderung der Anklage Rechnung tragen. Auch nach der Anberaumung der Hauptver­ handlung können übrigens Umstände hervortreten, die die Zurücknahme der Anklage nahelegen, damit eine Hauptverhandlung vermieden werde, deren E r­ gebnislosigkeit schon vor ihrem Beginn feststeht. Bei dieser Sachlage müssen Bedenken gegen die Möglich­ keit einer Zurücknahme der Anklage zurücktreten, die etwa darauf gestützt werden, daß die Verantwortung des Gerichts für das Hauptverfahren schon mit der Erhebung der Anklage beginnt. Der Entwurf hält es aber nicht für angebracht, die Zurücknahme der Anklage auch noch nach dem Beginn der Hauptverhandlung zuzulassen. Stellt sich erst in der Hanptverhandlung die Aussichtslosigkeit des Verfahrens heraus, so könnte es zwar bisweilen der Ersparung von Mühe und Kosten dienen, durch Zurücknahme der Anklage dem weiteren Verfahren ein Ende zu setzen. D as Strafverfahren hat indessen auch die Aufgabe, den mit Unrecht verfolgten Ange­ klagten durch richterliches Urteil zu rechtfertigen. Es geht nicht an, ihm diese Rechtfertigung durch Zurück­ nahme der Anklage nach Beginn der Hauptverhand­ lung vorzuenthalten. Gerade in zweifelhaften Fällen dienen die Feststellungen und die Gründe eines rich­ terlichere Urteils der Klärung der Sachlage mehr als die Zurücknahme der Arrklage, deren Begründung nach außen nicht hervorzutreten braucht. Es entspricht auch nicht dem Ansehen des Gerichts, ihm in der Hauptverhandlung die Beurteilung der Sache durch eine Zurücknahme der Anklage zu entziehen. Der Entwurf läßt aus diesen Gründen die Zurücknahme der Anklage nach Beginn der Hauptverhandlung auch nicht unter der Voraussetzung zu, daß der Vorsitzer oder der Angeklagte zustimmt. Hat die Hauptverhand­ lung einmal begonnen, so soll das gerichtliche Ver­ fahren seinen Lauf nehmen. Die Zurücknahme der Anklage ist zulässig nur bis zum Beginn der ersten Hauptverhandlung. Wird eine Hauptverhandlung ausgesetzt und später erneuert, so kann danach auch in der Zwischenzeit die Anklage nicht zurückgenommen werden. I n weiterem Umfang ist die Zurücknahme der Anklage aus den Gründen, die bei § 397 erörtert sind, im Strafbefehlsverfahren (§ 397) zulässig. Durch die Zurücknahme der Anklage wird das Verfahren in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor Erhebung der Anklage befunden hat. Der S ta a ts ­ anwalt kann dann die Ermittlungen fortführen und die Anklage erneut erheben oder das Verfahren nach Maßgabe der sonst geltenden Vorschriften einstellen. § 30 E i n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s Der S taatsanw alt hat nach § 30 das Verfahren einzustellen, wenn er nach Abschluß der Ermittlungen davon absieht, die Anklage zu erheben, sei es, daß kein genügender Tatverdacht besteht, sei es, daß er im

Rahmen der §§ 15 bis 24 von der Verfolgung ab­ sieht, fei es, daß der Aburteilung des Beschuldigten ein Verfahrenshindernis entgegensteht. D as Verfah­ ren ist aber auch einzustellen, wenn der Staatsanw alt eine bereits erhobene Anklage zurücknimmt (§ 29) und aus einem der oben erwähnten Gründe die Tat nicht weiter verfolgt. Eine solche Zurücknahme kann verschiedene Gründe haben; sie kann beispielsweise darauf beruhen, daß der Staatsanw alt weitere E r­ mittlungen vornehmen will. Es ist daher zweckmäßig, einen ausdrücklichen Ausspruch des S taatsanw alts über die Beendigung des Vorverfahrens herbeizu­ führen, wenn er nach einer solchen Zurücknahme der Anklage nicht von neuem Anklage erhebt. Die Einstellung des Verfahrens hat keine Rechts­ kraftwirkung. S ie hindert den S taatsanw alt nicht, das Verfahren wieder aufzunehmen, gleichgültig, ob die Fortsetzung des Verfahrens auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht. Die weitere Verfolgung braucht daher nicht auf neue Tatsachen oder Beweise gestützt zu werden. Die Einstellung des Verfahrens samt nach § 314 mit der Beschwerde angefochten werden, über die der Vorgesetzte des Staatsanw alts zu entscheiden hat. Zur Anfechtung berechtigt ist derjenige, der von der Ver­ fügung betroffen wird, also insbesondere, wer einen Antrag auf Verfolgung gestellt hat, aber auch der Beschuldigte, wenn der In h a lt der Einstellungsver­ fügung ihn beschwert, insbesondere die Gründe seine berechtigten Belange schwer beinträchtigen. Über den Einstellungsbescheid enthält der § 31 die erforderlichen Vorschriften. § 31 Einstellungsbescheid Gegenüber dem bisherigen Recht (§§ 170 Abs. 2, 171 S tP O .) erweitert der Entwurf die Pflicht des S taatsanw alts, einen Einstellungsbescheid zu erteilen. Dem Beschuldigten ist nach Absatz 1 in weiterem Um­ fang als bisher ein Einstellungsbescheid zu erteilen, nämlich dann, wenn er von der Polizei, dem S ta a ts­ anw alt oder dem Richter als Beschuldigter vernom­ men oder die vorläufige Festnahme oder die Unter­ suchungshaft verhängt oder ein anderes der in den §§ 201 bis 254 geregelten Zwangsmittel gegen ihn angewendet worden ist, ferner dann, wenn er um einen Bescheid gebeten oder an seiner Erteilung sonst ein berechtigtes Interesse hat. Diese Erweiterung der Mitteilungspflicht beruht auf dem Gedanken, den Beschuldigten nicht ohne Not in Unruhe und Ungewiß­ heit über den Ausgang des Verfahrens zu lassen. Der Bescheid ist auch in dem F all zu erteilen, daß der S taatsanw alt einer Anzeige, ohne Ermittlungen an­ zustellen, keine Folge gibt, sofern der Beschuldigte ein berechtigtes Interesse daran hat, von der Anzeige zu erfahren. Bei der Erteilung des Bescheides sind dem Beschuldigten auch die Gründe der Nichtverfolgung mitzuteilen, da ohne sie der Bescheid für ihn nur von geringem Wert wäre. Auch der Beschuldigte soll Klarheit darüber erhalteil, auf welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Nichtverfolgung beruht. I m Vorverfahren muß nicht minder als im Haupt­ verfahren darauf geachtet werden, daß ehrbare Volks­

genossen, die ohlle Schuld in ein Strafverfahren ver­ strickt wordell sind, in ihrer Ehre und ihrem Ansehen geschützt werden. Der Einstellungsbescheid an den Be­ schuldigten hat auch die Aufgabe, ihn von einem mit Unrecht erhobenen Vorwurf zu reinigen. Hat sich ergeben, daß der Beschuldigte unschuldig ist oder daß gegen ihn kein begründeter Verdacht mehr besteht, so ist ihm dies daher in dem Bescheid mitzuteilen. Gibt der Staatsanw alt einer Anzeige, ohne E r­ mittlungen anzustellen, keine Folge oder stellt er nach Abschluß der Ermittlungen das Verfahren ein, so hat er nach Absatz 2 dem Anzeiger einen mit Gründen versehenen Bescheid zu erteilen. Ein solcher Bescheid ist aber auch dem zu erteilen, der, ohne Anzeiger zu sein, das Begehren auf Verfolgung gestellt hat, gleich­ viel, ob die T at von Amts wegen oder nur auf Antrag verfolgt wird. Die Strasverfolgungsbehörden sind auf die Mitwirkung jedes einzelnen Volksgenossen angewiesen. Es nmß ihnen daran gelegen sein, ihre Verbundenheit mit dem Volk auch bei der Erteilung von Bescheiden zum Ausdruck zu bringen. Die nötigen Einschränkungen der M itteilungs­ pflicht sind im Absatz 3 vorgesehen. Der S taa tsa n ­ walt kann von der Erteilung des Bescheides und der Mitteilung der Gründe absehen, wenn die Belange der Allgemeinheit oder des Empfängers es erfordern. Die Belange der Allgemeinheit werden insbesondere in Hoch- und Landesverratsversahren die Mitteilung häufig verbieten. Belange des Empfängers können der Mitteilung etwa dann entgegenstehen, wenn der Bescheid an einen im Ausland wohnenden Empfänger gesandt werden müßte und ihm dort aus der M ittei­ lung Nachteile entstehen könnten. Zulässig ist es auch, daß der Anzeiger oder der Beschuldigte aus die Mitteilung verzichtet.

Z w eites Hauptstück Das Hauptverfahren Einleitung M it der Einreichung der Anklageschrift endet das Vorverfahren und beginnt das Hauptverfahren, in dem das Gericht auf Grund einer Hanptverhandlung über die Anklage entscheiden soll. F ü r die Frage, wie der Übergang vom Vorverfahren zum Hauptver­ fahren gestaltet werden soll, sind verschiedene Lö­ sungen denkbar. Die Gestaltung hängt im wesent­ lichen davon ab, ob man das Gericht zwingen will, auf die Anklage des S taatsanw alts hin die Haupt­ verhandlung durchzuführen, gleichgültig, ob das Ge­ richt die Durchführung der Anklage für aussichtsreich hält oder nicht, oder ob man dem Gericht die Befugnis geben will, in eine Vorprüfung der Anklage ohne mündliche Verhandlung einzutreten. Diese Vorprü­ fung kann ebenfalls verschiedener Art sein. Sie kann entweder zum Ziele haben, eine positive gerichtliche Bestätigung der Anklage herbeizuführen. M an kann sie aber auch dahin einschränken, daß das Gericht sich nur schlüssig werden soll, ob es die Hauptverhandlung ablehnen will.

D as geltende Recht sieht tu einem besonderen Eröfsnnngsversahren eine Prüfung durch das Gericht vor, ob der Angeschuldigte nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens einer strafbaren Handlung „hinreichend verdächtig" erscheint. D as Gericht muß das Ergebnis dieser Prüfung in einem Beschluß fest­ legen, der, wenn es die Frage bejaht, das „Hauptversah^en eröffnet" und an Stelle der Anklage die weitere Grundlage des Verfahrens bildet, wenn es sie ver­ neint, die Eröffnung des Hauptversahrens ablehnt und damit das Verfahren abschließt. Anders ist cs nur bei dem Volksgerichtshof, den Oberlandesgerichten, soweit sie im ersten und einzigen Rechtszuge ent­ scheiden, und den Sondergerichten. F ü r diese Gerichte ist kein ausdrücklicher Eröffnungsbeschluß vorgesehett, jedoch ist ihnen eine Prüfungsbefugnis eittgeräumt, die ihnen die Möglichkeit gibt, die Anordnung der Hauptverhandlung abzttlehnen, wenn „Bedenken" gegen sie bestehen. Der Entwurf hat die positive Eröffnung des ge­ richtlichen Verfahrens (bcn Eröffnn ngsbeschlnß) beseitigt. F ü r seine Beseitigung waren in erster Linie praktische Erwägungen maßgebend. Bestehen gegen die Anordnung der Hanptverhandlung feine Beden­ ken — die Erfahrung hat gezeigt, daß dies in etwa 99 vom Hundert aller Verfahren der Fall ist —, so ent­ hält der Erösfnungsbeschluß für die überwiegende Mehrzahl der Fälle nur eine überflüssige Wieder­ holung des In h a lts der Anklage. S o ist der Erosfnungsbeschlnß in der Praxis vielfach eine leere F o r­ malität geworden. Dazu kommt, daß das Gericht im Eröfsnungsbeschluß zu der Anklage in rechtlicher Hinsicht näher Stellung ttehmett muß und dadurch den unerwünschten Eindruck hervorruft, als habe es sich in der Beurteilmtg der Anklage schon festgelegt. Der „einen hinreichenden Verdacht" voraussetzende Erösfnungsbeschluß des geltenden Rechts bedeutet zu­ dem für den Angeklagten schon vor der Hauptverhand­ lung eine erhebliche Vorbelastung, die durch eine gewissermaßen „tteutrale" Anberaumung der Hanptverhandlnng vermieden werden kann. Wenn hiernach die Beseitigung des positiven Erosfnungsbeschlusses angezeigt ist, so sprechen doch wich­ tige Gründe für die Beibehaltung eines gewissen Zwischenverfahrens. Es dient nicht dem Ansehen der Staatsanwaltschaft unb damit der Rechtspflege, wenn aus einem Freispruch oder einer Einstellung in der Hauptverhandlung hervorgeht, daß das Gericht die Anklage von vornherein aus rechtlichen oder tatsäch­ lichen Gründen für unbegründet gehalten hat. Ein weiteres Bedenken gegen die ersatzlose Beseitigung des Zwischenverfahrens ergibt sich aus dem Gesichts­ punkt des Ehrenschutzes: Jede öffentliche Hauptver­ handlung birgt die Gefahr in sich, daß der Beschul­ digte, auch wenn er freigesprochen wird, eine Minde­ rung seines Ansehens erleidet. Darum muß das Gericht zur Vermeidung einer nutzlosen Rusgesährdung des Angeklagten eine Hauptverhandlung ver­ hindern können, die timt vornherein aussichtslos ist. Dies gilt iitsbesondere dann, wenn es zu keiner Ver­ urteilung kommen kann, weil das Gericht nicht zu­ ständig ist oder eine sonstige Verfahrensvoraussetzung fehlt oder dem Verfahren ein Verfahrenshindernis entgegensteht. Schließlich liegt es auch im wohlver­

standenen Interesse der Verteidigung, eine gewisse Vorprüfung des Anklagestoffes in einem Zwischenversahrelt beizubehalten. Der Angeklagte und sein Ver­ teidiger haben in diesem Versahrensabschnitt Gele­ genheit zu Einwendungen und Anträgen, die Anlaß zur Erhebung vorbereitender Beweise geben können. Auf diese Weise kann schon frühzeitig der Verhand­ lungsstoff an das Gericht herangetragen und bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung berücksichtigt werden. Demgegenüber sind die Bedenken, die gegen die Vorprüfung der Anklage durch das Gericht geltend gemacht werden, nicht durchschlagend. Diese Vor­ prüfung entspringt nicht einem M ißtrauen gegenüber dem S taatsanw alt; sie dient vielmehr — wie schon hervorgehoben — der Prüfung, ob die Hauptverhand­ lung, für die das Gericht die Verantwortung zu tragen hat, so vorbereitet ist, daß ihre Durchführung einen S in n hat. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß das Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung ablehnen kann. Die Ablehtmng soll jedoch nur dann zulässig sein, toenn der Sachverhalt, wie er sich nach dem Ergebnis des Verfahrens darstellt, m i t S i c h e r ­ h e i t nicht zum ^-chnldspruch ausreicht und auch tioit der Hanptverhandlung ein anderes Ergebnis nicht zu erwarten ist. Die Befugnis des Gerichts, die An­ beraumung der Hanptverhandlung abzulehnen, ist demnach an engere Voraussetzungen geknüpft, als die­ jenigen, die nach § 14 für die Anklageerhebung geltet!. Diese Zurückhaltung, die auch der bisherigen Gerichts­ praxis entspricht, beruht auf der Erkenntnis, daß eine abschließende Beurteilung der Anklage, insbesondere des Tatverdachts, ohne .Hanptverhandlung regelmäßig nicht möglich ist. Zugleich erhält dadurch die S ta a ts­ führung in stärkerem Maße als bisher die Möglichkeit, einen Sachverhalt in einem Verfahren, das mit den Garantien einer gerichtlichen Prüfung ausgestattet ist, und zwar auch in einer Hauptverhandlung, aufzu­ klären. Das Gericht kann die Anberaumung der Hauptverhattdlung aus allen Gründen ablehnen, die in der Hanptverhandlung eine Verurteilung des Angeklag­ ten durch das tiont S taatsanw alt angegangene Gericht ausschließen würden. D as können rechtliche oder tatsächliche Gründe, mangelnder Tatverdacht ebenso wie Mangel einer Verfahrensvoraussetzung, Vor­ liegen eines Verfahrenshindernisses oder Unzustän­ digkeit des Gerichts sein. Die Unterscheidung zwischen rechtlichen und tatsächlichen Ablehnungsgründen lehnt der Entwurf als praktisch nicht durchführbar ab. Er schließt auch den Fall des mangelnden Tatverdachts als Ablehnungsgrund nicht schlechthin aus. Die Vorprüfung der Anklage durch das Gericht gestaltet sich nach dem Entwurf wie folgt: ^ Der Vorsitzer beraumt aus die Anklage des Staatsanw alts die Hauptverhandlung an, wenn er gegen ihre Durchführung keine Bedenken hat (§ 34 S . 1). Hat er dagegen Bedenken, so führt er die Entscheidung des Gerichts herbei (§ 34 S . 2). Grund­ lage der Entscheidung des Vorsitzers und des Ge­ richts sind die Ermittlungsakten sowie etwaige weitere Ermittlungen, die der Vorsitzer durch den S taatsan ­ walt vornehmen läßt (§ 33). Diese Ermittlungen

sollen nicht etwa eine vorweggenommene Hauptver­ handlung oder eine sie vorbereitende Beweisaufnahme sein; sie sollen nur so weit ausgedehnt werden, als es zu einer Entscheidung darüber erforderlich ist, ob die Hauptverhandlung anzuberaumen oder die An­ beraumung abzulehnen ist. Die Ablehnung soll aber nur zulässig sein (§ 35), wenn nach der Überzeugung des Gerichts aus tatsächlichen oder rechtlichen Grün­ den mit Sicherheit zu erwarten ist, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht verurteilt, mit S tra f­ vorbehalt verwarnt oder unter Absehen von Strafe schuldig gesprochen wird. Die Einzelheiten sind bei § 35 dargelegt. Teilt das Gericht die Bedenken des Vorsitzers gegen die Anberaumung der Hauptverhand­ lung nicht, so bestimmt der Vorsitzer O rt und Zeit der Hauptverhandlung. Gegen den ablehnenden Beschluß des Gerichts gibt der Entwurf dem S taatsanw alt die Beschwerde (§ 36). Wird die Anberaumung der Hauptverhand­ lung vom Gericht rechtskräftig abgelehnt, so ist der Staatsanw alt an diese Entscheidung gebunden. Der ablehnende Beschluß, der nicht lediglich wegen Unzu­ ständigkeit des Gerichts ergangen ist, wird rechts­ kräftig, sodaß die Anklage nur auf Grund neuer T at­ sachen oder Beweismittel erneuert werden kann (§ 37). Wenn der Vorsitzer Bedenken hat, die Hauptver­ handlung anzuberaumen, entscheidet das Gericht in der Besetzung, die nach dem GVG. für die außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Entscheidungen vorgeschrieben ist. Schöffen sind an dieser Ent­ scheidung nicht beteiligt. Entscheidend war dafür die Erwägung, daß die Heranziehung der Schöffen da fehl am Platze ist, wo nur aus Grund eines bloßen Aktenvortrages und ohne die unmittelbaren Eindrücke einer Hauptverhandlung entschieden wird. I m übrigen sind gegenüber dem geltenden Recht noch folgende Änderungen hervorzuheben: Die Anklageschrift soll künftig dem Angeklagten in allen Strafverfahren (ohne Rücksicht auf die Be­ deutung der Sache) mitgeteilt werden (§ 32 Abs. 1), von besonderen Fällen (z. B. im Verfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den Oberlandesgerichten nach § 258 und im Verfahren gegen Flüchtige nach § 402 Abs. 1) abgesehen. Über Beweisanträge des Angeklagten entscheidet nicht das Gericht, sondern der Vorsitzer (§ 32 Abs. 2 Satz 4). Hält der Vorsitzer vor der Entscheidung über die Anberaumung der Hauptverhandlung noch eine weitere Aufklärung für erforderlich, so ersucht er den S taatsanw alt, weitere Ermittlungen vorzunehmen. Die Bestimmungen über die Hauptverhandlung werden vom Entwurf wesentlich geändert. Ziel der Hauptverhandlung ist die Erforschung der materiellen Wahrheit. Der Entwurf glaubt diesem Ziel dadurch am besten dienen zu können, daß er die bisher allzu starren Versahrensvorschriften weitgehend auflockert. Der Entwurf will dadurch das Gericht in die Lage versetzen, die jeweils im Einzelfall zur Wahrheitser­ mittlung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ohne dabei durch Förmlichkeiten und Widerspruchsrechte der Beteiligten unnötig behindert zu sein. Die Stellung des Vorsitzers wird im S in n des Führergedankens gehoben. Dies ermöglicht eine straffe und zielsichere

Berhandlungsleitung und fördert das Streben nach materieller Gerechtigkeit. Von den Einzelvorschristen, die der Auflockerung des Verfahrens dienen sollen, sind insbesondere fol­ gende hervorzuheben: die Möglichkeit, ohne den un­ entschuldigt ausbleibenden Angeklagten zu verhan­ deln, wird wesentlich erweitert (§ 56 Abs. 2), ohne daß dadurch die materielle Gerechtigkeit gefährdet wird. Die Beurlaubung der Mitangeklag­ ten und ihrer Verteidiger von den für sie unerheb­ lichen Verhandlungsteilen wird vom Entwurf aus­ drücklich zugelassen (§ 54 Abs. 2, § 57 Abs. 2). Zur Ausdehnung der Anklage wird die Zustimmung des Angeklagten in keinem F a ll erfordert; die Ausdeh­ nung ist künftig auch bei den schwersten Strafen zulässig. Der Angeklagte hat aber zur Vorbereitung der Verteidigung das Recht, die Unterbrechung der Hauptverhandlung auf mindestens eine Woche zu ver­ langen (§ 61). Die Ausscheidung nebensächlicher Taten wird erleichtert; auch einzelne abtrennbare Teile einer T at und einzelne rechtliche Gesichtspunkte können künftig zur Entlastung der Verhandlung aus­ geschieden werden (§ 62). F ü r den Umfang der B e­ weisaufnahme stellt der Entwurf das alles über­ ragende Gebot der Wahrheitserforschungspslicht aus (§ 64); er verzichtet auf eine erläuternde Aufzählung von Einzelsällen und auf jede Unterscheidung zwischen den berusungsfähigen und nichtberusungssähigen Sachen, weil das Gebot der Wahrheitserforschungs­ pslicht für jedes Strafverfahren im gleichen Maße gilt. Übertreibungen des Grundsatzes der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit werden vermieden; in Zukunft sollen alle erreichbaren Beweisquellen für die Wahrheitser­ forschung nutzbar gemacht werden. S o können künftig schriftliche Erklärungen des ausgebliebenen Angeklag­ ten verlesen werden (§ 59 Abs. 3). Die Verlesung schriftlicher Erklärungen von Behörden und behörden­ ähnlichen Stellen wird künftig in weiterem Umfang als bisher zugelassen (§ 68). Die Verlesung von Erklärungen nicht vernehmbarer Personen wird schlechthin gestattet; bei Verweigerung der Aussage dürfen in Zukunft frühere Erklärungen des sich Wei­ gernden ohne Beschränkung verlesen werden (§ 70). Zur Beweisaufnahme über ein Geständnis wird künftig auch die Verlesung von Niederschriften über nichtrichterliche Vernehmungen zugelassen (§ 71). M it der allgemeinen Auflockerung des Verfahrens hängt die weitgehende Durchführung des Führerge­ dankens eng zusammen. Die gegenseitige Bindung und Überwachung der an der Wahrheitsfindung be­ teiligten Organe wird grundsätzlich beseitigt. Wie der Staatsanw alt verantwortlich das Vorverfahren führt (§ 6), so ist künftig der Vorsitzer in der Hauptver­ handlung der allein verantwortliche Verhandlungs­ leiter; die mitwirkenden Richter beraten ihn. Die Ablehnung von Beweisanträgen obliegt ausschließlich dem Vorsitzer (§ 65). Die Möglichkeit zur Anrufung des Gerichts gegen die „Sachleitung" des Vorsitzers wird beseitigt. Zweifel über die Zulässigkeit einer Frage soll künftig allein der Vorsitzer entscheiden (§ 60). D as sog. Kreuzverhör wird vom Entwurf nicht übernommen. Nur bei gewissen bedeutungsvollen Entscheidungen (so bei der Verweisung nach § 90 oder wenn der

Gegenstand der Hauptverhandlung nachträglich er­ weitert oder eingeschränkt w ird — §§ 61, 62 — ) entscheidet nicht der Vorsitzer allein, sondern das Gericht. D ie S tellung des S taa tsan w alts in der H auptoerhandlüng w ird künftig dadurch bestimmt, daß der E n tw u rf dem Gedanken des sog. Parteiprozesses („Waffengleichheit" zwischen S ta a ts a n w a lt und A n ­ geklagtem) entgegentritt. D e r S ta a ts a n w a lt steht nicht aus einer Ebene m it dem Angeklagten. A ls O rgan der S taatsführung hat er im Verfahren be­ sondere Ausgaben. Noch mehr als bisher g ilt also der Grundsatz, daß die Ausgabe des S ta a ts a n w a lts nicht darin besteht, einseitig die Verurteilung des A n ­ geklagten zu erstreben, sondern daß er an der A u f­ klärung der W ahrheit mitzuwirken hat. D ie S tellu n g des S ta a ts a n w a lts in der Hauptverhandlung erfährt auch dadurch eine S tärku ng, daß er sich künftig — statt in einer Zeugenaussage — über amtlich w ah r­ genommene Vorgänge dienstlich äußern kann (§ 73). Durch einen Beweisantrag, der die Vernehmung des S taa tsan w alts über einen wesentlichen Punkt ver­ langt, w ird daher in Zukunft der S ta a ts a n w a lt nicht mehr von der weiteren M itw irk u n g in der H auptver­ handlung ausgeschlossen, wenn die dienstliche Äuße­ rung dem Vorsitzer genügt. D a s Anklagemonopol des S taa tsan w alts w ird auch für die Hauptverhand­ lung aufrechterhalten. S o kann auch künftig die A n ­ klage nur auf A ntrag des S taa tsan w alts ausgedehnt (§ 61) und nur m it Zustimmung des S ta a ts a n w a lts aus einzelne von mehreren T a ten beschränkt werden

( § 62). I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken:

Erster Abschnitt

Anberaumung der Hauptverhandlung § 32 M itte ilu n g

der

Anklageschrift

Nach bisherigem Recht w ird die Anklageschrift dem Angeklagten in den vor dem Schwurgericht und den höheren Gerichten zu verhandelnden Sachen stets, in den vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht und der großen S trafkam m er im ersten Rechtszug zu ver­ handelnden Sachen aber n u r dann mitgeteilt, wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Anklage bildet oder es sich um solche Vergehen handelt, bei denen das Ergebnis der E rm ittlun gen in die Anklageschrift auf­ genommen ist (§ 201 Abs. 1 S t P O .) . D e r E n tw u rf sieht dagegen vor, daß die Anklageschrift dem Ange­ klagten in allen Sachen mitzuteilen ist, soweit das Gesetz nicht in besonderen F ä llen (z. B . §§ 258, 402 Abs. 1) Ausnahmen zuläßt. In so w e it über­ nim m t die Anklageschrift Aufgaben, die bisher der Eröffnungsbeschluß erfüllte. D ie M itte ilu n g der A n ­ klageschrift soll dem Angeklagten auch Gelegenheit geben, sich aus die Hauptverhandlung vorzubereiten. S ie dient dam it ebenso w ie die §§ 12, 13 über die Anhörung des Beschuldigten und die Schlußanhörung dem Zweck, dem Beschuldigten das rechtliche Gehör

in allen Abschnitten des Verfahrens zu sichern. D ie Anklageschrift ist dem Angeklagten durch Zustellung mitzuteilen. Z u r Beschleunigung des Verfahrens sieht aber der Absatz 1 Satz 2 vor, daß sie ihm formlos ausgehändigt werden kann, wenn er sich freiw illig zur Hauptverhandlung stellt oder dem Gericht vo r­ geführt w ird. I n solchen F ä lle n kann daher, wenn die Verteidigung nicht beeinträchtigt w ird, alsbald m it der Hauptverhandlung begonnen werden, ohne daß durch Zustellungsakte eine Verzögerung ein tritt. A us dem Gedanken heraus, dem Angeklagten in Strafsachen von größerer Bedeutung einen erhöhten Schutz dagegen zu gewähren, daß die Hauptverhand­ lung ohne genügende Vorbereitung durch die V erteid i­ gung stattfindet, sieht der Absatz 2 vor, daß der A n ­ geklagte in Verfahren vor der Schöfsenkammer oder einem höheren Gericht innerhalb der F rist von einer Woche Einwendungen gegen die Anberaumung der Hauptverhandlung erheben und Beweisanträge stellen kann. A uf diese Möglichkeit w ird der Angeklagte bei Zustellung der Anklageschrift hingewiesen; er w ird belehrt, daß er die Tatsachen angeben muß, die er beweisen w ill. D e r Vorsitzer kann die einwöchige Frist aus wichtigen Gründen verlängern oder bis auf vierundzwanzig S tunden abkürzen. D ie V o r ­ schrift steht in enger Verbindung m it dem § 13, der in den wichtigen Sachen die Schlußanhörung des Beschuldigten und des Verteidigers nach dem A b ­ schluß der E rm ittlungen sichert. I n diesen Sachen soll sich die Verteidigung möglichst früh und umfassend entfalten können. Ebenso wie § 13 Abs. 2 g ilt auch die Vorschrift des § 32 Abs. 2 nicht in den vor der S trafkam m er zu verhandelnden Strafsachen, da hier die Hauptverhandlung besonders schnell anberaumt werden muß. D ie Entscheidung über Beweisanträge des Ange­ klagten obliegt vor der Hauptverhandlung dem V o r ­ sitzer (§ 32 Abs. 2 Satz 4). D ie Bestimmung betrifft nur Beweisanträge des Angeklagten, die auf A b­ lehnung der Hauptverhandlung abzielen; wie B ew eis­ anträge zur Hauptverhandlung zu behandeln sind, ergibt sich aus § 41. D ie Entscheidung des Vorsitzers erfolgt durch Beschluß; die Ablehnung ist daher zu begründen (§ 280). D e r ablehnende Beschluß kann nach § 307 des E ntw urfs nicht selbständig m it der Beschwerde, sondern nur m it dem Rechtsmittel an­ gegriffen werden, das gegen das U rte il eingelegt w ird. E in Rechtsmittelangriff gegen das U rte il kann aber auf die Ablehnung eines Beweisantrages vor der Hauptverhandlung im allgemeinen nicht gestützt werden, w eil die Möglichkeit besteht, den A ntrag in der Hauptverhandlung zu wiederholen; daraus ist der Angeklagte nach § 41 hinzuweisen. D a ß der S ta a ts a n w a lt vor der Entscheidung über Beweisanträge des Angeklagten zu hören ist, ergibt sich aus § 278 Abs. 1 Satz 2. § 33

We i t e r e A u f k l ä r u n g Grundlage der Entscheidung über die Anberau­ mung der Hauptverhandlung sind zunächst die A n ­ klageschrift und die Akten über das Vorverfahren. H ä lt der Vorsitzer diese Grundlagen nicht für aus-

reichend, so kann er weitere Ermittlungen veranlassen. S ie werden auf Ersuchen des Vorsitzers durch den S taatsanw alt vorgenommen. D as entspricht der Stellung des S taatsanw alts im Vorverfahren und seiner Verantwortung für die Vorermittlungen. Eigene Ermittlungen des Gerichts, sei es durch den Vorsitzer oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter, 51t dem Zweck, die Entscheidung über die An­ beraumung der Hauptverhandlung vorzubereiten, müssen grundsätzlich unterbleiben. Eine Beweisauf­ nahme durch das Gericht vor der Hauptverhandlung ist nur nach § 45 zur Vorbereitung der Hauptver­ handlung zulässig. Die Ermittlungen im Zwischenverfahren sollen demnach nur der Entscheidung über die Anberaumung oder Ablehnung der Hauptverhandlung dienen; sie dürfen also nicht so weit ausgedehnt werden, daß sie die Hauptverhandlung vorwegnehmen und das Zwischenversahren gegenüber der Hauptverhandlung gleichsam zu einer „Vorinstanz" machen. D as Ergebnis der nachträglichen Ermittlungen kann dem S taatsanw alt Anlaß geben, die Anklage zurückzunehmen (§ 29) oder zu ändern.

An b e r a u m ung der H a u p t v er h a n d l u n g dur ch d e n Vo r s i t z e r

verhandlung aus den in § 35 genannten Gründen abgelehnt werden muß. Hält der Vorsitzer die T at zwar für strafbar, beurteilt er sie aber unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als die Anklage, ohne daß damit die Zuständigkeit seines Gerichts ent­ fällt, so ist für die Ablehnung der Hauptverhandlung nach § 35 kein Raum; auch die gerichtliche Änderung der Anklage ist weder in diesem Falle noch sonst zu­ gelassen. Die Anklageschrift des S taatsanw alts bildet auch in diesem Falle die Grundlage der Haupt­ verhandlung. D as Gericht, das über die Ablehnung der Haupt­ verhandlung zu entscheiden hat, ist nach den für E nt­ scheidungen außerhalb der Hauptverhandlung gelten­ den Vorschriften besetzt. I n Verfahren vor dem Amts­ richter kann demnach der Vorsitzer sowohl die Haupt­ verhandlung anberaumen als auch den Antrag auf Anberaumung der Hauptverhandlung ablehnen. Der Entwurf geht nicht soweit, die Entscheidung über die Anberaumung der Hauptverhandlung an­ deren als den erkennenden Richtern zu übertragen. Daß der erkennende Richter durch seine Mitwirkung bei der Vorentscheidung über die Anberaumung der Hauptverhandlung befangen werde, kann deshalb nicht anerkannt werden, weil es sich um eine vor­ läufige Entscheidung auf Grund der Aktenlage han­ delt, während das Urteil auf Grund der Hauptver­ handlung ergeht.

Zur Entscheidung darüber, ob dem Antrag des S taatsanw alts aus Anberaumung der Hauptverhandlung stattzugeben ist, ist zunächst der Vorsitzer zustän­ dig. Die Erfahrung hat gezeigt, daß bisher nur in einem ganz geringen Bruchteil sämtlicher Anklagefälle die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist. Die regelmäßige Mitwirkung des gesamten Gerichtskörpers bei der Anberaumung der Hauptver­ handlung wäre also unnützer Leerlauf. Hat der Vor­ sitzer keine Bedenken, so beraumt er die Hauptver­ handlung an, bestimmt also O rt und Zeit derselben. Zugleich mit der Terminsbestimmung kann der Vor­ sitzer die sonstigen in §§ 40 und 44 vorgesehenen Anordnungen treffen. § 34 (5. 1 schließt nicht aus, daß sich der Vorsitzer vor Anberaumung der Haupt­ verhandlung mit den Mitgliedern seines Gerichts berät. Wenn der Vorsitzer Bedenken hat, die Hauptver­ handlung anzuberaumen, sei es auch, daß sie sich nur auf einzelne von mehreren in der Anklage zur Last gelegten Taten beziehen, so erfordert es die M itver­ antwortung des Gerichts für das Hauptverfahren, daß das Gericht eingeschaltet wird. Wie die Begründung zu § 29 darlegt, soll der Vorsitzer, wenn er Bedenken hat, sich allerdings zunächst an den Staatsanw alt wenden und einen Gerichtsbeschluß nach § 35 nur herbeiführen, wenn der S taatsanw alt ihnen nicht durch Zurücknahme oder Änderung der Anklage Rech­ nung trägt. D as ist heute schon vielfach ungeschriebene Übung. Unter „Bedenken" im S in n der Vorschrift ist nicht schon jeder noch so geringe Zweifel an dem Erfolg der Anklage zu verstehen. Berechtigte „Be­ denken" liegen nur dann vor, wenn nach der Über­ zeugung des Vorsitzers die Anberaumung der Haupt­

Ger i cht sbeschl uß § 35 ergänzt den § 34 Satz 2 durch die Angabe der Voraussetzungen, unter denen das Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen hat. Es kann — unter den in Absatz 1 und 2 bestimmten Voraussetzungen — die Anberaumung der Hauptver­ handlung ablehnen oder die Bedenken des Vorsitzers nicht teilen oder nur für einzelne von mehreren Taten die Hauptverhandlung ablehnen. D as Gericht kann schließlich, ehe es eine endgültige Entscheidung trifft, eine weitere Aufklärung nach § 33 beschließen. § 35 Abs. 1 läßt die Ablehnung aus allen G rün­ den zu, die die Verurteilung in der Hauptverhandlung vor dem zur Entscheidung angerufenen Gericht mit Sicherheit ausschließen. Als Ablehnungsgründe kommen danach insbesondere in Betracht: M angeln­ der Tatverdacht, fehlende Strafbarkeit der T at, Unzu­ lässigkeit der Anklage wegen eines Versahrenshindernisses, Unzuständigkeit des Gerichts. Der Entwurf verzichtet auf eine Aufzählung der einzelnen Ableh­ nungsgründe, da ihre erschöpfende Aufzählung im einzelnen zu weitläufig wäre. E r macht keine Unter­ scheidung, ob die Ablehnung aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen erfolgt, und schließt den Mangel des Tatverdachts als Ablehnungsgrund nicht aus. Andererseits gewährt der Entwurf doch aus­ reichende Sicherungen dagegen, daß die Beweiswür­ digung, die grundsätzlich der Hauptverhandlung vor­ behalten bleiben soll, schon durch die Entscheidung des Zwischenversahrens vorweggenommen wird. D as Gericht darf die Anberaumung der Hauptverhandlung nur ablehnen, wenn nach seiner Überzeugung mit

§ 34

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Sicherheit zu erwarten ist, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht verurteilt, mit Strafvorbe­ halt verwarnt oder unter Absehen von Strafe schuldig gesprochen wird. Wie die Begründung zu § 14 und die Vorbemerkung zu diesem Hauptstück darlegt, sind demnach die Voraussetzungen der Ablehnung enger als diejenigen der Anklage. Der Staatsanw alt er­ hebt die Anklage, wenn „genügender Verdacht" besteht, daß der Beschuldigte eine S traftat begangen hat (§ 14). D as Gericht kann aber die Hauptver­ handlung nicht schon ablehnen, wenn es der Meinung ist, daß kein genügender Verdacht bestehe, sondern nur dann, wenn es der Überzeugung ist, daß die beige­ brachten Beweise mit Sicherheit zur Überführung des Angeklagten nicht ausreichen und auch nicht in der Hauptverhandlung ergänzt werden können. Es soll im Eröffnungsverfahren nicht zweifelhafte Fälle er­ ledigen, insbesondere von einer endgültigen Bewer­ tung zweifelhafter Beweismittel absehen. Der ab­ lehnende Beschluß ist zu begründen (§ 280). § 35 Abs. 2 sieht für die Ablehnung der Haupt­ verhandlung wegen Unzuständigkeit eine Sonder­ regelung vor. Die Vorschrift unterscheidet hierbei zwischen der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit. Nach der Nr. 1 lehnt das Gericht die Anberau­ mung der Hauptverhandlung ab, wenn in seinem Bezirk fein Gerichtsstand begründet ist, wenn ihm also die örtliche Zuständigkeit fehlt (vgl. §§ 106 bis 119). Eine „Anordnung" der Hauptverhandlung vor dem seiner Meinung nach zuständigen Gericht oder eine Verweisung an dieses Gericht sieht der Entwurf nicht vor. D as Gericht gibt vielmehr nach Rechtskraft des ablehnenden Beschlusses die ^siifsagc dem S ta a tsa n ­ walt zurück und stellt ihm damit die Einreichung einer neuen Anklage bei dem zuständigen Gericht anheim. Wie zu verfahre:: ist, wenn auch das neu angegangene Gericht sich für örtlich unzuständig er­ klärt, regelt § 117. Die Grundsätze für die Regelung der sachlicher: Zuständigkeit sind bei den §§ 98 bis 105 dargelegt. Danach sind gewisse Strafsachen, die tatbestandsmäßig bezeichnet sind, dem Volksgerichtshof, den Oberlandes­ gerichten und den Strafkammern zur alleinigen Zu­ ständigkeit zugewiesen. Die Zuständigkeit des Amts­ richters und der Schösfenkammer dagegen bestimmt sich nach der Strafgewalt dieser Gerichte und nach der im Einzelfall zu erwartenden, innerhalb dieser Strafgew alt liegenden Strase oder sichernden M aß­ regel. Aus dem Wesen der tatbestandsmäßigen Zuständigkeit folgt, daß das angegangene Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung ablehnen muß, wenn die Anklage vor einem anderen als dem zu­ ständigen Gericht erhoben ist. Ist Anklage wegen Zersetzung des Wehrwillens (§ 148 S tG B .) vor der Schöffenkammer erhoben, so muß sie die Anberau­ mung der Hauptverhandlung ablehnen, da für diese T at nach § 101 Abs. 1 die Strafkammer zuständig ist. D as gleiche gilt umgekehrt für die Fälle, in denen vor einem Gericht, dem eine tatbestandsmäßige Zu­ ständigkeit gegeben ist, wegen einer T at Anklage er­ hoben ist, die nicht zu den diesem Gericht zugewiesenen Strastatbeständen gehört. Nach § 104 darf vor dem Volksgerichtshof, dem Oberlandesgericht und der Strafkammer Anklage wegen anderer als der ihnen

gesetzlich zugewiesenen Taten im allgemeinen nicht erhoben werden. Geschieht dies dennoch, so hat das Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen. I n den vor den Amtsrichter oder die Schöfsenkammer gehörenden Sachen erhebt der Staatsanw alt nach § 100 die Anklage vor dem Gericht, dessen Strasgewalt er nach der im Einzelsall verwirkten S trafe oder sichernden Maßregel für ausreichend hält. E r­ hebt er hiernach die Anklage vor der Schösfenkammer, so kann die Schösfenkammer die Anberaumung der Hauptverhandlung nicht deshalb ablehnen, weil sie die Strafgewalt des Amtsrichters für ausreichend hält. Denn ihre Strafgewalt und damit ihre sachliche Zuständigkeit umfaßt auch die Zuständigkeit des Amtsrichters (vgl. §§ 99, 100). Wird dagegen die Anklage vor dem Amtsrichter erhoben, so ergibt sich die Frage, ob und inwieweit das Gericht ermächtigt sein soll, die vorausschauende Beurteilung des S tra f­ maßes durch den Staatsanw alt im Zwischenverfahren zu überprüfen. Diese Prüfung muß ebenso wie die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Anklage nach Absatz 1 wesentlich eingeschränkt werden. Jeder An­ schein muß vermieden werden, als ob sich das Gericht auf Grund der Aktenlage hinsichtlich der Art und Höhe der zu erwartenden Strase oder sichernden Maßregel gleichsam festlegte. Die Beurteilung des Strafmaßes muß grundsätzlich der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Der Entwurf stellt daher für den Amts­ richter den Grundsatz auf, daß er den Antrag des S taatsanw alts aus Anberaumung der Hauptverhand­ lung nicht schon dann ablehnen darf, wenn er der Meinung des S taatsanw alts über die Art und Höhe der zu erwartenden Strase nicht zustimmen zu können glaubt, sondern nur dann, wenn nach seiner Über­ zeugung mit Sicherheit zu erwarten ist, daß die zu verhängende Strafe oder sichernde Maßregel seine Strafgewalt überschreitet. Der Entwurs gebraucht hier den Begriff „mit Sicherheit zu erwarten" im gleichen S in n wie in § 35 Abs. 1; dadurch soll ver­ hindert werden, daß der Amtsrichter Entscheidungen im Zwischenverfahren fällt, die endgültig nur aus Grund mündlicher Verhandlung und Beweisauf­ nahme getroffen werden können. Verneint das Gericht seine sachliche Zuständigkeit und wird der Beschluß rechtskräftig, so hat es die Anklage dem Staatsanw alt zurückzugeben. E s ist nicht befugt, die Hauptverhandlung vor dem Gericht „anzuordnen", das seiner Überzeugung nach zuständig ist, oder die Sache an dieses Gericht zu verweisen. Diese Lösung hat der Entwurf — abgesehen davon, daß die erste Anklageschrift in vielen Fällen als Grundlage des weiteren Verfahrens nicht mehr ge­ eignet sein wird — auch deshalb gewählt, weil der Staatsanw alt nach § 100 die Wahl hat, ob er die Anklage statt vor dem Amtsrichter vor der Schössenkammer erheben will, wenn dies mit Rücksicht auf den Umfang oder die Bedeutung der Sache angezeigt ist. Dieses Wahlrecht des S taatsanw alts würde ver­ eitelt werden, wenn das angegangene Gericht die Sache an das ihm zuständig erscheinende Gericht ver­ weisen könnte. Liegen nach Ansicht des Gerichts die V oraus­ setzungen zur Ablehnung nicht vor, so bestimmt nicht

dieses, sondern: der Vorsitzer O rt und Zeit der Haupt­ verhandlung. I n diesem Falle tritt das Gremium, das die Entscheidung trifft, nach außen nicht in die Erscheinung. Sein Beschluß wird in diesem Fall nicht verkündet und braucht auch nicht begründet zu werden. Lehnt das Gericht wegen einzelner Taten die Anberaumung der Hauptverhandlung ab, so muß es gemäß § 35 Abs. 4 in dem Beschluß die Taten bezeichnen, wegen derer es die Anberaumung der Hauptverhandlung ablehnt. Bei dem Vortrag der Anklage in der Hauptverhandlung durch den S ta a ts ­ anwalt fallen nach § 59 Abs. 2 Satz 3 diese Taten fort. § 62 Abs. 3 gibt dem Gericht die Möglichkeit, schon bei der Anberaumung der Hauptverhandlung darüber Beschlutz zu fassen, ob unwesentliche Taten, Teile einer T at oder Rechtsverletzungen aus dem Anklage­ stoff auszuscheiden sind. Der Beschluß, der die Anberaumung der Haupt­ verhandlung ganz oder teilweise ablehnt, ist zu be­ gründen (§ 280). E r ist dem Staatsanw alt und dem Angeklagten bekannt zu geben (§ 35 Abs. 5), dem Staatsanw alt deshalb, weil er gegen den ablehnenden Beschluß Beschwerde einlegen kann (§ 36), dem An­ geklagten, weil auch dieser ein berechtigtes Interesse hat, die abschließende Entscheidung des Gerichts zu erfahren. § 36

Anf e c ht ung Die Anberaumung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzer (§ 34) ist nicht anfechtbar und zwar auch dann nicht, wenn sie auf einem Beschluß des Gerichts (§ 35) beruht. Diese Regelung entspricht dem bisherigen Recht (§ 210 S tP O .). Dem Ange­ klagten stehen Rechtsmittel erst gegen das Urteil zu. Ein Bedürfnis, die Anberaumung der Hauptver­ handlung selbständig anfechten zu können, kann nicht anerkannt werden. Lehnt das Gericht die Hauptverhandlung ganz oder teilweise ab, so kann der S taatsanw alt die be­ fristete Beschwerde erheben (§ 36 Abs. 1), weil die ablehnende Entscheidung das Verfahren abschließt. D a der Angeklagte durch die ablehnende Entscheidung nicht beschwert wird, besteht kein Anlaß, auch ihm ein Anfechtungsrecht zu geben. Es erscheint aber zweck­ mäßig, vorzuschreiben, daß dem Angeklagten die Be­ schwerdeschrist des Staatsanw alts zur Erklärung mit­ geteilt wird; der Angeklagte soll sich verteidigen können, nachdem ihm einmal der ablehnende Beschluß (§ 35 Abs. 5) mitgeteilt worden ist. Uber die Beschwerde entscheidet, wenn der Amts­ richter den Beschluß erlassen hat, die Strafkammer, sonst das Reichsgericht (§ 36 Abs. 1 S . 2). Der Entwurf geht dabei davon aus, daß über die Be­ schwerde gegen den ablehnenden Beschluß, der prak­ tisch einer Freisprechung gleichkommt, das Gericht ent­ scheiden soll, das im Falle der Anfechtung des Urteils zur Entscheidung zuständig wäre. Gegen einen ableh­ nenden Beschluß der Strafkammer in den Strafsachen des § 101, sowie des Oberlandesgerichts und des Volksgerichtshofs ist keine Beschwerde möglich (§ 305 Abs. 3). Es kann erwünscht sein, daß die Hauptverhandlnng vor einem anderen Gericht stattfindet als vor

dem, das die Anberaumung der Hauptverhandlung abgelehnt hat, da das letztere befangen sein kann. Deshalb muß die Möglichkeit bestehen, daß das Be­ schwerdegericht die Hauptverhandlung vor einem an­ deren Gericht gleicher Ordnung stattfinden läßt. Diese Möglichkeit gibt § 36 Abs. 1 S . 3. § 37

Ne ue An k l a g e Der Entwurf legt — ähnlich wie § 211 S tP O . — einer nicht mehr anfechtbaren Entscheidung, die die Anberaumung der Hauptverhandlung nicht nur wegen Unzuständigkeit ablehnt, materielle Rechtskraft bei. Liegt ein solcher Beschluß vor, so kann wegen der T at nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweis­ mittel Anklage erhoben werden. Hat das von: Staatsanw alt angegangene Gericht die Anberaumung der Hauptverhandlung wegen Un­ zuständigkeit durch einen nicht mehr anfechtbaren Be­ schluß abgelehnt, so wird, wie schon zu § 35 dargelegt worden ist, die Erhebung der Anklage vor dem zu­ ständigen Gericht dadurch nicht gehindert. § 38 V o r l ä u f i g e E i n s t e l l u n g des Verfahrens Die Vorschrift gibt dem Gericht die Möglichkeit, das Verfahren durch Beschluß vorläufig einzustellen, wenn besondere in der Person des Angeklagten liegende Hindernisse vorhanden sind, die der Durch­ führung des Strafverfahrens für längere Zeit, aber doch voraussichtlich nur vorübergehend entgegen­ stehen. Der Entwurf sieht von einer abschließenden Aufzählung der Hindernisgründe ab. Neben längerer Abwesenheit des Angeklagten kommen eine langan­ dauernde schwere körperliche Erkrankung, vorüber­ gehende Verhandlungsunfähigkeit u. dgl. in Betracht. Verfahrenshindernisse, die nicht in den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ihren Grund haben, wie örtliche oder sachliche Unzuständigkeit, Amnestie usw., fallen nicht unter § 38. S ie werden in den §§ 35 und 39 geregelt. D as Gericht kann die vorläufige Einstellung vor oder nach Anberaumung der Hauptverhandlung durch Beschluß aussprechen. Die vorläufige Einstellung ist aber auch in der Hauptverhandlung selbst möglich, wenn sich das Hindernis erst in der Hauptverhand­ lung herausstellt. Die Entscheidung kann sowohl vom Staatsanw alt als auch vom Angeklagten mit der nicht befristeten Beschwerde angefochten werden (§ 305 Abs. 1). § 38 Satz 2 weist den Vorsitzer an, nötigenfalls die Beweise zu sichern. Wie das geschieht, regeln insbesondere die §§ 45, 46, 176 Abs. 2, 219, 225. § 39 E i n s t e l l u n g d e s V e r f a h r e n s na c h A n ­ b e r a u m u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g D as geltende Recht enthält keine Vorschrift dar­ über, wie zu verfahren ist, wenn sich nach der Erösf3*

m nung des Hauptverfahrens, aber vor der Hauptver­ handlung ein Verfahrenshindernis ergibt. Die Rechtsprechung hat zur Vermeidung unnötiger Haupt­ verhandlungen zugelassen, daß in diesen Fällen das Hauptverfahren außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß eingestellt wird, wenn der Mangel der Verfahrensvoraussetzung ohne Hauptverhandlung einwandfrei festgestellt werden kann. Der § 39 be­ stätigt diese Praxis. E r bestimmt, daß das Verfahreil außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß ein­ gestellt werden kann, wenn sich nach der Anberaumung der Hauptverhandlung herausstellt, daß dem Verfah­ ren ein Versahrenshindernis entgegensteht. Die Entscheidung hat das Gericht — nicht dessen Vorsitzer — zu erlassen. S ie erfolgt durch Beschluß, der mit der befristeten Beschwerde anfechtbar ist (Abs. 2). Ergibt sich das Versahrenshinderrlis erst in der Hauptverhandlung, so hat das Gericht nach § 85 die Einstellung des Verfahrens durch Urteil auszu­ sprechen. Nach Rechtskraft der die Einstellung anordnenden Entscheidung kann das Verfahren mit unter den im § 354 Abs. 1 Nr. 2, § 357 bezeichneten Voraussetzun­ gen und in einem Verfahren wiederaufgenommen werden, für das nach § 369 die Vorschriften über die allgemeine Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend gelten. Zweiter Abschnitt

Vorbereitung der Hauptverhandlung § 40 L a d u n g des A n g e k l a g t e n § 40 regelt die Ladung des Angeklagten. Daß die Ladung schriftlich erfolgen muß, ist — im Gegensatz zum bisherigen Recht (§ 216 S tP O .) — nicht mehr vorgeschrieben. Sie kann demliach beut anwesenden Angeklagten auch mündlich mitgeteilt werden. Soweit aber die Ladungsfrist eingehalten werden muß, bedarf es nach § 42 der Zustellung der Ladung. Auch der Angeklagte, der sich nicht auf freiem Fuß besindet und deshalb zur Hauptverhandlung vorzuführen ist, muß geladen werden. Die Vorführung verfügt der Vorsitzer. Nach dem Absatz 1 Satz 2 bedarf es der Ladung nicht, wenn der Angeklagte sich freiwillig zur Hauptverhandlung stellt und diese sogleich stattfindet. Diese Vorschrift, die dem geltenden Recht nicht be­ kannt ist, dient der Beschleunigung des Verfahrens. Is t keine Ladung nötig, so bedarf es auch nicht der Einhaltung der Ladungsfrist (§ 42), sodaß die Hauptverhandlung unverzüglich beginnen kann. Die im Absatz 2 vorgeschriebene Warnung hat ihren Grund in der Vorschrift des § 53; sie ist im bisherigen Recht zwingend für alle Fälle vorge­ schrieben, soweit nicht ausnahmsweise auch ohne den Angeklagten zur Hauptverhandlung geschritten werden kann (§ 232 S tP O .). Der Entwurf gibt dagegen dem Vorsitzer die Möglichkeit, nach seinem Ermessen im Einzelfall von der Warnung abzusehen; denn auch

außer beit Fällen des § 232 S tP O . ( = § 56 Abs. 2 des Entwurfs) kann die Warnung unnötig oder un­ zweckmäßig sein. Nach § 56 Abs. 2 des Entwurfs darf in Abwesen­ heit des unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten verhandelt werden, wenn er ordnungsmäßig geladen war und eine S trafe unterhalb eines bestimmten Mindestmaßes zu erwarten ist. Die Geschäftsstelle kann von sich aus nicht beurteilen, ob die zweite dieser Voraussetzungen gegeben ist. Der Vorsitzer hat daher im Einzelfalle anzuordnen, daß der Angeklagte darauf hinzuweisen ist, daß ohne ihn verhandelt werden kann. Dieser Hinweis gehört in den Fällen des § 56 Abs. 2 zu den Voraussetzungen der Verhandlung in Ab­ wesenheit des Angeklagten. § 41

B ew e i s a n t r ä g e

des A n g e k l a g t e n

I n § 32 Abs. 2 ist vorgesehen, daß der Angeklagte Beweisanträge zur Abwendung der Hauptverhand­ lung stellen kann. § 41 dagegen betrifft die Beweis­ anträge, die der Angeklagte für die Hauptverhand­ lung stellt. Vielfach werden diese Anträge in beiden Fällen dieselben sein. Sind die Beweisanträge nach § 32 Abs. 2 vom Vorsitzer abgelehnt worden, so bleibt es dem Angeklagten unbenommen, sie zur Hauptver­ handlung nochmals zu stellen. I n der Ladung ist er darüber zu belehren, daß er Beweisanträge stellen kann, ferner darüber, daß er dabei die Tatsachen an­ geben muß, die er beweisen will (§ 41 Abs. 1 Satz 2); die Kenntnis dieser Tatsachen ist für die. Entscheidung des Vorsitzers von Bedeutung. Uber Beweisanträge zur Hauptverhandlung ent­ scheidet - - ebenso wie über Beweisanträge des Ange­ klagten zur Abwendung der Hauptverhandlung (§ 32 Abs. 2) — der Vorsitzer durch Beschluß (§ 41 Äbs. 2). Nach § 278 hat er zuvor den S taatsanw alt stets, den Verteidiger und die Beteiligten dann zu hören, wenn er es nach pflichtmäßigem Ermessen für erforderlich hält. D as gilt auch dann, wenn der Vor­ sitzer dem Antrag stattgeben will. Wird ein Beweisantrag des Angeklagten abge­ lehnt, so hat der Angeklagte nach bisherigem Recht (§ 220 S tP O .) die Möglichkeit, die Zeugen und Sach­ verständigen, auf die sich der Antrag bezog, unmittel­ bar (b. h. ohne Vermittlung von Gericht und S ta a ts ­ anwalt) laden zu lassen. Diese unmittelbare Ladung, die aus dem Gedanken des Parteiprozesses zu erklären ist, hat sich nicht bewährt und ist mit der vom E nt­ wurf erstrebten straffen Zusammenfassung der gesam­ ten Verhandlungsleitung in der Hand des Vorsitzers (§ 51) unvereinbar; sie ist daher beseitigt worden. Dagegen steht es dem Angeklagten frei, den abge­ lehnten Beweisantrag in der Hauptverhandlung zu wiederholen. Darüber wird er bei Bekanntgabe des Beschlusses belehrt. Gibt der Vorsitzer einem Beweis­ antrag statt, so werden der Staatsanw alt, der Ver­ teidiger und der Angeklagte davon nach § 49 Abs. 2 unterrichtet. Die Vorschrift des § 41 bezieht sich nur auf Be­ weisanträge des Angeklagten. Uber Beweisanträge des Staatsanw alts befindet der Vorsitzer nach § 44.

Ladungssrist Gegenüber dem geltenden Recht sieht der Entwurf eine Verkürzung der Ladungsfrist vor. S ie beträgt nur in den Sachen, die vor den höheren Gerichten verhandelt werden, eine Woche. Dagegen wird zur Beschleunigung des Verfahrens die Ladungsfrist in den vor dem Amtsrichter zu verhandelnden Sachen auf drei Tage herabgesetzt. Ferner kann der Vorsitzer sie in allen Sachen bis auf vierundzwanzig Stunden abkürzen, wenn die Erforschung der Wahrheit nicht darunter leidet, insbesondere nicht durch die Kürze der Vorbereitungszeit die Verteidigung des Ange­ klagten beeinträchtigt wird. Von der Abkürzung wird insbesondere in den nach § 101 Abs. 2 vor der S tra f­ kammer zu verhandelnden Strafsachen Gebrauch zu machen sein; ferner gegenüber verhafteten Angeklag­ ten, die geständig sind. Der Entwurf geht davon aus, daß die Ladungsfrist nur für die erste Ladung innerhalb eines Rechtszuges gewahrt zu sein braucht. Bei Verlegung der Hauptverhandlung auf einen späteren Zeitpunkt und bei Aussetzung braucht die Ladungssrist vor Beginn der neuen Hauptverhand­ lung nicht von neuem gewahrt zu sein, weil der An­ geklagte schon nach der ersten Ladung Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung hatte. Die Folgen, die sich aus der Nichtbeachtung der Ladungssrist ergeben, sind in § 53 Abs. 3 geregelt. § 43 L a d u n g des V e r t e i d i g e r s Während der bestellte Verteidiger stets zu laden ist, kann die Ladung des gewählten Verteidigers nur erfolgen, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt worden ist (§ 43 Abs. 1). § 43 Abs. 2 schreibt für die Ladung des Verteidi­ gers die Einhaltung der in § 42 geregelten Ladungs­ frist vor. Diese Vorschrift dient einer sachgemäßen Vorbereitung der Verteidigung und entspricht dem bisherigen Recht (§ 218 Abs. 1 S . 2 S tP O .). Wird die Ladungsfrist gegenüber dem Verteidiger nicht eingehalten, so muß auf seinen Antrag gemäß § 53 Abs. 4 die Hauptverhandlung ausgesetzt werden. § 44 L a d u n g d e r Z e u g e n n it b Sachverständiges Nach § 34 Satz 1, § 35 Abs. 3 bestimmt der Vor­ sitzer O rt und Zeit der Hauptverhandlung. E r wird diese Bestimmung in der Regel mit der Anordnung der Ladung der Zeugen und Sachverständigen ver­ binden. F ür die Entscheidung, welche Zeugen geladen und sonstigen Beweismittel zur Hauptverhandlung herbeigeschafft werden sollen, sind im bisherigen Recht der Vorsitzer und der S taatsanw alt nebeneinander zuständig (§§ 221, 222 Abs. 2 S tP O .). Daneben hat auch der Angeklagte das Recht zur unmittelbaren Ladung (§ 220 S tP O .). Der Entwurf gibt diese Befugnisse ausschließlich dem Vorsitzer. Ebenso ist künftig auch die Vorführung der nicht auf freiem Fuß befindlichen Zeugen — ebenso auch des Angeklagten

(vgl. § 40 Abs. 1) — nicht mehr vom S taatsanw alt, sondern vom Vorsitzer zu veranlassen. Diese Rege­ lung folgt aus dem im § 51 des Entwurfs ausge­ sprochenen Grundsatz, wonach künftig mit dem E in­ tritt der Gerichtshängigkeit (§ 28 Abs. 4) das Verfahren in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts und seines Vorsitzers übergeht. §§ 45 bis 47 Vorbereitende Beweisaufnahme Dur chf ühr ung und V e r f a h r e n Grundsätzlich sind sämtliche Beweise unmittelbar vor dem erkennenden Gericht zu erheben; der E nt­ wurf betrachtet diese Förderung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wie in der allgemeinen E in­ leitung näher dargelegt ist, als einen wichtigen Grundsatz des neuem Strafverfahrensrechts (§ 66). Insbesondere darf die Vernehmung einer Auskunfts­ person im allgemeinen nicht durch Verlesung der Niederschrift über ihre frühere Aussage ersetzt werden (§ 67). Von diesem Grundsatz kann nur in beson­ deren Ausnahmefällen abgewichen werden. Ist eine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht möglich, oder stößt sie auf Schwierigkeiten, kann sie aber vor der Hauptverhandlung durchgeführt werden, so muß das im Interesse der Wahrheitsforschung unter Beachtung derjenigen Regeln geschehen, die die ein­ wandfreie Auswertung des Beweismittels sicher­ stellen. Die §§ 45 bis 47 enthalten für eine solche vorbereitende Beweisaufnahme des Hauptverfahrens die erforderlichen Vorschriften. Sie ergänzen den § 10, der die entsprechende Frage für das Vorverfah­ ren regelt. D as Verhältnis dieser Bestimmungen zu­ einander ist bet § 10 dargelegt. § 45 regelt die sach­ lichen Voraussetzungen einer die Hauptverhandlung vorbereitenden Beweiserhebung, § 46 die Art der Durchführung und § 47 das in einem solchen F all zu beobachtende Verfahren. Der wichtigste F all einer vorbereitenden Beweis­ aufnahme ist die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen, die infolge Krankheit, Gebrechlich­ keit oder anderer nicht zu beseitigender Umstände in der Hauptverhandlung an Gerichtsstelle nicht er­ scheinen können (§ 45 Abs. 1 Nr. 1). Die vorbe­ reitende Beweisaufnahme ist weiter zulässig, wenn dem Zeugen oder Sachverständigen wegen des Zeitverlusts oder wegen ungünstiger Verkehrsverhältniffe das Erscheinen in der Hauptverhandlung an Gerichts­ stelle einen großen Nachteil zufügen würde (§ 45 Abs. 1 Nr. 2). Die Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines aus einem solchen Grunde außer­ halb der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen oder Sachverständigen kann nach § 69 in der Haupt­ verhandlung verlesen werden. Als weiterer F all ist im Absatz 1 Nr. 3 der richter­ liche Augenschein genannt. Der Augenschein farm, demnach schon vor der Hauptverhandlung vor­ genommen werden, wenn das notwendig ist, insbe­ sondere wenn seine Vornahme durch das erkennende Gericht infolge möglicher Veränderung der tatsäch­ lichen Lage zwecklos wäre. Die Verwertung der vor­ bereitenden Augenscheinseinnahme in der späteren Hauptverhandlung ist im § 67 Abs. 2 geregelt.

§ 45 Abs. 2 weist den Vorsitzer an, von der vor­ bereitenden Beweisaufnahme abzusehen, wenn die Erforschung der Wahrheit es erfordert, den Beweis in der Hauptverhandlung, fei es auch an O rt und Stelle, zu erheben. Eine sachliche Neuerung gegenüber dem geltenden Recht liegt darin, daß die vorbereitende Beweisauf­ nahme nicht mehr durch Beschluß des Gerichts, son­ dern vom Vorsitzer angeordnet wird (vgl. § 44 und § 51 des Entwurfs). F ü r die Vereidigung der außerhalb der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen ist § 1 7 6 Abs. 2 des Entwurfs maßgebend. Daß die vorbereitende Beweisaufnahme auch noch im Lauf der Hauptverhandlung angeordnet werden kann (Absatz 1), entspricht dem bisherigen bewährten Gerichtsgebrauch. § 46 regelt für die Fälle des § 45 die Frage, wer die vorbereitende Beweisaufnahme durchzuführen hat. Der Vorsitzer kann es selbst tun, er kann aber auch einen Richter seiner Kammer oder seines S enats damit beauftragen oder den Amtsrichter darum ersuchen. D a die vorbereitende Beweisaufnahme die Be­ weisaufnahme vor dem erkennenden Gericht ersetzt imb so einen vorweggenommenen Teil der Hauptver­ handlung bildet, gestattet § 47 des Entwurfs dem Staatsanw alt, Verteidiger und Angeklagten die Teilnahme an der Beweiserhebung. Die im geltenden Recht zweifelhafte Frage, ob und nach welchen Be­ stimmungen der Angeklagte von dieser Beweisauf­ nahme vorübergehend ausgeschlossen werden kann, und wie sich das Fragerecht der Beteiligten regelt, wird vom Entwurf durch Verweisung auf die für die Hauptverhandlung geltenden Bestimmungen (§§ 55 und 60) ausdrücklich geregelt. Den zur Anwesenheit Berechtigten sind Ort und Zeit der Beweisaufnahme rechtzeitig mitzuteilen. Diese Mitteilung muß ihnen — wenn nicht Gefahr im Verzug ist — so zeitig zugehen, daß ihnen die Teilnahme möglich ist. Zu der vorbereitenden Beweisaufnahme ist der nicht aus freiem Fuß befindliche Angeklagte vorzuführen, es sei denn, daß die Bedeutung der Sache und die Ver­ teidigung des Angeklagten die Vorführung nicht erforderlich machen oder daß Gefahr im Verzug ist. Die Vorführung des Angeklagten ist daher im Gegen­ satz zum bisherigen Recht ('§ 224 Abs. 2 S tP O .) nicht davon abhängig, daß die vorbereitende Beweis­ aufnahme an dem Gerichtsort stattfindet, wo sich der Angeklagte in Hast befindet. Vielmehr sind um der Sicherung der Verteidigung willen auch Angeklagte, die sich an einem anderen O rt in Haft befinden, vor­ zuführen, toctut das die Wichtigkeit des Beweismittels und die Notwendigkeit der Verteidigung erfordert. Eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz der Vorsührungspflicht enthält § 260 für das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten. § 48 B e f r e i u n g des A n g e k l a g t e n von der Pfl icht zum Erschei nen § 48 (in Verbindung mit § 56 Abs. 1) schränkt die Befreiung des Angeklagten von der Pflicht zum

Erscheinen tu der Hauptverhandlung gegenüber dem bisherigen Recht erheblich ein. I m bisherigen Recht (§§ 233, 233 a S tP O ., VO. vom 6. Oktober 1931, Sechster Teil, Kap. I § 5 und VO. vom 14. J u n i 1932, Erster Teil, Kap. I Art. 1 § 2) kann der A n­ geklagte auf seinen Antrag im Verfahren vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht und der Großen Strafkammer von der Pflicht zum Erscheinen befreit werden, soweit Übertretungen, Vergehen, Rücksallverbrechen oder Verbrechen „von minderer Bedeu­ tung" zur Anklage stehen. Auf Art und Maß der zu erwartenden S trafe kommt es nicht an; lediglich Maßregeln der Sicherung und Besserung dürfen in Abwesenheit des Angeklagten nicht verhängt werden. Der Entwurf steht demgegenüber auf dem S ta n d ­ punkt, daß die persönliche Beurteilung des Angeklag­ ten durch das erkennende Gericht eines der wichtigsten Erkenntnismittel für den Urteilsspruch bildet und daß daher in allen wichtigen Strafsachen aus die Anwesen­ heit des erreichbaren Angeklagten nicht verzichtet werden soll. Die Wichtigkeit einer Strafsache be­ stimmt sich nach der Auffassung des Entwurfs nicht nach der a l l g e m e i n e n gesetzlichen S trafd r o h u n g , sondern entsprechend der im Entwurf des Strafgesetzbuchs und der Strafverfahrensordnung zugrundegelegten konkreten Betrachtungsweise nur nach der im Einzelfall zu erwartenden Strafe. D as ermöglicht es, den Bedürfnissen des Einzelfalls gerecht zu werden, und verhindert eine unangebrachte B e­ freiung des Angeklagten von der Pflicht zum E r­ scheinen. Die Befreiung soll zulässig sein, wenn Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, Geldstrafe, V er­ fallerklärung, Bekanntmachung des Urteils, Verwarmtitg mit Strafvorbehalt, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. I m übrigen beschränkt der Entwurf die Möglichkeit gur Befreiung auf das Verfahren vor dem Amtsrichter, weil gegen seine Urteile ein zweiter Tatsachenrechtszug zulässig ist. Bei den vor der Schöffenkammer im ersten Rechtszug, vor der S tra f­ kammer und vor den höheren Gerichten zu verhan­ delnden' Strafsachen ist, abgesehen davon, daß hier entweder gar kein Rechtsmittel oder doch jedenfalls nicht die Berufung gegeben ist, die Befreiung des Angeklagten auch wegen der Bedeutung der Sachen nicht angebracht. Die vom Entwurf vorgesehene E in­ schränkung entspricht auch sozialen Rücksichten. E r­ fahrungsgemäß wird der Angeklagte meist deshalb von der Pflicht zum Erscheinen befreit, weil ihm zur Wahrnehmung der auswärtigen Hauptverhandlung die erforderlichen Geldmittel fehlen. Die darin liegende Gefahr, daß gerade der ärmere Volksgenosse durch seine Abwesenheit in der Hauptverhandlung Nachteile erleidet, muß nach Möglichkeit vermieden werden. Wird der Angeklagte vom Erscheinen befreit, so muß er richterlich vernommen werden. D a die Ver­ lesung der Niederschrift über die Vernehmung des Angeklagten seine mündliche Vernehmung vollständig ersetzen soll (§ 59 Abs. 3), so muß sich die Vernehmung sowohl auf die Anklage als auch auf die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten erstrecken (§ 48 Abs. 2, § 59 Abs. 2 S . 2). D as Teilnahmerecht und die Benachrichtigung des S taatsanw alts, des Verteidi-

der* und der Mitangeklagten entsprechen dem § 47 des Entwurfs. Die Befreiung ist auch nach Söegtmt der Hauptverhandlung zulässig. § 49

Mi t t e i l u n g über d i e Hauptverhandlung Der Angeklagte und der Verteidiger müssen zur Hauptverhandlung geladen werden (§§ 40, 43). Dein S taatsanw alt gegenüber genügt eine bloße M ittei­ lung. D as gleiche gilt für den gesetzlichen Vertreter des Angeklagten und denjenigen, der das Recht hat, für die Person des Angeklagten zu sorgen; sind Vater und M utter nebeneinander sorgeberechtigt, so ist nur eine Mitteilung an den Vater vorgesehen. Ruht die elterliche Gewalt des Vaters, ohne daß er das Recht der Sorge für die Person verloren hat (§§ 1676, 1677 B G B ), so ist, was sich aus der N atur der Sache ergibt, die Mitteilung der M utter zu machen. Wegen der verfahrensrechtlichen Rechte des gesetzlichen Vertreters und des Sorgeberechtigten vgl. im übrigen die §§ 136 Abs. 2, 153, 301, 394 Abs. 3, 298 Abs. 2. Die Mitteilung von O rt und Zeit der Hauptverhand­ lung muß auch der Beistand des Angeklagten erhalten. Der Absatz 2 schreibt vor, daß der Staatsanw alt, der Verteidiger und der Anklagte auch davon benach­ richtigt werden, welche Zeugen und Sachverständigen zur Hauptverhandlung geladen und welche Beweis­ mittel sonst herbeigeschafft werden. Ih n en sollen diese Mitteilungen die Vorbereitung der Hauptverhand­ lung, insbesondere die rechtzeitige Stellung von Be­ weisanträgen ermöglichen. Auch spätere Änderungen sind mitzuteilen. D ritter Abschnitt

Hauptverhandlung § 50

Ent s c he i dung durch U r t e i l § 50 hebt hervor, daß die gerichtliche Entscheidung über die Anklage auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil zu erfolgen hat. Hauptverhandlung und Urteil gehören grundsätzlich zusammen. Wie die Hauptverhandlung regelmäßig durch Urteil abzu­ schließen ist, so hat überall da, wo ein Urteil erfordert wird, eine Hauptverhandlung voranzugehen. Der Grundsatz, den der § 50 ausspricht, bezieht sich auf die die Anklage erledigende, abschließende Gerichtsent­ scheidung, die zu ergehen hat, wenn das Zwischen­ verfahren (§ 35) erledigt ist. E r gilt demnach nicht für vorläufige Entscheidungen, wie die vorläufige Einstellung des Verfahrens durch Beschluß nach § 38 (vgl. Begründung zu § 38 des Entwurfs) und für die durch Beschluß auszusprechende Verweisung der Sache an das zuständige Gericht nach § 90. Die Vorschrift gilt nicht nur für die sachliche Entscheidung über die Anklage, sondern auch für die Entscheidung über Ver­ fahrenshindernisse, die eine Sachentscheidung aus­ schließen. Wegen solcher Verfahrenshindernisse kann das Verfahren übrigens außerhalb der Hauptverhand­ lung nach § 39 durch Beschluß eingestellt werden.

Aus beut auch das neue Strafverfahren beherr­ schenden Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittel­ barkeit ergibt sich, daß bei der Urteilsfindung nur die Richter mitwirken können, die der ganzen Haupt­ verhandlung beigewohnt haben. § 50 zieht daraus die notwendige Folgerung, indem er für die ganze Hauptverhandlung einschließlich der Beratung die ständige Anwesenheit der zur Urteilsfindung beru­ fenen Richter vorschreibt. Nur für die Urteilsver­ kündung trifft § 93 Abs. 3 des Entwurfs eine vom geltenden Recht abweichende Sonderregelung. § 51

Vor s i t z e r unb Geri cht § 51 regelt die Verhandlungsleitung nach dem Grundsatz des Führergedankens. D as bedeutet eine grundlegende Abkehr vom geltenden Recht. Gegen­ wärtig ist der Vorsitzer nur auf dem Gebiet der äußeren Verhandlungsleitung unbeschränkt Führer der Hauptverhandlung (z. B. für Eröffnung, Schließung und für die Bestimmung der Reihenfolge der Beweisaufnahme). Bei den auf die „Sachleitung" bezüglichen Anordnungen des Vorsitzers (z. B. E nt­ scheidung über Vereidigung, Zurückweisung von Fragen, Verlesung von Urkunden) hat dagegen in den mit mehreren Richtern besetzten Gerichten das gesamte Gericht zu entscheiden, wenn ein bei der Ver­ handlung Beteiligter die Anordnung des Vorsitzers als unzulässig beanstandet (§ 238 Äbs. 2 S tP O .). Der Entwurf steht demgegenüber auf dem S tan d ­ punkt, daß der Führergedanke, der sich seit der nationalsozialistischen Revolution im öffentlichen und privaten Leben immer mehr durchgesetzt hat, auch im Strafverfahren jedenfalls dort am Platz ist, wo nicht reine Erkenntnistätigkeit in Frage kommt. Dies gilt vor allem für die Verhandlungsleitung. Die Führung der Verhandlung durch eine mit weitgehender Bewe­ gungsfreiheit ausgestattete, zugleich aber durch Ver­ antwortung gebundene Einzelpersönlichkeit gewähr­ leistet hier am besten eine schnelle und straffe Verhandlungsführung. Die Möglichkeit, die Beisitzer gegen den Vorsitzer auszuspielen, schäd'igt nicht nur das Ansehen des Vorsitzers, sondern auch die Autori­ tät des Gerichts. Die im einzelnen vielfach zweifel­ hafte und unübersichtliche Überprüfung der Verhand­ lungsleitung durch das Gericht ist auch deshalb bedenklich, weil sie die Möglichkeit rein formaler Rügen eröffnet, die vom Standpunkt des neuen Verfahrensrechtes aus unerwünscht sind. Die Tätigkeit der mitwirkenden Richter beschränkt sich künftig bei der Verhandlungsleitung auf die Be­ ratung des Vorsitzers. Die Mitentscheidung der Beisitzer ist damit auch für diejenigen Entschließungen beseitigt, die die Unterlagen für die Beweisführung ergeben sollen und damit die Urteilsfindung selbst berühren. Der Entwurf hat davon abgesehen, dem Vorsitzer etwa für die wichtigeren Fälle der Sach­ leitung eine Anhörung der Beisitzer zwingend vorzu­ schreiben. D a jedoch nach § 80 das gesamte Gericht das Urteil zu fällen hat, so wird der Vorsitzer schon von sich aus die mitwirkenden Richter bei allen An­ ordnungen, die für die Bildung der Urteilsgrundlage wesentlich sind, hören und aus ihre Meinung Rücksicht

nehmell, so insbesondere dann, wenn ein mitwirkender Richter entgegen der Ansicht des Vorsitzers eine Be­ weiserhebung oder die persönliche Anwesenheit des Angeklagten für angebracht hält. Die mitwirkenden Richter ihrerseits sind verpflichtet, den Vorsitzer zu beraten, falls er sie bei einer die Sachleitung be­ treffenden Entscheidung nach ihrer Meinung fragt. Die Neugestaltung der Verhandlungsleitung schließt naturgemäß nicht aus, daß außer den mit­ wirkenden Richtern auch der S taatsanw alt und die Beteiligten durch Anträge und Anregungen auf eine sachgemäße Verhandlungsleituug hinwirken. Die Möglichkeit zur Beanstandung gesetzwidriger M aß­ nahmen des Vorsitzers durch Rechtsmittel gegen das Urteil, insbesondere die Urteilsrüge, bleibt offen. Die Bestinunung, daß der Vorsitzer die Entschei­ dungen trifft, die dem Urteil vorangehen, gilt nur, soweit nicht das Gesetz im Einzelfall ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Eine solche Ausnahme sieht der Entwurf für die Entscheidung über die Ausdeh­ nung der Allklage (§ 61) und die Ausscheidung von Unwesentlichem (§ 62) vor. § 52 A n w e s e n h e i t des S t a a t s a n w a l t s ii ii t) d e s S c h r i f t f ü h r e r s § 50 Abs. 2 bestimmt, daß die erkennenden Richter in der Hauptverhandlung ununterbrochen anwesend sein müssen. Entsprechendes gilt nach § 52 für Staatsanw alt und Schriftführer. Während jedoch die erkennenden Richter der ganzen Hauptverhand­ lung beiwohnen müssen, kann der Schriftführer wechseln. Die ständige Anwesenheit desselben Staatsanw alts schreibt der Entwurf zwar nicht zwingend vor, den Zielen des Entwurfs wird es jedoch entsprechen, wenn derselbe S taatsanw alt, und zwar nach Möglichkeit der, der das Vorverfahren geführt hat, die Anklage in der Hauptverhandlung ständig vertritt; er kann natürlich durch einen oder mehrere andere Staatsanw älte, die wechseln können, unterstützt werden. D as Nähere wird hierzu durch Verwaltungsanordnung zu regeln sein. Die Frage, ob für denselben Angeklagten mehrere Verteidiger in der Hauptverhandlung auftreten können, wird im Entwurf nicht ausdrücklich geregelt. D a der Angeklagte in der Wahl des Verteidigers grundsätzlich frei ist, so ergibt sich, daß er in der Hauptverhandlung auch mehrere Verteidiger zuziehen kann. Die §§ 53 bis 57 behandeln die Frage, wann ausnahmsweise ohne den Angeklagten und seinen Verteidiger verhandelt werden kann. An die Spitze stellt der Entwurf den Grundsatz, daß der Angeklagte, soweit das Gesetz nicht anderes bestimmt, in der Hauptverhandlung anwesend sein muß (§ 53 Abs. 1). Der Entwurf bekennt sich damit zu dem Grundsatz, daß die An­ wesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erfor­ schung der Wahrheit und für den Ürteilsspruch bildet,

und daß das Gericht seiner Pflicht zur unmittelbaren Beurteilung aller Erkenntnisquellen nur dann völlig genügen kann, wenn es den Angeklagten selbst vor sich sieht und ihn mit seiner Verteidigung hört. Von diesem Grundgedanken aus sind alle Einzelvor­ schriften auszulegen. Die Ausnahmen von der Anwesenheitspflicht des Angeklagten sind gegenüber dem bisherigen Recht teil­ weise neu (§ 54 Abs. 2) und teilweise erweitert (§§ 55, 56 Abs. 2). F ü r gewisse Verfahrensteile und für besondere Verfahrensarten ist die Anwesenheitspslicht des Angeklagten (und seines Verteidigers) durch Sonderbestimmungen geregelt (vgl. §§ 93, 328, 339, 398, 401 ff., 413, 416, 435). Wird ohne den Angeklagten verhandelt und treten hierbei neue Gesichtspunkte hervor, die eine andere Würdigung der T at zur Folge haben, so ist nach geltendem Recht eine weitere Durchführung der Hauptverhandluug ohne den Angeklagten meist un­ möglich. § 76 Satz 2 gibt jetzt die Möglichkeit, untergewissen Voraussetzungen von einem Hinweis des Angeklagten auf die inzwischen eingetretene Änderung der Sachlage abzusehen. I m einzelnen ist folgendes zu bemerken: § 53 P f l i c h t des A n g e k l a g t e n zum

Er s c he i ne n Die Vorschrift entspricht, abgesehen von Absatz 4, im wesentlichen dem bisherigen Recht (§§ 230, 217 Abs. 2, § 228 Abs. 3 S tP O .). Bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten wird jedoch seine Vor­ führung oder Verhaftung nicht mehr zwingend vor­ geschrieben; das bisherige Recht enthält insoweit eine unnötige Härte, da ein nicht böswilliger Angeklagter auch durch weniger einschneidende M ittel zum E r­ scheinen veranlaßt werden kann. Die Vorführung oder Verhaftung setzt einen entsprechenden Hinweis in der Ladung voraus. Die Folgen, die sich aus der Nichteinhaltung der Ladungsfrist ergeben, sind die gleichen wie im bisherigen Recht. Der Antrag des Angeklagten auf Aussetzung der Hauptverhandlung ist bis zum Beginn der Vernehmung über die Anklage zu stellen. Nach dem Absatz 4 kann auch der Verteidiger die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen, wenn die Ladungsfrist ihm oder dem Angeklagten gegenüber nicht eingehalten ist. Diese Befugnis hat der Ver­ teidiger in beiden Fällen aus eigenem Recht, sodaß er insoweit von den Erklärungen des Angeklagten unabhängig ist. Der gewählte Verteidiger kann die Aussetzung nur dann verlangen, wenn seine Wahl dem Gericht so zeitig angezeigt worden ist, daß er unter Wahrung der Ladungsfrist hätte geladen werden können. § 54 Pf l i cht des A n g e k l a g t e n zur Anwesenheit Absatz 1 Satz 1 stellt zunächst klar, daß die Pflicht zur Anwesenheit, die der § 53 Abs. 1 ausspricht, auch

ausschließt, daß sich der Angeklagte eigenmächtig, wenn auch n u r vorübergehend, aus der Hauptverhandluug entfernt. D e r Satz 2 gibt dem Vorsitzer die Befugnis, dem Angeklagten Freiheitsbeschränkungen aufzuerlegen, auch wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorliegen. D ie Freiheitsbeschrän­ kungen können auch weniger einschneidend sein als eine Verhaftung, insbesondere in einer Bewachung oder Verwahrung bestehen. Nach Absatz 2 kann der Vorsitzer einen M itan g e ­ klagten von der Verhandlung beurlauben, während F ragen erörtert werden, an denen er nicht beteiligt ist. Diese Regelung entspricht einem dringenden praktischen B edürfnis. I n größeren Strafverfahren, die sich gegen mehrere Angeklagte richten, beschränkt sich die Verhandlung häufig längere Z e it hindurch auf solche Vorgänge, die n u r den einen oder den anderen Angeklagten betreffen. D ie Anwesenheit der nicht betroffenen M itangeklagten ist dann häufig entbehr­ lich. W ird ein von bestimmten Verhandlungsteilen nicht betroffener M itangeklagter verhandlungsun­ fähig, so kann nach der gegenwärtigen Gesetzeslage die Verhandlung auch insoweit nicht fortgesetzt werden, als sie sich ausschließlich gegen andere M it ­ angeklagte richtet. Dem Gericht bleibt dann n ur die W a h l, entweder das gesamte Verfahren zu unter­ brechen oder auszusetzen, oder aber — was meist ebenso unzweckmäßig ist — das Verfahren gegen den verhandlungsunfähigen M itangeklagten dauernd ab­ zutrennen. D ie Gerichtspraxis hat sich vielfach in der Weise geholfen, daß sie das Verfahren gegen den Angeklagten, dessen Beurlaubung ermöglicht werden sollte, für die Dauer der Verhandlungsunsähigkeit v o rlä u fig abtrennte und aussetzte und später m it dem anderen Verfahren wieder vereinigte. Nach § 54 Abs. 2 des E n tw u rfs ist der Umweg über eine vo r­ läufige Abtrennung und spätere Wiederverbindung des Verfahrens entbehrlich. D ie Beurlaubung be­ darf auch keines förmlichen Beschlusses, wenngleich ein solcher häufig zweckntäßig sein w ird , um für alle B eteiligten erkennbar den Zeitpunkt förmlich festzu­ legen, von dem ab die Verhandlung sich nicht mehr gegen den beurlaubten M itangeklagten richtet. D ie Umstände, die während der Beurlaubung des M ita n ­ geklagten zur Sprache gekommen sind, dürfen n a tu r­ gemäß bei deut U rte il gegen den beurlaubten M it ­ angeklagten nicht verwertet werden. S o ll dies ge­ schehen, so muß die Verhandlung insoweit in Gegen­ w a rt des beurlaubten M itangeklagten erneuert werden. § 51 Abs. 3 w ill dem Angeklagten die Möglichkeit abschneiden, eine bereits begonnene Hauptverhand­ lung, vielleicht noch kurz vor ihrem Abschluß, durch sein Fernbleiben zu vereiteln. D ie Vorschrift ist daher n ur dann anwendbar, wenn der Angeklagte aus Uugehorsam fernbleibt. D ie F o rtfü h ru n g der Haupt­ verhandlung ohne den Angeklagten setzt voraus, daß er bereits über die Anklage vernommen worden ist und daß unter seiner Abwesenheit die Erforschung der W ahrheit nicht leidet. D ie Vernehmung über die A n ­ klage muß vor dem erkennenden Gericht selbst statt­ gefunden haben. Is t der Angeklagte ohne eigenes Verschulden ferngeblieben, so kann er nach § 58 die W iederholung der Hauptverhandlung verlangen.

V o r ü b e r g e h e n d e Au s s c h l i e ß u n g eines

Angeklagten

§ 55 regelt die vorübergehende Ausschließung des Angeklagten von der Verhandlung. Absatz 1 hat gegenüber § 247 Abs. 1 S tP O , eine allgemeinere Fassung erhalten. Nicht nur fü r den F a ll, daß die Anwesenheit des Angeklagten die W ahrheit des Zeugnisses beeinträchtigen würde, soll die Ausschließung des Angeklagten zulässig sein, sondern schon allgemein dann, wenn seine Anwesenheit eine Erschwerung der Wahrheitserforschung befürchten läßt. D a m it w ird auch der F a ll einbezogen, daß ein Zeuge oder M itangeklagter verständliche Gründe dafür anführt, daß er in Gegenwart des Angeklagten nicht aussagen möchte. Neben den Mitangeklagten und Zeugen nennt der E n tw u rf auch die Sachverstän­ digen. Dies entspricht einem praktischen Bedürfnis. D ie Ausschließung ist jedoch nicht während der V e r­ eidigung zulässig; die Anwesenheit des Angeklagten kann während dieses T e ils der Vernehmung der Wahrheitserforschung nicht schaden, sondern nur nützen. Außer bett F ällen der Erschwerung der W a h r­ heitserforschung besieht ein Bedürfnis, den Angeklag­ ten von gewissen Erörterungen in der Hauptve'rhandlung fernzuhalten, auch dann, wenn die Aufnahme des Beweises in seinerGegenwart die öffentliche Sicherheit gefährden würde. Dies w ird beispielsweise dann zu­ treffen, wenn ein Vertrauensmann der P o lizei ver­ nommen werden soll, dessen Persönlichkeit dem Angeklagten nicht bekannt werden darf, oder k rim in a l­ technische Verfahren erörtert werden, deren Geheim­ haltung im Interesse der Verbrechensbekämpfung not­ wendig ist. F ü r das Verfahren vo r dem Volks­ gerichtshof und den Oberlandesgerichten g ilt daneben die Sondervorschrift des § 263. Neu ist Absatz 2, wonach die zeitweilige F ern h a l­ tung des Angeklagten angeordnet werden kann, wenn Erörterungen über seinen körperlichen oder geistigen Zustand oder über ärztliche Fragen seine Gesundheit ernstlich gefährden würden; hier ist namentlich an Fälle gedacht, in denen eine rückhaltlose Darstellung des Krankheitsbildes zur völligen Z errüttu n g des Erkrankten führen kann, oder die E rörterung der Wirkungen sichernder Maßregeln, insbesondere der Entm annung, psychische Störungen zur Folge habeu kann, während die nachträgliche M itte ilu n g der wesentlichen Punkte durch den Vorsitzer so gestaltet werden kann, daß sie den Angeklagten weitgehend schont. D er E n tw u rf hebt aber ausdrücklich hervor, daß unter dieser Rücksichtnahme auf den Angeklagten die Erforschung der W ahrheit nicht leiden darf. F ü r Zeugen bedarf es einer ähnlichen Schutzvorschrift nicht, da es in t Ermessen des Vorsitzers liegt, ob und inw iew eit er ihnen die Anwesenheit bei der Beweis­ aufnahme gestatten w ill. Nach § 55 Abs. 3 ist der Angeklagte über den wesentlichen I n h a lt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Das. entspricht dem geltenden Recht. Während jedoch im bisherigen Recht der A n ­ geklagte alsbald nach seiner W iedervorlasiung zu unterrichten w ar, überläßt der E n tw u rf den Zeitpunkt

der Unterrichtung dem Ermessen des Vorsitzers. D as Interesse an einer sachgemäßen Verteidigung des Angeklagten erfordert aber, daß der Vorsitzer den Angeklagten in der Regel v o r der Vereidigung des Zeugen über dessen Aussage unterrichtet. § 56 Verhandlung

ohne

bcn

Ai r g e k l a g t e n

D e r § 48 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Angeklagten gestattet werden karrn, der Haupt­ verhandlung fern zu bleiben, und welche Maßnahmen in diesem F a ll noch vor der Hauptverhandlung zu treffen sind. § 56 Abs. 1 läßt eine V erurteilung des befreiten und nicht erschienenen Angeklagten n u r in bestimmten Grenzen zu. Näheres hierüber ist bei § 48 gesagt. W ill das Gericht auf eine nach A r t oder M aß höhere S tra fe oder auf eine andere sichernde M aßregel erkennen, so muß der Vorsitzer eine neue Hauptverhandlung anberaumen und den Ange­ klagten hierzu ohne Befreiung von der P flich t zum Erscheinen laden. D e r Absatz 1 bezieht sich m ir auf den F a ll des § 48 Abs. 1, nicht aber auf die Fälle, in denen der Angeklagte ohne E rla u b n is ausbleibt (§ 54 Abs. 3), oder in denen er m it E rla u b n is des Vorsitzers der Hauptverhandlung m ir vorübergehend fernbleibt (§ 54 Abs. 2, § 55). D e r Absatz 2 regelt die F älle, in denen der Ange­ klagte trotz ordnungsmäßiger Ladung unentschuldigt ausbleibt (soweit nicht schon in § 54 eine Regelung getroffen ist). Das bisherige Recht (§ 232 S tP O .) läßt in diesen Fällen — abgesehen von dem durch die Novelle vom 28. J u n i 1935 eingeführten Verfahren gegen Flüchtige. — eine Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nur bei solchen S tra ftate n zu, die m it Geldstrafe, Hast oder Einziehung, allein oder in V e r­ bindung m iteinander, bedroht sind, also im allge­ meinen n u r bei Übertretungen und einigen gering­ fügigen Vergehen. Dies hat in der gerichtlichen P ra x is zu Mißständen geführt. Auch bei geringen m it Gefängnis bedrohten Taten bleibt erfahrungs­ gemäß der Angeklagte häufig aus. I m geltenden Recht muß in solchen F ällen die Vorführung oder die Verhaftung des Angeklagten angeordnet und bis zu ih rer Vollziehung die Verhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden. S o fü h rt bei der jetzigen Regelung der Ungehorsam des Angeklagten gerade bei unbedeutenderen S tra fta te n zu Verschleppungen, die die geordnete Tätigkeit des Gerichts stören und die vergeblich geladenen Zeugen belästigen. D e r E n tw u rf erweitert deshalb — allerdings n u r in vorsichtigen Grenzen — die Möglichkeit zur Verhandlung gegen den unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten. Eben­ so wie bei § 48 (§ 56 Abs. 1) unterscheidet der E n t­ w u rf nicht mehr nach A r t und Höhe der angedrohten S tra fe , vielm ehr soll es allein darauf ankommen, ob nach dem Ermessen des Vorsitzers nicht mehr als Freiheitsstrafe bis zu einem M o n a t, Geldstrafe, V e r­ fallerklärung, Verw arnung m it S trafvorbehalt, E in ­ ziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. Aus der Fassung des § 56 Abs. 2 ergibt sich, daß gleichzeitig aus mehrere A rten der bezeichneten S tra fe n und

sichernden M aßregeln erkannt werden darf, daß aber die fü r die Höhe der S tra fe n gezogenen Grenzen auch im Falle der fü r mehrere selbständige Taten zu ver­ hängenden Einheitsstrafe eingehalten werden müssen. Is t nach dem Ergebnis der Verhandlung auf eine S tra fe zu erkennen, die die gezogenen Grenzen über­ schreitet, so muß die Verhandlung ausgesetzt und nach erneuter Ladung des Angeklagten in dessen Anwesen­ heit erneuert werden. Wenn nach § 56 Abs. 2 ohne den Angeklagten verhandelt werden kann, so muß der Angeklagte auf Weisung des Vorsitzers bei der Ladung darauf h in ­ gewiesen werden (§ 40 Abs. 3). Dieser Hinweis bildet eine Voraussetzung fü r die Zulässigkeit des Verfahrens. D a auch die öffentliche Ladung zu den ordnungsmäßigen Ladungen gehört (§§ 288, 289), ist das Ungehorsamsverfahren des § 56 Abs. 2 auch im Falle der öffentlichen Ladung zulässig. I s t ein U rte il nach § 56 Abs. 2 ergangen und hat der Angeklagte die Hauptverhandlung ohne eigenes Verschulden versäumt, so hat er außer den allgemeinen Rechtsbehelfen gegen das U rte il die Möglichkeit, die Wiederholung der Hauptverhandlung zu verlangen (§ 58 ). § 57 Verhandlung

ohne

den

Verteidiger

§ 57 regelt die Frage, ob und inw iew eit der V e r­ teidiger in der Hauptverhandlung anwesend sein muß und welche Folgen sich aus seinem Ausbleiben er­ geben. Is t die Verteidigung notwendig (§ 138) oder ein Verteidiger nach § 139 bestellt, so ist die M itw irk u n g des Verteidigers in der Hauptverhand­ lung unerläßlich. I s t der zunächst bestellte Verteidiger verhindert, so ist entweder sofort ein neuer Verteidiger zu bestellen oder die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2). Häufig w ird letzteres zweckmäßig sein, da die Haupt­ verhandlung unterbrochen oder ausgesetzt werden muß, wenn der neue Verteidiger erklärt, daß er ohne Vorbereitung nicht verteidigen könne, und da der frühere Verteidiger in der Regel nicht ohne zwingende Gründe ausgeblieben sein w ird . — Neben den bereits im geltenden Recht vorgesehenen Hinderungsgründen, die zur Unterbrechung oder Aussetzung der Verhand­ lung oder zur Bestellung eines neuen Verteidigers führen (Ausbleiben, unzeitiges Entfernen, Ablehnung der Verteidigung), nennt der E n tw u rf noch den weiteren F a ll, daß der Verteidiger die Verteidigung „nicht fortführen kann". Gedacht ist dabei z. B . an die Möglichkeit, daß die Genehmigung zur W ahl eines Verteidigers zurückgenommen w ird (§ 261). Absah 2 gibt dem Vorsitzer (entsprechend § 54 Absatz 2) die Möglichkeit, aus seinen A n tra g den V e r­ teidiger eines von mehreren Mitangeklagten in den F ällen der §§ 138 und 139 von der Anwesenheits­ pflicht zu befreien, solange Fragen erörtert werden, an denen der von ihm verteidigte Angeklagte nicht beteiligt ist. I n solchen F ällen würde die Anwesen­ heitspflicht häufig eine unnötige Inanspruchnahme sowohl von Z eit und A rbeitskraft des Verteidigers wie auch der fü r die notwendige Verteidigung ver­ fügbaren S ta a tsm itte l bedeuten.

D er § 79 Abs. 1 bestimmt ergänzend allgemein, daß der Vorsitzer nach seinem pflichtmäßigen Ermessen die Hauptverhandlung unterbrechen oder aussetzen muß, wenn er gur Überzeugung kommt, daß dies zur besseren Vorbereitung der Verteidigung erforderlich ist. B le ib t in den F ällen, in denen die Verteidigung weder notwendig ist (§ 138) noch ein Verteidiger nach § 139 bestellt ist, der gewählte V er­ teidiger aus oder legt er die Verteidigung nieder, so ist fü r die Unterbrechung oder Aussetzung der Hailptverhandlung demnach der § 79 maßgebend. § 58 W iederholung einer versäumten H a u p t v er h a n d l u n g D as bisherige Recht (§§ 235, 329 Abs. 2 S tP O .) behandelt die W iederholung einer versäumten Haupt­ verhandlung als einen U nterfall der „W iederein­ setzung in den vorigen S ta n d " gegen Fristversäum­ nisse. D er E n tw u rf hat die „Wiedereinsetzung in den vorigen S ta n d " in dieser F o rm nicht übernommen; er gibt statt dessen den Beteiligten bei unverschuldeter Fristversäumnis die Möglichkeit, die versäumte Handlung nachzuholen (§ 292), bei unverschuldeter Versäumung der Hauptverhandlung das Recht auf Wiederholung der Hauptverhandlung. § 58 entspricht sachlich dem § 235 (44) S tP O . Eine Verhinderung des Allgeklagten durch „N a tu r­ ereignisse oder andere unabwendbare Z ufälle" (so § 235 m it 44 S tP O .) w ird nicht mehr vorausgesetzt. Es genügt, daß der Angeklagte „ohne eigenes V e r­ schulden" die Hauptverhandlung versäumt hat. Die Gründe dieser Erw eiterung sind bei § 292 dargelegt. D ie Versäumung eines Teiles der Hauptverhandlnng ist der Versäumung der ganzen Hauptverhandlung wegen der in § 54 Abs. 3 geregelten F älle gleich­ gestellt. D as Verfahren ist auch fü r die Wiederholung der Hailptverhandlung, die im Rechtszug der Berufung (§ 328 Abs. 2) lutb der U rteilsrüge (§ 345) nötig w ird , in den §§ 351 bis 353 des E n tw u rfs gemeinsam geregelt. § 59 Gang

der

H a u p t v er h a n d l u n g

D e r Gang der Verhandlung, den § 59 in seinen wesentlichen T eilen wiedergibt, ist gegenüber hem bisherigen Recht (§ 243 S tP O .) etwas verändert. D ie Hauptverhandlung beginnt künftig m it der förm ­ lichen Eröffnung durch den Vorsitzer, nicht wie bisher m it dem A u fru f der Zeugen und Sachverständigen, w e il solche nicht im m er vorhanden sind, der Zeitpunkt des Beginns aber fü r die Zurücknahme der Anklage (§ 29) und der Anordnung, der Zustimmung und des Verlangens der S tra fve rfo lg u n g (§ 274), auch für die Feststellung einer S ä um nis des Angeklagten ('§ 328), von Bedeutung ist. K ü n ftig soll der Vorsitzer bei Beginn der Verhandlung auch feststellen, ob Be­ w eism ittel anderer A r t als Zeugen und Sachver­ ständige, insbesondere Urkunden nub andere Beweis­ stücke, von denen in der Hauptverhandlung Gebrauch gemacht werden soll, zur Stelle sind.

Nach dieser Feststellung verlassen die Zeugen den Sitzungssaal. Hierauf vernim m t der Vorsitzer den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse. D er E n tw u rf sieht vor, daß alsdann der S ta a tsa n w a lt die Anklage m it dem Anklagesatz vorträgt. Diese Neue­ rung unterstreicht die S tellung des S ta a tsa n w a lts als Ankläger in der Hailptverhandlung und ist eine n a tü r­ liche Folgerung aus dem Anklagegrundsatz. S ie ver­ meidet ailch den M angel des bisherigen Verfahrens, den Eröffnungsbeschluß durch den Vorsitzer verlesen zu lassen, was oft den Anschein erwecken könnte, als ob der Vorsitzer sich den Anklagevorw urf zu eigen gemacht habe. D ie Ausführungen des S ta a tsa n w a lts dürfen keine vorweggenommene Anklagerede sein. D er S ta a tsa n w a lt soll den Anklagesatz nicht verlesen, sondern frei sprechen. Dabei hat er den Anklagesatz und im übrigen den wesentlichen I n h a lt der Anklage vorzutragen, damit insbesondere die Volksrichter daraus entnehmen können, was dem Angeklagten zur Last gelegt w ird . D ie M itte ilu n g des Anklagesatzes ist vorgeschrieben, w e il er den Gegenstand der V e r­ handlung nach der persönlichen und sachlichen Seite bestimmt. Beim V o rtra g der Anklage hat der S ta a ts ­ a n w alt diejenigen Taten als I n h a lt der Anklage fortzulassen, wegen deren das Gericht abgelehnt hat, die Hauptverhandlung anzuberaumen (§ 35 Abs. 4), denn diese Taten sind nicht Gegenstand der Haupt­ verhandlung. B e i der rechtlichen B eurteilung der T a t w ird sich der S ta a tsa n w a lt im allgemeinen m it den im Strafgesetzbuch gebrauchten Bezeichnungen der T a t begnügen können, wenn sie zum Verständnis aus­ reichen. Dnrch die Satzfolge des Absatzes 2 ist klar­ gestellt, daß die Zeugen bei dem V o rtra g des S ta a ts ­ anw alts und bei der Vernehmung des Angeklagten nicht zugegen sein dürfen. Nach dem V o rtra g des Anklagesatzes vernim m t der Vorsitzer den Angeklagten über die Anklage. W ird ohne den Angeklagten verhandelt (vgl. § 56 Abs. 1 und 2), so werden nach Absatz 3 Aussagen, die der Angeklagte bei seiner früheren Vernehmung vor einem Richter oder einem S ta a tsa n w a lt gemacht hat, verlesen. Das g ilt insbesondere, wenn der Angeklagte m it E rla u b n is des Vorsitzers nach § 56 Abs. 1 der Hauptverhandlung fernbleibt, aber auch fü r andere F älle der Verhandlung in Abwesenheit des Ange­ klagten, etwa im Flüchtigenverfahren. D ie Verlesung anderer Erklärungen des Angeklagten ist in das E r­ messen des Vorsitzers gestellt. D as geltende Recht kennt bei Abwesenheit des Angeklagten n u r eine V e r­ lesung richterlicher Niederschriften. D er E n tw u rf w ill demgegenüber beim Ausbleiben des Angeklagten alle Möglichkeiten zur Wahrheitserforschung ausschöpfen. § 59 Abs. 4 entspricht im wesentlichen der V o r­ schrift in § 258 des bisherigen Rechts. D ie E rte ilu n g des W ortes an den Verteidiger w ird jetzt ausdrücklich vorgeschrieben. Nach dem Verteidiger muß auch der Angeklagte selbst zu W o rt kommen. D e r E n tw u rf hält daran fest, daß der Angeklagte das letzte W o rt haben soll, ehe das Gericht das U rte il fä llt. Eine ausdrückliche Befragung des Angeklagten, ob er selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe (§ 258 Abs. 3 S tP O .) w ird nicht mehr erfordert, wenngleich dies häufig notwendig sein unb m it der E rte ilu n g des letzten W ortes zusammenfallen w ird.

Daß dem S ta a tsa n w a lt das Recht zur Erwiderung zusteht (§ 258 Abs. 2 S tP O .), bedarf keiner beson­ deren Erwähnung. Recht und P flicht des Vorsitzers zur Verhand­ lungsleitung (§ 51) erstrecken sich auch aus die Schluß­ vorträge. D er E n tw u rf enthält keine Vorschriften fü r den I n h a lt der Schlußvorträge; er geht jedoch davon aus, daß zum Schlußvortrag des S ta a tsa n ­ w a lts gehört, einen bestimmten A n tra g zu stellen. § 259 des bisherigen Rechts, der die Übertragung der Schlußvorträge bei sprachunkundigen und tauben Angeklagten durch den Dolmetscher regelt, soll in den E n tw u rf eines Gerichtsverfassungsgesetzes über111)111111611 werden. Den Abschluß und somit auch einen T e il der Hauptverhandlung bildet die Verkündung des U rteils; dies g ilt auch dann, wenn die Hauptverhandlung ausnahmsweise unm ittelbar vor der Verkündung des U rteils unterbrochen w a r (§ 93). Durch § 59 w ird die Reihenfolge der einzelnen Verhandlungsteile nicht unbedingt zwingend fest­ gelegt; Abweichungen, die sich im E inzelfall fü r die Wahrheitserforschung als notwendig erweisen, sind wie bisher nach dem Ermessen des Vorsitzers zulässig. § 60

Fragerecht D ie Regelung, die der E n tw u rf fü r das Fragerecht vorsieht, enthält wichtige Abweichungen vom bishe­ rigen Recht (§§ 239 bis 242 S tP O .'). Nach § 242 (LtP O . werden Z w eifel über die Zulässigkeit einer Frage in allen Fällen vom Gericht entschieden. Nach dem E n tw u rf soll dagegen — in folgerichtiger Durch­ führung des Führergedankens (§ 51) — über die Zulässigkeit einer Frage der Vorsitzer allein und ab­ schließend entscheiden. Diese Regelung beruht auf den gleichen Gründen, die allgemein fü r die Einführung des Führergrundsatzes bei der Verhandlungsleitung sprechen. S tra ffe und zielsichere Verhandlungsleitung sollen dadurch gewährleistet werden. D as Ansehen des Gerichts und des Vorsitzers w ird gehoben, wenn die Möglichkeit beseitigt w ird , das Gericht gegen den Vorsitzer auszuspielen (vgl. die Begründung zu § 51). D er E n tw u rf unterscheidet — entgegen dem bis­ herigen Recht — nicht mehr zwischen dem Fragerecht der mitwirkenden Berufsrichter einerseits (§ 240 Abs. 1 S tP O .) und dem des S ta a tsa n w a lts, des A n ­ geklagten, des Verteidigers und der Schössen anderer­ seits (§ 240 Abs. 2, § 241 Abs. 2 S tP O .). Vielm ehr regelt er die Befugnis, nicht zur Sache gehörende oder ungeeignete Fragen zurückzuweisen, fü r alle gemein­ sam, da die verschiedene Behandlung der Berufsrichter und der Volksrichter den Grundsätzen des E ntw urfs widerspricht. Richter, S ta a tsa n w a lt, Verteidiger und Ange­ klagter haben ein Recht darauf, die Zeugen und Sach­ verständigen zu befragen, und zwar nicht nur derart, daß die eine oder andere Frage gestellt, sondern auch ein zusammenhängender Sachverhalt durch eine Gruppe von Fragen aufgeklärt w ird . I n dieser Be­ fugnis liegt auch das Recht, Vorhaltungen zu machen. Es ist nicht vom Ermessen des Vorsitzers abhängig.

D er Vorsitzer kann auch nicht verlangen, daß der zur S tellung von Fragen Berechtigte ihm die beabsich­ tigte Frage zuvor m itte ilt. D e r Vorsitzer kann aber gestellte Fragen zurückweisen, wenn sie nicht zur (2 ache gehören oder ungeeignet sind. Nach der Regelung des bisherigen Rechts obliegt die Vernehmung des Angeklagten ausschließlich dem Vorsitzer; von seinem freien Ermessen hängt es ab, ob er eine Frage zulassen und gegebenenfalls selbst an den Angeklagten richten oder die unm ittelbare Befragung gestatten w ill. D e r E n tw u rf übernim mt diese Regelung. S ie entspricht der Stellung, die dex Vorsitzer nach dem E n tw u rf in der Hauptverhandlung einnim m t, und bietet die beste Gewähr fü r die E r ­ forschung der Wahrheit. Das Vernehmungsergebnis, das der Vorsitzer gewonnen hat, könnte leicht getrübt werden, wenn man den anderen am Verfahren be­ teiligten Personen das Recht geben würde, nach der Vernehmung des Angeklagten durch den Vorsitzer an den Angeklagten unm ittelbar Fragen zu richten. D as sog. Kreuzverhör des bisherigen Rechts (§ 239 S tP O .) hat der E n tw u rf nicht übernommen. D ie Übertragung der Zeugenvernehmung auf S ta a ts ­ an w a lt und Verteidiger unter (einstweiliger) A u s ­ schaltung des Vorsitzers wäre m it der Führerstellung des Vorsitzers (§ 51) und m it der P flicht des Gerichts, die W ahrheit von Am ts wegen zu erforschen (§ 64), unvereinbar. D as Kreuzverhör steht in engstem Z u ­ sammenhang m it dem Gedanken des sog. P a rte i­ prozesses, den der E n tw u rf ablehnt. Außerdem hat das Kreuzverhör in der gerichtlichen P ra xis kaum Leben gewonnen. Wurde es gelegentlich angewandt, so hat es meist dann versagt, wenn es auf die schwierige Feststellung innerer Tatsachen ankam. D ie Gefahr eines Mißbrauchs, insbesondere durch suggestive Fragen, kann auch dadurch nicht ganz aus­ geschlossen werden, daß der Vorsitzer nach der Rege­ lung des bisherigen Rechts bei Mißbrauch einschreiten (§ 241 Abs. 1) und nach Abschluß des Kreuzverhörs selbst ergänzende Fragen stellen kann (§ 239 Abs. 2 S tP O .). § 61

A n s d e h n u n g der A n k l a g e § 61 gestattet die Ausdehnung der Verhandlung auf eine in der Anklage nicht bezeichnete T at. § 61 g ilt n u r fü r die Einbeziehung weiterer selbständiger S tra ftate n . B ei Tateinheit (§ 53 des Strafgesetz­ buches) bedarf es weder einer Erw eiterung der A n ­ klage durch den S ta a tsa n w a lt noch der Zustimmung des Gerichts zur Ausdehnung auf eine andere Rechts­ verletzung. D e r E n tw u rf geht insoweit über das bisherige Recht (§ 266 S tP O .) hinaus, als er eine Zustimmung des Angeklagten zur Ausdehnung der Anklage nicht mehr erfordert und auch die schwersten S tra ftate n nicht ausschließt. Dadurch soll die gemeinschaftliche A burteilung mehrerer Taten gefördert und dem Ge­ richt ermöglicht werden, fü r die von ihm zu verhän­ gende Einheitsstrafe (§ 54 des Strafgesetzbuches) ein möglichst umfassendes und einheitliches B ild von der Persönlichkeit des Täters zu gewinnen. Es ist a lle r­ dings nicht zu verkennen, daß die Einbeziehung neuer

Taten, die noch nicht im Vorverfahren geklärt worden sind, unter Umständen zu Schwierigkeiten führen kann. Der S taatsanw alt wird daher eine gewisse Zurückhaltung üben müssen. I m übrigen schützt gegen die Einbeziehung ungeeigneter Fälle die stets erforderliche Zustimmung des Gerichts, die in einem ausdrücklichen Beschluß erfolgen muß. Schließlich haben der Angeklagte und der Verteidiger auch das Recht, die Unterbrechung der Hauptverhandlung aus mindestens eine Woche zu verlangen. Im Hinblick auf dieses Recht, auf das der Angeklagte hingewiesen werden muß, ist die Ausdehnung nur zulässig, wenn der Angeklagte in der Verhandlung anwesend ist. Der Entwurf fordert für die Einbeziehung der weiteren Straftaten einen Beschluß des Gerichts und nicht nur die Zustimmung des Vorsitzers. D as ent­ spricht der Regelung des § 35, nach der nur das Gericht die Anklage zurückweisen kann. Da bei Aus­ dehnung der Anklage das Gericht bereits versammelt ist, empfiehlt es sich, auch die Entscheidung, die die Ausdehnung der Anklage zuläßt, in seine Hand zu legen, also die Regelung des Zwischenverfahrens (§§ 34, 35) nicht zu übernehmen. Gemäß § 28 wird die Anklage durch Einreichung einer Anklageschrift erhoben. Die Nachtragsanklage dagegen kann, nachdem einmal die Hauptverhandlung begonnen hat, auch mündlich erhoben werden. Die mündliche Anklage muß den In h a lt haben, der für den Anklagesatz vorgeschrieben ist; sie muß also die Tat, Zeit und O rt ihrer Begehung sowie die strafbare Handlung, die sie darstellt, und die anzu­ wendenden Strafvorschriften angeben (§ 28 Abs. 1 Nr. 2). S ie ist in die Niederschrift aufzunehmen, damit der erweiterte Gegenstand des Verfahrens stets einwandfrei festgestellt werden kann. D er Entwurf hebt hervor, daß dein Angeklagten Gelegenheit gegeben werden muß, sich gegen die Nach­ tragsanklage zu verteidigen. Diese Verteidigungs­ möglichkeit ist in derselben umfassenden Weise zu gewähren, wie in den Fällen (§ 76), in denen das Gericht eine von der Anklage abweichende rechtliche Beurteilung erwägt. § 62 Ausscheid u n g vo n Unwesent l i chen: Der § 16 gibt dem S taatsanw alt die Möglichkeit, die Verfolgung auf einzelne Taten oder auf einzelne abtrennbare Teile einer T at oder auf einzelne von mehreren (durch dieselbe T at begangene::) Rechtsver­ letzungen zu beschränken, wenn die auszuscheidenden Taten, Teile einer T at oder Rechtsverletzungen bei der Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschul­ digten und seiner Taten nicht ins Gewicht fallen. Eine entsprechende Befugnis geben die §§ 62, 63 dem Gericht im Hauptverfahren. Soweit es sich um die Ausscheidung abtrennbarer Teile einer T at oder einzelner von mehreren Rechtsverletzungen handelt, die durch eine und dieselbe T at begangen worden sind, könnten ohne eine solche Befugnis des Gerichts die mit § 16 verfolgten Zwecke nicht erreicht werden, da das Gericht nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen verpflichtet wäre, den Gegenstand der Anklage er­ schöpfend, d. h. nach allen in Frage kommenden

Gesichtspunkten zu beurteilen. Aber auch bei einer Mehrheit selbständiger Taten muß die Ausscheidungs­ möglichkeit noch im Hauptverfahren bestehen, damit die Hauptverhandlung nicht mit der Untersuchung un­ wesentlicher Vorgänge belastet wird. Die §§ 62, 63 stellen so die unentbehrliche Ergänzung des § 16 dar. Der Absatz 1 regelt, entsprechend dem § 16 Abs. 1, die Beschränkung des Verhandlungsstoffes auf ein­ zelne von mehreren selbständigen Taten. Zu den Voraussetzungen, die schon der § 16 Abs. 1 bezeichnet, tritt die Zustimmung des S taatsanw alts hinzu, da die Ausscheidung einzelner selbständiger Taten einen Eingriff in die dem S taatsanw alt gestellte Aufgabe der Strafverfolgung darstellt. Zur Entscheidung darüber, ob einzelne Taten von der Verhandlung ausgeschieden werden sollen, ist das Gericht, nicht der Vorsitzer, berufen, da diese Entscheidung nach ihrem sachlichen Gehalt mit dem Urteil unlösbar verbunden ist. Der Absatz 2 regelt, entsprechend dem § 16 Abs. 2, die Ausscheidung einzelner abtrennbarer Teile einer Tat und einzelner von mehreren Rechtsverletzungen, die durch eine und dieselbe T at begangen worden sind. Die Gründe für diese Erweiterung des bisheri­ gen Rechts (§ 154 S tP O .) sind bei § 16 dargelegt; daselbst ist auch erläutert, was unter „abtrennbaren Teilen einer T at" zu verstehen ist. Der Zustimmung des Staatsanw alts bedarf es bei Anwendung des Absatzes 2 nicht, da das Gericht hierbei nicht etwa die Aburteilung der Tat vorenthält, sondern lediglich bei Würdigung der abzuurteilenden Tat die durch den Verfahrenszweck gebotenen Grenzen zieht. I n ­ sofern ist die Sachlage anders wie in den Fällen des Absatzes 1. Die Beschränkung kann, wie Absatz 3 hervorhebt, schon bei Anberaumung der Hauptverhandlung er­ folgen. D araus folgt zugleich, daß die Beschränkung auch außerhalb der Hauptverhandlung, insbesondere zwischen deren Anberaumung und Beginn beschloßen werden kann. F ü r das Verfahren nach der Ausscheidung gilt zunächst gleichmäßig für Taten, Teile einer T at und Rechtsverletzungen der Grundsatz, daß sie im Lause der Verhandlung, und zwar auch eines späteren Rechtszuges jederzeit wieder in das Verfahren ein­ bezogen werden können (Abs. 4 S . 1). Die Wieder­ einbeziehung wird mitunter notwendig sein, wenn das Verfahren sonst zum Freispruch führen würde, oder wenn die richtige Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten sonst nicht möglich wäre. Vor Rechtskraft des Urteils hat demnach die Aus­ scheidung keine bindende Wirkung. D as weitere Verfahren nach der Ausscheidung ist verschieden, je nachdem es sich um Taten einerseits oder um Tatteile oder Rechtsverletzungen andererseits handelt. Sind selbständige Taten aus dem Verfahren ausgeschieden worden, so ist das Verfahren hinsichtlich ihrer im Urteilsspruch einzustellen (Abs. 4 Satz 2). Über die Ausscheidung einzelner abtrennbarer Tatteile oder Rechtsverletzungen haben sich lediglich die Urteils­ gründe auszusprechen. Da das Urteil in solchen Fällen wegen der Tat, die Gegenstand der Anklage ist, eine sachliche Entscheidung enthält, ist hier für

eine Einstellung des Verfahrens kein Raum. Die Wirkungen der Beschränkung des Verhandlungsstosfes aus eine spätere Verfolgung ergeben sich aus den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen. Die Rechts­ kraft des Urteils erstreckt sich auf die Taten, die Gegenstand der Anklage und damit des Urteils waren, somit auch auf ausgeschiedene unselbständige Tatteile oder Rechtsverletzungen, aber auch auf selb­ ständige Taten, hinsichtlich deren das Verfahren nach Absatz 4 Satz 2 eingestellt worden ist. Ergeben sich nachträglich neue Tatsachen oder Beweismittel, die eine andere Würdigung der ausgeschiedenen Vor­ gänge rechtfertigen, so kann das Verfahren nach Maßgabe der allgemeinen Wiederaufnahmevor­ schriften (§§ 354 ff.) wiederaufgenommen werden. Da sie auch eine Wiederaufnahme zuungunsten des Ange­ klagten ermöglichen, bedarf es im § 62 keiner beson­ deren Wiederaufnahmevorschriften. Die Sonder­ regelung, die in dem Absatz 3 bis 5 des § 154 S tP O , euthalteu ist, ist demnach für das neue Recht entbehr­ lich. § 63 Einstellung

wege n g e r i n g f ü g i g e r

Taten I m § 16 Abs. 3 ist vorgesehen, daß der S ta a ts­ anwalt von der Verfolgung absehen soll, wenn der Beschuldigte wegen einzelner von mehreren Taten schon vernrteilt ist und die übrigen noch nicht abgeurteilten Taten angesichts der bereits verhängten S trafe oder sichernden Maßregel nicht ins Gewicht fallen. Eine entsprechende Vorschrift, die dev! Gericht die Möglichkeit gibt, das Verfahren mit Zustimmung des S taatsanw alts einzustellen, ist auch für das Hauptverfahren notwendig, da sich auch nach Anklageerhebuug oder nach Anberaumung der Hauptverhandlung ergeben kann, daß über den An­ geklagten bereits eine Strafe oder sichernde M aß­ regel verhängt ist, die eine Einstellung des Verfah­ rens hinsichtlich der noch nicht abgeurteilten Taten rechtfertigt. I m Gegensatz zu den int § 62 angeführten Fällen muß in Fällen der genannten Art das Ver­ fahren nicht nur teilweise, sondern im ganzen Umfang eingestellt werden können. I m übrigen entspricht die Vorschrift dem § 62 Abs. 1, den sie ergänzt. § 64 U mf a n g der B e w e i s a u f n a h m e § 64 spricht das Gebot aus, daß das Gericht verpflichtet ist, von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist. Dieser alles beherrschende Grundsatz ist so einfach und klar, daß eine gesetzliche Erläuterung des Umfangs der Beweisaufnahme durch Einzelvorschriften unnötig ist. Die Verfahrensnovelle vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) hatte für die Verfahren, in denen das Urteil entweder garnicht oder nur mit der Revision anfecht­ bar war (Volksgerichtshof, Oberlandesgericht, Schwurgericht, große Strafkammern), die Beweiser­ hebungspflicht des Gerichts näher umschrieben. S ie beschränkte die Befugnis, Beweisanträge abzulehnen, aus die von der Rechtsprechung des Reichsgerichts

herausgearbeiteten Äblehnungsgründe. Der Entwurf verzichtet abweichend vom geltenden Recht daraus, diese Regeln ausdrücklich in das Gesetz aufzunehmen und dabei zwischen den Verfahren, in denen nur ein Tatsachenrechtszug vorgesehen ist und den Verfahren, in denen der Verhandlungsstoff in einem zweiten Tatsachenrechtszug nachgeprüft werden kann, zu unterscheiden. Denn das Gebot, von Amts wegen die Wahrheit zu erforschen, ist die erschöpfende Grund­ lage dieser Regeln und muß auch künftig der Recht­ sprechung Leitstern für die Bestimmung des Umfangs der Beweisaufnahme sein. Der Entwurf vermeidet auch in Überein­ stimmung mit der Novelle vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) jede gesetzliche Bevorzugung der sog. präsenten Beweismittel. E r kann das um so unbedenklicher tun, als in Zukunft weder der S ta a ts ­ anwalt noch der Angeklagte selbst Zeugen laden können. D as ändert aber nichts daran, daß der Richter auch in Zukunft richtig handelt, wenn er anwesende Zeugen vernimmt, falls Staatsanw alt oder Angeklagter Wert darauf legen und falls die Vernehmung auch mir im entferntesten einen Erfolg verspricht. § 246 S tP O . (Verfahren bei verspäteten An­ trägen) hat der Entwurf nicht übernommen. Daß eine Beweiserhebung nicht allein deshalb abgelehnt werden kann, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden ist, ergibt sich aus dem entscheidenden Grundsatz, daß das Gericht von Amts wegen die Wahrheit zu er­ forschen hat. Auch die in § 246 S tP O , geregelte Aussetzung der Hauptverhandlung bei verspäteten Beweisanträgen bedarf künftig keiner besonderen Regelung, da die allgemeine Vorschrift in § 79 genügt. Die besondere Vorschrift über die Zuziehung eines Arztes als Sachverständigen (§ 246 a S tP O .) hat der Entwurf in den Abschnitt über Sachverständige (§ 194) eingestellt. § 65 Entscheidung

über

Beweisanträge

Über die Ablehnung eines Beweisantrages wird nach § 65 durch einen Beschluß des Vorsitzers ent­ schieden. Abweichend von der Regelung des geltenden Rechts überträgt der Entwurf in Durchführung des Führergedankens (§ 51) dem Vorsitzer nicht nur die Anordnung von Beweiserhebungen, sondern auch die Ablehnung von Beweisanträgen. Die Mitwirkung der beisitzenden Richter besteht dabei in der Beratung des Vorsitzers. Wenn auch der Entwurf keine dahin­ gehenden Vorschriften trifft, so wird der Vorsitzer doch gut daran tun, vor der Ablehnung eines Beweis­ antrages stets die mitwirkenden Richter zu hören und bei seiner Entscheidung ihre Meinung zu berücksich­ tigen. Denn die Beweiserhebung bildet die wichtigsten Unterlagen für die Urteilsfindung; vom Umfang der Beweiserhebung wird es häufig abhängen, ob das Gericht das Urteil sachgemäß finden kann. Vor dem Beschluß sind nach § 278 der Staatsanw alt und, wenn sie anwesend sind, der Verteidiger und die Be­ teiligten auch dann zu hören, wenn der Vorsitzer dem

Beweisantrag stattgeben will. Zu begründen ist der Beschluß nach § 280 nur dann, wenn er einen Be­ weisantrag ablehnt. §§ 66 bis 72 Mündlichkeit und Unmittelbarkeit bilden auch künftig die Grundpfeiler der Hauptverhandlung. Der Entwurf vermeidet aber jede Übertreibung dieser Grundsätze. E r ist bestrebt, möglichst alle Erkenntnisquetteu für die Ermittlung der Wahrheit auszu­ schöpfen. S o ergibt sich eine gewisse Lockerung der zu starren Vorschriften des bisherigen Rechts (§ 249 bis 256 S tP O .). §

66

U n m i t t e l b a r k e i t der B e w e i s a u f ­ nahme Aus der Pflicht des Gerichts, von Amts wegen alles zu tun, was zur Erforschung der Wahrheit not­ wendig ist (§ 64), ergibt sich die weitere Pflicht, bei der Wahrheitsersorschung jeweils die zuverlässigsten M ittel anzuwenden. Der Entwurf schreibt daher die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor. W orin sie besteht, besagt im einzelnen § 66. Aus dem Grund­ satz der Unmittelbarkeit folgt, daß Zeugen und Sach­ verständige in der Hauptverhandlung zu vernehmen sind (Absatz 1), daß der Augenschein in der Haupt­ verhandlung vorzunehmen ist (Absatz 2), und daß Schriftstücke und Druckschriften, die wegen ihres In h a lts als Beweismittel dienen, in der Hauptver­ handlung zu verlesen sind- (Absatz 3). Beim Augen­ schein wird die selbstverständliche Ausnahme gemacht, daß die Vornahme in der Hauptverhandlung unter­ bleibt, soweit er gemäß § 10 oder § 43 in der vorbe­ reitenden Beweisaufnahme stattgefunden hat. § 66 regelt damit zugleich die Frage, wie ein Beweis durch Schriftstücke und Druckschriften zu führen ist, die wegen ihres Inhaltes von Bedeutung sind. Durch die Fassung des ersten Satzes in Absatz 3 ist klarer als im bisherigen Gesetz (§ 249 S tP O .) zum Ausdruck gebracht, daß die Bestimmung sich nur mif solche Urkunden bezieht, durch deren In h a lt etwas bewiesen werden soll. Nur für sie gilt der Grundsatz, daß sie zur Feststellung ihres In h a lts verlesen werden. Sow eit dagegen die Urkunde nach ihrer äußeren Beschaffenheit Beweismittel sein soll (z. B. bei Fälschungen), muß sie vorgelegt und besichtigt werden. Die tzinzelaufzählung einiger Arten von Urkunden, wie sie § 249 S . 2 S tP O , enthält, erscheint entbehrlich. Darüber, ob die Urkunde ganz oder zum Teil zu verlesen ist, entscheidet der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen. Verlangt der S ta a ts­ anwalt oder ein Beteiligter entgegen der Anordnung des Vorsitzers die Verlesung der ganzen Urkunde, so hat darüber der Vorsitzer nach den Grundsätzen des § 65 zu entscheiden. Der Entwurf gestattet an Stelle der Verlesung der Urkunde die mündliche Wiedergabe des wesent­ lichen In h alts, da die Verlesung umfangreicher Schriftstücke, auf deren W ortlaut es im einzelnen nicht ankommt, die Verhandlung unter Umständen unnötig belastet. Eine Zustimmung der Beteiligten ist hierzu nicht erforderlich. Daß diese Art der

Wiedergabe die Ausnahme sein soll, hebt der Ent­ wurf durch den ausdrücklichen Hinweis hervor, daß die Erforschung der Wahrheit unter diesem Verfahren nicht leiden darf. Die Entscheidung hierüber hat der Vorsitzer nach seinem pflichtmäßigem Ermessen zu treffen. § 67 von

Ausnahmen der U n m i t t e l b a r k e i t

§ 67 enthält die Ausnahmen von bent in § 66 niedergelegten Grundsatz der Unmittelbarkeit. An Stelle einer unmittelbaren Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen in der Hauptverhand­ lung ist die Verlesung einer schriftlichen Erklärung oder der Niederschrift über eine frühere Vernehmung nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 68 bis 72 vorliegen, deren Einzelheiten bei diesen Vor­ schriften erörtert sind. Aber auch für diese Fälle setzt der Entwurf voraus, daß die Verlesung die E r­ forschung der Wahrheit nicht beeinträchtigen darf. An Stelle der Vornahme des Augenscheins in der Hauptverhandlung darf, wenn die Erforschung der Wahrheit darunter nicht leidet, die Niederschrift über einen Augenschein, den ein Richter nach § 10 oder nach § 45 vorgenommen hat, verlesen und von ihnen erläutert werden. Erfordert es die Wahrheitsermitt­ lung, so ist der Augenschein — soweit er jetzt noch möglich ist — in der Hauptverhandlung vorzuneh­ men. Darüber entscheidet der Vorsitzer. Gegenüber dem geltenden Recht ist die Möglichkeit neu, daß der Richter, sofern er Mitglied des erkennenden Gerichts ist, den Augenschein erläutern kann, ohne daß er zu diesem Zweck als Zeuge vernommen oder eine dienst­ liche Äußerung nach § 73 abzugeben braucht. Der Absatz 2 findet Anwendung gleichviel, ob der Augen­ schein im Vorverfahren (§ 10) oder im Hauptver­ fahren (§ 45 Abs. 1 Nr. 3) eingenommen worden ist. § 68

V e r l e s u n g schriftlicher E r k l ä r u n g e n Die Vorschrift regelt die Frage, inwieweit E r­ klärungen von Dienststellen des S taates und der Partei, die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthalten, verlesen werden dürfen. Der Entwurf stellt den E r­ klärungen von Dienststellen des Staates, zu denen auch die mittelbaren Dienststellen (z. B. der Gemein­ den) gehören, diejenigen der Dienststellen der N S D A P , und ihrer Gliederungen gleich (vgl. wegen des Sprachgebrauchs des Wortes „Partei" § 296). Der Entwurf gestattet grundsätzlich die Verlesung solcher Zeugnisse oder Gutachten, soweit es sich nicht um Leumundszeugnisse über den Angeklagten handelt. Hält der Vorsitzer Ermittlungen über den Leumund des Angeklagten für erforderlich, so muß das Gericht den Leumundszeugen selbst hören, da nur auf diese Weise die Gewähr für eine richtige Beurteilung des Leumunds besteht. Unter Leumundszeugnissen ver­ steht der Entwurf Zeugnisse über das Ansehen der betreffenden Person, sei es in der Öffentlichkeit, sei es innerhalb eines begrenzten Kreises des öffent­ lichen oder privaten Lebens, z. B. in der Ortsgruppe der N S D A P ., in der Nachbarschaft, bei den Beruss-

kameraden, bet Kameraden seines S A .-S tu rm e s ober in der Hausgemeittschast. Absatz 2 verbietet n u r die Verlesung von Leutnundszeugnissen über den Angeklagten. D ie V e r­ lesung von Leumundszeugnissen über ändere Periotteit (etwa über Zeugen oder Sachverständige) läßt § 68 Abs. 1 zu, da der Leumund dieser Personen fü r das Verfahren meist nicht die Bedeutung hat tote der Leumund des Angeklagten, und hier die Verneh­ mung der Auskunstspersonen häufig zu einer unnötigen Belastung und Zersplitterttttg der Haupt­ verhandlung führen würde. Unter die Leumundszeugnisse fallen, wie aus § 68 Abs. 1 hervorgeht, nicht Strafregisterauszüge, Führungszeugnisse der Strafvollzugsbehörden und kriminalbiologische Gutachten, deren Verlesung der E n tw u rf unbeschränkt zuläßt. F ü r diese Regelung sind neben der Tatsache, daß es sich um Erklärungen öffentlicher Behörden handelt, praktische Gründe maßgebend. Krim inalbiologische Gutachten und Äußerungen der Strafvollzugsbehörden werden vor allem in Verfahren wegen Sicherungsverwahrung nnb anderer sichernder Maßregeln häufig angefordert. D ie ausnahmslose Vernehmung der bezeugenden Beamtett würde daher zu einer Erschwerung und Verzögerung des Strafverfahrens führen. D e r V o r­ sitzer muß sich aber bei der Entscheidung über die Verlesung dieser Zeugnisse und Gutachten stets bewußt sein, daß die Verlesung nach § 67 n u r zulässig ist, wenn die Erforschung der W ahrheit nicht darunter leidet. D ie Verlesitttg ärztlicher Zeugnisse oder Gutachten ist n u r datm zulässig, wentt eine Körperverletzung in Frage steht, die nicht ztt bett gefährlichen oder schweren (vgl. § 415 S tG B .) gehört. Unerheblich ist hier, ob das ärztliche Zeugnis bett Angeklagten oder andere betrisst, tiott wem es erfordert ist und ob es eine bloße Beschreibung des Befundes oder zugleich ein Gutachten enthält. Es kommt auch nicht darauf an, welche Bedeutmtg dem Zeugnis oder Gutachten in dem S trafverfahren zukommt; doch ist auch hier zu beachten, daß unter der Verlesung die Erforschung der W ahrheit nicht leiden darf. § 69 Verlesu ng von Niederschriften über eine v o r b e r e i t e n d e Be w e i s a u f n ahm e § 69 Abs. 1 und 2 entspricht im wesentlichen dem § 251 Abs. 2 und 3 S tP O . D ie u n m itte l­ bare Vernehmung darf danach durch Verlesung der Niederschrift über eine 'frühere Vernehmung ersetzt tverden, wenn das Erscheinen des Zeugen oder Sach­ verständigen in der Hauptverhandlung aus den im § 10 oder § 45 Abs. 1 N r. 1, 2 bezeichneten Gründen nicht möglich oder besonders erschwert ist. Es ist daher gleichgültig, ob die frühere Vernehmung im Hauptverfahren vor der Hauptverhandlung (§ 45) oder schon im Vorverfahren (§ 10) stattgefunden hat. D as Recht des S ta a tsa n w a lts und der Beteiligten auf Anwesenheit bei der Beweiserhebung darf aber durch ihre Vorwegnähme nicht beschränkt werden.

Deshalb ist die Verlesung n u r zulässig, wenn beut S ta a tsa n w a lt und den Beteiligten die Möglichkeit zur Anwesenheit bei der Vernehmung gewährt worden ist, sofern dies nicht wegen Gefahr im V e r­ züge untunlich w ar (§§ 10, 11 und 47). Durch die Fassung des Absatzes 1 ist klargestellt, daß die V o r ­ aussetzungen des § 10 oder des § 45 noch im Z e it­ punkt der Verlesung vorliegen müssen. D ie Verlesung w ird votn Vorsitzer angeordnet, tticht mehr, wie int geltettden Recht, durch Gerichts­ beschluß. Über das geltende Recht hinausgehend schreibt der E n tw u rf nicht n u r die Feststellung der Vereidigung oder Nichtvereidigung, sondern im F alle der Unterlassung der Vereidigung auch die M itte ilu n g der Gründe dafür vor. D ie Beteiligten sollen dadurch in den S ta n d gesetzt werden, die aus der Nichtvereidigung etwa herzuleitenden Bedenkett geltend zu machen. D ie unterlassene Vereidigttng ist nachzuholen, wenn sie bei einer Vernehmung tu der Hauptverhandlung geboten wäre nnb noch aus­ führbar ist (§§ 173, 174). § 70

V e r l e s u n g der A u s s a g e n t t i cht

vernehmbarer

Personen

D ie Vorschrift ergänzt den § 69 und regelt die Fälle, in denen die Vernehmung vor dem erkennettden Gericht oder nach § 45 nicht mehr durchführ­ bar ist, oder in denen feststeht, daß sie in absehbarer Z e it nicht durchführbar sein w ird ; in diesen F ällen ist die Verlesung ohne weiteres zulässig. Den B e­ dürfnissen der P ra xis entsprechend berücksichtigt der E n tw u rf jede A r t der Vernehmungsunfähigkeit eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten; die Hervorhebung der Geisteskrankheit im bisherigett Recht genügt nicht, da andere Zustände (z. B. schwere körperliche Erkrankung) die gleiche Bedeutung haben. I n Erweiterung des bisherigen Rechts erstreckt der E n tw u rf die Verlesbarkeit auch auf Niederschriften über nichtrichterliche Vernehmungen, also auch solche durch den S ta a tsa n w a lt oder die P olizei, und dar­ über hinaus auf schriftliche Erklärungen des Ange­ klagten schlechthin. Maßgebend ist dabei der Gedanke, daß jedes erreichbare Bew eism ittel zur W ahrheits­ erforschung verwertet werden soll. Ob und inwieweit es einen Beweiswert hat, darüber entscheidet das Gericht nach seiner freien Überzeugung (§ 81). Z u r Feststellung des Beweiswertes von Verhandlungs­ niederschriften und schriftlichen Erklärungen kann es geboten sein, Zeugen über das Zustandekommen und den In h a lt der früheren Vernehmung oder der schrift­ lichen E rklärung zu vernehmen (Abs. 1 S . 2). Um die Verlesung nichtrichterlicher Vernehmungsniederschristen möglichst zu vermeiden, sorgen die V o r ­ schriften über das Vorverfahren dafür, daß der S ta a tsa n w a lt schon im Vorverfahren den Richter angeht, wenn datnit zu rechnen ist, daß die Verneh­ mung eines Zeugen oder Sachverständigen oder die Vornahme eines Augenscheins im Hauptverfahren voraussichtlich unmöglich ist. D as Nähere ist in der Begründung zu § 10 dargelegt. D er Absatz 2 gestattet die Verlesung von Nieder­ schriften über eine frühere Vernehmung und von

schriftlichen Erklärungen, wenn ein Zeuge, ein M it­ beschuldigter oder der Angeklagte die Aussage ver­ weigert. D as bisherige Recht (§ 252 S tP O .) ver­ bietet die Verlesung, soweit es sich um Aussagen eines Zeugen im Rahmen desselben Verfahrens handelt. Dieses Verbot wird von der Rechtsprechung vielfach als Hemmnis für die Wahrheitserforschung empfunden und daher teilweise dadurch umgangen, daß die Ver­ nehmung des verhörenden Beamten als Zeugen für zulässig erklärt wird. F ü r ein solches Verbot ist heute kein Raum mehr. D as öffentliche Jntereffe an der Wahrheitserforschung hat dem Schutz von Ein­ zelinteressen vorzugehen. Der S in n des Zeugnisver­ weigerungsrechts geht nicht dahin, daß die Kenntnis des Zeugen überhaupt bei der Wahrheitsersorschung ausscheiden muß; es gibt ihm nur die Gewähr, daß er zur Aussage nicht gezwungen werden kann. Hat der Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zu­ steht, eine Aussage gemacht, so erfordert es die Wahr­ heitserforschungspflicht, daß die Aussage verwertet wird, auch wenn der Zeuge selbst später die Aussage verweigert. Der Entwurf sieht zum Ausgleich vor, daß nicht nur der Richter, sondern auch der S ta a ts­ anwalt und die Polizei den Zeugen auf das Zeug­ nisverweigerungsrecht aufmerksam machen müssen (§ 168 Abs. 3 und § 188 Abs. 1). Wird der Zeuge versehentlich nicht belehrt, so darf gleichwohl die Aus­ sage verlesen oder der vernehmende Beamte als Zeuge vernonunen werden. Die Sachlage ist ent­ sprechend, wenn ein Mitbeschuldigter oder der Ange­ klagte die Aussage verweigert. §

71

V e r l e su n g z u r B e w e i s a u s n a h m c ü b e r e i n G e st ä n d n i s § 71 will nur die Fälle regeln, in denen ein vor einer Behörde abgelegtes Geständnis bewiesen werden soll. Hier kann die Vernehmung des Verhörsbeamteu durch Verlesung der Erklärungen ersetzt werden, sowohl um die Tatsache der Erklärung als auch um die Richtigkeit ihres In h a lts nachzuweisen. § 41 gestattet im Gegensatz zum bisherigen Recht (§ 254 Abs. 1 S tP O .) auch die Verlesung solcher Nieder­ schriften und Vermerke (§ 290 Abs. 2 des Entwurfs), die von einem anderen Beamten als einem Richter ausgenommen sind. Die Verlesbarkeit beschränkt sich nicht aus Erklärungen, die der Beschuldigte oder Angeklagte als solcher abgegeben hat, vielmehr können auch Erklärungen, die er etwa als Zeuge im gegenwärtigen oder in einem anderen Verfahren ab­ gegeben hat, verlesen werden. Die Verlesung dient der Feststellung, ob der Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat; sie ist deshalb auch zulässig, um nach­ zuweisen, daß der Angeklagte nicht gestanden oder ein früheres Geständnis geändert oder widerrufen hat. § 71 schließt nicht aus, daß nach § 70 Abs. 2 auch andere Schriftstücke, z. B. Briefe des Angeklag­ ten, die ein enthalten, verlesen werden, wenn er die Aussage in der Hauptverhand­ lung verweigert. Darüber, ob statt oder neben der Verlesung die Verhörsbcamtcn als Zeugen zu ver­ nehmen sind (§ 70 Abs. 1 S . 2), entscheidet der Vor­ sitzer.

V e r l e s u n g zur Unterstützung des Gedächtnisses und zur Kl äru ng von Widersprüchen § 72 entspricht im wesentlichen dem bisherigen Recht (§§ 253, 254 Abs. 2 S tP O .). Die Vorschrift ermöglicht — ebenso wie § 71 — nicht nur die Ver­ lesung von richterlichen Niederschriften, sondern von Erklärungen jeder Art, die der Angeklagte, ein Zeuge oder ein Sachverständiger bei seiner früheren Ver­ nehmung abgegeben hat, gleichviel, ob sie über eine Vernehmung in demselben oder in einem anderen Strafverfahren oder in einem Verfahren anderer A rt ausgenommen worden "sind. Die Voraussetzung des geltenden Rechts, daß der Widerspruch „nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhand­ lung" festgestellt oder behoben werden kann, wird vom Entwurf als unzweckmäßige Einschränkung beseitigt. § 73

Di e ns t l i c he Äu ß e r u n g Nach § 121 Nr. 5 darf ein Richter sein Amt nicht weiter ausüben, wenn er in der Sache als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist. Entsprechendes gilt nach § 132 für den Staatsanw alt und nach § 133 für den Schrift­ führer. Maßgebend ist dabei der Gedanke, daß die Stellung des der Gerichtsgewalt unterworfenen Zeugen und Sachverständigen mit den Aufgaben eines unabhängigen Organs der Rechtspflege unver­ einbar ist. Diese Regelung, die dem bisherigen Recht entspricht, hat aber andererseits den Nachteil, daß sie dem Gericht die weitere M itarbeit gerade solcher Amtsträger entzieht, die kraft ihrer bisherigen T ätig­ keit in der Sache zur weiteren Mitarbeit besonders berufen wären. Insbesondere besteht ein dringendes Bedürfnis dafür, daß der Staatsanw alt, der das Vorverfahren geleitet hat, auch in der Hauptverhand­ lung die Anklage bis zum Schluß weiter führt, damit er im Interesse der Wahrheitsermittlung seine Kenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren bei seinen Anträgen und Anregungen nutzbar machen kann. Gegenwärtig wird der Staatsanw alt, der das E r­ mittlungsverfahren geführt hat, vom Angeklagten mitunter gerade deshalb als Zeuge benannt, um ihn mit seiner besonderen Sachkunde vom weiteren Ver­ fahren auszuschließen. Dies führt in größeren S tra f­ sachen zu unnötigen Verzögerungen und zu einer unsachgemäßen Hemmung der Strafverfolgung. Um diese Nachteile nach Möglichkeit zu vermeiden, sieht § 73 vor, daß die Vernehmung eines mitwirkenden Richters einschließlich des Ergänzungsrichters, eines Staatsanw alts oder eines Schriftführers als Zeugen durch eine dienstliche Äußerung ersetzt werden kann, wenn der Richter, S taatsanw alt oder Schriftführer sich über Vorgänge äußern soll, die den Gegenstand des Verfahrens betreffen und die er bei seiner Amtstätigkeit wahrgenommen hat. Diese Regelung rechtfertigt sich dadurch, daß die Zuverlässigkeit bei der amtlichen Wahrnehmung dienstlicher Vorgänge in viel höherem Maße gewährleistet ist als bei außer-

dienstlichen W ahrnehm ungen, so daß hier die beson­ deren Form en und Sicherungen der Zeugenverneh­ mung entbehrlich erscheinen. F ür die Anwendbarkeit des § 73 ist es gleich­ gültig, ob der' Richter, der Staatsanw alt oder der Schriftführer die Vorgänge, über die er aussagen soll, gerade in dem vorliegenden oder im Rahmen eines anderen Verfahrens oder bei anderweiter amtlicher Tätigkeit wahrgenommen hat. Ob der Vorsitzer sich auf die Entgegennahme einer dienstlichen Äußerung beschränken oder aber die Vernehmung des Richters, Staatsanw alts oder Schriftführers als Zeugen anordnen will, liegt in seinem pflichtmäßigen Ermessen. E r wird die Ver­ nehmung als Zeuge dann anordnen, wenn die Aus­ sage des Richters, Staatsanw alts oder Schrift­ führers für das Verfahren von ausschlaggebender Bedeutung ist und die formlose dienstliche Äußerung der Wichtigkeit der Aussage nicht angemessen wäre. Die dienstliche Äußerung ist in der Hauptverhandlung mündlich abzugeben, da der Amtsträger in ihr an­ wesend ist. F ür eine Verlesung nach § 68 ist kein Raum. § 74

Erörterung

von Vorstrafen

Bei Zeugen ist eine Erörterung der Vorstrafen nur m den verhältnismäßig seltenen Fällen not­ wendig, in denen die Vorstrafen für die Vereidigung oder die Glaubwürdigkeit von Bedeutung sind (vgl. § 170 Abs. 2). Die Erörterung der Vorstrafen des Angeklagten muß naturgemäß in weiterem Umfang zulässig sein als die des Zeugen. Die heute vielfach übliche Verlesung sämtlicher Vorstrafen des Ange­ klagten ist jedoch nicht immer erforderlich. Sie schädigt häufig den Angeklagten in einer Weise, die zur Bedeutung seiner T at in keinem Verhältnis steht und insbesondere bei nachfolgender Freisprechung eine unbillige Härte enthält. Um dem vorzubeugen, sollen nach § 74 Verurteilungen des Angeklagten nur soweit mitgeteilt oder erörtert werden, als es für die Entscheidung notwendig ist. D arin liegt auch die Anweisung, daß die Erörterung erst in einem Zeitpunkt erfolgen soll, in dem sich die Erheblichkeit der Vorstrafen für das Urteil übersehen läßt. § 75

Anhörung

des A n g e k l a g t e n

§ 75 entspricht sachlich dem bisherigen Recht (§ 257

S tP O .). W ird dem Angeklagten nach der Verneh­ mung eines jeden M itangeklagten sofort Gelegenheit zur Äußerung gegeben, so kann dies anderen M it­ angeklagten leicht Gelegenheit geben, sich in ihren Aussagen entsprechend einzurichten. D er E ntw urf schreibt daher lediglich vor, daß „nach der Verneh­ mung von M itangeklagten" dem Angeklagten Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. D er V o r­ sitzer kann nach seinem pflichtmäßigem Ermessen die Gelegenheit zur Äußerung erst nach der Vernehmung sämtlicher M itangeklagten oder sofort im Anschluß an die Vernehm ung eines jeden M itangeklagten oder nach der V ernehm ung von G ruppen von M it­ angeklagten geben. Hinsichtlich der anderen Bew eis­

mittel sieht der Entwurf als Regel vor, daß der Vorsitzer dem Angeklagten sofort Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Dies gilt insbesondere für die Vernehmung von Zeugen; denn wird dem Angeklag­ ten nicht im Anschluß an die Vernehnmng des Zeugen, sondern erst am Schluß der Verhandlung Gelegenheit zur Äußerung gegeben, so könnte dies bei umfangreichen Verfahren leicht dazu führen, daß der Allgeklagte erst zu einem Zeitpunkt Gelegenheit zur Äußerung erhält, in dem seine Erinnerung an die Vernehnmng des Zeugen schon getrübt ist, sodaß er in seiner Verteidigung gegenüber der Aussage des Zeilgen durch die späte Äußerung beeinträchtigt wäre. I n geeigneten Fällen wird es sich auch empfehlen, den Angeklagten schon während der Vernehmung von Mitangeklagten, Zeugen und Sachverständigen auf die Gelegenheit, zu einzelnen Punkteil Stellung zu nehmen, hinzuweisen. § 76 H i n wei s a u f neue Gesicht spunkte § 76 stimmt im wesentlichen mit § 265 S tP O , überein. Daß der Angeklagte aus neue rechtliche Gesichtspunkte rechtzeitig hinzuweisen ist, ist gerecht und billig. D a der Entwurf einen Erössnungsbeschluß nicht nrehr kennt, vielmehr die Anklage die. Grundlage des Verfahrens bildet, ist künftig ihr In h a lt dafür maßgebend, ob eine Belehrung des Angeklagten nach § 76 zu erfolgen hat. Der Hinweis auf eine alldere rechtliche Beurteilung ist zunächst erforderlich, wenn das Gericht ein anderes als das in der Anklageschrift bezeichnete Strafgesetz anwenden will, aber auch dann, tncmi das Gericht das in der Anklage bezeichnete Strafgesetz liicht un­ mittelbar, sondern entsprechend anwenden oder ein anderes als das in der Anklageschrift bezeichnete Gesetz entsprechend anwenden will. Eine andere rechtliche Beurteilung ist ferner gegeben, wenn sich erst in der Verhandlung Umstände, die nach dem Gesetz die Strafe schärfen oder mildern, oder die Voraussetzungen für eine sichernde Maßregel ergeben. Im geltenden Recht ist der Hinweis auch dann stets erforderlich, wenn ohne den Angeklagten ver­ handelt wird. D as Gericht muß dann gegebenenfalls die Hauptverhandlung unterbrechen oder aussetzen, um die Belehrung vornehmen zu können. Die damit verbundene Verzögerung des Verfahrens ist jedoch dann nicht gerechtfertigt, wenn es sich um unbedeu­ tende oder für den Angeklagten günstige Verändentnqen in der Beurteilung der Lage handelt. § 76 Abs. 2 sieht daher vor, daß bei Abwesenheit des Angeklagten von dem Hinweis abgesehen werden: kann, wenn er für eine sachgemäße Verteidigung nicht erforderlich erscheint. Einen Aussetzungszwang entsprechend der Rege­ lung des bisherigen Rechts (§ 265 Abs. 3 S tP O .) sieht der Entwurf nicht vor, da im Falle der Ver­ änderung des rechtlichen Gesichtspunkts die Aus­ setzung für die sachgemäße Verteidigung nicht immer erforderlich ist. Vielmehr hat der Vorsitzer bei Ver­ änderung des rechtlichen Gesichtspunkts gemäß § 79 des Entwurfs nach seinem pflichtmäßigen Ermessen zu entscheiden, ob eine Unterbrechung oder Aussetzung

zur besseren Verteidigung notwendig ist. Die Vor­ schrift gilt auch dann, wenn sich der neue rechtliche Gesichtspunkt erst bei der Beratung des Urteils ergibt; in diesem Fall muß gegebenenfalls die Ver­ handlung nochmals eröffnet werden. § 77 Einheitsstrafe § 77 regelt die Frage der Bindung an tatsächliche Feststellungen eines früheren Urteils, wenn eine Ein­ heitsstrafe in einem neuen Verfahren zu bilden ist. Wird ein rechtskräftig verurteilter Täter in einem späteren Verfahren wegen einer anderen S traftat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist nach § 58 S tG B , wegen aller Taten eine Ein­ heitsstrafe zu bilden. Dasselbe gilt nach § 63 StG B ., wenn der T äter nach einer Verwarnung mit Strasvorbehalt während der Probezeit eine neue Tat begeht und deshalb die vorbehaltene S trafe verwirkt ist. F ür das Gericht, das die Einheitsstrafe bildet, ist tu diesen Fällen Gegenstand der Entscheidung auch die Ahndung der früher abgeurteilten Tat. F ü r die spätere Verhandlung gibt die Vorschrift dem Gericht die Ermächtigung, tatsächliche Feststellungen des früheren Urteils dem neuen zugrundezulegen. D arin liegt zweierlei. Einmal braucht das Gericht Fest­ stellungen zur Schuld- und Straffrage wegen der früher abgeurteilten T at nicht selbständig erneut zu treffen. Es kann vielmehr aus praktischen Gründen den Verhandlungsstosf beschrättken und hinsichtlich der früher abgeurteilten T at diejenigen Feststellungen übernehmen, die ihm inibedenklich erscheinen. Das gilt selbst bann, wenn gegen solche Feststellmtgen Einwendungen erhoben werden, das Gericht sie aber nicht teilt. Andererseits sollen von dem früheren Urteil weder die Feststellungen zur Schuldsrage noch die zttr Strassrage für das später erkennende Gericht bindend sein. Soweit es sich um die Strasfrage handelt, muß das später entscheidende Gericht schon deswegen frei sein, weil es eine neue S trafe bilden und zu diesem Zweck in eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten eintreten muß. Das kann nur durch eine Beurteilung von der neuen Grundlage ails geschehen, die auch zu einer anderen Bewertung der ersten T at führen kann. Aber auch an die früheren Feststellungen zur Schuldsrage darf das Gericht nicht gebunden sein. Eine starre Bindung att sie wäre mit dem Grundsatz der Wahrheitsersorschung nicht vereinbar, wenn das Ergebnis der neuen Hauptverhandlung von dem der früheren Hauptverhandlung abweicht. Zudem gehen die Fest­ stellungen zur Schuldsrage und die zur Straffrage oft derart ineinander über (z. B. bei Feststellung eines „besonders schweren Falles" und bei der Feststellung der Eigenschaft eines „gefährlichen Gewohnheitsver­ brechers"), daß eine klare gesetzliche Scheidung der Feststellungen, an die das später erkennende Gericht gebunden und an die es nicht gebunden sein soll, nicht möglich wäre. Der Entwurf sieht daher von jeder Bindung des später erkennenden Gerichts an die Feststellungen des früheren Urteils ab, geht aller­ dings davott (uiy, daß in der Regel das Gericht die

früheren Feststellungen übernehmen wird. D as später erkennende Gericht ist auch nicht an die Ermestensentscheidungen des früheren Urteils gebunden. § 78 B i n d u n g et it f r ü h e r e s t r a f r i c h t e r l i c h e Fes t s t e l l u n g e n bei E h r e n k r ä n k u n g Die Vorschrift bestimmt in Strafverfahren wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung, die die Behauptung einer S traftat zum Gegenstand haben, die Unzulässigkeit einer Beweiserhebung, die sich gegen die Feststellungen der rechtskräftigen Entschei­ dung eines Strafgerichts oder Friedensrichters über diese T at wendet. S ie verallgemeinert damit die Vorschrift des § 190 des bisherigen Strafgesetzbuches. Ist z. B. der Angegriffene der fahrlässigen Tötung rechtskräftig schuldig gesprochen worden, so findet kein Beweis über die Behauptung des Täters statt, daß der andere den Menschen, besten Tod er verur­ sacht hat, vorsätzlich getötet habe. Die Regelung des Entwurfes hat gegenüber dem geltenden Recht den Vorzug, daß sie widersprechende Gerichtsurteile über dasselbe Ereignis in weiterem Umfang ausschließt und den, der endgültig freigesprochen oder weniger schwer belastet worden ist, besser vor neuen Beweis­ erhebungen über eine durch gerichtliche Ermittlungen geklärte T at schützt. § 78 spricht die Bindung nur aus, wenn die Behauptung einer S traftat in Frage steht. Die Vorschrift gilt nicht für andere ehrenrührige oder sonst herabsetzende Behauptungen. F ü r sie enthält der § 432 eine ergänzende Vorschrift. Die Bindung tritt ein, gleichgültig, ob die gerichtliche Entscheidung vor oder ttach der Behauptung des Täters ergangen ist. Die binbenbe Wirkung entfällt nur, wenn das frühere Urteil im Wege des Wiederaufnahmeverfah­ rens aufgehoben ist (vgl. § 364). Die Bindung an das frühere Urteil gilt nur für Verfahren wegen Ehrenkränkung oder falscher Verdächtigung, nicht auch für Strafverfahren anderer Art. Bindende Wirkung haben nur die rechtskräftigen Urteile eines Strafgerichts oder Friedensrichters, weil diese Gerichte die Wahrheit von Amts wegen zu erforschen haben. Urteile in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten haben mit Rücksicht auf den den Zivilprozeß beherr­ schenden Parteibetrieb diese Wirkung nicht. Bindend sind ferner nur solche Urteile, durch die im früheren Verfahren sachlich entschieden worden ist. Die Bindung ist andererseits unabhängig davon, ob der Angeklagte des neuen Verfahrens an dem früheren Verfahren teilgenommen hat oder nicht. § 79 U n t e r b r e c h u n g und Aus s et zung der Hauptverhandlung § 79 Abs. 1 entspricht dem § 265 Abs. 4 S tP O . Die Unterbrechung oder Aussetzung der Verhandlung kann dadurch erforderlich werden, daß sich die Sache als nicht spruchreif erweist. Die Ursache kann in einer Veränderung der Sachlage liegen, die eine weitere Vorbereitung der Anklage oder der Verteidiguug notwendig macht, oder in einer ungenügenden

Aufklärung des der Anklage zugrunde liegenden Sach­ verhalts. S ie kann ihren G rund auch darin haben, daß der W ahlverteidiger ausbleibt oder verhindert ist und daß der Vorsitzer, ohne daß die V o rau s­ setzungen des § 57 vorzuliegen brauchen, zur V or­ bereitung der V erteidigung des Angeklagten die Aussetzung für notwendig ansieht. W eitere G ründe zur Unterbrechung oder Aussetzung ergeben sich aus den § 53 Abs. 3 und 4, §§ 57, 61 Abs. 3 und § 76. Über die Unterbrechung oder Aussetzung entscheidet abweichend von der Regelung des bisherigen Rechts (§ 228 S tP O .) der Vorsitzer und nicht das Gericht. F ü r die Aussetzung der Urteilsverkündung enthält § 93 eine Sondervorschrift. § 79 Abs. 2 entspricht dem bisherigen § 229 S tP O , m it der Änderung, die die V erordnung vom 14. J u n i 1932 (R G B l. I S . 285) angenommen hat. Die höchstzulässige D auer der Unterbrechung von zehn Tagen ist beibehalten worden. Diese F rist kann für die F älle notwendig sein, in denen Zeugen zu er­ m itteln oder von weither heranzuholen oder in denen Besichtigungen oder technische Untersuchungen vor­ zunehmen sind oder in denen ein am Verfahren B e­ teiligter vorübergehend erkrankt ist. D ie E rinnerung an die V orgänge der unterbrochenen Verhandlung ist auch nach zehn T agen noch frisch genug, um die Umnittelbarkeit der V erhandlung und des U rteils­ spruchs zu sichern. D ie V erhandlung muß spätestens am elften Tage nach der Unterbrechung wieder auf­ genommen werden. W ird die V erhandlung erst später als nach zehn T agen wieder aufgenommen, so gilt sie als ausgesetzt und muß von neuem be­ ginnen. D er E ntw urf hat zw ar nicht ausgeschloffen, daß die V erhandlung m ehrm als unterbrochen wird, falls sich dies als notwendig erweist; doch darf dies nicht zu einer mißbräuchlichen Anwendung der V or­ schrift führen. V ierter Abschnitt Urteil

§ 80 Gegenstand der U r t e i l s f i n d u n g D a s U rteil spricht aus, ob ein Volksgenosse gegen die Pflichten gegenüber der Volksgemeinschaft ver­ stoßen hat, ob er seine Treupslicht verletzt, seine Ehre verloren hat und welche S tra fe ihm die Gemeinschaft zur S ü h nung seines Unrechts auferlegt. E s enthält eine auf Einsicht, Lebenserfahrung und dem leben­ digen Besitz der sittlichen und rechtlichen Anschauungen des Volkes beruhende E rkenntnis über das V erhalten eines Volksgenossen. D a s U rteil ist eine der wenigen Entscheidungen, die der E ntw urf dem Gericht als Ganzem vorbehält. I n den m it mehreren Richtern besetzten Gerichten w ird es vom Vorsitzer gemeinsam m it den Beisitzern erlassen. A n die Spitze der Bestimmungen über das U rteil stellt der E ntw urf in § 80 die Vorschrift über den Urteilsgegenstand. W ährend § 50 klarstellt, daß jedes U rteil eine H auptverhandlung voraussetzt, be­ antw ortet § 80 die F rage, w o r ü b e r das Urteil

entscheidet. S eine Fassung stellt klar, daß die A n­ klage nicht nur nach der sachlichen S eite — der T a t — , sondern auch nach der persönlichen S eite — dem Beschuldigten — den Gegenstand des H aupt­ verfahrens umgrenzt. B isher wurde der Gegenstand der richterlichen Untersuchung und Entscheidung durch den E röff­ nungsbeschluß abgegrenzt (§ 155 S tP O .). M it dem Wegsall des Eröfsnungsbeschlusses übernim m t nach dem E ntw urf die Anklage die Aufgabe, den Gegen­ stand des gerichtlichen V erfahrens zu bestimmen. D as Gericht hat denjenigen tatsächlichen Vorgang abzu­ urteilen, der im Anklagesatz dem Angeklagten vor­ geworfen wird. Dabei werden, wie nach der b is­ herigen Rechtsprechung, nicht nur die im Anklagesatz bezeichneten Umstände der gerichtlichen Beurteilung unterw orfen, sondern der V organg in feiner Gesamt­ heit mit allen Begleiterscheinungen und Einzelhand­ lungen erfaßt, die nach der Auffassung des Lebens zu ihm als einem einheitlichen Lebensvorgang gehören. E nthält ein solcher V organg mehrere Rechtsverletzungen, so werden sie alle Gegenstand der Urteilssindung, wenn auch die Anklage sie nicht a u s­ drücklich erwähnt. B etrifft die Anklage eine gewerbs­ mäßige oder gewohnheitsmäßige T at oder eine fort­ gesetzte H andlung, so fiub Gegenstand der A burteilung alle Einzelhandlungen, die zur S am m eltat gehören, auch wenn sie in der Anklage nicht ausdrücklich bezeichnet sind. I s t wegen mehrerer T aten Anklage erhoben und wird wegen einzelner von ihnen nach § 35 die A nberaum ung der Hauptverhandlung ab­ gelehnt, so beschränkt dieser Beschluß freilich auch den Gegenstand des H auptverfahrens. D er S ta a ts ­ anw alt hat ihn daher nach § 59 Abs. 2 Satz 3 bei dem V ortrag der Anklage zu berücksichtigen. E s ist Aufgabe des Gerichts, in diesem Rahm en den unter Anklage gestellten V organg in seinem ganzen Umfang und nach allen möglichen rechtliche!: Gesichtspunkten zu würdigen, wobei allerdings die B efugnis zu be­ rücksichtigen ist, nach § 62 den Gegenstand der V er­ handlung und Entscheidung auf das Wesentliche zu beschränken. E in B edürfnis, nach B eginn der H aupt­ verhandlung die Änderung einer einm al erhobenen Anklage zuzulassen, ist danach nicht vorhanden. D ie E inführung der Einheitsstrafe hat eine Abweichung von diesen Grundsätzen nicht zur Folge. Z w ar liegt es im Zweck der Einheitsstrafe, sämtliche T aten des Angeklagten in demselben Rechtsgang vor demselben Gericht zur Aburteilung zu bringen. D em ­ entsprechend werden die Verbindung nlehrerer V erfahren gegen denselben Angeklagten und die Zulassung von Nachtragsanklagen möglichst erleichtert. D er Grundsatz der Einheitsstrafe bedeutet aber nicht, daß ohne Rücksicht auf den Umfang der Anklage in den Gegenstand der Urteilssindung alle T aten einzu­ beziehen w ären, für die auf eine Einheitsstrafe erkannt werden könnte. I s t bei mehreren selbständigen T aten eines Angeklagten nur eine T a t Gegenstand der Anklage, so hat das Gericht den Angeklagten nach § 80 nur wegen dieser T at abzuurteilen; es bleibt dem S ta a tsa n w a lt überlassen, das Verfahren durch eine Nachtragsanklage auf die übrigen T aten zu erstreckeil oder sie später zu verfolgen; dann erst ist die Einheitsstrafe zu bilden.

F r e i e B e w e i s Wü r d i g u n g Nach dem grundlegenden Satze der freien Be­ weiswürdigung, der in § 81 ausgesprochen wird, hat das Gericht ohne Bindung an Beweisregeln über die Ergebniste der Hauptverhandlung nach seiner Über­ zeugung zu entscheiden. Es ist dabei an keine andere Schranke gebunden als die, daß es seine Entscheidung über Schuld oder Unschuld des Angeklagten nur auf den In h a lt der Hauptverhandlung und nicht auf solche Erkenntnisquellen stützen darf, die nicht in der Hauptverhandlung ausgewertet worden sind. Der Entwurf beschränkt den Grundsatz nicht nur auf die Würdigung der Ergebnisse der Beweisaufnahme, da er nicht minder auch für die übrigen Ergebnisse der Hauptverhandlung gilt. D as bisherige Recht hat im § 262 S tP O , be­ stimmt, daß das Strafgericht auch über bürgerlich­ rechtliche Verhältnisse, von denen die Strafbarkeit einer T at abhängt, nach den für das Verfahren und den Beweis in Strafsachen geltenden Vorschriften entscheidet. Der Entwurf hält diese Vorschrift für entbehrlich, da sich schon aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt, daß das Strafgericht an Entscheidungen anderer Gerichte über Rechtsverhält­ nisse, die sich nach bürgerlichem Recht, Verwaltungs­ recht oder anderen Rechtsgebieten regeln, nicht gebunden ist. Dem Strafrichter darf es nicht verwehrt sein, alle Fragen, die für seine Entscheidung von Bedeutung sind, seiner eigenen Beurteilung zu unter­ werfen, auch wenn für sie Rechtssätze außerhalb des Strafrechts gelten. Eine Bindung an Entscheidungen anderer Gerichte kann nur bestehen, soweit das Gesetz sie, wie z. B. in § 468 der Reichsabgabenordnung, § 78 der Strafversahrensordnung besonders an­ ordnet. Auch den § 262 Abs. 2 S tP O , übernimmt der Entwurf nicht. M it dem Grundsatz, daß das gericht­ liche Verfahren in Strafsachen von Amts wegen zu betreiben ist, ist es nicht vereinbar, daß das Gericht einem der Beteiligten zur Erhebung der Zivilklage eine Frist bestimmt und damit den Fortgang des Verfahrens von dem Handeln des Verletzten, des Angeklagten oder eines anderen Beteiligten abhängig macht. Hält das Gericht es für geboten, sein Ver­ fahren auszusetzen, um eine in einem anderen Ge­ richtsverfahren ergehende Entscheidung abzuwarten, so kann dies nach § 79 geschehen. § 82 I n h a l t des U r t e i l s Die allgemeinen Anweisungen über die Form des Urteils lehnen sich teilweise (Nr. 1) an die Bestim­ mungen über die Anklageschrift (§ 28) an; die Angabe des Berufes ist nicht vorgesehen. Uber die bisherige Regelung (§ 275 Abs. 3 S tP O .) wird insofern hin­ ausgegangen, als auch der Verteidiger als Organ der Rechtspflege künftig in der Einleitung des Urteils anzuführen ist. § 83 Urteilsspruch Die Vorschrift gibt die möglichen In h alte der Urteilsentscheidung des ersten Rechtszuges an, deren

nähere Einzelheiten in den §§ 84 bis 89 geregelt sind. Die Verurteilung umfaßt den Schuldspruch und den Ausspruch über die Folgen, die wegen der T at gegen den Angeklagten verhängt werden. Eine Verurteilung ist aber auch die Anordnung sichernder Maßregeln gegen einen Zurechnungsunsähigen. Neben der Verurteilung ist die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von S trafe beson­ ders erwähnt, da es sich bei diesen beiden Maßnahmen nicht um Verurteilungen handelt. Zugleich ist klar­ gestellt, daß beim Absehen von Strafe, deren Vor­ aussetzungen das Strafgesetzbuch regelt, der Schuld­ spruch in das Urteil aufzunehmen ist. § 84 Verurteilung Nach § 84 ist im Urteilsspruch die strafbare Hand­ lung, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird, unter Verwendung des im Strafgesetz für den T at­ bestand gebrauchten Namens zu bezeichnen. Die An­ gabe von Paragraphen genügt daher nicht. Der Richtung des neuen Strafrechts entsprechend ist es aber nicht unzulässig, die strafbare Handlung durch die Kennzeichnung des gesetzlichen Tätertyps zum Ausdruck zu bringen, also etwa den Urteilsspruch dahin zu fasten, daß der Angeklagte „als Räuber" oder „als Mörder" verurteilt werde. Sodann hat der Urteilsspruch auszusprechen, auf welche Strafe oder sichernde Maßregel erkannt wird. Handelt es sich um Geldstrafe, so muß nach § 41 S tG B , die Zahl der Tagesbußen und außerdem der Gesamtbetrag der Geldstrafe in Reichsmark aus dem Urteilsspruch ersichtlich sein. Der Urteilsspruch wird dann also etwa lauten, daß der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagesbußen verurteilt und daß der Ge­ samtbetrag der Tagesbußen auf zweihundert Reichs­ mark bestimmt werde. Sofern Zahlungsfristen oder Teilzahlungen gewährt werden, muß auch dies im Urteilsspruch zum Ausdruck kommen. Wird dem Angeklagten untersagt, einen Beruf oder ein Gewerbe auszuüben, so sind sie, wie nach bisherigem Recht (§ 260 Abs. 2 S tP O .), genau zu bezeichnen, damit Zweifel über die Tragweite, des Berufsverbots ver­ mieden werden. Dies im Gesetz besonders zu sagen, erschien entbehrlich, nachdem nun die sichernden Maßregeln schon seit längerer Zeit in Geltung sind. Wird auf Verwarnung mit Strasvorbehalt er­ kannt, so ist nach § 60 S tG B , die Schuld des Angeklagten festzustellen, eine bestimmte Strafe auszuwerfen und die Verurteilung zu dieser Strafe für den Fall vorzubehalten, daß er sich während einer Probezeit nicht gesetzmäßig führt. Die vorbehaltene S trafe und die Probezeit sind nicht in den Urteils­ gründen, sondern im Urteilsspruch zu bestimmen. Wird nach § 71 S tG B , eine sichernde Maßregel für eine Probezeit aufgeschoben, so ist die Probezeit gleichfalls im Urteilsspruch zu bestimmen. § 85 E i n s t e l l u n g des V e r f a h r e n s I n § 85 werden die Voraussetzungen bestimmt, unter denen der Urteilsspruch dahin zu fasten ist, daß

das Verfahren eingestellt werde. D as bisherige Recht ordnete die Einstellung des Verfahrens in § 260 Abs. 3 S tP O , nur an, wenn der S trafantrag fehlte, ohne die übrigen Fälle zu berücksichtigen, in denen die T at wegen M angels einer Versahrensvoraussetzung nicht verfolgbar ist. Nach dem Entwurf ist die Einstellung des Verfahrens auszusprechen, wenn ein Bersahrenshindernis dem Verfahren ent­ gegensteht. Solche Verfahrenshindernisse sind das Fehlen des Strafantrags, der Anordnung, der Zu­ stimmung oder des Verlangens der Strafverfolgung in den Fällen, in denen die Strafgesetze die Verfol­ gung von ihnen abhängig machen, die Rechtshängig­ keit (§ 116 StV O .), die Rechtskraft, die Amnestie. Ein Verfahrenshindernis, das zur richterlichen Ein­ stellung des Verfahrens führen muß, besteht auch, wenn die Verfolgung der T at nach § 25 wegen Zeit­ ablaufs unzulässig geworden ist. Der § 25 muß also, wie Absatz 2 ausdrücklich klarstellt, in gleicher Weise vom Staatsanw alt wie vom Gericht beachtet werden. D aß das Verfahren nicht einzustellen, sondern auf Freisprechung zu erkennen ist, wenn bei der Urteils­ fällung die Voraussetzungen der Freisprechung dar­ getan sind und es weiterer Aufklärung nicht bedarf, hat das Reichsgericht (R G S t. 70 S . 193) im gel­ tenden Recht schon für den F all der Amnestie aus­ gesprochen. Nach Absatz 1 ist dieser Grundsatz nun in allen Fällen zu befolgen, in denen ein Verfahrens­ hindernis besteht. Ist in dem Zeitpunkt, in dem beurteilt werden kann, ob ein Verfahrenshindernis besteht, der Sachverhalt dahin geklärt, daß der An­ geklagte gar nicht schuldig ist, so hat ihn das Gericht demnach freizusprechen. F ü r die Einstellung des Ver­ fahrens ist nur Raum, wenn in diesem Zeitpunkt die Frage der strafrechtlichen Schuld oder Nichtschuld noch nicht geklärt ist, sondern weiterer Aufklärung bedürfte. Die 2. Durchführungsverordnung zum S tra f­ freiheitsgesetz vom 1. M ai 1938 (RGBl. I S . 458) hat darüber hinaus dem mit Unrecht Beschuldigten die Möglichkeit des Freispruchs dadurch gesichert, daß sie bei Anwendbarkeit des Straffreiheitsgesetzes die Fortsetzung des Verfahrens zur Klärung der Schuld­ frage zuläßt. Ob in künftigen Fällen der Gewährung von Straffreiheit die Fortsetzung des Verfahrens zu diesem Zweck möglich sein soll, werden die einzelnen Straffreiheitsgesetze zu bestimmen haben. § 86 Abweichung des Schuldspruchs v o n der A n k l a g e Nach der bisherigen Rechtsprechung kann das Urteil wegen einer und derselben Tat nur entweder auf Verurteilung oder auf Freisprechung oder auf Einstellung des Verfahrens lauten. Wird der Ange­ klagte wegen einer wesentlich leichteren Tat verur­ teilt als die Anklage sie ihm zur Last gelegt hat oder stellt sich heraus, daß von mehreren ihm zur Last gelegten Rechtsverletzungen einzelne garnicht began­ gen sind, so kann dies im Urteilsspruch bisher nicht zum Ausdruck kommen. Wohl wird in den Gründen er­ wähnt, daß etwa die Tat nicht als Mord, sondern als

fahrlässige Tötung anzusehen sei. I n der Öffentlich­ keit aber wirkt der Urteilsspruch stärker als seine Be­ gründung. Daher wird in solchen Fällen der Ange­ klagte von dem zu Unrecht gegen ihn erhobenen V or­ wurf nicht zur Genüge befreit. Diesem Mißstand will der Entwurf mit der vorliegenden Bestimmung abhelfen. Die Vorschrift hat Bedeutung, wenn das Gericht die Tat rechtlich anders würdigt als die Anklage oder nur wegen e i n e r Rechtsverletzung verurteilt, während die Anklage mehrere Rechtsverletzungen annimmt. S ie wird ferner in Frage kommen, wenn die Anklage eine fortgesetzte Handlung annimmt, das Gericht aber nur eine einzige oder verhältnismäßig wenige Teilhandlungen für erwiesen hält oder wenn etwa der Angeklagte nicht des Diebstahls einer großen Geldsumme, sondern nur eines geringfügigen Betrags überführt wird. Endlich ist es denkbar, daß die T at, wegen deren Anklage erhoben ist, zwei in Tateinheit begangene Rechtsverletzungen enthält, das Gericht jedoch die eine als nicht begangen ansieht, das Ver­ fahren wegen der anderen aber wegen eines Verfah­ renshindernisses, etwa wegen mangelnden S trafan ­ trages, einzustellen hat. F ü r solche Fälle bietet § 86 die Möglichkeit, eine wesentliche Abweichung des Schuldspruchs von der Anklage im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen. Ob das Gericht davon Gebrauch machen will, überläßt der Entwurf dem pflichtmäßigen richterlichen Ermessen, damit es Billigkeits­ erwägungen in weitestem Umfang Rechnung tragen kann. Bei der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten soll der Richter je nach der Lage des Einzelfalls darüber entscheiden, welche Fassung dem Urteilsspruch in solchen Fällen gegeben werden soll. E r wird etwa aussprechen können, der Angeklagte sei nicht des Totschlags, sondern der fahrlässigen Tötung schuldig. Es wird aber auch nicht ausgeschlossen sein, den An­ geklagten von der Anklage des Diebstahls freizu­ sprechen und ihn wegen Hausfriedensbruchs zu ver­ urteilen, wenn die Anklage davon ausging, daß beide Rechtsverletzungen in einer T at zusammentreffen, aber nur die eine von ihnen bewiesen wird. § 87 Urtei lss pruch b ei Ein he i ts s tr af e in Rü c k s i c h t a u f b e s o n d e r e R e c h t s n a c h ­ teile Nach einer Reihe von Vorschriften des S tra f­ gesetzbuchs und anderer Gesetze sind mit der Verur­ teilung zu einer bestimmten Mindeststrafe wegen einer T at bestimmter Art besondere Rechtsnachteile ver­ knüpft. S o scheidet nach § 28 Abs. 2 S tG B , aus seinen öffentlichen Ämtern aus, wer wegen vorsätzlicher T at zu mindestens einem J a h r Gefängnis verurteilt ist. I n § 49 Abs. 1 S tG B , ist die Strafschärfung gegen­ über gefährlichen Gewohnheitsverbrechern davon ab­ hängig gemacht, daß jede der beiden früheren Verurteilungen wegen vorsätzlicher Taten ergangen und sie mit Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten geahndet hat. Ähnliche Bestimmungen finden sich beispielsweise in der Gewerbeordnung über die Versagung des Wander-

gewerbescheins, im Waffengesetz über die Ver­ sagung des Waffenscheins und im Wehrgesetz und seinen Ausführungsbestimmungen über die Wehrun­ würdigkeit. Wird der Täter wegen einer der in diesen Gesetzen genannten Taten und zugleich noch wegen weiterer Taten zu einer Einheitsstrafe verur­ teilt, so läßt der Urteilsspruch nicht erkennen, welcher Teil der Strafe auf eine solche T at entfällt und ob danach der besonders angedrohte Rechtsnachteil ein­ getreten ist oder nicht. Dem trägt § 87 Rechnung. Nach dieser Vorschrift muß das Gericht im Urteilsspruch den T eil der Strafe bezeichnen, den es durch die betreffende T at für ver­ wirkt hält. D as Gericht hat in den Urteilssprnch diesen Ausspruch nur aufzunehmen, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls Grund zu der Annahme besteht, daß die Verurteilung wegen einer der Taten einen besonderen Rechtsnachteil zur Folge haben wird. Würde bei jeder Verurteilung zu einer Einheitsstrafe wegen mehrerer Taten angegeben, welche Strafe auf die einzelne T at entfällt, so würde dies dem Sinne der Einheitsstrafe durchaus zuwider lausen. Ist der Ausspruch versehentlich unterblieben, so kann er nach § 449 durch besonderen Beschluß nachgeholt werden. Der Ausspruch wirkt wie eine Verurteilung zu der Strafe, die er als verwirkt bezeichnet. Demnach kann nach Rechtskraft des Urteils aus ihm ohne weiteres entnommen werden, ob der Rechtsnachteil eingetreten ist oder nicht. § 88

Anrechnung

der

Untersuchungshaft

§ 88 stellt die Vorschriften über die Anrechnung einer Freiheitsentziehung oder einer anderweit er­ kannten S trafe zusammen. D as bisherige Recht regelt diese Frage teils im Strafgesetzbuch (§§ 7, 60 S tG B .), teils in der Strafprozeßordnung (§ 450 S tP O .). D a es sich um eine Frage handelt, die im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen ist, stellt der Entwurf die Anrechnungsvorschriften in die StVO, ein. Wenn sich die Notwendigkeit zur Anrechnung erst bei der Strafvollstreckung ergibt, greifen die ent­ sprechenden Bestimmungen aus dem Entwurf des Strafvollstreckungsgesetzes ein. Nach bisherigem Recht (§ 60 S tG B .) kann eine Untersuchungshaft oder eine einstweilige Unterbrin­ gung, die der Verurteilte wegen der abgeurteilten T at erlitten hat, bei Fällung des Urteils ganz oder teilweise auf die erkannte Strafe angerechnet werden. Die Vorschrift wird als Absatz 1 in § 88 übernommen und zur Klarstellung von Zweifeln auf andere Freiheitsentziehungen ausgedehnt, die aus Anlaß der T at angeordnet worden sind. Der Entwurf geht davon aus, daß die Anrechnung einer solchen Frei­ heitsentziehung auf die Strafe die Regel, die Nicht­ anrechnung die Ausnahme darstellt. Wenn er auch keine Pflicht zur Anrechnung begründet, wird doch die Nichtanrechnung jeweils besonders gerechtfertigt werden müssen. Anrechenbar sind insbesondere die vorläufige Festnahme, eine Freiheitsentziehung aus Grund des Jugendgerichtsgesetzes, eine nach § 207 StV O , zur Abwendung der Flucht angeordnete

Freiheitsentziehung, die-Schutzhaft, die im Ausland verhängte Auslieserungshaft und die Unterbringung in einer Heil- oder Pslegeanstalt zur Beobachtung (§ 245 StV O .). F ür die Anrechnung spielt es keine Rolle, ob die T at, die die Freiheitsentziehung ver­ anlaßt hat, zu einer Verurteilung führt. Maßgebend ist allein, daß über sie in demselben Urteil entschieden wurde, mag die Bestrafung auch wegen einer anderen T at ausgesprochen worden sein. Um Zweifel über die Tragweite der Anrechnung zu vermeiden, soll im Urteilsspruch angegeben werden, ob die ganze S trafe oder welcher Teil davon verbüßt ist. Die Berechnung der anzurechnenden Zeit darf daher grundsätzlich nicht dem Bollstreckungsverfahren überlassen werden. Uber die Anrechnung im Urteilsrügeversahren vgl. § 342 Abs. 3 StVO. Wird eine Einheitsstrafe wegen mehrerer Taten nachträglich gebildet (§ 58 S tG B .) und ist eine in sie einbezogene Strafe bereits ganz oder teilweise voll­ streckt worden, so muß die vollstreckte Strafe auf die Einheitsstrafe angerechnet werden. Auch im Wieder­ aufnahmeverfahren ist die Anrechnung, einer bereits vollstreckten Strafe erforderlich, wenn wegen der­ selben T at eine andere Strafe gebildet wird. Absatz 2 stellt klar, daß in diesen Fällen die Anrechnung im Urteilsspruch auszusprechen ist. Der Absatz 3 entspricht dem § 7 des bisherigen S tG B . Die volle Anrechnung einer im Ausland verbüßten Strafe auf eine wegen derselben T at im In la n d erkannte Strafe setzt voraus, daß die aus­ ländische S trafart der deutschen S tra fa rt vergleichbar ist. Entspricht die ausländische S trafart nach ihrer Stellung in dem fremden Strafensystem und nach der Art ihres Vollzugs nicht der deutschen S trafart, so ist nach Absatz 4 zu verfahren. S oll die Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung nach Absatz 1 auf eine Geldstrafe angerechnet werden, so fehlt ein sicherer Maßstab für die Art der Anrechnung, wenn auch die Zahl der erkannten Tagesbußen einen gewissen Anhalt gibt. Ähnliche Schwierigkeiten treten auf, wenn in den Fällen der Absätze 2, 3 auf eine S trafe anderer Art erkannt wird. F ür solche Fälle gibt der Absatz 4 Anweisung, nach pflichtmäßigem Ermessen zu bestim­ men, welcher Teil der erkannten S trafe durch die Freiheitsentziehung oder durch die früher erkannte Strafe als vollstreckt gilt. § 89 Bekanntmachung eines Freispruchs Dem Angeklagten muß das Strafverfahren die Möglichkeit geben, seine Ehre von dem Verdacht eines ehrenrührigen Verhaltens zu reinigen und, wenn der öffentlich erhobene Vorwurf gegen ihn ungerecht­ fertigt war, sein gutes Ansehen bei den Volksgenossen wiederherzustellen. Der § 89 gibt daher dem Gericht die Befugnis, zur Wiederherstellung des guten Rufs des Angeklagten eine Freisprechung öffentlich be­ kanntzugeben, wenn die Hauptverhandlung ergeben hat, daß der Angeklagte unschuldig ist, oder daß kein begründeter Verdacht gegen ihn besteht. Ist der gute Ruf des Angeklagten durch die Anklage mit Unrecht angegriffen worden, so muß ihm durch das Strafver-

fahren Gerechtigkeit widerfahren und es kann ange­ messen sein, daß das Gericht zu diesem Zweck die öffentliche Bekanntgabe eines Freispruchs anordnet. Gleiches muß gelten, wenn der Angeklagte zwar nicht freigesprochen wird, der Schuldspruch aber von der Anklage wesentlich abweicht und der Urteilsspruch dies nach § 86 zum Ausdruck bringt. Ob die Be­ kanntgabe erforderlich ist, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen. Dem S in n der Anordnung ent­ sprechend, soll sie nur vollzogen werden, wenn der Angeklagte dies beantragt. F ü r den Antrag ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit eine Frist von drei Monaten vorgesehen, die durch die Zustellung des rechtskräftigen Urteils an den Angeklagten in Lauf gesetzt wird. Der Angeklagte wird über diese Frist zu belehren sein. § 90 Verweisung Die sachliche und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts stellt eine Verfahrensvoraussetzung dar, die das Gericht nach § 119 von Amts wegen zu prüfen hat. Im Hauptverfahren findet ihre Prüfung aber schon bei der Anberaumung der Hauptverhand­ lung statt. Fehlt die sachliche oder die örtliche Zu­ ständigkeit, so hat das Gericht nach § 35 Abs. 2 die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen. Ist das Gericht einmal nach dieser Prüfung in die Hauptverhandlung eingetreten, so muß möglichst vermieden werden, daß das Gericht von einer Entscheidung in der Sache selbst wegen Unzuständigkeit absieht. Daher sieht Absatz 1 für die sachliche Zuständigkeit vor, daß das Gericht sich nach Anberaumung der Hauptver­ handlung nicht für unzuständig erklären darf, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre, oder weil statt der Strafkammer die Schöffenkammer zuständig sei. Seine sachliche Unzuständigkeit spricht das Gericht demnach nur aus, wenn die Sache vor ein Gericht höherer Ordnung gehört oder wenn eine bei der Schöffenkammer anhängige Sache vor die S tra f­ kammer gehört. Der Amtsrichter muß hiernach seine Unzuständigkeit insbesondere dann aussprechen, wenn er nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung eine Strafe oder sichernde Maßregel für geboten hält, die seine Strafgewalt überschreitet. Während die sachliche Zuständigkeit mit der ein­ zigen Beschränkung, die sich aus § 90 Abs. 1 ergibt, in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist — also auch bei und nach Anberaumung der Hauptverhandlung und während ihrer Durch­ führung — , darf das Gericht seine örtliche Zuständig­ keit nur im Vorverfahren und im Hauptverfahren nur bis zur Anberaumung der Hauptverhandlung von Amts wegen prüfen. Is t die Hauptverhandlung anberaumt worden, so darf der Mangel der örtlichen Zuständigkeit nur noch berücksichtigt werden, wenn der Angeklagte ihn geltend macht. Um diesem aber die Möglichkeit zu nehmen, die Verweisung an ein an­ deres Gericht noch im Laufe der Hauptverhandlung mit Rücksicht auf eine Verschlechterung seiner Prozeß­ lage zu erzwingen, bestimmt der Entwurf, daß der Angeklagte den Einwand der örtlichen Unzuständig­

keit nur bis zu seiner Vernehmung über die Anklage erheben kann. Erklärt sich das Gericht für sachlich oder örtlich unzuständig, so stellt es das Verfahren nicht ein, son­ dern verweist die Sache an das zuständige Gericht. Die Verweisung wird nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß ausgesprochen. Er wird nicht vom Vorsitzer, sondern vom Gericht erlassen, da es sich um eine das Verfahren dieses Gerichts abschließende Entscheidung handelt. Der Verweisungsbeschluß ist für das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, bindend, so daß nutzlose Zurückverweisungen vermie­ den werden. Ergibt sich die Unzuständigkeit des Gerichts dar­ aus, daß es ein anderes als das in der Anklageschrift bezeichnete Gesetz für anwendbar hält, so hat es im Verweisungsbeschluß den Anktagesatz entsprechend zu ändern. Der neuen Hauptverhandlung ist dieser Anklagesatz zugrunde zu legen. I n anderen Fällen genügt die alte Anklageschrift als Grundlage auch für die Hauptverhandlung vor dem Gericht, an das die Sache verwiesen wird. Abweichend vom bisherigen Recht (ß 270 Abs. 2. § 207 StV O .) ist es demnach nicht erforderlich, daß daZ Gericht stets in dem Ver­ weisungsbeschluß die S traftat, ihre gesetzlichen Merk­ male und die anwendbaren Strafvorschriften be­ zeichnet. Der Absatz 4 trifft eine Sondervorschrift für solche Strafsachen, die der Volksgerichtshof nach § 103 Abs. 3 an das Oberlandesgericht verweisen kann. Sie stellt klar, daß der Verweisungsbeschluß in einer Sache, die ein niedrigeres Gericht an den Volks­ gerichtshof verwiesen hat, diesen nicht hindert, die Sache nach § 103 Abs. 3 an das Oberlandesaericht abzugeben. Insoweit kann der Verweisungsbeschluß für den Volksgerichtshof nicht bindend sein. I n Absatz 5 gibt der Entwurf eine Sondervor­ schrift für den Fall, daß das Gericht die Sache wegen sachlicher Unzuständigkeit an ein niedrigeres Gericht als das vom Staatsanw alt bezeichnete verweist. Gegen den Verweisungsbeschluß läßt der Entwurf die befristete Beschwerde zu; jedoch kann nur der S ta a ts­ anwalt die Zuständigkeit des höheren Gerichts gel­ tend machen. Aus der Anfechtbarkeit des Be­ schlusses folgt, daß die Vorschriften über die Anhörung des S taatsanw alts und der Beteiligten (§ 278) und über die Begründung der Entscheidung (§ 280) zu beachten sind. D a es sich bei der örtlichen Unzuständigkeit immer nur um eine Verweisung an ein gleichgeordnetes Gericht handelt, ist hier eine Beschwerde des S ta a ts ­ anwalts gegen den Beschluß des Gerichts nicht vor­ gesehen. Der Beschluß bedarf daher auch keiner Begründung. § 91 U r t e i l 3. g r ü n b e Der Entwurf erweitert in § 91 die Anforde­ rungen, die an die Urteilsgründe gestellt werden. Er trägt damit auch der gerichtlichen Übung Rechnung, die schon bisher im allgemeinen über die Anforde­ rungen hinausgegangen ist, die § 267 S tP O , an die Urteilsgründe gestellt hat.

Nach dem bisherigen Recht sollen bei Verurtei­ lungen auf Grund eines Jndizien-Beweises neben der Anführung der Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, auch die Tatsachen angegeben werden, aus denen die Täterschaft gefolgert wird (§ 267 Abs. 1 Satz 2 S tP O .). Der Entwurf verallgemeinert diese Vor­ schrift dahin, daß die Gründe eines jeden Urteils, also auch bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt, Schuldigsprechung unter Absehen von Strafe, Frei­ sprechung oder Einstellung des Verfahrens, die tat­ sächliche und rechtliche Grundlage des Urteils ersicht­ lich machen sollen. Dazu gehört die Darlegung, wie das Gericht die Erklärungen des Angeklagten und die erhobenen Beweise würdigt, welche Tatsachen es demnach für erwiesen oder nicht erwiesen erachtet und welche Gesetze es anwendet. D as erfordert, auch wenn es sich nicht um einen Indizien-Beweis handelt, ein Eingehen auf die Beweisgründe, wie es in ähn­ licher Weise im Militärstrafverfahren schon seit langem vorgeschrieben ist (§ 326 Abs. 1 der alten M StG O ., § 246 Abs. 1 der neuen M StG O .). Die Vorschrift ist auch mit Rücksicht auf die Befugnis geboten, die dem Urteilsrügegericht bei der Nach­ prüfung der tatsächlichen Feststellungen zusieht. Werden Beweisanträge in der Hauptverhandlung abgelehnt, so ergibt sich die Pflicht zur Angabe der Gründe, sei es in der Niederschrift, sei es im Urteil, aus den §§ 65, 280. Der Absatz 2 erweitert die Erfordernisse, die an die Urteilsgründe gestellt werden, für die Fälle des (Achuldspruchs und der Anordnung einer sichernden Maßregel. Hier sind stets auch die Tatsachen hervor­ zuheben, in denen das Gericht die Merkmale der strafbaren Handlung erblickt, eine Pflicht, die das bisherige Recht im § 267 Abs. 1 Satz 1 S tP O , auf­ erlegt. Ferner müssen die Strafzumessungs gründe angegeben werden, und zwar so eingehend, daß die Beachtung der im § 48 des Strafgesetzbuchs ausge­ stellten Grundsätze nachgeprüft werden kann. Die Angabe der Strafbemessungsgründe wird über das bisherige Recht hinausgehend zwingend vorgeschrie­ ben, weil sie bei der Anwendung des neuen Strasrechts nicht weniger wichtig sind als die Feststellungen zur Schuldfrage. D er Absatz 3 übernimmt aus dem bisherigen Recht die Absätze 2 und 6 des § 267 S tP O ., erweitert aber auch hier die Begründungspslicht. Bisher hat sich das Urteil mit den Umständen, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, nur auseinander­ zusetzen, wenn solche Umstände in der Verhandlung behauptet worden sind. Unterbleibt die Anwendung einer sichernden Maßregel, so muß bisher das Gericht auf die Gründe dafür nur eingehen, wenn in der Verhandlung die Anordnung einer sichernden M aß­ regel beantragt war. Künftig soll das Gericht sich zu diesen Fragen stets von Amts wegen äußern, wenn nach der besonderen Sachlage Umstände, die die S trafe schärfen, mildern oder ausschließen, oder sichernde Maßregeln in Erwägung zu ziehen sind. Insbesondere bei Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit soll das Gericht nach den §§ 20, 23 S tG B , von sich aus prüfen, ob der Angeklagte den besonderen Maßnahmen unterworfen werden soll, die

das Gesetz zum Schutz der Volksgemeinschaft vorsieht. Absatz 4 bringt eine wesentliche Neuerung. Die Bedeutung eines Freispruchs ist sehr verschieden, je nachdem, ob das Verfahren die Unschuld des Ange­ klagten erwiesen hat oder ob er trotz schweren Ver­ dachts nicht voll überführt werden konnte. Der F rei­ spruch wegen erwiesener Unschuld stellt auch die Ehre des Angeklagten wieder her, während ein Freispruch mangels ausreichenden Beweises für den Angeklagten vom Standpunkt seiner Ehre aus gesehen ebenso belastend sein kann wie eine Verurteilung. Es ent­ spricht der Bedeutung, die die Ehre im national­ sozialistischen Volksleben und Rechtsdenken einnimmt, daß das freisprechende Urteil erkennen lassen muß, ob der Angeklagte durch das Verfahren vom Verdacht der Tat gereinigt worden ist oder nicht. Ein Aus­ spruch hierüber ist auch deshalb geboten, weil der Entwurf eine Anfechtung des freisprechenden Urteils mit der Begründung zuläßt, daß die Urteilsgründe durch die Aufrechterhaltung eines Verdachts den An­ geklagten beschwerten und daß sie seine Unschuld hätten feststellen müssen (§ 316). Der Absatz 5 ver­ pflichtet daher das Gericht zu den entsprechenden Feststellungen. Fortgefallen ist der bisherige Absatz 4 des § 267 S tP O ., der bei Rechtsmittelverzicht aller Änfechtungsberechtigten eine Abkürzung der Urteilsgründe zuließ. Urteile, die sich über die Schuldfrage oder über die Strafzumessung nicht ausführlich äußern, bilden im Strafvollzug, bei der nachträglichen B il­ dung einer Einheitsstrafe und im Wiederaufnahme­ verfahren eine so große Erschwerung, daß dem Gericht die Arbeit der Begründung auch dann nicht erspart werden kann, wenn infolge Rechtsmittelverzichts ein Rechtsmittelverfahren ausgeschlossen ist. Der Zwang zu ausführlicher Urteilsbegründung nötigt ferner den Richter, sich über das Urteil Rechenschaft zu geben, und bildet so mittelbar eine wertvolle Sicherung für eine gewissenhafte Urteilsfindung. § 92 Verurteilung auf Grund Wahlfeststellung

einer

Die Vorschrift enthält die verfahrensrechtliche Ergänzung zu § 3 S tG B . Auch bei einer Verurtei­ lung aus Grund einer Wahlfeststellung ist der Schuld­ spruch grundsätzlich eindeutig; wie die Strafe nach § 3 Abs. 1 S tG B , bei Verurteilung auf Grund einer Wahlfeststellung nur dem mildesten Gesetz entnommen werden darf, so soll der Angeklagte auch im Urteils­ spruch nur der Verletzung des anzuwendenden S tra f­ gesetzes schuldig gesprochen werden. Der Schuld­ spruch ist also auf das mildeste der in Betracht kom­ menden Gesetze zu stützen. Der Entwurf sieht davon ab, eine ausdrückliche Regelung für diejenigen Fälle zu treffen, in denen die T at nach allen möglicherweise verletzten Strafgesetzen gleichzuwerten ist. D as Gericht wird hier die Wahl haben, welchen Tatbe­ stand es im Schuldspruch nennen will. Es wird auch nicht ausgeschlossen sein, den Schuldspruch in solchen Fällen wahlweise zu fassen, den Angeklagten etwa wegen Diebstahls oder Hehlerei zu verurteilen.

Eine Wahlfeststellung auf Grund des § 3 S tG B , ist nur möglich, wenn die Vorgänge, auf die sie gestützt wird, überhaupt Gegenstand der Aburteilung sind. I n die Wahlseststellung darf demnach eine Handlung des Angeklagten nicht einbezogen werden, wenn sie außerhalb des Bereichs der angeklagten T at liegt und daher nach *§ 80 auch nicht abgeurteilt werden darf. Aus der Durchführung dieses allgemeinen versahrensrechtlichen Grundsatzes sind Schwierigkeiten nicht zu befürchten, da der S taatsanw alt durch eine Nach­ tragsanklage derartige Vorgänge zum Gegenstand der Urteilsfindung machen kann. Der Absatz 2 bezieht sich nicht nur auf den Fall, daß jemand gegen eines von mehreren Strafgesetzen verstoßen hat, aber nicht festgestellt werden kann, welches von ihnen er verletzt hat (§ 3 Abs. 1 S tG B ), sondern auch auf den im § 3 Abs. 2 S tG B , geregelten Fall, daß jemand durch eine von mehreren Taten gegen ein Strafgesetz verstoßen hat, aber nicht fest­ gestellt werden kann, durch welche von ihnen er sich vergangen hat. I n beiden Fällen hat das Gericht in den Urteilsgründen die Umstände anzugeben, die eine eindeutige Feststellung unmöglich machen. Den bisherigen Absatz 3 des § 267 b S tP O , hat der Entwurf nicht übernommen. Die Vorschrift hat nur Bedeutung für die Fälle des Freispruchs, da es einer besonderen Begründung nicht bedarf, wenn das Gericht abweichend von den in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen den Angeklagten auf Grund ein­ deutiger Feststellungen verurteilt. Kommt das Gericht aber zum Freispruch, so ergibt sich schon aus § 91 Abs. 1 StV O , die Pflicht, die tatsächlichen und recht­ lichen Gründe des Freispruchs darzulegen. Dazu gehört auch eine Auseinandersetzung zu der Frage, weshalb nicht eine Verurteilung aus § 3 S tG B , gestützt werden konnte. § 93

übernimmt diese Regelung nicht, da es ausnahms­ weise zweckmäßig sein kann, den Urteilsspruch erst nach Mitteilung der Urteilsgründe bekanntzugeben, etwa wenn bei sofortiger Verkündung des Urteils­ spruchs Störungen der Verhandlung durch den Ange­ klagten zu erwarten wären. Wie nach bisherigem Recht (§ 268 Abs. 2 S tP O .) sind die Urteilsgründe im Falle der Unterbrechung der Verhandlung vor der Verkündung zuvor schriftlich abzufassen, also durch Unterschrift festzustellen. Wird die Verkündung des Urteils ausgesetzt, so kann es zu Schwierigkeiten führen, wenn einer der Richter, die das Urteil beschlossen haben,. an der späteren Verkündung nicht teilnehmen kann. Sind die Urteilsgründe in solchen Fällen festgestellt und unterschrieben, so ist die Tätigkeit der mitwirkenden Richter abgeschlossen und es kann in Kauf genommen werden, daß bei Verhinderung eines mitwirkenden Richters am Verkündungstermin andere Richter teil­ nehmen als diejenigen, die das Urteil beschloffen haben. Mindestens e i n Richter des erkennenden Gerichts muß jedoch stets bei der Urteilsverkündung mitwirken. Der Absatz 4 erlaubt dem Vorsitzer, den Ange­ klagten und im Falle einer Anwesenheitspslicht des Verteidigers auch diesen für die Zeit der Urteilsver­ kündung zu beurlauben. Wird der Angeklagte oder der Verteidiger durch Krankheit oder andere wichtige Gründe verhindert, an der Urteilsverkündung teilzu­ nehmen, so kann es unerwünscht sein, den Fortgang des Verfahrens dadurch aufzuhalten oder lediglich für die Verkündung einen anderen Verteidiger zu bestellen. Aus wichtigen Gründen soll dem Ange­ klagten und dem Verteidiger daher gestattet werden können, der Urteilsverkündung fernzubleiben. Der bisherige Absatz 3 des § 268 S tP O , ist durch die allgemeine Vorschrift über die Rechtsmittelbeleh­ rung (§ 283 StV O .) entbehrlich geworden.

Urteilsverkündung

§ 94

Die Vorschrift sieht für die Urteilsverkündung einige Abweichungen vom bisherigen Recht (§ 268 S tP O .) und von § 79 des Entwurfs vor. Grundsätz­ lich ist das Urteil am Schluß der Hauptverhandlung zu verkünden, ohne daß zwischen der Beendigung der Schlußvorträge, der Beratung und der Verkündung des Urteils eine zeitliche Lücke liegt. Die Unter­ brechung der Verhandlung unmittelbar vor der Ver­ kündung muß eine Ausnahme bleiben. Nach dem Entwurf darf die Verhandlung daher unmittelbar vor der Verkündung nur aus besonderen Gründen und höchstens bis zu einer Woche unterbrochen werden. Bei der Verkündung wird der Urteilsspruch ver­ lesen. E r muß daher zuvor schriftlich festgelegt werden. Zur Vermeidung von Zweifeln darüber, was das Gericht beschloffen hat, schreibt der Entwurf vor, daß die Berufsrichter den Urteilsspruch vor der Verkündung zu unterschreiben haben. Nach dem Ge­ setz zur Abänderung der Strafprozeßordnung vom 27. Dezember 1926 (RGBl. I S . 529) mußte die Verlesung der Urteilsformel in jedem Falle der M it­ teilung der Urteilsgründe vorangehen. Der Entwurf

A b f a s s u n g des U r t e i l s Die Vorschrift bringt keine wesentlichen Abwei­ chungen vom geltenden Recht. Die Aufnahme des vollständigen Urteils in die Niederschrift ist auch künftig zulässig. Der Absatz 2 entspricht dem Absatz 2 des § 275 S tP O . Der Absatz 3 des bisherigen § 275 S tP O , ist im § 82 StV O , ausgegangen. Die Vorschriften über die äußere Form der Ausferti­ gungen und Auszüge, die bisher der Absatz 4 des § 275 S tP O , enthielt, können im Verwaltungswege getroffen werden. § 95 Verhandlungsniederschrist Die Vorschrift saßt die §§ 271 bis 273 S tP O , zusammen und enthält einige Abweichungen vom bisherigen Recht. Nach dem Absatz 1 sind nicht nur die verlesenen Schriftstücke, sondern auch alle anderen erhobenen Beweise in der Verhandlungsniederschrist anzuführen. Dazu gehört auch die Angabe, ob nach § 73 eine dienstliche Äußerung eines Richters oder

Staatsanw alts abgegeben wurde und ob Schriftstücke auf andere Weise als durch Verlesung verwertet wurden (§ 66 Abs. 3), was für die Nachprüfung von Verfahrensrügen von Bedeutung sein kann. Wie nach bisherigem Recht sind auch die im Lause der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Be­ schlüsse und der Urteilsspruch in die Niederschrift aufzunehmen. D a Beschlüsse, durch die ein Antrag abgelehnt wird, nach § 280 StV O , zu begründen sind, gehören auch die Gründe der Ablehnung in die Niederschrift, soweit sie nicht in das Urteil ausge­ nommen werden. F ü r das Verfahren vor dem Amtsrichter ist außerdem die Sonderbestimmung getroffen, daß der wesentliche In h a lt der Vernehmungen in die Nieder­ schrift aufzunehmen ist. Hierdurch soll dem Berufungs­ gericht die Nachprüfung des Sachverhalts erleichtert werden. Der Absatz 5 enthält Bestimmungen über die Zeit der Fertigstellung der Niederschrift, die den Vor­ schriften über die Fertigstellung des Urteils (§ 93 Ahs. 1, 2) entsprechen. D a an der Urteilsverkündung im Falle ihrer Aussetzung Richter teilnehmen können, die an der Hauptverhandlung nicht mitgewirkt haben (§ 93 Abs. 3), soll die Niederschrift vor der Urteils­ verkündung fertiggestellt sein, wenn diese ausgesetzt wird. Ferner wird vorgeschrieben, daß das Urteil nicht zugestellt werden darf, solange die Niederschrift nicht fertiggestellt ist. Hierdurch soll erreicht werden, daß die Niederschrift bereits vorliegt, wenn die Rechtsmittelfristen, die durch die Zustellung in Laus gesetzt werden, zu laufen beginnen, sodaß dem An­ fechtungsberechtigten die volle Rechtsmittelbegrün­ dungsfrist zur Einsicht der Niederschrift zur Verfü­ gung steht. Dies kann namentlich in umfangreichen Sachen, deren Verhandlung geraume Zeit in Anspruch nimmt, von Bedeutung sein. Eine Zustellung, die hiergegen verstieße, wäre unwirksam. § 285 über die Aufnahme von Aussagen und anderen Vorgängen in einer gebräuchlichen Kurz­ schrift gilt auch für die Niederschrift über die Haupt­ verhandlung. § 96 B e r i c h t i g u n g der Ni e de r s c hr i f t Die frühere Rechtsprechung hat die Berichtigung der Sitzungsniederschrift nur mit wenigen Einschrän­ kungen zugelassen. Is t ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt und darauf gestützt worden, daß eine Vorschrift über das Verfahren verletzt sei, so durste nach der früheren Rechtsprechung derjenige Teil der Niederschrift, der sich auf die behauptete Verletzung bezog, nur berichtigt werden, soweit dadurch die Rüge bestätigt wurde. Eine Berichtigung durfte nach Ein­ legung eines Rechtsmittels nicht mehr vorgenommen werden, soweit sie der Rüge einer Verletzung des Verfahrensrechts die tatsächliche Unterlage entzog. Diese Einschränkung, die der Große S enat für Strafsachen erst neuerdings aufgegeben hat (RG St. 70, 241), wäre für das neue Recht nicht erträglich. Die Beweiskraft der Niederschrift darf nicht dazu führen, daß Mängel des Verfahrens, die sich nur aus einer unrichtigen Niederschrift ergeben, in Wahrheit

aber gar nicht vorgelegen haben, als vorhanden gelten und zur Aufhebung des Urteils führen können. Der Zweck der Niederschristsberichtigung ist, den In h a lt der Niederschrift in Übereinstimmung mit dem tatsäch­ lichen Verlaus der Hauptverhandlung zu bringen, so daß dem Rechtsmittelgericht die Vorgänge in der Hauptverhandlung so zur Nachprüfung unterbreitet werden, wie sie sich wirklich zugetragen haben, nicht aber, wie sie infolge eines Versehens in der Nieder­ schrift dargestellt sind. Daher bestimmt der Entwurf in Übereinstimmung mit der jetzigen Rechtsprechung, daß eine Berichtigung der Niederschrift jederzeit mög­ lich ist. Die Berichtigung kann von Amts wegen oder aus Antrag vorgenommen werden. S ie ist als solche in der Niederschrift kenntlich zu machen. Eine Berichtigung kann nur von beiden Beur­ kundenden, also dem Vorsitzer'und dem Schriftführer gemeinsam vorgenommen werden, da eine Berichti­ gung nur auf dem Wissen und der Erinnerung der beurkundenden Personen beruhen kann. M it der Beweiskraft der Niederschrift wäre es nicht vereinbar, daß eine Berichtigung von einem Vorsitzer, der die Hauptverhandlung nicht geleitet hat, oder von einem Beschwerdegericht angeordnet wird. Daher kann an der Berichtigung nur derjenige als Vorsitzer oder als Schriftführer mitwirken, der dieses Amt in der Hauptverhandlung ausgeübt hat. Als Folge hiervon bestimmt der Entwurf, daß sowohl die Berichtigung a ls auch ihre Ablehnung unanfechtbar sind. D a der Staatsanw alt, der Verteidiger oder die Beteiligten, wenn sie die Niederschrift eingesehen haben oder wenn ihnen eine Abschrift der Nieder­ schrift erteilt worden ist, ein Interesse daran haben, die Berichtigung zu erfahren, muß ihnen jede Berich­ tigung bekanntgegeben werden. § 97 B e w e i s k r a f t der Ni ederschri f t Der Entwurf hält an dem die freie Beweiswürdi­ gung einschränkenden Grundsatz fest, daß für die vom Rechtsmittelgericht zu prüfende Frage, ob die gesetz­ lichen Vorschriften über das Verfahren in der Haupt­ verhandlung beobachtet worden sind, der In h a lt der Sitzungsniederschrift maßgebend ist. Was darin über das Verfahren in der Hauptverhandlung vermerkt ist, muß so, wie es vermerkt ist, als geschehen und, was darin nicht vermerkt ist, als nicht geschehen angesehen werden. Die Niederschrift beweist demnach nicht nur die beurkundeten Vorgänge. Ih re Beweiskraft führt auch dazu, daß die nicht beurkundeten Vor­ gänge bei der Prüfung von Verfahrensrügen als nicht geschehen gelten. Ist die Niederschrift berichtigt worden, so bezieht sich die Beweiskraft auf die Nieder­ schrift in der berichtigten Gestalt. Die Fassung der Vorschrift macht deutlich, daß die Beweiskraft nur für die Nachprüfung von Verfahrensrügen durch die Rechtsmittelgerichte besteht. Die Nachprüfung solcher Rügen muß in den oberen Rechtszügen aus eine feste Grundlage gestellt werden, wie sie nur die vom Vor­ sitzer und vom Schriftführer bestätigten Feststellungen der Niederschrift bieten können. I n einem Wieder­ aufnahmeverfahren und in einem anderen Strasver-

fahren wegen einer T at, die in der Hauptverhandlung begangen worden ist, hat die Niederschrift keine erhöhte Beweiskraft. Eine Beweisregel, wie sie der § 97 Abs. 1 auf­ stellt, ist allerdings nur erträglich, wenn es möglich ist, Unrichtigkeiten der Niederschriften geltend zu machen. D as bisherige Recht (§ 274 S tP O .) hat gegen den die Förmlichkeiten betreffenden In h a lt der Niederschrift nur den Nachweis der Fälschung zuge­ lassen. Diese Ausnahme hat sich als zu eng erwiesen.

Nach dem Entwurf können zunächst Mängel, A us­ lassungen und Irrtü m er der Niederschrift jederzeit nach § 96 von dem Vorsitzer und dem Schriftführer gemeinsam berichtigt werden. Darüber hinaus läßt der Entwurf gegen den In h a lt der Niederschrift den Nachweis der Unrichtigkeit zu. E r folgt damit dem Zuge der Entsormalisierung des Strafverfahrens und übernimmt zugleich die Regelung, die in dieser Frage seit langem im Militärstrafversahrensrecht besteht (§ 285 M StG O .).

Zweites Buch Gemeinsame Verfahrensvorschriften Erstes Hauptstück

Richter und Staatsanwalt, der Verteidiger, der Beschuldigte Erster Abschnitt Richter und Staatsanw alt

Erster Unterabschnitt Zuständigkeit

Der Entwurf stellt in die Strasverfahrensordnung auch die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit ein, während das bisherige Recht diese vorwiegend im Gerichtsverfassungsgesetz regelt und in § 1 S tP O , nur auf die dort getroffene Regelung verweist. Um den Überblick über die gesamte Zuständigkeitsregelung zu erleichtern, erscheint es auch zweckmäßig, die Be­ stimmungen über die sachliche und die örtliche Zu­ ständigkeit in einem besonderen Abschnitt der S tra f­ verfahrensordnung zu vereinigen. I n den §§ 98 bis 105 sind die Vorschriften über die sachliche Zuständig­ keit enthalten; ihnen folgen in den §§ 106 bis 115 die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit. Die §§ 116 bis 120 bringen einige gemeinsame Vor­ schriften. S a c h lic h e Z u s t ä n d i g k e i t Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte im bisherigen Recht beruht aus dem im liberalen Verfassungsdenken des 19. Jahrhunderts verankerten Grundsatz, daß niemand seinem gesetz­ lichen Richter entzogen werden dürfe. D araus wurde gefolgert, daß der im Einzelfall zur Entscheidung berufene Richter nur durch das Gesetz bestimmt sein dürfe und die sachliche Zuständigkeit des Gerichts sich daher unter Ausschaltung jeglichen Einflusses der Staatsanwaltschaft unmittelbar aus dem Gesetz er­ geben müsse. Zur Erfüllung dieser Forderung wählte man den Weg, den einzelnen Gerichten bestimmte Straftatbestände zur Aburteilung zuzuweisen, die teils durch die Höhe der angedrohten Strafe, teils durch den Hinweis auf die Strafbestimmungen selbst ge­ kennzeichnet waren. Als Grundlage der Zuständig­ keitsregelung diente die aus § 1 des Strafgesetzbuches von 1871 sich ergebende Dreiteilung der strafbaren Handlungen in Übertretungen, Vergehen und Ver­ brechen. S ie fand in der Strafprozeßordnung von 1877 ihr Gegenstück in der Dreigliederung der S tra f­ gerichte des ersten Rechtszuges in Schöffengerichte,

Strafkammern und Schwurgerichte. Jeder dieser Gerichtsstusen war eine Gruppe von strafbaren Handlungen zugewiesen, allerdings mit der Maßgabe, daß das zuständige Gericht gewisse S traftaten durch Beschluß an ein niedrigeres Gericht verweisen konnte, wenn die gesetzliche Anknüpfung der Zuständigkeit an den Straftatbestand im Einzelfall der Bedeutung der Sache nicht entsprach. Diese Regelung, welche die Verweisung ganz dem Gericht vorbehielt, erwies sich indes, besonders in den Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit, in stei­ gendem Umfang als umständlich und zeitraubend; sie wurde daher durch die Einrichtung der Wahlzustän­ digkeit ersetzt. Einzelne Straftatbestände wurden so­ wohl dem Einzelrichter als auch dem Schöffengericht, andere dem Schöffengericht wie auch der Strafkammer zur Aburteilung zugewiesen. Dem Staatsanw alt wurde die Befugnis eingeräumt, zwischen den meh­ reren sachlich zuständigen Gerichten zu wählen und dabei die Höhe der zu erwartenden Strafe sowie den Umfang und die Bedeutung der Sache zu berück­ sichtigen. Diese Regelung führte im Ergebnis dazu, daß im wesentlichen der Einzelrichter mit der kleinen Kriminalität, das Schöffengericht und die S tra f­ kammer mit der mittleren und das Schwurgericht mit der schweren Kriminalität befaßt wurden. Dazu traten im Laufe der Entwicklung für bestimmte S tra f­ taten, die sich gegen die Grundlagen des S taates richten, als weitere Gerichte des ersten (und einzigen) Rechtszuges der Volksgerichtshof, das Oberlandes­ gericht und das in die ordentliche Gerichtsbarkeit nicht eingegliederte Sondergericht. Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit im Ent­ wurf ergibt sich aus der Neugestaltung des sachlichen Strafrechts. Die Verschiedenartigkeit der dort vor­ gesehenen Strassormen fordert wie bisher die Ein­ richtung mehrerer Arten von Gerichten des ersten Rechtszuges, da mit der Schwere der verwirkten Strafe und der übrigen Tatsolgen die Anforderungen steigen, die an die Leistungsfähigkeit und Urteilskraft des Gerichts gestellt werden. J e höher die V erant­ wortung eines Gerichts bemessen ist, um so mehr muß die größtmögliche Sicherheit für den gerechten Ur­ teilsspruch darin gesucht werden, daß mit der stei­ genden Zahl und sorgfältigen Auswahl der Richter die Möglichkeit von Irrtüm ern und Fehlsprüchen ein­ geschränkt wird. Außer diesem Gesichtspunkt ist für die Regelung des Entwurfs aber auch das Streben nach Vereinfachung des Gerichtsausbaus von aus­ schlaggebendem Gewicht. Deshalb weist der Entwurf dem Amtsrichter als Einzelrichter außer der kleinen

auch die mittlere Kriminalität zu und bestimmt im übrigen, soweit nicht für gewisse Straftaten — ins­ besondere solche, die sich gegen die Grundlagen des S taates richten — eine Sonderregelung Platz greift, daß die bisher von der Strafkammer und dem Schwurgericht wahrgenommenen Aufgaben der Schössenkammer zufallen. Die sachliche Zuständigkeit durch Zuweisung ein­ zelner Straftaten an die Gerichte nach der Höhe der Strafdrohungen zu regeln, ist nur dann zweckmäßig, wenn das Gesetz verhältnismäßig enge Strafrahm en zur Verfügung stellt und es dadurch ermöglicht, die Strafdrohung als Unterscheidungsmerkmal für die Zugehörigkeit einer T at zur kleinen, mittleren oder schweren Kriminalität zu benutzen. Der Entwurf des Strafgesetzbuchs beseitigt aber die zahlreichen engen Strasrahm en des geltenden Rechts und sieht S tra f­ rahmen vor, die dem richterlichen Ermessen bei der Strafzumessung weiten Spielraum gewähren. E r beseitigt ferner die Dreiteilung der Straftaten in Übertretungen, Vergehen und Verbrechen, die der bisherigen Zuständigkeitsregelung zugrundelag, und macht die Beurteilung einer S traftat von der sog. konkreten Betrachtungsweise abhängig, die weniger Gesichtspunkte der Tatbestandsgestaltung als viel­ mehr die Besonderheiten des Einzelfalles entscheiden läßt. Diese Umgestaltung des Strafrechts erfordert eine entsprechende Regelung der sachlichen Zuständigkeit. Dem Tatstrafrecht der Vergangenheit, das die Schwere einer T at vorwiegend nach äußeren Merkmalen be­ stimmte, entsprach eine Zuständigkeitsregelung, die an die Tatbestandsmerkmale und an den im Gesetz angedrohten Strafrahm en anknüpfte. D as neue Täter- und Willensstrafrecht dagegen, das die P e r­ sönlichkeit des Täters mindestens in gleichem Maße berücksichtigt wie das äußere Erscheinungsbild der T at, verlangt nach einer Regelung, bei der sich die Zuständigkeit des.Gerichts grundsätzlich nach der Schwere der im Einzelsall verwirkten S trafe oder sichernden Maßregel richtet. Hiernach regelt der Entwurf die sachliche Zu­ ständigkeit für die weitaus überwiegende Zahl der Strafsachen in der Weise, daß er den Gerichten eine bestimmte Strafgewalt zuweist und sie ermächtigt, Strafsachen jeder Art abzuurteilen, wenn nur die gegen den T äter zu verhängende S trafe oder sichernde Maßregel innerhalb dieser Strafgewalt liegt. Die Strafgewalten sind nach der Schwere der Strafen und sichernden Maßregeln derart' abgestuft, daß die höhere Strafgew alt der Schöffenkammer die niedri­ gere Strafgew alt des Amtsrichters mitumfaßt. Innerhalb des Bereichs, der die Strasgewalt des Amtsrichters und der Schössenkammer umfaßt, ob­ liegt es dem Staatsanw alt, auf Grund einer vor­ läufigen Beurteilung des Sachverhalts zu erwägen, welche Strafe oder sichernde Maßregel als ausreichend erscheint, und danach das Gericht zu bestimmen, bei dem er die Sache anhängig macht. Damit räumt der Entwurf in viel weiterem Umfang als das geltende Recht dem S taatsanw alt einen maßgebenden E in­ fluß daraus ein, welches Gericht sich der Aburteilung eines Täters zu unterziehen hat. D as allein ent­ spricht der Stellung des Staatsanw alts, wie sie der Entwurf gestaltet, und bringt zugleich die bewußte

Ablehnung jener Gedanken zum Ausdruck, denen die frühere Regelung der Zuständigkeit nach bestimmt bezeichneten Tatbeständen entsprang. Aus den gleichen Gründen soll der S taatsanw alt künftig die Anklage statt bei dem Amtsrichter oder der Schössenkammer bei der Strafkammer erheben können, wenn er die sofortige Aburteilung durch diese mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der Tat oder die in der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung für geboten hält. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Staatsanw alt, Strafsachen von besonderer Bedeu­ tung, deren Erledigung keinen Aufschub duldet, in einem rasch arbeitenden, rechtsmittellosen Verfahren vor einem hierzu besonders geeigneten Gericht zur sofortigen Aburteilung zu bringen. Wie sich aus § 35 Abs. 2 Nr. 2 ergibt, kann in den Fällen, in denen Anklage vor dem Amtsrichter erhoben ist, die Anberaumung der Hauptverhandlung wegen Überschreitung der Strasgewalt nur dann ab­ gelehnt werden, wenn nach der Überzeugung des Amtsrichters mit Sicherheit zu erwarten ist, daß die zu verhängende Strafe oder sichernde Maßregel seine Strasgewalt überschreitet. I m übrigen kann der Amtsrichter nur auf Grund der Hauptverhandlung entscheiden, ob eine seine Strasgewalt überschreitende Strafe oder sichernde Maßregel geboten ist; alsdann muß er sich der Aburteilung enthalten und die Sache an das zuständige Gericht verweisen (§ 90 Abs. 2). Dagegen erkennt die Schössenkammer selbst, wenn die zu verhängende Strafe oder sichernde Maßregel auch von einem Gericht mit niedrigerer Strasgewalt, d. h. dem Amtsrichter, hätte allsgesprochen werden können (§ 90 Abs. 1). Der Begriff der Strasgewalt bietet für die Re­ gelung der sachlichen Zuständigkeit keine genügende Unterscheidung im Bereich der Straftaten, die den Bestand des S taates gefährden, weil hier die Art der S traftat die Aburteilung durch ein bestimmtes Gericht ohne Rücksicht auf die Schwere der zu er­ wartenden S trafe verlangt. D as gilt aber nicht allein für hoch- und landesverräterische Handlungen, son­ dern auch für sonstige Straftaten — insbesondere soweit sie bisher der Zuständigkeit des Sondergerichts unterstanden — , die sich gegen den Bestand des S taates richten und die deshalb aus Zweckmäßig­ keitsgründen von einem einziginstanzlichen Gericht ab­ geurteilt werden. Dementsprechend werden diese T at­ bestände wie bisher aus der Zuständigkeit der übrigen Gerichte herausgehoben und dem Volksgerichtshof, dem Oberlandesgericht und der Strafkammer des Landgerichts zugewiesen. I m Bereich dieser S tra f­ taten besteht also kein Wahlrecht des Staatsanw alts, dessen Ausübung sich nach der im Einzelfall zu er­ wartenden S trafe oder sichernden Maßregel richtet. Vielmehr muß hier die Anklage bei dem zur Ab­ urteilung der T at gesetzlich bestimmten Gericht er­ hoben werden. Hiervon gelten zwei Ausnahmen: einmal die, daß der Oberreichsanwalt beim Volks­ gerichtshof eine zur Zuständigkeit des Volksgerichts­ hofs gehörende Sache an den Generalstaatsanwalt zur Strafverfolgung vor dem Oberlandesgericht ab­ geben kann; ferner die, daß der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht jede Sache, die nicht zur Zustän­ digkeit des Oberlandesgerichts oder des Volksaerichtshoss gehört, an sich ziehen und in ihr die Anklage

Vor betn Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts erheben kann. §98 S t r a f g e w a l t des A m t s r i c h t e r s Die Strafgewalt des Amtsrichters, der als Einzel­ richter entscheidet, ist bei Freiheitsstrafen dahin ab­ gegrenzt, daß er auf Zuchthaus bis zu zwei Jahren, auf Gefängnis oder Festungshaft bis zu fünf Jahren und auf Hast bis zur gesetzlichen Höchstdauer (§ 30 S tG B .) erkennen kann. Damit werden dem Amts­ richter alle Strafsachen zugewiesen, in denen nicht so schwerwiegende Strafen oder Maßregeln zu ver­ hängen sind, daß in einer erweiterten Besetzung des Gerichts eine besondere Sicherung des gerechten Ur­ teilsspruchs gesucht werden muß. Diese weitgehende Zuständigkeit des Amtsrichters erfährt praktisch zu­ nächst dadurch eine Einschränkung, daß der S ta a ts­ anwalt nach § 100 in einer in die Strafgewalt des Amtsrichters fallenden Strafsache Anklage vor der Schösfenkammer erheben kann und daß erwartet wird, er werde von dieser Befugnis Gebrauch machen, wenn der Umfang und die Bedeutung der Sache es ver­ langen. Zum andern ermächtigt das Gerichtsver­ fassungsgesetz den Reichsminister der Justiz, für die hier in Betracht kommenden Strafsachen durch all­ gemeine Anweisung zu bestimmen, daß sie ganz oder zum Teil für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte von einem Amtsgericht abgeurteilt werden. Dadurch wird es der Justizverwaltung ermöglicht, einzelnen Amts­ richtern, die über besondere Erfahrung auf dem Ge­ biete der Strafrechtspflege verfügen, für einen Bezirk, der über die Grenzen ihres engeren Amtsbereichs hinausreicht, Strafsachen von größerem Gewicht all­ gemein zuzuweisen. Dabei steht es im Ermessen der Justizverwaltung, ob sie für die Zuweisung die Art der Straftaten oder die Höhe der zu erwartenden Strafe als Grundlage nehmen will. Von den Ehrenstrafen fällt in die Strafgewalt des Amtsrichters nur die Bekanntmachung des Ur­ teils, die der Amtsrichter auch dann anordnen kann, wenn sie nicht der öffentlichen Brandmarkung des T äters oder der öffentlichen Genugtuung für den Verletzten (§§ 37, 38 S tG B .), sondern der Wieder­ herstellung des guten Rufes des Angeklagten dient (§§ 89, 367 StV O .). Dagegen ist ihm verwehrt, auf Ehrloserklärung und Entziehung der Amtsfähigkeit zu erkennen. Die Ehrloserklärung hat nach § 32 StG B . Ehrenminderungen zur Folge, die den Rahmen der bei Verhängung einer jeden Zuchthausstrafe fräst Ge­ setzes eintretenden Ehrenminderungen (§ 27 Abs. 3 S tG B .) weit übersteigen; sie muß daher einem Ge­ richt vorbehalten bleiben, das hohe Zuchthausstrafen zu verhängen befugt ist. Die Entziehung der Amtssähigkeit greift in ihren Wirkungen weit über die im geltenden Reckt zulässige Aberkennung der Fähig­ keit, öffentliche Ämter zu bekleiden, hinaus und be­ deutet in vielen Fällen die Vorwegnähme einer dienst­ strafrechtlichen Entscheidung. Der Entwurf weist daher diese Ehrenstrafe, auch wenn sie neben einer Gefängnisstrafe ausgesprochen wird (§ 33 S tG B ), der Strasgewalt der Schöffenkammer zu. Von den Vermögensstrafen stehen dem Amts­ richter die Geldstrafe und die Versallerklärung zur Verfügung, und zwar ohne Beschränkung aus einen

Höchstbetrag, nicht aber die Vermögenseinziehung, die mit Rücksicht auf ihre schwerwiegende Wirkung der Schösfenkammer vorbehalten ist. T ritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe eine Ersatz­ freiheitsstrafe, so kann sie bis zur gesetzlichen Höchst­ dauer verhängt werden. Der Amtsrichter ist ferner zur Verwarnung mit Strafvorbehalt und zur Anordnung aller Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung befugt mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung, der Entm an­ nung und des auf Lebenszeit ausgesprochenen Be­ rufsverbots; diese können wegen ihrer Bedeutung für den Betroffenen nur durch die Schöffenkammer ver­ hängt werden. Auf die in seine Strafgewalt fallenden S trafen und Maßregeln kann der Amtsrichter auch neben­ einander erkennen, soweit dies nach dem Entwurf des Strafgesetzbuches zulässig ist. Sollen gegen den­ selben Angeklagten mehrere Freiheitsstrafen neben­ einander ausgesprochen werden (§ 56 S tG B .), so darf deren Gesamtdauer fünf Jahre nicht übersteigen, wobei eine Ersatzfreiheitsstrafe nicht mit eingerechnet wird. Ebenso muß sich die Einheitsstrafe in dem Rahmen der Strafgewalt halten. §99 S t r a f g e w a l t der Sc hös f e nka mme r . Die Aburteilung der Straftaten, für die nicht die Zuständigkeit des Amtsrichters in Anspruch ge­ nommen oder die Zuständigkeit der Strafkammer, des Oberlandesgerichts oder des Volksgerichtshofs besonders begründet ist, obliegt der Schöffenkammer. Ih re Strafgewalt umfaßt die Todesstrafe, lebens­ lange Zuchthausstrafe sowie sämtliche zeitigen F rei­ heitsstrafen. Die Schöffenkammer kann ferner sämt­ liche Ehrenstrafen verhängen, also außer der Bekannt­ machung des Urteils auch die Ehrloserklärung und die Entziehung der Amtsfähigkeit. S ie kann auch aus alle Vermögensstrafen einschließlich der Vermögensein­ ziehung erkennen, ferner auf Verwarnung mit Strasvorbehalt und aus alle Maßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Schöf­ fenkammer als Gericht des ersten Rechtszuges oder über die Berufung gegen ein Urteil des Amtsrichters entscheidet. Dementsprechend ist die Schöffenkammer als Berufungsgericht in der Lage, Strafen ober sichernde Maßregeln zu verhängen, die die S tra f­ gewalt des Amtsrichters übersteigen.

§ 100 A b g r e n z u n g der Zuständigkeit zwi schen A m t s r i c h t e r un d S c h ö s s e n kammer Die Vorschrift enthält die grundlegende Bestim­ mung, die die konkrete Betrachtungsweise in die Re­ gelung der sachlichen Zuständigkeit einführt. Satz 1 ergibt in Verbindung mit § 104, daß der Amtsrichter und die Schösfenkammer grundsätzlich für alle S tra f­ sachen zuständig sind, die nach der gegen den T äter zu verhängenden Strafe oder sichernden Maßregel in ihre Strafgewalt fallen. F ü r die Beurteilung der Frage, ob eine Strafsache in die Strafgewalt des an­ gerufenen Gerichts fällt, ist also nicht die ange-

drohte, sondern die im Einzelfall verwirkte Strafe oder zu verhängende Maßregel entscheidend. Der Staatsanw alt hat demnach bei der Anklageerhebung auf Grund der Ermittlungen des Vorverfahrens die Täterpersönlichkeit und die T at zu werten und sich eine Vorstellung darüber zu bilden, welche Strafe und welche sichernde Maßregel gegen den T äter zu erwarten ist. Soll gegen denselben Beschuldigten An­ klage wegen mehrerer Taten erhoben werden und wird daher nach § 54 S tG B , eine Einheitsstrafe zu bilden sein, so ist die Höhe der voraussichtlich zu verhängenden Einheitsstrafe maßgebend. Übersteigt die zu erwartende S trafe oder sichernde Maßregel die Strafgewalt des Amtsrichters, so hat der S ta a ts ­ anwalt die Anklage grundsätzlich bei der Schöffen­ kammer zu erheben. Fällt die T at in die Strafgewalt des Amtsrichters, so ist neben diesem auch die Schöffenkammer zur Aburteilung zuständig, da ihre Strafgewalt die des Amtsrichters umfaßt. Der Staatsanw alt hat aber, wie die Fassung des Satzes 1 ergibt, in der Regel die Anklage vor dem Gericht zu erheben, dessen Strafgew alt er für ausreichend hält. Von diesem Grundsatz läßt Satz 2 eine Ausnahme für die Fälle zu, in denen mit Rücksicht aus den Um­ fang oder die Bedeutung der Sache die Anrufung der Schöffenkammer angezeigt ist. Alsdann darf der Staatsanw alt die Anklage statt vor dem Amtsrichter vor der Schösfenkammer erheben. Dadurch schafft der Entwurf die Möglichkeit, solche Strafsachen, denen ein tatsächlich oder rechtlich schwieriger Sachverhalt zugrunde liegt, vor ein stärker besetztes Gericht zu bringen und die zur Entscheidung stehenden Rechts­ fragen dem Reichsgericht zu unterbreiten. Diese Regelung wird insbesondere auch für Strafsachen Be­ deutung gewinnen, in denen sich die Hauptverhand­ lung voraussichtlich über längere Zeit erstrecken wird. I n solchen Fällen vermeidet die Erhebung der An­ klage vor der Schösfenkammer eine wiederholte T a t­ sachenverhandlung, die den Abschluß des Verfahrens in unerträglicher Weise verzögern und die Gefahr mit sich bringen würde, daß die Beweisaufnahme in einer weit hinausgeschobenen Berufungsverhandlung wegen der inzwischen verblaßten Erinnerung der Zeugen neue Fehlerquellen eröffnen würde. Die An­ klage wird vor der Schöffenkammer zu erheben sein, wenn es sich um Strafsachen handelt, die der schweren Kriminalität zuzurechnen sind und deren Aburteilung durch ein mit mehreren Richtern besetztes Gericht nach der Art der Tat geboten ist. Dies gilt insbesondere für die Erhebung der Anklage wegen Totschlags im Falle des § 408 StG B , und wegen Meineids (§§ 379, 382 StG B .). Die Entscheidung darüber, ob eine S tra fta t in die Strafgewalt des anzurufenden Gerichts fällt, ob­ liegt zunächst dem Staatsanw alt. Die Befugnis des Gerichts, die Aburteilung der Tat wegen Überschrei­ tung seiner Strafgewalt abzulehnen, richtet sich vor der Hauptverhandlung nach § 35, in der Hauptver­ handlung nach § 90. § 101 Zu s t ä n d i g k e i t der S t r a f k a m m e r Der Entwurf weist der Strafkammer zwei Gruppen von Strafsachen zu. Die erste Gruppe, die in § 101 Abs. 1 aufgeführt ist, umfaßt eine Reihe

bestimmt bezeichneter Straftaten, die sich gegen die Grundlagen des Staates richten. Sie werden der Aburteilung der Strafkammer, die in der Regel den Bezirk mehrerer Landgerichte oder gar eines Ober­ landesgerichts umfaßt, unterstellt, um die einheitliche Behandlung dieser — zahlenmäßig nicht sehr häu­ figen — Taten zu gewährleisten. Zu einem erheb­ lichen Teil handelt es sich bei den in Betracht kom­ menden Strafsachen um solche, die im bisherigen Recht aus ähnlichen Erwägungen den für jeden Ober­ landesgerichtsbezirk gebildeten Sondergerichten zu­ gewiesen waren. Der Entwurf sieht davon ab, ent­ sprechend der für die Sondergerichte bisher geltenden Regelung eine Abgabe minder bedeutender S tra f­ sachen in das ordentljche Verfahren zuzulassen. Die hierfür in Frage kommenden Sachen sind gering an Zahl und weisen durchweg keinen erheblichen Umfang auf; andererseits würde die durch eine Verweisung ein­ tretende Verzögerung des Verfahrens in keinem rechten Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen. — Wegen der Möglichkeit, solche Taten aus­ nahmsweise vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts aburteilen zu lassen, wird auf die Be­ merkungen zu § 105 verwiesen. Nach § 101 Abs. 1 ist die Strafkammer zuständig zur Aburteilung der Straftaten, die sich als „An­ griffe auf die Ehre des Deutschen Volkes" darstellen mit Ausnahme des verbotswidrigen Hissens der Reichs- und Nationalflagge (§§ 121 bis 127 S tG B .), ferner zur Aburteilung aller Straftaten, die sich als „Störung der Beziehungen zum Ausland" borfteöeu (§§ 131 bis 136 StG B .). Weiterhin umfaßt die Zu­ ständigkeit der Strafkammer aus dem Bereich der „Angriffe auf Raste und Erbgut" die Auflehnung gegen Maßnahmen zur Erb- und Rastenpflege und die Zersetzung des Fortpflanzungswillens (§§ 140, 142 S tG B .), von den „Angriffen auf die Wehrkraft" die Zersetzung des Wehrwillens und die Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung (§§ 148, 149 S tG B .), von den „Angriffen aus die Arbeitskraft" die Aufforderung zur Verweigerung der Reichs­ arbeitsdienstpflicht und die Hetze zum Arbeitskampf (§§ 163, 175 S tG B .), von den „Angriffen auf Ehe und Familie" die Schmähung von Ehe und M utter­ schaft (§ 196 StG B .). Als weitere dem Gemeinwohl besonders schädliche Straftaten werden der S tra f­ kammer überwiesen aus dem Bereich der „Angriffe auf die Wirtschaft" die Gefährdung wichtigen Lebens­ bedarfs, der Wirtschaftsverrat und der Mißbrauch einer leitenden Stellung in einer wirtschaftlichen oder ständischen Organisation (§§ 245 bis 247 S tG B .), von den Fällen der „Auflehnung gegen die öffentliche Gewalt" die Aufforderung zur Auflehnung gegen Gesetze und zur Steuerverweigerung (§§ 284, 285 S tG B .), von den Fällen der „Störung des Volks­ friedens" die Volksverhetzung, der Kanzelmißbrauch, die Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung und die Geheimbündelei (§§ 298 bis 301 StG B .), ferner die gegen den „Schutz der Abstimmungen" gerichteten Straftaten (§ 307 bis 310 S tG B .), jedoch nur in den wichtigen Fällen, in denen sich die T at gegen den Schutz von Volksabstimmungen richtet,.schließlich von den „Angriffen aus die Rechts­ pflege" das Verächtlichmachen der Rechtspflege oder Verwaltung (§ 367 StG B .).

M it der Aufhebung der Sondergerichte fällt das Gericht weg, dem in der VO. v. 20. 11. 1938 (RGBl. I S . 1632) die Aufgabe gestellt worden war, den rücksichtslosen Kamps gegen das gemeinschädliche Verbrechertum aufzunehmen. Diese wichtige Aufgabe weist der Entwurf nunmehr in § 101 Abs. 2 der Strafkammer zu. Diese zweite Gruppe der S tra f­ taten, die danach von der Strafkammer abzuurteilen sind, umfaßt solche sonst zur Zuständigkeit des Amts­ richters oder der Schössenkammer gehörenden Sachen, in denen wegen der Schwere oder der Verwerflich­ keit der T at oder der in der Öffentlichkeit hervor­ gerufenen Erregung die sofortige Aburteilung des Täters in einem rechtsmittellosen Verfahren geboten erscheint.

§ 102 Z u s t ä n d i g k e i t des O b e r l a n d e s ­ gerichts Entsprechend der seit einigen Jahren unter der nationalsozialistischen Staatssührung getroffenen Regelung, die sich bewährt hat, sieht der Entwurf die Verweisung bestimmter Sachen, die an sich zur Zu­ ständigkeit des Volksgerichtshofs gehören, an das Oberlandesgericht vor. Diese Uberweisungsmöglich­ keit soll der Entlastung des Volksgerichtshofs von solchen Sachen dienen, die von minderer Bedeutung sind und nicht unbedingt vom Volksgerichtshof ab­ geurteilt werden müssen. Die Verweisung kann durch den Oberreichsanwalt an den Generalstaatsanwalt und durch den Volksgerichtshof nach § 103 Abs. 3 mit Zustimmung des Oberreichsanwalts an das Ober­ landesgericht erfolgen. Welche Strafsachen im einzelnen zur abgeleiteten Zuständigkeit des Oberlandesgerichts gehören und wie das Überweisungsverfahren im einzelnen ge­ regelt ist, ist aus den Bemerkungen zu § 103 ersichtlich. § 103 Zus t ä n d i g k e i t des Vo l k s g e r i c h t s h o f s Die für den Bestand und;bte Sicherheit des Reiches lebenswichtige Ausgabe*, die gefährlichsten Staatsfeinde abzuurteilen, vertraut der Entwurf ebenso wie das bisherige Recht dem Volksgerichtshof an, der durch Richter von besonderer Sachkenntnis und persönlicher Eignung Gewähr für eine erfolg­ reiche Lösung dieser hohen Ausgabe bietet. Die Zuständigkeit des Volksgerichtshofs umfaßt alle Fälle des „Hochverrats" (§§ 89 bis 97 StG B .), des „Landesverrats" (§§ 98 bis 117 S tG B .) und der „feindlichen Handlungen von Ausländern" (§ 120 StG B .). Ferner sind ihm zugewiesen das Verlassen des Reichsgebiets während eines Krieges (§ 155 StG B .), die Wehrmittelbeschädigung (§ 158 S tG B .) und die Nichtanzeige einer geplanten S tra f­ tat (§ 371 S tG B .), wenn es sich bei dieser um mit dem Tode oder mit Zuchthaus bedrohten Hoch- oder Landesverrat oder um in gleicher Weise bedrohte feindliche Handlungen von Ausländern oder Wehr­ mittelbeschädigungen handelt. Wegen eines Teils dieser Straftaten kann jedoch die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts dadurch begründet werden, daß der Oberreichsanwalt die

Strafverfolgung an den Generalstaatsanwalt abgibt oder der Volksgerichtshof die Verhandlung und E nt­ scheidung mit Zustimmung des Oberreichsanwalts dem Oberlandesgericht überweist (§ 103 Abs. 2, 3). Dazu gehören aus dem Bereich des Hochverrats die Vorbereitung zum Hochverrat in den Fällen des § 93 Abs. 3, das fahrlässige Verbreiten und die Nicht­ anzeige einer hochverräterischen Schrift und die F ö r­ derung des Bolschewismus (§§ 95 bis 97 StG B .). Aus dem Bereich des Landesverrats können abgegeben oder überwiesen werden Verfahren wegen öffent­ licher Mitteilung eines früheren Staatsgeheimnisses, wegen Preisgabe oder fahrlässiger Preisgabe eines Staatsgeheimnisses und wegen Anknüpfung ver­ dächtiger Beziehungen (§§ 103 bis 106 S tG B ). Auch das Verlassen des Reichsgebiets ohne die Absicht der Dienstpslichtentziehung (§ 155 Abs. 2 S tG B .) und die Wehrmittelbeschädigung — abgesehen von den besonders schweren Fällen — (§ 158 Abs. 1, 2 und 4 S tG B .) gehört zu diesem Kreise von S tra f­ taten. Ferner rechnet der Entwurf hierzu die feind­ lichen Handlungen von Ausländern, die nach § 120 S tG B , als Verstöße gegen die §§ 93 Abs. 3, 95, 96, 103 bis 106 S tG B , strafbar sind. Endlich gehört hierhin die nach § 371 StG B , strafbare Nichtanzeige bestimmter Straftaten. I n diesen Fällen kann der Oberreichsanwalt die Strafverfolgung an den Generalstaatsanwalt ab­ geben, solange die Sache bei ihm schwebt (§ 103 Abs. 2) oder noch die Möglichkeit besteht, die Anklage zurückzunehmen (§ 29). Ist Anklage vor dem Volks­ gerichtshof erhoben, so kann auch der Volksberichts­ hof, solange die Hauptverhandlung noch mcht an­ beraumt ist, die Sache dem Oberlandesgericht m x Verhandlung und Entscheidung überweisen, wenn der Oberreichsanwalt zustimmt (§ 103 Abs. 3). Der E nt­ wurf macht die Überweisung von der Zustimmung des Oberreichsanwalts abhängig, weil es der S ta a ts­ sührung vorbehalten bleiben muß, in Fällen, die sie als besonders schwerwiegend ansieht, die Entscheidung des Volksgerichtshofs herbeizuführen. Ist dagegen die Hauptverhandlung vor dem Volksgerichtshof ein­ mal anberaumt, so besteht die Möglichkeit einer Ver­ weisung nicht mehr. Hat der Oberreichsanwalt die Strasverfolgung an den Generalstaatsanwalt abgegeben und hat dieser Anklage vor dem Oberlandesgericht erhoben oder hat der Volksgerichtshof die Sache dem Ober­ landesgericht überwiesen, so kann sich auf Grund neu hinzutretender Umstände die Notwendigkeit ergeben, die Abgabe oder Überweisung wieder rückgängig zu machen. Der Oberreichsanwalt kann daher nach dem Abs. 4 die Abgabe und die Zustimmung zur Über­ weisung bis zum Beginn der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht zurücknehmen. Damit erlischt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts; das Ver­ fahren wird vor dem Volksgerichtshof fortgesetzt.

§ 104 E r h e b u n g der An k l a g e vor der S t r a f ­ k a mm e r , dem O b e r l a n d e s g e r i c h t und dem Vol ks ger i cht s hof Ist eine Strafsache der Zuständigkeit der S tra f­ kammer, des Oberlandesgerichts oder des Volks5

gerichtshoss zugewiesen, so fehlt den übrigen Ge­ richten (Amtsrichter und Schöffenkammer) die Zu­ ständigkeit zur Aburteilung, auch wenn die Strafe in ihre Strafgew alt fallen würde. Die Anklage darf in diesen Fällen nur bei dem Gericht erhoben werden, dessen Zuständigkeit sich aus den §§ 101 Abs. 1, 102 und 103 ergibt. D a nach diesen Vorschriften vor die Strafkammer, das Oberlandesgericht und den Volks­ gerichtshof nur bestimmt bezeichnete Straftaten gehören, so können grundsätzlich andere Strafsachen bei diesen Gerichten nicht anhängig gemacht werden. Von diesem Grundsatz läßt jedoch der Satz 2 drei Ausnahmen zu. Bei den genannten Gerichten darf eine Strafsache anderer Art dann anhängig gemacht werden, wenn sie mit einer zur Zuständigkeit des Gerichts gehörenden Sache verbunden wird (§ 275). Die Verbindung kann nach § 277 im Vorverfahren durch den Staatsanw alt, nach Erhebung der Anklage durch den Vorsitzer des mit der ausschließlichen Zu­ ständigkeit ausgestatteten Gerichts erfolgen. Einzel­ heiten hinsichtlich der Entscheidung über die Ver­ bindung ergeben die Bemerkungen zu § 277. Ferner kann bei den genannten Gerichten eine Strafsache anderer Art dann anhängig gemacht werden, wenn eine Einheitsstrase wegen der zur Zu­ ständigkeit einer dieser Gerichte gehörenden S tra f­ tat und einer S traftat anderer Art gebildet werden soll. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Verfahren wegen der zur Zuständigkeit der Strafkammer, des Oberlandesgerichts oder des Volksgerichtshofs ge­ hörenden S traftat noch anhängig ist oder ob diese S traftat bereits rechtskräftig abgeurteilt ist. I m ersten F all werden beide Verfahren verbunden. Auch im zweiten Fall gestattet Satz 2, wegen der S traftat anderer Art die Anklage vor der Strafkammer, dem Oberlandesgericht oder dem Volksgerichtshof, um die nachträgliche Bildung der Einheitsstrafe (§ 58 S tG B .) durch die genannten Gerichte zu ermöglichen. Jedoch brauchen diese Gerichte zur nachträglichen Bildung der Einheitsstrafe nicht unbedingt ange­ gangen zu werden. § 118 läßt auch zu, die Anklage wegen der noch abzuurteilenden T at vor dem hierfür zuständigen niedrigeren Gericht zu erheben und dort die Einheitsstrafe zu bilden. Endlich darf bei den genannten Gerichten eine Strafsache anhängig gemacht werden, wenn im Zu­ stande der Trunkenheit eine T at begangen worden ist, die sonst zur Zuständigkeit dieser Gerichte gehören würde (§ 305 StG B .). Die Befugnis der Strafkammer, des Oberlandes­ gerichts und des Volksgerichtshofs, die Aburteilung einer T at wegen Unzuständigkeit abzulehnen, richtet sich vor der Hauptverhandlung nach § 35, in der Hauptverhandlung nach § 90. D as für die Strafkammer Gesagte bezieht sich, wie aus den vorstehenden Bemerkungen ersichtlich, nur auf die Fälle, in denen die Zuständigkeit der Strafkammer nach § 101 Abs. 1 begründet ist, gilt also nicht, wenn der Strafkammer eine Sache unter­ breitet wird, die an sich — nach der zu erwartenden Strafe — in die Zuständigkeit des Amtsrichters oder der Schöffenkammer fällt. Um Zweifel in dieser Hin­ sicht auszuräumen, wird dies ausdrücklich klargestellt.

§ 1C5

E r h e b u n g der A n k l a g e v o r dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts I n den Bemerkungen zu § 100 ist dargelegt, daß und aus welchen Gründen die gesetzliche Möglichkeit vorgesehen wird, eine an sich in die Zuständigkeit des Amtsrichters fallende Strafsache vor ein stärker besetztes Gericht, nämlich die Schöffenkammer, zu bringen. Wie an späterer Stelle (§ 377) noch dar­ zulegen ist, hält es der Entwurf für richtig, beim Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, bei denen oftmals innen- oder außenpolitische Gesichtspunkte ein erhebliches Gewicht haben werden, das Vorver­ fahren in der Gestalt der richterlichen Vorunter­ suchung sich abwickeln zu lassen. I n diesen Aus­ nahmefällen kann das Bedürfnis bestehen, auch das Hauptverfahren abweichend von der allgemeinen Zuständigkeit vor einem Gericht durchzuführen, dessen Rang und Besetzung der besonderen Bedeutung der Sache entspricht. Ein gleiches Bedürfnis kann aber auch eintreten, wenn der Staatsanw alt ohne I n ­ anspruchnahme des Untersuchungsrichters die E rm itt­ lungen zum Abschluß gebracht hat. Der Entwurf läßt daher in § 105 für S tra f­ sachen, die nicht zur Zuständigkeit des Oberlandes­ gerichts oder des Volksgerichtshofs gehören — einerlei ob eine Voruntersuchung geführt worden ist oder nicht — , die Anklageerhebung vor dem Be­ sonderen Strafsenat des Reichsgerichts zu, wenn das nach der Auffassung des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht wegen der Bedeutung der Sache an­ gezeigt ist. Diese besondere Zuständigkeit des Reichs­ gerichts soll aber nur ausnahmsweise und nur beim Vorliegen zwingender Gründe in Anspruch genom­ men werden. D as wird dadurch gesichert, daß die Anklageerhebung in die Hand des Oberreichsanwalts beim Reichsgericht gelegt wird, ergibt sich überdies auch daraus, daß der Entwurs dem Besonderen S tra f­ senat des Reichsgerichts nur ein auf Ausnahmefälle beschränktes Aufgabengebiet zuweist. Ör t l i che Zu s t ä n d i g k e i t Der erste Unterabschnitt behandelt in seinem zweiten Teil (§§ 106 bis 115) die örtliche Zuständig­ keit, und zwar in der Hauptsache die des Gerichts, soweit sie für das Hauptverfahren zu regeln ist. Außerhalb des Hauptverfahrens gelten nach tz 114 die dafür gegebenen Sondervorschriften. Nicht ausdrück­ lich geregelt ist die örtliche Zuständigkeit zur Ent­ scheidung über ein Rechtsmittel; hierfür ist zuständig dasjenige höhere Gericht, zu dessen Bezirk das Gericht ehört, welches die angefochtene Entscheidung erlassen eit. Die örtliche Zuständigkeit des Staatsanw alts ist in § 115 bestimmt; sie lehnt sich im wesentlichen an die für das Gericht getroffene Regelung an. Der Entwurf geht bei der Regelung der örtlichen Zuständigkeit von dem Grundgedanken aus, daß eine wirksame Strafrechtspflege von unnötigen Ver­ zögerungen des Strafverfahrens freigestellt werden muß und daß deshalb die Anklageerhebung nicht aus vermeidbare Schwierigkeiten stoßen darf, die sich aus zu engen örtlichen Zuständigkeitsbestimmungen er­ geben. Die Gerichtsstände erfahren daher eine be-

deutende Erweiterung. D as bisherige Recht kennt als allgemeine Gerichtsstände nur die des Tatorts und des Wohnsitzes des Angeschuldigten (S tP O . §§ 7, 8 Abs. 1). Durch den gewöhnlichen Aufenthalts­ ort wird gegenwärtig ein Gerichtsstand nur be­ gründet, wenn der Angeschuldigte im Reich keinen Wohnsitz hat (§ 8 Abs. 2 S tP O .). Auch der Gerichts­ stand der Ergreifung ist im bisherigen Recht nur beim Fehlen anderer Gerichtsstände gegeben (§ 9 S tP O .). Hiervon abweichend stellt der Entwurf dem Wohnsitz des Beschuldigten für die Bestimmung des Gerichtsstandes dessen gewöhnlichen Aufenthattsort gleich (§ 107 Satz 2). Besonders bedeutsam ist die Einführung des Gerichtsstandes des Verwahrungs­ orts (§ 108), der einem seit langem fühlbar ge­ wordenen Bedürfnis abhilft. Endlich läßt der E nt­ wurf die Anklageerhebung wegen einer Auslandstat am Gerichtsstand des Ergreisungsorts auch dann zu, wenn andere Gerichtsstände gegeben sind (§ 109). Diese Regelung wird ergänzt durch die V or­ schriften über die Verbindung (§§ 275 bis 277). Danach ist ein Gerichtsstand für mehrere Strafsachen, die verbunden bei einem Gericht anhängig gemacht werden sollen, bei jedem der in Betracht kommenden Gerichte begründet; handelt es sich dabei um Gerichte verschiedener Ordnung, so ist der Gerichtsstand des höheren Gerichts maßgebend. Sind mehrere Gerichte örtlich zuständig, so steht dem Staatsanw alt das Wahlrecht zu (§ 112), dessen Ausübung sich ausschließlich nach den Erfordernissen der Strafrechtspflege zu richten hat. Da die Wah­ rung der hierfür maßgebenden Gesichtspunkte in erster Linie dem S taatsanw alt obliegt, ist es geboten, die Verpflichtung des Gerichts zur Nachprüfung seiner örtlichen Zuständigkeit enger zu begrenzen als bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit, zumal die Verweisung an ein anderes, gleichgeordnetes Gericht in der Regel eine dem Verfahren nicht dienliche Henunung bedeutet. Die Gefahr, daß sich ein örtlich unzuständiges Gericht mit der Sache befaßt, wird durch die im Entwurf vorgesehene Erweiterung der Gerichtsstände, beträchtlich verringert. Freilich hat das Gericht vor Anberaumung der Hauptverhandlung stets seine örtliche Zuständigkeit zu prüfen und, wenn in seinem Bezirk kein Gerichtsstand begründet ist, die Anberaumung abzulehnen (§ 35 Abs. 2 Nr. 1). Nach Anberaumung der Hauptverhandlung läßt dagegen § 90 Abs. 2, um Verweisungen tunlichst einzu­ schränken, die Nachprüfung der örtlichen Zuständig­ keit nur noch aus Einwand des Angeklagten zu; dieser kann den Einwand nur bis zu seiner Vernehmung über die Anklage erheben. § 106

Geri cht sst and des T a t o r t e s Absatz 1 regelt den praktisch bedeutsamsten Ge­ richtsstand: örtlich zuständig ist das Gericht, in besten Bezirk die T at begangen worden ist. F ü r die An­ wendung der Vorschrift ist von Bedeutung, daß nach § 81 Abs. 3 S tG B , eine Tat an jedem O rt begangen ist, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte.

F ü r Taten, die wegen des In h a lts eines im In lan d erschienenen Druckwerks strafbar sind, be­ schränkt Absatz 2 den Gerichtsstand des T atorts aus das Gericht, in dessen Bezirk das Druckwerk erschienen ist. Die Vorschrift ist, wie ihre Fassung ergibt, nur auf die Fälle anwendbar, in denen die T at sowohl am Orte des Erscheinens als auch an anderen Orten begangen ist und deshalb nach Absatz 1 der Gerichts­ stand mehrerer Gerichte begründet wäre. Als Druck­ werk gelten nach § 2 Abs. 2 des Schristleitergesetzes vom 4.10.1933 (RGBl. I S . 713) alle zur Ver­ breitung bestimmten Vervielfältigungen von Schrif­ ten oder bildlichen Darstellungen, die durch ein Massenvervielsältigungsverfahren hergestellt sind. Eine ergänzende Vorschrift findet sich in § 20 Abs. 2 FrSchO. Danach ist, wenn durch den In h a lt eines Druckwerks eine Ehrenkränkung begangen worden ist, auch der Friedensrichter zuständig, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn das Druckwerk in diesem Bezirk verbreitet worden ist. § 107

G e r i c h t s st a n d d e s W o h n s i t z e s Der Wohnsitz des Beschuldigten bestimmt sich nach den §§ 7 bis 11 BGB. D a die Beschuldigten öfters an einem anderen als dem danach zu bestimmenden O rt wohnen, stellt der Entwurf für die Bestimmung des Gerichtsstandes dem Wohnsitz den Ort des ge­ wöhnlichen Aufenthalts gleich. Dieser ist für die Durchführung des Strafverfahrens oft geeigneter als der O rt des Wohnsitzes. Hat der Beschuldigte bei der Erhebung der Anklage keinen Wohnsitz in Deutsch­ land, so ist der Gerichtsstand des Wohnsitzes an dem Ort begründet, an dem er seinen letzten deutschen Wohnsitz gehabt hat; das gilt abweichend von der bisherigen Regelung im § 8 Abs. 2 S tP O , auch dann, wenn der gewöhnliche Aufenthaltsort, den der Be­ schuldigte in Deutschland hat, bekannt ist.

§ 108 G e r i c h t s st a n d d e s V e r w a h r u n g s o r t s Als weiteren allgemeinen Gerichtsstand führt § 108 den des Verfahrungsorts ein. Nicht selten kommt es vor, daß ein Beschuldigter in der Unter­ suchungshaft ein umfassendes Geständnis ablegt oder daß seine Überführung durch Urkundenbeweise mög­ lich ist, ohne daß eine umfangreiche sonstige Beweis­ aufnahme notwendig ist. I n solchen Fällen erscheint es nicht zweckmäßig, ihn zur Aburteilung an den Sitz eines entfernten Gerichts zu überführen, in dessen Bezirk der Tatort, sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort liegt. Ähnliches gilt, wenn ein Strafverfahren gegen einen Beschuldigten durchgeführt werden soll, gegen den eine Freiheits­ strafe oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene sichernde Maßregel bereits vollstreckt wird. Künftig wird daher auch das Gericht örtlich zuständig sein, in dessen Bezirk der Beschuldigte bei Erhebung der Anklage auf behördliche Anordnung verwahrt wird. Die Verwahrung kann Untersuchungshaft, Strafhaft oder Schutzhaft sein; sie kann der Vollziehung einer sichernden Maßregel dienen oder zu einem anderen

Zweck behördlich angeordnet sein. I n allen Fällen dieser Art erleichtert der Gerichtsstand des Ver­ wahrungsorts dem Angeklagten die Wahrnehmung der Hauptverhandlung und verringert die Zahl der Fälle, in denen es unvermeidlich ist, den Angeklagten nach § 48 von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu befreien. §109 G e r i c h t s st a n d d e s E r g r e i s u n g s o r t s F ü r Taten, die im Ausland begangen sind, scheidet der Gerichtsstand des T atorts stets, häufig auch der des Wohnsitzes aus. Der Entwurf stellt für solche Taten den Gerichtsstand des Ergreifungsorts zur Verfügung. Die Anklage kann in diesem Gerichts­ stand — abweichend vom bisherigen Recht — auch dann erhoben werden, wenn daneben ein Gerichts­ stand Lurch den Wohnsitz (§ 107) oder den Berwahrungsort (§ 108) begründet ist. Unter Ergreifung ist die tatsächliche Festnahme des Beschuldigten zu verstehen.

§110 Ger i cht sst and

für

Taten

auf

Schiffen

und Luf t f a hr z e ug e n Nach § 84 S tG B , gilt das deutsche Strafrecht, unabhängig von dem Recht des T atorts, für alle Taten, die aus einem deutschen Seeschiff oder Luft­ fahrzeug begangen werden, und zwar auch dann, wenn das Schiff sich auf hoher See oder in fremdem Hoheitsgebiet befindet oder wenn das Luftfahrzeug die hohe See oder fremdes Gebiet überfliegt oder dort gelandet ist. Denn jeder, der sich einem solchen F a h r­ zeug anvertraut, soll überall den Schutz der deutschen Strafgesetze genießen. F ü r diese Fälle begründet § 110 einen Gerichts­ stand auch bei dem Gericht, in dessen Bezirk der deut­ sche Heimathafen des Seeschiffes oder der deutsche Hafen liegt, den dieses nach der T at zuerst erreicht. Ferner erklärt er für die auf einem Luftfahrzeug begangenen Straftaten auch das Gericht für zustän­ dig, in dessen Bezirk dieses seinen Heimatort hat oder nach der T at im In la n d zuerst landet. Dabei be­ stimmt sich der Begriff des Heimatortes nach § 6 der Luftverkehrsordnung vom 21. 8. 1936 (RGBl. I S . 659). Weitergehend als die bisherige Regelung in § 10 S tP O , umfaßt der Gerichtsstand des § 110 nicht nur die Fälle, in denen eine S traftat auf einem d e u t s c h e n Schiff oder Luftfahrzeug im A u s l a n d oder aus h o h e r S e e , sondern auch alle Fälle, in denen die S traftat auf einem solchen Fahrzeug im I n l a n d begangen ist. Endlich ersaßt die Vorschrift aber auch diejenigen Fälle, in denen die T at aus einem ausländischen Schiss oder Luftfahrzeug begangen ist; auch hier ist ein Gerichtsstand in dem deutschen Hasen gegeben, wo das Fahrzeug nach der T at zuerst anlegt oder landet. § Hl

Hilssgerichtsstand Um die Lücken in der Zuständigkeitsregelung für die Fälle zu schließen, in denen es zur Zeit der E r­

hebung der Anklage an einem nach den §§ 106 bis 110 zuständigen Gericht fehlt oder dieses nicht er­ mittelt ist, schafft § 111 einen' Hilfsgerichtsstand. Es sollen dann das Amtsgericht Berlin und die ihm übergeordneten Gerichte örtlich zuständig sein. Aus Antrag des Oberreichsanwalts kann aber auch der Präsident des Reichsgerichts in solchen Fällen vor Erhebung der Anklage ein anderes Gericht für örtlich zuständig erklären. Damit kann Zweckmäßigkeits­ erwägungen in weitestem Umfange Rechnung getragen werden. Die Einführung des Hilfsgerichtsstandes macht die besonderen Vorschriften des bisherigen Rechts über den Gerichtsstand für deutsche Beamte, die im Ausland angestellt sind (§ 11 S tP O .), entbehrlich. § 112

Zus amme nt r e f f e n mehrerer Ge r i c ht s s t ä nde Nach § 28 ist die Anklage bei dem Vorsitzer des zuständigen Gerichts einzureichen. Da mehrere Gerichte nebeneinander zuständig sein können, über­ trägt der Entwurf dem S taatsanw alt das Wahlrecht unter ihnen. F ü r die sachliche Zuständigkeit ist dies in den §§ 100, 101 Abs. 2 und 103 Abs. 2 bestimmt. Diese Regelung wird für die örtliche Zuständigkeit durch § 112 ergänzt. Danach bestimmt der S ta a ts­ anwalt, wenn mehrere Gerichtsstände gegeben sind, das für die Aburteilung zuständige Gericht. Bei der Auswahl des Gerichts wird für den Staatsanw alt das Bestreben maßgebend sein, das Verfahren auf dem zweckmäßigsten, schnellsten und mit dem geringsten Kostenaufwand verbundenen Wege zum Abschluß zu bringen. D as Gericht hat aus das Wahlrecht des Staatsanw alts keinen Einfluß; ihm steht lediglich das Recht zu, die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen, wenn in seinem Be­ zirk ein Gerichtsstand nicht begründet ist (§ 35 Abs. 2 Nr. 1). §113 Ü b e r t r a g u n g des V e r f a h r e n s Die Vorschrift trifft Vorsorge für die Fälle, in denen das örtlich zuständige Gericht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen verhindert ist, das Richter­ amt auszuüben; sie gilt weiterhin für die Fälle, in denen von der Verhandlung vor dem zuständigen Gericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten ist. I n diesen Fällen überträgt der Vorsitzer des nächst oberen Gerichts die Sache auf ein anderes Gericht gleicher Ordnung; er kann aber mit dieser Maßnahme nur die Gerichte seines Bezirks angehen. S ind die übrigen Gerichte des Bezirks gleichfalls an der Ausübung des Richteramts ver­ hindert, so steht nach Absatz 1 Satz 2 die Über­ tragung des Verfahrens dem Vorsitzer des Gerichts zu, das dem nächst oberen Gericht übergeordnet ist. Der Vorsitzer dieses Gerichts hat die Wahl zwischen sämt­ lichen Gerichten, die zu seinem Bezirk gehören und dem verhinderten Gericht gleichgeordnet sind. Die Regelung in Absatz 1 Satz 2 muß auch gelten, wenn im Bezirk des nächst oberen Gerichts kein Gerich? mehr vorhanden ist, dem die Sache übertragen

werden könnte, wenn also etwa das an der A us­ übung des R ichteram ts verhinderte Gericht die einzige Strafkam m er innerhalb des O berlandes­ gerichtsbezirks ist. W as als oberes Gericht zu gelten hat, ist zu § 116 ausgeführt. Absatz 2 schreibt für die Entscheidung des V or­ sitzers die Beschlußform vor; demnach sind bei ihrem E rla ß die Bestimmungen des § 278 Abs. 2 über die A nhörung des S ta a ts a n w a lts und der Beteiligten und des § 280 über die B egründung der Entscheidung zu beachten. §114 Örtliche Z u s t ä ndi gke i t der Gerichte a u ß e r h a l b des H a u p t v e r f a h r e n s I n den §§ 106 bis 113 regelt der E ntw urf ledig­ lich die örtliche Zuständigkeit der Gerichte für das H auptversahren des ersten Rechtszugs. F ü r Entschei­ dungen außerhalb des H auptverfahrens ist die örtliche Zuständigkeit jeweils besonders bestimmt (vgl. z. B. §§ 10, 214, 215, 249, 250, 360). V on einer Z u­ sammenfassung dieser Vorschriften sieht der Entw urf au s G ründen der Übersichtlichkeit ab. I s t über ein Rechtsm ittel gegen eine außerhalb des H auptver­ fahrens getroffene Entscheidung zu befinden, so gilt auch hier der vom E ntw urf nicht ausdrücklich au s­ gesprochene Grundsatz, daß zur Entscheidung über das Rechtsmittel dasjenige höhere Gericht örtlich zuständig ist, zu dessen Bezirk das Gericht gehört, dessen Entscheidung angefochten ist. §115 Örtliche Zus t ändi gkei t des Staatsanwalts I m V orverfahren ist die örtliche Zuständigkeit des S ta a tsa n w a lts dort begründet, wo ein Gerichts­ stand für die Sache besteht. F ü r einzelne Gerichts­ stände, die sich nach dem Zeitpunkt der Anklage­ erhebung bestimmen (§§ 107, 108, 111), bedarf jedoch die örtliche Zuständigkeit des S ta a ts a n w a lts im V or­ verfahren einer Sonderregelung. D er Entw urf bestinunt, daß für die Zuständigkeit in diesen Fällen nicht der Zeitpunkt der Änklageerhebung maßgebend ist, sondern der Zeitpunkt, in dem der S ta a tsa n w a lt in der Sache tätig wird. F allen die Tatsachen, die hiernach die Zuständig­ keit begründen, im Lause des V orverfahrens weg, so bleibt die Zuständigkeit des S ta a ts a n w a lts erhalten. I n solchen F ällen kann es aber aus G ründen der Zweckmäßigkeit geboten sein, daß der S ta a tsa n w a lt das V orverfahren nicht selbst w eiterführt, so z. B. wenn der Beschuldigte seinen Wohnsitz verlegt oder zur behördlichen V erw ahrung an einen anderen O rt verbracht wird. D er S ta a tsa n w a lt kann dann nach Absatz 2 zwar das V orverfahren zu Ende führen; er ist hierzu aber nicht verpflichtet, sondern kann auch die Sache an den S ta a tsa n w a lt des neuen W ohn­ sitzes oder B erw ahrungsorts abgeben. F ü r das H auptvcrfahren bedarf es einer beson­ deren Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit des S ta a ts a n w a lts nicht; sie bestimmt sich nach dem Gericht, bei dem das V erfahren anhängig ist.

Gemeinsame Vorschriften §116 A n h ä n g i g k e i t e i n e r S t r a f s a c h e bei verschiedenen Gerichten Die Frage, welchem Gericht die weitere Entschei­ dung gebührt, wenn das Hauptversahren in derselben Sache versehentlich bei mehreren Gerichten verschie­ dener O rdnung anhängig geworden ist, hat im bis­ herigen Recht zu Zweifeln A nlaß gegeben. M angels einer ausdrücklichen Vorschrift hat m an überwiegend angenommen, daß die Entscheidung dem Gericht zustehe, das m it der Sache zuerst befaßt war. Zweckinäßiger erscheint es aber, daß in solchen Fällen das höhere Gericht das V erfahren fortführt. D er E ntw urf regelt daher in Abs. 1 die Frage in diesem S inne. I s t dagegen das Hauptversahren in derselben Sache bei mehreren Gerichten gleicher O rdnung anhängig geworden, so gibt Absatz 2 demjenigen Gericht den Vorzug, das zuerst die H auptverhandlung anberaum t hat. Jedoch ist der Vorsitzer des gemein­ schaftlichen oberen Gerichts befugt, aus Zweckmäßig­ keitsgründen anzuordnen, daß eines der anderen zuständigen Gerichte die Sache fortführt. Diese A nordnung ist nicht von einem A ntrag abhängig, sondern kann von A m ts wegen, insbesondere aus Anregung des Vorsitzers eines der beteiligten G e­ richte, getroffen werden. A ls obere Gerichte im S in n e dieser und anderer Bestimmungen (§§ 113, 117, 277) gilt das L and­ gericht gegenüber dem Amtsrichter, das O berlandes­ gericht gegenüber der Strafkam m er, der Schöfsenkammer und dem Amtsrichter, das Reichsgericht gegenüber allen Gerichten, m it Ausnahm e der O ber­ landesgerichte, soweit diese im ersten Rechtszug entscheiden; insoweit ist der Volksgerichtshof das obere Gericht (§ 266). E s entscheidet stets das den beteiligten Gerichten nächst obere Gericht. § 117

Zuständigkeitsstreit Die Vorschrift löst die Schwierigkeiten, die ent­ stehen, wenn zwar nicht dieselbe Sache bei verschiedenen Gerichten anhängig geworden ist (§ 116), aber sonst, sei es im Hauptversahren, sei es außerhalb eines solchen, zwischen mehreren Gerichten M ei­ nungsverschiedenheiten über ihre sachliche oder örtliche Zuständigkeit bestehen. I m H auptversahren besteht ein B edürfnis für eine Regelung etwa in den Fällen, in denen ein Gericht die Anberaum ung der H auptverhandlung wegen Unzuständigkeit (§ 35) ablehnen will, obwohl ein anderes Gericht es als zuständig bezeichnet hat. E in solcher S tre it kann auch außerhalb des H aupt­ verfahrens entstehen, so wenn mehrere Gerichte sich für richterliche M aßnahm en im V orverfahren oder für die W iederaufnahme des V erfahrens für örtlich oder sachlich zuständig oder unzuständig halten. I n diesen Fällen bestimmt nach dem Abs. 1 der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts, welches Gericht die Sache zu übernehmen hat. Dieselbe Regelung gilt auch, wenn sich nicht mehrere Gerichte über die Zuständigkeit streiten, wohl

aber sonst der Fall eintritt, daß mehrere Gerichte, von denen eines zuständig ist, sich für unzuständig erklärt haben und diese Entscheidungen nicht mehr anfechtbar sind. Die Fassung der Vorschrift stellt klar, daß der Vorsitzer des gemeinschaftlichen oberen Gerichts die Sache immer nur einem der beteiligten Gerichte, nicht aber einem dritten Gericht übertragen kann. § US

Zuständigkeit zur B i l d u n g einer Einheitsstrafe Is t nach den §§ 58, 63 S tG B , eine Einheitsstrafe zu bilden, weil der in einer anderen Sache rechts­ kräftig verurteilte T äter wegen einer weiteren S tra f­ tat verurteilt wird, so kann das zur nachträglichen Bildung der Einheitsstrafe berufene Gericht Fest­ stellungen des früheren Urteils, die sich auf die rechts­ kräftig abgeurteilte T at beziehen, nach § 77 berück­ sichtigen, ist aber an sie nicht gebunden; es kann also auch in eine nochmalige Erörterung der Schuld- und Strasfrage wegen der früher abgeurteilten T at ein­ treten. D araus können sich Unzuträglichkeiten ergeben, wenn die früher erkannte rechtskräftige Strafe von der Strafkammer oder einem höheren Gericht ver­ hängt worden ist, die noch anhängige Sache aber in die Zuständigkeit des Amtsrichters oder der Schösfenkammer fällt. Deshalb eröffnet zunächst § 104 Satz 2 die Möglichkeit, vor der Strafkammer, dem Oberlandesgericht und dem Volksgerichtshof eine Anklage auch dann zu erheben, wenn die Tat zwar nicht zur Zuständigkeit eines dieser Gerichte gehört, wenn aber mit einer von diesen Gerichten rechtskräftig abgeurteilten T at eine Einheitsstrafe zu bilden ist. Andererseits soll vermieden werden, daß die Strafkammer und die höheren Gerichte mit geringfügigen Strafsachen befaßt werden müssen, die in keinem Verhältnis zu ihrem Range oder ihren besonderen Aufgaben stehen. Der Staatsanw alt kann daher davon absehen, von der Ermächtigung des § 104 Satz 2 Gebrauch zu machen. Dann erhebt er die Anklage wegen der noch nicht abgeurteilten T at vor dem Gericht, in dessen Strafgewalt die noch nicht rechtskräftig entschiedene Sache fällt (§ 118 Satz 1). Dieses Gericht ist dann zur Bildung der Einheitsstrafe zuständig. Es ist dafür auch zuständig, wenn die frühere, bereits rechtskräftige Strafe von der Strafkammer, dem Oberlandesgericht, dem Volksgerichtshof oder dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts ausgesprochen worden ist (§ 118 Satz 2). F ü r die nachträgliche B ildung der Einheits­ strafe in den Fällen, in denen entgegen den S tra f­ gesetzen eine Einheitsstrafe zunächst nicht gebildet worden ist, regelt der § 452 Abs. 2 die Zuständigkeit. Ergibt sich bei Bildung der Einheitsstrafe, daß es geboten ist, die Strasgewalt des angerufenen Gerichts zu überschreiten — dies kann nur im Ver­ fahren vor dem Amtsrichter eintreten — , so ist die Sache gemäß § 90 an das zuständige höhere Gericht zu verweisen (§ 118 Satz 3). §119 P r ü f u n g der Zus t ä n d i g k e i t Die sachliche und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts sind Verfahrensvoraussetzungen, die das

Gericht grundsätzlich von Amts wegen 311 prüfen hat. Diese Verpflichtung des Gerichts gilt für alle E nt­ scheidungen innerhalb und außerhalb des Hauptversahrens. Ausnahmen gelten nur in den vom Gesetz bezeichneten Fällen; sie ergeben sich aus § 90. Wie das Gericht zu verfahren hat, wenn es seine sachliche oder örtliche Zuständigkeit verneint, ist in den §§ 35 und 90 geregelt. §120 A m t s h a n d l u n g e n eines u nzuständige n Ri cht ers ode r S t a a t s a n w a l t s Nach Absatz 1 sind Amtshandlungen eines Rich­ ters oder Staatsanw alts nicht deshalb ungültig, weil dieser sachlich oder örtlich nicht zuständig war. I m bisherigen Recht (S tP O . § 20) ist dies ausdrücklich nur für den Fall der örtlichen Unzuständigkeit des Gerichts bestimmt. In d es kann die sachliche Unzu­ ständigkeit in dieser Hinsicht nicht anders behandelt werden. Erklärt sich ein Gericht etwa im Urteil für sachlich oder örtlich unzuständig, so bleiben die von ihm getroffenen Maßnahmen, z. B. die Entscheidun­ gen über die Untersuchungshaft oder andere Zwangs­ mittel, wirksam. Die Vorschrift kann aber auch im Vorverfahren Bedeutung erlangen, z. B. bei der Vereidigung eines Zeugen durch einen unzuständigen Richter oder bei der Anordnung eines Zwangsmittels durch einen unzuständigen Staatsallw alt. Die Gleichstellung des S taatsanw alts mit dem Richter erklärt sich aus den Entscheidungsbefugnissen, die der Entwurf dem S taatsanw alt einräumt. Die Befugnis des Betroffenen, die sachliche oder örtliche Unzuständigkeit durch Rechtsmittel geltend zu lnachcn, bleibt'unberührt. Absatz 2 bestimmt, daß bei Gefahr im Verzug jeder Richter und jeder Staatsallw alt, auch incim er sachlich oder örtlich nicht zuställdig ist, verpflichtet ist, die erforderlichen Amtshandlungen in feinem Bezirk vorzunehmen. D arin liegt eine Erweiterung des bisherigen Rechts (§ 21 S tP O .), das eine solche Verpflichtung mir dem örtlich zuständigen Gericht auferlegt und auch nur dann, wenn die vorzu­ nehmende Handlung in den Bereich seiner sachlichell Zuständigkeit fällt. Künftig wird auch ein Gericht, das sich für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das zuständige Gericht verwiesen hat, das Recht und die Pflicht haben, einzelne Untersuchungs­ handlungen, deren Aufschub die ordnungsmäßige Erledigung des Verfahrens gefährden würde, noch selbst vorzunehmen. Zweiter Unterabschnitt Ausschließung und Ablehnung

Der Unterabschnitt behandelt die Fälle, in denen ein Richter, ein S taatsanw alt oder ein Schristsührer an der Ausübung seines Amtes rechtlich behindert ist. Der Entwurf unterscheidet dabei zwischen Ans­ schließungsgründen, die die Fähigkeit zur Ausübung des Amtes kraft Gesetzes aufheben und stets von Amts wegen zu berücksichtigen sind, und Ablehnungs­ gründen, die nur berücksichtigt werden, wenn ein Ablehnungsberechtigter sie geltend macht. Er kennt

aber nur die Ausschließung oder Ablehnung ein­ zelner, woraus sich ergibt, daß ein ganzes Gericht in der Ausübung seines Amtes nur behindert sein kann, wenn hinsichtlich eines jeden einzelnen M itg lie d s ein Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund vorliegt oder geltend gemacht w ird. D a die Ausschließung stets kraft Gesetzes ein tritt, vernichtet der E n tw u rf daraus, rine „Ablehnung" wegen Ausschließung vom Richtercmt zuzulassen; die B eteiligten können aber durch die Behauptung eines Ausschließungsgrundes eine gerichtliche Nachprüfung herbeiführen (§ 123). D as Verfahren über die Ablehnung des Richters erfährt dadurch eine wesentliche Vereinfachung, daß der abgelehnte Richter zur Verm eidung unnötiger V e r­ zögerungen in bestimmten F ä lle n ein Ablehnungs­ gesuch als unzulässig verwerfen kann (§ 127). D ie Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung des Richters gelten auch für die Schöffen und die ehrenamtlichen Richter. D arüber hinaus führt der E n tw u rf die Ausschließung des S ta a ts ­ anwalts ein, die sich eng an die für den Richter geltende Regelung anschließt (§ 132).

v om

§122 Ausschließung

§121 Ausschließung

verfahren nicht mehr völlig unbefangen find. D e r B egriff des staatlich geregelten oder anerkannten Rechtsversahrens ist derselbe wie in den §§ 349, 350 S tG B . D e r K reis der Rechtsverfahren umfaßt außer den gerichtlichen Verfahren auch Verfahren vor Verwaltungsbehörden. S taatlich geregelt sind alle Verfahren, deren Gang durch gesetzliche V o r ­ schrift geordnet ist. Z u den staatlich anerkannten Verfahren sind u. a. die V erfahren vor P a rte i­ gerichten zu rechnen. Es kommen aber nu r solche Verfahren in Betracht, die — ähnlich dem Dienst­ strafverfahren oder einem ehrengerichtlichen V e r ­ fahren — eine M aßregelung zur Folge haben können. D e r Ausschließungsgrund greift ferner nur dann Platz, wenn der all dem früheren Verfahren B eteiligte in diesem untersuchend oder entscheidend tätig geworden ist, wie z. B . der Dienstvorgesetzte der das Verfahren eingestellt oder eine Dienststraf­ verfügung erlassen oder die Einleitung des förmlichen Dienststrafverfahrens verfügt hat.

R i ch t e r a m t

Nach N r . 1 darf das Richteramt nicht ausüben, wer durch die den Gegenstand des Verfahrens bildende T a t verletzt worden ist. N r. 2 regelt die Ausschließung, die sich aus einem Angehörigenver­ hältnis m it dem Beschuldigten oder dem Verletzten ergibt; dem Beschuldigten w ird hier und in den folgenden Bestimmungen der Einziehungsbeteiligte gleichgestellt, weil er eine ähnliche S tellung wie ein Angeklagter einnimmt, soweit die Einziehung in Betracht kommt (§ 416 Abs. 2). D e r Kreis der A n ­ gehörigen w ird durch § 297 bestimmt. N r. 3 stellt dem V orm und des Beschuldigten, des Verletzten und des Einziehungsbeteiligten den P fleger gleich. I n N r. 4 nennt der E n tw u rf neben dem S ta a ts a n w a lt den Verteidiger, den Beistand, den A n w a lt des V e r­ letzten oder Einziehungsbeteiligten und solche P e r­ sonen, die im Dienst der P o lize i in der Sache unter­ suchend oder entscheidend tätig gewesen sind. Diese Vorschrift w ird durch die Bestimmungen des § 386 über die Ausschließung des Untersuchungsrichters vom Richteramt ergänzt. N r. 5 hält daran fest, daß das Richteramt nicht ausüben darf, wer als Zeuge ver­ nommen oder als Sachverständiger gehört worden ist. Eine Beeinträchtigung des S trafverfahrens durch diese Vorschrift ist nicht zu befürchten, da in vielen F ä llen die Einholung einer dienstlichen Äußerung (§ 73 ), die eine Ausschließung vom Richteramt nicht imd) sich zieht, die Vernehmung des Richters als Zeugen erübrigen wird. Eine neue Bestimmung w ird in der N r. 6 ein­ gefügt. Danach ist im S trafverfah ren als Richter ausgeschlossen, wer in einem Dienststrafverfahren, einem ehrengerichtlichen Verfahren oder einem ähn­ lichen staatlich geregelten oder anerkannten Rechtsver­ fahren, das dieselbe Sache betrifft, untersuchend oder entscheidend tätig ist oder gewesen ist. B ei denen, die in diesen Verfahren eine Untersuchung geführt oder eine Entscheidung getroffen haben, kann die A n ­ nahme begründet sein, daß sie in dem späteren S t r a f ­

in

anderen

Fällen

D ie Einrichtung der Rechtsmittel, also der B e ­ schwerde, der Berufung und der Urteilsrüge, hat den S in n , eine wiederholte Entscheidung über den Sach­ verhalt durch andere Richter eines höheren Gerichts herbeizuführen. D a m it wäre es nicht vereinbar, wenn ein Richter bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel das Richteramt ausüben würde, der schon bei der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. D ie Vorschrift schließt daher solche Richter von der M itw irku n g bei der Entscheidung über das Rechts­ m ittel ans. Z n den Rechtsmitteln gehört nicht die W ieder­ aufnahme des Verfahrens. I m W iederaufnahme­ verfahren können demnach dieselben Richter das Richteramt ausüben wie im früheren Verfahren. D ie Gründe dafür sind bei § 360 dargelegt. Eine ergänzende Vorschrift über die Ausschließung enthält für die Voruntersuchung der § 386 Abs. 2. § 123 Prüfung

der A u s sc h lie ß un g sg r ün de

Is t ein Richter aus einem der in den §§ 121, 122 aufgeführten Gründe von der Ausübung des Richter­ amts ausgeschlossen, so hat er sich aller Am tshand­ lungen — auch der unaufschiebbaren (vgl. § 130) — zu enthalten; ein Verstoß dagegen begründet einen Fehler im Verfahren. D a die an die Ausschließung geknüpfte W irkung kraft Gesetzes ein tritt, bestimmt der E n tw u rf in § 123 Abs. 1 zur Verm eidung fehler­ hafter Entscheidungen, daß in jeder Lage des V e r ­ fahrens von A m ts wegen geprüft w ird, ob ein Ausschließungsarund besteht. D abei geht der E ntw urf von dem Grundsatz aus, daß jeder Richter die A u s­ schließungsgründe, die bei ihm selbst oder bei einem anderen M itg lie d des Gerichts vorliegen und ihm bekannt sind, dem Gericht zur Kenntnis bringt und, falls er selbst betroffen ist, sich der Ausübung des Richteramtes enthält. Is t zweifelhaft, ob ein A usschließungsgrund vorliegt, so ist nach Abs. 2 ein gerichtlicher Beschluß hierüber herbeizuführen, auch

wenn weder der S ta a tsa n w a lt noch ein B eteiligter den Ausschließungsgrund geltend macht. Bei einem m it mehreren Richtern besetzten Gericht entscheidet über die Ausschließung in und außerhalb der Haupt­ verhandlung der Vorsitzer allein; ist er selbst be­ troffen, so entscheidet der nach der allgemeinen Geschäftsverteilung zuständige V ertreter des V o r­ sitzers. Diese Regelung entspricht dem Grundsatz, daß der Vorsitzer die dem U rte il vorangehenden Entscheidungen fä llt (§ 51). S ie vermeidet Verzögerungen des Verfahrens, die bisher dadurch eintraten, daß nach dem Ausscheiden des betroffenen Richters das Gericht ergänzt werden mußte oder gar durch A u s­ scheiden mehrerer Richter beschlußunfähig wurde (§ 27 S tP O .). Is t darüber zu entscheiden, ob ein Am tsrichter im Vorverfahren, als Einzelrichter oder als ersuchter Richter ausgeschlossen ist, so entscheidet der Vorsitzer der Strafkam m er des übergeordneten Landgerichts. D ie Entscheidung durch den Vertreter vorzusehen, empfiehlt sich in diesen F ällen nicht, da in der Ebene des Amtsgerichts die P rü fu ng des A u s­ schließungsgrundes durch einen Richter des höheren Gerichts sachdienlicher erscheint. Uber die A u s­ schließung des Untersuchungsrichters entscheidet der Präsident, der ihn bestellt hat (§ 379 Abs. 3), über die Ausschließung des S ta a tsa n w a lts dessen V o r­ gesetzter (§ 132 Abs. 2). D a Ausschließungsgründe stets von Am ts wegen zu berücksichtigen sind, wäre es unzweckmäßig, wie im bisherigen Recht (§ 24 S tP O .) einen A u s­ schließungsgrund durch Ablehnung des Richters geltend machen zu lassen und dam it hierfür das Ablehnungsverfahren zur Verfügung zu stellen. V ie l­ mehr p rü ft der Vorsitzer auf eine dahingehende Anregung schon nach Abs. 1, ob der Richter aus­ geschlossen ist. Darüber hinaus ist er nach Abs. 3 gehalten, durch Beschluß zu entscheiden, wenn der Staatsanw alt,- der Beschuldigte, sein gesetzlicher V ertreter oder der Verteidiger einen Ausschließungsgrund geltend macht. Ih n e n stehen diejenigen gleich, die die Rechte des Angeklagten haben, also der E in ­ ziehungsbeteiligte (§ 416 Abs. 1) und der Verletzte, der im Ehrenkränkungsverfahren einen Feststellungs­ antrag (§ 427 Abs. 1) stellt. Eine bestimmte F orm ist fü r die Geltendmachung des Ausschließungsgrundes nicht vorgeschrieben. D ie Ausschließung kann in einer Verhandlung mündlich, außerhalb einer Sitzung schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht vorgebracht werden. W er einen A u s­ schließungsgrund behauptet, hat ihn glaubhaft zu machen. E r kann sich zu diesem Zwecke auf den Richter selbst berufen und sich außerdem der im § 279 zu­ gelassenen Bew eism ittel bedienen. I m übrigen regelt der E n tw u rf das Verfahren zur P rü fu n g des A u s ­ schließungsgrundes in mehrfacher Hinsicht abweichend vom Ablehnungsverfahren. Eine F ris t fü r die G el­ tendmachung des Ausschließungsgrundes ist anders als bei der Ablehnung (§ 126) nicht vorgesehen, da die Ausschließung in jeder Lage des Verfahrens von A m ts wegen zu berücksichtigen ist. Eine V e r­ schleppung einer schon begonnenen Hauptverhandluug durch unbegründete Anträge nach § 123 Abs. 3 ist nicht zu befürchten, da die Nachprüfung der gesetz­ lichen Voraussetzungen der Ausschließung nur geringe Verzögerung verursachen kann. Aus dem gleicher:

Grunde sieht der E n tw u rf auch davon ab, wie bei der Ablehnung (§ 127) in gewissen F ällen eine V e r­ werfung des Antrages als unzulässig vorzusehen. Ergeht ein Beschluß nach Abs. 2, w e il beim Gericht Zw eifel darüber entstanden sind, ob ein Richter ausgeschlossen ist, so bedarf es einer Bekannt­ gabe der Entscheidung nach § 282 nicht, da es sich unt eine innere Entschließung des Gerichts handelt, beren M itte ilu n g nicht vorgeschrieben ist. D ie Feststellung in den Akten nach Anhörung des Staatsanw alts (§ 278) reicht in diesem Falle aus. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 2 kommt nicht in Betracht. Dagegen ist die Entscheidung des Gerichts, die nach dem Abs. 3 ergeht, nach § 282 bekanntzugeben; sie unter­ liegt der Anfechtung im Rahmen des § 131 Abs. 2. §124 Ablehnung

des

Richters

D ie Vorschriften über die Ablehnung des Richters (§§ 124 bis 130) sind, den Zielen der neuen V e r­ fahrensordnung entsprechend, daraus abgestimmt, eine schnelle Durchführung des Verfahrens sicher­ zustellen und es von unnötigen Hemmnissen zu befreien. D ie Ablehnung eines Richters kaun künftig nur noch auf die. Besorgnis der Befangenheit, dagegen nicht mehr auf einen Ausschließungsgrund gespitzt werden, da der letztere in dem im § 123 vor­ gesehenen Verfahren geprüft w ird . § 124 läßt eine Ablehnung zu, wenn der Ablehnende aus verständ­ lichen Gründen an der Unbefangenheit des Richters zweifelt. D er E n tw u rf vereinigt in dieser V o ra u s­ setzung persönliche und sachliche Merkmale. D ie Be­ sorgnis der Befangenheit ist stets vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu betrachten. Seine Auffassung allein kann jedoch nicht ausschlaggebend sein; sie kann n u r dann die Ablehnung begründen, wenn die Be­ sorgnis der Befangenheit auf Gründe gestützt w ird, fü r die ein sachlich Denkender Verständnis haben muß. Abs. 2 bezeichnet in Satz 1 die zur Ablehnung Berechtigten. Das Gesetz räum t das Ablehnungsrecht dem S ta a tsa n w a lt, dem Beschuldigten, seinem gesetz­ lichen Vertreter und dem Verteidiger ein; ihnen steht ebenso wie in den Fällen des § 123 Abs. 3 gleich, wer die Rechte des Angeklagten hat. Nach Abs. 2 Satz 2 ist den Ablehnungsberechtigten auf Verlangen m itzuteilen, wer das Richteramt auszu­ üben hat, damit sie in der Lage sind, die Ablehnung rechtzeitig geltend zu machen. §125

Abl ehnungsverfahren D ie Bestimmung behandelt das Verfahren bei der Ablehnung. Abs. 1 beseitigt eine Unklarheit des geltenden Rechts, indem er bestimmt, daß die A b ­ lehnung bei dem Gericht geltend zu machen ist, bei dem der Abgelehnte in der betreffenden Strafsache das Richteramt ausüben soll. Eine bestimmte F orm fü r die Ablehnung ist nicht vorgeschrieben; die A b­ lehnung kann in einer Verhandlung mündlich, außer­ halb einer Sitzung schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht angebracht werden.

Der Grund der Ablehnung ist glaubhast 51t machen. F ür die Glaubhaftmachung gilt das zu § 123 Abs. 3 Ausgeführte. Außer den allgemeinen M itteln der Glaubhaftmachung kann der Ablehnende sich nach dein Abs. 2 Satz 2 auch auf den abgelehnten Richter selbst berufen. Die Fassung dieser Vorschrift in Ver­ bindung mit Abs. 3 bringt zum Ausdruck, daß hier nicht an eine Vernehmung des Richters als Zeugen gedacht ist, sondern nur an eine Glaubhaftmachung durch dessen dienstliche Äußerung. Auf welche Weise sich der über die Ablehnung entscheidende Richter von dem Bestehen oder Fehlen eines Ablehnungsgrundes Kenntnis verschafft, stellt das Gesetz in sein pflichtmäßiges Ermessen. § 126

Ze i t punkt der Abl e hnung M it dem Ernst und der Würde der Hauptverhand­ lung wäre es unvereinbar, wenn der Ablehnungsbercchtigte eine Hauptverhandlung dadurch verzögern könnte, daß er mit einem schon zu ihrem Beginn vor­ liegenden Ablehnungsgrund erst später hervortritt. § 126 setzt daher der Ablehnung eines Richters in der Hauptverhandlung eine zeitliche Schranke. D a es eine Verlesung eines Eröffnungsbeschlusses nicht mehr gibt, verlegt der Entwurf den Zeitpunkt, bis zu dem die Ablehnung in der Hauptverhandlung vorgebracht werden muß, im ersten und im Berusungsrechtszuge auf den Beginn der Vernehmung des Angeklagten, d. h. bis zum E intritt in die sachliche Erörterung über die Anklage. F ür die Verhandlung vor dem Urteils­ rügegericht hingegen ist wegen des andersartigen Ablaufs der Verhandlung der Beginn des Berichts maßgebend. Wird dieser. Zeitpunkt versäumt, so er­ lischt das Ablehnungsrecht, soweit nicht der Abs. 2 und § 129 eine Ausnahme vorsehen. Der Absatz 1 Satz 2 bestimmt ferner, daß alle Ablehnungsgründe gleichzeitig vorzubringen sind. Dadurch wird dem Mißbrauch entgegengetreten, daß nach Erledigung eines Ablehnungsgesuches weitere Ablehnungsgründe, die dem Ablehnenden schon früher bekannt waren, in der Absicht vorgetragen werden, das Verfahren zu verschleppen. Der Beschuldigte wird durch die Regelung zu einer sorgfältigen Handhabung der Ablehnungsbefugnis veranlaßt. Die Beschränkungen des Abs. 1 gelten aber nur für die Hauptverhandlung. I m Abs. 2 läßt der Entwurf in beschränktem Um­ fange die Ablehnung eines Richters noch in einem späteren Zeitpunkt zu, nämlich dann, wenn neue Umstände, die den Richter als besangen erscheinen lassen können, erst im Verlauf der Hauptverhandlung eintreten und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird. Dies kann etwa der Fall sein, wenn eine in der Hauptverhandlung fallende Äußerung eines Richters einem Ablehnungsberechtigten Grund gibt, an der Unbefangenheit des Richters zu zweifeln. F ür solche Ablehnungsgründe kann die zeitliche Schranke, die der Abs. 1 errichtet, keine Bedeutung haben. Sie müssen aber unverzüglich geltend gemacht werden, nachdem der Ablehnungsberechtigte sie er­ fahren hat. Das- Ablehnungsrecht ist jedoch auf die Fälle beschränkt, in betten der Grund der Ablehnung während der Hauptverhandlung eingetreten ist. T agegett ist es nicht zugelassen, solche' Gründe vorzu­

bringen, die in dem im Abs. 1 bezeichneten Zeitpunkt zwar bestanden haben, aber erst nachher hervor­ getreten oder dem Beteiligten bekanntgeworden sind. Durch diese Regelung soll vermieden werden, daß der Angeklagte die im Abs. 1 angeordnete Beschränkung umgeht, indem er nachträglich Ablehnungsgründe mit der unzutreffenden Behauptung vorträgt, sie seien ihm erst später zur Kenntnis gelangt. § 127

U n z u l ä s s i g e A b l e h n t r ug Zur Entscheidung über die Ablehnung eines Richters ist nach § 128 der Richter zuständig, den der § 123 Abs. 2 bezeichnet, demnach, wenn der Vorsitzer abgelehnt wird, sein — nach der Geschäftsverteilung zuständiger — Vertreter, und wenn ein Amtsrichter abgelehnt wird, der Vorsitzer der Strafkammer des Landgerichts. Würde dieser Richter auch dann zu entscheiden haben, wenn die Ablehnung verspätet, ohne Angabe eines Grundes, ohne Glaubhaftmachung der zur Begründung vorgebrachten Umstände oder offenbar in Verschleppungsabsicht angebracht ist, so wäre Mißbräuchen T ü r und Tor geöffnet. Der An­ geklagte könnte durch offenbar grundlose Ablehnungen die Tätigkeit des Gerichts für längere Zeit lahmlegen. Dem muß im Jntereffe einer geordneten Strafrechts­ pflege entgegengetreten werden. Der Entwurf unter­ scheidet daher zwischen der Prüfung der Zulässigkeits­ voraussetzungen und der Entscheidung über die sach­ liche Begründetheit einer Ablehnung. Auch bei der ersteren den betroffenen Richter ausscheiden zu lasset!, erscheint nicht geboten, während dies bei der eigent­ lichen Entscheidung über die Ablehnung unumgänglich ist. Unzulässige Ablehnungen soll der Richter, auch wenn er selbst betroffen ist, ohne sachliche Prüfung des Ablehnungsgrundes als unzulässig verwerfen. Die Ablehnung ist unzulässig, wenn sie verspätet oder wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein M ittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben ist, ferner dann, wenn die Ablehnung offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens geltend gemacht wird. Die Verwerfung der Ablehnung als unzulässig wird von dem Vorsitzer des Gerichts ausgesprochen, dem der abgelehnte Richter angehört. Das gilt auch, wenn der Amtsrichter als Einzelrichter Vorsitzer ist oder im Vorverfahren tätig wird. Auch der beauf­ tragte und der ersuchte Richter kann die Ablehnung, die ihn betrifft, selbst als unzulässig verwerfen. § 12S

E n t s c h e i d u n g ü b e r di e A b l e h n u n g Der Entwurf überträgt die Entscheidung über die Ablehnung in den Fällen, in denen sie nicht nach § 127 als unzulässig verworfen wird, aus denselben Erwägungen wie bei der Ausschließung (§ 123 Abs. 2) bei einem mit tttehreren Richtern besetzten Gericht dem Vorsitzer und, wenn dieser allein oder zusammen mit anderen Mitgliedern des Gerichts von der Ab­ lehnung betrosfett ist, seinem Vertreter. Wird der Amtsrichter im Vorverfahren, als Einzelrichter oder als ersuchter Richter, abgelehnt, so entscheidet der Vorsitzer der Strafkammer des ihtn übergeordneten Landgerichts. Uber die Ablehnung eines Unter-

suchungsrichters entscheidet der Präsident, der ihn bestellt hat (§ 379 Abs. 3). D ie Entscheidung er­ geht in F o rm eines Beschlusses, der den Beteiligten nach § 282 bekanntzugeben ist. D ie Anfechtung des Beschlusses richtet sich'nach § 131. § 129

P r u f u n g v o n A ni t s w e g e n D a s Recht zur Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit dars in der H auptverhandlung n u r bis zum E in tritt in die sachliche E rörterung über die Anklage ausgeübt werden. Nach diesem Zeitpunkt darf die Ablehnung n u r aus Umstände gestützt werden, die in der H auptverhandlung neu eintreten (§ 126). Diese Vorschriften beziehen sich aber n u r aus die Ablehnung eines Richters durch einen A blehnungs­ berechtigten. D as Gesetz muß jedoch auch die F älle berücksichtigen, in denen die Besorgnis der B efangen­ heit und deren G rund den zur Ablehnung Befugten nicht bekannt sind oder die A blehnungsfrist verstrichen ist. § 129 legt daher dem Gericht die Pflicht auf, in jeder Lage des V erfahrens von Am ts wegen zu prüfen, ob Umstände vorliegen, die einen Richter als besangen erscheinen lassen können, wenn der be­ treffende Richter selbst solche Umstände anzeigt. D a s Gesetz gew ährt dem Richter nicht die B efugnis, sich selbst abzulehnen, sondern schaltet dafür die E n t­ scheidung eines anderen Richters ein. Besteht aus den angeführten G ründen A nlaß zur P rüfu n g , ob ein Richter befangen ist, so entscheidet der nach § 123 Abs. 2 zuständige Richter nach Anhörung des S ta a ts ­ anw alts (§ 278) durch Beschluß. D a es sich hierbei um eine innere Angelegenheit des Gerichts handelt, braucht die Entschließung den zur Ablehnung B e­ rechtigten nicht in der in tz 282 vorgeschriebenen F o rm bekanntgegeben zu werden. Ob es im Einzelfall an ­ gebracht ist, von der P rü fu n g und deren E rgebnis den Beteiligten K enntnis zu geben, bedarf keiner gesetzlichen Regelung. § 130 Unaufschiebbare A m tsh an d lu n g en I s t ein Richter von der A usübung des Richter­ am tes kraft Gesetzes ausgeschlossen, so darf er A m ts­ handlungen in der Sache überhaupt nicht vornehmen. W ird dagegen ein Richter abgelehnt, so darf die A nbringung des Ablehnungsgesuches für sich allein noch nicht die W irkung haben, daß der Abgelehnte sich sogleich von jeder Tätigkeit in der Sache fern­ zuhalten hat, da sonst die Vornahm e dringlicher Untersuchungshandlungen durch ein unbegründetes Ablehnungsgesuch verzögert werden könnte. D ie bis zur Entscheidung über die Ablehnung vorgenommenen unaufschiebbaren A m tshandlungen des abgelehnten Richters sind daher auch dann gültig, wenn das Gesuch nachträglich für begründet erklärt wird. E s wird sich jedoch, wenn die Ablehnung Erfolg gehabt hat, in der Regel empfehlen, die frühere Entscheidung einer nochmaligen P rü fu n g daraufhin zu u n te r­ ziehen, ob sie Bestand behalten soll. § 130 ist auch dann anzuwenden, wenn ein Richter nach § 129 Umstände anzeigt, die ihn als befangen erscheinen lassen können.

§ 131

Anfechtung Erklärt der Richter, der über die Ausschließung oder Ablehnung zu entscheiden hat (§§ 123,128,129), den betroffenen Richter für ausgeschlossen oder die Ablehnung für begründet, so ist diese Entscheidung der Anfechtung entzogen, weil für die Gewährung eines Rechtsm ittels ein B edürfnis nicht besteht. D a ­ gegen kann der Beschluß, der die Behauptung eines Ausschließungsgrundes zurückweist oder der Ablehnung nicht stattgibt, im Rahm en der durch § 305 Abs. 3 gezogenen Grenze m it der befristeten Beschwerde a n ­ gefochten werden. D as gilt nicht nur, wenn die Ablehnung nach § 128 als unbegründet zurückgewiesen wird, sondern auch dann, wenn der Richter sie nach § 127 als unzulässig verwirft. Eine Sonderregelung gilt für die Entscheidung über die Ausschließung oder die Ablehnung eines zur U rteilsfindung berufenen Richters. I s t einem A ntrag nach § 123 Abs. 3 oder nach § 124, der einen solchen Richter betrifft, nicht stattgegeben worden, so kann die Entscheidung wegen ihres inneren Zusammenhanges m it dem Urteil nur zugleich m it diesem im Wege der Berufung oder der U rteilsrüge angefochten werden, sofern diese Rechts­ mittel gegen das U rteil zugelassen sind. § 132

Au s s c h l i e ß u n g des S t a a t s a n w a l t s B isher w ar die Frage, unter welchen V oraus­ setzungen sich der S ta a tsa n w a lt m it Rücksicht auf persönliche Beziehungen zu einem am Verfahren Beteiligten oder zum Gegenstand des V erfahrens der Bearbeitung einer Strafsache zu enthalten habe, der Regelung im Verwaltungswege vorbehalten. I m Hinblick auf die künftig erheblich erweiterten Befug­ nisse des S ta a tsa n w a lts hält der Entw urf es für geboten, die Ausschließung des S taatsan w alts in ähnlichem Umfange gesetzlich festzulegen wie die des Richters. Dadurch wird eine bisher schon bestehende V erw altungsübung zum Rechtssatz erhoben und ihre gleichmäßige Anwendung sichergestellt. Eine A b­ lehnung des S ta a tsa n w a lts wegen Befangenheit ist wegen der besonderen N atur seiner Ausgaben auch im künftigen Recht nicht möglich. D as Amt des S ta a tsa n w a lts dars nach § 132 nicht ausüben, wer durch die T a t verletzt oder wer Angehöriger des Beschuldigten, Verletzten oder E in ­ ziehungsbeteiligten ist oder wer Vorm und oder Gebrechlichkeitspsleger einer dieser Personen ist oder gewesen ist. Dasselbe gilt für den S taatsan w alt, der in der Sache als Richter, Verteidiger, Beistand oder als A nw alt des Verletzten oder Einziehungsbeteilig­ ten tätig gewesen ist. I s t er in oder außerhalb der H auptverhandlung als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden, so kann er in der Sache nicht mehr als S ta a tsa n w a lt wirken. Die A b­ gabe einer dienstlichen Äußerung (§ 73) führt h in­ gegen aus den zu § 73 erörterten Gründen die Ausschließung nicht herbei. F ern er ist von der A us­ übung des Amtes eines S ta a tsa n w a lts ausge­ schlossen, wer in einem Dienststrafverfahren, ehren­ gerichtlichen Verfahren oder einem ähnlichen staatlich geregelten oder anerkannten Rechtsversahren, das

dieselbe Sache betrifft, untersuchend oder entscheidend tätig ist oder gewesen ist. Dagegen ist der S ta a ts­ anwalt in einem höheren Rechtszug oder bei der Erledigung einer Beschwerde (§ 314) nicht deshalb an der Ausübung seines Amtes gesetzlich verhindert, weil er schon in einem früheren S tand des Verfahrens als S taatsanw alt tätig gewesen ist. D as hat darin seinen Grund, daß es im Jntereffe der Rechtspflege gelegen ist, die Durchführung des Verfahrens bis zur Rechtskraft tunlichst demselben S taatsanw alt zu übertragen. Soweit es sich um die Entscheidung über Beschwerden (§ 314) handelt, wird im Verwaltungs­ weg dafür Sorge getragen werden, daß der vorgesetzte S taatsanw alt sich in der Regel der Entscheidung ent­ hält, wenn er selbst die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Der S taatsanw alt hat — wie der Entwurf nicht mehr ausdrücklich hervorhebt — in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen, ob gegen ihn ein Aus­ schließungsgrund vorliegt. Bestehen Zweifel, ob er sein Amt ausüben darf', so entscheidet darüber sein Vorgesetzter. Eine gerichtliche Nachprüfung des Aus­ schließungsgrundes kommt nicht in Betracht; sie wäre mit der Stellung, die der Entwurf dem S ta a ts­ anwalt zuweist, nicht vereinbar. § 133

Schriftführer Die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und andere als Schriftführer zugezogene Personen unter­ liegen mit Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit aus denselben Gründen der Ausschließung und der Ab­ lehnung wie die Richter. Die für die Richter gelten­ den Vorschriften sind jedoch auf den Schriftführer nur sinngemäß anzuwenden. D araus folgt, daß § 122 außer Betracht bleibt. D as Verfahren, in dem die Ausschließung oder Ablehnung zum Gegenstand einer richterlichen Entscheidung gemacht werden kann, be­ stimmt sich nach den für den Richter geltenden Vor­ schriften. Die Entscheidung obliegt in der Haupt­ verhandlung dem Vorsitzer, außerhalb der Haupt­ verhandlung dem Richter, dem der Schriftführer beigegeben ist. Zweiter Abschnitt Der Verteidiger.

Ei nl e i t ung Die materielle Gerechtigkeit als Ziel des S tra f­ verfahrens erfordert, daß die Verteidigung des Beschuldigten in jedem Stande des Verfahrens ge­ sichert ist. Von diesem Gedanken aus erkennt das kommende Strafverfahren die Einrichtung der Ver­ teidigung vorbehaltlos an. Wenn auch der S ta a ts­ anwalt und das Gericht von Amts wegen verpflichtet sind, die den Beschuldigten entlastenden Umstände zu ermitteln und alles zur Erforschung der Wahrheit Notwendige zu tun, so wird hierdurch der hohe Wert der Arbeit des Verteidigers nicht geschmälert. Trotz dieser Pflicht staatlicher Stellen bedarf der Be­ schuldigte häufig eines rechtskundigen Fürsprechers, der ihn über die Gesetze belehrt, falsche Ratschläge

unverantwortlicher Personen von ihm fernhält, alles, was ihn rechtlich, tatsächlich oder menschlich entlasten kann, vorbringt und darüber wacht, daß die zum Schutz des Beschuldigten vorgesehenen Verfahrens­ vorschriften beachtet werden. Die Reichsrechts­ anwaltsordnung vom 21. Februar 1936 hat in ihrem Vorspruch die Aufgaben des Rechtsanwalts im neuen S ta a t dahin umschrieben, daß der Rechtsanwalt der berufene und unabhängige Vertreter und Berater in allen Rechtsangelegenheiten und daß sein Beruf kein Gewerbe, sondern Dienst am Recht ist. Von den gleichen Gedanken geht auch die Strafverfahrens­ ordnung aus (§ 134). Der Verteidiger soll dem Beschuldigten im Strafverfahren zur Seite stehen; ebenso wird von ihm erwartet, daß er als unab­ hängiges Organ der Rechtspflege im Rahmen seiner Aufgaben als Fürsprecher des Beschuldigten bei der Findung eines gerechten Urteils mitwirkt. Diese Gedanken waren bis zum Umbruch nicht allgemein anerkannt. Die letzten Jahrzehnte vor der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus standen im Zeichen der Forderung nach Waffengleich­ heit zwischen dem Angeklagten und dem S ta a ts ­ anwalt. I n dem Bemühen, beide aus eine Ebene zu stellen, entzog man dem Verteidiger mehr und mehr seine natürliche Stellung als Fürsprecher des Be­ schuldigten im Rahmen der Wahrheitsermittlung und stempelte ihn zu einem Gegner des Staatsanw alts. Die Grundlagen für eine gesunde und der Rechts­ pflege förderliche Verteidigung wurden damit ge­ fährdet. Denn da der S taatsanw alt der zum Schutz der Rechtsordnung bestellte Vertreter des S taates ist, mußte der Gedanke der Waffengleichheit zu der Vor­ stellung führen, daß der Verteidiger ein berufsmäßiger Gegner der allgemeinen Belange sei. I n der Tat ist unter dem Einfluß dieses Denkens die Stellung des Verteidigers in den Jahren vor der Macht­ ergreifung auch nicht selten zu rechtsfeindlichen Zielen mißbraucht worden, ohne daß das allgemeine Standesbewußtsein und die Ehrengerichtsbarkeit der Anwaltschaft immer stark genug gewesen wären, dem erfolgreich entgegenzutreten. S eit dem Durchbruch der neuen Staatsauffassung ist für den Gedanken der Waffengleichheit kein Raum mehr. Die Haltung der deutschen Rechtsanwaltschaft ist von Grund auf erneuert. Gewissenlose und staats­ feindliche Rechtsanwälte sind ausgemerzt, artfremde Personen zur Anwaltschaft nicht mehr zugelassen. Der jedes Bedürfnis übersteigende und daher schäd­ liche Zustrom zur Anwaltschaft ist unterbunden, der Ausbildungsgang des angehenden Rechtsanwalts neu geordnet. Ein neuer berufsständischer Ausbau und eine von vertiefter Berufsauffassung getragene Ehren­ gerichtsordnung bieten die Gewähr dafür, daß die Anwaltschaft auch in Zukunft eine Hüterin national­ sozialistischen Rechtsdenkens sein wird. D as berech­ tigt und verpflichtet den Gesetzgeber, dem Verteidiger Vertrauen entgegenzubringen. Ein besonderes Merk­ mal des neuen Strafverfahrens ist, daß der S ta a ts ­ anwalt mit den Rechten ausgestattet wird, die der verantwortlichen Vertretung der Staatssührung zu­ kommen, und daß ebenso auch das Gericht in der Freiheit' seiner Entschließungen weiteren Raum er­ hält. Beides zwingt dazu, auch die Stellung des Verteidigers zu heben und ihm ebenfalls weitere

Möglichkeiten fü r die M ita rb e it im Strafverfahren zu eröffnen. Dies g ilt namentlich fü r die Stellung des Verteidigers im Vorverfahren, die nach den Ausführungen in der Vorbemerkung vor § 1 und in der Begründung zu § 13 neu gestaltet ist. D ie Regelung des geltenden Rechts, daß als V e r­ teidiger n ur die bei einem deutschen Gericht zugelasse­ nen Rechtsanwälte und die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen auftreten können, w ird im E n tw u rf m it einer unwesentlichen Änderung bezüglich der Rechts­ lehrer aufrechterhalten (§ 135). D ie Zulassung anderer Personen als W ahlverteidiger und die Be­ stellung von Iustizbeamten zu Verteidigern (§§ 138 Abs. 2 ,1 4 4 Abs. 2 S tP O .) ist nicht gestattet. Auch im neuen Recht w ird der wichtige Grundsatz besonders hervorgehoben (§ 136), daß der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger wählen kann. Wesentlich umgestaltet sind die Bestimmungen über die notwendige Verteidigung (§§ 138 bis 142). Die starre Vorschrift des bisherigen Rechts, in bestimmten Sachen einen Verteidiger zu bestellen, sofern der Beschuldigte oder sein gesetzlicher V ertreter es binnen bestimmter F rist beantragt (§ 140 Abs. 3 S tP O .), ist beseitigt; in Zukunft entscheidet der Vorsitzer in diesen Fällen nach pflichtmäßigem Ermessen, ob der Beschuldigte der Unterstützung durch einen Verteidiger bedarf. Besondere Voraussetzungen, unter denen der Vorsitzer dem Beschuldigten einen Verteidiger zu be­ stellen hat, sind in § 139 genannt. S ie sind so weit gefaßt, daß eine Verteidigung gesichert ist, wo sie notwendig erscheint. I m bisherigen Recht w ird der Verteidiger in den F ällen der notwendigen Verteidigung regelmäßig erst nach Abschluß des Vorverfahrens bestellt (§ 140 Abs. 1 S tP O .). D er Verteidiger kann infolgedessen auf die Entscheidung des S ta a tsa n w a lts über die Anklage­ erhebung nicht mehr einwirken. Demgegenüber sieht der E n tw u rf vor, daß der Verteidiger in den Fällen, in denen die Verteidigung notwendig ist, spätestens beim Abschluß der E rm ittlun g e n bestellt werden nmß (§ H O Abs. 2). D ie Bestellung des Verteidigers ist — auch im Vorverfahren — dem Vorsitzer des Gerichts übertragen (§ 148). Den Kreis der Rechtsanwälte, aus dem der zu bestellende Verteidiger entnommen werden faltn, hat der E n tw u rf erweitert (§ 141). D e r schriftliche und mündliche Verkehr des V e r­ teidigers m it dem Verhafteten und das Recht des Verteidigers zur Akteneinsicht sind von Schranken möglichst freigestellt (§§ 145, 146). Verkehr und Akteneinsicht können nach dem Abschluß der E rm itt­ lungen nicht beschränkt werden. F ü r die Z e it vor dem Abschluß der E rm ittlun g e n kann dagegen der S ta a ts ­ a n w alt anordnen, daß der Verteidiger beit Beschul­ digten n ur in seiner Gegenwart spricht und daß ihm schriftliche M itte ilu n g e n vor der Weitergabe vo r­ gelegt werden, wenn die Freiheitsentziehung wegen Verdunkelungsgefahr gerechtsertigt ist (§ 145 Abs. 2). Ähnlich ist die Akteneinsicht geregelt. B is zum Ab­ schluß der E rm ittlun g e n darf der S ta a tsa n w a lt dem Verteidiger den Einblick in die dem Gericht vorzu­ legenden Akten und die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke versagen, wenn dadurch der Zweck des Verfahrens gefährdet würde (§ 146 Abs. 2 S . 1). V o r Abschluß der E rm ittlungen werden m it­ unter das Ergebnis des Vorverfahrens und die aus

dem Ausbau des Vorverfahrens erkennbaren A b ­ sichten des Untersuchungsführers dem Beschuldigten geheim bleiben müssen; zur Erreichung dieses Z iels kann im Einzelsall auch die Beschränkung der Akten­ einsicht fü r den Verteidiger geboten sein. D er ver­ trauensvolle Verkehr des Verteidigers m it dem B e­ schuldigten w ird dadurch gefördert, daß dem V e r­ teidiger ein Aussageverweigerungsrecht bezüglich solcher Tatsachen gegeben w ird , die ihm kraft seines B erufs anvertraut worden sind (§ 162), und daß schriftliche M itte ilu n g e n oder Auszeichnungen über das Berufsgeheimnis n ur m it Zustimmung des V e r­ teidigers beschlagnahmt werden dürfen, wenn sie sich in dessen Gewahrsam befinden (§ 221). W ie bisher bilden die Vorschriften des Abschnitts über den Verteidiger nur einen T e il der Bestimmun­ gen, die sich aus den Verteidiger beziehen. Sie werden durch Vorschriften in anderen Abschnitten ergänzt. D ie Stellung des Verteidigers ist ergänzend in den §§ 10 Abs. 3, 11, 13, seine S tellung im Hauptver­ fahren in den §§ 43, 47, 49 Abs. 2, 57, 59 Abs. 4, 60, 93 Abs. 4 geregelt. Auch dafür ist Sorge ge­ tragen, daß der Verteidiger als Organ der Rechts­ pflege neben dem S ta a tsa n w a lt und dem Gericht in der Anklageschrist, im U rte il und in der Verhandlungsniederschrist erwähnt w ird (§§ 28 Abs. 2 N r. 5, 82 N r. 2, 95 Abs. 1 Satz 2). Andere Vorschriften sichern ihn: die Möglichkeit, zu Vorgängen des V e r­ fahrens Stellung zu nehmen (vgl. §§ 13 Abs. 2 S . 2, 59 Abs. 4, 96 Abs. 1 Satz 2, 216 Abs. 3, 245 Abs. 2, 313 Abs. 1 Satz 2, 362 Abs. 4) und den Gang des Verfahrens zu verfolgen (vgl. §§ 10 Abs. 3, 47 Äbs. 1, 48 Abs. 3, 406 Abs. 2). Wegen des Rechts des V e r­ teidigers zum Gebrauch von Rechtsbehelfen vgl. die §§ 300, 303 Abs. 3, 335, 359 Abs. 3. § 134 A u s g a b e des V e r t e i d i g e r s D er Verteidiger hat eine doppelte Ausgabe: D ie eine ergibt sich aus seinem durch W ahl oder Bestellung begründeten V ertrauensverhältnis zum Beschuldigten. I h r I n h a lt besteht darin, daß der Verteidiger dem Beschuldigten als Fürsprecher und Berater zur Seite stehen soll. Dabei nim m t er eine Stellung eigener A r t ein, die es nicht erlaubt, ihn m it dem Beschuldig­ ten gleichzusetzen oder ihn als den Vertreter oder weisungsgebundenen Helfer des Beschuldigten anzu­ sehen. D ie andere Aufgabe des Verteidigers ergibt sich aus seiner Treuepslicht und Verantw ortung gegenüber der Volksgemeinschaft. S ie verpflichtet ihn, bei der Findung des Rechts mitzuwirken. D er Verteidiger ist nicht etwa Interessenvertreter des Beschuldigten; er ist vielmehr Organ der Rechts­ pflege und hat in dieser Eigenschaft besondere Rechte und Pflichten. Aus dieser gemeinschaftsgebundenen S tellung folgt, daß er.sein Verhalten im S tra fv e r­ fahren so einrichten muß, daß es der E rm ittlu n g der W ahrheit und der Findung eines gerechten U rte ils dient. Darüber, wie sich der Verteidiger zu verhalten hat, wenn seine besondere Fürsorgepflicht fü r den Beschuldigten und seine allgemeine Treuepslicht gegenüber der Gemeinschaft einander entgegentreten, enthält § 134 eine Richtlinie. D er Entwurs nennt,

entsprechend den Tatsachen des Lebens, die Aufgabe des Verteidigers, dem Beschuldigter: zur Seite 511 stehen, an erster Stelle. Die Unterstützung, die der Verteidiger dem Beschuldigten angedeihen läßt, findet aber ihre Grenze durch den In h a lt des zweiten Satzes. Dieser verbietet es dem Verteidiger, sich bei der Verteidigung in einer Richtung zu bewegen, die ihn vom Recht wegführt. Der Verteidiger kann den Schutz des Beschuldigten nur so lange und so weit ausüben, als er dadurch nicht in Widerspruch zu seiner Pflicht zur Mithilfe bei der Findung des Rechts tritt. Umgekehrt kann die Hilfe des Verteidigers bei der Findung des Rechts nur im Rahmen der ersten Auf­ gabe erfolgen. Hier die richtigen Grenzen zu finden und für das Rechte zu sorgen, ist dem Takt und dem Pflichtbewußtsein des einzelnen Verteidigers und der Beurteilung der Ehrengerichte überlasten.

§ 135 E i g n u n g zum Verteidiger Jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt und jeder Professor der Rechtswissen­ schaft an einer deutschen Hochschule kann bei jedem deutschen Gericht als Verteidiger auftreten. „P ro ­ festoren der Rechtswissenschaft" in diesem S inne sind die planmäßig angestellten ordentlichen und außer­ ordentlichen Professoren, sowie die nichtbeamteten außerordentlichen und die Honorarprofestoren, nicht dagegen — anders als bisher — die sog. Dozenten und Lehrbeauftragten. F ü r die Regelung des geltenden Rechts, wonach mit Genehmigung des Gerichts noch andere P er­ sonen zum Verteidiger gewählt oder vom Gericht bestellt werden können (§§ 138 Abs. 2, 144 Abs. 2 S tP O .), besteht heute kein Bedürfnis mehr. Die Verteidigung durch andere Personen als Rechts­ anwälte oder Rechtslehrer hat niemals große Be­ deutung erlangt und ist bei der Zahl der Rechts­ anwälte überflüssig geworden. Auch an abgelegenen Gerichten und an solchen, bei denen kein Rechts­ anwalt zugelassen ist, besteht bei den heutigen Ver­ kehrsverhältnissen immer die Möglichkeit der Ver­ teidigung durch einen Rechtsanwalt. Die Zulastung anderer Personen als Beistand schließt der Entwurf nicht aus (§ 153 Abs. 2). F ü r die ^ Be s t e l l u n g eines Verteidigers be­ stehen aus praktischen Gründen bestimmte Auswahl­ grundsätze (§ 141). Weitere Einschränkungen für die Ausübung der Verteidigung im Einzelfall ergeben sich aus den §§ 144, 261 Abs. 1 und aus den Vor­ schriften der Reichsrechtsanwaltsordnung über die Pflicht zur Versagung der Berufstätigkeit. Ebenso wird bie für die Reichsgerichtsanwälte geltende Sonderregelung des § 108 Abs. 2 der Reichsrechtsanwaltsordnung durch die Strafverfahrensordnung nicht berührt. § 136 W a h l des V e r t e i d i g e r s Nach Abs. 1 darf der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger wählen. Anders als im geltenden Recht spricht der Entwurf nicht mehr vom „Beistand eines Verteidigers". Durch diese

Änderung wird angedeutet-, daß der Verteidiger nicht nur Beistand des Beschuldigten, sondern im gleichen Maße auch Helfer bei der Erforschung der Wahrheit und der Findung eines gerechten Spruches ist. Der Entwurf gestattet die Verteidigung in jeder Lage des Verfahrens; er erachtet es gerade für wertvoll, daß der Verteidiger gegebenenfalls auch schon im V or­ verfahren bei der Aufklärung des Sachverhalts für den Beschuldigten tätig wird, weil damit die Belange des Beschuldigten am besten gewahrt werden und dem Verteidiger die Vorbereitung für die Hauptver­ handlung ermöglicht wird. Die Auswahl des Ver­ teidigers ist grundsätzlich der Genehmigung einer anderen Stelle nicht unterworfen; nur für die für das Wohl des Reichs besonders bedeutungsvollen Strafsachen, die zur Zuständigkeit des Volksgerichts­ hofs und der Oberlandesgerichte gehören, enthält § 261 Abs. 1 eine Ausnahme. Der Abs. 1 schließt nicht aus, daß der Beschuldigte mehrere Verteidiger wählt. Der Entwurf will dem Beschuldigten in k e i n e m Stande des Verfahrens Beschränkungen hinsichtlich der Zahl der Verteidiger auferlegen. Dem Mißbrauch der Befugnis, mehrere Verteidiger zu wählen, kann durch die Standesaus­ sicht entgegengewirkt werden. Im Abs. 2 gewährt der Entwurf nicht nur dem gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten, sondern ent­ sprechend der Regelung in anderen Vorschriften auch dem Inhaber des Personensorgerechts das Recht zur Wahl des Verteidigers. Ist die M utter neben dem Vater sorgeberechtigt, so ergibt sich aus § 298, daß die Entscheidung des Vaters dem Willen der M utter vorgeht. Der gesetzliche Vertreter und der Sorgeberechtigte sind bei der Entschließung über die Zuziehung und bei der Auswahl des Verteidigers von: Willen des Beschuldigten unabhängig. I m Verfahren gegen Flüchtige (§§ 401 bis 410) können nach § 404 Abs. 2 auch Angehörige des Flüchtigen einen Verteidiger wählen. D as wird auch zu gelten haben, wenn nach dem Tod des Verurteilten Angehörige die Wiederaufnahme des Verfahrens be­ treiben (§ 366), ohne daß dies einer ausdrücklichen Regelung bedarf. § 137

Ausübung der V e r t e i d i g u n g dur c h Assess or en oder G e r i c h t s r e f e r e n d a r e Die Regel soll sein, daß der zum Verteidiger gewählte Rechtsanwalt den Beschuldigten in der Hauptverhandlung persönlich verteidigt, selbst wenn ihm bei Erteilung des Auftrags gestattet ist, sich bei der Ausübung der Verteidigung vertreten zu lassen. Das folgt aus dem Vertrauensverhältnis, das zwi­ schen dem Verteidiger und dem Beschuldigten bestehen muß. Es ist jedoch nicht ausgeschloffen, daß der Ver­ teidiger die Verteidigung im ganzen oder für einzelne Verfahrensteile auch durch eine andere zum Verteidi­ ger geeignete Person (§ 135) ausüben läßt. V or­ aussetzung hierfür ist die Zustinnnung dessen, der den Verteidiger gewählt hat. Liegt diese vor, so besteht kein Grund, eine Unterbevollmächtigung nicht zuzu­ lassen, da diesen Personen jederzeit auch selbständig der Auftrag zur Verteidigung hätte erteilt werden können. Wird ein zum Verteidiger gewählter Rechts-

anmalt auf G rund des § 29 der Reichsrechtsanwaltsordnung in seinen Berufsgeschäften vertreten, so ist sein S te llve rtre te r ohne weiteres auch zur Führung der Verteidigung so lange berechtigt, als derjenige, welcher den Rechtsanwalt zum Verteidiger gewählt hat, der Verteidigung durch den Vertreter nicht w ider­ spricht. Z u den Personen, die nach § 135 die Eignung zum Verteidiger haben, gehören nicht die A n w a ltsassessoren und die Assessoren im anwaltlichen Probe­ dienst. Ih n e n kann eine Verteidigung selbständig nicht übertragen werden. Z w a r stehen nach § 13 der Reichsrechtsanwaltsordnung dem Anwaltsassessor die anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zu, dem er überwiesen ist. Diese Vorschrift w ird aber durch § 137 dahin eingeschränkt, daß der zum V e r­ teidiger gewählte Rechtsanwalt einen Anwaltsassessor n u r m it Zustimmung dessen, der ihn gewählt hat, m it der Verteidigung in der Hauptverhandlung be­ trauen kann. D ie gleiche Regelung t r if ft § 137 fü r die Ausübung der Verteidigung durch einen Assessor im anwaltlichen Probedienst oder durch einen Gerichtsreserendar. D e r Justizverwaltung ist es dabei überlassen, nähere Anordnungen darüber zu treffen, wie lange der Gerichtsreserendar, der m it der Verteidigung betraut w ird , schon im Justizdienst tätig sein muß. D aß ein Gerichtsreserendar darüber hinaus auch ohne Zustimmung dessen, der den Verteidiger gewählt hat, neben dem zum Verteidiger gewählten Rechtsanwalt oder neben einem m it der Ausübung der Verteidigung betrauten Assessor außerhalb oder in der Hauptverhandlung einzelne Geschäfte des Verteidigers wahrnim m t, ist statthast. §§ 138, 139 N o t w e n d ig e V e r te id ig u n g . Bestellung eines V e r t e i d i g e r s in anderen Fällen D e r E n tw u rf lockert die zu starren Vorschriften des geltenden Rechts über die Bestellung eines V e r­ teidigers. Seine Bestellung soll sich künftig in stärke­ rem Maße als bisher nach dem sachlichen Bedürfnis im E inzelfall richten. D ie Bestellung w ird deshalb in weitem Umfang in das Ermessen des Vorsitzers gestellt. D er § 138 regelt die Fälle der notwendigen Verteidigung; er w ird fü r das Verfahren gegen Flüchtige durch § 401 ergänzt. D e r § 139 behandelt die F älle, in denen dem Beschuldigten aus anderen Gründen von A m ts wegen ein Verteidiger zu be­ stellen ist. D e r § 138 Abs. 1 N r. 1 schreibt die Bestellung eines Verteidigers in den Sachen vor, die vor dem Reichsgericht im ersten Rechtszuge, dem Volks­ gerichtshof oder dem Oberlandesgericht verhandelt werden. Hier ist die Verteidigung wegen der Bedeutung des Verfahrens und auch wegen des Fehlens jeder Rechtsmittel schlechthin notwendig. Nach N r. 2 w ird dem Beschuldigten ein Verteidiger bestellt, wenn eine T a t, die m it dem Tode oder m it lebenslangem Zuchthaus bedroht ist, oder ein T o t­ schlag — auch in den F ällen des § 408 S tG B . — oder ein M eineid (§§ 379, 382 S tG B .) in Frage

kommt. I n diesen F ällen ist die Verteidigung wegen der A r t und Höhe der dem Angeklagten drohenden S tra fe geboten. I n den vor der Strafkam m er zu verhandelnden Sachen ist die Verteidigung nach N r. 3 zunächst in ­ soweit notwendig, als sich die Zuständigkeit der Strafkam m er aus § 101 Abs. 2 ergibt, d. h. wenn der S ta a tsa n w a lt wegen der Schwere oder Verwerflich­ keit der T a t oder wegen der durch sie hervorgerufenen Erregung die Anklage vor der Strafkamm er erhebt. Diese Regelung entspricht dem für die jetzigen Sondergerichte geltenden Rechtszustand (§ 10 d. S o n derger. VO . v. 21. 3. 1933 — R G B l. I S . 136 — in Verb. nt. A rt. I d. V O . v. 20.11. 1938 — R G B l. I S . 1632 — ) und ist wegen der Bedeutung dieser Verfahren auch fü r das künftige Recht beizubehalten. Z u den nach § 101 Abs. 1 der Strafkamm er zuge­ wiesenen Sachen gehören auch S tra fta te n leichteren Charakters, die heute vielfach von den Sonder­ gerichten in das ordentliche Verfahren verwiesen und dam it der notwendigen Verteidigung entzogen wer­ den. Dies g ilt vor allem für die Fälle des § 101 Abs. 1 N r. 1, die gegenüber den anderen Fällen des § 101 Abs. 1 verhältnism äßig häufig sind. K ü n ftig können diese Sachen von der Strafkam m er nicht an ein niedrigeres Gericht abgegeben werden. Es würde zu weit führen, fü r alle diese Sachen, die künftig die Strafkam m er abzuurteilen hat, schlechthin die V e r­ teidigung fü r notwendig zu erklären. D e r E n tw u rf beschränkt daher in den F ällen des § 101 Abs. 1 N r. 1 die Notwendigkeit der Verteidigung auf die besonders schweren F älle des § 127 S tG B , und überläßt die Bestellung eines Verteidigers fü r die übrigen Fälle des § 101 Abs. 1 N r. 1 dem Ermessen des Vorsitzers nach § 139. Dagegen soll für die in § 101 Abs. 1 N r. 2 bis 11 genannten Strafsachen die Verteidigung schlechthin notwendig sein, da hier die leichteren Fälle, in denen ein B edürfnis nach Bestellung eines V e r­ teidigers nicht besteht, zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen. Nach N r. 4 erhält der Beschuldigte ferner einen Verteidiger, wenn die Sicherungsverwahrung, die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, die Entm annung oder das Berufsverbot auf Lebenszeit in Frage steht. Diese Maßregeln sind so einschneidend für den Beschuldigten, daß ihm der Beistand eines V e r­ teidigers stets gewährleistet sein muß. D ie Bestellung eines Verteidigers bei der Unterbringung des Beschul­ digten in einer H eil- oder Pslegeanstalt zur U nter­ suchung auf seinen Geisteszustand ist in der V o r ­ schrift über die Anstaltsbeobachtung (§ 245) geregelt. Schließlich sieht die N r. 5 wie bisher die notwen­ dige Verteidigung vor, wenn der Beschuldigte taub oder stumm ist. I n den im Abs. 1 erwähnten Fällen ist die V e r­ teidigung grundsätzlich nicht notwendig fü r die Hauptverhandlung vor dem Urteilsrügegericht. D as ergibt sich aus der Eigenart der Urteilsrüge, die auch im künftigen Recht ih r Schwergewicht in der Nach­ prüfung der Rechtsanwendung hat, aber n u r in wenigen F ällen zu einer Verhandlung und Beweisaufnahnte über den Sachverhalt selbst führt (§ 340 Abs. 2). Ausnahmsweise ist aber auch im U rteilsrügeversahren die Bestellung eines Verteidigers

notwendig, wenn eine Beweisaufnahme stattfindet. Darüber hinaus kann auch im Urteilsrügeverfahren die Bestellung eines Verteidigers nach § 139 geboten sein. Der Zwang des bisherigen Rechts, unter ge­ wissen Voraussetzungen auf Antrag des Beschuldigten oder seines gesetzlichen Vertreters einen Verteidiger zu bestellen (§ 140 Abs. 3, Abs. 4 S . 2 S tP O .), ist beseitigt. D as bisherige Recht will mit dieser Vor­ schrift die Verteidigung des Beschuldigten in den schweren Fällen der mittleren Kriminalität sicher­ stellen. Z ur Abgrenzung dieser Fälle knüpft es dabei an den Begriff des Verbrechens an, der aber 51t formalistisch die Sachen kennzeichnet, in denen ein Bedürfnis nach Verteidigung besteht. Diese Art der Abgrenzung ist mit der konkreten Betrachtungsweise des Entwurfs unvereinbar. Ein weiterer Nachteil des bisherigen Rechts lieat darin, daß die Bestellung eines Verteidigers einen Antrag voraussetzt und daß das Antragsrecht befristet ist, womit der rechts­ unkundige Beschuldigte benachteiligt wird. I n Zu­ kunft wird in anderen Fällen als denen des § 138 ein Verteidiger nur bestellt, wenn es nach den Be­ dürfnissen und der Lage des Einzelfalles geboten ist (§ 139). Ein Grund für die Bestellung eines Verteidigers nach § 139 kann sich aus der Sache oder aus der Persönlichkeit des Beschuldigten ergeben. Ein sach­ licher Grund liegt in der Schwere der Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, oder in der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage. Ein per­ sönlicher Grund ist gegeben, wenn der Beschuldigte nach seinen persönlichen Anlagen und Fähigkeiten nicht die Eignung ausweist, sich selbst zu verteidigen. Es ist hier absichtlich eine weite Fassung gewählt, um dem Vorsitzer einen möglichst weiten Ermessens­ spielraum zu geben. Anlaß zu der Bestellung eines Verteidigers können daher z. B. jugendliches Alter, körperliche Gebrechen, geistige Mängel, Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten oder der im Entwurf als Beispiel angeführte Fall der un­ genügenden Kenntnis der deutschen Sprache bilden. Aus der Fassung der §§ 138, 139 geht hervor, daß dem Beschuldigten beim Vorliegen der dort ge­ nannten Voraussetzungen ein Verteidiger bestellt werden muß und daß die Erfüllung dieser Pflicht vom Urteilsrügegericht nachgeprüft werden kann. Die Bestellung unterliegt, auch in den Fällen des § 139, nicht dem Verzicht des Beschuldigten oder eines sonst zur Wahl des Verteidigers Berechtigten und muß daher gegebenenfalls auch gegen den Willen dieser Personen erfolgen. F ü r den Zeitpunkt der Verteidiaerbestellung und ihre Dauer gilt folgendes: I n den Fällen des § 138 wird der Verteidiger spätestens beim Abschluß der Ermittlungen bestellt, wenn Anklage erhoben werden soll (§ 140 Abs. 2); die Verteidigung erstreckt sich über das ganze Verfahren bis zur Rechtskraft des Urteils. Eine Einschränkung besieht, wie bereits er­ wähnt ist, für die Hauptverhandlung vor dem Ur­ teilsrügegericht (§ 138 Abs. 2). Bei der Bestellung des Verteidigers in den Fällen des § 139 ist der Vorsitzer freier gestellt. Auch in diesen Fällen wird zwar grundsätzlich der Verteidiger

beim Abschluß der Ermittlungen bestellt (§ 140 Abs. 2), wenn Anklage erhoben werden soll. Der Vorsitzer kann jedoch im Rahmen seines pflichtmäßigen Ermessens die Bestellung des Verteidigers aus das Hauptverfahren beschränken. Eine derart beschränkte Bestellung dauert bis zur Rechtskraft des Urteils. I n den Fällen der notwendigen Verteidigung oder der Bestellung eines Verteidigers in anderen Fällen kann die Bestellung im Laufe des Verfahrens wieder zurückgenommen werden, wenn das Bedürfnis nach Verteidigung nicht vorlag oder, etwa durch die Wahl eines Verteidigers, wegfällt. Es ist nicht nur darauf zu achten, ob, sondern auch wie lange ein Bedürfnis nach Verteidigung besteht. § 140

Zeit

der B e st el l un g

Aus Abs. 1 ergibt sich zunächst, daß auch im Vor­ verfahren die Bestellung eines Verteidigers zulässig ist, und zwar sowohl für die Fälle des § 138 wie die des § 139 schon vor dem Abschluß der Ermittlungen (§ 13). Der S taatsanw alt führt eine Entscheidung des Vorsitzers über die Bestellung eines Verteidigers herbei, wenn er sie für geboten hält oder wenn der Beschuldigte oder ein sonst zur Wahl des Verteidigers Berechtigter die Bestellung eines Verteidigers bean­ tragt. Die Bestellung des Verteidigers ist damit auch für das Vorverfahren in die Hand des Vorsitzers gelegt. Der Grundsatz, daß der S taatsanw alt das Vorverfahren führt, muß hier zurücktreten, da sonst der Staatsanw alt durch die Bestellung eines Ver­ teidigers der Entscheidung des Vorsitzers für das Hauptverfahren vorgreifen würde. Abs. 2 bestimmt den Zeitpunkt, in bcm der Ver­ teidiger bestellt werden muß, wenn die Verteidigung nach § 138 notwendig oder nach dem § 139 geboten ist, aber nicht schon vor dem Abschluß der Erm itt­ lungen im Vorverfahren ein Verteidiger bestellt worden ist. Als maßgebenden Zeitpunkt dafür wählt der Entwurf aus den Gründen, die bet § 13 dargelegt sind, den „Abschluß der Ermittlungen" (§ 13). Diese Regelung bedeutet für die Verteidigung eine wesent­ liche Verbesserung des bisherigen Rechts, ttach dem der Verteidiger erst nach der Mitteilung der Anklage­ schrift an den Beschuldigten oder — in geringfügige­ ren Sachen — nach der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses bestellt wird (§ 140 Abs. 4 S tP O .). Der bestellte Verteidiger hat damit die Möglichkeit, noch vor der Erhebung der Anklage die abgeschlossenen Ermittlungen in ihrer Gesamtheit zu übersehen und zu ihnen Stellung zu nehmen. Selbstverständlich ist die Bestellung eines Verteidigers beim Abschluß der Ermittlungen nur geboten, wenn Anklage erhoben werden soll, nicht bei Einstellung des Verfahrens. Der Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen wird nach § 13 Abs. 1 aktenkundig gemacht. Häufig wird sich die Notwendigkeit der Bestellung eines Verteidigers erst später, besonders in der Hauptverhandlung, ergeben. D as ist zum Beispiel der Fall, wenn bei notwendiger Verteidigung der ursprünglich vorhandene Wahlverteidiger wegfällt oder wenn sich erst in der Hauptverhandlung ergibt,

daß die Sicherungsverwahrung 311 erwarten ist. F ü r solche und ähnliche Fälle stellt § 140 Abs. 3 sicher, daß ein Verteidiger sofort bestellt w ird , sobald sich ergibt, daß ein Verteidiger notwendig ist. §

141

Auswahlgrundsätze § 141 bestimmt den Kreis der Personen, aus denen der zu bestellende Verteidiger ausgewählt w ird. D er E n tw u rf lockert die fü r die Ausw ahl bisher zu beachtenden Bestimmungen auf, indem er sie in die F o rm einer Sollvorschrift kleidet und so ermöglicht, daß der Vorsitzer aus gewichtigem Grunde im E inzel­ fa ll auch von ihnen abweichen kann. Zum Verteidiger M möglichst ein Rechtsanwalt bestellt werden, der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks oder des Ge­ richtssitzes zugelassen ist. S in d Strassachen mehrerer Amtsgerichte einem Amtsgericht oder Sachen, die zur Zuständigkeit der Strafkam m er gehören (§ 101), aus den Bezirken mehrerer Landgerichte einer S traskammer zugewiesen, so bilden die zusammengefügten Bezirke im S in n dieser Vorschrift einen Gerichts­ bezirk. Z u Verteidigern vor dem Volksgerichtshof und dem Reichsgericht können Rechtsanwälte aus allen T eilen des Reiches bestellt werden. Daß zum Verteidiger auch ein Rechtsanwalt bestellt werden kann, der bei' einem Gericht des Gerichtssitzes zuge­ lassen ist, ist besonders fü r die großstädtischen V e r­ hältnisse von Bedeutung. S in d in einem Orte mehrere Amtsgerichte oder Landgerichte, so genügt die Zulassung bei einem dieser Gerichte, um bei jedem anderen Gerichte des Ortes bestellt werden zu können. D ie Fassung ermöglicht es auch, daß ein n ur bei einem Landgericht oder Oberlandesgericht zuge­ lassener Rechtsanwalt bei einem an demselben O rt befindlichen Amtsgericht zum Verteidiger bestellt w ird. Es dient der Sache, wenn bei der Ausw ahl des Verteidigers den berechtigten Wünschen des Beschuldigten nach Möglichkeit entsprochen w ird. Besondere Vorsorge fü r den F a ll zu treffen, daß bei einem Amtsgericht, bei dem Rechtsanwälte nicht zugelassen oder die zugelassenen Rechtsanwälte an der Übernahme der Verteidigung behindert sind, ein Verteidiger bestellt werden muß, ist nicht nötig. D ie Vorschrift gestattet es, in derartigen F ällen citiert anderen Rechtsanwalt, etwa einen bei einem benach­ barten Amtsgericht zugelassenen, zum Verteidiger zu bestellen. D e r Abs. 2 b ring t fü r den bestellten Verteidiger die dem § 137 beim gewählten Verteidiger ent­ sprechende Bestimmung m it der Maßgabe, daß die Betrauung eines Assessors im anwaltlichen Probe­ oder Anwärterdienst oder eines Gerichtsreferendars durch den bestellten Rechtsanwalt der Zustimmung des Vorsitzers bedarf. Gerichtsreferendare und Justiz­ beamte können, anders als im bisherigen Recht, nicht mehr u nm ittelbar zu Pflichtverteidigern bestellt werden. § 142 Wegfall

der

Bestellung

D ie Bestellung eines Verteidigers unterbleibt, wenn der Beschuldigte bereits einen Verteidiger hat. Es macht dabei keinen Unterschied, ob der Beschul­

digte selbst oder ein anderer zur W ahl Berechtigter die W ahl getroffen hat. Eine Folge des in Satz 1 ausgesprochenen Gedankens ist es, daß die Bestellung zurückgenommen werden kann, wenn ein anderer Verteidiger gewählt w ird und die Verteidigung übernim nit. Nach bisherigeni Recht muß die Bestellung zurückgenommen werden, wenn ein anderer V e r­ teidiger gewählt w ird und dieser die W ahl annim m t (§ 143 S tP O .). D er E n tw u rf sieht dagegen vor, daß nach der W ahl eines Verteidigers die Bestellung aufrechterhalten werden kann. D ies beruht darauf, daß der Angeklagte in den F ällen der notwendigen Verteidigung nicht in der Lage sein darf, die W ahl eines Verteidigers mißbräuchlich zu dem Zweck v o r­ zunehmen, um durch den sofortigen Wegfall des be­ stellten Verteidigets die Hauptverhandlung zu stören. W ird ein Verteidiger nachträglich gewählt, so kann demnach der bestellte Verteidiger einstweilen die V e r­ teidigung fortführen, bis der gewählte Verteidiger in der Lage ist, ihn abzulösen. Daß der Vorsitzer die Bestellung eines Verteidigers zurücknehmen kann, wenn die Voraussetzungen fü r sie nicht oder nicht mehr vorliegen, ergibt sich aus den Vorschriften über die Bestellung. §

Verteidiger

für

143

mehrere

Beschuldigte

Grundsätzlich darf ein Verteidiger gleichzeitig mehrere Beschuldigte verteidigen. D ie gemeinschaft­ liche Verteidigung ist jedoch unzulässig, wenn sie der Aufgabe der Verteidigung widerstreitet, weil die Interessen der Beschuldigten einander entgegenstehen. D as w ird häufig der F a ll sein, wenn sich etwa ein Beschuldigter aus Kosten der anderen zu entlasten versucht oder einem Beschuldigten vorgeworfen w ird , daß er den anderen verführt habe. Diese Grundsätze gelten gleicherweise für die W ahlverteidigung wie fü r die notwendige V e rte id i­ gung. D er Vorsitzer w ird die Zulässigkeit'der gemein­ schaftlichen Verteidigung von sich aus in der Regel dann prüfen, wenn es sich um einen F a ll der n o t­ wendigen Verteidigung handelt. T r it t dagegen ein gemeinschaftlicher Verteidiger in einem Falle auf, in dem die Verteidigung nicht notwendig ist, so tvird meist die Frage, ob ein Jnteressenwiderstreit vorliegt, zunächst dem Verteidiger und den Beschuldigten zum Austrag überlassen bleiben können. § 144 Ausschließung

des

Verteidigers

D ie S te llu n g des Verteidigers ist m it der des Zeugen oder Sachverständigen int allgemeinen nicht vereinbar. D er Zeuge bekundet Tatsachen, der Sach­ verständige verm ittelt auf G rund seiner Sachkunde Schlußfolgerungen. Wesentliche Ausgab^ des V e r­ teidigers ist es, die Tatsachen und die Schlußfolge­ rungen zu würdigen. Beide Aufgaben kann eine Person meistens nicht gleichzeitig erfüllen, ohne daß die E rfü llu n g der einen oder der anderen Aufgabe beeinträchtigt w ird. Ebenso wäre es der S tellung des Verteidigers abträglich, wenn die Richtigkeit seiner Aussage oder seines Gutachtens in Zw eifel gezogen würde. § 144 schließt daher — ähnlich der Regelung der §§ 132, 121 N r. 5 — den Zeugen oder

Sachverständigen als weiteren Verteidiger oder als Vertreter eines Beteiligten in der Hauptverhandlung über dieselbe Sache aus. Die Ausschließung des Ver­ teidigers setzt voraus, daß er in der Hauptverhand­ lung als Zeuge vernommen oder als Sachverständiger gehört worden ist. Die Vernehmung des.Verteidi­ gers führt aber — anders als beim S taatsanw alt — nicht zur Ausschließung, wenn die Aussage oder das Gutachten unerheblich oder von untergeordneter Be­ deutung war. I n diesen Fällen wird bei der Ver­ einigung der Pflichten des Zeugen oder Sachverstän­ digen mit denen des Verteidigers ein Widerstreit nicht zu besorgen sein. Ob die Aussage oder das Gutachten von untergeordneter Bedeutung ist oder nicht, ent­ scheidet der Vorsitzer. Der als Zeuge oder als Sach­ verständiger Vernommene ist unter denselben Vor­ aussetzungen auch als Vertreter eines Beteiligten (vgl. § 298 Nr. 3) ausgeschlossen. Auch bei der Frage, inwieweit der Verteidiger durch die Vernehmung an der weiteren Tätigkeit in der Sache behindert ist, mildert der Entwurf die für den Staatsanw alt geltende entsprechende Vorschrift. Der als Zeuge oder Sachverständige tätig gewordene Verteidiger ist nicht schlechthin von jeder weiteren Tätigkeit in der Sache ausgeschlossen. E r wird nur für die Hauptverhandlung als Verteidiger oder Ver­ treter eines Beteiligten ausgeschaltet. Jede andere Tätigkeit in der Sache, insbesondere die Beratung des Beschuldigten und die Stellung schriftlicher An­ träge, wird ihm durch den § 144 nicht verwehrt.

§ 145 Ver kehr mi t dem V e r h a f t e t e n Die grundsätzliche Stellung des Entwurfs hin­ sichtlich des Rechts des Verteidigers zum Verkehr mit dem Verhafteten ist bereits in der Einleitung dieses Abschnitts dargelegt. Abs. 1 stellt den Grundsatz des unbeschränkten mündlichen und schriftlichen Verkehrs zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten auf. E r bestimmt, daß der „nicht auf freiem Fuß" befindliche Beschul­ digte mit dem Verteidiger frei verkehren kann. Es macht somit keinen Unterschied, ob die Freiheits­ entziehung auf einem Haftbefehl oder auf einer vor­ läufigen Festnahme beruht, ob sie vom Staatsanw alt oder der Polizei angeordnet worden ist und ob es sich um eine Freiheitsentziehung im Strafverfahren oder bei der Vollstreckung von Strafen oder sichern­ den Maßregeln oder um andere Arten behördlicher Verwahrung handelt. Abs. 1 läßt die durch die Ord­ nung der Gefangenenanstalt bedingten Beschränkun­ gen in Geltung. D er Verteidiger muß z. B. etwaige Vorschriften für die Besuchszeiten der Gefangenen einhalten. I m Vorverfahren ist es nicht möglich, von Be­ schränkungen des schriftlichen und mündlichen Ver­ kehrs des Beschuldigten mit dem Verteidiger ganz abzusehen. Ein Bedürfnis zur Beschränkung des Verkehrs besteht jedoch nur bis zum Abschluß der Ermittlungen (§ 13). Von diesem Augenblick an ist der Verkehr zwischen dem Verteidiger und dem Be­ schuldigten aus den Gründen, die bei § 13 dargelegt sind, unbeschränkbar. Da in den Fällen der notwen­ digen Verteidigung der Verteidiger spätestens beim

Abschluß der Ermittlungen bestellt werden muß, kann er mit dem Beschuldigten sogleich unbeschränkt in Verbindung treten. Gegenüber dem geltenden Recht, das Beschränkungen des Verkehrs zwischen dem B e­ schuldigten und dem Verteidiger bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens zuläßt (§ 148 Abs. 2 S tP O .), sind die Rechte des Verteidigers somit beachtlich er­ weitert worden. Die Überwachung des Verkehrs ob­ liegt dem Staatsanw alt. Die Einschaltung des Richters wäre unzweckmäßig, da der S taatsanw alt allein bis zum Abschluß der Ermittlungen die Akten und die Ziele der Ermittlungen kennt und daraus die entsprechenden Folgerungen für den Verkehr des Beschuldigten ziehen kann. Die Beschränkung des Verkehrs zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten ist nur zulässig, wenn die Freiheitsentziehung wegen Verdunkelungs­ gefahr gerechtfertigt ist. Hat die Freiheitsentziehung einen anderen Grund, so sind Beschränkungen des schriftlichen und mündlichen Verkehrs nicht gerecht­ fertigt. Maßgebend für die Fraae, ob Verdunkelungs­ gefahr vorliegt, ist nicht die Lage beim E rlaß des Haftbefehls. Es kommt auf die Lage an, die zur Zeit des Verkehrs zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten besteht. Die Beschränkungen, die der Staatsanw alt unter diesen Voraussetzungen für den Verkehr des . B e­ schuldigten auferlegen kann, entsprechen im wesent­ lichen denen des bisherigen Rechts. Der S ta a ts ­ anwalt kann anordnen, daß der Beschuldigte mit dem Verteidiger nur in feiner Gegenwart spricht. E r kann die Beaufsichtigung nicht einem Gerichts­ referendar oder einem Strafanstaltsbeamten über­ tragen. Der Staatsanw alt kann ferner anordnen, daß ihm schriftliche Mitteilungen — des Beschuldigten an den Verteidiger oder dieses an jenen — vor der Weitergabe vorgelegt werden. § 146 Akteneinsicht D as bisherige Recht gewährt dem Verteidiger nur ein Recht aus Einsicht in die gerichtlichen Unter­ suchungsakten, nicht in die Akten des Vorverfahrens, solange sie sich beim S taatsanw alt befinden. Der Entwurf stellt dagegen in § 146 als Regel auf, daß der Verteidiger die Akten, die dem Gericht vorgelegt werden sollen oder vorliegen, einsehen darf. E r geht da­ von aus, daß der Verteidiger ohne Kenntnis der Akten weder den Beschuldigten sachgemäß verteidigen noch zur Erforschung der Wahrheit beitragen kann. Der Akteneinsicht wird die Besichtigung der amtlich ver­ wahrten Beweisstücke gleichgestellt. D er Entwurf ge­ stattet die Einsicht in die Akten und die Besichtigung der Beweisstücke demnach grundsätzlich während des Vorverfahrens; die Gründe dafür sind bei § 13 dar­ gelegt. E r dehnt das Recht des Verteidigers auf E in­ sicht auf alle Akten aus, „die dem Gericht vorgelegt werden sollen oder vorliegen". Hieraus folgt zunächst die Befugnis des Verteidigers zur Einsicht in die Akten des Vorverfahrens, in denen die Erm ittlungs­ ergebnisse niedergelegt sind. Dasselbe gilt auch für die vom S taatsanw alt herbeigezogenen Beiakten, also insbesondere für Vorstrafen, Zivilprozeßakten, P e r­ sonalakten ufro., soweit er sie dem Gericht vorzulegen G

beabsichtigt. Ebenso kann der Verteidiger die vom Gericht selbst herbeigezogenen Beiakten einsehen. Die Fassung stellt weiter klar, daß, wie bisher, keine Ein­ sicht in die Handakten des Staatsanw alts und in solche Akten, die der S taatsanw alt herbeigezogen hat, die er aber nicht dem Gericht vorlegen will, gewährt zu werden braucht. Ferner folgt aus ihr, daß der S ta a ts­ anwalt in Akten anderer Behörden und stellen, die ihm nur zum vertraulichen Gebrauch überlassen sind und die daher nicht zum Gegenstand der Verhandlung vor dem Gericht gemacht werden können, dem Ver­ teidiger keine Einsicht gewähren darf. Unter Um­ ständen werden jedoch S taatsanw alt und Gericht auf Grund ihrer Pflicht zur Wahrheitsermittlung durch Vorstellungen bei der zuständigen Behörde oder durch Beschwerde bei der vorgesetzten Dienststelle darauf hinwirken, daß die Zustimmung zur Akteneinsicht durch den Verteidiger erteilt wird. Die Ausweitungen des Rechts des Verteidigers auf Akteneinsicht können im Vorverfahren zu Unzu­ träglichkeiten führen. Abs. 2 Satz 1 gibt daher beut S taatsanw alt die Befugnis, dem Verteidiger bis zun: Abschluß der Ermittlungen die Akteneinsicht und die Besichtigung der amtlich verwahrten Beweisstücke zu versagen, wenn sonst der Zweck des Verfahrens ge­ fährdet würde. Die Vorschrift ergibt sich daraus, daß sich in besonders gelagerten Fällen die Verteidigung vorübergehend den Notwendigkeiten der Sachauf­ klärung anpassen muß. D as Versagungsrecht des S taatsanw alts entfällt mit dem Abschluß der E r­ mittlungen. Der Abs. 2 Satz 2 gibt dem Verteidiger das Recht, Niederschriften über die Aussagen des Be­ schuldigten, über Untersuchungshandlungen, bei denen der Verteidiger anwesend sein darf, und Gut­ achten Sachverständiger in jeder Lage des Verfahrens einzusehen. Die Vorschrift ergibt sich aus dem Ge­ danken, daß der Verteidiger grundsätzlich mit dem Beschuldigten frei verkehren und auch im Vorver­ fahren an einzelnen Beweiserhebungen teilnehmen kann. Welche Untersuchungshandlungen in Betracht kommen, regeln die §§ 10, 11 und 47. Diese Rege­ lung entspricht dem bisherigen Recht (§ 147 Abs. 3 - S tP O .). Darüber, an welchem O rt und für welche Zeit die Akten zur Einsichtnahme zur Verfügung gehalten oder zur Einsicht überlassen werden, entscheidet der Staatsanw alt oder der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen. Die Akteneinsicht durch einen anderen als den Verteidiger, durch Behörden und Dienststellen und die Regelung der Einsicht in Akten rechtskräftig abgeschlossener Verfahren ist näheren Vorschriften der Justizverwaltung überlassen.

dartun. Is t der Verteidiger von einem anderen als dem Beschuldigten gewählt (§ 136 Abs. 2), so kann auch verlangt werden, daß dieser sein Recht zur Wahl des Verteidigers nachweist. über den Nachweis der Befugnis anderer P e r­ sonen, die in einem Strafverfahren fremde An­ gelegenheiten wahrnehmen (z. B. §§ 152, 301, 366 Abs. 2, 398), enthält der Entwurf keine besondere Vorschrift. Bei ihnen wird «ber in § 147 ausge­ sprochene Gedanke entsprechend anzuwenden sein.

§ 148 Zuständigkeit Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit für die im Abschnitt über den Verteidiger vorgesehenen Ver­ fügungen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, über­ trägt sie sämtliche Entscheidungen dem Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren anhängig ist. S o ­ lange ein Verfahren bei Gericht noch nicht anhängig ist, entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, das für das Hauptverfahren zuständig wäre. Die Entscheidungen, die der Entwurf für das Vorverfahren damit bent Vorsitzer überträgt, beziehen sich im wesentlichen auf die Bestellung des Verteidigers und die damit zu­ sammenhängenden Fragen. Die Fälle, in denen dem S taatsanw alt Entschei­ dungen übertragen sind, ergeben sich aus den §§ 145 Abs. 2, 146 Abs. 2 Satz 1. Die Gründe für die Übertragung dieser Entscheidungen auf beit S taatsanw alt sind oben dargelegt. D ritter Abschnitt Der Beschuldigte

§ 147

Der Abschnitt handelt nicht von der Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren überhaupt, von seinen Pflichten und Rechten, seiner Stellung zum Richter, zum Staatsanw alt und Verteidiger; es wäre unmöglich, diese Fragen in einem einzelnen Ab­ schnitt zusammenzufassen. An dieser Stelle des E nt­ wurfs sind im wesentlichen nur die Bestimmungen eingestellt, die für das Vorverfahren und das Haupt­ verfahren in gleicher Weise gelten und daher in den gemeinsamen Verfahrensvorschriften ihren richtigen Platz finden. S ie betreffen die Pflicht zum Erscheinen, die Vorführung und die Vernehmung des Beschul­ digten. Ferner ist die im bisherigen Recht im Ab­ schnitt über die Verteidigung enthaltene Vorschrift über die Beistände hierher übernommen, um den wesentlichen Unterschied zwischen der Stellung eines Verteidigers und der eines Beistandes schon äußerlich zum Ausdruck zu bringen.

B e f u g n i s zur Ve r t e i d i g u n g Die Befugnis zur Verteidigung wird nur auf Verlangen nachgewiesen. Die Anforderungen an Form und Umfang des Nachweises sind dem Ermessen des Vorsitzers oder S taatsanw alts überlassen. Ist ein Verteidiger bestellt, so genügt, daß er die M it­ teilung darüber vorweist. Ebenso wird der gewählte Verteidiger eine Vollmacht vorlegen oder in sonst geeigneter Weise seine Befugnis zur Verteidigung

Pf l i c h t z um Er schei net : § 149 gibt den Strafverfolgungsbehörden die M ittel an d:e Hand, die sie zur Erfüllung ihrer Auf­ gaben benötigen. Die Gründe dafür, die Pflicht zum Erscheine:: auch vor dem S taatsanw alt und der Polizei einzuführen, sind in der Vorbemerkung vor § 1 mtb bei § 8 dargelegt. Entscheidend ist hierbei

§ 149

bor allem, daß sich der Zweck der Vernehmung des Beschuldigten gegenüber dem bisherigen Recht ge­ wandelt hat. Nach der Strafprozeßordnung dient die Vernehmung des Beschuldigten in erster Linie seiner Verteidigung (§ 136 Abs. 2 S tP O .). Der Ent­ wurf sieht das Ziel der Vernehmung in der Erm itt­ lung der Wahrheil, ohne daß die Vernehmung als ein M ittel zur Verteidigung des Beschuldigten in den Hintergrund treten soll. D araus folgt, daß es dem Beschuldigten nicht mehr freigestellt bleiben kann, ob er zur Vernehmung vor dem Staatsanw alt oder der Polizei erscheinen will oder nicht. Abs. 1 Satz 2 behandelt die Form der Ladung. Der Entwurf stellt die Ladung aus Zweckmäßigkeits­ erwägungen von Formerfordernissen möglichst frei. Sie kann schriftlich, aber auch fernmündlich ergehen und braucht außer der Mitteilung der Zeit und des O rtes keine weiteren Angaben zu enthalten. Schrift­ liche Ladung und schriftliche Androhung der Vorsühnm q sind jedoch Voraussetzung für die Anordnung der Vorführung (§ 150). Abs. 2 gestattet dem Richter, dem Staatsanw alt oder der Polizei, den Beschuldigten zu verpflichten, jeden Wechsel seiner Wohnung oder seines Aufent­ haltsortes anzuzeigen. Diese Vorschrift dient der Beschleunigung des Vorverfahrens, indem sie zeit­ raubende Ermittlungen nach dem Aufenthalt des Beschuldigten entbehrlich macht; sie soll ferner eine gewisse Aussicht über den Beschuldigten ermöglichen, ohne daß sofort die tiefer einschneidenden M ittel der Untersuchungshaft oder der in § 207 genannten Maßnahmen ergriffen werden. Handelt der Be­ schuldigte der Auflage zuwider, so wird Anlaß sein, zu prüfen, ob die Verhaftung oder Maßnahmen zur Vermeidung des Haftvollzugs (§ 207) erforderlich sind. F ü r die Pflicht des Angeklagten zum Erscheinen in der Hauptverhandlung enthalten die §§ 53 ff., 328, 339, 398 besondere Vorschriften. § 150

V o r f ü h r u n g des Bes chul di gt en Der Abs. 1 behandelt die Vorführung, die ange­ ordnet wird, weil der Beschuldigte auf die Ladung ausgeblieben ist, der Abs. 2 die Vorführung ohne vor­ gängige Ladung. Die Vorführung nach einer Ladung setzt auch künftig voraus, daß der Beschuldigte unentschuldigt ausbleibt, obwohl er auf die Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist. Eine Neuerung bringt der Entwurf insoweit, als er nicht nur dem Richter, sondern auch dem Staatsanw alt und der Polizei das Recht zur Vorführung des Be­ schuldigten gibt. Diese Neuerung folgt daraus, daß der Beschuldigte auch vor diesen Stellen erscheinen muß (§ 149). F ü r alle drei Stellen gelten dieselben Voraussetzungen für die Vorführung. Die sofortige Vorführung können der Richter, der S taatsanw alt und die Polizei auch ohne vorherige Ladung des Beschuldigten anordnen, wenn Gründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls oder die vorläufige Festnahme rechtfertigen würden (§§ 201,

217). Die Vorführung ist in diesen Fällen das weniger einschneidende Zwangsmittel. Abs. 3 bestimmt für die Vorführung vor den Richter, den Staatsanw alt und die Polizei in gleicher Weise, daß der Vorgeführte spätestens am Tage nach der Vorführung zu vernehmen ist. Die Vorschrift ent­ spricht einem Bedürfnis, das auch bei der Verhaftung und der vorläufigen Festnahme anerkannt ist.

§ 151 Vorführungsbefehl Der Abs. 1 erfordert für den Vorführungsbefehl die Schriftsorm. Der Beschuldigte wird darin so genau bezeichnet, daß eine Verwechslung ausge­ schlossen ist. Der Grund der Vorführung soll im Vor­ führungsbefehl angegeben werden, wenn dadurch der Zweck des Verfahrens nicht gefährdet wird. Ein Anlaß dazu, von der Angabe des Grundes der Vorführung abzusehen, wird insbesondere gegeben sein, wenn der Beschuldigte ohne vorherige Ladung vorgeführt wird und dem Vernehmenden unvorbereitet gegenüber­ treten soll. Abs. 3 soll sicherstellen, daß der Beschul­ digte von dem Vorführungsbefehl Kenntnis erhält. Die Vorschriften gelten, wie sich aus der Stellung des Abschnitts ergibt, nicht nur im Vorverfahren, sondern auch für die Vorführung eines Angeklagten zur Hauptverhandlung.

§ 152 V e r n e h m u n g des Bes chul di gt e n D as bisherige Recht sieht in der Vernehmung des Beschuldigten in erster Linie ein M ittel zu seiner Verteidigung. S ie stellt es deshalb dem Beschuldigten frei, ob er sich äußern oder schweigen, ob er die Wahrheit oder Unwahrheit sagen will. Der Entwurf sieht zwar gleichfalls davon ab, den sittlichen Grund­ satz der Aussage- und Wahrheitspflicht zu einer gesetz­ lichen Forderung an den Beschuldigten zu erheben. Er betrachtet die Vernehmung als ein Mittel zur Erforschung der Wahrheit und damit zur Durch­ setzung der sachlichen Gerechtigkeit. Diese veränderte Zielsetzung muß künftig bei der Vernehmung des Beschuldigten richtungweisend sein. D araus folgt nun nicht, daß die vernehmende Stelle mit irgendwelchen Zwangsmitteln aus eine Erklärung oder gar ein Geständnis des Beschuldigten hinwirken dürfe. D as ergibt sich schon aus § 332 S tG B ., der die Anwendung von Zwangsmitteln zu dem Zweck, eine Aussage zu erpressen oder zu ver­ hindern, mit Strafe bedroht. Dagegen soll der Ver­ nehmende den Beschuldigten zur Aussage und zur Wahrheit ermahnen. Der Entwurf sieht davon ab, Methode und Technik der Vernehmung im einzelnen zu regeln. Die Kunst der Vernehmung kann nicht durch ins einzelne gehende Vorschriften vermittelt werden, sie ist vor­ wiegend abhängig von der Fähigkeit zur Beurteilung und Behandlung von Menschen. D er Entwurf be­ schränkt sich daher darauf, den In h a lt der Verneh­ mung zu bestimmen. Die Vorschrift ist bei jeder Vernehmung des Beschuldigten zu beachten, gleich­ viel, ob der Richter, der S taatsanw alt oder die 6*

P olizei sie vornim m t. S ie g ilt insbesondere auch für die Vernehmung des Beschuldigten im Vorverfahren (§ 12), aber auch fü r die Vernehmung in der Haupt­ verhandlung (§ 59 Abs. 3). B e i der Vernehmung w er­ den zunächst die persönlichen Verhältniße des Beschul­ digten festgestellt. Eine Verpflichtung des Beschuldigten zur Aussage besteht n u r insoweit, als die Fragen die Feststellung seiner Person betreffen (vgl. § E. d. Ordnungsstrafgesetzbuchs). D ie T a t, die dem Beschul­ digten zur Last gelegt w ird , w ird ihm wie nach dem bisherigen Recht m itgeteilt, ebenso die Umstände und die Beweise, die gegen ihn sprechen. D er E n tw u rf schreibt aber nicht vor, daß dies dem Beschuldigten bei Beginn der ersten Vernehmung m itzuteilen ist. D ie M itte ilu n g erfolgt, sobald und soweit sie nach dem Ermessen des vernehmenden Beamten m it dem Zweck der Vernehmung vereinbar ist. P flicht des V e r­ nehmenden ist es ferner, dem Beschuldigten Gelegen­ heit zur W iderlegung von Verdachtsgründen, zur Geltendmachung von Tatsachen, die zu seinen Gunsten sprechen, und zur Benennung von Bew eism itteln für seine Angaben zu geben. Daß der Beschuldigte zu veranlassen ist, sich zusammenhängend zu erklären, ist selbstverständlich. § 153

Bei st ände Während die Strafprozeßordnung an erster Stelle n u r den gesetzlichen Vertreter des Angeschuldigten als Beistand ausführt, läßt der E n tw u rf als Beistand den gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten und beit In h a b e r des Sorgerechts fü r die Person des B e­ schuldigten zu. E r geht dabei davon aus, daß die Unterstützung, die der Beistand dem Beschuldigten angedeihen läßt, eng m it der Ausübung der Personen­ sorge zusammenhängt. I n den Fällen, in denen neben dem V ater der M u tte r die Sorge fü r die Person des Kindes obliegt, w ird sie als Beistand n u r zugelassert, wenn der V a te r dieses Recht nicht ausübt (vgl. § 298). Daneben erwähnt der E n tw u rf als B e i­ stand noch den Ehemann einer Beschuldigten. Dieser ist aber, anders als im bisherigen Recht, n u r m it Zustimmung der beschuldigten Ehefrau zuzulassen, da es nach den Beziehungen der Ehegatten zuein­ ander unter Umständen der Ehefrau unerwünscht sein kann, den Ehemann als Beistand zu haben. Diese Beistände sind vom Abschluß der E rm ittlun g e n (§ 13) an zuzulassen. D e r Beistand kann demnach schon vor­ der Erhebung der Anklage tätig werden. Abs. 1 Satz 4 regelt die Frage der Zulassung anderer Personen als Beistand. Es steht im V o rve r­ fahren im Ermessen des S taatsanw alts, im Hauptversahren tut Ermessen des Vorsitzers, ob sie auch andere Personen als Beistand zulassen wollen. Diese Rege­ lung sichert dem Beschuldigten in allen F ällen eine angemessene Wahrnehtnung seiner Interessen. Abs. 2 gestattet, daß Beistände auch schon vor dem Abschluß der E rm ittlun g e n zugelassen werden. D ie Befugnisse des Beistandes regelt der E n tw u rf dahin, daß er auf sein Verlangen gehört w ird . D er Beistand kann also wie nach bisherigem Recht T a t­ sächliches und Rechtliches zugunsten des Beschuldigten vorbringen und dessen Angaben ergänzen und er­ läutern. E r kann Anregungen aller A r t geben, hat

aber kein Recht, die versahrensrechtlichen Befugnisse des Beschuldigten oder eines Verteidigers auszuüben. Den als Beistand hauptsächlich in Betracht kommen­ den Personen werden O rt und Z e it der Hauptverhandlung m itgeteilt (§ 49 Abs. 1). — I m übrigen sind die Rechte des gesetzlichen Vertreters, des I n ­ habers des Rechts zur Sorge fü r die Persott des Beschuldigten und des Ehemannes einer Beschuldigten an anderen Stellen des E n tw u rfs geregelt (zu vgl. §§ 49 Abs. 1; 136 Abs. 2; 267 Abs. 2, 3; 301 Abs. 1, 2; 394 Abs. 3; 413 Abs. 3; 437). I n t Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten in Hoch- und Landesverrats­ sachen g ilt fü r die Beistände die Sondervorschrift des § 262,

Zweites Hauptstück

M ittel der Wahrheitsersorschung Erster Abschnitt Zeugen

T e r E n tw u rf hebt als M itte l der Wahrheitserforschung die Zeugen, die Sachverständigett und den Augenschein besonders hervor. D ie ausdrück­ liche Anführung dieser Bew eism ittel bedeutet aber keine Beschränkung auf sie. D er E n tw u rf w ird von dem Grundsatz der B ew eism ittelfreiheit beherrscht. A lle M itte l, die zur Erforschung der W ahrheit und dam it zur Erzielung eines gerechten U rte ils tauglich sind, sind zulässig, auch wenn sie sich tticht in eines der im E n tw u rf ausdrücklich genannten Beweis­ m itte l einordnen lassen. Uber die Verwertung von Urkunden in der Hauptverhandlung enthalten die §§ 66 Abs. 3, 67 bis 72 besondere Vorschriften. D as praktisch wichtigste B ew eism ittel ist die Zeugenaussage. B e i ihrer gesetzlichen Regelung muß auf der einen Seite die Abneigung des Zeugen, vor Gericht zu erscheinen und auszusagen, überwunden und die Möglichkeit vorgesehen werden, die E rfüllung der oft unbequemen Zeugnispflicht durch Zwangs­ maßnahmen sicherzustellen. A u f der anderen Seite muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß Umstände vorliegen können, die eine so starke untere Beteiligung des Zeugen an seiner Aussage hervor­ rufen, daß m it inneren Konflikten des Zeugen und m it einer Beeinträchtigung der W ahrheit der A u s ­ sage gerechnet werden muß. D as Gesetz muß klar­ stellen, wann im Falle eines solchen Konfliktes eilte Verweigerung der Aussage zugelassen und auf die Erzwingung der Aussage oder wenigstens atts die V e r­ eidigung der Zeugen verzichtet werden kann. Auch sonst kann der W ert der Zeitgenaitssage beeinträchtigt wer­ den. Gedächtnisfehler, Äuffassungsschwäche, Gleichgül­ tigkeit sind M ängel, denen das Gesetz nach Möglichkeit begegnen muß. D er E n tw u rf stellt dem Richter das M itte l des Eides zur Verfügung. D ie Frage, in welchem Umfang der Richter vom E id Gebrauch machen soll, bedarf einer besonders sorgfältigen ge­ setzlichen Regelung. D er E n tw u rf regelt die Vernehntung von Zeugen tut gesamten Bereich der S tra fve rfo lg u n g, gleichviel, ob es sich mit Vernehmungen durch den Richter, den

S ta a ts a n w a lt oder die Polizei handelt. D aß ab­ weichend vom geltenden Recht auch die Vernehmung durch den S ta a tsa n w a lt den Vorschriften über die Zeugen unterw orfen werden muß, folgt aus der Stellung, die der E ntw urf dem S ta a tsa n w a lt als Untersuchungsführer des V orverfahrens zuweist. Aber auch die polizeiliche V ernehm ung von Zeugen in einem S trafverfahren bedarf der Regelung, da der E ntw urf, wie zu § 8 dargelegt ist, allgemein die polizeiliche Tätigkeit in einem S trafverfahren seinen Vorschriften unterw irft. D aher erstreckt der Entw urf die G eltung der. Zeugenvorschriften in den §§ 154, 188 auch aus die Vernehm ung von Zeugen durch die Polizei. Diese Bestimmungen ergreifen die polizei­ liche Vernehmung aber n u r im Bereich eines S tr a f ­ verfahrens. S ie gelten nicht für solche polizeiliche Vernehmungen, die außerhalb eines S trafverfahrens vorgenommen werden, also nicht durch die Verfolgung einer bestimmten S tra fta t veranlaßt sind. § 154

Zeugnispflicht D er E ntw urf bringt zunächst eine Vorschrift, die die Pflichten des Zeugen aufzählt und klarstellt, wer die Erfüllung dieser Pflichten verlangen kann. Aus den in der E inleitung dargelegten G ründen erstreckt der E ntw urf seine Vorschriften über die Zeugen über die gerichtliche Vernehm ung hinaus auf die V er­ nehmung durch den S ta a ts a n w a lt und im Rahm en des § 188 auch auf die Vernehm ung durch die Polizei. Demzufolge spricht der § 154 aus, daß die Pflichten des Zeugen auch gegenüber dem S ta a tsa n w a lt und der Polizei zu erfüllen sind. D ie Vorschrift stellt ferner fest, daß nicht nur jeder deutsche Staatsangehörige, sondern auch der A us­ länder, der sich im I n la n d aufhält, die Z eugnis­ pflichten zu erfüllen hat. U nter A usländern versteht der E ntw urf ebenso wie das Strafgesetzbuch sowohl fremde S taatsangehörige a ls auch Staatenlose. Die Sonderstellung der E xterritorialen wird durch die Vorschriften nicht berührt. Niem and ist aus persönlichen G ründen unfähig, Zeuge gn sein; auch das Kind, der Geisteskranke sowie derjenige, der aus Lebenszeit für eidesuntaug­ lich erklärt ist (§ 379 S tG B .), können a ls Zeugen vernommen werden. D er Zeuge ist verpflichtet, zu erscheinen. D arin liegt die Pflicht, sich an dem O rt einzufinden, der in der Ladung angegeben ist, sowie dort zu bleiben, bis der Zeuge entlassen wird. D ie Vorschrift verpflichtet ihn ferner, w ahrheitsgem äß auszusagen, gleichviel ob er unter Eid oder unvereidigt vernommen w ird und ob er gegenüber dem Richter oder gegen­ über dem S ta a tsa n w a lt oder der Polizei aussagt. W enn das Gesetz ausnahm sweise in einzelnen F ällen dem Zeugen das Recht gibt, die Aussage zu ver­ weigern, so wird dadurch die Pflicht zur w ahrheits­ gemäßen Aussage nicht berührt. Macht der Zeuge von seinem Aussageverweigerungsrecht keinen Gebrauch, so muß er die W ahrheit sagen. Uber die Pflicht w ahr­ heitsgemäß auszusagen, w ird jeder Zeuge gemäß § 168 Abs. 2 belehrt. D ie Pflicht des Zeugen zur Leistung des Eides ist in § 172 ausgesprochen.

§ 155

Ladung D er E ntw urf verzichtet, wie das geltende Recht, auf Formvorschriften für die Ladung von Zeugen. D ie Ladung kann also schriftlich, mündlich, drahtlich, durch Fernsprecher oder auf eine sonst geeignete Weise, z. B. Rundfunk, erfolgen. Die mündliche Ladung durch den Vorsitzer kommt insbesondere bei einer V er­ tagung oder einer Aussetzung der V erhandlung in Frage. Bei der Ladung braucht der Zeuge an sich auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens nicht hin­ gewiesen zu werden. Nach § 183 ist jedoch V o rau s­ setzung für die Zwangsm aßnahm en, daß dieser H in­ weis in der Ladung erfolgt ist. S o ld aten werden nicht unm ittelbar, sondern durch Ersuchen der vorgesetzten Dienststelle geladen. S o ld a ­ ten sind die im aktiven Wehrdienst stehenden Offiziere, Unteroffiziere und M annschaften (§ 21 Abs. 2 des Wehrgesetzes vom 21. M ai 1935 — R G B l. I S . 609 — ), ferner nach § 296 die Angehörigen der ^-V erfügungstruppe, der ^-Totenkopfverbände und der S A .-S ta n d a rte „Feldherrnhalle". Die W ehr­ machtsbeamten (§ 21 Abs. 1 des Wehrgesetzes) da­ gegen werden unm ittelbar geladen. D en S oldaten sind die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes gleich­ gestellt. W er vorgesetzte. Dienststelle ist, wird durch Erlasse der zuständigen Stellen klargestellt werden. Einschränkungen der Zeugnispflicht D ie §§ 156 bis 165 enthalten Einschränkungen der Zeugnispflicht. Diese Einschränkungen gehen in verschiedener Richtung: § 156 träg t der Stellung des F ü h rers und Reichs­ kanzlers als S taatsoberhaupt Rechnung. § 157 be­ freit die Reichsminister, die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile, die Reichsstatthalter, die Vorsitzen­ den und M itglieder einer Landesregierung von V er­ nehmungen, die nicht an ihrem Amtssitz oder ihrem A ufenthaltsort erfolgen. D ie §§ 158, 159 und 160 knüpfen die Vernehmung von A m tsträgern des S ta a te s, von A m tsträgern und Angehörigen der P a rte i und ihrer Gliederungen sowie von S oldaten und ihnen gleichstehenden Personen unter näher be­ zeichneten Voraussetzungen daran, daß die vorgesetzte Dienststelle der Vernehmung zustimmt. § 162 gibt den Angehörigen bestimmter Berufe das Recht der Verweigerung des Zeugnisses. § 163 stellt die Geist­ lichen zum Schutz der Seelsorge in bestimmten Grenzen von der Verpflichtung zur Aussage frei. § 164 gewährt den Angehörigen des Beschuldigten ein Zeugnisverweigerungsrecht. § 165 gibt dem Zeugen das Recht, die Auskunft auf F ragen zu ver­ weigern, durch deren B eantw ortung er sich selbst oder einen seiner Angehörigen der G efahr der S tra fv e r­ folgung aussetzen würde. I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken: § 156

Z e u g n i s des F ü h r e r s und Re i c hs ­ kanzlers D er F ührer und Reichskanzler kann den Zeugen­ pflichten nicht unterworfen sein. S ein er Stellung als

Staatsoberhaupt entspricht es, daß er selbst bestimmt, ob und wie er sich äußern w ill, falls sein Zeugnis in Frage kommt. D a s g ilt insbesondere auch fü r die Frage, ob er seine Aussage m it einem Eid bekräftigen w ill. I m Falle einer mündlichen Vernehmung haben weder der S ta a ts a n w a lt noch die Beteiligten ein Recht aus Anwesenheit oder aus S tellung von Fragen. D ie Äußerung des F ührers und Reichskanzlers w ird in der Hauptverhandlung verlesen. D ie in § 156 vorgesehene Regelung ist eine A u s­ w irkung der S te llu n g des Führers und Reichskanzlers als Staatsoberhaupt. D ie Entscheidung des Führers und Reichskanzlers, ob und wie er sich äußern w ill, ist daher durch den Staatsm inister und Chef der Präsidialkanzlei des F ührers und Reichskanzlers ein­ zuholen. D er A n tra g w ird durch V e rm ittlu n g des Reichsministers der Justiz bei der Präsidialkanzlei eingereicht. §

157

Zeugnis der Regierungs Mitglieder, der O b e r b e f e h l s h a b e r und der Reichs­ statthalter D ie Vorschrift entspricht im wesentlichen dem bisherigen Recht (§ 50 S tP O , m it den Änderungen durch das Beamtengesetz vom 26. Ja n u a r 1937 — R G B l. I S . 39 — ). S ie übernimmt sachlich die Regelung des Beamtengesetzes (§§ 159, 177). Den Reichsministern sind die Oberbefehlshaber der W ehr­ machtteile gleichgestellt. F ü r die M itg lie d e r des Reichstags und eines S ta a ts ra ts sind keine Sondervorschriften vorgesehen, da dafür kein B e d ü rfn is mehr besteht. B e i der richterlichen Vernehmung ist das in den §§ 10 Abs. 3, 47 vorgeschriebene Verfahren zu be­ achten; die Aussage des Vernommenen w ird in der Hauptverhandlung verlesen, vorausgesetzt, daß diesen Vorschriften entsprochen ist.

§ 158 Z e u g n i s v o n A m t s t r ä g e r n des S t a a t e s D ie Vorschrift entspricht hinsichtlich der Beamten dem § 8 des Beamtengesetzes vom 26. 1. 1937 (R G B l. I S . 39). Diese Vorschrift ist aber auf alle A m tsträger des Staates erweitert, auch wenn sie nicht Beamte oder solche Ehrenbeamte sind, fü r die nach § 149 des Beamtengesetzes dessen Vorschriften gelten. A m tsträger des Staates sind nach § 295 N r. 1 entsprechend dem Sprachgebrauch des S tr a f­ gesetzbuchs (§ 87 N r. 1) die Beamten und diejenigen, die, ohne Beamte zu sein, dazu bestellt sind, obrig­ keitliche Aufgaben wahrzunehmen. D ie Vernehmung von Am tsträgern und früheren A m tsträgern des Staates läßt der E n tw u rf n u r unter Einschränkungen j u . S ie dürfen über Tatsachen, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht, als Zeugen n u r m it Genehmigung vernommen werden. D ie Genehmigung e rte ilt der Dienstvorgesetzte des A m ts ­ trägers, bei früheren Am tsträgern des Staates sein letzter Dienstvorgesetzter. Dienstvorgesetzter eines Beamten ist nach § 2 Abs. 5 des Beamtengesetzes, wer fü r beamtenrechtliche Entscheidungen über die per­ sönlichen Angelegenheiten des Beamten zuständig ist.

§ 158 enthält gegenüber dem bisherigen Recht eine Erweiterung, indem er auch die Personen, die, ohne A m tsträger zu fein, als Angestellte für eine Dienst­ stelle des Staates tä tig sind oder gewesen sind, sowie die Personen, die zur Sicherung der Landesvertei­ digung oder sonst zur W ahrung öffentlicher Belange durch eine Dienststelle des Staates oder in deren A u ftra g zur Verschwiegenheit verpflichtet worden sind, einbezieht. Dadurch w ird erreicht, daß Ange­ stellte, die keine obrigkeitlichen Aufgaben zu erfüllen haben, die aber durch ihre berufliche Tätigkeit geheim­ zuhaltende Tatsachen erfahren, der Genehmigung zur Aussage ebenso bedürfen wie die Am tsträger. Ebenso w ird von einer Genehmigung auch die Aussage über solche im öffentlichen Interesse liegende Geheimnisse abhängig gemacht, die Arbeiter oder Angestellte er­ fahren, die m it Arbeiten zur Sicherung der Landes­ verteidigung (z. B. in Rüstungsbetrieben) betraut sind oder die sonstige wichtige öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben (z. B . in den Dienststellen der Reichsstelle fü r Raumordnung). Welche Tatsachen geheimhaltungsbedürftig sind, ergibt sich aus dem Beamtenrecht, dem öffentlichen Dienstverhältnis oder aus der besonderen Verpflich­ tung der Angestellten und Arbeiter. F ü r die Beamten ist § 8 des Beamtengesetzes maßgebend. Danach hat der Beamte — auch nach Beendigung seines Beamten­ verhältnisses — über die ihm bei semer Am tstätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten, deren Geheim­ haltung durch Gesetz oder dienstliche Anordnung vo r­ geschrieben oder ih re r N a tu r nach erforderlich ist, gegen jedermann Verschwiegenheit zu bewahren. Ob im Einzelsall eine P flicht zur Amtsverschwiegenheit vo rlie gt, entscheidet der Dienstvorgesetzte des Beamten. D ie vernehmende Behörde ist an dessen Entscheidung gebunden. F ü r Am tsträger und frühere Am tsträger des Staates, die keinen Dienstvorgesetzten haben, z. B . fü r Schöffen und ehrenamtliche Richter, w ird die Genehmigung zur Aussage von der Dienststelle erteilt, fü r die sie tä tig sind oder tä tig waren; soweit solche A m tsträger die Dienststelle selbst leiten, erteilt die Genehmigung die staatliche Aufsichtsbehörde. Z u den letztgenannten Am tsträgern, die keinen Dienstvor­ gesetzten haben und die Dienststelle, für die sie tätig sind, selbst leiten, gehören vor allem die B ü rg e r­ meister, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, auch wenn sie nur zu ehrenamtlicher Tätigkeit bestellt sind (vgl. § 24 der Deutschen Gemeindeordnung vom 3 0 .1 .1 9 3 5 — R G B l. IS . 49 — ). D ie Vorschrift, daß fü r die Reichsminister und Reichsstatthalter der Führer und Reichskanzler, für die Vorsitzenden sowie die M itg lie d e r der Landes­ regierungen der Reichsstatthalter zur E rte ilu n g der Genehmigung zuständig ist, entspricht der in den §§ 159 und 177 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Ja n u a r 1937 — R G B l. I S . 39 — vo r­ gesehenen Regelung. § 159 Z e u g n i s von A m t s t r ä g e r n und A n g e h ö r i g e n der P a r t e i D ie Vorschrift übernim m t für das S trafverfahren die Regelung, die das Gesetz über die Vernehmung

von Angehörigen der Nationalsozialistischen Deut­ schen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen vom 1. Dezember 1936 (RGBl. I S . 994) getroffen hat. Unter Amtsträgern der P artei sind nach § 295 Nr. 2 entsprechend dem Sprachgebrauch des S tra f­ gesetzbuchs (§ 87) die Unterführer der Partei, welche die Amtstätigkeit eines Stützpunktleiters, eine dieser gleichstehende oder eine höhere Amtstätigkeit aus­ üben, die Parteirichter und Urkundspersonen der Parteigerichte zu verstehen. Der Partei sind nach § 296 Abs. 2 ihre Gliederungen und das National­ sozialistische Fliegerkorps gleichgestellt. Abweichend vom Gesetz vom 1.12.1936 sind demnach auch die Urkundspersonen der Parteigerichte einem sachlichen Bedürfnis entsprechend einbezogen. ' Durch eine vom Stellvertreter des Führers im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz zu erlassende Vorschrift wird, ähnlich wie dies durch die Verordnung zur Ausführung des Gesetzes über die Vernehmung von Angehörigen der Nationalsozialisti­ schen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliede­ rungen vom 2.12.1936 (RGBl. I S . 997) geschehen ist, klargestellt werden, für welche Amtsträger die Genehmigung erforderlich ist, welche Stellen über die Genehmigung entscheiden und welche Stellen dienst­ liche Anordnungen, Verhandlungen oder Mitteilungen als geheim oder vertraulich bezeichnen können. Die Voraussetzungen, unter denen die Geneh­ migung versagt werden darf, regelt § 161.

§ 160 Ze u g n i s von S o l d a t e n Die Grundlage der Pflicht zur Geheimhaltung für die Angehörigen der Wehrmacht und des Beurlaubten­ standes ist § 25 des Wehrgesetzes vom 21. 5.1935 — RG B l. I S . 609 — . Diese Vorschrift verpflichtet die Angehörigen der Wehrmacht und des Beurlaubten­ standes, und zwar auch nach dem Ausscheiden aus der Wehrmacht, zur Verschwiegenheit über dienstliche An­ gelegenheiten, deren Geheimhaltung erforderlich oder angeordnet ist. Dementsprechend macht der Entwurf die Vernehmung von Soldaten und von Ange­ hörigen des Beurlaubtenstandes, früheren Soldaten und früheren Angehörigen des Beurlaubtenstandes von der Genehmigung der zuständigen Wehrmachts­ behörde abhängig, wenn die Vernehmung Tatsachen betrifft, auf die sich die Schweigepflicht bezieht. Wer S oldat oder Angehöriger des Beurlaubtenstandes ist, ergibt sich aus den §§ 7, 21 des Wehrgesetzes. Den Soldaten stehen hier ebenso wie in § 155 Abs. 2 die Angehörigen gewisser militärischer Ver­ bände und die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes gleich.

§ 161 E r t e i l u n g der Ge n e h mi g u n g F ü r alle Fälle, in denen gemäß §§ 158, 159 und 160 eine Genehmigung zur Aussage erforderlich ist, legt § 161 einheitlich die Voraussetzungen ihrer Versagung fest. Im Interesse der Wahrheitserforschung soll die Genehmigung die Regel, ihre Versagung die Ausnahme bilden. Die Genehmigung darf nur ver­ sagt werden, wenn die Aussage dem Wohl des Reiches

schaden oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erschweren würde. Diese Regelung lehnt sich eng an § 9 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26. Ja n u a r 1937 — RGBl. I S . 39 — an. Eine alle Zweifel ausschließende all­ gemeine Antwort aus die Frage, in welchen Fällen die Aussage dem Wohl des Reiches schaden oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erschweren würde, ist nicht möglich. § 161 stellt es daher in das pflichtmäßige Ermessen der zur E nt­ scheidung berufenen Stelle, nach Prüfung des Sach­ verhalts und der Begleitumstände über die Erteilung und den Umfang der Genehmigung zu befinden. Aus der Einheit von Partei und S ta a t folgt, daß dabei das Wohl der P artei dem Wohl des Reiches gleich­ zuachten ist. Bestehen Zweifel, ob überhaupt eine Genehmigung erforderlich ist, so steht die Entschei­ dung darüber der Stelle zu, die zur Erteilung der Genehmigung zuständig ist. Die vernehmende Stelle ist an deren Entscheidung gebunden. Gegen die Ver­ sagung der Genehmigung ist die Dienstaufsichts­ beschwerde nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Eine besondere Vorschrift ist hierüber im Gesetz nicht erforderlich. Die Genehmigung zur Aussage kann unter Umständen auch beschränkt werden. Die Pflicht des Zeugen, zu erscheinen, wird durch die Versagung der Genehmigung nicht berührt. Hat der Zeuge die Genehmigung nicht selbst beigebrockt; jo t[t c3 Aufgabe bcr öcrnc^ittcnbcii ^tclsc^ sie einzuholen. Dieser Weg wird sich in der Regel deshalb empfehlen, weil die vernehmende Stelle den Gegenstand der Aussage näher bezeichnen kann und die zur Genehmigung zuständige Stelle so eine zu­ verlässige Unterlage für ihre Entscheidung erhält. I n den Richtlinien wird vorgeschrieben werden, daß die vernehmende Behörde die Genehmigung grundsätzlich von Amts wegen einzuholen hat, wenn damit gerechnet werden muß, daß die Aussage die Verschwiegenheits­ pflicht berührt. § 162

Einschränkung de r Au s s a g e b e i B e r u f s ­ geheimnissen Der Entwurf des Strafgesetzbuches stellt das Berufsgeheimnis in weitem Umfange unter S tra f­ schuß. Nach § 255 S tG B , wird die unbefugte P reis­ gabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter S trafe gestellt. Nach § 347 S tG B , werden Personen, die sich berufsmäßig mit der Ausübung der Heilkunde, der Krankenpflege, der Geburtshilfe oder der Abgabe von Heilmitteln befassen, sowie gewisse ihnen gleich­ gestellte Personen mit Strafe bedroht, wenn sie un­ befugt ein Berufsgeheimnis offenbaren. Entsprechen­ des gilt nach § 260 S tG B , für öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer und nach § 348 S tG B , für Rechts­ anwälte, Verteidiger und Beistände in Rechtsange­ legenheiten. F ü r das Verfahrensrecht ergibt sich die Frage, ob und inwieweit das Berufsgeheimnis bei der Zeugen­ vernehmung beachtet werden soll. Die Wichtigkeit der Strafrechtspflege könnte die Lösung nahelegen, im Strafverfahren von jedem Schutz des Berufs­ geheimnisses abzusehen, den Geheimnisträger also in jedem Falle zur Aussage zu zwingen. Diese Lösung

würde aber der Bedeutung des Berufsgeheimnisses nicht gerecht werden. Durch den Geheimnisschutz sollen nicht nur die Interessen des einzelnen, der sich dem G eheim nisträger anvertraut hat, gew ahrt werden; darüber h in au s soll vielmehr das Interesse des S ta a te s a n einer geregelten Gesundheitsfürsorge imb an einer zuverlässigen Rechts- und Wirtschastsberatung gesichert werden. D ie genannten Berufe können n u r dann ihre Aufgabe erfüllen, wenn der sich A nvertrauende die G ew ähr hat, daß sein Geheimnis gewahrt w ird. Eine völlige Aushebung des B erufs­ geheimnisses für das S trafverfahren kommt demnach nicht in Betracht. Andererseits darf aber das staat­ liche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von S tra fta te n nicht außer acht gelassen werden. E s gilt, in diesem W iderstreit zwischen dem B erufs­ geheimnis und der W ahrheitserforschung im S tr a f ­ verfahren einen sachgemäßen Ausgleich zu finden. D er E ntw urf sucht die Lösung in einer auf den Einzelfall abgestellten Jnteressenabw ägung. E s soll jeweils ge­ prüft werden, ob das Interesse an der W ahrung des Berufsgeheimnisses das Interesse an der W ahrheits­ erforschung überwiegt oder ob umgekehrt das I n te r ­ esse an der Aufklärung und Verfolgung der S tra fta t schwerer wiegt. D er E ntw urf hat weiter Bestimmung darüber zu treffen, w er diese Jnteressenabw ägung vornehmen soll. Die §§ 260, 347 und 348 legen die Entscheidung darüber, ob die Erfüllung einer Pflicht oder ein berechtigter Zweck die Offenbarung des Geheimnisses erfordert, in die Hand des G eheim nisträgers. D er W iderstreit zwischen der beruflichen Verschwiegen­ heitspflicht und der Offenbarungspflicht soll von ihm selbst gelöst werden. F ü r das Verfahrensrecht entsteht die Frage, ob auch bei der Aussage des G eheim nis­ trägers als Zeuge die Entscheidung des W iderstreits zwischen der Verschwiegenheitspflicht und der Z eugnis­ pflicht ihm selbst überlassen bleiben soll oder ob diese Aufgabe der vernehmenden Dienststelle zuzuweisen ist. D er E ntw urf hat diese F rag e nicht einheitlich ent­ schieden. D o rt, wo nach der V orbildung und der O rganisation des Berufsstandes im allgemeinen die G ew ähr gegeben ist, daß der Jnteressenwiderstreit zwischen der Verschwiegenheitspflicht und der Zeugnispflicht richtig entschieden w ird, kann die Entscheidung wie im geltenden Recht dem Zeugen überlassen werden. D ies gilt fü r die Rechtsanwälte, V erteidiger, N otare, Arzte und Apotheker (Abs. 1). Auf G rund ihrer V o r­ bildung und m it Rücksicht auf die S tandesgerichts­ barkeit, der sie unterw orfen sind, kann erw artet w er­ den, daß bei der Entscheidung über den Pflichtenw ider­ streit die Allgemeininteressen genügend berücksichtigt werden. E s gibt aber B erufsgruppen, bei denen die E n t­ scheidung über den Pslichtenwiderstreit nicht dem einzelnen Zeugen überlassen werden kann, weil m angels Überwachung durch die S tandesgerichts­ barkeit keine G ew ähr für eine ausreichende Berück­ sichtigung der Interessen der Allgemeinheit gegeben ist. Zu ihnen gehören z. B . G eheim nisträger des § 255 S tG B ., die Heilpraktiker, Krankenpfleger, Heb­ ammen, Heilgehilfen, Rechtsbeistände, die Gehilfen und Schüler der in § 162 Abs. 1 genannten Geheim­ nisträger sowie die Personen, die aus dem Nachlaß

des G eheim nisträgers ein Berufsgeheim nis erlangt haben. Hier muß deshalb die vernehmende Dienst­ stelle den Jnteressenwiderstreit entscheiden und gege­ benenfalls die Aussage erzwingen können. Der E n t­ wurf nim m t aber auch in diesen F ällen auf das B erufsgeheim nis weitgehend Rücksicht, indem er die B efragung und damit den Zw ang zur Aussage an enge Schranken bindet. N ur dann, wenn es zur W ahrheitserforschung unerläßlich und bei der Bedeu­ tung der Sache geboten ist, sollen diese G eheim nis­ träger über Tatsachen befragt werden, auf die sich ihre Schweigepflicht bezieht (Absatz 2). D er E ntw urf hat in Abs. 1 — über das geltende Recht hinaus — auch dem Apotheker ein Z eugnis­ verweigerungsrecht zugebilligt, da für ihn die gleichen Voraussetzungen gelten wie für den Arzt. Der N otar ist dem Rechtsanwalt gleichgestellt, da er gleichfalls zu den in Rechtsangelegenheiten (insbesondere aus dem Gebiete vorsorgender Rechtspflege) beratenden Personen gehört. Die Einschränkung der Aussage soll auch dann fortbestehen, wenn der Beruf zur Zeit der Zeugen­ vernehmung nicht mehr ausgeübt wird. Die E n t­ scheidung darüber, ob es sich im Einzelfall um T a t­ sachen handelt, die dem G eheim nisträger kraft seines B erufs anvertraut worden oder zugänglich geworden sind oder auf die sich die Schweigepflicht bezieht, ob­ liegt in allen Fällen (Abs. 1 und 2) der vernehmenden Dienststelle. Die Einschränkungen des § 162 Abs. 1, 2 sollen fortfallen, sobald der Zeuge von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit worden ist. D arüber, ob eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht erteilt ist, entscheidet in allen F ällen die vernehmende Stelle. Nach § 53 N r. 4 S tP O , können Redakteure, V er­ leger und Drucker einer periodischen Druckschrift sowie die bei der technischen Herstellung der Druckschrift beschäftigten Personen über die Person des Verfassers oder Einsenders einer Veröffentlichung strafbaren I n h a lts das Zeugnis verweigern, wenn ein Redakteur der Druckschrift als T äter bestraft ist oder seiner Bestrafung kein rechtliches H indernis entgegensteht. D er Entw urf hat diese Vorschrift nicht übernommen. Durch die Bestrafung des Schriftleiters wird das Interesse des S ta a te s an der Strafverfolgung des Verfassers oder Einsenders nicht ausgeschlossen. Die Namenlosigkeit mag im Zeitungswesen in gewissen Grenzen berechtigt sein. S ie verdient aber jedenfalls im Bereich des S trafverfahrens keine Sonderstellung. § 163

Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g v on Geistlichen § 163 entspricht dem bisherigen Recht (§ 53 N r. 1 S tP O .), ist jedoch in der Fassung dem Artikel 9 des Konkordats vom 12. 9 .1 9 3 3 angeglichen. Ebenso wie bei den in § 162 Abs. 1 genannten Berufen wird es der Gewissenhaftigkeit des Geistlichen überlassen, ob er über Tatsachen, die chm bei A usübung der S eel­ sorge anvertraut worden sind und über die er deshalb a ls Seelsorger Verschwiegenheit zu w ahren hat, au s­ sagen will oder nicht. E ine Befreiung von der Schweigepflicht mit der Folge, daß der Geistliche aussagen muß, wird vom E ntw urf nicht vorgesehen.

Vielfach ist betn Geistlichen nach Kirchenrecht die O ffenbarung des Seelsorgegeheimnisses auch dann verboten, w enn er von der Schweigepflicht befreit ist. Eine Vorschrift, die entgegen dieser kirchlichen Rege­ lung den Geistlichen bei B efreiung von der Schweige­ pflicht zur Aussage zwänge, würde den Geistlichen in schwere innere Gewissenskonflikte bringen und damit den W ert seiner Aussage fragw ürdig machen. Unter „Geistlichen" sind nur Religionsdiener zu verstehen, die in einer s t a a t l i c h a n e r k a n n t e n R eligions­ gesellschaft die Seelsorge als Am t verrichten. § 163 beschränkt sich nicht auf das Beichtgeheimnis, sondern um faßt auch die sonstige Seelsorgetätigkeit. W as bxe r Geistliche nicht a ls Seelsorger, sondern in einer etwaigen sonstigen dienstlichen Eigenschaft, etwa bei A usübung der kirchlichen V erw altungstätigkeit erfahren hat, fällt nicht unter das Aussageverweige­ rungsrecht. D arüber, ob eine Tatsache unter das Seelsorge­ geheimnis fällt oder nicht, entscheidet wie in den anderen F ällen des Zeugnisverweigerungsrechts die vernehmende Stelle. § 164

Z e u g n i s v e r w e i g e r u n g von Angehörigen D ie bisherige S trafprozeßordnung (§ 52) gibt ein Zeugnisverweigerungsrecht dem V erlobten des B e­ schuldigten, seinem Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, und den Personen, die m it dem Beschuldigten in gerader Linie verw andt, verschwägert oder durch A nnahm e an Kindes S ta tt verbunden oder in der S eiten lin ie bis zum dritten G rade verwandt oder bis zum zweiten G rade verschwägert sind, auch wenn die Ehe, durch die die Schwägerschaft begründet ist, nicht mehr besteht. D er E ntw urf will hieran sachlich nichts Wesentliches ändern. E r achtet die B ande der F am ilie und verzichtet auch künftig auf die zw angs­ weise Herbeiführung der Aussage eines m it dem Beschuldigten durch nahe Fam ilienverhältnisse V er­ bundenen. A us G ründen der Gesetzestechnik wird in § 297 der B egriff des Angehörigen für den gesamten Bereich der S trafverfahrensordnung bestimmt, und zwar ebenso wie in § 85 S tG B . Danach sind Angehörige: V erw andte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der V erlobte, Geschwister, Ehegatten und Kinder der Geschwister, Geschwister der E ltern, Ge­ schwister des Ehegatten, und zw ar auch dann, wenn die Beziehung durch eine uneheliche G eburt verm ittelt wird. D as A ngehörigenverhältnis bleibt bestehen, auch wenn die Ehe, durch die es begründet ist, nicht mehr besteht. Z u den Angehörigen gehören ferner P e r­ sonen, die m iteinander durch Annahm e an Kindes S ta tt oder durch Pflegekindschaft verbunden sind. Neu ist hiernach gegenüber dem geltenden Recht die E in ­ beziehung der durch uneheliche G eburt verm ittelten Verwandtschaft und der Pflegekindschaft. D ie Bestimmung des § 52 Abs. 2 S tP O ., wonach die Angehörigen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren sind und einen etwaigen Verzicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht auch während der Ver-

nehtnung widerrufen kötmen, ist in § 168 Abs. 3 in erweiterter F orm übernommetr. § 165 Zeugnisverweigerung wegen Gefahr der S t r a f v e r f o l g u n g D ie Vorschrift gestattet dem Zeugen, die Auskunft auf Fragen zu verweigern, deren B eantw ortung ihn selbst oder einen seiner Angehörigen der Gefahr au s­ setzen würde, wegen einer S tra fta t verfolgt zu werden. Diese Regelung entspricht dem § 55 der bisherigen S tP O . S ie beruht auf dem Grundsatz, daß niemand zur Aussage wider sich selbst gezwungen werden soll. D en Ausdruck „ S tra fta t" verwendet der Entw urf in § 165 im S in n e des Sprachgebrauchs des S tra f­ gesetzbuchs. E s sind also darunter T aten zu verstehen, die m it den im Strafgesetzbuch vorgesehenen S trafen bedroht sind, nicht aber Ordnungswidrigkeiten. Die Vorschrift gew ährt das Zeugnisverweigerungsrecht demnach nur, wenn die G efahr einer Verfolgung im kriminellen S trafverfahren besteht. Andere V erfahren sind dem kriminellen S trafverfahren nicht gleich­ gestellt. D ie G efahr eines Ordnungsstrasverfahrens, eines friedensrichterlichen V erfahrens oder eines V er­ w altungsstrafverfahrens begründet also kein A us­ kunftsverweigerungsrecht. D as gleiche gilt bei drohen­ dem Dienststrafverfahren (Dienststrafverfahren gegen einen Beam ten, Dienststrafverfahren im Reichsarbeits­ dienst), parteigerichtlichem oder ständischem Ehren­ gerichtsverfahren. Es ist zwar zuzugeben, daß diese V erfahren für den Zeugen unter Umständen ähnlich schwere Nachteile zur Folge haben können wie ein S trafverfahren (z. B. Ausschluß au s der P artei, Verlust des A m tes, Aberkennung der B etriebsführer­ eigenschaft). Aber eine Ausdehnung des § 165 auf diese Verfahren würde ins Uferlose führen. M an könnte den Angestellten, der auf G rund seiner Zeugen­ aussage die fristlose Entlassung zu gewärtigen hat, nicht schlechter stellen a ls den Beam ten, dem ein Dienststrafverfahren droht. D as gleiche würde für den D orfgastw irt gelten, der bei wahrheitsgem äßer A us­ sage in einem Schlägereiverfahren die Feindschaft des ganzen D orfes und dam it die Vernichtung seiner w irt­ schaftlichen Existenz befürchten muß. D ies würde schließlich dazu führen, daß im S trafverfahren — ähnlich wie im Zivilprozeß — auch ein drohender vermögensrechtlicher Schaden dem Zeugen die B e­ fugnis gäbe, die Auskunft zu verweigern. Eine solche Erw eiterung würde aber dem S trafverfahren weit­ gehend die M ittel zur W ahrheitserforschung entziehen. D ies wäre m it der Wichtigkeit und den Ausgäbet! des S trafverfahrens unvereinbar. A us diesen G rü n ­ den hat der E ntw urf von einer E rw eiterung des Auskunftsverweigerungsrechts abgesehen. Dem B e­ dürfnis nach einer Berücksichtigung anderer Nachteile wird aber durch den §170 Rechnung getragen. Danach sollen Fragen, deren B eantw ortung dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen einen besonders schweren Nachteil zufügen oder zur Unehre gereichen kann, nur gestellt werdet:, wenn es zur Wahrheitserforschung unerläßlich und angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist. Eine derartige Beschränkung ist für die W ahrheitserforschung tmgesährlich, da sie die Ent-

scheidung über den Umfang der Auskunft der ver­ nehmenden Stelle zuweist und den Vorrang der Wahrheitserforschung gegenüber weniger wichtigen Einzelinteressen sicherstellt. D er E ntw urf gibt dem Zeugen das Auskunsts­ verweigerungsrecht ohne Rücksicht darauf, wie schwer die drohende kriminelle S trafe ist. Nach dem W ortlaut des E ntw urfs berechtigt an sich auch die G efahr einer geringfügigen Bestrafung zur A uskunftsverweigerung in besonders wichtigen V erfahren. In so w eit ist jedoch zunächst zu beachten, daß künftig die im O rdnungs­ strafverfahren und im friedensrichterlichen V erfahren zu ahndenden T aten aus dem Bereich des kriminellen Unrechts ausscheiden, so daß diese T aten nicht mehr zur Auskunstsverweigerung berechtigen. I m übrigen hätte es vielleicht nahegelegen, eine V erhältnism äßig­ keit zu fordern, d. h. das Auskunftsverweigerungsrecht von einem Vergleich zwischen der Bedeutung der Sache und der Schwere der dem Zeugen drohenden Folgen abhängig zu machen. Aber gerade zur B e­ urteilung der V erhältnism äßigkeit müßte die ver­ nehmende S telle so weit in den Zeugen eindringen, daß dieser dam it in vielen F ällen sein G eheim nis offenbaren müßte. D er E ntw urf glaubt den Zwiespalt zwischen dem Interesse an. der W ahrheitserforschung und dem Interesse des Zeugen an der Verdeckung eigener S tra fta te n am besten dadurch lösen zu können, daß er dem Zeugen in § 18 für verhältnism äßig unbedeutende S tra fta te n die F reiheit von. der V er­ folgung in Aussicht stellt. Auf die B egründung des § 18 kann hier verwiesen werden. Eine Belehrung des Zeugen über sein Auskunfts­ verweigerungsrecht ist im bisherigen Recht für den F all des § 55 S tP O , nicht vorgeschrieben. D er E n t­ wurf regelt' diese F rag e jetzt in § 168 Abs. 3. D er § 165 w ird durch § 174 N r. 4 ergänzt; diese Bestim­ mung stellt die Vereidigung eines Zeugen, der auf F rag en im S in n e des § 165 die Auskunft nicht ver­ weigert hat, in das Ermessen des Richters. § 166 Gl a u b h a f t ma c h u n g Die Frage, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht, ist von dem zu entscheiden, der den Zeugen vernimmt. Der Zeuge muß dem Vernehmenden die Unterlagen für diese Entscheidung verschaffen und die Unterlagen in den Fällen der §§ 162 bis 165 auf Verlangen glaubhaft machen. Die Mittel zur Glaub­ haftmachung sind im § 279 des Entwurfs einheitlich geregelt. Beim Verlangen nach Glaubhaftmachung wird stets zu beachten sein, daß dadurch das Zeugnis­ verweigerungsrecht nicht in Frage gestellt werden darf. Diese Gefahr ist besonders naheliegend im Falle des § 165. Deshalb verbietet § 279 Abs. 2 in diesem Falle die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung und einer eidlichen Aussage zur Glaubhaftmachung des Zeugnisverweigerungsrechtes. Auch im übrigen wird im Falle des § 165 bei dem Verlangen nach Glaubhaftmachung eine gewisse Zurückhaltung am Platze sein. Abs. 2 sieht vor, daß die Angabe der Tatsachen, auf die die Zeugnisverweigerung gestützt wird, und ihre Glaubhaftmachung in nichtöffentlicher Sitzung

erfolgen können. D ies ermöglicht ein näheres E in ­ dringen in den Zeugen mit) gibt der G laubhaft­ machung einen ernsteren Charakter. § 167 E i n z e l v e r n e h mu n g . Ge g e n ü b e r s t e l l u n g D aß die Zeugen einzeln zu vernehmen sind und daß später zu vernehmende Zeugen nicht zugegen sein sollen, entspricht dem bisherigen Recht (§ 58 S tP O .). E s bleibt dabei, daß die Abwesenheit der später zu vernehmenden Zeugen nicht zwingend vorgeschrie­ ben wird. Abs. 2 gestattet die Gegenüberstellung des Zeugen m it dem Beschuldigten und mit anderen Personen. D a s bisherige Recht (§ 58 Abs. 2) will die Gegen­ überstellung möglichst der Hauptverhandlung vor­ behalten. D er E ntw urf läßt dagegen die Gegenüber­ stellung unbeschränkt in jeder Lage des V erfahrens zu. E s ist nicht einzusehen, w arum die Gegenüber­ stellung verschoben werden soll, wenn sie überhaupt von Bedeutung ist. § 168 Bel ehr ung D ie Bestimmung faßt die Vorschriften, die die bisherige Strafprozeßordnung über die Belehrung des Zeugen enthält, zusammen und erweitert sie. Zürn I n h a lt der Belehrung gehört folgendes: D er V er­ nehmende soll dem Zeugen zunächst m itteilen, gegen w en sich das V erfahren richtet und um w as es sich handelt. Diese Unterrichtung gibt eine G rundlage für die P rüfung der F rage, ob der Zeuge vernommen werden darf. Weitere M aßnahm en, die dem gleichen Zweck dienen, sieht § 169 vor. F erner ist der Zeuge zur W ahrheit zu ermahnen und auf seine Eidespflicht hinzuweisen. D am it ist eine Belehrung über die Bedeutung des Eides und über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen eidlichen Aussage zu verbinden. Diese Belehrungspflichj besteht auch dann, wenn von vorn­ herein anzunehmen ist, daß der Zeuge sich des Wesens und der Bedeutung des Eides bewußt ist. D a aber andererseits die Belehrung nicht schematisch erfolgen soll, sondern der jeweiligen Sachlage anzupassen ist, kann bei solchen Zeugen, die einer eingehenden B e­ lehrung offensichtlich nicht bedürfen, die Belehrung angemessen abgekürzt werden. Eine Belehrung über die Berechtigung zur Zeug­ nisverw eigerung kennt das bisherige Recht nur gegen­ über den Angehörigen (§ 52 S tP O .). D er Entw urf schreibt diese Belehrung auch für solche Zeugen vor, die krast ihres B erufs (§§ 162, 163) oder wegen G efahr der Strafverfolgung (§ 165) zur Verweige­ rung des Zeugnisses berechtigt sind. D ie Würde des V erfahrens und die Offenheit, mit der das V er­ fahren geführt werden soll, erfordern es, daß der Zeuge rechtzeitig darüber aufgeklärt w ird, ob er die Aussage verweigern darf. Die Belehrung soll n a tu r­ gemäß nur dann erfolgen, wenn der Richter A nlaß zu der Annahme hat, daß eine Möglichkeit zur A us­ sageverweigerung in Betracht kommt. H at ein Zeuge auf die Befugnis zur Zeugnisverweigerung verzichtet, so kann er diesen Verzicht jederzeit widerrufen. D as

bisherige Recht (§ 52 Abs. 2) spricht dies nur sür die Angehörigen aus. D ie Rechtsprechung hat diesen Grundsatz aber auch auf die anderen zur Aussagever­ weigerung berechtigten Zeugen ausgedehnt. D er E n t­ wurf folgt dieser Entwicklung, weicht aber aus den zu § 70 dargelegten G ründen insofern vom bisherigen Recht ab, a ls er in § 70 Abs. 2 die Verlesung der Niederschrift über die frühere Vernehmung in der H auptverhandlung zuläßt. Ebenso wie nach bisheri­ gem Recht (§ 63) ist der Zeuge auch über das Recht, den Eid zu verweigern (§ 175), zu belehren. D ie Pflicht zur Belehrung über den Gegenstand des V erfahrens (Abs. 1) und über ein etwaiges Zeug­ nisverweigerungsrecht (Abs. 3) gilt auch sür Verneh­ mungen durch die Polizei (§ 188). §169 Ve r ne hmung D ie Vernehm ung soll dam it beginnen, daß der Zeuge über seine persönlichen Verhältnisse befragt wird. Diese Befragung soll aber n u r so weit gehen, als es erforderlich ist, um die P erson des Zeugen festzustellen und um zu erm itteln, ob der Zeuge ver­ nommen und vereidigt werden darf. D a rin liegt eine Einschränkung gegenüber § 68 S tP O ., der schon zu B eginn der Vernehm ung F rag en vorsieht, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen und seine Beziehungen zum Beschuldigten und Verletzten betreffen. Dieser T eil der Vernehm ung gehört jedoch in die Verneh­ mung zur Sache. Auch der E ntw urf legt größten W ert darauf, daß der Zeuge seine Aussage im Zusammenhang macht. Notwendige F rag en sollen n u r zur Ergänzung gestellt werden. F ü r zwei wichtige Gebiete bezeichnet § 169 Abs. 3 die Richtung der E rgänzungssragen. D er Zeuge soll nötigenfalls angehalten werden, die Quelle seines Wissens anzugeben. E s soll also insbesondere mit ihm erörtert werden, ob er das, w as er aussagt, aus eigener W ahrnehm ung oder vom Hörensagen weiß. Diese E rörterung ist vielfach besonders wichtig, da er­ fahrungsgem äß ein großer T eil der Zeugen diese Unterscheidung nicht aus eigenem A ntrieb vornimmt. D ie ergänzenden F rag en sollen weiter die Beziehungen des Zeugen zum Beschuldigten und Verletzten auf­ klären und andere Umstände klarlegen, die die G laub­ würdigkeit des Zeugen berühren. I m übrigen ver­ zichtet der E ntw urf darauf, die Zeugenvernehmung durch Einzelvorschriften einzuengen. Schon bisher wurde es a ls zulässig angesehen, daß der Zeuge bei der V ernehm ung zur Unterstützung seines Gedächtnisses in Schriftstücke Einsicht nahm, deren I n h a lt m it seiner Aussage zusammenhing. E s handelt sich hierbei um Rechnungen, P län e, Berichte, Zeichnungen und ähnliche Auszeichnungen. D er E n t­ wurf billigt diese Übung.

(auch wirtschaftlichen) Nachteils gleichgestellt. Diese Erw eiterung erscheint unbedenklich, da hier die ver­ nehmende Stelle den Umfang der Auskunft bestimmt. S o d an n wird die Fragestellung nicht n u r davon ab­ hängig gemacht, ob sie zur Wahrheitsersorschung u n ­ erläßlich ist, sondern auch davon, ob sie angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist. Wichtige E hren­ interessen des Zeugen und seine wirtschaftliche Exi­ stenz sollen also in unbedeutenden Strafverfahren auch dann nicht aufs S p iel gestellt werden, wenn die Fragestellung zur Sachaufklärung unentbehrlich ist. Abs. 2 läßt F ragen und E rörterungen über V or­ strafen nur zu dem Zweck zu, um festzustellen, ob der Zeuge vereidigt werden kann oder ob er glaubwürdig ist. D er Entw urf hat davon abgesehen, die E rörte­ rung von Vorstrafen nach Ablauf fester Fristen ganz auszuschließen. W eit zurückliegende S tra fta te n wer­ den ohnehin n u r in besonderen F ällen eine E rörte­ rung notwendig machen. I m Interesse der W ahr­ heitsfindung darf aber die E rörterung solcher V or­ strafen nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Abs. 3 stellt klar, daß § 170 kein Zeugnisverweige­ rungsrecht begründet; vielmehr soll die Begrenzung der Auskunft ausschließlich der vernehmenden Stelle obliegen. Fragen, die entgegen der Vorschrift des § 170 an den Zeugen gestellt werden, muß dieser wahrheitsgemäß beantworten, wenn er sich nicht der S trafe wegen Eidesverletzung aussetzen will. § 171

§ 170

V o r b e r e i t u n g der A u s s a g e Die Vorschrift gibt die Möglichkeit, einem Zeugen, der an Hand von Büchern oder Aufzeichnungen A us­ kunft geben soll, die Auslage zu machen, vor der V er­ nehmung die nötigen Nachforschungen und P r ü ­ fungen vorzunehmen. W enn sich die Auskunft auf eine Sache oder auf eine Örtlichkeit bezieht, kann dem Zeugen ausgegeben werden, sie vorher zu besich­ tigen. D arüber hinaus können dem Zeugen andere. Auflagen gemacht werden, die der W ahrheits­ erforschung dienen (z. B. die Auflage, in einer ge­ wissen Kleidung zu erscheinen oder Uberführungsstücke m itzubringen). Auflagen dieser A rt w aren schon bisher im G e­ brauch der Gerichte üblich, jedoch w ar ein Zwang nicht möglich. Dieser Zw ang ist jetzt in § 184 vor­ gesehen. D aß die Auflage stets in einem angemessenen V erhältnis zu ihrer Wichtigkeit sür die W ahrheits­ erforschung und zur Bedeutung der Sache stehen mich, braucht im Gesetz nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Anordnung zur Vorbereitung der Aussage soll in die Ladung, oder, wenn sie mündlich ergeht, in eine Niederschrift aufgenommen werden. D am it soll die G rundlage für das Zw angsverfahren nach § 184 geschaffen werden.

Bloßstellende F ra g e n Abs. 1 bringt eine wichtige E rgänzung zu § 165 des E ntw urfs. Insow eit ist seine Bedeutung bereits dort erörtert worden. Gegenüber dem bisherigen Recht (§ 68 a S tP O .) enthält Abs. 1 eine E rw eite­ rung in zweifacher Richtung. Zunächst wird der G e­ fahr der Unehre die G efahr eines besonders schweren

§ 172 E i d e s l e i stung F ü r die Beeidigung des Zeugen stellt der Entw urf drei wichtige Grundsätze auf: Grundsätzlich hat jeder Zeuge seine Aussage zu beschwören.

D ie Abnahme des Eides bleibt dem Richter v o r­ behalten. D er E id w ird als Nacheid abgenommen. Daß grundsätzlich jeder Zeuge vereidigt werden soll, bestimmt.schon das bisherige Recht. D ie Übung der Gerichte hat jedoch diesen Grundsatz zeitweise stärker durchbrochen als es dem Gesetz entsprach; sie haben von der Ermächtigung, von der V ereidi­ gung abzusehen, einen zu umfassenden Gebrauch ge­ macht. Es wurde vielfach nicht beachtet, daß die V e r­ eidigung die Regel und die Nichtvereidigung die A u s­ nahme sein soll. Insbesondere wurde der § 61 N r. ß S tP O , so häufig angewandt, daß die Justizverw al­ tung genötigt w ar, durch Verwaltungsanweisungen an die S taatsanw älte auf eine Beschränkung h in ­ zuwirken. F ü r die Zukunft soll diesem Mißstand durch eine entsprechende Fassung des E n tw u rfs vorgebeugt werden (vgl. die Bemerkungen zu § 174). Daß n u r der Richter den E id abnehmen kann, entspricht gleichfalls dem bisherigen Recht. B ei der Erweiterung der Befugnisse, die der E n tw u rf aus den in der Vorbemerkung vor § 1 dargelegten G rü n ­ den dem S ta a ts a n w a lt als Untersuchungsführer des Vorverfahrens zuweist, ergibt sich aber die Frage, ob dem S ta a ts a n w a lt fü r seinen Aufgabenbereich nicht auch das Recht zur Vereidigung von Zeugen ver­ liehen werden soll. D ie Entscheidung dieser Frage hängt eng zusammen m it der weiteren Frage, in welchem Umfange im Vorverfahren überhaupt V e r­ eidigungen zugelassen werden sollen. § 176 des E n tw u rfs w ill die Vereidigung grundsätzlich der Hauptverhandlung vorbehalten. I m Vorverfahren soll die Vereidigung n u r zulässig sein, wenn Beweise zu sichern sind, wenn der Zeuge im Hauptverfahren voraussichtlich nicht vernommen werden kann, wenn ferner die Vereidigung nötig ist, um eine wahre Aussage herbeizuführen und von der Aussage der F ortgang des Verfahrens abhängt. D ie beiden erstgenannten F älle sind in W ahrheit vorweggenommene T eile einer zukünftigen Haupt­ verhandlung, so daß es hier schon aus diesem Grunde erwünscht ist, die Vereidigung dem Richter v o r­ zubehalten. F ü r eine Vereidigung durch den S ta a ts ­ anw alt bliebe also n u r noch Raum im dritten F a ll (Herbeiführung einer wahren Aussage über eine wich­ tige Tatsache). D e r E n tw u rf entscheidet sich dahin, auch in diesem F a ll die Vereidigung n u r dem Richter anzuvertrauen. D ie Vorstellung, daß der Eid n u r von dem Richter abgenommen werden darf, ist so stark im Volke verwurzelt, daß eine Änderung des jetzigen Rechtszustandes nicht angezeigt ist. Außer­ dem könnte die Übertragung der Vereidigungsbefug­ n is auf den S ta a ts a n w a lt die W irkung haben, daß im Vorverfahren von der Vereidigung in größerem Umfange Gebrauch gemacht w ird . Jede Vereidigung im Vorverfahren fü h rt aber erfahrungsgemäß zu einer Festlegung der Zeugen, die im Interesse der W ahrheitserm ittlung tunlichst vermieden werden muß (vgl. die Bemerkungen zu § 176). D er Nacheid, der im Jahre 1933 auch fü r das Strafverfahren eingeführt worden ist, hat sich nach allgemeinem U rte il gut bewährt. E r bildet die V o r ­ aussetzung fü r die Zulassung gewisser Ausnahmen von der Vereidigung; dem: erst die Aussage ergibt

regelmäßig die Grundlage fü r die Entschließung über das Absehen von der Vereidigung. D er Voreid hat außerdem den Nachteil, daß der Zeuge infolge des Bewußtseins, bereits unter dem Eide zu stehen, häufig unsicher, ängstlich und befangen w ird ; er ist dann aus Furcht vor Eidesverletzung wenig geneigt, bereits ab­ gegebene Erklärungen zu ändern oder einzuschränken. D ie im Voreid liegende M ahnung zur wahren A us­ sage kann durch die Eidesbelehrung ersetzt werden. D ie Unbequemlichkeit, daß beim Nacheid Erklärungen, die nach der Eidesleistung abgegeben werden, nicht ohne weiteres unter den Eid fallen, sondern stets eine Berufung auf den früheren Eid (§ 182) notwendig machen, w ird gegenüber bcn Vorzügen des Nacheides in Kauf genommen werden müssen. § 173 V e r b o t der V e r e i d i g u n g D er E n tw u rf unterscheidet ebenso wie das bis­ herige Recht die Fälle, itt denen eine Vereidigung schlechthin verboten ist (§ 173), von solchen, in denen nach dem Ermessen des Richters von ih r abgesehen werden kann (§ 174). E in unbedingtes Verbot der Vereidigung w ird zunächst für solche aufgestellt, die nach den Vorschriften des Strafgesetzes eidesuntauglich sind (vgl. § 379 S tG B .) Nicht vereidigt werden dürfen ferner Personen, die zur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebens­ ja h r noch nicht vollendet haben oder die die Bedeu­ tung des Eides nicht ausreichend begreifen können. I m bisherigen Recht (§ 60 N r. 1) ist bei den letzt­ genannten Personen hinzugefügt, daß die Unfähig­ keit, Wesen und Bedeutung des Eides zu begreifen, auf mangelnder Verstandesreife oder auf Verstandes­ schwäche beruhen müsse. Diese Voraussetzung hat der E n tw u rf nicht übernommen. Es können danach auch andere M ängel A nlaß der Unfähigkeit sein. Nach § 173 N r. 3 darf ferner nicht vereidigt wer­ den, wer verdächtig ist, an der T a t, die den Gegen­ stand des Verfahrens bildet, oder an einer T a t be­ te ilig t zu sein, die m it ih r unm ittelbar zusammen­ hängt, oder wer deswegen bereits ve ru rte ilt ist. Diese Bestimmung entspricht sachlich dem bisherigen Recht (§ 60 N r. 3 S tP O .), berücksichtigt aber in der Fassung die Ergebnisse der Rechtsprechung. D ie Vorschrift beruht auf dem Grundgedanken, daß die G laubw ür­ digkeit eines an der T a t Beteiligten auch durch einen E id nicht erhöht w ird . Daneben t r it t der Gedanke, daß der Zeuge vor einer Eidesverletzung bewahrt werden soll, in den Hintergrund. D e r B e g riff der „B e te ilig u n g " ist weit auszulegen. D a ru n te r fallen nicht n u r die Form en der T ä te r­ schaft und der Teilnahme, die der § 4 S tG B , um­ schreibt, also die m ittelbare Täterschaft, die Anstiftung und die Beihilfe, sondern auch die Alleintäterschaft, das Anerbieten, die Verabredung, die Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens, die Begünstigung, die Vereitelung der S trafverfolgung, die Hehlerei und der Erwerb verdächtiger Sachen. Auch eine fahrlässige Begehung kann in diesem S in n e als „B e te ilig u n g" erscheinen. Voraussetzung ist aber stets, daß eine s t r a f b a r e B eteiligung in Frage steht. Der B e g riff der „ T a t" umfaßt wie im geltenden Recht den ge-

samten zur Beurteilung stehenden geschichtlichen V or­ gang, in dessen Rahmen die T at des Beschuldigten liegt. I h r stellt der Entwurf die T at gleich, die mit der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Tat unmittelbar zusammenhängt. Diese Erweiterung ist geboten, da das neue Strafgesetzbuch verschiedene Be­ teiligungshandlungen als selbständige Taten regelt. S o ist etwa die T at des Amtsträgers, der sich be­ stechen läßt (§ 338 StG B .), gegenüber der T at des­ jenigen, der ihn besticht (§ 351 S tG B .) verselbstän­ digt, ebenso die Vereitelung der Strafverfolgung (§ 373 S tG B ), die Hehlerei (§ 474 S tG B ), die Beteiligung an der Verbrechensbeute (§ 475 StG B .) und der Erwerb verdächtiger Sachen (§ 478 StG B .) gegenüber der Haupttat. D a der Grundgedanke der Vorschrift auch aus solche Beteiligungshandlungen im weiteren Sinne zutrifft, müssen auch sie unter die Vorschrift fallen, auch wenn sie sich nicht als „Beteili­ gung" an der T at des Angeklagten, sondern als selb­ ständige Handlungen darstellen. Der Begriff des „un­ mittelbaren Zusammenhangs" ist dem S in n der Vor­ schrift entsprechend eng auszulegen. Voraussetzung ist stets, daß die „zusammenhängende" T at in derselben Richtung wirkt wie die T at des Beschuldigten. Kein unmittelbarer Zusammenhang in diesem Sinne be­ steht etwa dann, wenn der Zeuge die Gelegenheit des Brandes, den der Beschuldigte angelegt hat, zu einem Diebstahl benutzt hat. Dieser Gesichtspunkt ist auch von Bedeutung, wenn mehrere Taten den Gegen­ stand des Verfahrens bilden. D as Verbot der Ver­ eidigung gilt dann nur für die Taten, die mit denjemgcit des Zeugen innerlich zusammenhängen. Be­ steht dieser Zusammenhang nicht und kann die Aus­ sage zu den einzelnen Taten getrennt werden, so ist nach § 178 der Zeuge nur für den Teil seiner Aus­ sage zu vereidigen, der mit der T at des Angeklagten nicht zusammenhängt.

§ 174 Absehen von der V e r e i d i g u n g Die Vorschrift gestattet dem Richter, in gewissen eng umschriebenen Fällen nach seinem Ermessen von der Vereidigung abzusehen. Die unter Nrn. 1 bis 1 aufgeführten Fälle entsprechen dem bisherigen Recht (§ 61 Nr. 1 bis 4). Auch künftig besteht ein Interesse daran, daß Zeugen unvereidigt bleiben dürfen, die nach ihrer Beziehung zu dem Beschuldigten (An­ gehörige und Verletzte) oder nach ihrer Stellung zum Verletzten (Angehörige) oder aus sonstigen persön­ lichen Gründen (Gefahr der Strafverfolgung oder der Ehrenminderung oder eines sonstigen besonders schweren Nachteils) in hohem Maße der Versuchung ausgesetzt sind, eine Unwahrheit auszusagen. D as Gesetz weicht hier nicht vor dem Zeugen zurück, son­ dern trägt der Erfahrung Rechnung, daß Zeugen, die sich in einer solch engen Bindung befinden, häufig trotz aller ihnen drohenden Nachteile zur Unwahrheit neigen. Es besteht aber kein Interesse daran, un­ glaubwürdige Aussagen dieser Art durch einen Eid bekräftigen zu lassen, der an der Verwertbarkeit der Aussage im Verfahreil nichts, ändern würde. Die Befugnis, in solchen Fällen von der Vereidigung abzusehen, darf aber nicht schematisch gehandhabt werden. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und welchell Einfluß die persönlichen Billdungen des

Zeugen auf seine Aussage haben. Ist die Möglichkeit eines solchen Einflilsses zu verneinen oder besteht die Aussicht, durch den Eid als Druckmittel eine wahre Aussage zu erhalten, so ist der Eid abzunehmen. Nr. 3 enthält eine Ergänzung zu § 173 Nr. 2. Bei Jugendlichen zwischen sechszehn und achtzehn Jahren ist die geistige und sittliche Entwicklung häufig noch nicht soweit fortgeschritten, daß die Bedeutung des Eides voll verstanden wird. Bei ihnen kann daher von der Vereidigung abgesehen werden, ohne daß im Eillzelfall dargetan zu werden braucht, daß der jugendliche Zeuge nach seiner geistigen oder sitt­ lichen Entwicklung die Bedeutung des Eides nicht ausreichend begreifen sönne. Dementsprechend genügt als Begrülldung für, die Nichtvereidigung in der Niederschrift (§ 178 Abs. 2) künftig der bloße Hinweis aus das jugendliche Alter des Zeugen. Nr. 4 ist an die §§ 165, 170 des Entwurfs all­ gepaßt. Neben der Gefahr strafgerichtlicher Verfol­ gung und der Unehre ist auch die Gefahr eines beson­ ders schweren Nachteils berücksichtigt. Nach bisherigem Recht form über die eben er­ örterten Gründe hinaus auch dann von der Vereidi­ gung abgesehen werden, wenn alle Mitglieder des Gerichts die Aussage für unerheblich oder für offenbar unglaubhaft halten und wenn nach ihrer Überzeugung auch unter Eid eine erhebliche oder eine wahre Aus­ sage nicht zu erwarten ist (§ 61 Nr. 5 S tP O .), ferner dann, wenn die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der Verteidiger auf die Vereidigung verzichten (§ 61 Nr. 6 S tP O .). I m Verfahren wegen einer Übertretung und im Privatklageverfahren werdell Zeugen bisher überhaupt nur dann vereidigt, wenn es das Gericht mit Rücksicht aus die Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aus­ sage für notwendig hält (§ 62 S tP O .). Die Ent­ wicklung hat gezeigt, daß die Gerichte von diesen Ermächtigungen einen zu umfassenden Gebrauch ge­ macht haben. Es wurde vielfach nicht beachtet, daß die Vereidigung die Regel und die Nichtvereidigung die Ausnahme sein soll. Insbesondere wurde der § 61 Nr. 6 S tP O , so häufig angewandt, daß die Justizverwaltung genötigt war, durch Verwaltungs­ anweisungen an die Staatsanw älte auf eine Be­ schränkung hinzuwirken. Diese Entwicklung kann zu erheblichen Gefahren für die Strafrechtspflege führen. Die Hoffnung, daß voll der Vereidigung abgeseheil werde, kalm manchell Zeugen dazu verleiten, mit der Wahrheit zurückzuhalten. Der etwaige Hinweis, daß in anderen Verfahrensordnungen der Zwang zur Vereidigullg noch weitergehender gelockert sei als im bisherigen Strafverfahren, kann die Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes nicht rechtfertigen. D as Strafverfahren betrifft wichtigere Interessen als etwa der Zivilprozeß oder das arbeitsgerichtliche Verfahren. Deshalb müssen im Strafverfahren alle verfügbaren M ittel zur Erforschung der Wahrheit ausgeschöpft werden. Eines der hervorragendsten M ittel zur Wahrheitserforschung ist der Eid. Von diesem Mittel muß wieder in angemessenem Umfange Gebrauch ge­ macht werden. Zil diesem Zweck sieht der Entwurf folgendes vor: Die bisherige Vorschrift des § 61 Nr. 5 S tP O , über das Absehen von der Vereidigullg bei offenbar

unglaubhaften Aussagen w ird ausgegeben. D a s A b ­ sehen vom Eide würde hier als eine Belohnung für dreiste Lügen angesehen werden können. D e r E id soll gerade in solchen F ä llen dazu dienen, eine wahre Aussage zu erzwingen. Aufgegeben w ird ferner die allgemeine Befugnis des Gerichts, ohne Rücksicht auf die Bedeutung der in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen von der Vereidigung abzusehen, wenn S ta a ts a n w a lt, Angeklagter und Verteidiger aus sie verzichten. D e r E n tw u rf geht davon aus, daß eine Aussage über erhebliche Tatsachen grundsätzlich be­ eidigt werden soll. Dementsprechend faßt der E n t­ w u rf in § 174 N r. 5 die bisherigen N rn . 5 und 6 des § 61 S t P O , zusammen und beschränkt die B e­ fugnis zum Absehen von der Vereidigung auf A us­ sagen über solche Tatsachen, die unerheblich oder von untergeordneter Bedeutung sind. Voraussetzung ist außerdem, daß weder der S ta a ts a n w a lt noch der Angeklagte noch der V erteidiger der Nichtvereidigung widerspricht. B ei der B eurteilung der „Unerheblich­ keit" oder der „untergeordneten Bedeutung" kommt es nicht auf die Bedeutung der S t r a f s a c h e an, sondern auf die Bedeutung der Tatsachen fü r das V e r f a h r e n . Auch in kleineren Strassachen ist also der Zeuge zu vereidigen, wenn die Tatsachen, über die er ausgesagt hat, für den Urteilsspruch Bedeutung haben. D e r Widerspruch gegen die Nichtvereidigung muß spätestens bis zur Entscheidung des Richters über die Vereidigung erklärt werden, da sonst der geordnete A blauf des Verfahrens gefährdet wäre. Uber einen späteren Widerspruch ist nach den Grundsätzen der §§ 64, 65 zu befinden.

im Hauptverfahren außerhalb der Hauptverhandlung im Rahmen einer vorbereitenden Beweisaufnahme (§ 45 ) und im Rahm en einer Beweissicherung (§ 38). F ü r das Vorverfahren w ird die Vereidigung nur zu­ gelassen, wenn Beweise zu sichern sind (§ § 5 Abs. 2, 1 0 ),wenn der Zeuge im Hauptverfahren voraussichtlich nicht vernommen werden kann (§ 10) oder wenn die Vereidigung nötig ist, um eine wahre Aussage herbei­ zuführen und von der Aussage der Fortgang des Verfahrens abhängt (§ 11). D ie Zulassung der V e r­ eidigung im V orverfahren zur Herbeiführung einer wahren Aussage ist für Ausnahmefälle nicht zu ent­ behren. M itu n te r gibt erst der Eideszwang überhaupt die Möglichkeit zur Anklageerhebung, wenn z. B . der T ä te r unbekannt ist, die in Betracht kommenden Zeugen aber die Namensnennung verweigern. D ie Möglichkeit, den Zeugen aus den Eideszwang im Hauptverfahren schon vorher hinzuweisen, genügt nicht für die F ä lle , in denen der Zeuge auf Grund seines Schweigens oder seiner falschen Angaben ge­ rade die Einstellung des Verfahrens erreichen w ill. Besonders dann, wenn sich die T a t in einer engeren Gemeinschaft abgespielt hat (z. B . bei W ilderei oder Zollvergehen), kann der E id zur Vorbereitung der Anklage manchmal nicht entbehrt werden. D ie V e r ­ fahrensvorschriften für diese Vereidigung enthält der § 11, der dafür S orge trägt, daß von ihr nur tu dringlichen F ä lle n Gebrauch gemacht wird. Auch durch Verwaltungsvorschristen w ird daraus hinzu­ wirken sein, daß der E id zur Erzwingung einer wahren Aussage im V orverfahren nur angewandt w ird, tvertn dies unumgänglich ist. §177

§ 175 Verweigerung

des E i d e s

§ 175 gibt dem zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen die Befugnis, die Beeidigung des Zeug­ nisses zu verweigern. Dieselben Gründe, die zum Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen führen (vgl. Bemerkungen zu § 164), lasten es in Überein­ stimmung m it dem bisherigen Recht (§ 63 S t P O .) fü r angezeigt erscheinen, den Angehörigen auch vor dem Eideszwang zu bewahren, über das Recht, den E id zu verweigern, w ird der Zeuge belehrt (§ 168 Abs. 3). § 176 Z e i t der V e r e i d i g u n g Absatz 1 stellt den wichtigen Grundsatz auf, daß der Zeuge in der Regel erst in der Hauptverhand­ lung vereidigt werden soll. D ie „Unm ittelbarkeit" der Beweisaufnahme (§ 66 ) verlangt, daß alle Bew eis­ m ittel unversehrt und in ihrer ursprünglichen W ir ­ kung dem erkennenden Gericht erhalten bleiben. D ie Vereidigung führt aber erfahrungsgemäß zu einer Festlegung des Zeugen auf die schriftlich nieder­ gelegte Aussage, von der der Zeuge auch unter den neuen Eindrücken der Hauptverhandlung nur ungern abgeht, w eil er sich nicht der Gefahr einer V e rfo l­ gung wegen Eidesverletzung aussetzen w ill. Um eine derartige Festlegung des Zeugen möglichst zu ver­ meiden, beschränkt der E n tw u rf die Vereidigung außer­ halb der Hauptverhandlung aus fest umrissene Ausnahmesälle. Zugelassen w ird die Vereidigung zunächst

Vorschriften außerhalb

für

der

die

Vereidigung

Hauptverhandlung

D ie Vorschrift regelt nu r die Frage, wer über die Vereidigung eines Zeugen außerhalb der Hauptver­ handlung zu bestimmen hat, ob hierüber die ersuchende S telle oder der vernehmende Richter entscheiden soll. W e r für die Vereidigung zuständig ist, an welchen Richter ein Ersuchen um Vereidigung zu richten ist und wer an der Untersuchungshandlung teilnehmen darf, ist an anderer S telle geregelt (§§ 10, 11, 45, 46, 47 des E ntw u rfs). S o w e it ein Zeuge im Vorverfahren durch einen Richter vernommen w ird, soll dieser über die V ereid i­ gung entscheiden. D ies g ilt vor allem auch für die Entscheidung der Frage, ob die Vereidigung zur H er­ beiführung einer wahren Aussage nötig ist und ob von der Aussage der Fortgang des Verfahrens ab­ hängt (§ 176 N r. 3). D e r E n tw u rf geht dabei von dem Gedanken aus, daß die Frage der Vereidigung meist erst nach der Aussage des Zeugen entschieden werden kann und daß die Notwendigkeit der V e r ­ eidigung am besten derjenige beurteilt, der den Zeugen vernommen hat. Demgegenüber muß der Gedanke, daß der S ta a ts a n w a lt als verantwortlicher Leiter des Vorverfahrens einen maßgebenden E influß auf die Vereidigung haben müsse, zurücktreten. D ie gleichen Gründe, die dazu geführt haben, auch im V orverfahren die Eidesabnahme dem Richter vo r­ zubehalten (§ 172), sprechen zwingend dagegen, den Richter gewissermaßen als Instrum ent des S ta a ts -

an w alts an dessen A ntrag zu binden, obwohl er selbst die Vereidigung für unangebracht hält. I m allgemeinen soll aus den genannten Gründen auch der beauftragte oder ersuchte Richter nach eigenem Ermessen über die Vereidigung entscheiden. Einem ausdrücklichen V erlangen des Vorsitzers oder des er­ suchenden Richters soll er jedoch nachkommen, wenn die Vereidigung gesetzlich zulässig ist. Aber auch in diesem F alle soll es dem vernehmenden Richter u n ­ benommen bleiben, die Vereidigung auszusetzen und eine neue Entschließung der beauftragenden oder er­ suchenden S telle einzuholen, wenn sich bei der V er­ nehmung Tatsachen ergeben, die nach § 174 Hur u n ­ eidlichen Vernehmung berechtigen. D ie Vereidigung muß unterbleiben, w enn die uneidliche Vernehmung verlangt w ird; dem V erlangen des Vorsitzers bzw. ersuchenden Richters muß der beauftragte oder ersuchte Richter insoweit nachkommen. § 178 Niederschrift I n der Niederschrift über die Bernehnm ng eines Zeugen ist anzugeben, ob er eidlich oder uneidlich vernommen worden ist. F ü r die H auptverhandlung ergibt sich dies aus § 95, wonach ersichtlich gemacht werden muß, daß die gesetzlichen Vorschriften über das V erfahren beobachtet worden sind. F ü r Vereidigungen außerhalb der H auptverhandlung ergibt sich dasselbe aus § 284 Abs. 1, 3. W ird nach den §§ 173, 174,175, 177 Abs. 2 von der Vereidigung abgesehen, so muß der G rund in der Niederschrift angegeben werden, dam it das Rechtsmittelgericht (und in den F ällen des § 177 Abs. 2 die Stelle, von der der A uftrag oder das Ersuchen ausgeht) zur Nachprüfung der Gesetzmä&igfeit in der Lage ist (vgl. hierzu die Bemerkungen zu § 174). W ird der Zeuge n u r für einen T eil seiner A us­ sage vereidigt, so ist dieser T eil in der Niederschrift genau zu bezeichnen. D ies , kann praktisch werden be­ sonders im $ a ö e des § 174 N r. 4; aber auch im Falle des § 173 N r. 3, wenn ein V erfahren mehrere T aten betrifft und das Vereidigungsverbot n u r für die A us­ sage über eine der T aten gilt. §179 Ei de . s n o r m u n d E i d e s f o r m e l § 179 übernim m t die Eidesnorm und die E ides­ form el des bisherigen Rechts (§ 66 c S tP O , in der Fassung des Gesetzes vom 24. November 1933). Die gleichzeitige Vereidigung mehrerer Zeugen w ird auch vom E ntw urf nicht ganz ausgeschlossen; der Richter kann sich bei der Vereidigung mehrerer Zeugen aus ein einm aliges Vorsprechen der E idesnorm be­ schränken. Aber auch dann muß jeder Zeuge die Eidesform el einzeln nachsprechen. D er E ntw urf gibt wie bisher dem Zeugen das Wahlrecht, ob er den Eid unter A nrufung G ottes oder unter Weglassung der sich auf G ott beziehenden W orte leisten will. D er S ta a t hat kein Interesse daran, einen Zeugen zu zwingen, daß er bei G ott schwört, wenn er nicht an G ott glaubt. D a andererseits die religiöse Eidesform erfahrungsgem äß die Regel bildet, ist eine besondere Belehrung über die andere M ög­

lichkeit nicht vorgesehen. E s kann vielmehr dem Zeugen überlassen bleiben, selbst einen entsprechenden Wunsch zu äußern. D er nichtreligiöse Eid steht dem religiösen in der W irkung (insbesondere hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen) völlig gleich. §180 V e r e i d i g u n g ft u nt m c r Z e u g e n D ie Vorschrift entspricht der Bestimmung des § 6 6 d des bisherigen Rechts, die sich bewährt hat. § 181 Beteuerungssormeln D en M itgliedern einiger Religionsgesellschaften (z. B. den Quäkern und M ennoniten) ist nach ihren Lehren die Eidesleistung verboten. Auf G rund ein­ zelner Landesgesetze ist ihnen in verschiedenen Teilet: Deutschlands gestattet, an Stelle des Eides eine B e­ teuerungsform el zu gebrauchen, die ihren Lehren ent­ spricht. § 181 nim m t darauf wie § 66 e der bisherigen S tP O . Rücksicht. D ie Zugehörigkeit zu einer solchen Religionsgesellschaft muß künftig glaubhaft gemacht werden. D er Gebrauch der Beteuerungssormel steht auch strafrechtlich der Eidesleistung gleich. § 182

B e ru fu n g auf den früheren Eid Z u r Vermeidung überflüssiger Eide läßt es der E ntw urf zu, daß ein Zeuge, der schon vereidigt ist und in demselben V erfahren nochmals vernommen wird, die W ahrheit seiner Aussage unter Berufung auf den früheren Eid versichert. E s liegt im Ermessen des Richters, ob er so verfahren oder den Eid erneut abnehmen will. D as geltende Recht sieht diese M ög­ lichkeit nur im Rahm en desselben V orverfahrens oder desselben H auptverfahrens vor; wird ein Zeuge, der im V orverfahren vereidigt war, im Hauptverfahrett nochmals vernommen, so muß er erneut den Eid leisten. Diese Einschränkung ist innerlich nicht ge­ rechtfertigt. D ie Berufung auf den früheren Eid ist nur bann zulässig, wenn es sich um denselben Verfahrensabschnitt oder um verschiedene Abschnitte im Rahmen des­ selben Verfahrens handelt. § 183 F a l s c h e A n g ä b e t : u n d u tt e tt t s ch u l d i g t e s Ausbleibet: Die Verletzung der vornehmsten Pflicht des Zeugen, nämlich unter Eid die W ahrheit zu sagen (§§ 154, 172), wird im Strafgesetzbuch unter Strafe, gestellt. Die V erfahrensordnung hat lediglich die Aufgabe, die Erfüllung der sonstigen Zeugenpflichten sicherzustellen. D er Zeuge kann sich seiner Pflichten zunächst da­ durch entziehen, daß er unentschuldigt ausbleibt oder sich unbefugt entfernt oder falsche Angaben als E n t­ schuldigung vorschützt. D er letztgenannte F all ist tt: § 138 des bisherigen S tG B , m it krimineller S trafe bedroht. D a der E ntw urf des Strafgesetzbuchs eine entsprechende Strafbestim m ung nicht übernommen

hat, ist nunm ehr eine Regelung in der V erfahrens­ ordnung notwendig. D er F all, daß der Zeuge sich unbefugt entsernt, ist im E ntw urf zur Klarstellung ausdrücklich genannt. D er Zeuge, der zu spät erscheint, ist ebenso zu behandeln wie der Zeuge, der überhaupt md)t erschienen ist. A ls Z w angsm ittel läßt der E n t­ w urf für diese Fälle die Ungehorsamsstrafe in Geld, die Ungehorsamshaft und die V orführung zu; damit sind die im S trafverfahren zulässigen Z w angsm ittel erschöpfend aufgeführt und sonstige Zw angsm ittel ausgeschlossen. D er E ntw urf vermeidet die Bezeich­ nung „O rdnungsstrafe", die das bisherige Recht (§ 51 S tP O .) verwendet, weil sie künftig dem O rdnungs­ strafgesetzbuch vorbehalten bleiben soll. Abweichend vom bisherigen Recht w ird die Ungehorsamshaft nicht nur als Ersatzfreiheitsstrafe, sondern schon an erster S telle zugelassen. Diese Änderung ist notw endig, um das Vorschützen falscher Angaben, das bisher mit krimineller S tra fe bedroht ist, von vornherein an ­ gemessen ahnden zu können. Voraussetzung für die Anwendung der Zw angsKnittel ist stets, daß der Zeuge geladen und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist. B ei ausreichender Entschul­ digung werden die A nordnungen aufgehoben. M ehr­ m alige Anwendung der Z w angsm ittel ist zulässig. D aß der Zeuge auch die durch seine Pflichtver­ letzung verursachten A uslagen zu ersetzen hat, ist in § 461 gesagt. §18-1 Unberecht igt e V e r w e i g e r u n g der A u s ­ sage oder des E i d e s D er Zeuge kann sich — abgesehen von den Fällen des § 188 — seinen Pflichten ferner dadurch ent­ ziehen, daß er ohne gesetzlichen G rund die Aussage oder den Eid verweigert oder die ihm aufgegebene V orbereitung der Aussage (§ 171) unterläßt. F ü r diese Fälle sieht der E ntw urf in Übereinstimmung m it dem bisherigen Recht (§ 70 S tP O .) die Ungehorsamsstrase in Geld und die Z w angshaft vor. B leibt der Zeuge bei seiner W eigerung, nachdem die Ungehorsamsstrafe vollstreckt ist, so kann sie wieder­ holt werden, und zw ar ohne die Beschränkung, die § 70 Abs. 4 S tP O , vorsieht. Neben der Ungehorsamsstrafe in Geld und un­ abhängig von ihr kann die Z w angshaft angeordnet w erden.' E s braucht nicht abgew artet zu werden, ob etwa eine zweite Ungehorsamsstrafe in Geld m ittel­ bar als Zw ang auf den Zeugen wirkt. D ie Z w angs­ haft ist vielmehr schon neben der ersten Ungehorsams­ strafe zulässig. I m übrigen find für die Zw angshast Einschränkungen vorgesehen, die im wesentlichen dem § 70 S tP O , entsprechen. § 185

Ungeh orsamsst raf e Nach dem Strafgesetzbuch (§ 41) soll künftig die Geldstrafe in dem ein- oder mehrfachen B etrag einer Tagesbuße bestehen. D er E ntw urf der V erfahrens­ ordnung sieht von einer entsprechenden Regelung für die Ungehorsamsstrafe in Geld ab, weil der V er­ nehmende, der die S tra fe zu verhängen hat, vielfach die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des

Zeugen nicht genau kennt, besonders dann nicht, wenn der Zeuge ausgeblieben ist. Deshalb soll die U n­ gehorsamsstrafe in Geld nach festen Reichsmark­ beträgen bemessen werden. Entsprechend dem E n t­ wurf des Ordnungsstrafgesetzbuchs ist die Vergünsti­ gung, die Ungehorsamsstrafe in Geld durch freie A rbeit abzulösen (vgl. § 43 S tG B .), nicht vorgesehen. Jedoch kann — wie im E ntw urf des Ordnungsstrafgesetz­ buchs — die Vollstreckung der Ersatzsreiheitsstrafe unter gewissen Voraussetzungen unterbleiben. § 186 Zust ändi gkei t Die V erteilung der Zuständigkeit für Ungehor­ samsstrafen und Zw angsm aßnahm en folgt der grund­ sätzlichen Aufgabenteilung der S trafverfahrensord­ nung, die die Verantwortlichkeit für das Vorverfahren dem S ta a tsa n w a lt und die für das Hauptversahren dem Vorsitzer des Gerichts zuweist. A us praktischen G ründen wird — wie im bisherigen Recht — die B efugnis zur A nordnung von Ungehorsamsstrafen' und Zw angsm aßnahm en auch dem beauftragten und dem ersuchten Richter sowie dem Richter im V or­ verfahren übertragen. Alle diese S tellen haben auch die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde. — Abs. 3 enthält Sondervorschriften für die Wehrmacht und die ihr gleichgestellten Verbände. § 187

A n t r a g aus richterliche Ent sc heidung D er Entw urf geht davon aus, daß dem S ta a ts ­ anw alt grundsätzlich auch ein Eingriff in die persön­ liche Freiheit des Beschuldigten und anderer B e­ teiligter gestattet toerbeit muß, weil er dieses M ittel zur schnellen und zielsicheren Durchführung der E r­ m ittlungen und dam it zur Erfüllung seiner V eran t­ wortlichkeit für das V orverfahren nicht entbehren kann. D a aber die Entziehung der persönlichen F re i­ heit einen der schwersten Eingriffe in die Persönlich­ keitsrechte darstellt, ist der E ntw urf der Auffassung, daß die Eingriffsbefugnis des S ta a tsa n w a lts nur eine v o r l ä u f i g e sein darf. F ü r den Haftbefehl des S ta a tsa n w a lts ist deshalb in § 215 die A n­ rufung des Richters (des Vorsitzers der Strafkam m er) Zugelassen. Diese G ründe sprechen für eine ähnliche Regelung bei denjenigen Ungehorsamsstrafen und Zw angsm aßnahm en, die eine Freiheitsentziehung enthalten, nämlich bei der Ungehorsamshast, der Z w angshaft und der Ersatzfreiheitsstrafe. Bei diesen M aßnahm en läßt daher § 187 neben der Beschwerde aus § 314 die A nrufung des Vorsitzers der S tr a f ­ kammer zu, in deren Bezirk der S taa tsa n w a lt seinen Amtssitz hat. I s t für das H auptverfahren der B e­ sondere S trafsenat des Reichsgerichts, der Volks­ gerichtshof oder das Oberlandesgericht zuständig, so soll der Vorsitzer des S e n a ts entscheiden. Die übrigen Bestimmungen des § 187 lehnen sich an die V or­ schriften des § 215 an (vgl. auch § 250). § 188 V e r n e h m u n g durch die P o l i z e i Aus den in der Einleitung dargelegten Gründen sollen nach dem E ntw urf die Vorschriften des Zeugen-

abschnitts grundsätzlich auch für Vernehmungen durch die Polizei gelten. Einzelne Vorschriften sind jedoch ausgenommen, damit sie die Polizei bei ihrer E r­ mittlungstätigkeit, die sich notwendig formloser ab­ spielt als diejenige des S taatsanw alts und des Rich­ ters, nicht unnötig beengen. Es gelten nicht § 167 über die Einzelvernehmung, § 168 Abs. 2 über die Ermahnung zur Wahrheit, § 169 über den Hergang der Vernehmung und die §§ 172 bis 182 über die Vereidigung. Wichtig ist, daß künftig die Polizei den Zeugen über ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 162 bis 165) zu belehren und von bloßstellenden Fragen im Rahmen des § 170 abzusehen hat. Das hängt damit zusammen, daß polizeiliche Nieder­ schriften über die Vernehmung eines Zeugen, der in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert, nach § 70 Abs. 2 verlesen werden dürfen und der Zeuge daher in den Fällen der §§ 162 bis 165 billigerweise darüber belehrt werden muß, daß ihm ein Aussage­ verweigerungsrecht zusteht. Abs. 2 gibt der Polizei die nötigen Zwangsmittel (Ungehorsamsstrafe in Geld bis zu fünfhundert Reichsmark und Vorführung), um das E r s ch e i n e n des Zeugen zu erzwingen. Dagegen erhält die Polizei keine Zwangsmittel zur Erzwingung d e r A u s s a g e ; die Einleitung und Durchführung des Zeugnis­ zwangsverfahrens soll dem Staatsanw alt oder Richter vorbehalten bleiben. F ü r das von der Polizei bei der Anordnung der zulässigen Zwangsmittel zu beobachtende Verfahren, insbesondere die Rechts­ mittel, soll das Polizeirecht maßgebend sein. Zweiter Abschnitt Sachverständige Dieser Abschnitt weicht vom geltenden Recht nicht wesentlich ab. Wichtig ist die Erweiterung der Sachverständigenpslicht in § 192, wonach grundsätzlich jeder, der zum Sachverständigen bestellt wird, zur Abgabe des Gutachtens verpflichtet ist. Andererseits sind die Personengruppen, die bei Widerspruch ihrer vorgesetzten Dienststelle nicht als Sachverständige ver­ nommen werden dürfen, erweitert worden (§ 192 Abs. 3). Die Vorschriften über die Vereidigung des Sachverständigen (§ 195) sind gegenüber dem gelten­ den Recht etwas gelockert. Die besonderen Bestim­ mungen des bisherigen Rechts über Ergänzungs­ gutachten (§ 83 Abs. 1 und 2), über Sachverständigen­ gutachten bei Vergiftung (§ 91) und bei Münzver­ brechen (§ 92) und über die Schriftvergleichung (§ 93) sind als entbehrlich gestrichen. Die Vorschriften gelten aus den in der Einleitung zu den §§ 154 bis 188 dargelegten Gründen nicht nur für die Sachverständigen des Richters, sondern auch für diejenigen des S taatsanw alts und, soweit es sich um die Tätigkeit in einem Strafverfahren handelt, der Polizei.

§ 189 und

Sachverständige sachverständige Zeugen

Aufgabe des Sachverständigen ist es, durch seine besondere Sachkunde den Richter, den Staatsanw alt

und die Polizei zu unterstützen (Absatz 1). Der S te l­ lung des Sachverständigen als eines sachkundigen Gehilfen entspricht es, daß Richter, Staatsanw alt und Polizei seine Tätigkeit nötigenfalls zu leiten haben; eine ausdrückliche Vorschrift hierüber (§ 78 S tP O .) ist jedoch entbehrlich. Der Abs. 2 über die Vernehmung Sachkundiger als sachverständige Zeugen entspricht dem bisherigen § 85 S tP O . § 190 A u s w a h l der S a c h v e r s t ä n d i g e n Ob und unter welchen Voraussetzungen der Richter, der S taatsänw alt und die Polizei Sachver­ ständige heranzuziehen haben, ist in besonderen V or­ schriften (§§ 3, 64, 194, 198, 199, 245, 380) geregelt. § 190 will nur d i e A u s w a h l der Sachverständigen und die Zuständigkeit dafür regeln. Hierbei handeln Richter, S taatsanw alt und Polizei nach freiem E r­ messen; einzelne Ausnahmen von diesem Grundsatz ergeben sich aus § 190 Abs. 2 und 3 und den §§ 3, 192, 194, 198, 199, 245 und 380 des Entwurfs. F ür die Auswahl ist im Vorverfahren der S ta a ts­ anwalt, im Hauptversahren der Vorsitzer zuständig. Daneben kann auch die Polizei im Rahmen der ihr durch § 8 zugewiesenen Ermittlungstätigkeit sich der Hilfe eines Sachverständigen bedienen. Daß auch das Gutachten einer Fachbehörde eingeholt werden kann, entspricht dem § 83 Abs. 3 S tP O . Daß eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sach­ verständige angeordnet werden kann, tucnit das G ut­ achten für ungenügend erachtet wird (§ 83 Abs. 1 S tP O .), bedarf keiner besonderen Regelung, ebenso­ wenig, daß die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen angeordnet werden kann, wenn der Sachverständige nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt worden ist (§ 83 Abs. 2 StVO.). Die Vorschrift über die Berücksichtigung der amt­ lich bestellten Sachverständigen (Abs. 2) entspricht dein § 73 Abs. 2 S tP O . Nach dem Abs. 3, der dem § 408 Abs. 3 ZPO. ent­ spricht, soll derjenige, der bei einer richterlichen E n t­ scheidung mitgewirkt hat, nicht über solche Fragen als Sachverständiger gehört werden, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben. Diese Vorschrift will verhindern, daß ein Gerichtsmitglied zu einem unter seiner Mitwirkung erlassenen Spruch zu­ stimmend oder ablehnend Stellung nehmen und dabei gleichzeitig offenbaren muß, in welchem Sinne es früher abgestimmt hat. Praktische Bedeutung hat dies vor allem nach einem vorangegangenen verwaltungs­ gerichtlichen, parteigerichtlichen oder ehrengerichtlichen Verfahren. Schließlich schreibt der Abs. 4 in Anlehnung an das bisherige Recht (§ 74 Abs. 2 Satz 2) vor, daß dem Beschuldigten die Bestellung des gen unverzüglich mitgeteilt wird; im Vorverfahren kann die Benennung aus besonderen Gründen unterbleiben. Die Mitteilung erfolgt, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, gegebenenfalls den Sachverstän­ digen abzulehnen, bevor dieser mit der Anfertigung des Gutachtens begonnen hat. 7

A b l e h n u n g des S a c h v e r s t ä n d i g e n Der Sachverständige kann wie tut bisherigen Recht aus den Gründen abgelehnt werden, die die Ablehnung des Richters rechtfertigen oder ihn tiont Richteramt ausschließen würden. Die Ausschließungs­ gründe hebt der Entwurf besonders hervor, da die §§ 123 Abs. 3 und 124 die Geltendmachung von Aus­ schließungsgründen von der Ablehnung, die nur auf Befangenheit gestützt werden kann, scheiden. Wegen der Ausschließungs- und Ablehnungsgründe im ein­ zelnen kann auf die §§ 121 bis 124 verwiesen werden. I m Absatz 1 wird klargestellt, daß ein Sachverständiger nicht deshalb abgelehnt werden kann, weil er in der Sache bereits als Zeuge vernommen worden ist oder ein Gutachten erstattet hat. Nach Absatz 2 steht das Ablehnungsrecht dem Staatsanw alt, dem Beschul­ digten, seinem gesetzlichett Vertreter und dem Ver­ teidiger zu. Absatz 2 Satz 2 bezeichnet die Stelle, die über die Ablehnung zu entscheiden hat. I m Absatz 3 wird das Verfahren der Ablehnung genauer geregelt als bisher. Im geltenden Recht sind die Sachverständigen nur wegen der G r ü n d e der Ab­ lehnung, nicht aber hinsichtlich des V e r f a h r e n s den Richtern gleichgestellt. Der Entwurf verweist da­ gegen auch wegen des Verfahrens in weitem Umfange auf die bei Ablehnung von Richtern geltenbett Vor­ schriften (§§ 125, 129 und 130: Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes; Äußerung des Abgelehnten; Prüfung von Amts wegen; unaufschiebbare Hand­ lungen). Der Beschluß, der die Ablehnung für be­ gründet erklärt oder zurückweist, ist mit den Beschrän­ kungen, die sich aus § 307 ergeben, mit der einfachen Beschwerde anfechtbar; die besonderen Vorschriften über die Anfechtung des Beschlusses, der die Ab­ lehnung eines Richters betrifft (§ 131), finden keine Anwendung. § 192

Pfl i cht zur E r s t a t t u n g des Gu t a c h t e n s Das geltende Recht (§ 75) beschränkt die Pflicht zur Begutachtung auf solche Personen, die zur E r­ stattung von Gutachten öffentlich bestellt sind, die ihren Beruf, der sie zur Erstattung des Gutachtens befähigt, öffentlich zum Erwerb ausüben, die zur Berufsausübung öffentlich bestellt oder ermächtigt sind oder die sich zur Gutachtenerstattung vor Gericht bereit erklärt haben. Diese Beschränkung bildet mit­ unter ein Hemmnis für die Heranziehung wirklich geeigneter Gutachter. Etttsprechettd den verättderten Anschauungen über die Pflichten des einzelnen gegen­ über der Gemeinschaft sieht deshalb der Entwurf eine allgemeine Pflicht zur Begutachtung vor, die nicht mehr aus bestimmte Personenkreise beschränkt ist. S o ­ weit in begründeten Fällen die Erfüllung der Sachverständigenpslicht zu Härten führen würde, gibt Absatz 2 Satz 2 die Möglichkeit zur Befreiung. — Daß das Gutachten auf Verlangen des Richters oder Staatsanw alts schriftlich niederzulegen ist, entspricht einem praktischen Bedürfnis. Die Verlesbarkeit eines schriftlichen Gutachtens in der Hauptverhandlung richtet sich nach den §§ 66 ff.

Abs. 2 Satz 1, der die Verweigerung des G ut­ achtens aus den Gründen zuläßt, die die Verweige­ rung der Zeugenaussage rechtfertigen, deckt sich sachlich mit § 76 Abs. 1 Satz 1 S tP O . Abs. 3 entspricht dem § 76 Abs. 2 S tP O , und dem § 9 Abs. 1 Satz 2 des Beamtengesetzes vom 26.1.1937 (RGBl. I S . 39). Den Amtsträgern des Staates und der Partei sind die Angestellten einer Dienststelle des S taates, die Soldaten (int Sinne des § 296 Abs. 1) und die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes gleich­ gestellt. Dies entspricht der Regelung, die im ersten Abschnitt für die Zeugen getroffen ist (§§ 158 bis 160), wobei jedoch frühere Amtsträger sowie Angehörige des Sicherheitsdienstes der f f aus­ genommen sind. Uber die Frage, ob die Heranziehung dieser Personen für den Dienst nachteilig wäre, ent­ scheidet der Dienstvorgesetzte. F ü r Beamte ist das nach § 2 Abs. 5 Satz 1 des Beamtengesetzes diejenige Stelle, die für beamtenrechtliche Entscheidungen über die persönlichen Attgelegenheiten des Beamten zu­ ständig ist. § 193

Vorbereitung

des

Gutachtens

Die Vorschrift gibt im wesentlichett § 80 S tP O , wieder. Abweichend von der für die Zeugen getroffenen Regelung (§ 167 des Entwurfs) kann einem später zu vernehmenden Sachverständigen die Atnvesenheit bei der Vernehmung eitles anderen Sachverstättdigett gestattet toerben. Es ist auch zulässig, mehrere Sach­ verständige gleichzeitig zu vernehmen. § 194

Arzt als Sachverständiger § 194 faßt die §§ 80 a, 246 a S tP O , in einer Vorschrift zusammen. F ü r das Vorverfahren ist im bisherigen § 80 a S tP O , nur vorgesehen, daß einem Sachverständigen Gelegenheit zur Vorbereitung des in der Hauptverhandlung zu erstattenden Gutachtens gegeben werden soll, wenn mit der Anordnung der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder der Entmannung zu rechnen ist. Wegen der Wichtig­ keit dieser Maßregeln soll nach § 194 künftig die An­ hörung des ärztlichen Sachverständigen über den körperlichen und geistigen Zustand des Beschuldigten schon im Vorverfahren erfolgen. I n der Hauptverhattdlung muß dann erneut derselbe oder ein anderer Sachverständiger gehört werden, wenn eine der genanntett Maßregeln angeordnet werden soll. Der Abs. 2 hebt schärfer als der bisherige § 246 a Satz 2 S tP O , hervor, daß der Arzt den Beschuldigten in allen Fällen untersuchen muß, bevor er sein Gutachten erstattet. Die Untersuchung muß auch gerade unter dem Gesichtspunkt der zu verhängenden M aß­ regel vorgenommen werden, über den Zeitpunkt der Untersuchung hat der Entwurf keine ausdrückliche Bestimmung getroffen. Sie wird meist im Vorver­ fahren erfolgen, da nach Abs. 1 der Sachverständige schon in diesem Versahrensabschnitt gehört werden

soll. Soweit dies nicht geschehen ist, wird die Unter­ suchung wegen ihrer Wichtigkeit möglichst v o r der Hauptverhandlung vorzunehmen sein.

§ 195 Vereidigung Nach § 79 S tP O , in der Fassung des Gesetzes vom 24. November 1933 (RGBl. I S . 1008) ist die Vereidigung des Sachverständigen in das Ermesset: des Gerichts gestellt; der Sachverständige ist jedoch zu vereidigen, wenn die Staatsanwaltschaft, der An­ geklagte oder der Verteidiger es verlangt. Der Entwurf sieht demgegenüber von jeder förmlichen Bindung an den Antrag eines Beteiligten ab und stellt die Ver­ eidigung in das pflichtmäßige Ermessen des Richters. Bei seiner Entscheidung über die Vereidigung wird die sachliche Bedeutung des Gutachtens eine Rolle spielen. Der In h a lt des Eides ist derselbe geblieben wie bisher. Ebenso wie der Zeuge (§ 172 Abs. 3) hat der Sachverständige den Eid nach Erstattung des Gut­ achtens abzugeben. Die in § 79 Abs. 3 S tP O , vorgesehene Berufung auf „eine allgemeine Vereidigung" ist infolge Be­ seitigung der Allgemeinvereidigung gegenstandslos geworden (§ 20 der VO. zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung von 20. 3.1935 — RGBl. I S . 403 —). F ü r sie besteht auch kein Bedürfnis mehr, da für die Vereidigung des Sachverständigen das richterliche Ermessen maßgebend ist. § 196

A n w e n d u n g der Vo r s c h r i f t e n üb e r Zeugen Die Vorschrift, nach der für Sachverständige die Vorschriften des vorhergehenden Abschnitts über die Zeugen entsprechend anzuwenden sind, gibt den § 72 S tP O , wieder; sie hat jedoch infolge der Umgestal­ tung des Zeugenabschnitts in verschiedenen Be­ ziehungen eine andere Bedeutung. Absatz 2 regelt die Maßnahmen, die bei Ver­ letzung der Sachverständigenpflichten und bei un­ berechtigter Verweigerung des Gutachtens oder des Eides anzuordnen sind. Ebenso wie das geltende Recht (§ 77) hält auch der Entwurf die Freiheits­ entziehung als M ittel zur Erlangung eines aus geistiger Arbeit beruhenden Gutachtens für un­ geeignet. Ungehorsamshaft, Zwangshaft, Ersatzfreiheitsstrafe und Vorführung werden daher aus­ geschlossen. Zulässig ist nur die Ungehorsamsstrafe in Geld. I m Gegensatz zum geltenden Recht kann die Ungehorsamsstrafe jedoch öfter als zweimal verhängt werden. Die Kosten, die der Sachverständige durch seine Säum nis verursacht, sind ihn: nach § 461 auf­ zuerlegen. D ritter Abschnitt

Augenschein Die Vorschriften über den Augenschein sind — anders als int bisherigen Recht — von den Bestim­ mungen über Sachverständige getrennt und in einem

besonderen Abschnitt zusammengefaßt. Dabei hat der Entwurf die Vorschriften über die Untersuchung von Personen (§§ 81 bis 81 b S tP O .) aus dem Ab­ schnitt über Sachverständige und Augenschein heraus­ genommen und in das dritte Hauptstück über Zwangs­ mittel eingestellt (§§ 243 bis 248 des Entwurfs). Sachlich folgt die Regelung des Augenscheins im all­ gemeinen dem geltenden Recht. Neu ist die Vorschrift des § 197 über die Voraussetzungen des Augenscheins. § 197 Voraussetzungen Die Vorschrift stellt im Absatz 1 klar, daß der Augenschein vom Richter, Staatsanw alt imt> der Polizei vorgenommen werden kann, daß er die Be­ sichtigung eines Menschen, einer Örtlichkeit oder einer Sache umfaßt und daß er vorgenommen wird, wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts nötig ist. Die Vorschrift begründet zugleich eine allgemeine Pflicht zur Duldung des Augenscheins. Diese Duldungs­ pflicht, die das Gegenstück zur allgemeinen Zeugnisund Sachverständigenpflicht (§§ 154,192) bildet, ent­ spricht dem bisherigen Recht, wo sie allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. Die Pflicht zur D ul­ dung des Augenscheins erstreckt sich gleichermaßen aus Menschen, Sachen und Örtlichkeiten. Handelt es sich jedoch darum, einen Menschen nicht nur zu besichtigen, sondern seinen Körper oder seinen Geisteszustand zu untersuchen oder körperliche Eingriffe ärztlicher Art vorzunehmen, so kommen die Vorschriften der §§ 243 sf. zur Anwendung. Abs. 2 enthält eine Beschränkung der Pflicht zur Duldung des Augenscheins aus Gründet: der Landes­ verteidigung. D as Verbot der Besichtigung geheimer Reichssachen enthält eine Ergänzung zu § 254 Abs. 3, der die Durchsuchung und Beschlagnahme geheimer Reichssachen verbietet. Der Absatz 3 ergänzt die §§ 284, 290 des E nt­ wurfs. E r betrifft den Augenschein nur insoweit, als er außerhalb der Hauptverhandlung eingenommen wird. Dies entspricht dem Zweck der Vorschrift, die lediglich sicherstellen will, daß die Niederschrift in der Hauptverhandlung, falls eine solche stattfindet, ver­ lesen werden kann (vgl. § 67 Abs. 2). §§ 198 bis 200 Lei chens chau, Le i c he nöf f t t ung V e r f ü g u n g ü b e r L e i ch e tt § 198 ändert das bisherige Gesetz (§ 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 S tP O .) in zwei Punkten. Einmal hat der Richter, der Staatsanw alt und die Polizei zur Leichenschau st e t s einen Arzt zuzuziehen, da nur ein Arzt mit Sicherheit feststellen kann, ob der Zu­ stand der Leiche auf eine S traftat hindeutet. Ferner soll möglichst ein Amtsarzt zugezogen werden, da zur Auswertung einer Leichenschau gerichtsmedizinische Erfahrungen nötig sind. § 199 regelt die Leichenöffnung im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem bisherigen Recht (§§ 87 Absatz 1, 88, 89, 90 S tP O .). Jedoch wird auch der S t a a t s a n w a l t ermächtigt, die Leichenöffnung anzuordnen. D as Erfordernis der Zuziehung eines 7*

zweiten Arztes (außer dem Amtsarzt) ist beibehalten worden, da sie ein sicheres Ergebnis gewährleistet und Fehler der Beurteilung bei der Art dieses Beweis­ mittels nicht wieder gut gemacht werden könnten. Die Vorführung deL Beschuldigten vor den Leichnam, die häufig nicht möglich oder nicht zweckmäßig ist, wird nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Die Vorschrift des Abs. 3, wonach die Niederschrift auch von den zugezogenen Ärzten zu unterschreiben ist, entspricht der gegenwärtigen Übung. Daß der Leichnam oder einzelne Teile vom Richter, vom Staatsan w alt und von der Polizei zurückbehalten werden dürfen, solange der Zweck des Verfahrens es erfordert (§ 200 Abs. 1), wird schon nach bisherigem Recht als zulässig anerkannt. Es scheint zweckmäßig, dies ausdrücklich klarzustellen. § 200 Abs. 2, der die Ausgrabung eines Leichnams regelt, entspricht sachlich dem § 87 Abs. 3 S tP O .

Drittes Hauptstück Z wangsm ittel Der Entwurf stellt dem Richter, dein S ta a ts­ anwalt und- der Polizei eine Reihe von Zwangs­ mitteln zur Verfügung, von denen die wichtigsten, nämlich die Untersuchungshaft, die vorläufige Fest­ nahme, die Beschlagnahme und die Sicherstellung von Beweisen, die Durchsuchung und die Untersuchung von Menschen im dritten Hauptstück unter der gemein­ samen Überschrift „Zwangsmittel" zusammengefaßt werden. Einzelne Zwangsbefugnisse werden aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Zusammenhang mit den V or­ schriften behandelt, deren Durchsetzung der Zwang dient; so die Vorführung und die Verhaftung des Beschuldigten zur Erzwingung seines Erscheinens (§§ 53, 150, 328), die Festhaltung des Angeklagten während der Hauptverhandlung (§ 54) und die Zwangsmaßnahmen gegen Zeugen und Sachverstän­ dige (§§ 183, 184, 188, 196). Die Anwendung der Zwangsmittel im Strafver­ fahren regelt der Entwurf unter neuen Gesichts­ punkten. D as bisherige Recht behält die Entscheidung über die Verhaftung, die Beschlagnahme, die Durch­ suchung und die Untersuchung grundsätzlich dem Richter vor und gestattet auch im Ermittlungsver­ fahren dem S taatsanw alt grundsätzlich nur vor­ läufige Maßnahmen. Der Entwurf verläßt diese Regelung aus den Gründen, die in der Einleitung zum Vorverfahren dargelegt sind. E r gewährt dem Staatsanw alt im Vorverfahren die Zwangsbefug­ nisse, ohne die er die Verantwortung für diesen Ver­ fahrensabschnitt nicht tragen kann, grundsätzlich in demselben Umfang wie im Hauptverfahren dem Richter. E r legt insbesondere im Vorverfahren die Entscheidung über den Erlaß des Haftbefehls, die Beschlagnahme und die anderen in diesem Hauptstück geregelten Zwangsmittel in die Hand des S ta a ts ­ anwalts. Dem Staatsanw alt gebühren auch die weiteren Entscheidungen des Vorverfahrens, die sich auf diese Maßnahmen beziehen. Wird seine

Entscheidung angefochten, so ist sie innerhalb der

Behördenorganisation der Staatsanwaltschaft, also durch den vorgesetzten Staatsanw alt, nachzuprüfen. Lediglich gegen gewisse schwerwiegende Zwangs­ maßnahmen des Staatsanw alts, deren Vollstreckung einer Vorwegnähme des richterlichen Urteils gleich­ kommen kann — gegen den Haftbefehl und die Vermögensbeschlagnahme — , gestattet der Entwurf dem Betroffenen die Anrufung des Richters (§§ 215, 250, 409). Nach der Erhebung der Anklage obliegen alle Maßnahmen, die sich auf die Anwendung der Zwangsmittel beziehen, dem Vorsitzer des Gerichts. Erster Abschnitt Untersuchungshaft D as Recht der Untersuchungshaft hat in der S tP O , wiederholt Wandlungen erfahren. Es ent­ sprach dem liberalen Zeitgeist, aus dem die S tra f­ prozeßordnung von 1877 entstanden war, daß bei der Gestaltung des Rechts der Untersuchungshaft der Schutz des einzelnen gegenüber der Staatsgew alt mehr im Vordergrund stand als der Schutz des Volkes gegenüber dem Verbrecher. D as im Jah re 1926 eingeführte Haftprüfungsverfahren brachte diese Einstellung verstärkt zum Ausdruck; es führte zu einer weiteren Schwächung der staatlichen Macht­ mittel im Strafverfahren und zu unsachgemäßen Ver­ zögerungen. Erst nach dem Umbruch wurde das Recht der Untersuchungshaft derart umgestaltet, daß dieses Zwangsmittel — unter Vermeidung aller Härten gegenüber dem Betroffenen — zu einer scharfen Waffe im Kampf gegen strafbares Unrecht wurde. D as Gesetz vom 24. 4.1934 (RGBl. I S . 341) beseitigte das Haftprüfungsverfahren und ersetzte es durch die allgemeine Pflicht des Staatsanw alts und der Gerichte, jederzeit von Amts wegen darauf zu achten, ob die Fortdauer der Untersuchungshaft zulässig und notwendig ist. Eine weitere Änderung brachte die Strafverfahrensnovelle vom 28. 6. 1935 (RGBl. I S . 844). Sie fügte zwei neue Hastgründe ein, die die Verhaftung auch dann rechtfertigen, wenn der B e­ schuldigte die Freiheit zu neuen strafbaren Hand­ lungen mißbrauchen würde oder wenn es mit Rück­ sicht aus die Schwere der T at und die durch sie hervor­ gerufene Erregung der Öffentlichkeit nicht erträglich wäre, den Beschuldigten in Freiheit zu lassen. Der Entwurf setzt diese Entwicklung fort. E r saßt die Gründe, die die Untersuchungshaft rechtfertigen, in den §§ 201, 202 zusammen, die in der Gestaltung der Haftgründe auf dem seit 1935 geltenden Recht aufbauen, unter diesen Voraussetzungen die Verhaftung aber zwingend vorschreiben. Die erforderliche Beweg­ lichkeit wird dadurch gewährleistet, daß der Entwurf nicht nur die Anwendung, sondern auch die Fortdauer der Untersuchungshaft dem Grundsatz der Verhältnis­ mäßigkeit unterwirft, nach dem die mit der Unter­ suchungshaft verbundenen Nachteile nicht außer Ver­ hältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder sichernden Maßregel stehen dürfen (§ 201 Abs. 2). Is t der Haftbefehl wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr erlassen, so wird der Beschuldigte mit dem Haftvollzug verschont, wenn sich der Zweck der Untersuchungshaft durch andere

Maßnahmen erreichen läßt (§ 207). Während der Dauer der Haft ist jederzeit von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Hast noch vorliegen und ob ihre Fortdauer geboten ist (§§ 209, 210). Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Ver­ haftungen regelt der Entwurf nach dem Grundsatz, daß der S taatsanw alt für das Vorverfahren, das Gericht unter Führung des Vorsitzers für das Haupt­ verfahren verantwortlich ist; im Vorverfahren kann an Stelle des S taatsanw alts in Eilfällen auch der Amtsrichter den Haftbefehl erlaffen (§ 214). Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unter­ suchungshaft sind für den Staatsanw alt dieselben wie für Len Richter. F ü r die Fälle, in denen der dringende Tatverdacht oder ein Haftgrund noch nicht ausreichend dargetan, aber zu erwarten ist, daß die weiteren Ermittlungen die Voraussetzungen des Haftbefehls ergeben werden, steht dem Amtsrichter, dem S taatsanw alt und der Polizei das Recht der vorläufigen Festnahme zu (§ 217). Hat der S ta a ts ­ anw alt oder an seiner Stelle der Amtsrichter den Haftbefehl erlassen, so kann der Beschuldigte im V or­ verfahren nach Ablauf von zwei Wochen des Voll­ zuges die richterliche Entscheidung anrufen (§ 215). Uferlosen Haftbeschwerden wird ein Ziel gesetzt, in­ dem § 212 eine Wiederholung erfolgloser Hastent­ lassungsanträge einschränkt und dadurch die schnelle und zielsichere Durchführung der Ermittlungen wesentlich erleichert. § 201

V o r a u s s e t z u n g e n fLir d i e A n o r d n u n g der Unt er s uchungs haf t Voraussetzung des Haftbefehls ist, daß der Beschul­ digte einer S traftat dringend verdächtig ist. Zu diesem Erfordernis muß ein Haftgrund hinzutreten; als Haftgründe kennt der Entwurf die Fluchtgefahr, die Verdunkelungsgefahr, die Gefahr neuer Straftaten und schließlich das Schutz- und Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft, das bei schweren oder verwerflichen Taten die Verhaftung auch dann fordern kann, wenn neue Straftaten nicht zu erwarten sind. Der Tatverdacht gegen den Beschuldigten berechtigt entsprechend dem bisherigen Recht (§112 S tP O .) nur dann zum Erlaß eines Haftbefehls, wenn er dringend ist, d. h. wenn er einen solchen Grad erreicht hat, daß der Verdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit als der T äter anzusehen ist. Die einschneidende Wirkung des Haftbefehls fordert einen höheren Grad des Ver­ dachts als bei anderen Zwangsmitteln, zu deren An­ wendung ein Tatverdacht minderen Grades Anlaß geben kann (so bei der Beschlagnahme, der Durch­ suchung und der Untersuchung, §§ 219, 236, 243). Bei Schuldunfähigkeit des Tatverdächtigen greift § 202 Platz. Unter den Haftgründen stellt der Entwurf im Abs. 1 Nr. 1 die Fälle voran, in denen der Beschul­ digte bereits flüchtig ist oder sich verborgen hält. Ih n en stellt der Entwurf die Fälle gleich, in denen zu besorgen ist, daß der Beschuldigte fliehen werde. Die Fluchtgefahr muß sich aus den Umständen des Einzel­ salls ergeben; diese Umstände sind im wesentlichen

nach § 203 Abs. 2 Nr. 2 im Haftbefehl anzugeben. Eine Vermutung des Fluchtverdachts kennt der E nt­ wurf nicht mehr. Dies hat darin seinen Grund, daß bisher die Vermutung der Fluchtgefahr an Merkmale geknüpft war, die das neue Strafgesetzbuch nicht mehr kennt oder inhaltlich verändert, und daß die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes für sich allein keinen sicheren Schluß auf die Schwere der T at zuläßt. Nach der dem neuen S tG B , zugrunde liegenden konkreten Betrachtungsweise müßte die Vermutung der Flucht­ gefahr an eine bestimmte Mindestgrenze der im Einzel­ falle zu erwartenden Strafe oder sichernden Maßregel geknüpft werden, also an Voraussetzungen, die sich im Zeitpunkt der Verhaftung nur selten feststellen lassen. Der Entwurf zieht es daher vor, für die Frage der Fluchtgesahr auf die Umstände des Einzelsalles zu verweisen, ohne Bindung an starre Regeln. Bei dieser Regelung ist es auch entbehrlich, die Vermutung der Fluchtgefahr an die Umstände zu knüpfen, die der § 112 Abs. 2 Nr. 2, 3 S tP O . (Heimatlose, Land­ streicher, Ausländer) bezeichnet. Die Verdunkelungsgefahr (Nr. 2) darf nur dann zur Verhängung der Untersuchungshaft führen, wenn die Umstände des Einzelfalles die Besorgnis begrün­ den, der Beschuldigte werde die Freiheit dazu miß­ brauchen, entweder selbst oder durch die Mithilfe anderer der Erforschung des Sachverhalts in un­ zulässiger Weise Hinderniffe zu bereiten. Auch dieser Haftgrund muß auf bestimmte Umstände gestützt wer­ den, die im wesentlichen im Haftbefehl anzugeben sind (§ 203 Abs. 2 Nr. 2). Jedoch ist abweichend vom bisherigen Recht nicht erforderlich, daß einzelne be­ sondere Tatsachen, insbesondere bestimmte Handlun­ gen oder Vorbereitungen des Beschuldigten — etwa zur Vernichtung von Spuren oder Beeinflussung von Zeugen — zu dem Verdacht Anlaß geben. Ein weiterer Haftgrund kann sich nach Nr. 3 aus der Besorgnis ergeben, der Beschuldigte werde in der Freiheit erneut straffällig werden. Die Strafrechts­ pflege soll nach der neuen Rechtsauffaffung nicht nur begangenes Unrecht sühnen, sondern auch die Volks­ gemeinschaft vor neuen Angriffen des Täters be­ wahren. F ü r die Feststellung der Gefahr weiterer Straftaten können frühere Straftaten, die auf einen Hang zum Verbrechen schließen lassen, ebenso von Bedeutung sein wie bereits getroffene Vorbereitungen oder die aus verbrecherischer Veranlagung erwach­ sende allgemeine Bereitschaft zu weiteren Straftaten oder andere Merkmale. Der in Nr. 4 aufgeführte Haftgrund beruht auf der Erwägung, daß Straftaten, die wegen ihrer Schwere oder ihrer Verwerflichkeit in besonderem Maße das Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft wachrufen, schlagartig Maßnahmen nach sich ziehen müssen, die der Entschlossenheit der Strafrechtspflege zu schneller Sühne sichtbaren Ausdruck verleihen. I n solchen Fällen braucht nicht immer Fluchtgefahr vorzuliegen. cJn Ergänzung der in der Novelle vom 28. Ju n i 1935 getroffenen Regelung gibt nach dem Entwurf außer der Schwere auch die Verwerflichkeit einer S traftat zu der Verhaftung Anlaß, wenn das Verbleiben des Beschuldigten auf freiem Fuße un­ erträglich wäre. Auch ist nicht Voraussetzung, daß die T at die Erregung der Öffentlichkeit bereits hervor-

gerufen hat; die Inhaftnahme wegen einer solchen T at soll schon möglich sein, bevor die Öffentlichkeit von ihr Kenntnis erlangt hat. Der Haftgrund und die wesentlichen Umstände, die seine Annahme rechtfertigen, sind, wie bereits hervorgehoben wurde, stets tut Haftbefehl zu be­ zeichnen (§ 203 Abs. 2 Nr. 2). Damit wird die bisher nur für einzelne Haftgründe geltende Vorschrift, daß die beit Haftgrund bestimmenden Tatsachen akten­ kundig zu machen sind, auf alle Hastgründe aus­ gedehnt. Die Begründung des Haftbefehls wird dem Beschuldigten mit dem Haftbefehl bekanntgegeben f§ 204). Fällt ein Haftgrund im Laufe des Ver­ fahrens fort, so kann er durch einen anderen ersetzt werden. Die darin liegende Abänderung des Haft­ befehls ist in gleicher Weise wie die Anordnung der Untersuchungshaft schriftlich festzulegen und dem Be­ schuldigten bekanntzugeben. Im Gegensatz zum bisherigen Recht schreibt der Entwurf die Verhängung der Untersuchungshaft zwingend vor, wenn dringender Tatverdacht und ein Hastgrund vorliegen. Denn der Abs. 1 bezeichnet die Voraussetzungen" der Untersuchungshaft in einer Weise, daß bei ihrem Vorliegen grundsätzlich zur Be­ seitigung der drohenden Gefahr das M ittel des Haft­ befehls eingesetzt werden mu ß . £)ie Pflicht, unter diesen Voraussetzungen zur Verhaftung zu schreiten, wird aber zur Vermeidung unbilliger Härten einmal ditrch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ge­ lockert, bett der Abs. 2 ausspricht, sodann durch die Möglichkeit, nach § 207 zur Vermeidung des Hast­ vollzuges gelindere Maßnahmen zu treffen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs. 2) darf die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn die mit ihr für den Betroffenen verbundenen Nachteile zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden S trafe oder sichernden Maßregel außer Verhältnis stehen. Diese bewegliche, die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigende Regelung bietet die Ge­ währ, daß die Entscheidung über die Verhaftung den Intereffen der Strafrechtspflege in vollem Umfang gerecht wird, ohne den Beschuldigten unbillig hart zu treffen. Da sich nicht allgemein feststellen läßt, in welchen Fällen die Untersuchungshaft im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe als zu schwerwiegend erscheint, hebt der Entwurf alle Einschränkungen auf, die § 113 StV O , im Bereich der kleinen Kriminalität für die Verhängung der Untersuchungshaft vorsieht. Wo die Verfolgung der T at nicht Pflicht des S ta a ts­ anwalts ist, sondern in seinem Ermessen steht (§§ 15 bis 24), kann auch keine Pflicht des Staatsanw alts bestehen, für die Zwecke der Verfolgung den Haft­ befehl zu erlassen. Die Pflicht, die der § 201 be­ gründet, ist daher durch die Vorschriften über die Lockerung der Verfolgungspflicht in dem Maße ge­ lockert, in dem die Verfolgungspflicht entfällt. Der Entwurf enthält keine besondere Bestimmung darüber, daß der Erlaß eines Haftbefehls von der Stellung des Strafantrages oder von der Anord­ nung, der Zustimmung oder dem Verlangen der Strafverfolgung in den Fällen unabhängig ist, in denen das sachliche Recht diese Voraussetzungen für die Verfolgung fordert. Die Erfüllung dieser Versahrensvorausseßungen zählt auch künftig nicht zu den

Erfordernissen für die Anordnung der Untersuchungs­ haft. Soweit der Strafantrag Verfahrensvoraus­ setzung ist, ist aber zu beachten, daß die Verfolgungs­ pflicht bei Antragstaten gelockert ist (§ 19 Abs. 2) und daß in demselben Maße auch nach dem oben Be­ merkten die Pflicht zur Erlassung des Haftbefehls entfällt. Die Anordnung der Untersuchungshaft wird daher im Bereich der Antragstaten schon mit Rück­ sicht hierauf nur in besonders schwerwiegenden Fällen in Betracht kommen. — Die näheren Bestimmungen darüber, ob der Antragsberechtigte oder die für die Erklärung der Anordnung, der Zustimmung oder des Verlangens zuständigen Stellen zu benachrichtigen sind, wenn der Haftbefehl vor der Stellung des Äntrages oder der Erklärung erlassen wird, behält der Entwurf den Richtlinien vor.

§ 202 Un t e r s u c h u n g s h a f t gegen Schuldu n fä h i ge Der Erlaß eines Haftbefehls ist nach § 201 davon abhängig, daß der Beschuldigte einer S traftat drin­ gend verdächtig ist. Demnach setzt der Haftbefehl nach § 201 schuldhaftes Handeln des Täters voraus, kann also nach dieser Vorschrift nicht erlassen werden, wenn der Beschuldigte zur Zeit der Tat schuldunfähig war und deshalb nicht bestraft werden kann. Beruht die Schuldunfähigkeit auf krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewußtseins­ störung oder aus Taubstummheit (§§ 20, 22 S tG B .), so ist der Beschuldigte aber einzelnen M aß­ regeln der Sicherung, Besserung und Heilung unter­ worfen. Gegen ihn kann die Unterbringung in einer Heil- oder Pstegeanstalt, die Unterbringung in.einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt und die Entmannung angeordnet werden (§§ 67, 68, 73, 74 S tG B ). Um die Durchführung eines Verfahrens, das mit der Anordnung einer solchen Maßregel enden kann (§ 378 StV O ), in gleicher Weise wie die des Strafverfahrens zu sichern, gestattet § 202 die Anordnung der Untersuchungshaft in entsprechender Anwendung des § 201, wenn der Beschuldigte drin­ gend verdächtig ist, eine mit Strafe bedrohte T at im Zustand der Schuldunfähigkeit (§§ 20, 22 S tG B .) begangen zu haben. Entgegen § 126 a S tP O ., der für ähnliche Fälle den Unterbringungsbefehl zur Verfügung stellte, sieht der Entwurf den Erlaß eines Haftbefehls vor und übernimmt damit auch die allgemeinen Hastgründe des § 201. Von diesen sind für Schuldunfähige, gegen die eine sichernde Maßregel angeordnet werden kann, die in § 201 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 bezeichneten von besonderer Bedeutung. Bildet der Schuldunfähige eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, sind also weitere Taten von ihm zu erwarten, so trifft der in § 201 Abs. 1 Nr. 3 bezeichnete Hastgrund zu. Ist sein Verbleiben in der Freiheit wegen der Schwere oder Verwerflichkeit seiner Taten für die Volksgemein­ schaft unerträglich, so ist er nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 in Haft zu nehmen. Die besonderen Voraussetzungen des Unterbringungsbefehls des § 126 a S tP O , brauchten bei dieser Regelung nicht übernomnten zu werden.

Haftbefehl Die Anordnung der Untersuchungshaft ist schrift­ lich zu treffen. F ü r den In h a lt des Haftbefehls gibt Abs. 2 Anweisungen, deren Beobachtung im In te r­ esse des Beschuldigten und des weiteren Versahrensganges zwingend vorgeschrieben ist. Der Beschuldigte ist so genau zu bezeichnen, daß seine Person außer Zweifel steht. Die Angaben brauchen sich nicht wie bei der Anklageschrift (§ 28 Abs. 2 Nr. 1) aus Einzel­ heiten zu erstrecken, da diese bei Erlaß des Haft­ befehls häufig nicht bekannt sind. Die Tat, die dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, ist so zu bezeichnen, daß sie in ihren Umrissen erkennbar ist; im einzelnen gelten die gleichen Bestimmungen wie für den Anklägesatz (§ 28 Abs. 2 Nr. 2). Die Annahme drin­ genden Tatverdachts braucht im Haftbefehl nicht näher begründet zu werden. Dagegen muß der Haft­ befehl den Haftgrund und die wesentlichen Umstände anführen, die seine Annahme rechtfertigen. Dadurch wird sichergestellt, daß die Tatsachen, die zur Ver­ hängung der Untersuchungshaft führen, in jedem Falle aktenkundig gemacht werden. Is t der Beschuldigte beim Erlaß des Haftbefehls noch nicht ergriffen, so ist nach Abs. 3 im Haftbefehl auch das Gefängnis zu bezeichnen, in das er ein­ zuliefern ist. Dies kann entweder durch die Angabe einer bestimmten Gefangenenanstalt oder durch die Anordnung geschehen, den Beschuldigten nach seiner Ergreifung in das nächste Gefängnis einzuliefern. Enthält ein Haftbefehl eine solche Angabe nicht oder kann der Verhaftete nicht unverzüglich in das be­ zeichnete Gefängnis eingeliefert werden, so ist er in das nächste Gefängnis zu überführen (§ 205 Abs. 1 Satz 2). §204 B e k a n n t g a b e des Ha f t b e f e h l s § 204 trifft Vorsorge, daß der Beschuldigte recht­ zeitig die ihm zur Last gelegte Beschuldigung und den Haftgrund erfährt, um sich gegen etwaige irrige An­ nahmen wirksam verteidigen zu können. Der Haft­ befehl wird ihm daher unverzüglich, nach Möglichkeit schon beim Vollzug, bekanntgegeben. Die A rt der Bekanntgabe richtet sich nach § 282. Kann der Haft­ befehl bei der Verhaftung nicht bekanntgegeben wer­ den, etwa weil der schriftliche Haftbefehl oder eine Ausfertigung nicht zur Stelle ist, so wird die Be­ kanntgabe vorläufig dadurch ersetzt, daß dem Beschul­ digten eröffnet wird, welcher S tra fta t er verdächtig ist. Die Bekanntgabe des Haftbefehls ist in diesem Falle unverzüglich nachzuholen. Der Beschuldigte kann nach § 282 eine Abschrift des Haftbefehls ver­ langen. § 204 Abs. 2 schreibt vor, daß er bei der Ver­ kündung auf dieses Recht hinzuweisen ist. § 205 E i n l i e f e r u n g und V e r n e h m u n g des V e r h a f t e t e n Wird der Haftbefehl vollstreckt, so soll der Be­ schuldigte Gelegenheit erhalten, seine Einwendungen gegen die Verhaftung alsbald vor dem zuständigen

Richter oder Staatsanw alt in einer Vernehmung vor­ zubringen. Der Entwurf schreibt daher vor, daß der Ergriffene unverzüglich, spätestens am Tage nach der Ergreifung, in das im Haftbefehl bezeichnete Ge­ fängnis eingeliefert wird; hiervon wird der Richter oder der Staatsanw alt, der den Haftbefehl erlassen hat, sofort benachrichtigt, um die nunmehr gebotenen Maßnahmen treffen zu können. Die Einlieferung ist so zu beschleunigen, wie dies nach Lage der Sache unter Berücksichtigung der Geschäftslage möglich ist; sie darf nicht über den Tag nach der Ergreifung hinausgeschoben werden. Kann der Ergriffene inner­ halb dieser Frist nicht in das im Haftbefehl bezeichnete Gefängnis eingeliefert werden oder ist im Haftbefehl kein Gefängnis bezeichnet, so ist er in das nächste Gefängnis zu überführen. Die Vernehmung des Beschuldigten ist unverzüg­ lich durch den nach ’§ 214 Abs. 3 zuständigen Richter oder Staatsanw alt durchzuführen. Läßt sie sich mit Rücksicht aus die besondere Sachlage am Tage der Einlieferung nicht mehr ermöglichen, so kann sie auf den folgenden Tag verschoben werden. Hat der zu­ ständige Richter oder Staatsanw alt seinen Amtssitz nicht am Haftort, so führt der Amtsrichter des Hast­ ortes auch ohne besonderes Verlangen des Beschul­ digten innerhalb der bezeichneten Frist die Verneh­ mung durch und nimmt die Erklärungen des Ver­ hafteten zur Tat- und Haftfrage entgegen. Zur Ent­ scheidung über die Entlassung aus der Haft ist der Amtsrichter des Haftortes nur in beschränktem Um­ fange befugt. E r hat zu prüfen, ob der Haftbefehl noch fortbesteht und ob der Verhaftete mit dem im Haftbefehl Bezeichneten personengleich ist; treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so ist der Verhaftete sofort freizulassen. Die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des Haftbefehls noch fortbestehen, bleibt dem zuständigen Richter oder S taatsanw alt vorbehalten. Ergibt sich bei der Vernehmung, daß der im Haftbefehl angenommene Tatverdacht offen­ sichtlich haltlos ist, so darf der Amtsrichter des Haft­ ortes zwar nicht den Haftbefehl aufheben; er hat je­ doch den Beschuldigten sofort zu entlassen. Der Ver­ haftete soll in diesem Falle nicht bis zur Aufhebung des Haftbefehls durch den zuständigen Staatsanw alt oder Richter in Haft gehalten werden. Bei der Vernehmung ist nach § 152 zu verfahren. Führt der Amtsrichter die Vernehmung durch, so er­ hebt er im Rahmen des § 9 Abs. 3 die vom Beschul­ digten beantragten Beweise. Ferner schreibt § 205 Abs. 4 vor, daß der Beschuldigte bei der Vernehmung über die gegen den Haftbefehl zulässigen Rechtsbehelse belehrt wird. § 206 N a c h ric h t v o n d e r V e r h a f t u n g Die Vorschrift ermöglicht dem Verhafteten die alsbaldige Benachrichtigung seiner Angehörigen unb anderer, die ihm in der Regelung persönlicher An­ gelegenheiten während der Haft beistehen können oder die er aus einem sonstigen wichtigen Grunde von seiner Verhaftung in Kenntnis setzen möchte. Eine Benachrichtigung von Amts wegen schreibt der Ent­ wurf nicht vor. Form und In h a lt der Nachricht dürfen jede Einschränkung erfahren, die sich aus einer

möglichen Gefährdung des Untersuchungszweckes er­ gibt. I n Zweifelsfällen entscheidet der Richter oder der S ta a tsa n w a lt, dem die Entscheidung über die Untersuchungshaft zusteht (§ 213 Abs. 3, § 214). § 207 M a ß n a h u le n z u r V e r m e i d u n g des H a f t v o l l z u g s I s t der Haftbefehl erlassen, so ist er grundsätzlich auch zu vollziehen. V o n diesem Grundsatz läßt der E n tw u rf im Interesse der Schonung des Betrosfenen Ausnahmen fü r die F älle zu, in denen sich der H a ft­ zweck auch durch andere Maßnahmen als den Hast­ vollzug erreichen läßt. Is t die Untersuchungshaft wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angeordnet, so werden häufig mildere Maßnahmen genügen, um den m it der H aft bezweckten E rfo lg zu erzielen. D e r Fluchtgefahr kann insbesondere durch die Sicherstel­ lung der Ausweise über die Person des Beschuldigten, durch Grenzsperre, Aufenthaltsbeschränkungen, A u f­ erlegung einer M eldepflicht oder einer Sicherheits­ leistung begegnet werden, der Verdunkelungsgefahr durch Auferlegung von Verpflichtungen (z. B . zur Ablieferung oder regelmäßigen Vorlage der Ge­ schäftsbücher) oder durch sonstige Maßnahmen. Läßt sich bei Flucht- oder Verdunkelungsgefahr der H a ft­ zweck durch andere Maßnahmen erreichen, so hat der Richter oder S ta a tsa n w a lt anzuordnen, daß vom Vollzüge abzusehen ist. D ie in § 201 Abs. 1 N r. 3 und 4 aufgeführten Haftgründe lassen ihrer besonderen A r t nach ein A b ­ sehen vom Vollzüge nicht zu, da die Anordnung der Untersuchungshaft in den dort geregelten F ällen durch ein Absehen vom Vollzüge der beabsichtigten W irkung beraubt würde. Is t der Haftbefehl nach h 202 wegen einer vom Beschuldigten im Zustand der Schuld­ unfähigkeit begangenen T a t erlassen, so w ird auch im F alle der Flucht- oder Verdunkelungsgefahr regel­ mäßig eine Maßnahme zur Vermeidung des H a ft­ vollzuges nicht in Betracht kommen. D er Haftbefehl soll in diesem F alle die Durchführung des Verfahrens sichern, solange die M öglichkeit besteht, daß gegen den Beschuldigten eine M aßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung angeordnet wird. Gleichzeitig m it der Abstandnahme vom H a ft­ vollzug ist die in Betracht kommende Maßnahme zu treffen. Es können auch mehrere Maßnahmen neben­ einander angeordnet oder die angeordneten aus­ gewechselt werden. E in Absehen vom Vollzüge gegen Sicherheitsleistung kommt, wie sich aus Abs. 2 ergibt, n ur in Betracht, wenn der Haftbefehl wegen F lucht­ gefahr erlassen worden ist. I n diesem Falle liegt es im Ermessen des Richters oder S taatsanw alts, die Vergünstigung zu gewähren oder trotz des Angebots einer Sicherheit den Vollzug der H aft anzuordnen. E r w ird bei der Handhabung der Vergünstigung d a r­ auf achten müssen, daß diese nicht zu einem V o r ­ recht des Vermögenden w ird ; dies würde dem sozia­ listischen Charakter des neuen Rechts widersprechen. S ie soll, insbesondere in der F o rm der Bürgschaft, auch dem Unvermögenden offen stehen. D e r Haftbefehl muß auch bei Anwendung des § 207 stets erlassen oder, wenn er bereits erlassen ist,

aufrechterhalten werden. D ie stete Drohung m it dem Vollzüge soll den Beschuldigten veranlassen, sich für die Untersuchung bereitzuhalten. Besteht bei A n ­ ordnung der Untersuchungshaft kein Anlaß, vom Vollzüge nach § 207 abzusehen, so ist bei der Über­ wachung der Haftdauer im weiteren Verfahren stets zu prüfen, ob der Haftzweck durch andere Maßnahmen erreicht werden kann und ob demnach vom Vollzüge des Haftbefehls abzusehen ist. Besteht die getroffene Maßnahme darin, daß dem Beschuldigten eine Verpflichtung auferlegt w ird , so kann die E rfü llu n g dieser V e rd ic h tu n g — etwa eine Sicherheitsleistung — n u r m it der Drohung des Haftvollzuges erzwungen werden. W ird der Beschul­ digte m it der Untersuchungshaft verschont, w e il er sich der angeordneten Maßnahme u n te rw irft, so ge­ schieht dies in der E rw artung, daß er den ihm ge­ gebenen Anordnungen nachkommt, und ferner unter der Voraussetzung, daß keine Änderung der Sachlage zur Rücknahme der Vergünstigung zwingt. Der V o ll­ zug des Haftbefehls ist daher nach Abs. 1 S . 2 trotz Anordnung einer solchen Maßnahme zulässig und ge­ boten, wenn der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen zuwider handelt oder wenn andere, wenn auch nicht neu eingetretene Um ­ stände den Haftvollzug gebieten; insbesondere kann eine veränderte Beurteilung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse es nötig machen, die Haft zu vollziehen. W ird die Untersuchungshaft vollzogen, so sind die getroffenen Maßnahmen aufzuheben ; eine noch nicht verfallene Sicherheit w ird frei (§ 211). § 208 S i c h e r h e i t s l e i st u n g S o ll der Beschuldigte gegen Leistung einer Sicher­ heit vom Vollzug der Untersuchungshaft verschont werden, so ist abweichend vom bisherigen Recht ein G e l d b e t r a g festzusetzen, in dessen Höhe die Sicher­ heit durch den Beschuldigten oder zu seinen Gunsten durch einen D ritte n zu stellen ist. D er Betrag ist so zu bestimmen, daß die drohende Vermögensschädi­ gung einen hinreichenden Gegengrund gegen Flucht­ neigungen des Beschuldigten bildet. Außer dem Geld­ betrag ist auch die A r t der Sicherheitsleistung zu bestimmen. Zugelassen ist insbesondere die H in te r­ legung von Geld oder Wertpapieren, die Pfandbestel-lung an gewissen Forderungen, an beweglichen oder unbeweglichen Sachen und die S tellung eines Bürgen. I m einzelnen sind die §§ 232 bis 240 B G B . ent­ sprechend anzuwenden. Abs. 2 regelt die Voraussetzungen, unter denen die geleistete Sicherheit der Reichskaffe verfällt. D er V e rfa ll t r it t ein, wenn der Beschuldigte sich dem V e r­ fahren oder der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer sichernden Maßregel vorsätzlich dadurch entzieht, daß er flieht oder sich verborgen hält. Das Ausbleiben auf eine Ladung hat fü r sich allein den V e rfa ll der Sicherheit nicht zur Folge; auch die Selbst­ tötung des Beschuldigten zieht diese W irkung nicht nach sich. D er V e rfa ll t r it t kraft Gesetzes ein, ist aber durch eine gerichtliche Entscheidung festzustellen (§ 216 Abs. 1). E r hat zur Folge, daß der nach Abs. 1 fest­ gesetzte Geldbetrag fä llig w ird . I s t ein Geldbetrag hinterlegt, so erlischt das Rücksorderungsrecht des

Beschuldigten. I n eine dingliche Sicherheit kann in Höhe des festgesetzten Geldbetrages vollstreckt werden. W ird durch die Verw ertung der festgesetzte Geldbetrag nicht erzielt oder ergibt sich ein M ehrerlös, so sind fü r das weitere Verfahren die besonderen Bestim­ mungen des § 216 Abs. 5 maßgebend. D e r Abs. 3 soll Schwierigkeiten vermeiden, die bei den weiteren Entscheidungen über die Sicherheits­ leistung dann entstehen können, wenn der Beschuldigte im In la n d keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen A u f­ enthalt hat und Zustellungen an ihn erforderlich werden. E r hat einen im Bezirk des zuständigen Richters oder S ta a tsa n w a lts wohnenden B e vo ll­ mächtigten zur Empfangnahme der fü r ihn be­ stimmten Schriftstücke zu bestellen, wenn er selbst im In la n d ' keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen A u f­ enthalt hat. § 209 Überwachung

der

Haftdauer

D as Gesetz verlangt, daß während des Vollzugs der Untersuchungshaft von Am ts wegen darauf ge­ achtet w ird, ob die Fortdauer der H aft geboten ist. Diese Pflicht obliegt im V orverfahren dem S ta a ts­ anw alt, im Hauptverfahren dem Vorsitzer im Rahmen ih re r durch § 214 fü r die weiteren Entscheidungen über die Untersuchungshaft begründeten Zuständig­ keit. Liegen die Voraussetzungen des Haftbefehls nicht mehr vor, so ist er aufzuheben (§ 210 Abs. 1). Demnach ist außer den: Fortbestehen des dringenden Tatverdachts und des Haftgrundes auch zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnism äßigkeit (§ 201 Abs. 2) gewahrt ist. E rfä h rt der angenommene Haftgrund m it dem Fortschreiten der E rm ittlun g e n eine so wesentliche Abschwächung, daß er gegenüber den Nach­ teilen zurücktreten muß, die dem Beschuldigten aus der Untersuchungshaft entstehen, so w ird der H a ft­ befehl in aller Regel nicht aufrechterhalten werden können. Is t die Verhaftung auf die Annahme einer Flucht- oder Verdunkelungsgefahr gestützt, so kann die weitere Aufklärung des Sachverhalts gebieten, den ferneren Vollzug der Haft durch andere M aß ­ nahmen zu ersetzen (§ 207).

des

§211 Aufhebung

§210 Aufhebung

den U rte il nicht vereinbar. W ird das Verfahren wegen eines in der Person des Beschuldigten begründeten Hindernisses n u r vo rlä u fig eingestellt (§ 38), so kann der Haftbefehl aufrechterhalten werden. B e i Freispruch oder Einstellung des Verfahrens ist die Aufhebung des Haftbefehls nach Abs. 1 Satz 2 un­ verzüglich auszusprechen. Legt der S ta a tsa n w a lt gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechts­ m itte l ein, so darf dies zwar nicht dazu führen, die Aufhebung des Haftbefehls hinauszuschieben. Auch die Beschwerde des S ta a tsa n w a lts gegen den B e­ schluß, der den Haftbefehl aufhebt, hat keine auf­ schiebende W irkung (§ 309 Satz 1). D e r S ta a ts ­ a n w a lt kann aber die Freilassung des Angeklagten dadurch abwenden, daß er gegen das freisprechende (einstellende) U rte il binnen vierundzwanzig Stunden ein Rechtsmittel einlegt und sogleich bei dem Gericht, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, den E rla ß eines neuen Haftbefehls beantragt. D ie s hat zur Folge, daß der Angeklagte bis zur Entscheidung über den A n tra g in vorläufiger Verwahrung bleibt und daß seine Freilassung erst geboten ist, wenn der A n tra g des S ta a tsa n w a lts keinen E rfo lg hat. Daß der Haftbefehl durch den Richter, bei dem die Sache im Rechtsmittelzug anhängig ist, auf G rund neuer Tatsachen oder Bew eism ittel jederzeit von neuem er­ lassen werden kann, ergibt sich aus allgemeinen V e r­ fahrensgrundsätzen. I m Falle des Freispruchs oder der nicht bloß vorläufigen Einstellung des Verfahrens bleibt aber der Haftbefehl bestehen, wenn der Beschuldigte weiter­ hin dringend verdächtig ist. eine m it S tra fe bedrohte Handlung in einem aus Geistesstörung oder T aub­ stummheit beruhenden Zustande der Schuldunfähig­ keit begangen zu haben und einer der Haftgründe vorliegt. D e r Haftbefehl dient dann dem Zweck, die Anordnung einer Maßregel der Sicherung, Besserung oder Heilung sicherzustellen. Dasselbe g ilt, wenn das Gericht die Unterbringung des Beschuldigten in einem Arbeitshaus oder einem Asyl, einer H eil- oder Vflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder seine Entm annung anordnet.

Haftbefehls

D e r Haftbefehl darf nur aufrechterhalten werden, solange dringender Tatverdacht und ein Haftgrund bestehen und "der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (§ 201). E n tfä llt eine dieser V o ra u s­ setzungen, so ist der Haftbefehl unverzüglich aufzu­ heben, und zwar auch dann, wenn er nicht vollstreckt w ird . Is t der im Haftbefehl angenommene Haftgrund weggefallen, liegt aber ein anderer Haftgrund vor, so ist der Haftbefehl aufrechtzuerhalten. A lsdann ist die Annahme des neuen Haftgrundes durch eine Ab­ änderung des Haftbefehls zum Ausdruck zu bringen und dem Beschuldigten bekanntzugeben. D e r E n tw u rf sieht die Aushebung des Haftbefehls ferner als notwendige Folge des Freispruchs oder der Einstellung des Verfahrens vor, auch wenn diese E n t­ scheidungen noch anfechtbar sind. D ie Annahme eines dringenden Tatverdachts wäre m it dem freisprechen­

anderer

Maßnahmen

I s t eine Maßnahme zur Vermeidung des Haftvollzuges angeordnet worden (§ 207), so ist ih r F o r t­ bestehen zunächst von der Aufrechterhaltung des H a ft­ befehls abhängig. D ie Gründe, die nach § 210 zur Aufhebung des Haftbefehls führen, gelten also m itte l­ bar auch fü r die Aushebung getroffener Maßnahmen. Ergänzend bestimmt § 211 Abs. 1, daß eine solche Maßnahme aufzuheben ist, wenn zwar der Haftbefehl fortbesteht, wenn aber die besonderen Gründe ent­ fallen, die Anlaß gegeben haben, den Hastvollzug durch eine solche Maßnahme zu ersetzen. Dasselbe g ilt, wenn die Untersuchungshaft oder eine gegen den Beschuldigten erkannte Freiheitsstrafe oder sichernde M aßregel vollzogen w ird. I s t dem Beschuldigten zur Abwendung der Flucht die Leistung einer Sicherheit aufgegeben worden, so entfallen die Voraussetzungen dieser Anordnung m it der Aufhebllng des Haftbefehls oder wenn die im Abs. 1 genannten Gründe die Aushebung der A n -

Ordnung erfordern. I n diesen Fällen ist die geleistete Sicherheit freizugeben, wenn sie noch nicht verfallen ist (§ 208 Abs. 2). Hat ein D ritter zugunsten des Beschuldigten Sicherheit geleistet, so kann dieser die Freigabe beanspruchen, wenn sich der Beschuldigte freiwillig stellt oder wenn vor Verfall der Sicher­ heit die Untersuchungshaft vollzogen wird. Darüber hinaus kann der D ritte die Freigabe auch dann ver­ langen, wenn er einen Fluchtplan des Beschuldigten so rechtzeitig angezeigt hat, daß die Flucht bei sach­ gemäßer Tätigkeit der Verfolgungsbehörde hätte ver­ eitelt werden können. Denn mit der rechtzeitigen Anzeige hat der D ritte sein durch die Sicherheits­ leistung bekräftigtes Versprechen erfüllt, nach seinen Kräften die Flucht des Beschuldigten zu verhüten oder zu dessen Verhaftung beizutragen, wenn dieser An­ stalten zur Flucht treffen sollte. Wird dem Anspruch auf Freigabe stattgegeben, so erübrigt sich eine gericht­ liche Entscheidung hierüber; andernfalls greift § 216 Platz-

§212 Wi e d e r h ölte A u f h e b u n g s a n t r ä g e I m bisherigen Recht hat sich die Notwendigkeit, häufig wiederholte oder inhaltsgleiche Entlaffungsanträqe des Verhafteten sachlich zu bescheiden, als ein erhebliches Verfahrenshemmnis erwiesen. I m In te r­ esse des sachlichen Fortgangs der Untersuchung er­ scheint es geboten, der Wiederholung von Haftent­ lassungsanträgen, die keinen Erfolg haben können, entgegenzutreten. Der Entwurf bestimmt daher, daß nach Ablehnung eines Antrags, den Haftbefehl oder eine zur Vermeidung des Haftvollzugs getroffene Maßnahme aufzuheben oder vom Vollzug des Haft­ befehls abzusehen, ein solcher Antrag frühestens nach Ablauf eines M onats seit Bekanntgabe der letzten ablehnenden Entscheidung wieder gestellt werden darf, es sei denn, daß neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden. Die Einschränkungen, die sich aus § 212 für die Haftentlassunqsanträge ergeben, berühren nicht die Pflicht des Richters und des Staatsanw alts, auch während der Monatsfrist stets zu prüfen, ob die Vor­ aussetzungen des Haftbefehls fortbestehen und ob An­ laß gegeben ist, vom Vollzug des Haftbefehls abzusehen. § 213 Vol l z ug der Unt er s uchungs haf t Die Bestimmungen des Entwurfs über den Voll­ zug der Untersuchungshaft enthalten nur Rahmenund Zuständigteitsvorschriften; die nähere Regelung bleibt den vom Reichsminister der Justiz zu erlassen­ den Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorbehalten. An die Spitze des § 213 stellt der Entwurf den Leit­ satz, daß die Freiheit des Verdächtigen nicht stärker beschränkt werden bars, als es der Zweck der Unter­ suchungshaft, die Ordnung der Anstalt oder die Sicher­ heit erfordert. Die durch den Haftzweck gebotenen Einschränkungen bestehen insbesondere in der Begren­ zung des schriftlichen und mündlichen Verkehrs des Verhafteten mit der Außenwelt. D as M aß dieser Einschränkungen wird sich im Einzelfall wesentlich nach dem Haftgrund bestimmen. F ü r den Verkehr des

Verhafteten mit betn Verteidiger gelten die besonderen Bestimmungen der §§ 145, 261 Äbs. 2. Die Ordnung des Anstaltsbetriebes erfordert z. B. Maßnahmen, die sich auf die Beschaffung von Bequemlichkeiten und die Beköstigung aus eigenen M itteln beziehen. Zu ihr gehört auch die Beschäftigung des Gefangenen mit einer mit der Ordnung in der Anstalt verträglichen Arbeit, die der Gefangene in der Zeit, die er nicht für die Vorbereitung seiner Verteidigung benötigt, zu leisten verpflichtet ist, es sei denn, daß ihm Selbst­ beschäftigung gestattet wird. Die Beschränkungen, die der Entwurf über den engeren Zweck der Unter­ suchungshaft hinaus im Interesse der Sicherheit zu­ läßt, gestatten die Anwendung besonderer Vorsichts­ und Überwachungsmaßregeln, die der Schutz der Volksgemeinschaft vor gemeingefährlichen Häftlingen erfordert. Die Untersuchungshaft ist nach Abs. 2 grundsätzlich als Einzelhaft zu vollziehen. D a sich dies nicht überall durchführen läßt, sind Ausnahmen zugelassen, die jedoch nicht von der Zustimmung des Verhafteten abhängig sind. I n jedem Falle muß sich die Entschei­ dung über die Form des Vollzugs nach dem Zweck des Verfahrens richten. Läßt die Gemeinschaftshaft wegen drohender Verdunkelungsgefahr oder aus an ­ deren Gründen eine Gefährdung des Untersuchungs­ zwecks befürchten, so muß Einzelhaft angeordnet werden. I m Abs. 3 grenzt der Entwurf die Zuständigkeit des Richters und des S taatsanw alts für die E n t­ scheidungen, die während des Vollzugs der Unter­ suchungshaft erforderlich werden, von der des Anstaltsvorstehers ab. Richter und S taatsanw alt sollen in den Vollzug nur insoweit eingreifen, als der Zweck des Strafverfahrens es erfordert; sie treffen nur die Entscheidungen, die sich auf Maßnahmen zur Siche­ rung des Strafverfahrens, auf den Verkehr des V er­ hafteten mit der Außenwelt und auf seine Verwah­ rung zusammen mit anderen Gefangenen beziehen. Dagegen sind die Verhängung von Hausstrafen, die Anordnung von Maßnahmen, die dein Schutz der All­ gemeinheit dienen, und alle anderen Vollzugsmaß­ nahmen dem Vorsteher der Anstalt zugewiesen, soweit sie nicht in Maßnahmen eingreifen, die der Richter oder der S taatsanw alt zur Sicherung des S trafver­ fahrens für nötig hält. Welcher Richter oder S ta a ts ­ anwalt im Einzelfall zuständig ist, ergibt sich aus § 214. I n dringenden Fällen kann der Vorsteher vorläufige Anordnungen an Stelle des zuständigen Richters oder Staatsanw alts treffen, muß aber un­ verzüglich dessen Bestätigung einholen. Diese Rege­ lung schließt nicht aus. daß der Richter oder der S taatsanw alt dem Vorsteher die Befugnis zur E n t­ scheidung über bestimmte Maßnahmen überträgt. §214

Zust ändi gkei t Die Zuständigkeit für die Entscheidungen über die Untersuchungshaft regelt der Entwurf nach dem ihn beherrschenden Leitsatz, daß die Verantwortung für das Vorverfahren den Staatsanw alt, die Verantwor­ tung für das Hauptverfahren den Richter trifft. Die Anordnung der Untersuchungshaft und die weiteren sich daran anknüpfenden Entscheidungen werden dem-

nach tut Vorverfahren dem S ta a tsa n w a lt übertragett, der das Vorverfahren führt. D ie Gründe dieser Rege­ lung sind in der E in le itu n g dargelegt. D er S ta a ts ­ a n w a lt entscheidet nicht n u r über den E rla ß des Haftbefehls, sondern t r if ft auch die weiteren Entschei­ dungen, die sich aus die Untersuchungshaft beziehen. D as sind insbesondere die Anordnungen, die sich auf die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der Hast und auf das Absehen vom Vollzüge beziehen, ferner die im § 213 Abs. 2 bezeichneten Vollzugsmaßnahmen. A n Stelle des S ta a tsa n w a lts ist im Vorverfahren bei Gefahr im Verzug auch der Amtsrichter, in dessen Bezirk ein Gerichtsstand begründet ist oder der Be­ schuldigte sich aufhält, zum E rla ß eines Haftbefehls zuständig, wenn sich an seinem Amtssitz kein zustän­ diger S ta a tsa n w a lt befindet. Diese Regelung ergänzt den § 9 und berücksichtigt, daß den meisten S ta a ts ­ anwaltschaften ausgedehnte Bezirke zugewiesen sind imb daß daher der Beschuldigte aus verkehrstechni­ schen Gründen häufig nicht mehr am Tage der E r­ greifung dem S ta a ts a n w a lt an seinem Amtssitz vo r­ geführt werden kann. Dem Am tsrichter steht in diesen F ällen als Notstaatsanwalt der erste Z u g riff zu. Die weiteren Entscheidungen über die von ihm an­ geordnete H aft t r if ft jedoch der S taatsanw alt. Der Haftbefehl des Amtsrichters unterliegt auch nach § 306 nicht der Beschwerde im gerichtlichen Rechts­ mittelzug, sondern der Entscheidung des S ta a ts ­ anwalts. Dieser hat also insbesondere darüber zu befinden, ob der Haftbefehl aufrechtzuerhalten ist und ob vom Vollzug abgesehen werden kann. D ie Zuständigkeit fü r den E rla ß des Haftbefehls und die weiteren Entscheidungen über die Unter­ suchungshaft geht m it der Erhebung der Attklage auf den Vorsitzer des Gerichts über, bei dem das V e r­ fahren anhängig ist. Ih m obliegt nunmehr auch die P flicht, zu prüfen, ob die Fortdauer der bereits vo ll­ zogenen Untersuchungshaft geboten ist (§ 209). E r hat ferner die Entscheidungen über den Vollzug, die § 213 nennt, zu treffen. "D e r S ta a tsa n w a lt kann während des Hauptversahrens die Verhaftung des Angeklagten auch in E ilfä lle n nicht mehr anordnen; ihm verbleibt allein die Befugnis zur vorläufigen Festnahme. W ird Berufung eingelegt, so w ird der Vorsitzer des Berufungsgerichts zuständig, sobald ihm der S ta a tsa n w a lt die Akten vorgelegt hat (§ 323 Abs. 2 ); bis dahin t r if ft der Vorsitzer des Gerichts, dessen U rte il angefochten ist, die notwendigen E n t­ scheidungen. W ird die Sache beim- Urteilsrügegericht anhängig, so ist abweichend von der allgemeinen Regel der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts n u r be­ fugt, den Haftbefehl ztt erlassen oder aufzuheben, während die übrigen Entscheidungen von dem V o r­ sitzer des Gerichts getroffen werden, dessen U rte il an­ gefochten ist. Diesem und nicht dem Vorsitzer des Urteilsrügegerichts obliegt es also beispielsweise, den Briefverkehr des Verhafteten zu überwachen oder über dessen Verkehr m it der Außenwelt zu befinden. F ü r alle im Abs. 2 vorgesehenen Entscheiduttgen des Vorsitzers schreibt der E n tw u rf die Beschlußform vor. D ie Bestimmungen über die Zuständigkeit zunt E rla ß und zur Aufhebung des Haftbefehls gelten nach Abs. 3 entsprechend fü r die Vernehmung des V e r­ hafteten und fü r die Entscheidungen über Maßnahmen

zur Vernteiduttg des Hastvollzuges, sei es, daß der Haftbefehl im Vorverfahren, sei es, daß er im Haupt­ oder Rechtsmittelverfahren erlassen ist. Hat der A m ts­ richter an Stelle des S ta a tsa n w a lts den Haftbefehl erlassen, so ist er im Vorverfahren auch zttr Vernehmuttg des Verhafteten uitb zur Anordnung einer Maßnahme nach § 207 ermächtigt. D ie weitere E ntscheidung gebührt dem S taatsanw alt. §215 Richterliche

^Bestätigung befehls

des

Haft­

D er Grundsatz, dast bis zur Erhebung der Anklage dem S ta a tsa n w a lt die Entscheidung über die V e r­ haftung des Beschuldigten zusteht, erfährt im § 215 eine Einschränkung. D e r S ta a tsa ttw a lt soll die richter­ liche Urteilsentscheidung vorbereiten, nicht aber in sie eingreifen. B le ib t die Freiheitsentziehung im V o r­ verfahren nicht auf eine vorübergehende Z eit be­ schränkt, so kann sie einer Vorwegnähme des richter­ lichen Schuldspruchs gleichkommen. D e r E n tw u rf ge­ stattet daher dem Verhafteten — unbeschadet der Rechtsbehelfe, die allgemein gegen Entscheidungen des S ta a tsa n w a lts vorgesehen sind (§ 314) — , im V o r­ verfahren gegen den Haftbefehl des S ta a tsa n w a lts oder des Amtsrichters die Entscheidung des Vorsitzers der Strafkam m er anzurufen, in deren Bezirk der S ta a tsa n w a lt seinen Amtssitz hat; ist fü r das Haupt­ verfahren der Besondere Strafsenat des Reichs­ gerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandes­ gericht zuständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. D er Vorsitzer des Besonderen Strafsenats des Reichsgerichts w ird aber erst dann zuständig, wenn der Öberreichsanwalt das Vorverfahren über­ nommen hat; vorher entscheidet in allen Fällen der Vorsitzer der Strafkamm er. D ie richterliche Bestätigung des Haftbefehls ist demnach nicht etwa vom S ta a tsa n w a lt von Am ts wegen einzuholen. D ie A n ru fun g ist erst zulässig, wenn die D auer der Untersuchungshaft und einer etwa vorausgegangenen vorlätlsigen Festnahme zwei Wochen überschritten hat. In n e rh a lb dieser F rist sönnen die E rm ittlungen in der weitaus größten Z ah l der Haftsachen so weit gefördert werden, daß sich der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens m it einiger Sicherheit übersehen läßt. D ie A nrufung des Vorsitzers ist auch dann zu­ lässig, wenn der Am tsrichter den Haftbefehl an Stelle des S ta a tsa n w a lts erlassen hat. F ü r den A n tra g auf richterliche Entscheidung gelten die allgemeinen B e­ stimmungen über Rechtsbehelfe (§§ 300 bis 304) ent­ sprechend. Is t der A ntrag unzulässig, w e il er vor Ablauf der zweiwöchigen F rist gestellt ist, so befindet der S ta a tsa n w a lt hierüber in eigener Zuständigkeit, falls nicht der A n tra g als Beschwerde an den V o r­ gesetzten des S ta a tsa n w a lts (§ 314) angesehen wer­ den kann. H ä lt der S ta a tsa n w a lt ben A n tra g fü r begründet, so gibt er ihm statt, da ihm im V o r­ verfahren die weitere Verfügung über die Unter­ suchungshaft zusteht; in diesem Falle erübrigt sich eine richterliche Entscheidung. Eine aufschiebende W irkung kommt dem A tttra g tticht zu. D e r Haftbefehl kann also bis zur Entscheidung des Richters weiter voll-

streckt werden; der S ta a tsa n w a lt kann den Vollzug aussetzen, nicht aber der angerufene Richter. S o w e it die Sache nicht zur Zuständigkeit des Besonderen Strafsenats des Reichsgerichts, des Volksgerichtshofs oder des Oberlandesgerichts gehört, obliegt die E n t­ scheidung im Vorverfahren dem Vorsitzer der S tr a f­ kammer, in deren Bezirk der S ta a tsa n w a lt seinen Amtssitz hat, da sich häufig nicht übersehen läßt, ob im Hauptverfahren die Schösfenkammer oder der Am tsrichter m it der Sache besaßt werden w ird ; zu­ dem läßt es die Bedeutung der Entscheidung ange­ zeigt erscheinen, sie einem höheren Gericht zu über­ tragen. D e r angerufene Vorsitzer kann E rm ittlun g e n vornehmen, aber auch seine Entscheidung von weiteren Erhebungen des S ta a tsa n w a lts abhängig machen. Nach Erhebung der Anklage obliegt die Entscheidimg dem Vorsitzer des Gerichts, bei dem das V e r­ fahren anhängig ist (§ 215 Abs. 2). D er Vorsitzer entscheidet stets durch Beschluß (Abs. 3). E r kann den Haftbefehl aufheben oder be­ stätigen; in diesem F alle kann er nach § 207 eine Maßnahme zur Vermeidung des Haftvollzugs an­ ordnen und vom Vollzüge der Haft absehen. D er Beschluß des Vorsitzers der Strafkamm er kann m it der Beschwerde angefochten werden (§ 305). D ie Be­ schwerde des S ta a tsa n w a lts gegen den Beschluß, der den Haftbefehl aufhebt oder das Absehen vom V o ll­ züge anordnet, hat nach § 309 Satz 1 keine auf­ schiebende W irkung. D er Beschluß muß vollzogen werden, wenn nicht durch besondere richterliche E n t­ scheidung der Vollzug ausgesetzt w ird (§ 309 Satz 2 und 3). V o n diesem Grundsatz läßt der E n tw u rf m it Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen, die sich aus einer Entlassung des Beschuldigten während des V o r­ verfahrens für den Ausgang der E rm ittlungen er­ geben können, eine Ausnahme zu. Der S ta a tsa n w a lt kann im Vorverfahren den Beschuldigten trotz der Aufhebung des Haftbefehls und entgegen einer A n ­ ordnung nach § 207 in H aft behalten, wenn er die Beschwerde, falls eine solche zugelassen ist, binnen vierundzwanzig Stunden einlegt.

nach ein U rte il ist (vgl. Abs. 5). Nach Erhebung der Anklage ist nach Abs. 2 der Vorsitzer des Gerichts zuständig, bei dem das Verfahren anhängig ist; wenn Urteilsrüge eingelegt ist, entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, dessen U rte il angefochten ist. I s t das V e r­ fahren durch ein rechtskräftiges U rte il abgeschlossen, so entscheidet der Vorsitzer des Gerichts, bei dem das Verfahren im ersten Rechtszuge anhängig gewesen ist. I n allen in Abs. 1 und 2 geregelten F ällen erübrigt es sich, die übrigen M itg lie d e r des Gerichts an der E n t­ scheidung über den V e rfa ll der Sicherheit zu be­ teiligen; sie hat zwar urteilsähnliche W irkung, steht aber in keinem inneren Zusammenhang m it dem S tra fu rte il. M it Rücksicht auf die Bedeutung der Entscheidung fü r die Beteiligten bestimmt Abs. 3 abweichend von der Regelung des § 278 Abs. 2, daß der S ta a ts ­ anw alt, der Verteidiger, der Beschuldigte, sein gesetz­ licher Vertreter und D ritte , die fü r den Beschuldigten Sicherheit geleistet haben, vorher stets zur Erklärung aufzufordern sind. Gegen den Beschluß des Vorsitzers läßt Abs. 4 in dem durch § 305 Abs. 3 gezogenen Rahmen die befristete Beschwerde zu. Ergeht ein Beschluß, daß der V e rfa ll eingetreten ist, so w irkt er nach § 216 Abs. 5 gegen den, der die Sicherheit geleistet hat, wie eine Verurteilung zur Zahlung des festgesetzten Geldbetrages an die Reichs­ kasse. D ie Entscheidung ist vo rläu fig vollstreckbar, so­ lange die befristete Beschwerde zulässig ist. M it E in ­ t r it t der Rechtskraft erlangt sie die W irkung eines rechtskräftigen Z ivile n du rte ils. Diese Vorschrift ist insbesondere von Bedeutung fü r die A r t der V o ll­ streckung. Jedoch schließt der E n tw u rf aus B illig ­ keitsgründen eine Nachforderung aus, wenn die V e r­ wertung einer dinglichen Sicherheit den nach § 208 Abs. 1 bestimmten Geldbetrag nicht ergibt. D a andererseits der V e rfa ll n u r eine Forderung in Höhe des festgesetzten Geldbetrages begründet, bestimmt der E n tw u rf, daß ein bei der Verwertung erzielter Uber­ schuß dem Berechtigten herauszugeben ist. §217

§216 E n t s c h e i d u n g ü b e r den V e r f a l l einer Sicherheit D er V e rfa ll einer vom Beschuldigten oder einem D ritte n geleisteten Sicherheit t r it t unter den in § 208 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen kraft Gesetzes ein. E r ist jedoch durch eine besondere gerichtliche Entscheidung festzustellen, die als Grundlage fü r die Vollstreckung in die zur Sicherheit gegebenen Gegen­ stände dient. D ie Entscheidung darüber, ob der G eld­ betrag verfallen ist, überträgt § 216 Abs. 1 im V o r ­ verfahren dem Vorsitzer der Strafkam m er; ist fü r das Hauptverfahren der Besondere Strafsenat des Reichs­ gerichts, der Volksgerichtshof oder das Oberlandes­ gericht zuständig, so entscheidet der Vorsitzer des Senats. I s t die Sicherheitsleistung vom S ta a ts ­ anw alt oder an seiner Stelle vom Am tsrichter an­ geordnet, so ist der Vorsitzer örtlich zuständig, in dessen Bezirk der S ta a tsa n w a lt seinen Amtssitz hat. D ie Entscheidung kann fü r diese Fälle dem S ta a ts ­ anw alt nicht übertragen werden, da sie ihrem Wesen

V o r l ä u f i g e Fest nahme D er E n tw u rf räum t im Abs. 1 jedem S ta a ts ­ anw alt, jedem Am tsrichter und jedem P o lize i­ beamten das Recht der vorläufigen Festnahme des Verdächtigen ein, wenn sich die Voraussetzungen des Haftbefehls noch nicht m it Sicherheit feststellen lassen, aber die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß sich bei weiterer Aufklärung alsbald die Voraus­ setzungen fü r den Erlaß des Haftbefehls ergeben werden. D ie Voraussetzungen der vorläufigen Fest­ nahme sind daher wesentlich weiter als die des H a ft­ befehls. D ie Festnahme w ird bereits durch den bloßen Verdacht gerechtfertigt, daß der Beschuldigte eine m it S tra fe bedrohte T a t begangen habe. Seine Schuldfähigkeit braucht in diesem Zeitpunkt noch nicht fest­ zustehen, wie sich daraus ergibt, daß die V oraus­ setzungen fü r die Anordnung der Untersuchungshaft gegen Schuldfähige und Schuldunfähige im wesent­ lichen die gleichen sind (§§ 201, 202). Auch die H a ft­ gründe brauchen zu dieser Z eit noch nicht nachweisbar vorzuliegen. Jedoch müssen die Umstände des Einzel-

falls die Annahme rechtfertigen, daß die weitere Auf­ klärung das Vorliegen dringenden Tatverdachts und eines Haftgrundes innerhalb der Frist ergeben werde, die nach § 218 für die Zuführung des Festgenom­ menen an den Richter oder Staatsanw alt und für die Entscheidung über den Erlaß des Haftbefehls zur Verfügung steht. Die nach Abs. 1 zur vorläufigen Festnahme berechtigten Beamten sind dabei an die Grenzen ihrer sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit nicht gebunden. F ür andere als die im Abs. 1 be­ zeichneten Personen läßt Abs. 2 die vorläufige Fest­ nahme ohne Vorliegen der Voraussetzungen eines Haftbefehls ferner zu, wenn der Täter auf frischer T at betroffen oder unmittelbar nach Begehung der T at verfolgt wird, und wenn er entweder flucht­ verdächtig ist oder wenn seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann; sie haben den Täter sofort dem nächsten Polizeibeamten zu übergeben. §218 Z u f ü h r u n g ii ii b V e r n e h m u n g d e s F e st g e n o m m e n e n Der vorläufigen Festnahme, die nur eine vorüber­ gehende Maßnahme sein kann, soll alsbald die Ent­ scheidung darüber folgen, ob der Festgenommene in Untersuchungshaft zu nehmen ist. Häufig wird der Zweck der Festnahme erschöpft sein, wenn die Persön­ lichkeit des Beschuldigten festgestellt ist oder wenn weitere Erhebungen unmittelbar nach der Festnahme die Voraussetzungen der Untersuchungshaft aus­ geräumt haben. Älsdann ist der Beschuldigte sofort in Freiheit zu setzen. Geschieht das nicht, so ist er dem Richter oder dem Staatsanw alt, der nach § 214 für den Erlaß des Haftbefehls zuständig ist, zuzu­ führen, sobald der S tand der Ermittlungen es zuläßt; das ist der Fall, wenn die bisherigen Erhebungen ausreichen, um über die Untersuchungshaft entscheiden zu können. Der Beschuldigte soll innerhalb kürzester Frist Gelegenheit erhalten, in einer persönlichen Ver­ nehmung vor dem Richter oder dem S taatsanw alt zu den gegen ihn vorliegenden Verdachts- und Haft­ gründen Stellung zu nehmen. Daher ist der Fest­ genommene dem Richter oder dem S taatsanw alt so zur Verfügung zu stellen, daß dieser ihn sofort ver­ nehmen kann; anders als in § 205 genügen die Ein­ lieserung in das Gefängnis und die Anzeige nicht. Lassen sich die Voraussetzungen für die Entscheidung über den Haftbefehl nicht unmittelbar nach der Fest­ nahme nachweisen, so kann die Zuführung ausnahms­ weise hinausgeschoben werden, wenn von weiteren Ermittlungen eine Klärung zu erwarten ist. Auch in diesem Falle darf die Frist zwischen der Festnahme und der Zuführung in der Regel höchstens drei Tage betragen. Nur in besonderen Ausnahmefällen, die eingehende Ermittlungen zur Entscheidung über die Hastfrage voraussetzen, darf diese Frist überschritten werden; sie darf jedoch in keinem Falle sieben Tage übersteigen. Diese Regelung beseitigt die Schwierig­ keiten, die sich bisher daraus ergaben, daß der von der Rechtsprechung zugelassene zeitliche Zwischenraum zwischen der Festnahme und der Zuführung häufig nicht ausreichte, um die zur Entscheidung über die Haft notwendigen Unterlagen zu beschassen. Können die Erhebungen innerhalb der genannten Fristen nicht

so weit abgeschloffen werden, daß über den Erlaß des Haftbefehls entschieden werden kann, so muß der Be­ schuldigte sreigelaffen werden. Is t der Festgenommene dem Richter oder dem S taatsanw alt zugeführt worden, so hat dieser ihn grundsätzlich noch am gleichen Tage zu vernehmen. Läßt sich dies mit Rücksicht auf die besondere Sachlage nicht ermöglichen, so ist die Vernehmung spätestens am folgenden Tage durchzuführen. F ür die Ver­ nehmung und die etwa gebotene Erhebung von Be­ weisen durch den Amtsrichter (§ 9 Abs. 3) gilt das zu § 205 Abs. 2 Ausgeführte sinngemäß. Im Anschluß an die Vernehmung ist die Entscheidung über die Untersuchungshaft zu treffen. Hat der S taatsanw alt selbst den Beschuldigten festgenommen, so muß er spätestens am vierten, in besonderen Ausnahmesällen am achten Tage nach der Festnahme die Entschließung in der Hastfrage treffen. Wird Haftbefehl erlaffen, so wird er dem Beschuldigten sofort bekanntgegeben (§ 204). Ergeht kein Haftbefehl, so ist der Beschuldigte sofort freizulassen. Zweiter Abschnitt Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchung

Unter der gemeinsamen Bezeichnung „Zwangs­ mittel" regelt der Entwurf im Anschluß an die Unter­ suchungshaft, die die Person des Beschuldigten für das Verfahren sicherstellen soll, diejenigen M aß­ nahmen, die zur Sicherstellung von Gegenständen und Beweisen dienen sollen. Der zweite Abschnitt be­ handelt zunächst in drei Unterabschnitten die Be­ schlagnahme und Sicherstellung von Beweisen, die Durchsuchung und die Untersuchung von Menschen. I n einem vierten Unterabschnitt werden die gemein­ samen Vorschriften für die drei Unterabschnitte des zweiten Abschnitts zusammengefaßt. Die neuen Vorschriften weichen in grundsätzlichen Fragen und in zahlreichen Einzelheiten vom bis­ herigen Recht wesentlich ab. Der Anwendungsbereich der Beschlagnahme wird dadurch erweitert, daß sie auch zur Schadloshaltung des Verletzten zugelassen wird (§ 219 Nr. 3). Die Beschlagnahmebeschrän­ kungen zum Schutze des Berufsgeheimnisses werden beibehalten (§ 221), das Beschlagnahmeverbot bei zeugnisverweigerungsberechtigten Angehörigen wird dagegen beseitigt. Vollziehung, Wirkung und Auf­ hebung der Beschlagnahme werden im einzelnen ge­ regelt (§§ 222, 223, 226), womit eine fühlbare Lücke des bisherigen Rechts geschlossen wird. Die „Be­ schlagnahme" zur Sicherung der Geldstrafe und Kosten, die im bisherigen Recht nur gegen Flüchtige zugelassen ist, wird in der Form des Arrestes all­ gemein vorgesehen (§ 232). Die Beschlagnahme von Postsendungen wird durch Einführung der „Post­ sperre" (§ 233) neu geregelt. Die Postauskunst wird erweitert (§ 234). Die neuen Vorschriften über die Durchsuchung nehmen darauf Bedacht, unnötige Hemmnisse zu be­ seitigen, die der schlagfertigen und zielsicheren Durch­ führung des Strafverfahrens im Wege, stehen und nach den nationalsozialistischen Anschauungen über das Verhältnis der Volksgemeinschaft zum einzelnen

innerlich nicht mehr gerechtfertigt sind. S ie gewähren andererseits ausreichenden Schutz gegen eine u n an ­ gemessene B eeinträchtigung der Belange Unbeteiligter. U nter der gemeinsamen Bezeichnung „U nter­ suchung von Menschen" regelt der E ntw urf im dritten Unterabschnitt im Anschluß an die Durchsuchung die körperliche Untersuchung und die Untersuchung des Geisteszustandes, die körperlichen Eingriffe und die Anstaltsbeobachtung. D a s bisherige Recht hat diese Vorschriften in den Abschnitt über Sachverständige und Augenschein eingestellt, weil sie meist der V o r­ bereitung des Sachverständigengutachtens dienen. Diese äußere Zweckbestimmung ist jedoch nicht ent­ scheidend. Richtiger ist es, diese Vorschriften ent­ sprechend ihrem Wesen als Zw angsm aßnahm en für die Zwecke des S trafv erfah ren s im Zusammenhang m it den anderen Z w angsm itteln zu behandeln, zumal sich eine gemeinsame Regelung der Zuständigkeit für die Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchung von Menschen empfiehlt. D ie Zulässigkeit der U nter­ suchung und der körperlichen Eingriffe bei Unver­ dächtigen wird gegenüber dem bisherigen Recht wesentlich erw eitert (§§ 243, 244). Die Regelung der Anstaltsbeobachtung (§ 245) entspricht im wesent­ lichen dem bisherigen Recht; jedoch ist vorgesehen, daß in Ausnahm efällen die D auer der U nterbringung über sechs Wochen hinaus verlängert werden kann. Neu ist die Vorschrift des § 248 über die Anwendung von Zw ang gegen die von Untersuchungsmaßnahmen Betroffenen. D ie „Gemeinsamen Vorschriften" des vierten Unterabschnitts für die Beschlagnahme, Durchsuchung und Untersuchung von Menschen regeln die Zuständig­ keit der Strafverfolgungsbehörden und ihre Stellung zueinander. D ie V erteilung der Zuständigkeit ent­ spricht im wesentlichen der Zuständigkeitsregelung beim Haftbefehl. S ie geht von dem Grundsatz aus, daß die Z w angsm ittel der Dienststelle zustehen müssen, die jeweils für die F ührung des V erfahrens verantwortlich ist. D am it werden vor allem dem S ta a tsa n w a lt im V orverfahren die Z w angsm ittel zugewiesen, deren er zur raschen und zielsicheren Durchführung der E rm ittlungen bedarf. D ie A n­ rufung des Richters gegen Verfügungen des S ta a ts ­ anw alts im V orverfahren w ird nur bei der V er­ mögensbeschlagnahme (§ 250), nicht auch bei der A n­ staltsbeobachtung vorgesehen. Gegen die M aßnahm en der P olizei soll dagegen jederzeit die Entscheidung des S ta a ts a n w a lts oder Richters angerufen werden können (§ 251). Erster Unterabschnitt Beschlagnahme und Sicherstellung von Beweisen

§219 Z u l ä s s i g k e i t d e r B e s c h l a g n a h nie D a s bisherige Recht verwendet den Begriff der Beschlagnahme im S trafverfahren n u r für die B e­ gründung der staatlichen V erfügungsgew alt über Sachen, die sich im Gewahrsam einer Person be­ finden und von ihr nicht freiwillig herausgegeben werden (§ 94 S tP O .). D ie B egründung der staat­

lichen Verfügungsgewalt über Gegenstände, die sich in niem andes Gewahrsam befinden oder vom I n ­ haber freiwillig herausgegeben werden, wird als „Sicherstellung" bezeichnet. Diese Beschränkung des Beschlagnahmebegriffs, die sich daraus erklärt, daß das bisherige Recht die A nordnung von Beschlag­ nahm en grundsätzlich dem Richter vorbehält, hat in der P ra x is zu erheblichen Schwierigkeiten geführt. S ie ist insbesondere bei der Beschlagnahme von F o r ­ derungen oder anderen Rechten unbrauchbar, da hier die Wirkung der Beschlagnahme gegenüber D ritten nicht davon abhängig sein darf, ob der Betroffene m it ihr einverstanden ist oder nicht. D er Entw urf führt daher einen weiteren Begriff der Beschlag­ nahme ein; er versteht darunter jede M aßnahm e, die dem Betroffenen die V erfügungsgewalt über den Gegenstand der Beschlagnahme entzieht und auf die Strasverfolgungsbehörden überträgt; ob dies mit W illen oder gegen den W illen des Betroffenen ge­ schieht, soll künftig gleichgültig sein. I n § 219 werden zunächst die möglichen Gegen­ stände der Beschlagnahme bezeichnet. W ie im b is­ herigen Recht können alle Sachen beschlagnahmt werden, die als Bew eism ittel für das V erfahren von Bedeutung sein können, und Gegenstände, die für ver­ fallen erklärt, eingezogen, vernichtet oder unbrauch­ b ar gemacht werden können. Die Verfallerklärung ist neben der Einziehung besonders erwähnt, da sie nach dem Entw urf des Strafgesetzbuchs nicht wie die Einziehung eine sichernde M aßregel, sondern S trafe ist. Die N r. 2 spricht im Gegensatz zu Nr. 1 von „Gegenständen", da die Einziehung und Verfallerklä­ rung sich auch auf Rechte beziehen können. D arüber hinaus sieht der E ntw urf auch eine B e­ schlagnahme einzelner Gegenstände zur Schadlos­ haltung des Verletzten vor. D as bisherige Recht hat den Gedanken stark vernachlässigt, daß das S tra fv e r­ fahren auch dem Verletzten Wiedergutmachung ver­ schaffen soll. D er E ntw urf bekennt sich demgegen­ über zu dem Grundsatz, daß die Organg der S tr a f ­ rechtspflege auch für die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens S orge tragen sollen. Dieser Aufgabe dient vor allem die in den §§ 438 ff. eröffnete Möglichkeit, im S trafverfahren unter ge­ wissen Voraussetzungen auch bürgerlich-rechtliche A n­ sprüche des Verletzten gegen den Beschuldigten geltend zu machen. Um die Schadloshaltung des Verletzten zu sichern, sieht der E ntw urf aber auch die Beschlag­ nahme solcher Gegenstände vor, die der Beschuldigte durch eine m it S tra fe bedrohte T a t erlangt oder durch V erwertung solcher Gegenstände oder als Ersatz für sie erworben hat. Die Beschlagnahme zur Schadloshaltung des V er­ letzten ist keine A bart des dinglichen Arrestes. V on einer derartigen Regelung hat der Entw urf abge­ sehen, weil die B egründung eines allgemeinen Pfandund Vollzugsrechts für den Verletzten gegenüber an ­ deren G läubigern des Beschuldigten innerlich nicht gerechtfertigt wäre. § 219 N r. 3 ermöglicht keinen a l l g e m e i n e n Zugriff auf das Vermögen des Beschuldigten; die Beschlagnahme erfaßt vielmehr n u r b e s t i m m t e Gegenstände, die mit der S tra fta t im Zusammenhang stehen. D er Entw urf dehnt diesen Zusammenhang allerdings recht weit aus, indem er

nicht nur die durch die T at unmittelbar entzogenen Gegenstände erfaßt, sondern auch das, was der Be­ schuldigte durch Verwertung der dem Verletzten ent­ zogenen Gegenstände oder als Ersatz für sie erworben hat. Der Beschlagnahme unterliegt demnach nicht nur das gestohlene Sparkassenbuch, sondern auch der auf der Sparkasse abgehobene Geldbetrag und das von diesem Geld etwa gekaufte Kraftfahrzeug. Die Be­ schlagnahme nach der Nr. 3 soll dazu dienen, „die Schadloshaltung des Verletzten zu sichern". D araus folgt, daß die Beschlagnahme nicht weiter greifen darf, als die Rechte des Verletzten nach dem bürgerlichen Recht reichen. Deshalb ergreift diese Beschlagnahme nicht solche Gegenstände, an denen ein D ritter „ein die Veräußerung hinderndes Recht" im Sinne des § 771 ZPO . hat. Die Beschlagnahme zur Schadlos­ haltung des Verletzten ist keine vorweggenommene Zwangsvollstreckung, sondern nur eine e i n s t ­ weilige Sicherung des Entschädigungs­ anspruchs des Verletzten. Is t die beschlagnahmte Sache dem Verletzten durch die T at entzogen worden, so wird sie ihm ohne weiteres zurückgegeben, wenn sie im Verfahren entbehrlich ist und keine entgegen­ stehenden Ansprüche geltend gemacht werden (§ 216). Werden entgegenstehende Ansprüche vorgebracht oder handelt es sich um beschlagnahmte Forderungen oder andere Rechte oder um Sachen, die nicht dem Ver­ letzten entzogen sind, insbesondere um Surrogate strafbar erlangter Gegenstände, so bleibt es dem Ver­ letzten überlassen, die B e f r i e d i g u n g des Ent­ schädigungsanspruchs aus den beschlagnahmten Gegenständen herbeizuführen. E r muß sich dann einen Vollstreckungstitel beschaffen und die Beschlagnahme in die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung überleiten. Die nach bisherigem Recht mögliche Anwendung mittelbaren Zwanges zur Herausgabe von Beweis­ stücken und Einziehungsstücken (§ 95 S tP O .) hat der Entwurf nicht übernommen. I n den meisten Fällen wird eine Durchsuchung schneller und durch­ greifender wirken als die Anwendung mittelbarer Zwangsmittel. I m übrigen stellt der Entwurf dem S taatsanw alt schon im Vorverfahren die Zwangs­ mittel zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, den Inhaber zu einer Zeugenaussage über den Verbleib der gesuchten Beweis- und Einziehungsstücke zu zwingen.

§ 220 Schutz d e s D i e n st g e h e i m n i s s e s I m bisherigen Recht ist die Beschlagnahme von Schriftstücken, die sich in amtlicher Verwahrung be­ finden (§ 96 S tP O .), wesentlich eingeschränkt. Dies entspricht der Einschränkung der Zeugenaussage von Amtsträgern über Tatsachen, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht. Der Ent­ wurf erweitert im § 220 den Schutz des Dienst­ geheimnisses gegenüber einer Beschlagnahme. Er geht davon aus, daß der Widerstreit zwischen dem staatlichen Interesse an der Wahrheitserforschung im Strafverfahren und dem Interesse an der Wahrung des Dienstgeheimnisses nicht von den Strasverfolgungsbehörden zu lösen ist, sondern von den Dienststellen, die über das Dienstgeheimnis zu wachen haben.

Die Beschränkung des bisherigen Rechts (§ 96 S tP O .) auf „Schriftstücke" läßt der Entwurf fallen. Entsprechend dem praktischen Bedürfnis umfaßt die neue Vorschrift alle Sachen, die eine Dienststelle oder ein Amtsträger des S taates oder der Partei, ein Soldat (tut Sinne des § 296 Abs. 1) oder ein An­ gehöriger des Reichsarbeitsdienstes dienstlich ver­ wahrt oder durch einen anderen dienstlich ver­ wahren läßt. Die Beschlagnahme solcher Sachen ist unzulässig, wenn sie nach einer Erklärung der zu­ ständigen Dienststelle dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Ausgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei der Zeugenvernehmung von Amtsträgern und S o l­ daten (§ 161). Darüber, ob diese Gründe vorliegen, soll nicht mehr die oberste Dienstbehörde, sondern zur Vermeidung von Verzögerungen die vorgesetzte Dienstbehörde derjenigen Dienststelle entscheiden, die für die Verwahrung verantwortlich ist. Die Be­ stimmung der für die Erklärung zuständigen Parteidienststellen wird besonderen Ausführungsvorschriften überlassen, die der Stellvertreter des Führers im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz erläßt.

§ 221 S chutz d e s B e r u f s g e h e i m n i s s e s D er Schutz des Berufsgeheimnisses gegenüber Beschlagnahmen beruht auf demselben Grund­ gedanken wie die Regelung der Zeugenvernehmung in den §§ 162 und 163. Diese Vorschriften bringen zum Ausdruck, daß vom Standpunkt der Volks­ gemeinschaft aus das Interesse an der Wahrung von Berufsgeheimnissen höher sein kann als das Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten. Der Schutz des Berufsgeheimnisses, den das Gesetz deshalb gewissen Berufen gewährt, wäre aber unvoll­ kommen, wenn Schriftstücke, die das Berufsgeheimnis betreffen, ohne weiteres beschlagnahmt und im S tra f­ verfahren verwertet werden könnten. Die Beschlag­ nahmebeschränkung für Schriftstücke, die das Berufs­ geheimnis betreffen, muß daher nach Voraussetzun­ gen und Umfang der Aussagebeschränkung bei den Berussträgern entsprechen. Die §§ 162, 163 ge­ währen den Rechtsanwälten, Verteidigern, Notaren, Ärzten und Apothekern hinsichtlich solcher Tatsachen, die ihnen kraft ihres Berufes anvertraut worden oder zugänglich geworden sind, ferner unter gewissen Vor­ aussetzungen den Geistlichen ein Aussageverweige­ rungsrecht. Der Entwurf überläßt die Abwägung zwischen dem Interesse an der Wahrung des Berufs­ geheimnisses und dem Interesse an der Wahrheitsersorschung im Strafverfahren dem pslichtmäßigen Ermessen der genannten Personen und erwartet, daß sie unter der Aufsicht ihrer Standesgerichtsbarkeit die öffentlichen Belange berücksichtigen. Diese Berufs­ kreise sollen nun auch selbst nach pslichtmäßigem E r­ messen darüber entscheiden, ob ein auf Berufs­ geheimnisse bezügliches Schriftstück durch Beschlag­ nahme dem Strafverfahren zugänglich gemacht wer­ den soll (§ 221 Abs. 1). F ü r die übrigen im § 162 Abs. 2 genannten Träger eines Berufsgeheimnisses besteht kein Aussageverweigerungsrecht. S ie sollen aber nach § 162 Abs. 2 über Tatsachen, auf die sich

ihre Schweigepflicht bezieht, nur dann befragt wer­ den, wenn es zur Wahrheitserforschung unerläßlich und bei der Bedeutung der Sache geboten ist. Dem­ entsprechend sollen auch Schriftstücke im Gewahrsam dieser Personen, sofern sie Berufsgeheimnisse be­ treffen, ohne ihre Zustimmung nur beschlagnahmt werden, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. D as bisherige Recht (§ 97 S tP O .) beschränkt die Beschlagnahme nur bei schriftlichen Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem Berussträger. Da das Berufsgeheimnis des Schutzes aber auch be­ darf, wenn Nichtbeschuldigte sich einem Berufsträger anvertrauen, läßt der Entwurf diese Beschränkung fallen. Der § 221 schützt alle schriftlichen M itteilun­ gen, die jemand dem Berussträger anvertraut oder die dieser einem anderen anvertraut, sofern ein B e r u f s g e h e i m n i s den In h a lt des als Beweis­ mittel in Betracht kommenden Schriftstücks bildet. Der Entwurf gewährt die Beschlagnahmebeschrän­ kung auch für Aufzeichnungen, die der Berufsträger über das Berufsgeheimnis angefertigt hat oder hat anfertigen lasten. Wenn der Berufsträger sein eigenes Wissen über das Berufsgeheimnis durch Aus­ sageverweigerung der Verwertung im Strafverfahren entziehen kann (§ 162), so muß entsprechendes auch für das Wissen gelten, das er schriftlich niedergelegt hat oder hat niederlegen lassen. Die viel erörterte Frage, ob Krankenblätter des Arztes und Handakten des Verteidigers ohne ihre Zustimmung beschlag­ nahmt werden können, ist damit den praktischen Bedürfnissen entsprechend geregelt. Die Beschlagnahmebeschränkung des § 221 darf nicht etwa dadurch umgangen werden, daß ein S tra f­ verfolgungsbeamter zwar von der Beschlagnahme eines geheimzuhaltenden Schriftstücks absieht, aber darin Einsicht nimmt und darüber als Zeuge ver­ nommen wird. Die Beschlagnahmebeschränkungen gelten nach Abs. 3 dann nicht, wenn der Geheimnisträger selbst verdächtig ist, an der T at, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, beteiligt zu sein. Der Begriff der „Beteiligung" ist in dem weiten S inne des § 173 Nr. 3 zu verstehen. Wird der Geheimnisträger nach § 162 Abs. 3 von der Pflicht zur Verschwiegenheit befreit, so entfallen die in § 162 Abs. 1 und 2 vor­ gesehenen Aussagebeschränkungen. Damit entfällt auch die Beschlagnahmebeschränkung des § 221, ohne daß dies besonders gesagt zu werden braucht. D as bisherige Recht (§ 97) enthält ein Beschlag­ nahmeverbot auch für schriftliche Mitteilungen zwi­ schen dem Beschuldigten und seinen Angehörigen, die nach § 52 S tP O , zur Verweigerung der Aussage berechtigt sind. I m neuen Recht ist für ein solches Beschlagnahmeverbot kein Raum mehr. D as Zeug­ nisverweigerungsrecht gewisser Berufsträger zwingt zwar zu einem entsprechenden Beschlagnahmeverbot. Das gleiche gilt aber nicht für das Zeugnisverweige­ rungsrecht der Angehörigen; denn es beruht auf einem anderen Grundgedanken. Während das Zeug­ nisverweigerungsrecht gewisser Berufsträger die Ausübung ihrer Berufe durch Wahrung des Berufs­ geheimnisses im öffentlichen Interesse sichern will, dient 6as Zeugnisverweigerungsrecht der Angehöri­ gen nur der Vermeidung persönlicher Gewissens­

konflikte. Dem Angehörigen soll das Zeugnisver­ weigerungsrecht die Gewissensnot ersparen, die sich aus der Pflicht zur wahrheitsgetreuen Aussage und dem natürlichen Bestreben ergibt, dem Beschuldigten nicht zu schaden. Diese Gewissensnot besteht nicht bei der Heranziehung von schriftlichen Mitteilungen im Strafverfahren, zu deren Beschlagnahme es der M it­ wirkung der Angehörigen nicht bedarf. M an könnte das Beschlagnahmeverbot bei Angehörigen allenfalls mit der Begründung rechtfertigen, daß das verwandt­ schaftliche Vertrauensverhältnis nicht gefährdet wer­ den dürfe. Dieser Gesichtspunkt muß jedoch hinter das öffentliche Interesse an der Aufklärung der W ahr­ heit zurücktreten. § 222

Vollziehung

der Bes chl agna hme

Der Entwurf hält Vorschriften darüber für nötig, in welcher Form die Beschlagnahme vollzogen wird, an welche Merkmale also die Wirkungen der Beschlag­ nahme geknüpft sind, da sonst insbesondere bei der Beschlagnahme von Rechten Unsicherheit für den Rechtsverkehr entstehen könnte. Die Bestimmungen über die Durchführung der Beschlagnahme gelten gleicherweise für die Beschlagnahme von Beweis­ stücken, Einziehungsstücken und von Gegenständen, deren Sicherstellung der Schadloshaltung des Ver­ letzten dienen soll. S ie lehnen sich im einzelnen an die zivilrechtlichen Pfändungsvorschriften an, bringen aber gegenüber dem Pfändungsrecht der ZPO. wesentliche Vereinfachungen, damit den Strafver­ folgungsbehörden ein rasches und wirksames Zu­ greifen nicht unnötig erschwert wird. Die Beschlag­ nahme beweglicher Sachen erfolgt dadurch, daß sie entweder in dienstliche Verwahrung genommen oder gegenüber dem, der sie im Gewahrsam hat, für be­ schlagnahmt erklärt werden. I m letzten F all soll die Beschlagnahme durch Siegel oder in anderer Weise ersichtlich gemacht werden; die Wirksamkeit der B e­ schlagnahme ist indes von der Befolgung dieser V or­ schrift nicht abhängig. Abs. 2 regelt die Vollziehung der Beschlagnahme von anderen Gegenständen als beweglichen Sachen, also von Grundstücken, Forderungen und sonstigen Rechten. Bei ihnen erfolgt die Beschlagnahme stets dadurch, daß sie gegenüber dem Berechtigten für be­ schlagnahmt erklärt werden. Bei der Beschlagnahme von Forderungen ist außerdem dem Schuldner das Verbot, an den Berechtigten zu leisten, bekanntzu­ geben, damit der Schuldner an den von der Beschlag­ nahme betroffenen Gläubiger nicht mehr mit befreien­ der Wirkung leisten kann. Abs. 3 enthält für die Beschlagnahme von Grund­ stücken, Rechten an Grundstücken und Rechten an solchen Rechten besondere Vorschriften, die durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs bedingt sind. Auch bei ihnen erfolgt die Beschlagnahme durch die Beschlagnahmeerklärung gegenüber dem Berechtigten. Der Vorschrift, daß der Richter und der S ta a ts­ anwalt das Grundbuchamt um Eintragung der Be­ schlagnahme in das Grundbuch ersuchen können, be­ darf es mit Rücksicht auf § 38 der Grundbuchordnung und im Hinblick auf § 223 Abs. 2 des Entwurfs. Die

Zuständigkeit des Staatsanw alts und des Richters richtet sich nach § 249. § 223 Wi r k u n g der B e s c h l a g n a h m e Die Beschlagnahme entzieht dem Betroffenen zu­ nächst die Befugnis, auf die Sache t a t s ä c h l i c h ein­ zuwirken. Dies ergibt sich aus der Strafvorschrift des § 289 S tG B ., die jede Zerstörung, Beschädigung, Unbrauchbarmachung oder anderweite Verstrickungs­ entziehung einer in Beschlag genommenen Sache mit S trafe bedroht. § 223 regelt darüber hinaus die Wirkung der Beschlagnahme für den Bereich des bürgerlichen Rechtsverkehrs, d. h. die Wirkung hin­ sichtlich der rechtlichen Verfügungsgewalt. I n der bisherigen S tP O , sind diese Wirkungen nicht einheit­ lich geregelt. Die daraus entstandenen Zweifel be­ seitigt der Entwurf. Die Wirkung wird entsprechend dem § 135 BG B . einheitlich dahin geregelt, daß Ver­ fügungen über beschlagnahmte Gegenstände dem Reich gegenüber unwirksam sind, und zwar auch dann, wenn sie durch Zwangsvollstreckung oder durch Voll­ ziehung eines Arrestes erfolgen. M it Rücksicht auf die besonderen Zwecke der Beschlagnahme zur Schad­ loshaltung des Verletzten wird die Wirkung dieser Beschlagnahme dahin erweitert, daß solche Ver­ fügungen auch dem Verletzten gegenüber unwirksam sind. Abs. 2 erklärt die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, für entsprechend anwend­ bar. Praktische Bedeutung hat diese Vorschrift aller­ dings nur insoweit, als es für das weitere Schicksal der beschlagnahmten Gegenstände auf die Eigentums­ und Rechtsverhältnisse an ihnen ankommt. S o kann z. B. der gutgläubige Erwerb eines beschlagnahmten Beweisstücks nicht zur Folge haben, daß die Beschlag­ nahme erlischt. Auch bei Einziehungsstücken kann der gutgläubige Eigentumserwerb durch einen Dritten nicht die Aufhebung der Beschlagnahme begründen, da die Einziehung ohne Rücksicht auf die Rechte D ritter zulässig ist. Wohl aber kann das Recht des D ritten dazu führen, daß von der Einziehung aus Billigkeitsgründen nach § 77 Abs. 3 S tG B , abge­ sehen wird. Die Wirkung der Beschlagnahme ist bei Beweis­ stücken, Einziehungsstücken und Gegenständen, die zur Schadloshaltung des Verletzten in Betracht kommen, die gleiche. Allerdings geht der Zweck der Beschlag­ nahme bei Beweisstücken mehr dahin, eine Verände­ rung des t a t s ä c h l i c h e n Z u s t a n d e s zu ver­ hindern, während bei Einziehungsstücken und in den Fällen des § 219 Nr. 3 die Verhinderung r e c h t­ lic h e r Verfügungen im Vordergrund steht. Der Entwurf trägt diesem Unterschied durch eine besondere Vorschrift im Abs. 3 Rechnung. Zwar sollen auch für Beweisstücke die rechtlichen Wirkungen des Ver­ fügungsverbots stets eintreten; S taatsanw alt und Richter sollen jedoch einer Verfügung über eine Sache, die lediglich als Beweisstück beschlagnahmt worden ist, zustimmen, wenn die Verfügung den Zweck der Be­ schlagnahme (in der Regel die Erhaltung des tatsäch­ lichen Zustandes) nicht beeinträchtigt.

§ 224 Mitteilung

der Bes chl agnahme

Abs. 1 sieht vor, daß die Beschlagnahme dem B e­ troffenen mitzuteilen ist, sobald dies den Zweck des Verfahrens nicht mehr gefährdet. Unter der gleichen Voraussetzung soll dem Betroffenen auch der Zweck der Beschlagnahme mitgeteilt werden, wenn sie zur Schadloshaltung des Verletzten erfolgt; dadurch soll der Betroffene auf die besondere Art und die beson­ deren Wirkungen (§ 223 Abs. 1) dieser Beschlagnahme aufmerksam gemacht werden. Betroffen sind jene, in deren Rechte die Beschlagnahme irgendwie ein­ greift. § 241 Abs. 3 sieht vor, daß der Betroffene oder sein Vertreter ein Verzeichnis der Sachen erhält, die g e l e g e n t l i c h e i n e r D u r c h s u c h u n g beschlag­ nahmt worden sind. Dies soll nach § 224 Abs. 1 Satz 2 auch für die Beschlagnahme außerhalb einer Durchsuchung gelten, sofern der Betroffene eine schriftliche Bestätigung über die Beschlagnahme ver­ langt. Abs. 2 soll dem Verletzten die Wahrnehmung seiner Rechte ermöglichen. Die BenachrichtigungsPflicht gewinnt besondere Bedeutung im Hinblick auf § 226 Abs. 2, der die Aushebung der zur Schadlos­ haltung des Verletzten ausgesprochenen Beschlag­ nahme vorsieht, wenn der Verletzte während eines M onats seit seiner Benachrichtigung untätig bleibt und auf diese Folge hingewiesen worden ist. Der Hinweis auf die Folgen des § 226 Abs. 2 wird zweck­ mäßig stets mit der Mitteilung nach § 224 Abs. 2 verbunden. § 225 Si c h e r s t e l l u n g von Beweisen Die Sicherung und Bereitstellung von Beweis­ stücken für das Verfahren kann nach § 219 Nr. 1 im Wege der Beschlagnahme geschehen. Ebenso wie die Beschlagnahme von Einziehungsstücken entzieht auch die Beschlagnahme von Beweisstücken dem Berech­ tigten die tatsächliche und rechtliche Verfügungs­ gewalt in vollem Umfange und überträgt sie auf die beschlagnahmende Stelle. Eine derart weitgehende Entziehung der Verfügungsgewalt geht bei Beweis­ stücken häufig über den Zweck der Beschlagnahme hin­ aus. Dem trägt bereits der § 223 Abs. 3 Rechnung, wonach Verfügungen über Beweisstücke, die den Zweck der Beschlagnahme nicht beeinträchtigen, vom zustän­ digen S taatsanw alt oder Richter genehmigt werden sollen. Bei der Spurensicherung und der Sicherung eines Augenscheinbeweises kommt es aber oft nicht darauf an, die Verfügungsgewalt des Berechtigten über einen Gegenstand zu beschränken, sondern das Beweismittel in dem Zustand zu erhalten, in den: es sich bei der T at befunden hat. Werden am T atort Fingerspuren gefunden, so dient ihrer Sicherung nicht etwa die Beschlagnahme des Hauses, an dessen Fenstern sich die Fingerspuren befinden, sondern jede Vorkehrung, die den Zugang zu den Fenstern ver­ hindert. Sind bei einem Kraftwagenunfall die Bremsspuren des Wagens auf der S traße zu sichert: oder bei einem Zugzusammenstoß der Zustand der Gleise und der Zugsicherungen festzustellen, so bedarf es ebenfalls anderer Maßnahmen als der Beschlag-

nähme. Z u r E rgänzung der Beschlagnahme boit Beweisstücken stellt der E ntw urf im § 225 daher den Strafverfolgungsbehörden alle M aßnahm en zur V er­ fügung, die einen Augenscheinsbeweis auf andere Weise als durch Beschlagnahme sichern. D ie M ittel zur Sicherstellung können sehr verschiedenartig sein und entziehen sich einer erschöpfenden Aufzählung. D er E ntw urf nennt beispielhaft das Absperren des T a to rts und das V erbot, bestimmte Sachen zu be­ rühren oder bestimmte O rte zu betreten. Diese A uf­ zählung läßt andere Möglichkeiten, die in der durch die Beispiele angedeuteten Richtung liegen, offen. S o kann z. B . auf G rund des § 225 auch ein A uftrag zur Herbeischaffung gewisser Gegenstände zum O rt des Augenscheins erteilt werden, wenn etwa ein an einem S traßenunfall B eteiligter seinen Kraftwagen zum Unsallort bringen soll. Diese Z w angsm ittel zur Sicherstellung von B e­ weisen stehen dem S ta a tsa n w a lt, dem Richter und der Polizei zur Verfügung (§§ 249 Abs. 3, 251 Abs. 2).

§ 226 A u f h e b u n g der Bes chl agnahme D ie Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. D a s ist auch dann der F all, wenn sie nicht mehr nötig ist. E s ist also stets — insbesondere bei V eränderungen der Sachlage — daraus zu achten, ob der V erfahrens­ zweck die weitere Beschlagnahme erfordert. D aß die Beschlagnahme bei Freisprechung oder endgültiger Einstellung des V erfahrens aufzuheben ist, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. F ü r die Beschlagnahme, die lediglich der Schad­ loshaltung des Verletzten dient, enthält Abs. 2 be­ sondere Bestimmungen. S ie soll — abgesehen von den F ällen des Abs. 1 — auch dann aufgehoben werden können, wenn der Verletzte innerhalb eines M o n ats seit seiner Benachrichtigung nach § 224 Abs. 2 u n ­ tätig bleibt, obwohl er auf die dadurch bedingte M ög­ lichkeit zur Aufhebung der Beschlagnahme in der Nachricht hingewiesen worden ist. Handelt es sich um Sachen, die dem Verletzten nach § 227 zurückzugeben sind, so ist die Untätigkeit des Verletzten ohne B e­ deutung. A ls Schritte, die die Aufhebung der B e­ schlagnahme nach Abs. 2 hindern, nennt der Entw urf die B etreibung der Sicherung oder Befriedigung des Entschädigungsanspruchs. Ob dies durch Klage, dinglichen Arrest oder Geltendmachung des E n t­ schädigungsanspruchs im S trafverfahren geschieht, ist gleichgültig. Die Aufhebung der Beschlagnahme ist auch dann möglich, wenn der Verletzte trotz eines Hinweises auf die Folgen seiner Untätigkeit das zu­ nächst von ihm angestrengte V erfahren nicht weiter betreibt, also z. B . seine Klage zurücknimmt, kein Rechtsm ittel gegen die ihm nachteilige Entscheidung einlegt oder es, nachdem von einer Entscheidung über seinen Entschädigungsanspruch im S trafverfahren abgesehen worden ist, unterläßt, den Anspruch anderweit geltend zu machen (§ 443). V on der B efugnis, die Beschlagnahme nach § 226 Abs. 2 aufzuheben, soll nicht ohne triftigen G rund Gebrauch gemacht werden.

Rückgabe an den Verletzten Is t eine beschlagnahmte Sache im Verfahren ent­ behrlich und die Beschlagnahme daher nach § 226 aufzuheben, so ist sie nicht demjenigen zurückzugeben, bei dem sie beschlagnahmt wurde, sondern dem V er­ letzten, dem sie durch die T a t entzogen wurde. Die Vorschrift dient wie die Beschlagnahme zur Schadlos­ haltung des Verletzten dem Ziel, die W iedergut­ machung des dem Verletzten zugefügten Schadens zu fördern. D er Entw urf sieht die Rückgabe an den V er­ letzten bei allen beschlagnahmten Sachen vor, die dem Verletzten durch die T a t entzogen worden sind, nicht aber bei solchen Sachen, die der Beschuldigte durch Verwertung der dem Verletzten entzogenen Sachen oder als Ersatz für sie erworben hat (sog. S u rrogate). Denn auf die Rückgabe der S urrogate teht dem Verletzten kein Anspruch zu. S in d sie zu einen Gunsten beschlagnahmt, so bedarf es der Volltreckung in sie nach. den. Vorschriften der Z P O . D ie Rückgabe beschränkt sich andererseits nicht auf solche Sachen, die bei dem T äter oder einem an der T at Beteiligten beschlagnahmt worden sind. Auch Sachen, die niemand in Gewahrsam gehabt hat, oder die bei einem D ritten beschlagnahmt worden sind, können form los zurückgegeben werden. Die Interessen d ritter Personen werden dadurch nicht beeinträchtigt, da die Rückgabe allgemein an die Voraussetzung ge­ knüpft ist, daß keine entgegenstehenden Ansprüche geltend gemacht werden. I s t zweifelhaft, wer zum Empfang der beschlag­ nahm ten Sache berechtigt ist, so. läßt der Entw urf zwei Möglichkeiten offen. Entweder kann die B e­ schlagnahme aufrechterhalten bleiben, bis die Rechts­ frage geklärt ist, oder die Sache kann, w as der Abs. 2 besonders hervorhebt, für den Berechtigten hinterlegt werden, sofern sie hinterlegungsfähig ist. D a es sich bei der Rückgabe nur um eine vorläufige Regelung des Besitzstandes handelt, soll nach Abs. 3 dem Betroffenen der Rechtsweg vorbehalten bleiben. § 228 Notveräußerung § 228 gibt die Möglichkeit, beschlagnahmte Sachen, die für verfallen erklärt oder eingezogen werden können, schon vor Rechtskraft des die E in ­ ziehung oder V erfallerklärung aussprechenden U rteils zu verwerten und dam it den W ert der beschlagnahm­ ten Sache zu erhalten. Bei Beweisstücken ist eine N otveräußerung nicht vorgesehen, da hier entweder die E rhaltung für Beweiszwecke unerläßlich ist oder aber — wenn die E rhaltung nicht unerläßlich oder nicht möglich ist — die sofortige Rückgabe an den Betroffenen erfolgen kann. Bei Sachen, die zur Schadloshaltung des Verletzten beschlagnahmt w or­ den sind, kann die Beschlagnahme in die Z w angs­ vollstreckung nach der Z P O . übergeleitet und dadurch eine Veräußerung ermöglicht werden. Die N otveräußerung soll nach den Vorschriften über die V erw ertung im V erw altungszw angsversahren durchgeführt werden. B is zur einheitlichen

Regelung für alle Verwaltungen ist die Justizbeitrei­ bungsordnung vom 11. M ärz 1937 maßgebend, die in § 6 aus die Vorschriften der Zivilprozeßordnung verweist. Nach § 816 Z PO . ist die Veräußerung öffentlich bekanntzumachen; darüber hinaus sieht der Entwurf vor, daß möglichst der Beschuldigte, der Eigentümer und jeder andere zu benachrichtigen ist, dem Rechte an der Sache zustehen. _ Der Erlös soll an die Stelle der beschlagnahmten machen treten. § 229 Zul äss i gkei t der V e r m ö g e n s ­ beschlagnahme Die Strafe der Vermögenseinziehung ist im Ent­ wurf des Strafgesetzbuchs für die schwersten Fälle des Hochverrats und des Landesverrats vorgesehen. Die Vermögensbeschlagnahme soll die Durchführung der Vermögenseinziehung sichern. D a es sich um eine besonders einschneidende Maßnahme handelt, macht der Entwurf zur Voraussetzung, daß der Beschuldigte der T at dringend verdächtig und daß die Ver­ mögenseinziehung zu erwarten ist. Die weiteren Voraussetzungen eines Haftbefehls brauchen nicht vor­ zuliegen. Auch soll die Vermögensbeschlagnahme schon vor Erhebung der Anklage möglich sein. Der Entwurf läßt unter den angegebenen Vor­ aussetzungen auch eine Teilbeschlagnahme zu. Sie soll eine Beschränkung auf die wesentlichsten Ver­ mögensbestandteile, etwa den Grundbesitz, ermög­ lichen; es kann auch zweckmäßig sein, aus allgemein­ wirtschaftlichen Gründen die Beschlagnahme solcher Werte auszunehmen, die zur Aufrechterhaltung eines .Handelsbetriebes oder eines Industrieunternehmens erforderlich oder zur Veräußerung bestimmt sind. Die Beschlagnahme von Vermögenswerten als M ittel zur Zwangsgestellung eines Flüchtigen (§ 290 S tP O .) regelt der Entwurf in den Vorschriften über das Verfahren gegen Flüchtige (§ 409). Die Ver­ mögensbeschlagnahme zur Sicherung der Geldstrafe und Kosten, die die §§ 283, 284 S tP O , gegenüber einem Flüchtigen vorsehen, ist im Entwurf durch die allgemeine Zulassung des Arrestes (§ 232) entbehrlich geworden. Der Abs. 2 wiederholt die für die Aufhebung der Beschlagnahme einzelner Gegenstände geltende Vor­ schrift des § 226 Abs. 1. § 230 V o l l z i e h u n g und Wi r k u n g der Vermögensbeschlagnahme Während für die A n o r d n u n g der Beschlag­ nahme e i n z e l n e r Gegenstände keine Form vor­ gesehen ist, muß die V e r m ö g e n s beschlagnahme s c h r i f t l i c h , und zwar unter Angabe des Tages und der Stunde angeordnet werden. Der Grund für diese Formvorschrift liegt darin, daß die Wirkungen der Vermögensbeschlagnahme bereits mit ihrer schrift­ lichen Anordnung eintreten sollen. I m bisherigen Recht (§§ 284, 292, 433 S tP O .) wird die Ver­ mögensbeschlagnahme erst mit der ersten Bekannt­ machung im Deutschen Reichsanzeiger wirksam. Da

im Entwurf die Vermögensbeschlagnahme nur noch bei drohender Vermögenseinziehung vorgesehen ist, empfiehlt es sich, die Vermöaensbeschlagnahme mög­ lichst früh in Kraft treten zu lasten, damit mißbräuch­ liche Verfügungen des Beschuldigten nach Möglichkeit verhindert werden. Der Entwurf trifft damit eine ähnliche Regelung, wie sie für die Konkurseröffnung gilt. Nach Abs. 1 Satz 2 soll die Beschlagnahme auch das Vermögen ergreifen, das der Beschuldigte während der Dauer der Vermögensbeschlagnahme er­ wirbt. Die Bestimmungen des Abs. 2 über die Bekannt­ machung im Deutschen Reichsanzeiger und anderen öffentlichen B lättern entsprechen im wesentlichen dem bisherigen Recht; neu ist, daß die Bekanntmachung außer.im Deutschen Reichsanzeiger noch in min­ destens einem öffentlichen B latt erfolgen muß. Von der öffentlichen Bekanntmachung hängt aber eben­ sowenig wie von der im Abs. 2 Satz 1 vorgeschrie­ benen Bekanntgabe an den Beschuldigten und der Eintragung im Grundbuch — um die nach Abs. 2 Satz 3 die anordnende Stelle das Grundbuchamt er­ suchen kann — die Wirksamkeit der Vermögens­ beschlagnahme ab. Wohl aber sind sie für den Aus­ schluß des gutgläubigen Erwerbs beschlagnahmter Vermögensbestandteile von Bedeutung: Da die Vermögensbeschlagnahme schon mit ihrer schriftlichen Anordnung wirksam wird, bedarf es des Schutzes gutgläubiger D ritter, den das bisherige Recht in § 292 S tP O , nicht kennt. Abs. 3 schränkt diesen Schutz aber stark ein, indem er bestimmt, daß ein D ritter sich nach der Bekanntmachung in einem öffentlichen B latt oder nach der Zustellung an ihn nur dann daraus berufen sann, die Vermögens­ beschlagnahme sei ihm nicht bekannt gewesen, wenn seine Unkenntnis nicht aus Fahrlässigkeit beruht. Diese Beschränkung des Schutzes des Gutgläubigen ist bei der Eigenart der Maßnahme-nicht zu entbehren, wobei jedoch bei der Prüfung der Fahrlässigkeit feine unangemessenen Anforderungen gestellt toerben dürfen. § 231 Treuhänder und Pfleger Zur Verwaltung des beschlagnahmten Vermögens sieht der Entwurf die Bestellung eines Treuhänders vor. E r ist insbesondere dazu berufen, bei der Be­ schlagnahme eines Betriebsvermögens die für die Fortführung eines Betriebes erforderlichen M aß­ nahmen zu treffen, über beschlagnahmte Gegenstände im Rahmen der Betriebserforderniste zu verfügen und die mit dem Betrieb zusammenhängenden Rechts­ beziehungen zu regeln. Daneben soll bei abwesenden Beschuldigten das Vormundschaftsgericht die Mög­ lichkeit erhalten, zur Wahrung der Interessen des Beschuldigten einen Pfleger zu bestellen. Rechte, Pflichten und Tätigkeit des Treuhänders sowie seine Stellung zum Pfleger sollen im einzelnen durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Reichs­ ministers der Justiz geregelt werden, und zwar unter Beteiligung der zuständigen Fachmimster. Auf Grund dieser Ermächtigung können auch Rechts­ normen auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts ge­ schaffen werden.

§

232

Arrest § 232 enthält eine Neuerung gegenüber dem b is­ herigen Recht. § 283 S tP O , kennt eine „Beschlag­ nahme" zur Sicherung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden Geldstrafe (und Kosten) m ir im V erfahren gegen Abwesende und Flüchtige; diese „Beschlagnahme" ist hinsichtlich ihrer Vollziehung und Wirkungen dem dinglichen Arrest der Z iv il­ prozeßordnung gleichgestellt. E in B edürfnis nach einem solchen Arrest besteht aber nicht n u r im V er­ fahren gegen Flüchtige, sondern — wie insbesondere die Devisenstrafgesetzgebung zeigt — auch im V er­ fahren gegen Anwesende. D er E ntw urf läßt daher die A nordnung des Arrestes allgemein zu, wenn zu besorgen ist, daß sonst die Vollstreckung einer G eld­ strafe oder der Verfallerklärung eines G eldbetrages vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. D er Entw urf hat dabei die Rechtssorm einer bloßen B e­ schlagnahme vermieden, weil die Beschlagnahme nur ein V erfügungsverbot enthält, aber kein Pfand- und Vorzugsrecht wie die Pfändung auf G rund der Z iv il­ prozeßordnung entstehen läßt. D ie B egründung eines solchen Pfandrechts ist aber notwendig, um der Reichskasse gegenüber anderen G läubigern auf G rund des Arrestes ein Vorzugsrecht zu verschaffen. D a der Arrest eine einschneidende M aßnahm e enthält, soll er für die Z eit vor E rlaß des U rteils n u r unter der Voraussetzung d r i n g e n d e n Tatverdachts zulässig sein; zur Sicherung geringfügiger B eträge soll vom Arrest kein Gebrauch gemacht werden. Abs. 2 sieht vor, daß durch H interlegung des zu sichernden G eldbetrages der Vollzug des Arrestes ge­ hemmt und der vollzogene Arrest aufgehoben wird. Wegen des Vollzuges des Arrestes w ird aus die Vorschriften im V erw altungszw angsverfahren ver­ wiesen. B is zur einheitlichen Regelung für alle V er­ w altungen kommt die Justizbeitreibungsordnung vom 11. M ärz 1937 zur Anwendung (§ 10), die auf die Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozeß­ ordnung verweist. §§ 233, 234, 235 P o st s p e r r e u n d P o s t a u s k u n s t D er E ntw urf bringt eine Neuregelung für die im Strafverfahren zulässigen Eingriffe in den Postver­ kehr. E r regelt nicht nur die Beschlagnahme von Postsendungen im engeren S in n e, sondern auch alle sonstigen Eingriffe in den Postverkehr, so das E r­ suchen um A nhalten und Vorzeigen von Sendungen (auch wenn sie nicht beschlagnahmt werden) und die Auskunft über den Postverkehr. § 233 schafft den neuen Begriff der P o st s p e r r e . S ie besteht darin, daß alle im Gewahrsam der Deutschen Reichspost befindlichen Postsendungen, Telegram m e und Aufträge im Postscheckverkehr („S endungen"), die an den Beschuldigten gerichtet sind, oder von denen anzunehmen ist, daß sie für den Beschuldigten bestimmt sind oder von ihm her­ rühren oder Einziehungsstücke enthalten, zunächst der Dienststelle auszuliefern sind, die die S p erre ange­ ordnet hat. Ob die Sendungen dann zu beschlag­

nahm en sind, richtet sich nach den allgemeinen Be­ stimmungen. D a die Postsperre die. Beschlagnahme nu r. vorbereiten soll und die Bedeutung der S endun­ gen für das jeweilige S trafverfahren erst nach ein­ gehender P rüfung festgestellt werden samt, läßt sich die Postsperre nicht — wie nach § 99 S tP O , die Postbeschlagnahme — auf die Sendungen beschrätilen, die für die Untersuchung Bedeutitng haben. Die Dienststelle, die die S p erre angeordnet hat, prüft die. Sendungen daraufhin durch, ob eine Beschlagnahme erforderlich ist; zu diesem Zweck dürfen auch ver­ schlossene Sendungen geöffnet werden. Hierin liegt eine Abweichung vorn bisherigen Recht, das eine Öffnung erst nach der Beschlagnahme und nur durch den Richter zuläßt. D ie vom Entw urf vorgeschlagene Regelung ist zweckmäßiger, weil die Öffnung einer Sendung in vielen F ällen ihre Bedeutungslosigkeit für das jeweilige V erfahren ergibt und damit eine Beschlagnahtne erübrigt. Sendungen, die nicht ge­ öffnet oder nicht zurückbehalten werden, sind nach M aßgabe des Abs. 4 an die Post zurückzugeben, die sie im ordnungsm äßigen Postverkehr weiterleitet. Die Einzelheiten der Durchführung der Postsperre bedürfen keiner gesetzlichen Regelung. S ie können durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt werden. Nach Abs. 3 ist die Postsperre aus die D auer eines M onats begrenzt. Allerdings ist eine Verlängeritng, die sich wiederum auf einen M onat er­ streckt, beliebig oft zulässig. D ie (Störungen des laufenden Postbetriebs, die m it jeder Postsperre ver­ bunden sind, erfordern eine Beschränkung dieses E in ­ griffs auf das zeitlich unbedingt notwendige M aß. D aher soll die Postsperre von selbst nach dem Ablauf einer gewissen Zeit außer K raft treten und nur dann länger fortbestehen, wenn die Strafverfolgungsbehör­ de es besonders anordnet. Absatz 4 verpflichtet die Dienststelle, die die Postsperre angeordnet hat, zu gewissen M itteilungen und vor allem zur A ushändi­ gung solcher Sendungen, die nicht geöffnet oder nicht zurückbehalten werden. D ie M itteilungen und die Aushändigung sind jedoch davon abhängig, daß der Zweck des V erfahrens dadurch nicht beeinträchtigt wird. § 234 (Postauskunft) tritt an die Stelle der bisher im Gesetz über Fernm eldeanlagen vom 14. Ja n u a r 1928 (R G B l. I S . 8) enthaltenen Bestimmungett, so­ weit sie die Pflichten der Reichspost zur Erteilung von Auskunft über den Fernmeldeverkehr regeln. D er Entw urf dehttt die Auskunstspflicht aus den ge­ samten Post-, Postscheck-, Postsparkassen- und Ferumeldeverkehr aus. D ie Voraussetzuttgen der A us­ kunftspflicht sind dieselben wie die der Postsperre; jedoch ist die Auskunft auch dann zu erteilen, wenn sich die Sendungen oder M itteilungen nicht mehr im Machtbereich der Reichspost befinden. Ferngespräche unterlagen nach der Fassung des § 12 des Gesetzes über Fernm eldeanlagen der Auskunstspflicht nur, so­ weit sie vor dem Ersuchen der Auskunft geführt worden waren. Durch die Neufassung der Vorschrift w ird aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, das Ersuchen auf künftige Ferngespräche auszudehnen. D ie Vorschrift gibt dam it auch die G rundlage für die Überwachung des Fernsprechverkehrs. I n ' welcher Weise intb in welchem Umfange eine Überwachung

des Post-, Postscheck-, Postsparkassen- und Fernmeldcverkehrs verlangt werden kann, bleibt der näheren Regelung durch V erw altungsanordnungen vorbehalten. Z u r Vermeidung von Zweifeln stellt der Abs. 2 klar, daß im Postscheck- und Postsparkassenver­ kehr Auskunft nicht n u r über die Sendungen, sondern auch über den S ta n d des Postscheck- und Postspar­ kassenkontos verlangt werden kann. § 235 stellt weitergehend als § 13 des Gesetzes über Fernm eldeanlagen die privaten Fernm elde­ unternehm en, insbesondere B ord- und Zugfunk­ stationen, denen der Reichspost hinsichtlich der Post­ sperre und der Postauskunst gleich. Z w eiter Unterabschnitt

Durchsuchung §§ 236, 237 Durchsuchung bei V e r d ä c h t i g e n und Unverdächtigen D er Durchsuchung sind nicht n u r Räum e unb Sachen, sondern auch Menschen und die Kleidung, die sie an sich tragen, unterw orfen. D ie Durch­ suchung bei Unverdächtigen w ird im E ntw urf tioit strengeren Voraussetzungen abhängig gemacht a ls die Durchsuchung bei Verdächtigen (vgl. § 298 Abs. 1 N r. 2). B ei Verdächtigen genügt die E rw artung, daß ein Verdächtiger, eine S p u r der T a t oder eine der Be­ schlagnahme unterliegende Sache gefunden werde. Bei Unverdächtigen ist dagegen die Durchsuchung n u r zu­ lässig, wenn ein b e s t i m m t e r Verdächtiger oder eine b e s t i m m t e S p u r der T a t erm ittelt oder eilt b e s t i m m t e r Gegenstand beschlagnahmt werden soll; außerdem muß ein A nhalt dafür bestehen, daß der Verdächtige, die S p u r oder die Sache gefunden werde. Diese Einschränkungen gelten nach § 237 Abs. 2 allerdings nicht für R äum e, in denen der Ver­ dächtige gefunden wird oder die er während der Ver­ folgung betreten hat, und für die darin befindlichen Sachen; sie dürfen ebenso durchsucht werden wie die des Verdächtigen. Die §§ 236, 237 gestatten auch die körperliche Durchsuchung von Menschen; sie regeln jedoch nicht die körperliche Untersuchung, die in § 243 behandelt ist. Die körperliche Durchsuchung erstreckt sich lediglich aus die Körperobersläche und die Kleidung, die je­ m and an sich trägt, während die Untersuchung eine P rü fu n g der äußeren oder inneren Beschaffenheit des K örpers sowie der Körperhöhlen und Körperöffnun­ gen zwecks Feststellung bedeutsamer Tatsachen be­ zweckt. S o ll zwecks Beschlagnahme eine Sache er­ m ittelt werden, von der anzunehmen ist, daß sie sich im K örperinnern oder in einer Körperöfsnung be­ findet, so sind also nicht die Vorschriften über die Durchsuchung, sondern diejenigen über die körper­ liche Untersuchung anzuwenden. Außer der Person des Verdächtigen oder Unver­ dächtigen, seiner W ohnung und anderer Räume, können alle Sachen durchsucht werden, die er „be­ sitzt"; auf das Eigentum (vgl. § 102 S tP O .) kann es schon aus praktischen G ründen nicht ankommen. Die

Durchsuchung bei Verdächtigen und Unverdächtigen wird im E ntw urf nicht nur zur Auffindung von Sachen zugelassen, die als Beweisstücke oder E in ­ ziehungsstücke der Beschlagnahme unterliegen, sondern auch zur E rm ittlung solcher Sachen, die zur Schadlos­ haltung des Verletzten beschlagnahmt werden können (§ 219 Nr. 3). D am it erhält auch die Durchsuchung die Aufgabe, der Wiedergutmachung des dem V er­ letzten entstandenen Schadens zu dienen. § 238 Du r c h s u c hu n g bei Nacht Z u r W ahrung des Hausfriedens beschränkt § 238 die nächtliche Durchsuchung in ähnlicher Weise, wie es § 104 S tP O , vorsieht. D ie Beschränkung gilt nicht für Räume, die bei Nacht jedermann zugänglich sind oder deren In h a b e r in die nächtliche Durchsuchung einwilligt. D er K reis der geschützten Räum e deckt sich mit den Räum en, für die in § 436 S tG B , der H aus­ frieden anerkannt und geschützt ist. D ie Fassung stellt klar, daß die Beschränkung sich n u r auf Durch­ suchungen bezieht, die während der Nacht begonnen werden, nicht aber auf Durchsuchungen, die tagsüber begonnen haben, sich aber noch in die Nachtzeit hin­ ein erstrecken. § 239 Unbeschränkte Durchsuchung § 239 beseitigt für gewisse Räum e die Schranken, die nach § 237 für die Durchsuchung bei Unverdäch­ tigen und nach § 238 für die Durchsuchung bei Nacht gelten. D er E ntw urf w ählt in Ziffer 1 die S am m el­ bezeichnung „gemeinschädliche Leute", weil sich die kasuistische Regelung des bisherigen Rechts (§ 104 Abs. 2 S tP O .) nicht bewährt hat. D ie beispielhafte Auszählung bestimmter A rten von Räum en zeigt den S in n , in dem die Bezeichnung „gemeinschädliche Leute" zu verstehen ist. Die Beschränkungen der Durchsuchung zur Nachtzeit entfallen nach § 257 Abs. 2 auch in Hoch- und Landesverratssachen. § 240 Durchsuchung von Fr a ue n § 240 entspricht einem schon heute beachteten Grundsatz. E r soll auch dann gelten, wenn die be­ troffene F ra u in die Durchsuchung einwilligt. §241 Befugnisse des B e t r o f f e n e n Grundsätzlich soll der In h ab er der zu durchsuchen­ den Räum e oder Sachen bei der Durchsuchung zu­ gegen sein dürfen. Abs. 1 Satz 2 läßt jedoch eine Ausnahme zu, wenn die Anwesenheit des In h ab ers mit dem Zweck der Durchsuchung nicht vereinbar ist, was insbesondere bei dem Verdächtigen zutreffen kann. Is t der In h a b e r bei der Durchsuchung nicht zugegen, so soll möglichst als sein V ertreter ein er­ wachsener Angehöriger, Hausgenosse, Nachbar oder ein Angehöriger der Gefolgschaft zugezogen werden. Nach bisherigem Recht (§ 105 Abs. 2 S tP O .) sind bei einer Haussuchung, die ohne Beisein des Richters oder des S ta a tsa n w a lts stattfindet, möglichst ein

Gemeindebeamter oder zwei Gemeindemitglieder zu­ zuziehen, die nicht Polizeibeamte sein dürfen. Der Entwurf hat diese Vorschrift nicht übernommen. Die Zuziehung von Gemeindemitgliedern bedeutet eine unnötige Bloßstellung für den möglicherweise unver­ dächtigen Betroffenen, die für ihn gerade in kleineren Orten eine dauernde Ehrenminderung zur Folge haben kann. Außerdem enthält sie den Ausdruck des M ißtrauens gegenüber der Polizei, für den im heuti­ gen S ta a t kein Raum mehr ist. Nach Abs. 2 ist der Zweck zur Durchsuchung vor ihrem Beginn mitzuteilen; eine Ausnahme ist für die Durchsuchung bei Verdächtigen und für die in § 239 genannten Räume zugelassen. Dem Verdächtigen soll auch die ihm zur Last gelegte T at mitgeteilt werden (Abs. 4); der Zeitpunkt-für diese M itteilung bestimmt sich nach den Notwendigkeiten des Ver­ fahrens. Der Betroffene oder sein Vertreter soll stets (auch ohne besonderes Verlangen) ein Verzeichnis der be­ schlagnahmten Sachen erhalten; das Verzeichnis soll so bald wie möglich fertiggestellt und übergeben werden. Wenn nichts beschlagnahmt worden ist, so wird dies auf Verlangen bestätigt.. Die Vorschrift des § 110 S tP O ., wonach eine Durchsicht der Papiere des Betroffenen nur dem Richter zusteht und andere Beamte nur mit Genehmi­ gung des Inhabers zur Durchsicht befugt sind, hat der Entwurf nicht übernommen. S ie führt zu einer unnötigen Belastung des Richters und hat sich in der Praxis als kaum durchführbar erwiesen. S ie beruht zudem auf einem ungerechtfertigten M ißtrauen gegenüber den nichtrichterlichen Strafverfolgungs­ beamten. § 242 E i n s t w e i l i g e Besch l a g n a h m e § 242 ermöglicht in Erweiterung des bisherigen Rechts (§ 108 S tP O .) eine einstweilige Beschlag­ nahme nicht nur von Sachen, die auf eine bereits begangene T at hindeuten, sondern auch von solchen Sachen, die aus eine geplante S traftat Hinweisen. M it dieser Regelung wird dem Grundsatz Rechnung getragen, daß die Strafverfolgungsbehörden stets auch die Verhütung strafbarer Handlungen im Auge behalten sollen. Die Vorschrift gibt die gesetzliche Ermächtigung zur Beschlagnahme für Fälle, in denen die Beschlagnahme nicht von einer zuständigen Stelle angeordnet ist und auch die durchsuchenden Beamten nach den Beschlagnahmevorschriften nicht befugt wären, die Beschlagnahme selbst anzuordnen. D ritter Unterabschnitt

Untersuchung von Menschen § 243 Unt e r s uchnng des K ö r p e r s und des Geisteszustandes D as Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsver­ brecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I ©.995) hat die Voraussetzungen der körperlichen Unter­

suchung im Strafverfahren geregelt und dadurch die Zweifel über die Zulässigkeit dieser Maßnahme ge­ klärt. Die Vorschriften über die Untersuchung des Verdächtigen (Abs. 1) sind gegenüber dem bisherigen Recht (§ 81 a Abs. 1 Satz 1 in der Fassung des Ge­ setzes vom 24. November 1933) im wesentlichen un­ verändert. Der Verdächtige darf auch künftig zur Feststellimg aller Tatsachen untersucht werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Die Untersuchung eines Verdächtigen soll demnach auch im Rahmen einer erb- und kriminalbiologischen Untersuchung ohne Beschränkung zulässig sein. F ü r die Unter­ suchung von Unverdächtigen schlägt dagegen der Entwurf wesentliche Erweiterungen des bisherigen Rechts vor. Nach § 81 a Abs. 1 Satz 2 S tP O , dürfen Unverdächtige ohne ihre Einwilligung nur untersucht werden, wenn festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte S p u r oder Folge einer strafbaren Handlung befindet. Diese Begrenzung hat sich als zu eng erwiesen. Gerade in den letzten Jahren hat die erbbiologische Forschung für das Strafverfahren eine stets wachsende Bedeutung er­ langt. Die erbbiologische Erforschung der Täter­ persönlichkeit hat Bedeutung für die Strafzumessung, für etwaige sichernde Maßregeln und für die Aus­ gestaltung des Strafvollzuges. Zur erbbiologischen Erforschung des Täters genügt aber nicht immer die Untersuchung des Verdächtigen; mitunter ist dazu die Untersuchung von weiteren Sippenangehörigeu des Verdächtigen erforderlich. Die Untersuchung des Unverdächtigen darf daher nicht mehr auf die Fest­ stellung körperlicher Spuren oder Folgen der T at beschränkt werden. Gegenüber dieser erheblichen E r­ weiterung der Untersuchung bei Unverdächtigen hält es der Entwurf für notwendig, durch Einschränkungen allgemeiner Art einer unangemessenen Beeinträchti­ gung der Belange Unverdächtiger vorzubeugen. Die körperliche Untersuchung soll bei einem Unverdäch­ tigen, abgesehen vom Falle der Einwilligung, nur dann zulässig sein, wenn die Maßnahme zur Wahrheitsersorschung unerläßlich ist und nicht außer Ver­ hältnis zur Bedeutung der Sache steht. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit werden einerseits die Bedeutung der zur Untersuchung stehenden T at und die Wichtigkeit der geplanten Untersuchungs­ handlung, andererseits die aus der A rt der Unter­ suchungshandlung und aus den besonderen Verhält­ nissen des Betroffenen für diesen sich ergebenden Un­ zuträglichkeiten gegeneinander abzuwägen sein. Der Entwurf geht auch insoweit über das bis­ herige Recht hinaus, als er die Untersuchung des Geisteszustandes von Verdächtigen und Unverdäch­ tigen unter denselben Voraussetzungen zuläßt, die für ihre körperliche Untersuchung gelten. Auch bei einem Unverdächtigen kann sich die Untersuchung des Geisteszustandes als unumgänglich notwendig er­ weisen, etwa dann, wenn ein Zeuge möglicherweise geisteskrank ist und deshalb gegen die Zuverlässigkeit seiner Aussage Bedenken bestehen. Is t zur Unter­ suchung des Geisteszustandes eines Beschuldigten seine Anstaltsbeobachtung erforderlich, so sind außer­ dem die Vorschriften des § 245 zu beachten. D as Verhältnis der körperlichen Untersuchung zur körperlichen Durchsuchung ist in den Bemerkungen zu den §§ 236, 237 erörtert.

Körperliche Eingriffe U nter körperlichen Eingriffen versteht der E n t­ w urf im Gegensatz zur Untersuchung M aßnahm en, die die körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen. Außer der besonders erw ähnten B lutprobe, die im S tra f­ verfahren sowohl für eine Blutalkoholuntersuchung als auch für eine Blutgruppenuntersuchung und für serologische Untersuchungen nötig werden kann, ge­ hören dahin z. B. das A uspum pen des M agens, die Einführung eines Brechm ittels, die Durchleuchtung m it Röntgenstrahlen und die Entnahm e von Rücken­ marksflüssigkeit (Lum balpunktion). S ow ohl bei Verdächtigen wie auch bei Unver­ dächtigen muß es sich um solche körperliche Eingriffe handeln, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen zu werden Pflegen und keinen Nach­ teil für die Gesundheit des Betroffenen besorgen lasten. Durch die Fastung des § 244 ist klargestellt, daß auch bei E inw illigung des Betroffenen keine E in ­ griffe vorgenommen werden dürfen, die Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen besorgen lasten, wobei völlig unerhebliche Nachteile außer Betracht bleiben. B ei Verdächtigen ist der körperliche Eingriff an die weitere Voraussetzung gebunden, daß — sofern der Betroffene nicht einwilligt — der Eingriff zur W ahrheitserforschung notwendig sein muß. Diese Einschränkung gegenüber § 243 erklärt sich daraus, daß der körperliche E ingriff für den B etroffenen im allgemeinen wesentlich schwerer wiegt a ls die Unter­ suchung. Bei Unverdächtigen werden die V oraus­ setzungen noch weiter verschärft; hier muß der Eingriff zur W ahrheitserforschung unerläßlich sein und darf nicht außer V erhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. D er Entw urf sieht allerdings bei Unverdäch­ tigen von der Einschränkung des bisherigen Rechts ab, daß der Eingriff bei Unverdächtigen der Fest­ stellung von S p u ren oder Folgen der S tra fta t dienen müsse. D enn auch für körperliche Eingriffe hat sich diese Schranke a ls zu eng erwiesen. Beispielsweise ist in einem S trafv erfah ren wegen M eineids, der im V erfahren zur Feststellung der Vaterschaft eines unehelichen Kindes geleistet worden ist, die Entnahm e von Blutproben bei Unverdächtigen zum Zwecke des Abstammungsnachweises oft nicht zu entbehren. § 245 Anstaltsbeobachtung D ie Untersuchung des Geisteszustandes, die der E ntw urf im § 243 bei Verdächtigen und Unverdäch­ tigen zuläßt, erfolgt ohne längere Beobachtung und ohne zwangsweise Einweisung in eine Heilanstalt. Eine Untersuchung des Geisteszustandes im Rahmen eines zwangsweisen A n s t a l t s a u f e n t h a l t s soll wie im bisherigen Recht so auch künftig n u r gegen den Beschuldigten angeordnet werden können. Der Entw urf beschränkt die Anstaltsbeobachtung wegen ihrer Bedeutung für den Betroffenen auf solche Fälle, in denen sie sich nach eingehender V orprüfung als notwendig erweist. D ie U nterbringung darf m ir an­ geordnet werden, wenn ein Arzt als Sachverständiger erklärt, daß die Untersuchung n u r in einer Anstalt

durchgeführt werden könne. Untersuchungs- und S trafgefangene können auch in der Krankenabteilung einer Gefangenenanstalt untergebracht werden. V or A nordnung der Unterbringung ist stets ein V erteidi­ ger zu hören, der gegebenenfalls von A m ts wegen zu bestellen ist; die Tätigkeit des bestellten V er­ teidigers dauert bis zum rechtskräftigen Abschluß des V erfahrens. D ie D auer der U nterbringung darf grundsätzlich in demselben Verfahren, auch wenn sie wiederholt angeordnet wird, insgesamt sechs Wochen nicht übersteigen. E s ist aber denkbar, daß diese Frist gelegentlich nicht ausreicht, um zu einem eindeutigen E rgebnis zu gelangen. D er Entw urf gibt deshalb die Möglichkeit, diese Frist angemessen zu verlängern. Um den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift sicher­ zustellen, schreibt der E ntw urf vor, daß die V erlänge­ rung — abweichend von § 249 — im V orverfahren wie im H auptverfahren nur von dem für die H aupt­ verhandlung zuständigen Gericht angeordnet werden darf. Außerdem muß ein Gutachten des Sachver­ ständigen dartun, daß eine längere Beobachtung des Beschuldigten unerläßlich ist. Die richterliche A nordnung der U nterbringung soll auch künftig m it der befristeten Beschwerde an ­ fechtbar sein, der aufschiebende Wirkung verliehen ist. D aß die A nordnung auch dann selbständig ange­ fochten werden kann, wenn sie nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des U rteils ergangen ist, ergibt sich aus § 307 Abs. 2. § 246 A u f n a h m e n von Lichtbildern u n d ähnliche M a ß n a h m e n D ie Vorschrift regelt einige m it der körperlichen Untersuchung verwandte M aßregeln besonders, da für sie besondere Zuständigkeitsvorschriften gelten (§ 251 Abs. 2 N r. 4). Abs. 1, der die Aufnahme von Licht­ bildern des Verdächtigen und die V ornahm e Don Messungen und ähnlichen M aßnahm en an ihm ge­ stattet, entspricht dem § 81 b S tP O . Abs. 2 erw eitert diese Vorschrift auf den Unverdächtigen, setzt hier jedoch voraus, daß der Unverdächtige einwilligt oder daß die M aßnahm e zur Wahrheitsersorschung u n ­ erläßlich ist. Diese Erw eiterung hat sich als praktisch notwendig erwiesen, da z. B. die Abnahme von Fingerabdrücken und die Aufnahme von Lichtbildern auch bei Zeugen notwendig sein kann, um den V er­ dächtigen einwandfrei zu überführen. D ie Polizei ist für diese M aßnahm en auch zuständig, wenn keine G efahr im Verzug ist. Bei Unverdächtigen sind die M aßnahm en des § 246 n u r im Rahm en eines be­ stimmten S trafverfahrens zulässig. § 246 regelt die Aufnahme von Lichtbildern und die V ornahm e ähnlicher M aßnahm en nu r für die Zwecke des S trafverfahrens. D ie Zulassung der­ artiger M aßnahm en für polizeiliche Zwecke außer­ halb des S trafverfahrens ist Sache des Polizeirechts. §247 Körperliche Untersuchung von Fraisen F ü r die körperliche Untersuchung von F rau en trifft § 247 ähnliche Vorschriften wie § 240 für die Durchsuchung. W enn die körperliche Untersuchung

einer Frau geeignet ist, das Schamgefühl zu verletzen, so soll sie einer F rau ober einem Arzt übertragen werden. Meist wird ein Arzt zuzuziehen sein, sofern es sich nicht um Feststellungen handelt, bei denen die Möglichkeit einer Verletzung des Schamgefühls ganz fern liegt. Da der Arzt bei der Untersuchung häufig gewisser Hilfeleistungen bedarf oder Anlaß hat, sich gegen Verdächtigungen zu schützen, so soll er einen zweiten Arzt, einen Heilgehilfen oder eine F rau zu­ ziehen können. Die Anwesenheit sonstiger Personen ist unzulässig; jedoch ist mit Rücksicht darauf, daß Frauen sich erfahrungsgemäß einer Untersuchung leichter unterziehen, wenn eine andere F rau oder ein Angehöriger zugegen ist, einem dahingehenden Verlangen stattzugeben. Die Vorschrift gilt wie § 240 auch dann, wenn die Betroffene in die Untersuchung einwilligt. §248 A u w e n d u n g von Z wa n g § 248 sichert die praktische Durchführung der Untersuchung, der körperlichen Eingriffe und der Anstaltsbeobachtung durch Zulaffung von Zwangs­ maßnahmen. Unmittelbarer Zwang wird schon im bisherigen Recht für zulässig gehalten, falls andere Maßnahmen nicht ausreichen. Der Entwurf regelt darüber hinaus die Maßnahmen, die vor der An­ wendung unmittelbaren Zwanges in Betracht kom­ men. E r stellt den Strasverfolgungsbehörden in­ soweit die gleichen Zwangsmaßnahmen zur Ver­ fügung, wie sie bei Beschuldigten und bei Zeugen sonst möglich sind. Danach ist insbesondere die Vor­ führung des Betroffenen möglich; gegen Unverdäch­ tige kann außerdem eine Ungehorsamsstrafe in Geld oder Hast verhängt werden. Nach Abs. 2 muß bei Unverdächtigen dem unmittelbaren Zwang die An­ wendung mittelbaren Zwanges (durch Ungehorsamsstrasen) vorausgehen, sofern nicht Gefahr im Verzug die sofortige Anwendung unmittelbaren Zwanges er­ fordert. Vierter Unterabschnitt Gemeinsame Vorschriften §249 Zus t ä ndi gke i t des S t a a t s a n w a l t s und des Ri cht ers I m bisherigen Recht ist die Anordnung der Be­ schlagnahme, der Durchsuchung, der körperlichen Untersuchung und der Anstaltsbeobachtung ebenso wie der Erlaß des Haftbefehls grundsätzlich dem Richter vorbehalten, und zwar für alle Versahrensabschnitte. Dem Staatsanw alt ist damit die Anordnung der genannten Maßnahmen grundsätzlich auch für das Vorverfahren entzogen; nur bei Gefahr im Verzug ist er zu eigener Anordnung berechtigt. Diese Rege­ lung beruht aus den gleichen Grundsätzen wie die bisherige Zuständigkeitsregclung beim Haftbefehl. S ie ist der gesetzliche Ausdruck des M ißtrauens in die Objektivität des S taatsanw alts; sie beruht auf der Unterstellung, daß der unter der unmittelbaren Wei­ sung der Volkssührung stehende Staatsanw alt eine

geringere Gewähr für die sachgemäße Handhabung der Zwangsmittel biete als das in seiner richterlichen Tätigkeit unabhängige Gericht. Der Entwurf verläßt diese Regelung aus den Gründeil, die in der Vorbemerkung vor § 1 dar­ gelegt sind. Hier gelten dieselben Gesichtspunkte, die in § 214 dazu geführt haben, dem S taatsanw alt für das Vorverfahren auch den Erlaß des Haftbefehls zu übertragen. §249 überläßt demgemäß dem S ta a ts ­ anwalt für das Vorverfahren nicht nur die Anord­ nung der Beschlagnahme und der Durchsuchung ein­ schließlich des Arrestes und der Sicherstellung von Beweisen, sondern auch die Anordnung der Ver­ mögensbeschlagnahme, der Postsperre, der Unter­ suchung, der körperlichen Eingriffe, der Anstalts­ beobachtung und der Einholung einer Postauskunst. Auch künftig wird es zahlreiche Orte geben, die zwar ein Amtsgericht haben, aber vom Sitz der nächsten Staatsanwaltschaft weit entfernt sind. Deshalb ist in Abs. 1 Satz 2 — ähnlich wie in § 214 — für das Vorverfahren die Mitwirkullg des Amtsrichters als „Notstaatsanwalt" vorgesehen, falls sich an seinem Amtssitz kein zuständiger Staatsanw alt befindet und Gefahr im Verzug ist. F ür die örtliche Zuständigkeit soll entscheidend sein, in welchem Bezirk die M aß­ nahme zu vollziehen ist. Die weitere Verfügung (in s­ besondere die Aufhebung der Anordnung) soll wäh­ rend des Vorverfahrells dem Staatsanw alt zustehen. Wird eine Maßnahme des Amtsrichters angefochten, so entscheidet ebenfalls zunächst der Staatsanw alt. Erst gegen dessen Entscheidung ist nach § 306 die Beschwerde zulässig. Nach der Erhebung der Anklage soll für die An­ ordnung der Zwangsmittel und für die weiteren E nt­ scheidungen nach dem grundsätzlichen Ausbau des Strafverfahrens der Vorsitzer des Gerichts zuständig sein, bei dem das Verfahren anhängig ist. Ist Urteils­ rüge eingelegt, so soll an Stelle des Vorsitzers des Urteilsrügegerichts der Vorsitzer des Gerichts ent­ scheiden, dessen Urteil angefochten ist. Daneben ist int Entwurf dem Staatsanw alt die Befugnis ein­ geräumt, bei Gefahr im Verzug die ^notwendigen Maßnahmen anzuordnen. Da der Staatsanw alt auch nach Erhebung der Anklage zu weiteren E r­ mittlungen befugt ist, so muß ihm die Möglichkeit offengehalten werden, in Eilfällen den Erfolg seiner Ermittlungen auch durch Anordnung von Zwangs­ mitteln sicherzustellen. Die weitere Verfügung steht sodann wieder dem Vorsitzer des mit der Sache be­ faßten Gerichts zu, der in der Lage sein muß, die Maßnahmen des S taatsanw alts mit der Auffassung des Gerichts in Einklang zu bringen. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem die nach § 233 vorgeschriebene Anzeige beim Vorsitzer eingeht, hat der Staatsanw alt noch die Möglichkeit, seine Maßnahmen aufzuheben. Gegen Zwangsmittel, die nach Erhebung der An­ klage vom Vorsitzer angeordnet werden, sehen die §§ 305, 307 Abs. 2 die Beschwerde vor. Soweit der S taatsanw alt die Anordnung getroffen hat, gewährt §314 des Entwurfs die Beschwerde an den Vorgesetzten des Staatsanw alts. DerEntwurf hat davon abgesehen, neben oder an Stelle der Beschwerde an den V or­ gesetzten des S taatsanw alts allgemein eine Anrufung des Richters zuzulassen. § 215 des Entwurfs sieht

allerdings gegen den Haftbefehl des S ta a tsa n w a lts die A nrufung des Richters vor. Aber diese Regelung nötigt nicht ßu einer entsprechenden Regelung für die anderen Z w angsm ittel. § 215 beruht auf dem Gedanken, daß die Untersuchungshaft der schwer­ wiegendste vorläufige Eingriff in die Persönlichkeits­ rechte des Beschuldigten ist und bei längerer D auer zur V orwegnähm e der S tra fe führen kann. Ähnliche Gesichtspunkte treffen n u r bei derBermögensbeschlagnahm e zu. D ie Anstaltsbeobachtung enthält zwar auch einen nicht unerheblichen Eingriff in die persön­ liche F reiheit des Beschuldigten; sie begründet aber ihrer A rt nach nicht die G efahr, daß die S tra fe vor­ weggenommen werden könnte. S ie ist zeitlich be­ grenzt und m it starken Vorsichtsmaßnahmen versehen, insbesondere, von der Erklärung eines A rztes als Sachverständigen abhängig, der die Untersuchung in einer Anstalt für notwendig hält. § 250 Richterliche B e s t ä t i g u n g der V e r ­ mögensbeschlagnahme D ie Vermögensbeschlagnahme ist nächst der V er­ haftung der schwerste vorläufige Eingrisf, der den Beschuldigten treffen kann. S ie nim m t ferner nicht n u r dem Beschuldigten die Verfügung über sein V er­ gnügen und über seinen künftigen Erw erb, sondern berührt cntd) aufs stärkste die Lebensverhältnisse der an der T a t möglicherweise ganz unbeteiligten A n­ gehörigen und anderer, die vom Beschuldigten ab­ hängig futb. D a meist schon mit ihrer A nordnung schwere wirtschaftliche Nachteile für den Beschuldigten verbunden sind, kann sie ebenso wie eine langdauernde Untersuchungshaft zur teilweisen Vorwegnähm e der dem Richter vorbehaltenen S tra fe der V erm ögens­ einziehung führen. D er E ntw urf gibt daher dem Beschuldigten die B efugnis, gegen die vom S ta a ts ­ an w alt oder Am tsrichter int V orverfahren an­ geordnete Vermögensbeschlagnahme die Entscheidung des Richters anzurufen. D ie Regelung folgt im ein­ zelnen den in § 215 für den Haftbefehl vorgesehenen Vorschriften. D a neben der Vermögenseinziehung in Hoch- und Landesverratssachen auch F älle in B e­ tracht komnten, in denen Nebenstrafgesetze die V er­ m ögenseinziehung zulassen, so muß ebenso wie in § 215 auch hier neben der Zuständigkeit des Volks­ gerichtshofs und der Oberlandesgerichte die Zustän­ digkeit des Vorsitzers der Strafkam m er imb des V or­ sitzers des Besonderen S trafsen ats des Reichsgerichts vorgesehen werden. §251 Z u st ä n d i g k e i t d e r P o l i z e i Gegenüber dem bisherigen Recht ist die Zustän­ digkeit der P olizei zur Anwendung von Z w an g s­ m itteln int S trafverfahren erweitert. D ie neue Re­ gelung berücksichtigt dabei die Aufgaben, die der Entnmrf der P olizei nach dem zu § 8 A usgeführten im S trafv erfah ren stellt, und die Tatsache, daß gerade beim ersten Zugriff, von dem in hohem M aße der E rfolg eines S trafv erfah ren s abhängt, Z w angsm ittel nicht zu entbehren sind. D er E ntw urf unterscheidet im einzelnen die Zuständigkeit für solche M aßnahm en,

die die Polizei nur bei Gefahr im Verzug nnorbncii kann, und die Zuständigkeit für gewisse geringfügige M aßnahm en, von denen die Polizei Gebrauch machen kann, auch wenn keine Gefahr im Verzug ist. Nach dem Abs. 1 kann die Polizei bei Gefahr im Verzug eine Beschlagnahme beweglicher Sachen, eine Postsperre, Durchsuchung, körperliche Untersuchung und die Entnahm e von B lutproben anordnen sowie Postauskunft verlangen. D er Kreis der Z w angs­ m ittel, die der Polizei bei G efahr im Verzug offen­ stehen, ist demnach beschränkt. D ie Beschlagnahme­ befugnis erstreckt sich n u r auf bewegliche Sachen. Dagegen soll die Beschlagnahme sonstiger Gegen­ stände (Grundstücke und Rechte), die Verm ögens­ beschlagnahme und der Arrest dem S ta a tsa n w a lt und dem Richter vorbehalten sein, da die Handhabung dieser M aßnahm en eine eingehende rechtliche V orbil­ dung voraussetzt. Abweichend vom bisherigen Recht erklärt der Abs. 1 die Polizei auch für zuständig, bei G efahr im Verzug die Postsperre anzuordnen und Postauskunft zu verlangen. D enn auch diese M aß ­ nahmen können so dringlich sein, daß ihr Zweck ver­ eitelt werden könnte, wenn die Polizei erst den m it der Sache noch nicht befaßten S ta a tsa n w a lt oder Richter angehen müßte. D aß der Polizei das Recht zur Durchsuchung im bisherigen Umfange verbleiben muß, bedarf bei der Bedeutung dieses Z w angsm ittels für den ersten Zugriff keiner E rörterung. B ei der Anwendung von Untersuchungen ist sie auf körper­ liche Untersuchungen beschränkt, so daß die U nter­ suchung des Geisteszustandes und die Anstaltsbeob­ achtung deut S ta a tsa n w a lt und dem Richter vorbe­ halten sind. Von den körperlichen Eingriffen fällt in ihren Zuständigkeitsbereich die praktisch wichtigste, die Entnahm e von B lutproben, bei der, wie z. B . bei der Blutalkoholuntersuchung, sofortiges Eingreifett geboten sein kann. I m übrigen hat die Polizei die Möglichkeit, in Eilfällen eine körperliche Untersuchung anzuordnen und nach § 252 deut untersuchenden Arzt den unaufschiebbaren körperlichett Eingrisf zu über­ lassen. I n allen anderen F ällen, in denen der E in ­ griff einen Aufschub verträgt, muß die Entscheidung dem S ta a tsa n w a lt oder Richter vorbehalten bleiben, da solche Eingriffe oft schwerwiegend und nicht immer gefahrlos sind. Inw iew eit die Polizei befugt ist, die körperliche Untersuchung durch Anwendung von Z w ang durchzusetzen, ergibt sich aus den in § 248 bezeichneten Vorschriften. D er Absatz 2 regelt die Zuständigkeit der Polizei für solche M aßnahm en, deren Anwendung keine G e­ fahr im Verzüge voraussetzt. M it der Veränderung des Beschlagnahmebegriffs (vgl. § 219) hängt es zu­ sammen, daß die Zuständigkeit der Polizei zur B e­ schlagnahme beweglicher Sachen erweitert werden muß. D a die Beschlagnahme künftig auch die nicht wider den W illen des Betroffenen erfolgende Sicher­ stellung von Gegenständen um faßt, so muß die Polizei in der Lage sein, solche beweglichen Sachen zu beschlagnahmett, die sich nicht im Gewahrsam einer P e r­ son befinden oder die freiwillig an sie herausgegeben werden. E s wäre zwecklos, in solchen F ällen die A n­ ordnung der Beschlagnahme dem S ta a tsa n w a lt oder dem Richter vorzubehalten. D ie übrigen M aßnahm en, die der Abs. 2 erwähnt, haben seit jeher zunt Auf­ gabenbereich der Polizei gehört. Hervorzuheben ist,

daß der Polizei immer nur die A nordnung der M aß ­ nahme einschließlich der notwendigen A usführungsHandlungen zusteht, nicht aber — abgesehen von der Aufhebungsbefugnis nach § 253 — die weitere V er­ fügung. I n allen F ällen läßt der E ntw urf gegen die polizeiliche A nordnung von Z w angsm itteln die A n­ rufung des nach § 249 zuständigen S ta a tsa n w a lts oder Richters zu. D ies gilt für die Beschlagnahme unabhängig davon, ob die beschlagnahmten Sachen in niem andes Gewahrsam w aren, ob sie freiwillig herausgegeben werden, oder ob gegen die Beschlag­ nahme Widerspruch erhoben worden ist. Auch bei Durchsuchungen und körperlichen Untersuchungen kann der Betroffene die Entscheidung des S ta a ts ­ anw alts oder Richters selbst dann noch anrufen, wenn er sich zunächst m it der M aßnahm e einverstanden erklärt hat, oder wenn sie bereits durchgeführt ist. D er S ta a tsa n w a lt und der Richter haben darüber zu entscheiden, ob die polizeilichen M aßnahm en auf­ rechtzuerhalten oder aufzuheben sind. Eine Dienst­ aussicht gegenüber der P olizei wegen ihrer M aß ­ nahmen kommt ihnen nicht zu. D er A ntrag hat keine aufschiebende W irkung. Um eine beschleunigte E n t­ scheidung herbeizuführen, soll die Polizei einen bei ihr eingehenden A ntrag dem S ta a ts a n w a lt oder Richter binnen drei Tagen vorlegen. § 252 V o r n a h m e körperlicher Eingriffe bei G e f a h r im V e r z u g E rgibt sich bei einer nach §§ 243, 249, 251 a n ­ geordneten ärztlichen Untersuchung die Notwendig­ keit eines körperlichen E ingriffs (§ 244), so kann dieser E ingriff grundsätzlich n u r auf A nordnung der Strasverfolgungsbehörden vorgenommen werden. E s fint) jedoch Fälle denkbar, in denen sich bei der Untersuchung die sofortige Durchführung eines körper­ lichen E ingriffs als notwendig und a ls so unauf­ schiebbar erweist, daß die Entscheidung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ohne G efährdung des U nter­ suchungszwecks nicht abgewartet werden kann. F ü r diese F älle gibt der E ntw urf dem untersuchenden Arzt die Befugnis zu selbständigem Handeln. § 253 Pflicht zur Unter r ichtung Nach § 249 Abs. 2 kann bei G efahr im Verzug der S ta a tsa n w a lt auch nach Erhebung der Anklage die Anwendung von Z w angsm itteln anordnen. Die gleiche Befugnis hat die P olizei im Rahm en des § 251. § 253 verpflichtet in diesen Fällen den S ta a tsa n w a lt und die Polizei, binnen drei Tagen den Vorsitzer des Gerichts zu unterrichten und ihm beschlagnahmte Sachen zur V erfügung zu stellen. D am it soll Vorsorge getroffen werden, daß der V o r­ sitzer, der die V erantw ortung für das H auptverfahren trägt, die M aßnahm en m it der Auffassung des G e­ richts in Einklang bringen kann. Grundsätzlich obliegen die w eiteren Verfügungen über die M aßnahm en, die der S ta a ts a n w a lt oder die Polizei nach Erhebung der Anklage aus G rund der §§ 249, 251 getroffen hat, dem Vorsitzer des mit

der Sache befaßten Gerichts. Abs. 1 Satz 2 macht hiervon eine A usnahm e, indem er die anordnende Dienststelle zur Aufhebung ihrer M aßnahm e ermäch­ tigt, solange der Vorsitzer noch nicht unterrichtet ist. Die Anzeigepflicht der Polizei gegenüber dem S ta a tsa n w a lt tut V orverfahren soll sich nach § 8 richten. D er Zeitpunkt, bis zu dem der S ta a tsa n w a lt von den getroffenen M aßnahm en zu unterrichten ist, ist hier nicht festgelegt; er richtet sich nach der Bedeu­ tung der Sache und der Sachlage im Einzelsall. Auch die Polizei soll ihre M aßnahm en wieder aufheben können, solange der S ta a tsa n w a lt noch nicht u n ter­ richtet ist. §254 M a ß n a h m e n b e i Dienststellen des Staates, der P a r t e i und der Wehrmacht § 197 Abs. 2 schränkt die Besichtigung von Ö rt­ lichkeiten oder Sachen, § 220 die Beschlagnahme ein, um das Dienstgeheimnis des S ta a te s, der P a rte i und der Wehrmacht zu sichern. Q\i dem gleichen Zweck verbietet § 254 Abs. 3 die Beschlagnahme und Durch­ suchung von Geheimen Reichssachen. D arüber hinaus will § 254 die Interessen der Dienststellen des S ta a te s, der P a rte i und der Wehrmacht sichern, memt eine Beschlagnahme, Durchsuchung oder Sicherstellung von Beweisen in einem Dienstgebäude, gewissen dienstlichen A nlagen oder auf gewissen Fahrzeugen durchgeführt werden soll. I n diesen Fällen soll bei M aßnahm en gegenüber Dienststellen des S ta a te s oder der P a rte i der Leiter der Dienststelle oder sein V ertreter zugezogen werden, während bei M a ß ­ nahmen in einem Dienstgebäude, einer nicht allgemein zugänglichen Anlage oder auf einem Fahrzeug der Wehrmacht die vorgesetzte Dienststelle um die Durch­ führung ersucht werden soll. D er Reichsarbeitsdienst ist wie in § 220 der Wehrmacht (vgl. § 296) gleich­ gestellt. I m Interesse strengsten Geheimnisschutzes ist es in das pflichtmäßige Ermessen der die M aß ­ nahme durchführenden Wehrmachtstelle gestellt, ob sie die ersuchende Stelle zuziehen will.

Viertes Hauptstück Besondere Vorschriften über das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den Oberlandesgerichten Die E igenart der S traftaten , die vom Volks­ gerichtshof und von den Oberlandesgerichten im ersten und einzigen Rechtszuge abzuurteilen sind, hat schon im bisherigen Recht zu gewissen Ab­ weichungen von den allgemeinen V erfahrens­ vorschriften geführt. D ie nach dem Gesetz vom 24. 4.1934 (R G B l. I S . 341) für das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und vor den O berlandes­ gerichten im ersten Rechtszuge geltenden besonderen Vorschriften betreffen die Stellung des E rm ittlu n g s­ richters, der im vorbereitenden Verfahren neben den A mtsrichter tritt, die Beschlagnahme von Druck­ schriften und die Zulassung von V erteidigern; sie

beseitigen ferner den Eröffnungsbeschluß und die Z u ­ ständigkeit der Jugendgerichte. Diese Entwicklung führt der E n tw u rf fort. D ie A burteilung gefährlicher Staatsfeinde, insbesondere tioit Hoch- und Landesverrätern, weist das künftige Recht aus den zu den §§ 102 und 103 dargelegten Gründen wiederum dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten zu. D ie T ätigkeit dieser Gerichte kann aber n u r dann nachhaltig sein, wenn sie nicht durch die B in d u n g an Vorschriften gehemmt ist, deren genaue E inhaltung wegen der Eigenart der ihnen zugewiesenen Strafsachen den E rfo lg der U nter­ suchung gefährden oder aber dem Beschuldigten E in ­ blick in Zusammenhänge gewähren kann, die geheim­ zuhalten im dringenden Interesse der Sicherheit des Reiches liegt. A n Stelle des Amtsrichters soll auch künftig im Vorverfahren der m it besonderer Sachkunde aus­ gestattete Erm ittlungsrichter tä tig werden können (§ 256). D ie Bestimmungen über die erweiterte Be­ fugnis zur Beschlagnahme und Durchsuchung (§ 257) dienen der beschleunigten und zielsicheren Durchfüh­ rung des Verfahrens. Weitere Vorschriften sollen die im E inzelfall gebotene Geheimhaltung des V e r­ fahrensgegenstandes sichern; hierzu zählen die Be­ stimmungen über die M itte ilu n g der Anklageschrist und des U rteils (§§ 258, 264), über die Bezeichnung von Zeugen und Sachverständigen (§ 259), über die Ausschließung des Angeklagten und der Einziehungs­ beteiligten aus der Hauptverhandlung (§§ 263, 265). M it den Vorschriften über den Verteidiger (§ 261) und den Beistand (§ 262) bezweckt der E n tw u rf, solche Personen vom Verfahren fernzuhalten, deren T e il­ nahme im Hinblick auf die A r t des Verfahrensgegen­ standes nicht unbedenklich wäre. Weitere Bestim­ mungen, die das Verfahren vor dem Volksgerichtshof und den Oberlandesgerichten abweichend regeln, stellt der E n tw u rf aus Gründen der Zweckmäßigkeit in andere Abschnitte ein (die besonderen Zuständigkeits­ vorschriften in den §§ 187, 215, 216, 250). § 255 Geltungsbereich D ie besonderen Vorschriften der §§ 256 bis 266 gelten in allen Strafsachen, die nach § 103 zur Z u ­ ständigkeit des Volksgerichtshofs gehören (Hochver­ rat, Landesverrat und ähnliche Strafsachen). S ie sind auch in den Sachen anzuwenden, in denen die Z u ­ ständigkeit des Oberlandesgerichts begründet ist (§ 102). Denn auch in diesen Sachen, die in der Regel minder schwer liegen, besteht das Bedürfnis für die Sondervorschriften in derselben Weise, wie wenn der Volksgerichtshof selbst die T a t aburteilen würde. D ie Sondervorschriften dieses Hauptstücks sind in der Regel nicht zwingend. S ie begründen vielmehr Ermächtigungen fü r den Richter und den S ta a ts ­ a nw alt, deren Handhabung der E n tw u rf in das E r ­ messen des Richters oder des S ta a tsa n w a lts stellt. § 256 Ermittlungsrichter D ie Aufklärung des Hoch- und Landesverrats und der übrigen in den Geltungsbereich dieser Vorschriften

fallenden S tra fta te n erfordert eine genaue Kenntnis der gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Be­ strebungen. D ie Kenntnis dieser Zusammenhänge ist bei dem S ta a tsa n w a lt, der m it solchen Strafsachen ständig befaßt ist, ohne weiteres vorauszusehen, nicht aber bei dem Am tsrichter, der nur gelegentlich m it ihnen in Berührung kommt. D er § 256 bestimmt daher, daß die Am tshandlungen, die das Gesetz im Vorverfahren dem Am tsrichter zuweist, an feiner Stelle durch einen besonderen E rm ittlungsrichter wahrgenommen werden können. W er E rm ittlu n g s ­ richter ist, soll das Gerichtsverfassungsgesetz be­ stimmen. Diese Regelung erfaßt sowohl die auf A n ­ trag als auch die von A m ts wegen vom Amtsrichter vorzunehmenden Maßnahmen, diese auch dann, toetm die Polizei den Richter darum angeht. Insbesondere kommt die Vornahme einzelner Untersuchungshand­ lungen (§ 9), die Vorwegnähme einer Beweisauf­ nahme (§ 10) und die Anwendung von Zwangs­ m itteln (§§ 214, 249) in Betracht. D ie Tätigkeit des E rm ittlungsrichters kann sich n u r auf die im Gesetz sonst dem Am tsrichter zu­ gewiesenen einzelnen Untersnchungshandlnngen er­ strecken. D ie F ührung der gesamten Untersuchung, die nach dem W ille n des E n tw u rfs regelmäßig in der Hand des S ta a tsa n w a lts liegen soll, kann dem E r ­ m ittlungsrichter auch nicht auf A n tra g des Ober­ reichsanwalts beim Volksgerichtshof oder des Generolstaatsanwalts übertragen werden. Dies schließt nicht aus, m it dem Ersuchen den A ntrag zu verbinden, in bestimmter Richtung eine weitere Aufklärung des Tatbestandes zu versuchen; in diesem Falle kann die Tätigkeit des Richters mehrere, vorher im einzelnen nicht bestimmte Handlungen umfassen. F indet eine Voruntersuchung statt, so kann der Untersuchungs­ richter den E rm ittlungsrichter statt des Amtsrichters um die Vornahme einzelner Untersuchungshandlnngen ersuchen (§ 379). D ie Einschaltung des E rm itt­ lungsrichters in den zur Zuständigkeit des V olks­ gerichtshofs oder des Oberlandesgerichts gehörenden Sachen hat jedoch nicht zur Folge, daß der A m ts ­ richter in diesen Verfahren von jeder Tätigkeit im Vorverfahren ausgeschlossen ist. E r ist verpflichtet, in den gesetzlich vorgesehenen Fällen aus A ntrag oder von A m ts wegen tä tig zu werden; freilich werden sich seine Maßnahmen und die an ihn gerichteten Ersuchen nach dem Zweck der Vorschrift grundsätzlich auf die Amtshandlungen beschränken müssen, in denen es sich um K lärung einfacher Einzelfragen handelt, deren Erledigung nicht die beim E rm ittlungsrichter vorauszusetzende besondere Sachkunde erfordert. Gegen die Verfügungen des Erm ittlungsrichters ist im Rahmen des § 305 Abs. 1 und 2 die Beschwerde zulässig. Über sie entscheidet nach § 256 Abs. 2 der Vorsitzer des Senats, der fü r das Hauptverfahren zu­ ständig ist. Danach ist in den Fällen, in denen der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof die S tr a f­ verfolgung an den Generalstaatsanwalt abgegeben hat (§ 102), der Vorsitzer des Strafsenats des Ober­ landesgerichts zur Entscheidung berufen. Eine ent­ sprechende Regelung g ilt nach § 311 Abs. 2 fü r die Beschwerde gegen eine Verfügung, die der A m ts­ richter in den hier in Betracht kommenden Verfahren erläßt. Die gleichen Gründe, die dazu geführt haben, die Urteilsentscheidung den m it besonderer persön-

licher Eignung ausgestatteten Richtern des V olks­ gerichtshofs und des Oberlandsgerichts zu über­ tragen, lassen es angezeigt erscheinen, im V o rve r­ fahren auch die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Verfügung des Am tsrichters dem Vorsitzer des Senats zu übertragen, der fü r das Hauptver­ fahren zuständig ist. §257 Beschlagnahme nnd Durchsuchung Befinden sich schriftliche M itteilun g e n oder A u f­ zeichnungen über ein Berufsgeheimnis im Gewahrsam von Rechtsanwälten, Ärzten, Geistlichen oder an­ deren, die zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nach den §§ 162 Abs. 1, 163 zur Verweigerung der A u s­ sage berechtigt sind, so ist ohne ihre Zustimmung eine Beschlagnahme n ur zulässig, wenn sie selbst der B eteiligung an der T a t verdächtig sind (§ 221 Abs. 1 und 3). B e i den in § 221 Abs. 2 genannten Trägern eines Berufsgeheimnisses, die kein Recht zur V e r­ weigerung der Aussage haben, findet nach § 221 Äbs. 2 eine Beschlagnahme solcher Schriftstücke ohne ihre Zustimmung n u r statt, wenn es zur W ahrheits­ erforschung unerläßlich und angesichts der Bedeutung der Sache geboten ist, sofern sie nicht selbst der B e te ili­ gung an der T a t verdächtig sind. Diese. Beschränkungen hebt der E n tw u rf int Abs. 1 fü r die hier geregelten Verfahren vor dem V olks­ gerichtshof und den Oberlandesgerichten in weitem Umfange auf. Die restlose und schnelle Aufklärung dieser Strafsachen ist fü r die Volksgemeinschaft von solcher Bedeutung, daß sie durch die Rücksichtnahme auf ein Berufsgeheimnis nicht behindert werden darf. D ie Beschlagnahme ist daher von der Zustimmung des zur W ahrung des Berufsgeheimnisses Verpflichteten nicht abhängig, wenn sie nach dem pflichtmäßigen Ermessen der anordnenden Behörde zur Erforschung der W ahrheit unerläßlich ist. Während der Nachtzeit ist die Durchsuchung einer Wohnung, eines Dienstraumes oder Geschäftsraumes, eines Verkehrsmittels und eines befriedeten Besitz­ tums nach § 238 an die E in w illig u n g des In h ab e rs gebunden, soweit nicht in § 239 Ausnahmen zu­ gelassen sind. Diese Beschränkung muß aus den oben dargelegten Gründen in Verfahren von staats­ wichtiger Bedeutung wegfallen. D ie Durchsuchung zur Nachtzeit ist in diesen Fällen von der E in w illi­ gung des In h ab e rs auch dann unabhängig, wenn im Einzelfalle nicht dargetan ist, daß Gefahr im V e r­ züge ist. § 258 M itteilung

der A n k l a g e s c h r i f t

D er E n tw u rf läßt in den Verfahren, die zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs oder des Ober­ landesgerichts gehören, m it Rücksicht auf den Gegen­ stand der Anklageschrift Ausnahmen von dem G run d ­ satz zu, daß die Anklageschrift dem Angeklagten in der F orm , in der sie dem Gericht eingereicht worden ist, zuzustellen ist (§ 32). D ie M itte ilu n g der vollstän­ digen Anklageschrift würde in vielen Fällen die Ge­ fahr m it sich bringen, daß der Angeklagte von U m ­ ständen Kenntnis erhält, die er zum Nachteil der

Staatssicherheit verwerten könnte. Die Erläuterung der gegen den Angeklagten erhobenen Beschuldigung macht cs vielfach erforderlich, in der Anklageschrift Einzelheiten der T a t und ihrer Durchführung zil er­ örtern und auf Zusammenhänge m it der staatsfeind­ lichen Tätigkeit anderer Personen einzugehen. I n solchen F ällen kann es aus Gründen der Staatssicher­ heit geboten sein, den I n h a lt der dem Angeklagten mitzuteilenden Anklageschrift zil beschränken, um einer mißbräuchlichen Verwendung zu begegnen. B e ­ findet sich der Angeklagte nicht aus freiem Fuß, so braucht ihm nach § 258 Satz 1 n u r ein Auszug aus der Anklageschrift zugestellt zu werden, meint das W ohl des Reiches es erfordert. Dabei geht der E n t­ w urf davon aus, daß aus dem Auszug die T a t fü r den Angeklagten inindestens in ihren Umrissen er­ kennbar ist. Besteht die Gefahr, daß auch der Auszug vom Angeklagten mißbräuchlich verwendet w ird , so kann ihm das Schriftstück nach Kenntnisnahme wieder abgenommen werden (§ 282 Abs. 2). D ie Bekannt­ gabe eines Auszugs ist auch zulässig, wenn sich der Angeklagte auf freiem Fuß befindet. E r ist in diesem Falle nach § 258 Satz 2 stets dem Verteidiger zu­ zustellen. Dadurch w ird dem Angeklagten die M ö g ­ lichkeit einer mißbräuchlichen Verwendung der A n ­ klageschrift genommen; andererseits w ird er nicht in seiner Verteidigung beschränkt, da er den In h a lt der Anklage jederzeit m it seinem Verteidiger besprechen kann. §259 Bezeichnung von Zeugen verständigen

u n d S ach-

I n den Strafsachen, die vor dem Volksgerichtshof oder vor dem Oberlandesgericht verhandelt werden, kann die namentliche Bezeichnung einzelner Zeugen oder Sachverständigen bereits die Offenbarung eines Staatsgeheimnisses bedeuten; fü r den Zeugen oder Sachverständigen selbst kann sie eine Behinderung seiner weiteren A rb e it im Dienste der Landesverteidi­ gung, eine Gefährdung seiner Person oder sonstige ernste Nachteile m it sich bringen. D ie Vorschrift be­ freit daher in den im § 255 bezeichneten Strafsachen den Richter und den S ta a tsa n w a lt von der ihm sonst obliegenden Verpflichtung, die Namen solcher Zeugen und Sachverständigen bei Erhebung der Anklage und im späteren Verfahren bekanntzugeben, wenn das W ohl des Reiches deren Geheimhaltung erfordert. T r if f t diese Voraussetzung zu, so muß in der A n ­ klageschrift die in § 28 Abs. 2 N r. 3 vorgeschriebene namentliche Bezeichnung des Zeugen oder Sachver­ ständigen unterbleiben; sie kann durch einen in a ll­ gemeiner F o rm gehaltenen H inw eis ersetzt werden. Dasselbe g ilt fü r die M itte ilu n g , daß ein Zeuge oder Sachverständiger zur Hauptverhandlung geladen w ird (§ 49 Abs. 2) oder daß ein Sachverständiger bestellt worden ist (§ 190 Abs. 4); die M itte ilu n g als solche darf dagegen nicht unterbleiben. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch fü r die Beweisaufnahme in der Hanptverhandlung. D ie in § 169 Abs. 1, § 196 vorgeschriebene Vernehmung des Zeugen oder Sach­ verständigen über seine persönlichen Verhältnisse ent­ fällt. W ird die Vernehmung dadurch ersetzt, daß eine schriftliche Erklärung des Zeugen oder Sachverstän­ digen oder die Niederschrift über seine frühere Ver-

nehmung verlesen wird (§§ 67 bis 70, 72), so wird er nicht namentlich bezeichnet, wenn die Rücksicht aus das Wohl des Reiches die Bekanntgabe des Namens verbietet. Dies gilt auch, wenn sich die Mitteilung von der Bestellung des Zeugen oder Sachverständigen an den Verteidiger richtet oder wenn die Vernehmung oder Verlesung in Abwesenheit des von der Verhand­ lung nach § 263 ausgeschlossenen Angeklagten, aber in Gegenwart des Verteidigers stattfindet. § 260

Hat der Vorsitzer' die Genehmigung erteilt, so kann er sie jederzeit zurücknehmen. Dadurch wird es ermöglicht, nachträglich bekannt werdende Umstände zu berücksichtigen, deren Kenntnis dem Vorsitzer zur Versagung der Genehmigung Anlaß gegeben hätte. Ferner kann der Vorsitzer dem Verteidiger besondere Pflichten zur Geheimhaltung auferlegen. Ih re Ver­ letzung ist nach § 295 S tG B , strafbar, wenn sie wichtige öffentliche Belange gefährdet. Der mündliche und schriftliche Verkehr des Ver­ teidigers mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten kann nach den allgemeinen Regeln des Entwurfs (§ 145) nur dann beschränkt werden, wenn die Freiheitsentziehung wegeil Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt (§ 201 Abs. 1 Nr. 2) ist. I m Falle dieses Haftgrundes darf der S taatsanw alt bis zum Abschluß der Ermittlungen anordnen, daß der Beschuldigte nur in seiner Gegenwart mit dem Verteidiger spricht und daß ihm schriftliche Mitteilungen zwischen dein Beschuldigten und dem Verteidiger vor der Weiter­ gabe vorgelegt werden (§ 145 Abs. 2). Diese Uberwachungsbesugnis wird im Absatz 2 erweitert. Der Entwurf räumt im Bereich der Sondervorschriftell dieses Hauptstücks dem S taatsanw alt das Recht zur Überwachung des mündlichen und . schriftlichen Ver­ kehrs zwischen dem Verteidiger und dem Beschul­ digten ohne Rücksicht auf den Haftgrund ein. Die Gefährlichkeit der hier in Betracht kommenden S tra f­ taten und das Bedürfnis nach Geheimhaltung des Versahrensgegenstandes lassen es angezeigt erscheinen, den Verkehr des Verteidigers mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dann, toemt der S taatsanw alt es nach seinem pflichtmäßigen E r­ messen für geboten hält, bis zum Abschluß der E r­ mittlungen einer gewissen Aufsicht zu unterwerfen.

V o r f ü h r u n g des Be s c hul di gt e n Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, so ist er zu einer vorweggenommenen oder vor­ bereitenden Beweisaufnahme, die im Vorverfahren oder im Hauptversahren vor der Hauptverhandlung stattfindet, nach den §§ 10 Abs. 3, 11, 47 Abs. 2 grundsätzlich vorzuführen, und zwar auch dann, wenn die Beweisaufnahme nicht an der Gerichtsstelle des Haftortes vorgenommen wird; die Vorführung unter­ bleibt nur, wenn sie durch die Bedeutung der Sache und die Verteidigung des Beschuldigten nicht geboten oder wenn Gefahr im Verzug ist. Die erhebliche Erweiterung, die das Anwesen­ heitsrecht des Beschuldigten hiernach gegenüber dem bisherigen Recht erfährt, kann jedoch nicht in gleichem Umfange in den Verfahren gelten, die zur Zuständig­ keit des Volksgerichtshofs oder zu der von ihr ab­ geleiteten Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ge­ hören. Sie würde sich hier häufig als eine fühlbare Belastung und Verzögerung auswirken, insbesondere wenn mehrere, an verschiedenen Orten in Haft ge­ haltene Beschuldigte zum Ort der Vernehmung über­ führt werden müßten. Der § 260 bestimmt daher, daß davon abgesehen werden kann, den nicht aus freiem Fuß befindlichen Beschuldigten zu einer vor­ § 262 weggenommenen oder vorbereitenden Beweisauf­ B e i stände nahme vorzuführen. Dem Interesse des Beschuldigten wird in diesem Falle ausreichend dadurch Rechnung Der § 153 bestimmt, daß nach Abschluß der E r­ getragen, daß der Verteidiger, der spätestens beim mittlungen der gesetzliche Vertreter und der zur Sorge Abschluß der Ermittlungen zu bestellen ist, an der für die Person des Beschuldigten Berechtigte sowie der Beweisaufnahme teilnehmen darf. Ehemann einer Beschuldigten mit deren Zustimmung als Beistand zugelassen toerben muß; im übrigen ist §26 1 die Zulassung von Beiständen in das Ermessen des Verteidiger zuständigen S taatsanw alts oder Vorsitzers gestellt. I m Bereich der Sondervorschriften dieses Haupt­ Die besondere Bedeutung der in § 255 bezeich­ neten Strafsachen für das Wohl des Reiches läßt es stücks muß die Zulassung von Beiständen aus den­ geboten erscheinen, nur Verteidiger mit gereistem selben Gründen beschränkt werden, die auch dazu Urteil und erprobter Erfahrung zuzulassen, denen führen, die Verteidigerwahl an die Genehmigung des unbedenklich auch solche Tatsachen zur Kenntnis ge­ Vorsitzers (§ 261) zu binden. M it dem Bedürfnis bracht werden können, die im Staatsinteresse vor dem nach Geheimhaltung ist in den Strafsachen dieses Angeklagten geheimgehalten werden müssen (§§ 259, Hauptstücks der Anspruch bestimmter Personen, als 263). Der Entwurf bindet daher im Abs. 1 die Wahl Beistand zugelassen zu werden, nicht vereinbar. I n des Verteidigers in diesen Strafverfahren an die Ge­ diesen Verfahren ist daher im Vorverfahren dem nehmigung des Vorsitzers des Gerichts, bei dem das Staatsanw alt, im Hauptverfahren dem Vorsitzer die Verfahren anhängig ist oder der S taatsanw alt die Entscheidung darüber vorbehalten, ob er einen Bei­ Anklage zu erheben hätte. An dem Grundsatz der stand zulassen will. unabhängigen und ungehinderten Tätigkeit des Ver­ § 263 teidigers wird hierdurch nichts geändert. Der Be­ schuldigte ist auch bei der Wahl seines Verteidigers V o r ü b e r g e h e n d e Ausschl i eßung nicht auf bestimmte, für diese Verfahren allgemein des A n g e k l a g t e n zugelassene Anwälte beschränkt, sondern kann für I m allgemeinen Strafverfahren gestattet der jeden Verteidiger seiner Wahl die Genehmigung nach­ § 55 die vorübergehende Entfernung des Angeklagten suchen.

stiiö der Hauptverhandlung, wenn die Gegenwart des Angeklagten die Wahrheitserforschung erschweren oder die öffentliche Sicherheit gefährden würde oder wenn Erörterungen über seinen körperlichen oder geistigen Zustand oder über ärztliche Fragen in seiner Gegenwart seine Gesundheit ernstlich beeinträchtigen würden. Darüber hinaus kann der Vorsitzer in den Strafsachen dieses Hauptstücks nach § 263 den An­ geklagten auch von den Teilen der Verhandlung fern­ halten, in denen geheimhaltungsbedürftige Tatsachen erörtert werden. Dabei braucht es sich nicht um Staatsgeheimnisse zu handeln. Vielmehr wird die Fernhaltung aus diesem Grunde auch in Frage kommen, wenn der Angeklagte Tatsachen erfahren würde, deren Kenntnis er zur Unterstützung volks­ feindlicher Bestrebungen mißbrauchen könnte. Die Vorschrift gilt nicht nur in der Hauptver­ handlung, sondern nach den §§ 10 Abs. 3, 11, 47 auch für die Teilnahme des Beschuldigten an einer vorweggenommenen oder vorbereitenden Beweisauf­ nahme, hingegen nicht für die Urteilsverkündung. Die Ausschließung darf immer nur eine vorüber­ gehende sein. Die Wahrnehmung der Rechte des An­ geklagten wird durch die vorgeschriebene Anwesen­ heit des Verteidigers, der von der Teilnahme an der Verhandlung nicht ausgeschlossen werden kann, voll gewährleistet. Überdies ist der Vorsitzer nach § 55 Äbs. 3 gehalten, den Angeklagten vom wesentlichen In h a lt der in seiner Abwesenheit geführten Verhand­ lungen zu unterrichten. Dabei wird er den Umfang dieser Bekanntgabe so zu bestimmen haben, daß der Angeklagte das Geheimzuhaltende nicht erfährt, aber dennoch in die Lage versetzt wird, zu dem Verhandluugsergebnis Stellung zu nehmen. §264 M i t t e i l u n g des U r t e i l s Die Vorschrift schließt in den im § 255 genannten Verfahren den durch § 282 begründeten Anspruch des Angeklagten auf abschriftliche Bekanntgabe der Ur­ teilsformel und der Urteilsgründe aus. Diese muß in Strafsachen wegen Hochverrats, Landesverrats und ähnlicher Straftaten vermieden werden, weil die schristlichen Urteilsgründe sich regelmäßig des näheren über das Vorgehen staatsfeindlicher Kräfte und ihre Bekämpfung aussprechen oder geheim­ haltungsbedürftige Tatsachen erörtern. Die Aus­ händigung einer Urteilsabschrift würde stets die Ge­ fahr einer mißbräuchlichen Verwendung mit sich bringen. § 264 bestimmt daher allgemein, daß der Angeklagte keine Abschrift des Urteils erhalten darf. D as ihm im allgemeinen Strafverfahren zustehende Recht, vom In h a lt der schriftlichen Urteilsgründe im einzelnen Kenntnis zu nehmen, wird dem Angeklagten durch die weitere Bestimmung gesichert, daß er den Teil des Urteils, der ihn betrifft, unter Aufsicht ein­ sehen kann. Die näheren Bestimmungen hierüber bleiben der Regelung im Verwaltungswege über­ lassen. Abs. 1 gilt auch, wenn der Angeklagte frei­ gesprochen worden ist. I n diesem Falle kann er jedoch ein begründetes Interesse an einer amtlichen Bestäti­ gung des Freispruchs haben. Abs. 2 schreibt daher vor, daß ihm der Freispruch auf Verlangen vom

S ta a ts a n w a lt zu bescheinigen ist; von einer A ngabe der G rü nd e des Freispruchs ist in diesem F alle ab ­ zusehen. § 265 Einziehungsbeteiligte Ist im Strafverfahren über die Einziehung oder Unbrauchbarmachung von Gegenständen zu entschei­ den, so sind nach den §§ 415 bis 422 die Einziehungs­ beteiligten zum Verfahren zuzuziehen, damit sie ihre Rechte an dem Gegenstand geltend machen und E in­ wendungen gegen die Einziehung oder Unbrauchbar­ machung vorbringen können. Ih re verfahrensrecht­ lichen Befugnisse sind im einzelnen in § 416 um­ schrieben. I n den Verfahren, für die die S onder­ vorschriften dieses Hauptstücks gelten, kann es aus Gründen der Staatssicherheit geboten sein, nicht nur die Öffentlichkeit auszuschließen, sondern auch den Kreis der zur Teilnahme an einer nicht öffentlichen Verhandlung Berechtigten so klein wie möglich zu halten. I n vielen Fällen würde es in derartigen Verfahren dem Wohl des Reiches Nachteile bereiten, wenn einem Einziehungsbeteiligten die Anklageschrift mitgeteilt oder die Anwesenheit in der Hauptver­ handlung gestattet werden müßte, worauf er nach § 416 Anspruch hätte. Der Entwurf ermächtigt daher den Vorsitzer, in solchen Fällen von der Ladung des Einziehungsbeteiligten zur Hauptverhandluug abzu­ sehen und ihm die Anwesenheit in der Hauptverhand­ lung zu versagen. Der Einziehungsbeteiligte kann dann Einwendungen gegen die Einziehung schriftlich geltend machen und ist rechtzeitig, also möglichst schon vor Beginn der Hauptverhandlung, aufzufordern, dies zu tun. Seine Erklärungen sind in der Haupt­ verhandlung zu verlesen oder durch Mitteilung ihres wesentlichen In h a lts zur Kenntnis des Gerichts zu bringen. Durch die Verlesung darf aber seine Ver­ nehmung als Zeuge nicht ersetzt werden. § 266 V o l k s g e r i c h t s h o f a l s o b e r e s Ge r i c h t D as Gesetz überträgt in den in §§ 113 Abs. 1, 116 Abs. 2, 117 geregelten Fällen die Entscheidung darüber, welches Gericht ein Strasversahren durch­ zuführen hat, dem Vorsitzer des Gerichts, das den: zunächst mit der Sache befaßten Gericht übergeordnet ist. Oberes Gericht im Sinne dieser Vorschriften ist, wie bei § 116 dargelegt ist, das Landgericht gegen­ über den Amtsgerichten, das Oberlandesgericht gegen­ über den Land- und Amtsgerichten und das Reichsge­ richt gegenüber den Oberlandes-, Land- und Amts­ gerichten. F ü r die Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehören, soll aber nach § 266 als oberes Gericht an die Stelle des Reichsgerichts der Volksgerichtshof treten. Diese Regelung wahrt den Einfluß des Volksgerichtshofs aus die S tra f­ sachen, die sich gegen den Bestand oder die Grund­ sätze des nationalsozialistischen S taates richten. Satz 2 regelt in gleicher Weise die Zuständigkeit für die Verbindung und Trennung mehrerer Strafsachen, wenn keine Vereinbarung zwischen den Vorsitzern der Senate mehrerer Oberlandesgerichte über die Ver­ bindung oder Trennung zustande kommt. Gehört auch

nur eine der Strafsachen zur Zuständigkeit des O ber­ landesgerichts, so obliegt die in § 277 Abs. 2 Satz 3 vorgesehene Entscheidung dem Vorsitzer des zustän­ digen S e n a ts des Volksgerichtshofs.

Fünftes Hauptstück Andere gemeinsame Berfahrensvorschriften Erster Abschnitt Strafantrag, Anordnung und Verlangen der Straf­ verfolgung

D ie Vorschristen über den S tra fa n tra g , die bisher in den §§ 61 bis 65, 195, 196, 198, 232 Abs. 3 S tG B , enthalten w aren, stellt der E ntw urf wegen ihres überwiegend versahrensrechtlichen Charakters in die Strafverfahrensordnung ein. S ie sind in den §§ 267 bis 273 zusammengefaßt. D ie Lockerung der Verfolgungspslicht bei A ntrag staten ist im § 19 ge­ regelt. D er § 274 stellt in den Abschnitt auch die Vorschriften über die Zurücknahme der A nordnung, der Zustimmung unb des V erlangens der Verfolgung ein, da diese Verfahrensvoraussetzungen dem S tr a f ­ antrag nahe verw andt sind. §267 Antragsberechtigte D ie S tra fta te n , deren Versolgung von einem A n­ trag abhängig ist, sind im Strafgesetzbuch und in den Nebenstrafvorschriften jeweils bei dem S traftatbestand bezeichnet. Bei den A ntragsdelikten des Strafgesetz­ buchs ist auch der Antragsberechtigte angegeben; es sind im allgemeinen der Verletzte oder Geschädigte, bei M untbruch (§ 201 S tG B .) der Sorgeberechtigte, bei Verführung (§ 215 S tG B .) der Erziehungsberech­ tigte, bei Beschimpfung Verstorbener (§ 428 S tG B .) die nächsten Angehörigen. M it Rücksicht auf die straf­ rechtlichen Nebengesetze ergänzt der Abs. 1 diese V o r­ schristen durch eine allgemeine Regelung. D a s A n­ tragsrecht steht danach dem Verletzten zu, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. F ü r den Geschäftsunfähigen und den M in d er­ jährigen unter achtzehn Ja h re n konnte bisher nach § 65 Abs. 2 S tG B , nur der gesetzliche V ertreter, für den M inderjährigen über achtzehn Ja h re n sowohl dieser als auch der gesetzliche V ertreter den A ntrag stellen. D ie neue Regelung weicht davon in verschie­ dener Richtung ab. Zunächst gilt sie nicht nur für Geschäftsunfähige und für M inderjährige, sondern für beschränkt Geschäftsfähige jeden A lters. Bei diesen Personen kann ferner nicht n u r der gesetzliche V er­ treter des A ntragsberechtigten, sondern auch der­ jenige den A ntrag stellen, dem die S orge für die Person des A ntragsberechtigten zusteht. Die Stellung des A ntrages dient der W ahrung der persönlichen Belange des A ntragsberechtigten. Z u r W ahrung dieser Belange ist aber in den F ällen, in denen die gesetzliche V ertretung und das Personensorgerecht für den Antragsberechtigten verschiedenen Personen

zusteht, der Sorgeberechtigte bricht weniger berufen a ls der gesetzliche Vertreter. I s t die M utter neben dem V ater sorgeberechtigt (§ 1634 B G B .), so gilt § 298 Abs. 2. D aß beschränkt Geschäftsfähige selb­ ständig den A ntrag stellen können, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr vollendet fabelt, entspricht dem bisherigen Recht. Ih n e n die ausschließliche Entschei­ dung über die S tellung des A ntrags zuzuweisen, hält der E ntw urf nicht für richtig. Z w ar darf nicht ver­ kannt werden, daß M inderjährigen über achtzehn J a h re n heute eine größere Selbständigkeit und ein umfassenderer Pflichtenkreis zugewiesen ist als früher. S olange sie beschränkt geschäftsfähig sind, soll aber neben ihnen auch der gesetzliche V ertreter und der Sorgeberechtigte einen Einfluß auf die für die persänlichen Belange des B etreuten oft wichtige V e rfo lg u n ^ U v r A ntrag stat ausüben können. D er Absatz 3 gewährt auch dem Ehem ann während der D au er/d er. ehelichen Gemeinschaft das A n trag s­ recht, wenn eine Ehefrau verletzt ist und ihr als Verletzter das Antragsrecht zusteht. D as bisherige Recht sieht diese B efugnis des Ehem anns nur bei Beleidigung und Körperverletzung vor. Die Belange des Ehem anns sönnen aber auch durch andere A n­ tragstaten berührt werden, die sich gegen die Ehe­ frau richten, etwa durch einen Hausfriedensbruch, eine Sachbeschädigung, eine eigenmächtige Heil­ behandlung oder einen Geheimnisbruch. D er E n t­ wurf läßt daher die Beschränkung auf bestimmte A ntragstaten fallen. D aß die B efugnis des Ehe­ m anns nur während der D auer der ehelichen Gemeinschast besteht, entspricht dem § 428 Abs. 1 Satz 2 S tG B . W er antragsberechtigt ist, wenn eine Körperschaft, eine V ereinigung oder eine in ihrer Ehre geschützte Gemeinschaft verletzt ist, regelt der E ntw urf nicht besonders. B ei Körperschaften und Gesellschaften, deren V ertretung durch Gesetz oder Satzim g geregelt ist, wird in der Regel der nach Gesetz oder Satzimg berufene V ertreter zur S tellung des A ntrags berech­ tigt sein. B ei der M annigfaltigkeit der Gem ein­ schaften, die hier gleichfalls zu berücksichtigen sind, kann die Frage, wem das Antragsrecht für Gem ein­ schaften und Vereinigungen zusteht, gesetzlich nicht einheitlich geregelt werden. D er Entw urf hält es für zweckmäßiger, die K lärung dieser Frage der Rechtsprechung zu überlassen. § 268 T od des Verletzten M it dem Tode des Verletzten erlischt nach b is­ herigem Recht das Antragsrecht. Nach dem Entw urf hingegen geht das Antragsrecht des Verletzten m it seinem Tode auf die nächsten Angehörigen über, und zw ar auf den Ehegatten, die Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel und Geschwister. Diese Änderung soll einen M ißstand beseitigen, der wiederholt fühlbar ge­ worden ist. E s widerspricht dem gesunden Vol'ksempfinden, daß eine vielleicht sehr verwerfliche T at n u r aus dem G runde nicht verfolgt werden kann, weil der Verletzte, womöglich gerade infolge der Auf­ regung über die T at, gestorben ist, bevor er den A ntrag stellen konnte. D as A ntragsrecht steht daher dem oben näher bezeichneten K reis der Angehörigen

zu, wenn der Verletzte antragsberechtigt und sein A n ­ tragsrecht im Zeitpunkt des Todes noch nicht erloschen war. D er Übergang des A ntragsrechts ist n u r beim Ehebruch (§ 200 S tG B .) ausgeschlossen. B ei dieser T a t muß die Entscheidung über die Stellung des A ntrages von dem verletzten Ehegatten selbst ge­ troffen werden. I s t ein Verstorbener' beschimpft worden, so steht das Antragsrecht nach §428 Abs. 1 Satz 1 S tG B , den nächsten Angehörigen zu. W er zu den nächsten A n­ gehörigen gehört, umschreibt der Abs. 2 des § 268 näher, indem er auf die im Abs. 1 getroffene Regelung verweist. D er E ntw urf sieht innerhalb des Kreises der nächsten Angehörigen keine Rangfolge derart vor, daß entferntere Angehörige den A ntrag n u r stellen können, wenn nähere Angehörige nicht oder nicht mehr vorhanden sind. D ie G roßeltern können dem­ nach den A ntrag auch bei Lebzeiten des Ehegatten oder der Kinder stellen. Z u r Vermeidung unange­ messener Ergebnisse genügt die Vorschrift des Abs. 3. Danach kann der A ntrag eines Angehörigen als nicht gestellt behandelt werden, wenn die Verfolgung dem W illen des Verletzten widerspricht oder ein anderer Berechtigter beachtliche G ründe gegen sie geltend macht. D ie Entscheidung darüber steht im V orver­ fahren dem S ta a tsa n w a lt, im H auptverfahren dem Gericht zu. Diese Regelung ermöglicht es, die beson­ deren Umstände des Einzelsalls und insbesondere auch den W illen des Verletzten, soweit er erkennbar hervor­ getreten ist, umfassender zu berücksichtigen, als es durch eine schematische Rangfolge der Angehörigen geschehen könnte. S ie gilt nicht n u r im Fälle des Todes des Verletzten, sondern auch für die Ausübung des A ntragsrechts bei Beschimpfung eines V er­ storbenen. § 269 A n t r a g d e s D i e n st v o r g e s e t z t e n Nach den §§ 196, 232 Abs. 3 des bisherigen S tG B , kann der amtliche Vorgesetzte bei Beleidigung und Körperverletzung S tra fa n tra g stellen, wenn die Beleidigung gegen eine Behörde, einen B eam ten, einen R eligionsdiener oder einen S o ldaten während der Ausübung ihres B erufes oder in Beziehung auf ihren B eruf begangen ist. D er Entw urf verallge­ m einert diese Regelung und gewährt das Antragsrecht dem Dienstvorgesetzten bei allen T aten, die gegen eine Dienststelle des S ta a te s oder der P a rte i, einen A m ts­ träger des S ta a te s oder der P a rte i, einen Behörden­ angestellten, einen S o ld aten (im S in n e des § 296) oder einen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes begangen sind und dienstliche B elange betreffen. Diese Regelung weicht vom bisherigen Recht in verschie­ dener Richtung ab. E inm al besteht das Antragsrecht bei sämtlichen A ntragstaten, da nicht -nur bei B e­ leidigung und Körperverletzung, sondern auch bei an ­ deren T aten, etwa Hausfriedensbruch, Verletzung des Briefgeheimnisses oder Sachbeschädigung ein Interesse des Dienstvorgesetzten an der V erfolgung der T a t be­ stehen kann. S o d an n kann der Dienstvorgesetzte den A ntrag stellen, auch wenn die T a t nicht während der Ausübung des Dienstes oder in Beziehung aus den Dienst begangen ist. Erforderlich ist nur, daß durch die

T a t dienstliche B elange betroffen werden. Diese V or­ aussetzung wird z. B . meist zu verneinen sein, wenn gegen einen A m tsträger ein Ehebruch begangen wird. Andererseits kann z. B . eine Körperverletzung, die ein B eam ter ohne Zusammenhang m it seinem Dienst infolge privater Streitigkeiten erleidet, dienstliche Belange betreffen, wenn dadurch die geordnete A m ts­ führung oder das Ansehen der Beamtenschaft beein­ trächtigt wird. D en Ausdruck Dienststelle des S ta a te s oder der P a rte i verwendet der Entw urf da­ bei in demselben S in n e wie das Strafgesetzbuch (vgl. B egründung zu § 87 S tG B .). D er K reis der A m ts­ träger des S ta a te s und der P a rte i ist im § 295 näher umschrieben, und zwar ebenso wie im § 87 S tG B . D en A m tsträgern des S ta a te s sind die B e­ hördenangestellten gleichgestellt, da ein B edürfnis für das A ntragsrecht des Dienstvorgesetzten bei ihnen in derselben Weise wie bei den Beam ten besteht. D as A ntragsrecht des Dienstvorgesetzten besteht nicht mehr bei T aten, die sich gegen Geistliche richten. D ie Abs. 2 und 3 bezeichnen zur Vermeidung von Zweifelsfragen, die bisher aufgetreten sind, den antragsberechtigten Dienstvorgesetzten genauer. Nach § 2 Abs. 5 des Beamtengesetzes ist Dienstvorgesetzter eines Beam ten, wer für beamtenrechtliche Entschei­ dungen über die persönlichen Angelegenheiten des ihm Nachgeordneten Beam ten zuständig ist. Bei A m ts­ trägern des S ta a te s, die keinen Dienstvorgesetzten haben, z. B . Schöffen, steht das Antragsrecht der Dienststelle zu, für die sie tätig sind. W enn solche A m tsträger die Dienststelle, für die sie tätig sind, selbst leiten (z. B . Bürgermeister), so hat die staatliche Auf­ sichtsbehörde das Antragsrecht. Bei Dienststellen und A m tsträgern der P a rte i ist die nähere Bezeichnung des Dienstvorgesetzten dem Stellvertreter des Führers überlassen. T ritt zwischen der T a t und der Stellung des A ntrages infolge Versetzung des verletzten A m ts­ trägers ein Wechsel in der Person des Dienstvor­ gesetzten ein, so soll zur Stellung des A ntrages nicht der gegenwärtige Dienstvorgesetzte, sondern derjenige berechtigt sein, der zur Zeit der T a t Dienstvorgesetzter w ar. I s t dieser Dienstvorgesetzte aus seiner Stellung ausgeschieden, ist er also z. B. versetzt oder nicht mehr im Amte, so w ird der A ntrag von seinem Dienst­ nachfolger gestellt. § 270 F o r m des A n t r a g s D er Abs.1 entspricht dem § 158 Abs. 2 S tP O . D ie Stellung des A ntrags ist aber nicht mehr bei Gerichten jeder A rt, sondern nur beim Amtsgericht zugelassen, da kein B edürfnis dafür besteht, S tr a f ­ anträge auch bei Gerichten einzureichen, die im ersten Rechtszuge m it A ntragstaten nicht besaßt werden. W ährend bisher der A ntrag bei der S ta a tsa n w a lt­ schaft und dem Gericht auch zu Protokoll erklärt werden konnte, schreibt der Entw urf nunm ehr all­ gemein die Schriftform vor. I h r wird auch dadurch genügt, daß der Antragsteller den A ntrag mündlich zur Niederschrift stellt und die Niederschrift unter­ zeichnet. D er A ntrag ist n u r für die strafrechtliche V erfol­ gung der T a t erforderlich. F ü r die Ahndung einer A n tragstat im friedensrichterlichcn Verfahren ist die

Klage des Verletzten oder eines sonst Klageberechtigten Voraussetzung der Verfolgung. Die Klage des friedensrichterlichen Verfahrens vereinigt demnach in sich die im bisherigen Recht geschiedenen Funk­ tionen der Privatklage und des Strafantrages. Aus dieser Regelung zieht der Abs. 2 die Folgerung, daß die Klage im friedensrichterlichen Verfahren dem Antrag gleich steht. Wird die Verfolgung einer Tat nach § 12 der Friedensrichterordnung vom S ta a ts­ anwalt übernommen, so braucht demnach bei An­ tragstaten kein Antrag gestellt zu werden, wenn die friedensrichterliche Klage von einem zur Klage Be­ rechtigten innerhalb der Klagesrist erhoben ist (§§ 13 bis 15, 17 der Friedensrichterordnung) und den Mindestersordernissen des § 18 der Friedensrichter­ ordnung genügt. Die Zurücknahme der Klage, die nach § 19 der Friedensrichterordnung möglich ist, hindert die Verfolgung der Antragstat im Strafver­ fahren nicht, da der Antrag nach § 273 nicht zurück­ genommen werden kann, die einmal in zulässiger Weise erhobene Klage aber für das Strafverfahren wie ein Strafantrag wirkt. § 271 Antragssrist Der Entwurf hält daran fest, daß der Antrag innerhalb bestimmter Frist gestellt sein muß und es nicht erwünscht ist, dem Antragsberechtigten für seine Entscheidung unbegrenzt Zeit zu lassen. Die Antragssrist beträgt wie im bisherigen Recht (§ 61 StG B .) drei Monate. Wie die Fassung klarstellt, beginnt sie, sobald der Berechtigte von der T at und der Person auch nur eines auf Antrag verfolgbaren Be­ teiligten Kenntnis erlangt. Werden wie bei Betrug und Untreue gegen Angehörige und bei anderen rela­ tiven Antragstaten mit einzelne Beteiligte auf Antrag, andere Beteiligte aber auch ohne Antrag ver­ folgt, so kommt es für den' Fristenlauf auf die Kennt­ nis von der Person eines nur aus Antrag verfolgbaren Beteiligten an. Die Besonderheit des bis­ herigen Rechts, daß in die Antragssrist der Tag eingerechnet wird, an dem der Berechtigte die Kennt­ nis erlangt, ist in den Entwurf nicht übernommen. Die Antragsfrist wird vielmehr, wie sich aus § 291 ergibt, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetz­ buchs über die Fristen (§§ 186 ff.) berechnet. Maß­ gebend ist die Kenntnis des Berechtigten. Sind mehrere antragsberechtigt, so entscheidet für jeden seine Kenntnis. Dies ergibt sich aus der Selbständig­ keit des Antragsrechts eines jeden einzelnen; eine ausdrückliche Vorschrift, wie sie das bisherige StG B , im § 62 enthielt, ist entbehrlich. Dagegen bedarf es zur Vermeidung von Zweifeln der Klärung, daß die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters, des Sorge­ berechtigten und des Ehemanns, dagegen nicht die Kenntnis des Berechtigten entscheidend ist, wenn sie für den an sich Berechtigten den Antrag stellen. Eine Abweichung von diesen Regeln sieht der Satz 4 des Abs. 1 bei der Beschimpfung Verstorbener und für die Fälle vor, daß infolge des Todes des Verletzten das Antragsrecht auf seine nächsten Ange­ hörigen übergeht. Hier soll der Fristenlauf schon beginnen, wenn auch nur einer der antragsberech­ tigten Angehörigen die Kenntnis erlangt. Die Vor­

schrift dient einer vernünftigen Begrenzung der Frist, die bei einer größeren Zahl von Angehörigen sonst unter Umständen noch jahrelang nach dem Tode des Verletzten laufen könnte. Andererseits muß dafür Sorge getragen werden, daß den Angehörigen die volle Frist im Falle des Todes des Verletzten noch vom Zeitpunkt des Todes an zur Verfügung steht, auch wenn sie schon vorher von der T at und der Person eines Beteiligten Kenntnis hatten. Der Abs. 3 sieht daher vor, daß für sie die Frist frühestens drei Monate nach dem Tode des Verletzten endigt. Der Abs. 2 verlängert die Frist bei wechselseitig begangenen Taten, die miteinander im Zusammen­ hang stehen, und verallgemeinert damit die Regelung, die die §§ 198, 232 Abs. 3 des bisherigen S tG B , für die wechselseitig begangenen Beleidigungen und Körperverletzungen treffen. Die Beschränkung der bisherigen Sondervorschrift auf diese Taten ist will­ kürlich, da ihr Grundgedanke auch auf andere zwischen denselben Personen gewechselte Taten zutrifft, etwa dann, wenn eine Körperverletzung mit einer Beleidi­ gung oder eine Sachbeschädigung mit einer Körper­ verletzung erwidert wird. Ein Zusammenhang zwi­ schen den wechselseitig begangenen Taten war in den bisherigen Vorschriften nicht gefordert, so daß es nach ihrem W ortlaut möglich war, eine längst ver­ gessene T at wieder hervorzuholen und zum Gegen­ stand einer Strafverfolgung zu machen, lediglich des­ halb, weil die früher beteiligten Täter jetzt wiederum, vielleicht aus ganz anderen Gründen, aneinander­ geraten sind. Die Sondervorschrift beruht daraus, daß Straftaten, die einen einheitlichen Ursprung haben und daher einzeln gar nicht richtig gewürdigt werden können, nach Möglichkeit zusammen geahndet werden sollen. Dieser Gedanke kommt besser zur Geltung, wenn die Sondervorschrift auf wechselseitige Taten beschränkt wird, die „miteinander im Zu­ sammenhang stehen". F ü r solche Taten wird demnach die Frist verlängert, aber abweichend vom bisherigen Recht nicht auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils verkürzt, das wegen einer der Taten im ersten Rechtszug ergeht. Die Abkürzung der Frist mag bei Privatklagen gerechtfertigt gewesen sein. Bei krimi­ nellen Taten, die der S taatsanw alt verfolgt, liegt zu einer Abkürzung der Frist kein Anlaß vor. D a die Antragssrist in der Strasverfahrensordnung geregelt wird, steht sie grundsätzlich anderen vetsahrensrechtlichen Fristen gleich. Soweit die Vor­ schriften der StV O , über die Fristen für die A ntrags­ frist nicht gelten sollen, muß das ausdrücklich be­ stimmt werden. Eine solche Bestimmung enthält der Absatz 4, durch den die Nachholung des Antrags bei unverschuldeter Fristversäumnis (§ 292) ausge­ schlossen wird. § 272 Unteilbarkeit Die Vorschrift legt, entsprechend dem § 63 des bisherigen StG B ., die persönliche Unteilbarkeit des Strafantrags fest. Ist der Antrag auch nur gegen einen an der Tat Beteiligten gestellt, so können den­ noch alle Beteiligten verfolgt werden. Ob sie zu ver­ folgen sind, richtet sich nach den Vorschriften über die Verfolgungspslicht (§§ 14 bis 26). Der Entwurf

beschränkt sich daher daraus, die Verfolgung sämt­ licher nur auf Antrag verfolgbarer Beteiligter für zulässig zu erklären. § 273 Unwi derrufl i chkei t Während das alte Strafgesetzbuch die Zurücknahme des Strafantrags zunächst bei allen Straftaten zu­ ließ, ist seit dem Gesetz vom 26. Februar 1876 (RGBl. S . 25) die Zurücknahme auf die gesetzlich be­ sonders bezeichneten Taten beschränkt. Der Entwurf hält es für geboten, die Möglichkeit der Zurücknahme ganz zu beseitigen. Es entspricht nicht der Würde der Strafrechtspflege, ein Strafverfahren von der wech­ selnden Meinung des Antragstellers abhängig zu machen und dem Verletzten die Macht zu geben, durch die Zurücknahme des Antrages die Einstellung eines Strafverfahrens herbeizuführen, das auf seinen An­ trag in Gang gekommen und vielleicht unter Auf­ wendung beträchtlicher Arbeit und Kosten gefördert worden ist. Auch besteht die Gefahr, daß der Antrag zum Gegenstand eines Handels gemacht und die Zurücknahme gegen Geld abgekauft wird. Dem prak­ tischen Bedürfnis ist dadurch Rechnung getragen, daß der S taatsanw alt die Anklage bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurücknehmen kann und daher die Möglichkeit hat, auf diese. Weise gewichtige Gründe, die der Antragsteller gegen die Durchführung des Verfahrens nachträglich vorbringt, zu berücksichtigen. Die vorstehenden Ausführungen gelten für die Ver­ folgung von Antragstaten im Strafverfahren. I m friedensrichterlichen Verfahren liegen die Verhältnisse anders. Die Zurücknahme der Klage ist im § 19 der Friedensrichterordnung zugelassen. Zur Frage des Verzichts auf den Antrag nimmt der Entwurf nicht ausdrücklich Stellung. Aus dem Zweck des Strafantrags wird zu folgern sein, daß der Antragsberechtigte nicht rechtswirksam auf das Antragsrecht verzichten kann. § 274 Zur ücknahme der A n o r d n u n g , der Z u ­ s t i mmung u n d des V e r l a n g e n s Bei einigen Straftatbeständen ist die S trafver­ folgung von einer Anordnung des Reichsministers der Justiz oder von dem Verlangen einer Behörde oder einer Parteidienststelle abhängig. Diesen Stellen soll durch diese besondere Versahrensvoraussetzung die Möglichkeit gewährt werden, die Strafverfolgung zu verhindern, wenn wichtige Gründe, deren P rü ­ fung diesen Stellen überlassen sein soll, ihr entgegen­ stehen. Es ist erwünscht, die Anordnung oder das Verlangen der Strafverfolgung widerrufen zu kön­ nen, wenn neue Tatsachen Anlaß geben, die ursprüng­ liche Stellungnahme zur Frage der Strafverfolgung zu ändern. Hat etwa der Reichsminister der Justiz angeordnet, einen Ausländer wegen einer im Aus­ land begangenen T at zu verfolgen, so kann ein Bedürfnis bestehen, diese Anordnung nachträglich auch noch nach Einleitung des gerichtlichen Ver­ fahrens zurückzunehmen. Die Zurücknahme soll nach dem Entwurf jedoch aus ähnlichen Gründen, wie sie für den § 29 maßgebend sind, nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung möglich sein.

I n einigen Fällen ist der Reichsminister der Justiz zu der Anordnung ermächtigt, daß eine Tat nicht zu verfolgen sei; es ist angebracht, diese An­ ordnung gleichfalls bis zum Beginn der Hauptver­ handlung zuzulassen.

Zweiter Abschnitt

Verbindung und Trennung § 275 Voraussetzungen Nach bisherigem Recht ist eine Verbindung von Strafsachen, für die verschiedene Gerichte örtlich oder sachlich zuständig sind, nur zulässig, wenn eine Person mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt wird, oder wenn bei einer strafbaren Handlung mehrere Personen als Täter, Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler beschuldigt werden (§ 3 Abs. 2 S tP O .). Darüber hinaus ist eine Verbindung von Strafsachen zur gemeinschaftlichen Aburteilung nach § 237 S tP O , nur zugelassen, wenn sie bereits bei demselben Gericht anhängig sind. Der Entwurf erleichtert die Verbindung von Strafsachen und regelt sie einheitlich in den §§ 275 bis 277. Strafsachen sollen zu einem Verfahren ver­ bunden werden, wenn es die Verfahren fördert (§ 275 Abs. 1). D as wird, wie der Entwurf bei­ spielsweise anführt, besonders dann der Fall sein; wenn jemand mehrerer Straftaten beschuldigt wird oder wenn mehrere Personen beschuldigt werden, an einer S tra fta t beteiligt zu sein. Es ist aber auch an Verfahren zu denken, in denen dieselben Zeugen oder sonstigen Beweismittel in Betracht kommen, oder an Verfahren, in welchen gleichartige oder zusammen­ hängende Vorgänge behandelt werden. Die Verbin­ dung mehrerer Verfahren wird immer zweckmäßig sein, wenn dadurch Doppelarbeit vermieden wird. Der Entwurf verpflichtet unter diesen Voraus­ setzungen durch eine Sollvorschrift zur Verbindung der Strafsachen, während die Verbindung bisher in das Ermessen des Gerichts gestellt war. Daß mehrere Verfahren, die sich gegen dieselbe Person richten, verbunden werden sollen, ist vor allem mit Rücksicht auf die Einführung der Einheitsstrafe bei Tatmehrheit geboten. Es liegt auf der Hand, daß die Persönlichkeit des Täters zutreffender beur­ teilt werden kann, wenn seine sämtlichen Taten ge­ meinsam abgeurteilt werden, als wenn jeweils immer nur eine T at abgeurteilt wird und das Ge­ richt nachträglich auf Grund der einzelnen Urteile eine Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und seiner Taten vornehmen soll. Nur bei Beachtung dieses Grundsatzes kann eines der Hauptziele des neuen Strafrechts, eine der Täterpersönlichkeit gerecht werdende Strafe und sichernde Maßregel zu finden, verwirklicht werden. Es kommt hinzu, daß bei ge­ trennter Aburteilung nach den §§ 77, 452 das später urteilende Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des früheren Urteils nicht gebunden und daher unter Umständen gezwungen ist, in eine nochmalige E r­ örterung der früher abgeurteilten T at einzutreten.

Allerdings sind Fälle denkbar, in denen die gleich­ zeitige Aburteilung verschiedener Taten auf schwer zu überwindende praktische Schwierigkeiten stößt oder zu einer erheblichen Verzögerung der Verfahren füh­ ren würde. Der Entwurf verpflichtet daher auch in den Fällen der Verfolgung mehrerer Taten desselben T äters zur Verbindung der Sachen nur, wenn es den Verfahren förderlich ist, und läßt damit aus wich­ tigem Grunde Ausnahmen von der sonst grundsätzlich vorgeschriebenen Versahrensverbindung zu. D aß verbundene Strafsachen aus Zweckmäßig­ keitsgründen wieder getrennt werden können, ent­ spricht dem bisherigen Recht (§ 2 Abs. 2 S tP O .). § 276 Gemei nsame Zuständigkeit Die Vorschrift ergänzt die Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit (§§ 98 bis 115) für die Fälle, daß mehrere an sich zur Zuständig­ keit verschiedener Gerichte gehörende Strafsachen ver­ bunden werden sollen. Unter den Voraussetzungen des § 275 können Sachen, für die Gerichte verschiede­ ner Ordnung zuständig sind, verbunden bei dem höheren Gericht anhängig gemacht werden. Is t die Zuständigkeit des höheren Gerichts durch Zuweisung bestimmter Straftatbestände abgegrenzt, so ergibt sich aus § 104, daß zum Zweck der gleichzeitigen Aburtei­ lung Anklage vor ihm auch wegen anderer Straftaten erhoben werden kann. Eine Vorschrift, daß für die D auer der Verbindung die Strassache, die zur Zu­ ständigkeit des Gerichts höherer Ordnung gehört, für das Verfahren maßgebend ist (§ 5 S tP O .), hat der Entwurf nicht ausgenommen, da sie sich von selbst versteht. Sachen, für die verschiedene Gerichte gleicher Ordnung zuständig sind, können unter den Voraus­ setzungen des § 275 verbunden bei jedem Gericht an­ hängig gemacht werden, das für eine von ihnen zu­ ständig ist. Abs. 2 gibt eine ergänzende Vorschrift für das Verhältnis zwischen Schöffenkammer und Strafkammer, wobei der Strafkammer mit Rücksicht aus die ihr zugewiesenen besonderen Aufgaben der Vorrang eingeräumt ist. § 277 E n t s c h e i d u n g ü b e r di e V e r b i n d u n g und T r e n n u n g Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit für die Entscheidung darüber, ob mehrere Strafsachen ver­ bunden oder getrennt werden sollen. I m Vorver­ fahren steht diese Entscheidung dem S taatsanw alt zu, der das Vorverfahren führt. Wird das Vorver­ fahren in den einzelnen Sachen zunächst von ver­ schiedenen Staatsanw älten geführt, so bedarf die Verbindung und die Trennung der verschiedenen Sachen einer Einigung der beteiligten S ta a ts ­ anwälte. Einigen sie sich nicht, so ist zur Entscheidung über die Verbindung und Trennung der gemeinsam vorgesetzte S taatsanw alt berufen. Dies ergibt sich aus dem Anweisungsrecht des vorgesetzten S ta a ts­ anw alts und bedarf keiner besonderen Regelung. Die Verbindung, die der S taatsanw alt angeordnet hat, wirkt auch für das Hauptversahren. Jedoch steht es

dem Vorsitzer des Gerichts nach § 275 Abs. 2 frei, die verbundenen Strafsachen wieder zu trennen. I m Hauptverfahren entscheidet über die Verbin­ dung und Trennung mehrerer Strafsachen nach Abs. 1 der Vorsitzer des Gerichts. S ind die Strafsachen bei verschiedenen Gerichten gleicher Ordnung anhängig geworden, so bedarf die Verbindung und Trennung dieser Strafsachen einer Vereinbarung der Vorsitzer dieser Gerichte. Sind jedoch die Strafsachen bei Gerichten verschiedener Ordnung anhängig geworden und gehört das niedrigere Gericht zum Bezirk des höheren Gerichts, so bedarf es lediglich der Entschei­ dung des Vorsitzers des höheren Gerichts. Ferner samt, falls keine Einigung zwischen den Vorsitzern der beteiligten Gerichte zustande kommt, die Entscheidung des Vorsitzers des genteinschastlichen oberen Gerichts angerufen werden. Den Begriff des oberen Gerichts verwendet der Entwurf hierbei in demselben Sinne wie in den §§ 113, 116, 117; was darunter zu ver­ stehen ist, ist bei den §§ 116, 266 dargelegt. D ritter Abschnitt Entscheidungen, Niederschriften, Mitteilungen Allgemeines Der Abschnitt „Entscheidungen, Niederschriften, Mitteilungen" behandelt die Vorbereitung, den Erlaß und die Bekanntmachung von Entscheidungen und Mitteilungen des Richters und des Staatsanw alts. Die Vorschriften über die Zustellungen beziehen sich auch aus Schriftstücke anderer Art. Neu gegenüber dem bisherigen Recht sind die Bestimmungen über die Glaubhaftmachung (§ 279) und über die Berichti­ gung von Entscheidungen (§ 281) sowie die allge­ meine Vorschrift über die Rechtsmittelbelehrung (§ 283). Neu sind ferner die Vorschriften über Form und Abfassung von Niederschriften (§§ 284, 285), die im bisherigen Recht nur imvollständig enthalten sind; diese Vorschriften gelten nunmehr allgemein für die Aufnahme von Niederschriften über Unter­ suchungshandlungen des Richters und des S ta a ts ­ anwalts außerhalb der Hauptverhandlung. Nach § 36 S tP O , sind Entscheidungen, die einer Zustellung oder Vollstreckung bedürfen, der S ta a ts ­ anwaltschaft zu übergeben, die das Erforderliche zu veranlassen hat. Diese Bestimmung ist in den Entwurf nicht übernommen, da sie sich nicht bewährt hat. Schon im bisherigen Recht ist dem Amtsrichter und dem Untersuchungsrichter die Befugnis beigelegt, Zu­ stellungen jeder Art sowie die Vollstreckung von Be­ schlüssen und Verfügungen unmittelbar zu veran­ lassen. Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, darüber hinauszugehen und allge­ mein vorzusehen, daß jede Behörde Zustellungen, die durch ihre Maßnahmen erforderlich werden, und die Vollstreckung ihrer Entscheidungen selbst oder durch ihre eigene Geschäftsstelle verattlaßt. Der Entwurf bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er den § 36 S tP O , ersatzlos beseitigt. Nur für die Vollstreckung von Urteilen und ihnen gleichstehenden Entscheidun­ gen, die auf Strafen oder auf sichernde Maßregeln

erkennen, bedarf es besonderer Vorschriften. D as Strafvollstreckungsgesetz ergibt, daß die Vollstreckung dieser Entscheidungen nicht dem Gericht, sondern der Vollstreckungsbehörde obliegt. Unter „Entscheidungen" versteht der Entwurf richterliche Entschließungen jeder Art. Der Ausdruck umfaßt in der Regel sowohl Urteile wie Beschlüsse und prozeßleitende Verfügungen. Doch wird er nicht immer im gleichen S in n verwendet; teilweise ergibt sich aus dem Zusammenhang eine engere Bedeutung (vgl. z.B . §§ 37 Abs. 2, 51). Hingegen ist im E nt­ wurf der Begriff des „Beschlusses" fest umrissen: Beschlüsse sind lediglich die Entscheidungen, für die im Entwurf vorgeschrieben ist, daß sie in der Form des Beschlusses ergehen (vgl. z. B. § 32 Abs. 2 S . 4, § 35 Abs. 4 und 5, §§ 41, 61, 113 Abs. 2. §§ 128, 129, 187 Abs. 3, § 214 Abs. 2, § 313 Abs. 2, §§ 322, 324, 336, 338 S . 2, 365). Die Form des Beschlusses ist nicht den Entscheidungen der Koltegialgerichte im Gegensatz zum Einzelrichter, auch nicht den Entschei­ dungen des Gerichts — im Gegensatz zu den vom Vorsitzer des Gerichts erlassenen Entscheidungen — vorbehalten. Häufig entscheidet vielmehr auch der Amtsrichter (vgl. z. B. § 35) oder der Vorsitzer allein (vgl. z.B . § 32 Abs. 2, § 41 Abs. 2, § 113 Abs. 2, § 123 Abs. 2) durch Beschluß. F ü r Beschlüsse ist kenn­ zeichnend, daß sie — im Gegensatz zum Urteil — ohne mündliche Verhandlung ergeheil sönnen. Ob eine Entscheidung in Form des Beschlusses ergehen muß oder nicht, hat Bedeutung für das Gehör des S taatsanw alts, des Verteidigers und der Beteiligten vor Erlaß der Entscheidung,, ferner für. die Begründungspslicht. § 278 schreibt vor Beschlüssen die An­ hörung in verschiedenem Umfang zwingend vor, während bei sonstigen Entscheidungen das Gehör dem pflichtmäßigen Ermessen des Richters anheimgestellt ist. § 280 sieht vor, daß solche Beschlüsse, die mit einem Rechtsmittel angefochten werden können, die über ein Rechtsmittel entscheiden oder die einen An­ trag ablehnen, zu begründen sind. Diese Bestimmun­ gen lassen erkennen, welche Gesichtspunkte im Einzel­ salle dafür entscheidend sind, ob die Beschlußsorm vorgeschrieben wird oder nicht. Der Entwurf hat für die wichtigeren Entscheidungen, bei denen vor­ heriges Gehör und die Begründung sichergestellt werbcn sollen, vorgeschrieben, daß sie in Form des Be­ schlusses ergehen. Die §§ 278 bis 289 gelten unmittelbar nur für Entscheidungen und sonstige Maßnahmen des Rich­ ters. Inwieweit sie auf Verfügungen und Unter­ suchungshandlungen des Staatsanw alts entsprechend anwendbar sind, bestimmt § 290. § 278 Gehör Bei der Regelung der Frage, vor welchen richter­ lichen Entscheidungen dem Staatsanw alt, dem Ver­ teidiger und den Beteiligten Gelegenheit zur Äuße­ rung gegeben werden muß, unterscheidet der Entwurf zwischen Beschlüssen — in dem in der Einleitung zu diesem Abschnitt erörterten S in n — und sonstigen Entscheidungen. Der Entwurf sichert das vorherige Gehör bei den Beschlüssen wegen ihrer Bedeutung in

weiterem Umfang als bei den anderen Entscheidun­ gen. Der Entwurf sichert weiterhin das Gehör des S taatsanw alts in weiterem Umfang als das des Verteidigers und der Beteiligten. Diese Unter­ scheidung wird durch die Stellung und die Aufgaben des Staatsanw alts gerechtfertigt, der zur Wahrung des öffentlichen Interesses berufen ist und durch seine Anträge und Erklärungen auf ein gesetzmäßiges Verfahren hinwirken soll. Die Regelung des Ent­ wurfs legt zugleich dem Richter in so weitem Umfang die Pflicht zur Anhörung des Verteidigers und der Beteiligten auf, daß ihr rechtliches Gehör ausreichend gewährleistet ist. Die Unterscheidung des bisherigen Rechts, das die. Anhörung bei Entscheidungen des erkennenden Gerichts mit) des Vorsitzers, des beauf­ tragten und des ersuchten Richters außerhalb der Hauptverhandlung verschieden regelt (§ 33 S tP O .), hat der Entwurf aufgegeben. Seine Bestimmungen gelten gleichmäßig für alle richterlichen Ent­ scheidungen. Vor Beschlüssen, die in der Hauptverhandlung ergehen, ist die Anhörung des Staatsanw alts und, wenn sie anwesend sind, des Verteidigers und der Beteiligten zwingend vorgeschrieben. Vor außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Beschlüssen ist nur die Anhörung des Staatsanw alts vorgeschrieben. Im übrigen hat" der Richter dem Staatsanw alt, dem Verteidiger und den Beteiligten vor Entscheidungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn er es nach pflichtmäßigem Ermessen für erforderlich hält. Das gilt für Entscheidungen, die nicht als Beschluß ergehen, aber auch hinsichtlich der Anhörung des Ver­ teidigers und der Beteiligten vor Beschlüssen, die außerhalb der Hauptverhandlung erlassen werden. Der Richter wird bei der Entscheidung darüber, ob die Anhörung erforderlich ist, die Nachteile, die aus der durch die Anhörung bedingten Verzögerung ent­ stehen können, und die Vorteile, die in der Bei­ bringung neuer Gesichtspunkte liegen, abzuwägen haben. § 279 Glaubhaftmachung Der Entwurf sieht die Glaubhaftmachung in ver­ schiedenen Vorschristen vor. Nach dem § 125 Abs. 2, § 191 Abs. 3 ist der Grund der Ablehnung eines Richters oder Sachverständigen, nach den §§ 166, 190 der Grund für die Weigerung, als Zeuge auszusagen oder als Sachverständiger ein Gutachten zu erstatten, nach dem § 292 Abs. 2, '§ 351 der Grund der Säumnis bei der Nachholung einer versäumten Handlung und bei dem Antrag auf Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung, nach § 415 das Recht des Ein­ ziehungsbeteiligten, nach § 467 Abs. 2 der Ansatz von Kosten' glaubhaft zu machen. F ür alle diese Fälle enthält die Vorschrift des § 279 eine gemeinsame Regelung der Frage, welcher Mittel sich der Beweis­ führer zur Glaubhaftmachung bedienen kann. Er kann sich aller Beweismittel bedienen, die im Strafver­ fahren überhaupt zugelassen sind. Er kann Urkunden vorlegen und Erklärungen von Zeugen beibringen. Zeugen und Sachverständige sönnen — mit der Ein­ schränkung des Abs. 2 — zum Zweck der Glaubhaft­ machung auch vereidigt werden; über ihre Vereidi-

gung entscheidet das richterliche Ermessen. Dagegen ist ein Eid des Beschuldigten als M ittel der Glaub­ haftmachung ausgeschlossen, da es zu den Grundsätzen des Strafverfahrens gehört, den Beschuldigten nicht zu vereidigen. Soweit Personen, die nicht Beschul­ digte sind, etwas glaubhaft zu machen haben, können sie auch eine Versicherung an Eides S ta tt abgeben. Der Richter und der Staatsanw alt können von ihnen auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ver­ langen. Auch der Beschuldigte kann eidesstattliche Versicherungen D ritter vorlegen. Daß eine eides­ stattliche Versicherung des Beschuldigten selbst nicht zulässig ist, ergibt sich aus dem Verbot seiner Ver­ eidigung. Abs. 2 schließt für die Fälle, in denen ein Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht wegen Gefahr der Strafverfolgung glaubhaft zu machen hat (§§ 165, 166), die eidliche Aussage und die Versicherung an Eides S ta tt als M ittel der Glaubhaftmachung aus. Dadurch soll vermieden werden, daß der Zeuge auf dem Umwege über die eidliche Glaubhaftmachung genötigt wird, den Strafverfolgungsbehörden Einblick in die von ihm geheimgehaltenen Vorgänge zu ge­ währen. § 280 B e g r ü n d u n g v o n Be s c hl üs s e n I n drei Fällen schreibt der Entwurf vor, daß richterliche Beschlüsse begründet werden müssen: 1. wenn der Beschluß mit einem Rechtsmittel an­ gefochten werden kann, wobei es nicht genügt, daß der Beschluß in den Fällen des § 307 Abs. 1 der Nach­ prüfung nur zusammen mit dem Urteil unterliegt; 2. wenn der Beschluß über ein Rechtsmittel ent­ scheidet; 3. wenn durch den Beschluß ein Antrag abgelehnt wird. Der Entwurf verwendet auch hier den Begriff des Beschlusses in dem in der Einleitung zu diesem Abschnitt erörterten technischen S in n ; die Vorschrift befaßt sich gleichermaßen mit der Begrün­ dung verkündeter Beschlüsse wie solcher, die durch Zu­ stellung oder formlose Mitteilung bekanntgemacht werden. Die Begründungspflicht ist damit gegenüber dem zu weit gefaßten § 34 S tP O , auf das gebotene M aß beschränkt. Die neue Fassung stellt klar, daß nunmehr auch diejenigen Beschlüsse zu begründen sind, die über ein Rechtsmittel entscheiden, selbst wenn sie unanfechtbar sind. I m übrigen entscheidet das pflicht­ mäßige richterliche Ermeffen darüber, ob Beschlüssen und Verfügungen eine Begründung beigegeben wer­ den soll. § 281

Beri chti gung I m bisherigen Recht fehlen Bestimmungen über die Berichtigung von Urteilen und anderen Entschei­ dungen des Strafverfahrens. Der Entwurf nimmt im § 281 eine der Vorschrift des § 319 ZPO . ent­ sprechende Bestimmung auf, um Zweifel über die Zulässigkeit von Berichtigungen zu beseitigen. Die Bestimmung ist in erster Linie für die Berichtigung von Urteilen und anderen der Rechtskraft fähigen Entscheidungen von Bedeutung. S ie bezieht sich aber auf alle im Strafverfahren ergangenen Entschei­ dungen, auch wenn sie nicht rechtskräftig sind. Be­

richtigt werden können „Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten". Eine Berichti­ gung kann also nur erfolgen, wenn infolge eines Fassungsfehlers das ersichtlich Gewollte mangelhaft oder unrichtig zum Ausdruck kommt und wenn außer­ dem das Versehen klar zutage tritt. Beim Urteil gilt das sowohl für den Urteilsspruch als auch für die Urteilsgründe. Da es sich um offenbare Unrichtig­ keiten handeln muß, darf die Berichtigung den be­ richtigten Teil der Entscheidung nicht in Widerspruch mit dem übrigen In h a lt der Entscheidung bringen. Der Absatz 1 Satz 2 hebt das für die Urteilsgründe besonders hervor; eine Berichtigung der Urteils­ gründe darf keinen Einfluß aus den In h a lt des Ur­ teilsspruchs haben. Uber die Berichtigung entscheidet das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat. Handelt es sich um eine Entscheidung des Vorsitzers, des Amtsrichters im Vorverfahren, des Untersuchungsrichters, des er­ suchten oder des beauftragten Richters, so ist für die Berichtigung der Richter allein zuständig. Berich­ tigungen sind von Amts wegen oder auf Antrag zu­ lässig. Der Berichtigungsbeschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Der Beschluß, der einen Berichtigungsantrag ablehnt, ist unanfechtbar, da das Beschwerdegericht nicht nach­ prüfen kann, ob die Fassung der Entscheidung dem In h a lt, den das untere Gericht seiner Entscheidung geben wollte, entspricht. Hat der Antragsteller aber sachliche Einwendungen gegen den In h a lt der Ent­ scheidung, so soll er diese nicht mit dem Berichtigungs­ antrag, "sondern mit den gegen die Entscheidung selbst gewährten Rechtsmitteln geltend machen. I n Abs. 2 ist bestimmt, daß jeder, der Nachricht von der Entscheidung erhalten hat, auch von deren Berich­ tigung in Kenntnis gesetzt wird. § 282 A rt d er B e k a n n t g a b e Die Vorschrift, die dem § 35 S tP O , entspricht, regelt nur die Art und Weise der Bekanntgabe richter­ licher Entscheidungen. Die Frage, in welchen Fällen die Bekanntmachung einer Entscheidung erforderlich und wann sie bekanntzugeben ist, wird in dieser Vor­ schrift nicht geregelt. Soweit das Gesetz nicht an anderer Stelle ausdrückliche Vorschriften darüber gibt (vgl. A. B. §§ 32, 394 Abs. 3, 416 Abs. 4, 430 Abs. 2), muß für jeden Einzelsall geprüft werden, ob und an wen eine Bekanntgabe der Entscheidung erforder­ lich ist. Wo im Entwurf von der Bekanntgabe einer Ent­ scheidung die Rede ist, ergibt sich aus dem § 282 Abs. 1, was darunter zu verstehen ist. Dem Be­ troffenen, der beim Erlaß einer Entscheidung an­ wesend ist, wird sie durch Verkündung bekanntgegeben; der Betroffene kann, wie bisher, eine Abschrift der Entscheidung verlangen. Ergeht die Entscheidung in seiner Abwesenheit, so wird sie ihm zugestellt. Soweit die Bekanntmachung der Entscheidung keine Frist in Lauf setzt, genügt an Stelle der Zustellung die form­ lose Mitteilung, und zwar — im Gegensatz zum bis­ herigen Recht (§ 35 Abs. 2 S tP O .) — auch bei Urteilen.

Der Absatz 2 betrifft nicht nur Entscheidungen, sondern amtliche Schriftstücke aller Art. E nt­ hält eine Anklageschrift, ein Urteil oder ein anderes amtliches Schriftstück, das dem Betroffenen im Strafverfahren mitzuteilen ist, Staatsgeheimnisse im Sinne des § 98 S tG B , oder einen aus anderen Gründen geheimzuhaltenden Vorgang, so kann es aus Gründen des öffentlichen Wohls zur Verhütung eines Mißbrauchs geboten sein, dem Empfänger das Schrift­ stück nach Kenntnisnahme wieder abzunehmen. Auch gegenüber Gefangenen kann aus Gründen der An­ staltsordnung die Abnahme des Schriftstücks gerecht­ fertigt sein. Der Abs. 2 gibt dazu die erforderliche Ermächtigung. Nach § 35 Abs. 3 S tP O , ist dem nicht auf freiem Fuß Befindlichen ein zugestelltes Schriftstück auf Verlangen vorzulesen. Diese Frage soll in Aussührungsbestimmungen über den Vollzug der Unter­ suchungshaft, der Freiheitsstrafen und der mit Freiheitsentziehung verbundenen sichernden M aß­ regeln geregelt werden. § 283 R e ch t s m i t t e l b e l e h r u n g D as bisherige Recht sieht eine Pflicht zur Be­ lehrung über Rechtsmittel und die Art ihrer E in­ legung nur bei Urteilen vor, die in Anwesenheit des Angeklagten verkündet werden (§ 268 Abs. 3 S tP O .). Im Verwaltungsweg ist dafür Sorge getragen wor­ den, daß die Belehrung auch dann erfolgt, wenn das Urteil an den bei der Verkündung abwesenden Angeklagten zugestellt wird. Die Vorschrift dehnt aus Gründen der Billigkeit die Belehrungspslicht aus alle Entscheidungen aus, die mit einem befristeten Rechts­ mittel angefochten werden können. Die Belehrungs­ pflicht besteht nicht nur dem Beschuldigten, sondern allen denen gegenüber, die von der ergangenen E nt­ scheidung betroffen werden. Ob dem Betroffenen ein Rechtsanwalt zur Seite steht oder nicht, ist gleich­ gültig. Der Entwurf nimmt die dadurch entstehende Mehrarbeit in Kauf, um gerade dem nicht rechts­ kundigen Volksgenossen bei der Verfolgung seiner Rechte behilflich zu sein. Im einzelnen ist der Be­ troffene darüber aufzuklären, welches Rechtsmittel ihm zusteht, bei welchem Gericht und in welcher Frist und Form es einzulegen ist. Die Belehrung kann auch in der Weise geschehen, daß dem Betroffenen unmittelbar nach der Bekanntgabe der Entscheidung ein Merkblatt ausgehändigt wird. Der Entwurf sieht außerdem in ergänzenden B e­ stimmungen Belehrungspslichten sowie Hinweise an die Beteiligten auf die ihnen zustehenden Ver­ fahrensbefugnisse vor, so bei der Vernehmung des verhafteten Beschuldigten (§ 205 Abs. 4), beim S tra f­ befehl (§ 394 Abs. 2), im Verfahren gegen Flüchtige (§ 407 Abs. 3), ferner in § 20 Abs. 2, § 32 Abs. 2, § 53 Abs. 3, § 61 Abs. 3. §§ 76, 330, § 334 Abs. 3, §§ 414, 416, 419 Abs. 1 vor. § 284 Ge r i c h t l i c h e N i e d e r s c h r i f t Der Entwurf trifft für sämtliche Fälle, in denen der Richter außerhalb der Hauptverhandlung eine

Untersuchungshandlung vornimmt, gemeinsame Be­ stimmungen über die dabei aufzunehmende Nieder­ schrift. Demnach ist über jede richterliche Unter­ suchungshandlung außerhalb der Hauptverhandlung eine Niederschrift aufzunehmen. Dies gilt in s­ besondere für richterliche Untersuchungshandlungen im Vorverfahren (§§ 9, 10, 11) und für vor­ bereitende Beweisaufnahmen im Hauptverfahren (§§ 45 ff.), für Untersuchungshandlungen des Unter­ suchungsrichters und für Verhandlungen, die der Richter außerhalb einer Hauptverhandlung vor­ nimmt. Abweichend vom bisherigen Recht läßt der Entwurf zu, daß der Richter die Niederschrift über die Untersuchungshandlungen selbst aufnimmt, wenn auch als Regel davon ausgegangen wird, daß der Richter einen Schriftführer zuzieht. Diese Neuerung, die dem § 163 Abs. 3 ZPO. entspricht, dient dem Zweck, Beamtenkräfte bei der Niederschriftsführung zu ersparen. Bei der Regelung der Einzelheiten ver­ weist der Absatz 3 weitgehend aus die Vorschriften für die Niederschrift über die Hauptverhandlung (§ 95 Abs. 1, 3, 4, § 96). Eine Abweichung von diesen V or­ schriften sieht der Abs. 2 vor. Während die Nieder­ schrift über die Hauptverhandlung nach § 95 Abs. 3 nur dann verlesen wird, wenn der Vorsitzer anordnet, daß die Einzelheiten eines Vorgangs oder der W ort­ laut einer Aussage oder sonstigen Äußerung festgestellt werden, ist außerhalb der Hauptverhandlung die Niederschrift über Aussagen dem Vernommenen stets vorzulesen oder vorzulegen. Der Vernommene soll sich darüber äußern, ob er die Niederschrift genehmigt, und die genehmigte Niederschrift sodann unter­ schreiben. Die Gründe der Nichtgenehmigung oder Unterschriftsverweigerung sind in der Niederschrift anzugeben. Ergänzende Bestimmungen über den In h a lt der Niederschrift enthalten die §§ 178, 197, 199 für die Vernehmung von Zeugen, für den Augen­ schein und für die Leichenöffnung. § 285 Kur z s c hr i f t Die Vorschrift ermöglicht es dem Schriftführer, Aussagen und andere Vorgänge, über die eine Nieder­ schrift aufzunehmen ist, in einer gebräuchlichen Kurz­ schrift festzuhalten.' Die Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Niederschrift über die Hauptverhand­ lung (§ 95) als auch auf die über richterliche Unter­ suchungshandlungen außerhalb der Hauptverhandluug ('§ 284). Eine Pflicht, die Kurzschriftanlage zu verlesen, besieht nur in den Fällen, in denen die Niederschrift ohnehin verlesen werden muß. § 286 Schallaufnahmen Die Vorschrift eröffnet den Weg für die Ver­ wertung neuer technischer Verfahren, die eine mög­ lichst getreue Wiedergabe von Aussagen und Ver­ handlungen im Strafverfahren ermöglichen. I h r Anwendungsbereich ist derselbe wie bei § 285. Sie läßt zu, daß Aussagen und andere Vorgänge auch durch Schallaufnahmen und andere zur Wiedergabe geeignete M ittel festgehalten werden können. Zwar stand schon bisher nichts im Wege, Aussagen z. B.

durch Schallplatten aufzunehmen. Es ist jedoch erwünscht, die Verwertung solcher Schallaufnahmen im Strafverfahren näher zu regeln und klarzustellen, in welchem Umfang sie an die Stelle der Niederschrift treten und die Beweiskraft der Niederschrift (§ 97) sich auf sie erstreckt. Der Abs. 2 gibt für solche Vor­ schriften die erforderliche Ermächtigung. § 287 Zustellungen Der Entwurf versagt es sich, das Zustellungsver­ fahren im einzelnen selbständig zu regeln. Hierfür ist maßgebend, daß aus dem Nebeneinander zweier Zu­ stellungsordnungen für die mit der Ausführung von Zustellungen betrauten Organe Schwierigkeiten ent­ stehen könnten. Wie das bisherige Recht (§37 StP O .), beschränkt er sich darauf, die Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung (§§ 166 bis 213 Z PO .) für ent­ sprechend anwendbar zu erklären. Lediglich die Zu­ stellung an den S taatsanw alt sowie die Voraussetzun­ gen und die Durchführung der öffentlichen Zustellung regeln die §§ 287 Abs. 2, 288, 289 selbständig. Der Abs. 2 läßt es abweichend von § 41 S tP O , zu, daß ein Schriftstück dem Staatsanw alt nicht nur durch Vorlage der Urschrift, sondern auch durch Vorlage einer Ausfertigung zugestellt werden kann. D as dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Ver­ fahrens. § 288 Öf f ent l i che Zu s t e l l u n g Besondere Vorschriften über die öffentliche Zu­ stellung enthält die bisherige Strafprozeßordnung nur, soweit ein Schriftstück dem Beschuldigten zuzu­ stellen ist (§§ 40, 232, 279, 280, 438). Soweit andere beim Verfahren beteiligte Personen in Frage kom­ men, gelten nach § 37 S tP O , die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 203 bis 206). Diese Vor­ schriften sind für die Fälle, in denen das Schriftstück eine Ladung enthält, umständlich (§§ 204 Abs. 2, 206 Abs. 1 Z PO .) und für das Strafverfahren wenig angemessen. Aber auch die Vorschriften der S tP O , über die öffentliche Zustellung an den Be­ schuldigten sind lückenhaft und unbefriedigend. Der Entwurf regelt daher die öffentliche Zustellung an alle bei dem Verfahren beteiligten Personen einheit­ lich so, wie es den Bedürfnissen des Strafverfahrens entspricht. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die öffentliche Zustellung gelten daher im Bereich des Strafverfahrens nicht. Die öffentliche Zustellung an einen Beteiligten ist zulässig, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder wenn die Zustellung im Ausland vorgenommen wer­ den müßte und die Befolgung der hierfür bestehenden Vorschriften unmöglich oder nicht erfolgversprechend wäre (Abs. 1). An alle Zustellungsempfänger — einer­ lei, ob es sich um Beteiligte oder sonstige Personen, etwa Zeugen, handelt — ist die öffentliche Zustellung dann zulässig, wenn sie tut In lan d vorgenommen werden soll und der Zustellungsempfänger der deut­ schen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen ist (vgl. hierzu §§ 104, 105 GVG.) oder wenn zwar einer der deut­ schen Gerichtsbarkeit unterworfenen Person zugestellt

werden soll, die Zustellung jedoch in der Wohnung, dem Geschäftshaus oder tn anderen Räumen einer nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfenen Person vorgenommen werden müßte (Abs. 2). F ü r die Fälle des Abs. 2 ist sichergestellt, daß die öffentliche Zustellung nur dann erfolgt, wenn andere Möglich­ keiten nicht zum Erfolg führen. Wird die nach den Grundsätzen des internationalen Rechts erforderliche Zustimmung zur Zustellung erteilt, so ist kein Raum für eine öffentliche Zustellung. Wird sie versagt, so muß die Vermittlung des Auswärtigen Amts ergeb­ nislos geblieben sein. F ü r die Bewilligung der öffentlichen Zustellung im gerichtlichen Verfahren ist der Richter zuständig, der mit der Sache befaßt ist, im Hauptverfahren also der Vorsitzer. § 289 A u s f ü h r u n g der öffentlichen Zustellung Der Entwurf regelt die Ausfühnmg der öffent­ lichen Zustellung verschieden, je nachdem ob es sich um Ladungen oder um andere Schriftstücke handelt. Eine Ladung ist ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren Blättern bekanntzugeben. Außerdem ist eine beglaubigte Abschrift der Ladung an der Ge­ richtstafel für zwei Wochen anzuheften. Die Ladung gilt als bewirkt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem das letzte B latt erschienen und die Ladung an der G erichtstag angeheftet worden ist. F ür die öffentliche Ladung des Flüchtigen zur Hauptver­ handlung gelten die Sondervorschriften des § 402. Die öffentliche Zustellung eines anderen Schriftstücks besteht daritt, daß eine beglaubigte Abschrift ganz oder auszugsweise an die Gerichtstafel angeheftet wird. Außerdem kann es ganz oder auszugsweise in einem oder mehreren öffentlichen B lättern bekannt­ gegeben werden. Ein solches Schriftstück gilt als zuge­ stellt, wenn zwei Wochen verstrichen sind, seitdem die Abschrift an die Gerichtstafel angeheftet worden ist. Die Form der öffentlichen Zustellung hängt also wie im Zivilprozeß vom In h a lt des Schriftstücks ab. Die Fristen, nach deren Ablauf die Zustellung als bewirkt gilt, können bei der Anordnung der öffentlichen Zu­ stellung oder nachträglich durch den Richter verlän­ gert werden. § 290 Vor s chr i f t en für den S t a a t s a n w a l t Die §§ 278 bis 289 gelten unmittelbar nur im richterlichen Verfahren. § 290 erklärt sie jedoch auf Verfügungen und Untersuchungshandlungen des S taatsanw alts für entsprechend anwendbar, soweit sie für das Verfahren des S taatsanw alts Bedeutung haben. Nicht angeführt ist die Vorschrift über die An­ hörung des Verteidigers und der Beteiligten (§ 278). Die Anhörung des Beschuldigten und des Verteidi­ gers im Vorverfahren ist durch die §§ 12, 13 sicher­ gestellt. Im übrigen steht die Anhörung der Beteilig­ ten im Ermessen des Staatsanw alts. Aus der entsprechenden Anwendbarkeit des § 279 ergibt sich, daß auch der S taatsanw alt Versicherun­ gen an Eides S ta tt entgegennehmen und verlangen

kann. D aß der Einstellungsbescheid des S ta a ts a n ­ w alts und der von ihm erlassene Haftbefehl zu be­ gründen sind, ergibt sich aus § 31, § 203. F ü r andere Verfügungen des S ta a tsa n w a lts richtet sich die B e­ gründungspflicht nach § 280. S ie ist also auf solche Verfügungen beschränkt, die an Bedeutung den rich­ terlichen Beschlüssen entsprechen. Auch die §§ 281 bis 286 gelten für Verfügungen des S ta a ts a n w a lts ent­ sprechend. Uber Untersuchungshandlungen des S ta a ts ­ anw alts im V orverfahren kann eine Niederschrift nach § 284 aufgenommen werden. Jedoch genügt nach § 290 Abs. 2 die Aufnahme eines Vermerks, da die F ertigung von Niederschriften über sämtliche Un­ tersuchungshandlungen des S ta a tsa n w a lts im V or­ verfahren weder durchführbar noch zweckmäßig wäre. Die Anfertigung von Niederschriften wird daher aus wichtigere Untersuchungshandlungen des S ta a ts ­ anw alts zu beschränken sein. Endlich sind noch die Vorschriften über die Zustellung (§§ 287 bis 289) für entsprechend anw endbar erklärt. I s t im V orver­ fahren eine öffentliche Zustellung erforderlich und mit der Sache kein Richter befaßt, so w ird die öffentliche Zustellung von dem S ta a tsa n w a lt angeordnet, der das V orverfahren führt. V ierter Abschnitt Fristen

§ 291 B e r e c h n u n g der Fristen D er E ntw urf ersetzt die bisher in den §§ 42, 43 Abs. 1 S tP O , enthaltenen Vorschriften über die B e­ rechnung von Fristen durch eine Verweisung auf die entsprechenden Bestimmungen des B G B . (§§ 187 bis 193 B G B .). Die bisher im § 43 Abs. 2 S tP O , ent­ haltene Vorschrift, nach der die Frist, wenn der letzte T ag auf einen S o n n ta g oder allgemeinen F eiertag fällt, mit Ablauf des nächsten W erktags endigt, ist dagegen beibehalten. D enn das Bürgerliche Gesetz­ buch gibt im § 193 eine entsprechende Vorschrift nur für die Fälle, in denen es sich um eine W illenserklä­ rung oder Leistung handelt. D er Abs. 2 des § 271 bezieht sich aber nur auf Fristen, die nach T agen oder längeren Zeiträum en bemessen sind, nicht auf S tu n densristen, wie sie in den §§ 32, 42, 388 Abs. 2 vor­ gesehen sind. W as unter allgemeinem Feiertag zu verstehen ist, sagen das Gesetz über die Feiertage vom 27. F eb ru ar 1934 (R G B l. I S . 129) und die zuge­ hörigen Durchführungsverordnungen. Bei denjenigen Feiertagen, die nicht im ganzen Reich als solche an ­ erkannt sind (z. B . R eform ations- und Fronleich­ namsfest), wird davon auszugehen sein, daß sich die F rist nicht nur dann verlängert, wenn der letzte T ag der F rist am G erichtsort ein allgemeiner Feiertag ist, sondern auch dann, wenn er das nur am O rt der vorzunehmenden H andlung ist. § 292 U n v e r s c h u l d e t e Frist Ve r s ä u m n i s D as bisherige Recht (§§ 44 bis 47 S tP O .) kennt bei der Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung

in den vorigen S tan d . Auch gegen die Versäumung einer H auptverhandlung ist in gewissen Fällen (§§ 235, 329 Abs. 2, 391) die Wiedereinsetzung in den vorigen S ta n d zugelassen. D er Entw urf behält beide Einrichtungen bei, vermeidet aber die an freundes Recht anknüpfende, schwerfällige und wenig einprägsame Bezeichnung des bisherigen Rechts, die im Volk nie verstanden worden ist. Er nennt den gegen die Versäumung einer Frist gege­ benen Rechtsbehelf die „Nachholung einer versäumten H andlung". Bei der Versäumung einer Hauptver­ handlung gewährt er einen eigenen Rechtsbehelf, der in den §§ 58, 328, 345, 351 bis 353 selbständig geregelt ist, nämlich den A ntrag aus W iederholung einer versäumten H auptverhandlung. 9Iu dieser S telle ist nur die Nachholung fristgebundener V er­ fahrenshandlungen zu besprechen. Nach bisherigem Recht kann gegen die V er­ säumung einer Frist Wiedereinsetzung nur verlangt werden, wenn der Antragsteller durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist verhindert worden ist. Die Vorschrift hat nicht nur zu ungerechtfertigten H ärten geführt, son­ dern auch der Rechtsprechung erhebliche Schwierig­ keiten bereitet, weil der Begriff des unabwendbaren Z ufalls unklar ist. Infolgedessen ist die Recht­ sprechung der Gerichte zu einer Auslegung über­ gegangen, die dem W ortlaut des Gesetzes kaum noch entspricht. S ie nähert sich dem Standpunkt, daß Wiedereinsetzung stattfindet, wenn nur die Frist ohne Verschulden des Angeklagten versäumt ist. I n der T a t entspricht es weder der Bedeutung und dem Zweck des S trafverfahrens noch dem gesunden Volksempsinden, einem Beteiligten, der etwa eine Rechts­ m ittelfrist versäumt, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, im Strafverfahren die Rechtsmittelbefugnis aus form alen G ründen abzuschneiden. D er Entw urf sieht daher vor, daß bei Fristversäum nis die ver­ säumte Handlung nachgeholt werden kann, wenn die F rist ohne eigenes Verschulden versäumt worden ist. Eine S äu m n is des Verteidigers, gleichviel, ob er bestellt oder gewählt ist, soll die Nachholung der ver­ säumten Handlung nicht ausschließen, falls nicht den Beteiligten selbst ein Verschulden trifft. D er entgegen­ gesetzte Standpunkt würde zu einer das Rechts­ empfinden verletzenden Unbilligkeit führen, da in einem Verfahren, in dem über Leben und Ehre, Freiheit und Vermögen des Beschuldigten entschieden w ird, das Verschulden des als O rgan der S trafrechts­ pflege wirkenden V erteidigers dem Beschuldigten selbst nicht zur Last gelegt werden darf. D aß die Bestimmungen der §§ 292 ff. nicht mehr n u r für Handlungen gelten, die den Gerichten gegen­ über, sondern ebenso für solche, die dem S ta a ts ­ anw alt gegenüber vorzunehmen sind, hängt m it der veränderten Stellung des S ta a tsa n w a lts tut V o r­ verfahren zusammen. D ie Nachholung einer ver­ säumten H andlung ist ein Rechtsbehels besonderer A rt, für den nach dem Abs. 3 die allgemeinen V or­ schriften über Rechtsbehelfe (§§ 299 bis 303) ent­ sprechend gelten. Die versäumte H andlung muß innerhalb der Frist von einer Woche, beginnend mit dem Wegfall des G rundes der S äu m n is, nachgeholt werden. In n erh alb derselben Frist ist auch der An-

trag zu stellen, die Handlung als fristgemäß vor­ genommen zu behandeln. M it dem Antrag ist die Angabe des Säumnisgrundes und dessen Glaubhaft­ machung (vgl. § 279) zu verbinden. § 293 En t s c h e i d u ng ü b e r den A n t r a g Die Vorschrift, die dem § 46 S tP O , entspricht, regelt die Zuständigkeit für die Entscheidung, wenn eine versäumte Handlung nach § 292 nachgeholt wird. Über den Antrag entscheidet dasjenige Gericht oder derjenige Richter, der bei Wahrung der Frist zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. Bei Versäumung von Rechtsmittelfristen ist das nicht das untere Gericht, sondern das Rechts­ mittelgericht. Is t für die Entscheidung in der Sache selbst nicht das Gericht, sondern der Vorsitzer zu­ ständig, so steht auch die Entscheidung über den Antrag dem Vorsitzer zu. Ist die Frist für die Ein­ legung der befristeten Beschwerde gegenüber Ver­ fügungen des S taatsanw alts versäumt worden, sohat über den Antrag der Vorgesetzte des S ta a ts­ anwalts zu entscheiden, der nach § 314 für die Ent­ scheidung über die Beschwerde zuständig ist. Der beut Antrag stattgebende Beschluß ist unanfechtbar. Es wird dadurch sofort eine feste Grundlage für das weitere Verfahren geschaffen. Der Beschluß, der den Antrag als unzulässig oder als unbegründet verwirft, kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. § 294 Wi r k u n g des A n t r a g s Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung. Der rechtskräftig Verurteilte könnte anderenfalls durch verspätete Einbringung eines Rechtsmittels, ver­ bunden mit dem Antrag, die Nachholung des ver­ säumten Rechtsmittels zuzulassen, den sofortigen Strafvollzug verhindern. Jedoch können der Vor­ sitzer des Gerichts und der Richter, bei denen der Antrag gestellt wird oder die über den Antrag zu entscheiden haben, die Anordnung treffen, daß das Verfahren oder die Vollstreckung auszusetzen ist. Daß auch der S taatsanw alt das Verfahren aussetzen kann, falls die versäumte Handlung bei ihm nach­ zuholen ist oder falls er zur Entscheidung in der Sache selbst berufen ist, bedarf keiner besonderen Regelung. Wie der Beschluß, der dem Antrag stattgibt, aus eine nach der Fristversäumung ergangene Entscheidung einwirkt, ist nicht ausdrücklich geregelt. Es wird bciöon auszugehen sein, daß mit diesem Beschluß die betreffende Entscheidung (z. B. der Beschluß, der die Urteilsrüge wegen Versäumung der Begründungs­ frist verwirft) hinfällig wird.

Fünfter Abschnitt

mungen in denjenigen Abschnitten oder Vorschriften, in denen der Begriff in der Hauptsache verwendet wird. S o bestimmen die §§ 28 Abs. 4, 323 Abs. 2, 337 Abs. 3, in welchem Zeitpunkt das Verfahren bei einem Gericht anhängig wird. Der § 28 Abs. 2 Nr. 2 ergibt, was unter „Anklagesatz", der § 219, was unter „Beweisstücken" und „Einziehungsstücken" zu verstehen ist. Der Begriff des „Flüchtigen" wird im § 401, der Begriff des „Sicherungsverfahrens" im § 411, der Begriff des „Einziehungsbeteiligten" im § 415 und der Begriff der „Kosten" und „notwen­ digen Auslagen" im § 453 festgelegt. Einige andere Begriffe, die an zahlreichen Stellen des Entwurfs wiederkehren, erläutern die §§ 295 bis 298, um zu vermeiden, daß die Bedeutung dieser Bezeichnungen an jeder Stelle, wo sie verwendet werden, klargestellt werden muß. Der Entwurf beschränkt seine Begriffs­ bestimmungen auf das unbedingt gebotene Maß. Er betrachtet es insbesondere nicht als seine Ausgabe, Begriffe zu erläutern, die durch die bisherige Recht­ sprechung bereits hinreichend geklärt sind oder deren Bedeiltung sich aus dem Zusammenhallg der gesetz­ lichen Vorschriften ohne weiteres ergibt. Im ein­ zelnen ist folgendes zu bemerken: § 295 A m t s t r ä g e r des S t a a t e s u n d der P a r t e i Entsprechend den Bestimmungen des § 87 StG B , unterscheidet auch der Entwurf zwischen Amtsträgern des S taates und solchen der Partei. E r übernimmt die Begriffsbestimmungen des S tG B . Wegen der Einzelheiten kann auf die Begründung zu § 87 des Strafgesetzbuchs Bezug genommen werden. Der Entwurf verwendet in einer Reihe von Bestim­ mungen den Begriff „Dienststelle des Staates". D arunter ist, ebenso wie im Bereich des Strafgesetz­ buchs (vgl. Begründung zu § 87 S tG B .), ein Organ der Staatsgew alt zu verstehen, das — unabhängig von dem Vorhandensein oder dem Wechsel der Amts­ träger und sonstiger Personen, die es verkörpern — berufen ist, bei der Verwirklichung der Zwecke des Staates mitzuwirken. Wie bei den Amtsträgern des Staates, so gehören auch zu den Dienststellen des S taates die Dienststellen der Gemeillden und sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften, die in irgend­ einer Form in den Ausbail der Staatsverwaltung eingefügt sind und zur Verwirklichung der Zwecke und Aufgaben des Staates mitzuwirken haben. Zu den Dienststellen des Staates gehören insbesondere auch die Dienststellen der Wehrmacht, gleichviel, ob sie mit Verwaltungsausgaben betraut sind oder ob es sich um Kommandostellen handelt. Die Dienststellen der N S D A P ., ihrer Gliede­ rungen und der ihr angeschlossenen Verbände sind keine Dienststellen des Staates. Sie sind in einzelnen Vorschriften neben den Dienststellen des Staates jeweils besonders allgesührt.

Sprachgebrauch

§ 296

Der Entwurf verwendet an verschiedenen Stellen Begriffe, deren Bedeutung zur Vermeidung von Zweifeln gesetzlich klargestellt werden muß. I m all­ gemeinen bringt der Entwurf diese Begrisssbestim-

We h r ma c h t , P a r t e i Der Begriff der „Wehrmacht" umfaßt gewisse wehrmachtähnliche Verbände, die auch im Strafgesetz­ buch (§ 86 Abs. 1) der Wehrmacht gleichgestellt sind.

D ie Bestim m ung des Abs. 2, daß unter „P a rte i" auch die G liederungen der N S D A P , und das Nationalsozialistische'Fliegerkorps zu verstehen sind, entspricht sachlich dem § 86 Abs. 2 S tG B . § 297 Angehörige D er E ntw urf verwendet den Begriff der „A n­ gehörigen" in demselben S in n wie § 85 S tG B . Wegen der Enrzelheiten kann auf die Begründung zum § 85 S tG B . Bezug genommen werden. Wo ein engerer Begriff der Angehörigen verwendet wird, werden die in Betracht kommenden V erw andten­ gruppen einzeln aufgezählt, so in den §§ 268, 366, 437. § 298 Angeklagte, Verdächtige, Beteiligte, sichernde M a ß r e g e l n , S o r g e b e r e c h ­ tigte D er E ntw urf beseitigt die Unterscheidung von Angeschuldigten und Angeklagten, die in § 157 S tP O , erläutert ist und in zahlreichen Bestimmungen des bisherigen Rechts durchgeführt wird. Entsprechend der Zw eiteilung des S trafv erfah ren s in V orverfahren und H auptverfahren kennt der Entw urf n u r B e­ schuldigte und Angeklagte. Angeklagter ist nach dem Sprachgebrauch des E ntw urfs derjenige Beschuldigte, gegen den die Anklage erhoben ist. Dabei ist hervor­ zuheben, daß nach dem E ntw urf der A ntrag auf richterliche Voruntersuchung nicht mehr die W ir­ kungen der Anklageerhebung hat. I n den Vorschriften über das Sicherungsverfahren, in dem keine Anklage erhoben, sondern ein A ntrag auf selbständige A n­ ordnung einer sichernden M aßregel gestellt wird, ver­ meidet der E ntw urf den Ausdruck „Angeklagter". E r bezeichnet denjenigen, gegen den sich das Sicherungs­ verfahren richtet, a ls „Betroffenen" (§§ 413, 414). I m selbständigen Feststellungsverfahren verwendet der E ntw urf den Ausdruck „A ntragsgegner" (§ 495). I n einigen Bestimmungen spricht der E ntw urf nicht vom Beschuldigten, sondern vom Verdächtigen (§§ 217, 236, 238, 243, 244). D aru n ter sind P e r ­ sonen zu verstehen, die einer m it S tra fe bedrohten H andlung verdächtig sind, auch wenn sich das S tr a f ­ verfahren nicht gegen sie richtet. D ie „B eteiligten" werden im E ntw urf erw ähnt z. B . in den §§ 95, 96, 278, 288, 289, 313, 350, 362 und sehr häufig in den Kostenbestimmungen (vgl.

§§ 453 ff.). D er Entw urf verwendet den Begriff als Sammelbezeichnung für alle diejenigen Personen, die von einer Entscheidung betroffen werden. Als B ei­ spiele werden der Beschuldigte und der Einziehungs­ beteiligte angeführt. E s kommen w eiterhin in Betracht der Verletzte, wenn er an einem V erfahren wegen Ehrenkrüukuug teilnim m t oder wenn er Ansprüche des bürgerlichen Rechts geltend macht. Beteiligte sind auch der Ehem ann einer anfechtungsberechtigten F ra u und der gesetzliche V ertreter des Beschuldigten oder eines sonstigen Anfechtungsberechtigten, wenn sie von einem Rechtsbehelf selbständig Gebrauch machen oder sonst ein ihnen zustehendes Recht ausüben. Auch Zeugen und Sachverständige können Beteiligte sein, wenn es sich etwa um die Verhängung von O rdnungs­ strafen gegen sie handelt, ebenso Personen, die von der Beschlagnahme von B ew eism itteln, Einziehungs­ stücken, von Durchsuchungen und Untersuchungen u n ­ m ittelbar berührt werden. Nicht zu den Beteiligten dagegen gehört der S taatsan w alt. E r nimmt kraft seiner amtlichen Stellung am V erfahren teil und w ird von den im Verfahren ergehenden Entschei­ dungen nicht „betroffen". Auch der Verteidiger und die V ertreter von Beteiligten sind nicht Beteiligte im S in n e des Entw urfs. Wo die im § 61 S tG B , genannten M aßregeln der Sicherung, Besserung und Heilung gemeint sind, gebraucht der Entw urf beit Altsdruck „sichernde M aß­ regeln", da die W iederholung der vollständigen B e­ zeichnung au zahlreichell Stellell die Flüssigkeit der Ausdrucksweise beeinträchtigen würde. I n zahlreichell Vorschriften des E ntw urfs werden demjenigen, der das Recht hat, für die Person des Beschuldigten oder eilles Beteiligtell zu sorgen, verfahreusrechlliche Besugllisse eingeräumt (§§ 136, 153, 267, 301, 413, 4 3 7 ).'Is t nun die M utter neben dem V ater sorgeberechtigt, so muß ein Zwiespalt bei der Ausübullg verfahrensrechtlicher Befugnisse vermieden merben. T e r Entw urf bestimmt daher, daß in solchen Fällell die Meiiliillg des V aters der M einung der M utter vorgeht. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, daß der V ater eine eigene M einung äußert; ist er nicht anwesend oder bleibt er völlig untätig, so wird dadurch die Ausübullg der versahreusrechtlichen Befugnisse durch die M utter nicht gehindert. I n beit Fällen, in denen M itteilungs­ pflichten vorgesehen sind (§§ 49 Abs. 1, 394 Abs. 3), erfolgt die M itteilung nur an den V ater, nicht an die daneben sorgeberechtigte M utter; dadurch soll eine — in aller Regel entbehrliche — Häufung von M it­ teilungen vermieden werden.

Drittes Buch

Rechlsbehelfe Einleitung B ei der Unzulänglichkeit des menschlichen E r­ kenntnis- und U rteilsverm ögens ist es unvermeidlich, daß Entscheidungen vorkommen, die Fehler und M än ­ gel ausweisen, sei es in der Tatsachenfeststellung, sei es in der rechtlichen W ertung oder der Handhabung des freien Ermessens. D erartige Fehler können auch durch die beste Richterausw ahl, das beste Verfahrensrecht und die sorgfältigste V orbereitung und Durchführung des S trafv erfah ren s nicht ausgeschlossen werden. I m Hinblick auf diese durch die E rfahrung immer wieder bestätigte E rkenntnis ist es ein Gebot der Gerechtig­ keit, Einrichtungen und Wege zur Verfügung zu stellen, die im R ahm en des praktisch Möglichen den Ausgleich solcher M ängel ermöglichen. Rechtsmittel bilden seit jeher einen festen Bestandteil des deutschen Gerichtswesens. D ie gelegentlich empfohlene Ab­ schaffung der Rechtsm ittel würde daher in weiten Kreisen nicht verstanden werden. Auch ttont n ational­ sozialistischen S ta a t ist der Rechtsmittelgedanke von Anfang an anerkannt worden. I n zahlreichen, seit dem Umbruch erlassenen staatlichen Verfahrensgesetzen sind Rechtsmittel weitgehend zugelassen, und in der Gerichtsbarkeit der P a rte i, ihrer Gliederungen und angeschlossenen V erbände und in den ständischen Ehrengerichtsordnungen wird auf sie nicht verzichtet. D ie organisatorischen M ittel zur Beseitigung etwaigen Unrechts müssen grundsätzlich im Rahmen der G erichtsorganisation zur Verfügung gestellt wer­ den. E s w äre verfehlt, sie außerhalb der S tr a f ­ gerichtsorganisation zu suchen, soweit es sich nicht um das Niederschlagungs- und Gnadenrecht des S taatso b erh au p ts handelt. D enn die Justiz muß rundsätzlich in der Lage sein, die Gerechtigkeit als öchstes Ziel der Strafrechtspflege selbst zu verwirk­ lichen und Fehler, die sich bei ihrer Arbeit heraus­ gestellt haben, selbst wiedergutzumachen. D ie wichtigsten M ittel und Wege zur Beseitigung von Fehlern werden im D ritten Buch unter der Bezeichnung „Rechtsbehelfe" zusammengefaßt. S ie ermöglichen die Nachprüfung und Änderung von E n t­ scheidungen des Richters und des S ta a tsa n w a lts. Die bedeutsamsten Rechtsbehelfe sind die im Zweiten Hauptstück zusammengefaßten „Rechtsmittel". I h r gemeinsames Kennzeichen besteht darin, daß sie die Nachprüfung der Entscheidung durch eine über­ geordnete S telle ermöglichen. D ie Rechtsmittel gliedern sich in die Beschwerde, die sich gegen B e­ schlüsse und Verfügungen des Richters und V er­ fügungen des S ta a tsa n w a lts wendet (Erster Ab­

schnitt), und in die Berufung und U rteilsrüge, die sich gegen Urteile richten (Zweiter Abschnitt). Es folgen die M ittel zur W ahrung der Rechtseinheit (D ritter Abschnitt). Die im D ritten Hauptstück geregelten „Anderen Rechtsbehelfe" umfassen die W iederholung einer versäumten H auptverhandlung (Erster Abschnitt), die W iederaufnahme des V er­ fahrens (Zweiter Abschnitt) sowie die Nichtigkeits­ beschwerde und den außerordentlichen Einspruch gegen Urteile (D ritter Abschnitt). Neben den Rechtsbehelfen des D ritten Buches kennt der Entw urf noch andere Behelfe, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit den zugehörigen Rechtseinrichtungen an anderer Stelle geregelt sind. D ahin gehören vor allem der A ntrag auf richterliche Entscheidung gegen M aßnahm en des S ta a tsa n w a lts (§§ 187, 215, 250,409), der A ntrag auf Entscheidung durch den Richter oder S ta a tsa n w a lt bei Anwendung von Zw angsm itteln durch die Polizei (§ 251 Abs. 3), die Nachholung einer versäumten H andlung bei u n ­ verschuldeter Fristversäum nis (§ 292), der Einspruch gegen den Strafbefehl (§ 395), der A ntrag auf W iederholung der Hauptverhandlung im V erfahren gegen Flüchtige (§ 407) und der A ntrag auf richter­ liche Entscheidung gegen gewisse Kostenentscheidungen (§§ 467 Abs. 4, 469). Inw iew eit bei diesen Behelfen die Vorschriften über die Rechtsbehelse anw endbar sind, ist im Entw urf nicht überall ausdrücklich geregelt. D arau s folgt jedoch nicht, daß dort die Anwendung der Vorschriften über die Rechtsbehelfe unzulässig wäre. Vielmehr wird es Aufgabe der Rechtsprechung sein, im einzelnen zu prüfen, ob und inwieweit eine entsprechende Anwendung mit der besonderen Eigen­ a rt der in Betracht kommenden Behelfe vereinbar ist.

Erstes Hauptstück Allgemeine Vorschriften I m Ersten Hauptstück sind die für alle Rechts­ behelfe des D ritten Buches geltenden Vorschriften zusammengefaßt. S ie regeln die allgemeine Anfechtungsbesugnis des S ta a tsa n w a lts und des B e­ schuldigten, des Verteidigers, des gesetzlichen V er­ treters, des Sorgeberechtigten liitb des Ehem anns, ferner die allgemeine F orm und W irkung von Rechts­ behelfen sowie die Voraussetzungen und die F orm und W irkung des Verzichts und der Rücknahme. D er in der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, daß die Einlegung eines Rechtsbehelfs durch einen anderen

als den S ta a tsa n w a lt eine Beschwer voraussetzt, wird gesetzlich anerkannt (§§ 299). D as durch das Gesetz vom 28. J u n i 1935 (R G B l. I S . 844) für die Berufung, Revision und W iederausnahme des V er­ fahrens beseitigte Verbot der Schlechterstellung wird für sämtliche Rechtsbehelfe durch den Grundsatz (§ 304) abgelöst, daß die angefochtene Entscheidung sowohl zugunsten als auch zuungunsten des B e­ troffenen geändert oder aufgehoben werden kann. Die Forderung, daß das Rechtsmittelgericht bei der gerechten B eurteilung einer T a t frei sein muß, gilt nicht nur für Rechtsmittel im engeren S in n e sondern allgemein für alle Rechtsbehelfe. § 299 Ansechtungsberechtigte § 299 bezeichnet die anfechtungsberechtigten P e r­ sonen und regelt die F rage, w ann der Anfechtungs­ berechtigte von seiner B efugnis im Einzelfall Gebrauch machen kann. D ie Vorschrift bezieht sich gleichermaßen auf die Anfechtung von Entscheidungen des Richters und auf solche des S ta a tsa n w a lts, auf die Rechts­ m ittel ebenso wie aus die sonstigen im D rittel: Buch vorgesehenen Rechtsbehelfe. Hinsichtlich der außerhalb des D ritten Buchs geregelten Rechtsbehelse w ird auf die Einleitullg zum D ritten Buch verwiesen. Säm tliche Rechtsbehelfe stehen zunächst dem B e­ schuldigten zu. E r kann von ihnen aber nur dann Gebrauch machen, weiln er „beschwert" ist, das heißt, rnctni er ein berechtigtes Allliegen all der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Entscheidung hat. J e nach den: In h a lt der Entscheidung sind die Belange des Beschuldigten, die durch die Entscheidung berührt werden, verschieden. Z u der Frage, w orin im ein­ zelnen die Beschwer liegen kann, hat der Entw urf nur in § 316 S tellung genommen, indem er dort auch die Beschwer durch die U rteilsgründe anerkennt. Die Rechtsbehelfe stehen ferner dem S ta a tsa n w a lt zu. F ü r seine Rechtsbehelfe wird eine Beschwer nicht gefordert. D er S ta a ts a n w a lt hat die allgemeine Amtspflicht, der Gerechtigkeit zunl Siege zu verhelfen. E r hat dafür zu sorgen, daß jede T a t angemessen gesühnt und der Unschuldige vom falschen Verdacht gereinigt wird. S eine Anfechtungsbesugnis ist des­ halb unabhängig davoll, ob die Entscheidung feinen Anträgen entspricht oder nicht, ob sie zugunsten oder zuungunsten des Beschuldigten ausgefallen ist; er ist stets beschwert, wenn er die Entscheidung für un­ gerecht hält. Andere:: als dem S ta a tsa n w a lt und dem B e­ schuldigten stehen Rechtsbehelfe n u r zu, soweit es im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist. Entsprechend der für den Beschuldigten getroffenen Regelung wird auch für sie eine Beschwer vorausgesetzt. D a s A n­ fechtungsrecht ist in den §§ 416 Abs. 1, 417 dem E in ­ ziehungsbeteiligten, in den §§ 427 Abs. 1, 431 dem Verletzten gewährt, der im Ehrenkränkungsverfahren einen Feststellungsantrag stellt. Z u r Beschwerde sind nach den §§ 305 Abs. 2, 314 auch Zeugen, Sachver­ ständige und andere befugt, die von einem Beschluß oder einer Verfügung des Richters oder des S ta a ts ­ anw alts betroffen werden. Die Befugnis D ritter,

Rechtsbehelfe im Interesse der Beschuldigten zll ge­ brauchen, regeln die §§ 300 und 301. § 300 Be r e c h t i g u n g des V e r t e i d i g e r s D er Entw urf cntbmbet aus Zweckmäßigkeitsgrüllden den Verteidiger von dem Nachweis, daß er zum Gebrauch eines Rechtsbehelss ermächtigt ist. D er Verteidiger hat also die Vermutullg für sich, daß er dem W illen des Beschuldigten entsprechend handelt. Diese Vermlituilg greift Platz, solange der B e­ schuldigte ihr llicht durch eine ausdrückliche Erklärung entgegentritt. Die Berechtigung zum Gebrauch von Rechts­ behelfen setzt natürlich eine wirksame Wahl oder Bestellung zum Verteidiger voraus, mib zwar muß die W ahl oder Bestellung schon in dem Zeitpunkt wirksam erfolgt sein, in den: der Rechtsbehelf ein* gelegt wird. Die nachträgliche Genehmigung durch den Beschuldigten genügt nicht. F ü r den Nachweis der Befugnis gilt § 1 4 7 . § 301 R e c h t s b e h e l f e de s gesetzlichen Vertreters Neben dein gesetzlichen V ertreter gibt § 301 auch dem, der für die Person des geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigell Änfechtungsberechtigten die Sorge trügt, das Anfechtungsrecht. F ü r den F all, daß die M utter neben dem V ater sorgeberechtigt ist, gilt § 298 Abs. 2. D as selbständige Anfechtungsrecht des Ehem anns einer änfechtungsberechtigten F ra u ist durch das Gesetz zur Änderullg von Vorschriften des S tr a f ­ verfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28. J u n i 1935 (R G B l. I S . 844) beseitigt worden. M aßgebend hierfür war, daß dieses Gesetz das Verbot der Schlechterstellung beseitigt hat und daher ein vom Ehem ann einer angeklagten F ra u unter Umständen gegen ihren W illen eingelegtes Rechtsmittel sie der G efahr einer härteren S trafe aussetzte. D a sich diese Bedenken nicht als durchschlagend erwiesen haben und durch die. Erstarkung des Sippengedankens der M an n als W ahrer der Fam ilienbelange stärker in den V ordergrund getreten ist, stellt der Entw urf den früheren Rechtszustand m it der Einschränkung wieder her, daß der Ehem ann das selbständige Anfechtungs­ recht lm r während der D auer der ehelichen Gemein­ schaft hat. Dem gesetzlichen V ertreter, dem Sorgeberechtigten und dem Ehem ann stehen die Rechtsbehelfe des A n­ fechtungsberechtigten „selbständig" zu. D as bedeutet, daß sie nicht als Bevollmächtigte, sondern kraft eigenen Rechts unabhängig vom W illen des Ansechtungsberechtigten handeln. S ie können Rechts­ behelse neben ihm und selbst gegen seinen Willen ein­ legen, zurücknehmen und darauf verzichten. Eine Abhängigkeit besteht insofern, als die F rist zur E in ­ legung des Rechtsbehelfs sich nach der für den an sich Anfechtungsberechtigten laufenden Ansechtungssrist richtet. Dagegen läuft die Frist zur Begründung des eingelegten Rechtsbehelfs wieder selbständig.

Absatz 3 bestimmt, daß für Rechtsbehelfe des gesetzlichen Vertreters, des Sorgeberechtigten und des Ehemanns die Vorschriften über Rechtsbehelfe des Beschuldigten entsprechend gelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. D as ist insbesondere von Bedeutung für die Form der Begründung einer Urteilsrüge (§ 335) und eines Antrags auf Wieder­ aufnahme des Verfahrens (§ 359 Abs. 3). § 302 Abgabe der E r k l ä r u n g e n Die Bestimmung saßt die im bisherigen Recht verstreuten Vorschriften über die Abgabe von E r­ klärungen über die Einlegung und Begründung von Rechtsbehelfen sowie über den Verzicht auf einen Rechtsbehelf und die Rücknahme eines Rechtsbehelss zusammen. Uber die Form dieser Erklärungen wird einheitlich bestimmt, daß sie, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, schriftlich eingereicht oder mündlichzur Niederschrift bei Gericht abgegeben werden. Absatz 2 regelt, bei welchem Gericht die E r­ klärungen über Rechtsbehelfe abzugeben sind, und übernimmt den Grundsatz des bisherigen Rechts, daß zur Entgegennahme der Erklärungen das Gericht zu­ ständig ist, das die Entscheidung erlassen hat. E r­ fahrungsgemäß kommt es aber immer wieder vor, daß ein Rechtsbehelf statt bei dem Untergericht un­ mittelbar bei dem Gericht angebracht wird, das über ihn zu entscheiden hat. Zur Vermeidung von Nach­ teilen für den rechtsunkundigen Volksgenossen be­ stimmt daher der Entwurf, daß es unschädlich ist, wenn die Erklärung bei dem Gericht angebracht wird, das über den Rechtsbehelf zu entscheiden hat. Absatz 3 bezieht sich aus alle Fälle, in denen ein Anfechtungsberechtigter auf behördliche Anordnung verwahrt wird. D a die Verwahrten sich häufig längere Zeit außerhalb des Sitzes der Anstalt in Sonder­ abteilungen, die in einem anderen Amtsgerichts­ bezirk liegen, befinden, ist künftig das für den Auf­ enthaltsort des Verwahrten zuständige Amtsgericht zur Entgegennahme der Erklärungen zuständig. Wird in einer Erklärung ein Rechtsbehelf unrichtig bezeichnet, so hat dies keine nachteilige Folge. E r­ klärungen über Rechtsbehelse sind stets so auszulegen, daß sie dem Ansechtungsberechtigten den besten Weg zu dem von ihm erstrebten Erfolg eröffnen. Gegebenenfalls wird es sich empfehlen, ihn über seine Erklärung zu befragen und ihn zu belehren. § 303 Ve r z i c ht u n d Z u r ü c k n a h me Der Entwurf erklärt den Verzicht aus einen Rechtsbehels und die Zurücknahme eines Rechtsbehelss für unwiderruflich, damit der Eintritt der Rechtskraft nicht im Ungewissen bleibt. D araus folgt, daß ein zurückgenommener Rechtsbehelf auch nicht während des Laufs der Einlegungsfrist von neuem eingelegt werden kann. Die in § 302 Abs. 1 Satz 1 S tP O , ent­ haltene Vorschrift, nach der die Zurücknahme und der Verzicht schon vor Ablauf der Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels erklärt werden kann, ist als ent­ behrlich beseitigt.

Der Angeklagte ist unter dem Eindruck der Haupt­ verhandlung mitunter leicht geneigt, voreilige E r­ klärungen über den Verzicht auf ein Rechtsmittel ab­ zugeben. Die Herbeiführung eines solchen voreiligen Verzichts entspricht nicht den Ausgaben der Rechts­ pflege. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß der An­ geklagte Erklärungen, die sich auf den Verzicht und die Zurücknahme auf ein Rechtsmittel gegen ein Urteil beziehen, frühestens am Tage nach der Urteilsver­ kündung abgeben kann, wobei es auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Angeklagte sich der Erklärung entäußert. Die Vorschrift gilt nur für den An­ geklagten, nicht aber für Erklärungen sonstiger Personen, die selbständig anfechtungsberechtigt sind (§ 301). Absatz 2 ergänzt für die Zurücknahmeerklärung den § 302 Abs. 2. Während die auf Rechtsbehelse bezüglichen Erklärungen in erster Linie bei dem unteren Gericht anzubringen sind, kann die Zurück­ nahme eines Rechtsbehelfs auch bei dem Gericht er­ klärt werden, das über ihn zu entscheiden hat. Absatz 3 verlangt für die Erklärung des Ver­ teidigers, daß er aus einen Rechtsbehelf verzichte oder einen Rechtsbehelf zurücknehme, eine ausdrückliche Ermächtigung in einer besonderen Urkunde. Damit soll verhindert werden, daß der Beschuldigte — bei der Vollmachterteilung — eine formularmäßige E r­ klärung unterschreibt, deren volle Tragweite er zu einer Zeit, in der der Ausgang des Verfahrens noch ungewiß ist, nicht übersehen kann. Der Entwurf geht zwar nicht so weil, daß er die Erteilung der E r­ mächtigung erst nach Erlaß der Entscheidung oder gar nach Einlegung des Rechtsbehelss für zulässig erklärt. Wohl aber würde der Verteidiger den Zweck der Vor­ schrift verkennen, wenn er von einer schon bei Über­ tragung der Verteidigung ansgestellten Ermächtigung zum Verzicht auf einen Rechtsbehelf oder zur Zurück­ nahme eines Rechtsbehelfs ohne weitere Rücksprache mit seinem Auftraggeber Gebrauch machen würde. F ü r den Nachweis der Ermächtigung gilt § 147 ent­ sprechend. Während bis zum Beginn der Hauptverhandlung die Zurücknahme des Rechtsmittels unbeschränkt zu­ lässig ist, kann ein Rechtsmittel nach Beginn der Hauptverhandlung nur noch unter doppelter Voraus­ setzung zurückgenommen werden: Die Zurücknahme ist in allen Fällen von der Zustimmung des V or­ sitzers abhängig. M it der Aufgabe des Gerichts, ein gerechtes Urteil zu fällen, wäre es unvereinbar, wenn die Entscheidung über das Rechtsmittel dem Gericht noch in der Hauptverhandlung ohne seine Billigung aus der Hand genommen werden könnte. Außerdem muß der Staatsanw alt der Zurücknahme eines Rechts­ mittels des Angeklagten und dieser der Zurücknahme eines Rechtsmittels des S taatsanw alts zustimmen. Diese Regelung erklärt sich aus der Erwägung, daß es unbillig wäre, nach Beginn der Hauptverhandlung dem anderen Teil die Möglichkeit zu nehmen, eine wenn auch nur vermeintliche Besserung seiner Aus­ sichten in der Rechtsmittelverhandlung zur Geltung zu bringen. Absatz 4 gilt nur für die Rechtsmittel und nicht für sonstige Rechtsbehelfe. Eine dem Absatz 4 entsprechende Regelung trifft § 397 Abs. 2 für die Zurücknahme des Einspruchs im Strasbesehlsver-

fahren. W ird die erste H auptverhandlung ausgesetzt und dann eine neue begonnen, so kann, anders als im geltenden Recht, das Rechtsmittel zum B eginn der neuen H auptverhandlung n u r unter den in Absatz 4 bezeichneten Voraussetzungen zurückgenommen wer­ den. D ie gegenteilige Regelung würde es dem B e­ schuldigten, gegen den schon einm al öffentlich ver­ handelt worden ist, unter Umständen unmöglich machen, seine Ehre in öffentlicher V erhandlung wiederherzustellen. D ie Bestimmung des § 302 Abs. 1 Satz 2 S tP O ., welche die Zurücknahme eines vom S ta a ts a n w a lt zu­ gunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsm ittels auch vor B eginn der H auptverhandlung an die Z u ­ stimmung des Beschuldigten bindet, hat der E ntw urf beseitigt. Ficht der Beschuldigte im V ertrauen auf das Rechtsmittel des S ta a tsa n w a lts die Entscheidung nicht selbst an, so muß er die G efahr einer Zurücknahme des Rechtsm ittels durch den S ta a tsa n w a lt tragen. § 304 Wirkung D a s Verbot der Schlechterstellung ist bereits durch das Gesetz vom 28. J u n i 1935 im wesentlichen be­ seitigt worden. Dieses Gesetz bestimmt für Berufung, Revision und W iederaufnahme, daß auch der zu­ gunsten des Beschuldigten eingelegte Rechtsbehelf eine A bänderung der Entscheidung zu seinen Ungunsten ermöglicht (§§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2 S tP O .). M aßgebend w ar hierbei der Gedanke, daß die ein­ seitige B indung des Gerichts an das angefochtene U rteil zugunsten des Angeklagten häufig ein H indernis für ein gerechtes U rteil bildet, die Überzeugungskraft des U rteils schwächt und das Ansehen der Recht­ sprechung schädigt. D as Versahrensrecht mich dem Richter die Möglichkeit geben, ein U rteil zu fällen, das der w ahren Gerechtigkeit entspricht, und ver­ hindern, daß Rechtsmittel gegen angemessene Urteile aus G ründen eingelegt werden, die m it der Erzielung eines gerechten U rteils nichts zu tun haben. Die Beseitigung der einseitigen Bindung des Rechtsm ittel­ gerichts hat sich bewährt. S e it dem J a h re 1935 ist ein Rückgang von solchen Rechtsmitteln eingetreten, denen durch das Gesetz vom 28. J u n i 1935 entgegen­ getreten werden sollte. § 304 gibt dem Gericht ganz allgemein die Freiheit, auf jeden Rechtsbehelf hin eine der w ahren Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung zu fällen ohne Rücksicht darauf, wer den Rechtsbehelf eingelegt hat und welches Ziel der A n­ fechtende verfolgt.

Z w eites Hauptstück

Die Rechtsmittel D ie Rechtsmittel ermöglichen die Nachprüfung einer Entscheidung durch ein im Rechtsmittelzuge vor­ gesetztes Gericht oder durch den Vorgesetzten des S ta a tsa n w a lts. D ie im Ersten Abschnitt geregelte Beschwerde richtet sich gegen Beschlüsse und V er­ fügungen des Richters oder S ta a tsa n w a lts, die im Zw eiten Abschnitt behandelten Rechtsmittel der B e­

rufung und Urteilsrüge ermöglichen die Nachprüfung der wichtigsten strasrichterlichen Entscheidungen, näm ­ lich der Urteile. Insbesondere bei den auf G rund einer Hauptverhandlung ergehenden Urteilen ist die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit von Rechtsmitteln bezweifelt worden. Die beste G arantie für einen ge­ rechten Urteilsspruch liege — so sagt m an — nicht in der Anfechtungsmöglichkeit, sondern in einer starken Besetzung des Gerichts m it guten Kräften, in der gründlichen Aufklärung des Sachverhalts vor der Hauptverhandlung, in einer zweckmäßigen Ausgestal­ tung des V erfahrens zwischen Anklageerhebung und H auptverhandlung und in der Gewährleistung voller Verteidigung für den Beschuldigten. D a s ist zweifel­ los zutreffend. Richtig ist auch, daß die W ahrheits­ erforschung in der Rechtsm ittelverhandlung in mancher Hinsicht stärkeren Gefahren ausgesetzt ist als in der ersten Hauptverhandlung. D ie größere Zeitspanne zwischen der T at und der erneuten H auptverhand­ lung, die Beeinflussung der Auskunftspersonen durch das erste Urteil mit) dessen B egründung erschweren die bessere Aufklärung des Sachverhalts in der zweiten Hauptverhandlung. Dennoch hat der Entw urf an der Einrichtung der Rechtsmittel festgehalten und da­ m it die bezeichneten Gefahren, denen m an m it ge­ eigneten M itteln begegnen kann, in Kauf genommen. M aßgebend w aren hierfür folgende Erw ägungen: Nicht alle Gerichte können m it den besten richterlichen K räften besetzt werden. Dagegen ist es möglich, ver­ hältnism äßig wenige Gerichte m it überdurchschnitt­ lichen K räften zu besetzen. D erart besetzte Gerichte bieten zugleich G ewähr dafür, daß die größere E r­ fahrung ihrer Richter den besonderen Schwierigkeiten und Gefahren einer wiederholten Verhandlung ge­ recht wird. Ebenso können nicht alle H auptverhand­ lungen so vorbereitet werden, wie es bei schweren und schwersten S traftaten zu erfolgen pflegt. D ies ist auch nicht nötig, da sich ein großer T eil aller S tr a f ­ taten ohne eingehendere V orerm ittlungen in der H auptverhandlung selbst genügend aufklären läßt. D ie B eiordnung eines V erteidigers von Am ts wegen ist auch künftig nur in beschränktem Umfange möglich. Um hiergegen einen Ausgleich zu schaffen, ist es not­ wendig, durch die Zulassung von Rechtsmitteln gegen Urteile zusätzliche G arantien dafür zu schaffen, daß das gerechte Urteil gefunden wird. Erster Abschnitt

Beschwerde I m S trafverfahren ergehen bis zum Urteil zahl­ reiche Beschlüsse und Verfügungen, die zwar nur begrenzte Ziele verfolgen, aber für die Beteiligten doch so bedeutend sind, daß eine selbständige Anfecht­ barkeit notwendig erscheint. D ahin gehören jedoch nicht die Entscheidungen, die nach Erhebung der A n­ klage zur Vorbereitung des U rteils erlassen werden. Bei diesen Entscheidungen, die unm ittelbar dem Spruch dienen, könnte die Zulassung selbständiger Anfechtung das Spruchversahren hemmen und die Entscheidungsfreiheit des Gerichts zum Schaden der Gerechtigkeit beeinträchtigen; sie können daher nu r zusammen mit dem Spruch m it den für diesen vor-

gesehenen Rechtsmitteln angefochten werden, soweit eines anderen Betroffenen eine Beschwer voraussetzt, es sich nicht um Entscheidungen über Zwangsmittel ergibt sich aus § 299. F ür die Begründung der B e­ und Straffestsetzungen sowie um Entscheidungen gegen schwerde gibt der Entwurf keine besonderen V or­ schriften. Die Beschwerde kann sowohl aus rechtlichen D ritte handelt. D as Rechtsmittel, mit dem Beschlüsse und Ver­ wie aus tatsächlichen Gründen erhoben werden. Absatz 3 schließt wie das bisherige Recht (§ 304 fügungen angefochten werden können, ist die B e ­ s c hwe r de . S ie wird künftig nicht nur gegen richter­ Abs. 3 S tP O .) die Anfechtung von Beschlüssen und liche Entscheidungen, sondern auch gegen Verfügungen Verfügungen bestimmter Gerichte und ihrer Vorsitzer des S taatsanw alts gewährt, da ihm zahlreiche wich­ aus, weil sie mit der Stellung dieser Gerichte unver­ tige Entscheidungen zugewiesen sind, die bisher dem einbar sein würde, und weil auch gegen Urteile dieser Richter vorbehalten waren. Die weitere Beschwerde Gerichte keine Rechtsmittel gegeben sind. des bisherigen Rechts wird zur Beschleunigung und § 306 Vereinfachung des Verfahrens restlos beseitigt. Die befristete Beschwerde, die der sofortigen Beschwerde En t s c h e i d u n g e n des A m t s r i c h t e r s des bisherigen Rechts entspricht, unterscheidet sich int im V o r v e r f a h r e n Entwurf von der gewöhnlichen Beschwerde mir noch durch die Befristung. D as Gericht, das die Entschei­ Bei Gefahr im Verzug hat der Amtsrichter im dung erlassen hat, kann künftig auch der befristeten Vorverfahren von sich aus die erforderlichen M aß­ Beschwerde durch Änderung der Entscheiduttg ab­ nahmen zu treffen (§ 9 Abs. 2). Seine Zuständigkeit helfen. für den Erlaß des Haftbefehls und für die Anordnung D as Verfahren ttach eingelegter Beschwerde hat der Beschlagnahme und anderer Zwangsmittel im sich in der einfachen mtd freien Regelung des bis­ Vorverfahren enthalten die §§ 214 Abs. 1 und 249 herigen Rechts im ganzem bewährt. Unzweckmäßig Abs. 1, 3! Aus besonderen Gründen kann endlich der erscheint nur der grundsätzliche Ausschluß der münd­ Staatsanw alt int Vorverfahren den Amtsrichter um lichen Verhandlung, die tu schwierigen und unge­ die Vornahnte einer Untersuchungshandlung ersuchen klärten Sachen angebracht feilt kann. Abweichend (§ 9 Abs. 1). Wie in der Begründung zu § 9 des vom bisherigen Recht ermöglicht daher der Entivurs näheren ausgeführt ist, schreitet der Amtsrichter in die Durchführung einer mündlichen Beschwerdever- diesen Fällen nur vorläufig gleichsam als Notstaats­ handlung. Zur Entlastung des Beschwerdegerichts anwalt ein. D as Weitere verfügt der Staatsanw alt. wird dem Richter des ersten Rechtszuges die Befugnis Wird der Amtsrichter aus Ersuchen des Staatsanw alts gegeben, eine unzulässige oder verspätet eingelegte tätig, so kann er das Ersuchen nur aus bestimmten befristete Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Gründen ablehnen, die es ihm nicht gestatten, über Ferner ist vorgesehen, daß das Beschiverdegericht die die Zweckmäßigkeit des Ersuchens zu entscheiden. Sache zurückverweisen kann. Die bisher bestehende § 306 folgert aus dieser Regelung für das Beschwerde­ Zweifelsfrage, wer über Beschwerden gegen Entschei­ verfahren, daß bei der Beanstandung von Maßnahmen dungen des Amtsrichters tut Vorverfahren und des . des Amtsrichters im Vorverfahren zunächst der beauftragten oder ersuchten Richters zu entscheiden Staatsanw alt entscheidet, soweit ihm die weitere Ver­ fügung gebührt. Erst gegen dessen Entscheidung ist hat, wird jetzt ausdrücklich geregelt. die Beschwerde (§ 314) zulässig. § 305 Die Vorschrift beeinträchtigt selbstverständlich nicht das Recht des Beschuldigten, gegen bestimmte Beschwerderecht Maßnahmen des Amtsrichters im Vorverfahren die § 305 Abs. 1 stellt den Satz auf, daß alle richter­ Entscheidung des Vorsitzers der Strafkammer anzulichen Beschlüsse und Verfügungen mit der Beschwerde rufen (§§ 215, 250). Sie gilt ferner nicht für M aß­ angefochten werden können, soweit das Gesetz nichts nahmen, die der Aintsrichter zur Ahndung von Un­ anderes bestimmt. Ausnahmen von der Beschwerde­ gebühr ergreift, oder für Dienstaussichtsbeschwerden fähigkeit sind teils in den Vorschriften über die Be­ über den Aintsrichter. Insoweit behält es bei der schwerde (vgl. §§ 305 Abs. 3, 306 Satz 1, 307 Abs. 1), gewöhnlichen Regelung sein Bewenden, weil diese teils an anderen Stellen vorgesehen (vgl. §§ 96 Abs. 2, Maßnahmen nicht die Sachentscheidung, sondern 131 Abs. 1, 281 Abs. 3, 293 Abs. 2 S . 1, 334 Abs. 2, die äußere richterliche Geschäftsführung berühren. 352 Abs. 2 S . 1, 390 Abs. 1, 405 Abs. 2). §307 Zur Beschwerde berechtigt sind zunächst der S ta a ts­ anwalt und der Beschuldigte, soweit das Gesetz nichts Ent schei dungen zur V o r b e r e i t u n g anderes bestimmt. Einen Fall, in welchem z. B. nur des U r t e i l s der Staatsanw alt, nicht aber der Beschuldigte Be­ schwerde erheben kann, regelt § 36. Beschwerde können Nicht beschwerdesähig sind richterliche Entschei­ ferner Zeugen, Sachverständige und andere, die durch dungen, die nach Erhebung der Anklage zur V or­ eine Entscheidung betroffen werden, einlegen. „Be­ bereitung des Urteils erlassen worden sind. Die selb­ troffen" sind Personen, deren Rechtsstellung durch ständige Anfechtbarkeit solcher Entscheidungen würde den Beschluß oder die Verfügung irgendwie beein­ das Spruchversahren hemmen und könnte der end­ trächtigt wird. F ür das Beschwerderecht des gesetz­ gültigen Sachentscheidung vorgreifen. Diese E nt­ lichen Vertreters, des Personensorgeberechtigten und scheidungen können mittelbar ourch Berufung oder des Ehemanns gilt § 301. Daß die Beschwerde des Urteilsrüge gegen das ihnen folgende Urteil ange­ Beschuldigten, der Zeugen, der Sachverständigen oder fochten werden. F ü r die Abgrenzung der nicht be-

schwerdefähigen Entscheidungen sind zwei Gesichts­ punkte maßgebend, ein zeitlicher und ein sachlicher. Es muß sich einm al um richterliche Entscheidungen nach Erhebung der Anklage, also um Entscheidungen im Hauptverfahren, handeln. Sodann muffen die E n t­ scheidungen der Vorbereitung des U rteils dienen. S ie müssen also in einem inneren Zusammenhang m it der U rte ilsfä llu n g stehen und zu deren Vorbereitung dienen. Abs. 2 macht für zwei Gruppen von Entschei­ dungen, die nicht in unm ittelbarer Beziehung zum U rte il stehen, eine Ausnahme. Es handelt sich um Entscheidungen über Z w angsm ittel (d. h. die in den §§ 201 bis 254 geregelten Maßnahmen) und um Straffestsetzungen, ferner um Entscheidungen, soweit durch sie D ritte betroffen werden. „ D ritte " im S in n e dieser Bestimmung sind alle, die gegen das U rte il selbst kein Rechtsmittel einlegen können. Denn auf sie t r if f t der Gedanke des Abs. 1, daß die das U rte il vorbereitenden Entscheidungen zusammen m it dem U rte il angefochten werden sollen, nicht zu. § 308 b e f r i s t e t e Beschwerde D ie befristete Beschwerde hat nach der Regelung des E n tw u rfs gegenüber der einfachen Beschwerde nur noch die eine Besonderheit, daß sie binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen ist. D ie weitere Besonderheit des bisherigen Rechts, daß das Gericht zu einer Abänderung seiner durch sofortige Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt ist, w ird beseitigt. Erkennt das untere Gericht die Beschwerde als berechtigt an, so ist die Abände­ rung durch das untere Gericht auch bei der befristeten Beschwerde ein Gebot der Zweckmäßigkeit und der Verfahrensbeschleunigung. Daß die Einlegung bei dem Beschwerdegericht zur W ahrung der F rist genügt (§ 311 Abs. 2 S tP O .), braucht im E n tw u rf m it Rück­ sicht auf die allgemeine Bestimmung des § 302 Abs. 2 nicht besonders hervorgehoben zu werden. D ie B e ­ schwerde ist n u r dann befristet, wenn das Gesetz dies bestimmt. § 309 Wirkung

Verfahren

des

unteren

Gerichts

S ow ohl das bisherige Recht wie auch der E ntw urf beteiligen das Gericht, deffen Entscheidung angefochten ist, bei der Entscheidung über die Berufung und die Revision (Urteilsrüge). Das untere Gericht kann das Rechtsmittel verwerfen, wenn es verspätet eingelegt ist oder den Formvorschristen nicht entspricht (z. B. §§ 322, 336). Diese Regelung, die offensichtlich un­ zulässige Rechtsmittel von den Rechtsmittelgerichten fernhalten soll, hat sich bewährt und w ird deshalb vom E n tw u rf auch für die Beschwerde übernommen. Anders als bei der Berufung und Urteilsrüge w ird bei der Beschwerde die Verwerfung durch das untere Gericht auch für den F a ll zugelassen, „daß die Entscheidung nicht m it der Beschwerde angefochten werden kann". Diese Ausweitung ist unbedenklich, w e il das untere Gericht nicht endgültig entscheidet. F a lls die Entscheidung zwar angefochten werden kann, aber nicht das Rechtsmittel der Beschwerde möglich ist, ist natürlich zu prüfen, ob nicht nur ein an sich zulässiges Rechtsmittel falsch bezeichnet ist. D e r Entscheidung durch das Beschwerdegericht sind vor allem die Fälle vorbehalten, in denen dem Beschwerde­ führer die Berechtigung zur Einlegung der Beschwerde fehlt, sei es, daß z. B . im F a ll des'tz 300 der Be­ schuldigte der Einlegung der Beschwerde ausdrücklich widersprochen hat, im F a ll des § 301 der Beschwerde­ führer nicht gesetzlicher Vertreter ist oder daß Be­ schwerde eingelegt w ird , nachdem der Anfechtungs­ berechtigte die früher eingelegte Beschwerde zurück­ genommen hat (§ 303 Abs. 1 S . 1). Maßgebend für die Abgrenzung ist die Erwägung, daß es sich bei der ersten Gruppe der Fälle meist ohne weiteres ent­ scheiden läßt, ob eine Entscheidung m it der Beschwerde angefochten werden kann oder nicht, daß dagegen bei den anderen F ällen m itunter schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen zu prüfen sind. D ie Beschwerde v e rw irft derjenige, der die an­ gefochtene Entscheidung erlassen hat. D as kann der Vorsitzer, der ersuchte oder beauftragte Richter oder das Gericht selbst sein. Seine Entscheidung kann m it der befristeten Beschwerde angefochten werden, auch dann, wenn es sich bei der ursprünglich eingelegten Beschwerde nicht um eine befristete Beschwerde handelt.

Grundsätzlich hat die Beschwerde keine auf­ schiebende W irkung. Beschlüsse und Verfügungen sind wie im bisherigen Recht (§ 307 S tP O .) sofort v o ll­ ziehbar. D ie Regelung des bisherigen Rechts, daß die Beschwerde gegen die Anordnung der Anstalts­ beobachtung deren Vollzug hemmt, ist beibehalten (§ 245 Abs. 4). Aufschiebende W irkung hat ferner die Beschwerde gegen einen Beschluß des Vorsitzers gemäß § 215 Abs. 3.

Nach Abs. 2 hat das untere Gericht der Beschwerde abzuhelfen, wenn sie begründet ist. D as gilt, wie schon oben erwähnt ist, auch fü r die befristete Be­ schwerde. Zuständig zur Abhilfe ist derjenige, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat. D e r Absatz 2 S . 2 stellt sicher, daß auch vor der Entscheidung des unteren Gerichts dem S ta a tsa n w a lt und den Betei­ ligten das rechtliche Gehör zu gewähren ist.

D e r E n tw u rf sieht vor, daß der Vorsitzer des Gerichts oder der Richter, deffen Entscheidung an­ gefochten w ird , den Vollzug der Entscheidung aus­ setzen kann. Dieselbe Befugnis hat auch der Vorsitzer des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung den V o r ­ rang vor der Entscheidung des unteren Gerichts hat. D ie' Aussetzung des Vollzugs ist den Vorsitzern über­ tragen, da sie eine eilbedürftige und nur einstweilige Maßnahme ist.

)(D ie Frage, unter welchen Voraussetzungen der Richter und das Gericht, die eine beschwerdesähige Entscheidung erlassen haben, diese, auch ohne daß Be­ schwerde eingelegt ist, von A m ts wegen ändern oder zurücknehmen können, regelt der E n tw u rf nicht aus­ drücklich. S ie sind grundsätzlich befugt, im gleichen Verfahrensabschnitt Entscheidungen, die keine Rechts­ kraft haben, auch ohne Beschwerde zu ändern oder aufzuheben, wenn hierzu A nlaß besteht.

88 311, 312 Beschwerdegericht. E n t s c h e i d u n g e i : des b e a u f t r a g t e n u n d des ersucht en R i c h t e r s Di e §§ 311 und 312 bestimmen, welches Gericht über die Beschwerde entscheidet. D e r E n tw u rf stellt die bisher im Gerichtsverfassungsgesetz enthaltenen Bestimmungen in die Strafversahrensordnung ein und fü llt durch § 312 eine Lücke des bisherigen Rechts aus. Nach dem § 311 Abs. 1 Satz 1 entscheidet über die Beschwerde gegen Beschlüsse und Verfügungen des Amtsrichters die Strafkam m er, sonst, d. h. wenn ein beim Landgericht gebildetes Gericht entschieden hat, der Strafsenat des Oberlandesgerichts. Diese Regel w ird durchbrochen in Sachen, die zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs oder des Oberlandesgerichts ge­ hören. Hier entscheidet über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Am tsrichters im Vorverfahren nicht die Strafkamm er, sondern der Senat des Volks­ gerichtshofs oder des Oberlandesgerichts, der fü r das Hauptverfahren zuständig sein würde. D e r Ausnahme liegt der auch in § 256 Abs. 2 enthaltene Gedanke zugrunde, daß in den Sachen, die ohne Rücksicht auf die zu erwartende S tra fe gewissen hohen Gerichten zugewiesen sind, auch die Beschwerdeentscheidung diesen Gerichten vorbehalten bleiben soll, dam it das V er­ fahren restlos in ihrer Hand bleibt. F ü r den F all, daß die Erhebung der Anklage vo r dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts zu erwarten ist, bedarf es keiner besonderen Bestimmung. Denn sobald der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht die Erm ittlungen an sich gezogen hat, w ird von einer M itw irk u n g des Amtsrichters im Vorverfahren abzusehen sein. § 312 regelt die im bisherigen Recht nicht geklärte Frage, wer über Beschwerden gegen Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters entscheidet. W ird eine Entscheidung des beauftragten Richters an­ gefochten, so entscheidet das Gericht, dessen Vorsitzer den A uftrag e rte ilt hat. Diese Lösung hat den V o r­ teil, daß das m it der Beschwerde befaßte Gericht den Sachverhalt bereits kennt und eine Aktenversendung an das Oberlandesgericht vermieden w ird . Aus § 122 ergibt sich, daß bei der Entscheidung über die Be­ schwerde der beauftragte Richter selbst nicht m itwirken kann. I s t die Entscheidung eines ersuchten Richters an­ gefochten, so unterscheidet der E n tw u rf: Geht das Ersuchen von einem Am tsrichter aus, so entscheidet die Strafkam m er bei dem Landgericht, das dem er­ suchenden Richter übergeordnet ist. Hierdurch wird vermieden, daß über die Beschwerde ein im Rang gleichgestellter Richter entscheidet. D ie Entscheidung t r if f t das dem e r s u c h e n d e n Richter übergeordnete Landgericht, w eil dieses der Sache näher steht als das Gericht, das dem ersuchten Richter übergeordnet ist. D a vor der Entscheidung der S ta a tsa n w a lt gehört w ird , so dient es außerdem der Beschleunigung der Sache, wenn über die Beschwerde die Strafkammer des Landgerichts entscheidet, bei dem sich der S ta a ts­ a n w alt befindet. Geht das Ersuchen von dem V o r­ sitzer eines anderen Gerichts aus, also von dem V o r­

sitzer der Schöffenkammer oder eines Senats des Oberlandesgerichts, des Volksgerichtshofs oder des Reichsgerichts, so entscheidet dieses Gericht. §313 Verfahren

des B e s c h w e r d e g e r i c h t s

D as Verfahren nach eingelegter Beschwerde, wie es in der bisherigen Strafprozeßordnung geregelt ist, hat sich im ganzen bewährt. Unzweckmäßig erscheint aber der gänzliche Ausschluß der mündlichen Verhand­ lung (§ 309 S tP O .). Es w ird gelegentlich F älle geben, in denen eine mündliche Beschwerdeverhandtung zur Sachaufklärung notwendig ist. D ie münd­ liche Verhandlung vor dem Beschwerdegericht ist keine „Hauptverhandlung", so daß die für diese geltender: Vorschriften nicht ohne weiteres auf die mündliche Beschwerdeverhandlung Anwendung finden. Zwischer: ih r und der Hauptverhandlung besteht namentlich der Unterschied, daß es in der Verhar:dlr:ng vo r den: Be­ schwerdegericht der Anwesenheit des S ta a tsa n w a lts und der Beteiligter: nicht bedarf, und daß fü r die etrva notwendigen E rm ittlun g e n die Grundsätze der M ü n d ­ lichkeit und Urrmittelbarkeit nicht gelten. Jedoch w ird das Beschwerdcgericht bem S ta a tsa n w a lt und den sonst Beteiligten den T erm in nütteilen, den Erschie­ nener: Gelegenheit zur mündlichen Darlegur:g ih rer Auffassungen geben und dabei einer:: Beschuldigter: das letzte W o rt gewähren. Während das bisherige Recht die Anhörur:g des S ta a tsa n w a lts und des Beschwerdeführers irr das Ermessen des Beschwerdegerichts stellt, schreibt der E n tw u rf zwingend vor, daß der S ta a tsa n w a lt zr: hören ist. D ie Anhörung kann schriftlich oder m ünd­ lich erfolgen. Dem Verteidiger und der: B eteiligten soll der Vorsitzer die Beschwerdeschrift zur Erklärung m itteilen. Darüber, wie der Sachverhalt aufzuklären ist, entscheidet der Vorsitzer nach freiem Ermessen. E r kann E rm ittlun g e n daher auf jedem ihm sachgemäß er­ scheinenden Wege anstellen, er kann sie selbst v o r­ nehmen oder vornehmen lassen. Die Beweisaufnahme ist an keine F o rm gebunden and unterliegt daher auch nicht den fü r die Beweisaufnahme in der Hauptver­ handlung geltenden Vorschriften. D e r E n tw u rf sieht fü r die Entscheidung des B e­ schwerdegerichts die Beschlußform vor. Nach § 280 ist die Beschwerdeentscheidung zu begründen. H ä lt das Beschwerdegericht die Beschwerde fü r begründet, so hat es die Entscheidung aufzuheber: und grundsätzlich an Stelle des unteren Gerichts selbst ir: der Sache zr: entscheiden. D er M angel des bisherigen Rechts, daß das Beschwerdegericht die Sache nicht zurückverweist'!: kann, ist beseitigt. Dieser Möglichkeit w ird sich das Beschwerdegericht z. B . dann bedienen, wenn sich das untere Gericht zu Unrecht für unzuständig erklärt und eine sachliche Entscheidung noch nicht gefällt ist, oder wenn das der angefochtenen Entscheidung zugrur:de liegende Verfahren an einem erheblichen M angel leidet. D ie weitere Beschwerde, die schor: im bisheriger: Recht n u r in engen Grenzen zugelassen w ar, w ird im Interesse der Verfahrensbeschleunigung restlos 10

beseitigt, zumal der E n tw u rf auch gegen U rteile n ur noch einen Rechtsmittelzug gewährt.

Z w eiter Abschnitt Berufung und Urteilsrüge

§314 Beschwerde gegen V e r f ü g u n g e n des S t a a t s a n w a l t s Der E n tw u rf überträgt dem S ta a tsa n w a lt alle zur F ührung des Vorverfahrens erforderlichen M itte l und Zwangsbefugnisse zu eigener Verantw ortung. N u r im beschränkten Umfang, nämlich bei den schwer­ wiegendsten Zwangsmaßnahmen (vgl. §§ 187, 215, 250,409) kann gegen Verfügungen des S ta a tsa n w a lts der Richter angerufen werden. S ow eit der V e rfo l­ gungszwang bei der kleinen und m ittleren K r im in a li­ tät eingeschränkt ist, kann der S ta a tsa n w a lt künftig ohne M itw irk u n g des Richters von der Erhebung der Anklage absehen. Nach W egfall des Klageerzwingungs­ verfahrens und der Privatklage liegt die Entscheidung über die Erhebung der Anklage vö llig in der Hand des S taatsanw alts. Diese weitgehenden Entscheidungsbefugnisse des S ta a tsa n w a lts lassen es als geboten erscheinen, den gegen Verfügungen des S taatsanw alts zulässigen Rechtsbehels im Gesetz ausdrücklich zu erwähnen. § 314 spricht aus, daß gegen alle Verfügungen des S ta a tsa n w a lts der Beschuldigte und andere, die da­ von betroffen werden, Beschwerde erheben können und daß über diese Beschwerde der Vorgesetzte des S ta a tsa n w a lts entscheidet. Auch ohne diese Bestim­ mung würde zwar gegen alle Verfügungen und M a ß ­ nahmen staatsanwaltschastlicher Beamten bei dem m it der Aufsicht und Leitung des S ta a tsa n w a lts be­ trauten Vorgesetzten die Aufsichtsbeschwerde erhoben werden können. Dienstaussichtsbeschwerden dieser A rt, die in erster L in ie zur Untersuchung angeblicher Pflichtverletzungen des Beamten führen sollen und weniger die sachliche Nachprüfung einer ordnungs­ mäßig getroffenen Sachentscheidung anstreben, w er­ den in den verschiedenen Zweigen der staatlichen V e r­ w altung unterschiedlich erledigt, insofern dem B e­ schwerdeführer nicht im m er ein Anspruch auf Nach­ prüfung des Sachverhalts und aus E rte ilu n g eines begründeten Bescheides zuerkannt w ird. Gegenüber dieser sonst bestehenden unterschiedlichen Behandlung der sogenannten Aufsichtsbeschwerden liegt die Bedeu­ tung des § 314 darin, daß er für das Gebiet des Strafverfahrens dem Vorgesetzten des S ta a tsa n w a lts eine P rü fu ng der getroffenen Sachentscheidung und die E rte ilu n g eines dieser Prüfung entsprechenden Bescheides zur P flich t macht. Grundsätzlich sind alle Verfügungen des S ta a tsa n w a lts beschwerdesähig, so­ weit sich nicht aus dem I n h a lt der angegriffenen E n t­ scheidung oder aus sonstigen Gründen (so z. B . bei der Anklage) Ausnahmen ergeben. W er der V o r ­ gesetzte des S ta a tsa n w a lts im S in n e dieser B e­ stimmung ist, bestimmt das Gerichtsverfassungsgesetz. Hierbei ist zu beachten, daß sämtliche dem Leiter einer Staatsanwaltschaft unterstellten Staatsanw älte bei der Wahrnehmung staatsanwaltschastlicher Geschäfte als Vertreter des Leiters handeln. Uber die V e r­ fahrensbeschwerde entscheidet daher die dem Leiter der Staatsanwaltschaft vorgesetzte Dienststelle.

D er E n tw u rf sieht gegen U rteile zwei verschiedene Rechtsmittel vor, die Berufung und die Urteilsrüge. Urteile des Amtsrichters werden m it der Berufung angefochten, Urteile der Schösfenkammer dagegen m it der Urteilsrüge. Beide Rechtsmittel sind im Z iel, in den W irkungen und dam it im Wesen voneinander verschieden. B ei der B erufung liegt der Schwerpunkt in der Nachprüfung der tatsächlichen Feststellungen und der Strafbemessung, bei der Urteilsrüge dagegen in der Nachprüfung der Rechtsanwendung. D ie Gestaltung des neuen Strafrechts zwingt keineswegs zur Schaffung eines sogenannten Einheits­ rechtsmittels. I m neuen Strafrecht werden zwar in weit stärkerem Maße als bisher Fragen tatsächlicher und rechtlicher A rt ineinander übergehen, vor allem wegen der ausgiebigen Verwendung der sogenannten wertausfüllungsbedürftigenTatbestandsmerkmale. B ei der Gesamtbeurteilung des dem Gericht vorliegenden Sachverhalts w ird es meist n u r schwer möglich sein, die tatsächliche und die rechtliche W ürdigung vonein­ ander loszulösen, ohne daß lebendige Zusammenhänge zerrissen werden. Aber bei der Einzelbetrachtung werden sich doch stets zahlreiche reine Tatfragen ergeben, die zwar rechtlich erheblich sind und hexen B eantw ortung eine rechtliche W irkung ausübt, die sich aber darum itocf) nicht als Rechtsfragen, sondern als reine Tatsragen kennzeichnen. D ie enge V e rb in ­ dung des Tatsächlichen m it dem Rechtlichen w ird zwar bei der Ausgestaltung der U rteilsrüge weitgehend — im S in n e einer Annäherung an die Berufung — berücksichtigt, sie schließt aber grundsätzlich die Beibe­ haltung eines Rechtsmittels nicht aus, dessen Z ie l in erster L in ie auf die Nachprüfung der Rechtsanwen­ dung gerichtet ist. E in solches Rechtsmittel kann auch künftig aus praktischen Gründen nicht entbehrt werden. D as Einheitsrechtsm ittel würde zur Folge haben, daß das Rechtsmittelgericht in allen F ällen verpflichtet wäre, aus entsprechende Rüge hin die ta t­ sächlichen Feststellungen des angegriffenen U rteils in vollem Umfange nachzuprüfen. B e i dem Reichs­ gericht scheitert jedoch eine Wiederholung der gesam­ ten Beweisaufnahme in jedem einzelnen F a ll schon an praktischen Schwierigkeiten; es würde von der Arbeitslast erdrückt und seiner Aufgabe, die Rechts­ einheit zu wahren, entfremdet, wenn ihm stets die Erneuerung der Hauptverhandlung auch nach der Tatsachenseite zugemutet würde. Es erscheint auch weder notwendig noch zweckmäßig, stets eine volle Nachprüfung der tatsächlichen Feststellungen zuzu­ lassen. Gerade in den umfangreichen und bedeuten­ deren Strafsachen, die vor der Schösfenkammer im ersten Rechtszuge verhandelt werden, wiegen die gegen eine Wiederholung der tatsächlichen Prüfung unb damit der Beweisaufnahme erhobenen Bedenken (vgl. Vorbemerkungen zum Zweiten Hauptstück) so schwer, daß hier eine nochmalige Beweisaufnahme eher eine Gefahr als eine Förderung für die W ahr­ heitserforschung sein würde. Es erscheint auch m it der besonderen Würde und Feierlichkeit, die das V e r­ fahren vor einem größeren Gerichtskörper m it sich

bringt, unvereinbar, wenn derselbe Sachverhalt in einer zweiten Tatsachenverhandlung nochmals von vorn aufgerollt wird. I n derartigen Fällen kann auf die Notwendigkeit einer vollen Nachprüfung um so eher verzichtet werden, als die Möglichkeit eines Fehlgriffs bei der Tatsachenfeststellung durch natür­ liche Sicherungen beschränkt ist. Denn erfahrungs­ gemäß wird ein Strafverfahren um so sorgfältiger vorbereitet und durchgeführt, je schwerer die zur An­ klage stehende T at und je höher die mögliche Strafe ist. Die besonders gute Besetzung des Gerichts (der Schöfsenkammer) wirkt in der gleichen Richtung. Im übrigen bietet auch die Urteilsrüge, die in ihrer neuen aufgelockerten Form dem Rechtsmittelgericht unter Umständen einen Eingriff in die tasächlichen Feststellungen ermöglicht, eine gegenüber der Revision erheblich verstärkte G arantie gegen Fehlentschei­ dungen. (Näheres hierüber siehe in den Vorbemer­ kungen zum dritten Unterabschnitt). Erster Unterabschnitt Gemeinsame Vorschriften Berufung und Urteilsrüge haben trotz ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit manche Gemeinsam­ keiten. Beide gleichen sich zunächst darin, daß sie die Rechtskraft des Urteils in vollem Umfange hemmen. D as Willensstrafrecht und der auf ihm beruhende Gedanke der Einheitsstrafe setzen notwendig die Un­ teilbarkeit des Strafverfahrens voraus. D as Gericht kann nur dann die Gesamtpersönlichkeit des Täters richtig bewerten und die ihr entsprechende Strafe verhängen, wenn es alle Taten, Tatteile und Rechts­ verletzungen in seine Beurteilung einbeziehen kann, auch wenn ihre Nachprüfung vom Anfechtungsberech­ tigten nicht begehrt wird. Die Teilrechtskraft des bisherigen Rechts wird deshalb für Berufung und Urteilsrüge beseitigt. Beiden Rechtsmitteln ist ferner gemeinsam, daß sie sich — abweichend vom bisherigen Recht — auch gegen die Urteilsgründe richten können, wenn die Gründe eines freisprechenden oder ein­ stellenden Urteils die Ehre des Angeklagten schwer mindern oder ihn sonst erheblich schädigen. Nach bisherigem Recht kann der Ansechtungsberechtigte bei der Anfechtung von Urteilen des Amts­ gerichts wählen, ob er Berufung oder Revision ein­ legen will. Der Entwurf gewährt dagegen bei Ur­ teilen des Amtsrichters nur die Berufung. Von der in der Novelle vom 14. Ju n i 1932 vorgesehenen Wahlrevision ist so selten Gebrauch gemacht worden, daß ihre Beibehaltung nicht angezeigt erscheint. Das gelegentlich vorhandene Bedürfnis, alsbald eine höchstrichterliche Entscheidung über eine Rechtsfrage herbeizuführen, kann auf anderem Wege befriedigt werden (Näheres hierüber bei § 315). Der Entwurf beseitigt ferner die im bisherigen Recht vorgesehene Möglichkeit, das aus die Anfechtung des Gegners ergangene Berufungsurteil mit der Re­ vision anzufechten. Auch von dieser Revision ist nur so selten Gebrauch gemacht worden, daß die im Entwurf durchgeführte Beschleunigung und Vereinfachung des Rechtsmittelweges die Bedürfnisse der Praxis nicht beeinträchtigt.

R e c h t s mi t t e l g e g e n U r t e i l e § 315 Abs. 1 bestimmt, welche Urteile anfechtbar sind und mit welchem Rechtsmittel die Anfechtung erklärt werden kann. Der Entwurf erklärt grundsätz­ lich die Urteile der Gerichte, die im ersten Rechtszuge entscheiden (Amtsrichter, Schöfsenkammer), für an­ fechtbar. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für die Urteile des Besonderen Strafsenats des Reichs­ gerichts, des Volksgerichtshofs, der Oberlandes­ gerichte und der Strafkammern. Die Besetzung des Reichsgerichts, des Volksgerichtshofs und der Ober­ landesgerichte gibt eine besonders gute Gewähr für eine sorgfältige Rechtsprechung, so daß kein Bedürfnis für eine Anfechtung ihrer Entscheidungen besteht. Bei diesen Gerichten wie bei der Strafkammer erfor­ dert ferner die Art der vor ihnen zu verhandelnden Straftaten — Angriffe gegen wichtige Interessen des Reichs und Strafsachen von besonderer Bedeutung — eine rechtsmittellose Aburteilung. Eine gewisse Sicherung gegen Gefahren, die in der rechtsmittel­ losen Erledigung von Strafsachen durch die S tra f­ kammer liegen können, bilden die Rechtsbehelfe des außerordentlichen Einspruchs und der Nichtigkeits­ beschwerde. Der Entwurf stellt als Rechtsmittel gegen Urteile des Amtsrichters die Berufung zur Verfügung. Die Berufung ist ein umfassendes Rechtsmittel; sie ver­ langt sowohl eine Nachprüfung der tatsächlichen als auch der rechtlichen Fragen. S ie erscheint daher für die kleinen und mittelschwcren Strafsachen des täg­ lichen Lebens als das geeignete Rechtsmittel. Die Fülle dieser Strafsachen bringt es zwangsläufig mit sich, daß sie nicht stets so eingehend vorbereitet werden können wie die umfangreicheren und bedeutenderen Strafsachen, die vor der Schöfsenkammer zur Ver­ handlung gelangen. Das Verlange!: nach einer Nach­ prüfung wird daher für sie am besten durch ein Rechts­ mittel befriedigt, das im ganzen Umfang zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung führt. Ein solches Rechtsmittel entspricht auch ant besten den Erwartungen des Rechtsuchenden. Die bisherigen Erfahrungen rechtfertigen diese Auffassung. I n der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wurde seit der Novelle vom 14. Ju n i 1932 (RGBl. I .S . 285) gegen die Urteile des Amtsrichters und des Schöffen­ gerichts Berufung und nur in wenigeit Fällen Re­ vision eingelegt. Der Entwurf trägt dieser Erfahrung Rechnung und läßt abweichend vom bisherige:: Recht gegen die Urteile des Amtsrichters n u r noch die Berufung zu. Die bisher bestehende Möglichkeit, wahlweise statt der Berufung Revision einzulegen, wird im Entwurf be­ seitigt. Diese Regelung dient der im Entwurf auch sonst angestrebten Vereinfachung und Beschleunigung der Strafrechtspflege. Der Zweck der Wahlrevision, über eine Rechtsfrage eine obergerichtliche Entschei­ dung herbeiz::sühren, wird vom Entwurf in anderer Weise erreicht. D a der Entwurf für die zur Zustän­ digkeit des Amtsrichters gehörenden Sachen keine absolute Zustä::digkeit kennt, kann der Staatsanw alt, auch wenn keine die Strasgewalt des Amtsrichters übersteigende S trafe zu erwarten ist, die Anklage

statt vor dem A m tsrichter vor der Schöffenkammer erheben (§ 100). Gegen die Entscheidung der Schöffenkammer steht dem S ta a ts a n w a lt und dem Beschuldigten- die U rteilsrüge zum Reichsgericht zu. S o ist sichergestellt, daß auch in den Strafsachen der kleinen und m ittleren K rim inalität die Entscheidung des Reichsgerichts zur Auslegung wichtiger Rechts­ fragen und zur W ahrung der Rechtseinheit herbei­ geführt werden kann. Bei der schweren K rim inalität folgt der E ntw urf der Regelung des bisherigen Rechts. Gegen die U r­ teile der Schösfenkammer ist keine B erufung, sondern nur die U rteilsrüge zulässig. E iner erneuten tatsäch­ lichen Nachprüfung bedarf es in diesen Sachen nicht, weil die m it besonderer S o rg fa lt vorbereitete A n ­ klage und die V erhandlung vor einem höheren Gericht für ein sorgfältig durchgeführtes V erfahren bürgen, so daß in der Regel von einer W iederholung der ta t­ sächlichen P rü fu n g keine bessere Aufklärung zu er­ w arten ist. Hier handelt es sich zum T eil auch um Strafsachen, bei denen es m it Rücksicht auf den Um­ fang des Verhandlungsstoffs nicht angeht, denselben Sachverhalt in einer zweiten Tatsacheninstanz noch einm al aufzurollen. E in gewisser Ausgleich für das Fehlen der B erufung liegt in diesen Sachen darin, daß nach dem E ntw urf dem Urteilsrügegericht die Nachprüfung von Ermessensfragen und ein Eingriff in die tatsächlichen Feststellungen gestattet ist (vgl. dazu die Vorbemerkungen zum dritten Unterabschnitt). § 316

Re c h t s mi t t e l ge g e n di e U r t e i l s g r ünde D as bisherige Recht kennt keine Anfechtung der U rteilsgründe, sondern n u r eine Anfechtung des U r­ teilsspruchs. W er sich gegen die G ründe eines U rteils wenden will, muß den Urteilsspruch selbst anfechten. D ie Anfechtung des Urteilsspruchs setzt aber für den Angeklagten voraus, daß er durch den Spruch selbst beschwert ist. Is t der Angeklagte nicht beschwert, wie z. B. im F alle eines Freispruchs, so kann er das U rteil und dam it die G ründe des U rteils nicht a n ­ fechten. D er E ntw urf erkennt an, daß die bisherige Regelung der Bedeutung, die der Ehre nach n atio n al­ sozialistsscher Auffassung zukommt, nicht gerecht wirb. Auch die U rteilsgründe können so nachteilige Fest­ stellungen enthalten, daß es einem Gebot der Gerech­ tigkeit entspricht, dem Angeklagten ein Recht zur A n ­ fechtung der U rteilsgründe zu gewähren. D er E n t­ wurf läßt daher in § 316 die Anfechtung der U rteils­ gründe und in § 355 die W iederaufnahm e des V er­ fahrens gegen die U rteilsgründe zu. D ie Rechtsmittel gegen die U rteilsgründe sind an enge Voraussetzungen geknüpft; denn n u r durch Beschränkung aust die wirk­ lich anfechtungsbedürftigen F älle kann die G efahr einer unangemessenen Verm ehrung der Anfechtungen abgewendet werden. D as Recht zur Anfechtung erhält n u r der Ange­ klagte. E in Zeuge, dessen V erhalten in den G ründen des U rteils abwertend beurteilt w ird, hat kein A n ­ fechtungsrecht. A ndernfalls würde das S trafv erfah ­ ren seinen eigentlichen Aufgaben entfremdet werden.

D er Entw urf beschränkt die Sonderregelung auf die Anfechtung der G ründe eines U rteils, das den A n­ geklagten freispricht oder das V erfahren einstellt. F ü r die Fälle der V erurteilung besteht kein Anlaß, dem Angeklagten ein Anfechtungsrecht lediglich gegen die G ründe des U rteils zu gewähren. F ühlt sich der A n­ geklagte durch die G ründe einer ihn verurteilenden Entscheidung beschwert, so kann er die Entscheidung selbst anfechten; die Anfechtung des Urteilsspruches, erfaßt zugleich die U rteilsgründe. Andererseits be­ steht ein B edürfnis, die Anfechtung der U rteilsgründe zuzulassen, nicht n u r beim freisprechenden Urteil, sondern auch bei den das V erfahren einstellenden U rteilen. D ie Einstellung erfolgt nach § 85, wenn ein V erfahrenshindernis besteht. D er das Verfahren einstellende Urteilsspruch nim m t zu der Frage der Schuld des Angeklagten im allgemeinen nicht S te l­ lung, wenn dies auch an sich nicht ausgeschlossen ist. Um auch für diesen F all sicherzustellen, daß sich der Angeklagte gegen U rteilsgründe, die ihn schwer belasten, verteidigen kann, läßt § 316 die Anfechtung der U rteilsgründe auch bei der Einstellung des V er­ fahrens zu. D er Entw urf beschränkt das Anfechtungsrecht auf die Fälle, in denen die G ründe die Ehre des Ange­ klagten schwer m indern oder ihn sonst erheblich schädi­ gen. D er Entw urf stellt nicht n u r auf die Ehre des Betroffenen ab, sondern berücksichtigt auch Schädi­ gungen sonstiger, insbesondere wirtschaftlicher Art. D a s Gericht, das über te il Rechtsbehelf zu entscheiden hat, wird im Einzelfall abzuwägen haben, welche Bedeutung die im U rteil enthaltenen nachteiligen Ausführungen für die Ehre des Angeklagten oder für seine berufliche S tellung oder sein berufliches F o rt­ kommen haben, ohne dabei in den Fehler zu ver­ fallen, die Ehre des Angeklagten nach seiner sozialen S tellung abzustufen. Maßgebend sind stets die schrift­ lichen Urteilsgründe. D ie Anfechtung erfolgt m it dem Rechtsmittel, das gegen den Urteilsspruch gegeben ist. Um eine unerwünschte Ausdehnung der gegen die G ründe eines U rteils gerichteten Rechtsbehelfe zu verhindern, gestattet Absatz 2 dem Rechtsmittelgericht, das Rechtsmittel durch Beschluß ohne H auptverhand­ lung als unzulässig oder — bei Einstimmigkeit des Gerichts — als offensichtlich unbegründet zu ver­ werfen, w as sonst nur in den F ällen der §§ 324, 338 vorgesehen ist. D er das Rechtsmittel als unzulässig oder offensichtlich unbegründet verwerfende Beschluß ist unanfechtbar. Sow eit das Reichsgericht als U r­ teilsrügegericht den Beschluß erläßt, ergibt sich die Unanfechtbarkeit schon aus dem Grundsatz des § 305 Abs. 3. Sow eit das Landgericht als B erufungs­ gericht entscheidet, findet die Unanfechtbarkeit gemäß Absatz 2 Satz 2 ihre Rechtfertigung darin, daß kein B edürfnis besteht, dem Angeklagten ein weitergehen­ des Anfechtungsrecht zu geben als bei der Anfechtung des Urteilsspruchs. § 317 H em m u n g der Rechtskraft D as neue Strafgesetzbuch sieht die Einheitsstrafe bei einer M ehrheit von T aten oder Rechtsverletzungen

vor. Die Einrichtung der Einheitsstrafe würde im Verfahrensrecht zu Schwierigkeiten führen, wenn die bisher mögliche Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Beschwerdepunkte beibehalten würde. Richtet sich die Anfechtung auch nur gegen die Verurteilung wegen einzelner von mehreren Taten, so muß der ganze Strafausspruch hinfällig werden, da Einsatz­ strafen für die einzelnen Taten nicht mehr ausge­ worfen werden. Die das Rechtsmittelgericht bindende Beschränkung der Anfechtung auf einzelne Beschwerde­ punkte ist aber auch aus anderen Gründen mit den Grundgedanken des neuen Verfahrensrechts nicht ver­ einbar. S ie zwingt das Rechtsmittelgericht dazu, seiner Entscheidung die unangefochtenen Teile des früheren Urteils auch dann zugrundezulegen, wenn sie nach seiner eigenen tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung des Sachverhalts und seinen eigenen Feststellungen nicht haltbar sind. D as verträgt sich weder mit dem Grundsatz der Wahrheitserforschung noch mit dem der Gerechtigkeit. Ficht etwa der An­ geklagte nur den Strafausspruch an und kommt das Berufungsgericht zum Ergebnis, daß der Angeklagte einer weit schwererenStraftat schuldig ist als der nicht angefochtene Schuldspruch annimmt, so muß das Be­ rufungsgericht ihn wegen der schwereren T at verur­ teilen können. D as Rechtsmittelgericht ist zur Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Täters und seiner Taten nur in der Lage, wenn es alle Taten, Tatteile und Rechts­ verletzungen und die Schuld- wie die Strafsrage stets in den Kreis seiner Erörterungen einbeziehen kann. Der Entwurf bestimmt daher in § 317, daß die recht­ zeitige Anfechtung die Rechtskraft des ganzen Urteils hemmt, und beseitigt damit die bindende Beschrän­ kung der Anfechtung aus einzelne Beschwerdepunkte. Künftig wird jede Anfechtungserklärung, selbst wenn der Anfechtende sein Rechtsmittel nur gegen einzelne Teile der Entscheidung richtet, das anhängige Ver­ fahren in seinem ganzen Umfang vor das Rechts­ mittelgericht bringen und daher auch der Vollstreckung des Teiles, durch den der Anfechtende sich nicht be­ schwert fühlt, entgegenstehen. M it der Beseitigung der Teilrechtskraft (§ 316 S tP O .) entfallen alle Schwierigkeiten, die sich für die praktische Strafrechtspflege aus der bisher zugelaffenen Beschränkung des Rechtsmittels auf die S traf­ frage ergaben. Auch hier hat die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf den vielfach untrennbaren Zusam­ menhang zwischen Schuld- und Straffrage hinge­ wiesen und eine beschränkte Anfechtung nicht zuge­ lassen, wenn im Einzelfall die Nachprüfung der Strafzumessungsgründe auf die Schuldfeststellung übergreifen mußte (so z. B. bei dem Begriff der Gewerbsmäßigkeit, des besonders schweren Falles, der verminderten Zurechnungsfähigkeit, bei sichernden Maßnahmen). F ü r die Fälle, in denen nach bisherigem Recht Tateinheit oder eine Sammelstraftat in Frage kam, bringt diese Regelung nichts Neues. Auch das bis­ herige Recht läßt eine Anfechtung, die aus eine von mehreren Rechtsverletzungen oder aus einzelne Hand­ lungen einer Sammelstrastat beschränkt ist, nicht zu. Um so stärker wirkt sich die Änderung bei der T at­

mehrheit aus. Hier war zu erwägen, ob beim Vor­ liegen mehrerer selbständiger Taten eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafver­ fahrens zuzulassen sei, um eine alsbaldige Strafvoll­ streckung zu ermöglichen. Der Entwurf hat davon abgesehen. Einm al ist eine Teilung der Einheits­ strafe nicht möglich. Weiter kam die Teilvollstreckung schon nach bisherigem Recht, wie die Erfahrung gezeigt hat, praktisch nur selten in Frage, weil der Angeklagte regelmäßig zur Verfügung des Rechtsmittelgerichts gehalten werden mußte und daher nicht vor Rechtskraft der Gesamtentscheibung in die Voll­ zugsanstalt übergeführt werden konnte. D as Be­ denken, daß der Angeklagte in Zukunft durch Anfech­ tung des Urteils die Vollstreckung wegen der von ihm selbst zugegebenen Taten hemmen und die Verhand­ lung über sie vor dem Rechtsmittelgericht wieder auf­ rollen kann, hält der Entwurf nicht für erheblich. Einem Mißbrauch in dieser Richtung kann durch Nichtanrechnung der in der Zwischenzeit erlittenen Untersuchungshaft entgegengetreten werden. Um zu vermeiden, daß die Rechtsmittelgerichte durch die An­ fechtung den gesamten Anklagestoff auch insoweit noch einmal erörtern müssen, als von keiner Seite Beden­ ken gegen die Feststellungen im angefochtenen Urteil erhoben werden, sieht der Entwurf für das Beru­ fungsverfahren die Möglichkeit vor, daß das Beru­ fungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen Fest­ stellungen, die im angefochtenen Urteil getroffen sind, seiner Entscheidung ohne neue Beweiserhebung zu­ grundelegen kann (§ 325. Abs. 2). Dieselbe Befugnis steht nach § 340 Abs. 2 auch dem Urteilsrügegericht zu, wenn es in eine Beweisaufnahme eintritt. Es bedeutet auch keineswegs ein Hemmnis für das künftige Verfahren, wenn die Anfechtung nicht mehr wie bisher auf Nebenstrafen und sonstige Nebenfolgen (z. B. Einziehung, öffentliche Bekanntmachung, Kosten) beschränkt werden kann. Erfahrungsgemäß läßt sich in den meisten Fällen eine völlige Trennung zwischen den einzelnen Teilen des Urteilsspruchs doch nicht durchführen, da die Nachprüfung von Neben­ aussprüchen zumeist zwangsläufig auf die Entschei­ dung im Schuldspruch übergreift. An dieser um­ saffenden Prüfung darf der Berufungsrichter schon im Interesse eines innerlich einheitlichen Urteils­ spruchs nicht vorübergehen, und auch das Urteilsrüge­ gericht muß die Möglichkeit haben, seine Prüfung in entsprechender Weise auszudehnen. Daß die Rechts­ entwicklung schon im bisherigen Recht in steigendem Maße in diese Richtung drängt, zeigt die Recht­ sprechung des Reichsgerichts zu der Frage, inwieweit Rechtsmittel auf die Anordnung sichernder Maßregeln beschränkt werden können. Die rechtskrafthemmende Wirkung erkennt der Entwurf nur der rechtzeitigen Anfechtung zu. Das nicht rechtzeitig angefochtene Urteil erwächst mit dem Ablauf der Anfechtungsfrist in Rechtskraft. F ü r den Fall, daß sich das Verfahren gegen mehrere Angeklagte richtet, sieht der Entwurf Sondervorschristen vor. E r geht davon aus, daß die. Anfechtung die Rechtskraft des Urteils nur hin­ sichtlich des Beschwerdeführers oder, wenn der Staatsanw alt das Rechtsmittel eingelegt hat, nur

hinsichtlich des Angeklagten fjeinmt, gegen den sich das Rechtsmittel des S taatsanw alts wendet. Die Rechtskraft des Urteils gegenüber den übrigen Ange­ klagten wird. hiervon nicht berührt; Sonderfälle sind in den §§ 327 und 344 geregelt. § 318 Berufungs-

und

Urteilsrügegericht

Der Aufbau der Strafgerichte und die Gestaltung des Rechtsmittelzuges ist im Entwurf gegenüber dem bisherigen Recht wesentlich vereinfacht (vgl. die Über­ sicht in der Allgemeinen Einleitung). Berufungsgericht ist die Schöffenkammer beim Landgericht, die als Berufungsgericht in der gleichen Besetzung wie als Gericht des ersten Rechtszuges, nämlich in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei Volksrichtern, entscheidet. F ü r eine dem bisherigen Recht entsprechende Aufspaltung des Be­ rufungsgerichts in eine „kleine" und „große S tra f­ kammer" war nach dem Entwurf kein Raum mehr. Durch die.Zusammensetzung des Berufungsgerichts ist auch bei den Sachen der kleinen und mittleren Krim inalität, die sich nicht schon im ersten Rechtszuge erledigen, eine Mitwirkung von Volksrichtern sicher­ gestellt. Urteilsrügegericht ist ausschließlich das Reichsgericht; es entscheidet in der Besetzung von fünf Berufsrichtern. D as Oberlandesgericht scheidet in Zukunft als Urteilsrügegericht aus, da in den Sachen, über die der Amtsrichter im ersten Rechtszug entscheidet, nach dem Entwurf keine Urteilsrüge mög-

Zweiter Unterabschnitt Berufung

Die Berufung soll eine völlig neue Erörterung der Strafsache herbeiführen. Sowohl die Tatfest­ stellungen und ihre rechtliche Wertung wie auch die Persönlichkeit des Angeklagten und die Angemessen­ heit von S trafe und sichernden Maßregeln sollen neu geprüft werden. Nicht das Urteil des ersten Rechts­ zuges, sondern die Anklage ist mithin Grundlage des Berufungsverfahrens, nicht N ach Prüfung des ersten Urteils, sondern n e u e Prüfung der Anklage ist die Aufgabe des Berufungsgerichts. Wenn die Berufung eine wirkliche Sicherung für ein gerechtes Urteil sein soll, so darf sie nicht dadurch entwertet werden, daß die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit preisgegeben werden. I m Berufungsrechtszuge muß vielmehr über den Sachverhalt nach den gleichen Be­ stimmungen neu verhandelt und entschieden werden, wie sie für den ersten Rechtszug gelten. Die V or­ schrift des § 325 S tP O ., wonach im Berufungsrechts­ zuge Niederschriften über Aussagen von Zeugen und Sachverständigen verlesen werden dürfen, hat des­ halb der Entwurf nicht übernommen. F ü r die Be­ weisaufnahme enthält der Entwurf nur insofern eine Erleichterung, als das Gericht davon absehen kann, Beweis über einzelne von mehreren Taten, abtrenn­ bare Teile einer Tat oder andere Vorgänge, die selb­ ständig festgestellt werden können, zu erheben, wenn sie nach seiner Überzeugung im ersten Urteil einwand­

frei festgestellt sind und wenn diese Feststellungen weder vom S taatsanw alt noch vom Angeklagten be­ anstandet werden. Der Grundsatz, daß das Berufungsverfahren nicht eine Nachprüfung des ersten Urteils, sondern eine neue Prüfung der Anklage zum Ziel hat, darf nicht überspitzt werden. Sowohl in der Berufungsverhand­ lung wie auch im Spruch des Berufungsgerichts muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß bereits ein Urteil vorliegt. F ü r die Hauptverhandlung ist daher wie im bisherigen Recht ein Bericht über das bisherigeVerfahren vorgesehen,und im neuen Urteils­ spruch muß sein Verhältnis zum ersten Urteil klar­ gestellt werden (§§ 325, 326). Zur Sicherung der sachlichen Gerechtigkeit trifft der Entwurf für den Fall eine Sonderregelung, daß in einem Verfahren gegen mehrere Angeklagte nur ein Teil von ihnen Berufung eingelegt hat und zu erwarten ist, daß die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch die darin ausgesprochene rechtskräftige Entscheidung gegen einen Mitangeklagten beeinflußt hat (§ 327). § 319

A u f g a b e der B e r u f u n g Die Vorschrift leitet die Bestimmungen über die Berufung mit dem Grundsatz ein, daß auf die zulässige Berufung in der Sache neu verhandelt wird. Wie die Vorbemerkung darlegt, bedeutet dies, daß das Berufungsgericht nicht die Ergebnisse der Verhandlung des ersten Rechtszuges übernehmen und seiner E nt­ scheidung zugrunde legen darf, sondern sich selbst auf Grund einer neuen Beweiserhebung seine Überzeu­ gung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bilden muß. §§ 320 und 321

E i n l e g u n g der Be r u f u n g . Begründung

der B e r u f u n g

Die Berufung ist wie bisher binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils und, wenn der Ange­ klagte dabei nicht anwesend war, binnen einer Woche seit Zustellung des Urteils einzulegen. Die Rechtfertigung der Berufung (§ 321) ist auch künftig nicht zwingend vorgeschrieben. Der Entwurf sieht vom Begründungszwang, wie ihn die M ilitär­ strafgerichtsordnung und der italienische Strafprozeß kennen, ab, weil die Berufung, die im Gebiet der kleineren und mittleren Kriminalität eine nochmalige Prüfung des Anklagestoffs herbeiführen soll, im I n ­ teresse ihrer Volkstümlichkeit möglichst einfach und formlos gestaltet werden muß. Der Entwurf legt aber dem Beschwerdeführer die Begründung seiner Berusung nahe. Aus ihr sollen sich die tatsächlichen und rechtlichen Beanstandungen des Urteils und et­ waige neue Tatsachen und Beweismittel ergeben. Die Berufungsrechtfertigung gibt den übrigen Verfah­ rensbeteiligten und vor allem dem Vorsitzer des Berufungsgerichts Anhaltspunkte dafür, welche recht­ lichen und tatsächlichen Beschwerdegründe der An­ fechtende in der Hauptverhandlung geltend zu machen beabsichtigt. Dadurch soll der Vorsitzer in die Lage

verseht werden, eine zweckentsprechende A usw ahl der B ew eism ittel zu treffen. Begründet der Beschwerde­ führer die Berufung nicht, so gibt § 321 Abs. 3 dem Vorsitzer die Möglichkeit, sich über den voraussicht­ lichen Umfang des B erufungsangriffs und über seine Gründe dadurch zu unterrichten, daß er den Ange­ klagten selbst über die Gründe fü r die Berufung hören oder durch den Am tsrichter oder einen Richter seines Gerichts hören lassen kann. Versäumt der Beschwerdeführer die Begründungs­ frist, so hat dies fü r ihn keine rechtlichen Nachteile und schließt insbesondere neues V orb rin g e n in der Hauptverhandlung nicht aus. Auch eine verspätet eingehende Rechtfertigung w ird in der Regel zu be­ rücksichtigen sein. D a der E n tw u rf, wie zu § 317 hervorgehoben ist, eine Beschränkung der Berufung auf einzelne Be­ schwerdepunkte nicht kennt, g ilt abweichend von § 318 S tP O , das U rte il in jedem F a ll als in vollem Um­ fang angefochten. D ie Beschränkung der Berufungs­ begründung auf einzelne Beschwerdepunkte, die vom E n tw u rf zugelassen w ird , hat deshalb fü r den Um­ fang, in dem das Berufungsgericht das angefochtene U rte il nachzuprüfen hat, keine rechtliche Bedeutung. §§ 322 bis 324 Verwerfung dur c h d a s G e r i c h t des ersten Recht szuges. Weiteres Ver­ f a h r e n . E n t s c h e i d u n g d es B e r u f u n g s ­ gerichts Nach § 322 Abs. 1 hat das Gericht des ersten Rechtszuges zu prüfen, ob die Berufung rechtzeitig eingelegt ist. Is t dies nicht der F a ll, so v e rw irft das Gericht durch Beschluß das Rechtsmittel als unzu­ lässig-, die in § 320 Abs. 2 des E n tw u rfs vorgesehene Zustellung des angefochtenen U rte ils erübrigt sich dann. Diese schon im bisherigen Recht geltende Regelung (§ 319 S tP O .) entspricht praktischen Be­ dürfnissen. Gegen den Beschluß, durch den die Berufung als unzulässig verworfen w ird , ist befristete Beschwerde zulässig (§ 322 Abs. 2). S ie ersetzt den bisherigen A n tra g auf Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 319 Abs. 2 S tP O .), der seinem Wesen nach einer sofor­ tigen Beschwerde gleichzustellen war. D e r E ntw urf sieht daher abweichend vom bisherigen Recht vor, daß über die Beschwerde das Beschwerdegericht und nicht das Berufungsgericht entscheidet. D ie Vollstreckung w ird durch die befristete Beschwerde nicht gehemmt, jedoch läßt der E n tw u rf aus praktischen Erwägungen abweichend von der bisherigen Regelung — zu, daß sowohl der Vorsitzer des Gerichts, bessert U rteil angefochten ist, wie auch der Vorsitzer des Beschwerde­ gerichts die Vollstreckung aussetzen können. D as weitere Verfahren (§ 323) weicht nur inso­ fern vom bisherigen Rechtszustand ab, als nicht mehr der S taatsanw alt, sondern das Gericht die Schriftstücke über Einlegung und Begründung der B erufung den anderen Beteiligten m itzuteilen hat. M it der Bestimmung, daß die Sache beim Berufungs­ gericht anhängig w ird , wenn der S ta a tsa n w a lt ihm die Akten vorlegt, w ird eine Zweifelsfrage geklärt,

die insbesondere fü r die Zuständigkeit des Vorsitzers zur Anwendung von Zw angsm itteln von Bedeutung ist. Dem Berufungsgericht werden die Akten durch die Hand des S ta a tsa n w a lts übersandt, der gleich­ zeitig beim Berufungsgericht tä tig ist. I s t die Berufung rechtzeitig eingelegt, so w ird über sie in der Hauptverhandlung durch U rte il ent­ schieden; denn auch fü r die Berufungsverhandlung ist der das Verfahren des ersten Rechtszuges beherr­ schende Leitsatz maßgebend, daß auf G rund einer Hauptverhandlung n ur durch U rte il entschieden werden kann. Insbesondere ist ein U rte il auch dann notwendig, wenn sich der Beschwerdeführer n u r in Nebenpunkten (Kosten, Einziehung usw.) beschwert fü h lt; auch in diesen F ällen w ird durch die Berufung das Verfahren in vollem Umfang beim Berufungs­ gericht anhängig. D ie Möglichkeit, die Berufung durch Beschluß des Berufungsgerichts zu verwerfen, w ird in § 324 gegenüber dem bisherigen Recht eingeschränkt. Während nach bisherigem Recht (§ 322 S tP O .) die Berufung nicht n u r wegen verspäteter Einlegung, sondern aus allen sonstigen die Zulässigkeit des Rechtsmittels betreffenden Gründen durch Beschluß verworfen werden kann, beschränkt der E n tw u rf diese Befugnis auf den F a ll der nicht rechtzeitigen E in ­ legung. D ie daneben noch möglichen Fälle der Unzu­ lässigkeit sind praktisch selten. D e r E n tw u rf w ill sie der Nachprüfung in der Hauptverhandlung vorbe­ halten. D ie Entscheidung, daß die Berufung durch Beschluß verworfen w ird , ist nicht dem Vorsitzer, son­ dern dem Gericht übertragen, da sie einem Berusungsu rte il gleichsteht und dementsprechend auch unanfecht­ bar ist. I n Zweifelssällen kann das Gericht die Entscheidung darüber, ob die Berufung rechtzeitig eingelegt ist, der Hauptverhandlung vorbehalten. D ie Vorbereitung der Berufungsverhandlung rich­ tet sich gemäß § 330 nach den Vorschriften des ersten Rechtszugs (§§ 40 bis 49). D ies g ilt insbesondere fü r die Ladung des Angeklagten und fü r die Ausw ahl der Bew eism ittel durch den Vorsitzer. D a das B e ru ­ fungsgericht in der Sache neu zu verhandeln und auf G rund seiner eigenen Überzeugung zu entscheiden hat, sind neue Bew eism ittel zulässig. § 325 Gang

der

Verhandlung

D a die Berufung nicht bloß zu einer Nachprüfung des angefochtenen U rteils, sondern zu einer noch­ maligen Nachprüfung des Anklagevorwurss und da­ m it zu einer neuen Verhandlung in der Sache führen soll, hätte es nahe gelegen, in der Berufungsverhand­ lung ebenso wie in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges die Erörterungen über die Anklage m it dem Anklagevortrag des S taatsanw alts einzuleiten. Der E n tw u rf hat diesen Weg nicht gewählt. Es würde zu einer wirklichkeitsfremden Überspitzung des G rund­ satzes der neuen Verhandlung führen, tucrm man in der Berusungsverhandlung die Tatsache, daß in der Sache schon ein U rte il ergangen ist, außer Acht lasten würde. Diese Tatsache muß zu Beginn der Berusungsverhandtung zur Unterrichtung der Beteiligten

und der Schössen mitgeteilt werden. Der Entwurf hat den Bericht über das bisherige Verfahren in die Hände des Vorsitzers gelegt; dieser kann die Bericht­ erstattung auch einem Beisitzer überlassen. Einer Ver­ lesung des ersten Urteils, die häufig zu einer nutzlosen Verlängerung der Verhandlung führt, bedarf es künftig nicht mehr. Es genügt eine kurze Wiedergabe der wesentlichen Urteilsgründe. Daß der Urteilsspruch zu verlesen ist, schreibt der Entwurf nicht ausdrücklich vor. Es erscheint jedoch angebracht, ihn bei der Be­ richterstattung zu verlesen. E r enthält das wichtigste Ereignis im bisherigen Verfahren. Seiner Bedeu­ tung wird daher am besten durch eine wörtliche Wiedergabe Rechnung getragen. Auf die Berichterstattung folgt die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme. F ü r die Beweisaufnahme gilt — ebenso wie in der Haupt­ verhandlung des ersten Rechtszuges — der Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit. D as Beru­ fungsgericht nulß sich seine eigene Überzeugung bilden imb darf seiner Entscheidung die Ergebnisse des erst­ gerichtlichen Urteils nicht ohne eigene Prüfung zu­ grunde legen. Die Pflicht zur Erforschung der Wahrheit stellt der Entwurf so hoch, daß er auch keine erweiterte Verlesbarkeit von Zeugenaussagen, wie sie die bisherige Strafprozeßordnung kennt, zuläßt. Das Berufungsgericht muß die Zeugen selbst hören; es darf nicht auf Grund der Niederschriften des ersten Rechtszuges urteilen. Dieser Grundsatz bedeutet aber nicht, daß das Berufungsgericht alle Zeugen hören muß, die auch das Gericht des ersten Rechtszuges gehört hat. Vielmehr gilt für den Umfang der Be­ weisaufnahme, daß das Gericht die Beweise erheben muß, die es für die Bildung seiner Überzeugung für notwendig hält. Es wird also insbesondere die­ jenigen Zeugen nicht nochmals vernehmen, deren Aussagen sich für die Sache als belanglos heraus­ gestellt haben. Bei der Regelung der Beweiserhebung in der Berufungsverhandlung ist die Beseitigung der Teil­ rechtskraft zu berücksichtigen. Sie braucht aber nicht dazu zu führen, daß das Berufungsgericht alle dem An­ geklagten zur Last gelegten Taten, Tatteile und Rechtsverletzungen in den Kreis seiner Erörterungen ziehen und über sie nach den Grundsätzen der M ünd­ lichkeit und Unmittelbarkeit verhandeln muß. Ein solches Verfahren würde die Berufungsverhandlung mit nutzlosen Erörterungen belasten und weder im Interesse der Prozeßökonomie liegen noch verständlich sein. Der Entwurf gibt daher dem Berufungsgericht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen nichtbeanstandete tatsächliche Feststellungen des ersten Richters seiner Entscheidung zugrundezulegen. Das Berufungsgericht kann davon absehen, Beweis über einzelne von mehreten Taten, abtrennbare Teile einer T at oder andere Vorgänge, die selbständig fest­ gestellt werden können, zu erheben, wenn sie nach seiner Überzeugung im ersten Urteil einwandfrei fest­ gestellt sind und wenn diese Feststellungen vom S taatsanw alt und vom Angeklagten nicht beanstandet werden. D as Gericht kann also in diesen Fällen sich ohne nochmalige Beweisaufnahme seine eigene Überzeugung bilden, es sei denn, daß es die Feststel­

lungen des ersten Richters als widerspruchsvoll, un­ klar oder unzureichend ansieht. Sind die Feststel­ lungen nach Meinung des Gerichts nicht einwandfrei, so hat es die erforderlichen Beweise zu erheben. D as­ selbe gilt, wenn es aus anderen Gründen die Erhe­ bung der Beweise für erforderlich hält, z. B. für die Gesamtbeurteilung des Angeklagten und damit für eine sachgemäße Festsetzung der Einheitsstrafe. Die Beweiserleichterung ist nur vorgesehen für einzelne von mehreren Taten, abtrennbare Teile einer T at oder andere Vorgänge, die selbständig festgestellt werden können. Handelt es sich dagegen um e i n e Tat, so kann das Berufungsgericht hinsichtlich nicht abtrennbarer Teile dieser T at oder nicht selbständig feststellbarer Vorgänge nicht von einer Beweiser­ hebung absehen, weil die Verhandlung und Beweiserhebung des Berufungsgerichts in diesen Fällen im Interesse der Wahrheitsfindung ein­ heitlich und erschöpfend sein muß. Was unter ab­ trennbaren Teilen einer T at zu verstehen ist, legt die Begründung zu § 16 dar. Es muß sich um Vorgänge handeln, die nach ihrer Abtrennung von dem übrigen Verhandlungsstosf noch als selbständiger geschichtlicher Vorgang fortbestehen und bewertet werden können. Derselbe Gesichtspunkt ist entscheidend für die Frage, ob ein selbständig feststellbarer Vorgang gegeben ist. Wurde z. B. der Angeklagte vom Amtsrichter wegen schwerer Körperverletzung verurteilt (§ 415 Abs. 2 S tG B .) und ist das Berufungsgericht auf Grund der Ausführungen im angefochtenen Urteil zwar der Überzeugung, daß der Angeklagte die Körperverletzung begangen hat, bestehen aber Zweifel, ob die schwere Schädigung des Verletzten auf die Körperverletzung oder auf eine andere davon unabhängige Ursache zurückzuführen ist, so kann das Berufungsgericht, wenn die Feststellung der Täterschaft keinen Bedenken des Staatsanw alts und des Angeklagten begegnet, die Beweiserhebung auf die Frage beschränken, welcher Vorgang die schwere Schädigung verursacht hat. Gemäß § 330 gelten für die Berufungsverhand­ lung die Vorschriften über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges. Die Ausdehnung der Anklage auf weitere Straftaten (§ 61) ist jedoch ausgeschlossen; sie kann nur im ersten Rechtszuge zugelassen werden, um dem Angeklagten nicht die Möglichkeit einer Nach­ prüfung durch ein höheres Gericht zu nehmen. Neu ist die Bestimmung, die es in die Hand des Vorsitzers legt, ob bei den Schlußvorträgen zuerst der Beschwerdeführer — dies soll die Regel sein — ober ein anderer Beteiligter spricht. Die allgemeine Be­ stimmung, daß der Angeklagte stets das letzte Wort hat, wird hierdurch nicht berührt. § 326 U r t e i l des B e r u f u n g s g e r i c h t s Ebenso wie bei der Regelung der Berusungsverhandlung trägt der Entwurf in der Vorschrift über den Spruch des Berufungsgerichts der Tatsache Rech­ nung, daß bereits ein Urteil vorliegt. Demnach hebt das Berufungsgericht entweder das angefochtene Ur­ teil aus oder es verwirft die Berufung. Die Vorschrift will nur den In h a lt der Entscheidung des Berufungs-

gerichts bestimmen, dagegen keine Weisung für die Fassung dieser Entscheidung geben. Da das sachliche Ergebnis dasselbe ist, ist kein Unterschied im Ur­ teilsspruch für die Fälle gemacht, in denen die Berufung unzulässig oder das angefochtene Urteil richtig ist; für beide Fälle schreibt der Entwurf vor, daß die Berufung verworfen wird. Ergibt sich, daß das angefochtene Urteil unrichtig ist, so ist das Urteil aufzuheben und ein neues Urteil zu sprechen. Dadurch wird erreicht, daß der gesamte Entscheidungsinhalt aus dem neuen Berufungsurteil hervorgeht. D as Berufungsgericht darf also nicht in seiner Entscheidung auf das Urteil des ersten Gerichts Bezug nehmen und dieses lediglich ergänzen oder ab­ ändern. Der Urteilsspruch des Berufungsgerichts muß vielmehr aus sich selbst heraus verständlich und in sich vollständig sein. Darüber, welches der In h a lt des Berufungsur­ teils ist, wenn lediglich gegen die Urteilsgründe Berufung eingelegt ist (§ 316), schreibt § 326 nichts Besonderes vor. Es gelten daher auch für diesen Fall die Regeln des § 326. Hat die Berufung keinen E r­ folg, so wird sie verworfen; hat sie dagegen Erfolg, so hebt das Berufungsgericht die Feststellungen in den Gründen des angefochtenen Urteils, die der Nach­ prüfung nicht standhalten, auf und spricht zugleich aus, ob und welche Feststellungen an die Stelle der aufgehobenen zu treten haben. I m Urteilsspruch ist hierbei nur der wesentliche In h a lt der Änderung wiederzugeben. Die näheren Erläuterungen über die Änderung erfolgen in den Gründen des Berusungsurteils, wie dies auch im Falle der Anfechtung des Urteilsspruches geschieht. Die Fälle, in denen eine Zurückverweisung zu­ lässig ist, sind gegenüber dem bisherigen Recht erwei­ tert. Eine Zurückverweisung ist stets statthaft, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Verfahrens­ mangel beeinflußt ist. S ie ist ferner zulässig, wenn das Berufungsgericht solche Taten oder Tatteile in das Verfahren einbezieht, die Gegenstand der Anklage sind — im Berufungsverfahren selbst gibt es keine Erweiterung der Anklage (§ 325 Abs. 3) — , über die aber im angefochtenen Urteil nicht entschieden worden ist. Hier ist an die Fälle gedacht, in denen eine Entscheidung über Teile der Anklage absichtlich (§ 62) oder versehentlich unterblieben ist. Unter Tatteilen sind ebenso wie in den Fällen der §§ 16, 62 und 325 beispielsweise die Einzelhandlungen einer fortgesetzten T at oder einer Sammelstraftat zu ver­ stehen. Unter welchen Voraussetzungen die Zurückver­ weisung an die Stelle der eigenen sachlichen Entschei­ dung treten soll, sagt der Entwurf nicht. E r geht jedoch davon aus, daß im Interesse der Beschleuni­ gung des Verfahrens von dieser Befugnis nur aus­ nahmsweise und nur bei grundlegenden Mängeln Gebrauch gemacht wird, die das gesamte Verfahren beeinträchtigen, nicht aber bei einzelnen Verstößen, die sich im Rechtszug der Berufung beseitigen lassen. Andererseits wird die Zurückverweisung notwendig sein, wenn das Berufungsgericht neue Taten und Tatteile in das Verfahren einbezieht und diese zu einer erheblichen Verschärfung der Strafe führen

können oder wenn ein sonstiges berechtigtes Interesse des Angeklagten daran anzuerkennen ist, die einbe­ zogenen Punkte in zwei Tatsachenrechtszügen geprüft zu wissen. Die Zurückverweisung ist nur möglich an das Ge­ richt, dessen Urteil aufgehoben wird, nicht wie bei der Urteilsrüge (§ 342) an ein anderes gleichgeordnetes Gericht. Auch kennt der Entwurf ebensowenig wie das bisherige Recht eine Bindung des ersten Richters an die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts. Eine derartige Bindung ist nur für die Entscheidungen des Reichsgerichts als des für die • Entscheidung von Rechtsfragen vornehmlich zuständigen Urteils­ rügegerichts vorgesehen. Hat das Gericht des ersten Rechtszuges zu Unrecht seine sachliche Zuständigkeit angenommen, so verweist das Berufungsgericht die Sache an das zuständige Gericht. § 327 Wirkung a u s Mi tangekl agte D as S trafurteil wirkt selbständig gegen jeden von der Entscheidung Betroffenen. Demnach berührt das von einem Angeklagten eingelegte Rechtsmittel nicht die Rechtskraft der Entscheidung gegen Mitange­ klagte. Der Grundsatz der Unteilbarkeit des S tra f­ verfahrens erfordert nicht, daß alle Entscheidungen gegen sämtliche Angeklagte nur einheitlich ergehen und daß die im Urteil getroffenen Feststellungen stets gegen alle Angeklagten wirken. Dies würde eine gegenseitige Abhängigkeit von Verfahren, die nicht gleichzeitig durchgeführt werden können, zur Folge haben und damit zu einer für eine straffe Strafrechts­ pflege unerträglichen Verzögerung führen. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die von dem gleichen Gesichtspunkt ausgehende Regelung des bisherigen Rechts zu Unzuträglichkeiten geführt hat. S ie hat in einzelnen Fällen zur Folge gehabt, daß in dem gleichen Verfahren gegen die einzelnen Ange­ klagten einander widersprechende Entscheidungen ergingen, ein Ergebnis, das nicht nur allgemein als ungerecht empfunden wurde, sondern auch dem An­ sehen der Gerichte abträglich war. Die Beseitigung derartiger Widersprüche im Gnadenwege konnte immer nur ein Notbehelf sein und dort nicht in Be­ tracht kommen, wo ein Angeklagter zu Unrecht der verdienten S trafe entgangen war, und ebenso bot die — an bestimmte Voraussetzungen gebundene — Wiederaufnahme des Verfahrens nur in beschränktem Umfang eine Möglichkeit zur Abhilfe. Diesem Mangel hilft der Entwurf durch die vor­ liegende Bestimmung ab. S ie gestattet unter be­ stimmten Voraussetzungen und in bestimmten engen Grenzen eine Durchbrechung der Rechtskraft, um un­ erträgliche, der materiellen Gerechtigkeit wider­ sprechende endgültige Entscheidungen innerhalb des­ selben Verfahrens auszuschließen. Voraussetzung ist, daß das Berufungsgericht zur Aufhebung des ange­ fochtenen Urteils gelangt bzw. voraussichtlich gelan­ gen wird und daß der Grund, der zur Aushebung führt, auch für den Mitangeklagten zutrifft, dem­ gegenüber das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist. I n welchem Grade dieser Grund die Entscheidung

gegenüber bem Mitangeklagten beeinflußt hat, ist ohne Bedeutung. Wesentlich ist nur, daß zwischen diesem Grunde und der gegen den Mitangeklagten erlassenen Entscheidung des ersten Gerichts ein u r­ sächlicher Zusammenhang besteht. Ob der Mangel auf rechtlichem oder tatsächlichem Gebiet liegt, ist gleichgültig. Der Entwurf beschränkt den Eingriff in die Rechtskraft auf den Kreis der Mitangeklagten, gegen die in demselben Urteil entschieden worden ist; eine weitere Ausdehnung, etwa aus Personen, die wegen derselben T at oder wegen gleichartiger Taten verurteilt worden sind, würde ins Uferlose führen. Trotz des gemeinsamen Fehlers kann die gegen den Mitangeklagten getroffene Entscheidung im E r­ gebnis gerecht sein. Deshalb soll für die Durch­ brechung der Rechtskraft der gemeinsame Mangel nicht genügen. D as Berufungsgericht muß weiter prüfen, ob nach Beseitigung dieses Mangels eine wesentlich andere Entscheidung gegen den M itange­ klagten zu erwarten wäre. Nur wenn sich bei einem Vergleich zwischen dem gegen den Mitangeklagten erlassenen rechtskräftigen Urteil und dem zu erwarten­ den Urteil ein wesentlicher Unterschied ergibt, läßt der Entwurf die Durchbrechung der Rechtskraft zu. F ü r die Entscheidung macht es dabei keinen Unter­ schied, ob das zu erwartende Urteil gegenüber dem erlassenen Urteil für den Mitangeklagten günstiger ist oder nicht. Zur Klarstellung der Verfahrenslage schreibt der Entwurf vor, daß die Einbeziehung des M itange­ klagten durch einen ausdrücklichen Beschluß des Be­ rufungsgerichts erfolgt; aus ihm soll ersichtlich sein, aus welchen Gründen die Einbeziehung erfolgte. Der „gemeinsame Fehler" des ersten Urteils kann schon bei der Vorbereitung oder im Laufe der Berufungs­ verhandlung hervortreten. S o kann sich z. B. eine fehlerhafte Rechtsanwendung schon bei der Vorberei­ tung der Verhandlung oder ein anderes Beweiser­ gebnis im Laufe der Verhandlung ergeben. D es­ halb muß die Einbeziehung des Mitangeklagten während der Berufungsverhandlung und auch schon vor ihr möglich sein. Die Einbeziehung bei der V or­ bereitung der Verhandlung wird nur in Frage kommen, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für einen solchen gemeinsamen Fehler gegeben ist. Aber auch bei der Einbeziehung, die erst im Lause der Verhandlung erfolgt, wird das Berufungsgericht mit besonderer Vorsicht vorgehen müssen. Ist die Verhandlung schon zu weit vorgeschritten und würde ihre Wiederholung zu einer unerträglichen Verzöge­ rung oder Erschwerung des Verfahrens führen, so wird von der — an sich zulässigen Einbeziehung — ebenso abzusehen sein wie bei einer zu erwartenden nur geringfügigen Änderung des Urteils gegen den Mitangeklagten. Der Entwurf sieht daher für die Einbeziehung in das anhängige Berufungsverfahren nur eine Befugnis und keine Pflicht des Gerichts vor. Hält das Berufungsgericht trotz Vorliegens der in § 327 Abs. 1 genannten Voraussetzungen eine Einbeziehung in das anhängige Verfahren wegen des bereits fortgeschrittenen Verfahrensstandes oder im Hinblick auf die Verteidigung des betroffenen M it­ angeklagten nicht für tunlich und gelangt es bei der

Urteilsfällung zu der Überzeugung, daß der Grund zur Einbeziehung noch fortbesteht, oder ergibt sich erst bei der Urteilsberatung ein solcher Mangel, so be­ schließt es zugleich mit der Erlassung des Urteils, daß auch über diesen Mitangeklagten in einem neuen Be­ rufungsverfahren verhandelt und entschieden wird. I m Stadium der Urteilsfindung wird die Entschei­ dung des Gerichts über die Wirkung seines Spruchs auf den Mitangeklagten nicht mehr in das Ermessen des Gerichts gestellt; liegt ein Mangel der in § 327 vorausgesetzten Art vor, so muß spätestens bei der Erlassung des Berufungsurteils die nachträgliche Einbeziehung des Mitangeklagten in das Berufungs­ verfahren erfolgen, das nach den auch sonst für das Berufungsverfahren geltenden Vorschriften durchge­ führt wird. Vor dem Beschluß, durch den die Einbeziehung erfolgt, sind der Staatsanw alt und der Mitangeklagte zu hören; gegebenenfalls ist daher die Berufungsver­ handlung zu unterbrechen oder auszusetzen. Der Be­ schluß hebt die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen den Mitangeklagten noch nicht auf. D a es aber, 'insbesondere wenn ein Freispruch zu erwarten ist, geboten sein kann, die bereits einge­ leitete Vollstreckung auszusetzen, gibt § 327 Abs. 3 dem Vorsitzer die Befugnis, dies anzuordnen. Die Lage ist hier ähnlich wie bei der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens. § 328 A u s b l e i b e n des A n g e k l a g t e n Erscheint der Angeklagte, der allein Berufung ein­ gelegt hat, in der Berusungsverhandlung nicht und ist sein Ausbleiben auch nicht entschuldigt, so ist in der Regel anzunehmen, daß der Angeklagte zu erfeimen geben will, daß er auf die Durchführung der Berufung verzichtet. Dieser Tatsache trägt der Entwurf — ebenso wie schon das bisherige Recht — Rechnung. E r bestimmt, daß in diesem Falle durch Urteil festzu­ stellen ist, daß die Berufung als zurückgenommen gilt. Die Auffassung, das Ausbleiben des Angeklagten rechtfertige den Schluß, daß seine Berufung unbe­ gründet und deshalb zu verwerfen sei, hat der E nt­ wurf sich nicht zu eigen gemacht, wie er es auch ab­ gelehnt hat, der Verwerfung der Berufung den Charakter einer S trafe für das Nichterscheinen zu geben. Der Entwurf schreibt für die Feststellung des Gerichts die Form des Urteils vor, weil es sich um eine das Verfahren in der Hauptverhandlung ab­ schließende Entscheidung handelt. § 328 regelt den Sonderfall einer gesetzlich vermuteten Zurücknahme. Die allgemeine Vorschrift des § 303 Abs. 4 über die Zurücknahme von Rechtsbehelfen findet aus diese Sonderregelung keine Anwendung. Die Berufung des ausgebliebenen Angeklagten darf nicht als zurückgenonunen angesehen werden, wenn neben ihm auch der Staatsanw alt oder ein sonstiger Beteiligter Berufung eingelegt hat. Viel­ mehr muß sich hier der Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafverfahrens dahin auswirken, daß über beide Rechtsmittel gemeinsam zur Sache verhandelt und entschieden wird. I n diesen Fällen wie auch dann,

wenn nur der Staatsanw alt Berufung eingelegt hat, wird, soweit das nach den allgemeinen Vorschriften ohne den ausgebliebenen Angeklagten möglich ist, alsbald zur Sache verhandelt oder aber die Vorfüh­ rung oder Verhaftung Angeklagten angeordnet. Ergeht auf die Berufung des Angeklagten ein Urteil in seiner Abwesenheit, so kann er die Wieder­ holung der Berufungsverhandlung aus den gleichen Gründen verlangen, aus denen im ersten Rechtszugtz die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung verlangt werden kann (§ 58). § 329 B e r u f u n g d e s g e s e tz l i ch e n V e r t r e t e r s Die geltende S tP O , enthält in § 330 für den Fall, daß nur der gesetzliche Vertreter des Angeklagten Berufung eingelegt hat, Bestimmungen über die Pflicht des Angeklagten zum Erscheinen in der Haupt­ verhandlung, regelt aber nicht die Frage, ob das Ausbleiben des Angeklagten zur Verwerfung der Berufung führen muß. Diese Lücke schließt die vor­ liegende Vorschrift. Sie bestimmt, daß die Berufung des gesetzlichen Vertreters nur für zurückgenommen erklärt werden darf, wenn beim Beginn der Haupt­ verhandlung weder der Angeklagte noch der Be­ schwerdeführer erschienen ist. Damit trägt der E nt­ wurf der Tatsache Rechnung, daß der gesetzliche Ver­ treter durch die Anfechtung die Interessen des Ange­ klagten wahrnehmen will und der Angeklagte viel­ leicht gerade mit Rücksicht aus das Rechtsmittel seines gesetzlichen Vertreters es unterlassen hat, daneben selbst noch Berufung einzulegen. Erscheint nur der gesetzliche Vertreter, so kann der Vorsitzer unter den allgemeinen Voraussetzungen das persönliche Erschei­ nen des Angeklagten anordnen und ihn im Ungehor­ samsfalle vorführen lassen. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, daß sich nicht nur die Pflicht zum E r­ scheinen, sondern auch zum weiteren Verbleiben in der Hauptverhandlung nach den allgemeinen Vorschriften richtet. F ü r die Anfechtung durch den Sorgeberech­ tigten und den Ehemann der Angeklagten (§ 301) gilt das gleiche wie bei der Anfechtung durch den gesetz­ lichen Vertreter. § 330 Andere Verfahre nsvorschristen D as Verfahren im Berufungsrechtszuge ist, soweit der vorliegende Unterabschnitt keine abweichenden Vor­ schriften enthält, in sinngemäßer Anwendung der Be­ stimmungen über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges durchzuführen. Es gelten also die Vor­ schriften über die Vorbereitung der Hauptverhand­ lung, über die Hauptverhandlung selbst und über das Urteil. Um Zweifel auszuschließen, hebt Absatz 1 hervor, daß der Angeklagte auch im Berufungsver­ fahren unter den gleichen Voraussetzungen wie im Verfahren des ersten Rechtszuges von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung befreit werden kann. Absatz 2 ergänzt dje Vorschrift des § 40 über die Ladung.

D ritter Unterabschnitt

Urteilsrüge Der Entwurf stellt in der Urteilsrüge für das Strafverfahren ein Rechtsmittel zur Verfügung, das dem im höchsten Rechtszuge entscheidenden Gericht die Möglichkeit gibt, im Rahmen der ihm einge­ räumten Nachprüfung die richtige Entscheidung des Einzelfalles zu finden, ohne durch die gesetzlichen Grenzen seines Urteilsbereichs in die Lage gebracht zu werden, ein unrichtiges Urteil entgegen seiner Überzeugung aufrechtzuerhalten. M it dem Streben nach sachlich gerechter Entscheidung des Einzelfalles verbindet die Urteilsrüge zugleich das Ziel, durch richtige Anwendung des Rechts die Rechtseinheit zu fördern. Damit stellt sich das neue Rechtsmittel in Gegensatz zur Revision des bisherigen Rechts. Diese hat in erster Linie die Aufgabe, eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern. Die Gewährleistung eines gerechten Richterspruchs im Einzelfall ist als Ziel der Revision neben der Wahrung der Rechtseinheit nur in dem begrenzten Umfange berücksichtigt, den der Rahmen der reinen Rechtsprüfung zuläßt. Eine der­ art eingeschränkte Zweckbestimmung dieses Rechts­ mittels steht nicht mehr im Einklang mit den Grund­ sätzen des neuen Strafverfahrensrechts, das sich die Durchsetzung einer nicht nur formalen, sondern einer wirklichen sachlichen Gerechtigkeit zum Ziel setzt und auf eine lebensnahe, dem M ann aus dem Volk ver­ ständliche Gestaltung aller seiner Einrichtungen großen Wert legt. Der Entwurf versucht die Revi­ sion von ihrer bisherigen Abstraktheit, S tarrheit und unvolkstümlichen Begrenzung soweit wie möglich zu lösen und setzt der künftigen Urteilsrüge das einheit­ liche Ziel, in der Durchsetzung der sachlichen Gerechtig­ keit zugleich die Rechtseinheit zu sichern. Nach diesem Ziel bestimmt der Entwurf die W ir­ kung des Rechtsmittels und das Verfahren vor dem Urteilsrügegericht. Auch im künftigen Recht ist es Aufgabe des Urteilsrügeverfahrens, über die Gesetz­ mäßigkeit des vorangegangenen Verfahrens zu wachen und das angefochtene Urteil auf Verstöße in der rechtlichen Entscheidung zu prüfen (§ 331 Nr. 1 und 2). Die Nachprüfung des sachlich-rechtlichen I n ­ halts der Entscheidung erstreckt sich auf die richtige Anwendung von Wertmaßen. I h r stellt das Gesetz künftig die Nachprüfung auf Fehler bei der Ausübung des richterlichen Ermessens, insbesondere der S tra f­ bemessung, gleich. Is t das sachliche Recht oder das richterliche Ermessen fehlerhaft angewandt, so führt der Mangel zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wenn die Gerechtigkeit einen Eingriff in den Spruch gebietet, wenn die Entscheidung „ungerecht" ist. Der Rüge eines Fehlers im Verfahren mißt der Entwurf nur dann Bedeutung zu, wenn das Urteil auf dem Mangel beruht, wenn also unter dem Einfluß des fehlerhaften Verfahrens die Findung eines gerechten Spruchs im Einzelfall gefährdet erscheint. Die un­ bedingten Revisionsgründe des bisherigen Rechts werden daher beseitigt. Darüber hinaus wird dem Rügegericht um der sachlichen Gerechtigkeit totttett zur Pflicht gemacht, zu prüfen, ob Anlaß besteht, in die tatsächlichen Fest-

stellungen des angefochtenen Urteils einzugreifen (§ 331 Nr. 3). Bestehen gegen diese so schwere Be­ denken, daß eine neue Entscheidung notwendig ist, so ist das Urteil aufzuheben. Diese Regelung, die das Urteilsrügegericht nicht auf die reine Rechtsprüsung beschränkt, hat zur Folge, daß das Gericht künftig nicht mehr gezwungen ist, einen Richterspruch zu be­ stätigen, den es als sachlich ungerecht erkannt hat. Auch das V e r f a h r e n des Urteilsrügegerichts wird im Interesse einer gerechten Entscheidung von beit Bindungen befreit, die der Wahrheitserforschung Hindernisse bereiten könnten. D as Urteilsrügegericht kann künftig auf Antrag des Oberreichsanwalts selbst Beweise erheben (§ 340); dadurch wird ihm die Mög­ lichkeit eröffnet, gegebenenfalls ein Verfahren durch eigene Entscheidung zu Ende zu führen. Ferner ist das Urteilsrügegericht bei der Nachprüfung des ange­ fochtenen Urteils nicht an die Rechtsmittelschrift ge­ bunden und nicht auf die Prüfung der darin gerügten Mängel beschränkt. Die Prüfung umfaßt stets die Anwendung des sachlichen Rechts und die Ausübung des richterlichen Ermessens in vollem Umfang und erstreckt sich ohne weiteres darauf, ob schwere Be­ denken gegen die Würdigung des Sachverhalts be­ stehen; stößt das Rügegericht dabei auf nicht gerügte Fehler im Verfahren, so berücksichtigt es auch diese (§ 341). Dem ausgedehnten Nachprüfungsrecht ent­ spricht die erweiterte Befugnis des Rügegerichts zur Entscheidung in der Sache selbst. S ie ist immer zu­ lässig, wenn die tatsächlichen Feststellungen des ange­ fochtenen Urteils oder das Ergebnis der eigenen B e­ weisaufnahme zur eigenen Entscheidung ausreichen (§ 342). Eine Ausdehnung erfährt schließlich auch die Wirkung der Entscheidung des Urteilsrügegerichts, soweit der Grund, der zur Aufhebung eines Urteils führt, auch auf den nicht angefochtenen Spruch gegen den Mitangeklagten Einfluß hat (§ 344). § 331

Wi r k u n g der U r t e i l s r ü g e Die Urteilsrüge hat im Gegensatz zur Berufung (vgl. § 319) nicht die Wirkung, daß über den gesam­ ten Sachverhalt neu verhandelt und entschieden wird; vielmehr ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Urteilsrügegericht die Nachprüfung des angefochtenen Urteils im Rahmen dieser Vorschrift. Dabei steht die Rechtsprüfung im Vordergrund. Nach § 331 er­ streckt sich die Prüfung des Urteilsrügegerichts darauf, ob das angefochtene Urteil auf einem Fehler im Ver­ fahren beruht oder ob es wegen eines Fehlers in der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht ist. Der Entwurf beschränkt aber das Ur­ teilsrügegericht nicht auf die Rechtsprüfung. Die grundsätzliche Scheidung zwischen der Ermittlung des Sachverhalts, seiner rechtlichen Würdigung und der Ausübung des richterlichen Ermessens bei der E n t­ scheidung über Schuld und Strafe darf nicht dazu führen, einzelne Teile des angefochtenen Erkennt­ nisses der Beurteilung des Rechtsmittelgerichts zu entziehen und ihm dadurch den Weg zu einer gerechten Entscheidung des Falles zu erschweren. Eine Be­ schränkung des Urteilsrügegerichts aus die Nachprü­ fung in rechtlicher Hinsicht würde aber das Rechts­

mittelgericht dem Zwange aussetzen, Entscheidungen gutzuheißen, die sich zwar nicht wegen eines Fehlers bei der Rechtsanwendung, aber aus anderen Gründen als ungerecht erweisen. Der Entwurf bestimmt daher in § 331 ferner, daß das angefochtene Urteil auch daraufhin zu prüfen ist, ob es wegen eines Fehlers bei der Ausübung des richterlichen Ermessens, insbeson­ dere der Bemessung der Strafe, ungerecht ist. Das Gesetz befreit schließlich das Urteilsrügegericht auch von dem Zwang, ein Urteil zu bestätigen, das zwar nicht auf einem Rechtsfehler beruht, wohl aber auf tatsächlichen Feststellungen, die nach dem Akteninhalt oder aus anderen Gründen nicht als Grundlage der Rechtsprüfung aufrechterhalten werden können. Das Urteilsrügegericht prüft daher auf die Urteilsrüge ferner, ob gegen die Richtigkeit der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen so schwere Bedenken bestehen, daß eine neue Ent­ scheidung in der Sache notwendig ist. I n solchen Fällen wird eine neue Entscheidung dann notwendig sein, wenn an der Gerechtigkeit des Urteils ernsthaft gezweifelt werden muß. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat sich stets auf alle im § 331 Nr. 1 bis 3 genannten Mängel zu erstrecken; sie darf sich — von besonderen Ausnahmen abgesehen — nicht auf einzelne Mängel beschränken, die. schon für sich allein zur Aufhebung des Urteils Anlaß geben. Ferner ist für die Prüfung des angefochtenen Urteils ohne Belang, welcher Ver­ fahrensbeteiligte das Rechtsmittel eingelegt hat. Nach dem in § 304 ausgesprochenen Grundsatz hat die Urteilsrüge stets zur Folge, daß auch solche Fehler berücksichtigt werden können, die sich zu Ungunsten des Beschwerdeführers auswirken. Wird die Urteilsrüge auf einen Fehler im Ver­ fahren gestützt (vgl. § 333), so prüft das Urteilsrüge­ gericht, ob das angefochtene Urteil auf dem gerügten Fehler beruht. Diese Voraussetzung ist, wie der Ent­ wurf nicht mehr besonders hervorhebt, auch dann erfüllt, wenn nur die M ö g l i c h k e i t besteht, daß der Verfahrensmangel das Urteil beeinflußt hat. Die Entscheidung darüber, ob der Fehler Anlaß zur Auf­ hebung des Urteils gibt, stellt der Entwurf unter­ schiedslos auf die Lage des Einzelfalles ab. E r be­ seitigt die unbedingten Revisionsgründe (§ 338 S tP O .), bei denen der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Fehler und der Entscheidung gesetzlich vermutet wird. S ie passen nicht zu dem Geist des neuen Strafrechts und Strafverfahrens. Unbedingte Revisionsgründe führen leicht zur schematischen Be­ handlung, indem sie das freie Ermessen des Richters im Einzelfall ausschalten und ihn zwingen, das Urteil auch dann aufzuheben, wenn ein ursächlicher Zusam­ menhang zwischen dem Verfahrensfehler und der Ent­ scheidung nicht besteht. Solche Revisionsgründe widersprechen grundsätzlich der konkreten Betrach­ tungsweise und sind Auswirkungen eines übersteiger­ ten Strebens nach Formalsicherheit. Dazu kommt, daß die Abgrenzung der einzelnen unbedingten Revisionsgründe, wie die Erfahrung lehrt, leicht zu unerfreulichen Streitfragen führt, die die Recht­ sprechung hemmen und unnötig belasten. D as Urteilsrügegericht wird daher künftig bei jeder Versahrensrüge zu entscheiden haben, ob der

Verstoß für die angefochtene Entscheidung ohne Be­ deutung war oder ob die Möglichkeit besteht, daß das angefochtene Urteil aus dem Fehler beruht. Diese Regelung ändert nichts an dem Grundsatz, daß die Nichtbefolgung von Versahrensvorschriften bei beson­ ders schweren Verstößen regelmäßig die Annahme begründet, daß die Entscheidung möglicherweise auf dem Mangel beruht, mögen auch gewisse Anhalts­ punkte dafür bestehen, daß sie in sachlicher Hinsicht dem Gesetz entspricht. Bon dieser Regelung hebt sich die Nachprüfung des angefochtenen Urteils wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten T at­ sachen in mehrfacher Beziehung ab. Ein Fehler bei der Anwendung des Rechts kann in der Nichtanwen­ dung oder in der unrichtigen Anwendung des Rechts gefunden werden. Dabei ist Recht im S inne von „Rechtsnorm" zu verstehen, umfaßt demnach auch das Gewohnheitsrecht und die sonstigen rechtschöpfenden Sätze, nicht dagegen Vorschriften für den inneren Dienst einer öffentlichen Dienststelle, Anweisungen zur Behandlung eines Einzelfalles und ähnliche Be­ stimmungen. Z ur Anwendung des Rechts aus die festgestellten Tatsachen gehört auch die Anwendung von W e r t ­ m a ß e n , d, h. von Merkmalen, die einer wertenden Ausfüllung durch den Strafrichter bedürfen. Das neue Strafgesetzbuch verwendet in weit größerem Um­ fange als das bisherige derartige wertausfüllungs­ bedürftige Merkmale. An zahlreichen Stellen ver­ weist es bei der Gestaltung des Tatbestandes auf das „gesunde Volksempfinden", auf die „guten S itten" oder auf „wichtige öffentliche Interessen". Hier wäre es vom Standpunkt der Gerechtigkeit und des Vertrauens zur Rechtspflege schwer erträglich, wenn das Urteilsrügegericht zwar nachprüfen könnte, ob zum Beispiel der Tatrichter von der richtigen Vorstellung des gesunden Volksempsindens ausge­ gangen ist, dagegen nicht, ob das gesunde Volks­ empfinden im Einzelfall diesen oder jenen In h alt hat. Bei vielen anderen Tatbeständen sieht das neue Strafgesetzbuch sogenannte „besonders schwere" Fälle vor, bei denen das bisherige Recht kasuistisch geregelte Erschwerungstatbestände enthält. Würde künstig die Frage, ob der Tatrichter im Einzelfall den festge­ stellten Sachverhalt zu Recht oder zu Unrecht als einen „besonders schweren Fall" behandelt hat, der Nachprüfung des Urteilsrügegerichts entzogen, so würde dies gegenüber dem bisherigen Recht, nach dem der Revisionsrichter die Unterordnung unter die einzelnen Erschwerungsmerkmale nachprüfen kann, eine wesentliche Einschränkung der Urteilsrüge be­ deuten. Die weitgehende Verwendung von Wert­ maßelt im sachlichen Strafrecht muß somit dadurch ergänzt werden, daß für das Urteilsrügegericht die Pflicht zur Nachprüfung dieser Wertungen begründet und damit die Einheit'und Gerechtigkeit der Rechts­ anwendung durch das'höchste Gericht gesichert wird. Die Grundsätze, die hiernach für die Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen gelten, sind auch bei der Nachprüfung der S t r a f z u m e s s u n g im Rahmen der Rechtsprüsung zu beachten. D as neue Strafgesetzbuch stellt in den §§ 48 fs. gesetzliche S tra f­

bemessungsgrundsätze auf. Die darin enthaltenen Grundsätze sind Rechtsvorschristen, deren Verletzung als Fehler bei der Anwendung des Rechts zu werten ist. D as Urteilsrügegericht wird daher schon auf Grund der Rechtsprüsung im Rahmen des § 331 Nr. 2 Halbsatz 1 in einen Strafausspruch eingreifen können, der die Persönlichkeit und die Lebensführung des Angeklagten, seine Stellung und Bewährung in der Volksgemeinschaft, sein Verschulden und das Maß seiner Pflichtverletzung oder die sonstigen gesetzlichen Strasbemessungsgründe nicht ausreichend würdigt. D as gilt auch für die besonderen Straszumessungsgründe, wenn der Einzelsall Anlaß bietet, zu ihnen Stellung zu nehmen. Auch über diese tut Rahmen der rechtlichen Beur­ teilung liegende Nachprüfung hinaus obliegt es dem Urteilsrügegericht, die angefochtene Entscheidung aus Fehlgriffe bei der Ausübung des richterlichen E r­ messens, insbesondere der Bemessung der Strafe, zu überprüfen. Die Beurteilung durch das Urteilsrüge­ gericht umfaßt hiernach alle Gegenstände der Urteils­ findung, bei denen der Richter auf Grund eines ihnt durch das Gesetz eingeräumten Ermessens innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu einer Entscheidung ge­ langt ist; so z. B. die Anordnung einer nicht zwingend vorgeschriebenen Einziehung, die Ausscheidung un­ wesentlicher Taten oder die Anrechnung der Unter­ suchungshast. Ein Fehler in der Anwendung des Rechts oder bei der Ausübung des richterlichen Ermessens führt nur dann zur Aushebung des angefochtenen Urteils, wenn dieses infolge des Fehlers ungerecht erscheint. Es kann nicht Aufgabe des Urteilsrügegerichts sein, jeden Fehler in der sachlichen Entscheidung zum Anlaß zu nehmen, das Urteil aufzuheben. Is t das Urteilsrüge­ gericht der Ausfassung, daß die angefochtene Entschei­ dung zu Unrecht das Vorliegen eines besonders leichten Falles oder eines erschwerenden Tatbestands­ merkmals annimmt, oder daß — insbesondere int Falle der Tateinheit — ein anderes Strafgesetz hätte angewendet werden müssen, so kann es von der Aus­ hebung des Urteils absehen, wenn nach seiner auf die Feststellungen des Tatrichters gestützten Überzeugung das Urteil int Ergebnis gerecht ist. Es bleibt ihm alsdann aber unbenommen, auf seine abweichende rechtliche Beurteilung hinzuweisen und sie gegebenen­ falls in einer Berichtigung des Urteilsspruchs zum Ausdruck zu bringen. Dasselbe gilt, wenn das Ur­ teilsrügegericht einen Fehler bei der Ausübung des richterlichen Ermessens feststellt, der aber int Ergeb­ nis für den Strafausspruch nicht von Bedeutung ist. Bei der Entscheidung darüber, ob ein Urteil wegen eines Fehlers in der Rechtsanwendung oder bei der Ausübung des richterlichen Ermessens ungerecht ist, wirkt sich der bereits hervorgehobene Grundsatz aus, daß es für die Nachprüfung des angesochtenen Urteils ohne Belang ist, welcher Versahrensbeteiligte das Rechtsmittel eingelegt hat. Erweist sich die Urteils­ rüge des Angeklagten als unbegründet, enthält die angesochtene Entscheidung aber einen Fehler, dessen Beseitigung zur Anwendung eines schwereren S tra f­ gesetzes führen kann, so prüft das Urteilsrügegericht, ob die Entscheidung aus diesem Grunde der Gerech-

tigkeit nicht entspricht. I n diesem Falle ist auf die Anwendung des schwereren Gesetzes hinzuwirken. Entnimmt dagegen das Urteilsrügegericht aus unbe­ denklichen Feststellungen und Wertungen des ange­ fochtenen Urteils, daß auch die Anwendung des schwereren Strafgesetzes nicht zu einer fühlbaren Strafschärfung geführt haben würde, so ist die ange­ fochtene Entscheidung nicht „ungerecht" und somit ihre Aushebung nicht geboten. Die Nachprüfung durch das Urteilsrügeaericht umfaßt schließlich in engem Umfang auch das Gebiet der tatsächlichen Feststellungen. D as Urteilsrüge­ gericht hat nachzuprüfen, ob ein so schweres Bedenken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen besteht, daß eine neue Entscheidung notwendig ist (§ 331 Nr. 3). Dem Urteilsrügegericht kann nicht zugemutet werden, ein äußerlich einwandfrei begrün­ detes Urteil zu bestätigen, das sachlich ungerecht ist. Der Entwurf beabsichtigt aber nicht, die tatsäch­ lichen Feststellungen schlechthin in das Urteilsrüge­ verfahren einzubeziehen. Damit würde die Urteils­ rüge in Wahrheit zur Berufung und dem Urteils­ rügegericht eine Ausgabe gestellt werden, die es bei der großen Zahl der Urteilsrügen schon aus tech­ nischen Gründen nicht erfüllen kann. Es kommt dem Entwurf nur darauf an, unter Wahrung des Grund­ charakters der Urteilsrüge die Fesseln zu lockern, mit denen das bisherige Recht das Revisionsgericht auf die Prüfung der Rechtsfrage beschränkt. Dem Ur­ teilsrügegericht soll ermöglicht werden, im Einzelfall auf einfachem und geradem Wege der Forderung nach sachlicher Gerechtigkeit zu genügen und damit einen Widerspruch zum natürlichen Rechtsempfinden zu vermeiden. Schon bisher haben die Revisionsgerichte in ständiger Rechtsprechung beispielsweise die Ver­ letzung von Denkgesetzen und Erfahrungssätzen als Rechtsfehler gekennzeichnet und sich damit einen Weg zur Aufhebung formalrechtlich einwandfreier, aber sachlich unhaltbarer Urteile eröffnet. Die damit an­ gebahnte Rechtsentwicklung wird durch § 331 Nr. 3 fortgeführt. Dem Volke würde es unverständlich bleiben, wenn schwere Bedenken gegen die tatsäch­ lichen Feststellungen nur auf dem Umwege über Rechtsrügen geltend gemacht werden könnten. Der gegen die Revisionsgerichte mitunter erhobene Vor­ wurf übertriebener Formenstrenge und juristischer Spitzfindigkeit erklärt sich allein aus den Beschrän­ kungen, denen die Revisionsgerichte bisher bei ihrer Entscheidung gesetzlich unterworfen waren. Die Regelung des Entwurfs wird wesentlich dazu bei­ tragen, auch die Urteilsrüge volkstümlich zu machen und dem Urteilsrügegericht den Vorwurf abstraktlebensfremder Denkweise zu ersparen. D as Urteilsrügegericht ist auch zur Nachprüfung der tatsächlichen Feststellungen in dem vorgesehenen Rahmen in der Lage, ohne daß eine Arbeitsüber­ lastung zu befürchten ist. Eine gewisse Mehrbelastung könnte dadurch eintreten, daß die Verteidiger bei der Begründung der Urteilsrüge in Verkennung ihres Grundcharakters das Schwergewicht der Angriffe auf das Gebiet der tatsächlichen Feststellungen legen. D as Urteilsrügegericht ist jedoch auch künftig nicht genö­ tigt, sich mit den erhobenen Bedenken gegen die tat­

sächlichen Feststellungen in den Urteilsgründen im einzelnen auseinanderzusetzen. Es kann sich gegebe­ nenfalls auf die Bemerkung beschränken, daß sich Be­ denken der in § 331 Nr. 3 bezeichneten Art nicht er­ geben haben. Als Grundlage der Aushebung nach der Nr. 3 werden vor allem die Urteilsgründe selbst in Betracht kommen, soweit sie Unklarheiten, Widersprüche, Ver­ stöße gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder offen­ kundige Tatsachen enthalten oder ähnliche Mängel aufweisen, die dem Urteilsrügegericht ohne weiteres erkennbar sind; auch der sonstige In h a lt der Akten und Beiakten, insbesondere Urkunden und Nieder­ schriften, können Anlaß zur Nachprüfung nach dieser Bestimmung geben, etwa wenn die Feststellungen des Urteils im offenbaren Widerspruch zu dem In h a lt einer Urkunde stehen. Der Anlaß zur Nachprüfung kann sich ferner aus Beweismitteln ergeben, die der Tatrichter nicht berücksichtigt hat und die dem Ur­ teilsrügegericht durch Eingaben des Beschwerdefüh­ rers oder in sonstiger Weise zur Kenntnis gebracht werden oder ihm aus anderen Verfahren bekannt sind. I n solchen Fällen darf das Urteilsrügegericht nicht genötigt sein, die Klärung und Abänderung der Feststellungen einem von dem Betroffenen oder dem S taatsan w alt zu betreibenden Wiederaufnahmever­ fahren zu überlassen; vielmehr soll es in der Lage sein, Feststellungen, die zwar in sich widerspruchsfrei sind, aber an erheblicher innerer Unwahrscheinlichkeit leiden, selbst aufzuheben. Die vom Entwurf vorgesehene Nachprüfung der tatsächlichen Feststellungen soll grundsätzlich nicht dazu führen, daß das Urteilsrügegericht die Aufgaben des Tatrichters an sich zieht. Die Beurteilung der Tat und des Täters nach der tatsächlichen Seite ist nur aus Grund eingehender mündlicher Verhandlung möglich, die das Urteilsrügegericht regelmäßig schon wegen drohender Arbeitsüberlastung nicht durchführen kann. Daher sind die Voraussetzungen des § 331 Nr. 3 begrenzt. Die Bestimmung soll das Rügegericht nicht veranlaßen, die tasächlichen Feststellungen in jedem Falle daraufhin einer näheren Prüfung zu unterziehen, ob Bedenken gegen sie erhoben werden k ö n n t e n ; sie soll ihm eine Handhabe bieten, den Grundsätzen der Wahrheit und Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen, wenn der bisher festgestellte Sach­ verhalt nicht als Grundlage der abschließenden Ent­ scheidung hingenommen werden kann. § 332

E i n l e g u n g der U r t e i l s r ü g e Die Frist zur Einlegung der Urteilsrüge wird grundsätzlich durch die Verkündung des Urteils in Lauf gesetzt. Wird das Urteil in Abwesenheit des Angeklagten verkündet, so beginnt für ihn die Frist erst mit der Zustellung. Diese Bestimmungen schließen jedoch nicht aus, daß die Urteilsrüge nach Erlaß des angefochtenen Urteils, aber vor Beginn der Frist angebracht wird. I m übrigen sind für die Einlegung der Urteilsrüge ergänzend die allgemeinen Vorschriften über Rechtsbehelfe heranzuziehen. Nach § 302 ist das Rechtsmittel schriftlich oder mündlich zur

Niederschrift bei dem Gericht anzubringen, dessen Urteil angefochten ist; jedoch steht die Einlegung beim Urteilsrügegericht der Wirksamkeit nicht entgegen. Besondere Vorschriften gelten, wenn sich der Be­ schwerdeführer in behördlicher Verwahrung befindet (§ 302 Abs. 3). Is t beim Eingang der Urteilsrüge das angefochtene Urteil mit den Gründen dem Be­ schwerdeführer noch nicht zugestellt, so prüft das Urteilsrügegericht, ob die Einlegungsfrist gewahrt ist. Is t das nicht der Fall und das Rechtsmittel daher nach § 336 als unzulässig zu verwerfen, so erübrigt sich die Zustellung. I n allen anderen Fällen ist die Zustellung, wenn sie nicht schon aus anderen Gründen durchgeführt worden ist, ohne Rücksicht dar­ auf anzuordnen, ob dem Rechtsmittel ein anderes Gültigkeitserfordernis mangelt. Haben mehrere Beschwerdeführer das Rechtsmittel eingelegt, so muß das Urteil jedem zugestellt werden, der zum selbstän­ digen Rechtsmittelgebrauch berechtigt ist. § 333 B e g r ü n düng der U r t e i l s r ü g e D er Entwurf hält in § 333 an dem Grundsatz fest, daß die Zulässigkeit der Urteilsrüge stets von einer Begründung des Rechtsmittels abhängig ist. Durch den Begründungszwang wird erreicht, daß ein erheblicher Teil der aussichtslosen Rechtsmittel nicht durchgeführt wird; die Begründung soll ferner dem Urteilsrügegericht die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erleichtern. § 333 Abs. 2 regelt den In h a lt der Urteilsbe­ gründung. D as künftige Recht kennt keine Revisions­ anträge mehr, durch die der Beschwerdeführer die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf bestimmte Punkte beschränken kann. Die Urteilsanfechtung hemmt aus den zu § 317 angeführten Gründen die Rechtskraft der Entscheidung im ganzen; die Erklä­ rung des Beschwerdeführers, daß er nur einzelne Teile der Entscheidung angreife, ist daher für die Nachprüfung nicht bindend (§ 341). Der Entwurf bestimmt für den In h a lt der Begründung nur noch, daß sich aus ihr ergeben soll, aus welchen Fehler das Rechtsmittel gestützt wird. Soweit der Beschwerde­ führer Fehler bei der Anwendung des Rechts oder der Ausübung des richterlichen Ermessens rügen oder schwere Bedenken gegen die tatsächlichen Feststellungen geltend machen will, stellt der Entwurf keine zwin­ genden Vorschriften für den In h a lt der Begründung auf. Wird dagegen ein Fehler irrt Verfahren be­ hauptet, so ist die Angabe der Tatsachen erforderlich, in denen er erblickt wird. Aus diese nähere Aus­ führung der Rüge farm nicht verzichtet werden, weil sie meist zum Verständnis der Rüge notwendig ist und weil das Urteilsrügegericht sonst gezwungen wäre, das gesamte vorangegangene Verfahren auf etwaige M ängel nachzuprüfen. Die Bedeutung der Urteilsrügebegründung ergibt sich aus den Bestimmungen über das weitere Verfah­ ren, besonders aus den §§ 336, 341. Ist die Urteils­ rüge überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden, so ist sie als unzulässig zu verwerfen; dasselbe gilt, wenn lediglich ein Versahrensfehler behauptet, aber der

Sachverhalt, aus dem sich der Fehler ergeben soll, nicht angeführt wird. I n t übrigen ist ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 333 ohne Belang. Die Bedeutung der Begründung erschöpft sich im wesent­ lichen darin, dem Rechtsmittelgericht einen Hinweis zu geben, in welcher Richtung sich die Rüge bewegt, und dem Beschwerdeführer die Prüfung seines Vor­ bringens zu sichern. D as Urteilsrügegericht ist bei der Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht auf die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Rügegründe beschränkt; es berücksichtigt auch andere Fehler, die es bei der Prüfung der Urteilsrüge feststellt (§ 341). § 334 B egründungsfrist Die einwöchige Frist zur Begründung der Ur­ teilsrüge beginnt mit dem Ablauf der Einlegungsfrist; war in diesem Zeitpunkt das Urteil dem Be­ schwerdeführer noch nicht zugestellt, so beginnt die Begründungssrist für ihn von der Zustellung ab zu laufen. Dem Beschwerdeführer stehen also für Ein­ legung und Begründung der Urteilsrüge insgesamt zwei Wochen zur Verfügung, auch wenn ihm das Urteil schon während der Einlegungsfrist zugestellt wird. Die Bestimmungen des Absatz 1 über den Be­ ginn der Frist hindern den Beschwerdeführer nicht, die Urteilsrüge schon während der Einlegungsfrist zu rechtfertigen oder die Rechtfertigung mit der Ein­ legung zu verbinden. Bei welchem Gericht die Be­ gründung anzubringen ist, entscheidet sich ebenso wie bei der Einlegung des Rechtsmittels (vgl. zu § 333) nach den allgemeinen Vorschriften des § 302. Die int Absatz 2 zugelassene Verlängerung der Begründungssrist entspricht einem praktischen Bedürf­ nis, das insbesondere in umfangreichen Strafsachen hervorgetreten ist. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die starre einwöchige Frist des bisherigen Rechts nicht selten zu einer sachgemäßen Begründung der Revision nicht ausreicht; dieser Mangel hat häufig zu dem int Gesetz nicht vorgesehenen Verfahren geführt, die schriftlichen Urteilsgründe dem Beschwerdeführer schon vor Zustellung des Urteils formlos bekannt­ zugeben. Die künftige Regelung ermöglicht es deut Vorsitzer des Gerichts, dessen Urteil angefochten ist, nach seinem Ermessen eine dem jeweiligen Umfange der Sache angepaßte Begründungssrist festzusetzen. Der Absatz 3 berücksichtigt die Fälle, in denen eine unrichtige Fassung der Sitzungsniederschrift einen in Wirklichkeit nicht bestehenden Versahrensmangel vor­ täuscht. Stützt der Beschwerdeführer die Urteilsrüge auf den angeblichen Verfahrensmangel, indem er etwa in Übereinstimmung mit der Sitzungsnieder­ schrift behauptet, ein Beweisantrag sei entgegen der gesetzlichen Vorschrift nicht durch Beschluß beschieden worden, so werden Vorsitzer und Schriftführer des unteren Gerichts dadurch nicht gehindert, die Nieder­ schrift nach § 96 nachträglich zu berichtigen. Durch die Berichtigung wird der Urteilsrüge die Unterlage entzogen, da sie nicht mehr auf die Niederschrift gestützt werden kann. I n diesem Falle können dem Be­ schwerdeführer Uttbilligkeiten daraus entstehen, daß er im Vertrauen auf den von ihm gewählten, durch die Sitzungsniederschrist zmtächst gestützten Rügegrund

es unterlassen hat, andere, wirklich begründete Mängel geltend zu machen. Es kann aber auch, wenn er die Versahrensrüge trotz der vorgenommenen Be­ richtigung für begründet hält, für ihn Anlaß bestehen, auf andere Rügegründe zurückzugreifen, etwa wenn er die Rüge mit den für Verfahrensvorgänge allge­ mein zugelassenen Beweismitteln nicht darzutun ver­ mag. D a aber die Begründungsfrist bei Mitteilung der Berichtigung in der Regel verstrichen sein wird, gestattet § 334 Abs. 3 Satz 1 dem Beschwerdeführer, die Urteilsrüge binnen einer Woche nach Zustellung der Berichtigung neu zu begründen und andere Rügen vorzubringen, über dieses Recht ist er bei der'Zustellung der Berichtigung zu belehren. Eine Verlängerung dieser Begründungssrist sieht das Ge­ setz nicht vor; jedoch behält eine nach Absatz 2 gewährte Verlängerung der ursprünglichen Rechtfer­ tigungsfrist ihre Wirkung. § 335

F o r m der B e g r ü n d u n g F ü r die Begründung der Urteilsrüge des Ange­ klagten schreibt der Entwurf in § 335 abweichend von der allgemeinen Bestimmung des § 302 die Beob­ achtung besonderer Formen vor. Zugelassen ist nur eine vom Verteidiger des Angeklagten oder einem Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder die münd­ liche Abgabe der Erklärung durch den Angeklagten zur Niederschrift bei Gericht. Der Kreis derer, die zu einer schriftlichen Recht­ fertigung der Urteilsrüge für den Angeklagten befugt sind, umfaßt alle bei einem deutschen Gericht zuge­ lassenen Rechtsanwälte und den Verteidiger des An­ geklagten, auch wenn er im früheren Rechtszug nicht tätig gewesen ist. Will der Angeklagte die Urteils­ rüge durch eine persönliche Erklärung zur Nieder­ schrift bei Gericht rechtfertigen, so kann dies nur mündlich geschehen; schriftliche Erklärungen des An­ geklagten dürfen nicht zum Bestandteil der Begrün­ dung gemacht werden. Dem Urkundsbeamten obliegt es, das Beschwerdevorbringen des Angeklagten in eine sachgemäße Form zu bringen. Die Vorschrift gilt für alle Urteilsrügen, die vom Angeklagten oder für ihn eingelegt werden, also auch für die selbständige Urteilsrüge des gesetzlichen Ver­ treters oder des Ehemannes (§ 301), ferner für die Urteilsrüge des Einziehungsbeteiligten (§ 417 Abs. 1 Satz 3) und des Verletzten im Ehrenkränkungsver­ fahren (§ 431 Abs. 1 Satz 2). S ie ist aus den allge­ meinen Vorschriften für Rechtsbehelfe zu ergänzen (§ 302 Abs. 2 bis 4). § 336 V e r w e r f u n g dur ch d a s u n t e r e G e r i c h t Die Entscheidung über die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Urteilsrüge behält das Gesetz grundsätzlich dem Urteilsrügegericht vor. Ergibt sich aber die Ungültigkeit des Rechtsmittels schon aus einem Verstoß gegen die Vorschriften über Frist und Form, so erübrigt es sich, die Entscheidung des Ur­ teilsrügegerichts einzuholen. Demnach verwirft das untere Gericht die Urteilsrüge als unzulässig, wenn

die Einlegungsfrist nicht gewahrt, wenn die vorge­ schriebene Rechtfertigung überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig eingegangen oder wenn die in § 335 vor­ geschriebene Form für die Begründung nicht beachtet ist. Alle übrigen Gültigkeitsvoraussetzungen sind der Prüfung durch das untere Gericht entzogen. Som it entscheidet allein das Urteilsrügegericht darüber, ob der Beschwerdeführer des Rechtsmittels durch Verzicht oder Zurücknahme verlustig gegangen ist, ob ihm die Ermächtigung zur Anfechtung fehlt oder ob ein Ver­ stoß gegen die Vorschriften über den In h a lt der Ur­ teilsrügebegründung (§ 333 Abs. 2) die Unzulässig­ keit des Rechtsmittels zur Folge hat. Die Entscheidung des unteren Gerichts ergeht, wie sich aus Absatz 2 ergibt, durch Beschluß. Die gegen den Beschluß zugelassene befristete Beschwerde ist binnen einer Woche nach dessen Zustellung einzulegen, und zwar grundsätzlich bei dem Gericht, das ihn er­ lassen hat (§ 308 Abs. 2; § 302 Abs. 2). Die E nt­ scheidung über die Beschwerde weist der Entwurf ab­ weichend von § 311 im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung stets dem Urteilsrügegericht zu, weil dieses auch über die Gültigkeitsvoraussetzungen der Urteilsrüge zu befinden hat, wenn eine Borabentscheidung nach § 336 nicht ergeht oder wenn diese aufgehoben wird. Die Zuständigkeitsvorschrift be­ trifft aber nur die sachliche Entscheidung über die Beschwerde; sie berührt nicht die Befugnis des un­ teren Gerichts, die Beschwerde als unzulässig zu ver­ werfen oder ihr abzuhelfen (§ 310). Die Bestimmungen über die Vollstreckung des Urteils stellen klar, daß dem Beschwerdeführer, der gegen den Verwerfungsbeschluß die befristete Be­ schwerde eingelegt hat, kein Anspruch auf Aussetzung der Vollstreckung zusteht. Da § 309 nur die Wirkung der Beschwerde auf den angefochtenen B e s c h l u ß regelt, bedurfte es einer besonderen Vorschrift über die Vollstreckbarkeit des Urteils, das mit der unzu­ lässigen Urteilsrüge angefochten ist, und über die Be­ fugnis, die Vollstreckung auszusetzen. § 337 Weiteres Verfahren Führt die nach § 336 vorgeschriebene Vorprüfung nicht zu einer Verwerfung des Rechtsmittels, so legt das untere Gericht die Urteilsrüge des Angeklagten und ihre Begründung mit den Akten dem S taa tsa n ­ walt vor. Die Urteilsrüge des Staatsanw alts und ihre Begründung teilt es dem Angeklagten mit, der durch sie betroffen wird; das gilt auch, wenn der Staatsanw alt von dem Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten Gebrauch macht. Die im Absatz 2 zugelassene Gegenerklärung be­ darf nicht der für die Begründung vorgeschriebenen Form. Der Angeklagte kann sie schriftlich oder münd­ lich zur Niederschrift bei Gericht abgeben. Sind die Gegenerklärungen eingegangen oder die für sie be­ stimmten Fristen abgelaufen, so legt der S ta a tsa n ­ walt die Akten dem Urteilsrügegericht vor. M it dem Eingang der Akten wird die Sache beim Urteilsrüge­ gericht anhängig; diese Bestimmung hat insbesondere für die Zuständigkeit des Vorsitzers zu verfahrens­ rechtlichen Maßnahmen Bedeutung.

En t s c h e i d u n g des U r t e i l s r ü g e ­ gerichts I m Verfahren vor dem Urteilsrügegericht bleibt die formelle und die sachliche Entscheidung über das Rechtsmittel in der Regel der Hauptverhandlung vor­ behalten. Von diesem Grundsatz läßt jedoch der E nt­ wurf einige Ausnahmen zu. S in d die verfahrens­ rechtlichen Voraussetzungen der Urteilsrüge nicht er­ füllt, so kann das Urteilsrügegericht das Rechtsmittel ohne Hauptverhandlung durch Beschluß als unzulässig verwerfen. Diese Entscheidung kann im Gegensatz zu der für das Berusungsverfahren geltenden Regelung (§ 324 Abs. 1) auf alle Gründe der Unzulässigkeit gestützt werden. D as Gesetz geht dabei von der E r­ wartung aus, daß das Urteilsrügegericht nur in den rechtlich unbedenklichen Fällen einen Beschluß erläßt, dagegen die Entscheidung über Rechtsfragen, die nicht unzweifelhaft sind, in die Hauptverhandlung verweist. Der Entwurf gestattet ferner dem Urteilsrüge­ gericht, das Rechtsmittel ohne Hauptverhandlung durch Beschluß zu verwerfen, wenn es offensichtlich unbegründet ist. Diese Vorschrift ermöglicht die schnelle Erledigung aussichtsloser Urteilsrügen, ins­ besondere wenn sie auf angebliche Bedenken gegen tat­ sächliche Feststellungen oder gegen eine Ermessens­ entscheidung gestützt sind; sie setzt aber voraus, daß sich ein beachtlicher Grund für die erstrebte Aushebung des angefochtenen Urteils erkennbar nicht anführen läßt und daß diese Auffassung von allen Mitgliedern des Gerichts geteilt wird. Macht auch nur e i n erkennender Richter Bedenken gegen das angefochtene Urteil geltend, so sann das Rechtsmittel nicht mehr als offensichtlich unbegründet verworfen werden. Eine Beschlußentscheidung ist in § 316 Abs. 2 auch vorgesehen, wenn die Urteilsrüge lediglich aus eine Beschwer in den Urteilsgründen gestützt wird. § 339 Mi t t e i l u n g über d i e H a u p t v e r h a n d ­ lung Die Mitteilungen über die Hauptverhandlung und das Erscheinen des Angeklagten in der Urteilsrüge­ verhandlung regelt der Entwurf abweichend von den im ersten und im Berufungsrechtszuge geltenden Be­ stimmungen. Die Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung ist im Urteilsrügeverfahren nicht in gleichem Maße erforderlich wie bei der Verhand­ lung vor dem Tatrichter; sie ist daher dem Angeklag­ ten grundsätzlich freigestellt. Ort mit) Zeit der Haupt­ verhandlung werden ihm und dem Verteidiger mit­ geteilt; eine förmliche Ladung ist nicht vorgeschrieben. Die bisherige Regelung, die eine Benachrichtigung des Verteidigers nur auf Verlangen des Angeklagten vorsah, hat zu Unzuträglichkeiten geführt; man kann es dem meist rechtsunkundigen Angeklagten nicht überlassen, das Gericht durch einen besonderen Antrag zur Ladung des Verteidigers zu veranlassen. Der Entwurf sieht ferner die Mitteilung von Ort und Zeit der Hauptverhandlung an den gesetzlichen Vertreter, den Sorgeberechtigten und den Beistand (§ 49 Abs. 1)

vor. Findet vor dem Urteilsrügegericht eine Beweis­ aufnahme statt (§ 340 Abs. 2), so sind die vorgesehe­ nen Beweismittel auch dem Verteidiger und dem An­ geklagten vorher mitzuteilen (§ 49 Abs. 2). I n der Hauptverhandlung kann für den Angeklagten ein Ver­ teidiger auftreten; das gilt auch, wenn der Angeklagte selbst erscheint. Eine notwendige Verteidigung kennt der Entwurf im Urteilsrügeversahren nur in den Fällen, in denen eine Beweisaufnahme nach § 340 Abs. 2 stattfindet (§ 138 Abs. 2). Auch wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt, wird das Gericht gegebenenfalls zu prüfen haben, ob Anlaß besteht, dem Angeklagten nach § 139 einen Verteidiger zu bestellen. Der Vorsitzer des Urteilsrügegerichts kann nach seinem pflichtmäßigen Ermessen das persönliche E r­ scheinen des Angeklagten anordnen. Die Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung wird — abgesehen von dem Falle der Beweiserhebung — immer dann geboten sein, wenn seine persönliche An­ hörung im Interesse einer gerechten Entscheidung liegt, insbesondere wenn die von seiner Vernehmung zu erwartende weitere Aufklärung des Sachverhalts Anlaß zur Aufhebung des Urteils wegen eines Ermessenssehlers bei der Strafentscheidung oder wegen schwerer Bedenken gegen tatsächliche Feststellungen geben könnte. Dem verhafteten Angeklagten gibt das Gesetz keinen Anspruch auf Vorführung, da er sonst besser gestellt wäre als der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte, der nicht ant Sitze des Urteilsrügegerichts wohnt; zudem würde ein solcher Anspruch die Gefahr mit sich bringen, daß der Angeklagte das Verfahret! verschleppt. Hat der gesetzliche Vertreter oder der Ehemann einer Angeklagten selbständig Urteilsrüge eingelegt, so sind die für den Angeklagten geltenden Bestim­ mungen über die Mitteilung und das Erscheinen in der Hauptverhandlung auf ihn anzuwenden (§ 301 Abs. 3); dadurch werden die Vorschriften über die Mitteilung an den Angeklagten und seine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht berührt. Versäumt der Angeklagte die Hauptverhandlung ohne eigenes Verschulden, so sieht § 345 nach dem E r­ messen des Urteilsrügegerichts ihre Wiederholung vor. § 340 Gang

der V e r h a n d l u n g

D as Urteilsrügegericht entscheidet im allgemeitten auf Grund der im unteren Rechtszug getroffenen Feststellungen. Diese Tatsache wirkt sich auch im äußeren Bild der Verhandlung aus. Der festgestellte Sachverhalt wird durch den Vortrag eines mitwirken­ den Richters in das Verfahren eingeführt; dieser Vortrag erstreckt sich auch auf den Lauf des Verfah­ rens und die Beschwerdegründe. Hieran schließen sich regelmäßig die Ausführungen und Anträge des Staatsanw alts, und, wenn sie anwesend sind, des Verteidigers und des Angeklagten. Der Beschwerde­ führer soll zuerst gehört werden; dem Angeklagtett steht das letzte Wort zu. Diese Gestaltung der Verhandlung bildet die Regel. Im Gegensatz zum bisherigen Recht läßt aber der Entwurf auch eine neue Beweisaufnahme vor li

bem Urteilsrügegericht zu. Diese Befugnis zu eigener Beweisaufnahme bildet eine Ergänzung zu der in § 331 Nr. 3 vorgesehenen Nachprüsungspflicht bei schweren Bedenken gegen die tatsächlichen Feststel­ lungen. D as Urteilsrügegericht kann seine Aufgabe insoweit nur dann voll erfüllen, wenn ihm die Mög­ lichkeit gegeben wird, sich notfalls ein eigenes Bild von dem Tathergang zu verschaffen. Die eigene T a t­ sachenfeststellung muß allerdings auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, da sonst das Urteilsrügegericht seiner Hauptaufgabe — der Rechtsnachprüsung — zu sehr entzogen würde. Sie wird im allgemeinen nur dann in Betracht kommen, wenn es sich nicht um umfangreiche und zeitranbende, sondern um leicht und schnell zu treffende Ergänzungen der tatsächlichen Feststellungen handelt. Ergibt sich etwa, daß die an­ geblich entwendete Sache sich im Gewahrsam des Be­ rechtigten befindet und dies sofort nachgewiesen werden kann, oder legt der Angeklagte eine später aufgefun­ dene Quittung über die rechtzeitige Ablieferung des angeblich veruntreuten Geldbetrages vor, so wäre es unvernünftig, die Sache zur erneuten Verhandlung an den Tatrichter zurückzuverweisen oder den Verur­ teilten gar auf bett Weg der Wiederaufnahme zu verweisen. Der Entwurf bindet die Beweisaufnahme vor dem Urteilsrügegericht an einen Antrag des Ober­ reichsanwalts. Der Justizverwaltung wird damit die Möglichkeit gegeben, aus eine einheitliche Handhabung hinzuwirken. Das Urteilsrügegericht soll auch bei einem Antrag des Oberreichsanwalts freie Hand be­ halten und nicht gezwungen sein, eine beantragte Be­ weisaufnahme durchzuführen. Ordnet das Urteilsrügegericht eine Beweisauf­ nahme an, so muß es grundsätzlich in der Sache neu verhandeln und entscheiden; es gelten dann insoweit die gleichen Grundsätze wie im Berufungsverfahren. Die Beweisaufnahme ist grundsätzlich auf den gesamteit Sachverhalt zu erstrecken, da sich nur so ein voll­ ständiges Tatbild gewinnen läßt. Ähnlich wie im Berufungsverfahren kann aber auch das Urteils­ rügegericht Feststellungen über einzelne von mehreren Taten, abtrennbare Teile einer T at oder andere V or­ gänge, die selbständig festgestellt werden können, seiner Entscheidung zugrundelegen, wenn sie nach seiner Überzeugung im angefochtenen Urteil einwandfrei getroffen sind. Anders als im Berufungsversahren setzt jedoch die Übernahme solcher Feststellungen nicht voraus, daß sie vom Staatsanw alt und vom Ange­ klagten nicht beanstandet werden. Eine derartige Abhängigkeit von der Stellungnahme des S ta a tsa n ­ walts und des Angeklagten würde unter Umständen zu einer unerträglichen, mit den besonderen Ausgaben des Urteilsrügegerichts unvereinbaren Ausweitung der Beweisaufnahme führen, die dazu Veranlassung geben könnte, von eigener Beweisaufnahme auch da abzusehen, wo sie an sich sachlich geboten und ange­ messen ist. D as Urteilsrügegericht kann die Beweise selbst ausnehnten oder durch einen beauftragten oder ersuch­ ten Richter aufnehmen lassen. Die Beweisaufnahme ist nach den Regeln vorzunehmen, die für die Haupt­ verhandlung im ersten Rechtszuge gelten. Die An­

wesenheitspflicht des Angeklagten richtet sich nach § 339; der Vorsitzer wird in der Regel das persönliche Erscheinen des Angeklagten anordnen, wenn eine Beweisaufnahme vor dem Urteilsrügegericht ange­ ordnet wird oder wenn mit ihr zu rechnen ist. § 341

Umf a n g der P r ü f u n g D as künftige Recht bestimmt den Bereich der Nachprüfung des angefochtenen Urteils im Urteilsrügeversahren nach dem Grundsatz, daß der Entschei­ dung des Gerichts kein Verstoß entzogen werden darf, dessen Beseitigung zur Wahrung der Gerechtigkeit und der Rechtseinheit geboten ist. Der Entwurf kennt daher auch keine Bindung des Urteilsrügege­ richts an die vorgeschriebene Rechtfertigungsschrist. Beschränkt sich diese darauf, nur einzelne der im § 331 aufgeführten Mängel zu rügen, so ist diese Begren­ zung für den Umfang der Nachprüfung durch das Ur­ teilsrügegericht nicht bindend. Die Prüfung des Urteilsrügegerichts hat sich nach § 311 Abs. 1 unabhängig von der Rüge des B e­ schwerdeführers in jedent Falle daraus zu erstrecken, ob das angefochtene Urteil wegen eines Fehlers bei der Rechtsanwendung oder bei der Ausübung des richterlichen Ermessens ungerecht ist oder ob schwere Bedenken gegen die tatsächlichen Feststellungen be­ stehen, so daß eine neue Entscheidung erforderlich ist. Im Rahmen der Nachprüfung auf sachliche Mängel ist Gegenstand der Beurteilung nicht das Vorbringen des Beschwerdeführers, sondern das Urteil des T a t­ richters. Diese Beurteilung muß sich im Gegensatz zur Prüfung der Verfahrensmängel (Absatz 2) stets aus alle Teile der angefochtenen Entscheidung erstrecken; sie kann aus die Prüfung von Fehlern, die das an ­ gefochtene Urteil ungerecht erscheinen lassen, oder von schweren Bedenken gegen die tatsächlichen Feststel­ lungen nicht deshalb verzichten, weil der Beschwerde­ führer den Mangel nicht geltend gemacht hat. Die Rüge, daß das Urteil gegen das sachliche Recht ver­ stoße, hat mithin nur die Bedeutung, daß sie die Rich­ tung weist, in der die Nachprüfung erbeten wird, und dem Beschwerdeführer die Prüfung der behaup­ teten Mängel sichert. Die Nachprüfung des Urteils auf die richtige An­ wendung des sachlichen Rechts hat grundsätzlich von dem Rechtszustand auszugehen, der im Zeitpunkt der Aburteilung durch den T a t richter bestanden hat. Hat sich aber das Recht nach der Verkündung des an­ gefochtenen Urteils geändert, so ist die Prüfung auch darauf zu erstrecken, ob Anlaß besteht, das neue Recht anzuwenden. Ob das sachliche Strafrecht die Anwen­ dung des neuen Rechts zuläßt, richtet sich nach § 80 StG B . Bei der Überprüfung des Verfahrens kann das Urteilsrügegericht wesentlich zurückhaltender sein als bei der Nachprüfung der Anwendung des sachlichen Rechts. Es geht bei der Verfahrensprüfung zunächst von der Begründung der Urteilsrüge aus. Wenn kein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, kann grund­ sätzlich davon ausgegangen werden, daß solche Fehler nicht vorgekonnnen sind. I n den Urteilsgründen

I n h a l t de r E n t s c h e i d u n g

entscheiden oder sie zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen. I m Interesse der Beschleu­ nigung und Vereinfachung des Verfahrens gestattet das Gesetz dem Urteilsrügegericht künftig die eigene Entscheidung, wenn es auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils oder auf Grund des Ergebnisses der von ihm selbst durchge­ führten Beweisaufnahme dazu in der Lage ist. J lt diesem Falle kann das Gericht je nach dem Ergebnis der Verhandlung auf Freisprechung oder auf Ein­ stellung des Verfahrens erkennen; es kann ferner den Schuldspruch ändern oder berichtigen. Verfällt der Schuldspruch der Aufhebung, weil ein unrichtiges Strafgesetz angewendet worden ist, so wird sich der Mangel durch Anwendung des zutreffenden Gesetzes beheben lassen, wenn der Sachverhalt zweifelsfrei feststeht und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Änderung vorliegen (vgl. § 76). Die S tra f­ bemessung durch das Urteilsrügegericht wird nur ausnahmsweise in Frage kommen, wenn die tat­ sächlichen Feststellungen des aitgefochtenen Urteils unverändert bleiben oder nach § 340 Abs. 2 eine B e­ weisaufnahme vor dem Urteilsrügegericht stattgefun­ den hat und wenn außerdem der Angeklagte in der Urteilsrügeverhandlung zugegen war. Eine eigene Strafentscheidung ist aber auch möglich, wenn eine absolut bestimmte Strafe zu verhängen ist oder trenn eine gesetzlich nicht zulässige Nebenstrafe in Wegfall zu bringen oder der Strafausspruch durch eine solche zu ergänzen ist (z. B. Eidesuntauglichkeit im Falle des § 379 Abs. 1 StG B .). Hebt das Urteilsrügegericht das angefochtene Ur­ teil wegen schwerer Bedenken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen auf, so ist in der Regel die Zurückverweisung der Sache an den Tatrichter gebo­ ten. Nur in Ausnahmefällen wird Anlaß bestehen, die aufgehobenen Feststellungen auf Grund einer nach § 340 Abf. 2 durchgeführten Beweisaufnahme durch eigene Feststellungen des Urteilsrügegerichts zu er­ setzen. Auf die Begründung zu § 340 kann wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

T ie Bestimmung regelt den In h a lt der Entschei­ dung, die das Urteilsrügegericht auf Grund einer Hauptverhandlung im Wege des Urteils (§ 338 Satz 1) erläßt. D as Urteil kann nur auf Verwerfung des Rechtsmittels oder Aufhebung des angefochtenen Urteils lauten. Aus diesem Grundsatz folgt, daß über mehrere, von verschiedenen Beteiligten einge­ legte Urteilsrügen stets durch dasselbe Urteil zu ent­ scheiden ist. D as Gericht verwirft das Rechtsmittel durch Ur­ teil als unzulässig, wenn ihm eine Gültigkeitsvoraus­ setzung mangelt, dagegen als unbegründet, wenn es sich sachlich als ungerechtfertigt erweist. Reben der Verwerfung ist eine Berichtigung des Urteilsspruchs zulässig, wenn dieser unvollständig oder unklar ist. Führt etwa der Urteilsspruch das Strafgesetz unrich­ tig an, bedarf aber der Sachverhalt keiner veränder­ ten rechtlichen Würdigung, so kann das Urteilsrüge­ gericht den Urteilsspruch in dem Sinne richtig stellen, der sich aus den Gründen des Urteils ergibt. Hebt das Urteilsrügegericht das angefochtene I t r teil auf, so kann es entweder in der Sache selbst

^ Entscheidet das Urteilsrügegericht nicht in der Äache selbst, so ist diese in der Regel an das Gericht zurückzuverweisen, dessen Urteil angefochten ist. Be­ steht Anlaß, ein anderes Gericht mit der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu betrauen, so samt die Sache jedem anderen Gericht derselben Ordnung übertragen werden, auch wenn es dem früheren Ge­ richt nicht benachbart ist. Dabei ist eine andere Ab­ teilung desselben Gerichts nicht als „anderes Gericht" anzusehen. Die Anwendung dieser Grundsätze hat aber zur Voraussetzung, daß das Urteilsrügegericht die Annahme der Zuständigkeit des unteren Gerichts nicht beanstandet. Hebt das Urteilsrügegericht wegen Mangels der Zuständigkeit des unteren Gerichts das angefochtene Urteil auf, so muß es die Sache — wie der Entwurf nicht mehr ausdrücklich hervorhebt — stets an das zuständige Gericht verweisen. Aber auch wenn nach der rechtlichen Beurteilung.des Urteils­ rügegerichts ein niedrigeres Gericht zur Aburteilung zuständig ist, muß ihm verstattet sein, die Sache nach seinem Ermessen an das frühere Gericht oder an das Gericht niederer Ordnung zu verweisen.

braucht sich deshalb das Urteilsrügegericht im allge­ meinen nur mit den geltend gemachten VerfahrensMängeln auseinanderzusetzen. Abweichend vom bishe­ rigen Recht muß jedoch das Urteilsrügegericht auch einen nicht gerügten Fehler im Verfahren berücksich­ tigen, wenn er bei der allgemeinen Prüfung bemerkt wird. Diese Erweiterung entspricht einem zwingen­ den Gebot der Gerechtigkeit. Die Ermittlung von Versahrensmängeln und die Durchschlagskraft der Versahrensrüge hängen häufig von der Geschicklichkeit und Gründlichkeit des Verteidigers ab. Solche Zu­ fälligkeiten dürfen den Erfolg einer Urteilsrüge nicht beeinflussen, wenn das Verfahren tatsächlich in wesent­ lichen Punkten fehlerhaft war. Wenn das Urteils­ rügegericht auf solche Fehler stößt, so muß es dem Rechtsuchenden auch dann Helsen können, wenn dieser die Abhilfe in einer falschen Richtung oder mit einer unrichtigen Begründung erbeten hat. D as bedeutet aber keineswegs, daß künftig das Urteilsrügegericht die gesamten Akten auf Verfahrensfehler hin zu über­ prüfen hätte. Eine solche Aufgabe würde das Ur­ teilsrügegericht übermäßig belasten. Bei der Prüfung von Verfahrensmängeln kann das Urteilsrügegericht dienstliche Äußerungen oder schriftliche Auskünfte über Verfahrensvorgänge — z. B. über die Vereidigung eines Zeugen — einholen; es kann ferner Ermittlungen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder in sonstiger Weise vor­ nehmen lassen. Der Prüfung des Urteilsrügcgerichts unterliegen int Rahmen des § 341 auch solche sachlichen Fehler und Verfahrensmängel, die in einer dem Urteil vor­ ausgegangenen Entscheidung enthalten sind. Richter­ liche Beschlüsse und Verfügungen, die nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des Urteils erlassen werden, können grundsätzlich nur im Rahmen der Urteilsanfechtung angegriffen werden (§ 307). § 342

li*

Nach Absatz 3 kann das Urteilsrügegericht eine Freiheitsentziehung (also nicht n u r die Untersuchungs­ haft), die der Angeklagte seit der Verkündung des angefochtenen U rteils erlitten hat, auf die S tra fe a n ­ rechnen. E s entspricht häufig der Billigkeit, in V er­ fahren, in denen auf die U rteilsrüge des Angeklagten das angefochtene U rteil aufgehoben und ‘Me Sache vom Urteilsrügegericht selbst entschieden wird, die in ­ zwischen erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, mag auch der Strafausspruch im Ergebnis aufrecht­ erhalten werden. D ie Vorschrift gilt aber auch dann, wenn das Rügegericht die U rteilsrüge als unzulässig oder unbegründet verw irft. D ie Entscheidung des Urteilsrügegerichts wird bisweilen durch Umstände verzögert, die dem Angeklagten nicht zur Last gelegt werden können. D a s gilt insbesondere, wenn zur W ahrung der Rechtseinheit der Große S e n a t (§§ 348, 349) angerufen werden muß. D ie Anrechnung kann sich aber n u r aus eine Freiheitsentziehung erstrecken, die der Angeklagte aus A nlaß einer T a t erlitten hat, die Gegenstand des V erfahrens, wenn auch nicht der V erurteilung ist (§ 88 Abs. 1). § 343

Entscheidung über d i e tatsächlichen F e st st e l l u n g e n Hebt das Urteilsrügegericht das angefochtene U r­ teil auf und verweist es die Sache zu neuer V erhand­ lung und Entscheidung zurück, so ist die H auptver­ handlung vor dem Tatrichter grundsätzlich in vollem Umfange zu erneuern. D a s folgt aus dem Grundsatz der Unteilbarkeit des S trafverfahrens; eine teilweise Rechtskraft, die n u r einzelne Bestandteile der ta t­ richterlichen Entscheidung um faßt, kennt der E ntw urf nicht. Nach § 343 entscheidet das Urteilsrügegericht im F alle der Zurückverweisung stets darüber, ob und inwieweit die tatsächlichen Feststellungen des ange­ fochtenen U rteils aufgehoben werden. Demnach hat das Urteilsrügegericht stets zu prüfen, ob und in welchem Umfange der Fehler, der zur Aushebung führt, sich auf die tatsächlichen Feststellungen erstreckt. Liegt ein Fehler im V erfahren vor, so ist darüber zu entscheiden, ob er innerhalb des der Feststellung zu­ grundeliegenden V erfahrens begangen worden ist. B ei einem Fehler in der Rechtsanwendung oder in der Ausübung des richterlichen Ermessens ist zu prüfen, ob der Fehler im Bereich der Feststellungen liegt oder n u r in der auf die Feststellung des Sachverhalts fol­ genden w eiteren Entscheidung des Tatrichters. W ird die Aufhebung des U rteils aus schwere Bedenken gegen die tatsächlichen Feststellungen gestützt, so steht nichts im Wege, die Beanstandung aus bestimmte Feststellungen zu beschränken. D ie vom Urteilsrügegericht nicht aufgehobenen tatsächlichen Feststellungen des früheren U rteils kann der Tatrichter der neuen V erhandlung und Entschei­ dung zugrundelegen. D as gilt auch, wenn das frühere U rteil von einem anderen als dem nunm ehr entschei­ denden Gericht erlaffen ist (§ 342 Abs. 2). Demnach kann der Tatvichter auf eine Beweiserhebung über einen Sachverhalt verzichten, der nicht mehr streitig ist, insbesondere wenn mehrere selbständige S tr a f ­

taten oder wenn Sam m eltaten abzuurteilen sind. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfange die nicht aufgehobenen Feststellungen des früheren U rteils übernommen werden, steht im Ermessen des T atrichters. Eine B indung an diese Feststellungen kennt der Entw urf nicht; sie würde die Gefahr mit sich bringen, daß der Tatrichter gehindert wird, im Interesse der sachlich gebotenen Entscheidung auf G rund veränderter richterlicher Überzeugung von den früheren Schuldfeststellungen abzuweichen. D ie zu­ gelassene Übernahme einzelner Teile der früheren Entscheidung befreit den Richter nicht von der Pflicht, die Feststellungen, die er übernehmen will, auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen, auch wenn sie von keiner S eite beanstandet worden sind; er darf sie seinem U rteil nur zugruudelegen, wenn sie einer Überprüfung standhalten, mit dem Ergebnis der neuen H auptver­ handlung im Einklang stehen und insbesondere keine erkennbaren Widersprüche, Unklarheiten oder Lücken enthalten. N ur unter dieser Voraussetzung kann in den U rteilsgründen aus sie Bezug genommen werden. § 344 W i r k u n g auf M i t a n g e k l a g t e Is t ein Urteil gegen mehrere Angeklagte ergangen, so ist der E in tritt der Rechtskraft und die Wirkung einer Anfechtung für die Entscheidung gegen jeden Angeklagten selbständig zu bestimmen. W ird nu r die Entscheidung über einzelne Angeklagte angefochten, so berührt die Anfechtung nicht die Rechtskrastwirkung des U rteils für die übrigen. D er E ntw urf läßt jedoch Eingriffe in die Rechtskraft der Entscheidung über einen M itangeklagten im U rteilsrügeverfahren aus den gleichen Erwägungen wie bei der Berufung zu (vgl. zu § 327), um widersprechende Entschei­ dungen in demselben Strafverfahren zu vermeiden. Dabei geht der Entw urf weit über das bisherige Recht (§ 357 S tP O .) hinaus, das die Einbeziehung des rechtskräftig abgeurteilte^ M itangeklagten nu r zu feinen Gunsten und nur wegen einer Gesetzesver­ letzung bei der Anwendung des Strafrechts zuläßt. Künftig ist die rechtskräftige Entscheidung über den M itangeklagten schon dann als angefochten zu behan­ deln, wenn die Verhandlung vor dem U rteilsrüge­ gericht einen G rund zur Aushebung des U rteils ergibt und dieser G rund auch die schon rechtskräftige E n t­ scheidung über einen M itangeklagten beeinflußt hat. Voraussetzung für die Anwendung der Bestim­ m ung ist, daß der U rteilsrüge stattgegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben w ird; die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn das Urteilsrügegericht den (sachlich zutreffenden) Urteilsspruch nur berich­ tigt, das Rechtsmittel aber als unbegründet verwirft. F ern er ist erforderlich, daß derselbe ^Grund, der zur Aufhebung führt, auch die Entscheidung gegen den M itangeklagten beeinflußt hat. Dabei kommen alle F ehler in Betracht, die im Rahmen des § 331 der P rüfung des Urteilsrügegerichts unterliegen, außer den Rechts- und Verfahrensfehlern also auch Fehler in der Ausübung des richterlichen Ermessens und schwere Bedenken gegen die tatsächlichen Feststel­ lungen. § 344 ist aber nur dann anzuwenden, wenn die gegen den M itangeklagten ergangene Entscheidung

in demselben Urteil enthalten ist, gegen das sich die Urteilsrüge des Angeklagten richtet. Ist sie in dem­ selben Strafverfahren ans Grund derselben Anklage, aber in einem anderen Urteil ergangen, so bleibt allein der Weg der Wiederaufnahme. Dagegen ist für die Anwendung der Vorschrift nicht Voraussetzung, daß beide Angeklagte wegen Beteiligung an derselben Tat verurteilt worden sind. Zum Unterschied von der für die Berufung geltenden Regelung (§ 327) ist schließlich die Einbeziehung des Mitangeklagten nicht davon abhängig, daß eine wesentlich andere Entschei­ dung über den Mitangeklagten zu erwarten ist. Stellt das Urteilsrügegericht einen Mangel im Verfahren oder einen Fehler fest, der das angefochtene Urteil ungerecht erscheinen läßt, so ist schon aus diesem Grunde die Aufhebung des Urteils auf den M itan­ geklagten zu erstrecken, der von dem Mangel mitbetrosfen wird; es kann dann nicht mehr von Bedeutung sein, ob eine wesentlich andere Entscheidung gegen ihn zu erwarten ist. Dasselbe gilt, wenn die schweren Bedenken, die gegen tatsächliche Feststellungen des an­ gefochtenen Urteils bestehen, auch gegen die Entschei­ dung über den Mitangeklagten zu erheben sind. Treten die Voraussetzungen für die Anwendung des § 344 im Urteilsrügeversahren erkennbar hervor, so ist das Urteilsrügegericht gehalten, von Amts wegen die Entscheidung auf den Mitangeklagten aus­ zudehnen; dabei ist es ohne Belang, ob die Urteils­ rüge vom Angeklagten oder von einem anderen Be­ rechtigten eingelegt worden ist. Der S taatsanw alt und der Mitangeklagte, aus den das Verfahren er­ streckt werden soll, sind wie int Berufungsverfahren vorher zu hören. Wird eine Beweisaufnahme nach § 340 Abs. 2 durchgeführt, so kann die Einbeziehung auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung beschlossen werden. S ind die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, so hat das Gericht so zu verfahren, als ob auch die gegen den Mitangeklagten ergangene Entscheidung mit der Urteilsrüge angefochten wäre. Diese gesetzliche Annahme gilt auch, wenn der M it­ angeklagte zwar die Urteilsrüge eingelegt, aber die gesetzlichen Fristen und Formen für Einlegung und Begründung nicht beachtet hat. Macht das Gericht von der ihm nach § 344 Abs. 1 eingeräumten Befug­ nis Gebrauch, so kann es nunmehr auch über den M it­ angeklagten entweder in der Sache selbst entscheiden oder sie zurückverweisen (§ 342). Die Entscheidung kann nach dem Grundsatz des § 304 zu Gunsten oder zu Ungunsten des Mitangeklagten ergehen. Bestehen Anhaltspunkte dafür, daß im Urtcilsrügeverfahren oder in der neuen Verhandlung vor­ dem Tatrichter eine dem Verurteilten wesentlich günstigere Entscheidung ergehen wird, so wird es häufig geboten sein, die schon eingeleitete S trafvoll­ streckung auszusetzen. Absatz 2 räumt daher dem V or­ sitzer des Urteilsrügegerichts oder des Gerichts, das auf Grund einer Zurückverweisung in der Sache zu entscheiden hat, die Befugnis ein, die Aussetzung an­ zuordnen. Die schon vollstreckte Strafe kann im weiteren Verfahren vor dem Tatrichter nach den all­ gemeinen Grundsätzen angerechnet werden (§ 88 Abs. 2, 4). Die hiernach anzuwendenden Vorschriften gelten entsprechend, wenn das Urteilsrügegericht in der Sache selbst entscheidet.

Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung D as Erscheinen des Angeklagten in der Hauptverhandluntz vor dem Urteilsrügegericht ist nur unter der Voraussetzung gesetzlich vorgeschrieben, daß der Vorsitzer es. im Einzelfalle anordnet. Sonst steht es im Belieben des Angeklagten, der Verhandlung fern­ zubleiben oder zu veranlassen, daß für ihn ein Ver­ teidiger auftritt (§ 339). D as Ausbleiben des Ange­ klagten ist für ihn nicht schon kraft Gesetzes mit Rechtsnachteilen verbunden; insbesondere sieht der Entwurf — abweichend von der im Berufungsver­ fahren geltenden Regelung (§ 328) — nicht vor, daß die Urteilsrüge des Angeklagten für zurückgenommen erklärt werden kann. Dem Angeklagten, der an der Urteilsrügeverhandlung nicht teilnimmt und für den kein Verteidiger auftritt, kann aber ein Nachteil dar­ aus entstehen, daß er nicht in der Lage ist, entgegen seiner Absicht persönlich dem Urteilsrügegericht Ge­ sichtspunkte vorzutragen, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Der Entwurf bestimmt daher in § 315, daß das Urteilsrügegericht aus den Antrag des Angeklagten, der ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung ganz oder teilweise versäumt hat, die Wiederholung der Hauptverhandlung anordnen kann. Die Entscheidung hierüber ist im Gegensatz zu der im ersten und im Berusungsrechtszuge geltenden Regelung (§§ 58, 328) in das Ermessen des Urteils­ rügegerichts gestellt; eine Wiederholung der Haupt­ verhandlung kommt aber nur in Betracht, wenn im Einzelfalle Gründe für die Annahme vorliegen, daß die unverschuldete Säum nis dem Angeklagten nach­ teilig gewesen ist . F ü r den Antrag und das weitere Verfahren gelten die §§ 351, 352. § 346 d i e r echt l i che B e u r t e i ­ lung Hebt das Urteilsrügegericht das angefochtene Ur­ teil auf und verweist es die Sache zu neuer Verhand­ lung und Entscheidung zurück, so ist das Gericht, an das zurückverwiesen wird, an die rechtliche Beurtei­ lung gebunden, auf die das Urteilsrügegericht die Aufhebung des Urteils gestützt hat. Der Entwurf sieht davon ab, die Bindung auf die vom Urteils­ rügegericht nur vorsorglich ausgesprochenen Rechtssätze auszudehnen, da diese vor völliger Klärung des Tatbildes keine endgültige Entscheidung in der Rechtsfrage enthalten. Die rechtliche Beurteilung, auf die sich die Bindung erstreckt, umfaßt die Anwen­ dung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen, also auch die der Nachprüfung des Urteilsrügegerichts im Rahmen der Rechtsprüsung unterliegende Wertung, ferner die Stellungnahme zur Frage der Gesetzmäßig­ keit des Verfahrens, nicht aber die sonstigen Gründe, die nach § 331 zur Aufhebung des Urteils geführt haben. Die Frage, ob das Urteilsrügegericht an seine eigene rechtliche Beurteilung gebunden ist, wenn es mit derselben Sache wiederholt befaßt wird, ist in § 346 nicht geregelt. Eine Bindung des unteren Ge­ richts an die t a t s ä c h l i c h e n Feststellungen des Urteilsrügegerichts kennt der Entwurf nicht.

Bindung

an

D ritter Abschnitt Wahrung der Rechtseinheit

D ie Umstellung vom Gesetzesdenken zum Rechts­ denken, eine der weittragenden Auswirkungen der nationalsozialistischen Rechtserneueruna, hat schon im bisherigen Recht in steigendem M aße zu der Erkennt­ nis gesührt, daß die Rechtsfindung aus dem gesunden Rechtsempfinden des Volkes schöpft. I m Bereich des Strafrechts tritt diese W andlung insbesondere in den durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. J u n i 1935 eingeführten Bestimmungen über die entsprechende Anwendung des Strafgesetzes her­ vor, die darauf abzielen, jeden, der sich gegen die völ­ kische Rechtsordnung vergangen hat, für sein T u n der verdienten S tra fe zuzuführen. D ie erweiterte Rechts­ schöpfung durch den S trafrichter und die hierdurch bedingte Fortentwicklung des Rechts erfordern beson­ dere M aßnahm en, die eine einheitliche Auslegung und Fortbildung des Rechts sichern und zugleich ver­ hindern, daß durch widersprechende Entscheidungen in offensichtlich gleichliegenden F ällen der Glaube an das Recht und das Ansehen der Strafrechtspflege geschädigt wird. Diesem Zwecke dienen die im dritten Abschnitt des zweiten Hauptstücks zusammengefaßten besonderen Vorschriften zur W ahrung der Rechtseinheit. D er Entw urf knüpft dabei an Grundgedanken des Gesetzes vom 28. J u n i 1935 zur Änderung von Vorschriften des S trafverfahrens und des Gerichtsversaffungsgesetzes an. Abweichend von dem allgemeinen Rechts­ mittelzug ließ dieses Gesetz unter gewissen V o rau s­ setzungen die A nrufung des Reichsgerichts statt des zuständigen Oberlandesgerichts zu, wenn und soweit die entsprechende Anwendung eines Strafgesetzes in F rag e steht. E s setzte ferner G roße S enate beim Reichsgericht m it der besonderen Ausgabe ein, inner­ halb des Reichsgerichts die F ortbildung des Rechts zu fördern und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren. Z u r F örderung der Rechtsentwicklung be­ stimmte es endlich, daß die S en ate des Reichsgerichts bei der Entscheidung über Rechtsfragen von den vor dem 1. Septem ber 1935 ergangenen Erkenntnissen abweichen können. D ie erweiterte richterliche Rechtsschöpfung und die allsgedehnte Anwendung des richterlichen Ermessens int künftigen Strafrecht läßt es geboten erscheinen, den bisher eingeschlagenen Weg w eiter zu verfolgen. D er E ntw urf verpflichtet deshalb in § 347 das O ber­ landesgericht, in Beschwerdesachen die Entscheidung des Reichsgerichts einzuholen, wenn über eine Rechts­ frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist und das Oberlandesgericht die A nrufung des Reichsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält. D as gilt auch, wenn der G eneralstaatsanw alt aus diesen G ründen die Vorlegllng beantragt. Durch diese Regelung sollen Elltscheidungen, die nach den allgemeineli Vorschriften im Beschwerdeverfahren tun: der Nachprüfung durch das Oberlandesgericht unterliegen, in besonderen Fällen dem Spruchbereich des Reichsgerichts zugäng­ lich gemacht werden. Die w eiteren Bestimmungen des Abschnitts dienen der W ahrung einer einheitlichen

Rechtsprechmlg innerhalb des Reichsgerichts. D er er­ kennende S e n a t ruft in Rechtsfragen von grundsätz­ licher Bedeutung den Großen S e n a t für Strafsachen beim Reichsgericht an, wenn er das zur W ahrung einer einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält oder wenn der Oberreichsanwalt aus diesen Gründen die Vorlegung beantragt. (§ 348). F ern er muß der er­ kennende S en at den Großen S e n a t anrufen, wenn er in einer Rechtsfrage tion der Entscheidung eines anderen S trafsenats oder des Großen S en ats für Strafsachen abweichen will (§ 349 Abs. 1). Die E in ­ heit der Rechtsprechung zwischen den Z ivil- und ben S trafsenaten des Reichsgerichts w ird durch die V er­ einigten G roßen S en ate des Reichsgerichts gewahrt. D ie Schlußbestimmung des Abschnitts regelt das V er­ fahren vor den G roßen Senaten, deren Zusammen­ setzung das Gerichtsverfassungsgesetz bestimmt. D er E ntw urf beschränkt die vorgeschriebene A n­ rufung eines höheren Gerichts oder eines besonderen S e n a ts auf ein M indestmaß. In n erh alb des Volks­ gerichtshofs bedarf es zur W ahrung einer einheit­ lichen Rechtsprechung nicht wie beim Reichsgericht eines besonderen S en ats. D er Entscheidungsbereich des Volksgerichtshofs erstreckt sich aus ein enges Rechtsgebiet und um faßt in weit größerem M aße als beim Reichsgericht das Gebiet der tatsächlichen Fest­ stellungen. Schließlich erscheint es auch nicht geboten, die Einheit der Rechtsprechung zwischen dem Reichs­ gericht utld dem Volksgerichtshof durch eine beide überdachende Einrichtung zu sichern. Die Einheit der Rechtsprechung der im ersten Rechtszuge entscheidenden Oberlandesgerichte wird durch die allgemeinen Bestimtnungen ausreichend ge­ sichert. D ie Oberlandesgerichte entscheiden als Gerichte des ersten Rechtszuges nu r in den an sie abgegebenen, ursprünglich zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörenden Sachen (§ 102). Ergibt sich in einer hiernach in die Zuständigkeit des Ober­ landesgerichts fallenden Strafsache eine grundsätzliche Rechtsfrage, so kann die Entscheidung des Volks­ gerichtshofs dadurch herbeigeführt werden, daß der O berreichsanwalt die Abgabe oder die Zustimmung zur Verweisung an das Oberlandesgericht nach § 103 Abs. 4 zurücknimmt. D er E ntw urf verzichtet deshalb darauf, die A nrufung eines höheren Gerichts vorzuschreiben, wenn ein Oberlandesgericht von der Rechtsauffassung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will; die Vielzahl der oberlandesgericht­ lichen Entscheidungen würde zudem die Anwendung einer solcheti Vorschrift überaus erschweren. § 347 E i n h o l u n g der E n t s c h e i d u n g de s

Reichsgerichts W ird in einem richterlichen Beschluß oder in einer richterlichen Verfügung über eine Rechtsfrage ent­ schieden, so besteht nad) den allgemeinen Vorschriften in der Regel keine Möglichkeit, die Rechtsfrage im Wege der Anfechtung einer Nachprüfung durch das Reichsgericht zu unterbreiten; eine Ausnahm e gilt nur für die zur Vorbereitung eines U rteils erlasietten Entscheidungen des Landgerichts, die mit der U rteils­ rüge attgefochten werden (§ 307). S ow eit dagegen

allein das Beschwerdeversahren zugelassen ist, ent­ scheidet im letzten Rechtszuge die Strafkam m er, wenn die Beschwerde gegen eine Entscheidung des A m ts­ richters erhoben w ird, sonst das Oberlandesgericht (§ 311). D er E ntw urf berücksichtigt jedoch auch die Fälle, in denen sich im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht A nlaß ergibt, zur K lärung wichtiger Rechtsfragen eine grundsätzliche Entscheidung des Reichsgerichts herbeizuführen; so z. B . bei Entschei­ dungen über die Untersuchungshaft oder andere Zw angsm ittel, über die Einstellung des V erfahrens außerhalb der H auptverhandlung oder über die Voll­ streckung nach Rechtskraft des U rteils. H at das O ber­ landesgericht in einer Beschwerdesache über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent­ scheiden, so legt es nach § 347 die Sache dem Reichs­ gericht vor, wenn dies nach seiner Auffassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor­ derlich ist. D ie V orlegung muß auch dann erfolgen, wenn der G eneralstaatsanw alt sie aus diesen G rü n ­ den für notw endig hält. S ie kann insbesondere zur K lärung einer vom Reichsgericht bisher noch nicht entschiedenen F rag e oder zur Fortbildung des Rechts angezeigt sein oder der W ahrung der Rechts­ einheit dienen. D ie Bestimmung ist aber nur in Beschwerdesachen anw endbar, gilt also nicht für Be­ schlüsse und V erfügungen des S trafsen ats oder seines Vorsitzers, wenn das Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge zuständig ist; in diesen Strafsachen unter­ liegt auch die Urteilsentscheidung nicht der Nachprü­ fung durch ein höheres Gericht. D er S trafsen at befindet stets nach pflichtmäßigem Ermessen darüber, ob es geboten ist, die Entscheidung des Reichsgerichts einzuholen; bejaht er dies, so ist er von Am ts wegen gehalten, die Sache vorzulegen. Eine Nachprüfung der Gründe, die zu der Vorlage geführt haben, ist dem Reichsgericht verwehrt. S tellt der G eneralstaatsanw alt den A ntrag, die Sache dein Reichsgericht vorzulegen, so ist dem A ntrag stets stattzugeben; die Erw ägungen, die ihm zu dem A ntrag A nlaß geben, können weder vom Ober­ landesgericht noch vom Reichsgericht nachgeprüft werden. D ie B efugnis des O berreichsanw alts beim Reichsgericht, den A ntrag des G eneralstaatsanw alts zurückzunehmen, ergibt sich aus dem Gerichtsversassungsgesetz. D a s Oberlandesgericht legt bei der V orlage stets seine Rechtsausfassung dar, einerlei, ob es aus eigener Entschließung oder auf Verlangen des G eneralstaats­ anw alts die Entscheidung des Reichsgerichts einholt. Dieses entscheidet selbst über die Beschwerde in dem sonst dem Oberlandesgericht zustehenden Umfange. § 348 E n t s c he i du n g des G r o ß e n S e n a t s d e s Re i c h s g e r i c h t s in grundsätzlichen Rechtsfragen D ie Vorschrift regelt die A nrufung des Großen S e n a ts für Strafsachen beim Reichsgericht zur E n t­ scheidung einer grundsätzlichen Rechtsfrage. Hat der erkennende S trafsen at des Reichsgerichts über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent­ scheiden, so legt er die Sache dem G roßen S e n a t vor,

wenn er das zur Sicherung einer einheitlicheil Recht­ sprechung für erforderlich hält. Die Vorlegung ist ferner vorgeschrieben, wenn sie der Oberrreichsanwalt beim Reichsgericht aus diesen G ründen für notwendig hält. Die Bestimmung gilt für den S trafsenat, der über eine U rteilsrüge zu entscheiden hat, ebenso wie für den Besonderen S trafsenat des Reichsgerichts; sie ist ferner anzuwenden, wenn ein S trafsenat unter den besonderen Voraussetzungen des § 347 in einer B e­ schwerdesache angerufen worden ist. D ie F rage, ob die Voraussetzungen für die A nrufung des Große,: S e n a ts erfüllt sind, beantw ortet sich nach den zu § 347 dargelegten Grundsätzen. Die A nrufung des Großen S e n a ts ist, wenn nicht ein entsprechender A ntrag des O berreichsanwalts vorliegt, in das pflichtmäßige E r­ messen des erkennenden S e n a ts gestellt; sie setzt nicht voraus, daß die Rechtsfrage schon von einem ein­ zelnen S e n a t entschieden worden ist. D ie A nrufung kann insbesondere zur Verhütung von Zweifeln über die Rechtsanwendung, die sonst längere Zeit das Rechtsleben beeinflussen und dadurch die Rechtssicher­ heit gefährden würden, oder im Interesse der F o rten t­ wicklung des Rechts geboten sein. R uft der erken­ nende S en at den G roßen S e n a t an, so kann dieser die Voraussetzungen der V orlage nicht nachprüfen. B e­ antragt der Öberreichsanwalt beim Reichsgericht aus einem der genannten G ründe die Vorlage der Sache an den Großen S e n a t, so sind der erkennende und der Große S e n a t insoweit an den A ntrag gebunden. § 349 E n t s c h e i d u n g d e r G r o ß e n S e n a t e bei a b w e i c h e n d e r R e ch t s a u f f a s s u n g D ie Bestimmungen über die Anrufung der Großen S en ate bei abweichender Rechtsauffassung gehen von der Erw ägung aus, daß die erkennenden S enate des Reichsgerichts zw ar nicht an die eigenen früheren Entscheidungen über Rechtsfragen gebunden sind, die sie in anderen Strafverfahren erlassen haben, daß sie aber in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen S e n a ts nicht selbständig abgehen können. D er erkennende S en at muß vielmehr in diesem Falle, selbst wenn die Rechtsfrage nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, stets die Entscheidung des Großen S e n a ts in Anspruch nehmen. D as gilt auch, wenn er von einer früheren Entscheidung des G roßen S en ats abweichen will. Diese B indung besteht ferner, wenn ein S tra f­ senat des Reichsgerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines Z ivilsenats des Reichsgerichts oder des Großen S e n a ts für Zivilsachen abweichen will; in diesem Falle entscheiden die Vereinigten G roßen S enate des Reichsgerichts. Ebenso ist zu verfahren, wenn der erkennende S trafsenat des Reichsgerichts von einer früheren Entscheidung der V ereinigten Großen S enate abweichen will. § 350 V e r f a h r e n vor den G r o ß e n S e n a t e n D er Entw urf regelt in § 350 das Verfahren vor den Großen S enaten des Reichsgerichts zur E rledi­ gung der in den §§ 348, 319 bestimmten A ufgaben; die Vorschrift gilt also auch für die Vereinigten

Großen Senate. Die Großen Senate sind ihrem Wesen nach nicht dazu berufen, in der Sache selbst zu entscheiden; sie sollen sich nur im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung zu der strittigen Rechts­ frage äußern. Diese Begrenzung bedeutet jedoch nicht, daß der angerufene Große Senat ein abstraktes Rechtsgutachten abgeben soll; vielmehr geht das Gesetz davon aus, daß er stets aus der Grundlage des Einzel­ falles entscheidet, über den der erkennende S enat zu urteilen hat. Aus demselben Grunde läßt es der Entwurf auch zu, daß der Große Senat seine Entschei­ dung auf andere Rechtsfragen erstreckt, die zwar der erkennende Senat nicht zum Anlaß der Vorlage genommen hat, die aber mit der zur Entscheidung gestellten Rechtsfrage int Zusammenhang stehen und im Interesse einer erschöpfenden rechtlichen Würdigung des Falles der Erörterung bedürfen. Durch diese Regelung wird eine umfassende Erle­ digung aller die endgültige Entscheidung tragenden Rechtsfragen ermöglicht, auch wenn sie weder von grundsätzlicher Bedeutung sind noch eine abweichende Beurteilung durch den erkennenden Senat erfahren und daher die Anrufung des Großen Senats nach den §§ 348, 349 nicht rechtfertigen. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhand­ lung durch Beschluß. Zuvor ist stets der Oberreichs­ anwalt beim Reichsgericht zu hören; er kann seine Rechtsauffassung schriftlich darlegen und sie in der Sitzung des Großen Senats mündlich vertreten. Der Beschluß des Großen S enats stellt die endgültige Entscheidung in der Rechtsfrage dar, die er zum Gegenstand seiner Stellungnahme gemacht hat. Sie bindet den erkennenden Senat, dem die Entscheidung in der Sache selbst vorbehalten bleibt. Dagegen legt der Entwurf einer solchen Entscheidung ebensowenig wie den Entscheidungen der erkennenden Senate des Reichsgerichts eine bindende Wirkung für die übrigen Gerichte außerhalb der Sache bei. Eine solche Rechts­ folge würde die Wirkung eines Gesetzes erlangen und den unteren Gerichten die Möglichkeit nehmen, auf die Auslegung und Fortbildung des Rechts durch eine von der Entscheidung des Reichsgerichts ab­ weichende Stellungnahme befruchtend einzuwirken. Erfordert die Entscheidung der Sache eine neue Hauptverhandlung vor dem erkennenden Senat, so wird dem S taatsanw alt mit der Vorlage der Akten, dem Verteidiger und den Beteiligten nach § 350 Abs. 2 Satz 3 die Stellungnahme des Großen S enats zu der Rechtsfrage so rechtzeitig mitgeteilt, daß sie ihre Anträge und Ausführungen danach bestimmen können. Die Mitteilung obliegt dem für die Vor­ bereitung der Hauptverhandlung zuständigen V or­ sitzer des Strafsenats. I m Falle der Zurückverweisung durch den erkennenden Senat bindet die Entscheidung des Großen Senats auch das untere Gericht in der vorliegenden Sache.

D rittes Hauptstück Andere Rechtsbehelfe Unter der gemeinsamen Bezeichnung „Andere Rechtsbehelfe" regelt der Entwurf die „Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung", die „Wieder­

aufnahme des Verfahrens", sowie die „Nichtigkeits­ beschwerde und den außerordentlichen Einspruch gegen Urteile". Diese Rechtsbehelfe haben zahlreiche Be­ rührungspunkte mit den Rechtsmitteln. Es erscheint deshalb zweckmäßig, sie den Rechtsmitteln anzuglie­ dern und sie gemeinsam mit diesen den für die „Rechtsbehelfe" geltenden allgemeinen Vorschriften des Ersten Hauptstücks (§§ 299 bis 304) zu unter­ stellen.

Erster Abschnitt Wiederholung einer üerfäumten Hauptverhandlung I m bisherigen Recht wird die Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung als ein Untersall der „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gegen F rist­ versäumnisse behandelt (§§ 235, 329 S tP O .). Der Entwurf gibt statt der „Wiedereinsetzung" den Betei­ ligten die Möglichkeit, die „versäumte Handlung" nachzuholen (§ 292). Die Wiederholung einer ver­ säumten Hauptverhandlung ist keine N a c h h o l u n g einer von einem B e t e i l i g t e n versäumten V e r s a h r e n s h a n d l u n g , sondern die Wiederholung eines dem G e r i c h t obliegenden V e r f a h r e n s . Der Entwurf sieht daher, wie schon die Begründung zu § 292 hervorhebt, von einer konstruktiven Ver­ bindung mit den Fällen der unverschuldeten Fristversäumnis (§ 292) ab. Die sachlichen Voraussetzungen für die Wieder­ holung einer versäumten Hauptverhandlung enthalten die §§ 58, 328 Abs. 2, 345. Danach ist aus Antrag des Angeklagten die Hauptverhandlung zu wieder­ holen, wenn er ohne eigenes Verschulden die Haupt­ verhandlung des ersten Rechtszuges oder des Bernfungsrechtszuges ganz oder teilweise versäumt hat und ein Urteil auf Grund der §§ 54 Abs. 3, 56 Abs. 2 oder 328 Abs. 1 ergangen ist. Hat der Angeklagte die Hauptverhandlung vor dem Urteilsrügegericht ohne eigenes Verschulden versäumt, so steht ihre Wieder­ holung nach § 345 im Ermessen des Urteilsrüge­ gerichts. Die §§ 351 bis 353 geben hierzu die Versahrensvorschriften, die durch die allgemeinen V or­ schriften der §§ 299 bis 304 ergänzt werden. Die Wiederholung einer Hauptverhandlung im Verfahren gegen Flüchtige ist in § 407 geregelt. §§ 351, 352

A n t r a g , Ent s chei dung § 351 bestimmt für den Antrag, für die Angabe der Säumnisgründe und ihre Glaubhaftmachung eine Frist von einer Woche, die mit der Zustellung des Urteils beginnt. Uber den Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung und über die etwaige A us­ setzung der Vollstreckung entscheidet das Gericht. Der Beschluß, der die Wiederholung der Hauptverhand­ lung anordnet, ist unanfechtbar. E r hat zur Folge, daß das frühere Urteil wegfällt. Gegen den ableh­ nenden Beschluß wird die befristete Beschwerde gegeben.

V e r h ä l t n i s des A n t r a g s zur Anfechtung des U r t e i l s Der Entwurf geht davon aus, daß grundsätzlich der Antrag aus Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung und die Anfechtung des Urteils voneinander unabhängig sind; beide Rechtsbehelfe stehen selbständig nebeneinander. D araus folgt, daß der Laus der Fristen für die Anfechtung des Urteils durch den Antrag auf Wiederholung der Hauptver­ handlung nicht beeinflußt wird. Die Selbständigkeit beider Rechtsbehelfe wird nur insoweit berührt, als nach Absatz 1 der Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung zuerst zu erledigen ist, wenn der Angeklagte von beiden Rechtsbehelsen Gebrauch macht. Diese Regelung soll sicherstellen, daß die Sache möglichst schon im unteren Rechtszug erschöp­ fend verhandelt wird. Beantragt der Angeklagte die Wiederholung der Hauptverhandlung, so wünscht er damit eine erneute Erörterung der Sache. Wird die erneute Erörterung im unteren Rechtszug abgelehnt, so wird es regel­ mäßig dem Willen des Angeklagten entsprechen, daß nunmehr eine Nachprüfung des Urteils durch das Rechtsmittelgericht erfolgt. Absatz 2 sieht deshalb vor, daß das Urteil als angefochten gilt, wenn der Antrag aus Wiederholung der Hauptverhandlung (rechtskräftig) abgewiesen ist und der Angeklagte nichts Gegenteiliges erklärt. Dabei wird als selbst­ verständlich vorausgesetzt, daß der Antrag innerhalb der Rechtsmittelsrist gestellt war. Ist hiernach der Antrag als Urteilsrüge zu behandeln, so bedarf es besonderer Bestimmung über den Beginn der Begründungssrist nach § 334. Der Lauf der Begrün­ dungsfrist kann naturgemäß erst dann beginnen, wenn die Abweisung des Antrags — sei es mit fruchtlosem Ablauf der Beschwerdefrist oder im Falle der Be­ schwerde mit Zustellung des Beschwerdebeschlusses — rechtskräftig geworden ist, da erst in diesem Zeitpunkt feststeht, ob der Antrag als Urteilsrüge zu behandeln ist. Zweiter Abschnitt Wiederaufnahme des Verfahrens D as Verlangen der Volksgemeinschaft nach Rechts­ sicherheit und Rechtssrieden und die Achtung vor dem Richterspruch gebieten, daß nach Erschöpfung des or­ dentlichen Rechtsmittelzuges eine erneute Erörterung der Sache grundsätzlich ausgeschlossen sein muß. Das Gerechtigkeitsempfinden des Volkes verlangt aber, daß ein Urteil, das schwere Ungerechtigkeiten enthält, auch nach E intritt der Rechtskraft geändert wird. I n diesem Widerstreit zwischen Rechtskraft und Gerechtigkeit wählt der Entwurf eine Lösung, die einerseits die Beseitigung materieller Ungerechtig­ keiten ermöglicht, andererseits aber starke Sicherungen gegen voreilige und zu weitgehende Einbrüche in die Rechtskraft vorsieht. D a der Entwurf viel stärker als das bisherige Recht die Verwirklichung der sach­ lichen Gerechtigkeit im Einzelfall anstrebt, ergibt sich eine nicht unerhebliche Lockerung der bisherigen Be­ schränkungen. Die wichtigste Neuerung besteht darin,

daß die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklag­ ten nicht mehr an strengere Voraussetzungen gebunden wird als die zu seinen Gunsten (§ 354); es soll keine „verschiedene" Gerechtigkeit geben, je nachdem sie sich zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten auswirken würde. Wichtig ist ferner die — durch die weiten Strafrahm en des Strasgesetzentwurfs gebotene — Neuerung, daß künftig auch die Wieder­ aufnahme zum Zwecke wesentlich anderer Strafbe­ messung im Rahmen d e s s e l b e n Strafgesetzes zulässig sein soll (§ 354). Entsprechend der bei den Rechtsmitteln vorgesehenen Regelung (§ 316) wird die Wiederaufnahme auch bei Beschwer durch die Gründe eines freisprechenden oder einstellenden Ur­ teils zugelassen (§ 355). Weggefallen ist aus Gründen der Gerechtigkeit im wesentlichen die bisherige Be­ schränkung des § 364 S tP O ., wonach ein Wiederauf­ nahmeantrag, der sich auf die Behauptung einer strafbaren Handlung gründet, nur dann zulässig ist, wenn eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist. Daß die Wiederaufnahme eine große Wahrscheinlichkeit für die erstrebte Änderung des Urteils voraussetzt, wird vom Entwurf ausdrücklich hervorgehoben (§ 356). Bei gewissen urteilsähnlichen Beschlüssen soll künftig die Wiederaufnahme ebenso möglich sein wie bei Urteilen (§ 369). Die bisherigen strengen Verfahrensvorschristen haben sich im wesentlichen bewährt und werden bei­ behalten. Die zweimalige Beschlußfassung über die Zulassung des Antrags und über die Anordnung der Wiederaufnahme hat deshalb der Entwurf aufrecht­ erhalten (§§ 361, 363). Eine Befristung des Wieder­ aufnahmeantrags wird auch vom Entwurf abgelehnt, weil dies dem S in n der Wiederaufnahme — Beseiti­ gung von Ungerechtigkeiten außerhalb von Rechts­ mittelsristen — widersprechen würde. Die Vorschriften über die Zuständigkeit des Wiederaufnahmegerichts sind klarer gefaßt als im bisherigen Recht und beweg­ licher gestaltet (§§ 360, 363). Eine Ausschließung der Richter, die im früheren Verfahren mitgewirkt haben, ist ebensowenig wie im bisherigen Recht vor­ gesehen. Um vorzeitige Eingriffe in die Rechtskraft des Urteils zu vermeiden, soll abweichend von der bis­ herigen Rechtsprechung das frühere Urteil nicht schon mit der Anordnung der Wiederaufnahme, sondern erst mit dem neuen Urteil wegfallen (§ 364 Abs. 2). Aus dem gleichen Grunde soll auch die Aussetzung der Vollstreckung nicht schon bei Eingang des Antrags, sondern erst nach seiner Zulassung möglich sein (§ 361 Abs. 4). D as Wiederaufnahmegericht erhält die Be­ fugnis, schon vor Beginn der Hauptverhandlung die Sache an ein Gericht anderer Ordnung zu verweisen (§ 363 Abs. 2). Stärker als im bisherigen Recht wird die neue Hauptverhandlung'von dem früheren Ver­ fahren losgelöst (§ 364). Die Möglichkeit, ohne neue Hauptverhandlung durch Beschluß zu entscheiden, wird bei Freisprechung eingeengt, im übrigen aber auf den Fall der Verfahrenseinstellung ausgedehnt (§ 365). Die Wiederaufnahme bei Tod oder VerhandlungsUnfähigkeit des Verurteilten wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines verstärkten Ehrenschutzes neu gestaltet (§ 366). Die öffentliche Bekanntgabe der neuen Entscheidung wird in erheblich weiterem Um­ fang vorgesehen als bisher (§ 367).

lungen nur einen geringen Teil einer wesentlich größeren Zahl von Einzelhandlungen darstellen. Die W ie d e ra u fn a h m e wegen neuer Wiederaufnahme zu dem Zweck, eine Milderung der Strafe wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit Tatsachen oder B e w e i s m i t t e l herbeizuführen (§ 363 Abs. 2 S tP O .), soll gleichfalls § 354 umschreibt die Voraussetzungen für den zugelassen werden. bedeutendsten Fall der Wiederaufnahme, nämlich der Von diesen Erweiterungen der Wiederaufnahme Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder Beweis­ mittel. E r bringt als wichtigste Neuerung die gesetz­ ist — wie auch die Erfahrungen gewisser ausländischer liche Gleichstellung der Wiederaufnahme zuungunsten Rechte gezeigt haben — eine gefährliche Lockerung mit der zugunsten des Angeklagten. Im bisherigen der Rechtskraft nicht zu befürchten. Der Entwurf Recht ist die Wiederaufnahme zuungunsten des Ange­ trifft zudem Vorkehrungen, um nur solche Wieder­ klagten — abgesehen von den praktisch weniger aufnahmen zuzulassen, die zur Wahrung der bedeutsamen Fällen der Urkundenfälschung, der E i­ materiellen Gerechtigkeit notwendig sind. Zunächst desverletzung und der Verletzung richterlicher Amts­ soll nur eine zu erwartende w e s e n t l i c h e Ände­ pflichten (§ 362 Nr. 1 bis 3 S tP O .) —nur dann rung in der Beurteilung die Wiederaufnahme recht­ fertigen. Sodann soll nach § 356 das Verfahren nur zulässig, wenn der Freigesprochene ein glaubwürdiges dann wieder aufgenommen werden, wenn m i t Geständnis der S trafta t ablegt (§ 362 Nr. 4 S tP O .). Daraus ergeben sich Beschränkungen der Wiederauf­ g r o ß e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t eine Änderung des Urteils zu erwarten ist; die bloße Möglichkeit oder nahme, die mit der materiellen Gerechtigkeit, deren Verwirklichung sich der Entwurf zum Ziel setzt, un­ eine geringe Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Beden­ ken, die wahrscheinlich nicht zu einer wesentlich an­ vereinbar sind. S o kann der wegen fahrlässiger deren Entscheidung geführt hätten, wenn sie dem Tötung Verurteilte nicht schwerer bestraft werden, Gericht bei seiner Entscheidung bekannt gewesen wenn er später den Mord eingesteht. Wird jemand wären, sollen auch später nicht zur Erschütterung des von der Anklage des Mordes freigesprochen und gesteht nachher der wirkliche Täter, daß er aus An­ Urteils führen. Dies gilt insbesondere von solchen stiftung des Freigesprochenen gehandelt hat, so kann Bedenken, die mit der infolge Zeitablaufs vielfach eintretenden Abschwächung.der Beweismittel zusam­ das Verfahren gegen den Freigesprochenen, wenn er menhängen. Darüber hinaus wird in § 359 Abs. 1 die T at leugnet, nicht wiederaufgenommen werden. Diese Regelung, mit der die Verfahrensordnung ein­ der S taatsanw alt angewiesen, den Wiederausnahme­ antrag nach § 354 Abs. 1 Nr. 2 nur zu stellen, wenn seitig dem „Schutz" des Einzelnen vor dem Zugriff der Strasgewalt dient, ist mit den heutigen Anschau­ die neue Verfolgung der T at zum Schutze des Volkes oder zur Sühne der T at geboten ist. Der S ta a ts ­ ungen nicht mehr vereinbar. Wichtiger als die — anwalt soll in jedem Einzelfall gewissenhaft prüfen, vorwiegend als Schutz des Beschuldigten gedachte — formale Rechtskraft ist das Verlangen der Volksge­ ob das Verlangen der Volksgemeinschaft nach neuer meinschaft nach Verwirklichung der materiellen Ge­ Prüfung der T at das allgemeine Bedürfnis, die rechtskräftig erledigte Sache ruhen zu lassen, über­ rechtigkeit. Diese Gerechtigkeit ist einheitlich und unteilbar, sie ist die gleiche bei Entscheidungen zu­ wiegt. Damit wird allzu häufigen Wiederaufnahmegunsten wie bei Entscheidungen zuungunsten des An­ anträgen des S taatsanw alts aus § 354 Abs. 1 Nr. 2 geklagten. Der Weg zur Findung der Gerechtigkeit — für Absatz 1 Nr. 1 bedarf es nach den bisherigen darf daher nicht erschwert werden, wenn die Gerech­ Erfahrungen für den Staatsanw alt keiner besonderen Einschränkungen — vorgebeugt. tigkeit sich zuungunsten des Täters auswirken würde. Die im bisherigen Recht gesondert aufgeführten Eine weitere wichtige Änderung des bisherigen Rechts (§ 363 S tP O .) besteht darin, daß nunmehr die Wiederaufnahmegründe der Urkundenfälschung und Wiederaufnahme auch zu dem Zweck zugelassen wird, der Eidesverletzung (§§ 359 Nr. 1, 2, 362 Nr. 1, 2 um eine andere Strafbemessung oder eine Änderung S tP O .) werden vom Entwurf nicht mehr besonders hervorgehoben. S ie bilden im Entwurf lediglich der Entscheidung über sichernde Maßregeln auf Grund Unterarten der Wiederaufnahme wegen neuer T a t­ d e s s e l b e n Strafgesetzes herbeizuführen. D as neue S tG B , verwendet im allgemeinen sehr sachen oder Beweismittel. Die namentliche Hervor­ weite Strafrahm en, die dem richterlichen Ermessen hebung dieser Wiederaufnahmegründe war willkürlich, bei der Strafbemessung einen wesentlich weiteren da andere Beweismittel, z. B. eine gefälschte Fußspur, Spielraum gewähren als bisher. Die möglichen ein Fingerabdruck, eine Blutprobe, von gleich großer Unterschiede in der Strafbemessung aus ein- und dem­ Bedeutung sein können wie eine falsche Urkunde oder selben Gesetz werden daher vielfach ebenso groß, m it­ ein falsches Zeugnis. Durch die Unterordnung der unter sogar größer sein als die möglichen Unterschiede Eidesverletzung und der Urkundenfälschung unter den bei der Strafbemessung aus zwei verschiedenen Ge­ allgemeinen Wiederaufnahmegrund der neuen T a t­ setzen. Es ist deshalb ein Gebot der materiellen sachen wird ferner klar zum Ausdruck gebracht, daß Gerechtigkeit, die Strafbemessung auf Grund des­ auch die nicht strafbare falsche Aussage und die un­ wahre, wenn auch nicht gefälschte Urkunde im Rahmen selben Strafgesetzes mit der aus Grund eines anderen des § 354 Wiederausnahmegründe sein können. Strafgesetzes gleichzustellen. Diese Lösung ermöglicht Die Wiederaufnahme wegen Aushebung eines insbesondere eine befriedigende Regelung der Fälle, in denen der Täter wegen einer fortgesetzten T at ver­ zivilgerichtlichen Urteils, auf das sich das Strafurteil urteilt worden ist, wobei sich nachher ergibt, daß gründet (§ 359 Nr. 4 S tP O .), wird vom Entwurf die der Aburteilung zugrundegelegten Einzelhand­ nicht mehr besonders erwähnt. Grundsätzlich ist der

Strafrichter auch bei Beurteilung bürgerlich-rechtlicher Fragen von Entscheidungen der Zivilgerichte unab­ hängig. Eine Bindung besteht im allgemeinen nur bei Urteilen, die auf ein Rechtsverhältnis g e s t a l ­ t e n d einwirken. Wird ein Urteil dieser Art auf­ gehoben, so enthält die hieraus sich ergebende Ver­ änderung der Rechtslage eine „neue Tatsache", die schon nach den allgemeinen Bestimmungen die Wiederaufnahme begründen kann. Nach bisherigem Recht (§ 359 Nr. 5 S tP O .) ist im Verfahren vor den: Amtsrichter oder dem Schöffengericht die Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel nur zulässig, wenn sie der Verurteilte im früheren Verfahren einschließlich der Berufungsinstanz nicht gekannt hatte oder ohne Verschulden nicht geltend machen konnte. Diese Be­ schränkung, die übrigens niemals große praktische Bedeutung erlangt hat, wird vom Entwurf beseitigt. Noch stärker als das bisherige Recht beruht das neue Strafverfahren auf dem Gedanken, daß die Wahrheit von A m t s w e g e n zu erforschen ist (§ 64). Die Findung eines gerechten Urteils kann deshalb nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Beteiligter eine Tatsache oder ein Beweismittel rechtzeitig vor­ gebracht hat. Zudem ist der Nachweis, daß eine T at­ sache oder ein Beweismittel bereits in der ersten Ver­ handlung bekannt war, oft schwer zu führen. I n Nr. 1 ist jetzt klargestellt, daß neben der F rei­ sprechung oder einer wesentlich milderen Ahndung auch die Einstellung des Verfahrens (statt der Verurtei­ lung) das Ziel der Wiederaufnahme bilden kann. Umgekehrt sieht Nr. 2 vor, daß neben der Verurtei­ lung eines Freigesprochenen oder einer wesentlich strengeren Ahndung die Wiederaufnahme auch auf eine Verurteilung statt der Einstellung des Verfah­ rens gerichtet sein kann. Der Begriff der „Ahndung" umfaßt auch die Fälle, in denen das Gericht den Angeklagten mit Strafvorbehalt verwarnt oder unter Absehen von S trafe schuldig spricht. D as gleiche soll nach Absatz 2 für den Begriff der „Verurteilung" gelten. Nr. 3 behandelt die Wiederaufnahme bei sichern­ den Maßregeln. Hierher gehören die Fälle, daß eine sichernde Maßregel bisher nicht verhängt worden war oder eine bereits verhängte Maßregel wieder aufge­ hoben werden soll, daß eine andere Maßregel ver­ hängt oder bei der Untersagung der Berussausübung (§ 75 S tG B .) die Befristung wesentlich geändert werden soll. Die Frage, ob auch gegen einen Strafbefehl das Wiederaufnahmeverfahren zulässig ist, wird jetzt in § 399 bejaht. Sondervorschriften für die Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel sind im Ehren­ schutzverfahren (§ 433) und im Verfahren zur Ent­ schädigung des Verletzten (§ 444) vorgesehen. § 355 W i e d e r a u f n a h m e b e i B e s c h w e r dur ch di e G r ü n d e des U r t e i l s Nach § 316 kann der Angeklagte die Gründe eines Urteils, das ihn freispricht oder das Verfahren ein­

stellt, mit den üblichen Rechtsmitteln angreifen, wenn die Gründe seine Ehre schwer mindern oder ihn sonst erheblich schädigen. Diese Vorschrift beruht aus der Erkenntnis, daß auch die Gründe eines freisprechen­ den oder einstellenden Urteils für den Angeklagten — insbesondere für seine Ehre — mitunter ebenso schwere Nachteile zur Folge haben können wie eine Verurteilung. Aus dem gleichen Gesichtspunkt ist eine entsprechende Bestimmung für die Wiederauf­ nahme des Verfahrens notwendig. Ebenso wie § 316 setzt § 355 voraus, daß die Urteilsgründe die Ehre des Angeklagten schwer mindern oder ihn sonst erheb­ lich schädigen. Wie dort kann also auch hier der An­ geklagte nur bei einer wirklich bedeutsamen Beein­ trächtigung seiner Belange eine erneute Prüfung ver­ langen. Der Grundsatz, daß die Wiederaufnahme die Erwartung einer w e s e n t l i c h e n Änderung der angegriffenen Entscheidung voraussetzt (§, 354), gilt auch für § 355. Ferner wird vorausgesetzt, daß die Änderung der Urteilsgründe m i t g r o ß e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t zu erwarten ist (§ 356). § 356 Voraussetzung

der

Wiederaufnahme

In h a lt und Bedeutung dieser Vorschrift ist bei den §§ 354, 355 erörtert. § 357 W i e d e r a u f n a h m e wegen Ver l et zung d e r D i e n st P f l i c h t Hat ein mitwirkender Richter (Berussrichter oder Volksrichter) in der Sache seine Dienstpflicht in kriminell strafbarer Weise verletzt, so fehlt dem Urteil die Grundlage einer gesetzmäßigen Rechts­ pflege. D as Verfahren muß ohne Rücksicht darauf, ob die Dienstpflichtverletzung den Urteilsinhalt beein­ flußt hat, sowohl zugunsten wie auch zuungunsten des Angeklagten wieder aufgenommen werden. Dies muß — im Gegensatz zum bisherigen Recht (§ 359 Nr. 3) — auch dann gelten, wenn der Verurteilte die richterliche Pflichtverletzung selbst veranlaßt hat. Die Handlung des Verurteilten mag in diesen Fällen strafwürdig sein, sie darf aber nicht dazu führen, daß ein auf ungesetzliche Weise zustande gekommenes Ur­ teil zu seinem Nachteil aufrechterhalten bleibt. Diese weitgehenden Wirkungen erfordern anderer­ seits eine Sicherung dagegen, daß nicht auf Grund leichtfertiger, dem Ansehen der Rechtspflege schädi­ gender Verdächtigungen eines Richters eine sonst aussichtslose Wiederaufnahme erstrebt wird. Die für die übrigen Wiederaufnahmegründe weggefallene Voraussetzung des bisherigen Rechts, daß wegen der behaupteten S traftat eine rechtskräftige Verurteilung vorliegen muß, wird daher hier ausnahmsweise bei­ behalten. D araus folgt, daß für eine Wiederaufnahme wegen Verletzung der Dienstpflicht kein Raum ist, wenn der Richter von der Anklage wegen der S traftat rechtskräftig freigesprochen oder das gegen ihn einge­ leitete Verfahren wegen Mangels an Beweisen (sei es durch Gerichtsbeschluß oder durch Verfügung des Staatsanw alts) eingestellt worden ist (Absatz 2): Ist das Verfahren aus anderen Gründen als wegen

M angels an Beweisen eingestellt worden (z. B . wegen Todes oder Amnestie), so ist zwar die Wiederauf­ nahme nicht unzulässig; sie kann dann aber nicht aus § 357 Abs. 1, sondern lediglich auf die allgemeinen Wiederaufnahmegründe der §§ 354 f. gestützt werden, so daß die dort genannten besonderen Voraussetzungen vorliegen müssen. Diese Abweichung vom bisherigen Recht (§ 364) ist darin begründet, daß bei einer straf­ baren Dienstpflichtverletzung, die wegen eines V e r­ fahrenshindernisses nicht zu einer V erurteilung des Richters führen kann, die Beeinträchtigung der Rechtspflege nicht so augenfällig ist, daß eine Beseiti­ gung des S tra fu rte ils ohne Rücksicht aus die Bedeu­ tung der Dienstpflichtverletzung für den U rteilsin h alt geboten wäre.

nach

§ 360

Zust ändi gkei t

§ 358 Wiederaufnahme

richt anhängig, w om it das Verfahren in die V e rfü ­ gungsgewalt des Gerichts (unter Leitung des V o r­ sitzers) übergeleitet w ird. D a m it ist zugleich klarge­ stellt, daß von der S tellung des A ntrags ab der Lauf der in den §§ 24, 25 bezeichneten Fristen ruht (§ 26 Abs. 2). übet die Zuständigkeit fü r die Entscheidung über Zw angsm ittel, die m it der Rechtshängigkeit aus das Gericht übergeht,enthalten die §§ 362 Abs. 3, 363 Abs. 5 besondere Vorschriften. D er A ntrag hat auf die Vollstreckung des U rteils keinen Einfluß. Anders als im bisherigen Recht (§ 360 Abs. 2) ist eine Aussetzung der Vollstreckung erst nach Zulassung des A ntrags möglich (§ 361 Abs. 4).

Vollstreckung

D ie Wiederaufnahme zugunsten des V erurteilten ist nicht n u r zur Beseitigung der m it der Vollstreckung verbundenen körperlichen und materiellen Nachteile bestimmt. M e h r noch als im bisherigen Recht dient sie daneben zur Wiederherstellung der Ehre des V e r­ urteilten. D araus folgt, daß die Wiederausnahme auch noch nach der Vollstreckung der S tra fe oder sichernden M aßregel zulässig sein muß. Umgekehrt w ird aber auch eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nicht dadurch ausgeschlossen, daß die zu­ nächst verhängte S tra fe oder Maßregel vollstreckt ist. § 359

Antrag Z u r E in le itu n g des Wiederaufnahmeverfahrens bedarf es des Antrags eines Ansechtungsberechtigten (vgl. § 299). Den A n tra g kann der S taatsanw alt — wie bei jedem anderen Rechtsbehelf — auch zu­ gunsten des Angeklagten stellen. Einen A n tra g zu­ ungunsten des Angeklagten (§ 354 Abs. 1 N r. 2) soll der S ta a tsa n w a lt nur stellen, wenn die neue V e rfo l­ gung zum Schutz des Volkes oder zur Sühne der T a t geboten ist; die Bedeutung dieser Vorschrift ist bei § 354 erörtert. D e r A n tra g muß begründet werden; er muß die Tatsachen, aus denen sich die gesetzlichen V oraus­ setzungen der Wiederaufnahme ergeben sollen, und die Bew eism ittel anführen. I m Interesse einer sachgemäßen Beratung des Angeklagten w ird in Über­ einstimmung m it dem bisherigen Recht (§ 366 S tP O .) vorgeschrieben, daß der Angeklagte den A n tra g n ur in einer von seinem Verteidiger oder einem Rechts­ anw alt unterzeichneten S ch rift oder mündlich zur Niederschrift bei dem nach § 360 zur Entscheidung berufenen Gericht stellen kann. Einem praktischen B edürfnis entsprechend ist vorgesehen, daß der Ange­ klagte den A n tra g auch beim Amtsgericht seines W ohnorts anbringen kann. F ü r den behördlich ver­ wahrten Angeklagten g ilt ergänzend § 302 Abs. 3. Eine Befristung des A n tra gs w ird wie im bisherigen Recht abgelehnt, da dies dem Streben nach m aterieller Gerechtigkeit widersprechen würde. M it der Einreichung des A n tra gs w ird — ähnlich wie bei der Anklageschrift — das Verfahren bei Ge­

D er E n tw u rf geht davon aus, daß das srüher m it der Sache befaßt gewesene Gericht auf G rund seiner Sachkenntnis fü r die Entscheidung über die Wieder­ aufnahme am besten geeignet ist. Grundsätzlich soll daher über die Wiederaufnahme das Gericht entschei­ den, dessen Feststellungen angegriffen werden. S o ll das Verfahren wegen Verletzung der Dienstpflicht eines m itwirkenden Richters wiederaufgenommen werden, so entscheidet das Gericht, bei dessen U rte il der Richter m itgewirkt hat. D er m itunter vorgebrach­ ten Anregung, die P rüfung des Wiederausnahmean­ trages einem anderen, bisher unbeteiligten Gericht, einer besonderen „Wiederaufnahmekammer", zu über­ tragen, ist der E n tw u rf nicht gefolgt. D ie Ansicht, daß das Gericht, dessen Feststellungen angegriffen werden, als befangen erscheine und nicht unvoreinge­ nommen dem A n tra g gegenüberstehe, ist nicht stich­ haltig. D e r E n tw u rf verlangt auch in anderen Fällen vom Richter, daß er eine eigene Entscheidung un­ voreingenommen überprüft; Erziehung und Berussausfassung des Richters bürgen dafür, daß er zu dieser Überprüfung fähig ist. Es würde zudem einer gesun­ den Verfahrensökonomie widersprechen, wenn die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag einem anderen Gericht zugewiesen würde. E in e r etwaigen Befangenheit des m it der Sache befaßten Gerichts w ird dadurch Rechnung getragen, daß das Beschwerde­ gericht nach § 368 Abs. 2 die neue Hauptverhandlung einem anderen Gericht gleicher O rdnung übertragen kann. S in d in der Wiederaufnahmesache Urteile in ver­ schiedenen Rechtszügen ergangen, so kommt es für die Zuständigkeit darauf an, welches Gericht die Fest­ stellungen getroffen hat, die m it dem Wiederaufuahmeantrag angegriffen werden. Das U rteilsrüge­ gericht w ird hiernach nur ausnahmsweise zuständig sein, wenn es etwa auf G rund falscher Urkunden oder falscher Zeugenaussagen die W ahrung einer Rechts­ mittelsrist oder die Unzulässigkeit der Verfolgung wegen Zeitablaufs festgestellt hat und gerade diese Feststellungen angegriffen werden. Is t ein B e ru ­ fungsurteil ergangen, so werden meist die Feststel­ lungen des Berufungsgerichts den Gegenstand des A n g riffs bilden. Dagegen ist der A n tra g beim Ge­ richt des ersten Rechtszuges anzubringen, wenn etwa das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat oder wenn solche tatsächlichen Feststel-

hingen angegriffen werden, die das Berufungsgericht ohne erneute Beweiserhebung nach § 325 Abs. 2 seinem Urteil zugrundegelegt hat. Die Zuständigkeitsregelung des § 360 gilt nicht nur für die Entscheidungen aus den §§ 361, 363, sondern auch für die neue Hauptverhandlung (§ 364). § 363 Abs. 2 gibt aber die Möglichkeit, daß das nach § 360 zuständige Gericht die Sache schon vor der Hauptverhandlung an ein anderes Gericht verweist. § 361 Entscheidung über di e Zulassung I m Zulassungsverfahren nach § 361 findet eine mehr äußerliche und formale Vorprüfung des An­ trags statt. D as Gericht hat zunächst zu prüfen, ob der Antrag den Formvorschristen entspricht, ob sich aus den aufgestellten Behauptungen die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme ergeben und ob der Antrag geeignete Beweismittel anführt. Ver­ neint das Gericht eine dieser Voraussetzungen, so hat es den Antrag als unzulässig zu verwerfen. Dagegen hat das Gericht hier noch nicht zu entscheiden, ob die angeführten Tatsachen oder Beweismittel neu und geeignet sind, mit Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Änderung des Urteils herbeizuführen; diese Prüfung bleibt dem Anordnungsversahren (§ 363) vorbe­ halten. Bei solchen Anträgen, die sich auf bereits früher erledigte Ausführungen stützten, hat sich die Gerichts­ übung bisher in der Weise geholfen, daß sie die An­ träge unter Bezugnahme auf den früheren Beschluß als unbegründet zurückwies. Der Entwurf ermäch­ tigt in solchen Fällen das Gericht, den Antrag als u n z u l ä s s i g zu verwerfen. Dies soll aber nur dann gelten, wenn der Antrag a u s s c h l i e ß l i c h auf bereits erledigte Tatsachen oder Beweismittel zurückkommt; denn es ist nicht ausgeschlossen, daß diese in Verbindung mit neuen Ausführungen Bedeu­ tung gewinnen. Voraussetzung ist ferner, daß der frühere Antrag, der die erneut vorgebrachten T at­ sachen oder Beweismittel enthielt, rechtskräftig als u n b e g r ü n d e t zurückgewiesen worden ist; die Zu­ rückweisung in einem früheren Zulassungsverfahren genügt also nicht. Nach bisherigem Recht (§ 364) ist ein Wiederauf­ nahmeantrag, der auf eine strafbare Handlung gestützt wird, regelmäßig nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung er­ folgt ist. Diese Vorschrift ist in ihren Auswirkungen vielfach unvereinbar mit der Verwirklichung der ma­ teriellen Gerechtigkeit. Es erscheint ratsamer, eine elastische Regelung vorzusehen, das Gericht von dieser starren Bindung zu lösen und ihm die Befugnis zu geben, seine Entscheidung über den Antrag so lange auszusetzen, bis wegen der S traftat ein Verfahren durchgeführt ist. Nach Beendigung des Strafverfah­ rens hat das Gericht selbständig, d? h. ohne Bindung an die Ergebnisse des Strafverfahrens, zu prüfen, ob unter Würdigung des gesamten Verfahrensstosses die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme gegeben sind. Nur in den Fällen der Dienstpslichtverletzung (§ 357) hält der Entwurf an der rechtskräftigen Ber-

urtethmg als Voraussetzung der Wiederaufnahme fest. F ü r eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung ist nach Absatz 4 erst dann Raum, wenn der Antrag zugelassen wird. § 362 Ermittlungen Zwischen die Zulassung des Antrags (§ 361) und die Entscheidung über die Anordnung der Wiederauf­ nahme (§ 363) schaltet der Entwurf — entsprechend dem bisherigen Recht (§§ 368 Abs. 2, 369) —ein besonderes Ermittlungsverfahren ein, das dem vom S taatsanw alt geführten Vorverfahren ähnelt. Der Entwurf erklärt daher die Vorschriften über das Vor­ verfahren für anwendbar, wobei an die Stelle des S taatsanw alts der Vorsitzer und der von ihm mit den Ermittlungen beauftragte Richter treten (Ab­ satz 3). I n diesem Verfahren ist insbesondere die Anwendung der für das Vorverfahren vorgesehenen Zwangsbesugnisse zulässig. Richtung und Umfang der Ermittlungen bestimmt der Vorsitzer. Um den Nächstbeteiligten Gelegenheit zu geben, hierbei mit Anträgen und Anregungen mit­ zuwirken, soll der Vorsitzer nach Absatz 1 den S ta a ts­ anwalt oder den Angeklagten zur Erklärung über die vorzunehmenden Ermittlungen auffordern. Absatz 2 sieht vor, daß der Vorsitzer die Beweis­ erhebungen selbst vornehmen kann. Dies wird sich vielfach empfehlen, um die Entscheidung aus § 363 möglichst gründlich vorzubereiten. Absatz 2 stellt klar, daß die Beweisaufnahme außer durch einen be­ auftragten auch durch einen ersuchten Richter bewirkt werden kann und daß nicht nur die „angetretenen" Beweise zu erheben sind (so § 369 Abs. 1 S tP O .), sondern auch weitere für die Entscheidung aus § 363 erforderliche Beweise, insbesondere auch Gegenbe­ weise gegen die vom Antragsteller vorgebrachten Beweismittel. Die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen ist wie im bisherigen Recht dem pslichtmäßigen Ermessen der vernehmenden Stelle überlassen. Nach Abschluß der Ermittlungen soll den Betei­ ligten Gelegenheit gegeben werden, zum Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen (Absatz 4). Dem Angeklagten, der keinen Verteidiger hat, ist als Ersatz für das fehlende Akteneinsichtsrecht entsprechend dem bisherigen Gerichtsgebrauch das Ergebnis der Beweiserhebung mitzuteilen, soweit er bei ihr nicht zugegen war. Uber die Art der Mitteilung entscheidet der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen. § 363 A n o r d n u n g der

Wiederaufnahme

Nach Durchführung der Ermittlungen hat das Gericht durch Beschluß darüber zu entscheiden, ob der Antrag als unbegründet zurückzuweisen oder die Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen ist. Dabei ist das Gericht durch den Beschluß über die Zulassung (§ 361) nicht gebunden, vielmehr kann es die Zulässigkeit erneut prüfen und gegebenenfalls

verneinen. Das Wiederausnahmegericht muh sich bei der Prüfung der Tatsachen und Beweise zeitlich in das frühere Verfahren zurückversetzen und von diesem Standpunkt aus prüfen, ob das angegriffene Urteil ergangen wäre, wenn schon damals der neue und der alte Verhandlungsstoff gemeinsam vorgelegen hätten. Der Wiederaufnahmeantrag ist daher nicht begründet, wenn etwa nur infolge Verlustes oder Trübung früher vorhandener Beweismittel auf Grund der jetzt noch vorhandenen Beweise eine Verurteilung nicht mehr zu erwarten wäre, wenn also z. B. der Hauptbelastungs­ zeuge inzwischen verstorben ist oder erklärt, daß er sich jetzt nicht mehr an die Sache erinnern könne. F ü r die Entscheidung über die Anordnung der Wiederaufnahme ist regelmäßig das Gericht zuständig, dessen Feststellungen angegriffen werden (§ 360). Grundsätzlich soll vor dem gleichen Gericht auch die neue Hauptverhandlung stattfinden, die der Vorsitzer dieses Gerichts anzuberaumen hat. Kommt das Wiederaufnahmegericht auf Grund der Ermittlungen zu dem Ergebnis, daß die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung begründet ist oder daß statt der Schöfsenkammer die Strafkammer zuständig ist, so müßte nach den allgemeinen Bestimmungen an sich zunächst die Hauptverhandlung anberaumt werden, die gemäß § 90 alsbald zu einem Verweisungsbeschluß führen würde. Eine solche Hauptverhandlung, in der von Ansang an feststeht, daß nur ein Verweisungs­ beschluß ergeht, ist aber überflüssig. Der Entwurf sieht daher in Absatz 2 vor, daß sich das Gericht in den genannten Fällen für unzuständig erklärt und die Sache an das zuständige Gericht verweist, wobei § 90 Abs. 3 bis 5 entsprechend gelten soll. Abweichend von der Regelung für das Zwischenversahren (§ 35) läßt § 345 eine Unzuständigkeitserklärung mit der Be­ gründung, daß ein Gericht niederer Ordnung zuständig sei, in keinem Falle zu. Denn die Änderung eines höheren Richterspruchs durch ein niederes Gericht wird im allgemeinen der Bedeutung der Sache, die sie durch das erste Urteil erhalten hat, nicht ange­ messen sein. Anders als im Zwischenversahren ist es ferner geboten, schon vor der Hauptverhandlung eine V e r w e i s u n g zuzulassen, weil sich nach Anord­ nung der Wiederaufnahme das Verfahren völlig in der Verfügungsgewalt des Gerichts befindet und daher für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Staatsanw alt kein Raum ist. Der Antrag aus Wiederaufnahme kann bis zur Beschlußfassung des Gerichts zurückgenommen werden, sofern der S taatsanw alt oder der Angeklagte zu­ stimmt. Is t die Vollstreckung des angegriffenen Urteils nicht schon bei Zulassung des Antrags ausgesetzt worden (§ 361 Abs. 4), so hat der Vorsitzer nach der Anordnung der Wiederaufnahme erneut darüber zu befinden, ob das Urteil weiter zu vollstrecken oder die Vollstreckung auszusetzen ist. Auch der Vorsitzer des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattzu­ finden hat, soll darüber entscheiden können. Aus der Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung ergibt sich, daß die Anordnung der Wiederaufnahme den Bestand des angegriffenen Urteils nicht berührt (vgl. § 364 Abs. 2). Wird die Vollstreckung unterbrochen, so kann der An­

geklagte nach den allgemeinen Bestimmungen in Untersuchungshaft genommen werden. F ü r das weitere Verfahren sollen die Vorschriften über das Hauptverfahren gelten, und zwar jeweils die Vorschriften des Rechtszuges, in dem die Sache sich befindet. Der gesetzliche Vorbehalt in Absatz 5 bezieht sich vor allem auf die Fälle, in denen die Sachentscheidung durch Beschluß erfolgt (§§ 365, 366). § 364 V e r h a n d l u n g und Urteil Satz 1 stellt klar, daß die neue Hauptverhandlung gegenüber der früheren selbständig ist und mit ihr in keinem inneren verfahrensrechtlichen Zusammenhang steht. D as Wiederaufnahmegericht darf sich also nicht darauf beschränken, den neuen Verhandlungsstoff daraufhin zu prüfen, ob er die früheren Feststellungen in ihrem Bestände erschüttert oder unberührt läßt, es muß vielmehr den^esam ten Verhandlungsstoff tatsächlich und rechtlich selbst, werten. Der Entwurf hat bei den Rechtsmitteln die teil­ weise Rechtskraft aus den in der Begründung zu § 317 genannten Gründen beseitigt. D as gleiche muß auch für die Wiederaufnahme gelten. Abweichend vom bisherigen Recht ist daher eine Beschränkung der Wiederaufnahme auf einzelne von mehreren selb­ ständigen Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt worden sind, oder auf die Schuld- oder Straffrage nicht möglich. Aus technischen Gründen, um nämlich die nochmalige Erörterung zweifelsfrei festgestellter Vorgänge zu vermeiden, an deren erneuter Prüfung keinem der Beteiligten gelegen ist, trifft § 364 für die Wiederaufnahme die gleiche Regelung wie § 325 Abs. 2 Satz 2 für die Berufungsverhandlung. Aus der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der neuen Hauptverhandlung gegenüber der früheren ergibt sich, daß das neue Urteil aus das frühere nicht Bezug nehmen darf; es ist vielmehr selbständig zu erlassen und zu begründen. Ergeben sich Abweichungen vom früheren Urteil, so ist neben dem Erlaß des neuen Urteils eine Aufhebung des früheren Urteils nicht erforderlich. Nach § 364 Abs. 2 soll mit dem neuen Urteil das frühere von selbst wegfallen. Die Anrechnung der früheren Strafe, soweit sie vollstreckt ist, richtet sich nach § 88. § 365 E n t s c h e i d u n g durch Be s c h l u ß Zwecks möglichster Vereinfachung des Verfahrens in klarliegenden Fällen gestattet der Entwurf ähnlich wie im bisherigen Recht eine Beschlußentscheidung ohne Hauptverhandlung, wenn die Schuldlosigkeit des Verurteilten oder der Mangel eines begründeten Verdachts dargetan ist und der Staatsanw alt der Aufhebung des früheren Urteils zustimmt oder wenn — insoweit über das bisherige Recht hinausgehend — das Verfahren einzustellen ist. I m letzten Falle werden vielfach nur Rechtsfragen zu beurteilen sein, zu deren Entscheidung eine öffentliche Hauptverhand­ lung meist nicht erforderlich ist; hier kann auch von der Zustimmung des S taatsanw alts abgesehen

Werden. Ebenso wie das bisherige Recht setzt der Entwurf eine besondere Zustimmungserklärung des Angeklagten für das Beschlußversahren nicht voraus. Einem etwaigen Wunsch des Angeklagten, seine Ehre ö f f e n t l i c h wiederhergestellt zu sehen, kann dadurch entsprochen werden, daß das Gericht den In h a lt der neuen Entscheidung öffentlich bekannt gibt (§ 367). Ergänzende Vorschriften enthalten die §§ 417 Abs. 4, 444 Abs. 2, wenn ein Einziehungsbeteiligter oder ein Verletzter am Verfahren teilnimmt. § 366 Tod

oder V e r h a n d l u n g s u n f ä h i g k e i t des V e r u r t e i l t e n

Is t der Verurteilte gestorben oder dauernd verhandlungsunsähig, so wird das Verfahren nur wieder aufgenommen, wenn es zum Freispruch des Verur­ teilten oder zur Beseitigung einer schweren Ehren­ minderung führen soll. Eine Wiederaufnahme zu dem in § 354 Abs. 1 Nr. 2, 3 genannten Zweck oder mit dem Ziel einer wesentlich milderen Ahndung (oder der Versahrenseinstellung statt der Verurtei­ lung) verbietet sich im Falle des Todes oder der dauernden Verhandlungsunsähigkeit von selbst. Neu gegenüber dem bisherigen Recht ist die Gleichstellung des Verfahrens im Falle der Verhandlungsunsähig­ keit mit dem Falle des Todes. Neu ist ferner die Zulassung der Wiederaufnahme zwecks Beseitigung einer schweren Ehrenminderung. Diese Erweiterung ist bei der gesteigerten Bedeutung des Ehrenschuhes für das neue Strafverfahren unerläßlich. Die er­ strebte Beseitigung der Ehrenminderung bildet aber nur dann einen geeigneten Wiederaufnahmegrund, wenn sie zu einer Änderung des Urteils s p r u ch s führen soll. F ür eine Wiederaufnahme bei Beschwer durch die Gründe eines freisprechenden oder einstel­ lenden Urteils (§ 355) besteht im Falle des Todes oder dauernder Verhandlungsunfähigkeit des Ange­ klagten kein dringendes Bedürfnis. Die Wiederauf­ nahme setzt auch in den Fällen des § 366 stets vor­ aus, daß die Änderung des Urteils mit großer Wahr­ scheinlichkeit zu erwarten ist (§ 356). F ü r den Verurteilten können gewisse (aber nicht alle in § 297 genannte) Angehörige die Wiederauf­ nahme beantragen; der Kreis dieser Angehörigen ent­ spricht dem bisherigen Recht (§ 361 Abs. 2). Daß auch der Antrag dieser Angehörigen ebenso wie der Antrag des Angeklagten selbst den Formvorschristen des § 359 Abs. 3 unterliegt, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Absatz 2 Halbsatz 2 regelt den in der bisherigen S tP O , übergangenen Fall, daß der Ver­ urteilte während eines von ihm beantragten Wieder­ aufnahmeverfahrens stirbt; in diesem Fall können die genannten Angehörigen das Verfahren fortsetzen, wenn die Voraussetzungen des Absatz 1 vorliegen. I n Erweiterung des § 365 läßt der Entwurf auch in den Fällen desH 366 eine Beschlußentscheidung zu. Abweichend vom bisherigen Recht ist aber die Be­ schlußform nicht mehr zwingend vorgeschrieben. I n bedeutenden Sachen wird mitunter nicht nur im I n ­ teresse des Verurteilten, sondern auch vom S tand­

punkt der Volksgesamtheit aus eine Aufklärung des Sachverhalts in öffentlicher Hauptverhandlung gebo­ ten sein. Sind die Voraussetzungen für den Freispruch oder die Beseitigung der schweren Ehrenminderung nicht gegeben, kommt insbesondere das Gericht zu dem­ selben Ergebnis wie int früheren Verfahren, so ist der Wiederaufnahmeantrag zurückzuweisen. Abweichend von der Regelung des § 364 bleibt also in diesem Fall das frühere Urteil aufrechterhalten. Liegen da­ gegen die Voraussetzungen vor, so ist das frühere Urteil aufzuheben; ist die Unschuld des Verurteilten erwiesen oder fehlt es am Beweis seiner Schuld, so ist mit der Aushebung der Freispruch zu verbinden. Ergibt sich im neuen Verfahren, daß der Verurteilte zwar schuldig ist, daß er aber eine leichtere S traftat begangen hat, so ist das frühere Urteil aufzuheben und in den Urteilsgründen die Veränderung des Berhandlungsergebniffes näher darzulegen. D as Gericht ist aber nicht gehindert, die Veränderung in geeigneten Fällen auch im Urteilsspruch zum Aus­ druck zu bringen (§ 86). F ü r die Festsetzung einer neuen S trafe im Rahmen des veränderten Gesichts­ punktes ist jedoch in solchen Fällen kein Raum. § 367 Öf fent liche B e k a n n t g a b e Der Entwurf sieht vor, daß der In h a lt der neuen Entscheidung unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie nach § 89 vorgesehen sind, öffentlich bekannt gegeben werden kann. Dies gilt — anders als im bisherigen Recht (§ 371) — nicht nur für Beschlüsse, die ohne Hauptverhandlung ergangen sind, sondern auch für Urteile. Denn da die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung vielfach nur zur Unterrichtung eines beschränkten Personenkreises führt, wird häufig, insbesondere zur vollen Rehabilitierung des Ange­ klagten vor einer weiteren Öffentlichkeit, auch bei Ur­ teilen eine amtliche Bekanntgabe der neuen Entschei­ dung geboten sein. Uber das bisherige Recht hinaus wird ferner — einem praktischen Bedürfnis ent­ sprechend — die Bekanntgabe nicht nur im Falle des Freispruchs (oder der Aufhebung einer sichernden Maßregel) zugelassen, sondern auch dann, wenn das neue Urteil eine andere wesentliche Änderung zu­ gunsten des Angeklagten enthält. Die öffentliche Bekanntgabe steht in allen Fällen im Ermessen des Gerichts; ein Recht des Antragstellers auf die Be­ kanntgabe ist (anders als in § 371 Abs. 4 S tP O .) nicht vorgesehen. § 368

Be f r i s t e t e Be s c hwe r de Der Entwurf beschränkt die befristete Beschwerde auf solche Beschlüsse, durch die das Gericht über den A n t r a g entscheidet. I m wesentlichen unterliegen also nur die Beschlüsse über die Zulassung (§ 361) und die Anordnung (§ 363) der Wiederaufnahme sowie die Beschlußentscheidungen aus den §§ 365, 366 Abs. 3 der befristeten Beschwerde, während gegen andere Beschlüsse (z. B. nach § 361 Abs. 3) die ein-

fache Beschwerde gegeben ist. Zwecks sachgemäßer Beratung des Angeklagten und der nach § 366 Abs. 2 für ihn Antragsberechtigten sollen auch für die Be­ schwerde die Formvorschriften des § 359 Abs. 3 gelten. Absatz 2 gibt dem Beschwerdegericht die Möglich­ keit, zugleich mit der Anordnung der Wiederaufnahme (§ 363) die neue Hauptverhandlung einem anderen Gericht gleicher Ordnung zuzuweisen. Der Grund für diese Regelung ist bei § 360 erörtert. Die in § 363 Abs. 2 gegebene Befugnis, die Sache an ein Gericht anderer Ordnung zu verweisen, wird durch § 368 Abs. 2 nicht berührt. § 369 W i e d e r a u f n a h m e gegen Beschlüsse Steht dem Strafverfahren ein Hindernis ent­ gegen, das die Verurteilung des Angeklagten aus­ schließt (z. B. Straffreiheit, Unzulässigkeit der Verfolgung wegen Zeitablaufs, Mangel des S tra f­ antrags oder Rechtskraft), so ist das Verfahren einzustellen. I m Hauptverfahren erfolgt die Ein­ stellung grundsätzlich durch Urteil. § 39 gestattet aber auch in diesem Versahrensabschnitt die Beschlußform, sofern die Entscheidung außerhalb der Hauptverhand­ lung ergeht. Ein derartiger Einstellungsbeschluß ist mit der befristeten Beschwerde anfechtbar; nach Ablauf der Beschwerdefrist erwächst er ebenso wie das Urteil in Rechtskraft. Auch inhaltlich steht der Einstellungs­ beschluß dem Urteil gleich, da er wie dieses das Verfahren abschließt. Aus diesen Gründen rechtfertigt sich die Gleichstellung mit dem Urteil auch hinsichtlich der Wiederaufnahme, zumal es häufig von Zufällig­ keiten abhängt, ob die Einstellung durch Urteil oder durch Beschluß erfolgt. F ü r das Verfahren sollen die Vorschriften des Zweiten Abschnitts entsprechend gelten. Eine Ausdehnung des § 369 aus Beschlüsse anderer Art ist nicht zweckmäßig. F ü r die Beschlüsse aus §§ 35, 384 sieht der Entwurf eine Sonder­ regelung vor (§§ 37, 384 Abs. 4).

D ritter Abschnitt Nichtigkeitsbeschwerde und außerordentlicher Einspruch gegen Urteile Die ordentlichen Rechtsmittel geben im allgemei­ nen Gewähr dafür, daß Urteile, deren tatsächliche oder rechtliche Grundlage nicht einwandfrei ist, vor E intritt der Rechtskraft beseitigt werden. Is t ein Urteil rechtskräftig geworden, so gibt die Wiederauf­ nahme des Verfahrens eine weitere Sicherung dafür, daß Irrtü m er in der Tatsachenfeststellung, die erst später bemerkt werden, aus der Welt geschafft werden können. M it diesen Rechtsbehelsen sind im bisherigen Recht die Möglichkeiten erschöpft, auf gerichtlichem Wege gegen Fehlurteile Abhilfe zu schaffen. Reichen sie nicht aus, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen, so muß bisher der Weg der Gnade beschritten werden. I n dem Bemühen, die größtmögliche Gewähr für eine gerechte Strafrechtspflege zu geben, stellt der Entwurf darüber hinaus zwei außerordentliche

Rechtsbehelfe zur Verfügung, die Nichtigkeitsbe­ schwerde und den außerordentlichen Einspruch. Ih re Einführung beruht auf der Erkenntnis, daß sich Fälle ereignen können, in denen die Rechtsmittel der Beru­ fung und der Urteilsrüge nicht zum Ziel führen, sei es, weil die Anfechtungsfrist abgelaufen ist, sei es, weil es sich um nicht anfechtbare Urteile handelt. Auch die Wiederaufnahme des Verfahrens hat nur ein beschränktes Anwendungsgebiet, da sie sich nur gegen Irrtü m er in der Tatsachenfeststellung, nicht aber auch gegen bloße Rechtsfehler richtet und zudem nur auf n e u e Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden kann. Es bedarf daher eines Sicherheits­ ventils, um gegenüber fehlerhaften Urteilen der Ge­ rechtigkeit auch dann zum Sieg zu verhelfen, wenn sich erst nach Rechtskraft des Urteils ein Rechtsfehler herausstellt oder wenn sich die Bedenken gegen das Urteil zwar gegen die tatsächlichen Feststellungen richten, aber neue Tatsachen oder Beweismittel nicht vorhanden sind. Die Möglichkeit, gegen rechtskräftige Urteile mit der Nichtigkeitsbeschwerde oder dem außerordentlichen Einspruch vorzugehen, muß aber auf Ausnahmefälle beschränkt werden, da grundsätzlich nach Eintritt der Rechtskraft eine erneute Erörterung der Sache im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens ausgeschlossen sein muß. Zur Wahrung des Ausnahmecharakters der neuen Rechtsbehelfe schafft der Entwurf verfahrensrechtliche Sicherungen. Die außerordentlichen Rechtsbehelfe stehen nur dem Oberreichsanwalt beim Reichsgericht zu und nur binnen sechs Monaten nach E intritt der Rechtskraft des Urteils kann von ihnen Gebrauch gemacht werden. M it der Einführung der Nichtigkeitsbeschwerde und des außerordentlichen Einspruchs knüpft der Ent­ wurf zugleich an bewährte Einrichtungen des Rechts der Ostmark an. Nach der österreichischen S tra f­ prozeßordnung steht dem Generalprokurator gegen Urteile und andere Entscheidungen der Gerichte wegen Verletzung oder unrichtiger Anwendung des Gesetzes die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu, über die bisher der Oberste Gerichtshof entschieden hat. Der Generalprokurator kann von ihr auch nach Ablauf der Rechtsmittelfristen und ohne Rücksicht darauf Gebrauch machen, ob der S taatsanw alt oder der Angeklagte die Entscheidung mit den ordentlichen Rechtsmitteln angefochten haben oder nicht. Stellt der Oberste Gerichtshof eine Gesetzesverletzung fest, so ist dieser Ausspruch zwar ebenso wie andere E nt­ scheidungen des Obersten Gerichtshofs für die künftige Rechtsprechung der Gerichte von Bedeutung, aber in der Regel ohne Wirkung auf den Angeklagten. Der Gerichtshof kann aber in geeigneten Fällen auf F rei­ sprechung oder Anwendung eines milderen S tra f­ gesetzes erkennen oder eine Erneuerung des Verfah­ rens anordnen. Ferner kennt das österreichische Recht die außerordentliche Wiederaufnahme, die es dem Obersten Gerichtshof ermöglicht, nach Anhörung des Generalprokurators und ohne Bindung an die sonst für die Wiederaufnahme des Verfahrens geltenden Bestimmungen zugunsten eines Verurteilten die Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen, wenn sich im Rechtsmittelzug oder auf besonderen Antrag des Generalprokurators sonst bei einer Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit

der betn Urteil zugrunde gelegten Tatsachen ergeben. Die neuen Rechtsbehelse der Nichtigkeitsbeschwerde und des außerordentlichen Einspruchs lehnen sich an diese beiden österreichischen Rechtseinrichtungen an, weichen jedoch in der Ausgestaltung der Einzelheiten von ihnen ab. Die Nichtigkeitsbeschwerde soll nicht der abstrakten Wahrung des Gesetzes, sondern der Durchsetzung der Gerechtigkeit bei der Entscheidung des Einzelsalles dienen und Abhilfe schaffen, wenn ein rechtskräftiges Urteil aus Rechtsgründen nicht haltbar ist. S ie setzt voraus, daß das angefochtene Urteil wegen eines groben Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht ist. Die Nichtig­ keitsbeschwerde ist gegen rechtskräftige Urteile des Amtsrichters, der Schöffenkammer und der S traf­ kammer zugelassen und hat insbesondere Bedeutung gegenüber den im Berufungsrechtszug ergangenen Urteilen der Schöffenkammer und den Urteilen der Strafkammer, die mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbar sind, über die Nichtigkeitsbeschwerde entscheidet das Reichsgericht in der Besetzung mit fünf Berufsrichtern, also in derselben Besetzung wie bei Entscheidungen über Urteilsrügen. D as Reichsgericht ist nicht auf die Stellungnahme zu der aufgeworfenen Rechtsfrage beschränkt, sondern kann in der Sache selbst entscheiden. Verweist es die Sache an das untere Gericht zurück, so verhandelt dieses neu in der Sache. Der außerordentliche Einspruch soll schon durch seine Bezeichnung zum Ausdruck bringen, daß er den letzten Rechtsbehelf darstellt, durch den innerhalb der Gerichtsorganisation gegen ein Fehlurteil Abhilfe gesucht werden kann. Uber ihn soll der Besondere Strafsenat des Reichsgerichts entscheiden, der mit fünf Richtern besetzt ist und auch dann zur Entschei­ dung berufen ist, wenn der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht vor ihm in besonders bedeutungsvollen Sachen die Anklage erhebt. Seine Mitglieder werden auf Vorschlag des Reichsministers der Justiz vom Führer und Reichskanzler für die Dauer von zwei Geschäftsjahren bestellt. Seine Zusammensetzung soll Gewähr dafür bieten, daß er in besonderem Maße das Vertrauen des Obersten Gerichtsherrn des Reiches hat. Der außerordentliche Einspruch ist gegen rechts­ kräftige Urteile des Amtsrichters, der Schöffenkammer und der Strafkammer zulässig. Nur der Oberreichs­ anwalt beim Reichsgericht kann von ihm Gebrauch machen, wenn er wegen schwerwiegender Bedenken gegen die Richtigkeit des Urteils eine neue Verhand­ lung und Entscheidung in der Sache für notwendig hält. Da diese Bedenken nicht nur aus Rechtssehler, sondern auch auf fehlerhafte Tatsachenfeststellungen gestützt werden können, gibt der Einspruch in um­ fassender Weise die Möglichkeit, unhaltbare Urteile, die rechtskräftig geworden sind, aus der Welt zu schaffen. Der Einspruch hat zur Folge, daß das an­ gefochtene Urteil hinfällig wird und nunmehr der Besondere Strafsenat des Reichsgerichts aus Grund einer Hauptverhandlung in der Sache entscheidet. Für die neue Verhandlung gelten die Bestimmungen über das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges, von denen der Senat jedoch aus wichtigen Gründen ab­ weichen kann.

Vo rausset zun gen der N i ch ti g ke it s ­ beschwerde Der Entwurf läßt nach E intritt der Rechtskraft die Nichtigkeitsbeschwerde gegen die im § 370 be* zeichneten Urteile unter der Voraussetzung zu, daß die angefochtene Entscheidung wegen eines groben Fehlers bei der Rechtsanwendung ungerecht ist. Vor E intritt der Rechtskraft kommt also eine Nichtigkeits­ beschwerde nicht in Betracht; die Geltendmachung von Rechtssehlern bleibt der Anfechtung mit den ordent­ lichen Rechtsmitteln überlassen. Die Nichtigkeits­ beschwerde setzt auch nicht voraus, daß der Rechts­ mittelzug erschöpft worden ist. S ie ist daher auch gegen Urteile des Amtsrichters oder der Schöfsenkammer im ersten Rechtszuge zugelassen, wenn etwa der Betroffene es aus Rechtsunkenntnis unterlassen hat, einen erheblichen Fehler bei der Rechtsanwen­ dung, durch das ordentliche Rechtsmittel geltend zu machen. Der Rechtsbehelf ist überdies nur gegen Urteile zugelassen. Der mit ihm erstrebte Eingriff in die Rechtskraft soll auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen ein Urteil der Gerechtigkeit fühlbar Abbruch tut. Bei anderen richterlichen Entscheidungen — z. B. Beschlüssen, die die Anberaumung der Haupt­ verhandlung ablehnen oder das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung einstellen, — besteht kein Be­ dürfnis für einen außerordentlichen Rechtsbehelf. Bei ihnen kommen Rechtsfehler, die noch nach Ablauf der Beschwerdesrist der Beseitigung bedürfen, auch in weit geringerem Maße in Betracht als bei Urteilen. Aber auch im Bereich der gerichtlichen Urteile sind die des Reichsgerichts, des Volksgerichtshofs und des Oberlandesgerichts aus Gründen, die in der Auto­ rität dieser Gerichte liegen, der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zugänglich. Die besondere Zweckbestimmung der Nichtigkeits­ beschwerde, aus die einleitend hingewiesen wurde, erfordert ferner eine Beschränkung ihrer inneren Vor­ aussetzungen. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nur be­ gründet, wenn das angefochtene Urteil einen g r o b e n Fehler in der sachlich-rechtlichen Entschei­ dung ausweist und wenn es deshalb zu der Gerechtigkeit in Widerspruch steht. Als Fehler in der Rechtsanwen­ dung ist wie im Urteilsrügeversahren (vgl. die Bemer­ kungen zu § 331) auch die unrichtige richterliche Wertung im Rahmen der rechtlichen Würdigung an­ zusehen. Als Grundlage der Nichtigkeitsbeschwerde kommen insbesondere die Anwendung eines unrich­ tigen Strafgesetzes, die zu einer völlig abwegigen Be­ urteilung geführt hat, die irrige Anwendung oder Nichtanwendung eines Strafsreiheitsgesetzes sowie die Nichtbeachtung der Bestimmungen über die ent­ sprechende Anwendung von Strafgesetzen oder über die Wahlfeststellung in Betracht. Auch ein grober Rechtsfehler bei der Strafzumessung kann Anlaß zur Nichtigkeitsbeschwerde geben, so z. B. die Wahl einer im angewendeten Strafgesetz nicht zugelassenen S tra f­ art oder die Außerachtlassung der gesetzlichen S tra f­ grenzen. Dagegen kann ein Fehler im Verfahren allein die Nichtigkeitsbeschwerde niemals begründen. Liegt ein solcher Fehler vor, enthält aber die sachliche Entscheidung keinen groben Rechtsverstoß, der das

Urteil als ungerecht erscheinen läßt, so besteht kein Bedürfnis, die Rechtskraft des Richterspruchs anzu­ tasten. Auch die fehlerhafte Ausübung des richter­ lichen Ermessens, insbesondere bei der Strafzu­ messung, kann nicht zum Gegenstand der Nichtigkeits­ beschwerde gemacht werden, soweit sie nicht zugleich einen groben Rechtsverstoß enthält. — Die Nichtig­ keitsbeschwerde ist aber nur dann von Erfolg, wenn das Urteil wegen des groben Rechtsfehlers u n g e ­ r e c h t ist. Voraussetzungen und Wirkungen des Rechtsbehelfs sind demnach nicht aus die abstrakte Ent­ scheidung einer Rechtsfrage abzustellen, sondern im Rahmen des zur Entscheidung stehenden Einzelsalles zu betrachten. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur vom Ober­ reichsanwalt beim Reichsgericht erhoben werden. Dieser ist berufen, als Vertreter der Staatssührung über die Rechtsanwendung zu wachen und aus Abhilfe hinzuwirken, wenn ein Urteil wegen eines groben Rechtsverstoßes im Interesse einer geordneten Rechts­ pflege der Richtigstellung bedarf. F ü r die Ausübung der dem Oberreichsanwalt eingeräumten Befugnis ist es ohne Bedeutung, ob er aus eigenem Entschluß oder auf Veranlassung der Staatsführung oder eines Verfahrensbeteiligten sich zur Einlegung der Nichtig­ keitsbeschwerde veranlaßt sieht. Absatz 2 setzt der Nichtigkeitsbeschwerde eine zeit­ liche Grenze. Rechtssicherheit und Rechtsfrieden lassen es geboten erscheinen, nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne Angriffe gegen das rechtskräftige Urteil wegen eines Rechtsfehlers endgültig auszuschließen. Kann der Vorwurf eines groben Fehlgriffs in der Rechtsanwendung und einer hierdurch bedingten Un­ gerechtigkeit in der Entscheidung erhoben werden, so wird dieser Mangel sich alsbald nach Rechtskraft des Urteils Herausstellen. Is t er nicht binnen sechs Monaten hervorgetreten und vom Oberreichsanwalt zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht worden, so muß eine Erschütterung der Rechtskraft vermieden werden. § 371 Entscheidung

über d i e Nichtigkeits­ b es chwer de Die Vorschrift regelt das Verfahren bei der E in­ legung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Entschei­ dung über sie. Abweichend von der allgemeinen Regelung (§ 302) kann sie nur beim Reichsgericht und nur schriftlich eingelegt werden. M it der Anbringung beim unteren Gericht verbindet der Entwurf nicht die gesetzlichen Wirkungen des Rechtsbehelfs, weil er köine Anfechtung im ordentlichen Rechtsmittelzug in sich schließt, die eine Hemmung der Rechtskraft zur Folge hätte. Vielmehr wird die Rechtskraft des Urteils durch Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht be­ rührt; sie kann erst durch den Spruch des Reichs­ gerichts beseitigt werden. Besondere Bestimmungen über die Begründung des Rechtsbehelfs erübrigen sich. Der Entwurf geht davon aus, daß der Oberreichs­ anwalt sie mit der Einlegungsschrist verbindet; das Nachbringen von Gründen nach Ablauf der im § 370 Abs. 2 bestimmten Frist ist nicht ausgeschlossen. Auch das weitere Verfahren bis zur Hauptverhandlung be­

darf keiner gesetzlichen Regelung. Der Oberreichs­ anwalt legt die Akten dem Reichsgericht vor. Nach dem auch in diesen: Verfahren geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs obliegt es dem Vorsitzer des Senats, die Nichtigkeitsbeschwerde dem Angeklagten mitzuteilen; diesem steht es frei, eine Gegenerklärung abzugeben. D as Reichsgericht entscheidet über die Nichtigkeits­ beschwerde in derselben Besetzung wie im Urteils­ rügeverfahren auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil; Entscheidungen durch Beschluß kommen nicht in Betracht, da das Verfahren einen Rechtsbehels des Oberreichsanwalts zum Gegenstand hat. F ür die Mitteilungen, die dem Angeklagten, dem Vertei­ diger und anderen über die Hauptverhandlung zu machen sind, und für ihre Teilnahme an der Verhand­ lung gilt § 339 entsprechend. Auch der Gang der Verhandlung richtet sich im wesentlichen nach den für das Urteilsrügeverfahren geltenden Bestimmungen. Jedoch findet eine Beweiserhebung durch das Reichs­ gericht nicht statt. Der Umfang, in dem das Reichs­ gericht das Urteil nachprüft, ergibt sich aus dem zu § 370 Ausgeführten. Vor der Entscheidung des S enats steht dem Vorsitzer die Befugnis zu, die Aussetzung der Vollstreckung anzuordnen; dazu kann insbesondere Anlaß bestehen, wenn schon die Vor­ prüfung der Nichtigkeitsbeschwerde Anhaltspunkte dafür ergibt, daß eine dem Verurteilten wesentlich günstigere Entscheidung ergehen wird. D as Reichsgericht kann die Nichtigkeitsbeschwerde verwerfen oder das Urteil aufheben. Gibt es der Nichtigkeitsbeschwerde statt, so wendet es den zutreffen­ den Rechtssatz an und kann dann in der Sache selbst entscheiden oder sie zu neuer Verhandlung und E nt­ scheidung an das Gericht, dessen Urteil angefochten ist, oder an ein anderes Gericht derselben Ordnung zurückverweisen; insoweit gelten die Bemerkungen zu § 342 Abs. 2 sinngemäß. D a dem Reichsgericht eine eigene Beweisaufnahme im Verfahren über die Nich­ tigkeitsbeschwerde verwehrt ist, kann eine Entschei­ dung in der Sache selbst nur ergehen, wenn die tat­ sächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils dazu ausreichen. Im Falle der Zurückverweisung muß das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, in der Sache neu verhandeln (§ 372 Satz 1). Die Aufhebung kann nach dem in § 304 ausgesprochenen Grundsatz dazu führen, daß die Entscheidung zu­ gunsten oder zuungunsten des Betroffenen geändert wird. Ergibt sich Anlaß, auch das gegen einen M it­ angeklagten ergangene Urteil aufzuheben, so bedarf es hierzu eines besonderen Antrags des Oberreichsan­ walts, der fristgemäß gestellt werden muß. § 372 V e r f a h r e n vor

dem u n t e r e n

Ge r i c ht

Hat das Reichsgericht das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, so ist sie in den S tand vor der Hauptverhandlung, die dem aufgehobenen Urteil vorangegangen ist, zurückversetzt. F ür das Verfahren vor dem nunmehr mit der Sache befaßten Gericht gelten die Vorschriften über das Ver­ fahren im ersten Rechtszuge oder, wenn ein Berusungsurteil aufgehoben worden ist, b k Bestimmungen

über das Berufungsversahren. Nach ihnen richtet es sich auch, in welchem Umfange die tatsächlichen Fest­ stellungen und die rechtliche Würdigung des Sachver­ halts zu erneuern sind. Um eine Wiederholung von Rechtsirrtümern zu vermeiden, bestimmt § 372 ferner, daß das untere Gericht bei seiner Entscheidung an die rechtliche Beurteilung gebunden ist, auf die das Reichsgericht die Aushebung des Urteils gestützt hat. F ü r den Umfang der Bindung gilt das zu § 346 Bemerkte sinngemäß. § 373 A u ße ro r d e n t l i c h e r Einspruch Der außerordentliche Einspruch gegen die im § 373 bezeichneten Urteile wird vom Entwurf zuge­ lassen, wenn der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht eine neue Verhandlung und Entscheidung in der Sache wegen schwerwiegender Bedenken gegen die Richtigkeit des Urteils für notwendig hält. Die äußeren Voraussetzungen des Rechtsbehelfs stimmen mit denen der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 370) überein. Auch der Einspruch setzt den E intritt der Rechtskraft voraus. Vorher können Fehlgriffe in der richterlichen Entscheidung nur mit dem zulässigen ordentlichen Rechtsmittel geltend gemacht werden. Wie bei der Nichtigkeitsbeschwerde verweist der Entwurf im In te r­ esse der Beschränkung des außerordentlichen Ein­ spruchs auf ein Mindestmaß auch das Vorbringen schwerwiegender Bedenken gegen andere richterliche Handlungen als Urteile in das Beschwerdeversahren. Urteile des Reichsgerichts, des Volksgerichtshofs und des Oberlandesgerichts sind wie der Nichtigkeitsbe­ schwerde so auch dem außerordentlichen Einspruch entzogen. Die schwerwiegenden Bedenken, aus denen der Anlaß zum Einspruch entnommen werden kann, müssen sich gegen das angegriffene Urteil selbst richten. S ie können dem der Entscheidung vorangegangenen Verfahren nur dann entnommen werden, wenn sie sich im Urteil auswirken. I m übrigen stellt der Ent­ wurf für die Gründe, aus denen der Oberreichsanwalt im Wege des Einspruchs eine Wiederholung des Ver­ fahrens herbeiführen kann, keine Beschränkungen auf. S ie können aus Bedenken gegen die Rechtsanwen­ dung oder die Ausübung des richterlichen Ermessens ebenso wie aus Zweifeln gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder der Strafbemessung entnommen werden. Erhebliche Bedenken gegen die Rechtsauslegung rechtfertigen den Einspruch auch dann, wenn die Nichtigkeitsbeschwerde begründet wäre. Die einleitend hervorgehobene Zweckbestim­ mung des Rechtsbehelfs erfordert aber, seine Anwen­ dung auf Ausnahmefälle zu beschränken, in denen das Gebot der gerechten Entscheidung des Einzelfalles dringend die Wiederholung des Urteilsverfahrens gebietet. D as kann insbesondere der Fall sein, wenn das Gericht in erheblicher Verkennung der Sach- oder Rechtslage zu einem durch den Sachverhalt nicht gerechtfertigten Freispruch oder auf Grund völlig un­ zureichender tatsächlicher oder rechtlicher Erwägungen zu einer Verurteilung gelangt ist. Der Einspruch kommt ferner in Betracht, wenn entgegen einem drin­ genden Schutzbedürfnis des Volkes die Anordnung

einer sichernden Maßregel zu Unrecht abgelehnt oder die Höhe der Strafe nach Gesichtspunkten bestimmt worden ist, die der Persönlichkeit des Täters und der Bedeutung der T at nur unzulänglich Rechnung tragen. Die Befugnis zur Einlegung des außerordent­ lichen Einspruchs steht nur dem Oberreichsanwalt beim Reichsgericht zu. Die Beseitigung des rechts­ kräftigen Urteils, die schon mit der Einlegung des Einspruchs eintritt und zur Folge hat, daß in ;edem Falle das Hauptverfahren erneuert werden muß, kann nur in die Hand eines hohen Organs der Rechtspflege gelegt werden. Der Oberreichsanwalt übt das E in­ spruchsrecht als Vertreter der Staatssührung aus, kann von ihm aber auch auf Anregung eines Verfah­ rensbeteiligten Gebrauch machen. Die Gültigkeit des Einspruchs ist nicht davon abhängig, daß der Beson­ dere Strafsenat des Reichsgerichts die zur Begrün­ dung des Einspruchs angeführten Gründe teilt. Absatz 3 erklärt den außerordentlichen Einspruch aus ähnlichen Erwägungen wie die Nichtigkeitsbe­ schwerde (§ 370 Abs. 2) nach Ablauf von sechs M o­ naten seit E intritt der Rechtskraft für unzulässig. § 374

Wi r k u n g des Ei ns pr uc hs Die im Absatz 1 der Vorschrift bestimmte Form des Einspruchs entspricht der für die Nichtigkeitsbe­ schwerde geltenden Regelung (vgl. die Bemerkungen zu § 371). Auch der Einspruch kann nur beim Reichs­ gericht eingelegt werden, nicht bei dem Gericht, gegen dessen Urteil er sich richtet. Eine Begründung des Rechtsbehelfs schreibt das Gesetz aus den zu § 373 angeführten Gründen nicht vor; sie wird in der Regel in die Einspruchsschrist ausgenommen werden, kann aber auch nach Ablauf der im § 373 Abs. 3 bestimmten Frist nachgetragen werden. Der Eingang des außer­ ordentlichen Einspruchs beim Reichsgericht hat in allen Fällen kraft Gesetzes den Wegfall des Urteils, gegen das er sich richtet, zur Folge; wird er gegen ein Berufungsurteil eingelegt, so fällt auch das Urteil des ersten Rechtszuges weg. Eine gerichtliche Nachprüfung der Voraussetzungen des Rechtsbehelss oder der vom Oberreichsanwalt vorgebrachten E in­ spruchsgründe schließt der Entwurf, wie schon zu § 373 bemerkt ist, aus; es würde dem Grundgedanken des Rechtsbehelfs widersprechen, wenn das Gericht dem Willen der vom Oberreichsanwalt vertretenen S ta a ts ­ führung entgegen die nochmalige Erörterung der Sache ablehnen könnte. Durch den Einspruch wird das Verfahren in den S tand vor der Hauptverhand­ lung des ersten Rechtszuges zurückversetzt. Diese Rechtsfolge ist unwiderruflich und kann nicht durch Zurücknahme des Einspruchs rückgängig gemacht werden. § 375 Weiteres Verfahren Hat der Oberreichsanwalt beim Reichsgericht innerhalb der im § 373 Abs. 3 bestimmten Frist den Einspruch eingelegt, so leitet er die Akten dem Reichs­ gericht zu. M it dem Eingang der Akten wird die 12*

Sache beim Reichsgericht int Aauptversahren des ersten Rechtszuges anhängig. Diese Bestimmung hat Bedeutung für die Zuständigkeit des Vorsitzers des Besonderen Strafsenats zur Anordnung verfahrens­ rechtlicher Maßnahmen, insbesondere zur Vorberei­ tung der Hauptverhandlung und zur Anwendung von Zwangsmitteln. ^ D a der rechtzeitig erhobene E in­ spruch das rechtskräftige Urteil beseitigt, entzieht er einer auf Grund des Urteils etwa eingeleiteten Strafvollstreckung die Grundlage?) Befindet sich der Verurteilte in Strafhast, so kann es aber geboten sein, seine Freilassung vorerst aufzuschieben, wenn an­ zunehmen ist, daß alsbald gegen ihn die Unter­ suchungshaft angeordnet wird. Der Entwurf über­ trägt daher in § 375 Abs. 2 dem Oberreichsanwalt die Befugnis, anzuordnen, daß der aus Grund des weggefallenen Urteils in Strafhaft gehaltene Verur­ teilte festgehalten wird, bis der Vorsitzer des.Senats entschieden hat, ob die Untersuchungshast verhängt wird. Die Festhaltung ist keine Untersuchungshaft, sondern sichert nur die Vollstreckung des voraussicht­ lich ergehenden Haftbefehls. S ie ist demnach nicht an die Voraussetzungen der Untersuchungshaft gebunden, ist aber — ähnlich wie die vorläufige Festnahme — davon abhängig zu machen, daß die Anordnung der Untersuchungshast zu erwarten ist. Nach Eingang der Akten entscheidet der Vorsitzer, ob die Untersuchungs­ haft oder eine Maßnahme zur Vermeidung des Haft­ vollzuges anzuordnen oder ob der Angeklagte freizu§ 376 V e r f a h r e n vor dem Rei chs ger i cht Auf den rechtzeitig eingegangenen Einspruch findet eine neue Verhandlung und Entscheidung in der Sache vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts

statt. D as Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Hauptversahren des ersten Rechtszuges, soweit nicht Ausnahmen wegen der Besonderheit des Rechtsbehelfs begründet sind. Der Vorsitzer des S enats trifft zunächst die nach den Vorschriften über die Anberaumung und Vorbereitung der Hauptverhand­ lung gebotenen Maßnahmen. Einer erneuten M it­ teilung der Anklageschrift bedarf es nicht. Der Vor­ sitzer kann den Oberreichsanwalt um weitere Erm itt­ lungen ersuchen oder eine vorbereitende Beweisauf­ nahme anordnen. Der S enat ist — abgesehen vom Falle des verspäteten Einspruchs — nicht befugt, die Anberaumung der Hauptverhandlung abzulehnen, da der Einspruch stets die neue Verhandlung und Ent­ scheidung in der Sache zur Folge hat. D as gilt auch, wenn nach den allgemeinen Vorschriften ein anderes Gericht (etwa der Volksgerichtshof) zuständig wäre. Die Verhandlung muß sich aus alle im ersten Rechts­ zuge zu entscheidenden T at- und Rechtsfragen er­ strecken. I m Verfahren gestattet Absatz 2 dem S enat Abweichungen von den allgemeinen Vorschrif­ ten, wenn er sie den Umständen nach für angemessen hält. Der Senat ist daher an die Formvorschriften, insbesondere über die Vernehmung und Vereidigung von Zeugen oder die Verlesung von Urkunden, nicht gebunden, soweit der Grundsatz der Wahrheitser­ forschung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Das Urteil des Besonderen Strafsenats stellt die endgül­ tige Entscheidung in der Sache dar; eine Zurückver­ weisung findet nicht statt. Außer der Wiederauf­ nahme ist ein Rechtsbehels gegen das Urteil des Be­ sonderen Strafsenats des Reichsgerichts nicht zu­ lässig. Soll ein Mitangeklagter in das Verfahren einbezogen werden, so ist erforderlich, daß gegen das rechtskräftige Urteil, soweit es ihn betrifft, ebenfalls rechtzeitig der außerordentliche Einspruch erhoben wird.

Viertes Buch

Besondere Verfahren Erstes Hauptstück

Richterliche Voruntersuchung D as bisherige Recht kennt zwei Arten des Vor­ verfahrens, das Ermittlungsverfahren des S ta a tsa n ­ walts und die richterliche Voruntersuchung. Die Strafprozeßordnung von 1879 übernahm die Vor­ untersuchung als Überbleibsel aus dem InquisitionsVerfahren früherer Zeiten. S ie sah in ihr ein Mittel zur Durchführung eines einheitlichen Untersuchungs­ plans in verwickelten Sachen durch einen Unter­ suchungsführer, der über die dem Staatsanw alt vorenthaltenen richterlichen Machtbefugnisse verfügte und daher nicht darauf angewiesen war, bei den wichtigsten Maßnahmen den Richter anzugehen. Sie betrachtete die richterliche Stellung des Untersuchungs­ führers als eine Garantie für den Beschuldigten, der eine unparteiische Aufklärung vom Richter eher erwarte als vom Staatsanw alt. S ie hielt endlich in der Voruntersuchung eine besonders gründliche Aufklärung des Sachverhalts für gewährleistet und erblickte daher in ihr einen Ausgleich für das Fehlen der Berufung in den vor das Reichsgericht, die Ober­ landesgerichte, die Schwurgerichte und die S tra f­ kammern gehörenden Sachen. Die Voruntersuchung ist stets nur in einem Bruch­ teil aller Strafsachen durchgeführt worden. Die Praxis sowohl wie auch die Gesetzgebung haben sie im Laufe der letzten Jahre immer mehr verdrängt. Die Justizverwaltungen schränkten ihr Anwendungs­ gebiet ein, indem sie die Staatsanwaltschaften an­ wiesen, bei der Stellung von Anträgen auf Vorunter­ suchung Zurückhaltung zu üben. Auf gesetzgeberischem Wege ist die Voruntersuchung in den zur erstinstanz­ lichen Zuständigkeit des Reichsgerichts und der Ober­ landesgerichte gehörenden Strafsachen durch § 10 der Verordnung gegen Verrat am deutschen Volke und hochverräterische Umtriebe vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S . 85), Artikel 2 der Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in Hoch- und Landes­ verratssachen vom 18. März 1933 (RGBl. I S . 131) und durch Artikel IV § 4 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafver­ fahrens vom 24. April 1934 (RGBl. I S . 341) beschränkt worden. Schließlich hob das Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsversassungsgesetzes vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) die Vorschriften, die für gewisse Sachen die Voruntersuchung zwingend vorschrieben,

aus und machte die Voruntersuchung in allen Sachen von einem Antrag des Staatsanw alts abhängig. Der Antrag kann in den zur Zuständigkeit des Volks­ gerichtshofs, der Oberlandesgerichte und der Schwur­ gerichte gehörenden Strafsachen nach pslichtmäßigem Ermessen des Staatsanw alts, in den übrigen Sachen aber nur gestellt werden, wenn außergewöhnliche Umstände die Führung der Voruntersuchung durch einen Richter notwendig machen. Diese Entwicklung war verursacht durch erhebliche Mängel der Einrichtung, die durch Vorzüge der Vor­ untersuchung nur zum Teil aufgehoben wurden. Die Zweiteilung des Vorverfahrens in das Ermittlungs­ verfahren des Staatsanw alts und die richterliche Voruntersuchung bringt in der Mehrzahl der Fälle eine sachlich nicht gerechtfertigte Wiederholung von Vernehmungen mit sich und hat dadurch eine Ver­ zögerung des Verfahrens zur Folge. S ie nimmt dem Staatsanw alt, dem die Verantwortung für die E r­ hebung der Anklage nicht durch den Untersuchungs­ richter abgenommen werden kann, den Einfluß auf den Gang der Ermittlungen und läßt ihn die Unter­ lagen für die Entscheidung über die Erhebung der Anklage nicht aus eigener Anschauung, sondern ledig­ lich aus den Akten gewinnen. Andererseits schaltet sie den Untersuchungsrichter, der durch die Verneh­ mung des Angeklagten und der Zeugen den Gegen­ stand des Verfahrens am eingehendsten kennen gelernt hat, gerade dann aus dem Verfahren aus, wenn auf Grund seiner Ermittlungen über die Erhebung der Anklage entschieden werden soll. M it der Umgestal­ tung des Vorverfahrens, wie der Entwurf sie vorsieht, entfallen zu einem wesentlichen Teil die Gründe, die die Voruntersuchung früher rechtfertigten. Während bisher gerade in verwickelten und umfangreichen Sachen ein Richter zur Entscheidung über Verhaf­ tungen, Beschlagnahmen und Zwangsmittel gegen Zeugen so häufig angegangen werden mußte, daß es oft zweckmäßiger war, die Leitung des Vorverfahrens ganz in seine Hand zu legen, wird künftig der S ta a ts­ anwalt, abgesehen von der Befugnis zu eidlichen Vernehmungen, im wesentlichen dieselben Befugnisse haben wie bisher der Untersuchungsrichter. E r wird daher auch die früheren Aufgaben des Untersuchungs­ richters zu übernehmen haben. Der Entwurf beseitigt daher die Voruntersuchung als ordentliche Einrichtung des Strafverfahrens. Grundsätzlich hat der Staatsanw alt das Vorverfah­ ren zu führen. Freilich darf nicht verkannt werden, daß es ausnahmsweise in außergewöhnlich liegenden

Fällen geboten sein kann, die Führung des Vorver­ fahrens einem Richter zu übertragen. Vereinzelt kommen Fälle vor, in denen die Vornahme der E r­ mittlungen durch den weisungsgebundenen S ta a ts­ anwalt zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte, z. B. wenn eine Untersuchung wegen der Persönlichkeit des Täters oder der Art der T at unter innen- oder außen­ politischen Gesichtspunkten besonders heikel ist. Um auch den Anschein zu vermeiden, als ob in solchen Fällen die Ermittlungstätigkeit von unsachlichen E r­ wägungen beeinflußt sei, kann es im wohlverstande­ nen Interesse der Strafrechtspflege liegen, die F üh­ rung der Ermittlungen in die Hand des nicht weisungsgebundenen Richters zu legen. Um solcher Bedürfnisse willen soll die Voruntersuchung für Aus­ nahmefälle beibehalten werden. Damit der Aus­ nahmecharakter auch äußerlich hervortrete, stellt der Entwurf die Vorschriften darüber in das Buch ein, das die besonderen Verfahren behandelt. I n der Einzelausgestaltung ist die Vorunter­ suchung durchgreifend geändert und auf ihren beson­ deren Zweck abgestimmt worden. Insbesondere ist dem Antrag auf Voruntersuchung nicht mehr die Be­ deutung beigelegt, daß durch ihn die öffentliche An­ klage erhoben wird (§ 170 S tP O .). M it dieser Änderung hängt auch die Umgestaltung des Verfah­ rens nach Abschluß der Voruntersuchung zusammen. Während nach bisherigem Recht (§ 198 S tP O .) nach einer Voruntersuchung stets das Gericht darüber ent­ scheidet, ob gegen den Angeschuldigten das Hauptver­ fahren durchgeführt wird oder nicht, beläßt der E nt­ wurf den S taatsanw alt auch nach Abschluß der V or­ untersuchung in der Stellung des öffentlichen An­ klägers. Grundsätzlich entscheidet der S taatsanw alt und nicht der Untersuchungsrichter oder das Gericht darüber, ob die Anklage zu erheben oder das Ver­ fahren einzustellen ist. Dies entspricht dem Anklage­ grundsatz, mit dem es nicht vereinbar wäre, die Entscheidung über die Erhebung der Anklage allein in die Hand des Gerichts zu legen, sowie dem Zweck der neuen Voruntersuchung, der im allgemeinen nur erfordert, für die Aufklärung des Sachverhalts im Vorverfahren den Richter einzuschalten. M itunter kann es allerdings erwünscht sein, daß auch die E nt­ scheidung über das Ergebnis der Voruntersuchung von der Autorität einer nicht weisungsaebundenen Stelle getragen wird, etwa, um dem Beschuldigten, dessen Unschuld sich durch die Voruntersuchung erwiesen hat, die Genugtuung zu geben, durch Richterspruch von dem auf ihm lastenden Verdacht gereinigt zu werden. F ü r derartige Fälle gibt der Entwurf dem S ta a ts ­ anwalt die Befugnis, eine Entscheidung des Ober­ landesgerichts, in den zur Zuständigkeit des Volks­ gerichtshofs gehörenden Sachen eine Entscheidung des Volksgerichtshofs herbeizuführen. Die sachliche Zuständigkeit für das Hauptverfah­ ren bestimmt sich auch in den Sachen, in denen eine Voruntersuchung stattgefunden hat, nach den allge­ meinen Bestimmungen. Führt T>te Voruntersuchung nicht zur Einstellung des Verfahrens, so hat der Staatsanw alt bei dem Gericht Anklage zu erheben, das nach den §§ 98 bis 105 sachlich zuständig ist. Die Möglichkeit, vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts Anklage zu erheben (§ 105), wird vor

allem in den Sachen in Betracht kommen, tu denen eine Voruntersuchung stattgefunden hat. I m einzelnen ist zu den Vorschriftett folgendes zu bemerken. § 377 Voraussetzungen Der Entwurf sieht eine Voruntersuchung nur vor, wenn außergewöhnliche Umstände gebieten, das Vor­ verfahren durch einen Richter an Stelle des S ta a ts­ anwalts führen zu lassen. Die Entscheidung darüber, ob wichtige Interessen der Strafrechtspflege die Durchführung des Vorverfahrens durch einen Richter erfordern, muß in der Hand der Strafversolgungsbehörde liegen, die die Verantwortung für diesen Teil des Verfahrens trägt. Nur der Staatsanw alt, der dabei in der Regel auf Grund einer Weisung seiner Vorgesetzten handeln wird, kann daher die Vor­ untersuchung beantragen. Aus den bei § 378 erör­ terten Gründen wird der Untersuchungsrichter für den einzelnen F all bestimmt. Der Antrag des S ta a ts­ anwalts wird daher in die Form gekleidet, einen Untersuchungsrichter zu bestellen. Der Antrag muß durch die Angabe der zu unter­ suchenden S traftat den Gegenstand der Vorunter­ suchung abgrenzen. Die Angabe des Beschuldigten in dem Antrag ist nur erforderlich, wenn schon gegen einen bestimmten Beschuldigten Verdacht besteht. Damit wird klargestellt, daß eine Voruntersuchung im Gegensatz zum bisherigen Recht auch gegen Unbe­ kannt beantragt werden kann. § 378 Bestel lung des U n t e r s u c h u n g s ­ richters Während nach dem bisherigen Recht der Unter­ suchungsrichter beim Volksgerichtshof und bei den Oberlandesgeiichten für jede Strafsache besonders bestellt wird '(§ 186 S tP O .), werden die Unter­ suchungsrichter bei den Landgerichten jeweils für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellt (§ 61 GVG ). F ü r das künftige Recht empfiehlt es sich nicht, ständige Untersuchungsrichter zu bestellen, da Vorunter­ suchungen nur noch in wenigen Ausnahmefällen statt­ finden werden. Der Untersuchungsrichter soll daher künftig für die einzelne Strafsache bestellt werden, und zwar durch den Oberlandesgerichtspräsidenten, der als Leiter der Justizverwaltung des Oberlandes­ gerichtsbezirks hierzu besonders berufen ist und bei der Auswahl des Untersuchungsrichters nicht als Richter, sondern als Organ der Justizverwaltung handelt. F ü r die zur Zuständigkeit des Volksgerichts­ hofs gehörenden Sachen wird die Bestellung dem Präsidenten des Volksgerichtshofs übertragen. Der Präsident kann den Antrag nur wegen Unzuständig­ keit zurückweisen; sonst hat er ihm zu entsprechen. Zum Untersuchungsrichter kann in den S tra f­ sachen des Volksgerichtshofs jeder Richter eines ordentlichen Gerichts mit Ausnahme der Richter des Reichsgerichts bestellt werden. Der Präsident des Oberlandesgerichts kann den Untersuchungsrichter aus den Richtern auswählen, die bei den Gerichten seines

Bezirks tätig sind. Die planmäßige Anstellung des Richters ist nicht Voraussetzung seiner Bestellung. Diese Grundsätze gelten entsprechend für den Ver­ treter des Untersuchungsrichters, der bei der Bestellung des Untersuchungsrichters für Behinderungsfälle zu bestimmen ist. Der Zweck der Voruntersuchung erfordert, daß die Bestellung des Untersuchungsrichters und seines Vertreters nicht widerrufen werden darf. Der einmal bestellte Untersuchungsrichter und sein Vertreter müssen die Voruntersuchung zu Ende führen, damit jeder Anschein einer äußeren Einwirkung auf den Gang der Untersuchung vermieden wird. Eine Aus­ nahme gilt nur, wenn der Untersuchungsrichter traft Gesetzes ausgeschlossen ist oder wenn er mit Grund abgelehnt wird (§ 379 Abs. 3). Is t der Untersuchungsrichter einmal bestellt, so muß die Voruntersuchung ihren Lauf nehmen. Dem S taatsanw alt muß es versagt sein, ihr durch Zurück­ nahme des Antrags aus Voruntersuchung die Grund­ lage zu entziehen. Hingegen ist es bedenkenfrei, die Zurücknahme des Antrags bis zur Bestellung des Untersuchungsrichters zuzulassen. Der Präsident des Gerichts ist daher in der Lage, vor Bestellung des Untersuchungsrichters Zweifel wegen seiner Zustän­ digkeit oder Bedenken anderer A rt beim S taatsan ­ w alt geltend zu machen, der ihnen bis zur Bestellung durch Zurücknahme des Antrags entsprechen kann. § 379 Verfahrensvorschriften D a die richterliche Voruntersuchung ihrem Wesen nach ein vom Untersuchungsrichter geführtes Vorver­ fahren darstellt, können der Verfahrensregelung in weitestem Umfang die Vorschriften über das Vorver­ fahren zugrundegelegt werden. Ih n en sind in den §§ 379 bis 386 einige wenige Sondervorschriften hinzugefügt, die sich aus der richterlichen Stellung des Untersuchungsführers ergeben. Dem im § 6 ausge­ sprochenen Grundsatz der Verantwortlichkeit des S taatsanw alts für das Vorverfahren entspricht für die Voruntersuchung der Grundsatz, daß der Unter­ suchungsrichter für die Führung der Voruntersuchung verantwortlich ist. I m übrigen sollen die Vorschriften über das Vorverfahren entsprechend gelten. Wo diese Vorschriften dem Staatsanw alt Zuständigkeiten oder Befugnisse einräumen oder Pflichten auferlegen, tritt an seine Stelle der Untersuchungsrichter. F ü r die Voruntersuchung gelten somit insbesondere die Vor­ schriften über das Ziel, den Umfang und die Führung der Ermittlungen (§§ 4, 5, 6, 7), die Tätigkeit der Polizei (§ 8), die Herbeiführung einer eidlichen Aus­ sage (§ 11) und die Anhörung des Beschuldigten (§ 12). F ür Maßnahmen gegen Zeugen und Sach­ verständige (§§ 186, 196), für Entscheidungen Über die Untersuchungshaft, Beschlagnahmen, Durch­ suchungen und Untersuchungen (§§ 214, 249) ist an Stelle des S taatsanw alts der Untersuchungsrichter zuständig. Um die Vornahme einzelner Unter­ suchungshandlungen kann er einen Amtsrichter er­ suchen, ohne daß aber für ein solches Ersuchen die im § 9 Abs. 1 geforderten „besonderen Gründe" vor­

zuliegen brauchen. Dabei setzt der Entwurf als selbst­ verständlich voraus, daß der Untersuchungsrichter nicht den Amtsrichter seines Amtssitzes ersucht. Die Zuständigkeit des Untersuchungsrichters beginnt mit der Bestellung, da eine besondere Eröffnung der Vor­ untersuchung nicht vorgesehen ist. Der Untersuchungsrichter kann aber vermöge feiner Richtereigenschaft auch die Aufgaben wahr­ nehmen, die im Vorverfahren dem Richter obliegen. E r kann daher unter den Voraussetzungen des § 10 auch eine die Hauptverhandlung vorbereitende Be­ weisaufnahme durchführen, Zeugen und Sachverstän­ dige vereidigen (§ 172 Abs. 2) und einen Verteidiger bestellen (§ 148). Bei der Vereidigung in der Vor­ untersuchung hat der Untersuchungsrichter nach den §§ 11, 176 Abs. 3 zu verfahren. Die Ausnahme von Niederschriften über die Untersuchungshandlungen des Untersuchungsrichters ist in den §§ 284 bis 286, die Teilnahme des Verteidigers und des Beschuldigten an ihnen in den §§ 10 Abs. 3, 11 in Verbindung mit § 47 geregelt. Ob der Untersuchungsrichter ausgeschlossen ist oder wegen Befangenheit abgelehnt werden kann, richtet sich nach den §§ 121 bis 131. über die Ausschließung und Ablehnung des Untersuchungsrichters entscheidet der Präsident, der ihn bestellt hat. Seine Entscheidung ist unanfechtbar (§ 305 Abs. 3). Die Verfügungen des Untersuchungsrichters unter­ liegen nach § 305 wie nach bisherigem Recht (§ 304 Abs. 1 S tP O .) der Beschwerde. Diese Beschwerde richtet sich gegen richterliche Entscheidungen, so daß für die Anwendung der Sondervorschriften über die Anfechtung von Entscheidungen des S taatsanw alts (§§ 187, 215, 250, 314) kein Raum ist. Als Be­ schwerdegericht entscheidet in den Sachen, die zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehören,'der Vor­ sitzer eines S enats dieses Gerichts, in den übrigen Sachen der Vorsitzer eines S enats des Oberlandes­ gerichts. Diese Regelung nimmt darauf Rücksicht, daß auch die gerichtliche Einstellung des Verfahrens nach § 384 dem Volksgerichtshof oder dem Oberlandes­ gericht obliegt und Richter dieser Gerichte als Unter­ suchungsrichter eingesetzt sein können. Die örtliche Zuständigkeit des Beschwerderichters regelt der § 385. § 380 Hilfsuntersuchungsrichter Schon das Gesetz vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) hat im § 184 Abs. 2, 3 S tP O , die Möglich­ keit geschaffen, zur Beschleunigung der Vorunter­ suchung in umfangreicheren Sachen Hilfsunter­ suchungsrichter zu bestellen. Der Entwurf übernimmt diese Regelung. E r gibt dem Hilfsuntersuchungs­ richter nicht nur die Befugnisse des Untersuchungs­ richters, sondern erklärt sämtliche Vorschriften über den Untersuchungsrichter auf ihn für anwendbar. Damit wird klargestellt, daß auch der Hilfsunter­ suchungsrichter unter den Voraussetzungen des § 386 Abs. 1 vom Richteramt ausgeschlossen ist. Der Beschwerdezug gegen Maßnahmen des Hilfs­ untersuchungsrichters ist entsprechend dem § 184 Abs. 3 Satz 4 S tP O , geregelt.

gibt. Dem Staatsanw alt gebührt die weitere Ver­ fügung. Stellung

des

Staatsanwalts

Mi t der Bestellung des Untersuchungsrichters geht die verantwortliche Führung der Untersuchung auf diesen über. Die Tätigkeit des S taatsanw alts tritt während der Voruntersuchung in den Hintergrund. E r bleibt aber am Verfahren beteiligt, da er nach dem Schluß der Voruntersuchung über ihre Ergebnisse zu entscheiden hat. Daher kann er sich wie nach bis­ herigem Recht (§. 196 S tP O .) durch Einsicht in die Akten oder Auskunftsersuchen über den Stand der Voruntersuchung unterrichten und beim Unter­ suchungsrichter Anträge stellen. E r kann auch an Untersuchungshandlungen des Untersuchungsrichters, und zwar auch an solchen, die nicht die Vorwegnähme einer Beweisaufnahme des Hauptversahrens oder die eidliche Vernehmung betreffen (§§ 10, 11), teil­ nehmen, da der Ausschluß des Staatsanw alts hiervon (vgl. § 192 Abs. 2 S tP O .) mit der ihm zukommen­ den Stellung nicht mehr vereinbar ist. Einer besonderen Regelung bedarf die Frage, ob der Staatsanw alt auch die Zwangsmittel anwenden darf, die ihm sonst im Vorverfahren zustehen. Der Untersuchungsrichter bedarf der Unterstützung durch den Staatsanw alt in ähnlicher Weise, wie dieser im Vorverfahren auf die Hilfe des Amtsrichters ange­ wiesen ist, der nach § 9 Äbs. 2 bei Gefahr im Verzug als Notstaatsanwalt tätig wird. Bei Gefahr im Verzug muß auch während der Voruntersuchung der Staatsanw alt in der Lage sein, eine vorläufige Fest­ nahme vorzunehmen oder eine Beschlagnahme, Durch­ suchung oder körperliche Untersuchung anzuordnen. Sonst könnte bei Verhinderung des Untersuchungs­ richters der Zweck dieser Maßnahmen vereitelt werden. Der § 381 Abs. 2 ermächtigt daher den Staatsanw alt, bei Gefahr im Verzug die Befugnisse auszuüben, die ihm sonst im Vorverfahren zustehen. Die Verantwortung des Untersuchungsrichters für die Führung der Voruntersuchung bedingt jedoch, daß der Staatsanw alt ihn über seine Maßnahmen alsbald unterrichtet und daß dem Untersuchungsrichter die weitere Verfügung zusteht. Er entscheidet also ins­ besondere alsbald darüber, ob die Maßnahmen des Staatsanw alts aufrechterhalten bleiben oder auf­ zuheben sind. Von Ermittlungen, die in den Bereich der Voruntersuchung fallen, hat der Staatsanw alt ebenfalls abzusehen, wenn nicht Gefahr im Verzug ist. Will er die Ermittlungen des Untersuchungs­ richters in eine andere Richtung lenken, so steht es ihm frei, sich mit seinen Anträgen an den Untersuchungs­ richter zu wenden. Die Tätigkeit des Untersuchungsrichters erstreckt sich nur auf die Untersuchung der Tat, die im Antrag des S taatsanw alts bezeichnet ist. S oll die Vorunter­ suchung auf weitere Beschuldigte oder weitere Taten ausgedehnt werden, so bedarf es eines Antrags des Staatsanw alts. Der Untersuchungsrichter muß aber wie nach bisherigem Recht (§ 191 S tP O .) in der Lage und verpflichtet sein, bei Gefahr im Verzug Unter­ suchungshandlungen, die sich auf andere Taten oder andere Beschuldigte beziehen, von Amts wegen vor­ zunehmen, wenn die Voruntersuchung dazu Anlaß

§ 382 S c h lu ß d e r V o r u n t e r s u c h u n g I n der Voruntersuchung sind ebenso wie im V or­ verfahren die Ermittlungen vorzunehmen, die not­ wendig sind, um über die Erhebung der Anklage oder die Einstellung des Verfahrens entscheiden zu können (§ 379 Abs. 1 Satz 2, § 4). Zur Aufgabe des Unter­ suchungsrichters gehört auch die Ermittlung der Um­ stände, die für die Anordnung sichernder Maßregeln von Bedeutung sind, sowie die Sicherung der Beweise, deren Verlust zu befürchten ist (§ 5 Abs. 2). Hält der Untersuchungsrichter dieses Ziel der Voruntersuchung für erreicht, so schließt er die Ermittlungen ab. Den Abschluß der Ermittlungen vermerkt der Unter­ suchungsrichter in den Akten, da dieser Zeitpunkt in der Voruntersuchung dieselbe Bedeutung hat wie im staatsanwaltlichen Vorverfahren. Der Verteidiger hat also von da ab das Recht zum freien Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten (§ 145 Abs. 2) und zur unbeschränkten Akteneinsicht (§ 146 Abs. 2). I n den Fällen, in denen dem A n­ geklagten ein Verteidiger zu bestellen ist (§ 138, 139), hat dies spätestens in diesem Zeitpunkt zu geschehen. Auch das im § 13 Abs. 2 geregelte Schlußgehör des Beschuldigten und des Verteidigers schließt sich an den Abschluß der Ermittlungen an. Haben sich seit der letzten Vernehmung des Beschuldigten weitere Ver­ dachtsgründe ergeben oder ist es aus anderen G rün­ den sachdienlich, so hat nunmehr der Untersuchungs­ richter den Beschuldigten abschließend zu dem Ergeb­ nis der Ermittlungen zu hören und dem Verteidiger Gelegenheit zu geben, innerhalb angemessener Frist zu dem Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen. Das Schlußgehör ist nach § 382 Äbs. 1 auch dann zu gewähren, wenn die Anklage nicht vor der Schöffenkammer oder einem höheren Gericht zu erheben oder wenn das Verfahren einzustellen ist, da der Untersuchungsrichter der Stellungnahme des öffentlichen Anklägers nicht vorgreifen soll. Nach dem Schlußgehör des Beschuldigten und des Verteidigers gibt der Untersuchungsrichter auch dem Staatsanw alt Gelegenheit zur Stellungnahme und schließt sodann die Voruntersuchung. Die Schließung der Vorunter­ suchung ist eine förmliche Verfügung, die die Tätigkeit des Untersuchungsrichters beendet. Der S ta a tsa n ­ walt übernimmt damit wieder die verantwortliche Leitung des Vorverfahrens. Hält der Staatsanw alt entgegen der Auffassung des Untersuchungsrichters das Ziel der Vorunter­ suchung noch nicht für erreicht, so kann er — wie nach bisherigem Recht (§ 197 Abs. 2 S tP O .) — den Untersuchungsrichter ersuchen, die Voruntersuchung zu ergänzen. Auch das Gericht, das nach § 384 über die Einstellung des Verfahrens entscheiden soll, kann (§ 384 Abs. 1 Satz 3) um die Ergänzung der V or­ untersuchung ersuchen. Ergeht ein solches Ersuchen, so erlangt der Untersuchungsrichter wiederum die Befugnisse, die ihm in der Voruntersuchung zustehen. Ein abschließender Bericht des Untersuchungs­ richters über das Ergebnis der Voruntersuchung ist

nicht vorgesehen. Der Untersuchungsrichter müßte darin notgedrungen zu den Erfolgsaussichten einer Anklage Stellung nehmen und würde dadurch dem in der Hauptverhandlung oder nach § 384 zur Ent­ scheidung berufenen Gericht in der Beurteilung der Schuldfrage vorgreifen. § 383 Weiteres Verfahren M it dem Schluß der Voruntersuchung geht die Leitung des Verfahrens wieder auf den Staatsanw alt über. E r muß sich nunmehr auf Grund der Ergeb­ nisse der Voruntersuchung darüber schlüssig machen, ob die Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt werden soll. Die Gründe dieser Regelung sind in der Einleitung zu diesem Hauptstück dargestellt. Hält er nach den §§ 14 bis 25 die Erhebung der Anklage für geboten, so reicht er bei dem Vorsitzer des zuständigen Gerichts die Anklageschrift ein. Der Staatsanw alt braucht aber dem Beschuldigten und dem Verteidiger das Schlußgehör (§ 13 Abs. 2) nicht zu gewähren, da schon der Untersuchungsrichter nach § 382 Abs. 1 den Beschuldigten und den Verteidiger abschließend gehört hat. D as weitere Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 32 ff.). D as Gericht kann also nur aus den in § 35 genannten Gründen die Anberaumung der Hauptverhandlung ablehnen. Erhebt der Staatsanw alt keine Anklage oder nimmt er die Anklage zurück, ohne die T at weiter zu ver­ folgen, so stellt er das Verfahren ein. E r kann aber auch nach § 384 die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens dem Gericht überlassen. § 384

Geri cht l i che E i n s t e l l u n g des Verfahrens Aus den Gründen, die in der Einleitung zu diesem Hauptstück dargelegt sind, gibt der Entwurf dem S taatsanw alt auch die Möglichkeit, die Einstellung des Verfahrens nicht selbst zu beschließen, sondern darüber eine Entscheidung des Gerichts herbeizu­ führen. D er Bedeutung der Strafsachen, in denen künftig die Voruntersuchung stattfinden wird, ent­ spricht es, für diese Entscheidung die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zu begründen. Wäre für das Hauptverfahren der Volksgerichtshof zuständig, so soll dieser entscheiden. Um eine sorgfältige Vorbereitung der Gerichtsentscheidung zu sichern, kann der Vorsitzer ebenso wie nach § 382 Abs. 2 der S taatsanw alt den Untersuchungsrichter ersuchen, die Voruntersuchung zu ergänzen. D as Gericht, das mit dem Antrag des S ta a tsa n ­ walts auf Einstellung des Verfahrens besaßt ist, be­ findet sich bei dieser Entscheidung in derselben Stellung wie der Staatsanw alt. Es hat daher nicht nur zu prüfen, ob nach dem Grundsatz der Verfolgungspslicht die Anklage erhoben werden muß, son­ dern auch zu entscheiden, ob sie nicht erhoben werden darf, weil es an einem genügenden Tatverdacht fehlt, weil ein Verfolgungshindernis besteht oder der Staatsanw alt nach den Vorschriften über die Aus­ nahmen von der Berfolgungspflicht (§§ 15 bis 25)

die T at nicht verfolgen darf. Liegt es im Ermessen des S taatsanw alts, von der Verfolgung der T at ab­ zusehen, so steht dem Gericht die Ausübung dieses Ermessens zu. Der Beschluß des Gerichts ist unan­ fechtbar (§ 305 Abs. 3). Hält das Gericht entgegen der Meinung des Staatsanw alts genügenden Tatverdacht für gegeben und will es auch nicht auf Grund einer der Aus­ nahmen vom Verfolgungszwang einstellen, so hat es nicht etwa selbst die Hauptverhandlung anzube­ raumen, sondern die Einstellung des Verfahrens ab­ zulehnen. Dieser Beschluß muß zur Folge haben, daß der S taatsanw alt nunmehr die Anklage zu erheben hat und eine solche Anklage nicht mehr zurücknehmen kann. Die Ersolgsaussichten der durch die Gerichts­ entscheidung herbeigeführten Anklage im Zwischenver­ fahren zu überprüfen, kann nicht Aufgabe des erken­ nenden Gerichts sein. Es darf daher die Anberau­ mung der Hauptverhandlung nicht aus einem der in § 35 Abs. 1 genannten Gründe ablehnen. Wohl aber kann es ihm nicht verwehrt sein, seine Zustän­ digkeit zu prüfen (§ 35 Abs. 2) und im Falle seiner Unzuständigkeit die Anberaumung der Hauptverhand­ lung abzulehnen. Stellt das Gericht das Verfahren nach § 384 ein, so steht dieser Beschluß praktisch einem Freispruch (ohne Hauptverhandlung) nahe. M it der Bedeutung einer solchen Entscheidung, die nur von hohen Ge­ richten und nur in wichtigen Sachen getroffen wird, wäre es nicht vereinbar, wenn der Staatsanw alt gegen denselben Täter wegen derselben T at Anklage erheben könnte, solange der Einstellungsbeschluß fort­ besteht. Der Entwurf sieht daher vor, daß vor einer Anklage, die sich gegen denselben T äter wegen der­ selben T at richtet, zunächst der Einstellungsbeschluß im Wiederaufnahmeverfahren (auf Grund der §§ 354 Abs. 1 Nr. 2, 357) beseitigt werden muß. Der E nt­ wurf trifft für die Einstellungsbeschlüsse aus § 384 eine dem § 369 entsprechende Regelung und bindet die Zulässigkeit der Anklage an schärfere verfahrens­ rechtliche Voraussetzungen als in den Fällen der §§ 35, 37. § 385 Ör t l i c he Z u s t ä n d i g k e i t Die §§ 106 bis 111 gelten nach § 114 nur für das Hauptverfahren, nicht für die Voruntersuchung, die einen Teil des Vorverfahrens bildet. Die örtliche Zuständigkeit bedarf einer Regelung aber auch für die Bestellung des Untersuchungsrichters und für die richterlichen Entscheidungen, die in der Vorunter­ suchung oder im Anschluß daran ergehen (§ 379 Abs. 4, § 384). Der § 385 erklärt daher die Vor­ schriften über die Zuständigkeit der Gerichte im Hauptverfahren für anwendbar. Sow eit es nach diesen Vorschriften auf die Zeit der Erhebung der Anklage ankommt, entscheidet nach § 385 der Zeit­ punkt, in dem der Richter tätig wird. § 386 Ausschließung

vom

Richt eramt

Entsprechend dem bisherigen Recht (§ 23 Abs. 2 S tP O .) schafft die Tätigkeit des Untersuchungsrichters

einen Ausschließungsgrund für das spätere gerichtliche Verfahren. Der Untersuchungsrichter kann in der­ selben Sache weder als Vorsitzer noch bei Entschei­ dungen des erkennenden Gerichts als mitwirkender Richter tätig sein. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Amtshandlungen im Vorverfahren, innerhalb oder außerhalb der Hauptverhandlung im ersten Rechtszug oder in einem Rechtsmittelverfahren handelt. Der Untersuchungsrichter kann in der Hauptverhandlung auch nicht als Ergänzungsrichter tätig fein. Hingegen steht dem nichts im Wege, daß er später als ersuchter Richter bei einer Beweisauf­ nahme in derselben Sache tätig wird. Die Aus­ schließung besteht entsprechend auch für den Hilssuntersuchungsrichter (§ 380 Abs. 2 Satz 3). Beschließt das Gericht, das mit einem Antrag des Staatsanw alts auf Einstellung des Verfahrens befaßt ist, die Einstellung des Verfahrens abzulehnen, so ist es für die Anklage, zu deren Erhebung der S ta a ts­ anwalt dann verpflichtet ist, in ähnlicher Weise ver­ antwortlich wie in anderen Verfahren der S ta a ts­ anwalt. Richter, die an einer solchen Entscheidung mitgewirkt haben, könnten in der Hauptverhandlung als befangen erscheinen. Der Entwurf schließt daher die Richter, die bei der Entscheidung über die E in­ stellung des Verfahrens mitgewirkt haben, von der Ausübung des Richteramts in der Hauptverhandlung aus.

Z w eites Hauptstück Vereinfachte Verfahren Erster Abschnitt

Beschleunigtes Verfahren Wie die allgemeine Einleitung darlegt, ist die rasche Durchführung des Strafverfahrens eine wesent­ liche Forderung des neuen Rechts. D as Verlangen der Volksgemeinschaft nach Schutz und Sühne kann nur durch schnelles Zugreifen und schnelle Entschei­ dung voll befriedigt werden. Eine Strafe, die der T at aus dem Fuße folgt, wirkt eindringlicher aus den Täter und abschreckender auf andere, als eine Strafe, die der T at mit erheblichem Zeitabstand nachfolgt. Die Sicherung des Rechtsfriedens verlangt eine schnelle Klärung der gegen einzelne Volksgenossen erhobenen Vorwürfe. Die Verfahrensbeschleunigung findet allerdings da ihre Grenze, wo die Erforschung der Wahrheit unter der Beschleunigung leiden würde. I n den meisten Fällen bietet jedoch die schnelle An­ beraumung und Durchführung der Hauptverhandlung für die Erforschung der Wahrheit nur Vorteile. Die Angaben des Angeklagten werden unter dem frischen Eindruck der T at und der Ergreifung eher der W ahr­ heit entsprechen, als wenn er Zeit und Gelegenheit hatte, sich Ausflüchte zurechtzulegen; sein Geständnis wird offener und unmittelbarer sein. Auch die Aus­ sagen der Zeugen bieten unmittelbar nach der T at größere Gewähr für ihre Richtigkeit. F ü r den An­ geklagten selbst hat die schleunige Aburteilung den Vorteil, daß die Dauer einer etwaigen Untersuchungs­

haft abgekürzt und seine- Wiedereingliederung in die Volksgemeinschaft beschleunigt wird. D as Streben nach größtmöglicher Beschleunigung beherrscht das gesamte Strafverfahren. Der Entwurf baut eine Reihe von Möglichkeiten zur Beschleunigung, die nach bisherigem Recht nur im sogenannten Schnell­ verfahren zur Anwendung kamen, schon in das allge­ meine Verfahren ein. Wenn sich der Angeklagte frei­ willig zur Hauptverhandlung stellt oder dem Gericht vorgeführt wird, so kann ihm die Anklageschrift form­ los ausgehändigt werden (§ 32), womit die zur A us­ führung der förmlichen Zustellung benötigte Zeit erspart wird. Stellt der Angeklagte sich freiwillig zur Hauptverhandlung und findet diese sogleich statt, so braucht der Angeklagte nicht geladen zu werden (§ 40). Die Ladungsfrist ist gegenüber der bisherigen Rege­ lung (§ 217 S tP O .) für Sachen, die vor dem Amts­ richter verhandelt werden, von einer Woche auf drei Tage herabgesetzt. Darüber hinaus besteht bei allen Gerichten die Möglichkeit, die Ladungsfrist bis auf vierundzwanzig Stunden abzukürzen, wenn die Erfor­ schung der Wahrheit nicht darunter leidet (§ 42). Eine Reihe anderer Vorschriften, die zugleich anderen Zwecken dienen, wirkt sich ebenfalls in der Richtung der Verfahrensbeschleunigung aus, so z. B. die klare Teilung der Verantwortlichkeiten, der Ausbau des Führergedankens, die Ausscheidung unwesentlicher Taten, Tatteile und Rechtsverletzungen aus dem Ver­ handlungsstoff, die Übertragung von Zwangsbefug­ nissen auf den Staatsanw alt, die Verminderung der Zahl der Rechtszüge, die Erweiterung der Befugnisse des Vorsitzers und des Urteilsrügegerichts. Der E n t­ wurf verfolgt mit allen diesen M itteln das Ziel, das allgemeine Verfahren zu einem „schnellen" Verfahren auszugestalten. E r vermeidet es daher, nur das im ersten Abschnitt des zweiten Hauptstücks geregelte Ver­ fahren als „Schnellverfahren" zu bezeichnen und wählt für das Schnellverfahren des bisherigen Rechts die Bezeichnung „beschleunigtes Verfahren". D as beschleunigte Verfahren des Entwurfs ent­ hält eine Fortentwicklung des § 212 S tP O , und der sich daran anschließenden Gesetzgebung. Schon in ihrer ursprünglichen Form sah die Strafprozeßord­ nung in geringfügigeren Strafsachen gewisse Verein­ fachungen des Verfahrens vor. Voraussetzung für sie war, daß.der Beschuldigte sich freiwillig stellte oder infolge einer vorläufigen Festnahme dem Gericht vor­ geführt oder nur wegen Übertretung verfolgt wurde. S eit dem Jah re 1924 ist dieses Schnellverfahren auch ohne diese Voraussetzungen für bestimmte eilbedürftige Strafsachen in immer weiterem Umfang zuge­ lassen worden. Diese Entwicklung zeigt, daß ein allgemeines Bedürfnis nach einem besonders schnellen Verfahren besteht, das nicht an förmliche V oraus­ setzungen gebunden ist. Die Vorteile dieses Verfah­ rens werden keineswegs mit einer unsachgemäßen Beschränkung der Verteidigung des Angeklagten er­ kauft. D as zeigen die verhältnismäßig geringe Zahl und die verhältnismäßig häufige Ergebnislosigkeit der gegen Urteile der bisherigen Schnellgerichte eingeleg­ ten Rechtsmittel. Der Entwurf baut demgemäß das bisherige Schnellverfahren weiter aus und gibt ihm die Form,

die dem neuen Strafverfahren entspricht. Kennzeich­ nend ist die mündliche Anklageerhebung durch den S taatsanw alt und der Wegfall des Zwischenverfah­ rens nach den §§ 32 ff. Andere Möglichkeiten zur Beschleunigung, die auch im gewöhnlichen Verfahren vorgesehen sind, werden im beschleunigten Verfahren zusammengefaßt und zur Regel erhoben und gewähr­ leisten gerade dadurch dessen besondere Schnelligkeit. § 387 Voraussetzungen Die Entscheidung darüber, ob eine T at im be­ schleunigten Verfahren abzuurteilen ist, wird im Entwurf weitgehend dem Ermessen des S ta a tsa n ­ w alts überlassen. Die formalen Voraussetzungen des § 212 S tP O ., die bereits durch die spätere Gesetz­ gebung vielfach durchbrochen worden sind, werden völlig beseitigt. S ta tt dessen wird — entsprechend der auch sonst vom Entwurf befolgten konkreten Betrach­ tungsweise — die Eignung der einzelnen Sache für das beschleunigte Verfahren in den Vordergrund gerückt. Die Frage, inwieweit das Gericht seiner Ansicht über die Zweckmäßigkeit des beschleunigten Verfahrens Geltung verschaffen kann, ist in § 390 geregelt. Der Entwurf läßt das beschleunigte Verfahren ähnlich dem geltenden Recht nur vor dem Amtsrichter zu. I n Strafsachen, die zur Zuständigkeit der höheren Gerichte gehören, ist die schriftliche Anklage als Grundlage des Verfahrens und eine sorgfältige Vor­ bereitung der Hauptverhandlung nicht zu entbehren. Vor den höheren Gerichten ist zudem die sofortige Aburteilung häufig schon deswegen unmöglich, weil diese Gerichte nicht jederzeit für die Verhandlung bereit stehen. D as beschleunigte Verfahren setzt einen schrift­ lichen oder mündlichen Antrag des Staatsanw alts voraus. E r hat bei der Antragstellung zunächst zu prüfen, was er sonst vor der Anklageerhebung im allgemeinen Verfahren prüft, so den Tatverdacht, die rechtlichen Gesichtspunkte, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts, das Vorliegen von Ver­ fahrenshindernissen. Außerdem hat er im beschleunig­ ten Verfahren zwei weitere Gesichtspunkte zu berück­ sichtigen. Der Sachverhalt, den er zum Gegenstand einer Anklage im beschleunigten Verfahren zu machen beabsichtigt, muß einfach sein und zwar sowohl nach der tatsächlichen wie nach der rechtlichen Seite. E r darf keine umfangreiche Vorbereitung der Verhandlung durch das Gericht erfordern und muß auch für den Angeklagten in seiner Tragweite zu übersehen sein. N ur bei einfachem Sachverhalt ist nicht zu befürchten, daß die Verteidigung des Beschuldigten beeinträchtigt wird. Weiter wird vorausgesetzt, daß die sofortige Aburteilung der T at ohne weiteres möglich ist. Der S taatsanw alt wird daher vor der Stellung des An­ trags prüfen, welche Zeugen und sonstigen Be­ weismittel zur Hauptverhandlung voraussichtlich gebraucht werden und ob sie zur Stelle sind. Die sofortige Aburteilung ist nicht ohne weiteres möglich, wenn der Angeklagte nicht an der Gerichtsstelle ist und auch nicht alsbald herbeigeschafft werden kann, wenn die für die Beweisaufnahme benötigten Zeugen nicht

sofort herbeigerufen werden können oder wenn ein Sachverständiger sein Gutachten nicht alsbald er­ statten kann. Der Entwurf regelt den In h a lt des Antrags des Staatsanw alts nicht näher. Der schriftliche Antrag kann wie eine Anklageschrift gefaßt sein. E r kann sich aber auch mit kürzeren Angaben begnügen. Der Antrag des S taatsanw alts steht nicht der Anklage gleich. Diese wird in jedem Fall mündlich erhoben (§ 388 Abs. 3). § 388 Ankl a ge und A n b e r a u m u n g der Hauptverhandlung Im allgemeinen Verfahren folgt auf die Einrei­ chung der Anklageschrift ihre Zustellung an den Angeklagten (§ 32 Abs. 1 Satz 1), darauf mitunter die weitere Aufklärung der Sache durch den S ta a ts­ anwalt (§ 33) und danach eine Prüfung der Anklage im Rahmen der Vorschriften der §§ 34, 35. Zwischen der Anklageerhebung und der Anberaumung der Hauptverhandlung kann daher eine beträchtliche Zeit liegen, die sich noch um die für die Ladung benötigte Zeit und die Ladungssrist selbst vergrößert. I m be­ schleunigten Verfahren wird die Hauptverhandlung auf den Antrag des S taatsanw alts sofort durchge­ führt oder, wenn das nicht möglich ist, mit kürzester Frist anberaumt. Eine Vorprüfung erfolgt im be­ schleunigten Verfahren nur in beschränktem Umfang (§ 390 Abs. 1). Jede weitere Prüfung verbietet sich schon dadurch, daß die Anklage als Unterlage der Prüfung erst zu Beginn der Hauptverhandlung münd­ lich erhoben wird. Einer Ladung des Beschuldigten bedarf es nach Absatz 2 nur dann, wenn dieser sich nicht freiwillig zur Hauptverhandlung stellt oder nicht dem Gericht vorgeführt wird. Grundlage für die V or­ führung wird in der Regel eine vorläufige Festnahme bilden. Die Vorführung kann aber auch erfolgen, wenn der Beschuldigte sich in dieser oder einer an­ deren Sache in Untersuchungshaft befindet oder wenn er eine Strafe verbüßt. Die Ladungsfrist beträgt vierundzwanzig Stunden; sie gilt auch für die Ladung des Verteidigers (§ 43). Ist keine Ladung erforderlich, so kann die Hauptverhandlung auch mit kürzerer Frist, als sie Absatz 2 Satz 3 vorsieht, anberaumt werden. M it der Ladung wird dem Beschuldigten mitgeteilt, was ihm zur Last gelegt wird. Diese M it­ teilung erseht in gewissem Umfang die Zustellung der Anklageschrift. Den Umfang dessen, was dem Ange­ klagten mitzuteilen ist, überläßt der Entwurf dem Ermessen des Vorsitzers. E s wird oft zweckmäßig sein, dem Angeklagten den Anklagesatz mitzuteilen. I m beschleunigten Verfahren wird die Anklage mündlich erhoben, und zwar zu Beginn der Hauptver­ handlung. Dies geschieht zweckmäßig zu dem Zeit­ punkt, in dem der S taatsanw alt im allgemeinen Ver­ fahren den Anklagesatz vorträgt (§ 59 Abs. 2 Satz 3). Der S taatsanw alt kann auch — etwa in Verbindung mit dem Antrag auf Aburteilung im beschleunigten Verfahren — eine Anklageschrift zur Vorbereitung der Verhandlung und der Anklageerhebung bei Ge­ richt einreichen. Verfahrensrechtlich ist aber nur die mündlich erhobene Anklage maßgebend. Um eine

sichere Grundlage für das weitere Verfahren zu ge­ winnen, schreibt der E n tw u rf vor, daß der Anklage­ satz in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen w ird . § 389 Verteidigung I m allgemeinen Verfahren bildet der Abschluß der E rm ittlungen, der in den Akten vermerkt w ird (§ 13 Abs. 1), die zeitliche Grenze fü r die im Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigten und fü r die Akteneinsicht möglichen Beschränkungen. I m beschleu­ nigten Verfahren ist ein solcher Abschluß der E r­ m ittlungen nicht vorgesehen. A n die Stelle dieses Zeitpunkts t r it t hier der Zeitpunkt, in dem der S ta a tsa n w a lt den A n tra g auf A burteilung im be­ schleunigten Verfahren stellt. D ie S tellung des V e r­ teidigers ist damit entsprechend dem bisherigen Recht geregelt (I. T e il, Kap. I A rt. 9 der V O . vom 14. J u n i 1932, R G B l. I S . 285). D a der S ta a tsa n w a lt den A n tra g auf Durchführung des beschleunigten Verfah­ rens in der Regel unm ittelbar nach dem tatsächlichen Abschluß der E rm ittlun g e n stellen w ird , hat der V e r­ teidiger in diesem Verfahren im allgemeinen dieselbe S tellung wie im gewöhnlichen Verfahren. Eine Be­ stimmung, daß das Verfahren durch die Akteneinsicht des Verteidigers nicht aufgehalten werden darf (vgl. die V O . vom 14. J u n i 1932), hat der E n tw u rf nicht aufgenommen. Wenn es zur Verteidigung des A n ­ geklagten erforderlich ist, muß auch eine gewisse V e r­ zögerung des Verfahrens in Kauf genommen werden. § 390 A b l e h n u n g des b e s c h l e u n i g t e n D e r S ta a tsa n w a lt soll nach § 387 den A n tra g auf A burteilung im beschleunigten Verfahren n u r bei ein­ fachem Sachverhalt stellen. Nach § 390 soll auch der Am tsrichter darauf achten, ob sich die Sache zur V e r­ handlung im beschleunigten Verfahren eignet. Z w a r findet eine V orprüfung, wie sie fü r das allgemeine Verfahren in den §§ 32 ff. vorgesehen ist, im beschleu­ nigten Verfahren nicht statt. D er Vorsitzer hat jedoch die A burteilung im beschleunigten Verfahren abzu­ lehnen, wenn er die Eignung einer Sache fü r das beschleunigte Verfahren verneint. D ie Ablehnung ist schon vor Beginn der Hauptverhandlung, aber auch in der Hauptverhandlung bis zur Urteilsverkündung möglich. D ie mangelnde Eignung fü r das beschleu­ nigte Verfahren kann insbesondere da rin liegen, daß die Verteidigung des Beschuldigten durch das be­ schleunigte Verfahren wesentlich erschwert werden würde. Unwesentliche Erschwerungen, insbesondere die Unbequemlichkeiten, die durch die Verkürzung der F ris t fü r die Einsicht der Akten, durch die Notwendig­ keit sofortiger W ahl eines Verteidigers und sofortiger Rücksprache m it bcnt Verteidiger sich ergeben, müssen dabei in Kauf genommen werden. Ungeeignet sür die A burteilung im beschleunigten Verfahren sind aber auch Strafsachen, in denen sich etwa in der Hauptver­ handlung Schwierigkeiten der Aufklärung ergeben oder die einer eingehenderen Vorbereitung bedürfen, als sie im beschleunigten Verfahren möglich ist. D er

Vorsitzer entscheidet durch begründeten — § 280 — Beschluß, der unanfechtbar ist. Absatz 2 behandelt das Verfahren nach dem Ableh­ nungsbeschluß. Denkbar wäre eine Regelung, wonach das Gericht die Sache, deren A burteilung im beschleunigten Verfahren abgelehnt ist, nunmehr nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften weiter behandelt. D e r E n tw u rf geht diesen Weg nicht. I n zahlreichen F ällen werden weitere E rm ittlun g e n notwendig sein. S o ll die Schlagkraft des Bereitschastsrichters, bcnt die Durchführung des beschleunigten Verfahrens zu­ gewiesen w ird , durch die Vornahme dieser E rm itt­ lungen nicht beeinträchtigt werden, so müssen sie dem S ta a tsa n w a lt übertragen werden. Häufig w ird sich dann eine veränderte Sachlage ergeben, so daß es zweckmäßig erscheint, dem S ta a tsa n w a lt die M öglich­ keit einer neuen Entschließung zu geben. Die Äblehmmg soll daher die W irkung haben, daß die Anklage als nicht erhoben g ilt. D e r S ta a tsa n w a lt kann so nach der Ablehnung weitere E rm ittlungen anstellen; er kann das Verfahren einstellen oder von neuem Anklage erheben.

Zw eiter Abschnitt

Strafbefehl Das Strafbefehlsverfahren ist in besonderem Maße dazu geeignet, das Verlangen der Volksgemein­ schaft nach schneller Sühne zu befriedigen. Zudem ermöglicht es eine wesentliche Ersparnis an Kräften und Kosten nicht n u r fü r die Strafverfolgungsbe­ hörden, sondern auch fü r den Beschuldigten und sonstige Verfahrensbeteiligte. Dabei muß natürlich die sorgfältige und gerechte W ürdigung des Täters und seiner T a t gewährleistet bleiben. I m S tra fb e ­ fehlsverfahren können zwar nicht alle Beweismög­ lichkeiten so restlos ausgeschöpft werden, wie dies in einer mündlichen Verhandlung möglich ist. D as ist aber dann unbedenklich, wenn das Verfahren auf ein­ fachere und geringere Strafsachen beschränkt w ird. D e r E n tw u rf hat daher den bisherigen S trafrahm en (Freiheitsstrafe bis zu drei M onaten und unbe­ schränkte Geldstrafe) im wesentlichen beibehalten und die m itunter geforderte Ausdehnung auf ein höheres S trafm aß abgelehnt. D a schon im bisherigen Recht ein sehr hoher Hundertsatz aller Strafsachen durch Strafbefehl erledigt w ird , erschien eine weitere E r ­ höhung durch Ausdehnung des Strafrahm ens weder notwendig noch zweckmäßig. D e r E n tw u rf hat es auch abgelehnt, das gesamte Strasbefehlsversahren deut S ta a tsa n w a lt zu übertragen. Diese Lösung würde den Verfahrensaufbau m it seiner scharfen Trennung zwischen der ermittelnden Tätigkeit des S ta a tsa n w a lts und der entscheidenden Tätigkeit des Richters stören und auch w ohl zu einer wesentlichett Vermehrung der Einsprüche führen, deren Häufung den W ert des Strafbefehlsverfahrens beeinträchtigen würde. D e r E n tw u rf hat daher im wesentlichen den bis­ herigen, bewährten Rechtszustand beibehalten und sich auf die Anpassung an die neuen Grundsätze des E n t­ w urfs und aus die Aussüllitng von Lücken beschränkt.

Voraussetzungen Einen Strafbefehl kann tote nach bisherigem Recht nur der Amtsrichter auf schriftlichen Antrag des S taatsanw alts erlassen. Die Strafgewalt des Amts­ richters ist im Strafbefehlsverfahren gegenüber der ihm sonst zustehenden Strafgetoalt wesentlich einge­ schränkt. E r kann nur auf Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder auf Geldstrafe, auch nebeneinander er­ kennen. E r kann außerdem neben diesen Strafen die Einziehung und Bekanntmachung der Entscheidung sowie ferner — was im geltenden Recht nicht vor­ gesehen ist — den Verfall, die Vernichtung und die Unbrauchbarmachung anordnen. Nach § 400 kann auch die Verwarnung mit Strafvorbehalt ohne Hauptverhandlung ausgesprochen werden. Die Strafen und sonstigen Maßregeln, die durch Strafbefehl erkannt werden können, sind in den §§ 391, 400 erschöpfend aufgezählt. Im Strafbefehl können insbesondere keine Feststellungen über die Unwahrheit ehrenrühriger oder herabsetzender Be­ hauptungen getroffen werden. Die Vorschriften des Entwurfs über den Ehrenschutz des Verletzten sehen eine Teilnahme des Verletzten am Hauptverfahren in einer Art und Weise vor, die im Strafbefehlsver­ fahren nicht gewährt werden kann. D as Strafbe­ fehlsverfahren ist daher in allen Fällen, in denen das Gericht zu Feststellungen über die Unwahrheit von Behauptungen im Urteilsspruch verpflichtet ist, un­ anwendbar. Es ist auch nicht zulässig, in dem S tra f­ befehl über bürgerlichrechtliche Ansprüche des Ver­ letzten zu entscheiden. Kommen solche Ansprüche in Frage, so ist für das Strafbefehlsverfahren nur Raum, wenn der Verletzte sie nicht im Strafverfahren geltend macht oder wenn der Amtsrichter beschließt, von der Entscheidung über die Ansprüche abzusehen (§ 441). § 392 Antrag Der vom Entwurf geforderte In h a lt des S tra f­ befehlsantrags entspricht der bisherigen Übung. Wie im bisherigen Recht hat der S taatsanw alt eine be­ stimmte Strafe oder Maßregel zu beantragen. Der Antrag muß insbesondere bei einer Geldstrafe auch Art und Dauer der Ersatzsreiheitsstrase angeben und eine etwa anzurechnende Untersuchungshaft so genau bezeichnen, daß die Berechnung der Strafzeit ohne weiteres möglich ist. Absatz 3 stellt klar, daß der Antrag der Erhebung der Anklage gleichsteht. Durch'den Antrag auf Erlaß des Strafbefehls wird also das Verfahren bei Gericht mit denselben Wirkungen anhängig wie durch die Einreichung der Anklageschrift (§ 28 Abs. 4). § 393 Ablehnungdes Antrags Ähnlich der bisherigen Rechtsübung gestattet der Entwurf die Ablehnung des Strafbefehlsantrags, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen aus eine Anklage die Anberaumung der Hauptverhand­ lung abzulehnen wäre (§ 35). Der ablehnende Be­

schluß hat entsprechend der in § 37 getroffenen Rege­ lung eine verschiedene Wirkung, je nachdem, ob die Ablehnung wegen Unzuständigkeit oder aus einem in § 35 Abs. 1 genannten Grunde erfolgt. Gegen den ablehnenden Beschluß kann der S taatsanw alt die be­ fristete Beschwerde erheben (vgl. § 36). Is t die befristete Beschwerde begründet, so bestimmt das Be­ schwerdegericht, daß der Amtsrichter die Hauptver­ handlung anzuberaumen hat. D as Strafbefehlsver­ fahren wird damit in das gewöhnliche Verfahren übergeleitet. Diese Regelung empfiehlt sich, weil es nicht angängig erscheint, daß das Beschwerdegericht den Amtsrichter zum Erlaß des Strafbefehls anweist oder den Strafbefehl selbst erläßt. Hat der Amtsrichter zwar keine Bedenken gegen die Anklage an sich, wohl aber Bedenken, ohne Haupt­ verhandlung zu entscheiden, so beraumt er die Haupt­ verhandlung an. Dies gilt insbesondere, wenn S taatsanw alt imb Amtsrichter sich über die zu er­ kennende Strafe oder Maßregel nicht einigen. Die Anberaumung der Hauptverhandlung kommt aber auch dann in Betracht, wenn der Amtsrichter den Sachverhalt für nicht genügend geklärt erachtet oder wenn er glaubt, eine S trafe ohne persönlichen E in­ druck vom Angeklagten und von den Zeugen nicht verhängen zu können. Aus praktischen Rücksichten empfiehlt es sich, daß Bedenken dieser Art zunächst zwischen dem Amtsrichter und dem S taatsanw alt er­ örtert werden und daß erst dann die Hauptverhand­ lung anberaumt wird, wenn eine Verständigung zwischen ihnen nicht zu erzielen ist. Bringt der Amtsrichter die Sache zur Hauptver­ handlung, so steht der Antrag des Staatsanw alts der Anklage gleich. Da der Angeklagte den In h a lt des Antrags nicht kennt, ist vorgesehen, daß ihm der Antrag, jedoch ohne die vom Staatsanw alt bean­ tragte S trafe oder Maßregel, bei der Ladung mit­ geteilt wird. § 394 E r l a ß des S t r a f b e f e h l s Hat der Amtsrichter keine Bedenken gegen den Antrag des S taatsanw alts, so erläßt er den S tra f­ befehl. Der Strafbefehl hat den In h a lt, der für den Antrag vorgeschrieben ist. I n ihm wird die bean­ tragte S trafe oder Maßregel festgesetzt. Der Amts­ richter kann von dem Antrage des S taatsanw alts nicht abweichen; die völlige Übereinstimmung zwischetr beiden ist ein notwendiges Erfordernis für den Erlaß des Strafbefehls. Absatz 3 regelt die Bekanntgabe des Strafbefehls. E r stellt klar, daß der Strafbefehl dem anwesenden Angeklagten auch verkündet werden kann (§ 282). Die Verkündung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Strafbefehl bei einer Vorführung des An­ geklagten oder nach seiner richterlichen Vernehmung erlassen wird. Der Strafbefehl wird außer dem An­ geklagten auch dessen gesetzlichem Vertreter und dem Inhaber des Personensorgerechts mitgeteilt. D a die Frist zur Einlegung des Einspruchs für den gesetzlichen Vertreter und die sonstigen Anfechtungsberechtigten von der Bekanntgabe des Strafbefehls an den Ange­ klagten tut gerechnet wird (§ 395 Abs. 2 in Verbin-

düng mit § 301), ist keine förmliche Zustellung an sie erforderlich. Die Bekanntgabe des Strafbefehls an den Ehemann einer Angeklagten ist nicht vorgeschrie­ ben. Die öffentliche Zustellung des Strafbefehls an den Angeklagten wird vom Entwurf ausgeschlossen. Ist der Angeklagte abwesend, so soll eine Strafe gegen ihn nach S 56 Abs. 2 oder im Flüchtigenversahren nur auf Grund einer Hauptverhandlung, nicht aber im schriftlichen- Verfahren festgesetzt werden. Absatz 4 gestattet aus Zweckmäßigkeitsgründen, daß der Amtsrichter den Strafbefehl bis zur Bekannt­ gabe zurücknimmt. § 395

Ei ns pruch Gegen den Strafbefehl können nur der Angeklagte und die in § 301 genannten Personen Einspruch erheben. Der S taatsanw alt hat keinen Rechtsbehelf gegen den Strafbefehl, da ohne sein Einverständnis der Strafbefehl vom In h a lt des Antrags nicht ab­ weichen darf. Absatz 2 stellt weiter klar, daß die für die Rechtsbehelfe gegebenen allgemeinen Vorschriften der §§ 300 bis 304 für den Einspruch entsprechend gelten. § 396 Ent schei dung auf den Einspruch Der vorschriftsmäßig eingelegte Einspruch hat ohne weiteres die Anberaumung der Hauptverhand­ lung durch den Amtsrichter zur Folge. Ist der E in­ spruch nicht vorschriftsmäßig eingelegt, so wird er vom Amtsrichter als unzulässig verworfen. Insoweit übernimmt der Entwurf den bisherigen Gerichtsge­ brauch. Entsprechend den für die Verwerfung einer unzulässigen Berufung oder Urteilsrüge geltenden Vorschriften (§§ 322, 336), ist der Beschluß, durch den der Einspruch als unzulässig verworfen wird, mit der befristeten Beschwerde anfechtbar. § 397 Zurücknahme

der A n k l a g e und

des

Ei ns pr uc hs Nach bisherigem Recht (§ 411 Abs. 1 S tP O .) können Anklage und Einspruch nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen werden. Der Entwurf läßt die Zurücknahme auch noch in der Hauptverhandlung zu, und zwar bis zur Ver­ kündung eines Urteils im ersten Rechtszuge. Diese Erweiterung entspricht einem praktischen Bedürfnis. Denn vielfach wird sich erst in der Hauptverhandlung ergeben, daß die Anklage oder der Einspruch unbe­ gründet ist. Es wäre zwecklos, in solchen Fällen die Hauptverhandlung unter allen Umständen durchzu­ führen. Allerdings fordern die Rücksichtnahme auf das Gericht, dem eine Sache nicht gegen seinen Willen entzogen werden darf, und die Belange des S ta a ts­ anwalts und des Angeklagten, daß nach Beginn der Hauptverhandlung die Anklage oder der Einspruch nicht ohne ihre Zustimmung zurückgenommen werden darf.

Ausbleiben

des

Angeklagten

Die Bestimmung entspricht im wesentlichen den für das Ausbleiben des Angeklagten in der Beru­ fungsverhandlung geltenden Vorschriften (§§ 328, 329). Auf die Begründung zu diesen Vorschriften wird daher verwiesen. Absatz 1 befaßt sich mit dem Fall, daß der Ange­ klagte gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt hat und bei Beginn der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges unentschuldigt ausbleibt. Die Folge des unentschuldigten Ausbleibens ist die Feststellung des Gerichts, daß der Einspruch des Angeklagten als zu­ rückgenommen gilt. Die Feststellung geschieht durch Urteil; sie ist zwingend vorgeschrieben. Auch wenn ein anderer Anfechtungsberechtigter neben dem An­ geklagten Einspruch eingelegt hat, wird bei Aus­ bleiben des Angeklagten gemäß Absatz 1 festgestellt, daß der Einspruch als zurückgenommen gilt. Wenn mehrere Mitangeklagte Einspruch eingelegt haben, so ist die Entscheidung, daß der Einspruch des einen als zurückgenommen gilt, unabhängig davon, ob über den Einspruch anderer Mitangeklagter zu verhandeln ist. Hat nicht der Angeklagte, sondern der gesetzliche Ver­ treter oder ein anderer Anfechtungsberechtigter E in­ spruch eingelegt, so wird der Einspruch durch Urteil als zurückgenommen erklärt, wenn bei Beginn der Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch ein Beschwerdeführer erschienen ist. Erscheint nur der Angeklagte, so wird verhandelt. Erscheint nur ein Beschwerdeführer, so sind erforderlichenfalls gegen den Angeklagten die in § 53 Abs. 2 vorgesehenen M aß­ nahmen zu ergreifen. § 399

Re c ht s kr af t Der Entwurf gibt dem Strafbefehl, gegen den nicht rechtzeitig Einspruch erhoben ist, die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Diese Wirkung tritt auch ein, wenn der Einspruch zurückgenommen oder durch eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung ver­ worfen wird. Der Entwurf stellt den Strafbefehl — abweichend vom bisherigen Recht — auch insoweit dem Urteil gleich, als ein durch rechtskräftigen Strafbefehl ge­ schlossenes Verfahren ebenso wie ein durch rechts­ kräftiges Urteil geschloffenes Strafverfahren wieder aufgenommen werden kann (§ 399 Abs. 2 Satz 1). Diese Wiederaufnahme des Verfahrens setzt nach den entsprechend anwendbaren allgemeinen Vorschriften grundsätzlich neue Tatsachen oder Beweismittel vor­ aus. Darüber hinaus läßt der Entwurf in Anleh­ nung an die bisherige Rechtsprechung die Wiederauf­ nahme des Verfahrens auch zu, wenn keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, jedoch die T a t unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt ge­ würdigt werden soll und sich danach die Zuständigkeit der Strafkammer, des Oberlandesgerichts oder des Volksgerichtshofs ergibt oder danach eine Tat, die mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bedroht ist, ein Totschlag oder ein Meineid in Frage kommt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen

anderer rechtlicher Würdigung der T at wird damit auf schwerwiegende Fälle beschränkt. I n diesen freilich kann sie nicht entbehrt werden, da die summa­ rische Prüfung des Strafbefehlsverfahrens nicht dazu führen darf, daß eine schwerwiegende S traftat wegen der Rechtskraft des Strafbefehls der gerechten Abur­ teilung entzogen wird. § 400 V e r w a r n u n g mi t S t r a f v o r b e h a l t Der Entwurf läßt das Strafbefehlsverfahren auch bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt zu. Dagegen läßt sich allerdings der Gesichtspunkt geltend machen, daß die Verwarnung meist eine eingehende Würdi­ gung der Persönlichkeit des Beschuldigten voraussetzt, die mangels mündlicher Verhandlung im Strafbe­ fehlsverfahren für den Richter nur schwer möglich ist. Andererseits würde aber der völlige Ausschluß der Verwarnung vom Strafbefehlsverfahren ihren prak­ tischen Wert überhaupt in Frage stellen. Denn wenn die Verwarnung auch bei geklärtem und ganz ein­ fachem Sachverhalt stets nur aus dem Umweg über eine umständliche Hauptverhandlung möglich wäre, so würde die Praxis in den meisten Fällen einen Strafbefehl mit Geldstrafe der Verwarnung mit Strasvorbehalt vorziehen, womit der kriminalpoli­ tische Zweck dieses Erziehungsmittels vereitelt würde. Der Entwurf schließt daher grundsätzlich die Verwar­ nung vom Strafbefehlsverfahren nicht aus, erwartet jedoch eine gewisse Zurückhaltung beim Gebrauch des Strafbefehls. Vielfach wird es nötig sein, daß der Richter vor Erlaß der Verwarnung den Beschuldigten anhört und sich so ein Bild von seiner Persönlichkeit zu verschaffen sucht. D as Verfahren bei Erlaß der Verwarnung mit Strafvorbehalt ist dasselbe wie bei Erlaß eines S tra f­ befehls. § 400 Satz 2 stellt klar, daß der S taatsan ­ walt zugleich die vorbehaltene S trafe beantragt. Auch die Dauer der Probezeit ist in der schriftlichen VerWarnung zu bestimmen. Darüber hinaus ist es zu­ lässig, zugleich den Täter zur Wiedergutmachung der Folgen der S traftat zu verpflichten und ihm beson­ dere Pflichten, insbesondere die Zahlung einer Geld­ buße, aufzuerlegen. Auch hierauf wird sich der Antrag des S taatsanw alts zu erstrecken haben. Die nach­ trägliche Festsetzung der vorbehaltenen Strafe erfolgt in gleicher Weise, wie wenn die Verwarnung mit Strafvorbehalt durch Urteil ausgesprochen worden wäre (vgl. §§ 445 ff.).

Drittes Hauptstück Verfahren gegen Flüchtige D as Verfahren gegen Flüchtige, das durch das Gesetz vom 28. Ju n i 1935 (RGBl. I S . 844) ein­ geführt worden ist, wird vom Entwurf in den §§ 401 ff. im wesentlichen übernommen. Von den weiteren Maßnahmen gegen Flüchtige, die die §§ 283 bis 295 S tP O , geregelt haben, sind die Vorschriften über die Beschlagnahme zur Deckung einer Geldstrafe (§§ 283, 284 S tP O .) verallgemeinert worden und

durch die Vorschriften über den Arrest (§ 232) ersetzt. Die Vermögensbeschlagnahme zur Erzwingung des Erscheinens (§§ 290 bis 294 S tP O .) ist im § 409 geregelt. Die Vorschriften über die Sicherung der Beweise (§§ 285 bis 289 S tP O .) sind nunmehr in den §§ 5 Abs. 2, 10, 38 Satz 2, 176 Abs. 2, 3 Nr. 1 enthalten. Die Bestimmung über das sichere Geleit für den Flüchtigen (§ 295 S tP O .) ist ersatzlos be­ seitigt, da es mit den Anschauungen des neuen Strafversahrensrechts nicht mehr vereinbar ist. Nach der grundsätzlichen Seite ist folgendes zu bemerken: D as neue Strafrecht fordert in besonderem Maß, daß die Persönlichkeit des Täters erforscht und ge­ würdigt wird. Die Strasverfahrensordnung ist beherrscht von dem Grundsatz, daß der Richter von dem Angeklagten einen unmittelbaren Eindruck gewinnen soll und daß deshalb die Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung zur E rfor­ schung der Wahrheit und zur Findung eines gerechten Urteils in der Regel nicht entbehrt werden kann. Trotzdem kann nicht darauf verzichtet werden, auch schwere Taten, bei deren Aburteilung im allgemeinen Verfahren eine Entbindung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung oder eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht in Betracht käme (§§ 48, 56 Abs. 2), unter gewissen Voraussetzungen auch in Abwesenheit des Beschuldigten abzuurteilen. Es wäre mit der Auto­ rität des S taates nicht vereinbar, wenn gegen den flüchtigen Angeklagten nur das schwerfällige und nicht immer durchführbare Auslieferungsverfahren einge­ leitet werden könnte oder die Hauptverhandlung bis zur Gestellung oder gelegentlichen Ergreifung aufge­ schoben werden müßte. Der Entwurf gestattet daher ohne Beschränkung aus bestimmte Tatbestände oder auf bestimmte Höchststrafen allgemein die Hauptver­ handlung in Abwesenheit des Angeklagten, wenn er sich durch Auslandsaufenthalt oder durch Verbergen im In la n d der deutschen Gerichtsbarkeit entzieht und wenn seine alsbaldige Aburteilung geboten ist. Daß diese Möglichkeit maßvoll gebraucht und das Verfah­ ren nur in geeigneten Fällen eingeleitet wird,werden Dienstanweisungen an den S taatsanw alt sicherstellen. D as Verfahren gegen Abwesende, die sich der Wehrpflicht entzogen haben, erfährt im Entwurf eine völlige Umgestaltung. I m bisherigen Recht (§§ 434 bis 441 S tP O .) wird die Anklage auf Grund einer Erklärung der Wehrüberwachungsbehörde erhoben, die den Wehrpflichtigen einer nach den §§ 140, 140 a, 140 b S tG B , strafbaren T at beschuldigt; die Ver­ urteilung erfolgt auf Grund dieser Erklärung, wenn sich nicht in der Hauptverhandlung Umstände ergeben, die der Erklärung entgegenstehen. Dieses Verfahren kann nicht mehr beibehalten werden, nachdem die Strafdrohungen in den entsprechenden Vorschriften des neuen S tG B . (§§ 153 bis 155) wesentlich verschärft sind. Die Wehrdienstentziehung ist jetzt im Regel­ fälle mit Zuchthaus, in minder schweren Fällen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bedroht. D as Verlassen des Reichsgebiets während eines Krieges ist mit dem Tode und mit Vermögenseinziehung be­ droht, wenn der Täter beabsichtigt hat, sich der Dienst-

Pflicht zu entziehen, und mit Zuchthaus oder Gefäng­ nis nicht unter sechs Monaten, wenn er ohne diese Absicht gehandelt hat. Derartige Strafen können nicht in einem Verfahren verhängt werden, in dem eine umfassende Prüfung der Schuldfrage nicht statt­ findet. Es kommt hinzu, daß die Wehrüberwachungs­ behörde in ihrer Erklärung auch zu den inneren Tatbestandsmerkmalen der §§ 153, 155 S tG B . Stellung nehmen müßte, so z. B. zu der Frage, ob der Wehrpflichtige beim Verlassen des Reichsgebiets die Absicht gehabt habe, sich der Dienstpflicht zu ent­ ziehen. D as Gericht in diesem weiten Umfang an die Erklärungen der Uberwachungsbehörde zu binden, ist nicht angängig. Die Änderung der Strafrahm en und die Gestaltung der Tatbestände der §§ 153 bis 155 S tG B , zwingen vielmehr dazu, daß über die Schuld- und Strasfrage bei diesen Straftaten auch gegenüber Abwesenden nach den sonst im S trafver­ fahren geltenden Grundsätzen entschieden wird. Der Entwurf überführt daher das Verfahren wegen Wehr­ pflichtentziehung in das allgemeine Flüchtigenversahren. Die Voraussetzungen des Verfahrens weichen allerdings im Verfahren gegen abwesende Wehrpflich­ tige (§ 410) von denjenigen des gewöhnlichen Flüchtigenversahrens ab (näheres bei § 410). § 401

Grunds at z D as Gericht kann eine Hauptverhandlung gegen einen flüchtigen Angeklagten nur durchführen, wenn der Staatsanw alt es beantragt. „Flüchtig" ist der Angeklagtes der sich der deutschen Gerichtsbarkeit durch Aufenthalt im Ausland oder durch Verbergen im In lan d entzieht. Die Bestimmung ist in demselben Sinne wie bisher (§ 276 Abs. 2 S tP O .) aus­ zulegen. Es ist danach nicht erforderlich, daß sich der Beschuldigte in der Absicht ins Ausland begeben hat, das Strafverfahren zum Stillstand zu bringen, oder daß er sich gerade mit Rücksicht auf die zur Unter­ suchung stehende T at entfernt hat oder verbirgt. E r­ forderlich ist nur, daß der Aufenthalt im Ausland oder das Sichverbergen im In lan d die vom Gesetz gekennzeichnete Wirkung hat und daß sich der Flüch­ tige dessen bewußt ist. Daher gilt auch als flüchtig, idct sich zunächst ohne den Willen zur Verhinderung eines möglichen oder schwebenden Verfahrens, etwa aus beruflichen Gründen oder zur Erholung, ins Aus­ land begibt und dort zeitweise oder dauernd verweilt, sich aber, wenn ihm das Strafverfahren bekannt wird, den deutschen Behörden nicht zur Verfügung stellt, obwohl es ihm möglich wäre. Der Antrag aus Durch­ führung des Flüchtigenverfahrens ist in das pflichtmäßige Ermessen des S taatsanw alts gestellt. E r soll ihn nur dann stellen, wenn die alsbaldige Aburteilung des Angeklagten geboten ist. Im Gegensatz zum bis­ herigen Recht werden dem Staatsanw alt für die An­ tragstellung im Gesetz keine näheren Richtlinien gegeben; sie bleiben den im Verwaltungsweg zu er­ lassenden Richtlinien vorbehalten. Auch künftig wird das Flüchtigenversahren vor allem dann beantragt werden, wenn das Urteil wenigstens teilweise voll­ streckt werden kann, also besonders dann, wenn der Beschuldigte inländische Vermögenswerte besitzt. Bei schweren Taten, die weniger einen Verstoß gegen das

Wohl des Einzelnen als gegen das Gesamtwohl, ins­ besondere den Bestand und die Sicherheit des Reiches enthalten, wird die alsbaldige Aburteilung häufig erfolgen müssen, auch wenn das Urteil nicht teilweise vollstreckt werden kann. D as Verfahren kann hier wegen der mit der Verurteilung verbundenen An­ prangerung des Angeklagten geboten sein. Der S taatsanw alt wird den Antrag in der Regel zugleich mit der Anklage stellen. E r kann ihn aber auch nach der Erhebung der Anklage, selbst noch im Rechtszug der Berufung stellen, wenn sich erst später herausstellt, daß der Angeklagte flüchtig ist. Ob die alsbaldige Aburteilung des Angeklagten geboten ist, unterliegt der Prüfung des Gerichts ebensowenig wie die Frage, ob der Staatsanw alt die innerdienstlichen Anweisungen eingehalten hat. D as Gericht hat aber jederzeit von Amts wegen zu prüfen, ob der An­ geklagte flüchtig ist oder nicht, da dies eine besondere Verfahrensvoraussetzung ist. Insoweit weicht der Entwurf von der Strafprozeßordnung (§ 278) ab, die auch die Nachprüfung dieser Voraussetzung allein dem Staatsanw alt zuwies. Hat das Gericht Zweifel, ob der Angeklagte flüchtig ist, und können diese Zweifel nicht behoben werden, so stellt es das Verfahren ein (§§ 39, 85). F ü r das Verfahren gelten im übrigen die allge­ meinen Vorschriften, soweit ihnen nicht die Abwesen­ heit des Beschuldigten entgegensteht oder etwas an­ deres bestimmt ist (Absatz 3). D araus ergibt sich, daß die Hauptverhandlung gegen Flüchtige nicht nach Art eines Versäumnisversahrens, sondern mit dem Ziel erschöpfender Wahrheitsermittlung durchzuführen ist. §§ 402, 403 Öf f ent l i che Ladung. An d e r e M i t t e i ­ lungen Der § 402 sieht die öffentliche Ladung des Flüch­ tigen zur Hauptverhandlung vor (§ 289). Wird eine wiederholte öffentliche Ladung des Flüchtigen zur Hauptverhandlung erforderlich, so kann diese nach dem vereinfachten Verfahren des § 289 Abs. 2 aus­ geführt werden. Der In h a lt der öffentlichen Ladung (§ 402 Abs. 2) deckt sich weitgehend mit dem In h a lt der Anklageschrift, deren Zustellung sie ersetzt. Dein Flüchtigen wird darin Ort und Zeit der Hauptver­ handlung mitgeteilt. Seine Belehrung über das Recht zur Stellung von Beweisanträgen (§ 41) über­ läßt der Entwurf dem Ermessen des Vorsitzers. Die öffentliche Ladung muß ferner die Ankündigung ent­ halten, daß die Hauptverhandlung auch beim Aus­ bleiben des Flüchtigen stattfinden werde und daß das Urteil vollstreckbar ist (§ 402 Abs. 2). Durch die Vorschriften des § 403 will der Entwurf darauf hinwirken, daß der Flüchtige den wesentlichen In h a lt der Anklage, Ort und Zeit der Hauptverhandlung und die ihm beim Ausbleiben drohenden Folgen auch tatsächlich erfährt. Is t der Aufenthalt des Flüchtigen bekannt, soll ihm der In h a lt der Ladung mitgeteilt werden. Die übrigen in § 403 vorgesehenen M aß­ nahmen sind nicht zwingend vorgeschrieben. Der Entwurf sieht davon ab, für die Frist zwischen der Zustellung der Ladung an den Angeklagten und der Hanptverhandlnng eine besondere Vorschrift zu geben.

Es muß mindestens die Ladungssrist, die für das gewöhnliche Verfahren gilt, eingehalten werden. Es ist dem Vorsitzer überlasten, darüber hinaus diesen Zeitraum entsprechend der Lage des einzelnen Falles so zu verlängern, daß einem im Ausland befindlichen Flüchtigen genügend Zeit bleibt, die Reise an den Verhandlungsort vorzubereiten und auszuführen. § 404 Verteidiger D er Flüchtige muß stets einen Verteidiger haben. Z ur Wahl des Verteidigers sind neben dem Flüch­ tigen und den in § 136 Abs. 2 genannten Personen auch die Angehörigen des Flüchtigen berechtigt (Absatz 2). Ist für den Flüchtigen kein Verteidiger gewählt, so muß ihm ein Verteidiger bestellt werden (§§ 140 bis 142). Anders als im allgemeinen Ver­ fahren (§ 303 Abs. 3) ist der Verteidiger im Flüchtigenversahren zum Verzicht aus einen Rechtsbehelf und zur Zurücknahme eines Rechtsbehelfs ohne aus­ drückliche Ermächtigung berechtigt, da er vielfach mit dem Flüchtigen nicht in Verbindung stehen wird. § 405 Vorläufige Einstellung F ü r die Hauptverhandlung gelten die allgemeinen Vorschriften mit der in § 401 Abs. 3 genannten M aß­ gabe. Abgesehen davon, daß der Angeklagte fehlt, ist das Verfahren dasselbe wie in Gegenwart des Ange­ klagten. Die Beweisaufnahme ist genau so vollstän­ dig vorzunehmen wie in seiner Anwesenheit. Das Gericht wird darüber hinaus noch versuchen müssen, den durch die Abwesenheit des Angeklagten bedingten Mangel an Erkenntnisquellen durch sorgfältige Be­ nutzung aller Beweismöglichkeiten auszugleichen. Die Hauptverhandlung kann nach den allgemeinen Grundsätzen mit dem in § 83 vorgesehenen Ergebnis enden. Es können sämtliche auch sonst zulässigen Strafen und Maßnahmen ausgesprochen werden. Das gilt auch für die sichernden Maßregeln. D aß gerade bei ihrer Verhängung wegen der Abwesenheit des Beschuldigten und der dadurch erschwerten Beurtei­ lung seiner Persönlichkeit Schwierigkeiten entstehen können, mich in Kauf genommen werden. Wenn das Gericht ohne den Angeklagten die S traftat nicht sicher und vollständig aufklären und weder seine Schuld noch seine Unschuld feststellen kann, müßte es nach allgemeinen Grundsätzen den Angeklagten freisprechen. D as wäre im Verfahren gegen Flüchtige nicht sach­ gemäß, da die durch die Abwesenheit des Angeklagten bedingte Ungewißheit nicht zu seinem Vorteil ausschlagen darf. D as Gericht stellt daher in solchen Fällen das Verfahren vorläufig ein. Der Beschluß ist nicht anfechtbar, weil es nicht angemessen wäre, wenn das Beschwerdegericht eine sachliche Entschei­ dung des unteren Gerichts erzwingen könnte. § 406 Urteil D as Urteil ist als Abwesenheitsurteil zu kennzeich­ nen und in der in § 289 Abs. 2 bis 4 vorgesehenen Weise öffentlich zuzustellen. Von der Zustellung an laufen die Fristen für die Rechtsmittel. Gegen das

Urteil sind dieselben Rechtsmittel wie sonst gegeben. Die Rechtsmittelbefugnis steht nach den allgemeinen Grundsätzen außer dem Angeklagten dessen Vertei­ diger (§ 300) und den in § 301 genannten Personen zu. Andere Angehörige des Flüchtigen haben dieses Recht nicht. Da sie jedoch noch nach der Urteilsver­ kündung einen Verteidiger wählen können, können sie diesen zur Einlegung des Rechtsmittels veranlassen. Zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Vermei­ dung von Schwierigkeiten, die mit der Zustellung des vollständigen Urteils im Ausland verbunden sein könnten, wird das Urteil nach rechtzeitiger Anfech­ tung (§§ 320 Abs. 2, 332 Abs. 2) mit Gründen dem Verteidiger zugestellt. Der Zustellung des Urteils an den Flüchtigen bedarf es dann nicht mehr. Bei dieser Regelung bleibt es auch, wenn der Flüchtige selbst oder ein anderer Anfechtungsberech­ tigter das Rechtsmittel eingelegt hat. über die Vollstreckung des Urteils enthält der Entwurf keine weiteren Vorschriften. Als geeignet zur Vollstreckung kommen in erster Linie Entschei­ dungen in Betracht, die Ehren- und Vermögens­ strafen oder die Einziehung, Vernichtung oder Un­ brauchbarmachung eines Gegenstandes aussprechen. Die öffentliche Bekanntmachung des Urteils zur Brandmarkung des Flüchtigen richtet sich nach § 37 S tG B . Absatz 3 regelt das Verfahren des Berufungs­ gerichts für der/Fall, daß der Flüchtige allein Beru­ fung eingelegt hat und in der Hauptverhandlung nicht erscheint. D as unentschuldigte Ausbleiben des Flüch­ tigen in der Berufungsverhandlung hat dann nicht die Feststellung zur Folge, daß die Berufung als zurückgenommen gilt, da aus dem Ausbleiben des Flüchtigen — anders als in den Fällen des § 328 — nicht geschlossen werden kann, daß er aus die Durch­ führung des Berusungsverfahrens keinen Wert legt. § 407

Ge s t e l l u n g Erscheint der Flüchtige vor Beginn der Hauptver­ handlung, so wird das Verfahren in der Lage, in der es sich befindet, nach den gewöhnlichen Vorschriften fortgesetzt. Eine nachträgliche Zustellung der Anklage­ schrift ist nicht vorgeschrieben, kann aber mitunter zur Unterrichtung des Flüchtigen zweckmäßig sein. Auch wenn der Flüchtige nach Beginn der Hauptverhandlung — sei es einer Hauptverhandlung des ersten, des Berufungsrechtszuges oder des Urteilsrügegerichts — erscheint, wird das Verfahren grundsätzlich fortgesetzt. Die Hauptverhandlung im Flüchtigenverfahren wird mit derselben Gründlichkeit und mit denselben G a­ rantien für die Findung des gerechten Urteils durch­ geführt, wie die Hauptverhandlung im allgemeinen Verfahren. Es besteht kein Anlaß, bei Gestellung des Flüchtigen stets von Amts wegen die Hauptverhandlung ganz oder teilweise zu wiederholen. Entsprechend dem Verfahren bei Ausschließung des Angeklagten (§ 55 Abs. 3) ist lediglich vorgeschrieben, daß der Vor­ sitzer den Flüchtigen von dem wesentlichen In h a lt der Verhandlung unterrichtet. D er Vorsitzer kann aber auch bis zur Verkündung des Urteils die Hauptver­ handlung, etwa die Beweisaufnahme, ganz oder teil* 13

weise wiederholen, wenn ihm dies erforderlich er­ scheint. Es ist im Einzelfall möglich, daß wegen des Feh­ lens des Angeklagten in der Hauptverhandlung wesentliche Gesichtspunkte nicht erörtert worden sind, weil nur er sie hätte vorbringen können. Die S tra f­ zumessung wird insbesondere mitunter anders aus­ fallen, wenn das Gericht einen persönlichen Eindruck von dem Angeklagten hat. Der Entwurf sieht daher im § 407 Abs. 2 vor, daß eine Hauptverhandlung des ersten oder des Berufungsrechtszuges, die in Ab­ wesenheit des Angeklagten stattgefunden hat, auf seinen Alltrag wiederholt wird. D as seht aber vor­ aus, daß der Angeklagte seht Ausbleiben durch triftige Gründe rechtfertigt oder daß sonstige Umstände ihre Wiederholung als notwendig erscheinen lassen. Unter diesen Voraussetzungen kann auch eine Hauptver­ handlung des Urteilsrügegerichts wiederholt werden; über ihre Wiederholung entscheidet entsprechend der im § 345 getroffenen Regelung das richterliche Ertnessen. Die Tatsache, daß dem Angeklagten die öffentliche Ladung unbekannt geblieben war, wird einen triftigen Grund für die Wiederholung der Hauptverhandlung dann nicht bilden können, wenn der Angeklagte votn Verfahren Kenntnis hatte. Zu den sonstigen Gründen, die eine Wiederholung der Hauptverhandlung gebieten können, gehören auch nachträglich auftauchende schwere Bedenken gegen den Schuldspruch, die Strafhöhe oder die Entscheidung über eine sichernde Maßregel. Is t bei der Stellung des Antrags auf Wieder­ holung einer Hauptverhandlung das Abwesenheits­ urteil schon ergangen, so wird das Urteil dem Ange­ klagten erneut zugestellt. Binnen einer Woche nach dieser Zustellung kann der Angeklagte den Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung stellen. Is t ein Abwesenheitsurteil noch nicht ergangen, so kann der Angeklagte den Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung nur bis zur Beendigung der Schlußvor­ träge stellen. Uber Formen und Fristen der Stellulig des Antrags wird er in beiden Fällen belehrt. Ist das Abwesenheitsurteil noch nicht rechtskräftig, so ist der Angeklagte nicht gehindert, während des Laufs der Rechtsmittelfrist neben dem Antrag auf Wiederholung der Hauptverhandlung auch ein Rechtstnittel einzulegen. D as Verhälttiis des Antrags auf Wiederholung der Hauptverhandlung zu den Rechts­ mitteln regelt der Entwurf, indem er im § 408 Abs. 2 auf den § 353 Abs. 1 verweist. Die erneute Zu­ stellung des Urteils hat nicht etwa zur Folge, daß die Rechtsmittelfristen von neuem zu laufen beginnen, einerlei ob der Angeklagte früher ein Rechtsmittel gegen das Abwesenheitsurteil eingelegt hat oder nicht. Absatz 4 stellt klar, daß der Antrag auf Wieder­ holung der Hauptverhandlung im Flüchtigenverfahren nicht etwa an Stelle des Wiederaufnahmeverfahrens (§§ 354 ff.) tritt. D as Wiederaufnahmeverfahren nach den allgemeinen Grundsätzen bleibt vielmehr unberührt. § 408 V e r f a h r e n b ei W i e d e r h o l u n g der Hauptverhandlung Uber den Antrag auf Wiederholung der Haupt­ verhandlung entscheidet das Gericht — gegebenen­

falls also das Berufungs- oder Urteilsrügegericht — , bei dem das Verfahren anhängig ist. Die Entscheidlmg ist nicht dem Vorsitzer, sondern dem Gericht zugewiesen, da die Prüfung der Voraussetzungen des § 407 Abs. 2 häufig mit dem sachlichen In h a lt des Urteils, der Strafzumessung usw. zusammenhängt. W ar das Verfahren in mehreren Rechtszügen an­ hängig, so entscheidet das Gericht, das zuletzt ent­ schieden hat. Um die Rechtsmittelgerichte nicht mit umfangreichen Beweisaufnahmen zu belasten, ist vor­ gesehen, daß Gerichte eines höheren Rechtszuges die Wiederholung der Hauptverhandlung des früheren Rechtszuges anordnen können. Gegen das neue Urteil sind sodann die allgemeinen Rechtsmittel gegeben. Absatz 2 erklärt für den Antrag die allgemeinen Vorschriften über Rechtsbehelfe (§§ 300 bis 304) für anwendbar. F ür das Verfahren gilt weiterhin ein Teil der Vorschriften der §§ 351 bis 353 über die Wiederholung der versäumten Hauptverhandlung entsprechend. Neben der Wiederholung der versäum­ ten Hauptverhandlung auf Grund der §§ 407, 408 ist nicht auch noch die Wiederholung auf Grund der §§ 58, 328 Abs. 2, 345 zulässig. Die Wiederholung der Hauptverhandlung ist für das Flüchtigenverfahren selbständig und zum Teil von den allgemeinen Vor­ schriften abweichend geregelt (vgl. § 401 Abs. 3). § 409 S i c h e r u n g s m a ß n a h me Der Entwurf sieht im allgemeinen Verfahren die Beschlagnahme des Vermögens oder eines Teiles des Vermögens zur Sicherung einer zu erwartenden Ver­ mögenseinziehung (§ 229) vor. Weiterhin kann zur Sicherung der Vollstreckung einer Geldstrafe oder der Verfallerklärung eines Geldbetrages unter bestimmten Voraussetzungen der Arrest in das Vermögen des Be­ schuldigten angeordnet werden (§ 232). Diese M aß­ nahmen genügen im Verfahren gegen Flüchtige nicht. Der Zugriff auf das Vermögen Flüchtiger muß auch dann möglich sein, wenn weder die Vermögensein­ ziehung noch die Verhängung einer Geldstrafe oder eine Verfallserklärung in Frage kommt. Es muß auf den Flüchtigen ein Druck zum Erscheinen vor Gericht ausgeübt und unterbunden werden können, daß er aus seinem Vermögen M ittel zur Verlängerung seines Auslandsaufenthalts zieht. Der Entwurf sieht daher in Absatz 1 vor, daß das Gericht bei einer Verurtei­ lung des Flüchtigen, gleichgültig zu welcher Strafe, oder bei einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens (§ 405) durch Beschluß anordnen kann, daß Ver­ mögenswerte des Flüchtigen in Höhe eines nach pflichtmäßigem Ermessen zu bestimmenden Geldbe­ trags beschlagnahmt werden. D a die Beschlagnahme aus § 409 die Gestellung des Flüchtigen erzwingen soll, kann sie auch ausgesprochen werden, wenn Schwierigkeiten bei der Vollstreckung der Strafe nicht zu besorgen sind. Anders als bei der Vermögens­ beschlagnahme nach § 229 werden nicht das Vermögen als Ganzes, sondern nur einzelne Vermögenswerte in Höhe eines bestimmten Geldbetrages beschlag­ nahmt. Absatz 2 ermächtigt den nach § 249 zuständigen Staatsanw alt oder Richter, schon vor der Verurtei-

lung oder der vorläufigen Einstellung die Beschlag­ nahme vorläufig auszusprechen, wenn der Flüchtige der ihm zur Last gelegten T at dringend verdächtig und eine Beschlagnahme von Vermögenswerten des Flüchtigen durch das erkennende Gericht zu erwarten ist. Durch Verweisung auf § 250 ist sichergestellt, daß auch bei der vorläufigen Beschlagnahme aus § 409 eine richterliche Bestätigung herbeigeführt werden kann, da sie ebenso wie die Vermögensbeschlagnahme aus § 229 zu einer Vorwegnähme der Strafe führen kann. Ferner ist auch die Vorschrift über die Bestel­ lung eines Treuhänders oder Pflegers (§ 231) für anwendbar erklärt. Aus dem Zweck der Beschlagnahme folgt, daß dem Flüchtigen der Gerichtsbeschluß, der die Beschlag­ nahme anordnet, bekanntgegeben wird. Bei der Be­ kanntgabe wird der Flüchtige auf den drohenden Verfall der beschlagnahmten Vermögenswerte hinge­ wiesen. Die beschlagnahmten Vermögenswerte verfallen in Höhe des festgesetzten Geldbetrages der Reichskasse, wenn der Flüchtige sich nicht binnen drei Jahren seit der Bekanntgabe des Beschlagnahmebe­ schlusses dem Gericht stellt. Der Beschluß, der die Beschlagnahme von Vermögenswerten des Flüchtigen anordnet, bildet die Grundlage für die Vollziehung der Beschlagnahme, die sich nach § 222 richtet. Die Wirkung der Beschlagnahme und ihre Aufhebung regeln sich nach den §§ 223, 226.

§ 410 S o n d e r v o r s c h r i f t e n für Wehr pflichtige Wie in der Einleitung zu diesem Hauptstück dar­ gelegt ist, beseitigt der Entwurf das auf der Erklärung der Wehrüberwachungsbehörde aufgebaute Verfahren gegen abwesende Wehrpflichtige. Befindet sich ein Wehrpflichtiger im Ausland und wird er einer nach den §§ 153 bis 155 StG B , strafbaren T at beschuldigt, so wird diese T at jetzt in den Formen des Flüchtigenverfahrens verfolgt. Die Voraussetzungen für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen ab­ wesenden Wehrpflichtigen sind in § 410 selbständig und abweichend von den Vorschriften des § 401 geregelt. Es ist nicht erforderlich, daß der abwesende Wehrpflichtige „flüchtig" im S inne des § 401 ist. Es genügt, daß er einer nach den §§ 153 bis 155 StG B , strafbaren T at beschuldigt wird und sich im Ausland aufhält. — Bei einem Verfahren wegen verbotener Auswanderung (§ 154 S tG B .) ist die notwendige Verteidigung entbehrlich. Absatz 3 sieht einen beson­ deren Gerichtsstand bei dem Amtsgericht Berlin und den ihm übergeordneten Gerichten vor, der ergänzend neben den Gerichtsstand des letzten Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (§ 107) tritt. Dieser zu­ sätzliche Gerichtsstand in Berlin erscheint deshalb zweckmäßig, weil damit eine schnellere und einfachere Zusammenarbeit mit den zuständigen Wehrüber­ wachungsbehörden gewährleistet wird, die für die in Frage stehenden Wehrpflichtigen ihren Sitz in Berlin haben.

Viertes Hauptstück Verfahren mit besonderen Aufgaben Erster Abschnitt

Sicherungsverfahren § 411 Voraussetzungen D as Ausführungsgesetz zum Gewohnheitsver­ brechergesetz hat im § 429 a S tP O , ein besonderes Sicherungsverfahren eingeführt. Dieses Verfahren dient dem Zweck, gegen einen Zurechnungsunfähigen die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt selbständig anordnen zu können, wenn sich die Zurechnungsunsähigkeit schon vor der Eröffnung des Hauptversahrens ergibt. Auch im künftigen Recht besteht ein Bedürfnis für ein besonderes Sicherungsverfah­ ren. Eine Anklage darf nach § 14 nur bei genügendem Verdacht erhoben werden, daß der Beschuldigte eine S traftat begangen hat. Liegt wegen Schuldunfähig­ keit eine S traftat, also eine schuldhafte, mit Strafe bedrohte Tat nicht vor, oder ist die Verfolgung wegen eines Verfahrenshindernisses unzulässig, so ist für die Erhebung einer Anklage kein Raum. I n solchen Fällen sieht das neue S tG B , über das bisherige Recht hinausgehend vor, daß eine sichernde Maßregel selb­ ständig, also unabhängig von der Bestrafung des Täters, angeordnet werden kann. Während bisher die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt die einzige sichernde Maßregel war, die gegen einen Schuldunfähigen angeordnet werden konnte, läßt das neue S tG B , in den §§ 68, 74 gegen Schuldunfähige auch die selbständige Anordnung der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt und der Entmannung zu. Darüber hinaus kann nach den §§ 69, 74 die Unterbringung in einem Arbeits­ haus oder Asyl, die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, die Unterbringung itt einer Trinker­ heilanstalt oder Entziehungsanstalt und die Entman­ nung auch dann selbständig angeordnet werden, wenn das Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen eines Versahrenshindernisses nicht durchführbar ist. D as Verfahrensrecht muß dieser erweiterten Möglich­ keit, sicherndeMaßregeln selbständig anzuordnen,Rech­ nung tragen und ein Sicherungsversahren in allen F ä l­ len vorsehen, in denen das Strafrecht danach verlangt. Der Entwurf ermächtigt den Staatsanw alt, den Antrag auf selbständige Anordnung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen sichernden M aß­ regel oder der Entmannung zu stellen, wenn nach dem Ermittlungsergebnis die selbständige Anordnung zu erwarten ist, also genügende Gründe dafür sprechen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die selbstän­ dige Anordnung der Maßregel vorliegen und nach der Sachlage ein Bedürfnis für die Maßregel besteht. Er verweist damit wegen der sachlich-rechtlichen Voraus­ setzungen der Anordnung auf das S tG B . F ü r die selbständige Anordnung der Einziehung oder Un­ brauchbarmachung, die nach § 64 Nr. 7 S tG B , gleich­ falls eine sichernde Maßregel ist, ist ein SicherungsVerfahren nicht vorgesehen. D as Verfahren für die

selbständige Anordnung einer solchen Maßregel ist im § 420 geregelt. Dasselbe gilt für die selbständige Anordmmg der in Nebengesetzen vorgesehenen Ver­ nichtung. Der Antrag auf Durchführung des Sicherungs­ verfahrens unterliegt nicht den Grundsätzen der Ver­ folgungspflicht (§§ 14 ff.). Der Staatsanw alt „kann" nach § 411 den Antrag stellen, woraus sich ergibt, daß es wie nach bisherigem Recht im pflichtmäßigen Ermessen des Staatsanw alts steht, das Sicherungs­ verfahren einzuleiten. Auch das S tG B , läßt in den §§ 69, 74 Ermessenserwägungen bei der selbständigen Anordnung der Unterbringung und der Entmannung zu. Der Grundsatz der Ermessensfreiheit, den § 411 ^>tVO. ausstellt, geht aber weiter. Er umfaßt auch die Fälle der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder E nt­ ziehungsanstalt wegen Schuldunfähigkeit, in denen die §§*67 Abs. 1, 68 Satz 2 S tG B , bei der Entschei­ dung des Gerichts Ermessenserwägungen ausschalten. Da der Schutz der Allgemeinheit gegen Schuldun­ fähige, insbesondere gefährliche Geisteskranke, unter gewissen Vorailssetzungen auch durch Verwaltungsmaßnahlnell gesichert werden kann, ist die Einleitung des gerichtlichen Sicherungsverfahrens nicht in jedem Falle geboten. Bei den mit einer Freiheitsentziehung verbllndenen Maßregeln wird es häufig zweckmäßig fein, die Unterbringung den Verwaltungsbehörden zu überlassen. Soweit die konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte und Verwaltungsbehörden besteht und nicht schon die letzteren für den Schutz des Volkes durch ihre Maßnahmen Sorge getragen haben, wird für ein Sicherungsverfahren vor den Gerichten ins­ besondere ein Bedürfnis bestehen, wenn wichtige Gründe gerade eine gerichtliche Aufklärung und E nt­ scheidung des Falles nahelegen, etwa wenn es sich um eine besonders schwere T at handelt, die in der Öffent­ lichkeit Aufsehen erregt hat. § 412 Versahrensvorschriften Bei der Regelung des Verfahrens stellt der E nt­ wurf wie das bisherige Recht (§ 429 b S tP O .) den Grundsatz voran, daß für das Sicherungsverfahren die Vorschriften über das Strafverfahren entsprechend gelten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Gegen diesen Grundsatz ist zwar geltend gemacht worden, daß die Formen des Strafverfahrens der Eigenart des Sicherungsversahrens nicht gerecht würdem und die entsprechende Anwendung der Vor­ schriften über das Strafverfahren nicht sachgemäß sei. Der Entwurf ist dieser Ansicht nicht gefolgt. D as Systenl der sicherndell, bessernden und heilenden M aß­ regeln bildet einen wesentlichen Bestandteil der S tra f­ rechtsordnung. Das Verfahren für die Verhängung dieser Maßregeln muß einheitlich geregelt werden, gleichviel ob sie in einem Strafverfahren neben der Strafe oder selbständig in einem Sicherungsverfahren angeordnet werden sollen. D a die Anordnung einer sichernden Maßregel im Sicherungsverfahren ebenso wie die Strafe im Strafverfahren die Feststellung einer mit S trafe bedrohten T at voraussetzt, müssen im Sicherungsversahren für die Aufklärung des Sach­

verhalts dieselben Regeln gelten wie im Strafverfah­ ren. Es muß auch möglich sein, das Sicherungsver­ fahren ohne weiteres in ein Strafverfahren überzu­ leiten, wenn sich ergibt, daß auch auf Strafe zu erkennen ist. Läge das Sicherungsverfahren nicht in den Händen des Strafrichters, so würde in solchen Fällen ein mit der Prozeßökonomie unvereinbarer Leerlauf entstehen. Der Entwurf übernimmt daher im wesentlichen die Regelung, die sich im bisherigen Recht bewährt hat. Uber den Antrag des S ta a ts­ anwalts ist danach auf Grund einer Hauptverhand­ lung durch Urteil zu entscheiden. D as Urteil ist mit den gewöhnlichen Rechtsmitteln anfechtbar. Auch die Zwangsmittel stehen dem S taatsanw alt und dem Richter in demselben Umfang zur Verfügung wie im Strafverfahren. Der im Absatz 1 ausgesprochene Grundsatz muß freilich durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen werden. Zu § 411 ist bereits ausgeführt, daß der Grundsatz der Verfolgungspflicht für das Sicherungs­ verfahren nicht gilt, die Einleitung des Sicherungs­ verfahrens vielmehr im Ermessen des S taatsanw alts steht. Der § 25 über die Unzulässigkeit der Verfol­ gung wegen Zeitablaufs muß indessen auch im Siche­ rungsverfahren beachtet werden. D as gerichtliche Verfahren wird nicht durch eine Anklage, sondern durch einen Antrag des S taatsanw alts veranlaßt. Der Antrag muß inhaltlich den Erfordernissen der Anklageschrift entsprechen und darüber hinaus die Maßregel bezeichnen, die angeordnet werden soll. I n seiner Wirkung steht er der Anklage gleich. Derjenige, gegen den sich das Verfahren richtet, wird weder als Angeklagter noch als Beschuldigter, sondern als Betroffener (§§ 413, 414) bezeichnet, da mit der Stellung des Antrages ein Schuldvorwurf nicht not­ wendig verbunden ist. I m Gegensatz zu der Anklage kann der Antrag noch bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszuge zurückgenommen werden. Die Gründe, die eine so weitgehende Rücknahmemög­ lichkeit bei der Anklage verbieten, treffen auf das Sicherungsverfahren nicht zu. Halt das Gericht den Antrag nicht für begründet, so ist nach Absatz 3 nicht auf Freisprechung, sondern auf Ablehnung des An­ trags zu erkennen. Der Entwurf sieht abweichend von § 429 b Abs. 3 S tP O , davon ab, das Sicherungsverfahren wegen einer Tat, deren Aburteilung im ersten Rechtszuge zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs oder des Oberlandesgerichts gehören würde, der Schöffen­ kammer zu übertragen. Bei der Eigenart dieser Taten wird auch das Sicherungsverfahren wegen einer solchen T at am zweckmäßigsten vor dem Volksgerichts­ hof oder dem Oberlandesgericht durchgeführt. Weitere Abweichungen von den Vorschriften über das S tra f­ verfahren ergeben sich aus § 413. Vorschriften über das Strafverfahren im S inne des § 412 Abs. 1 sind auch die Vorschriften des S tG B , über besondere Verfahrensvoraussetzungen. Ob solche Vorschriften für das Sicherungsverfahren gelten, ist nach S in n und Zweck der Verfahrensvor­ aussetzung zu entscheiden. Macht das StG B , die Verfolgung von einem Antrag, einer Anordnung, einer Zustimmung oder einem Verlangen abhängig,

so wird dies auch für die Verfolgung im Sicherungs­ verfahren zu gelten haben. Eine Amnestie, die nur Straffreiheit, nicht auch Freiheit von der Anordnung sichernder Maßregeln gewährt, steht hingegen der Durchführung des Sicherungsverfahrens nicht ent­ gegen. Ob ein Verfahrenshindernis für das S tra f­ verfahren und für das Sicherungsverfahren gemein­ sam gilt oder zwar dem Strafverfahren, nicht aber dem Sicherungsverfahren entgegensteht, muß. für jedes Verfahrenshindernis besonders geprüft werden. Die selbständige Anordnung einer sichernden M aß­ regel wegen Undurchführbarkeit des Strafverfahrens (§§ 69, 74 S tG B .) ist nur möglich, wenn das Ver­ fahrenshindernis für das Sicherungsversahren keine Bedeutung hat.

mung gestattet werden. S ind beide Elternteile sorgeberechtigt, so gilt § 298 Abs. 2. Der Vernehmung außerhalb der Hauptverhandlung bedarf es nicht, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung ver­ nommen wird, auch wenn er während der Beweis­ aufnahme oder später nicht mehr anwesend sein kann. Die Niederschrift über die Vorvernehmung ist nach § 59 Abs. 3 in der Hauptverhandlung zu verlesen. Wird nach § 413 in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt, so darf nur auf sichernde Maßregeln, nicht aber auf Strafe erkannt werden. S oll vom Siche­ rungsverfahren zum Strafverfahren übergegangen werden, so müssen nach § 414 diejenigen Teile der Hauptverhandlung wiederholt werden, bei denen der Betroffene nicht zugegen war.

§ 413

§ 414

H a u p t v e r h a n d l u n g in Abwesenhei t des B e t r o f f e n e n I m Strafverfahren kann eine Hauptverhandlung nur gegen einen verhandlungsfähigen Beschuldig­ ten durchgeführt werden. Der Beschuldigte muß sich also in einem solchen Zustand geistiger Freiheit befinden, daß mit ihm strafgerichtlich verhandelt werden kann. D a das Sicherungsverfahren sich viel­ fach gegen Geisteskranke richten wird, müßte die Be­ achtung des Grundsatzes, daß die Hauptverhandlung die Anwesenheit eines verhandlungsfähigen Beschul­ digten voraussetzt, im Sicherungsverfahren zu Schwierigkeiten führen. Sichernde Maßregeln müssen gegen Personen, die wegen Geisteskrankheit oder Taubstummheit schuldunfähig sind, ohne Rücksicht aus ihre Verhandlungsfähigkeit angeordnet werden können. Daher gestattet der Entwurf, dem § 429 c S tP O , folgend, eine Hauptverhandlung im Siche­ rungsverfahren ganz oder teilweise in Abwesenheit des Betroffenen durchzuführen, wenn eine Verhand­ lung in seiner Anwesenheit wegen seines Zustandes unmöglich ist. Die Vorschrift erweitert damit wesent­ lich die im § 55 gewährte Befugnis, vorübergehend in Abwesenheit des Beschuldigten zu verhandeln. Hindert der Zustand des Betroffenen seine Anwesen­ heit nur während eines Teiles der Hauptverhandlung, etwa während der Beweisaufnahme, so muß er während der übrigen Teile der Hauptverhandlung anwesend sein. Eine entsprechende Regelung ist dann am Platze, wenn die Anwesenheit des Betroffenen vor Gericht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten würde. Is t danach die Vernehmung des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht möglich, so muß er vor­ her von dem Vorsitzer oder einem von ihm beauf­ tragten Mitglied des Gerichts unter Zuziehung eines ärztlichen Sachverständigen vernommen werden, da­ mit das Gericht wenigstens mittelbar einen Eindruck von seiner Persönlichkeit erhält. Davon darf nur abgesehen werden, wenn der Betroffene auch nicht vernehmungsfähig ist. Der S taatsanw alt und der Verteidiger sind berechtigt, an der Vernehmung teil­ zunehmen, wie sich aus der Verweisung auf § 47 ergibt. Auch dem gesetzlichen Vertreter und dem­ jenigen, dem das persönliche Sorgerecht zusteht, muß wie dem Verteidiger die Teilnahme an der Verneh­

Ü b er ga n g zum S t r a f v e r f a h r e n I n der Hauptverhandlung des Sicherungsver­ fahrens kann sich ergeben, daß die Voraussetzungen für die selbständige Anordnung einer sichernden M aß­ regel nicht vorliegen, weil der vermeintlich Schuld­ unfähige sich als schuldsähig erweist oder das S tra f­ verfahren durchführbar ist. I n solchen Fällen muß vom Sicherungsverfahren zum Strafverfahren über­ gegangen werden. Die dabei zu beachtenden Regeln, die das bisherige Recht im § 429 d S tP O , enthielt, faßt der § 414 zusammen. D a der Betroffene beim Übergang zum Strafver­ fahren neben einer sichernden Maßregel auch S trafe zu erwarten hat, muß ihm wie in den Fällen des § 76 Gelegenheit zur Verteidigung gegeben und er muß auf diese Veränderung der Rechtslage hinge­ wiesen werden. Ob die Hauptverhandlung zur wei­ teren Vorbereitung der Verteidigung unterbrochen oder ausgesetzt werden soll, richtet sich nach § 79. Ist nach § 413 in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt worden, so ist der Übergang zum Strafverfahren nur zulässig, wenn die Gründe, die seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung entgegenstanden, wegfallen. D ann müssen die Teile der Hauptverhandlung wieder­ holt werden, bei denen der Betroffene nicht zugegen war, damit ihm eine genügende Verteidigung möglich istBesonderer Vorschriften über die Überleitung eines Strafverfahrens in das Sicherungsversahren bedarf es nicht. Ergibt sich im Strafverfahren erst nach der Erhebung der Anklage, daß es als S tra f­ verfahren undurchführbar ist, aber eine sichernde Maßregel der im § 411 genannten Art selbständig angeordnet werden kann, so ist es dem S taatsanw alt überlassen, in schwebenden Verfahren den Antrag aus selbständige Anordnung der sichernden Maßregel nach § 411 zu stellen. Ohne einen solchen Antrag wäre das Strafverfahren wegen des Verfahrenshindernisses einzustellen. Nach § 413 kann in einem solchen Ver­ fahren in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt werden. Kann lediglich wegen Schuldunfähigkeit auf Strafe nicht erkannt werden, so ist für einen Über­ gang zum Sicherungsverfahren kein Raum, da dann im Strafverfahren aus Freispruch zu erkennen und zu­ gleich über die Anordnung einer sichernden Maßregel zu entscheiden ist.

Zweiter Abschnitt

Einzlehungsversahren D as Verfahren bei der Einziehung ist im bis­ herigen Recht nur lückenhaft geregelt. Die §§ 430 bis 432 S tP O , ordnen lediglich das Verfahren in Fällen, in denen auf Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung selbständig erkannt werden soll. S ie geben im selbständigen Einziehungsverfahren Personen, die auf den Gegenstand der Einziehung einen Rechtsanspruch haben, Befugnisse, die den­ jenigen des Angeklagten ähnlich sind. I n Verfahren, die sich gegen einen bestimmten Beschuldigten richten, stehen den Einziehungsbeteiligten nach dem Wortlaut des Gesetzes und seiner Auslegung durch das Reichs­ gericht (R G St. Bd. 34 S . 388, Bd. 66 S . 405) keinerlei verfahrensrechtliche Befugnisse zu. Hingegen sieht die Reichsabgabenordnung in den §§ 443 Abs. 2, 444, 448 bis 450 die Zuziehung der Nebenbeteiligten nicht nur im objektiven Verfahren, sondern auch im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten vor, und die Rechtsprechung hat diese Vorschriften im gerichtlichen Verfahren gegen den wegen einer Steuerzuwiderhandlung verfolgten Beschuldigten für entsprechend anwendbar erklärt (R G S t. Bd. 63 S . 27). F ür das Sondergebiet der Devisenzuwider­ handlungen haben sodann die §§ 82 bis 85 des Gesetzes über die Devisenbewirtschaftung vom 12. Dezember 1938 (RGBl. I S . 1734) den Ein­ ziehungsbeteiligten auch im Strafverfahren verfah­ rensrechtliche Befugnisse eingeräumt. Die Regelung der Strafprozeßordnung ist den berechtigten Belangen der Einziehungsbeteiligten nicht gerecht geworden. Diese werden von der Ein­ ziehung von Gegenständen, an denen ihnen Rechte zustehen, betroffen, gleichgültig, ob die Einziehung im Strafverfahren oder im selbständigen Verfahren aus­ gesprochen wird. G alt dies schon für das bisherige Recht, so wird eine gleichmäßige Behandlung der Einziehungsbeteiligten in beiden Verfahrensarten unter dem künftigen Strafrecht noch mehr geboten sein. D a von der Einziehung nach § 77 Abs. 3 S tG B . u. a. abgesehen werden kann, wenn die einziehbaren Gegenstände ohne Schuld des Berechtig­ ten zur T at bestimmt waren oder gebraucht worden sind, oder wenn die Einziehung eine unbillige Härte wäre, so müssen die Einziehungsbeteiligten die Mög­ lichkeit haben, die gegen die Einziehung sprechenden Gründe nicht nur im selbständigen Einziehungsver­ fahren, sondern auch im Strafverfahren geltend zu machen. Der Entwurf gewährt den Einziehungsbe­ teiligten verfahrensrechtliche Befugnisse daher in allen Verfahren, in denen über die Einziehung von Gegen­ ständen zu entscheiden ist. Das selbständige Ein­ ziehungsverfahren wird erst an zweiter Stelle (§ 420) behandelt, wobei auf die Vorschriften über die Rechts­ stellung der Einziehungsbeteiligten im S trafver­ fahren verwiesen werden kann. Die Vorschriften des Strafgesetzbuches sind noch in einer weiteren Frage für die Rechtsstellung der Einziehungsbeteiligten von Bedeutung. Wird die Einziehung angeordnet, so geht nach § 79 S tG B , das Eigentum oder das andere Recht mit der Rechtskraft

der Entscheidung auf das Reich über. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der Ausspruch der Ein­ ziehung nur denjenigen Einziehungsbeteiligten gegen­ über wirken würde, die zum Verfahren zugezogen worden sind. Den Ausspruch über die Einziehung müssen nach Rechtskraft vielmehr auch die Ein­ ziehungsbeteiligten gegen sich gelten lassen, die aus irgendwelchen Gründen nicht in der Lage waren, ihr Recht im Verfahren geltend zu machen. Angesichts der Verfahrensvorschriften des Entwurfs liegt in dieser Regelung keine Unbilligkeit. Der Entwurf trägt dafür Sorge, daß die Einziehungsbeteiligten vom Verfahren unterrichtet werden und Gelegenheit zur Wahrung ihrer Rechte erhalten. Ihnen stehen — abgesehen von dem Antrag auf Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung — dieselben Rechts­ behelfe wie dem Angeklagten zu. Darüber hinaus sichert solchen Einziehungsbeteiligten, die im S tra f­ verfahren ihre Rechte nicht geltend machen konnten, der § 421 die nachträgliche Geltendmachung ihrer Rechte. I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken: § 415 Z u z i e h u n g des E i n z i e h u n g s ­ beteiligten Die Vorschrift stellt sicher, daß Einziehungsbetei­ ligte zu solchen Strafverfahren, in denen über die Einziehung eines Gegenstandes zu entscheiden ist, zugezogen werden und damit die Möglichkeit zur Gel­ tendmachung ihres Rechts erhalten. Als Einziehungs­ beteiligte bezeichnet § 431 Abs. 2 S tP O . Personen, die einen rechtlichen Anspruch auf den Gegenstand der Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung haben. Diese Bestimmung entspricht nicht mehr dem Sprachgebrauch des bürgerlichen Rechts. Sie erweckt den Anschein, als könnten Einziehungsbeteiligte auch die Gläubiger sein, die eine persönliche Forde­ rung auf Leistung des einzuziehenden Gegenstandes haben. Gedacht ist indessen nur an Personen, die Eigentümer der einzuziehenden Sache oder Inhaber des einzuziehenden Rechts sind oder ein beschränktes dingliches Recht an dem einzuziehenden Gegenstand haben. Der Entwurf spricht daher nicht mehr von einem Anspruch auf deu Gegenstand der Einziehung, sondern von einem Recht an einem solchen Gegen­ stand. Einziehungsbeteiligte sind zunächst die P e r­ sonen, die ein derartiges Recht gegenüber dem S ta a ts­ anwalt oder dem Gericht geltend machen. Wenn aber ein Anhalt dafür besteht, daß einem anderen als dem Beschuldigten ein solches Recht zusteht, ist er auch von Amts wegen als Einziehungsbeteiligter zum Strafverfahren zuzuziehen. Wesentlich ist schließlich, daß Einziehungsbeteiligte nur solche Personen sein können, die in dem Verfahren nicht zugleich Beschul­ digte sind. Die verfahrensrechtlichen Befugnisse des Beschuldigten sind an anderer Stelle geregelt. Die Zuziehung des Einziehungsbeteiligten ist in jedem Verfahren vorgeschrieben, in dem über die Ein­ ziehung des Gegenstandes zu entscheiden ist. Dies gilt auch für das dem Strafverfahren gleichstehende Sicherungsverfahren (§§ 411 bis 414), ferner für

das selbständige Einziehungsverfahren nach § 420. Die Art der Zuziehung ist in den folgenden Vor­ schriften naher geregelt. Wer im Verfahren als Einziehungsbeteiligter auf­ treten will, hat sein Recht glaubhaft zu machen. Die versahrensrechtlichen Befugnisse des Einziehungsbe­ teiligten reichen soweit, daß sie solchen, die ihr Recht nicht glaubhaft machen, versagt werden müssen. Die M ittel der Glaubhaftmachung ergeben sich aus § 279. § 416 R e c h te d e s E i n z i e h u n g s b e t e i l i g t e n Die Strafprozeßordnung hat im § 431 dem zum Verfahren zugezogenen Einziehungsbeteiligten nur in der Haupwerhandlung die Befugnisse des Angeklagten eingeräumt. und seine Befugnisse zur Einlegung von Rechtsmitteln im § 432 besonders geregelt. Der Entwurf spricht dem Einziehungsbeteiligten die Be­ fugnisse eines Angeklagten im ganzen Verfahren zu, soweit es die Einziehung betrifft. Er ist demnach nicht nur in der Hauptverhandlung zu hören, sondern kann, soweit er von der Entscheidung betroffen wird, auch die dem Angeklagten zustehenden Rechtsmittel einlegen und die Wiederaufnahme des Verfahrens be­ antragen. Ergänzende Vorschriften über die Rechtsmittelbesugnisse des Einziehungsbeteiligten enthält, der § 417. Die Befugnisse, von Rechtsbehelfen Ge­ brauch zu machen, stehen ihm selbst dann zu, wenn er sich zuvor am Verfahren nicht beteiligt hat oder zur Hauptverhandlung nicht geladen war. Der Ein­ ziehungsbeteiligte hat nur die Befugnisse des Ange­ klagten, nicht seine gesamte Rechtsstellung. Wird er als Zeuge vernommen, so ist er nicht deshalb zur Verweigerung der Aussage befugt, weil er zugleich als Einziehungsbeteiligter am Verfahren teilnimmt. I m Absatz 2 wird die Ladung des Einziehungs­ beteiligten zur Hauptverhandlung vorgeschrieben. I n der Ladung ist der Einziehungsbeteiligte über die Tragweite der ergehenden Entscheidung durch den Hinweis zu unterrichten, daß der Ausspruch der Ein­ ziehung auch ihm gegenüber wirkt. D a der Ein­ ziehungsbeteiligte wie ein Angeklagter Gelegenheit haben muß, sich gegen die ihm drohende Einziehung zu verteidigen, wird auch ihm die Anklageschrift oder ein Auszug daraus, der die für die Einziehung wesent­ lichen Angaben enthält, mitgeteilt, sofern nicht wichtige Gründe dagegen sprechen. Von der M ittei­ lung der Anklageschrift wird insbesondere dann abzu­ sehen sein, wenn sie geheim zu haltende Vorgänge, etwa Strafverfahren wegen Hoch- oder Landesverrats behandelt oder wenn sie ins Ausland übersandt werden müßten Die Ladung des Einziehungsbetei­ ligten kann auf Schwierigkeiten stoßen, denen durch weitere Vorschriften begegnet werden soll. Zunächst kann eine Ladung im Ausland formlos mitgeteilt werden, da die förmliche Zustellung einer Ladung im Ausland nicht immer möglich ist, auch zu Verzöge­ rungen führen kann. Sodann muß die öffentliche Ladung des Einziehungsbeteiligten (§ 288) unter­ bleiben, da sie zu einer Verzögerung des Verfahrens führen würde. Es kann auch nicht die Aufgabe des Staatsanw alts oder des Gerichts sein, nach unbe­ kannten Einziehungsbeteiligten zu forschen oder den

Aufenthalt eines abwesenden Einziehungsbeteiligten durch langwierige Fahndung zu ermitteln, um ihm die Ladung zustellen zu können. Solche Einziehungs­ beteiligte, die aus diesen Gründen zum Verfahren nicht zugezogen werden konnten, können ihre Rechte nach § 421 nachträglich geltend machen. Der Einziehungsbeteiligte kann sich in der Haupt­ verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Uber die Zulassung von Beiständen ent­ scheidet nach § 153 das Ermessen des Vorsitzers. Zur Geltendmachung seines Rechts in der Hauptverhand­ lung ist der Einziehungsbeteiligte auch dann befugt, wenn er nicht geladen ist. Andererseits wird dem bisherigen Recht (§ 431 Abs. 3 Satz 2 S tP O .) ent­ sprechend klargestellt, daß das Nichterscheinen eines ordnungsmäßig geladenen Einziehungsbeteiligten der Verhandlung und Entscheidung nicht entgegensteht. Is t ein Einziehungsbeteiligter zur Hauptverhand­ lung geladen, so ist ihm das Urteil zuzustellen, wenn er bei der Verkündung nicht zugegen und auch nicht vertreten gewesen ist. Der Entwurf schreibt die Zu­ stellung des Urteils auch dann vor, wenn der E in­ ziehungsbeteiligte zwar nicht geladen ist, aber in der Hauptverhandlung erscheint, d. h. in ihr als E in­ ziehungsbeteiligter auftritt, aber bei der Verkündung weder zugegen noch vertreten gewesen ist. D a in solchen Fällen die Rechtsmittelsrist für den E in­ ziehungsbeteiligten nach § 417 erst mit der Zustellung zu laufen beginnt, wird ihm durch diese Bestimmung die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels erleich­ tert. Zur Vermeidung von Verzögerungen muß die Zustellung des Urteils in diesen Fällen unterbleiben, wenn das Urteil im Ausland oder öffentlich zugestellt (§ 288) werden müßte. Die Anfechtungsfrist beginnt dann nach § 417 mit der Verkündung. Der E in­ ziehungsbeteiligte kann diesen Nachteil durch Bestel­ lung eines Zustellungsbevollmächtigten abwenden. Die Zuziehung des Einziehungsbeteiligten, deren Einzelheiten der § 416 regelt, kann dazu führen, daß die Hauptaufgabe des Strafverfahrens, über Schuld und S trafe des Angeklagten zu entscheiden, beein­ trächtigt wird und unerwünschte Verzögerungen ein­ treten. Dieser Gefahr kann der Vorsitzer nach § 418 dadurch begegnen, daß er dem Einziehungsbeteiligten die Geltendmachung seiner Rechte vorbehält und ihn damit in ein Nachverfahren (§ 421) verweist. I n diesem Falle stehen dem Einziehungsbeteiligten die in § 416 geregelten Befugnisse nicht zu. § 417 Rechtsbehelse D a dem Einziehungsbeteiligten selbständig die Rechte des Angeklagten zustehen, kann er auch von den Rechtsmitteln des Angeklagten gegen das Urteil Gebrauch machen. Der Absatz 1 Satz 1 stellt zur Vermeidung von Zweifeln ausdrücklich klar, daß die Anfechtung des Einziehungsbeteiligten sich nur auf die Entscheidung über die Einziehung beziehen kann. Die Entscheidung über Schuld und Strafe kann der Einziehungsbeteiligte nicht anfechten. Ist der E in­ ziehungsbeteiligte bei der Verkündung des Urteils anwesend, oder ist ihm das Urteil nad) § 416 zuzu-

stellen, so richtet sich der Fristenlauf für die Anfech­ tung des Urteils nach den Grundsätzen, die für den Angeklagten gelten. Rechtsmittel können aber auch solche Einziehungsbeteiligten einlegen, die weder geladen noch erschienen waren und die ihr Recht bis dahin auch nicht in anderer Weise beim Gericht geltend gemacht haben. F ü r sie setzt der Entwurf als Zeit­ punkt für den Beginn der Rechtsmittelfrist die Ver­ kündung des Urteils fest, da eine andere Regelung zu Unklarheiten über den E intritt der Rechtskraft des Urteils und zu einer zu weiten Hinausschiebung der Rechtskraft führen müßte. Eine Unbilligkeit liegt darin nicht, da ein Einziehungsbeteiligter, der vom Verfahren keine Kenntnis hatte und deshalb ohne sein Verschulden das Urteil nicht rechtzeitig anfechten konnte, nach § 421 die Abänderung der Entscheidung über die Einziehung nachträglich beantragen kann. I m übrigen gelten die Vorschriften über die Rechts­ behelfe des Angeklagten entsprechend, insbesondere die Vorschriften über die Form der Anfechtung in den Fällen der §§ 335, 359. Legt weder der S taatsanw alt noch der Angeklagte gegen ein auf schuldig erkennendes Urteil ein Rechts­ mittel ein oder nehmen sie ihr Rechtsmittel zurück, so ist der Schuldspruch nach dem Absatz 2 für das Rechts­ mittelgericht bindend, das lediglich über das Rechts­ mittel eines Einziehungsbeteiligten zu entscheiden hat. Zwar kann auch der Schuldspruch für die Entscheidung über die Einziehung von Einfluß sein. E s kann aber nicht die Aufgabe des Einziehungsbeteiligten sein, eine Nachprüfung des Schuldspruchs durch das Rechts­ mittelgericht herbeizuführen, wenn sich sowohl der Staatsanw alt wie der Angeklagte bei ihm beruhigen. Die Entscheidung über die Einziehung stellt eine Nebenentscheidung dar, für die die unangefochtene Hauptentscheidung maßgebend fein muß. Diese E r­ wägungen greifen freilich nicht durch, wenn der Schuldspruch im Verfahren gegen Flüchtige ergangen ist, da der Angeklagte in diesem Verfahren an der Anfechtung aus tatsächlichen Gründen vielfach verhindert sein wird. Die Bindung entfällt daher gegenüber einem Schuldspruch, der im Verfahren gegen Flüchtige ergangen ist. Versäumt der Einziehungsbeteiligte die Hauptver­ handlung ohne eigenes Verschulden, so kann ihm die Befugnis, die Wiederholung der Hauptverhandlung nach den §§ 351 ff. zu verlangen, nicht gewährt werden, da dies angesichts des Umstandes, daß dieser Rechtsbehelf regelmäßig allen zum Verfahren nicht zugezogenen Einziehungsbeteiligten zustehen würde, zu einer unerträglichen Verzögerung des Strafverfah­ rens führen müßte. Hat der Einziehungsbeteiligte am Verfahren zunächst nicht teilgenommen, so kann er am weiteren Verfahren nur in der Lage beteiligt werden, in der es sich befindet. Dieser Rechtsnachteil wird dadurch ausgeglichen, daß der Entwurf im § 421 demjenigen, der ohne eigenes Verschulden die Haupt­ verhandlung versäumt hat, die nachträgliche Geltend­ machung seiner Rechte in einem Nachverfahren er­ öffnet. Aus dem Grundsatz, den der § 416 Abs. 1 ausspricht, folgt, daß der Einziehungsbeteiligte auch die Befugnis des Angeklagten hat, die Wiederaufnahme

des Verfahrens zu beantragen. Da sich ein solches Wiederaufnahmeverfahren auf die Entscheidung über die Einziehung beschränkt, läßt der Entwurf es zu, daß in ihm ohne neue Hauptverhandlung durch Be­ schluß entschieden werden kann. E r erweitert damit die Fälle der Beschlußentscheidung, die im § 365 vor­ gesehen sind. § 418

V o r b e h a l t der Rechte Die Rücksichtnahme auf die Belange des Ein­ ziehungsbeteiligten darf die Hauptaufgabe des S tra f­ verfahrens, die Bestrafung des Schuldigen herbeizu­ führen, nicht beeinträchtigen. Der Entwurf trägt durch eine Reihe von Vorschriften dafür Sorge, daß die Zu­ ziehung des Einziehungsbeteiligten das Strafver­ fahren nicht verzögert. Eine Verzögerung würde einmal eintreten, wenn Ladungen oder Urteile an Einziehungsbeteiligte im Ausland zugestellt werden müßten oder wenn erst der Aufenthaltsort eines Ein­ ziehungsbeteiligten ermittelt werden müßte oder ein Einziehungsbeteiligter wegen unverschuldeter Ver­ säumung der Hauptverhandlung ihre Wiederholung erwirken könnte. Dieser Gefahr treten die §§ 416 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, 417 entgegen. Nicht minder schwer wiegt die Verzögerungsgefahr, die mit der Ausübung verfahrensrechtlicher Befugnisse des Einziehungsbeteiligten im Hauptverfahren verbunden fein kann. Erhebt der Einziehungsbeteiligte Einwen­ dungen oder stellt er zur Vorbereitung der Entschei­ dung Beweisanträge, die eine ausführliche Beweis­ aufnahme erforderlich machen würden, so kann deren Erledigung störend wirken, wenn das Verhandlungs­ ergebnis im übrigen zur Entscheidung über Schuld und Strafe des Angeklagten ausreicht. Beziehen sich die Einwendungen und Beweisanträge des E in­ ziehungsbeteiligten auf die Tat- und Schuldfrage, so wird es im allgemeinen Pflicht des Gerichts fein, auf sie einzugehen, da es von Amts wegen alles Erforder­ liche zur Aufklärung der Wahrheit tun muß. Beziehen sie sich aber lediglich auf die Frage der Einziehung, so gibt der § 418 dem Vorsitzer die Möglichkeit, dem Einziehungsbeteiligten die Geltendmachung seiner Rechte in einem Nachverfahren vorzubehalten. Diese Anordnung wirkt sich dahin aus, daß der Einziehungs­ beteiligte von der Teilnahme am Strafverfahren bis attr Rechtskraft des Urteils ausgeschlossen ist und seine Rechte nach § 421 in einem Nachverfahren geltend machen kann, für das der Schuldspruch bindend ist. Die Ausschließung des Einziehungsbeteiligten vom Strafverfahren ist an die Voraussetzung gebun­ den, daß feine Zuziehung das Strafverfahren verzö­ gern würde. Der Vorsitzer kann den Vorbehalt der Rechte im Urteil aussprechen, aber auch schon vor Verkündung des Urteils durch Beschluß, wenn dazu Anlaß besteht. Eine Beschlußentscheidung vor Ver­ kündung des Urteils wird insbesondere dann ange­ zeigt sein, wenn zur Hauptverhandlung zahlreiche Einziehungsbeteiligte zugezogen werden müßten und die Verhandlung mit ihnen einen unverhältnismäßig großen Teil der Hauptverhandlung ausfüllen würde. Der Vorbehalt der Rechte kann einzelnen oder allen Einziehungsbeteiligten gegenüber ausgesprochen werden.

Der Vorbehalt hat die Wirkung, daß die §§ 416, 417 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafver­ fahrens keine Anwendung finden. Der Einziehungs­ beteiligte, der von ihm betroffen wird, wird also zur Hauptverhandlung nicht geladen; er darf an ihr nicht teilnehmen und im Verfahren die Rechte des Ange­ klagten nicht ausüben. Um diese Wirkungen zu sichern, schreibt der Entwurf vor, daß der Einziehungsbetei­ ligte die Entscheidung, die den Vorbehalt ausspricht, nicht anfechten kann. Wird die Einziehung rechts­ kräftig angeordnet, so wird ihm das Urteil zugestellt, da nach § 421 mit der Zustellung die Frist zur nach­ träglichen Geltendmachung seiner Rechte zu laufen beginnt. § 419 B e t e i l i g u n g i nt S t r a f b e f e h l s v e r ­ fahren Wird in einem Strafbefehlsverfahren die Ein­ ziehung ausgesprochen, so ist statt der Ladung und der Anklageschrift der Strafbefehl mitzuteilen, und zwar mit dem Hinweis, daß der Ausspruch über die Ein­ ziehung auch dem Einziehungsbeteiligten gegenüber wirke und daß der Strafbefehl vollstreckbar werde, wenn nicht binnen einer Woche nach der Bekanntgabe beim Amtsgericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle Einspruch eingelegt werde. Der Strafbefehl tritt an die Stelle der Ladung im gewöhn­ lichen Verfahren; er kann aber ins Ausland formlos mitgeteilt werden; seine öffentliche Zustellung an den Einziehungsbeteiligten ist unzulässig (vgl. auch § 394 Abs. 3 Satz 4). Entsprechend der Regelung, die nach § 417 für die Anfechtung des Urteils gilt, kann der Einziehungs­ beteiligte den Strafbefehl nur soweit anfechten, als er die Einziehung betrifft. Wie der Hinweis auf § 417 Abs. 2 Satz 1 ergibt, ist das Gericht in der Hauptverhandlung über den Einspruch des Ein­ ziehungsbeteiligten aus den bei § 417 erörterten Gründen an den Schuldspruch des Strafbefehls gebunden, es sei denn, daß es nicht nur über den Einspruch des Einziehungsbeteiligten, sondern auch über den des Angeklagten zu entscheiden hat. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs beginnt für den Einziehungsbeteiligten, dem der Strafbefehl zuzustellen ist, mit der Zustellung, und wenn er ihm verkündet wird, mit der Verkündung. Ist dem Ein­ ziehungsbeteiligten der Strafbefehl nicht zuzustellen, weil er oder sein Aufenthalt dem Gericht nicht bekannt war oder weil er sich im Ausland aufhält, so beginnt die Frist zur Einlegung des Einspruchs mit der Be­ kanntgabe des Strafbefehls an den Beschuldigten. F ür den Einziehungsbeteiligten bedeutet dies keine Härte, weil er gegebenenfalls den ohne sein Verschul­ den versäumten Einspruch nach § 292 nachholen und seine Rechte auch nach § 421 in einem Nachverfahren geltend machen kann. § 420 Selbständiges Einziehungs­ verfahren Die Vorschrift behandelt das bisher in den §§ 430 bis 432 S tP O , geregelte selbständige Einziehungs-

Verfahren. Die Voraussetzungen, unter denen die Einziehung eines Gegenstandes selbständig angeord­ net werden kann, ergeben sich aus § 79 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs. Nach dem Entwurf kann der S taatsanw alt die Einziehung im selbständigen Ein­ ziehungsverfahren beantragen, wenn genügende Gründe dafür sprechen, daß diese gesetzlichen Voraus­ setzungen vorliegen und die Anordnung zu erwarten ist. Wie nach bisherigem Recht steht die Stellung des Antrags im Ermeffen des Staatsanw alts. D a die Zwecke, denen die Einziehung dient, unter Umständen auch auf einfachere Weise erreicht werden können, kann der Grundsatz der Verfolgungspflicht aus das selbständige Einziehungsverfahren nicht erstreckt werden. F ü r das selbständige Einziehungsverfahren gelten die Bestimmungen über das Strafverfahren ent­ sprechend, soweit Abweichungen nicht vorgesehen sind. Sachlich und örtlich ist demnach das Gericht zuständig, das im Strafverfahren wegen der Tat zur Einziehung berufen wäre. Aus Zweckmäßigkeitsgründen schafft der Entwurf einen weiteren Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk sich der einzuziehende Ge­ genstand zur Zeit der Stellung des Antrags befindet. Der Antrag auf Durchführung des Verfahrens steht der Anklage gleich und muß den Erfordernissen der Anklageschrift entsprechen (§ 420 Abs. 4 in Verbin­ dung mit § 412 Abs. 2). Der Entscheidung im selb­ ständigen Einziehungsverfahren muß eine Haupt­ verhandlung nur vorausgehen, wenn der S ta a ts­ anwalt es beantragt oder der Vorsitzer es für ange­ messen hält. Sonst wird ohne Hauptverhandlung, aber stets nach Anhörung des S taatsanw alts und der Beteiligten, durch Beschluß entschieden. Der Beschluß kann mit der befristeten Beschwerde angefochten werden. Wird auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entschieden, so ist es mit den gewöhnlichen Rechtsmitteln anfechtbar. Dem Beschuldigten und dem Einziehungsbeteiligten stehen im Einziehungs­ verfahren die gleichen Befugnisse zu, wie im S tra f­ verfahren dem Einziehungsbeteiligten, so daß der Entwurf wegen ihrer Rechtsstellung auf die §§ 415 bis 417 verweisen kann. Die Vorschriften über das Strafverfahren gelten entsprechend; sie sind unanwendbar, soweit sich aus dem Zweck der Einziehung etwas anderes ergibt. Verfahrenshindernisse, die sich lediglich aus die Person des Beschuldigten beziehen, stehen dem selbständigen Einziehungsverfahren nicht entgegen. D as Verfahren kann wie im bisherigen Recht auch dann stattfinden, wenn die Einziehungsbeteiligten nicht bekannt sind. § 421 Nachträgl iche Ge l t e n d ma c h u n g

der Rechte Wie die Vorbemerkung darlegt, müssen den rechts­ kräftigen Ausspruch über die Einziehung auch die­ jenigen Einziehungsbeteiligten gegen sich gelten lassen, die nicht in der Lage waren, ihre Rechte im Verfahren geltend zu machen. Einziehungsbeteiligte, die zum Verfahren nicht zugezogen werden konnten, weil sie dem Gericht nicht bekannt waren, können durch eine Einziehung wertvoller Gegenstände schwer betroffen

werden. Da der Richter nach § 77 Abs. 3 S tG B , von der Einziehung unter Umständen absehen kann, wenn sie eine unbillige Härte wäre, verlangt es die Billigkeit, daß solche Einziehungsbeteiligten ihre E in­ wendungen wenigstens nachträglich geltend machen können. I n einer ähnlichen Lage befinden sich solche Einziehungsbeteiligten, die ohne eigenes Verschulden die Hauptverhandlung versäumt haben, nach § 417 Abs. 3 aber ihre Wiederholung nicht erwirken können, oder denen zur Vermeidung der Verfahrensverzöge­ rung die Geltendmachung ihrer Rechte nach § 418 vorbehalten worden ist. Ihnen stellt der § 421 einen besonderen Rechtsbehelf zur Verfügung. E r richtet sich gegen eine rechtskräftig angeordnete Einziehung und bewirkt, daß das Gericht die Entscheidung über die Einziehung ohne Rücksicht auf ihre Rechtskraft aufheben oder ändern kann, wenn das sachliche Recht es zuläßt. Der Rechtsbehelf hindert die Einleitung der Vollstreckung nicht. Der Vorsitzer kann aber an­ ordnen, daß die Vollstreckung der Einziehung einst­ weilen unterbleibt. Die Einleitung des Nachverfahrens ist von einem Antrag des Einziehungsbeteiligten abhängig, der sich darauf richtet, die Entscheidung über die Einziehung aufzuheben oder zu ändern. Der Antrag ist an eine Frist gebunden, damit eine Verzögerung in der end­ gültigen Erledigung des Verfahrens vermieden wird. E r ist spätestens binnen einer Woche zu stellen, nach­ dem dem Einziehungsbeteiligten die rechtskräftige Entscheidung zugestellt oder bekannt geworden ist. Ferner läuft vom E intritt der Rechtskraft der E nt­ scheidung an eine Ausschlußfrist von sechs Monaten. Einziehungsbeteiligte, die nicht in der Lage waren, ihre Rechte im Verfahren geltend zu machen, werden schon durch die alsbald nach Rechtskraft einsetzende Vollstreckung auf die Einziehung aufmerksam werden. Von ihnen muß erwartet werden, daß sie alsbald ihre Rechte im Nachverfahren geltend machen. Es muß verhütet werden, daß ein Nachverfahren noch längere Zeit nach E intritt der Rechtskraft in Gang kommen kann. Nach Ablauf der Ausschlußfrist steht dem Einziehungsbeteiligten übrigens noch die Wieder­ aufnahme des Verfahrens offen. F ü r das Nachversahren gelten die Vorschriften über das selbständige Einziehungsverfahren. E in­ wendungen, die sich auf die Schuldfrage beziehen, sind in diesem Verfahren dem Einziehungsbeteiligten ver­ wehrt, wenn über die Schuldfrage in dem früheren Verfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Denn die Entscheidung über die Schuldfrage muß für das Nachverfahren aus denselben Gründen bindend sein wie nach § 417 Abs. 2 in einem Rechtsmittelver­ fahren, das lediglich über das Rechtsmittel des E in­ ziehungsbeteiligten zu entscheiden hat. § 422 Anwendungsbereich Der Entwurf erstreckt die Geltung der Vorschriften über die Einziehung eines Gegenstandes auf die Fälle, in denen eine Sache unbrauchbar zu machen (§§ 78, 79 S tG B .) oder zu vernichten ist. Hingegen braucht die Verfallerklärung der Einziehung nicht gleichgestellt zu werden, da Rechte Unbeteiligter durch die als

S trafe geltende Verfallerklärung nicht beeinträchtigt werden (§ 47 S tG B .).*)

D ritter Abschnitt

Ehrenschutz des Verletzten Die Sicherung eines den nationalsozialistischen Anschauungen entsprechenden Ehrenschutzes ist Auf­ gabe nicht nur des Strafrechts, sondern ebenso sehr Sache des Strafverfahrensrechts. Das neue S tra f­ gesetzbuch hilft durch seine Strafvorschriften gegen die Ehrenkränküng in wesentlichen Punkten der Unzu­ länglichkeit des jetzigen Rechtszustandes ab. Es erhöht die strafrechtliche Sühne für ernste Ehrenkränkungen und regelt die Führung des Wahrheitsbeweises bei der Ehrabschneidung und die Straffreiheit bei Ver­ folgung berechtigter Zwecke nach neuen Gesichtspunk­ ten. Die Vorschriften des Strafgesetzbuchs vermögen aber für sich allein den Ehrenschutz, aus den der deutsche Volksgenosse Anspruch hat, nicht zu gewähr­ leisten. D as liegt darin begründet, daß das S tra f­ gesetzbuch als M ittel des Ehrenschutzes nur die Strafe, allenfalls bei Gefährlichkeit des Täters die sichernde Maßregel zur Verfügung stellen kann. Scheidet die Bestrafung wegen einer unwahren ehrenrührigen Be­ hauptung aus, weil der T äter berechtigte Zwecke verfolgt hat, weil er zurechnungsunsähig ist oder wegen einer Amnestie nicht verfolgt werden kann, so bleibt doch das Bedürfnis für den Verletzten bestehen, seinen guten Ruf, der durch eine unter solchen Um­ ständen begangene T at nicht minder leidet, wieder­ hergestellt zu sehen. Der strafrechtliche Schutz wird fast für jedes Rechtsgut durch Vorschriften des bürger­ lichen Rechts ergänzt, die eine Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens gewährleisten, gleichviel ob für die T at Strafe verwirkt ist oder nur zivilrechtliches Unrecht begangen ist. Bei dem höchsten Gut aber, bei der Ehre, klafft die empfindliche Lücke, daß das bisherige geschriebene Recht zu seinem Schutz nur das M ittel der Strafe einsetzt, die Genugtuung für den Verletzten mit der Bestrafung in lebens­ fremder Weise verkoppelt und damit den: Verletzten die Genugtuung für das ihm angetane Unrecht vor­ enthält, wenn keine Bestrafung möglich ist. Die Recht­ sprechung hat zwar versucht, die Lücken des gesetzlichen Ehrenschutzes zu mildern und dem Verletzten einen vor den Zivilgerichten verfolgbaren Anspruch auf Unterlassung und auf Widerruf ehrenrühriger Be­ hauptungen zu gewähren. Aber die Zivilgerichte konnten bei dem Mangel gesetzlicher Vorschriften diese Lücken nicht völlig schließen und der angegriffenen Ehre den notwendigen Schutz nicht sichern. Die Übernahme des Ehrenschutzes durch das bürgerliche Recht und den Zivilprozeß an Stelle des versagenden Strafrechts und Strafverfahrens kann zudem nur als Notbehelf, nicht aber als endgültige Lösung gelten. Die Wiederherstellung des guten Rufs ist eine Auf­ gabe, die in erster Linie dem Strafrichter zusteht. Bei 9 Zu prüfen ist noch, ob die Vorschriften über die E in ­ ziehung auf die H aftung für Geldstrafe und Kosten zu erstrecken sind, sofern die' Nebengesetze eine solche H aftung beibehalten sollten.

Ehrverletzungen verlangt das Schutz- und Sühnebe­ dürfnis nicht nur nach Bestrafung, sondern in gleichem Maße nach Reinigung des Verletzten und Wiederher­ stellung seines guten Rufs. D as bürgerliche S tre it­ verfahren ist für die Übernahme des Ehrenschutzes weit weniger geeignet und berufen als das S tra f­ verfahren. Der ihm eigene Parteibetrieb und die dadurch bedingte Beschränkung der Wahrheitsersorschung führen leichter zu Irrtü m ern und Mißbräuchen als dies im Strafverfahren mit seiner unbeschränkten Wahrheitserforschung möglich ist. Die Übernahme des Ehrenschutzes durch das Strafverfahren liegt schließlich in der grundsätzlichen Linie des Entwurfs, der allgemein die Wiedergutmachung als positives Ziel des Strafverfahrens anerkennt. Auf dem Gebiet des Ehrenschutzes muß die Rechts­ erneuerung daher darauf gerichtet sein, nicht nur durch die Strafe die Ehrenkränkung zu sühnen, sondern dem Verletzten durch die Wiederherstellung des guten Rufes Genugtuung auch dann zu gewähren, wenn keine Strafe verhängt werden kann. Zu den geeignet­ sten M itteln, die durch eine unwahre Behauptung angetastete Ehre wiederherzustellen, gehört die von der Unparteilichkeit und Autorität des Richters ge­ tragene Feststellung, daß die ehrenrührige Behaup­ tung unwahr sei. Wird diese Feststellung auf Grund einer mündlichen Verhandlung unter Beteiligung so­ wohl des Beleidigers wie des Verletzten und nach einer Beweisaufnahme getroffen, die alle erdenkliche Gewähr für die Erforschung der Wahrheit bietet, so reinigt sie die beleidigte Ehre und stellt das Ansehen des Verletzten bei den anderen Volksgenossen mit größerer Sicherheit wieder her, als es durch einen Widerruf oder eine Ehrenerklärung des Beleidigers geschehen könnte. Denn der Widerruf, zu dem der T äter durch das Gericht angehalten oder gar verur­ teilt wird, würde oft mehr auf der Furcht vor Strafe und den Unannehmlichkeiten des Verfahrens als aus der Einsicht in das begangene Unrecht und geläuterter Gesinnung beruhen. Eine Ehrenerklärung aber, die rehabilitierende Wirkung haben soll, kann gerichtlich vom Beleidiger nicht erzwungen werden. Die Aufgabe, die Unwahrheit einer ehrenrührigen Behauptung gerichtlich festzustellen, wird am zweck­ mäßigsten der Strafrechtspflege übertragen. Ist wegen der Ehrenkränkung ein Strafverfahren anhän­ gig, so hat der Strafrichter in der Regel ohnedies aufzuklären, ob die ehrenrührige Behauptung wahr oder unwahr ist. Dann muß es vermieden werden, daß zwei Verfahren nebeneinander herlaufen, die sich mit demselben Sachverhalt befassen. Die Prozeßökonomie verlangt vielmehr, daß die Feststellungen im S tra f­ verfahren von demselben Richter getroffen werden, der über die Schuld des Täters zu urteilen hat. Wird die Ehrenkränkung nicht im Strafverfahren, sondern im friedensrichterlichen Verfahren geahndet, so muß es aus denselben Gründen Ausgabe des Friedensrich­ ters sein, die Feststellungen im Rahmen des friedens­ richterlichen Verfahrens zu treffen. F ü r ein selbstän­ diges Feststellungsverfahren ist nur Raum, wenn ein Strafverfahren oder ein Verfahren vor dem F rie­ densrichter nicht stattfindet. Auch für das selbständige Feststellungsverfahren müssen die für das Strafver­ fahren maßgebenden Grundsätze der Wahrheitsersor-

schung, der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit gelten. Es wird daher gleichfalls am zweckmäßigsten vor dem Strafrichter durchgeführt. F ü r die der Wiederherstel­ lung der Ehre dienenden gerichtlichen Feststellungen kommt demnach weder das Streitverfahren vor den Zivilgerichten noch das Verfahren der vorsorgenden Rechtspflege in Betracht. Der Entwurf weist aus diesen Gründen dem Strafrichter die Aufgabe zu, in einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung durch Feststellungen über die Unwahrheit der ehrenrührigen Behauptung den Ruf des Verletzten wiederherzustellen. Findet wegen der Ehrenkränkung ein Strafverfahren statt, so über­ nimmt das Strafverfahren gegen den Beschuldigten die Aufgabe, zugleich Reinigungs- und Ehrenverfahcen für den Verletzten zu sein. Die Vorschriften dar­ über sind in den §§ 423 bis 433 enthalten. D as selb­ ständige Festsiellungsverfahren, das nur zum Zuge kommen soll, wenn kein Strafverfahren stattfindet, wird in den §§ 434 bis 436 behandelt. Der § 437 ent­ hält Vorschriften über die Ausübung der Befugnisse des Verletzten durch den gesetzlichen Vertreter, den Sorgeberechtigten und die Angehörigen. S ie gelten in gleicher Weise für das Strafverfahren wie für das selbständige Feststellungsverfahren und sind daher an den Schluß der Vorschriften gestellt. Bildet die Ehren­ kränkung den Gegenstand eines friedensrichterlichen Verfahrens, so sind die Feststellungen in diesem Ver­ fahren zu treffen. Die Vorschriften darüber sind in der Friedensrichterordnung enthalten. Die Aufgabe jedes Strafverfahrens wegen Ehren­ kränkung zugleich als Verfahren zur Wiederherstel­ lung des guten Rufs, das dem Verletzten zugefügte Unrecht wiedergutzumachen und seinem Schutz zu dienen, gibt diesen Strafverfahren ihr besonderes Ge­ präge. S ie wirkt sich zunächst dahin aus, daß sich die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts erweitert. Schon nach der Gestaltung des sachlichen Rechts hat das Gericht bei der Entscheidung über die Schuldfrage die Wahrheit oder Unwahrheit der ehren­ rührigen Behauptung aufzuklären, wenn der Täter wegen Verleumdung, verleumderischer Beschimpfung eines Verstorbenen oder falscher Verdächtigung (§§ 421, 424, 376 S tG B .) bestraft werden soll. Denn es gehört zum Tatbestand dieser Straftaten, daß die Behauptung unwahr ist. Auch wenn der Täter wegen Ehrabschneidung (§ 422 S tG B .) bestraft wird, hat das Gericht der Wahrheit der Äußerung auf den Grund zu gehen, soweit der Wahrheitsbeweis nicht unzulässig ist, da eine Ehrabschneidung nicht vorliegt, wenn die Behauptung erweislich wahr ist. Ist der Angeklagte aber nicht zu bestrafen, sondern freizu­ sprechen, so haben die Gerichte bisher vielfach von der Erhebung des Wahrheitsbeweises mit der Begrün­ dung abgesehen, daß die Richtigkeit der Behauptung dahingestellt bleiben könne, da der Angeklagte ohne Rücksicht auf die Erweislichkeit der behaupteten T a t­ sache schon wegen Wahrnehmung berechtigter In te r­ essen, wegen Schuldunfähigkeit oder aus einem anderen Grunde freigesprochen werden müsse. Diese Handhabung des bisherigen § 193 S tG B ., die zwar von den höheren Gerichten mißbilligt, aber in der Praxis der unteren Gerichte doch weit verbreitet gewesen ist, bildet einen wesentlichen Mangel des bis-

herigen Ehrenschutzes, den es zu beheben gilt. Ähn­ lich war die Lage bisher in den Fällen, in denen das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses, etwa einer Amnestie, eingestellt werden mußte. D as Be­ dürfnis nach der Erhebung des Wahrheitsbeweises zum Zweck der Reinigung der verletzten Ehre ist nun gerade bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens besonders groß, da die Nichtbestrafung bei den unbe­ teiligten Volksgenossen den Eindruck Hervorrufen kann, als ob der Täter wegen der Wahrheit der Be­ hauptung nicht bestraft worden sei. Zur Behebung dieser Mängel wird dem Gericht im § 425 die Pflicht auferlegt, die Wahrheit oder Unwahrheit der ehren­ rührigen Behauptung von Amts wegen aufzuklären ohne Rücksicht darauf, ob der Beleidiger zu bestrafen oder freizusprechen oder das Verfahren einzustellen ist. Diese Aufklärungspflicht kann allerdings mit anderen wichtigen Belangen der Strafrechtspflege in Wider­ streit geraten. S ie muß daher gewissen Beschränkun­ gen unterworfen werden, deren Einzelheiten im § 425 geregelt sind. Die Ausgestaltung des Strafverfahrens wegen Ehrenkränkung zu einem echten Ehrenschutzverfahren muß sich aber auch in der versahrensrechtlichen Stellung des Verletzten auswirken. Der Entwurf hat aus den Gründen, die in der Vorbemerkung zu § 1 dargelegt sind, dem Staatsanw alt die ausschließliche Befugnis zur Anklageerhebung eingeräumt und so­ wohl die Privatklage als auch die Nebenklage beseitigt. Die strafrechtliche Verfolgung ist ein Ausfluß der Staatshoheit. An ihr kann der einzelne Volksge­ nosse, auch wenn er der Verletzte ist, weder als Kläger noch als Nebenkläger beteiligt werden. Dieser Ge­ sichtspunkt schließt aber den Verletzten von der tätigen Mitwirkung am Strafverfahren nur soweit aus, als es auf die Herbeiführung krimineller Strafen oder sichernder Maßregeln gerichtet ist. Soweit das Ver­ fahren die Aufgabe hat, als Reinigungsverfahren der Rufwiederherstellung zu dienen, stehen die Grundsätze des neuen Strafverfahrensrechts der Beteiligung des Verletzten nicht entgegen. Die Wiederherstellung der verletzten Ehre ist seine eigenste Angelegenheit, an der er nach gesundem Volksempfinden, beteiligt werden muß. Die Belange des Verletzten werden durch die Aufklärung des Sachverhalts in höchstem Maße berührt, da das Gelingen des Wahrheitsbe­ weises seiner Ehre einen Schlag versetzen kann, der unter Umständen schwerer wiegt als die Ehrenkrän­ kung selbst. Noch eine andere Erwägung macht die Beteiligung des Verletzten am Ehrenkränkungsverfahren zu einer unabweisbaren Forderung. Wenn es Sache der Volksgemeinschaft ist, über die Ehre der Volksgenossen zu wachen und die staatlichen Einrich­ tungen zum Schutz ihrer Ehre bereitzustellen, so muß nach nationalsozialistischer Auffassung von dem ein­ zelnen erwartet werden, daß er selbst in den für die Wahrung der Ehre bestimmten Verfahren für den Schutz seiner Ehre eintritt und um sie kämpft. Der Entwurf zieht daraus die Folgerung, daß der Ver­ letzte am Strafperfahren wegen Ehrenkränkung zu beteiligen ist. Die A rt der Beteiligung ist verschieden, je nach­ dem, ob der Verletzte den Antrag stellt, Feststellungen über die Unwahrheit der Äußerung im Urteilsspruch

zu treffen oder nicht. Die oben dargelegte Pflicht des Gerichts, die Wahrheit oder Unwahrheit einer ehren­ rührigen Behauptung in einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung von Amts wegen aufzuklären, hat zu­ nächst nur zur Folge, daß das Gericht sich in den Urteilsgründen über das Ergebnis der Prüfung aus­ spricht. Schon hierdurch wird in manchen Fällen dem Reinigungsbedürfnis des Verletzten Genüge geleistet werden. Zur Wahrung seiner Belange gibt ihm der Entwurf die Möglichkeit, an einer vorberei­ tenden Beweisaufnahme und der Hauptverhandlung teilzunehmen, in ihr Beweisanträge zu stellen und das Wort zu ergreifen, soweit es sich um die Wiederher­ stellung seines guten Rufs handelt. Der Entwurf begnügt sich aber mit dieser Art der Ruswiederherstellung nicht, sondern sieht auch vor, in den Urteils­ spruch Feststellungen über die Unwahrheit der Behauptung aufzunehmen. D as beruht aus der E r­ wägung, daß der Urteilsspruch den Sachverhalt mit verbindlicherer Kraft feststellen kann als die Urteils­ gründe und die rehabilitierende Wirkung seiner Fest­ stellungen stärker und weitreichender ist. Der Urteils­ spruch gibt in gedrängtester Form das wesentliche Ergebnis der Hauptverhandlung wieder und wird in feierlicher Weise in der Hauptverhandlung verkündet. E r ist innerhalb gewisser Schranken der Rechtskraft fähig und äußert daher Wirkungen auch für ein späte­ res Verfahren. Dazu kommt, daß der Urteilsspruch in anderer Weise als die Gründe der Anfechtung unterliegt und der Nachprüfung durch ein höheres Gericht unterworfen werden kann. Wenngleich die Bedeutung der Urteilsgründe für die Ruswiederherstellung nicht verkannt werden darf, so liegt doch das Schwergewicht des Ehrenschutzes im neuen Strafver­ fahren darin, daß der Entwurf auch den Urteilsspruch in den Dienst der Ruswiederherstellung stellt. Dem entspricht auch die verfahrensrechtliche Aus­ gestaltung des Ehrenschutzes, wenn die Feststellungen im Urteilsspruch getroffen werden sollen. Einmal sind die Feststellungen im Urteilsspruch von dem Antrag des Verletzten abhängig. S ie dienen der Wiederher­ stellung der Ehre des Verletzten und sollen daher nicht ohne sein Verlangen vorgenommen werden. Das ist auch deshalb geboten, weil der Verletzte die Gefahr trägt, daß die Erhebung des Wahrheitsbeweises nicht zu dem erstrebten Ergebnis führt, und er in der Lage sein muß, diese Gefahr abzuwägen. Zwar kann es vom Standpunkt der Volksgemeinschaft aus geboten sein, in einem richterlichen Verfahren von Amts wegen Klarheit darüber zu schaffen, ob ehrenrührige Vorwürfe gegen einen Volksgenossen begründet oder unbegründet sind. Daher muß es möglich sein, die Wahrheit unter Umständen auch gegen den Willen des durch einen ehrenrührigen Vorwurf Betroffenen aufzuklären. Es wäre aber verfehlt, diese Auf­ gabe im Strafverfahren oder einem selbständigen Feststellungsverfahren gegen den Beleidiger mitzu­ lösen, das zum Zwecke des Ehrenschutzes durchgeführt wird. Ein solches Verfahren würde sich oft nicht gegen den Beschuldigten, sondern gegen den Verletzten richten, der in Wahrheit der Angeklagte wäre. Be­ zieht sich die ehrenrührige Äußerung über den Verletz­ ten auf eine von diesem begangene S traftat, so kann der Betroffene wegen dieser S traftat strasgerichtlich

verfolgt werden. Is t ein ehrenrühriges Verhalten, auf das sich die Äußerung bezieht, aber nicht strafbar, so muß es den ehrengerichtlichen und Dienststrafver­ fahren überlasten bleiben, den von der Ehrenkränkung Betroffenen deswegen zur Rechenschaft zu ziehen. Es kann nicht der Zweck eines Ehrenschutzverfahrens sein, als ehrengerichtliches Verfahren gegen solche zu wirken, die durch einen der Wahrheit entsprechenden ehrenrührigen Vorwurf getroffen worden sind, oder gar mit ehrengerichtlichen Verfahren, wo solche mög­ lich sind, in Wettbewerb zu treten. Aus diesen G rün­ den läßt der Entwurf auch nicht zu, daß im Urteils­ spruch die Wahrheit der ehrenrührigen Behauptung festgestellt wird. Ergibt sich in dem Verfahren die Wahrheit der Äußerung, so muß vielmehr der Fest­ stellungsantrag als unbegründet abgewiesen werden (§ 429). Sodann erweitert der Entwurf mit Rücksicht auf die weitreichenden Wirkungen des Urteilsspruchs die versahrensrechtlichen Befugnisse des Verletzten, der einen Feststellungsantrag stellt. Ih m gewährt der Entwurf grundsätzlich dieselben verfahrensrechtlichen Befugnisse wie dem Angeklagten, insbesondere auch die Rechtsmittel (§§ 427, 431, 433). Denn der Ver­ letzte muß in der Lage sein, zur Aufklärung des Sach­ verhalts in derselben Weise beizutragen wie der Ange­ klagte und um seine Ehre in derselben Weise zu kämpfen wie der Angeklagte um den Freispruch. Die verfahrensrechtlichen Befugnisse des Verletz­ ten schließen seine Verwendung als Zeuge nicht aus. I n den §§ 424, 427 ist dafür Vorsorge getroffen, daß sie die Verwertung seiner Zeugenaussage nicht beein­ trächtigen. Die Vereidigung des Verletzten als Zeugen steht nach § 174 Nr. 2 im Ermessen des Richters. I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken:

Ehrenschutz im Strafverfahren § 423

Grunds at z Die Vorschrift leitet die Bestimmungen über den Ehrenschutz im Strafverfahren ein und spricht im Absatz 1 die beiden Leitgedanken aus, die dem Ab­ schnitt das Gepräge geben und in den folgenden Vor­ schriften weiter ausgeführt werden. Es ist der Grundsatz, daß als M ittel des Ehrenschutzes Feststel­ lungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung dienen, sodann der Grundsatz, daß der Verletzte in einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung selbst für den Schutz und die Wiederherstellung seiner Ehre eintreten kann. Die Be­ deutung dieser Grundsätze ist in der Vorbemerkung dargelegt. Die Vorschrift umschreibt sodann den Anwen­ dungsbereich der §§ 424 bis 433. Diese Vorschriften sind von Bedeutung in allen Verfahren, die sich gegen Angriffe auf die Ehre richten. S ie gelten demnach zunächst in allen Strafverfahren wegen Ehrenkränkung (§§ 421 bis 429 S tG B ). Dazu gehören sowohl die Verleumdung wie die Ehrabschneidung, die Belei­ digung und die Beschimpfung Verstorbener. Die

Beleidigung (§ 423 S tG B .) muß hier deshalb mit* einbezogen werden, weil das Strafgesetzbuch sie als Auffangtatbestand ausgebildet hat und sie insbeson­ dere auch die Fälle umfaßt, in denen eine ehrenrüh­ rige oder herabsetzende Behauptung dem Betroffenen gegenüber aufgestellt wird. Die Aufstellung oder Verbreitung ehrenrühriger Behauptungen ist in einer Reihe von Vorschriften zu Sondertatbeständen aus­ gestaltet. Es sind die Herabwürdigung der Volks­ führung (§ 122 S tG B .) und die Gefährdung des Ver­ trauens zur Volksführung (§ 123 S tG B ), die echte Ehrenkränkungen gegen leitende Persönlichkeiten und Amtsträger enthalten und nur deshalb verselbständigt sind, weil sie zugleich Angriffe auf die Volksführung darstellen. Auch die falsche Verdächtigung (§ 376 StG B .), die nach dem S tG B , als Angriff auf die Rechtspflege erscheint, ist aus dem Tatbestand der Ehrenkränkung herausgelöst und steht mit ihr in einem inneren Zusammenhang. Auf Strafverfahren wegen dieser Taten wird der Geltungsbereich der §§ 424 bis 433 daher im Absatz 2 ausgedehnt. Hin­ gegen sind diese Vorschriften nicht anwendbar in Ver­ fahren wegen Verdrängung vom Arbeitsplatz (§ 178 S tG B .) und verleumderischer Betriebs- und Kredit­ gefährdung (§ 254 StG B .). Diese Straftaten werden zwar dadurch begangen, daß eine unwahre Behaup­ tung über einen anderen aufgestellt oder verbreitet wird. F ü r sie besteht aber ein wohl ausgebildeter Rechtsschutz vor den Gerichten der bürgerlichen Rechtspflege und der besonderen Gerichtsbarkeit. Die §§ 424 bis 433 gelten auch nicht für Strafver­ fahren wegen Ehrenkränkung eines ausländischen Regierungsmitglieds oder Gesandten (§ 133 StG B .), da in diesen Verfahren die Teilnahme des Verletzten nicht in Frage kommt und die Pflicht zur Feststellung mit außenpolitischen Belangen in Widerstreit treten könnte. Verfahren wegen Verunglimpfung eines ausländischen Staatsoberhauptes (§ 132 S tG B .) scheiden schon deshalb aus, weil in ihnen der W ahr­ heitsbeweis nicht zugelassen ist. Der Wiederherstellung der Ehre dient die Fest­ stellung, ob die ehrenrührige oder herabsetzende Be­ hauptung unwahr ist. Der Absatz 1 lehnt sich mit dieser Fassung an die Ausdrucksweise der §§ 421 bis 423 S tG B . an. Hier wie dort fällt unter die Behauptung nicht nur das Vorbringen von T a t­ sachen, sondern auch die Bekundung eines Werturteils, soweit es seinem In h a lt nach der Entkräftung durch richterliche Feststellungen zugänglich ist. Gerade un­ bestimmten Behauptungen, in denen Tatsachenbe­ hauptungen mit Werturteilen unlösbar verbunden sind, muß durch richterliche Feststellung entgegen­ gewirkt werden können. Wer einem anderen vorwirft, er sei ein gemeiner Verbrecher, muß ebenso den Beweis für die Behauptung liefern, wie wenn er von ihm behauptet, bei einer bestimmten Gelegenheit eine be­ stimmte Geldsumme gestohlen zu haben. Der Fest­ stellung sind nur solche Äußerungen nicht zugänglich, in denen keine „Behauptung" enthalten, also kein durch Beweiserhebungen nachprüfbarer Wissensinhalt geltend gemacht wird, insbesondere nicht Schmähun­ gen und Schimpfworte. Wie der Absatz 1 ergibt, sind die Feststellungen zu treffen, gleichviel ob der Angeklagte zu Strafe

verurteilt wird oder nicht. D as Bedürfnis für die Feststellungen ist, wie bereits bemerkt wurde, am dringlichsten, wenn das Verfahren durch Freispruch oder Einstellung des Verfahrens endet, da der Urteils­ spruch in diesen Fällen keinen Anhalt dafür gibt, ob die Behauptung wahr oder unwahr ist. D as Bedürf­ nis besteht aber auch im Falle der Verurteilung, da nach der Gestaltung des sachlichen Rechts eine Verur­ teilung durch die Wahrheit der Behauptung nicht stets ausgeschlossen wird (§ 427 S tG B .), aus der Verur­ teilung auf die Unwahrheit der Behauptung daher nicht sicher geschlossen werden kann. Wird der Täter wegen Ehrabschneidung (§ 421 S tG B .) verurteilt, so wird zunächst durch die Verurteilung nur dargetan, daß die Wahrheit der Behauptung nicht festgestellt wurde. Ob sich aber die Unwahrheit der Behauptung ergeben hat oder auch der Beweis der Unwahrheit nicht geführt werden konnte, läßt sich aus der Verur­ teilung wegen Ehrenkränkung nicht entnehmen. Hat sich in einem Verfahren wegen Ehrabschneidung nicht nur die Nichterweislichkeit, sondern darüber hinaus die Unwahrheit der Behauptung ergeben, so dient eine Feststellung darüber in stärkerem Maße der Ruf­ wiederherstellung als die bloße Verurteilung zu Strafe. Nur wenn der Angeklagte wegen Verleum­ dung oder falscher Verdächtigung verurteilt wird, steht mit der Verurteilung nach der Regelung des sachlichen Rechts auch die Unwahrheit der Behauptung fest. Dennoch wird es die rehabilitierende Wirkung eines solchen Urteils nur unterstreichen, wenn das Gericht auch in einem solchen Verfahren die Unwahrheit der Behauptung ausdrücklich feststellt. Die Vorschriften darüber, in welcher Weise der Verletzte im Verfahren selbst für den Schutz und die Wiederherstellung seiner Ehre eintreten kann, sind in den §§ 424, 426, 427, 431 enthalten. Der Zweck dieser Vorschriften wird durch den im Absatz 1 Satz 2 ausgesprochenen Grundsatz bestimmt, der für ihre An­ wendung bedeutsam ist. Die versahrensrechtlichen Befugnisse des Verletzten sind dazu bestimmt, dem Schutz und der Wiederherstellung seiner Ehre zu dienen, nicht aber dazu, das Strafverfahren nach Art des Nebenklägers des bisherigen Rechts mitzubetrei­ ben. Auf die Entscheidung der Strafsrage steht dem Verletzten demnach kein Einfluß zu. § 424

T e i l n a h m e des Ve r l e t z t e n am Verfahren Die Vorschrift regelt die Beteiligung des Verletzten am Verfahren in den Fällen, in denen kein Antrag auf Feststellung im Urteilsspruch gestellt ist. Ist über einen Feststellungsantrag zu entscheiden, so erweitern sich, wie der Absatz 4 ergibt, die Befugnisse des Ver­ letzten; sie sind in den §§ 426, 427, 431 umschrieben. Die Gründe, die dazu führen, den Verletzten zum Verfahren auch dann zuzuziehen, wenn er keinen Feststellungsantrag stellt, sind in der Vorbemerkung dar­ gelegt. Jedes Verfahren wegen Ehrenkränkung äußert notwendig Rückwirkungen auf den Verletzten, dessen Ehre betroffen ist. Klärt das Gericht nach § 425 auf, ob die Behauptung unwahr ist, um sich dann in den Urteilsgründen über das'Ergebnis der Prüfung

auszusprechen, so ist ossensichtlich, daß die Belange des Verletzten dadurch aufs stärkste berührt werden. Aber auch wenn die Aufklärungspslicht nicht besteht, muß dem Verletzten Gelegenheit zur Teilnahme am Ver­ fahren gegeben werden, einmal, weil zweifelhaft sein kann, ob das Gericht mit Recht die Aufklärung unter­ läßt, sodann, weil seine Interessen nicht minder be­ rührt werden, wenn die Ausklärung unterbleiben muß. I n Verfahren wegen Ehrenkränkung und der ihr gleichstehenden Taten ist der Verletzte von Amts wegen davon zu benachrichtigen, daß Anklage erhoben ist, damit er sich schon zu Beginn des Hauptverfahrens darüber schlüssig machen kann, ob er am Verfahren teilnehmen, unter Umständen einen Feststellungsan­ trag nach § 426 stellen will. Die Zuziehung zum weiteren Verfahren hängt davon ab, daß der Verletzte ein entsprechendes Verlangen äußert. Aus Verlangen werden ihm Ort und Zeit einer vorbereitenden Be­ weisaufnahme, wenn eine solche nach § 45 stattfindet, und der Hauptverhandlung mitgeteilt. E r kann bei einer vorbereitenden Beweisaufnahme und der Haupt­ verhandlung anwesend sein, ist jedoch nicht verpflichtet, in der Hauptverhandlung persönlich zu erscheinen, wenn er nicht als Zeuge benötigt wird. D a selbst der Angeklagte nach den §§ 47 Abs. 3, 55 vorübergehend von einer vorbereitenden Beweisaufnahme und der Hauptverhandlung ferngehalten werden kann, muß diese Möglichkeit auch gegenüber dem Verletzten be­ stehen. Der Absatz 2 läßt daher seine vorübergehende Ausschließung zu, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die Erforschung der Wahrheit erschweren würde, insbesondere, wenn er als Zeuge benötigt wird und seine Teilnahme an gewissen Teilen der Verhandlung den Wert seiner Zeugenaussage beein­ trächtigen würde, aber auch dann, wenn andere wich­ tige Gründe es rechtfertigen, etwa Vorgänge erörtert werden, die auch ihm gegenüber geheimzuhalten sind. Der Verletzte kann ferner sowohl vor der Hauptver­ handlung als auch in ihr Beweisanträge stellen, über die ebenso wie über Beweisanträge des Angeklagten zu entscheiden ist. I n der Hauptverhandlung ist er auf Verlangen zu hören, insbesondere nach dein Ge­ brauch von Beweismitteln und am Schluß der Beweisaufnahme. Seine Beweisanträge und seine Ausführungen sollen dem Zweck dienen, zum Schutz und zur Wiederherstellung seiner Ehre beizutragen. Auf die Geltendmachung dessen, was zu diesem Zweck sachdienlich ist, hat sich der Verletzte zu beschränken. Aus dem in § 423 Abs. 1 Satz 2 ausgesprochenen Grundsatz folgt, daß der Verletzte nicht wie ein Neben­ kläger des bisherigen Rechts die Strafverfolgung mit­ betreiben darf. Beweisanträge und Ausführungen, die sich auf die Straffrage beziehen, sind dem Verletzten aus diesem Grunde versagt. Die Befugnisse des Verletzten, der keinen Feststel­ lungsantrag stellt, sind in § 424 abschließend umschrie­ ben. E r hat insbesondere nicht das Recht, das Urteil oder andere Entscheidungen anzufechten, den Richter oder Sachverständige abzulehnen oder einen Rechts­ anwalt in der Hauptverhandlung als Beistand zuzu­ ziehen. Ohne ausdrückliche Vorschrift könnte aus den §§ 305 Abs. 2, 307 Abs. 2 gefolgert werden, daß der Verletzte richterliche Beschlüsse und Verfügungen, die ihn betreffen, mit der Beschwerde anfechten kann, und

zwar selbst dann, wenn sie nach Erhebung der Anklage zur Vorbereitung des Urteils erlassen werden. D a der Entwurf dem Verletzten die Anfechtung des Urteils versagt, muß auch dieses Beschwerderecht ausgeschlos­ sen werden, damit er nicht durch die Erhebung von Beschwerden den Gang der Hauptverhandlung stören kann. Vom Standpunkt des Ehrenschutzes können gegen diese Beschränkung der Befugnisse des Verletzten keine Bedenken bestehen. Denn es liegt nach § 426 bis zur Beendigung der Schlußvorträge im Berufungs­ rechtszug bei dem Verletzten, seine verfahrensrecht­ lichen Befugnisse dadurch wesentlich zu erweitern, daß er durch einen Feststellungsantrag die Feststellung im Urteilsspruch begehrt. D ann sind für seine Befugnisse die §§ 427, 431, 433 maßgebend. § 425 Au f k l ä r u n g von Amt s wegen und Fest st el l ung in den U r t e i l s g r ü n d e n Die Vorbemerkung zu diesem Abschnitt legt dar, aus welchen Gründen der Entwurf die Pflicht des Gerichts begründet, die Wahrheit oder Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung von Amts wegen auch dann aufzuklären, wenn die Aufklärung für die Entscheidung über Schuld und S trafe nicht nötig wäre. An dieser Stelle ist auf den Umfang und die Schranken der Aufklärungspflicht näher einzugehen. Die Pflicht zur Aufklärung bezieht sich auf Äuße­ rungen des Angeklagten. S ie setzt voraus, daß der Angeklagte die ehrenrührige oder herabsetzende Be­ hauptung aufgestellt oder verbreitet hat, gleichviel, ob das als Ehrabschneidung oder Verleumdung gegen­ über einen: anderen oder als Beleidigung (§ 423 Abs. 2 StG B .) gegenüber dem Betroffenen geschehen ist. Die Ausklärungspflicht besteht auch ohne Rück­ sicht darauf, ob der Angeklagte die T a t selbst ausge­ führt oder mt ihr als Anstifter oder Gehilfe teilge­ nommen hat. Is t der Angeklagte aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung an der T at in keiner Weise beteiligt, so entfällt die Aufklärungspflicht; ihr ist in dem Verfahren zu genügen, das sich gegen die wirklichen Täter oder Teilnehmer richtet. I m übrigen hat das Gericht die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung aufzuklären, sei es, daß der Angeklagte verurteilt wird oder daß er freige­ sprochen oder das Verfahren eingestellt werden muß. Der Entwurf sichert demnach zur Wiederherstellung der verletzten Ehre die Aufklärung insbesondere dann, wenn der Angeklagte wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen wird oder wenn das Verfahren eingestellt werden muß, weil die T at unter ein Strassreiheitsgesetz fällt, die Strafverfolgung wegen Zeitablaufs unzulässig ge­ worden ist oder der Strafantrag fehlt. Der Ausklärungspslicht ist in der Hauptverhandlung zu genügen. Kann eine solche nicht stattfinden, so hat der S ta a ts­ anw alt nach § 434 die Möglichkeit, das selbständige Feststellungsverfahren durchzuführen. Die der Wieder­ herstellung der Ehre dienende Aufklärung kann aber mit anderen Zielen der Strafrechtspflege in Wider­ streit geraten. S ie muß daher gewissen Beschrän­ kungen unterworfen werden, die der Absatz 2 regelt.

Die Aufklärung muß unterbleiben, wenn nach dem Gesetz der Wahrheitsbeweis unzulässig ist. D as S tG B , schließt in § 422 Abs. 3 den Wahrheitsbeweis aus, wenn jemand grundlos eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung über das Einzel- oder Familienleben öffentlich aufstellt oder verbreitet, die die Allgemeinheit nicht berührt. D er Wahrheitsbe­ weis ist nach §§ 422 Abs. 4, 423 Abs. 2 S tG B , auch dann unzulässig, wenn jemand in der Absicht, einen anderen zu schmähen, der sich im Leben bewährt hat, zurückliegende Dinge, wie angebliche Jugendsehltritte oder weit zurückliegende Bestrafungen hervorholt. M it dem S in n dieser Vorschriften wäre es nicht vereinbar, das Gericht die Wahrheit der Behauptung — wenn auch nur in den Urteilsgründen — feststellen zu lassen. Zweifelhafter ist es, ob es nicht im Interesse des Ver­ letzten, der die Durchleuchtung seines Privatlebens oder seiner Vergangenheit nicht zu scheuen hat, liegen kann, in solchen Fallen den Nachweis der Unwahrheit der Behauptung zu führen und die Unwahrheit aus­ drücklich feststellen zu lassen. Würde aber die Fest­ stellung der Unwahrheit in diesen Fällen von einem Verlangen des Verletzten abhängen, so sähe sich der­ jenige Beleidigte, der das Verlangen nicht äußert, in einer peinlichen Lage. S ein Verhalten würde den Eindruck erwecken, daß er den Wahrheitsbeweis zu fürchten habe und daß die Behauptungen wahr seien. Die Feststellungen von Amts wegen zu treffen, liegt aber kein Anlaß vor; die Eigenart dieser Tatbestände liegt ja gerade darin, daß die Öffentlichkeit an den Vorwürfen kein Interesse hat, sei es, weil sie lediglich das Einzel- oder Familienleben betreffen, sei es, weil etwaige Fehltritte durch eine langjährige Bewährung wiedergutgemacht sein würden. Dem Zweck der Sondervorschristen wird am meisten diejenige Rege­ lung gerecht, die auch die Feststellung der Unwahrheit bei einer Bestrafung nach §§ 422 Abs. 3, 4, 423 Abs. 2 S tG B , ausschließt. Die mißliche Folge, daß der Beleidigte sich von dem ehrenrührigen Vorwurf nicht reinwaschen kann, muß in Kauf genommen werden, da sonst der mit dem Ausschluß des Wahrheitsbeweises verfolgte Zweck nicht erreichbar wäre. Der Wahr­ heitsbeweis ist in diesen Fällen nur dann unzulässig, wenn die T at nach § 422 Abs. 3, 4 S tG B , oder einer Vorschrift, die diese Bestimmungen für anwendbar erklärt, strafbar ist. Enthält eine Behauptung über das Einzel- oder Familienleben eine Verleumdung oder ist sie nicht öffentlich ausgestellt oder verbreitet, so ist im Verfahren auch die Unwahrheit aufzuklären. Die Vorschriften des GVG. tragen dafür Sorge,daß die Öffentlichkeit von solchen Verhandlungen ausge­ schlossen werden kann. Die rweite Gruppe von Beschränkungen bezieht sich aus Äußerungen, die in Verfolgung berechtigter Zwecke (§ 426 S tG B .) getan worden sind. Die Vor­ bemerkung legt dar, daß die Freisprechung eines An­ geklagten, der wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 des bisherigen S tG B .) nicht straf­ bar ist, im bisherigen Recht das dringende Bedürfnis nach einer Erweiterung des Ehrenschutzes gezeigt hat. Die Aufklärung der Unwahrheit ehrenrühriger Be­ hauptungen wird künftig gerade auf diesem Gebiet eine Lücke des bisherigen Rechts zu schließen haben. Indessen müssen aus dem großen Bereich der Auße-

Hingen, die im künftigen Recht wegen Verfolgung berechtigter Zwecke nicht strafbar sind, einzelne Gruppen herausgelöst werden, bei denen nicht nur die Bestrafung, sondern auch die Aufklärung und Fest­ stellung der Unwahrheit unterbleiben muß. Dazu gehören zunächst dienstliche Äußerungen eines Amtsträgers des Staates oder der P artei, eines Soldaten (vgl. § 296) oder Angehörigen des Reichs­ arbeitsdienstes, die zur Erfüllung einer Pflicht gehan­ delt haben und deren Handlungsweise sich als das angemessene M ittel zur Erreichung dieses Zweckes darstellt. Müßte im gerichtlichen Verfahren die Wahr­ heit oder Unwahrheit einer Äußerung aufgeklärt werden, die der Dienstvorgesetzte über den Unter­ gebenen, der Beamte oder der Kreisleiter über einen Volksgenossen abgibt, so wäre das Gericht genötigt, die dienstliche Tätigkeit des Amtsträgers, bei deren Ausübung die Äußerung getan worden ist, zu unter­ suchen, nach den Unterlagen seiner Äußerung zu forschen und damit in dienstliche Vorgänge einzu­ greifen, deren Überprüfung grundsätzlich den vor­ gesetzten Behörden vorbehalten bleiben muß. Die gerichtliche Aufklärung der Wahrheit oder Unwahr­ heit solcher Äußerungen muß daher unterbleiben. Allerdings ist es denkbar, daß der Schutz der Ehre des Betroffenen auch in solchen Fällen die Aufklärung und Feststellung der Unwahrheit gebieterisch fordert. Ob das Interesse an der Aufklärung den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung dienst­ licher Vorgänge hat, kann aber in solchen Fällen nur von einer obersten Reichsbehörde entschieden werden, die die Tragweite der Untersuchung und ihre politische Bedeutung überblicken kann. Der Entwurf ermächtigt daher den Reichsminister der Justiz, die Aufklärung bei solchen Äußerungen für zulässig zu erklären. Die Aufklärung soll ferner unterbleiben, wenn es sich um tadelnde Äußerungen über wissenschaftliche, künstlerische, gewerbliche oder sonstige Leistungen handelt und die Äußerung nach § 426 Abs. 2 S tG B , nicht strafbar ist. Zur Beurteilung der Wahrheit oder Unwahrheit solcher Äußerungen ist das Gericht nicht berufen. Diese Aufgabe wird zweckmäßiger anderen Stellen überlasten. Gewiste Straftaten, die in den Anwendungsbe­ reich der §§ 424 bis 433 fallen, berühren politische Belange. Bei ihrer Verfolgung haben daher nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches oberste Reichsbe­ hörden mitzuwirken, sei es in der Form, daß die Ver­ folgung nur auf Anordnung oder mit Zustimmung des Reichsministers der Justiz oder einer anderen Stelle stattfindet oder der Reichsminister der Justiz anord­ nen kann, daß die Verfolgung unterbleibt. Taten, die ein Ausländer im Ausland begeht, werden nach § 21 Abs. 2 nur auf Anordnung des Reichsministers der Justiz verfolgt. Äußerungen gegenüber Dienststellen des Staates und der Partei dürfen unter gewissen Voraussetzungen nach den §§ 376 Abs. 3, 429 S tG B nur mit Zustimmung des Reichsministers der Justiz oder der von ihm bestimmten Stelle verfolgt werden. Nach § 130 S tG B , kann der Reichsminister der Justiz endlich anordnen, daß die Verfolgung einer Tat unterbleibt, die als Herabwürdigung der Volksfüh­ rung oder Gefährdung des Vertrauens zur Volks­ führung (§§ 122, 123 S tG B .) strafbar ist. Muß ein

Strafverfahren eingestellt werden, weil diese Stellen die Strafverfolgung nicht zulasten, so kann grundsätz­ lich auch für eine Aufklärung der Wahrheit oder Un­ wahrheit der Behauptung im gerichtlichen Verfahren kein Raum sein. Die Untersuchung der Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung trotz Unzulässigkeit der Strafverfolgung wäre geeignet, den Zweck zu verei­ teln, der mit der Einschaltung dieser politischen Stellen in die Strafverfolgung erstrebt wird. Ob trotz Unzulässigkeit der Strafverfolgung die Aufklä­ rung im gerichtlichen Verfahren stattfinden soll, muß auch hier der Beurteilung einer obersten Reichsbe­ hörde überlasten werden. Der Entwurf ermächtigt daher auch hier den Reichsminister der Justiz, die Aufklärung dennoch für zulässig zu erklären. Entsprechend der in § 274 getroffenen Regelung kann die in Absatz 2 Nr. 2, 4 vorgesehene Erklärung des Reichsministers der Justiz, die die Aufklärung für zulässig erklärt, zurückgenommen werden, solange die Hauptverhandlung nicht begonnen hat. Schließlich wird im Absatz 2 Nr. 5 die Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung an eine allgemeine Voraussetzung geknüpft. Die Auf­ klärung soll den Belangen des Verletzten dienen. Sie muß daher unterbleiben, wenn der Verletzte an ihr kein berechtigtes Interesse hat oder wenn ihr über­ wiegende Belange der Allgemeinheit entgegenstehen. Ein vernünftiges Interesse des Verletzten an der Auf­ klärung wird z. B. meist fehlen, wenn eine Behaup­ tung desselben In h a lts schon einmal Gegenstand eines Strafverfahrens war und ihre Unwahrheit in dem früheren Verfahren aufgeklärt worden ist. Es wird auch dann zu verneinen sein, wenn der Verletzte ach­ tenswerte Gründe gegen die Aufklärung geltend macht, wenn es sich etwa um Vorgänge handelt, die in das Grenzgebiet des § 422 Abs. 3, 4 StG B , fallen, überwiegende Belange der Allgemeinheit können der Aufklärung von Sachverhalten entgegenstehen, die Staatsgeheimnisse oder andere Vorgänge von poli­ tischer Bedeutung berühren. Von der Praxis darf erwartet werden, daß sie der Aufgabe gerecht wird, die Grenzen der Ausklärungspflicht sachgemäß zu ziehen. Nach Absatz 1 Satz 2, der die Vorschriften des § 91 ergänzt, hat sich das Gericht über das Ergebnis der Prüfung in den Urteilsgründen auszusprechen. Es hat dabei insbesondere die für die Wiederher­ stellung der Ehre des Verletzten maßgebenden Ge­ sichtspunkte hervorzuheben und auszusprechen, ob sich die Unwahrheit der Behauptung ergeben hat oder wenigstens der Beweis der Wahrheit mißlungen ist. Diese Darlegungen haben unter den im Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu unterbleiben. I n den Urteilsspruch werden Feststellungen über das Ergeb­ nis der Aufklärung nur aufgenommen, wenn ein Feststellungsantrag (§§ 426, 429) gestellt ist. § 426 A n t r a g des V e r l e t z t e n auf Feststellung im Ur tei lss pruch Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die Feststellung im Urteilsspruch. Die Vorbemerkung

legt dar, aus welchen Gründen der Entwurf Fest­ stellungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung nicht nur in den Ur­ teilsgründen, sondern auch im Urteilsspruch ermög­ licht und warum Feststellungen im Urteilsspruch nur zu treffen sind, wenn der Verletzte es beantragt. Diese Feststellungen beruhen auf der Aufklärung des Sach­ verhalts, zu der das Gericht nach § 425 von Amts wegen verpflichtet ist. S ie sind daher nur innerhalb der Schranken möglich, die für die Aufklärungspflicht bestehen. F ü r die Feststellung im Urteilsspruch ist kein Raum, wenn die Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung aus den in § 425 Abs. 2 bezeichneten Gründen unterbleiben muß. Der Ent­ wurf erklärt daher im Absatz 1 Satz 2 den Antrag für unzulässig, wenn die in § 425 Abs. 2 genannten Voraussetzungen vorliegen. Fehlen die gesetzlichen Voraussetzungen des Feststellungsantrages, so weist das Gericht ihn im Urteilsspruch nach § 428 als unzulässig zurück. Die Absätze 2 bis 4 enthalten die Verfahrensvor­ schriften über den Antrag, den das Gesetz im Absatz 1 zur leichteren Kennzeichnung als Feststellungsantrag bezeichnet. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift bei Gericht, in der Hauptverhand­ lung auch mündlich bis zur Beendigung der Schluß­ vorträge im Berufungsrechtszug gestellt werden. Wird der Antrag schon im Vorverfahren gestellt, so hat der Staatsanw alt ihn bei Erhebung der Anklage an das Gericht weiterzuleiten; ein solcher Antrag erlangt Wirkung erst mit der Erhebung der Anklage. Der Entwurf läßt die Stellung des Antrages noch in der Hauptverhandlung zu, damit der Verletzte bei dem Feststellungsbegehren das Ergebnis der Beweisauf­ nahme berücksichtigen kann. An eine Frist ist der Antrag anders als der Strafantrag nicht gebunden. Der Antrag umgrenzt sachlich die Feststellungs­ pflicht des Gerichts. Die Feststellungen im Urteils­ spruch können immer nur eine Behauptung bestimm­ ten In h a lts eines bestimmten Angeklagten zum Gegenstand haben. Der Verletzte muß daher in dem Antrag die Behauptung, auf die sich die Feststellung beziehen soll, und den Angeklagten, dem sie zur Last gelegt wird, bezeichnen. I n dem Antrag sind zur Vorbereitung der Beweisaufnahme auch die Beweis­ mittel anzugeben. Der Vorbereitung der Verhand­ lung dient ferner die Vorschrift, daß dem S taatsan ­ walt und dem Angeklagter: eine Abschrift des Feststellungsantrages mitzuteilen ist, der außerhalb der Hauptverhandlung gestellt wird. Der Feststel­ lungsantrag begründet, falls er nach Absatz 1 zulässig ist, die Pflicht des Gerichts, über die Unwahrheit der bezeichneten Behauptung eine Feststellung im Urteils­ spruch zu treffen. Im übrigen bindet sein In h a lt bei der zu treffenden Feststellung den Richter nicht. Geht der Antrag dahin, eine Feststellung nur zu treffen, wenn sich die Unwahrheit der Behauptung ergeben sollte, so hat das Gericht dennoch die im § 429 Abs. 3 vorgesehene Feststellung zu treffen, wenn nicht die Unwahrheit der Behauptung, sondern nur ihre Nicht­ erweislichkeit dargetan ist. Der Verletzte kann den Feststellungsantrag nach dem Absatz 4 bis zur Verkündung eines Urteils im ersten Rechtszug und, wenn eine zulässige Berufung

eingelegt ist, bis zur Verkündung des Berusungsurteils zurücknehmen. Er ist daher in der Lage, bei der Aufrechterhaltung seines Feststellungsbegehrens das Ergebnis der Beweisaufnahme zu berücksichtigen und einer Feststellung im Urteilsspruch, die seinem Begeh­ ren nicht ganz entsprechen würde, durch die Zurück­ nahme des Feststellungsantrags vorzubeugen. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht erneuert werden. Jedoch wird der Verletzte durch die Zurück­ nahme nicht gehindert, im Laufe des Verfahrens einen Festftellurmsantrag hinsichtlich einer anderen Äußerung zu stellen. § 427 R e c h te d e s A n t r a g st e l l e r s Aus den in der Vorbemerkung dargelegten Gründen erweitert der Entwurf die verfahrensrecht­ lichen Befugnisse des Verletzten, der einen Fest­ stellungsantrag stellt. Der Antragsteller hat nach dem Absatz 1 dieselben Rechte wie der Angeklagte, soweit das Verfahren das Feststellungsbegehren betrifft. Damit räumt der Entwurf ihm etwa die Rechtsstel­ lung ein, die im Strafverfahren nach § 416 dem Einziehungsbeteiligten zukommt. Die Befugnisse des Antragstellers gehen wesentlich weiter, als diejenigen, die der Verletzte nach § 424 hat. Sobald der Verletzte den Feststellungsantrag stellt, sind für seine Rechts­ stellung, wie der § 424 hervorhebt, nicht mehr der § 424, sondern der § 427 und die ihn ergänzenden §§ 431, 433 maßgebend. Der Antragsteller hat nur die Befugnisse des An­ geklagten, nicht seine gesamte Rechtsstellung. Wird er als Zeuge vernommen, so ist er nicht deshalb zur Verweigerung der Aussage berechtigt, weil er zugleich einen Feststellungsantrag gestellt hat. Zu den Rechten, die dem Antragsteller nach dem Absatz 1 zustehen, gehört insbesondere die Befugnis, an der Hauptver­ handlung teilzunehmen und in ihr ebenso wie der Angeklagte gehört zu werden, Beweisanträge zu stellen und den Richter abzulehnen. Die Befugnis zur Anwesenheit steht dem Antragsteller nur innerhalb der Schranken zu, die auch für den Angeklagten gelten. Der Vorsitzer kann den Antragsteller demnach vor­ übergehend von der Verhandlung ausschließen, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die W ahr­ heitserforschung erschweren würde (§ 55), etwa wenn seine Zeugenaussage bei Anwesenheit an der gesamten Beweisaufnahme wertlos wäre. Der Antragsteller kann auch in jeder Lage des Verfahrens als Beistand einen Rechtsanwalt zuziehen, der das Recht zur Akten­ einsicht in derselben Weise wie der Verteidiger des Angeklagten hat. Aus dem Absatz 1 folgt ferner die Befugnis des Antragstellers, von den Rechtsbehelsen Gebrauch zu machen, die dem Angeklagten zustehen; diese Befugnis ist in den §§ 431, 433 näher geregelt. Die Rechte des Angeklagten stehen dem Antrag­ steller aber nur soweit zu, als das Verfahren das Feststellungsbegehren betrifft. Diese Beschränkung, die sich aus dem Zweck der Zuziehung des A ntrag­ stellers zum Verfahren ergibt, beugt dem vor, daß der Antragsteller in eine dem Nebenkläger des bisherigen Rechts ähnliche Stellung gerät. Ih m ist verwehrt, solche Beweisanträge zu stellen oder in der Hauptver14

Handlung solche Ausführungen zu machen, die nur die Bestrafung des Angeklagten betreffen. Die Absätze 2 bis 4 bringen ergänzende Bestim­ mungen über die Zuziehung des Antragstellers zum Strafverfahren. Der Antragsteller wird zur Haupt­ verhandlung geladen. Da die Kenntnis des Verhand­ lungsstoffes Grundlage für die Ausübung seiner Befugnisse ist, wird ihm mit der Ladung die Anklage­ schrift oder ein Auszug daraus mitgeteilt, der die für das Feststellungsbegehren wesentlichen Angaben ent­ hält. Die Mitteilung der Anklageschrift oder des Auszuges muß aber unterbleiben, wenn wichtige Gründe dagegen sprechen, insbesondere, wenn die Vernehmung des Antragstellers als Zeuge dadurch beeinträchtigt würde. Ein wichtiger Grund, der hierzu Anlaß geben kann, wird auch darin liegen, daß eine Anklageschrift, die geheimzuhaltende Vorgänge ent­ hält, ins Ausland übersandt werden müßte. Stellt der Verletzte den Feststellungsantrag erst im Laufe des Verfahrens, so kann er an ihm nur in der Lage teilnehmen, in der es sich befindet. Ist die Haupt­ verhandlung bei Eingang des Feststellungsantrages bereits anberaumt, so ist sie demnach zu beginnen, auch wenn die Ladungsfrist (§ 42) nicht eingehalten ist; hat sie bereits begonnen, so ist sie fortzusetzen. Daß der Antragsteller in jeder Lage des Verfah­ rens einen Rechtsanwalt als Beistand zuziehen kann, ist oben ausgeführt. Darüber hinaus bestimmt der Absatz 3, daß der Antragsteller sich in der Hauptver­ handlung auch durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. D as persönliche Erscheinen des Antrag­ stellers ist in der Hauptverhandlung nicht erforderlich. Bleibt er auf ordnungsmäßige Ladung aus, so kann ohne ihn verhandelt werden. Der Vorsitzer hat aber die Befugnis, anzuordnen, daß der Antrag­ steller in der Hauptverhandlung persönlich erscheint, wenn er es zur Förderung des Verhandlungs­ zwecks für nötig hält. Die Nichtbeachtung dieser An­ ordnung hat zur Folge, daß der Antrag als zurück­ genommen behandelt werden kann, sofern das Aus­ bleiben nicht genügend entschuldigt ist. Entsprechend der in den §§ 58, 328, 345, 398 vorgesehenen Rege­ lung läßt jedoch der Entwurf die Erneuerung des Antrags zu, wenn das Ausbleiben nachträglich ent­ schuldigt wird. § 428 Z u r ü c k w e i s u n g des A n t r a g s Die §§ 428, 429 regeln die Entscheidung, die auf den Feststellungsantrag ergeht. Während der § 429 den In h a lt der Entscheidung bestimmt, wenn auf den Fest­ stellungsantrag sachlich zu entscheiden ist, behandelt der § 428 die Fälle der Unzulässigkeit des Feststel­ lungsantrages. Fehlen die gesetzlichen V oraus­ setzungen des Feststellungsantrages, die in den §§ 423, 426 umschrieben sind, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Dies hat insbesondere zu geschehen, wenn die in § 425 Abs. 2 genannten Vor­ aussetzungen vorliegen, die den Antrag nach § 426 Absatz 1 Satz 2 unzulässig machen. Während der Urteilsspruch den Antrag beim Fehlen seiner gesetz­ lichen Voraussetzungen als unzulässig zurückweist, ist er nach § 429 Abs. 4 als unbegründet abzuweisen,

wenn der Beweis der Wahrheit erbracht ist oder der Angeklagte die Behauptung weder aufgestellt noch verbreitet hat. Demnach macht schon die Fassung des Urteilsspruchs deutlich, ob die Ablehnung des An­ trages auf verfahrensrechtlichen Gründen beruht oder aus das Ergebnis der Beweisaufnahme zurückzuführen Über die Zurückweisung des Antrages ist im Urteil zu entscheiden. Eine Beschlußentscheidung vor Ver­ kündung des Urteils ist nicht vorgesehen. Zwar kann sich das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen des Antrages schon vor Verkündung des Urteils im Lause des Verfahrens ergeben. D ann kann dem Antrag­ steller die Ausübung solcher verfahrensrechtlicher Be­ fugnisse, die die Zulässigkeit des Antrages voraus­ setzen, durch eine Entscheidung versagt werden, die nach § 307 nicht der Beschwerde unterliegt. Die Zurückweisung des Antrages selbst aber muß dem Urteil vorbehalten werden, da sie der Nachprüfung durch die gegen das Urteil zulässigen Rechtsmittel unterworfen sein muß. Zudem läßt sich über die wich­ tigsten gesetzlichen Voraussetzungen des Antrages, etwa die Frage, ob der Verletzte an der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat oder ob ihr überwie­ gende Belange der Allgemeinheit entgegenstehen, in der Regel erst am Schluß der Hauptverhandlung abschließend entscheiden. § 429 I n h a l t de r F e s t s t e l l u n g e n im Urteilsspruch Als sachliches Ergebnis der Aufklärung lassen sich drei Möglichkeiten denken: es zeigt sich entweder, daß die ehrenrührige Behauptung unwahr ist oder daß sie wahr ist oder daß sich weder die Wahrheit noch die Unwahrheit feststellen läßt. F ü r jeden dieser Fälle hat das Gesetz dem Verlangen nach Rufwiederher­ stellung soweit wie irgend möglich Rechnung zu tragen, aber dennoch möglichst zu verhindern, daß der Verletzte infolge der bei manchen Lebensvorgängen nun einmal unvermeidlichen Beweisschwierigkeiten nur zu einer halben Genugtuung gelangt und aus einer halben Feststellung schließlich mehr Schaden als Nutzen hat. Es ist vorgeschlagen worden, zwischen den Fällen, in denen die Hauptverhandlung die Un­ wahrheit der ehrenrührigen Behauptung ergeben hat und jenen Fällen, in denen weder die Unwahrheit noch die Wahrheit hat festgestellt werden können, also der In h a lt der Behauptung nicht erweislich wahr ist und insoweit ein non liquet vorliegt, keinen Unter­ schied zu machen und für den Urteilsspruch gleichmäßig eine Einheitsformel vorzuschreiben. Allein es liegt auf der Hand, daß damit jedenfalls bei den sogenann­ ten bestimmten Tatsachenbehauptungen dem Ver­ langen des Verletzten nach Rufwiederherstellung in der Regel nicht Genüge geschieht. Es gibt eben Fälle, in denen der Beleidigte mit Unrecht in den Schmutz gezogen worden ist und in denen das Strafverfahren gegen den Beleidiger einwandfrei die Unwahrheit der ehrenkränkenden Behauptung ergibt. Is t etwa über den Landrat A. behauptet worden, er habe von einem W irt für die Erteilung einer Wirtschaftskonzession 1000,— Reichsmark Bestechungsgeld angenommen,

ober ist über den städtischen Grundstücksdezernenten B . erzählt worden, er habe den B au einer bestimmten S tra ß e durchgesetzt, nachdem er zuvor durch einen S tro h m an n das Nachbargelände für sich habe an­ kaufen lasten, und w ird in diesen F ällen klar erwiesen, daß A. das Bestechungsgeld zurückgewiesen und den W irt sofort dem S ta a ts a n w a lt überliefert und daß B. sich bis zuletzt gegen den S traß en b au ausgesprochen und keinerlei Grundstücke gekauft hat, so kann der Ver­ letzte erw arten, daß ihm ein den Gedanken des Ehren­ schutzes besonders betonendes S trafv erfah ren die Genugtuung nicht vorenthält, die einw andfrei erwie­ sene Unwahrheit auch im Urteilsspruch festgestellt zu sehen; er würde kein V erständnis dafür haben, daß der Urteilsspruch n u r ausspricht, der Bew eis der W ahrheit sei m ißlungen oder nicht geführt, oder daß er sich mit der Feststellung begnügt, die Behauptung habe sich nicht bewahrheitet, anstatt klar auszusprechen, daß die U nw ahrheit der Behauptung erwiesen sei. Auf der anderen S eite kann er dann, wenn die Be­ weisausnahme kein klares B ild ergeben hat, nicht erw arten, daß mehr als die Nichterweislichkeit, das M ißlingen des W ahrheitsbeweises im U rteils­ spruch ausgesprochen wird. Je d e r Verständige wird sich damit begnügen, aber darum nicht in jenen an­ deren Fällen, wo ein hundertprozentiges Beweis­ ergebnis vorliegt, auf die hundertprozentige Reha­ bilitierung im Urteilsspruch verzichten wollen. Demgemäß gibt die vorliegende Bestimmung Weisungen über den Spruch eines auf den Feststel­ lungsantrag sachlich entscheidenden U rteils je nach dem möglichen Ergebnis der V erhandlung; Absatz 2 regelt die Fälle, in denen die U nw ahrheit erwiesen ist oder sich die Haltlosigkeit der Behauptung ergeben hat; Absatz 3 regelt den I n h a lt der Feststellung für den Fall, daß weder die W ahrheit noch die Unwahr­ heit dargetan ist; der Absatz 4 behandelt die übrig­ bleibenden Fälle. W ird durch das E rgebnis der Beweisaufnahm e die U nwahrheit erwiesen, so stellt das Gericht tut Ur­ teilsspruch fest, daß die B ehauptung sich als unwahr erwiesen hat. B ei den zahlreichen unbestimmten Tatsachenbehauptungen w ird diese Feststellung nur selten möglich sein. I s t etwa behauptet worden, der A. habe in seiner Jugend homosexuelle Neigungen gezeigt, oder die B . sei für jeden jungen M attn im D orfe „zu haben", so würde die Feststellung der Un­ wahrheit dieser Behauptungen eine Durchleuchtung des ganzen P rivatlebens und den Nachweis des kon­ tradiktorischen G egenteils der B ehauptung voraus­ setzen, für den die menschlichen E rkenntnism ittel im allgemeinen versagen. W ohl aber heben sich auch bei unbestimmten Tatsachenbehauptungen die Fälle, in denen die Bew eisaufnahm e keinerlei Anhaltspunkte für die W ahrheit der B ehauptung ergeben hat, von jenen Fällen ab, in denen zw ar der W ahrheitsbeweis nicht erbracht w ird, aber auch nicht die völlige H alt­ losigkeit der B ehauptung dargetan ist. D er Richter soll daher bei unbestimmtett B ehauptungen aus­ sprechen, die B ehaüptung entbehre jeder tatsächlichen Unterlage oder sie sei völlig haltlos, w enn das Ergeb­ nis der H auptverhandlung diese Feststellungen recht­ fertigt. Diese Feststellungen werden bei unbestimmten Behauptungen ebenso ehrenreinigend wirken, wie die

Feststellung, daß sich eine Behauptung bestimmten I n h a lts als unw ahr erwiesen habe. Wo aber das Gericht nicht feststellen kann, daß die U nwahrheit der Behauptung erwiesen sei oder daß die Behauptung völlig haltlos sei oder der tatsäch­ lichen Unterlage entbehre, aber andererseits auch der Beweis für die W ahrheit fehlt, hat es nach Absatz 3 festzustellen, daß die B ehauptung sich nicht bewahr­ heitet habe. Diese Feststellung für die Fälle der Nicht­ erweislichkeit (non liq u et) wirkt stärker int S in n e des Ehrenschutzes, als etwa die Form el, daß der Beweis der W ahrheit m ißlungen sei; andererseits gibt sie tu solchen F ällen das E rgebnis der Beweisaufnahm e zu­ treffend wieder. D aß die Feststellung, die B ehauptung habe sich nicht bewahrheitet, dem Verletzten nicht das M aß der Genugtuung bietet wie die Feststellungen, die der Absatz 2 vorsieht, muß in Kauf genommen werden, um dem in vollem Umsang G ereinigten die ihm geschuldete R ehabilitierung nicht vorzuenthalten. Gerade m it Rücksicht auf das Risiko, das in dem oft nicht voraussehbaren A usgang der Bew eisaufnahm e für den Verletzten liegt, ist die Aufnahme der Fest­ stellungen in den Urteilsspruch von einem A ntrag des Verletzten abhängig gemacht. D er Antragsteller kann auch wegen dieses Risikos den Feststellungsantrag bis zur Verkündung des U rteils im Berusungsrechtszug zurücknehmen, wenn das Ergebnis der B ew eisauf­ nahme seinen E rw artungen nicht entspricht. I n welchem Umfang der In h a lt der ehrenkränken­ den Behauptung in den Urteilsspruch aufzunehmen ist, kann einheitlich nicht beantw ortet werden. D ie V er­ ständlichkeit der Feststellung wird gewinnen, wenn der Spruch zugleich den I n h a lt der ehrenkränkenden B e­ hauptung erkennen läßt. D as wird aber nur bei B ehauptungen einfachen In h a lts möglich sein. Bei umfangreichen Behauptungen wird ihr I n h a lt in die U rteilsgründe zu verweisen sein. W ird der Beweis für die W ahrheit der B ehaup­ tung erbracht, so ist dies nicht etwa im Urteilsspruch festzttstellen, sondern der Feststellungsantrag als u n ­ begründet abzuweisen. D ie Gründe dafür sind in der Vorbemerkung dargelegt. D ie Feststellungen des Urteilsspruchs sind nicht dazu bestimmt, die ehren­ kränkenden Behauptungen des Beschuldigten ausdrück­ lich zu bestätigen und den Verletzten an den P ran g er zu stellen. D er Feststellungsantrag ist auch dann als unbegründet abzuweisen, wertn der Angeklagte die B ehauptung weder selbst aufgestellt oder verbreitet noch als Anstister oder Gehilfe an der T at teilgenom ­ men hat. I s t ein anderer der T äter, so bleibt die Feststellung dem Verfahrert gegen den wirklichen T äter vorbehalten. I s t aber die B ehauptung über­ haupt rricht gesalletr, so ist auch für eine Feststellung kein Raum . § 430 WeitereVorschriften über d a s U r t e i l D ie Vorschrift ergärtzt den § 82 hinsichtlich des Feststellungsantrags. Is t ein Feststellungsantrag gestellt, so ist int U rteil auch der Name — bei F rauen auch der G eburtsnam e — , Rufnam e und W ohnort des Atttragstellers anzugeben. D as empfiehlt sich deshalb, weil der Antragsteller ansechtungsberechtigt H*

ist und die Person des Antragstellers nach § 432 für die W irkung der Feststellungen in einem späteren V er­ fahren Bedeutung hat. Nach Absatz 2 ist dem Antragsteller wegen des Interesses, das die Entscheidung für ihn hat, und der Möglichkeit der Anfechtung eine Abschrift des U rteils m it den G ründen von A m ts wegen mitzuteilen. § 431 Rechtsbehelfe Wegen der schwerwiegenden Folgen, die die Fest­ stellungen des Urteilsspruchs für den Ruf des V er­ letzten haben können, gibt der Entw urf dem A n trag ­ steller, wie schon die Vorbemerkung dargelegt hat, gegen das Urteil die Rechtsm ittel des Angeklagten, soweit es über den Feststellungsantrag entscheidet. D ie Rechtsm ittel des A ntragstellers sind demnach gegen­ ständlich beschränkt. S ie ergreifen insbesondere nicht die Entscheidung über die S traffrage, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt. F ü r die Rechtsmittel des A ntragstellers sollen nach Absatz 1 Satz 2 die Vorschriften über die Rechtsbehelfe des Angeklagten entsprechend gelten. D as ist nicht nur von Bedeutung für die Formersordernisse der Rechtsmitteleinlegung (§§ 335, 359 Abs. 3), sondern auch für die A nw en­ dung der §§ 299, 316. D er A ntragsteller kann Rechtsm ittel nur gebrauchen, wenn er beschwert ist. D ie Beschwer kann darin liegen, daß der Feststel­ lungsantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als unbegründet abgewiesen ist, aber auch darin, daß nicht die U nw ahrheit, sondern n u r die Nichterweislichkeit festgestellt worden ist. A us der entsprechenden A n­ wendung des § 316 folgt, daß auch eine Beschwer in den G ründen des über einen Feststellungsantrag ent­ scheidenden U rteils die Anfechtung rechtfertigt, wenn die G ründe die Ehre des Antragstellers schwer m in­ dern oder ihn sonst erheblich schädigen. F ü r die Rechtsmittel des S ta a tsa n w a lts und des Angeklagten gegen das U rteil gelten die allgemeinen Anfechtungsvorschriften. D a für diese Rechtsmittel eine bindende Teilanfechtung nicht zugelassen ist, er­ greifen sie nicht n u r die Entscheidung über Schuld und S tra fe , sondern auch diejenige über den Fest­ stellungsantrag. D a s folgt aus der allgemeinen Regelung der Rechtsmittel und braucht im § 431 nicht besonders ausgesprochen zu werden. H at n u r der Antragsteller das U rteil angefochten, so w ird es rechtskräftig, soweit es nicht über den Fest­ stellungsantrag entscheidet. E rgibt jedoch die V er­ handlung über ein Rechtsm ittel des Antragstellers, daß ein G rund, der zur Aufhebung der Entscheidung über den Feststellungsantrag führt, auch die Entschei­ dung über die Schuld oder die S tra fe des Ange­ klagten beeinflußt hat, so sollen für die Aufhebung dieser Entscheidung die §§ 327, 344 entsprechend gelten. D a s Rechtsmittelgericht hat also die vom S tandpunkt der sachlichen Gerechtigkeit gebotenen Folgerungen auch für den übrigen T eil des U rteils zu ziehen, ohne d aran durch die Rechtskraft gehindert zu sein. Dem Antragsteller stehen nicht n u r die Rechtsmittel, sondern nach § 427 Abs. 1 auch die übrigen Rechtsbehelfe des Angeklagten zu. D avon nim m t der Absatz 3 die Befugnis des Angeklagten

aus, wegen unverschuldeter Versäumung der H aupt­ verhandlung ihre W iederholung zu verlangen. Dieser Rechtsbehelf muß dem Antragsteller verschlossen bleiben, da er zu einer unerträglichen Verzögerung des S trafverfahrens führen würde. § 432 B i n d u n g a n d i e F e st st e l l u n g e n d e s Urteilsspruchs S in d Feststellungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen Behauptung lediglich in den U rteils­ gründen enthalten, so haben sie für ein späteres V er­ fahren keine Rechtskrastwirkung. Eine bindende W irkung für ein späteres Verfahren sieht der Entw urf n u r vor, wenn sachlich über den Feststellungsantrag im Urteilsspruch entschieden ist, sei es, daß eine sach­ liche Feststellung getroffen oder der Feststellungsan­ trag als unbegründet abgewiesen worden ist. I s t er als unzulässig nach § 428 zurückgewiesen worden, so ist für eine bindende Wirkung kein Raum . Die bindende Wirkung der Entscheidung für ein späteres V erfahren muß auf die B eteiligten beschränkt werden. Z w ar würde es vielleicht im Interesse eines möglichst wirksamen Ehrenschutzes liegen, die Rechts­ kraftwirkung der Feststellungen gegenüber jedermann eintreten zu lassen. F ü r eine engere Begrenzung der Rechtskraft sprechen jedoch mehrere Erwägungen. E inm al handelt es sich um eine Feststellung von T a t­ sachen, von geschichtlichen, der Vergangenheit allge­ hörenden V orgängen, die sich einer allgemein ver­ bindlichen und endgültigen Feststellung durch den Richter trotz erschöpfender Beweisaufnahm e entziehen, ©egen eine Ausdehnung über die unm ittelbar mit V erfahren Beteiligten hinaus spricht aber auch die E rw ägung, daß der Richter im Feststellungsversahren in weitem Umfang auf die B ew eisanträge der B e­ teiligten angewiesen ist und daher trotz des G rund­ satzes, daß die W ahrheit von A m ts wegen zu erforschen ist, die volle Aufklärung des Sachverhalts nicht immer gelingen wird. E in anderer als der Ange­ klagte mag bessere K enntnis von den V orgängen besitzen und andere B ew eism ittel an der Hand haben. Auch können durch eine und dieselbe Behauptung mehrere Personen verletzt werden, von denen zunächst nur eine den Feststellungsantrag stellt. D ann darf die Feststellung, die nicht den Beweis der Unwahrheit als erbracht ansieht, keine bindende Wirkung gegen­ über den anderen Verletzten haben, die vielleicht den Nachweis der Unwahrheit führen können. D aher beschränkt der Entw urf die Rechtskraftwirkung auf die Beteiligten. Die rechtskräftige Feststellung im Urteilsspruch und die rechtskräftige Abweisung des Feststellungsantrages sollen den Strafrichter und den Friedensrichter in einem späteren Verfahren gegen denselben Beschuldigten wegen einer Behauptung gleichen In h a lts binden, wenn nicht ein anderer V er­ letzter an dem neuen Verfahren beteiligt ist. A us dieser Beschränkung der Rechtskraft auf die B eteilig­ ten folgt, daß die Feststellung, der A. habe eine ihm von dem B . zur Last gelegte S tra fta t nicht begangen, nicht die E inleitung eines Strafverfahrens gegen den A. wegen dieser T at hindert, da in dem neuen S tr a f ­ verfahren A. nicht als Verletzter, sondern als Beschul-

digter beteiligt wäre. Auch für andere als strasrichterliche oder friedensrichterliche Verfahren kann die Fest­ stellung keine bindende Wirkung haben. I m übrigen besteht die bindende Wirkung, auch wenn nur die Nichterweislichkeit einer Behauptung festgestellt wird. Dem Verletzten soll es erspart werden, dieselbe Be­ weisaufnahme noch einmal über sich ergehen zu lassen, wenn der frühere T äter eine Behauptung gleichen I n ­ halts nochmals aufstellt. Die bindende Wirkung einer Feststellung entfällt dann, wenn in dem späteren Verfahren durch neue Tatsachen oder Beweismittel ihre Unrichtigkeit dar­ getan wird. Als „neu" sind alle diejenigen Tatsachen und Beweismittel anzusehen, die dem früher entschei­ denden Gericht nicht bekannt waren, bei der Entschei­ dung also nicht in Betracht gezogen werden konnten. Diese Einschränkung der Rechtskraftwirkung ist des­ halb gerechtfertigt, damit das spätere Verfahren, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel geltend ge­ macht werden, nicht ausgesetzt werden muß, bis etwa die frühere Feststellung in einem Wiederaufnahme­ verfahren beseitigt ist. Vielmehr soll in solchen Fällen das spätere Verfahren insoweit ohne weiteres die Aufgabe des Wiederaufnahmeverfahrens übernehmen. Die neuen Tatsachen oder Beweismittel müssen die Unrichtigkeit der früheren Entscheidung dartun, damit die bindende Wirkung entfällt. Das Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel allein reicht also nicht aus, um über die frühere Entscheidung hinweg­ gehen zu können. § 433 W i e d e r a u f n a h m e des V e r f a h r e n s I n Anlehnung an den § 354 ermöglicht die vor­ liegende Bestimmung die Wiederaufnahme des Ver­ fahrens, in dein durch Urteilsspruch eine Feststellung rechtskräftig getroffen oder ein Feststellungsantrag rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden ist. Zum Antrag auf Wiederaufnahme ist jeder Ansechtungsberechtigte befugt, also der Staatsanw alt, der Antragsteller und der Angeklagte. Die Voraussetzungen der Wiederaufnahme ent­ sprechen denjenigen des § 354. Sie soll zulässig sein, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder verbunden mit den früheren geeignet sind, eine wesentlich andere Entscheidung über den Feststellungsantrag herbeizuführen. Is t der Feststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen worden, so ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorgesehen. D as Wiederaufnahmeverfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften. I n Ergänzung des § 360 bestimmt der Absatz 2, daß als Wiederaufnahmegericht das Gericht zuständig ist, dessen Feststellungen ange­ griffen werden. Stellt der S taatsanw alt oder der Angeklagte den Wiederausnahmeantrag, so ist auch die Schuld- und Straffrage Gegenstand des Wieder­ aufnahmeverfahrens. Der Antragsteller hingegen kann nach § 427 Abs. 1 die Wiederaufnahme des Ver­ fahrens nur beantragen, soweit das Verfahren das Feststellungsbegehren betrifft; eine solche Wiederauf­ nahme ist daher auf die Entscheidung über den Fest­ stellungsantrag gegenständlich beschränkt.

Selbständiges Feftstellungsversahren § 434 Voraussetzungen Wie die Vorbemerkung darlegt, weist der Entwurf dem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung zugleich die Aufgabe zu, die für den Schutz und die Wieder­ herstellung der Ehre des Verletzten gebotenen Fest­ stellungen zu treffen. Z ur Ergänzung der §§ 423 bis 433 und der entsprechenden Vorschriften in der Friedensrichterordnung schafft daher der Entwurf in den §§ 434, 435 ein selbständiges Feststellungsver­ fahren vor dem Strafrichter für solche Fälle, in denen weder für ein Strafverfahren noch für das friedens­ richterliche Verfahren Raum ist. Verschiedene Gründe können dazu führen, daß ein Strafverfahren wegen Ehrenkränkung oder einer ihr nach § 423 Abs. 2 gleichstehenden T at unterbleibt. Ist es zweifelsfrei, daß d ie 'T a t des Beschuldigten wegen Verfolgung berechtigter Zwecke nach § 426 S tG B , straflos ist, so hat der Staatsanw alt von der Erhebung der Anklage abzusehen. Die Anklage wegen Ehrenkränkung unterbleibt auch dann, wenn der Be­ schuldigte bei Begehung der T at schuldunsähig gewesen ist. Is t in solchen Fällen die Anordnung einer sichernden Maßregel möglich und kommt es deshalb zu einem Sicherungsverfahren, so werden Feststellungen über die Unwahrheit der Äußerung nach den §§ 423, 412 Abs. 1 in dem im Sicherungsver­ fahren ergehenden Urteil getroffen, so daß, soweit das Sicherungsverfahren Platz greift, ein Bedürfnis für ein besonderes Feststellungsverfahren nicht besteht. Ein Strafverfahren ist ferner dann nicht möglich, wenn ihm ein Verfahrenshindernis entgegensteht, wenn die T at beispielsweise unter eine Amnestie fällt oder der Beschuldigte verhandlungsunfähig oder ab­ wesend ist und in seiner Abwesenheit gegen ihn nicht verhandelt werden kann. Der Entwurf gibt daher im § 434 die Möglichkeit, gegen denjenigen, der eine ehrenrührige oder herab­ setzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat, Klage mit dem Ziel zu erheben, die Unwahrheit der Behauptung festzustellen, wenn der Täter wegen Ver­ folgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde freizusprechen wäre oder das Strafverfahren wegen eines Verfahrenshindernisses undurchführbar ist und deshalb keine Anklage erhoben wird. D as gleiche gilt, wenn aus einem dieser Gründe die Anklage zurückgenommen oder die Anberaumung der Hauptverhandlung abgelehnt wird. Diese Klage setzt vor­ aus, daß ein Äntragsgegner vorhanden ist, der die ehrenrührige Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat. Gegen den verstorbenen Beschuldigten ist für ein Feststellungsverfahren ebenso wenig Raum wie gegen den unbekannten Täter. Zur Erhebung der Feststellungsklage vor dem Strafrichter ist nach dem Entwurf nur der S ta a tsa n ­ walt berechtigt. Diese Regelung ist eine Folge der Auffassung, daß der Ehrenschutz in einem weiten Be­ reich Sache der Gemeinschaft ist. Die Feststellungs­ klage kann in diesem Rahmen nicht dem Verletzten selbst überlassen werden, weil sie ebenso wie die An-

klage in erster Linie nicht die Belange des Einzelnen sondern die der Volksgemeinschaft wahren soll; außer­ dem wäre die Einleitung eines Verfahrens vor den Strafgerichten durch eine Privatperson mit der grund­ sätzlichen Einstellung des neuen Strafverfahrens un­ vereinbar (vgl. die Einleitung zürn Ersten Hauptstück des Ersten Buches). Die Feststellungsklage des S taatsanw alts muß sich aber auf solche Fälle be­ schränken, in denen es vom Standpunkt der Volks­ gemeinschaft aus geboten ist, die Wahrheit oder Un­ wahrheit der Behauptung vor dem Strafrichter auf­ zuklären. Darüber hinaus kann das strafgerichtliche Feststellungsverfahren nicht ausgedehnt werden, weil sonst die Strafverfolgungsbehörden zu stark mit geringfügigen privaten Streitigkeiten befaßt würden, die über den Kreis der unmittelbar Beteiligten nicht hinausgreifen und kein Schutz- und Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft begründen, für das der S ta a ts­ anwalt einzutreten hätte. Fehlt das öffentliche In te r­ esse hieran, so muß.die Aufklärung der Wahrheit ober Unwahrheit der Initiative des Verletzten vorbehalten bleiben. Dem Verletzten wird zu diesem Zweck das friedensrichterliche Verfahren zur Verfügung gestellt, das nicht nur die begehrte Feststellung, sondern dar­ über hinaus eine umfassende Befriedung ermöglicht. Die Erhebung der Feststellungsklage steht nach dem Absah 1 des § 434 irrt Ermessen des S taatsan ­ walts. Andererseits kann es aus den in der Vorbe­ merkung dargelegten Gründen nicht Aufgabe der Volksgemeinschaft sein, auch gegen den Willen des Verletzten ein Feststellungsverfahren durchzuführen. Die Erhebung der Feststellungsklage durch den Staatsanw alt setzt daher einen Antrag des Verletzten voraus, für den nach § 434 Abs. 2 die Vorschriften über den Feststellungsantrag im Strafverfahren ent­ sprechend gelten. Demnach ist der Feststellungsantrag des Verletzten und damit das selbständige' Feststel­ lungsverfahren unzulässig, wenn die im § 425 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Erhebt der Staatsanw alt wegen einer Ehren­ kränkung keine Anklage, erhebt der Verletzte aber wegen der T at Klage vor dem Friedensrichter, so hat das friedensrichterliche Verfahren die Aufgabe zu übernehmen, auch die zum Ehrenschutz gebotenen Fest­ stellungen zu treffen. Hierauf weist der § 434 Abs. 3 hin, um den Zusammenhang der Vorschriften mit den­ jenigen des friedensrichterlichen Verfahrens klarzu­ stellen. Durch § 434 Abs. 4 soll erreicht werden, daß in den weniger wichtigen Sachen unmittelbar vor dem Friedensrichter Klage erhoben wird und der S taatsanw alt mit diesen Sachen erst gar nicht befaßt wird. § 435 G a n g des sel bst ändi gen Feststellungsverfahrens Der Entwurf sieht für das selbständige Feststel­ lungsverfahren die Zuständigkeit des Amtsrichters und der Schösfenkammer vor. Unter ihnen hat der S taatsanw alt die Wahl. Handelt es sich um die Herabwürdigung der Volksführung oder um die Ge­ fährdung des Vertrauens zur Volkssührung (§§ 122, 123 S tG B ), so soll auch für das Feststellungsversah-

ren wie für das Strafverfahren (§ 101 Abs. 1 Nr. 1) die Strafkammer zuständig sein, wobei entsprechend § 105 die Möglichkeit einer Feststellungsklage vor dem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts vor­ gesehen wird. Die Klageschrift muß den Erforder­ nissen des § 28 Abs. 2 entsprechen; das Ziel des Ver­ fahrens muß sie durch den Antrag bezeichnen, festzu­ stellen, ob die Behauptung unwahr ist. Die Feststellungsklage führt zu einer Hauptver­ handlung, in der durch Urteil zu entscheiden ist. D as selbständige Feststellungsverfahren stellt gleichsam einen Ausschnitt aus dem Strafverfahren dar, aus dessen Aufgabenbereich es ein einzelnes Thema her­ auslöst und selbständig behandelt. Der Entwurf regelt daher das Feststellungsverfahren in seinen Einzel­ heiten dadurch, daß er auf die Vorschriften über das Strafverfahren und den Ehrenschutz im Strafver­ fahren (§§ 423 bis 433) verweist und daran einige ergänzende Vorschriften anschließt. Die Grundsätze des Strafverfahrens über die Erforschung der W ahr­ heit, über die Beweisaufnahme, das Urteil, die Rechts­ mittel und die Wiederaufnahme des Verfahrens gelten damit auch im Feststellungsverfahren. F ü r die Hauptverhandlung ist die persönliche Anwesenheit des Antragsgegners nicht erforderlich, da er im Feststellungsverfahren weder eine Strafe noch eine sichernde Maßregel zu erwarten hat und das Ver­ fahren auch durchführbar sein muß, wenn der An­ tragsgegner sich im Ausland aufhält oder sich auf andere Weise der Verfolgung entzieht. Im Ver­ fahren muß ihm aber Gelegenheit zur Verteidigung gegeben werden. I n seiner Abwesenheit darf daher nur verhandelt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen ist, aber unentschuldigt ausbleibt und in der Ladung, die auch öffentlich zugestellt werden kann (§§ 288, 289), darauf hingewiesen worden ist, daß ohne ihn verhandelt werden kann. Ist der Antrags­ gegner verhandlungsunfähig, so sind bei der Verhand­ lung in Abwesenheit des Antragsgegners die Vor­ schriften des § 413 zu beachten. Der Vorsitzer kann zur Aufklärung des Sachverhalts das persönliche E r­ scheinen des Antragsgegners anordnen, auch wenn dieser sich von einem Rechtsanwalt vertreten läßt. Aus der Verweisung auf die Vorschriften über das Strafverfahren ergibt sich aber, daß der Antragsgeg­ ner die Stellung des Beschuldigten hat und daher nicht Zeuge sein kann. D a im Feststellungsverfahren weder aus Strafe noch auf sichernde Maßregeln erkannt werden kann, sind Zwangsmaßnahmen gegen den Antragsgegner, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden sind, nicht zulässig. Der Entwurf schließt deshalb die Untersuchungshaft, die im § 207 geregelten M aß­ nahmen zur Vermeidung des Haftvollzugs und die Anstaltsbeobachtung zur Untersuchung des Geisteszu­ standes (§ 245) gegenüber dem Antragsgegner im Feststellungsverfahren aus. Hingegen ist die Vorfüh­ rung des Antragsgegners zulässig, wenn der Vorsitzer nach Absatz 3 das persönliche Erscheinen angeordnet hat. I m Urteil sind die Feststellungen zu treffen, die nach § 429 geboten sind, wenn die Äußerung sich als unwahr erwiesen oder die Nichterweislichkeit sich er­ geben hat. Ist der Beweis der Wahrheit erbracht, so

wird die Klage zurückgewiesen, desgleichen, wenn der Antragsgegner die Behauptung weder aufgestellt noch verbreitet hat. Hält dagegen das Gericht die im § 434 aufgestellten Verfahrensvoraussetzungen nicht für erfüllt, so hat es das Verfahren allgemeinen Ver­ fahrensgrundsätzen entsprechend einzustellen. Die Rechtsmittel gegen das Urteil stehen dem S ta a tsa n ­ walt, dem Antragsteller und dem Beschuldigten zu.

Übergang

§ 436 zum S t r a f v e r f a h r e n

I s t bei dem Strafgericht ein von dem S ta a tsa n ­ walt beantragtes selbständiges Feststellungsverfahren anhängig, so kann sich in der Hauptverhandlung ergeben, daß entgegen der ursprünglichen Annahme doch die Voraussetzungen für eine Bestrafung vor­ liegen, z. B. daß eine Verfolgung berechtigter Zwecke nicht anerkannt werden kann, daß der Antragsgegner nicht schuldunfähig ist oder daß eine Amnestie auf ihn keine Anwendung findet. Der Entwurf läßt daher im Absatz 2 den Übergang vom Feststellungsverfahren zum Strafverfahren zu, jedoch nur auf Antrag des Staatsanw alts, weil allein diesem die Anklagebefug­ nis zusteht; das Gericht ist von sich aus nicht befugt, Verhandlung und Entscheidung aus die Frage der Strafbarkeit auszudehnen. Wird der Antrag gestellt, so tritt die Feststellungsklage, die nach § 435 ohnedies den Erfordernissen einer Anklageschrift zu entsprechen hat, an die Stelle der Anklage. Es gelten dann die Bestimmungen über das Strafverfahren. Gemeinsame Vorschriften § 437 A u s ü b u n g der Be f u g n i s s e des V e r l e t z t e n dur ch a n d e r e F ü r die Fälle, in welchen der Verletzte aus tat­ sächlichen oder rechtlichen Gründen außerstande ist, die der Rufwiederherstellung dienenden' Befugnisse wahrzunehmen, sei es weil er verstorben ist oder weil er nicht die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit besitzt, ermächtigt die vorliegende Bestimmung, entsprechend der für den Strafantrag vorgesehenen'Regelung, die nächsten Angehörigen bzw. den gesetzlichen Vertreter und den Sorgeberechtigten, die dem Verletzten zu­ stehenden Rechte auszuüben; desgleichen wird auch dem Ehemann, sofern allein die Ehefrau von der ehrenkränkenden Behauptung betroffen ist, die Rechts­ stellung des Verletzten verliehen, jedoch nur für die Dauer der ehelichen Gemeinschaft. Wegen der Rege­ lung im einzelnen kann auf die Begründung zu den §§ 267 und 268 verwiesen werden. Vierter Abschnitt Entschädigung des Verletzten Greift die Straftat nicht n ur in den Rechtsfrieden der Volksgemeinschaft ein, sondern fügt sie auch einem einzelnen Volksgenossen Schaden zu, so entsteht für jede Rechtsordnung, die zwischen den strafrechtlichen und den bürgerlichrechtlichen Folgen der S traftat unterscheidet, die Frage, ob für die Sühne der Tat

und für die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens in einem einheitlichen Verfahren Sorge getragen werden soll. Das bisherige Recht des Altreichs weist diese Aufgaben fast ausnahmslos verschiedenen Verfahren zu. Es verwehrt dem Ver­ letzten, seine Ansprüche auf Schadloshaltung gegen den Täter im Strafverfahren zu verfolgen, und ver­ weist ihn damit an den Richter der bürgerlichen Rechtspflege. Nur soweit das bisherige Strafrecht in den §§ 188, 231 S tG B , und einigen strafrecht­ lichen Nebengesetzen die Zuerkennung einer Buße an den Verletzten vorsieht, ermöglicht das bisherige Strafverfahrensrecht die Verfolgung des Bußanspruchs im Strafverfahren (§§ 403 bis 406 S tP O .). Da auf eine Buße nur bei wenigen Straftaten erkannt werden kann und da sie infolge ihrer Ausgestaltung zu einer Art privater S trafe nur ein unvollkommenes Mittel zur Wiedergutmachung bildet, ist der Verletzte in aller Regel darauf angewiesen, seine Entschädi­ gungsansprüche im Wege des bürgerlichen Rechts­ streits geltend zu machen, auch wenn die Ansprüche im Strafverfahren ohne besondere Mühe nach Grund und Betrag festgestellt werden könnten. Die Ausscheidung der bürgerlichrechtlichen Ansprüche des Verletzten aus dem Strafverfahren ist im wesentlichen erst durch die Strafprozeßordnung von 1877 eingeführt worden. S ie steht im Widerspruch mit der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Rechts, dem es seit alters her eigentümlich war, daß über die strafrechtlichen und die bürgerlichrechtlichen Folgen einer S traftat in demselben Verfahren ent­ schieden wurde. Der Grundsatz, daß der durch eine S traftat Verletzte von dem T äter Entschädigung im Strafverfahren verlangen konnte, galt im älteren deutschen Recht und hielt sich das ganze M ittelalter hindurch bis auf die neueste Zeit. Als sich infolge der Einführung des fremden Rechts in Deutschland die scharfe Scheidung zwischen S traf- und Zivilprozeß ausbildete, entwickelte sich gerade auf deutschem Boden aus den Bedürfnissen der Praxis heraus der Adhä­ sionsprozeß, der es dem Verletzten ermöglichte, seine Entschädigungsansprüche gegen den Täter vor dem Strafrichter zu verfolgen. Dieses Verfahren hielt sich auch noch in verschiedenen vor der Reichsstraf­ prozeßordnung geltenden deutschen Partikularrechten des 19. Jahrhunderts und wurde erst mit der S tra f­ prozeßordnung von 1877 völlig beseitigt. I n Öster­ reich blieb es in der Strafprozeßordnung von 1873 bis heute bestehen. Die Verfolgung der aus einer S traftat erwachsenen bürgerlichrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren ist auch vielen ausländischen Rechten bekannt und insbesondere in Italien , Frank­ reich, Belgien, der Schweiz und Norwegen verbreitet. Diese geschichtliche Entwicklung ist im Rechtsgefühl des deutschen Volkes lebendig geblieben. Auch heute ist es dem Rechtsempfinden des Volkes fremd und unverständlich, daß die Scheidung der Rechtsfolgen einer S traftat in strafrechtliche und bürgerlichrecht­ liche sich auch in der Spaltung des Verfahrens aus­ wirken soll und daß über die bürgerlichrechtlichen Folgen einer S traftat nicht im Strafverfahren mit­ entschieden werden kann. Zur Sühne für eine S tra f­ tat, durch die dem Verletzten ein Schaden erwachsen ist, gehört nach dem Rechtsempfinden des Volkes auch

die Wiedergutmachung des Schadens. Dieser Gedanke ist gesund und muß dazu führen, daß der Täter im Rahmen des Möglichen im Strafverfahren auch zur Schadloshaltung des Verletzten angehalten wird. Er widerspricht nicht dem Grundsatz, daß das Strasver­ sahren dem Schutz der Volksgemeinschaft dient. Denn die Wiedergutmachung des Schadens ist nicht nur vom Standpunkt des einzelnen Verletzten aus er­ wünscht, sondern sie liegt auch im Interesse der Volks­ gemeinschaft. Die rasche Verurteilung des Schuldigen, seine Verpflichtungen gegenüber dem Verletzten aus strafbedrohtem Verhalten zu erfüllen, steigert die Wirkung des Strafurteils beim Täter und in der Volksgemeinschaft. Der Entwurf bekennt sich daher zu dem Grundsatz, daß das Strafverfahren auch die Aufgabe hat, dem Verletzten Genugtuung zu ver­ schaffen, und daß für die Wiedergutmachung des dem Verletzten zugefügten Schadens im Strafverfahren Sorge getragen werden soll, soweit das ohne Beein­ trächtigung seines Hauptzieles geschehen kann. Die Verfolgung der Entschädigungsansprüche im Strafverfahren liegt noch aus einem anderen Grunde in der Richtung des neuen deutschen Strafrechts. Der Weg des bürgerlichen Rechtsstreits ist stets mit gewissen Aufwendungen an Zeit, Mühe und Kosten verbunden, die der Verletzte, zumal bei der Ungewiß­ heit des Erfolgs in der Zwangsvollstreckung, häufig scheuen wird. E r wird daher vielfach nicht nur von der Verfolgung des Anspruchs gegen den Schädiger im bürgerlichen Rechtsstreit, sondern auch von einer Strafanzeige absehen, weil ihm diese auch nicht zum Schadensersatz verhelfen kann. Wird es dem Ver­ letzten möglich sein, auf einfache Weise eine Verur­ teilung des Täters zur Schadloshaltung schon im Strafverfahren zu erlangen, so wird dies vielfach zu einer Verfolgung von Straftaten führen, die ohne die tätige Mitwirkung des Verletzten unverfolgt bleiben würden. Endlich spricht auch der Gesichtspunkt der W irt­ schaftlichkeit staatlicher Tätigkeit dafür, die Regelung des bisherigen Rechts zu verlassen. Die strafrecht­ lichen und die bürgerlichrechtlichen Folgen haben in der S traftat eine und dieselbe Grundlage. Die Ermittlungen des Strafverfahrens reichen meistens aus, wenigstens dem Grunde nach auch über die aus der Straftat erwachsenen Entschädigungs­ ansprüche zu entscheiden, so daß zusätzlich nur noch Feststellungen über die Höhe des Schadens nötig sind. Es bedeutet einen überflüssigen Aufwand an Zeit, Mühe und Kosten sowohl für den S ta a t wie für die Beteiligten, wenn die Entscheidung über die Ent­ schädigungsansprüche in einen besonderen Rechtsstreit verwiesen und der Richter der bürgerlichen Rechts­ pflege gezwungen wird, über einen bereits aufge­ klärten Sachverhalt auf Grund einer neuen Beweis­ aufnahme erneut zu entscheiden. Dagegen spricht auch die Erfahrungstatsache, daß die Beweismittel durch wiederholten Gebrauch an Wert verlieren. End­ lich wird durch die Doppelspurigkeit des Verfahrens die T ür für Widersprüche zwischen den Entscheidungen des Strafrichters und des Zivilrichters geöffnet, die im Interesse des Ansehens der Rechtspflege möglichst verhütet werden müssen.

Freilich läßt sich dieser Rechtsgedanke nur in ge­ wissen Grenzen verwirklichen, die sich aus der Haupt­ aufgabe des Strafverfahrens, dem Schutz des Rechts­ friedens der Volksgemeinschaft zu dienen, ergeben. Soweit die Verfolgung der bürgerlichrechtlichen An­ sprüche des Verletzten vor dem Strafrichter das Strafverfahren dieser Hauptaufgabe entfremden oder seine Durchführung beeinträchtigen würde, nmß die Rücksicht auf die Interessen des Verletzten zurücktreten. Diesem Gedanken trägt der Entwurf in mehrfacher Hinsicht Rechnung: 1. Wird der Angeklagte freigesprochen oder das Strafverfahren eingestellt, so schließt dies nicht aus, daß er dennoch zur Schadloshaltung des Verletzten verflichtst ist. Würde auch in solchen Fällen den E nt­ schädigungsansprüchen im Strafverfahren stattge­ geben und dann gegen die Entscheidung über den bürgerlichrechtlichen Anspruch ein Rechtsmittel ein­ gelegt, so würde das Rechtsmittelverfahren ausschließ­ lich die. Entscheidung über diesen Anspruch zum Gegenstand haben. Es muß aber möglichst vermieden werden, daß das Strafgericht mit diesen Ansprüchen auch dann noch befaßt wird, wenn sie sich vom S tra f­ verfahren losgelöst haben, und dieses rechtskräftig ab­ geschlossen ist. Daher schränkt der Entwurf die Befugnis des Strafrichters, die Ansprüche dem Ver­ letzten zuzusprechen, ans die Fälle des Schuldspruchs ein: Nur wenn der Angeklagte verurteilt, mit S tra f­ vorbehalt verwarnt oder unter Absehen von Strafe schuldig gesprochen wird, kann das Gericht ihn zugleich gemäß dem Antrag des Verletzten verurteilen (§ 438 Abs. 1). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so erledigt sich der Antrag ohne Entscheidung (§ 442 Abs. 2). 2. D as Gericht wird häufig für die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche des Verletzten Be­ weise benötigen, die über den Rahmen des für das Strafverfahren Erforderlichen beträchtlich hinaus­ gehen und deshalb nicht ohne erhebliche Verzögerung des Strafverfahrens beschafft werden könnten. M it der Aufgabe des Strafverfahrens wäre es auch nicht vereinbar, wenn in der Hauptverhandlung durch lang­ wierige Erörterungen zwischen dem Verletzten und dem Angeklagten oder dessen Vertreter schwierige bürgerlichrechtliche Vorfragen, etwa über ein m it­ wirkendes Verschulden des Verletzten, geklärt werden müßten, die für die Entscheidung über die Strafe ohne Bedeutung sind. Die Regelung des Entwurfs geht daher von dem Gedanken aus, daß für die Geltend­ machung bürgerlichrechtlicher Ansprüche im S tra f­ verfahren nur solche Ansprüche in Frage kommen, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach Grund und Betrag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Strafverfahrens klar und einfach liegen. 3. Der Grundsatz, daß durch die Geltendmachung der Ansprüche des Verletzten das Strafverfahren nicht seiner Hauptaufgabe entzogen werden darf, muß auch den Schlüssel für die Lösung einer Frage geben, die zu den schwierigsten dieses Rechtsgebiets gehört und an der die Einführung des Adhäsionsprozesses in die Strafprozeßordnung von 1877 gescheitert ist: der Frage, welche Rechtsmittel dem Verletzten gegen die Entscheidung über die Entschädigungsansprüche zu-

stehen sollen und welche Wirkungen diese Entscheidung haben soll. Würde im Strafverfahren der Entschädi­ gungsanspruch aberkannt werden können und würde eine solche Entscheidung dieselbe Rechtskraftwirkung haben wie ein im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenes Endurteil oder würde gar wie für die Buße des bis­ herigen Strafrechts bestimmt werden, daß über den im Strafverfahren zuerkannten Anspruch hinaus weitere Entschädigungsansprüche nicht geltend gemacht werden können, so müßte dem Verletzten im S tra f­ verfahren eine Rechtsstellung eingeräumt werden, die ihm die erforderlichen Sicherheiten für eine er­ schöpfende Prüfung seines Anspruchs gewährt. I n s ­ besondere müßte ihm dann die Befugnis gegeben werden, die Entscheidung über seine Ansprüche mit Rechtsmitteln anzufechten, selbst wenn die Entschei­ dung über die Strafe unangefochten bliebe. Damit würde das Strafverfahren seiner Hauptaufgabe ent­ fremdet werden. Der Entwurf sieht daher vor, daß Ansprüche des Verletzten, die ihm im Strafverfahren nicht zuerkannt werden, gleichviel, ob sie im S tra f­ verfahren geltend gemacht worden sind oder nicht, im bürgerlichen Rechtsstreit verfolgt werden können (§ 443 Abs. 1 Satz 2). Ergibt sich im Strafverfahren, daß der Antrag des Verletzten unzulässig oder unbe­ gründet ist, so darf das Gericht aus demselben Grund den Anspruch nicht aberkennen, sondern hat sich nach § 441 Abs. 1 einer sachlichen Entscheidung darüber zu enthalten. D a somit der im Strafverfahren geltend gemachte Anspruch nur zuerkannt, nicht abgewiesen werden kann, kann darauf verzichtet werden, dem Antragsteller Rechtsmittel gegen das Urteil des S tra f­ richters zu gewähren. Diese Regelung der Rechtskraft trägt auch dazu bei, die Verfahrensvorschriften zu vereinfachen, die praktische Handhabung des Verfah­ rens zu erleichtern und damit nicht zuletzt die Ver­ folgung der Ansprüche des Verletzten vor dem S tra f­ richter zu begünstigen. 4. Dagegen muß der nach dem Antrag des Ver­ letzten verurteilte Angeklagte die Möglichkeit haben, das Strafurteil auch insoweit anzufechten, als es über den bürgerlichrechtlichen Anspruch erkennt. Würde die Anfechtung auf diesen Teil der Entscheidung beschränkt werden können, so würde das Rechtsmittel­ verfahren den Zusammenhang mit dem eigentlichen Strafverfahren verlieren und in einen bürgerlichen Rechtsstreit übergehen. Entsprechend der auch sonst im Entwurf vorgeschlagenen Regelung, eine das Ge­ richt bindende Teilanfechtung nicht zuzulassen, kann der Angeklagte die Entscheidung über den bürgerlich­ rechtlichen Anspruch nur zugleich mit der strafrecht­ lichen Entscheidung anfechten (§ 442 Abs. 1 Satz 3). Eine Beschränkung des Verfahrens auf den bürgerlich­ rechtlichen Anspruch ist nur im Wiederaufnahmever­ fahren zulässig (§ 444 Abs. 1). I m einzelnen ist zu den Vorschriften folgendes zu bemerken: §• 438 Voraussetzungen Die Vorschrift regelt die grundlegenden Fragen, welche Ansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden können, wer sie erheben kann, gegen wen sie sich richten müssen, vor welchen Strafgerichten das

Entschädigungsverfahren zügelnsten ist und welches Verfahrensergebnis Voraussetzung für die Zuerken­ nung der Ansprüche ist. Der Entwurf verweist wegen der Frage, ob aus einer S traftat ein Entschädigungsanspruch erwächst, aus die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Zuge­ lassen ist die Geltendmachung sämtlicher Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts aus der S traftat erwachsen sind, gleichgültig, ob sie aus Schapensersatz in Geld, auf Wiederherstellung des früheren Zustandes (§ 249 BGB.), auf Herausgabe auf Grund dinglichen Rechts oder wegen ungerecht­ fertigter Bereicherung oder auf Unterlassung künftiger Verletzungen gerichtet sind. Zugelassen sind nicht nur Anträge aus Verurteilung zur Leistung, sondern auch solche, die lediglich die Feststellung des Anspruchs er­ streben. Die Verfahrensvoraussetzungen des Fest­ stellungsbegehrens regelt § 442 Abs. 1 Satz 2 ent­ sprechend dem § 256 Z PO . Die Entscheidung über Feststellungsanträge oder Ansprüche auf Unterlassung künftiger Verletzungen wird in manchen Fällen erheb­ liche Schwierigkeiten bieten. Der Verzögerungs­ gefahr, die hieraus für das Strafverfahren erwächst, kann der Strafrichter aber stets dadurch begegnen, daß er nach § 441 Abs. 1 von der Entscheidung über den Antrag absieht. Der Entwurf beschränkt jedoch die Geltendmachung bürgerlichrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren in mehrfacher Hinsicht: Einmal läßt er nur solche Ansprüche zu, die zur Zuständigkeit der Amts­ gerichte gehören. Daher können nach der derzeitigen Zuständigkeitsregelung (§ 23 des Gerichtsverfassungsgesetzes) in der Regel nur vermögensrechtliche An­ sprüche geltend • gemacht werden, deren Wert 500 Reichsmark nicht übersteigt. Ausgeschlossen sind insbesondere die nicht vermögensrechtlichen Ansprüche des Familienrechts, etwa die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens, die für das Strafverfahren völlig ungeeignet wären. Gehört der Anspruch zur Zuständigkeit eines Sondergerichts, etwa des Arbeits­ gerichts (§ 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes), so kann er im Strafverfahren nicht verfolgt werden, da die Gründe, die dafür maßgebend waren, die Entschei­ dung dem Sondergericht zu übertragen, auch gegen­ über dem Strafgericht Geltung beanspruchen. Die für die Amtsgerichte maßgebende Wertgrenze muß insbesondere deshalb auch im Strafverfahren gelten, weil es nicht zu rechtfertigen wäre, daß das Amts­ gericht als Strafgericht über Ansprüche in unbe­ schränkter Höhe entscheiden könnte, im bürgerlichen Rechtsstreit aber an eine Wertgrenze gebunden ist. Dazu kommt, daß die Zulassung von Ansprüchen, die zur Zuständigkeit der Landgerichte gehören, ähnlich wie bei den Zivilgerichten den Anwaltszwang nötig machen würde, der nicht lediglich mit Rücksicht auf die bürgerlichrechtlichen Ansprüche in t>as Strafver­ fahren eingeführt werden kann. Der Verletzte kann sich aber auf die Geltendmachung des Teils seiner An­ sprüche, der in die amtsgerichtliche Zuständigkeit fällt, beschränken. Wenn in solchen Fällen auch damit gerechnet werden muß, daß wegen der Restansprüche Klage vor dem Zivilgericht erhoben wird, so kann doch schon die Zuerkennung eines Teilanspruchs im S tra f­ verfahren eine nicht zu unterschätzende Hilfe für den

Verletzten bedeuten und unnötige Doppelarbeit er­ sparen. Macht der Verletzte einen Anspruch geltend, der die amtsgerichtliche Zuständigkeitsgrenze über­ schreitet, so wird das Gericht den Teil des Anspruchs zuerkennen, der in die amtsgerichtliche Zuständigkeit fällt, und im übrigen von der Entscheidung über den Anspruch nach § 441 Abs. 1 absehen können. Der Wert des Anspruchs ist entsprechend den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 3 bis 9) zu bestimmen. Voraussetzung für die Geltendmachung des An­ spruchs ist ferner, daß er dem durch die S traftat Ver­ lebten selbst zusteht. Stehen nach dem bürgerlichen Recht mittelbar Geschädigten Ansprüche gegen den Angeklagten zu (§§ 844, 845 BGB. u. a.), so sind auch sie als verletzt im Sinne des § 438 anzusehen. Is t durch die T at eingebrachtes Gut der Ehefrau geschädigt worden, so wird auch der Ehemann, dem die Verwaltung und Nutznießung an dem eingebrach­ ten Gut zusteht, als verletzt zu gelten haben. Dagegen erkennt der Entwurf ein Bedürfnis dafür, daß der Rechtsnachfolger des Verletzten den Anspruch im Strafverfahren geltend macht, grundsätzlich nicht an, gleichviel ob es sich um den Rechtsnachfolger kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäfts, um den Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolger handelt. Die Prüfung der Voraussetzungen der Rechtsnachfolge würde das Strafverfahren oft mit Nachforschungen belasten, die ihm fremd sind. Nur dem Erben und dem Anerben des Verletzten gesteht der Entwurf zu, die auf ihn übergegangenen Ansprüche im Strafver­ fahren geltend zu machen (Absatz 2), da sie in der Regel in nahen persönlichen Beziehungen zum Ver­ letzten stehen und im weiteren Sinne als mitverletzt zu gelten haben. Auch dem Konkursverwalter und ähnlichen Verfügungsberechtigten ist die Geltend­ machung von Ansprüchen im Strafverfahren versagt. Die Ansprüche müssen sich ferner gegen den Ange­ klagten richten. F ü r eine Widerklage ist kein Raum, da sie sich in der Regel nicht aus dem Sachverhalt herleitet, der der S traftat zugrundeliegt; ihre Zu­ lassung würde das Strafgericht mit Aufgaben be­ lasten, die nur noch in einem entfernten Zusammen­ hang mit dem Strafverfahren stehen. Damit wird jedoch die Geltendmachung von Gegenrechten, auch soweit sie sich — wie z. B. die Aufrechnung — auf selbständige Gegenansprüche gründen, nicht ausge­ schlossen (vgl. jedoch die Bemerkungen zu § 441). Ansprüche gegen Mithaftende, die nicht zugleich im Strafverfahren Angeklagte sind, und solche, die nach bürgerlichem Recht die Vollstreckung in bestimmte. Vermögensmassen zu dulden haben, können nicht geltend gemacht werden. Der Mangel der Geschäfts­ fähigkeit des Angeklagten steht der Geltendmachung des Anspruchs nicht entgegen. Der gesetzliche Ver­ treter muß aber die Möglichkeit haben, die Belange des Vertretenen wahrzunehmen. Die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag wird daher vor­ aussetzen, daß der gesetzliche Vertreter als Beistand an der Hauptverhandlung teilnimmt. D as Verfahren zur Entschädigung des Verletzten ist nur zulässig vor dem Amtsrichter und der Schöffen­ kammer, nicht dagegen vor der Strafkammer, dem Oberlandesgericht, dem Volksgerichtshof und dem Reichsgericht. Die Bedeutung der Sachen, die vor

diesen höheren Gerichten verhandelt werden, verträgt es nicht, daß das Gericht auch mit Erörterungen über bürgerlichrechtliche Ansprüche befaßt wird. Aus den in der Vorbemerkung dargelegten G rün­ den kann der Anspruch nur zuerkannt werden, wenn der Angeklagte verurteilt, mit Strafvorbehalt ver­ w arnt oder unter Absehen von S trafe schuldig ge­ sprochen wird. Als Verurteilung ist auch die selb­ ständige Anordnung einer sichernden Maßregel anzusehen (§ 84 Abs. 2). Wird der Angeklagte frei­ gesprochen oder das Verfahren eingestellt, so erledigt sich der Antrag ohne Entscheidung (§ 442 Abs. 2). § 439

Ant rag Es steht in der Wahl des Verletzten oder sonst Antragsberechtigten, für die Geltendmachung des Anspruchs den Weg des bürgerlichen Rechtsstreits oder den des Strafverfahrens zu beschreiten. E r ist freilich nur dann in der Lage, seine Rechte im S tra f­ verfahren geltend zu machen, wenn er davon Kennt­ nis erhält, daß Anklage erhoben ist und wann und wo die Hauptverhandlung stattfindet. Indessen würde es den Staatsanw alt und das Gericht übermäßig belasten, wenn sämtliche oft gar nicht bekannte Ver­ letzte hierüber von Amts wegen unterrichtet werden müßten. Die Pflicht des S taatsanw alts, in geeig­ neten Fällen den Antragsberechtigten über die Mög­ lichkeit des Anschlusses zu belehren, muß beweglich gehalten werden. Sie zu regeln, überläßt der Entwurf daher Verwaltungsanordnungen. Der Verletzte oder Erbe kann den Anspruch im Strafverfahren nur geltend machen, wenn er nach den allgemeinen Vorschriften dazu befugt ist. Bedarf er nach bürgerlichem Recht eines gesetzlichen Vertreters, so kann nur dieser für ihn den Antrag stellen. Is t die Ehefrau verletzt, so richtet sich die Befugnis zur Stellung des Antrages gleichfalls nach bürgerlichem Recht (vgl. § 1400 Abs. 2, §§ 1437 ff. BGB.). Ist nach Konkursrecht der verletzte Gemeinschuldner zur Geltendmachung des Anspruchs nicht in der Lage, so gilt dies auch für die Geltendmachung im Strafver­ fahren. Auch andere Verfügungsbeschränkungen des bürgerlichen Rechts sind im Strafverfahren zu beachten. Um die Verfolgung der bürgerlichrechtlichen An­ sprüche im Strafverfahren möglichst zu erleichtern, sieht der Entwurf vor, daß der Antrag bis zur Be­ endigung der Schlußvorträge in der Hauptverhand­ lung des ersten Rechtszuges gestellt werden kann. Es ist allerdings zweckmäßig, daß der Antrag mög­ lichst schon vor der Hauptverhandlung oder zu ihrem Beginn gestellt wird, damit das Gericht auf ihn vor­ bereitet ist und der Angeklagte dazu rechtzeitig Stellung nehmen kann. Stellt der Antragsteller den Antrag erst gegen Schluß der Hauptverhandlung, so läuft er Gefahr, daß seine Prüfung zur Vermeidung einer Verzögerung des Strafverfahrens unterbleiben muß (§ 441 Abs. 1). Außerhalb der Hauptverhand­ lung ist der Antrag schriftlich oder zur Niederschrift bei Gericht zu stellen. I n der Hauptverhandlung kann er auch mündlich gestellt werden. Da der An-

geklagte in der Hauptverhandlung über den geltend gemachten Anspruch zu hören ist (§ 440 Abs. 3), wird die Stellung des Antrags in der Hauptverhandlung die Anwesenheit des Angeklagten voraussetzen. Wird der Antrag bereits im Vorverfahren beim S ta a tsa n ­ walt eingereicht, so wird dieser ihn mit der Anklage an das Gericht weiterzuleiten haben. M it Rücksicht auf die Wirkungen, die der Antrag auslöst, sind darin der Gegenstand und der Grund des Anspruchs be­ stimmt zu bezeichnen, ähnlich wie dies in § 253 der Zivilprozeßordnung für die Klage im bürgerlichen Rechtsstreit vorgeschrieben ist. Der Antragsteller wird zweckmäßig auch die Beweismittel angeben. E s würde dem Zweck der neuen Vorschriften zu­ widerlaufen, wenn der Anspruch des Verletzten im Strafverfahren geltend gemacht werden könnte, so­ lange bei einem anderen Gericht ein Rechtsstreit darüber anhängig ist. Der Absatz 2 schließt daher für solche Fälle ausdrücklich die Verfolgung des An­ spruchs im Strafverfahren aus. Daß umgekehrt die Geltendmachung des Anspruchs im Strafverfahren die Rechtshängigkeit begründet und daher einer Klage wegen des Anspruchs im bürgerlichen Rechtsstreit die Einrede der Rechtshängigkeit entgegengesetzt werden kann, ergibt sich aus Absatz 4. Die Zurücknahme des Antrags ist bis zur Ver­ kündung des Berufungsurteils möglich und bedarf auch nach dem Beginn der Hauptverhandlung nicht der Zustimmung des Angeklagten. Da sie die Rechts­ hängigkeit des Anspruchs beendigt, kann der Verletzte nach der Zurücknahme die Klage im bürgerlichen Rechtsstreit erheben. Wenn auch durch die Zurück­ nahme des Antrags die erneute Verfolgung des An­ spruchs im Strafverfahren nicht ausgeschlossen wird, so wird eine Erneuerung des Antrags doch in der Regel wegen der damit verbundenen Verzögerung die Anwendung des § 441 Abs. 1 begründen. Der Absatz 4 knüpft an die Geltendmachung des Anspruchs im Strafverfahren dieselben sachlichrecht­ lichen und verfahrensrechtlichen Wirkungen wie an die Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Demnach wird durch den Antrag die Verjährung des Anspruchs unterbrochen, bis über den Anspruch im S trafver­ fahren rechtskräftig entschieden oder der Antrag an­ derweitig erledigt wird (§§ 209, 211 BGB.). Aus Absatz 4 ergibt sich auch, daß die Geltendmachung des Anspruchs im Strafverfahren für einen denselben An­ spruch betreffenden bürgerlichen Rechtsstreit die Ein­ rede der Rechtshängigkeit begründet. Diese Wirkungen treten wie bei der Klage mit der Zustellung des An­ trags an den Angeklagten und, falls der Antrag in der Hauptverhandlung gestellt wird, mit der münd­ lichen Stellung des Antrags ein. Die Zustellung des Antrags an den Angeklagten hat das Gericht von Amts wegen zu bewirken. § 440 Verfahrensvorschriften Da die Verfahrensgrundsätze des bürgerlichen Rechtsstreits von denen des Strafverfahrens wesent­ lich abweichen, würde es zu Schwierigkeiten führen, wenn der Strafrichter zwar int allgemeinen nach den

Vorschriften der Strafverfahrensordnung verhandeln, bei der Verhandlung und Entscheidung über die An­ sprüche des Verletzten aber die Regeln des bürger­ lichen Rechtsstreits, insbesondere die Vorschriften über die mündliche Verhandlung, die Beweisaufnahme und die Beweismittel, anwenden würde. Wird die Gel­ tendmachung von Ansprüchen des bürgerlichen Rechts im Strafverfahren zugelassen, so kann dies nur derart geschehen, daß die Prüfung des Anspruchs sich grund­ sätzlich nach den Vorschriften der Strafverfahrensord­ nung richtet. Der Entwurf sieht davon ab, diesen Grundsatz ausdrücklich auszusprechen; er ergibt sich ohne weiteres daraus, daß der bürgerlichrechtliche Anspruch int Strafverfahren auf Grund des hier gewonnenen Beweisergebniffes miterledigt wird, sofern er am Schluß der Hauptverhandlung über die Strafsache zur Entscheidung reif ist. Hieraus ergeben sich eine Reihe von Folgerimgen: Uber den Antrag ist nach mündlicher Erörterung auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung zit entscheiden. Dabei ist dem Angeklagten nach Absatz 3 das rechtliche Gehör zu gewähren. Die Verhandlung über den Antrag muß in Anwesenheit des Angeklag­ ten erfolgen, soweit nicht seine Abwesenheit nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Solange und soweit nicht feststeht, daß sich der Antrag zur Erledi­ gung im Strafverfahren nicht eignet oder unzulässig oder unbegründet ist (§ 441 Abs. 1), hat das Gericht von Amts wegen alles zu tun, was zur Prüfung des Antrags erforderlich ist, insbesondere die Beweise von Amts wegen zu erheben (§ 64). über den Umfang der Beweisaufnahme entscheidet der Vorsitzer nach pflichtmäßigem Ermessen. Die in der Rechtsprechung ausgebildeten Grundsätze, die die Ablehnung von Be­ weisanträgen einschränken und auch für das neue Recht Bedeutung haben, gelten nur für die Entschei­ dung über die Schuld und über die Strafe und sichernde Maßregeln, nicht auch für die Beweisauf­ nahme zu anderen Zwecken. Die Vernehmung und Vereidigung der Zeugen und Sachverständigen und die Verwertung von Schriften richtet sich gleichfalls nach den Vorschriften des Strafverfahrens, so daß für einen Urkundenbeweis oder eine Parteiverneh­ mung nach Zivilprozeßrecht kein Raum ist. Ob zwischen dem Antragsteller und dem Angeklag­ ten über den Anspruch im Strafverfahren ein gericht­ licher Vergleich (§ 794 Nr. 1 Z PO .) geschloffen werden kann, regelt der Entwurf nicht ausdrücklich. Vielfach werden Vergleichsverhandlungen mit dem Ernst und der Würde einer Hauptverhandlung nicht in Einklang zu bringen sein. Hat sich jedoch der Angeklagte mit dem Antragsteller geeinigt, so kann das Gericht die Einigung der Zuerkennung des Anspruchs zugrundelegen und auf der Grundlage der Einigung durch das Urteil dem Antragsteller einen Vollstreckungstitel verschaffen. Der Grundsatz, daß für die Prüfung von bürger­ lichrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren nicht die Regeln des Zivilprozeffes, sondern diejenigen des Strafverfahrens maßgebend sind, schließt jedoch die entsprechende Anwendung gewisser Vorschriften der Zivilprozeßordnung nicht völlig aus. Der Entwurf regelt das Verfahren zur Entscheidung über den An­ trag nicht erschöpfend, sondern beschränkt sich aus die

wesentlichen Grundsätze. Soweit die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozeßordnung dem Zweck und Wesen des Strafverfahrens nicht ent­ gegensteht, wird auf diese Vorschriften zurückgegriffen werden können. S o werden z. B . *) die Vorschriften über die Wertberechnung (§§ 3 bis 9), die Sicher­ heitsleistung (§§ 108, 109), die Ausklärungspflicht des Gerichts (§ 139) und die Schadensermittlung (§ 287), hinsichtlich des Antragstellers auch die Vor­ schriften über die Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit (§§ 50 bis 56) entsprechend anzuwenden sein. Eine Beweisaufnahme über Umstände, die lediglich für die Entscheidung über den Anspruch, nicht auch für die Entscheidung der Strafsache von Bedeutung sind, wird in der Regel entbehrlich sein, wenn der Gegner sie zugesteht oder den Anspruch anerkennt. F ür das Verfahren bei Zustellung gelten nach § 287 ohnedies die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung ent­ sprechend. Die Rechtsstellung des Antragstellers im Verfah­ ren wird durch den § 440 umschrieben. F ü r die Aus­ gestaltung seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse muß die Erwägung maßgebend sein, daß im Strafverfah­ ren nur zu seinen Gunsten, niemals zu seinem Nachteil entschieden werden kann, da er Ansprüche, die ihm im Strafverfahren nicht zugesprochen werden, stets vor den Zivilgerichten weiter verfolgen kann. Seine Stellung int Verfahren ist demnach wesentlich anders als die des Angeklagten, aber auch als die des Klägers im bürgerlichen Rechtsstreit. Zwischen ihm und dem Angeklagten braucht keine Waffengleichheit zu be­ stehen. Die Einräumung der Befugnisse des Ange­ klagten an ihn würde sogar gegen wesentliche Grund­ sätze des neuen Strafverfahrens verstoßen, in dem für eine dem Privatkläger oder dem Nebenkläger ähnliche Stellung des Verletzten kein Raum mehr ist. Die verfahrensrechtlichen Befugnisse, die der Entwurf dem Antragsteller gewährt, sind derart gehalten, daß sie dem Antragsteller die Geltendmachung seines An­ spruchs im Strafverfahren ermöglichen, daß aber eine Verzögerung oder Störung des Strafverfahrens vermieden wird. Der Antragsteller darf im Verfahren nur seinen bürgerlichrechtlichen Anspruch geltend machen. Die Strafverfolgung darf er nicht mitbetreiben, da diese Aufgabe dem Staatsanw alt und dem Gericht vorbe­ halten ist. Versahrensrechtliche Befugnisse darf der Antragsteller auch nur solange, ausüben, als sich das Gericht mit der sachlichen Prüfung seines Anspruchs befaßt oder noch zu befassen hat. S ie entfallen, wenn das Gericht nach § 441 beschließt, von der Entschei­ dung über den Antrag abzusehen. Die Vernehmung des Verletzten als Zeugen wird durch den Antrag nicht ausgeschlossen. I m einzelnen räumt der E nt­ wurf ihm folgende Befugnisse ein: Von O rt und Zeit der Hauptverhandlung ist der Antragsteller zu benachrichtigen, damit er zur Haupt­ verhandlung erscheinen kann (Absatz 1). An der Hauptverhandlung kann er teilnehmen (Absatz 2). Jedoch ist sein Anwesenheitsrecht Beschränkungen unterworfen, die denjenigen des Antragstellers im 9 D ie Regelung des Armenrechts bleibt vorbehalten, bis die Kosten-estimmungen feststehen.

Ehrenschutzversahreu (§ 426) entsprechen und den Vorrang der Zwecke des Strafverfahrens sicherstellen. Der Vorsitzer darf den Antragsteller von der Haupt­ verhandlung fernhalten, wenn zu befürchten ist, daß seine Anwesenheit die' Erforschung der Wahrheit er­ schweren würde oder wenn andere wichtige Gründe es rechtfertigen. Is t der Antragsteller zugleich Zeuge, so darf die Verwertung seiner Zeugenaussage nicht durch seine Anwesenheit bei der gesamten Beweisauf­ nahme beeinträchtigt werden. Zu seiner vorüber­ gehenden Ausschließung von der Verhandlung wird auch dann Anlaß bestehen, wenn in ihr geheimzu­ haltende Dinge erörtert werden. Andererseits steht es dem Antragsteller frei, der Hauptverhandlung ganz fernzubleiben. Kann ohne ihn nicht verhandelt werden und bleibt er aus, so wird das Gericht nach § 441 von der Entscheidung über den Antrag abzu­ sehen haben. Die Zulassung eines Beistandes des Antragstellers liegt im Ermessen des Vorsitzers. Der Antragsteller muß, falls er an der Hauptver­ handlung teilnimmt, über den geltend gemachten Anspruch gehört werden (Absatz 3). I n dem Recht, gehört zu werden, liegt auch die Befugnis, Beweis­ anträge zu stellen, zu der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen Stellung zu nehmen unt> das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen. Eine Stellungnahme zur Strasfrage ist dem Antragsteller aus grundsätzlichen Erwägungen verwehrt. Die Be­ fugnis des Gerichts, nach § 441 Abs. 1 von der E nt­ scheidung über den Antrag abzusehen, ermöglicht es auch, eine Verzögerung oder Störung der Hauptver­ handlung durch den Antragsteller zu vermeiden. Daß dem Antragsteller die Rechtsmittel der Beru­ fung oder Urteilsrüge versagt sein müssen, ist schon in der Vorbemerkung dargelegt. Darüber hinaus schließt der Absatz 4 auch andere Rechtsbehelfe des Antragstellers aus. Ih m steht daher auch nicht gegen Beschlüsse und Verfügungen, die seinen Antrag oder seine Teilnahme am Verfahren betreffen, das Rechts­ mittel der Beschwerde zu. Insbesondere ist der Be­ schluß des Gerichts, von der Entscheidung über den Antrag abzusehen (§ 441 Abs. 1), unanfechtbar. F ür diese Regelung ist maßgebend, däß jeder Rechtsbehelf des Antragstellers zu einer Verzögerung des Verfah­ rens führen würde. Andererseits erwachsen ihm durch den Ausschluß der Rechtsbehelse keine Rechtsnachteile, da er Ansprüche, mit denen er im Strafverfahren nicht durchdringt, im bürgerlichen Rechtsstreit geltend machen kann. * Aus diesem Grunde steht ihm auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu. § 441 Absehen von der Ent schei dung Wie schon die Vorbemerkung. darlegt, darf die Entscheidung über den bürgerlichrechtlichen Anspruch nicht zu einem Hemmschuh für das Strafverfahren werden. Daher muß der Anspruch, über den im S tra f­ verfahren entschieden werden soll, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach Grund und Betrag einfach liegen, so daß über ihn am Schluß der Beweisauf­ nahme des Strafverfahrens ohne weiteres mitent­ schieden werden kann. Is t diese Voraussetzung nicht gegeben, so ist der Anspruch zur Erledigung im Stras-

verfahren nicht geeignet. D as Gericht hat dann zu beschließen, daß von der Entscheidung über den An­ trag abgesehen wird. Die Eignung sehlt, wie der Entwurf hervorhebt, insbesondere, wenn die E nt­ scheidung über den Antrag das Strasversahren ver­ zögern würde. Die mangelnde Eignung kann sich auch daraus ergeben, daß der Angeklagte im Wege der Ausrechnung Gegenansprüche geltend macht, die nicht ohne weiteres geklärt werden können. Eine gewisse Zeit wird freilich jede Erörterung des Anspruchs im Strafverfahren erfordern. Insbesondere wird es nicht immer vermeidbar sein, daß über die Höhe des Schadens einzelne Beweise erhoben werden müssen, die für die strafrechtliche Entscheidung ohne Bedeutung sind. Der Zweck des neuen Verfahrens würde verkannt werden, wenn schon eine geringfügige Verzögerung, die durch eine für die sachliche Entscheidüng über den Anspruch nötige Beweiserhebung zu erwarten wäre, das Gericht zu einer Ablehnung des Antrags veranlassen würde. Eine zu weitgehende Ab­ lehnung einer sachlichen Entscheidung würde weder dem Ansehen der Gerichte noch den Interessen der Beteiligten dienen. Der Hauptzweck des neuen Ver­ fahrens, sine doppelte Prüfung desselben Sachver­ halts von verschiedenen Gerichten zu vermeiden, kann nur erreicht werden, wenn die Gerichte bei der E nt­ scheidung der Frage, ob der Antrag sich für die Erledigung im Strafverfahren eignet, nicht kleinlich verfahren. D as Gericht muß auch dann von der Entscheidung absehen, wenn die in den §§ 438, 439 genannten Versah rensvoraussetzungen nicht erfüllt sind, z. B., wenn ein Rechtsstreit über den Anspruch anderweit anhängig ist oder wenn ein anderer Rechtsnachfolger als der Erbe oder Anerbe des Verletzten den Anspruch geltend machen will. Der Antrag ist aber auch dann zurückzuweisen, wenn sich aus allgemeinen Vorschrif­ ten ergibt, daß der Antragsteller zur Geltendmachung des Antrags nicht befugt ist: Gehört etwa der An­ spruch zu einer Konkursmasse oder ist er gepfändet, so ist dem Verletzten als dem Gemeinschuldner oder Schuldner seine Geltendmachung entzogen. Is t der Angeklagte Gemeinschuldner, so ist der Verletzte als Konkursgläubiger daraus angewiesen, den Anspruch als Konkursforderung anzumelden. Wie die Vorbe­ merkung darlegt, kann der Strafrichter dem Verletzten den Anspruch nur zuerkennen. Daher sieht der S tra f­ richter gemäß Absatz 1 auch dann von der Entschei­ dung über den Anspruch ab, wenn er ihm unbegründet erscheint. Der Beschluß, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, ist geboten, auch wenn die Gründe dafür erst im Laufe des Verfahrens eintreten. Geht der Anspruch während des Strafverfahrens auf einen anderen Rechtsnachfolger als einen Erben oder An­ erben über, so ist demnach eine sachliche Entscheidung über den Anspruch im Strafverfahren nicht zulässig. Der Beschluß beendigt die Rechtshängigkeit des An­ spruchs im Strafverfahren; dieser kann nunmehr wieder im bürgerlichen Rechtsstreit geltend gemacht werden. Die in § 441 vorgesehene Entscheidung trifft das Gericht durch Beschluß. Dieser Beschluß kann zu­ sammen mit dem Urteil, aber auch schon vorher im

Laufe der Hauptverhandlung und, wenn seine Vor­ aussetzungen klarliegen, auch schon vor der Hauptver­ handlung erlassen werden, z. B. wenn die Geltend­ machung des Anspruchs im Strafverfahren unzulässig oder der Anspruch offensichtlich unbegründet ist. Der Antragsteller kann nach § 440 Abs. 4 den Beschluß nicht anfechten. Würde ihm dagegen die Beschwerde zustehen, so würde das in vielen Fällen den Zweck des Beschlusses vereiteln. D as Rechtsmittelgericht käme dann auch in die Lage, im ersten und meist auch letzten Rechtszug über den Anspruch sachlich zu entscheiden. Dem Angeklagten kann es aber nicht verwehrt sein, eine Nachprüfung der Entscheidung über den Anspruch mit den gegen das Urteil gewährten Rechtsmitteln herbeizuführen. Aus diesen Gründen muß der Be­ schluß, von einer sachlichen Entscheidung abzusehen, einer Beschwerde des Antragstellers entzogen sein. Der S taatsanw alt kann gegen ihn nach allgemeinen Vorschriften (§§ 299, 305) Beschwerde erheben. M it Rücksicht hierauf kann davon abgesehen werden, den Beschluß mit ausführlichen Gründen zu versehen. Der Beschluß wird lediglich anzugeben haben, aus welchem der in Absatz 1 erwähnten Gründe von der Ent­ scheidung abgesehen wird. Eine weitere Begründung etwa darüber, weshalb das Gericht den Antrag als unzulässig oder unbegründet ansieht, würde der Ent­ scheidung des Zivilgerichts vorgreifen und sollte tun­ lichst vermieden werden. § 442 Z u e r k e n n u n g des An s pr uc hs Eignet sich der Antrag nicht zur Erledigung im Strafverfahren oder ist er unzulässig oder unbegrün­ det, so sieht das Strafgericht nach § 441 von einer sachlichen Entscheidung über ihn ab. Eine sachliche Entscheidung ergeht auch dann nicht, wenn der Ange­ klagte wegen der S traftat weder schuldig gesprochen noch eine sichernde Maßregel gegen ihn verhängt wird. I n diesen Fällen erledigt sich der Antrag ohne Entscheidung (§ 442 Abs. 2). Die Gründe für diese Regelung sind in der Vorbemerkung zu diesem Ab­ schnitt dargelegt, über den Antrag kann mithin sach­ lich nur entschieden werden, wenn der Angeklagte wegen der S tra fta t verurteilt, mit Strafvorbehalt verwarnt oder unter Absehen von Strafe schuldig gesprochen wird und der geltend gemachte Anspruch nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung zuerkannt werden kann. Der Antrag bestimmt, wie sich aus den §§ 438, 442 Abs. 1 ergibt, die Schranken der Ent­ scheidungsbefugnis. Entsprechend dem § 308 Abs. 1 ZPO . hat sich das Gericht im Rahmen des gestellten Antrags zu halten. Soweit der Antrag nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung begründet und aus Verurteilung zur Leistung gerichtet ist, hat das Ge­ richt den Angeklagten im Urteil zur Leistung zu ver­ urteilen. Ist der Antrag nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nur teilweise geklärt, so hat es ihm stattzugeben, soweit er begründet ist, und hinsichtlich des ungeklärten Teils nach § 441 Abs. 1 zu verfahren. Eine teilweise Zuerkennung des Anspruchs enthebt das Zivilgericht wenigstens der Aufgabe, diesen Teil nochmals zu prüfen, und bedeutet daher gleichfalls eine Ersparung unnötiger Doppelarbeit. Meist wird

es auch im Interesse des Verletzten liegen, ihm einen Vollstreckungstitel wenigstens für einen Teil seiner Ansprüche zu verschaffen. Hält das Gericht den An­ spruch in voller Höhe für begründet, so hat es, wie zu § 438 ausgeführt worden ist, von der Entscheidung über den Antrag insoweit abzusehen, als der Anspruch über die amtsgerichtliche Zuständigkeitsgrenze hin­ ausgeht. Is t nur ein Antrag auf Feststellung des Bestehens des Anspruchs gestellt, und erscheint er begründet, so hat das Gericht ihm nach Absatz 1 Satz 2 unter der weiteren Voraussetzung zu entsprechen, daß an der alsbaldigen Feststellung ein rechtliches Interesse be­ steht. Diese besondere Versahrensvoraussetzung ent­ spricht derjenigen, die nach § 256 ZPO. für die Feststellungsklage gilt. Die zur Feststellungsklage entwickelte Rechtsprechung wird daher auch im S tra f­ verfahren von Bedeutung sein. Indessen ist zu be­ achten, daß im Strafverfahren über den Grund des Anspruchs vielfach ohne weiteres entschieden werden kann, während die Prüfung seiner Höhe weitere Be­ weiserhebungen erforderlich machen kann, die zu einer Verzögerung des Strafverfahrens führen würden. D ann wird abweichend von den im bürgerlichen Rechtsstreit geltenden Regeln für den Antragsteller ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststel­ lung bestehen, auch wenn vor den Zivilgerichten schon auf Leistung geklagt werden könnte, da die rechts­ kräftige Feststellung über den Grund des Anspruchs die Wiederholung der Beweisaufnahme vor dem Zivilgericht ersparen kann. Die Feststellung ist nur soweit zulässig, als der Anspruch in den Rahmen der amtsgerichtlichen Zuständigkeit fällt, da'die im § 438 ausgestellte Wertgrenze auch bei der Feststellung des Bestehens von Ansprüchen beachtet werden muß. D as Gericht wird schon durch die Fassung des Urteils­ spruchs dieser Begrenzung Rechnung zu tragen haben. Auch wenn der Urteilsspruch die Geltung der Fest­ stellung nicht ausdrücklich aus Ansprüche in Höhe der Wertgrenze beschränkt, erstreckt sich die Rechtskraft der Feststellung nur aus den in die amtsgerichtliche Zu­ ständigkeit fallenden Betrag des Anspruchs. Eine sachliche Entscheidung über den Antrag kann, wie sich aus § 442 Abs. 1 ergibt, nur durch Urteil, nicht im Strafbefehl erfolgen. S ie gehört als Teil des entscheidenden Ausspruchs in den Urteilsspruch über die Strafsache (§ 82 Nr. 4). Demgemäß ist die E nt­ scheidung über den Anspruch nach § 91 in den Urteils­ gründen zu rechtfertigen. Von Vorschriften über die äußere Form eines solchen Urteils sieht der Entwurf ab. M it Rücksicht aus die Rechtskrastwirkung und die Vollstreckung des Urteils (vgl. § 750 Z PO .) wird davon auszugehen sein, daß im Eingang des Urteils auch der Name, Geburtsname, Rufname und Wohnort des Antragstellers und, falls ein gesetzlicher Vertreter den Anspruch geltend macht, auch dieser anzugeben sind. Ist der Angeklagte in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt, so ist auch sein gesetzlicher Ver­ treter, der als Beistand an der Hauptverhandlung teilnimmt (§ 153), auszuführen. § 442 Abs. 1 Satz 4 gibt dem Antragsteller das Recht auf Mitteilung einer Abschrift des Urteils mit den Gründen. Jedoch genügt die Mitteilung eines Auszugs, der den Urteilsspruch und von den G rün­

den die zum Verständnis der Entscheidung über den Anspruch erforderlichen Ausführungen enthält. Sache des Antragstellers ist es dann, die für die Zwangs­ vollstreckung erforderliche Zustellung an den Ange­ klagten zu betreiben. Aus den in der Vorbemerkung dargelegten G rün­ den sind dem Antragsteller Rechtsmittel gegen das über den Anspruch entscheidende Urteil versagt. Von den Beteiligten kann nur der Angeklagte gegen die Entscheidung über den Anspruch Rechtsmittel einlegen. E r kann die Entscheidung über den Antrag nur zu­ gleich mit der strafrechtlichen' Entscheidung anfechten (Absatz 1 Satz 3), mit bindender Wirkung kann er die Anfechtung nicht aus die Entscheidung über den An­ spruch beschränken. Dadurch soll der Zusammenhang mit dem eigentlichen Strafverfahren gewahrt und der Übergang in einen vom Strafgericht zu entscheidenden rein bürgerlichen Rechtsstreit vermieden werden (vgl. die Vorbemerkung). Begehrt jedoch der Angeklagte nicht auch eine Nachprüfung der Entscheidung in der Strafsache, so kann das Berufungsgericht die Ver­ handlung und Beweisaufnahme aus die Entscheidung über den bürgerlichrechtlichen Anspruch nach § 325 Abs. 2 beschränken. Wendet sich das Rechtsmittel des Angeklagten nur gegen das Urteil in der Strafsache, so hat die Unteilbarkeit des Rechtsmittels zur Folge, daß stets auch die Entscheidung über den Antrag der Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts unterworfen wird. Diese Regelung, die sich aus den allgemeinen Rechtsmittelvorschristen ergibt, ist deshalb geboten, weil jede Änderung der Entscheidung in der Schuld­ frage der Entscheidung über den Anspruch die Grund­ lage entziehen kann. Ob das Rechtsmittelgericht über den Anspruch sachlich zu erkennen oder unter Aus­ hebung der darüber ergangenen Entscheidung des ersten Rechtsmittelzuges von einer sachlichen Prüfung des Anspruchs abzusehen hat, bestimmt sich nach den §§ 441, 442, die auch im Rechtsmittelverfahren gelten. Ficht der Staatsanw alt das in der Strafsache er­ gehende Urteil an, so wird damit nach § 317 auch die Rechtskraft der über den Anspruch ergangenen Ent­ scheidung gehemmt. Auch diese Entscheidung wird dann der Nachprüfung des Rechtsmittelgerichts unterworfen, selbst wenn der Angeklagte kein Rechts­ mittel eingelegt haben sollte. Wird das Rechtsmittel­ gericht mit der Nachprüfung der Entscheidung in der Strafsache befaßt, so' muß es ohne Rücksicht darauf, wer das Rechtsmittel eingelegt hat, in der Lage sein, die Entscheidung über den Anspruch der Sachlage anzupaffen, wie sie sich auf Grund der Verhandlung des Rechtsmittelgerichts ergibt. § 443 R e c h t s k r a f t und Vollstreckung Aus den in der Vorbemerkung dargelegten G rün­ den kommt der Entscheidung über den Anspruch materielle Rechtskraft nur zu, soweit das Strafgericht den Anspruch zuerkennt. Der Absatz 1 bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er die Entscheidung einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Endurteil gleichstellt, aber zugleich bestimmt, daß der Anspruch, soweit nicht zuerkannt, anderweit geltend gemacht

werden kann. Daher ist der Kreis derjenigen, aus die sich die Rechtskrastwirkung des Urteils erstreckt, in derselben Weise zu bestimmen, wie dies § 325 der Zivilprozeßordnung für das zivilgerichtliche Urteil tut. D er Anspruch ist rechtskräftig zuerkannt nicht nur im Verhältnis zwischen Antragsteller und Angeklag­ tem, sondern auch für und gegen die Personen, die nach E intritt der Rechtshängigkeit (§ 439 Abs. 4) Rechts­ nachfolger des Anspruchsberechtigten und des Ange­ klagten geworden sind, soweit § 325 Z PO . nichts an­ deres bestimmt. T ritt die Rechtsnachfolge eines anderen als des Erben oder Anerben allerdings schon während des Strafverfahrens ein und kommt dies zur Kenntnis des Gerichts, so hat es von einer Ent­ scheidung über den Antrag nach § 441 Abs. 1 abzu­ sehen. Die Gleichstellung mit einem Urteil der bürger­ lichen Rechtspflege wirkt sich auch dahin aus, daß der zuerkannte Anspruch nach § 218 BGB. erst dreißig Jah re nach E intritt der Rechtskraft verjährt und daß eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO . vor den Gerichten der bürgerlichen Rechtspflege erhoben werden kann. I m übrigen ist hervorzuheben, daß sich die Gleichstellung auf die Wirkungen der Ent­ scheidung beschränkt. Die Entscheidung ist und bleibt eine strafrichterliche. Die §§ 315, 319 bis 321 ZPO. finden deshalb keine Anwendung; auch die Wieder­ aufnahme des Verfahrens richtet sich nach den Vor­ schriften der Strafverfahrensordnung, nicht nach denen der Zivilprozeßordnung. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt wird, hat der Antragsteller die Möglichkeit, den Anspruch vor den Gerichten der bürgerlichen Rechtspflege zu ver­ folgen (Absatz 1 Satz 2), gleichviel, ob das Gericht nach § 441 Abs. 1 beschließt, von der Entscheidung abzusehen, oder ob der Antrag sich nach § 442 Abs. 2 ohne Entscheidung erledigt. E r kann dabei auch T at­ sachen und Beweismittel geltend machen, die bereits vom Strafgericht geprüft und gewürdigt worden sind. Während nach dem bisherigen Strafrecht die Zuer­ kennung einer Buße die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs ausschließt (vgl. § 188 Abs. 2, § 231 Abs. 2 S tG B .), wird der Ver­ letzte nach dem Entwurf, wie bereits ausgeführt, durch die Zuerkennung eines Teils seiner Ansprüche nicht gehindert, wegen weiterer Ansprüche die Gerichte der bürgerlichen Rechtspflege anzurufen. D er Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag richtet sich lediglich nach den Vor­ schriften über das Strafverfahren. Die Zustellung der Entscheidung im Parteibetrieb ist nur nötig, wenn die Zwangsvollstreckung eingeleitet werden soll. Denn nach dem Absatz 3 richtet sich die Vollstreckung der Entscheidung nach den Vorschriften der Zivilprozeß­ ordnung. S ie erfolgt demnach auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (§ 724 Abs. 1 Z PO .) und darf erst beginnen, wenn das Urteil zugestellt ist (§ 750 Abs. 1 ZPO.). Die Vollstreckung setzt nach § 704 Z PO . voraus, daß die Entscheidung rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt ist. Da die Prüfung des An­ spruchs im Strafverfahren dieselbe Gewähr für eine sachgemäße Entscheidung bietet wie der bürgerliche Rechtsstreit und die Wiedergutmachung des dem Ver­ letzten zugefügten Schadens möglichst erleichtert

werden soll, läßt der Entwurf entsprechend den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtsstreits auch die vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung zu (§ 443 Abs. 2). Ohne sie würde die Verfolgung bürgerlichrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren für den Verletzten wesentlich an Wert verlieren. Die An­ wendung der starren und verwickelten Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die vorläufige Vollstreckbar­ keit würde jedoch im Strafverfahren wenig passen. Der Entwurf gibt daher eine einfachere und beweg­ lichere Regelung, die an die Stelle der Vorschriften der Z PO . über die Anordnung der vorläufigen Voll­ streckbarkeit sowie die Aushebung dieser Anordnungen (§§ 708 bis 714, 716, 718, 719) tritt. Der Entwurf stellt die Entscheidung darüber, ob die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, und ob die vorläufige Vollstreckung ohne oder gegen Sicherheits­ leistung stattfinden oder ob dem Angeklagten gestattet werden soll, die vorläufige Vollstreckung durch Sicher­ heitsleistung abzuwenoen, in das Ermessen des Ge­ richts. Is t eine Entscheidung über die vorläufige Voll­ streckung nicht getroffen worden, so kann die Anord­ nung durch Beschluß nachgeholt werden. Hinsichtlich der Art und Höhe der Sicherheitsleistung sowie der Rückgabe der Sicherheit werden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 108, 109, 715) entsprechend anzuwenden sein. Die Anordnungen können nach­ träglich auch durch Beschluß geändert und, wenn gegen die Entscheidung ein Rechtsbehelf gebraucht wird, aufgehoben werden. Damit wird auch den Bedürfnissen Rechnung getragen, denen die §§ 707, 719 Z PO . abhelfen sollen; diese Vorschriften finden demnach im Strafverfahren gleichfalls keine Anwen­ dung. Dagegen hat § 717 Z PO . auch im S trafver­ fahren Bedeutung, insbesondere was die Verpflich­ tung zum Schadensersatz angeht, die die Vollstreckung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils nach sich ziehen kann. Daß der Angeklagte diesen Schadensersatzan­ spruch nicht etwa nach § 717 Abs. 2 Z PO . in dem anhängigen Verfahren geltend machen kann, sondern Klage vor dem Gericht der bürgerlichen Rechtspflege erheben muß, ist eine Folgerung aus dem Grundsatz, daß der Angeklagte auch sonst vor dem Strafgericht keine Widerklage gegen den Antragsteller erheben kann. Die Beschlüsse über die vorläufige Vollstreck­ barkeit sind nach Absatz 2 Satz 4 unanfechtbar. Die Vollstreckung der rechtskräftigen oder vor­ läufig vollstreckbaren Entscheidung über den bürger­ lichrechtlichen Anspruch richtet sich im übrigen nach den Vorschriften, die für die Vollstreckung von Ur­ teilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten (Absatz 3 Satz 1), also nach den Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung (§§ 704 bis 915 Z PO .) und den sie ergänzenden Bestimmungen. Sow eit der Umstand, daß der Vollstreckungstitel im Strafverfahren ergangen ist, keine unmittelbare An­ wendung dieser Vorschriften ermöglicht, sind sie sinn­ gemäß anzuwenden. S o ist in den Fällen des § 706 Abs. 1 und des § 724 Abs. 2 Z PO . unter „Geschäfts­ stelle" hier die Geschäftsstelle des Gerichts, das mit dem Strafverfahren besaßt war, im Falle des § 732 ZPO . unter „Gericht" dieses Strafgericht und in den Fällen des § 730 Abs. 1 und des § 733 Abs. 1 Z PO . unter dem „Vorsitzenden" der Vorsitzer dieses S traf-

gerichts 511 verstehen. Einer besonderen Vorschrift bedarf es nur zur Bestimmung des Gerichts, das an die Stelle des in den §§ 731, 767, 768, 887 bis 890 Z PO . für zuständig erklärten Prozeßgerichts erster Instanz treten soll. Es empfiehlt sich, diese Verfah­ ren nicht dem Strafgericht, sondern dem Gericht der bürgerlichen Rechtspflege zuzuweisen, da es sich inso­ weit um ausschließlich bürgerlichrechtliche Entschei­ dungen handelt, die von der strafrechtlichen Entschei­ dung des Sachverhalts im wesentlichen unabhängig sind. Der Entwurf sieht daher vor (Absatz 3 Satz 2), daß als Prozeßgericht in diesen Fällen das Gericht der bürgerlichen Rechtspflege tätig wird, in dessen Bezirk das Strafgericht des ersten Rechtszuges seinen Sitz hat. Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, werden dabei nach denselben Grundsätzen beschränkt, wie der Ab­ satz 2 des § 767 Z PO . es vorsieht. S ie sollen nur insoweit zulässig sein (Absatz 3 Satz 3), als die Gründe, auf denen sie beruhen, in einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sie im Strafverfahren nicht mehr geltend gemacht werden konnten. Dieser Zeit­ punkt tritt mit dem Schluß der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges und, wenn das Berufungs­ gericht entschieden hat, mit dem Schluß der Haupt­ verhandlung im Berufungsrechtszug ein. Von den Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozeßordnung sind im Strafverfahren die §§ 916 bis 945 über Arreste und einstweilige Ver­ fügungen nicht anwendbar, da sie nicht die Zwangs­ vollstreckung betreffen. Die Sicherung der Ansprüche des Verletzten richtet sich im Strafverfahren nach den §§ 219 Nr. 3, 227. § 444 Wiederaufnahme

des V e r f a h r e n s

Die Vorschrift regelt die Wiederaufnahme des Ver­ fahrens in den Fällen, in denen beut Antragsteller etwas zugesprochen worden ist. Wird das S trafver­ fahren aus Antrag des Staatsanw alts oder des An­ geklagten aus einem der in den §§ 354 bis 357 genannten Gründe wiederaufgenommen und hat das im Wiederaufnahmeverfahren nachzuprüfende Urteil dem Antrage des Antragstellers ganz oder teilweise stattgegeben, so ist Gegenstand des Wiederaufnahme­ verfahrens auch die Entscheidung über den Anspruch. Zu der Hauptverhandlung im Wiederaufnahmever­ fahren ist dann der Antragsteller zuzuziehen. Dies ergibt sich aus der Abhängigkeit der Entscheidung über den Anspruch von dem Strafverfahren und be­ darf keiner besonderen Regelung. Dagegen besteht für den Antragsteller selbst kein Bedürfnis, die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen des An­ spruchs zu betreiben, da er stets ohne Beschränkung auf neue Tatsachen oder Beweismittel oder andere Wiederaufnahmegründe die Möglichkeit hat, einen ihm nicht zuerkannten Anspruch vor den Gerichten der bürgerlichen Rechtspflege geltend zu machen (§ 443 Abs. 1 Satz 2). Der Entwurf gibt daher, wie sich aus § 440 Abs. 4 ergibt, dem Antragsteller nicht die Befugnis, die Wiederaufnahme des Verfahrens zn beantragen.

Um den Bestand der in der Strafsache ergangenen rechtskräftigen Urteile durch die Verkoppelung mit der bürgerlichrechtlichen Entscheidung möglichst wenig zu gefährden, hält der Entwurf es für geboten, auf Antrag des Angeklagten aber auch die selbständige Nachprüfbarkeit der Entscheidung über den Anspruch im Wiederaufnahmeverfahren zuzulassen. Fühlt sich der Angeklagte nur durch die Entscheidung über den Anspruch beschwert, so eröffnet ihm daher § 444 die Möglichkeit, die Wiederaufnahme des Verfahrens auf die Entscheidung über den Anspruch zu beschränken. Diese Abweichung von der Regel, daß über den An­ spruch nur zusammen mit der Strafsache entschieden wird (vgl. § 442 Abs. 1 Satz 3), trägt auch der T a t­ sache Rechnung, daß nach der Vollstreckung des S tra f­ urteils häufig nur für die Abänderung der Entschei­ dung über den bürgerlichrechtlichen Anspruch noch ein Bedürfnis besteht. Bei der Regelung des Wiederausnahmegrundes in diesen Fällen konnten die Vorschriften der Zivilpro­ zeßordnung, die die Wiederaufnahme des nur in sehr engen Grenzen zulassen, nicht zugrunde­ gelegt werden. Da die Entscheidung über den An­ spruch in einem Strafverfahren ergangen ist, ist es geboten, auch die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen der Entscheidung über den Anspruch den Wiederaufnahmegründen des Strafverfahrens folgen zu lassen. I m Anschluß an § 354 soll daher die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag des Angeklagten unter Beschränkung auf die Entscheidung über den Anspruch zulässig sein, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder verbunden mit den früheren geeignet sind, eine, wesentlich andere Entscheidung über den Anspruch herbeizuführen. Diese Regelung gibt eine Gewähr dafür, daß der Angeklagte begründete Einwendungen gegen den Anspruch, die er im Lause des S trafver­ fahrens nicht vorbringen konnte, nachträglich geltend machen kann und daß er somit eine Beeinträchtigung seiner Rechte aus der Geltendmachung der Ansprüche des Verletzten im Strafverfahren nicht zu befürchten hat. Uber die Wiederaufnahme nach § 444 entscheidet das Gericht, dessen Feststellungen angegriffen werden (Absatz 2 Satz 1). I m übrigen gelten für das Wieder­ aufnahmeverfahren hinsichtlich des Anspruchs die Be­ stimmungen über das allgemeine Wiederaufnahme­ verfahren entsprechend. Die Bestimmungen über die Aussetzung der Vollstreckung des Urteils (§ 359 Abs. 4, § 361 Abs. 4, § 363 Abs. 4) schließen die An­ wendung des § 707 Z PO . aus. Ebenso wie die Aussetzung der Strafvollstreckung kann der Vorsitzer die Aussetzung der bürgerlichrechtlichen Zwangsvoll­ streckung an Bedingungen knüpfen und sie insbeson­ dere von enter vorherigen Sicherheitsleistung abhängig machen. Hält das Gericht eine Hauptver­ handlung nicht für erforderlich, so kann es über den Wiederaufnahmeantrag in der Sache selbst auch durch Beschluß entscheiden (Absatz 2 Satz 2). Ergibt die erneute Prüfung des Anspruchs, daß er sich zur Erle­ digung im Strafverfahren nicht eignet, so kann das Gericht den Antragsteller nicht mehr auf den Weg des bürgerlichen Rechtsstreits verweisen (Absatz 2 L>atz 3). Ist die Sache einmal als geeignet zur Erle-

digung im Strafverfahren anerkannt worden, so soll ihre Erledigung aus Anlaß der Wiederaufnahme nicht abgelehnt werden können. Stellt sich dagegen heraus, daß der Anspruch unzulässig oder unbegründet ist, so bleibt es bei dem Grundsatz, daß dem Antragsteller der Anspruch im Strafverfahren nicht aberkannt werden kann.

Fünftes Hauptstück

Nachträgliche richterliche Entscheidungen Unter dieser Überschrift regelt der Entwurf das Verfahren für solche richterlichen Entscheidungen, die nach der Rechtskraft von Urteilen und anderen richter­ lichen Entscheidungen notwendig werden. Hierher gehören die richterlichen Entscheidungen, die nach einer Verwarnung mit Strasvorbehalt ergehen, sei es, daß sie die dem Verwarnten aufzuerlegenden Pflichten oder die Dauer der Probezeit betreffen, sei es, daß sie sich über die Bewährung des Verwarnten aussprechen. Dieses Verfahren ist in den §§ 445 bis 447 geregelt. Hierher gehören ferner die Fälle, in denen eine rechtskräftige Entscheidung ergänzt oder Zweifel über ihre Tragweite beseitigt werden müssen. D as Verfahren zur Ergänzung richterlicher Entschei­ dungen behandeln die §§ 448 bis 452. D a sie das richterliche Verfahren betreffen, das sich nach der all­ gemeinen Arbeitsordnung für die Gerichte richten muß, werden sie zweckmäßig nicht in das Strafvoll­ streckungsgesetz, sondern in die Strasversahrensordnung eingestellt.

Erster Abschnitt Verwarnung mit Strasvorbehalt § 445 E r ö f f n u n g an den V e r w a r n t e n Is t eine Verwarnung mit Strasvorbehalt rechts­ kräftig geworden, so soll der Verwarnte über die Be­ deutung der Verwarnung, des Strafvorbehalts, der Probezeit und über die ihm auferlegten besonderen Pflichten belehrt werden. Diese Belehrung ist not­ wendig, da der Verwarnte bei der mündlichen Urteils­ verkündung vielfach die Tragweite und die Einzel­ heiten der Verwarnung mit Strasvorbehalt nicht voll erfassen wird. Die Belehrung soll würdig und ein­ dringlich sein und der Eigenart des Täters und der T at Rechnung tragen. Sie soll daher stets durch einen Richter vorgenommen werden, und zwar möglichst durch den Vorsitzer oder einen beauftragten Richter des Gerichts des ersten Rechtszuges. Aus Zweckmäßigkeitsgründen kann auch der Amtsrichter, insbe­ sondere der Vormundschaftsrichter, um Vornahme der Belehrung ersucht werden. Die mündliche Be­ lehrung ist erfahrungsgemäß am wirksamsten, die schriftliche Belehrung soll deshalb auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.

Nacht r ä gl i c he

Anordnungen

Nach § 62 S tG B , kann der Richter dem Verwarn­ ten besondere Pflichten, insbesondere die Zahlung einer Geldbuße, auferlegen und ihn verpflichten, die Folgen der S traftat nach Krästen wiedergutzumachen. D as hat grundsätzlich im Urteil zu geschehen. M it­ unter ergibt sich jedoch aus Umständen, die dem Ge­ richt erst nachträglich bekannt werden, oder aus der Führung des Verwarnten die Notwendigkeit, nach­ träglich besondere Pflichten aufzuerlegen oder aufer­ legte Pflichten zu erlaffen oder zu ändern. Ebenso erweist es sich mitunter als notwendig, die Probezeit nach Erlaß des Urteils zu verlängern, wenn die Führung des Verwarnten zu wünschen übrig läßt, aber aus erzieherischen Gründen die Verlängerung der Probezeit der alsbaldigen Verurteilung zu der vorbehaltenen S trafe vorzuziehen ist. § 446 gibt für derartige nachträgliche Entscheidungen die verfahrens­ rechtliche Grundlage. Die im § 62 S tG B , behan­ delten Pflichten können danach geändert oder erlaffen werden, auch wenn das Urteil sie auferlegt hat. Die Entscheidung wird dem Gericht des ersten Rechtszuges übertragen. Angesichts der Bedeutung der Entschei­ dung wird neben der Anhörung des Staatsanw alts auch die des Verwarnten vorgeschrieben und die An­ fechtung des Beschluffes mit der befristeten Beschwerde zugelaffen. § 447 E n t s c h e i d u n g ü b e r die B e w ä h r u n g Ist jemand mit Strasvorbehalt verwarnt worden, so muß. später das Verfahren stets durch eine richter­ liche Entscheidung über die Bewährung des Verwarn­ ten abgeschloffen werden. S ie geht entweder dahin, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat oder daß der Verwarnte zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt wird. Die sachlichen Voraus­ setzungen für diese Entscheidung regelt der § 63 S tG B . § 447 gibt dafür die notwendigen Verfahrensvorschristen. Uber die Bewährung des Verwarnten ist regel­ mäßig alsbald nach Ablauf der Probezeit zu ent­ scheiden. Besteht schon vorher Anlaß zur Verurteilung, so wird die vorbehaltene S trafe nach § 63 S tG B , schon während der Probezeit ausgesprochen. Ein solcher Anlaß kann sich nicht nur aus einer während der Probezeit begangenen S tra fta t, sondern auch dar­ aus ergeben, daß der Verwarnte die ihm auferlegten Pflichten gröblich verletzt oder sich sonst nicht ordent­ lich führt. F ü r die Entscheidung über die Bewährung kommt es aus das Verhalten des Verwarnten in der Zeit zwischen dem Ausspruch der Verwarnung und dem Ablauf der Probezeit an; die Probezeit beginnt zwar nach § 60 Abs. 2 S tG B , mit der Rechtskraft der Entscheidung; zu berücksichtigen ist aber nach § 63 S tG B , auch die Zeit, die zwischen dem Ausspruch der Verwarnung und der Rechtskraft dieser Entscheidung verstreicht. Werden hingegen nachträglich Umstände bekannt, die sich auf die Zeit vor der Verwarnung beziehen und deren Kenntnis das Gericht veranlaßt hätte, von vornherein aus S trafe zu erkennen, so

können sie nur durch Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 354 berücksichtigt werden. Die Entscheidung über die Bewährung soll das Gericht des ersten Rechtszuges treffen, das die Ver­ warnung ausgesprochen hat. Wird aber gegen den Verwarnten Anklage wegen einer S traftat erhoben, die er nach der Verwarnung und vor dem Ablauf der Probezeit begangen hat, so soll neben dem Gericht des ersten Rechtszuges auch das Gericht zuständig sein, das über die neue T at zu entscheiden hat. I n solchen Fällen wird für die frühere und die neue T at meist eine Einheitsstrafe zu bilden sein, sodaß die Zuständigkeitsvorschrift des § 118 eingreift, die gleichfalls die Entscheidung dem mit der noch nicht rechtskräftigen Sache befaßten Gericht zuweist. Das Gericht entscheidet durch Beschluß, wenn es bei der Verwarnung bewenden soll. Dagegen ist aus Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil zu ent­ scheiden, wenn das Gericht Bedenken hat, es bei der Verwarnung bewenden zu lassen, insbesondere wenn es die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe für nötig hält. Kommt das Gericht auf Grund der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, daß es bei der Verwarnung bewenden soll, so hat es dies gleichfalls durch Urteil auszusprechen. Will das Gericht die Bewährung verneinen, so ist es an den früheren Aus­ spruch über Art und Höhe der vorbehaltenen Strafe gebunden, sofern nicht eine Einheitsstrafe zu bilden ist. Die Hauptverhandlung soll in der Regel nicht öffentlich sein, da nicht über die Tat- und Schuldfrage, sondern nur über die Führung des Verwarnten zu entscheiden ist. D as gilt nicht, toetflt zugleich über eine neue Tat entschieden werden muß; dann sind für die Öffentlichkeit der Verhandlung die allgemeinen Vorschriften maßgebend. Gegen das Urteil sind die allgemeinen Rechts­ mittel gegeben, und zwar auch dann, wenn das Urteil lediglich ausspricht, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat. Der Beschluß, der es bei der Ver­ warnung beläßt, ist mit der befristeten Beschwerde anfechtbar. Stellen sich nach der Entscheidung Um­ stände heraus, deren rechtzeitige Kenntnis dazu geführt hätte, es bei der Verwarnung nicht bewenden zu lassen, so ist keine Wiederaufnahme des Verfahrens möglich. Bei der Geringfügigkeit der vorbehaltenen Strafe kann es in Kauf genommen werden, daß die Entscheidung über die Bewährung endgültig ist. Zweiter Abschnitt Ergänzende Entscheidungen § 448 Ergänzung rechtskräftiger E n t s c h e i d u n g e n durch U r t e i l Gelegentlich kommt es vor, daß das Gericht die Entscheidung über Nebenstrafen und Nebenfolgen übersieht, weil es seine ganze Aufmerksamkeit der Hauptentscheidung zuwendet, und daß eine Ergänzung auch im Rechtsmittelwege nicht möglich ist, weil der Mangel erst nach E intritt der Rechtskraft bemerkt wird oder Rechtsmittel nicht zugelassen sind.

I n solchen Fällen besteht das praktische Bedürfnis, innerhalb gewisser Schranken die Nachholung des Versäumten zuzulassen. Ih m wird durch den § 448 Rechnung getragen, dessen Verfahrensvorschriften der nachträglichen Entscheidung eine einwandfreie Grund­ lage sichern sollen. § 448 gestattet die Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen, wenn in ihnen offensichtlich übersehen worden ist, über den Verfall, die Einziehung, Vernich­ tung oder Unbrauchbarmachung eines Gegenstandes oder die Bekanntmachung der Entscheidung zu ent­ scheiden. Hier besteht erfahrungsgemäß nicht selten die Gefahr, daß das Gericht es übersieht, eine Ent­ scheidung zu treffen. Die Ergänzung ist nur zuge­ lassen^ wenn die gerichtliche Entscheidung eine Lücke aufweist. Eine Verbesserung inhaltlich unrichtiger Entscheidungen kann nicht auf diesem Wege, sondern nur durch Einlegung von Rechtsmitteln herbeigeführt werden. Bei der nachträglichen Bekanntmachung der Entscheidung ist in erster Linie an die Fälle der §§ 89 StV O ., 38 S tG B , gedacht; die nachträgliche Anord­ nung öffentlicher Bekanntmachung zur Brandmarkung des Täters (§ 37 S tG B .) wird nur selten in Betracht kommen. Die Ergänzung setzt ferner voraus, daß nach der S a ch l a g e , wie sie n ir Zeit der früheren Entscheidung bestand, für das Gericht ein Anlaß zur Entscheidung — sei es in bejahendem oder verneinen­ dem S inne — gegeben war. Nachher eintretende Umstände müssen durch Wiederaufnahme des Verfah­ rens berücksichtigt werden. I n diesem Rahmen ist die Ergänzung aber auch dann zulässig, wenn die Ent­ scheidung in das pflichtmäßige Ermessen des Gerichts gestellt war. Zur - Sicherung der Entscheidungsgrundlage schreibt der Entwurf vor, daß die Ergänzung nur auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil und nur aus Antrag des Staatsanw alts oder eines Beteiligten geschehen kann. Wird der Antrag nicht binnen sechs Monaten nach E intritt der Rechtskraft der früheren Entscheidung gestellt, so ist die Ergänzung nicht mehr möglich. Der Antrag eines Beteiligten wird ins­ besondere in Frage kommen, wenn übersehen worden ist, die Bekanntmachung der Entscheidung zugunsten des Verletzten (§ 38 S tG B .) oder des Angeklagten (§ 89 StV O .) anzuordnen. § 449 Ergänzung rechtskräftiger E n t ­ s c h e i d u n g e n durch U r t e i l o d e r Beschluß § 449 behandelt die Nachholung von Entschei­ dungen, die durch die Einführung der Einheitsstrafe notwendig werden können. Bei diesen Entscheidungen ist sowohl die Form des Urteils als auch die des Beschlusses vorgesehen, da die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung nicht selten entbehrlich ist. Ob aus Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil oder ohne solche durch Beschluß entschieden werden soll, ist des näheren im § 452 Abs. 3 geregelt. Nr. 1 behandelt den dem § 460 S tP O , ent­ sprechenden Fall, daß jemand in mehreren Entschei­ dungen rechtskräftig verurteilt worden ist und ent-

gegön den Strafgesetzen (§§ 54 bis 58) die Bildung einer Einheitsstrafe unterblieben ist. Is t jemand wegen einer Tat, wenn auch wegen mehrerer Rechts­ verletzungen, durch mehrere Urteile verurteilt worden, steht also der einen Entscheidung die Rechtskraft der anderen entgegen, so kann die Einstellung des Verfahrens wegen Verbrauchs der Klage nach § 354 durch Wiederaufnahme des Verfahrens herbeigeführt werden. Nach § 87 hat das Gericht bei einer Einheitsstrafe die wegen einer der Taten verwirkte Strafe im Ur­ teilsspruch anzugeben, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß sich besondere Rechtsnachteile (etwa Amtsverlust) aus Art und Maß der wegen einer der Taten verwirkten Strafe ergeben können. Nr. 2 gestattet die Nachholung dieses Ausspruchs, wenn er versehentlich unterblieben ist oder sich nachträglich ein Bedürfnis dafür ergibt. Nr. 3 ermöglicht die Bildung einer neuen Strafe, wenn eine Einheitsstrafe wegen eines Teils der ab­ geurteilten Taten oder Rechtsverletzungen nicht voll­ streckt werden kann und deshalb festgestellt werden muß, welche Strafe auf die übrigen Taten oder Rechts­ verletzungen entfällt. D as kann insbesondere dann eintreten, wenn ein Straffreiheitsgesetz die Strafe wegen eines Teils der abgeurteilten Taten oder Rechtsverletzungen erläßt oder wenn das Ausland einen Verurteilten zur Strafvollstreckung ausliefert, die Auslieferung aber nur wegen eines Teils der ab­ geurteilten Taten oder Rechtsverletzungen bewilligt. Bei der Bildung der neuen S trafe wird das Gericht die Schwere der Taten, die noch verfolgbar sind, im Verhältnis zur Schwere der Taten, die nicht mehr verfolgt werden dürfen, abzuwägen und die neue Strafe entsprechend festzusetzen haben. § 450 Ergänzung rechtskräftiger E n t s c h e i d u n g e n durch Be s c h l u ß § 450 regelt die Nachholung von Entscheidungen, für die nur der Weg des Beschlusses eröffnet wird. Diese Entscheidungen sind von untergeordneter Bedeutmlg, sodaß für sie eine neue Hauptverhandlung entbehrlich ist. I n § 88 Abs. 2, 3 wird für gewisse Fälle die An­ rechnung einer früheren Strafe aus die neue Strafe vorgeschrieben. Die Anrechnung ist int Urteil aus­ zusprechen. Wird dies bei Erlaß des Urteils über­ sehen, so genügt eine ergänzende Beschlußentscheidung (Nr. 1). Zulässig ist jedoch nur die nachträgliche An­ rechnung einer vollstreckten S t r a f e , die zwingend vorgeschrieben ist, nicht dagegen die Anrechnung einer Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsent­ ziehung (§ 88 Abs. 1), die im Ermessen des Gerichts steht. Nach den §§ 46 Abs. 2, 47 Abs. 2 S tG B , ist die Ersatzfreiheitsstrafe, auf die für eine uneinbringliche Geldstrafe oder einen für verfallen erklärten, unein­ bringlichen Geldbetrag zu erkennen ist, im Urteils­ spruch festzusetzen. Ist dies übersehen worden, so kann — entsprechend § 459 S tP O . — die Ersatzfreiheitsstrafe nachträglich bestimmt werden (Nr. 3).

Ist der Verfall eines Gegenstandes nicht möglich oder nicht durchführbar, so ist nach § 47 Abs. 2 StG B , ein seinem Wert entsprechender Geldbetrag für ver­ fallen zu erklären. Der Verfall des Geldbetrages kann nachträglich durch Beschluß ausgesprochen werden, wenn das im Urteil versehentlich unter­ blieben ist (Nr. 3). Nach den Vorschriften der Strafverfahrensord­ nung über die Entschädigung der im Wiederaufnahme­ verfahren freigesprochenen Personen und über die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungs­ haft *) hat das Gericht gleichzeitig mit dem Urteil über die Entschädigungspflicht zu beschließen. Auch diese Entscheidung soll nachgeholt werden können, wenn sie bei Erlaß des Urteils übersehen worden ist. (Nr. 4). § 451 Behebung von Zwe i f e l n Die Zuständigkeit des Gerichts zu Entscheidungen, die die Vollstreckung betreffen (§ 458 S tP O .), schränkt der Entwurf gegenüber dem bisherigen Recht erheblich ein. Zu diesen Entscheidungen sind aus den in der Begründung zum Strasvollstreckungsgesetz dar­ gelegten Gründen grundsätzlich die Bollstreckungsbehörden und Anstaltsvorstände, nicht aber die Gerichte berufen. Der § 451 faßt die neuen Zuständigkeiten des Gerichts auf dem Gebiet der Vollstreckung zu­ sammen. D as Gericht des ersten Rechtszuges hat zu­ nächst alle Zweifel und Streitigkeiten zu entscheiden, die bei der Auslegung einer strafrichterlichen E nt­ scheidung auftauchen (Nr. 1). Es soll ferner über Ein­ wendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung entscheiden, wenn es sich nicht um Fragen handelt, über die nach dem Strafvollstreckungsgesetz ausschließ­ lich die Vollstreckungsbehörde oder eine andere Stelle zu entscheiden hat. § 452 Verfahren Die Vorschrift gibt gemeinsame Verfahrensvor­ schriften für die ergänzenden Entscheidungen des Zweiten Abschnitts. Abweichend von der Regelung des § 448 kann das Gericht in den Fällen der §§ 449 bis 451 nicht nur auf Antrag des Staatsanw alts oder eines Betei­ ligten, sondern auch von Amts wegen entscheiden, ohne dabei an eine Frist gebunden zu sein. Zuständig ist auch in den Fällen der §§ 449 bis 451 stets das Gericht des ersten Rechtszuges. F ür den Fall, daß eine Einheitsstrafe zu bilden ist und verschiedene Gerichte entschieden haben, regelt Absatz 2 die Zuständigkeit entsprechend dem bisherigen Recht (vgl. § 462 Abs. 3 S tP O .). F ü r die in § 449 geregelten Entscheidungen wird wegen ihrer Wichtigkeit eine Hauptverhandlung mit nachfolgendem Urteil vorgesehen, wenn der S ta a ts­ anwalt es beantragt oder der Vorsitzer es für ange­ messen hält. Auch die Beschlußentscheidungen aus L) D ie Einarbeitung dieser Vorschriften in die S trafver­ fahrensordnung bleibt vorbehalten. 15 *

§ 449 werden aus den sonstigen Beschlußentscheidun­ gen herausgehoben, indem die Anhörung der Betei­ ligten zwingend vorgeschrieben und die befristete Be­ schwerde zugelassen wird. Nach § 77 kann das Gericht bei der Bildung einer Einheitsstrafe tatsächliche Feststellungen des früheren Urteils dem neuen zugrundelegen. Dieser Grundsatz soll nach Absatz 4 nicht nur für das E r­ gänzungsurteil gelten, das eine Einheitsstrafe festsetzt (§ 449 Nr. 1), sondern für sämtliche Ergänzungs­ urteile aus § 448 und § 449. Diese Regelung soll praktischen Bedürfnissen Rechnung tragen. Eine Beschränkung des Verhandlungsstosfes für die neue

Hauptverhandlung kann oft nicht entbehrt werden, während eine starre Bindung an das Ergebnis der früheren Verhandlung mit dem Grundsatz der Wahrheitsersorschung nicht vereinbar ist, wenn das Ergeb­ nis der neuen Hauptverhandlung von dem der frühe­ ren Hauptverhandlung abweicht. Wird durch Be­ schluß entschieden, so hat das Gericht das Ergebnis der früheren Hauptverhandlung zugrundezulegen. Gelegentlich kann sich das Bedürfnis ergeben, die Vollstreckung aus der früheren Entscheidung mit Rück­ sicht auf die bevorstehende Ergänzungsentscheidung nicht weiter zu betreiben. Absatz 5 trägt diesem Be­ dürfnis Rechnung.

Fünftes Buch

Kosten Auch in den Kostenvorschriften des Entwurfs wirkt sich die Neugestaltung des Strafverfahrens aus. D er Entwurf paßt nicht nur die Fassung der Kostenvorschriften den neuen Verfahrensbestimmungen an, sondern nimmt gegenüber dem bisherigen Recht auch wesentliche sachliche Änderungen vor. Diese Ände­ rungen sind von dem Gedanken getragen, daß dem richterlichen Ermessen bei der Entscheidung über die Kosten ein weiterer Spielraum als bisher eingeräumt werden muß, wenn in jedem Einzelfall eine gerechte und billige Lösung der Kostenfrage ermöglicht werden soll. Auf dieser Erwägung beruht die im § 454 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 2 vorgesehene Befug­ nis des Gerichts, aus Billigkeitsgründen von der Regelvorschrift über die Kostenpflicht des Verurteilten abzuweichen, ferner die mehrfache Zulassung von Ermessensentscheidungen (§ 455 Abs. 2, § 457 Abs. 2, §§ 459, 460) sowie endlich die Vorschrift des § 464, die allgemein zur Vermeidung unbilliger Härten oder einer ungerechtfertigten Belastung der Reichskasse mit Rücksicht auf außergewöhnliche Umstände des Ver­ fahrens eine Abweichung von den Vorschriften über die Kostenpflicht gestattet. Die Einführung neuer Vorschriften über das Einziehungsverfahren, den Ehrenschutz und die Ent­ schädigung des Verletzten hat die Regelung der Frage notwendig gemacht, wem die besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten aufzuerlegen sind, die durch die Teilnahme des Einzrehüngsbeteiligten und des Verletzten am Verfahren erwachsen (§ 460). Der Entwurf faßt ferner Kostenvorschriften, die bisher an verschiedenen Stellen des Gesetzes ver­ streut waren, zusammen und stellt sie in das Buch über die Kosten ein (§§ 461, 462). Als Abweichung vom bisherigen Recht sind ferner die §§ 466 bis 469 hervorzuheben, die eingehend das Verfahren bei der Festsetzung der Auslagen regeln, die einem Beteilig­ ten zu erstatten sind. Die Vorschriften des Fünften Buchs sind in der Weise geordnet, daß nach einer Bestimmung über den Begriff und den Umfang der Kosten und not­ wendigen Auslagen der Beteiligten die sachlichrecht­ lichen Bestimmungen über die Kostenpflicht voran­ gestellt werden (§§ 454 bis 464). Ihnen folgen die Verfahrensbestimmungen (§§ 465 bis 469). I m einzelnen ist folgendes zu bemerken: § 453

U m f a n g der Kosten Die Vorschrift saßt Bestimmungen über den Be­ griff und Umfang der Kosten und der notwendigen

Auslagen eines Beteiligten zusanunen, die für sämtlicheVorschriften über dieKostenpflicht maßgebend sind. Kosten im Sinne des Fünften Buches sind danach die Gebühren und Auslagen der Reichskasse, über die das Gerichtskostengesetz die näheren Vorschriften enthält. Zu den Kosten des Verfahrens gehören auch die Kosten des Vorverfahrens und der Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Maßregel sowie der öffentlichen Bekanntmachung der Entscheidung. D a im Verhält­ nis zwischen den öffentlichen Kostenträgern, die für die Kosten der Strafrechtspflege auszukommen haben, zur Zeit auch die Länder, Gemeinden und Gemeinde­ verbände einen Teil der Auslagen für das S trafver­ fahren, insbesondere die Kosten polizeilicher M aß­ nahmen, zu bestreiten haben, ohne vom Reich Ersatz beanspruchen zu können, muß der Beteiligte, der Aus­ lagen der Reichskasse zu erstatten hat, auch diese Aus­ lagen ersetzen. Der Absatz 3 bestimmt genauer, was unter den notwendigen Auslagen eines Beteiligten im Sinne der folgenden Vorschriften zu verstehen ist. D er E nt­ wurf rechnet dazu auch die Entschädigung für die not­ wendige Zeitversäumnis nach den für die Entschädi­ gung von Zeugen geltenden Vorschriften. Hat der Ersatzberechtigte einen Rechtsanwalt zugezogen und war dessen Zuziehung zur sachgemäßen Rechtsver­ folgung oder Verteidigung angezeigt, so gehören zu seinen notwendigen Auslagen auch die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts. Angesichts der weit­ gehenden Bedeutung eines Strafverfahrens für die Beteiligten dürfen bei der Entscheidung der Frage, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts angezeigt war, keine strengen Anforderungen gestellt werden. § 454 Kostenpflicht

des

Verurteilten

Wird der Angeklagte zu einer S trafe oder sichernden Maßregel verurteilt, so hat er wie nach bishe­ rigem Recht die Kosten des Verfahrens zu tragen, soweit sie durch die Verfolgung der T at entstanden sind, die den Gegenstand der Verurteilung bildet. Ist der Angeklagte wegen mehrerer Taten verfolgt worden und wird er nur wegen einer dieser Taten verurteilt, wegen der übrigen aber freigesprochen, so hat er demnach diejenigen Kosten nicht zu tragen, die durch die Verfolgung der unter den Freispruch fallenden Taten entstanden sind. Diese Kosten fallen nach § 455 Abs. 1 der Reichskasse zur Last. Bilden den Gegenstand der Verfolgung mehrere Rechtsver­ letzungen, die durch eine und dieselbe T at begangen

worden sind, und wird der Angeklagte nur wegen einer dieser Rechtsverletzungen verurteilt, so hat er nach bisherigem Recht sämtliche Kosten des Verfah­ rens zu tragen, auch soweit sie auf die Verfolgung einer Rechtsverletzung zurückzuführen sind, deretwegen der Angeklagte nicht verurteilt wird. D as gilt auch, wenn der Angeklagte wegen einer minder schweren T at verurteilt wird, als die Anklage angenommen hatte. Diese Regelung ist vielfach als unbillig empfunden worden. Der Entwurf ermächtigt daher im Absatz 1 Satz 2 das Gericht, den verurteilten An­ geklagten von dem Ersatz der Auslagen zu befreien, wenn sie auf Amtshandlungen zurückzuführen sind, die für die Verurteilung nicht in Betracht kommen. Wird z. B. der Angeklagte wegen Mordes angeklagt, aber nur wegen Schießens an verbotenen Orten ver­ urteilt, so können die Auslagen, die nur durch die Verfolgung der T at unter dem Gesichtspunkt des Mordes entstanden sind, der Reichskaffe auferlegt werden. Der Absatz 2 regelt die gesamtschuldnerische Haf­ tung mehrerer Angeklagter für die Kosten. D a das Gerichtskostengesetz die Gebühren des Strafverfah­ rens nach der Höhe der Strafe abstuft, die den einzelnen Angeklagten trifft, kommt für sie eine gesamtschuldnerische Haftung nicht in Betracht. Diese ist wie im bisherigen Recht nur hinsichtlich der Aus­ lagen der Reichskaffe und nur dann vorgesehen, wenn mehrere Angeklagte wegen Beteiligung an derselben T at verurteilt werden. Von der gesamtschuldnerischen Haftung sind aus Billigkeitsgründen diejenigen Aus­ lagen ausgenommen, die durch die Vollstreckung einer Strafe oder einer sichernden Maßregel entstehen. Die Vorschrift über die gesamtschuldnerische Haftung hat freilich im bisherigen Recht zu ungerechtfertigten Härten geführt. Um.ihnen abzuhelfen, ermächtigt der Entwurf das Gericht, einen Mitangeklagten von der Mithaftung sür Auslagen zu befreien, wenn sie durch Amtshandlungen entstanden sind, die ausschließlich gegen andere Angeklagte gerichtet waren, etwa durch eine umfangreiche Beweisaufnahme, die durch das hartnäckige Leugnen eines anderen Mitangeklagten erforderlich war. Diese beweglichere Regelung betrifft auch die Kosten der Untersuchungshaft, die das bisherige Recht von der Gesamthaftung ganz ausnimmt, während der Entwurf es für gerechtfertigt hält, den Anstifter unter Umständen zu den Kosten der Untersuchungshaft gegen den Angestifteten her­ anzuziehen. Der § 454 ist anzuwenden, gleichviel ob der Angeklagte zu Strafe oder zu einer sichernden Maßregel verurteilt wird und ob das tm S trafver­ fahren oder im Sicherungsverfahren geschieht. Wird aus die sichernde Maßregel der Einziehung oder Un­ brauchbarmachung selbständig erkannt und ist kein Beschuldigter vorhanden, so fallen die Kosten der Reichskaffe zur Last, soweit sie nicht nach § 460 Abs. 1 einem Einziehungsbeteiligten auferlegt werden. Der Absatz 3 stellt klar, daß es als Verurteilung im Sinne der Absätze 1 und 2 auch anzusehen ist, wenn der Angeklagte zwar schuldig gesprochen, aber mit Strafvorbehalt verwarnt oder wenn gegen ihn von Strafe abgesehen wird.

F r e i s p r u c h und E i n s t e l l u n g des Verfahrens Die Bestimmung stellt den schon bisher geltenden Grundsatz,auf, daß die Kosten des Verfahrens der Reichskasse zur Last fallen, wenn die Anberaumung der Hauptverhandlung abgelehnt, der Angeklagte frei­ gesprochen, der Antrag auf selbständige Anordnung einer sichernden Maßregel abgelehnt oder das V er­ fahren gerichtlich eingestellt wird. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, soweit gesetzlich, insbesondere in den §§ 454, 456 bis 464, etwas anderes bestimmt ist. Wird also der Angeklagte etwa wegen einer T at frei­ gesprochen, aber zugleich wegen einer anderen T at verurteilt, so trägt die Reichskasse nur die Kosten der Verfolgung derjenigen Tat, auf die sich der Freispruch bezieht. Wird der Angeklagte wegen Schuldunfähig­ keit freigesprochen, zugleich aber die Unterbringung in einer Anstalt oder die Entmannung angeordnet, so fallen ihm nach § 454 die Kosten des Verfahrens zur Last. Aus Billigkeitsgründen gibt der Absatz 2 wie das bisherige Recht (§ 467 Abs. 2 S tP O .) dem Gericht die Möglichkeit, der Reichskaffe die notwendigen A us­ lagen des Angeklagten (§ 453 Abs. 3) aufzuerlegen, wenn dieser nicht verurteilt wird. Ein teilweiser Freispruch oder eine teilweise Einstellung des V er­ fahrens kann die Anwendung der Vorschrift nicht begründen. D a die Vorschrift von den notwendigen Auslagen des Angeklagten spricht, ist sie nur anwend­ bar, wenn Anklage erhoben ist. S tellt der S ta a ts ­ anwalt das Verfahren ein oder beschließt das Gericht nach einer gerichtlichen Voruntersuchung gemäß § 384 die Einstellung des Verfahrens, so ist eine Belastung der Reichskaffe mit den notwendigen Auslagen des Beschuldigten nicht vorgesehen. Durch § 463 werden die notwendigen Auslagen solcher Personen, die selb­ ständig Rechtsbehelfe des Beteiligten gebrauchen oder sonst seine Befugnisse im Verfahren ausüben können, denen des Angeklagten gleichgestellt. Auch wenn der Angeklagte nicht verurteilt wird, trägt er entsprechend dem bisherigen Recht die Auslagen der Reichskasse, die durch seine schuldhafte Säum nis entstanden sind. § 456 Kostenpflicht wegen falscherVerdächtigung oder Vortäuschens einer

Straftat Der Gefahr, daß ein Strafverfahren auf Grund unwahrer Behauptungen oder einer Täuschung der Behörden eingeleitet oder fortgesetzt wird, muß wegen des Ansehens der Strafrechtspflege, der Rücksichtnahme auf den zu Unrecht Verdächtigten, aber auch aus Kostengründen mit allen M itteln entgegengetreten werden. Diesem Zweck dient neben den S trafvor­ schriften (§§ 376, 377 S tG B .) auch der § 456, der demjenigen, der auf solche Weise mit der Pflicht der Strasversolgungsbehörden zum Einschreiten M iß­ brauch treibt, Kosten auferlegt und die entsprechende

Vorschrift des bisherigen Rechts (§ 469 S tP O .) wesentlich erweitert. Die Vorschrift knüpft diese Kostenpslicht an zwei Tatbestände, die den §§ 376, 377 StG B , nachgebildet sind. Der Absatz 1 regelt den Fall, daß jemand wider besseres Wissen, vorsätzlich oder leichtfertig bei einer Dienststelle des Staates oder der Partei oder öffent­ lich eine unwahre Behauptung aufstellt oder verbreitet und dadurch die Einleitung oder Fortsetzung eines Verfahrens gegen einen anderen veranlaßt. Der Absatz 2 knüpft die Kostenpslicht daran, daß jemand einer Dienststelle des S taates die Begehung einer S traftat vortäuscht oder die Dienststelle über die P er­ son eines an der S tra fta t Beteiligten täuscht und dadurch die Einleitung oder Fortsetzung des Verfah­ rens veranlaßt. Der Absatz 2 soll in Ergänzung des Absatzes 1 insbesondere die Fälle erfassen, in denen jemand vortäuscht, daß er selbst eine S traftat verübt habe, oder eine nicht begangene T at ohne Hinweis auf einen bestimmten T äter vortäuscht. Diese Kostenvorschriften sind zwingend, wenn sich im Verfahren ihre Voraussetzungen ergeben. Besteht kein Anhalt dafür, daß diese Voraussetzungen vor­ liegen, so nötigen die Mußvorschristen nicht dazu, besondere Nachforschungen danach anzustellen, ob etwa ein D ritter nach § 456 für die Kosten haftet. Zu ersetzen sind nach dem Absatz 1 auch die notwendigen Auslagen eines Beschuldigten und nach § 463 die notwendigen Auslagen solcher, die selbständig Rechts­ behelfe des Beschuldigten gebrauchen können. Wie sich aus der Verwendung des Ausdrucks „Be­ schuldigten" in Absatz 1 ergibt, ist die Vorschrift an­ wendbar, auch wenn das Verfahren nicht zur Anklage­ erhebung geführt hat. I s t im Vorverfahren auf Grund dieser Vorschrift eine Kostenentscheidung zu treffen, so ist dafür nach § 465 Abs. 2 der S ta a tsa n ­ walt zuständig. Die Form der Entscheidung und ihre Anfechtbarkeit sind im § 465 geregelt. § 457 Rechtsbehelfe des S t a a t s a n w a l t s Die §§ 457 bis 459 enthalten die Kostenvorschrif­ ten für die Entscheidung über Rechtsbehelfe. Der Entwurf trennt die Kostenvorschriften für Rechtsbe­ helfe des Staatsanw alts tiott denjenigen für Rechts­ behelfe der Beteiligten, um auch hierdurch zum Ausdruck zu bringen, daß der S taatsanw alt im Strafverfahren keine Parteistellung hat. Zudem zeigt sich auch an dieser Stelle, daß der S taatsanw alt als Vertreter der Staatsgew alt im Strafverfahren dem Beschuldigten und anderen Beteiligten nicht gleich­ gestellt werden kann. Hat ein Rechtsmittel des Staatsanw alts Erfolg, führt es also zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung, so ist in der neuen Entscheidung auch die Kostenentscheidung nach den allgemeinen Kosten­ vorschriften der veränderten Lage anzupassen. Einer besonderen Vorschrift bedarf es insoweit nicht. D a­ gegen ergeben die allgemeinen Kostenvorschriften keine Regelung für diejenigen Fälle, in denen im Rechtsmittelversahren die angefochtene Entscheidung nicht geändert wird, sei es, weil das Rechtsmittel

keinen Erfolg hat, sei es, weil der S taatsanw alt das Rechtsmittel zurücknimmt. I n diesen Fällen müssen die Kosten eines Rechtsmittels des S taatsanw alts der Reichskasse zur Last fallen. Legt der S ta a tsa n ­ walt ein Rechtsmittel zugunsten eines Beteiligten ein und hat es den erstrebten Erfolg, so ist es aus Billig­ keitsgründen gleichfalls geboten, die durch das Rechts­ mittel verursachten Kosten der Reichskasse aufzuer­ legen. Hat danach die Reichskasse die Kosten des Verfahrens zu tragen, so hat das Gericht aus Billig­ keitsgründen die Befugnis, der Reichskasse auch die durch den Rechtsbehelf veranlaßten notwendigen Auslagen des Beschuldigten oder eines anderen Be­ teiligten sowie solcher aufzuerlegen (§ 463), die selb­ ständig Rechtsbehelfe des Beteiligten gebrauchen oder sonst seine Befugnisse im Verfahren ausüben können. § 457 gilt nicht nur für Rechtsmittelversahren, sondern auch für die Kosten, die durch eine vom Staatsanw alt beantragte Wiederaufnahme des Ver­ fahrens entstehen, da die Vorschrift sich auf sämtliche Rechtsbehelfe des Staatsanw alts bezieht. § 458 Rechtsbehelfe der B e t e i l i g t e n Macht der Beschuldigte oder ein anderer Beteilig­ ter von einem Rechtsmittel Gebrauch, so ist eine be­ sondere Kostenvorschrist für die Fälle erforderlich, in denen das Rechtsmittel keinen Erfolg hat oder zurück­ genommen wird. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind in diesen Fällen wie nach dem bisherigen Recht (§ 473 S tP O .) von dem Beteiligten zu tragen, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Neu ist, daß ihm auch die notwendigen Auslagen eines anderen Betei­ ligten auferlegt werden können, soweit sie durch den Rechtsbehelf veranlaßt worden sind. Als Beteiligte sind nach § 298 auch der Einziehungsbeteiligte (§ 298 Abs. 1 Nr. 3) und der Verletzte anzusehen, der einen Feststellungsantrag (§ 431) stellt; die Vorschrift gilt nach § 301 Abs. 3 ferner für den gesetzlichen Vertreter, den Sorgeberechtigten und den Ehemann, wenn sie von einem Rechtsbehelf des Beschuldigten selbständig Gebrauch machen. Ob und inwieweit diese im Jnnenverhältnis von dem Beteiligten Ersatz verlangen können, richtet sich nach den Vorschriften des bürger­ lichen Rechts. Die Vorschrift gilt nicht nur für Rechtsmittel, sondern auch für andere Rechtsbehelfe der Beteiligten, insbesondere für den Antrag auf Wiederholung einer versäumten Hauptverhandlung oder auf Wiederauf­ nahme des Verfahrens sowie für die Nachholung einer versäumten Handlung und den Einspruch gegen einen Strafbefehl. F ü r die beiden letzteren Rechtsbehelfe ist dies im Absatz 3 ausdrücklich klargestellt, da sie nicht zu den im Dritten Buch geregelten Rechtsbe­ helfen gehören. Die Vorschrift gilt ferner für Be­ schwerden gegen Verfügungen des Staatsanw alts (§ 314) und für den Antrag auf richterliche Entschei­ dung gegen eine Verfügung des Staatsanw alts. Die Kosten der Wiederholung einer versäumten Hauptver­ handlung, die nach dem bisherigen Recht (§ 473 Abs. 3 S tP O .) stets dem Antragsteller zur Last fallen, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Wider­ spruch des Gegners entstanden sind, hat der Antrag-

steiler demnach nur zu tragen, wenn der Rechtsbehelf keinen Erfolg hat oder zurückgenommen wird. Eine Sonderregelung trifft der Absatz 2 für die Wiederholung der Hauptverhandlung gegen einen Flüchtigen. § 459 W e i t e r e Vo r s c h r i f t e n f ü r Recht s-

behel f e Hat ein Rechtsbehelf des Beschuldigten nur teil­ weise Erfolg, führt seine Berufung etwa nur dazu, daß die Strafe ermäßigt wird oder eine neben der Strafe angeordnete sichernde Maßregel wegfällt, so wäre es oft ungerechtfertigt, dem Verurteilten die gesamten Verfahrenskosten aufzubürden. Der Ent­ wurf gibt daher bei Teilerfolg eines Rechtsbehelfs die Möglichkeit, die Auslagen der Reichskasse und die notwendigen Auslagen der Beteiligten angemessen auf die Reichskasse und die Beteiligten zu verteilen. I m Sinne dieser Vorschrift hat einen Teilerfolg auch derjenige Rechtsbehelf, mit dem von vornherein nur eine teilweise Änderung der angefochtenen Entschei­ dung angestrebt wird und deip insoweit ein voller Erfolg zuteil wird, so z. B. wenn die Strafe, gegen die sich der Beschwerdeführer mit der Berufung allein gewandt hat, gemildert wird. D as Gericht kann in diesem Fall die durch den Rechtsbehelf entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten auch ganz der Reichskasse auferlegen und ihn nur mit den Aus­ lagen des früheren Rechtszuges belasten. Die Vor­ schrift ist auch anwendbar, wenn ein Rechtsbehels des S taatsanw alts nur teilweise Erfolg hat. I n die Verteilung können die Auslagen eines früheren Rechtszuges einbezogen werden. Eine angemessene Verteilung der Auslagen der Reichskasse läßt der Entwurf auch zu, wenn mehrere Anfechtungsberechtigte erfolglos von einem Rechts­ behelf Gebrauch gemacht haben. Die Feststellung, in­ wieweit die Auslagen der Reichskasse im Rechtsbehelssverfahren durch den einen oder den anderen Rechts­ behelf entstanden sind, führt oft zu Schwierigkeiten, denen durch eine angemessene Verteilung der Aus­ lagen auf einfache Weise begegnet werden kann. Die Verteilung kann das Gericht, wie sich aus dem § 465 Absatz 5 ergibt, nach Bruchteilen vor­ nehmen. § 460 T e i l n a h m e des E i n z i e h u n g s b e t e i ­ l i g t e n und des Ver l et zt en Die Vorschrift regelt die Frage, wer die beson­ deren Kosten und notwendigen Auslagen der Betei­ ligten trägt, die dadurch entstehen, daß ein Verletzter zum Schutz seiner Ehre (§§ 423 bis 436) oder zwecks Geltendmachung seiner bürgerlichrechtlichen Ansprüche (§§ 438 bis 444) oder ein Einziehungsbeteiligter (§§ 415 bis 422) am Verfahren teilnimmt. D a eine starre Koftenregelung bei der Mannigfaltigkeit der Verfahrensergebniffe hier in vielen Fällen keine gerechte und billige Entscheidung der Kostensrage er­ möglicht, stellt der Entwurf die Entscheidung darüber grundsätzlich in das pflichtmäßige Ermessen des Ge­

richts. D as Gericht kann die fcefonberen Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten einem von ihnen auferlegen oder sie angemessen auf sie. verteilen (Absatz 1 Satz 1). Es kann die besonderen K o st e n auch der Reichskaffe aufbürden, soweit es unbillig wäre, damit die Beteiligten zu belasten (Absatz 1 Satz 2). Dagegen können die besonderen notwendigen A u s l a g e n der Beteiligten der Reichskasse nur dann auferlegt werden, wenn ein Einziehungsbetei­ ligter am Verfahren teilnimmt (Absatz 1 Satz 2). I m einzelnen ist folgendes zu bemerken: Nimmt am Strafverfahren ein E i n z i e ­ h u n g s b e t e i l i g t e r teil, so können durch seine Beteiligung besondere Auslagen der Reichskaffe er­ wachsen. Diese Auslagen trägt im allgemeinen der Angeklagte, wenn er verurteilt wird. Sie können nach dem Absatz 1 aber auch dem Einziehungsbeteilig­ ten auferlegt werden, etwa dann, wenn sie auf un­ begründete Einwendungen des Einziehungsbeteiligten zurückzuführen sind. Entstehen dem Einziehungsbe­ teiligten notwendige Auslagen, so steht es im Ermeffen des Gerichts, sie dem Angeklagten aufzu­ bürden. Dazu wird etwa dann Anlaß bestehen, wenn der einzuziehende Gegenstand ohne Schuld des Ein­ ziehungsbeteiligten zur T at benutzt worden ist. Wird von der Einziehung abgesehen, so können die notwen­ digen Auslagen des Einziehungsbeteiligten aber auch der Reichskaffe auferlegt werden (Absatz 1 Satz 2), da das Strafverfahren den Einziehungsbeteiligten in die Lage gebracht hat, seine gefährdeten Rechte ver­ teidigen zu müssen. Richtet sich das selbständige E in­ ziehungsverfahren nicht gegen einen Beschuldigten, so fallen die Kosten des Verfahrens der Reichskaffe zur Last, gleichviel ob auf Einziehung erkannt oder von der Einziehung abgesehen wird. Nimmt daran ein Einziehungsbeteiligter teil, so gelten für die dadurch erwachsenen besonderen Kosten und seine notwendigen Auslagen die für das Strafverfahren dargelegten Grundsätze. Nimmt an einem Verfahren wegen E h r e n k r ä n k u n g oder einer ihr gleichstehenden Tat (§423) der V e r l e tz t e teil, so ist über die dadurch erwachse­ nen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten gleichfalls nach dem Absatz 1 zu ent­ scheiden. D as gilt gleichviel, ob der Verletzte einen Feststellungsantrag stellt oder nicht (§§ 424, 426) und ob es sich um das Strafverfahren oder um das selbständige Feststellungsverfahren (§§ 434 bis 436) handelt. Die durch die Teilnahme des Verletzten erwachsenen besonderen Kosten werden in der Regel dem Angeklagten aufzuerlegen sein, wenn er verur­ teilt wird. Wird er aber freigesprochen oder das Ver­ fahren eingestellt und wird ein Feststellungsantrag als unbegründet zurückgewiesen, so kann Anlaß bestehen, diese Kosten dem Antragsteller aufzubürden. Schließlich sieht der Entwurf auch vor, mit diesen besonderen Kosten die Reichskaffe zu belasten, wenn es unbillig wäre, sie den Beteiligten aufzuerlegen. Dazu wird etwa dann Anlaß bestehen, wenn der Angeklagte freigesprochen wird, weil er in Verfolgung berechtig­ ter Zwecke gehandelt hat, das Verfahren aber die Unwahrheit der Behauptung ergeben hat. Das pflicht­ mäßige Ermeffen des Gerichts entscheidet auch dar­ über, wer von den Beteiligten ihre notwendigen Aus-

lagen zu tragen hat. Dabei wird es nicht nur daraus ankommen, was die Verhandlung über die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung ergeben hat, son­ dern auch darauf, ob der Verletzte berechtigten Grund hatte, am Verfahren teilzunehmen und ob der Ange­ klagte berechtigte Zwecke verfolgt oder leichtfertig und unberechtigt gehandelt hat. Bei der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten taffen sich im Gesetz Richtlinien, die für jeden Einzelfall zutreffen, nicht ausstellen. Wird die Unwahrheit oder die Nichterweislichkeit der Behauptung dargetan und der Angeklagte verurteilt, so wird er die notwendigen Auslagen des Verletzten diesem zu ersetzen haben. Hat aber der Angeklagte in Ausübung einer Pflicht gehandelt und wird er deswegen freigesprochen, so wird es oft der Billigkeit entsprechen, daß jeder der Beteiligten seine notwen­ digen Auslagen auf sich behält. Endlich wird der Antragsteller, dessen Feststellungsantrag als unbe­ gründet zurückgewiesen wird, die dem freigesprochenen Angeklagten durch die Abwehr des Antrags erwachse­ nen notwendigen Auslagen zu ersetzen haben. Der Absatz 1 regelt endlich auch die Kosten und notwendigen Auslagen der Beteiligten, die durch die Geltendmachung der Ansprüche des Verletzten im Strafverfahren (§§ 438 bis 444) entstehen. Macht der Verletzte zur Schadloshaltung einen A n s p r u c h des bürgerlichen Rechts im S t r a f v e r f a h r e n geltend und wird der Angeklagte zur Leistung an den Verletzten verurteilt, so werden die durch die Teil­ nahme des Verletzten am Verfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen dem Angeklagten zur Last zu legen sein. Wird dem Antrag mur zum Teil entsprochen, so werden in der Regel die not­ wendigen Auslagen des Verletzten dem Angeklagten auch nur teilweise aufzuerlegen sein. Nach pflicht­ mäßigem Ermessen hat das Gericht über die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten auch dann zu entscheiden, wenn es beschließt, von der Ent­ scheidung in der Sache selbst abzusehen, weil sich der Antrag zur Erledigung im Strafverfahren nicht eig­ net oder weil er unzulässig oder unbegründet ist. Viel­ fach wird sich erst im Lauf der Hauptverhandlung aus Grund der Stellungnahme des Angeklagten ergeben,, daß die Erledigung des Antrags das Strafverfahren verzögern würde. Ist es unzweifelhaft, daß dem Verletzten aus der S traftat ein Anspruch gegen den Angeklagten erwachsen ist, so wird es oft der Billig­ keit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Ver­ letzten dem Angeklagten aufzuerlegen. Es kann sich aber auch empfehlen, darüber keine Entscheidung zu treffen; dann bleibt es dem Verletzten überlasien, die ihm im Strafverfahren erwachsenen Auslagen als Teil seines Schadens vor den Gerichten der bürger­ lichen Rechtspflege geltend zu machen. Der Entwurf geht davon aus, daß über den An­ trag des Verletzten aus der Grundlage zu entscheiden ist, die die Verhandlung in der Strafsache ergibt. Besondere Kosten der Reichskasse werden daher in der Regel durch den Antrag des Verletzten nicht ent­ stehen. Entstehen sie dennoch, wird aber sachlich über den Antrag nicht entschieden, sei es, weil das Gericht nach § 441 ihn für ungeeignet hält oder der Antrag sich ohne Entscheidung erledigt oder zurückgenommen wird, so wäre es unbillig, diese Kosten dem Antrag­

steller oder dem Angeklagten aufzuerlegen. Der E nt­ wurf sieht daher vor, daß diese Kosten die Reichskasie zu tragen hat. § 461

Kostenpsl i cht von Ze uge n unb Sachverständigen Wann gegen einen Zeugen oder Sachverständigen wegen Verletzung seiner Pflichten eine Ungehorsams­ strafe zu verhängen ist oder verhängt werden kann, ist in den §§ 183, 184, 196 bestimmt. Wird eine Ungehorsamsstrafe verhängt, so sind dem Zeugen oder Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem bis­ herigen Recht (§§ 51, 70, 77 S tP O .) auch die durch die Verletzung seiner Pflichten verursachten Auslagen der Reichskaffe aufzuerlegen. Der Entwurf faßt die Vorschriften darüber im § 461 zusammen. Über diese Kosten hat sich das Gericht in der Entscheidung aus­ zusprechen, die wegen der Ungehorsamsstrase ergeht. S ie ist in derselben Weise anfechtbar wie die E nt­ scheidung über die Ungehorsamsstrafe. § 465 Abs. 2, 4 findet daher aus diese Entscheidung keine Anwen­ dung. § 462 V e r t a g u n g der H a u p t v e r h a n d l u n g Nach bisherigem Recht sind dem Verteidiger, durch deffen Verschulden eine Aussetzung der Hauptverhand­ lung erforderlich wird, die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen (§ 145 Abs. 4 S tP O .). Ähnliche Vorschriften enthält das Gerichtsverfaffungsgesetz (§§ 56, 84) für Schöffen und Geschworene. Der E nt­ wurf verallgemeinert den in diesen Vorschriften ent­ haltenen Gedanken: Kostenpflichtig ist jeder, der in einer Hauptverhandlung mitzuwirken oder sonst an ihr teilzunehmen hat und durch grobes Verschulden verursacht, daß sie nicht rechtzeitig stattfinden kann oder unterbrochen oder ausgesetzt werden muß. S o ­ weit in der Hauptverhandlung Richter, S ta a tsa n ­ wälte und andere Beamte in ihrer amtlichen Eigen­ schaft mitzuwirken haben, regelt ihre Haftung das Beamtengesetz. Wird die Vertagung der Hauptver­ handlung durch schuldhafte Säum nis des Angeklagten notwendig, so gilt § 455 Abs. 3. Auch für Zeugen und Sachverständige gibt § 461 eine Sondervorschrift. § 463 Notwendige Auslagen Anderer Soweit der Entwurf Unbeteiligten die Befugnis gibt, selbständig Rechtsbehelfe des Beteiligten zu gebrauchen oder sonst seine Befugnisse im Verfahren auszuüben, etwa dem gesetzlichen Vertreter, dem Sorgeberechtigten oder einem Angehörigen des Betei­ ligten (vgl. §§ 301, 366, 437), müssen zugunsten dieser Personen auch die Vorschriften gelten, nach denen die notwendigen Auslagen eines Beteiligten einem anderen Beteiligten oder der Reichskasse auf­ erlegt werden können (vgl. § 455 Abs. 2, § 456, § 457 Abs. 2, §§ 459, 460, 464). Legt der gesetzliche Vertreter des Angeklagten ein Rechtsmittel ein und wird der zunächst verurteilte Angeklagte freige­ sprochen, so müssen die notwendigen Auslagen des

gesetzlichen Vertreters ebenso wie diejenigen des An­ geklagten nach § 455 Abs. 2 der Reichskasse auferlegt werden können. T ritt in einem Verfahren wegen Ehrenkränkung für den minderjährigen Verletzten der Sorgeberechtigte aus, so muß der Angeklagte dessen notwendige Auslagen in derselben Weise erstatten wie die des Verletzten. § 464 V e r m e i d u n g von H ä r t e n Der Entwurf lockert in seinen Vorschriften über die Kostenpflicht (§§ 454 bis 463) die starren Kosten­ bestimmungen des bisherigen Rechts weitgehend auf. Die §§ 454 bis 463 werden somit in der Regel zu einer Kostenentscheidung führen können, die nach dem Ergebnis des Verfahrens als gerecht und billig er­ scheint. Die Kostenregeln des Entwurfs bauen auf den typischen, häufiger vorkommenden Verfahrens­ gestaltungen auf. Bei der Mannigfaltigkeit der Lebenserscheinungen ereignen sich aber mitunter Fälle, die eine von der Regel abweichende Kostenentscheidung verlangen, wenn Härten vermieden werden sollen. Der Entwurf gibt daher dem Gericht die Befugnis, bei der Entscheidung über die Kosten und die notwen­ digen Auslagen der Beteiligten von den Regelvorschristen über die Kostenpslicht abzuweichen, wenn ihre Beachtung wegen außergewöhnlicher Umstände des Verfahrens zu einer unbilligen Härte gegenüber den Beteiligten oder zu einer ungerechtfertigten Belastung der Reichskasse führen würde. Die Fassung der Vor­ schrift betont ihren Ausnahmecharakter, der es nicht zuläßt, daß die Bestimmung in nicht außergewöhnlich liegenden Fällen angewandt oder gar zur regel­ mäßigen Grundlage der Kostenentscheidung gemacht wird. Die Vorschrift will Härten entgegentreten, die sich aus der außergewöhnlichen Gestaltung des V e r ­ s a h r e n s ergeben. Rücksichten, die lediglich den persönlichen Verhältnissen der Beteiligten entnommen werden könnten, dürfen die Kostenentscheidung nicht beeinflussen. Z ur Anwendung der Vorschrift kann etwa dann Anlaß bestehen, wenn in einem Verfahren, das zur Verurteilung des Angeklagten führt, infolge unrichtiger Behandlung der Sache Auslagen der Reichskasse erwachsen sind, die sich hätten vermeiden lassen. Macht das Gericht von dieser Befugnis Gebrauch, so kann es Kosten, die nach den allgemeinen Vor­ schriften einen Beteiligten treffen, einem anderen Be­ teiligten oder der Reichskasse auferlegen oder Kosten, die nach den allgemeinen Vorschriften der Reichskasse zur Last fallen, einem der Beteiligten aufbürden. Ebenso kann es mit den notwendigen Auslagen eines Beteiligten verfahren. Es kann auch die Kosten und die notwendigen Auslagen der Beteiligten angemessen verteilen. § 465 E n t s c h e i d u n g ü b e r bt c Kos t en Während das Gericht über die Erstattung der notwendigen Auslagen eines Beteiligten nur zu ent­ scheiden hat, wenn das Verfahren Anlaß dazu bietet, ist eine ausdrückliche richterliche Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nicht nur für das Urteil

und den Strafbefehl, sondern auch für jede andere richterliche Entscheidung vorgeschrieben, die ein Ver­ fahren abschließt. Dazu gehören insbesondere die richterlichen Beschlüsse, durch die ein Verfahren ein­ gestellt wird, gleichviel ob sie nach Erhebung der An­ klage oder auf Grund des § 384 nach einer richterlichen Voruntersuchung ergehen. Eine ausdrückliche Kosten­ entscheidung ist ferner in Entscheidungen des Richters und des S taatsanw alts zu treffen, die auf einen Rechtsbehelf ergehen. Insbesondere muß auch in Entscheidungen über die Beschwerde gegen Verfü­ gungen des S taatsanw alts (§ 314) über die Kosten des Rechtsbehelss entschieden werden, da die §§ 458, 459 auch für diesen Rechtsbehelf gelten. I n Ver­ fügungen des S taatsanw alts über die Einstellung des Vorverfahrens bedarf es einer Kostenentscheidung nicht. Im Urteil ist die Kostenentscheidung in den Urteilsspruch aufzunehmen. Sie unterliegt daher den Rechtsmitteln, die gegen das Urteil gegeben sind. Werden Kosten oder notwendige Auslagen eines Beteiligten nicht der Reichskasse oder dem Angeklag­ ten, sondern anderen auferlegt, z. B. in den Fällen des § 456 dem Anzeiger, im Entschädigungs- oder Ehrenschutzverfahren dem Verletzten (§ 460), so muß der Betroffene in der Lage sein, die Kostenentschei­ dung anzufechten. Der Entwurf sieht daher für diese Fälle vor, daß über die Pflicht zur Erstattung der Kosten und notwendigen Auslagen durch einen selb­ ständig anfechtbaren Beschluß entschieden wird. F ür diesen Beschluß ist in den Fällen des § 456 im Vor­ verfahren der Staatsanw alt zuständig. Absatz 3 des § 430 regelt zwei weitere Fälle einer selbständigen Kostenentscheidung. Einmal regelt er den Erlaß der Kostenentscheidung für die Fälle, in denen ein gerichtlich anhängiges Verfahren ohne rich­ terliche Entscheidung endigt, etwa bei Zurücknahme eines Rechtsbehelfs oder des Antrags des Verletzten im selbständigen Feststellungsverfahren (§ 434). über die Frage, wer die K o st e n des Verfahrens trägt, wird in diesen Fällen vielfach kein Zweifel bestehen (§§ 457, 458), während über die Tragung der not­ wendigen Auslagen der Beteiligten besonders ent­ schieden werden muß. Soweit eine gerichtliche E nt­ scheidung notwendig ist, hat sie das Gericht, das mit der Sache befaßt ist, auf Antrag oder von Amts wegen durch Beschluß zu treffen. Hat das Gericht entgegen dem Absatz 1 eine Ent­ scheidung über die Kosten des Verfahrens nicht ge­ troffen oder hat es versäumt, über die Erstattung der notwendigen Auslagen eines Beteiligten zu ent­ scheiden und kann darüber auch nicht mehr in einem Rechtsmittelverfahren entschieden werden, so gibt der Entwurf dem mit der Sache befaßten Gericht die Möglichkeit, die Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten durch Beschluß nach­ zuholen. Bevor in den Fällen der Absätze 2 und 3 durch Beschluß entschieden wird, sind die Beteiligten zu hören. Der Beschluß ist mit der befristeten Beschwerde anfechtbar. Sind Kosten oder notwendige Auslagen mehreren aufzuerlegen, etwa teils der Reichskasse, teils dem Angeklagten oder teils dem einen, teils den anderen

Beteiligten, so bereitet die Sonderung derartiger Kosten und Auslagen nach Summen oft kaum zu lösende Schwierigkeiten. Der Entwurf sieht daher vor, daß das Gericht, das den Sachverhalt kennt, zur Vereinfachung der Kostenrechnung die Kosten und Auslagen nach Bruchteilen verteilen kann. §§ 466 bis 469 Festsetzungsversahren Uber die Festsetzung der Auslagen, die einem Beteiligten zu erstatten sind, enthält das bisherige Recht im § 464 Abs. 2 S tP O , die Vorschrift, daß die Höhe der Auslagen auf Antrag eines Beteiligten durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festge­ setzt wird und daß auf das Verfahren und die Voll­ streckung der Entscheidung die Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung entsprechende Anwendung finden. Der Entwurf regelt das Festsetzungsverfahren in den §§ 466 bis 469 durch besondere Vorschriften, da die Besonderheiten des Strafverfahrens einige Abwei­ chungen von den Vorschriften der Zivilprozeßordnung bedingen. Die Vorschriften gelten auch, wenn die Auslagen der Beteiligten aus der Reichskaffe zu erstatten sind. Die Festsetzung der Kosten des Ver­ fahrens, also der für die Reichskaffe zu erhebenden Gebühren und Auslagen, richtet sich hingegen nach den Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes. Die Vorschriften über das Verfahren bei der Aus­ lagenfestsetzung schließen sich, soweit möglich, dem

Verfahren der Zivilprozeßordnung an. über das Festsetzungsgesuch entscheidet der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts, das im ersten Rechtszug entschieden hat. Richtet sich der Anspruch gegen die Reichskaffe, so hat der Urkundsbeamte das Gesuch zunächst dem Staatsanw alt zur Erklärung vorzu­ legen. Bon der Erklärung des S taatsanw alts ab­ zuweichen, ist der Urkundsbeamte nicht befugt. Hält er eine Abweichung für geboten, so hat er die Entschei­ dung des Vorsitzers des Gerichts herbeizuführen (§ 467 Abs. 1 Satz 2). Gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten können die Beteiligten binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung die E nt­ scheidung des Vorsitzers beantragen. Der Beschluß des Vorsitzers ist mit der befristeten Beschwerde an­ fechtbar. S ind die Auslagen nach Bruchteilen ver­ teilt, so ist ein ähnliches Verfahren wie nach § 106 ZPO . vorgesehen. Hat in den Fällen des § 456 der Staatsanw alt über die Auslagen entschieden (§ 465 Abs. 2 Satz 2), so ist nach § 469 für die Festsetzung der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des S ta a tsa n ­ walts zuständig. Gegen seine Entscheidung kann binnen einer Woche nach der Bekanntgabe die Ent­ scheidung des S taatsanw alts beantragt werden. Auf die Vollstreckung des Festsetzungsbeschluffes finden nach § 467 Abs. 6 die Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung entsprechende Anwendung. Es gilt also auch § 798 Z PO ., wonach erst vollstreckt werden darf, wenn der Schuldtitel mindestens eine Woche vorher zugestellt ist.

Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung Allgemeines

I n der geltenden Rechtsordnung entspricht der Scheidung des Strafrechts vom bürgerlichen Recht die Einteilung der Gerichte in Strafgerichte und Zivilgerichte. Diese Aufspaltung der G erichtsorga­ nisation führt häufig dazu, daß ein einheitlicher Lebensvorgang, der beide Rechtsgebiete berührt, auf mehrere V erfahren aufgeteilt und gleichzeitig oder nacheinander vor verschiedenen Gerichten verhandelt wird, wobei für die Feststellung des Sachverhalts jeweils verschiedene Versahrensgrundsätze gelten. D ies verursacht nicht n u r ein M ehr an A rbeit und Kosten, sondern begründet auch die dem Ansehen der Rechtspflege abträgliche G efahr einander w ider­ sprechender Entscheidungen. D er E ntw urf der Strafverfahrensordnung hat die scharfe T rennung des bisherigen Rechts zwischen den verschiedenen Zweigen der Rechtspflege gelockert und im V erfahren zur Entschädigung des Verletzten eine organische V erbindung zwischen der Strafrechtspflege und der bürgerlichen Rechtspflege geschaffen. Künftig können die unteren Strafgerichte auch über gewisse bürgerlich­ rechtliche Ansprüche des Verletzten gegen den Ange­ klagten mitentscheiden (§§ 438 ff.). D ie gleich­ zeitige Erledigung solcher Ansprüche im S tra fv e r­ fahren entspricht dem gesunden Rechtsempfinden und einer vernünftigen Versahrensökonomie. D er vor­ liegende E ntw urf der Friedensrichterordnung führt diese Entwicklung noch wesentlich weiter. E s gibt zahlreiche Lebensvorgänge, bei denen eine S p altu n g in eine strafrechtliche und bürgerlichrechtliche S eite als unnatürlich und lebensfremd erscheint, bei denen diese verschiedenen S eite n derart schwach ausgeprägt oder so eng m iteinander verquickt sind, daß eine B e­ handlung der Sache vor mehreren Gerichten oder auch nur nach verschiedenen Verfahrensgrundsätzen die Gesamtbereinigung eher hemmt als fördert. E s handelt sich dabei meist um kleinere Zusammenstöße des täglichen Lebens, die ihre W urzel in nachbar­ lichen Streitigkeiten haben und nachher in das Gebiet des Strafrechts hinübergreifen. F ü r solche Sachen will die Friedensrichterordnung ein V erfahren schaffen, das die Aufgaben der verschiedenen Zweige der Rechtspflege in sich vereinigt, eine einheitliche Bew ertung einheitlicher Lebensvorgänge zuläßt und auf G rund einheitlichen Verfahrensrechts eine ab­ schließende Gesam tbereinigung kleinerer Konflikte ermöglicht. D ie V ereinigung verschiedener Zweige der richter­ lichen Tätigkeit in der Hand des Friedensrichters be­ deutet aber keine bloße Häufung verschiedener Z u ­ ständigkeiten in einer Hand. S ie bringt vielmehr

m it der Erw eiterung des allgemeinen Ausgabenbereichs eine neue A rt richterlicher Tätigkeit. I m V ordergrund der richterlichen Tätigkeit steht seit jeher das „ R i c h t e n " , d. h. die Feststellung des vom Gesetz erforderten Tatbestandes m it dem au torita­ tiven Ausspruch der an den Tatbestand gebundenen Rechtsfolge. D ie r e c h t s g e s t a l t e n d e Tätigkeit des Richters, die Rechtsbeziehungen begründet, auf­ hebt oder ändert, trat demgegenüber lange Zeit in den H intergrund. Beide Tätigkeiten, das „Richten" und das „G estalten", werden vielfach a ls wesensver­ schiedene Aufgaben betrachtet. S o wurde dem P ro ­ zeßrichter bisher nur in verhältnism äßig geringem Umfang die Möglichkeit gegeben, rechtsgestaltend tätig zu werden. Demgegenüber hat sich in der letzten Zeit immer mehr das Bestreben durchgesetzt, die rechtsgestaltende Macht des Richters zu erweitern und sie auch im Rahmen eines „streitigen" Verfahrens weitgehend zuzulassen. E s gibt große Gruppen von Streitigkeiten, bei denen das B edürfnis nach einer freien, rechtsgestaltenden Jnteressenausgleichung, nach einer umfassenden Schlichtung größer ist als das B e­ dürfnis nach einer „Entscheidung". D ies gilt vor allem für die bereits oben näher gekennzeichneten kleineren Konflikte des täglichen Lebens. Die F rie ­ densrichterordnung stellt nunm ehr für diese Sachen ein Verfahren zur Verfügung, in dem die gestaltende Interessenausgleichung, die Schlichtung einer unfried­ lichen Gesamtlage, das beherrschende Z iel bildet und in dem die Spruchtätigkeit des Richters gegenüber seiner Vergleichs- und Schlichtungsgewalt in den H intergrund treten soll. D as Wesentliche der neuen Friedensrichterord­ nung besteht hiernach einm al darin, daß bisher getrennte Zweige der richterlichen Tätigkeit in der Hand des Friedensrichters zu einer neuen Art richter­ licher Tätigkeit verbunden werden; daß ferner der Schwerpunkt des V erfahrens nicht im „Richten", sondern in der ausgleichenden Schlichtung liegt. Rach § 1 der neuen Friedensrichterordnung ist der F rie ­ densrichter berufen, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen und den Frieden unter den B eteiligten wiederherzu­ stellen, M aßnahm en zu treffen, um künftige F riedens­ störungen unter den Beteiligten zu verhüten, imb Streitigkeiten beizulegen, die die Ursache des Unfriedens bilden oder zu neuem Unfrieden A n­ laß geben können. A us der W eite der sriedensrichterlichen Ausgaben ergibt sich, daß der Friedensrichter nicht Strafrichter sein soll. Am Ende des friedensrichterlichen Ver-

sahrens steht als wichtigstes Ziel nicht Verurteilung kränkungen mit den Ehrverletzungen ohne wesent­ oder Freispruch, sondern die Herstellung des Friedens lichen kriminellen Unrechtsgehalt. Bei dem weitaus unter den Beteiligten. Die Ziele des sriedensrichter- größten Teil aller Ehrenstrassachen handelt es sich lichen Verfahrens sind so weit gesteckt, daß die Ver­ nicht um ernste Ehrverletzungen, sondern um Schimpf­ schaffung von Genugtuung für den Verletzten nur wörter, kleinen Klatsch und geringfügige Tätlichkeiten, die sich aus dem engen Zusammenleben in städtischen e i n e der friedensrichterlichen Aufgaben bildet. Sie erfolgt durch Maßnahmen, denen jeder strasähnliche Miethäusern, aus Reibungen bei der gemeinsamen Charakter fehlt. Eine Sühne mit den M itteln des Arbeit oder aus Spannungen im geschäftlichen oder Strafrechts ist dem friedensrichterlichen Verfahren sonstigen Verkehr der Volksgenossen untereinander wesensfremd. Uber die Genugtuung hinaus soll der ergeben. Dies sind meist nur geringfügige Störungen Friedensrichter den gestörten Frieden wiederher­ des Gemeinschaftslebens, die über den Kreis der un­ stellen, künftige Friedensstörungen verhüten helfen mittelbar Beteiligten nicht hinausgreifen. S ie er­ füllen zwar den Tatbestand einer S traftat, begrün­ und Streitigkeiten beilegen, die Ursache oder Folge des Zwistes sind. Zu diesem Zweck muß der Friedens­ den aber kein Sühne- und Schutzbedürfnis der Volks­ richter zunächst den ihm vorgetragenen Sachverhalt gemeinschaft, für das der S taatsanw alt einzutreten mit allen Zusammenhängen ergründen. Hat er hier­ hätte. S ie bedürfen keiner kriminellen Ahndung, son­ über Klarheit erlangt, so muß er seine Arbeit für den dern einer „Schlichtung" durch eine staatliche Frieden so einsetzen, daß sie nicht nur die Tat, son­ Schlichtungsstelle. Nicht „Sühne", sondern Wieder­ dern darüber hinaus alle Quellen des Unfriedens herstellung des gestörten Friedens ist in solchen Fällen und seine Folgeerscheinungen ersaßt. Zu diesem die Aufgabe des Richters. Die bisherige Gleichbe­ Zweck bemüht sich der Friedensrichter zunächst, die handlung mit den ernsten Ehrverletzungen bedeutet Beteiligten auszusöhnen und zum Abschluß einer um­ eine Entwertung der kriminellen Strafe und des fassenden Einigung zu bewegen, die den Frieden unter kriminellen Strafverfahrens. Die geringfügigen Ehr­ den Beteiligten wiederherstellt und künftigen F rie­ verletzungen, die nur eine Störung des nachbarlichen densstörungen vorbeugt. Der Friedensrichter soll Rechtsfriedens enthalten, müssen daher aus dem Be­ nur dann „richten", wenn seine Schlichtungsbe­ reich der kriminellen S trafe und des kriminellen Strafverfahrens herausgenommen, gewissermaßen mühungen gescheitert sind. entkriminalisiert werden, damit sie nicht mehr infolge Eine derart weitreichende Aufgabe, wie sie das sriedensrichterliche Verfahren stellt, kann sachgemäß der sachlich ungerechtfertigten Gleichbehandlung mit den ernsten Ehrenkränkungen den für diese vorzu­ nur von einem Berufsrichter erfüllt werden. Die Friedensrichterordnung will nicht etwa einige gering­ behaltenden kriminellen Ehrenschutz belasten und ent­ fügige Strafsachen aus der Strafgerichtsbarkeit aus­ werten. D as bisherige Privatklageversahren hat sich für die Erledigung der geringfügigen Ehrverletzungen scheiden und sie in ein Verfahren von untergeordneter Bedeutung verweisen; sie will vielmehr eine neue, als ungeeignet.erwiesen. Abgesehen davon, daß ein umfassende richterliche Aufgabe schaffen. F ü r die von dem Willen einer Privatperson abhängiges und sriedensrichterliche Arbeit genügen nicht Charakter von ihr zu betreibendes Strafverfahren mit dem und Lebenskenntnis, es müssen auch Erfahrungen in Wesen der Bestrafung als einem der wichtigsten staat­ lichen Hoheitsakte nicht vereinbar ist, ist das Ziel der der Feststellung und Bewertung von Tatsachen und eingehende Kenntnisse im Recht erfordert werden. Privatklage von vornherein zu eng. Die Gewährung Der Entwurf überträgt daher das Amt des Friedens­ von Genugtuung allein kann bei den hier in Betracht kommenden Strafsachen nicht genügen. An einer richters dem Amtsrichter. Die Weite der dem Friedensrichter gestellten Auf­ Genugtuung besteht hier regelmäßig nur ein mittel­ gaben soll ihn nicht zu einer allgemeinen „Friedens­ bares Allgemeininteresse, nämlich Rechtsschutz zu stelle" machen, die auf Antrag oder gar von Amts gewähren, um ungeregelte Selbsthilfe zu verhindern. D as Hauptziel muß dahin gehen, e i n e u n s r i e d wegen bei jeder „Friedensstörung" einzugreifen hätte. Eine solche Regelung würde die Schlichtungsaufgaben l i c h e L a g e z u b e f r i e d e n . Die S tra fta t ist ins Ungemessene erweitern und in den Bereich der meist nur der Ausdruck eines allgemeinen Unfriedens, Zivilgerichtsbarkeit übergreifen. Der Entwurf fordert die explosive Folge einer unsriedlichen Gesamtlage. daher als E i n g a n g für das sriedensrichterliche Es muß versucht werden, Grund und Folge der S tra fta t durch umfassende Schlichtungsmaßnahmen Verfahren die Behauptung einer bestimmten S traftat (§ 2), eröffnet aber im weiteren Verfahren die Mög­ zu beseitigen, durch freiwillige Ehrenerklärungen, frei­ lichkeit zu einer umfassenden Schlichtung und Ent­ willige Vereinbarungen über bürgerlich-rechtliche scheidung, die sich nicht aus die strafrechtliche Seite Streitursachen und Streitsolgen, notfalls durch Aus­ des Falles beschränkt. Der Kreis der Taten, wegen spruch richterlicher Mißbilligung und durch richter­ deren der Friedensrichter angerufen werden kann, lichen Spruch die Quelle des alten S treits und die deckt sich im wesentlichen mit den bisherigen P riv at­ möglichen Quellen künftiger Zwistigkeiten zu ver­ klagedelikten, beschränkt sich also aus solche Taten, schließen. An derartigen Möglichkeiten fehlt es in durch die erfahrungsgemäß der nachbarliche Rechts­ dem bisherigen, auf Bestrafung oder Freisprechung frieden besonders häufig gestört wird. beschränkten Privatklageverfahren. Es besteht also im Zu dem wichtigsten Arbeitsgebiet des Friedens­ bisherigen Recht eine Lücke, die nunmehr dadurch aus­ richters gehören die leichteren Ehrenkränkungen. Die gefüllt wird, daß für.geringfügige Ehrverletzungen Unzulänglichkeit des bisherigen Ehrenschutzes beruht und gleichwertige Straftaten etwa im Rahmen der zu einem wesentlichen Teil auf der verfahrensrecht­ heutigen Privatklagedelikte ein lockeres gerichtliches lichen Gleichbehandlung der wirklich ernsten Ehren­ Verfahren zur Verfügung gestellt wird, das eine

Schlichtung und Befriedung durch einen Richter ermöglicht, der aus dem Boden einer umfassenden Zuständigkeit über eine weitreichende Spruchgewalt verfügt. Innerhalb des Kreises der Straftaten, wegen deren der Friedensrichter angerufen werden kann (§ 2), muß zwischen solchen unterschieden werden, die mit den M itteln des kriminellen Strafrechts ge­ ahndet werden sollen, und solchen, die dem friedens­ richterlichen Verfahren zugewiesen werden. Der Ent­ wurf verzichtet auf eine feste tatbestandsmäßige Scheidung, die nur schwer durchführbar wäre und kaum zweckmäßig ist. E r begnügt sich mit einer grad­ mäßigen Unterscheidung, indem er davon ausgeht, daß die Unterscheidung zwischen dem „kriminellen" und „nichtkriminellen" Unrecht nur im Einzelfall getroffen werden kann. Die Entscheidung darüber, ob eine Ahndung mit den M itteln des Strafrechts erforderlich ist oder nicht, soll im Einzelsall der S taatsanw alt treffen (§§ 2 Abs. 3, 12). Wird der Friedensrichter wegen einer in seinen Spruchbereich fallenden T at angerufen, so sucht er im Rahmen seiner dreifachen Aufgabe (§ 1) zunächst zu schlichten; gelingt dies nicht, so fällt er den Friedens­ spruch (§ 4). Der Friedensrichter kann auf Grund seiner Spruchgewalt auf Friedensbuße oder Verwar­ nung erkennen, eine Friedensbürgschaft auferlegen, zur Wiederherstellung des guten Rufs Feststellungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen Behauptung treffen und Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art entscheiden oder einstweilen befrieden (§ 5). Art und Grenzen dieser Maßnahmen sind im einzelnen so bestimmt (§§ 6 bis 10), daß zwar jeder 'Anklang an die kriminelle Strafe vermieden wird, andererseits aber der Friedensrichter den Beteiligten mit genügen­ der Autorität gegenübertreten und für jede Friedens­ störung ausreichende Genugtuung und sichere Gewähr für die Unterlassung künftiger Friedensstörungen geben kann. Die mit der kriminellen Strafe nicht vergleichbaren sriedensrichterlichen Maßnahmen haben zum Teil andere Voraussetzungen als die Strafe. Außer der Friedensbuße und der Verwar­ nung sind die sriedensrichterlichen Maßnahmen nicht an den Tatbestand einer S traftat gebunden. D araus ergibt sich andererseits, daß mit der Feststellung oder Verneinung der behaupteten S traftat die Aufgabe des Friedensrichters nicht erschöpft ist. Auch bei Verneinung einer S tra fta t hat er zu schlichten und nötigenfalls einen Friedensspruch zu erlassen, wenn die Wiederherstellung des Friedens oder die Verhü­ tung künftiger Friedensstörungen dies erfordert. Das friedensrichterliche Verfahren deckt sich mit dem S tra f­ verfahren nur im Ausgangspunkt, indem es wie dieses als sachliche Veranlassung eine S tra fta t voraussetzt unb nur, wenn gegen den Friedensstörer der Vorwurf einer S traftat erhoben wird, den Weg zum Friedens­ richter eröffnet; im übrigen geht das friedensrichter­ liche Verfahren einen vom Strafverfahren völlig ver­ schiedenen Weg, der sich aus seinen besonderen Zielen ergibt. Jedoch ist der Friedensrichter keine Schiedsstelle, die Streitigkeiten unabhängig vom sachlichen Recht nach freiem Belieben entscheiden könnte. Eben­ so wie der S traf- und Zivilrichter ist auch der Frie­ densrichter an das sachliche Recht gebunden.

Der Staatsanw alt wirkt im sriedensrichterlichen Verfahren nicht mit. E r kann aber bis zum rechts­ kräftigen Abschluß des friedensrichterlichen Verfah­ rens die Verfolgung im Strafverfahren übernehmen (§ 12).

D as V e r f a h r e n vor dem Friedensrichter ist so locker und einfach wie nur möglich gestaltet. Der Friedensrichter soll sein Verfahren nach pflicht­ mäßigem Ermessen bestimmen und dabei die Grund­ sätze des Strafverfahrens als Richtschnur beachten (§ 22). Eingeleitet wird das Verfahren durch eine Klage des Verletzten (§§ 13, 18), die an eine Frist gebunden ist, um die Neuerörterung alten S treits zu verhindern (§ 17). Die Klage ist beim Friedensrichter anzubringen, der in geeigneten Fällen die Übernahme der Sache ins Strafverfahren veranlaßt (§§ 24, 25). Dem Verklagten soll alsbald Gelegenheit zur Erklä­ rung gegeben werden (§ 23). Ist die Klage unzu­ lässig oder kann der Friedensrichter aus sonstigen Gründen nicht tätig werden, so lehnt er die Klage ab (§ 25). I n der mündlichen Verhandlung, die grund­ sätzlich nicht öffentlich ist, soll der Friedensrichter durch persönliche und verständnisvolle Einwirkung eine Aussöhnung zu erreichen versuchen (§ 31). D es­ halb müssen die Beteiligten in der Verhandlung per­ sönlich anwesend sein (§ 30). Der Friedensrichter erhält die nötigen Zwangsmittel, um das Erscheinen von Beteiligten und Auskunstspersonen notfalls er­ zwingen zu können (§§ 27, 30). E r soll ebenso wie der Strafrichter von Amts wegen alles tun, was zur Erforschung der Wahrheit notwendig ist (§ 22). Kenn­ zeichnend für die weitgespannten Ausgaben des sriedensrichterlichen Verfahrens ist die Bestimmung des § 33, wonach das Verfahren auf weitere S tre it­ punkte und auf andere in der Verhandlung anwesende Personen ausgedehnt werden kann. Wichtig sind auch die Vorschriften, die der Wiederherstellung der ver­ letzten Ehre dienen (§§ 8, 26, 32, 34, 38). Mißlingt die Schlichtung, so ist der Friedensspruch zu er­ lassen, der auf Friedensbuße oder Verwarnung und bei Nichtschuld auf „Lossprechung" erkennt, daneben aber auch andere Maßnahmen enthalten kann (§ 34). Rechtsmittel gegen den Friedensspruch werden — als mit dem Gedanken der Befriedung unvereinbar — grundsätzlich versagt; nur bei Feststellungen, die der Wiederherstellung der verletzten Ehre dienen, wird die Berufung zugelassen (§ 38). Zur Wahrung der In te r­ essen der Staatssührung ist bei gewissen schwerem: rechtlichen Mängeln des Spruchs oder des Verfahrens die Nichtigkeitsbeschwerde durch den S taatsanw alt vorgesehen (§ 39). Ergeben sich neue Tatsachen oder Beweismittel, so kann unter bestimmten Voraus­ setzungen der Staatsanw alt auch nach rechtskräfti­ gem Friedensspruch Anklage vor den Strafgerichten erheben (§ 40). Daneben erhalten die Beteiligten die Möglichkeit, bei wesentlichen neuen Tatsachen oder Beweismitteln, die der Entscheidung des Friedens­ richters die Grundlage entziehen, die Wiederauf­ nahme des Verfahrens zu beantragen (§ 43). Die unmittelbare Anrufung des Friedensrichters könnte leicht zu einer Überbelastung mit kleinen Sachen führen. Es liegt deshalb nahe, die bewährte Einrichtung des Schiedsmanns für Streitigkeiten in engeren Verhältnissen beizubehalten und sie mit dem

Amt des Friedensrichters derart zu verbinden, daß die Schiedsmänner ähnlich wie bisher als örtliches Schlichtungsorgan und als erste Aufsangstelle wirten. Der Entwurf sieht deshalb vor, daß der Klage grund­ sätzlich ein Sühneversuch vor dem Schiedsmann vor­ ausgehen muß, wenn die Beteiligten in demselben oder in benachbarten Gemeinde- oder Schiedsmannsbezirken wohnen (§ 16). Die Stellung des Schiedsmanns wird — im Verhältnis zur Regelung einiger außerpreußischer Länder — etwas gestärkt. E r kann gegen Beteiligte, die unentschuldigt ausbleiben, Zwangsmittel anwenden (§ 53).. E r darf Zeugen und Sachverständige, die freiwillig vor ihm erschei­ nen, uneidlich vernehmen und einen Augenschein ein­ nehmen (§ 54 Abs. 1). M ißlingt bei unbedeutenden Ehrenkränkungen die Schlichtung, so kann der Schiedsmann die Sache „für erledigt" erklären (§ 54 Abs. 2), mit der Folge, daß der Friedensrichter die Klage ablehnen kann (§ 25). Eine vor dem Schieds­ mann geschlossene Einigung soll wie eine notarische Urkunde vollstreckbar sein (§ 56). Der Entwurf gliedert sich in die „Friedensrichter­ ordnung" (Erstes Hauptstück) und in das „Verfahren vor dem Schiedsmann" (Zweites Hauptstück); daran schließt sich die Schlußbestimmung an. D as Erste Hauptstück ist untergeteilt in den Ersten Abschnitt (Allgemeine Vorschriften) und in den Zweiten Ab­ schnitt (Verfahren vor dem Friedensrichter). Im Ersten Abschnitt werden zunächst die Aufgaben, die dem Friedensrichter gestellt sind, und sodann die M ittel, die ihm zur Lösung dieser Aufgaben zur Ver­ fügung stehen, geschildert. I m Zweiten Abschnitt folgen die das Verfahren betreffenden Vorschriften.

Erstes Hauptstück

Friedensrichterordnung Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften § 1 A u f g ab e des F r i e d e n s r i c h t e r s

Die Vorschrift umschreibt die dreifache Aufgabe des friedensrichterlichen Verfahrens, nämlich dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen und den Frieden wiederherzustellen, künftige Friedensstörun­ gen zu verhüten und Streitigkeiten beizulegen, die die Ursache oder Folge der Friedensstörung bilden. § 1 will lediglich die allgemeine Richtung der friedens­ richterlichen Tätigkeit bezeichnen; die Voraus­ setzungen, unter denen der Friedensrichter tätig wird, und die Mittel, die ihm für seine Aufgabe zur Ver­ fügung stehen, werden im einzelnen in den folgenden Vorschriften geregelt (§§ 2, 4 bis 11). Die Bindung des Friedensrichters an die „in seinen Spruchbereich fallenden Taten" soll klarstellen, daß der Friedensrichter keine allgemeine „Friedens­ stelle" ist, der die Aufgabe zufiele, Friedensstörungen

jeder Art zu schlichten. Die friedensrichterliche Tätig­ keit bildet vielmehr eine Ergänzung der strafrichter­ lichen Tätigkeit und soll wie diese nur dann ausgelöst werden, wenn der Tatbestand einer S tra fta t behaup­ tet wird. Der Friedensrichter hat zunächst die Aufgabe, dem Verletzten G e n u g t u u n g zu verschaffen (Nr. 1). Diese Aufgabe des Friedensrichters hat die größte Ähnlichkeit mit der Tätigkeit des Strafrichters. Den­ noch sind die M ittel und Wege, mit denen der F rie­ densrichter Genügtuung gibt, von denen des S tra f­ richters völlig verschieden. D as sachliche Strafrecht gilt zwar auch für das friedensrichterliche Verfahren, aber nur hinsichtlich seiner V o r a u s s e t z u n g e i t , nicht hinsichtlich der F o l g e n der Tat. Der F rie­ densrichter soll dem V e r l e t z t e n Genugtuung geben. Diese Genugtuung ist eine wesentliche Vor­ aussetzung dafür, die Störung des Friedens zu be­ seitigen. Eine dauernde Gesamtbefriedung unter den Beteiligten zu schaffen, muß das Hauptziel des frie­ densrichterlichen Verfahrens sein. Ih m ist nicht nur die Bezeichnung des Friedensrichters entnommen. Auch die M ittel des Friedensrichters und die Gestal­ tung seines Verfahrens sind diesem Hauptziel zuge­ wendet (Nr. 1). Der Friedensrichter muß daher auch Maßnahmen treffen können, um künftige Friedensstörungen unter den Beteiligten zu verhüten (Nr. 2). Es ist aber nicht Aufgabe des Friedensrichters, allen denkbaren künf­ tigen Friedensstörungen zu begegnen. E r soll nur solchen Verletzungen des nachbarlichen Friedens vor­ beugen, für die eine nahe Möglichkeit besteht, und die mit dem an den Friedensrichter herangetragenen Sachverhalt in einem gewissen Zusammenhang stehen. Der Friedensrichter würde nicht dem Frieden dienen, sondern die Gefahr noch schwererer Zusammenstöße heraufbeschwören, wenn er Anordnungen träfe, die die Beteiligten in ihrer Bewegungsfreiheit zu weit­ gehend oder auf allzu lange Zeit beschränken. Besonders wichtig ist für die Friedenssicherung die Beseitigung der Quelle des Unfriedens. Der Friedensrichter soll daher die Streitigkeiten beilegen, die die Ursache des Unfriedens bilden oder zu neuem Unfrieden Anlaß geben können (Nr. 3). Es handelt sich hierbei vor allem um den Ausgleich der vermö­ gensrechtlichen Ursachen und Folgen der Tat. Die Grenzen, die insoweit der Spruchgewalt des F rie­ densrichters gezogen sind, werden bei § 9 erörtert. §

2

Spr uchber ei ch des F r i e d e n s r i c h t e r s Die Einleitung hebt hervor, daß der Friedens­ richter keine allgemeine Schlichtungsstelle sein soll. Die Zuweisung aller „Friedensstörungen" an den Friedensrichter würde ins Uferlose führen; sie würde weitgehend in die Zuständigkeit der Zivilrechtspflege eingreifen und damit den Behördenaufbau ver­ wirren. D as friedensrichterliche Verfahren hat nur insoweit eine eigene Daseinsberechtigung, als es n e b e n den bisher bestehenden Verfahrensmöglich­ keiten eine b e s o n d e r e Ausgabe übernehmen kann. Diese besondere Aufgabe besteht in der Entkrimina-

lisierung solcher Friedensstörungen, die zwar äußer­ lich eine S tra fta t darstellen, sachlich aber keiner kriminellen Ahndung bedürfen. Lediglich die beson­ dere Aufgabe der Schlichtung und Friedensstiftung bei gewissen geringfügigen S tra ftate n soll das frie ­ densrichterliche Verfahren übernehmen. I m übrigen bleibt die Friedensstörung eine Aufgabe der V e r­ waltung und der Zivilrechtspflege, soweit diese Stellen dafür vorgesehen sind. Diese Begrenzung des friedensrichterlichen Verfahrens schließt allerdings — wie später darzulegen ist — nicht aus, daß der Friedensrichter in einer als Strafsache an ihn her­ angetragenen S treitigkeit auch vorbeugende M aßnahmen oder zivilrechtliche Entscheidungen trifft. D e r E n tw u rf hat davon abgesehen, die Fälle, die als Friedensstörungen vor den Friedensrichter ge­ bracht werden können, m it einer allgemeinen Fassung zu umschreiben, da aus diesem Wege eine einiger­ maßen sichere Abgrenzung gegenüber dem ordentlichen Strafverfahren nicht zu erreichen ist. Es erscheint vielmehr — ähnlich wie bei den bisherigen P r iv a t­ klagedelikten — die Aufzählung einzelner S tra ftate n zweckmäßig, bei denen erfahrungsgemäß der Schwer­ punkt in der Schlichtung und nicht in der kriminellen Ahndung liegt. Es gehören dahin die Fälle der E h r­ abschneidung, Beleidigung und ehrabschneidenden Beschimpfung Verstorbener (§§ 422 bis 424 S tG B .), der leichten vorsätzlichen Körperverletzung (§ 414 S tG B .), die sich der Beleidigung nähern, der fahr­ lässigen Körperverletzung (§ 417 S tG B .), deren Gleichstellung m it der leichten Körperverletzung aus praktischen Gründen notwendig ist, des Hausfriedens­ bruchs (§ 436 S tG B .), der Verletzung des B rie f­ geheimnisses (§ 442 S tG B .), der Sachbeschädigung (§ 481 S tG B .) und der Sachentziehung (§ 482 S tG B .). D e r Friedensrichter soll im übrigen auch dann zuständig sein, wenn eine der bezeichneten Taten im Zustand der Trunkenheit begangen und deshalb als Trunkenheit (§ 305 des Strafgesetzbuchs) strafbar ist. V on den Strafsachen, die früher im Wege der Privatklage verfolgt werden konnten, sind damit die Verleumdung, die gefährliche Körperverletzung und die Bedrohung dem friedensrichterlichen Verfahren entzogen, da sie nach der Ausgestaltung, die sie im neuen Strafgesetzbuch erhalten haben, durchweg eine Ahndung m it den M itte ln des Strafrechts erfordern. Das gleiche g ilt fü r die Vergehen des unlauteren Wettbewerbs und die Verletzungen des literarischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechts. D ie R einhaltung des Wettbewerbs und die Sicherung der geistigen Schöpfung sind Kulturaufgaben der Volks­ gemeinschaft, die nicht m it der Schlichtung nachbar­ licher Friedensstörungen auf eine S tufe gestellt werden können. D ie Zuständigkeit des Friedensrichters setzt hier­ nach stets eine bestimmte S tra fta t voraus. Es genügt aber, daß der Verklagte n a c h d e m i n d e r K l a g e b e z e i c h n e t e n S a c h v e r h a l t einer T a t schuldig erscheint, wegen deren der Friedens­ richter angerufen werden kann (§ 25 N r. 1). D er Friedensrichter darf deshalb die Klage nicht etwa wegen mangelnden Tatverdachts ablehnen. Anderer­ seits muß sich — wenn auch im Wege ergänzender Auslegung — aus dem in der Klage bezeichneten

Sachverhalt der volle äußere und innere Tatbestand einer S tra fta t ergeben. Es genügt deshalb nicht die Behauptung, daß etwa der Nachbar einen Privatweg zu Unrecht benutze oder daß der M ie te r das Rundfunk­ gerät zu laut einstelle. D erartige Fälle gehören zur Zuständigkeit der P olizei oder des Z ivilrichters. A n ­ ders ist es dann, wenn in der Klage behauptet w ird, daß etwa der Nachbar nach vorsätzlicher Zerstörung eines Tores den P rivatw eg benutzt habe, oder daß es im Anschluß an die Benutzung des Weges oder des Rundfunks zu Tätlichkeiten oder Beleidigungen gekommen sei. I n solchen F ällen ist der Friedens­ richter zuständig, der nunmehr auch die zivilrecht­ lichen Ursachen des S treites und gegebenenfalls auch seine künftigen Auswirkungen schlichten und — in den dafür vorgesehenen Grenzen — entscheiden kann. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen enthält § 26, wonach der Friedensrichter bei einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung auch dann zuständig ist, wenn — und zwar schon nach der Darstellung des Klägers — der T äte r wegen Verfolgung berech­ tig te r Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden kann. Nicht alle F älle der in § 2 Abs. 1 genannten S tra ftate n eignen sich für eine friedensrichterliche V e rm ittlu n g und Entscheidung. D e r E n tw u rf bindet daher in § 2 Abs. 3 die Zuständigkeit des Friedens­ richters an die weitere (ttegatitie) Voraussetzung, daß der S taa tsa n w a lt es nicht fü r geboten hält, die T a t m it den M itte ln des Strafrechts zu ahnden. Diese Vorschrift w ird durch den § 20 S tV O , ergänzt, nach dem der S ta a tsa n w a lt die in den Spruchbereich des Friedensrichters fallenden Taten n u r verfolgt, wenn er ihre Ahndung m it den M itte ln des Strafrechts für geboten hält. D ie Begründung zu § 20 S tV O , legt dar, was unter dieser Voraussetzung zu verstehen ist. Eine feste tatbestandsmäßige Scheidung der friedeusrichterlichen von der strafrichterlichen Zuständigkeit ist nicht durchführbar. Es muß vielm ehr im Einzel­ fa ll geprüft werden, ob vom Standpunkt der Volks­ gemeinschaft aus ein Schutz- oder Sühnebedürsnis (durch kriminelle S tra fe ) besieht oder nicht. D ie Entscheidung hierüber steht ausschließlich dem S ta a ts­ anw alt, nicht dem Richter zu. D ie Scheidung samt im Einzelfall schwierig sein, da ernsthafte und leichte F älle im Nahmen des gleichen Tatbestandes auftreten und ohne Kenntnis der näheren Umstättde die Schwere der T a t nicht zuverlässig beurteilt werden kann. K ünftig w ird daher der Persönlichkeit der B e­ teiligten, dem Beweggrund, der A r t der Begehung und den sonstigen Begleitrnnständen der T a t größere Aufmerksamkeit zuzuwenden sein als bisher. H ier­ über w ird der S ta a tsa n w a lt gegebenenfalls E rm itt­ lungen anstellen müssen. H ä lt der S ta a tsa n w a lt die Ahndung m it den M itte ln des Strafrechts für gebo­ ten, so erhebt er die öffentliche Klage vor dem S tr a f­ gericht. H ä lt er dagegen die kriminelle Ahndung nicht für notwendig, so verweist er den Verletztet! an den Friedensrichter. D er E n tw u rf t r if ft durch verschie­ dene Vorschriften dafür Vorsorge, daß die Verfolgung im S trafverfahren jederzeit ermöglicht w ird , wettn sich nachträglich eine Ahndung m it den M itte ln des Strafrechts als notwendig erweist (§§ 12, 24, 25, 35, 39, 40).

Friedensrichteramt Die Aufgaben des Friedensrichters können sach­ gemäß nur von M ännern erfüllt werden, die die Fähigkeit zum Richteramt besitzen und über richter­ liche Erfahrungen verfügen. Die Tätigkeit des Frie­ densrichters erfordert nicht nur Charakter, Lebens­ erfahrung und Menschenkenntnis, sondern auch Erfah­ rungen in der Verhandlungsleitung, der Vernehmung von Auskunftspersonen und in der Feststellung und rechtlichen Wertung von Tatsachen. F ü r die Schlich­ tung genügt nicht i r g e n d e i n Vergleichsvorschlag; bei den Beteiligten wird nur ein Sühnevorschlag Ver­ ständnis finden, der von der richtigen Beurteilung des Tatbestandes und von der Kenntnis der maß­ gebenden Rechtsnormen getragen wird. Ohne genü­ gende Rechtskenntnisse wäre auch eine richtige Ab­ grenzung des friedensrichterlichen Spruchbereichs von der strafrichterlichen Tätigkeit, ein wirksamer Ehren­ schutz im Feststellungsversahren und eine dem bürger­ lichen Recht entsprechende Entscheidung der mit der Tat zusammenhängenden bürgerlich-rechtlichen S trei­ tigkeiten nicht gewährleistet. Schließlich kann der grundsätzliche Ausschluß von Rechtsmitteln (§ 38) in Anbetracht der dem Friedensrichter eingeräumten Freiheiten nur dann verantwortet werden, wenn ge­ nügende richterliche Vorbildung vorhanden ist und die volle richterliche Objektivität und Unabhängigkeit (insbesondere auch gegenüber örtlichen Einflüssen) gesichert sind. E s empfiehlt sich deshalb, die friedens­ richterlichen Aufgaben dem Amtsrichter zuzuweisen, der allein, ohne daß Volksrichter mitwirken, schlichten und richten soll. § 4

Sc hl i c ht ung Alle Vorschriften der Friedensrichterordnung sind auf das eine Ziel ausgerichtet, die Schlichtung des Streites und die Wiederherstellung des Friedens zu ermöglichen. Dieses Ziel muß der Friedensrichter in erster Linie durch gütliche Aussöhnung der Betei­ ligten zu erreichen versuchen. I n der schlichtenden Tätigkeit liegt daher der Schwerpunkt des friedens­ richterlichen Verfahrens. Eine Aussöhnung hat jedoch nur dann dauernden Wert, wenn sie ehrlich und ernst ist. Der Entwurf vertraut dem Friedensrichter, daß er mit Takt und Überlegung vorgeht und nicht Vergleiche erzwingt, die zwar rasch und bequem den Fall für ihn erledigen, aber keine wirkliche Befriedung bringen. In h alt und Umfang der Schlichtung sind vom Entwurf an keine Schranken gebunden. Freiwillige Genugtuung, insbesondere durch Widerruf einer ehrenrührigen Behauptung oder durch angemessene Entschuldigung, freiwillige Entschädigung des Ver­ letzten oder Leistungen an einen Dritten oder die frei­ willige Übernahme irgendwelcher sonstiger Pflichten sind ebenso möglich wie ein gegenseitiger Verzicht auf ideelle oder materielle Genugtuung. Auch die bür­ gerlich-rechtlichen Ursachen oder Folgen der Tat, mögen sie im Sckuldrecht, im Erbrecht oder im F a­ milienrecht ihre Grundlage haben, können Gegenstand

der Schlichtung sein. Irgendeine Wertgrenze ist nicht vorgesehen. Naturgemäß gelten auch für die sriedensrichterliche Schlichtung die für Verträge allgemein vorgesehenen Grenzen und Voraussetzungen (z. B. Formvorschriften und Genehmigungsersordernisse). Die Einigung vor dem Friedensrichter ist nach § 41 wie ein in einem bürgerlichen Rechtsstreit geschlossener Vergleich vollstreckbar. Kann der'Friedensrichter nicht schlichten, so muß er durch einen Friedensspruch richten. Eine solche Spruchgewalt muß dem Friedensrichter schon deshalb gegeben werden, weil ihm ohne die im Hinter­ grund stehende Macht zum Richten die notwendige Autorität für die Schlichtung fehlen würde. Dies zwingt freilich nicht dazu, dem Friedensrichter eine „Straf"gew alt zu geben. E r soll vielmehr seinen Spruch nicht nach Art eines Strafurteils fällen, son­ dern mehr im Sinne eines für beide Teile verbindlich erklärten Gütevorschlags oder Schiedsspruchs. § 5 S p r u c h g e w a l t des F r i e d e n s r ic h t e r s Bei der Begrenzung des Rahmens, innerhalb dessen sich der Friedensspruch zu halten hat, muß alles vermieden werden, was im Sinne eines Strafurteils gedeutet werden könnte. Andererseits müssen die Machtmittel des Friedensrichters so wirksam sein, daß ihm die Beteiligten mit genügender Achtung gegen­ übertreten und er den der Schwere der Friedens­ störung entsprechenden und den künftigen Frieden verbürgenden Ausgleich herbeiführen kann. Is t ein Beteiligter der ihm vorgeworfenen T at schuldig, liegt also eine (schuldhafte und rechtswidrige) S traftat vor, so muß dies dem Täter fühlbar gemacht werden können. Es darf aber keine „Strafe" ver­ hängt werden, denn das friedensrichterliche Verfahren steht unter der Voraussetzung, daß eine kriminelle S trafe nicht erforderlich ist. Dem Friedensrichter muffen also zur Ahndung der Tat Maßregeln zur Verfügung gestellt werden, die dem T äter das Un­ rechte seines Verhaltens zum Bewußtsein bringen und ihn und andere bewegen, künftig Frieden zu halten; Maßregeln aber, denen nichts Ehrenrühriges anhaf­ ten darf und die nicht wie Strafen im Strafregister vermerkt werden. Als geeignete M ittel hierfür sind die Friedensbuße und die Verwarnung vorgesehen (Nr. 1). Diese Maßnahmen sind im einzelnen in § 6 geregelt. Von sonstigen Maßnahmen zur Genug­ tuung hat der Entwurf abgesehen. Insbesondere er­ scheint eine Verurteilung des Täters, sich zu entschul­ digen, Abbitte zu leisten oder eine Äußerung zu wider­ rufen, nicht zweckmäßig. Denn ein Zwang zur Abgabe einer derartigen Erklärung kann nicht ausgeübt werden; eine zwangsweise abgegebene Erklärung hätte zudem für den Verletzten nur geringen Wert. Es ist zweckmäßiger, den freiwilligen Widerruf und die freiwillige Entschuldigung lediglich dadurch zu fördern, daß dem Täter Freistellung von der F rie­ densbuße und der Verwarnung in Aussicht gestellt wird (§ 6 Abs. 4). Als vorbeugende Maßregel zur Verhütung künf­ tiger Friedensstörungen ist die Friedensbürgschaft vorgesehen (Nr. 2). S ie ist altdeutschen Ursprungs, 16

findet sich in zahlreichen deutschen Partikularrechten und hat sich auch in verschiedenen ausländischen Rechtsordnungen bewährt. Ih re Einzelausgestaltung enthält § 7. Ein M ittel zur Verhütung künftiger Friedensstörungen besteht auch darin, eine Friedens­ buße unter der Bedingung aufzuerlegen, daß sie zu entrichten ist, wenn sich der Täter während einer Probezeit nicht ordentlich führt (§ 6 Abs. 3). Andere vorbeugende Maßnahmen (insbesondere Auflagen), sind im Entwurf nicht vorgesehen, da sie leicht ins Uferlose führen und auch zur Quelle neuen Streites werden können. I m Friedensspruch kann der Friedensrichter ferner Feststellungen zur Wiederherstellung des guten Rufs treffen (Nr. 3). Damit übernimmt der Friedens­ richter für seinen Spruchbereich die Aufgabe, die im Strafverfahren wegen Ehrenkränkung und im selb­ ständigen Feststellungsverfahren nach den §§ 423 bis 436 StV O , vom Strafrichter zu erfüllen ist. Diese Feststellungen sind gerade im friedensrichterlichen Verfahren von besonderer Bedeutung und stellen dem Friedensrichter eine wichtige Aufgabe; sie wird in § 8 näher erörtert. Schließlich kann der Friedensrichter zur Siche­ rung des Rechtssriedens Streitigkeiten bürgerlich­ rechtlicher A rt entscheiden (Nr. 4). Künftig können also ähnlich wie im Verfahren zur Entschädigung des Verletzten nach den §§ 438 bis 444 StV O , auch die bürgerlich-rechtlichen Ursachen und Wirkungen eines S treits im Friedensverfahren selbst erledigt werden. Der vor den Friedensrichter gebrachte Sachverhalt soll grundsätzlich als natürliche Einheit behandelt, d. h. in a l l e n seinen Auswirkungen vom Friedens­ richter erledigt und nicht in seine strafrechtliche, bür­ gerlichrechtliche und verwaltungsrechtliche Seite auf­ gespalten werden. Eine solche Spaltung würde im Volke nie recht verstanden werden. Die V oraus­ setzungen und Grenzen für die Entscheidung bürger­ lich-rechtlicher Streitigkeiten sind in § 9 geregelt. Daneben gibt § 10 dem Friedensrichter eine — über die Entscheidungsgewalt aus § 9 hinausgehende — Befugnis zur einstweiligen Befriedung streitiger Rechtsverhältniffe. Erläßt der Friedensrichter einen Friedensspruch, so spricht er R e ch t aus Grund der Ergebnisse der Verhandlung (§ 31 Abs. 1). Der Friedensrichter ist daher bei seiner Spruchtätigkeit an das sachliche Recht gebunden. F ü r Richterwillkür ist auch im friedens­ richterlichen Verfahren kein Raum; sie würde hier besonders deshalb schwere Gefahren Hervorrufen, weil das friedensrichterliche Verfahren grundsätzlich rechts­ mittellos ist. Bei der Behandlung und Entscheidung der Einzelfragen gelten für den Friedensrichter je­ weils diejenigen sachlichen Rechtsgrundsätze, die bei getrennter Behandlung der verschiedenen Rechtsge­ biete vor den dafür zuständigen Behörden anzuwen­ den wären. Soweit der Friedensrichter darüber zu entscheiden hat, ob ein Beteiligter wegen seiner T at mit einer Friedensbuße zu belegen oder zu verwarnen ist, sind die Grundsätze des sachlichen Strafrechts maß­ gebend; so z. B. sür die Frage, welche Tatbestandsmerkmale zur Feststellung einer Beleidigung, Körper­ verletzung oder Sachbeschädigung erfüllt sein müssen, ob ein Rechtfertigungsgrund oder ein S tra fa u s­

schließungsgrund vorliegt, inwieweit Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorauszusetzen sind und im gegebenen Fall vorliegen. Bei der Entscheidung bürgerlich-recht­ licher Streitigkeiten gelten die Rechtssätze des bür­ gerlichen Rechts, wobei allerdings für den Friedens­ richter die Rechtsgestaltung mehr im Vordergrund stehen wird als im Verfahren vor dem Zivilrichter. F ü r die Auferlegung der Friedensbürgschaft gelten neben den Vorschriften des § 7 ergänzend die Grund­ sätze des Verwaltungsrechts (insbesondere die Grund­ sätze der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit). Der Friedensrichter kann mehrere der genannten Maßnahmen nebeneinander treffen, also z. B. neben einer Friedensbuße eine Friedensbürgschaft aufer­ legen und bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten ent­ scheiden. § 6

A h n d u n g der T a t Die Vorschrift behandelt die Ahndung der T at durch Friedensbuße oder Verwarnung. Beide M aß­ nahmen setzen den vollen äußeren und inneren T a t­ bestand einer der in § 2 genannten Taten voraus. Die Tätigkeit des Friedensrichters ähnelt hier insofern der des Strafrichters, als er vor Verhängung der genann­ ten Maßnahmen die Tatbestandsmerkmale einer be­ stimmten S traftat prüfen und ihre Erfüllung durch den ihm vorliegenden Sachverhalt feststellen muß. Die Bindung des Friedensrichters an den Straftatbestand bezieht sich aber nur aus seine Voraussetzungen, nicht aus seine Folgen. D arin liegt der grundlegende Unterschied gegenüber der Tätigkeit des Strafrichters. Weder die Friedensbuße noch die Verwarnung sind „Straf"-folgen; sie können daher auch nicht in das Strafregister oder in polizeiliche Listen eingetragen werden. Außerdem ist der Friedensrichter bei Fest­ stellung einer friedensrichterlichen S traftat nicht g e z w u n g e n , auf Friedensbuße oder Verwarnung zu erkennen. Während der Strafrichter grundsätzlich — soweit nicht im Einzelsall, wie z. B. in § 425 S tG B ., Ausnahmen vorgesehen sind — mit der Fest­ stellung des Strastatbestandes den Ausspruch der Straffolgen zu verbinden hat, ist es dem Friedens­ richter freigestellt, ob er bei Feststellung eines S tra f­ tatbestandes eine Maßnahme nach § 6 verhängen will. E r kann von diesen Maßnahmen absehen, wenn ihm nach pflichtmäßigem Ermessen eine Ahndung nicht erforderlich erscheint, insbesondere, wenn der Täter dem Verletzten freiwillig Genugtuung leistet (z. B. durch Widerruf einer ehrenrührigen Behauptung oder durch angemessene Entschuldigung) oder wenn auch der Verletzte dem Täter gegenüber unrecht gehandelt hat (§ 6 Abs. 4). Während ferner der Strafrichter sich grundsätzlich auf die Feststellung oder Verneinung des Strastatbestandes und aus den Ausspruch der sich daraus ergebenden Folgen beschränkt, gehen die Auf­ gaben des Friedensrichters weit darüber hinaus. E r­ kennt der Friedensrichter auf Friedensbuße oder Ver­ warnung, so kann er d a n e b e n eine Friedensbürg­ schaft auferlegen, Maßnahmen zur Wiederherstellung des guten Rufs treffen und Streitigkeiten bürgerlich­ rechtlicher Art entscheiden (§ 5 Abs. 2). Er kann und muß dies unter Umständen auch dann tun, wenn er den Verklagten für schuldig erklärt, aber von

Friedensbuße und Verwarnung absieht, und sogar dann, wenn er den Tatbestand einer friedensrichter­ lichen S traftat verneint und den Verklagten von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf losspricht. S o bedarf z. B. ein dem Friedensrichter unterbreiteter Streit zwischen Eigentümer und Mieter, der als angeblicher Hausfriedensbruch an ihn herangetragen worden ist, auch dann der Schlichtung und nötigenfalls eines Friedensspruchs, wenn sich ergibt, daß beide Teile in entschuldbarem gutem Glauben an ihr Hausrecht gehandelt haben und daher ein strafbarer Hausfrie­ densbruch nicht vorliegt. D as Höchstmaß der zulässigen Friedensbuße ist auf zwölf Tagesbußen begrenzt; es wird in den leichten Fällen, die dem sriedensrichterlichen Verfahren vor­ behalten sind, meist zur Befriedung ausreichen. Eine höhere Grenze erscheint nicht tunlich, weil gegen den Friedensspruch grundsätzlich keine Rechtsmittel vor­ gesehen sind, und weil sonst der Friedensrichter in Sachen übergreifen würde, die bester mit den Mitteln des Strafrechts geahndet werden. Hält der Friedens­ richter bei einer friedensrichterlichen S tra fta t (§ 2) eine schärfere Ahndung für notwendig, als sie § 6 zu­ läßt, so ist er nicht befugt, von sich aus auf eine krimi­ nelle Strafe zu erkennen, mag ihm auch als Amts­ richter die entsprechende Strafgewalt zustehen. Eine solche Möglichkeit würde den Rahmen des friedens­ richterlichen Verfahrens sprengen. Der Friedens­ richter kann in solchen Fällen das Verfahren auch nicht an das zuständige Strafgericht verweisen. Er hat vielmehr die Akten dem Staatsanw alt vorzulegen und, wenn der S taatsanw alt die Ahndung mit den M itteln des Strafrechts nicht für notwendig hält, das Verfahren im Rahmen der sriedensrichterlichen Spruchgewalt fortzuführen (§§ 24, 25, 35). Durch die Verweisung auf die Vorschriften der S§ 41, 43, 44 S tG B , ist klargestellt, daß für die Leistung der Friedensbuße Zahlungsfristen oder Teil­ zahlungen gewährt werden können und daß sie unter bestimmten Voraussetzungen durch freie Arbeit oder durch Hast ersetzt werden kann. Die Friedensbuße kann außerdem unter der Bedingung auferlegt werden, daß sie zu entrichten ist, wenn sich der Täter während einer Probezeit (von sechs Monaten bis zu zwei Jahren) nicht ordentlich führt, wobei die §§ 62, 63 S tG B . (Auferlegung besonderer Pflichten und nachträgliche Verurteilung) entsprechend gelten sollen. Die bedingte Friedensbuße nähert sich nach Zweck und Ziel der Friedensbürgschaft. § 7

Friedensbürgschaft Die Friedensbürgschast soll als vorbeugende M aß­ regel dem künftigen Frieden dienen. S ie kann gegen den Verklagten (§ 22 Abs. 2 Satz 1) verhängt werden, wenn er zu der begründeten Besorgnis Anlaß gibt, daß er eine T at begehen werde, wegen deren die Anrufung des Friedensrichters zulässig ist (vgl. § 2 Abs. 1, 2). Der Verklagte, dem eine Friedensbürg­ schaft auferlegt wird, hat Sicherheit dafür zu leisten, daß er die T at unterläßt und Frieden hält. Die Friedensbürgschast dient ähnlichen Zwecken wie die bedingt ausgesetzte Friedensbuße (§ 6 Abs. 3).

S ie setzt aber nicht wie diese die Begehung einer schuld­ haften T at der im § 2 genannten Art voraus. Die Friedensbürgschaft kann z. B. auch dann verhängt werden, wenn der Verklagte vom Vorwurf des Haus­ friedensbruchs losgesprochen wird, weil er in Not­ wehr oder in gutem Glauben an sein Hausrecht gehandelt hat, wenn aber die Gefahr besteht, daß er künftig einen echten Hausfriedensbruch begehen werde. Die Friedensbürgschaft wird anders als die bedingte Friedensbuße vor allem in den Fällen verhängt werden, in denen der Friedensrichter damit rechnen muß, daß der Friedensstörer sich n i ch t bessern, son­ dern die Friedensstörung wiederholen wird. Die Friedensbürgschaft soll nicht nur der Wieder­ holung der g l e i c h e n T at vorbeugen, wie sie dem Verpflichteten im Friedensverfahren vorgeworfen wurde. Lautet der Vorwurf aus Beleidigung, so kann die Friedensbürgschaft auch dazu dienen, einer leichten Körperverletzung oder einem Hausfriedensbruch vor­ zubeugen. S ie kann auch der Friedenssicherung zwischen dem Verklagten und einem am Verfahren bisher unbeteiligten D ritten dienen, so wenn etwa weitere Friedensstörungen gegen den bisher unbetei­ ligten Ehemann der klagenden Ehefrau zu erwarten sind. Eine Friedensbürgschaft, die gegen eine T at sichern soll, die nicht zur Zuständigkeit des Friedens­ richters gehört, ist nicht zulässig, da sonst der Friedens­ richter in das Gebiet des kriminellen Strafrechts übergreifen würde. Absatz 3 Satz 2 sieht aber vor, daß die Friedensbürgschaft auch für verfallen erklärt werden kann, wenn der Verpflichtete durch andere (als friedensrichterliche) Taten den Frieden stört. Wenn etwa der Verpflichtete wegen einer Beleidigung vor dem Friedensrichter stand und nach Leistung einer Friedensbürgschast für die Unterlassung weiterer Be­ leidigungen eine Verleumdung oder eine gefährliche Körperverletzung gegenüber dem früheren Kläger folgen läßt, so muß naturgemäß die Friedensbürg­ schaft ebenfalls für verfallen erklärt werden können. Die Verhängung der Friedensbürgschaft setzt eine n a h e l i e g e n d e , k o n k r e t e Gefahr voraus, daß es künftig zu weiteren Störungen des Friedens kommen könne. Eine allgemeine, unbestimmte Be­ fürchtung genügt nicht. D er In h a lt der Friedens­ bürgschaft muß eng und bestimmt abgegrenzt werden. Verpflichtungen, die zu allgemein gehalten sind oder den Verpflichteten zu weitgehend beschränken, dienen nicht der Friedensstiftung, sondern sind vielfach eine Quelle neuen Unfriedens. Unzulässig wäre z. B. die Auferlegung der Pflicht, allgemein „Frieden zu halten". Die zu unterlassende T at muß ihrer Art nach angegeben werden, und zwar möglichst mit Be­ zeichnung ihrer konkreten Erscheinungsform, indem etwa dem Verpflichteten verboten wird, den Verletzten „Lump" oder „Gauner" zu nennen oder in die Woh­ nung des Klägers einzudringen. Eine derart enge Begrenzung ist unschädlich, da Absatz 3 die Verfall­ erklärung auch bei Friedensstörungen anderer Art zuläßt. Höhe und Art der Friedensbürgschaft bestimmt der Friedensrichter nach pflichtmäßigem Ermessen. Der Geldbetrag darf jedoch den auch für die Friedensbuße vorgesehenen Höchstbetrag von zwölf Tagesbußen nicht überschreiten. Die A rt der Sicherheitsleistung 16*

kann der Friedensrichter in anderer Weise bestimmen, als die §§ 232 bis 240 BGB. es vorsehen. Diese Vorschriften finden nur Hilfsweise Anwendung. D ar­ aus ergibt sich insbesondere, daß die Friedensbürg­ schaft ohne Bindung an § 239 BG B. auch durch geeignete Bürgen gestellt werden kann, was insbe­ sondere für ländliche Verhältnisse Bedeutung haben wird. Wird die Sicherheit nicht geleistet, so wird sie auf Ersuchen des Friedensrichters durch die Gerichtskasse nach den Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung zwangsweise beigetrieben. Bleibt die Beitreibung erfolglos, so ist die Umwandlung in eine Friedensbuße ausgeschlossen, weil damit die Ahndung für eine noch nicht verwirklichte S traftat vorweggenommen würde. Der Friedensrichter wird deshalb nur dann eine Friedensbürgschaft auferlegen, wenn die Mög­ lichkeit zur Leistung besteht. Die Friedensbürgschaft soll verfallen, wenn der Verpflichtete innerhalb der vom Friedensrichter be­ stimmten Frist (sechs Monate bis zwei Jahre) die T at begeht (Absatz 3). Daß der Friedensrichter die Bürgschaft auch für verfallen erklären kann, wenn der Verpflichtete durch andere Handlungen innerhalb der Frist den Frieden stört, ist bereits oben hervorge­ hoben. D as Verfahren bei der Verfallerklärung bestimmt der Friedensrichter nach pslichtmäßigem E r­ messen (§ 22); da die Verfallerklärung der Verhän­ gung einer Friedensbuße nahesteht, kann mündliche Verhandlung zweckmäßig sein. §

8

W i e d e r h e r st e l l u n g d e s g u t e n R u f s § 8 behandelt die Maßnahmen zur Wiederher­ stellung des guten Rufs. Diese Maßnahmen sind im Friedensversahren besonders wichtig, zumal die Mehrzahl aller sriedensrichterlichen Klagen Ehren­ kränkungen betreffen wird. Ih re Bedeutung ist in der Einleitung zur Begründung der §§ 423 bis 437 StV O , dargelegt. Hat jemand eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung aufgestellt oder ver­ breitet, so soll der Friedensrichter innerhalb der Schranken, die sich aus dem § 8 Abs. 2 ergeben, von Amts wegen aufklären, ob die Behauptung unwahr ist (§ 32). Rach § 8 hat er — entsprechend § 426 StV O . — die Feststellung der Unwahrheit im Frie­ dens s p r u ch zu treffen, wenn der Verletzte es bean­ tragt. Unter den im § 13 Abs. 2, 3 oder § 14 bezeich­ neten Voraussetzungen kann diesen Antrag an Stelle des Verletzten der gesetzliche Vertreter, der Sorge­ berechtigte oder einer der daselbst genannten Angehö­ rigen stellen. Diese Vorschriften sollen auch dann gelten, wenn der Täter wegen Verfolgung berechtig­ ter Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht be­ straft werden kann. Abweichend von den Grundsätzen der §§ 2, 25, wonach die Tätigkeit des Friedens­ richters stets die Behauptung einer der in § 2 genannten Taten voraussetzt, hat der Friedensrichter auch dann die beantragte Feststellung zu treffen, wenn sich schon aus dem in der Klage bezeichneten Sach­ verhalt die Straflosigkeit des Täters ergibt (§ 26). D as friedensrichterliche Verfahren übernimmt damit für die in den Spruchbereich des Friedensrichters

fallenden Ehrenkränkungen die Aufgaben, die nach den §§ 423 bis 437 StV O , in einem Strafverfahren wegen Ehrenkränkung und im selbständigen Fest­ stellungsverfahren dem Strafrichter obliegen. Der Feststellungsantrag kann — entsprechend §§ 426 Abs. 1, 425 StV O . — nicht gestellt werden, wenn die in Absatz 2 näher bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Die Einzelheiten der Regelung entsprechen den §§ 425, 426 StV O . Auf die Begründung dieser Vorschriften kann hier verwiesen werden. F ü r den In h a lt des Friedensspruchs bei Ehren­ kränkungen sollen, wenn ein Feststellungsantrag ge­ stellt ist, nach § 34 Abs. 4 im einzelnen die §§ 428, 429 StV O , entsprechend gelten. Hat der Friedens­ richter neben einer Ahndung der T at nach § 6 aber, ohne daß die Voraussetzungen der Ahndung vor­ liegen, eine Feststellung über die Unwahrheit der Be­ hauptung getroffen, so ist damit seine Aufgabe noch nicht stets erschöpft. Der Friedensrichter hat nötigen­ falls im Friedensspruch Maßnahmen zu treffen, um die Ursachen der Ehrenkränkung zu beseitigen und künftige Friedensstörungen zu verhüten (etwa durch Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten oder durch Friedensbürgschast). Dies gilt selbst dann, wenn der Beweis der Wahrheit erbracht ist und des­ halb der Feststellungsantrag als unbegründet abge­ wiesen wird. §

9

Entscheidung von S t r e i t i g k e i t e n bürgerlich-rechtlicher Art Der Friedensrichter soll eine unfriedliche Gesamt­ lage befrieden. Im Vordergrund seiner Tätigkeit steht nicht — wie beim Strafrichter — die Ahndung oder die Lossprechung, sondern die Beseitigung der Quelle des Unfriedens und die Verhütung neuer Friedensstörungen. I n diesem Rahmen bilden die Schlichtung und nötigenfalls die Entscheidung bürger­ lich-rechtlicher Streitigkeiten wichtige Aufgaben. Denn ein großer Teil der dem Friedensrichter vorgelegten Streitfälle wird bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zur Ursache oder zur Folge haben. Durch deren Schlichtung und Entscheidung wird häufig die S tra f­ tat, derentwegen der Friedensrichter angerufen wurde, ausgeglichen und künftigen Friedensstörungen vorgebeugt werden können. Ohne die Befugnis zur Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten wären die Mittel, deren der Friedensrichter zur Friedensstistung bedarf, unvollkommen. Die in § 9 vorgesehene Befugnis zur Entschei­ dung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten ist unabhän­ gig von den Maßnahmen, mit denen der Friedens­ richter aus den Klagevorwurs antwortet. Der Friedensrichter hat diese Befugnis nicht nur dann, wenn er die T at mit Friedensbuße oder Verwarnung ahndet oder wenn er von solchen Maßnahmen der Ahndung absieht, sondern auch dann, wenn er den Verklagten von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf losspricht, weil er keine S tra fta t begangen hat. S tets ist aber Voraussetzung, daß der Friedensrichter wegen einer in § 2 genannten S tra fta t angerufen worden ist. Der Friedensrichter hat keine selbständige, von der Begehung von Straftaten unabhängige Zustän-

bigfett zur Entscheidung bürgerlich-rechtlicher S trei­ tigkeiten (vgl. § 25 Nr. 1). I m friedensrichterlichen Verfahren nimmt die Entscheidung von Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art einen anderen Raum ein als nach den §§ 438 bis 444 StV O , im Strafverfahren. Der Friedens­ richter hat über solche Streitigkeiten nach Art des Zivilrichters zu entscheiden, der nach § 20 der Be­ kanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915 (RGBl. S . 562) ein Schiedsurteil erläßt. E r kann demnach nicht nur wie der S tra f­ richter nach § 442 StV O , einen Anspruch zuerkennen, sondern ihn auch aberkennen. Die Entscheidung von bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten darf aber nicht dazu führen, daß das friedensrichterliche Verfahren seiner Hauptaufgabe entfremdet wird. Der Friedens­ richter kann die Behandlung solcher Streitigkeiten ab­ lehnen, wenn sie sich zur Erledigung in seinem Verfahren nicht eignen, insbesondere, wenn sie es erheblich verzögern würden (Absatz 3). Der Friedens­ richter wird von dieser Vorschrift Gebrauch machen, wenn er zu der Überzeugung kommt, daß er im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden beschränk­ ten Machtmittel nicht die richtige Entscheidung treffen kann. Die Ablehnung ist, anders als nach § 441 Abs. 1 StV O ., nur zulässig, wenn eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens zu befürchten ist. Im übrigen kann aus die Begründung zu § 441 StVO, verwiesen werden. Während dem Friedensrichter für die S ch l i ch t u n g bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten weder sach­ lich noch wertmäßig irgendwelche Schranken gesetzt sind, können derartige Schranken für die Entschei­ dungsbefugnis nicht entbehrt werden, weil sonst die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Friedensrichter und Zivilgericht verwirrt würden. Die Entscheidung setzt zunächst den Antrag eines Beteiligten voraus, der nicht notwendig vom fordernden Teil gestellt zu werden braucht. Es können nur solche bürgerlich­ rechtlichen Streitigkeiten entschieden werden, die mit der (behaupteten) T at zusammenhängen oder zu künftigen Friedensstörungen führen können. Der Begriff des „Zusammenhangs" ist weit auszulegen. E r kann ein tatsächlicher oder rechtlicher sein; bildet der bürgerlich-rechtliche S tre it die Ursache oder Folge der Tat, so ist der „Zusammenhang" stets gegeben. Die Zuständigkeit des Friedensrichters kann ferner nicht weiter reichen als die des Amtsrichters in Zivil­ sachen. D a gegen Urteile des Friedensrichters grund­ sätzlich keine Rechtsmittel gegeben und auch sonst die Vorschriften der Zivilprozeßordnung nicht streng zu beachten sind, so muß seine Zuständigkeit auf die Wertgrenze beschränkt bleiben, innerhalb deren auch die Urteile des Amtsrichters nicht angefochten werden können und nach § 20 der Bekanntmachung zur Ent­ lastung der Gerichte vom 9. September 1915 (RGBl. S . 562) das Verfahren nach seinem richterlichen Ermesien gestaltet werden kann, d. h. auf einhundert Reichsmark. Nur bei Einverständnis der Beteiligten soll die Entscheidungsbefugnis des Friedensrichters auf die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten allgemein geltende amtsgerichtliche Zuständigkeitsgrenze erwei­ tert werden können. Aus der Verweisung auf die amtsgerichtliche Zuständigkeit (§ 23 des Gerichtsver­

fassungsgesetzes) ergibt sich, daß der Friedensrichter nur Streitigkeiten über v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e Ansprüche entscheiden kann. Dabei ist allerdings die weite Allsdehnung dieses Begriffs durch die Recht­ sprechung zu beachten. Es gehören dahin nicht nur solche Ansprüche, die aus Vermögensrechten abgeleitet werden, sondern auch die Ansprüche aus nicht ver­ mögensrechtlichen Berhältnisien, sofern sie eine Ver­ mögenswerte Leistung zum Gegenstand haben. Der Friedensrichter kann also nicht nur den Zwist zwischen Eigentümer und Mieter über die Benutzung der Waschküche oder über die Flurbeleuchtung entscheiden, sondern auch den S treit zwischen Vater und Tochter über die Aussteuer, zwischen geschiedenen Ehegatten über den Umfang des eingebrachten Gutes oder zwischen Erben über die Verteilung des Nachlasses. Absatz 2 sieht vor, daß die Beteiligten einen an­ derweit gerichtlich anhängigen Anspruch in den Grenzen des Absatz 1 der Entscheidung des Friedens­ richters unterbreiten können. Daß der Friedensrichter bei der Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten an das sachliche bürgerliche Recht gebunden ist, ist bereits bei § 5 er­ wähnt. S ein Verfahren bestimmt sich, auch soweit es bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten betrifft, nach § 22; er hat nicht die Vorschriften der Zivilprozeß­ ordnung streng zu beachten, sondern bestimmt sein Verfahren nach seinem Ermessen. Die Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten steht nach § 40 Abs. 3 einem Schiedsurteil (§ 20 der oben erwähnten VO. vom 9. September 1915) gleich. § 10

Einstweilige Befriedung Die zur Friedensstistung erforderlichen M ittel wären unvollständig, wenn der Friedensrichter die bürgerlich-rechtlichen Ursachen und Folgen des Streites stets nur endgültig und zwar nur in den engen Grenzen des § 9 regeln könnte. Die Aufgabe, eine Befriedung zu schaffen, fordert auch, daß der Friedensrichter einstweilige Maßnahmen treffen kann, wie auch der Zivilrichter durch einstweilige Ver­ fügungen ein streitiges Rechtsverhältnis e i n s t ­ w e i l e n regeln kann. Die Ermächtigung dazu gibt ihm der § 10. Ebenso wie die Befugnis zur Entschei­ dung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten nach § 9 ist auch die einstweilige Befriedung unabhängig von der Maßnahme, mit denen der Friedensrichter auf den Klagevorwurf antwortet. Die einstweilige Befriedung steht der einstweiligen Verfügung des § 940 ZPO. nahe und soll ihr nach § 40 Abs. 3 hinsichtlich der Wirkungen gleichstehen. Eine besondere Zuständigkeit des Friedensrichters zum Erlaß von Arresten (§§ 916 sf. Z PO .) ist nicht vorgesehen. Dafür besteht im Friedensverfahren unter dem Gesichtspunkt der Friedensstiftung kein praktisches Bedürfnis. Ein Arrest soll beim Zivil­ richter erwirkt werden. Die einstweilige Befriedung ist nur auf Antrag eines Beteiligten zulässig, der sich mit dem Antrag aus § 9 nicht deckt. Auch § 10 setzt voraus, daß es sich um Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art Han

best, die mit der T at zusammenhängen oder zu künftigen Friedensstörungen führen können(vgl. § 9). Die sachliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den Vorschriften, die für die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts gelten. S ie reicht zunächst soweit, als das Amtsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig wäre (§§ 937, 943 ZPO.). Darüber hinaus erstreckt sich die Zuständigkeit — ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes — auf alle Fälle, in denen die alsbaldige Regelung „dringend" ist (§942 ZPO.). Diese „Dringlichkeit" wird sich im friedensrichter­ lichen Verfahren vielfach schon aus der Notwendigkeit einer Gesamtbefriedung ergeben. I m übrigen brauchen die Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung nach der Zivilprozeßordnung im friedens­ richterlichen Verfahren nicht vorzuliegen. Zu denken ist z. B. an die einstweilige Regelung einer Wege­ benutzung zwischen den Streitenden, die sich wegen dieses Streites zu Beleidigungen haben hinreißen lassen, an die Schaffung einer einstweiligen Haus­ ordnung, deren Fehlen zu Tätlichkeiten zwischen den Mietern geführt hat, oder an das einstweilige Verbot, zu bestimmten Stunden den Lautsprecher zu benutzen, wenn die Nachbarn darob in S treit geraten sind. Der Friedensrichter kann die einstweilige Rege­ lung zeitlich begrenzen; geschieht dies nicht, so ist sie, soweit sich aus der Sachlage nicht etwas anderes ergibt, zeitlich unbegrenzt. Der Friedensrichter kann jedoch die einstweilige Regelung während des frie­ densrichterlichen Verfahrens auf Antrag oder von Amts wegen ändern. Rechtsmittel gegen die einst­ weilige Befriedung sind nicht vorgesehen, da das Zivilgericht jederzeit auf Klage oder durch einstweilige Verfügung eine andere Regelung treffen kann. Eine Frist zur Anrufung des ordentlichen Gerichts ist nicht bestimmt. Trifft der Friedensrichter gleichzeitig mit einer einstweiligen Anordnung aus § 10 eine end­ gültige Entscheidung nach § 9, so muß er zum Aus­ druck bringen, welcher Teil seiner Entscheidung nur den Charakter einer einstweiligen Befriedung hat und welcher Teil endgültig sein soll. § 11

Be k a n n t ma c h u n g Die öffentliche Bekanntmachung des Friedens­ spruchs soll — ähnlich wie nach § 89 StV O . — dazu dienen, dem Verletzten öffentliche Genugtuung zu geben, insbesondere bei Ehrenkränkungen seinen guten Ruf wiederherzustellen. S ie kann aber auch sonst angewendet werden, wenn sie dem Ziel des Verfah­ rens, eine Gesamtbefriedung zu schaffen, dient. Eine öffentliche Bekanntmachung des Spruchs zur B rand­ markung des Täters, wie sie § 37 S tG B , als Strafe vorsieht, kommt für das friedensrichterliche Verfahren nicht in Betracht. Die Bekanntmachung ist bei allen Arten von Friedenssprüchen möglich. Dabei ist es gleichgültig, ob der Friedensrichter Maßnahmen zur Ahndung der T at verhängt (§ 6) oder ob er von Maßnahmen ab­ sieht. Andererseits wird dem mitunter beobachteten Mißstand vorgebeugt, daß der Verletzte die Veröfsentlichungsbefugnis dazu mißbraucht, um seinen Gegner herabzusetzen oder zu kränken. Der Entwurf

gibt daher den Beteiligten kein Recht auf Bekannt­ machung. E r stellt sie vielmehr in das pflichtmäßige Ermessen des Friedensrichters, der auch über Umfang, Form und O rt der Bekanntmachung entscheidet. §

12

S t e l l u n g des S t a a t s a n w a l t s Der Staatsanw alt wirkt im friedensrichterlichen Verfahren nicht mit. Wird der Staatsanw alt mit einer in den Spruchbereich des Friedensrichters fallenden S traftat besaßt, deren Ahndung mit den Mitteln des Strafrechts er nicht für geboten hält, so verweist er den Verletzten an den Friedensrichter (§ 20 Abs. 2 StVO.). Andererseits kann der S taatsanw alt eine beim Friedensrichter anhängige Sache in das Strafver­ fahren übernehmen, wenn er es für geboten hält, die Tat strafrechtlich zu ahnden. Bon welchen Gesichts­ punkten der S taatsanw alt dabei ausgehen soll, ist bei § 2 erörtert. I n der Regel wird der Friedens­ richter, wenn er die Übernahme der Sache durch den S taatsanw alt für geboten hält, durch Vorlage der Akten die Entscheidung des Staatsanw alts herbei­ führen (§ 24 Abs. 2). Zur Entscheidung über die Übernahme kann der S taatsanw alt aber auch von sich aus Ermittlungen anstellen, die möglicherweise neben dem gleichzeitig anhängigen Friedensverfahren einhergehen, dieses aber zunächst nicht beeinflussen. Die Übernahme der Verfolgung ins Strafverfahren durch den Staatsanw alt führt noch nicht zur Ein­ stellung des etwa anhängigen Friedensverfahrens. Erst wenn der Staatsanw alt die Anklage oder die Feststellungsklage erhebt, stellt der Friedensrichter sein Verfahren ein (§ 24 Abs. 1). Hat aber der S ta a ts­ anwalt das Verfahren übernommen, so wird der Friedensrichter sein Verfahren bis zur Entscheidung über die Anklageerhebung aussetzen. Die Übernahme durch den Staatsanw alt ist bis zum rechtskräftigen Abschluß des friedensrichterlichen Verfahrens möglich. Die Zurücknahme der Klage oder die Aussöhnung der Beteiligten vor dem Schiedsmann oder dem Friedensrichter stehen der Verfolgung durch den S taatsanw alt nicht entgegen. Sogar ein Spruch des Friedensrichters über die T at schließt die Verfolgung nicht aus, wenn sich aus neuen Tatsachen oder Beweismitteln ergibt, daß wegen der Tat der Friedensrichter nicht angerufen werden konnte oder daß ihre Ahndung mit M itteln des S tra f­ rechts geboten ist (§ 40 Abs. 2). Außerdem hat der S taatsanw alt die Möglichkeit, den Spruch des Frie­ densrichters durch Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten (§ 39). Der Staatsanw alt kann von der Möglichkeit zur Übernahme der Sache in das Strafverfahren nur dann sachgemäßen Gebrauch machen, wenn er von dem hierfür in Betracht kommenden Verfahren Kennt­ nis erhält. Zu diesem Zweck sieht § 24 Abs. 2 vor, daß der Friedensrichter die Akten dem Staatsanw alt vorzulegen hat, wenn es sich um eine T at handelt, wegen deren derFriedensrichter nicht angerufen werden kann, oder wenn er die Ahndung mit den Mitteln des Strafrechts oder im Falle eines Feststellungsantrages die Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit im

Strasverfahren für geboten hält. I n diesen Fällen hat der Friedensrichter mit seinem Verfahren bis zur Entscheidung des S taatsanw alts innezuhalten. D ar­ über hinaus wird der Friedensrichter den S taatsan ­ walt aber auch über solche Verfahren (schriftlich oder mündlich oder durch Aktenvorlage) unterrichten, bei denen er zwar selbst eine Ahndung mit den Mitteln des Strafrechts nicht für geboten hält, bei denen er aber mit einer anderen Auffassung des S taatsan ­ w alts rechnen muß. Eine unterschiedslose Benach­ richtigung des S taatsanw alts von allen beim Frie­ densrichter anhängigen Verfahren — wie sie das bisherige Recht im Privatklageverfahren vorsieht — ist jedoch nicht zweckmäßig; sie würde den Friedens­ richter und den S taatsanw alt nur unnötig belasten Hat der Friedensrichter den S taatsanw alt wegen et­ waiger Übernahme der Verfolgung benachrichtigt, so ist er — abgesehen von den Fällen des § 24 Abs. 2 — nicht gehindert, sein Verfahren fortzuführen, ohne die Antwort des Staatsanw alts abzuwarten. Aus der Befugnis des S taatsanw alts zur Übernahme folgt auch, daß er jederzeit die sriedensrichterlichen Akten einsehen darf. Zweiter Abschnitt

Verfahren vor dem Friedensrichter D as Verfahren vor dem Friedensrichter wird durch eine Klage eingeleitet. Es richtet sich im Auf­ bau und in der Durchführung nach den Grundsätzen der Strafverfahrensordnung, soweit nicht der Zweck des friedensrichterlichen Verfahrens Abweichungen zur Folge hat. Der S taatsanw alt wirkt, wie zu § 12 dargelegt ist, im friedensrichterlichen Verfahren nicht mit. Die §§ 13 bis 19 behandeln die Klage; sie ent­ halten Bestimmungen über die Klageberechtigten, den Sühneversuch, ferner über Frist, In h a lt und Form der Klage und über ihre Zurücknahme. I n den §§ 20 bis 33 wird das Verfahren bis zum Friedensspruch in Anlehnung an die Grundsätze des Strafverfahrens­ rechts bestimmt. I m weiteren regelt der Entwurf In h a lt und Form der Entscheidung des Friedens­ richters (§§ 34 bis 36), die Verhandlungsniederschrift (§ 37), die Anfechtung der Entscheidungen (§§ 38, 39) und die Wirkung des Spruchs oder der Einigung (§§ 40, 41). Die Schlußbestimmungen des Abschnitts (§§ 42 bis 44) betreffen bte nachträglichen Entschei­ dungen über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten, die Wiederaufnahme und die Kosten des Verfahrens.

Neben der Klage ist der im Strafgesetzbuch für die strafrechtliche Verfolgung geforderte Strafantrag nicht erforderlich. Die Klage vereinigt vielmehr in sich, anders als nach der Regelung der Privatklage im bisherigen Recht, die Funktionen des Begehrens richterlicher Tätigkeit und des Strafantrages. Die Befugnis zur Erhebung der Klage ist übereinstimmend mit dem Recht zur Stellung des S trafantrags (§ 267 StV O .) geregelt. Zur Anrufung des Friedensrichters ist nach Absatz 1 zunächst der Verletzte berechtigt. Wer als Verletzter zu gelten hat, bestimmt sich nach den­ selben Grundsätzen wie im Strafrecht imb im S tra f­ verfahrensrecht. D as gilt insbesondere, wenn sich eine Ehrenkränkung gegen eine Gemeinschaft richtet. F ü r den Verletzten, der geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, können nach Absatz 2 der gesetzliche Vertreter und derjenige, bcm die Sorge für die Person des Verletzten zusteht, die Klage erheben. Steht beiden Elternteilen des Ver­ letzten das Sorgerecht nebeneinander zu, so gilt § 298 Abs. 2 StV O , entsprechend. Is t der Verletzte be­ schränkt geschäftsfähig, so besitzt er das Recht der Klageerhebung selbständig neben dem gesetzlichen Ver­ treter und dem Sorgeberechtigten, wenn er das acht­ zehnte Lebensjahr vollendet hat. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß dem über achtzehn Jah re alten beschränkt Geschäftsfähigen heute eine weit größere Selbständigkeit und ein umfasienderer Pflichtenkreis zugewiesen ist als früher. D as Klage­ recht des beschränkt Geschäftsfähigen entzieht den nach Absatz 2 Satz 1 sonst Berechtigten nicht die Klage­ befugnis. Bei der Entschließung über die Anrufung des Friedensrichters sind vielfach Umstände zu berück­ sichtigen, deren zutreffende Würdigung auch von einem beschränkt Geschäftsfähigen, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, nicht immer erwartet werden kann; daher soll der gesetzliche Vertreter oder der Sorgeberechtigte die Rechte des Minderjährigen wahren können. Schließlich gewährt die Bestimmung in bcn Fällen, in denen eine Ehefrau nach dem sachlichen Recht als verletzt anzusehen ist, auch dem Ehemauu ein Klagerecht (Absatz 3). Voraussetzung ist aber stets, daß zur Zeit der Erhebung der Klage die eheliche Gemeinschaft noch besteht. Die Klage des Ehemannes ist von der Zustimmung der Ehefrau unabhängig; ein Widerspruch der Ehefrau ist unbeachtlich. I m übrigen kann auf die Begründung zu § 267 StV O , verwiesen werden. § 14

§ 13

Kl a g e des Ve r l e t z t e n Der Entwurf macht das Verfahren vor dem Friedensrichter davon abhängig, daß der Verletzte oder ein für ihn Klageberechtigter eine Klage erhebt (§§ 13, 14). Bei den in den Spruchbereich des Frie­ densrichters fallenden Straftaten ist ein Bedürfnis, den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen, nur anzuerkennen, wenn der Verletzte sich in diesem Frie­ den beeinträchtigt fühlt.

Tod

des

Verletzten

Is t der durch eine S traftat Verletzte vor A nru­ fung des Friedensrichters oder vor der Durchführung des friedensrichterlichen Verfahrens gestorben, so kann gleichwohl das Bedürfnis fortbestehen oder ent­ stehen, im friedensrichterlichen Verfahren für den Verstorbenen Genugtuung zu suchen. Der Entwurf gestattet daher entsprechend dem § 268 StV O , dem Ehegatten des Verstorbenen, seinen Kindern, Eltern, Großeltern, Enkeln und Geschwistern, die Klage vor

dem Friedensrichter zu erheben oder das vor dem Tode des Verletzten eingeleitete friedensrichterliche Verfahren fortzusetzen. Eine selbständige Klage der Angehörigen sieht das Gesetz ferner für den F all vor, daß ein Verstorbener beschimpft worden ist (§ 424 S tG B .). Wegen der Einzelheiten kann auf die Be­ gründung zu § 268 StV O , verwiesen werden. F ü r die Klage, die von den Angehörigen selbständig er­ hoben wird, gilt die in § 17 bestimmte Klagesrist. Die Fortsetzung eines bereits eingeleiteten Verfah­ rens ist nach § 14 nur binnen drei Monaten nach dem Tode des Verletzten zulässig; der Zeitpunkt, in dem der Angehörige von der T at und der Person des Täters Kenntnis erlangt, ist für diese Frist ohne Be­ deutung. I n das Verfahren tritt der Angehörige an Stelle des Verletzten in der Lage ein, in der es sich befindet. Die versahrensrechtlichen Befugnisse des § 14 Abs. 1 stehen mehreren Angehörigen aus den in der Begründung zu § 268 StV O , dargelegten Gründen unabhängig voneinander zu. Entsprechend der im § 268 Abs. 3 vorgesehenen Regelung ermächtigt der Absatz 2 den Friedensrichter, die Klage oder die F o rt­ setzung des Verfahrens abzulehnen, wenn sie dem Willen des Verstorbenen widerspricht oder wenn ein anderer Berechtigter gegen sie beachtliche Gründe vor­ bringt. Die Ablehnung ist bis zum Abschluß des Ver­ fahrens möglich. § 15

Mehrere Klageberechtigte Die Bestimmung regelt das Verhältnis der Klage­ rechte, die mehreren Berechtigten wegen derselben T at nach den §§ 13, 14 oder deshalb zustehen, weil durch dieselbe T at mehrere verletzt worden sind. Jeder dieser Berechtigten kann ohne Rücksicht auf die Befug­ nis der anderen die Klage erheben, jedoch nur solange, als noch kein anderer Berechtigter Klage erhoben hat. Is t wegen der T at bereits eine Klage eingereicht, so steht die Rechtshängigkeit des Verfahrens der selbstän­ digen Klage der übrigen Berechtigten entgegen. Diese sind nach Absatz 2 auf den Beitritt zu dem bereits eingeleiteten Verfahren beschränkt; eine trotzdem er­ hobene weitere Klage ist als Beitrittserklärung zu behandeln. Auch der B eitritt zu einem anhängigen Verfahren ist davon abhängig, daß die Voraus­ setzungen für die Erhebung der Klage noch bestehen; ist der Berechtigte seiner Klagebefugnis — etwa durch Fristsäumnis — verlustig gegangen, so ist ihm der B eitritt zu dem schwebenden Verfahren verschlossen. F ü r die Erklärung des B eitritts gelten dieselben Vor­ schriften wie für die Erhebung der Klage (§ 18 Abs. 6); eines vorhergehenden Sühneversuchs bedarf es nicht (§ 16 Abs. 2 Satz 1). Der Beitretende tritt durch seine Erklärung in das Verfahren in der Lage ein, in der es sich befindet. Ist über die T at rechts­ kräftig entschieden, so steht diese Entscheidung der Klage eines anderen Berechtigten wegen derselben T at entgegen. § 16

Sühneversuch Aus den in der Einleitung dargelegten Gründen soll der Erhebung der Klage unter gewissen Voraus­

setzungen ein Sühneversuch vor dem Schiedsmann vorausgehen. Der Sühneversuch ist vorgeschrieben, wenn die Beteiligten in denselben oder in benachbar­ ten Gemeinde- oder Schiedsmannsbezirken wohnen. Es empfiehlt sich, daß in diesen Fällen die Schlichtung zunächst von dem Schiedsmann des Bezirks, in dem die Beteiligten wohnen, versucht und dadurch der Friedensrichter entlastet wird. Daß der Sühnever­ such entfällt, wenn die Beteiligten — der A ntrag­ steller und der Antragsgegner — nicht in demselben oder in benachbarten Bezirken wohnen, erklärt sich daraus, daß den Beteiligten das Erscheinen in einem entfernten Bezirk nicht zugemutet werden kann; zu­ dem wird der Schiedsmann gegenüber Beteiligten, die nicht in seinem Bezirk oder in besten unmittel­ barer Nähe wohnen, nicht immer das zur Schlichtung erforderliche persönliche Ansehen besitzen. Der Sühne­ versuch ist für alle in den Spruchbereich des Friedens­ richters fallenden Taten vorgesehen und ist auch er­ forderlich, wenn der Staatsanw alt die Strafverfol­ gung abgelehnt und den Antragsteller auf das frie­ densrichterliche Verfahren verwiesen hat. Welche Bezirke als benachbart int Sinne der Vorschrift gelten, bleibt der Regelung in den Aussührungsbestimnrungen überlasten. Absatz 2 sieht eine weitere Lockerung des Sühne­ zwanges vor. Ist das Verfahren bereits durch Klage eines Berechtigten vor dem Friedensrichter anhängig geworden, so bedarf es keines Sühneversuchs für den B eitritt eines anderen Berechtigten oder für die E r­ hebung einer Widerklage. I n diesen Fällen soll der Friedensrichter selbst zwischen allen Beteiligten zu schlichten suchen. Aber auch wenn keiner dieser Aus­ nahmefälle begründet ist, kann der Friedensrichter mit Rücksicht aus die besondere Lage des Falles den Sühneversuch erlasten, wenn er unzweckmäßig wäre. D as wird insbesondere der Fall sein, wenn das E r­ scheinen in der Sühneverhandlung einem Beteiligten, etwa wegen Krankheit, nicht zugemutet werden kann.

§

17

Kl a g e s r i s t Da die Klage an die Stelle des Strafantrages tritt, muß sie ebenso befristet werden wie nach § 271 StV O , der Strafantrag. Hat der Verletzte von der T a t und der Person des Täters Kenntnis erlangt, so muß er sich binnen drei Monaten entscheiden, ob er den Friedensrichter anrufen will. Der Befriedung unter den Beteiligten würde es nicht dienen, wenn ein friedensrichterliches Verfahren noch später in Gang kommen könnte. F ü r den Beginn der Klagesrist ist die Kenntnis des Verletzten von der T at und der Person des T äters entscheidend. Wird aber nach § 13 die Klage von dem gesetzlichen Vertreter, dem Sorgeberechtigten oder dem Ehemann erhoben, so entscheidet ebenso wie nach § 271 StV O , dessen Kenntnis. Eine besondere Regelung gilt, wenn infolge des Todes des Verletzten den in § 14 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Angehörigen das Recht zur Erhebung der Klage zufällt. Der E nt­ wurf gewährt den nunmehr Klageberechtigten eine

neue Frist, in der sie den Beweisstosf sammeln und sich darüber schlüssig werden können, ob sie die T at trotz der durch den Tod des Verletzten veränderten Um­ stände im friedensrichterlichen Verfahren verfolgen wollen. Die Frist beginnt, sobald auch nur einer der antragsberechtigten Angehörigen von der T at und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat. S ie endet jedoch frühestens drei Monate nach dem Tode des Verletzten; hat der Angehörige also die Kenntnis vor dem Tode des Verletzten erlangt, so ist dies für den Ablauf der Frist gleichwohl ohne Bedeutung. Eine weitere Ausnahme von der in § 17 Abs. 1 bestimmten Frist begründet § 33 Abs. 2 Satz 3 für die Erhebung einer Widerklage bei wechselseitigen, miteinander zusammenhängenden Taten. Absatz 3 trifft Vorsorge, daß der Klageberechtigte seines Klagerechts nicht durch Fristablauf verlustig geht, wenn sich das Sühneverfahren oder die Entschei­ dung des Staatsanw alts über die Strafverfolgung hinauszieht. Hat der Berechtigte innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 bestimmten Frist einen Sühnever­ such beim Schiedsmann beantragt, so bleibt die Klage­ srist gewahrt, wenn er binnen eines M onats nach betn Abschluß des Sühneverfahrens die Klage einreicht. Als Abschluß des Sühneverfahrens ist es anzusehen, wenn die Sühneverhandlung vor dem Schiedsmann beendigt ist oder dem Kläger ein Bescheid des Schiedsmanns über die Ablehnung des Sühneantrags (§ 52 Abs. 1) oder über das Scheitern des Sühneversuchs (§ 57) zugegangen ist oder der Sühneantrag zurück­ genommen wird (§ 51 Abs. 3). Die Monatsfrist läuft von diesem Zeitpunkt ab, auch wenn der Schiedsmann die Sache wegen Geringfügigkeit für erledigt erklärt (§ 54 Abs. 2); in diesem Falle kann der Antragsteller die Entscheidung des Friedensrichters durch Einrei­ chung der Klage anrufen (§ 25 Abs. 2). Hat der Klageberechtigte Strafanzeige erstattet, so endet die Klagefrist frühestens einen M onat, nachdem ihm der Bescheid des Staatsanw alts, daß er die Verfolgung der T at ablehne, zugegangen ist. Nach § 25 StV O , wird die Verfolgung einer S traftat, wegen deren höchstens Hast oder Geldstrafe verwirkt ist, unzulässig, wenn seit ihrer Begehung fünf Jah re verstrichen sind. D er Grundsatz, daß der Zeitablaus bei minder schweren Taten die Verfolgung unzulässig macht, muß aus den in der Begründung zu den §§ 24, 25 StV O , dargelegten Gründen auch für das sriedensrichterliche Verfahren gelten. Gegen­ über den im § 25 StV O , genannten Fristen ist für das friedensrichterliche Verfahren eine Fristabkürzung angezeigt. Der Entwurf bestimmt daher im Absatz 4, daß die Klage unzulässig ist, wenn seit Begehung der T at drei Jahre verstrichen sind. Nach Ablauf dieser Frist ist ein Bedürfnis, wegen der T at noch eine Befriedung herbeizuführen, nicht mehr anzuer­ kennen. F ü r Beginn und Ruhen dieser Frist gilt § 26 StV O , sinngemäß. Hat der Kläger die Klagesrist versäumt, so erlischt das Klagerecht. D as gilt entsprechend dem § 271 Abs. 4 StV O , nach Absatz 5 auch dann, wenn eine unverschuldete Säum nis vorliegt. Die Vorschriften über die Nachholung einer Handlung wegen unver­ schuldeter Fristversäumnis können hier auch nicht etwa entsprechend (§ 22 Abs. 1) angewandt werden.

I n h a l t der Kl a g e Die Bestimmung regelt den In h a lt der Klage und die Form, in der sie anzubringen ist; sie gilt auch für die Erklärung, mit der ein Berechtigter einem bereits eingeleiteten Verfahren bettritt (Absatz 6). Da die Klageberechtigten vielfach rechtsunkundig sind, ist es in ihre Wahl gestellt, die Klage entweder beim F rie­ densrichter schriftlich einzureichen oder sie mündlich zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu erklären (Absatz 1); erscheinen Kläger und Gegner persönlich vor dem Friedensrichter, so kann die Klage mit seiner Zustimmung mündlich vor ihm erhoben werden (Absatz 5). Den In h a lt der Klage beschränkt der Entwurf auf das M aß besten, was zum Verständnis des vom Kläger erhobenen Vorwurfs notwendig ist. Die Klage soll nach Absatz 2 stets die nähere Bezeichnung des Klägers, des Verklagten und, wenn ein anderer als der Verletzte die Klage erhebt, auch des Verletzten enthalten; ferner sind die dem Verklagten vorgewor­ fene T at sowie Ort und Zeit ihrer Begehung und schließlich die Zeugen und anderen Beweismittel an­ zugeben. Diese Vorschriften sollet: sicherstellen, daß dem Friedensrichter die Unterlagen für die Entschei­ dung über die Zulässigkeit der Klage (§ 25) unter­ breitet werden und der Verklagte von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf in Kenntnis gesetzt werden kann (§ 23). S ind sie nicht beachtet, so kann der F rie­ densrichter auf eine Ergänzung der Klage auch noch nach Ablauf der Klagefrist hinwirken oder, soweit tun­ lich, eine Behebung der Mängel der Verhandlung überlasten. Aus der Klage muß sich, wie zu § 2 aus­ geführt ist, stets die Behauptung einer S traftat er­ geben, die in den Spruchbereich des Friedensrichters fällt. Handelt es sich nach dem in der Klage bezeich­ neten Sachverhalt um eine S traftat, die nicht Gegen­ stand des friedensrichterlichen Verfahrens sein kann, oder ist aus dem Klagevorbringen zu entnehmen, daß eine S traftat überhaupt tticht in Betracht kommt, so lehnt der Friedensrichter die Klage ab (§ 25 Abs. 1 Nr. 1, 3). I n der Regel ist nicht erforderlich, daß die Klage einen bestimmten Antrag enthält. M it der Klage ist unausgesprochen der Antrag an den Friedensrich­ ter verbunden, das sriedensrichterliche Verfahren ein­ zuleiten. Ein bestimmter Antrag ist meist schon des­ halb untunlich, weil erst die Verhandlung ergibt, welche friedensrichterlichen Maßnahmen angemessen sind. Doch können in der Klageschrift bestimmte M aß­ regeln angeregt werden. Eine Besonderheit gilt, wenn mit der Klage begehrt wird, Feststellungen über die Unwahrheit einer ehrenrührigen Behauptung (§ 8) zu treffen, über bürgerlich-rechtliche Streitig­ keiten zu entscheiden oder eine einstweilige Befriedung zu schaffen. I n diesen Fällen bedarf es, wie sich schon aus den §§ 8 bis 10 ergibt, eines entsprechenden Antrages; er kann auch nach Einreichung der Klage nachgebracht oder ergänzt werden. Schreibt das Gesetz vor, daß der Klage ein Sühne­ versuch vorauszugehen hat (§ 16), so muß nach Ab­ satz 3 der Klage die im § 57 vorgesehene Bescheini­ gung des Schiedsmanns beigefügt werden, daß der

Versuch gescheitert ist. D as gilt auch, wenn der Schiedsmann die Sache wegen Geringfügigkeit für erledigt erklärt hat (§ 54 Abs. 2), der Kläger aber trotzdem durch Erhebung der Klage die Entscheidung des Friedensrichters herbeiführen will (§ 25 Abs. 2). Ist die Bescheinigung des Schiedsmanns nicht beige­ bracht, so ist die Klage als unzulässig nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 abzulehnen. Der Friedensrichter kann aber auch von der Nachholung des Sühneversuchs durch den Schiedsmann absehen, falls dieser Sühneversuch unzweckmäßig wäre (§ 16 Abs. 2 Satz 2), und ihn gegebenenfalls der vor ihm selbst stattsindenden Ver­ handlung vorbehalten; er kann endlich dem Kläger eine Frist zur Nachholung setzen und, wenn diese nicht eingehalten wird, die Klage für zurückgenommen erklären (§ 19 Abs. 2). § 19

Zur ücknahme der Kl a ge Der Entwurf gestattet im § 19 abweichend vom Strafverfahren, in dem der einmal gestellte S tra f­ antrag unwiderruflich ist (§ 273 StV O .), dem Kläger die Zurücknahme der Klage. Hat die Verhandlung vor dem Friedensrichter oder vor dem Berufungs­ gericht begonnen, so ist die Zurücknahme an die Zu­ stimmung des Gegners gebunden; es soll verhütet werden, daß der Kläger den Friedensspruch oder die Entscheidung des Berufungsgerichts durch einseitige Rücknahme der Klage vereitelt, wenn er ein ihm un­ günstiges Ergebnis zu erwarten hat. Die Zurücknahme der Klage kann auf einzelne von mehreren selbständigen Taten oder auf einzelne Ver­ klagte beschränkt werden. D a die Klage im friedens­ richterlichen Verfahren nach § 270 Abs. 2 StV O , dem Strafantrag gleichsteht, der S trafantrag aber un­ widerruflich ist, hindert die Zurücknahme der Klage, wie auch die Begründung zu § 270 StV O , ausführt, den S taatsanw alt nicht, die S traftat nunmehr im Strafverfahren zu verfolgen, wenn hierzu Anlaß be­ steht (§ 19 StV O .). D as kann insbesondere der Fall sein, wenn der Verletzte auf Grund neu einge­ tretener Umstände die Klage zurücknimmt und beim Staatsanw alt die Einleitung der Strafverfolgung beantragt. — Die Vorschriften des Absatz 1 sind auch anzuwenden, wenn auf eine Nichtigkeitsbeschwerde des S taatsanw alts das Beschwerdegericht die Sache an den Friedensrichter zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat (§ 39) oder wenn das Verfahren wieder ausgenommen worden ist (§ 43); sie gelten ferner sinngemäß für die vom Ver­ klagten erhobene Widerklage (§ 33 Abs. 2). Die Befugnis des Friedensrichters, unter den im Absatz 2 bestimmten Voraussetzungen die Klage für zurückgenommen zu erklären, soll die ordnungs­ mäßige Durchführung des Verfahrens sicherstellen. D as Recht, dem Kläger zur Vornahme einer Ver­ fahrenshandlung eine Frist mit der Androhung zu setzen, daß im Falle der Nichtbeachtung die Klage für zurückgenommen erklärt werde, ist nicht aus bestimmte gesetzlich bezeichnete Fälle beschränkt. Die Frist­ setzung kann sich auf alle Handlungen beziehen, zu denen der Kläger im Rahmen des friedensrichterlichen Verfahrens gesetzlich verpflichtet ist. Insbesondere

kommen die Ergänzung des Klageinhalts, die Nachreichung einer Bescheinigung über den Sühneversuch und die Angabe von Beweismitteln in Betracht. Hat der Kläger die Frist unverschuldet versäumt, so finden nach § 22 Abs. 1 die §§ 292 bis 294 StV O , über die unverschuldete Fristversäumnis sinngemäß Anwen­ dung. Ein weiterer Fall, in dem der Friedensrichter die Klage für zurückgenommen erklären kann, ist in § 30 Abs. 2 geregelt. Hat der Kläger die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so kann sie nicht von neuem erhoben werden (Absatz 3). D as gilt auch, wenn der Kläger wegen derselben T at in einem früheren friedensrichterlichen Verfahren Widerklage erhoben und diese zurückgenommen hatte. Dagegen berührt die Zurücknahme einer Klage nicht die Befug­ nis eines anderen Berechtigten, wegen derselben T at die Klage zu erheben; diese wird erst durch rechts­ kräftige Entscheidung der Sache ausgeschlossen. §

20

Ör t l i che Zu s t ä n d i g k e i t Die örtliche Zuständigkeit des Friedensrichters be­ stimmt sich nach den Vorschriften der Strafversahrensordnung, die sinngemäß anzuwenden ist. Demnach sind die Vorschriften der §§ 106 bis 114 StVO, über die örtliche Zuständigkeit des Gerichts und die allgemeinen Bestimmungen der §§ 116 bis 120 mit den für das friedensrichterliche Verfahren geltenden Besonderheiten zu beachten. Das nach § 112 StV O , dem Staatsanw alt zustehende Wahlrecht zwischen mehreren Gerichtsständen wird vom Kläger aus­ geübt; als oberes Gericht im Sinne der §§ 113, 116, 117 ist das Landgericht anzusehen. Die nach § 106 Abs. 2 StV O , für den Gerichtsstand des Tatortes geltende Sonderregelung wird in § 20 Abs. 2 er­ weitert. I m Strafverfahren und demnach auch im friedensrichterlichen Verfahren ist bei Taten, die wegen des In h a lts eines im In la n d erschienenen Druckwerks strafbar und sowohl am Ort des E r­ scheinens als auch anderswo begangen sind, der Ge­ richtsstand des T atorts nur bei dem Gericht be­ gründet, in dessen Bezirk das Druckwerk erschienen ist. Is t aber die T at als Ehrenkränkung strafbar, so ist auch der Friedensrichter örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Druckwerk verbreitet worden ist, wenn dort der Verletzte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf­ enthalt hat; dem Verletzten soll dadurch die Erhebung der Klage erleichtert werden. S ind nach den entsprechend anzuwendenden Vor­ schriften der Strafverfahrensordnung mehrere Friedensrichter örtlich zuständig, so kann der Friedensrichter, den der Kläger angerufen hat, das Verfahren aus Gründen der Zweckmäßigkeit an einen anderen zuständigen Friedensrichter verweisen (Ab­ satz 3). Dazu wird häufig Anlaß bestehen, wenn die Klage bei dem Friedensrichter des Bezirks erhoben worden ist, in dem die T a t begangen ist, wenn aber beide Beteiligte nicht in diesem Bezirk wohnen. Die auf Grund des Absatzes 3 ergehende Entscheidung des Friedensrichters ist nicht anfechtbar (tz 38). Die Ver­ weisung ist für den Friedensrichter, an den verwiesen wurde, nicht bindend; er kann die Sache an einen

anderen örtlich zuständigen Friedensrichter weiter­ verweisen. § 21

Ausschließung und A b l e h n u n g F ü r den Friedensrichter und den Schriftführer müssen die Vorschriften der Strafversahrensordnung über die Ausschließung und Ablehnung (§§ 121 bis 131, 133) entsprechende Anwendung finden, da der Friedensrichter eine richterliche Spruchgewalt hat. I m Sinne der genannten Bestimmungen ist für das friedensrichterliche Verfahren dem Beschuldigten der Verklagte gleichzustellen; die aus den Beschuldigten anwendbaren Bestimmungen gelten aber auch für den Kläger, soweit sie nicht schon deshalb zu beachten sind, weil er der Verletzte ist (§ 121 Nr. 2, 3; §§ 123 Abs. 3, 124 Abs. 2). Als vorangegangene Tätigkeit in der Sache (§ 121 Nr. 4, 5) gilt auch die frühere T ätig­ keit des Friedensrichters in einem Strafverfahren, das dieselbe T at zum Gegenstand hatte. Der Friedens­ richter steht im Sinne der Bestimmungen über die Ausschließung und Ablehnung dem Amtsrichter gleich (§§ 113 Abs. 2, 127 Abs. 2). Die nach § 131 Abs. 2 StV O , im Strafverfahren zugelassene Anfechtung des ablehnenden Beschlusses ist im Hin­ blick auf den Grundgedanken des § 38 int friedensrichterlichen Verfahren ausgeschlossen, auch so­ weit gegen die Entscheidung über den Feststellungs­ antrag die Berufung zulässig ist. § 22

Verfahrensgrundsätze Die erweiterte Zweckbestimmung des friedens­ richterlichen Verfahrens und die umsaffende Spruch­ gewalt des Friedensrichters, die sich auf verschiedene Gebiete des sachlichen Rechts erstreckt, läßt es nicht zu, den Friedensrichter zwingend an die für eine be­ stimmte Verfahrensart sonst geltenden Vorschriften zu binden. Es muß ihm vorbehalten bleiben, die Gestal­ tung des Verfahrens der Aufgabe anzupassen, bei der im Einzelfalle das Schwergewicht der Entscheidung liegt. Der Entwurf gestattet daher dem Friedens­ richter, das Verfahren nach pflichtmäßigem Ermessen zu bestimmen, begründet aber dadurch nicht das Recht, ein formloses Verfahren anzuwenden; vielmehr dienen dem Richter die Grundsätze des S trafver­ fahrensrechts als Richtschnur. Die Verweisung auf die Grundsätze des Strafverfahrensrechts besagt, daß der Friedensrichter zwar von der Beobachtung der Formvorschristen im einzelnen absehen kann, daß er aber stets die Grundgedanken des Strasverfahrensrechts zu beachten hat und sie nicht willkürlich beiseite setzen darf. Die einzelnen Bestimmungen des Strafver­ fahrensrechts fömtett aber nur sinngemäß und nur in­ soweit Anwendung finden, als sich aus den be­ sonderen Vorschriften des friedensrichterlichen Ver­ fahrens oder aus seinen besonderen Zwecken nichts Abweichendes ergibt. I n diesem Rahmen gelten sie aber für alle Gegenstände des Verfahrens, auch soweit bürgerlich-rechtliche Ansprüche erhoben sind. In w ie ­ weit bei der Entscheidung bürgerlich - rechtlicher

Streitigkeiten Vorschriften der Zivilprozeßordnung sinngemäß anzuwenden sind, ist in der Begründung zu § 440 StV O , dargelegt. Als wichtigsten Versahrensgrundsatz hebt das Gesetz im § 22 Absatz 1 die Pflicht des Richters hervor, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Der Friedensrichter famt demnach den Umfang der Beweisaufnahme nur im Rahmen dieser Aufklärungspflicht nach seinem E r­ messen bestimmen. Ferner sind insbesondere die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit, des rechtlichen Gehörs und der freien Beweiswürdigung zu beachten. Auf einzelne Abschnitte der Strasverfahrensordnung wird im Gesetz ausdrücklich ver­ wiesen; so auf die Bestimmungen über die örtliche Zu­ ständigkeit (§ 20) und über die Ausschließung und Ab­ lehnung (§ 21). Weiterhin sind die Vorschriften über die M ittel der Wahrheitserforschung (§§ 154 bis 197), die Beschlagnahme, Durchsuchung und Unter­ suchung (§§ 219 bis 254) sinngemäß anzuwenden. Die im § 27 Abs. 3 bezeichneten Zwangsmittel sind unzulässig. F ü r die Anfechtung der Entscheidungen des Friedensrichters und für die Wiederaufnahme des Verfahrens gelten besondere Bestimmungen (§§ 38, 43). Die im Strafverfahren für den S taatsanw alt geltenden Bestimmungen sind nicht anwendbar; ins­ besondere stehen dem Kläger grundsätzlich nicht die Rechte zu, die das Strafverfahrensrecht dem S ta a ts­ anwalt einräumt. Auch ist kein Raum für die An­ wendung der Vorschriften über das beschleunigte Ver­ fahren, den Strafbefehl und das Verfahren gegen Flüchtige; diese besonderen Verfahrensarten würden mit den Zwecken des friedensrichterlichen Verfahrens in Widerspruch stehen. Zu den Grundsätzen des S tra f­ verfahrensrechts zählen auch die des Gerichtsver­ fassungsrechts; demnach sind insbesondere die Vor­ schriften über die Ordnungsgewalt und die Rechts­ und Anttshilfe anwendbar, soweit nicht die Friedens­ richterordnung Sonderbestimmungen enthält. Der Entwurf stellt keine besonderen Vorschriften darüber auf, in welchem Umfange der Friedensrichter vor der Verhandlung zu Erhebungen befugt ist. Es bedarf keiner gesetzlichen Regelung, daß er die ihm ge­ eignet erscheinenden Maßnahmen treffen, ins­ besondere zur Aufklärung des Sachverhalts dem Kläger die Herbeischaffung weiterer Beweismittel auf­ geben kann. E r kann ferner selbst Ermittlungen vor­ nehmen und die Beteiligten schon vor der Verhand­ lung formlos anhören; es steht auch nichts im Wege, eine solche Anhörung zur Schlichtung des Streites zu benutzen. Die §§ 6 bis 10 regeln nur die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen der friedensrichterlichen M aß­ nahmen. Sie werden nach der verfahrensrechtlichen Seite durch den § 22 Abs. 2 ergänzt, nach dem solche Maßnahmen sich nur gegen den Verklagten richten dürfen, nicht auch gegen den Kläger oder gegen Un­ beteiligte. Zwar kann auch das Verhalten des Klägers oder eines Unbeteiligten ein Bedürfnis nach diesen Maßnahmen hervorrufen. Ih m kann aber nur genügt werden, wenn gegen ihn gleichfalls eine Klage erhoben wird. D as kann schon im schwebenden Verfahren geschehen, wie sich aus der Vorschrift über die Erweiterung des Gegenstandes des Verfahrens (§ 33) ergibt. F ü r die Entscheidung bürgerlich-recht-

licher Streitigkeiten übernimmt der Absatz 2 Satz 2 den Grundsatz des bürgerlichen Rechtsstreits (§ 308 Z P O ), daß sich der Friedensrichter im Rahmen der gestellten Anträge zu halten hat. Entscheidet der Friedensrichter nicht in der Sache selbst, weil die Ablehnung der Klage oder die Ein­ stellung des Verfahrens geboten ist (§§ 25, 35), so soll er nach Absatz 3 die Beteiligten, wenn es an­ gemessen ist, darüber belehren, wie sie ihr Recht ver­ folgen können. Diese Vorschrift gewinnt insbesondere Bedeutung, wenn die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit nicht beachtet sind oder wenn sich aus dem In h a lt der Klageschrift ergibt, daß eine S tra fta t nicht in Betracht kommt und demnach für die Ver­ folgung der vom Kläger erhobenen Ansprüche nur der Weg des Zivilprozesses oder die Anrufung anderer be­ hördlicher Stellen offensteht. § 23 Anhörung

des V e r k l a g t e n

Die Bestimmung ist eine Auswirkung des nach § 22 auch im friedensrichterlichen Verfahren gelten­ den Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. S ie gilt von der Einreichung der Klage ab; demnach ist der Ver­ klagte in der Regel schon vor der Entscheidung darüber, ob die Klage abzulehnen ist (§ 25), über den vom Kläger erhobenen Vorwurf zu hören. Die Gegenäußerung wird nicht selten zu einer anderen Beurteilung der Sachlage, möglicherweise zur Ableh­ nung der Klage nach § 25 Abs. 1 Nr. 2, 3 führen; in anderen Fällen wird sie dem Friedensrichter Anlaß geben, den Kläger zur Ergänzung seiner Klage zu ver­ anlassen, Ermittlungen anzustellen oder die vom Ver­ klagten genannten Beweismittel zur Verhandlung bereitzustellen. Ergibt sich aber schon aus der Klageschrift mit Sicherheit, daß die Klage nach § 25 der Ablehnung verfallen muß, so kann sich der Friedensrichter jeder anderen richterlichen Handlung enthalten; in diesem Falle ist eine Anhörung des Ver­ klagten nicht erforderlich. Eine bestimmte Form ist für die Anhörung nicht vorgeschrieben. Der Friedens­ richter kann dem Verklagten den wesentlichen In h a lt oder eine Abschrift der Klageschrift mitteilen und ihm schriftliche Äußerung anheimstellen; er kann ihn ferner selbst — auch in Gegenwart des Klägers — formlos hören oder durch einen ersuchten Richter vernehmen lassen. § 24 Eingreifen

des S t a a t s a n w a l t s

Durch die Erhebung der Klage wird die Ver­ folgung der den Gegenstand des Verfahrens bildenden T at im Wege des Strafverfahrens nicht aus­ geschlossen. Wie die Begründung zu § 12 darlegt, kann der Staatsanw alt auch nach Erhebung der Klage ein Ermittlungsverfahren einleiten und bis zum rechtskräftigen Abschluß des friedensrichterlichen Verfahrens die Verfolgung im Strafverfahren über­ nehmen. Ob die T at im kriminellen Strafverfahren zu verfolgen ist, wird durch die Vorschriften der S tra f­ verfahrens ordnung, insbesondere deren § 20, ge­

regelt. Der Entwurf bestimmt für diesen Fall in § 24 das Verfahren des Friedensrichters. Der Friedensrichter hat nach § 24 Abs. 1 Satz 1 das Verfahren einzustellen, wenn der Staatsanw alt wegen der T at die Anklage oder die Feststellungsklage (§ 434 StV O .) erhebt. Wie schon zu § 12 ausgeführt, kann der Friedensrichter während des Vorverfahrens des Staatsanw alts einstweilen weiter tätig sein; er wird allerdings meist Anlaß haben, zunächst sein Ver­ fahren auszusetzen, bis die Entscheidung des S ta a ts­ anwalts über die Erhebung der Anklage oder der Feststellungsklage vorliegt. Lehnt der Staatsanw alt die Verfolgung der T at im Strafverfahren ab oder stellt er, wenn auch erst nach Zurücknahme der Anklage (§ 29 StV O .), das Verfahren ein, so verfährt der Friedensrichter nach den für das friedensrichterliche Verfahren geltenden Vorschriften (Abs. 1 Satz 2). E r hat dann also zu prüfen, ob die Klage nach den §§ 25, 26 abzulehnen oder die Verhandlung anzuberaumen ist. Die Fortsetzung des friedensrichterlichen Ver­ fahrens kann er nicht mit der Begründung ablehnen, daß er entgegen der Meinung des Staatsanw alts eine Ahndung der T at mit den M itteln des Strafrechts für geboten halte (§ 25 Abs. 3); seine Entscheidung muß im Rahmen der in diesem Verfahren zugelassenen Maßnahmen ergehen. Diese Grundsätze gelten, gleich­ viel aus welchen Gründen der S taatsanw alt das Strafverfahren einstellt. Nimmt der Staatsanw alt an, daß zwar die T at dem Spruchbereich des Friedensrichters entzogen sei, daß für ihn aber wegen ungenügenden Tatverdachts, geringer Schuld oder eines anderen in den §§ 15 bis 25 StV O , bezeichne­ ten Grundes kein Anlaß zur Strafverfolgung gegeben sei, so hindert dies die Fortsetzung des friedensrichter­ lichen Verfahrens nicht. T ritt der Friedensrichter der Auffassung des S taatsanw alts bei, daß die T at nicht in seinen Spruchbereich falle, so lehnt er die Klage nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 ab. Ist er aber der Meinung, daß sie zu seinem Spruchbereich gehöre, so führt er das friedensrichterliche Verfahren durch. Denn eine Rechtsverweigerung muß verhütet werden. Kann der Friedensrichter nicht angerufen werden, weil die T at nicht nach § 2 in seinen Spruchbereich fällt, wird aber dennoch Klage vor ihm erhoben, so legt er nach Absatz 2 die Akten dem S taatsanw alt vor. Das gilt sowohl innerhalb wie außerhalb der Ver­ handlung. Ergibt sich die Pflicht zur Vorlage der Akten erst in der Verhandlung, so ist zugleich nach § 35 Abs. 2 das sriedensrichterliche Verfahren einzu­ stellen. Die Akten sind ferner dem Staatsanw alt vor­ zulegen, wenn es sich zwar um eine der tm § 2 be­ zeichneten Taten handelt, wenn aber der Friedens­ richter mit Rücksicht auf die Bedeutung oder die Schwere der T at ihre Ahndung mit den Mitteln des Strafrechts für geboten hält. Auch diese Vorlage­ pflicht besteht außerhalb der Verhandlung ebenso, wie dann, wenn sich erst in der Verhandlung eine schärfere Beurteilung ergibt. D as Verfahren bleibt auch nach der Vorlage, wie sich aus dem zu Absatz 1 Aus­ geführten ergibt, beim Friedensrichter anhängig, bis der S taatsanw alt die Anklage erhebt oder die E r­ mittlungen endgültig einstellt. Nach den Ausfüh­ rungen zu tz 2 wird der Friedensrichter auch sonst An­ laß nehmen, den Staatsanw alt während der Durch-

führung des Verfahrens zu unterrichten, wenn die Möglichkeit besteht, daß der S taatsanw alt die Verfol­ gung übernimmt. D er Friedensrichter legt die Sache auch dann dem Staatsanw alt vor, wenn er der Auffassung ist, daß die vom Kläger zur Wiederherstellung seines guten Rufs beantragten Feststellungen (§§ 8 ,1 8 Abs. 3) aus besonderen Gründen dem Strafverfahren vorbehalten bleiben müssen. Häufig wird gerade im Feststellungs­ antrag das Schwergewicht des gesamten Verfahrens liegen, weil der Verletzte vor allem aus die Wieder­ herstellung seines guten Rufs Wert legt. Erscheint es in einem solchen Falle angezeigt, im Hinblick auf die Bedeutung der Sache oder die Schwierigkeiten, die der Feststellung — etwa wegen des Umfanges der not­ wendigen Beweiserhebung — entgegenstehen, die Wahrheit oder Unwahrheit der aufgestellten Behaup­ tung im Strafverfahren zu klären, so legt der Friedensrichter die Akten dem S taatsan w alt vor, auch wenn die Ahndung der T at mit strafrechtlichen M itteln nicht geboten ist. Uebernimmt der S ta a ts­ anwalt nicht die Strafverfolgung oder die Durchfüh­ rung eines selbständigen Feststellungsverfahrens, so führt der Friedensrichter das bei ihm anhängige Ver­ fahren fort. § 25 Ablehnung

der Klage

D er Friedensrichter prüft zunächst vor der Ver­ handlung, ob die Klage abzulehnen oder die Verhand­ lung anzuberaumen ist. Die Prüfung entspricht un­ gefähr derjenigen, die nach den §§ 34, 35 StV O , im Strafverfahren vorzunehmen ist. Die Klage ist nach § 25 abzulehnen, wenn der Verklagte nach dem in der Klage bezeichneten Sach­ verhalt keiner T at schuldig erscheint, wegen deren der Friedensrichter angerufen werden kann, ferner, wenn der angerufene Friedensrichter örtlich nicht zuständig ist oder wenn dem Verfahren die Unzulässigkeit der Klage oder ein anderes Verfahrenshindernis ent­ gegensteht. Ergibt sich schon aus der Darstellung der Klageschrift, daß der Verklagte einer S tra fta t ver­ dächtig ist, daß aber diese T at nicht zu den im § 2 Abs. 1, 2 bezeichneten Taten gehört, so ist der Friedensrichter sachlich unzuständig. E r legt die Akten sodann dem S taatsanw alt zur Prüfung vor, ob er die Strafverfolgung übernimmt (§ 24 Abs. 2 Satz 1). T ritt der Staatsanw alt der Auffassung des Friedensrichters nicht bei und gibt er die Sache zurück, so lehnt der Friedensrichter nunmehr nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 die Klage ab. Die Ablehnung der Klage auf Grund dieser Vorschrift ist ferner geboten, wenn sich aus dem In h alt der Klageschrift ergibt, daß eine S traftat überhaupt nicht in Betracht kommt. Macht etwa der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehns oder den S treit um ein Wegerecht zum Gegenstand der Friedensklage, ohne daß ein Zu­ sammenhang mit einer S traftat erkennbar ist, so ist zur Entscheidung der Streitigkeit das friedensrichter­ liche Verfahren verschlossen. Der Friedensrichter hat somit, wie bereits zu den §§ 2 und 18 dargelegt ist, nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 zu prüfen, ob der Sachverhalt — die Richtigkeit des Klagevorbringens in tatsäch­

licher Hinsicht unterstellt — die Annahme einer der im tz 2 genannten S traftaten rechtfertigt. Die Ab­ lehnung der Klage mit der Begründung, das Klage­ vorbringen treffe nicht zu, ist dagegen dem Friedens­ richter im Gegensatz zu der im Strafverfahren gelten­ den Regelung (§ 35 Abs. 1 StV O .) verwehrt. D as ist darin begründet, daß ein Bedürfnis für eine Be­ friedung auch bestehen kann, wenn sich im Laufe des Verfahrens ergibt, daß der Verklagte zwar nicht die ihm zur Last gelegte T at begangen, aber auf andere Weise den Frieden gestört hat. Neben der sachlichen ist auch die örtliche Zu­ ständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Der Mangel der örtlichen Zuständigkeit führt zur Ablehnung der Klage (Abs. 1 Nr. 2). Der Friedensrichter ist in diesem Falle nicht ermächtigt, die Sache von sich aus dem zuständigen Friedensrichter vorzulegen. Es muß vielmehr dem Kläger überlassen bleiben, selbst die Klage bei diesem einzureichen. Die Klage vor dem Friedensrichter ist nach den Bestimmungen der Friedensrichterordnung unzu­ lässig, wenn sie von einem nach den §§ 13, 14 nicht zur Klage Berechtigten erhoben wird, wenn die Klagefrist (§ 17) nicht gewahrt ist oder wenn der Kläger es entgegen der Vorschrift des § 16 unterläßt, einen Sühneversuch zu beantragen. Der Friedens­ richter hat aber auch die nach den allgemeinen Vor­ schriften begründeten Versahrenshindernisse zu be­ achten, so z. B. die Rechtshängigkeit der Sache im Strafverfahren (§ 24 Abs. 1 Satz 1), den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache, die Nieder­ schlagung des Verfahrens und die Amnestie. I n den im Abs. 1 genannten Fällen ist die Ab­ lehnung der Klage zwingend vorgeschrieben, weil das weitere Verfahren vor dem Friedensrichter unzulässig ist. Dagegen stellt das Gesetz im Absatz 2 die Ab­ lehnung der Klage in das Ermessen des Friedens­ richters, wenn der Schiedsmann nach § 54 Abs. 2 die Sache wegen Geringfügigkeit für erledigt erklärt hat. T ritt der Friedensrichter der Auffassung des Schiedsmanns bei, so braucht er das Verfahren nicht durch­ zuführen. Einen weiteren Fall, in dem die Ableh­ nung der Klage in das Ermessen des Friedensrichters gestellt ist, regelt § 14 Abs. 2. Is t der Friedensrichter der Auffassung, daß nach der Klageschrift oder den inzwischen angestellten E r­ mittlungen die behauptete T at zwar in seinen Spruchbereich fällt, daß aber wegen ihrer Bedeutung oder Schwere eine Ahndung mit den M itteln des Strafrechts geboten ist, so legt er die Akten dem S taatsanw alt zur Entscheidung vor (§ 24 Abs. 2). Lehnt der S taatsanw alt die Verfolgung ab, weil er Maßnahmen im friedensrichterlichen Verfahren für ausreichend hält, so ist der Friedensrichter, wie bereits zu § 24 Abs. 1 ausgeführt wurde, an die Auf­ fassung des S taatsanw alts gebunden; das Gesetz hebt in § 25 Abs. 3 ausdrücklich hervor, daß eine Ableh­ nung der Klage in diesem Falle nicht zugelassen ist. Der Friedensrichter verfährt demnach nach den für ihn geltenden Vorschriften und trifft die E nt­ scheidung im Rahmen seiner Spruchgewalt. Dasselbe gilt, wenn der Friedensrichter zwar nicht die Ahn­ dung der S traftat mit den M itteln des Strafrechts für geboten hält, wenn es ihm aber angezeigt er-

scheint, daß auf einen vom Kläger gestellten Fest­ stellungsantrag die Wahrheit oder Unwahrheit der tatsächlichen Behauptungen im Strafverfahren auf­ geklärt wird. Die im Absatz 3 vorgesehene Bindung des Friedensrichters an die Entscheidung des S ta a ts­ anwalts beruht auf der Erwägung, daß der S ta a ts­ anwalt nicht zur Durchführung eines Verfahrens ge­ zwungen werden kann, das nach seiner Auffassung die Erhebimg der öffentlichen Klage nicht rechtfertigt. §26 A b l e h n u n g der Kl age wegen Ehrenkränkung Betrifft die Klage eine Ehrenkränkung, so hat der Friedensrichter nach § 32 von Amts wegen aufzu­ klären, ob die Behauptung unwahr ist, auch wenn der Verklagte wegen Verfolgung berechtigter Zwecke oder aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden kann. I n solchen Verfahren hat der Friedensrichter nach § 8 auf Antrag des Verletzten eine Feststellung über die Unwahrheit der Behauptung im Friedens­ spruch zu treffen. Diese Aufklärungs- und Fest­ stellungspflicht, die der Wiederherstellung der ver­ letzten Ehre dient, ist gerade dann von Bedeutung, wenn der Verklagte sich keiner strafbaren Ehren­ kränkung schuldig gemacht hat, sei es, daß die Voraus­ setzungen des § 426 S tG B , zutreffen, sei es, daß er die T at im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Die Erfüllung dieser Pflicht darf nicht dadurch unmöglich gemacht werden, daß der Friedensrichter nach § 25 Abs. 1 die Klage mit der Begründung ab­ lehnt, der Verklagte erscheine keiner Ehrenkränkung schuldig, da er bei der T at in Verfolgung berechtigter Zwecke gehandelt habe oder schuldunfähig gewesen sei. D as friedensrichterliche Verfahren könnte seinen Zweck, der Wiederherstellung der verletzten Ehre zu dienen, nicht erfüllen, wenn die Klage nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 im Falle einer Amnestie abzulehnen wäre, obwohl die §§ 8, 32 auch in solchen Fällen Feststellungen über die Unwahrheit der Behauptung zulasten. Der § 26 regelt daher für Ehrenkränkungen die Voraussetzungen der Ablehnung abweichend von § 25. Hat der Verklagte nach dem in der Klage be­ zeichneten Sachverhalt eine ehrenrührige Behauptung ausgestellt oder verbreitet, so darf die Klage dann nicht abgelehnt werden, wenn nach den §§ 8, 32 die Aufklärung der Unwahrheit der Behauptung und Feststellungen darüber zugelassen sind. Die Vorschrift schasst damit für den Bereich des friedensrichterlichen Verfahrens zugleich Ersatz für das selbständige Feststellungsverfahren, das unter den im § 434 StV O , bezeichneten Voraussetzungen vor dem Strafrichter zugelassen ist. D a die Klage vor dem Friedensrichter nach § 26 nicht den Vorwurf einer rechtswidrigen und schuldhaften Ehrenkränkung voraussetzt, übernimmt das friedensrichterliche Ver­ fahren bei Ehrenkränkungen zugleich die Aufgaben des selbständigen Feststellungsversahrens. Es be­ schränkt den Friedensrichter aber auch in den Fällen, in denen wegen der Ehrenkränkung weder aus Friedensbuße noch auf Verwarnung erkannt werden kann (§ 6), nicht aus die der Wiederherstellung der

verletzten Ehre dienenden Feststellungen (§§ 8, 32), sondern stellt dann auch die anderen friedensrichter­ lichen Maßnahmen (§§ 7, 9, 10) zu seiner Verfügung. § 27 Unt er s uchung des S a c h v e r h a l t s D a der Friedensrichter nach § 22 sein Verfahren nach pflichtmäßigem Ermessen bestimmt, ist er in jeder Lage des Verfahrens befugt, über den Sachverhalt Ermittlungen anzustellen. S in d diese in einem anderen Bezirk vorzunehmen, so kann er den zu­ ständigen Amtsrichter darum ersuchen. Nach dem Zweck des Verfahrens beschränkt sich die Aufklärung des Sachverhalts nicht auf die behauptete S traftat. Der Friedensrichter wird vielmehr daraus bedacht sein, auch die sonstigen Umstände und Ursachen der Friedensstörung zu klären, um in der geeigneten Weise schlichten und, wenn die Schlichtung mißlingt, im Friedensspruch aus die zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens dienlichen Maßnahmen erkennen zu können. Die Vorschriften des § 27 enthalten gegenüber den Bestimmungen der Strasverfahrensordnung E in­ schränkungen, die sich auf die Abnahme von Eiden, die Verhängung von Ungehorsamsstrafen und die An­ wendung von Zwangsmitteln beziehen. Abweichend vom Strafverfahren, in dem die Beeidigung der Zeugen die Regel ist (§ 172 StV O .), darf der F rie­ densrichter den nach der Strasverfahrensordnung zu­ lässigen Eid nur abnehmen, wenn er das wegen der Bedeutung der Aussage für die Entscheidung oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage für notwendig hält. Den Kläger und den Verklagten darf er nach Absatz 1 Satz 2 nicht vereidigen, da sie Parteien sind. Der Friedensrichter kann gegen Zeugen und Sach­ verständige in sinngemäßer Anwendung der §§ 183 bis 185, 196 StV O , wegen falscher Angaben über die Gründe des Nichterscheinens, unentschuldigten Ausbleibens oder Entsernens sowie wegen unberech­ tigter Verweigerung der Aussage oder des Eides auf Ungehorsamsstrafen, gegen Zeugen auch aus Un­ gehorsamshaft erkennen. Der Entwurf setzt in § 27 Abs. 2 für diese Strafen Höchstgrenzen fest, die hinter denen der Strafverfahrensordnung zurück­ bleiben. Die Ungehorsamsstrase in Geld gegen Zeugen und Sachverständige darf einhundertfünfzig Reichs­ mark, die Ungehorsamshaft gegen Zeugen sechs Tage nicht überschreiten. I n diesem Rahmen kann auf Ungehorsamsstrafen entsprechend den Vorschriften der Strafverfahrensordnung auch wiederholt erkannt werden. Ferner sind die Vorführung eines Zeugen und die im § 184 Abs. 3 StV O , vorgesehene Haft zur Erzwingung der Aussage oder des Eides zulässig. Die Entscheidung des Friedensrichters, durch die arts eine Ungehorsamsstrase erkannt wird, kann abweichend von den Vorschriften der Strasverfahrensordnung von den betroffenen Zeugen oder Sachverständigen nicht angefochten werden (§ 38). Absatz 3 schränkt die Anwendung von Zwangs­ mitteln aus der Erwägung ein, daß Eingriffe in die Freiheit und andere wichtige Belange des Verklagten oder D ritter in einem Verfahren, besten Durchsüh-

rung vom Willen des Klägers abhängt, nur in be­ grenztem Umfange zugelassen werden können. Die Verhängung der Untersuchungshaft und die Anord­ nung einer Maßnahme zur Vermeidung des Haft­ vollzugs (§§ 201, 202, 207) ist im friedensrichter­ lichen Verfahren unzulässig. Dasselbe gilt für die vorläufige Festnahme, soweit sie an die V oraus­ setzungen des Haftbefehls geknüpft ist (§ 217 Abs. 1). S ie ist also nur zulässig, wenn der Verdächtige auf frischer T at betroffen oder unmittelbar nachher ver­ folgt wird und auch die weiteren Voraussetzungen des § 217 Abs. 2 vorliegen. Dagegen sind auch im sriedensrichterlichen Verfahren die Beschlagnahme, die Sicherstellung von Beweisen und die Anordnung eines Arrestes zugelassen (§§ 219, 225, 232), nicht aber die Postsperre und das Verlangen einer Postaus­ kunft (§§ 233, 234). Die Durchsuchung (§§ 236 ff.) und die Untersuchung des Körpers und des Geistes­ zustandes ist in demselben Umfang zugelassen wie im Strafverfahren, mit der einen Beschränkung, daß die Anstaltsbeobachtung (§ 245) ausgeschlossen ist. Ist die S traftat, die den Gegenstand des Verfahrens bildet, so bedeutsam, daß ihre Aufklärung unter An­ wendung einzelner im sriedensrichterlichen Verfahren nicht zugelassener Zwangsmittel geboten ist, so legt der Friedensrichter die Sache dem Staatsanw alt zur Entscheidung vor, ob er die Verfolgung übernehmen will. § 28 Rechtsanwälte und Beistände I m friedensrichterlichen Verfahren kann ein Be­ teiligter ein berechtigtes Interesse an der Unter­ stützung durch eine Person seines Vertrauens haben. Der Entwurf räumt daher in § 28 den Beteiligten das Recht ein, einen Rechtsanwalt zuzuziehen oder sich ähnlich wie im Strafverfahren (§ 153 StV O .) eines Beistandes zu bedienen. Zieht der Beteiligte einen Rechtsanwalt oder als Beistand seinen gesetzlichen Vertreter oder den Sorgeberechtigten hinzu, so bedarf es keiner besonderen Genehmigung; ist die M utter neben dem Vater sorgeberechtigt, so gilt dies nach § 298 Abs. 2 StV O , in Verbindung mit § 22 FRO. nur für den Vater. Auch der Ehemann einer Betei­ ligten ist als Beistand zuzulassen, wenn die Ehefrau zustimmt. Uber die Zulassung anderer Personen als Beistände entscheidet ähnlich wie im Strafverfahren der Friedensrichter nach seinem Ermessen. .Die Beteiligten können sich des Rechtsanwalts oder Beistandes in jeder Lage des Verfahrens be­ dienen. E r ist berechtigt, während des ganzen Ver­ fahrens neben dem Beteiligten zu dessen Unterstützung tätig zu werden; seine Befugnisse richten sich nach den Grundsätzen der Strafversahrensordnung. Eine Ver­ tretung des Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder Beistand läßt das Gesetz nur in den ausdrücklich be­ stimmten Fällen und nur mit besonderer Geneh­ migung des Friedensrichters zu (§ 30 Abs. 1 Satz 2). Die Rechtsanwälte der Beteiligten haben wie der Verteidiger im Strafverfahren (§ 146 Abs. 1 StV O .) das Recht, die Akten einzusehen und amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen.

Armenrecht Der Friedensrichter kann den Beteiligten das Armenrecht bewilligen. F ü r die Bewilligung und für das weitere Verfahren gelten sinngemäß die §§ 114 bis 127 ZPO . Jedoch entscheidet nach § 29 über die Bewilligung des Armenrechts das pslichtmäßige Ermessen des Friedensrichters. Ferner unterliegt, abweichend von § 127 ZPO ., auch der Beschluß, durch den das Armenrecht verweigert oder entzogen oder die Nachzahlung von Kosten angeordnet wird, nicht der Anfechtung (§ 38). Die Be­ willigung des Armenrechts nach § 29 kommt für das Verfahren vor dem Friedensrichter und für das Berufungsversahren vor der Schösfenkammer in Be­ tracht; im Verfahren vor dem Schiedsmann gelten für den F all der Zahlungsunfähigkeit der Beteiligten die besonderen Bestimmungen des § 58. § 30 Anwesenheit

der B e t e i l i g t e n

Der Entwurf stellt im § 30 den Grundsatz aus, daß die Beteiligten in der Verhandlung persönlich erscheinen müssen; der Anwesenheitszwang gilt, wie sich aus Absatz 4 ergibt, für die ganze Dauer der Verhandlung. E r erstreckt sich auf den Kläger, den Verklagten und gegebenenfalls auch auf den vom Kläger verschiedenen Verletzten; das Erscheinen des Verletzten ist im Interesse einer Einigung der Betei­ ligten geboten. Der Friedensrichter kann jedoch aus wichtigen Gründen zulassen, daß ein Beteiligter der Verhand­ lung ohne Vertretung fernbleibt oder daß er sich durch einen Rechtsanwalt oder Beistand vertreten läßt. I s t das Erscheinen für den Kläger wegen weiter E nt­ fernung des Verhandlungsortes von seinem Wohnsitz erheblich erschwert oder stehen andere schwerwiegende Gründe seiner Anwesenheit in der Verhandlung ent­ gegen, so wird der Friedensrichter ihn aus Antrag vom Erscheinen entbinden oder die beantragte Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Beistand zulassen. Die Abwesenheit des Verklagten wird dagegen nur in enge­ ren Grenzen gestattet werden können, zumal wenn dann eine Aussicht aus Schlichtung des Streites nicht besteht. Eine Befreiung von der Pflicht zum E r­ scheinen wird aber auch beim Verklagten in Erw ä­ gung zu ziehen sein, wenn dringende Gründe — etwa Krankheit oder längere Ortsabwesenheit — vorliegen und der Erfolg der erstrebten Befriedung durch die Abwesenheit nicht beeinträchtigt wird. Ist der Kläger bei Beginn der Verhandlung vor dem Friedensrichter trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht erschienen und auch nicht, soweit zulässig, durch einen anderen vertreten und ist sein Ausbleiben nicht entschuldigt, so kann der Friedensrichter die Klage für zurückgenommen erklären; dabei ist vorauszu­ setzen, daß die Ladung einen Hinweis aus diese Folge enthält. Die Klage gilt nicht schon kraft Gesetzes als zurückgenommen, da es zweckmäßig sein kann, das Erscheinen des Klägers in einer neuen Verhandlung zu erzwingen. Hat der Verklagte ein berechtigtes

Interesse daran, daß der Sachverhalt im friedens­ richterlichen Verfahren zu seinen Gunsten geklärt wird, so soll der Kläger nicht die Durchführung des Verfahrens durch sein Ausbleiben verhindern können. Hat der Kläger die Verhandlung ohne eigenes Ver­ schulden versäumt, so ist sie zu wiederholen, wenn er es binnen einer Woche nach Zustellung der ergange­ nen Entscheidung beantragt; auf den Antrag und das weitere Verfahren sind die §§ 351 bis 353 der Strasverfahrensordnung entsprechend anzuwenden. Bleibt ein Beteiligter entgegen der sich aus Abs. 1 ergebenden Verpflichtung zum Erscheinen in der Ver­ handlung unentschuldigt aus, so kann der Friedens­ richter ihm eine Ungehorsamsstrafe auferlegen und seine Vorführung anordnen, wenn der Beteiligte auf diese gesetzlichen Folgen in der Ladung hingewiesen worden ist. Diese Maßnahmen sind auch zulässig, wenn der Beteiligte sich ohne Erlaubnis des Friedensrichters aus der Verhandlung entfernt. Gegen den Vertreter eines Beteiligten können M aß­ nahmen weder beim Ausbleiben noch beim vorzeitigen Entfernen angeordnet werden. Die Höhe der gegen den Beteiligten zulässigen Ungehorsamsstrase ist ent­ sprechend den nach § 27 Abs. 2 für Zeugen geltenden Bestimmungen begrenzt. Weitere Zwangsmaßnahmen zur Sicherung der Anwesenheit der Beteiligten sind nicht zulässig; insbesondere können gegen den Verklag­ ten nicht die nach § 54 StV O , beim Angeklagten zu­ lässigen Anordnungen zur Verhinderung des Entfernens aus der Verhandlung getroffen werden. Die Maßnahmen unterliegen nicht der Anfechtung (§ 38); jedoch sind sie bei nachträglicher ausreichender E nt­ schuldigung aufzuheben (§ 183 Abs. 2 StVO.). § 31 Verhandlung I n der Verhandlung versucht der Friedensrichter zunächst, die Streitigkeiten, die zu der Klage geführt haben, durch gütliche Einigung der Beteiligten zu schlichten. Läßt sich eine Einigung erzielen, so findet das Verfahren damit oder durch Rücknahme der Klage seine Erledigung. F ü r den In h a lt der Einigung taffen sich Regeln nicht aufstellen; sie soll sich dem Einzelfalle völlig anpassen. I n Betracht kommen, wie zu § 4 des näheren erörtert, insbesondere Entschuldi­ gung beim Verletzten, Widerruf einer kränkenden Be­ hauptung oder Abgabe einer Ehrenerklärung, frei­ willige Übernahme einer Verpflichtung u. a. m. Gelingt die Schlichtung nicht und hält der Kläger an seiner Klage fest, so muß die Verhandlung durch­ geführt werden; sie endet dann mit dem Friedens­ spruch oder - mit der Einstellung des Verfahrens (§§ 34, 35). Häufig erscheint es im Interesse der Wiederher­ stellung des Rechtssriedens geboten, die Verhandlung aus andere an der Friedensstörung, aber bisher nicht am Verfahren Beteiligte zu erstrecken oder Straftaten einzubeziehen, die nicht Gegenstand der Klage sind. Dabei ist zu unterscheiden, ob sich die Verhandtung noch im Rahmen der Schlichtung bewegt oder ob sie den Friedensspruch unmittelbar vorbereiten soll. Sind an der Friedensstörung außer dem Verklagten noch andere beteiligt oder sollen weitere Straftaten

des Verklagten einbezogen werden, so kann die Schlichtung im Einverständnis mit den Beteiligten stets auf andere in der Verhandlung Anwesende und auf die anderen Taten erstreckt werden; Gegenstand dex bis zum Erlaß des Friedensspruchs durchgeführten Verhandlung werden sie aber nur durch eine Erweite­ rung der Klage nach § 33 Abs. 1 oder durch Erhebung einer neuen Klage und nachfolgende Verbindung beider Verfahren nach § 33 Abs. 3. Diese Grundsätze gelten auch für die Ausdehnung der Verhandlung auf Taten, die wegen persönlichen oder sachlichen Zu­ sammenhangs mit der in der Klageschrift bezeichneten T at zum Gegenstand einer Widerklage gemacht werden können; auch in diesem Falle kann die Schlich­ tung stets, der Friedensspruch und die ihn vor­ bereitende Verhandlung aber nur durch Erhebung einer Widerklage nach § 33 Abs. 2 über den Gegen­ stand der Klage hinaus erstreckt werden. Das Gesetz sieht ferner ausdrücklich vor, daß sich die Beilegung von Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art auch auf Dritte erstrecken kann (§ 41). Die Durchführung der Verhandlung bestimmt der Friedensrichter nach pflichtmäßigem Ermessen im Rahmen der Grundsätze des Strafversahrensrechts (vgl. § 22). Die Vorschriften über die Hauptverhand­ lung des ersten Rechtszuges im Strafverfahren sind ergänzend heranzuziehen, soweit sich nicht aus den besonderen Zwecken des friedensrichterlichen Ver­ fahrens oder den Bestimmungen der Friedensrichter­ ordnung etwas anderes ergibt. Der Friedensrichter leitet die Verhandlung, erörtert den Sachverhalt mit den Beteiligten und erhebt die Beweise. Von den einzelnen Bestimmungen der StV O , kann er ab­ weichen, wenn er dies nach seinem pflichtmäßigen E r­ messen für sachdienlich hält; er kann insbesondere die Reihenfolge, in der die Beteiligten, die Zeugen und Sachverständigen zu hören sind, nach Gutdünken ordnen und im Rahmen seiner Pflicht zur Wahrheits­ erforschung den Umsang der Beweisaufnahme und die Form bestimmen, in der er über Beweisanträge ent­ scheidet. Sondervorschriften gelten insbesondere für die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen (§ 27 Abs. 1) und für die Anwesenheitspslicht der Be­ teiligten (§ 30). Allen Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, sich nach der Erhebung der einzelnen Beweise und am Schluß der Verhandlung zu äußern und An­ träge zu stellen. Wird die Verhandlung auf andere ausgedehnt, so ist diesen die Stellung eines Beteilig­ ten einzuräumen. Die äußere Form der Verhandlung vor dem Friedensrichter bestimmt sich nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des GVG. Nach Absatz 3 der Vorschrift ist jedoch die Verhandlung grundsätzlich nicht öffentlich. Die im Vordergrund stehende Wieder­ herstellung des Rechtssriedens ist in der Regel eher gewährleistet, wenn der Kreis der Anwesenden aus die Beteiligten und die sonst zur Verhandlung Geladenen beschränkt wird. I m Falle einer Ehrenkränkung liegt es zudem vielfach im Interesse des Verletzten, daß Einzelheiten des Sachverhalts nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert werden. Hält der Friedens­ richter es aber für geboten, so kann er die öffentliche Verhandlung für die D auer der ganzen Verhandlung oder eines Teiles anordnen. Er kann außerdem nach

den Vorschriften des GVG. einzelneil Personen — z. B. Angehörigen der Beteiligten — den Zutritt zur nichtöffentlichen Verhandlung gestatten. §32 A u f k l ä r u n g b e t E h r e n kr ä n ku n g Ist Gegenstand der Verhandlung die Beschuldi­ gung, der Verklagte habe eine ehrenrührige oder herabsetzende Behauptung aufgestellt oder verbreitet, so setzt in der Regel schon die Entscheidung über die Strafbarkeit der T at wegen Ehrabschneidung, Be­ leidigung oder ehrabschneidender Beschimpfung Ver­ storbener eine vorgängige Prüfung voraus, ob die Be­ hauptung wahr oder unwahr ist (S tG B . §§ 422 Abs. 2, 423 Abs. 2, 424). Aber auch wenn das nicht der F all ist, soll der Friedensrichter im Interesse der Wiederherstellung des guten Rufs des Verletzten aus den Gründen, die in der Einleitung vor § 423 StV O , dargestellt sind, stets die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptung prüfen. Der Entwurf bestimmt daher in § 32 in Übereinstimmung mit § 425 StV O ., daß der Friedensrichter in den genannten Fällen von Amts wegen aufklärt, ob die Behauptung unwahr ist. Die Ausklärungspflicht entfällt ebenso wie im S tra f­ verfahren auch nicht dadurch, daß der Verklagte wegen Verfolgung berechtigter Zwecke (§ 426 S tG B .) oder aus einem anderen Grunde — etwa wegen Schuldun­ fähigkeit oder gesetzlich begründeter Straffreiheit — nicht bestraft werden kann. Die Beweiserhebung ist nicht davon abhängig, daß der Verletzte beantragt, zur Wiederherstellung seines guten Rufs im Friedens­ spruch festzustellen, daß die Behauptung unwahr ist (§ 8). Auch wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird und somit eine Feststellung im Friedensspruch nicht in Betracht kommt, obliegt gleichwohl dem F rie­ densrichter die Pflicht, die Wahrheit der Behauptung aufzuklären. Die Beweiserhebung über die Wahrheit der Be­ hauptung unterliegt denselben Beschränkungen wie nach § 425 tut Strafverfahren. S ie ist von betn Nachweis abhängig, daß der Verklagte die Behaup­ tung aufgestellt oder verbreitet hat; ist dies nicht er­ wiesen, so kommt eine Aufklärung der Wahrheit oder Unwahrheit nicht in Betracht. S ie ist ferner aus denselben Gründen gesetzlich ausgeschlossen, aus denen der Entwurf in § 8 Abs. 2 einen Feststellungsantrag nicht zuläßt. Eine weitere Einschränkung der Aufklärungspslicht begründet § 32 Abs. 2 für den Fall, daß die Behauptung, die Gegenstand des Verfahrens wegen Ehrenkränkung ist, den Vorwurf einer S tra f­ tat gegen den Verletzten enthält. Hat ein Strafgericht oder ein Friedensrichter über diese S traftat rechts­ kräftig entschieden, so ist die darin liegende Fest­ stellung ebenso wie im Strafverfahren (§ 78 StVO.) auch int friedensrichterlichen Verfahren bindend; das Gesetz läßt einen Gegenbeweis nicht mehr zu, tun widersprechende gerichtliche Entscheidungen zu vermeiben. Die Bindung tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob die rechtskräftige Entscheidung vor oder nach der Behauptung des Täters ergangen ist; sie entfällt nur, wenn das frühere Urteil im Wege der Wiederauf­ nahme aufgehoben wird. Voraussetzung für die An­ wendung des Absatz 2 ist aber, daß in dem früheren Urteil über die S trafta t sachlich entschieden worden ist.

D as Ergebnis der Prüfung ist wie im Strafver­ fahren (§ 425 Abs. 1 Satz 2 StV O .) stets in den Gründen des Spruchs darzulegen, auch wenn aus Maßnahmen gegen den Verklagten nicht erkannt wird oder wenn keine Feststellung im Spruch ergeht. Wegen der Einzelheiten kann auf die Begründung zu den §§ 425, 78 StV O , verwiesen werden. § 33 des G e g e n s t a n d e s des Verfahrens Der Entwurf gestattet im § 33 im Interesse einer umfassenden Befriedung die Ausdehnung des Ver­ fahrens in sachlicher und persönlicher Beziehung. Der Kläger kann die Klage auf weitere Taten des Ver­ klagten ausdehnen (Abs. 1 Satz 1), der Verklagte gegen den Kläger wegen einer von diesem begangenen T at Widerklage erheben (Abs. 2 Satz 1). Ferner kann der Kläger auch gegen andere in der Verhand­ lung Anwesende Klage erheben (Abs. 1 Satz 2); der Verklagte kann den Verletzten, der nicht Klage erhoben hat, durch Widerklage in das Verfahren ein­ beziehen (Abs. 2 Satz 2). Die Erweiterung des Ver­ fahrensgegenstandes ist in und außerhalb der Ver­ handlung bis zur Verkündung des Spruchs zulässig. S ie ist, soweit sie nicht auf die Schlichtung beschränkt bleibt (vgl. die Bemerkungen zu § 31), stets von einer Klage oder einer ihr gleichstehenden Erklärung eines Klageberechtigten abhängig. Der Friedensrichter ist nicht befugt, gegen den Willen des Berechtigten das Verfahren und die Entscheidung auf andere, bisher nicht Beteiligte zu erstrecken oder solche Taten einzu­ beziehen, die nicht Gegenstand der Klage sind. Eine solche Erweiterung kann den Interessen des Verletzten zuwiderlaufen; sie würde dann die erstrebte Be­ friedung gefährden. Soll das Verfahren auf eine neue T at erstreckt werden, so wird ferner vorausgesetzt, daß diese in den Spruchbereich des Friedensrichters fällt. Diese Voraussetzung ist darin begründet, daß der Friedensrichter beim Erlaß des Friedensspruchs an die Grenzen seiner Spruchgewalt gebunden ist. Wird die Klage erweitert oder wird eine neue Klage er­ hoben, so sind endlich die Bestimmungen über die Wahrung der Klagefrist — mit der aus Abs. 2 Satz 3 sich ergebenden Ausnahme — und die sonstigen versahrensrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere über die Berechtigung zur Erhebung der Klage, zu be­ achten. Die Einbeziehung einer neuen T at hat stets zur Folge, daß auch über die mit ihr im Zusammen­ hang stehenden Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art entschieden werden kann. I n der Verhandlung kann der Kläger die Klage mündlich auf weitere in den Spruchbereich des Friedensrichters fallende Taten des Verklagten aus­ dehnen, auch wenn sie mit der in der Klageschrift bezeichneten T at nicht im Zusammenhang stehen. Er kann ferner die Klage mündlich gegen andere An­ wesende erheben, die bisher nicht als Verklagte am Verfahren beteiligt waren, etwa wenn sich in der Ver­ handlung herausstellt, daß ein als Zeuge Geladener der Teilnahme an der in der Klageschrift behaupteten S traftat verdächtig ist. I n beiden Fällen ist die E r­ weiterung an die Zustintmung des Friedensrichters Erweiterung

geknüpft; sie wird davon abhängig zu machen sein, daß die Erweiterung im Interesse einer umfassenden Befriedung liegt und daß der Gegner nicht in seiner Verteidigung beeinträchtigt wird. — F ü r die Klage, die der Kläger außerhalb der Verhandlung gegen den Verklagten wegen einer anderen T at oder wegen der­ selben T at gegen andere erhebt, gelten die allgemeinen Vorschriften. Die im Absatz 2 zugelassene Widerklage kann in allen Fällen bis zur Verkündung des Spruchs in der Verhandlung mündlich, außerhalb der Verhandlung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle er­ klärt werden, auch wenn der angerufene Friedens­ richter nach den allgemeinen Vorschriften örtlich nicht zuständig sein würde. Gegenstand der Widerklage kann aus den zum Absatz 1 angeführten Gründen nur eine in den Spruchbereich des Friedensrichters fallende T at sein. Grundsätzlich ist nicht erforderlich, daß sie mit der vom Kläger behaupteten T at in einem sachlichen Zusammenhang steht. Die Widerklage ist ferner nicht von der Zustimmung des Friedensrichters abhängig; der Verklagte ist berechtigt, nach seinem E r­ messen eine vom Kläger gegen ihn begangene T at der Beurteilung des Friedensrichters zu unterstellen, wenn es nach seiner Auffaffung auch für die E nt­ scheidung über die in der Klageschrift behauptete T at von Bedeutung ist oder im Interesse der Wiederher­ stellung des Rechtsfriedens liegt. Ist der Kläger nicht der Verletzte, so kann die Widerklage auch gegen den Verletzten erhoben werden. Hat etwa der gesetzliche Vertreter für den beschränkt Geschäftsfähigen oder der Ehemann für die verletzte Ehefrau Klage erhoben, so wird es vielfach im Interesse einer umfassenden Befriedung liegen, eine vom Verklagten gegen den Verletzten erhobene Beschuldigung zum Gegenstand derselben Verhandlung und Entscheidung zu machen. Soll die Widerklage gegen den Verletzten in der Ver­ handlung mündlich erhoben werden, so ist allerdings die Anwesenheit des Verletzten vorauszusetzen; eine Entscheidung über die Widerklage ist ohne vorherige Anhörung des Verklagten (§ 23) nicht zugelassen. Die Erhebung einer Widerklage gegen den Kläger oder den Verletzten ist grundsätzlich ebenso wie die im Absatz 1 zugelassene Erweiterung der Klage an die allgemeinen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gebunden, demnach insbesondere von der Wahrung der Klagefrist abhängig. Der Entwurf gestattet aber dem Verklagten, wegen einer wechselseitig begangenen Tat, die mit der vom Kläger behaupteten im Zu­ sammenhang steht, auch dann noch Widerklage zu erheben, wenn diese als selbständige Klage nicht mehr zulässig wäre. Eine entsprechende Regelung trifft die Strafversahrensordnung im § 271 Abs. 2 für die wechselseitige Stellung von S tra f­ anträgen. Auf die Begründung dieser Vorschrift kann hier verwiesen werden. — Hat der Ver­ klagte unter Beachtung der besonderen V oraus­ setzungen des Absatzes 2 Widerklage erhoben, so wird diese durch die Zurücknahme der Klage nicht beein­ flußt. Demnach bleibt die erst durch die Widerklage begründete örtliche Zuständigkeit des Friedensrichters bestehen, auch wenn sie für eine selbständige Klage nicht begründet wäre. W ar die Widerklage wegen des Zusammenhangs der wechselseitig begangenen

Taten trotz Fristablaufs zuzulassen, so wird ihre Rechtsgültigkeit durch die Rücknahme der Klage nicht beeinträchtigt. Wird der Verfahrensgegenstand nach Absatz 1 oder 2 durch Ausdehnung der Klage oder durch E r­ hebung einer Widerklage erweitert, so ist über den gesamten dem Friedensrichter unterbreiteten Sachver­ halt einheitlich zu entscheiden. Sind mehrere selb­ ständige Verfahren zwischen den Beteiligten bei dem­ selben Friedensrichter anhängig, so soll der Friedens­ richter sie verbinden, wenn es sie fördert (Absatz 3). D as gilt insbesondere, wenn außerhalb der Verhand­ lung eine neue Klage gegen den Verklagten erhoben wird. Ergibt sich, daß der ursprünglich angenommene Zusammenhang zwischen den verbundenen Verfahren nicht besteht, oder erweist es sich als zweckmäßig, die Verfahren unabhängig voneinander durchzuführen, so kann der Friedensrichter sie wieder trennen.

§ 34 Friedensspruch Die Grenzen des Friedensspruchs bestimmen sich nach dem in der Klage bezeichneten Sachverhalt (§ 18 Abs. 2 Nr. 2) und einer etwaigen Erweiterung (§ 33) mit allen gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Begleiterscheinungen, die nach der Auffaffung des Lebens zu ihm als einem einheitlichen Lebensvorgang gehören. Die Abgrenzung dieses Lebensvorgangs kann im Friedensverfahren im Jntereffe der Gesamt­ befriedung noch großzügiger erfolgen als im S tra f­ verfahren (vgl. § 80 StVO.). Im Rahmen dieser Grenzen soll der Friedens­ richter ebenso wie der S traf- und Zivilrichter über die Ergebnisse der Verhandlung nach seiner freien Ueber­ zeugung im „Friedensspruch" entscheiden (Absatz 1). Die Maßnahmen, für die er sich entscheidet — Friedensbuße, Verwarnung, Friedensbürgschast, die Rufwiederherstellung (darüber Absatz 4) sowie die Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten — müssen im erkennenden Teil des Friedensspruchs — nicht nur in den Gründen — zum Ausdruck kommen. Stellt der Friedensrichter die in der Klage be­ zeichnete T at fest und hält er ihre Ahndung mit den M itteln des § 6 für notwendig, so kann sich die Fassung des Spruchs zwar weitgehend nach den Regeln des § 84 StV O , richten; der Friedensrichter soll aber auch in diesem Fall den Spruch stets der Lage des Einzelfalls anpassen und alles vermeiden, was zu einer Deutung des Friedensspruchs im Sinne eines Strafurteils Anlaß geben könnte. Sieht der Friedensrichter von Maßnahmen nach § 6 gegen den schuldigen Verklagten ab, so hat er ihn im Spruch für schuldig zu erklären. Hält er den Verklagten für nicht schuldig, so wird dieser im Spruch „losgesprochen". Die „Lossprechung" soll im Gegensatz zum „F rei­ spruch" zum Ausdruck bringen, daß das Verfahren nicht auf kriminelle Bestrafung gerichtet war. F ü r den In h a lt des Friedensspruchs bei Ehren­ kränkungen sollen die Regeln des Strafverfahrens (§§ 428, 429) entsprechend gelten.

E i n s t e l l un g des V e r f a h r e n s Nach § 25 lehnt der Friedensrichter die Klage u. a. ab, wenn sich vor Beginn der mündlichen Ver­ handlung ergibt, daß der Verklagte (nach dem in der Klage bezeichneten Sachverhalt) keiner T at schuldig erscheint, wegen deren der Friedensrichter angerusen werden kann, wenn ferner die Klage nach den Verfahrensvorschristen unzulässig ist oder dem Verfahren ein anderes Versahrenshindernis entgegensteht. E r­ geben sich die im § 25 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Um­ stände, also die Unzulässigkeit der Klage oder ein Ver­ fahrenshindernis, erst in der Verhandlung, so lehnt der Friedensrichter nicht mehr die Klage ab, sondern stellt — dem Stande des Verfahrens entsprechend — das Verfahren ein, und zwar durch Beschluß, nicht durch Friedensspruch. Dasselbe gilt, wenn sich er­ gibt, daß der Verklagte eine nicht in § 2 Abs. 1, 2 bezeichnete T at begangen hat; in diesem Falle hat außerdem der Friedensrichter gleichzeitig mit der Ein­ stellung die Vorlage der Akten an den Staatsanw alt zu verfügen. Ergibt indessen die Verhandlung, daß der Verklagte der ihm zur Last gelegten, int § 2 Abs. 1, 2 bezeichneten Tat nicht schuldig ist, so ist nicht etwa das Verfahren einzustellen, sondern der Verklagte nach § 34 Abs. 3 von dem gegen ihn erhobenen Vor­ wurf loszusprechen. Daneben gilt auch für die Zeit nach Beginn der Verhandlung (bis zum rechtskräftigen Abschluß) die Vorschrift des § 24 Abs. 1, wonach das friedens­ richterliche Verfahren einzustellen ist, wenn der S taatsanw alt wegen der T at die Anklage oder die Feststellungsklage erhebt. M itunter wird sich dieses Hindernis erst aus den Hinweisen der Beteiligten in der Verhandlung ergeben. Nach § 25 hat der Friedensrichter die Klage ferner abzulehnen, wenn er örtlich nicht zuständig ist. Ergibt sich die örtliche Unzuständigkeit erst in der Verhand­ lung, so ist weder für eine Ablehnung der Klage noch für eine Einstellung Raum. Nach § 20 in Verbindung mit § 90 StV O , ist in der Verhandlung die örtliche Unzuständigkeit überhaupt nur zu berücksichtigen, wenn sie der Verklagte bis zum Beginn seiner Ver­ nehmung zur Sache geltend macht. Geschieht dies, so hat der Friedensrichter sich für unzuständig zu er­ klären und die Sache an den örtlich zuständigen Friedensrichter zu verweisen. Weitere Einstellungsgründe sind nicht vorgesehen. Dies gilt zunächst für den Fall, daß der Schiedsmann die Sache für erledigt erklärt hatte. Hier kann der Friedensrichter nur die Klage ablehnen, und zwar nur bis zum Beginn der Verhandlung (§ 25 Abs. 2), nicht aber nach Beginn der Verhandlung das Verfahren einstellen. Die Einstellung ist ferner auch dann nicht zulässig, wenn sich in der Verhandlung nach der An­ sicht des Friedensrichters ergibt, daß die T at — bei gleicher rechtlicher Würdigung — mit den M itteln des Strafrechts zu ahnden oder bei einem Feststellungs­ antrag die Wahrheit oder Unwahrheit im Strafver­ fahren aufzuklären ist. Der Friedensrichter hat in solchen Fällen dem S taatsanw alt die Akten vorzu­ legen, um diesem die Übernahme nach § 12 zu er­

möglichen (§ 24 Abs. 2). Nur wenn der S ta a ts ­ anwalt Anklage oder Feststellungsklage erhebt, muß der Friedensrichter das Verfahren einstellen (§ 24 Abs. 1). Lehnt dagegen der S taatsanw alt die Ver­ folgung der T at ab oder stellt er das Verfahren ein, so hat der, Friedensrichter das Verfahren im Rahmen der frredensrichterlichen Spruchgewalt fortzuführen, auch wenn er selbst eine Verfolgung im S trafver­ fahren für notwendig hält. Eine Einstellung kommt in diesem Falle ebensowenig in Betracht wie eine Ab­ lehnung der ^Klage vor Beginn der Verhandlung (vgl. § 25 Abs. 3). §36 Verkündung

und

äußere

Form

des

Spr u c h s Der Spruch wird durch Verlesen seines erkennen­ den Teils verkündet. Eine Unterbrechung der Ver­ handlung unmittelbar vor der Verkündung wird nur ausnahmsweise in Frage kommen, da es sich in der Regel um einfache Sachen handelt und die sofortige Verkündung die Wirkung des Friedensspruchs erhöht. Die Entscheidung in der Sache und über die Kosten ist stets in den erkennenden Teil des Spruchs aufzunehmen. Die schriftlichen Gründe können ge­ drängter und schlichter sein als die des Strafurteils, müssen aber so vollständig sein, daß der Spruch in allen Teilen verständlich ist. § 37 Niederschrift Die Niederschrift über das sriedensrichterliche Verfahren kann einfacher sein als die im S trafver­ fahren. S ie soll nicht die Beobachtung gesetzlicher Verfahrensvorfchriften nachweisen, von denen das sriedensrichterliche Verfahren weitgehend befreit ist, sondern in erster Linie den Weg wiedergeben, aus dem die Befriedung erreicht wird. Deshalb brauchen auch die erhobenen Beweise und der wesentliche In h a lt der Vernehmungen nicht niedergeschrieben zu werden. D a ­ gegen ist eine Einigung, die gegebenenfalls die Grundlage der Vollstreckung bildet (§ 41), stets in die Niederschrift aufzunehmen. § 38 A n f e c h t u n g d e r g e ft ft e i l u n g Der Friedensrichter entscheidet nur über. Ver­ fehlungen und Streitigkeiten von verhältnismäßig geringer Bedeutung. I m Vordergrund steht das Ver­ langen des einzelnen nach Genugtuung, während das Schutz- und Sühnebedürsnis der Volksgemeinschaft zurücktritt. Ein zweiter Rechtszug erscheint für diesen beschränkten Zweck entbehrlich. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, daß im heutigen Privatklageversahren nur wenig von Rechtsmitteln Gebrauch gemacht wird, obwohl dem Privatklageversahren eine Reihe ernsterer S traftaten zugewiesen sind, die vom künf­ tigen Friedensversahren ausgeschlossen werden. E in zweiter Rechtszug würde sich auch mit dem das friedensrichterliche Verfahren beherrschenden Schlichtnngsgedanken nur schwer vereinbaren lasten. Die

Gewährung von Rechtsmitteln konnte das Vertrauen der Beteiligten zum Friedensrichter und das Gewicht seiner Schlichtungsvorschläge abschwächen und den S treit verlängern und vertiefen. D er Entwurf ver­ traut daraus, daß der Friedensrichter gerade wegen der Unanfechtbarkeit seiner Entscheidungen mit be­ sonderer Sorgfalt arbeiten wird. Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unan­ fechtbarkeit ist jedoch insoweit erforderlich, als es sich um die Entscheidung über einen Feststellungsantrag handelt. Der Feststellungsantrag ist nach § 8 über­ haupt nur dann zulässig, wenn der Verletzte an der Aufklärung ein berechtigtes Interesse hat. Die Fest­ stellung kommt also von vornherein nur in be­ deutenderen Fällen in Betracht. Hier hat sie aber für den Ehrenschutz des Verletzten die gleiche Bedeutung und den gleichen Charakter wie im Strafverfahren, so daß eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Rechtsmittel nicht gerechtfertigt wäre. über die Be­ rufung soll das gleiche Gericht entscheiden, das auch für Berufungen gegen Urteile des Amtsrichters im Strafverfahren zuständig ist, nämlich die Schöffen­ kammer des Landgerichts. I h r Verfahren und ihre Entscheidung sollen sich jedoch nicht nach den Regeln des Strafverfahrens, sondern nach denen des sriedensrichterlichen Verfahrens richten, wobei die Vorschriften über die Einlegung der Berufung (§ 320), über die Verwerfung durch das untere Ge­ richt und durch das Berufungsgericht (§§ 322, 324 Abs. 1) und über das Ausbleiben des Angeklagten (§ 328) entsprechend anzuwenden sind. F ü r den Fall, daß sich die Gründe für die Aushebung der Ent­ scheidung über den Feststellungsantrag auch auf den übrigen Teil des Spruchs auswirken, trifft Absatz 3 eine ähnliche Regelung, wie sie für den entsprechenden Fall im Strafverfahren vorgesehen ist (vgl. §§ 431, 327, 344 StV O .). § 39 N i c h t i g k e i t s b e sch w e r d e anwalts

des

Staats­

Da der Staatsanw alt im 'sriedensrichterlichen Verfahren nicht mitwirkt und die Entscheidungen des Friedensrichters grundsätzlich unanfechtbar sind, so muß durch andere Mittel die Beseitigung von Sprüchen des Friedensrichters ermöglicht werden, die wegen schwerer Mängel für die Strafrechtspflege nicht tragbar sind. Zu diesem Zweck sieht der Entwurf die Nichtigkeitsbeschwerde vor, die nicht den Beteiligten, sondern nur dem S taatsanw alt zustehen soll. Anders als die erneute Verfolgung nach § 40 Abs. 2 und die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 43) stützt sich die Nichtigkeitsbeschwerde nicht auf „neue Tatsachen oder Beweismittel", sondern auf schwere rechtliche Mängel des Spruchs. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nur mög­ lich gegen den rechtskräftigen Spruch des Friedens­ richters, nicht aber gegen die nach § 38 mögliche sriedensrichterliche Entscheidung der Schöffenkammer. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zunächst dann zu­ lässig, wenn der Spruch eine T at zum Gegenstand hat, wegen deren der Friedensrichter nicht angerusen werden kann, wenn also der Friedensspruch sich auf eine S traftat bezieht, die nicht zu den in § 2 auf­

geführten Taten gehört, und der Friedensrichter die Klage hätte ablehnen (§ 25 Nr. 1) oder das Ver­ fahren hätte einstellen müssen (§ 35 Abs. 2). D as gleiche gilt für den Fall, daß der Friedensrichter auf eine Maßnahme erkannt hat, die er überhaupt nicht verhängen darf. Es kommen hier nur solche Fälle in Betracht, in denen die Maßnahme nach A rt oder M aß a l l g e m e i n — also nicht nur nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls — unzulässig ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde soll ferner dann zulässig sein, „wenn andere erhebliche Mängel eine neue E nt­ scheidung notwendig machen". Gedacht ist dabei an Fälle der Art, daß etwa ein traft Gesetzes aus­ geschlossener Friedensrichter entschieden hat, oder daß das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist, oder daß ein dritter Beteiligter ohne die Voraussetzungen des § 33 in den Spruch einbezogen worden ist. D a­ gegen fällt nicht unter diese Vorschrift der Fall, daß der Staatsanw alt entgegen der Ansicht des Friedens­ richters die Ahndung einer unter § 2 fallenden Tat mit den M itteln des Strafrechts für notwendig hält (vgl. Nr. 1). Die Nichtigkeitsbeschwerde ist an eine Frist von sechs Monaten seit Verkündung des Spruchs ge­ bunden. Beschwerdegericht ist die Schösfenkammer des Landgerichts. Die Nichtigkeitsbeschwerde soll die weitere Voll­ streckung hemmen, da es sich im sriedensrichterlichen Verfahren stets nur um verhältnismäßig geringfügige Maßnahmen handelt, durch deren Aussetzung keine erheblichen Nachteile entstehen können. D as Beschwerdegericht soll nach den Regeln des friedensrichterlichen Verfahrens ohne neue Verhand­ lung durch Beschluß entscheiden. Es ist also nicht befugt, selbst einen neuen Friedensspruch zu erlassen; dies soll vielmehr dem Friedensrichter vorbehalten bleiben. Is t die Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig oder unbegründet, so ist sie zu verwerfen. Is t sie zulässig und begründet, so ist der Friedensspruch auszuheben. Hat der Spruch eine T at zum Gegenstand, wegen deren der Friedensrichter nicht angerufen werden kann (§ 39 Nr. 1), so hat das Beschwerdegericht die Einstellung des Verfahrens auszusprechen, die der Friedensrichter nach § 35 Abs. 2 hätte anordnen müssen. I m übrigen ist bei zulässiger und begründeter Nichtigkeitsbeschwerde die Sache an den Friedens­ richter zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. §40 W i r k u n g des S p r u c h s Der Spruch des Friedensrichters soll wie ein rechtskräftiges Urteil wirken. Dies bedeutet aber nicht, daß der Friedensspruch wie ein S t r a f urteil wirkt, soweit die T at „geahndet" wird (§ 6). Auch insoweit ist der Friedensspruch ein Urteil eigener Art. Insbesondere ist eine Eintragung der im Friedens­ spruch ausgesprochenen Maßnahmen in das S tra f­ register und in polizeiliche Straflisten ausgeschlossen. Dies hindert jedoch nicht, daß der Friedensspruch in einigen Beziehungen dem S trafurteil gleichbehandelt wird, soweit das Wesen des Friedensspruchs dem nicht entgegensteht. S o ist z. B. nach § 78 StVO, und

§ 32 Abs. 2 FRO. in einem Verfahren wegen Ehren­ kränkung, das sich auf die Behauptung einer S traftat gründet, der Friedensspruch dem S trafurteil gleichzu­ stellen, soweit eine Bindung an frühere richterliche Fest­ stellungen über die S traftat in Betracht kommt. Die Feststellung über die Unwahrheit einer ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung und die Abweisung des Feststellungsantrags sind den entsprechenden Entscheidungen im Strafverfahren völlig gleichgestellt, da insoweit kein sachlicher Unterschied besteht. Dies gilt insbesondere für die Bindung des Strafrichters und des Friedensrichters an die Feststellungen des Urteilsspruchs in einem späteren Verfahren (§ 432 StV O .). Die endgültige Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten (§ 9) soll einem Schiedsurteil (§ 20 der Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915 (RGBl. S . 562) und ihre einst­ weilige Befriedung (§ 10) einer einstweiligen Verfü­ gung gleichstehen. Die Vollstreckung dieser Entschei­ dungen richtet sich nach den Vorschriften der Zivil­ prozeßordnung. Da der Spruch des Friedensrichters wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt, kann dieselbe Tat nicht nochmals Gegenstand eines friedensrichterlichen Ver­ fahrens sein. Auch für ein späteres Strafverfahren wegen derselben T at äußert der Friedensspruch Rechtskraftwirkung, jedoch in beschränktem Umfang. Es muß wegen derselben T at ein Strafverfahren möglich sein, wenn sich aus neuen Tatsachen oder Beweismitteln ergibt, daß wegen der T at der F rie­ densrichter nicht angerufen werden konnte oder daß ihre kriminelle Ahndung geboten ist. Hier den S taatsanw alt auf die Wiederaufnahme des Verfah­ rens (§ 43) zu verweisen, die nach dem Entwurf nur von den „Beteiligten" beantragt werden kann, wäre unangemessen. — Die „Neuheit" der beigebrachten Tatsachen oder Beweismittel bildet eine Verfahrens­ voraussetzung, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat. Wird sie verneint, so ist die Anberau­ mung der Hauptverhandlung abzulehnen oder das Verfahren einzustellen. Führt die Verfolgung durch den S taatsanw alt zu einem Sachurteil, so muß das Strafgericht stets aussprechen, in welchem Verhältnis seine Entscheidung zum Friedensspruch steht. Hat beispielsweise der Friedensrichter wegen Beleidigung auf eine Friedensbuße erkannt und hält das Gericht entsprechend der Anklage ein Sittlichkeitsvergehen für gegeben, so hebt es den Friedensspruch auf und ver­ urteilt zu der gebotenen kriminellen Strafe. Kommt dagegen das Strafgericht zu dem Ergebnis, daß über­ haupt keine S traftat vorliegt, so spricht es den Ange­ klagten frei. Der Friedensspruch kann daneben be­ stehen bleiben, soweit sein In h a lt nicht die Bejahung der T at voraussetzt. Nimmt das Gericht in Überein­ stimmung mit dem Friedensrichter eine Beleidigung an und hält es ihre Ahndung mit friedensrichterlichen M itteln für ausreichend, so wird es aussprechen, daß der Friedensspruch aufrechterhalten bleibt. Is t das Strafgericht der Auffassung, daß zwar nur eine Be­ leidigung vorliegt, diese aber mit den M itteln des Strafrechts zu ahnden ist, so wird es dahin erkennen, daß der Angeklagte unter Aufhebung des Friedens­ spruchs etwa zu einer Geldstrafe verurteilt wird. Das

Strafgericht wird bei abweichender sachlicher E nt­ scheidung den Friedensspruch int allgemeinen nur in­ soweit aufzuheben brauchen, als er auf Friedensbuße oder Verwarnung erkennt, also nicht, soweit er z. B. über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten entscheidet. Erkennt das Gericht auf eine kriminelle Strafe, so hat es auch darüber zu befinden, ob und inwieweit eine geleistete Friedensbuße anzurechnen ist. § 41

Wi r k u n g der E i n i g u n g § 41 gibt einer Einigung, die vor dem Friedens­ richter zwischen den Beteiligten oder zwischen einem Beteiligten und einem Dritten geschloffen wird, die gleiche Wirkung wie dem in einem bürgerlichen Rechtsstreit abgeschloffenen Vergleich. Die Einigung soll ebenso wie der Prozeßvergleich (§ 794 ZPO.) eine unmittelbare Vollstreckungsgrundlage bilden. Die Vollstreckung ist hinsichtlich aller Teile der Einigung möglich, also nicht nur insoweit, als sie bürgerlich-rechtliche Fragen betrifft. Eine Einigung zugunsten eines an der Einigung nicht beteiligten Dritten begründet auch für diesen die Vollstreckbarkeit. Die Einigung steht einer Verfolgung der T at durch den S taatsanw alt nicht entgegen, auch wenn neue Tatsachen oder Beweismittel nicht vorliegen. § 42 Na c h t r ä g l i c h e E n t s c h e i d u n g e n bet Streit igkei ten bürgerlich-recht­ l i cher A r t Bei den nachträglichen Entscheidungen aus den §§ 887 bis 890 ZPO. handelt es sich um Voll­ streckungsmaßnahmen, die meist nur ein kurzes Ver­ fahren erfordern und die Sachkenntnis des Friedens­ richters aus dem früheren Verfahren voraussetzen. Es empfiehlt sich daher, diese Entscheidungen dem F rie­ densrichter zu übertragen. Die Verfahren nach den §§ 731, 767, 768 Z PO . sind dagegen selbständige bürgerlich-rechtliche Streitverfahren. Ih re Über­ tragung auf den Friedensrichter würde dem Grund­ satz widersprechen, daß der Friedensrichter bürgerlich­ rechtliche Streitigkeiten nur insoweit entscheiden soll, als sie im Zusammenhang mit einer friedensrichter­ lichen S traftat stehen. F ü r Klagen aus den §§ 731, 767, 768 ZPO . soll daher das Amtsgericht am Sitz des Friedensrichters zuständig sein. § 43 Wiederaufnahme

des

Verfahrens

Der S taatsanw alt kann eine int Friedensspruch behandelte T at ohne weiteres verfolgen, wenn sich aus neuen Tatsachen oder Beweismitteln ergibt, daß die T at int Strafverfahren zu verfolgen ist (§ 40 Abs. 2). Dagegen ist die Geltendmachung neuer T a t­ sachen oder Beweismittel durch die Beteiligten an ein besonderes Wiederaufnahmeverfahren gebunden. Es setzt voraus, daß die neuen Tatsachen oder Beweis-

mittet geeignet sind, der Entscheidung des Friedens­ richters die G r u n d l a g e zu entziehen. Die Wiederaufnahme ist nicht nur bei Friedenssprüchen, sondern auch bei Einstellungsbeschlüssen (§ 35) mög­ lich. Eine Wiederaufnahme, die sich lediglich gegen die Entscheidung über bürgerlich-rechtliche S treitig­ keiten richtet, soll den.Vorschriften folgen, die für die Wiederaufnahme gegen ein Schiedsurteil gelten; es gelten dafür also die §§ 578 bis 591 ZPO . mit den Ergänzungen, die in den § § 1 8 Abs. 2 Satz 4, 20 der Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915 (RGBl. S . 562) vorgesehen sind. Der Wiederaufnahmeantrag ist — anders als im Strafverfahren — an keine Form gebunden. Jeder Beteiligte kann ihn stellen, der durch den Spruch be­ schwert ist. Der Antrag muß aber spätestens inner­ halb eines M onats seit Kenntnis vom Wiederauf­ nahmegrund und binnen drei Jahren seit Erlaß der Entscheidung angebracht werden. Nach Ablauf dieser Fristen kann ein Bedürfnis für eine anderweite E nt­ scheidung nicht mehr anerkannt werden. Uber die Wiederaufnahme entscheidet — ent­ sprechend der Regelung im Strafverfahren — grund­ sätzlich der Friedensrichter, dessen Feststellungen an­ gegriffen werden. Jedoch soll in den Fällen des Absatz 4 für die Nichtigkeits- und Restitutionsklage das Amtsgericht am Sitz des Friedensrichters zu­ ständig sein, damit der Friedensrichter nicht mit Streitigkeiten ausschließlich bürgerlich-rechtlicher Art belastet wird. Ist der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfah­ rens nicht zulässig, so verwirft ihn der Friedensrichter. Ein besonderer Beschluß, der den Antrag für zulässig erklärt (vgl. § 361 StV O .), ist nicht vorgeschrieben. S ind die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederauf­ nahme nicht dargetan, so weist der Friedensrichter den Antrag durch Beschluß als unbegründet zurück. F ü r das weitere Verfahren gilt § 22. Gegen die im Wiederaufnahmeverfahren ergehenden Beschlüsse gibt es kein Rechtsmittel. § 44

Koster: Die Entscheidung darüber,, wer die Kosten und Auslagen der Beteiligten zu tragen hat, wird in das pslichtmäßige Ermessen des Friedensrichters gestellt. Die Vorschrift, daß Kosten und Auslagen angemessen verteilt werden können, soll es dem Friedensrichter ermöglichen, gegebenenfalls auch den Kläger ganz oder teilweise mit den Kosten zu belasten, wenn sich etwa nur ein Teil der in der Klage erhobenen V or­ würfe bestätigt, oder wenn der Kläger den Verklagten zur T at gereizt oder den S tre it sonstwie mitver­ schuldet hat. Der Betrag der zu erstattenden Kosten und Auslagen soll möglichst schon im Spruch festgesetzt werden, damit nachträgliche Entscheidungen im In te r­ esse einer schnellen und endgültigen Befriedung ver­ mieden werden. Die Unanfechtbarkeit der Entschei­ dung über Kosten und Auslagen entspricht dem grundsätzlichen Ausschluß von Rechtsmitteln im Friedensverfahren.

Zw eites Hauptstück Schiedsmannsordnung D as Gesetz stellt im zweiten Hauptstück die Be­ stimmungen über das Sühneverfahren (§ 16) auf. Die Durchführung des Verfahrens ist dem Schiedsmann übertragen, dem der Entwurf aber nur die Befugnis zur Schlichtung, nicht auch das Recht der Entscheidung über Rechts- und Tatfragen zuweist. D as Amt des Schiedsmanns ist ein Ehrenamt. Es wird selbständig ausgeübt und ist nicht kraft Gesetzes mit einem anderen Amt — etwa in der Justiz- oder der Gemeindeverwaltung —■ verbunden. Die Be­ rufung zum Schiedsmann ist vielmehr allein auf die persönliche Eignung zur Schlichtung von Streitig­ keiten abgestellt. D as schließt nicht aus, mit einem Hauptamt anderer Art das Ehrenamt des Schieds­ manns zu verbinden. Die Schiedsmannsordnung regelt in den ein­ leitenden Bestimmungen (§§ 45 bis 48) die Über­ tragung des Schiedsmannsamtes, seine örtlichen Grenzen und die Dienstaufsicht. Die weiteren Vor­ schriften behandeln das Verfahren vor dem Schieds­ mann. D as Gesetz regelt darin die örtliche Zuständig­ keit und die Ausschließung des Schiedsmanns (§§ 49, 50) sowie die Anberaumung und Durchführung der Sühneverhandlung (§§ 51 bis 55). Die Schluß­ bestimmungen des Abschnitts betreffen das Verfahren nach dem Sühneversuch und die Kosten des Ver­ fahrens (§§ 56 bis 58). § 45 B e s t e l l u n g des S c h i e d s m a n n s Der Schiedsmann wird durch die Justizverwal­ tung bestellt. Da die Tätigkeit des Schiedsmanns in enger Beziehung zu der des Friedensrichters und zu der Strafrechtspflege steht, überträgt der Entwurf seine Bestellung dem Landgerichtspräsidenten. Unter­ steht das Amtsgericht des Schiedsmannsbezirks der Dienstaufsicht eines Amtsgerichtspräsidenten, so ob­ liegen diesem die Bestellung des Schiedsmanns und die übrigen im nachstehenden erörterten Dienstgeschäfte des Landgerichtspräsidenten (§ 48 Abs. 3). Die Bestellung wird ähnlich wie bei den Schöffen im Benehmen mit dem Beauftragten der N S D A P , und dem Bürgermeister der Gemeinde vollzogen, in der der Schiedsmann sein Amt ausüben soll. Der Land­ gerichtspräsident kann nach seinem Ermessen auch andere Stellen — insbesondere den aufsichtführenden Amtsrichter oder den Friedensrichter — vorher hören. Der Schiedsmann ist nicht Beamter im Sinne des Deutschen Beamtengesetzes. Bei der Bestellung wird ihm eine Ernennungsurkunde mit dem Wortlaute, wie ihn das Deutsche Beamtengesetz für die Berufung in das Beamtenverhältnis oder in das Beamtenver­ hältnis als Ehrenbeamter vorschreibt, nicht aus­ gehändigt. Die rechtliche Grundlage der Stellung des Schiedsmanns und die sich aus seinem Amt ergeben­ den Pflichten und Rechte ergeben sich aus der Schiedsmannsordnung und den zu ihrer Durch­ führung erlassenen Vorschriften. D as schließt jedoch

nicht die Pflicht der mit der Bestellung des Schiedsmanns und der Dienstaufsicht über ihn betrauten Dienststellen aus, bei ihren Entschließungen die für Beamte geltenden Vorschriften sinngemäß zur Gel­ tung zu bringen. Obwohl die Vorschriften über die Berufung in das Beamtenverhältnis auf den Schiedsmann keine Anwendung finden, sind daher z. B. die allgemein für die Übertragung eines Ehrenamts geltenden Voraussetzungen der §§ 25 und 26 des Deutschen Beamtengesetzes zu beachten. Neben diesen Anforderungen, die allgemein für Beamte gelten, sind bei der Bestellung eines Schiedsmanns auch noch weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die wegen der besonderen Aufgaben des Schiedsmanns und des persönlichen Ansehens, das die Berufung in sein Amt voraussetzt, von Bedeutung sind. S o wird das für Schöffen festgesetzte Mindestalter auch für den Schiedsmann als Regel gelten. Es soll nur eine Persönlichkeit bestellt werden, die öffentliches Ver­ trauen genießt und die mit den örtlichen Verhältnissen vertraut und für die Aufgabe der Schlichtung beson­ ders geeignet ist. F ü r jeden Schiedsmann bestellt der Landgerichts­ präsident in der im Abs. 1 bestimmten Form einen Vertreter. Die Vertretung kann dahin geordnet werden, daß mehrere Schiedsmänner einander wechselseitig vertreten. S ind der Schiedsmann und sein Vertreter gleichzeitig an der Ausübung des Amtes verhindert, so kann der aussichtführende Amtsrichter, falls ein Bedürfnis hierfür besteht, die Wahrnehmung der Geschäfte des Schiedsmanns vor­ übergehend dem Schiedsmann eines Nachbarbezirks oder seinem Vertreter übertragen. Wird die Behin­ derung nicht alsbald behoben, so obliegt die endgültige Regelung der Vertretung dem Landgerichtspräsi­ denten. Die Gründe, aus denen der Schiedsmann das Amt ablehnen oder sein Ausscheiden verlangen kann, bestimmen sich nach den entsprechenden Vorschriften der Deutschen Gemeindeordnung (§ 23 Abs. 1) über das Recht des Bürgers, aus wichtigen Gründen eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Gemeinde abzulehnen oder sein Ausscheiden zu verlangen. Die Entscheidung über die vorgebrachten Gründe weist der Entwurf dem Landgerichtspräsidenten zu; sie kann im Wege der Dienstaufsicht nachgeprüft werden. Dem Land­ gerichtspräsidenten steht jedoch nicht das Recht zu, wegen unberechtigter Ablehnung oder unbegründeter Niederlegung des Amtes gegen den Ernannten eine Buße oder ähnliche Maßnahmen zu verhängen. § 46

E h r e n a mt Der Schiedsmann bekleidet ein Ehrenamt im Be­ reich der Justizverwaltung. Er übt seine Tätigkeit ohne Entgelt aus. Diese Regelung wird auch dadurch nicht berührt, daß dem Schiedsmann nach Absatz 2 eine angemessene Aufwandsentschädigung bewilligt werden kann, die — ebenso wie die sächlichen Aus­ gaben des Schiedsmannsamts — das Reich trägt. Die Rechte und Pflichten des Schiedsmanns bei der Ausübung seines Amtes bestimmen sich nach der Schiedsmannsordnung, die sich hier teilweise an die

für Gemeindebeamte und für Schössen geltenden Bestimmungen anlehnt. Der Schiedsmann wird für die Dauer von drei Jah ren bestellt. E r soll seine im Amt gesammelten Erfahrungen auf längere Zeit der Rechtspflege nutz­ bar machen, andererseits aber nach einer gewissen Zeit, insbesondere wenn er es wünscht, durch einen anderen ersetzt werden können. Eine Wiederwahl ist stets zulässig. Der Schiedsmann ist ebenso wie der Bürger, der zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit bestellt wird (§ 24 D.GemO.), im gleichen Umfange wie ein Gemeindebeamter zur Verschwiegenheit verpflichtete Die Kenntnis von Angelegenheiten, über die er ver­ schwiegen zu sein hat, darf er nicht unbefugt verwerten. Die Schweigepflicht besteht fort, wenn der Schieds­ mann sein Ämt nicht mehr ausübt. I m Hinblick auf die Bedeutung des Amtes, das dem Schiedsmann übertragen wird, bestimmt das Gesetz, daß er vor A ntritt seines Amtes vom aufsichtführenden Amtsrichter vereidigt wird. Die Eides­ formel entspricht dem von den Schöffen abzulegenden Eid; im übrigen sind die Vorschriften über die Form der Vereidigung eines Schöffen (§ 72 GVG.) ent­ sprechend anzuwenden. Wird der Schiedsmann nach Ablauf seiner Amtszeit wieder bestellt, so kann die erneute Vereidigung durch eine Verweisung auf den früher geleisteten Eid ersetzt werden; sie obliegt dem aufsichtführenden Amtsrichter. § 47 Schieds manns bez irk Grundsätzlich wird für jede Gemeinde ein Schieds­ mann bestellt. Absatz 2 gestattet aber, kleinere Gemeinden — nicht auch Teilbezirke einzelner Gemeinden — zu einem Schiedsmannsbezirk zu­ sammenzufassen oder in einer Gemeinde mehrere Schiedsmannsbezirke zu bilden. Danach kann bei der Abgrenzung der Bezirke besonderen örtlichen Verhältniffen Rechnung getragen und eine gleich­ mäßige Geschäftsbelastung der Schiedsmänner erzielt werden. Daß der Schiedsmannsbezirk innerhalb der Grenzen eines einzelnen Amtsgerichtsbezirks liegt, ist nicht vorgeschrieben, aber im Interesse der leich­ teren Dienstaufsicht erwünscht. Die Einteilung der Schiedsmannsbezirke kann geändert werden, wenn sich ein Bedürfnis hierfür ergibt. Die Abgrenzung der Bezirke nach Absatz 2 der Vorschrift überträgt der Entwurf dem Landgerichtspräsidenten. Dieser wird sich vor der Entscheidung mit den Behörden der be­ teiligten Gemeinden ins Benehmen setzen und, soweit tunlich, auch andere Stellen hören, die mit den ört­ lichen Verhältnissen vertraut sind. Der Landge­ richtspräsident kann die Abgrenzung Nachgeordneten Stellen — dem aussichtführenden Amtsrichter — übertragen. § 48 Dienstaufsicht Da sich die Tätigkeit des Schiedsmanns im Rahmen der Strafrechtspflege bewegt und im engsten Zusammenhang mit der Tätigkeit des Friedensrich­ ters steht, überträgt das Gesetz die Dienstaufsicht über den Schiedsmann dem Amtsrichter, der die Dienst-

aussicht über das Amtsgericht des Schiedsmannsbezirks führt. Erstreckt sich der Schiedsmannsbezirk über Teile mehrerer Amtsgerichtsbezirke, so ist der aussichtführende Amtsrichter zuständig, in dessen Be­ zirk der Schiedsmann seinen Sitz hat. Gegen die Entscheidungen, die der aufsichtsührende Amtsrichter im Wege der Dienstaussicht trifft, können der Land­ gerichtspräsident und die ihm übergeordneten Auf­ sichtsbehörden angerufen werden. Absatz 2 überträgt dem Landgerichtspräsidenten die Befugnis, den Schiedsmann seines Amtes zu ent­ heben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt oder wenn seine Tätigkeit als Schiedsmann aus an­ deren Gründen mit einer geordneten Rechtspflege unvereinbar wäre. Die Vorschrift verfolgt einen dreifachen Zweck: S ie gibt zunächst die Möglichkeit für ein disziplinäres Einschreiten gegen einen Schiedsmann, der seine Amtspflichten gröblich verletzt oder durch ungebührliches Verhalten das erforderliche Ansehen und Vertrauen verloren hat. S ie gibt ferner die Handhabe, einen Schiedsmann seines Amtes zu entheben, der ohne eigenes Verschulden als Schiedsmann ungeeignet ist, sei es, daß sich seine Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Amtes erweist oder daß er aus Gründen, die nicht in seiner Person liegen, das öffentliche Vertrauen verloren hat. End­ lich ermöglicht sie die Amtsenthebung eines Schiedsmanns, wenn festgestellt wird, daß er die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bekleidung des Ehrenamtes nicht oder nicht mehr erfüllt oder daß Umstände vor­ liegen, deren Kenntnis den Landgerichtspräsidenten davon abgehalten haben würde, ihm das Amt zu über­ tragen. D as für Beamte geltende Dienststrafrecht ist nach dem zu den §§ 45, 46 Ausgeführten nicht anzu­ wenden. Die Enthebung wird im Verwaltungswege verfügt. Der aufsichtsührende Amtsrichter kann den Schiedsmann seines Amtes vorläufig entheben, wenn dies dringend erforderlich ist. Der Schiedsmann ist vorher stets zu hören. E r kann die Enthebung — auch die vorläufige — mit der Beschwerde anfechten, die nicht befristet ist. Uber sie entscheidet ein S tra f­ senat des Oberlandesgerichts durch Beschluß. I m Zusammenhang mit der Dienstaussicht regelt der Entwurf im Absatz 3 die Zuständigkeit des Amts­ gerichtspräsidenten zur Erledigung der Dienstgeschäfte, die in diesem Abschnitt dem Landgerichtspräsidenten zugewiesen sind. Untersteht das Amtsgericht des Schiedsmannsbezirks der Dienstaufsicht eines Amts­ gerichtspräsidenten, so ist dieser an Stelle des Land­ gerichtspräsidenten zur Entscheidung berufen. § 49 Örtliche Zuständi gkeit Der Entwurf gestaltet die Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit des Schiedsmanns gegenüber den für den Friedensrichter geltenden Vorschriften (§ 20) lockerer, um das Sühneverfahren zu verein­ fachen und die Beachtung der Formvorschriften zu erleichtern. Örtlich Zuständig ist der Schiedsmann, in dessen Bezirk der Antragsgegner wohnt (Abs. 1), ferner der Schiedsmann, in dessen Bezirk die Tat begangen worden ist, wenn der Antragsteller in diesem Bezirk wohnt (Absatz 2). I n beiden Fällen ent­

scheidet nicht der Wohnsitz, sondern der nicht nur vor­ übergehende tatsächliche Aufenthalt. Liegen wegen derselben T at bei mehreren Schiedsmännern Anträge verschiedener Berechtigter vor, so ist es der Sache förderlich, wenn sie einheitlich bei einem der in Be­ tracht kommenden Schiedsmänner verhandelt wird. I n solchen Fällen hat der Schiedsmann den Vorrang, bei bent der Antrag zuerst eingegangen ist (Absatz 3). Eine Abgabe der Sache an einen anderen örtlich zu­ ständigen Schiedsmann ist unter den im Absatz 4 bezeichneten Voraussetzungen nicht ausgeschloffen. Nach Absatz 4 kann die Zuständigkeit eines sonst unzuständigen Schiedsmanns dadurch begründet werden, daß beide Parteien übereinkommen, die Ver­ mittlung eines zur Vornahme des Sühneversuchs bereiten Schiedsmanns nachzusuchen. Der Absatz 4 gewinnt besondere Bedeutung, wenn sich der Antrag gegen mehrere Gegner richtet und der Schiedsmann nach Absatz 1 und 2 nicht für alle zuständig ist; in diesem Falle kann er im Interesse einer abschließenden Erledigung der Streitigkeiten auf die Vereinbarung seiner Zuständigkeit hinwirken. — I m Falle der Ver­ einbarung ist der Schiedsmann aber zur Vornahme des Sühneversuchs nicht verpflichtet. §

50

Ausschließung Der Entwurf kennt nur eine Ausschließung des Schiedsmanns kraft Gesetzes, nicht auch wie im Ver­ fahren vor dem Friedensrichter eine Ablehnung wegen Befangenheit. Der Ablehnung würde schon deswegen besonderes Gewicht nicht zukommen, weil der Schieds­ mann nur zur Schlichtung, nicht auch zur Entschei­ dung berufen ist. Zudem liegt es im Interesse der Beschleunigung des Sühneversahrens, dem Antrags­ gegner nicht die Möglichkeit zu geben, die Verhand­ lung vor dem Schiedsmann durch eine Ablehnung zu verzögern. Hält ein Beteiligter den Schiedsmann für befangen, so steht es ihm frei, seine Gründe der Auf­ sichtsbehörde des Schiedsmanns zu unterbreiten oder die vorgeschlagene Einigung abzulehnen und dadurch die Einleitung des sriedensrichterlichen Verfahrens und den Sühneversuch vor dem Friedensrichter (§ 31) herbeizuführen. Die Regelung des Entwurfs schließt nicht aus, daß der Schiedsmann, der sich befangen fühlt, die Durchführung des Sühneverfahrens seinem Vertreter überträgt. Die Ausschließung vom Amte des Schiedsmanns regelt das Gesetz durch Verweisung aus die Vorschrif­ ten der Strafverfahrensordnung über die Aus­ schließung des Richters; insoweit gelten die Bemer­ kungen zu tz 21. Hat der Schiedsmann Zweifel, ob ein Ausschließungsgrund vorliegt, oder wird von einem Beteiligten ein solcher Grund geltend gemacht, so entscheidet der aufsichtsührende Amtsrichter. Ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung ist nicht vor­ gesehen. § 51 A n t r a g auf V o r n a h m e der S ü h n e ­ verhandlung D as Gesetz macht die Tätigkeit des Schiedsmanns von der Stellung eines Antrags abhängig. Ein Ein-

greisen in Streitigkeiten von Amts wegen ist ihm verwehrt. Antragsberechtigt ist nur, wer nach den §§ 13 bis 15 die Klage vor dem Friedensrichter er­ heben kann. Die Stellung des Antrags durch einen Bevollmächtigten wird dadurch nicht ausgeschlossen. Die Vorschriften über die Form und den In h a lt des Antrags entsprechen etwa den für die Klageschrift geltenden Bestimmungen (§ 18). Der Antrag kann beim Schiedsmann schriftlich eingereicht oder münd­ lich zur Niederschrift erklärt werden. E r soll die nähere Bezeichnung des Antragstellers und des An­ tragsgegners enthalten, ferner die des Verletzten, wenn ein anderer als dieser den Antrag stellt; weiterhin soll er die dem Gegner vorgeworfene T at bezeichnen. Nähere Angaben über die T at und die Anführung von Beweismitteln sind nicht erforderlich. Der In h a lt des Antrags muß jedoch die T at in ihren Umrissen mindestens soweit erkennen lassen, daß der Schieds­ mann prüfen kann, ob die Voraussetzungen für die Anberaumung der Sühneverhandlung (§ 52 Abs. 1) erfüllt sind. Läßt der vorgetragene Sachverhalt nicht ersehen, ob der Schiedsmann örtlich zuständig ist, ob es sich um eine in den Spruchbereich des Friedens­ richters fallende T at handelt und ob die sonstigen verfahrensrechtlichen Erfordernisse des Antrags gewahrt sind, so wird der Schiedsmann die Ergän­ zung des Antrags veranlassen. D er Entwurf gestattet im Absatz 3 die Zurück­ nahme des Antrags auf Vornahme der Sühnever­ handlung aus den gleichen Gründen wie im § 19 die Zurücknahme der Klage vor dem Friedensrichter. Die Zurücknahme des Antrags ist bis zum Schluß der Sühneverhandlung zulässig und auch nach deren Be­ ginn nicht an die Zustimmung des Gegners gebunden. S ie kann auf einzelne Taten des Antragsgegners oder auf einzelne von mehreren Gegnern beschränkt werden. Die Zurücknahme schließt eine wiederholte Stellung des Antrags aus, berührt aber nicht die Be­ fugnis eines anderen Antragsberechtigten, wegen derselben T at um die Vornahme der Sühneverhand­ lung nachzusuchen. § 52 Anberaumung derSühneverhandlung Vor der Anberaumung der Sühneverhandlung prüft der Schiedsmann seine örtliche Zuständigkeit (§ 49) und die Zulässigkeit des Antrags. S ind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so lehnt er den Antrag ab. Bei der Ablehnung wird der Antragsteller über die Zuständigkeit zu belehren sein. Die Unzulässigkeit des Antrags kann sich aus den besonderen Vorschriften über die Antragsvoraussetzungen oder mittelbar aus den Bestimmungen über die Voraussetzungen des friedensrichterlichen Verfahrens ergeben. Is t aus dem Antrag zu entnehmen, daß die dem Gegner vorge­ worfene S traftat nicht in den Spruchbereich des Friedensrichters fällt (§ 2), so ist ein Sühneversahren vor dem Schiedsmann unzulässig. I n diesem Falle hat der Schiedsmann den Antragsteller zugleich mit der Ablehnung darüber zu belehren, daß er S trafan ­ zeige erstatten könne (Absatz 1 Satz 2). Die Ableh­ nung ist ferner geboten, wenn sich aus dem Antrag ergibt, daß eine S traftat überhaupt nicht in Betracht

kommt. Liegt dem Antrag erkennbar eine Streitig­ keit zugrunde, für die allein die Klage im Zivilprozeß oder ein anderes Rechtsverfahren offensteht, so ist der Antrag gleichfalls nicht zulässig. Dasselbe gilt, wenn der Antrag nicht von einem nach den §§ 51, 13 bis 15 Berechtigten gestellt ist. Gegen die Ablehnung des Antrags ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen. Ergibt sich kein Grund zur Ablehnung, so beraumt der Schiedsmann die Sühneverhandlung an und lädt die Beteiligten — den Antragsteller, gegebenenfalls den von ihm verschiedenen Verletzten, und den An­ tragsgegner. Die Ladung muß O rt und Zeit der Sühneverhandlung angeben und den Beteiligten auf die sich aus § 53 ergebenden Folgen eines Ausblei­ bens Hinweisen; dem Gegner ist auch mitzuteilen, welche T at ihm vorgeworfen wird. Die Ladung kann schriftlich ergehen oder mündlich ausgesprochen werden. Eine Ladungssrist ist nicht vorgeschrieben. Außer der Ladung an die Beteiligten ergeht, ähnlich wie im Strafverfahren (§ 49 Abs. 1 StVO.), eine Mitteilung an den gesetzlichen Vertreter und den Sorgeberechtigten über O rt und Zeit der Sühnever­ handlung, damit sie daran teilnehmen können. Ist die M utter neben dem Vater sorgeberechtigt, so wird nur der Vater benachrichtigt. Die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters ist besonders bedeutsam, wenn der Abschluß eines Vergleichs in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, der zur Wirksamkeit der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf, in Betracht kommt. Ist eine Ehefrau beteiligt, so ist eine Mitteilung an den Ehemann nicht vorgeschrieben; sie kann sich aber empfehlen, wenn der Schiedsmann einen Vergleich anstrebt, in dem die Ehefrau Verpflichtungen über­ nehmen soll. Hat der Schiedsmann zugelassen, daß sich ein Beteiligter durch einen Beistand vertreten läßt, so ergeht die Ladung an diesen. § 53 A nwe s e n h e i t der B e t e i l i g t e n Der Versuch einer Schlichtung wird in der Regel nur dann von Erfolg begleitet sein, wenn die Sühne­ verhandlung in Gegenwart aller Beteiligten statt­ findet. Der Entwurf bestimmt daher, daß die Be­ teiligten in der Sühneverhandlung — ebenso wie in der Verhandlung vor dem Friedensrichter (§ 30) — grundsätzlich persönlich erscheinen müssen. Der Schiedsmann kann jedoch, ähnlich wie der Friedens­ richter (vgl. die Bemerkungen zu § 30), aus wichtigen Gründen zulassen, daß sich die Beteiligten durch einen Beistand vertreten lassen; ein Fernbleiben ohne Ver­ tretung durch einen Beistand darf er ihnen nicht gestatten. I n der Verhandlung können die Beteiligten auch mit Beiständen (vgl. § 28) erscheinen. Auch ein Rechtsanwalt kann Beistand sein. Der Schiedsmann kann aber Beistände, auch wenn sie Angehörige eines Beteiligten sind, nach seinem Ermessen zurückweisen. Dazu wird insbesondere Anlaß sein, wenn die An­ wesenheit des Beistandes eine Einigung zwischen den Beteiligte!: gefährden würde. Gegen die Zurück­ weisung ist nur die Beschwerde im Dienstaufsichtswege zugelassen. Bleibt ein Beteiligter unentschuldigt aus, obwohl er in der Ladung aus die Folgen seines Ausbleibens

hingewiesen worden ist, so kann der Schiedsmann gegen ihn eine Ungehorsamsstrafe in Geld bis zu dreißig Reichsmark festsetzen; diese Maßnahme kann wiederholt werden. S ie ist auch zulässig, wenn der Beteiligte sich vor Abschluß der Verhandlung ohne Erlaubnis entfernt. Die Umwandlung der Geldstrafe in Ungehorsamshaft ist nicht zulässig. Sonstige Strafbefugnisse stehen dem Schiedsmann nicht zu. — Gegen die Ungehorsamsstrafe ist die Beschwerde im Dienstaufsichtswege zulässig. Entschuldigt sich der Bestrafte nachträglich genügend, so hebt der Schieds­ mann die Maßnahme auf. Die Vollstreckung der Ungehorsamsstrafe wird in den Ausführungsbestim­ mungen geregelt. Beim unentschuldigten Ausbleiben des Antrag­ stellers gilt der Antrag nach Absatz 4 als zurückge­ nommen, wenn der Antragsteller in der Ladung auf die gesetzliche Folge hingewiesen worden ist. Dieselbe Folge tritt ein, wenn der Antragsteller sich vorzeitig ohne Zustimmung des Schiedsmanns aus der Ver­ handlung entfernt. Die Verhängung einer Unge­ horsamsstrafe (Absatz 3) ist außerdem zulässig. Die Vorschriften des Absatzes 4 finden auch dann Anwen­ dung, wenn der nach Absatz 1 Satz 2 als Vertreter des Antragstellers zugelassene Beistand in der Sühne­ verhandlung unentschuldigt ausbleibt. Der Antrag kann, wenn er als zurückgenommen gilt, nicht mehr von neuem gestellt werden (§ 51 Abs. 3 Satz 2). Ist das Ausbleiben des Antragstellers entschuldigt oder holt er die Entschuldigung innerhalb einer Woche nach, so beraumt der Schiedsmann eine neue Ver­ handlung an. Bleibt der Antragsgegner in der Sühneverhandlung aus, so ist nach § 57 Abs. 2 zu verfahren. § 54 Sühneverhandlung Feste Regeln für den Ablauf der Sühneverhand­ lung erscheinen nicht zweckmäßig. Persönliche Eig­ nung und Erfahrung müssen dem Schiedsmann den Weg zeigen, auf dem die Verhandlung mit dem endgültigen Ziel einer Schlichtung des Streites geführt werden kann. Der Gang der Sühneverhand­ lung ergibt sich hieraus von selbst. Zunächst wird der Schiedsmann den Sachverhalt mit den Beteilig­ ten erörtern und dann zu dem Versuch einer Schlich­ tung übergehen. Eine förmliche Beweisaufnahme findet nicht statt. Es ist aber dem Schiedsmann nicht verwehrt, Zeugen und Sachverständige, die freiwillig vor ihm erscheinen und zur Aussage bereit sind, uneidlich zu hören oder einen Augenschein ein­ zunehmen. Den Umfang der Erörterungen und E r­ hebungen bestimmt er ohne Bindung an die Wünsche der Beteiligten. E r kann die Sühneverhandlung, wenn er örtlich zuständig ist und ein entsprechender Antrag gestellt wird, aus andere Beteiligte ausdehnen; er kann ferner andere Friedensstörungen des Gegners und solche Taten in die Verhandlung einbeziehen, die der Antragsgegner dem Antragsteller oder dem Ver­ letzten vorwirft. Der B eitritt eines anderen Verletz­ ten zu dem bereits eingeleiteten Verfahren ist nicht ausgeschlossen. Vielfach wird sich bei einer Mehrheit von Beteiligten oder bei gegenseitigen Beschuldi­ gungen die erwünschte gemeinsame Verhandlung der

Streitigkeiten mit Hilfe der Vorschrift über die Ver­ einbarung der Zuständigkeit (§ 49 Abs. 4) ermöglichen lassen. Die Sühneverhandlung ist ihrem Zweck ent­ sprechend nicht öffentlich. F ü r den In h a lt der vom Schiedsmann anzustrebenden Einigung gilt das zu § 31 Ausgeführte sinngemäß. S ie kann auch bedingt geschlossen, ihre Wirksamkeit insbesondere von der Erfüllung einer Verpflichtung abhängig gemacht werden (vgl. § 57 Abs. 2). Stellt sich heraus, daß es sich um eine S traftat handelt, die nicht Gegenstand eines friedensrichterlichen Verfahrens sein kann, so lehnt der Schiedsmann die Sühneverhandlung ab und belehrt den Antragsteller, daß er Strafanzeige er­ statten könne (Absatz 3). Ergibt sich, daß dem sriedensrichterlichen Verfahren ein anderes Hindernis entgegenstehen würde — etwa der Ablauf der Klage­ srist — oder daß der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt nicht unter ein Strafgesetz fällt, so kann der Schiedsmann gleichwohl auf eine Aussöhnung der Beteiligten hinwirken. Kommt eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht zustande, so ist für eine Entscheidung durch den Schiedsmann kein Raum. Dieser Grundsatz wird durchbrochen, wenn Gegenstand der Sühneverhand­ lung ein Schimpfwort oder eine belanglose Ehren­ kränkung ist, die keine ehrenrührige oder herab­ setzende Behauptung enthält. Mißlingt in diesem Falle der Schlichtungsversuch, so kann der Schieds­ mann die Sache für erledigt erklären. Diese V or­ schrift soll dem friedensrichterlichen Verfahren belang­ lose Beschimpfungen und andere geringfügige Streitigkeiten tunlichst fernhalten, wenn es vom Standpunkt der Rechtspflege aus nicht geboten er­ scheint, dem Verletzten im Wege eines friedensrichter­ lichen Verfahrens Genugtuung zu verschaffen. Der Schiedsmann braucht seine Entscheidung nicht zu begründen. Hält der Antragsteller entgegen der Auf­ fassung des Schiedsmanns eine Ahndung der T at im friedensrichterlichen Verfahren für erforderlich, so kann er gleichwohl die Klage vor dem Friedensrichter erheben; der Friedensrichter kann sie jedoch nach seinem Ermessen ablehnen (§ 25 Abs. 2). § 55 Ni ederschri f t Die Niederschrift über die Sühneverhandlung wird mit Rücksicht auf das begrenzte Ziel des Sühne­ verfahrens wesentlich einfacher gehalten als die Niederschrift über die Verhandlung vor dem F rie­ densrichter (§ 37). Der Entwurf enthält über sie nur die notwendigsten Bestimmungen und überläßt die nähere Regelung ihrer Form und ihres sachlichen In h a lts den Ausführungsvorschristen. I n der Niederschrift werden die Anwesenden und das E r­ gebnis der Verhandlung vermerkt. Angaben über den Gang der Verhandlung, die Aussagen etwa ver­ nommener Zeugen und die Anträge der Beteiligten erübrigen sich. M ißlingt der Sühneversuch oder er­ klärt der Schiedsmann die Sache nach § 54 Abs. 2 für erledigt, so wird dies vermerkt. Kommt eine Einigung zwischen den Beteiligten oder zwischen einem Beteiligten und einem Dritten zustande, so wird sie in die Niederschrift aufgenommen.

§ 56 Vollstreckbarkeit der E i n i g u n g Der Entwurf erklärt die nach § 54 zwischen den Beteiligten oder zwischen einem Beteiligten und einem Dritten geschlossene Einigung für vollstreckbar, da sonst das Sühneverfahren nur geringe Bedeutung erlangen würde. Die Vollstreckbarkeit setzt voraus, daß der Schiedsmann innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse und unter Wahrung der gesetzlich vor­ geschriebenen Formen tätig geworden ist. Auf die Vollstreckung sind die Vorschriften der ZPO. über die Zwangsvollstreckung aus notarischen Urkunden ent­ sprechend anzuwenden. Die Vollstreckungsklausel er­ teilt das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schieds­ mann seinen Sitz hat. § 57

S c h e i t e r n des S ü h n e ve rs uchs Wird eine Aussöhnung zwischen den Beteiligten bis zum Ende der Sühneverhandlung nicht erzielt und ist der Sühneversuch somit gescheitert, so haben der Antragsteller und der Gegner Anspruch auf Aus­ stellung einer Bescheinigung über das Scheitern des Sühneversuchs. Der Antragsteller bedarf dieser Be­ scheinigung zur Erhebung der Klage vor dem F rie­ densrichter (§ 1 8 Abs. 4); er hat aber nur dann auf sie Anspruch, wenn er — den F all einer Befreiung ausgenommen — bis zum Ende der Verhandlung an­ wesend war (§ 53 Abs. 4). Die Erteilung der Be­ scheinigung ist außerdem in der Regel von der Ent­ richtung der Kosten abhängig, die den Beteiligten treffen (§ 58 Abs. 3). Nach Absatz 2 gilt der Sühneversuch auch dann als gescheitert, wenn der Antragsgegner unentschuldigt ausbleibt, obwohl er auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens in der Ladung hingewiesen worden ist, oder wenn er sich vor Abschluß der Verhandlung — ohne Zustimmung des Schiedsmanns — entfernt; das gilt auch für den Beistand, der zur Vertretung des Antragsgegners zugelassen ist (§ 53 Abs. 1 Satz 2). Bleibt der Antragsgegner entschuldigt aus oder holt er die Entschuldigung innerhalb einer Woche seit dem Termin nach, so^beraumt der Schiedsmann eine neue Sühneverhandlung an. Beim Ausbleiben des Antragsgegners kann der Schiedsmann demnach eine Sühnebescheinigung (Absatz 1) erst nach Ablauf einer Woche ausstellen. Der Sühneversuch gilt ferner als gescheitert, wenn eine bedingt geschlossene Einigung hinfällig wird, weil eine darin übernommene Verpflichtung nicht frist­ gemäß erfüllt wird. Erklärt sich etwa der Antragsteller in der Sühneverhandlung bereit, auf die Erhebung der Klage zu verzichten, wenn der Gegner innerhalb einer bestimmten Frist ein Sühnegeld zahlt, so hat der Antragsteller die Wahl, ob er die Einigung voll­ strecken lassen oder die Ausstellung einer Sühne­ bescheinigung beantragen will. Der bedingte Ver­ gleich wird erst dann hinfällig, wenn der Antragsteller um die Erteilung der Sühnebescheinigung nachsucht; in diesem Falle gilt der Sühneversuch als gescheitert. Der Schiedsmann ist nicht berechtigt, aus eigenem Ermessen die in einem bedingten Vergleich für die

Erfüllung der Verpflichtung gewährte Frist zu ver­ längern. § 58 Kos t en Die Gebühren und Auslagen, die im Verfahren vor dem Schiedsmann entstehen, schuldet grundsätzlich der Beteiligte, der sie durch seinen Antrag veranlaßt hat. D a die Kostenpflicht häufig Gegenstand einer Einigung ist, bestimmt Absatz 1 Satz 2, daß ein an­ derer neben dem nach Satz 1 Verpflichteten haftet, soweit er durch Erklärung gegenüber dem Schieds­ mann Kosten übernimmt; das kann auch bei erneut am Verfahren nicht Beteiligten der F all sein. Die Frage des Ausgleichs unter den Mithastenden wird durch die Bestimmung nicht berührt. Zur Sicherung der entstehenden Gebühren und voraussichtlichen Auslagen kann der Schiedsmann seine Tätigkeit von deren vorheriger Entrichtung ab­ hängig machen (Absatz 2). Dadurch kann zugleich einer mutwilligen Anrufung des Schiedsmanns ent­ gegengetreten werden. Die Anforderung des Vor­ schusses liegt im pflichtmäßigen Ermessen des Schieds­ manns. S ie darf nicht zu einem Hemmnis für das Sühneverfahren werden, wenn eine Befriedung int begründeten Interesse des Antragstellers liegt. Sind die Gebühren und Auslagen auch nach Beendigung der Sühneverhandlung nicht oder nicht ganz erlegt worden, so soll der Schiedsmann eine Bescheinigung über das Scheitern des Sühneversuchs oder eine Ausfertigung oder Abschrift der Einigung erst erteilen, wenn der Beteiligte, der sie beantragt, die ihn treffenden Kosten entrichtet hat (Absatz 3). Die Bestimmungen über die Bewilligung des Armenrechts (vgl. § 29) sind im Sühneverfahren nicht anwendbar. Absatz 4 der Vorschrift gestattet aber dem Schiedsmatm, die Gebühren — nicht auch die Auslagen — dem Kostenschuldner ganz oder teilweise zu erlassen; dadurch soll verhindert werden, daß ärmeren Beteiligten der Weg zum friedensrichterlichett Verfahren durch die Kostenlast abgeschnitten wird. Vorauszusetzen ist aber, daß der Zahlungspflichtige glaubhaft macht, daß er ohne seine Schuld zur Zah­ lung nicht in der Lage ist. Der Schiedsmann ent­ scheidet hierüber in jeder Lage des Sühneverfahretts nach seinem Ermessen. D as Gesetz gestattet den Erlaß der Gebühren außerdem bei einer Aussöhnung der Beteiligten, da die in Aussicht stehende Befreiung tioit den Verfahrenskosten erfahrungsgemäß häufig die Einigung zwischen den Beteiligten erleichtert. Die Entscheidung über Beschwerden, die Gebührett und Auslagen des Schiedsmanns betreffen, ist ttach Absatz 5 int Aufsichtswege zu treffen (vgl. § 48).

Schlußbeftimmung § 59

A u s f ü h r u n g s - und

Ub e r g a n g s v o r s c h r i f t e n Die Bestimmuttg überträgt dem Reichsminister der Justiz das Recht zum Erlaß der Ausführungs- uub Übergangsvorschriften, die zur Durchführung der Friedensrichterordnung und der Schiedsmannsordnung erforderlich sind.

Konkordanz des StVO-Entwurfs vom Mai 1939 mit den Entwürfen vom Februar 1936, Oktober 1937, Oktober 1938 und Februar 1939* E ntw urf M ai 1939 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

E ntw urf F ebruar 1936

E ntw urf O ktober 1937

E ntw urf O ktober 1938

E ntw urf F ebruar 1939





13 18 14, 15 14, 15 16 Abs. 1 16 Abs. 2, 3 17 20 19, 21

1 2 3 3 5 6 7 8 9

1 1a 2 3 4 5 6 7 8 9 9a 9b 10 11 12 13 14 14 a 15 16 17 18 19 20 21 22 22 a 23 24 26 27 28 29 30 31 32 33 35

1 la 2 3 4 5 6 7 8 9 9a 9b 10 11 12 13 14 14 a 15 16 17 18 19 20 21 22 22 a 23 24 26 27 28 29 30 31 32 33 35

-

22 -

25 26 27 30 -

28 29 31 Abs. 1 27 Abs. 3 31 Abs. 2 33 34 35 -

36, 37, 40 38 23 24 41 -

42 Abs. 1 —

-

4 10 11 12 13 14 -

15 16 17 18 19 20 21 22 -

23 24 26 27, 251 28 29 30 31 32 33 34

* Ausgangspunkt der Konkordanz ist der Entwurf vom Mai 1939. — Für die Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung wurde keine Konkordanz angefertigt, da sich die Paragraphenziffern der einzelnen Entwürfe nur geringfügig voneinander unterscheiden.

E n tw u rf Februar 1936

E n tw u rf O ktober 1937

E n tw u rf O ktober 1938

E n tw u rf Februar 1939 34 37 37 a 37 b 38 38 a 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 56 a 57 57 a 58 58 a 59 60 61 62 63 64 65

66

39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65

50 43

35 37

43 44 42 46 49 47 48 51 52 53 54 55 56 57 58 60 331 61 62 63 64

37 38 36 Abs. 2 39 42 40 41 43 44 45 46 47 48 49, 253 50 51 52 53 54 55 56

65

57

66

66

58

68

67

69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

68

59 60 61 62 63 64 65

34 37 37 a 37 b 38 38 a 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 56 a 57 57 a 58 58 a 59 60 61 62 63 64 65

66

66

67

67

67

68

68

68

69 70 71 72 73 74 75 76 77

69 70 71 72 73 74 75 76 77 77 a

69 70 71 72 73 74 75 76 77 77 a

67

86

77 81 81 84 84 84

69 70 71 72 73 74 75 76 Abs. 78 Abs. Abs. 83 Abs. Abs. Abs.

1 2 1 1 2 5

E n tw u rf F ebruar 1936

E n tw u rf O k to b e r 1937

E n tw u rf O k to b e r 1938

E n tw u rf F ebru ar 1939

88

86

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

87 80 Abs. 1, 2

78 79 95 80 81 82 83 84 85 Abs. 2, 3 85 Abs. 1

78 79 79 a 80 81 82 83 84 84 a 85

78 79 79 a 80 81 82 83 84 84 a 85

86

86

86

91 92 93 94

91 92 93 94

91 92 93 94

97 98 99 100

97 98 99

97 98 99

102 103 104 105 106 107 108 96 109

100 101 102

100 101 102

103 104 105 106 107 108 96 109

103 104 105 106 107 108 96 109

110 111

110 111

110 111

112

112 112a 113 114 115 116 117 118 119 120 122 123 123 a 124 125

112 112a 113 114 115 116 117 118 119

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109

110 111 112 113 114 115 116 117 118 119

120 121

122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136

88 89 90 91 92 93 93 95

100 101 94 Abs. 2 104 105 106 107 108 109 36 Abs. 2 114 103

111 112 113

102 115 116 117 118 119 120 121

122

101

113 114 115 116 117 118

123 125 124 126 127

121 120 122

129 Abs. 1 128

124 125

123

120 122 123 123 a 124 125

137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184

Entwurf Februar 1936

Entwurf Oktober 1937

Entwurf Oktober 1938

Entwurf Februar 1939

129 Abs. 2 131 Abs. 1, 3 132 139 Abs. 2,133 134 135 136 137 139 140 141 143 144, 145 146 147 149 142,143 Abs. 2 150 151 154 155 156 157 158 156 Abs. 3, 157 Abs. 2 161 159 162 163 164 165 166 167, 168 169 170 171 172 173

126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 149 148 150

126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150

151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163

151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163

151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163

174 175 176 177 178 179 180 181 182

164 165 166 167 168 169 170 171 172

164 165 166 167 168 169 170 171 172

164 165 166 167 168 169 170 171 172

185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220

221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233

Entw urf Februar 1936

Entw urf Oktober 1937

Entw urf Oktober 1938

Entw urf Februar 1939

182 183 Abs. 1, 2 183 Abs. 3 184 185, 186 188 190 189 191 192 193 187, 194 195, 196 197 Abs. 1 197 Abs. 2 - 5 198 199, 206 200 201 202 204 203 205 207 210 211 212 216 217, 218 213 214, 215 219 220 221 224 Abs. 1, 226 230 231 227 228 226 Abs. 2 224 Abs. 2 229 232 233 235 Abs. 1 235 Abs. 3 - 5 236

172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 198 199 200 201 202 203 204 205 206 209, 210 215 216 211 212 211 Abs. 4 224 214 213 217 221 222 223

172 a 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 198 199 200 201 202 203 204 205 206 209 210 211 212 213 214 214 a 215 216 217 218 219 220 221 222

172 a 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 198 199 200 201 202 203 204 205 206 209 210 211 212 213 214 214 a 215 216 217 218 219 220 221 222

-

234 Abs. 1, 2

-

218

235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282

Entwurf Februar 1936

Entwurf Oktober 1937

Entwurf Oktober 1938

Entwurf Februar 1939

234 Abs. 3 234 Abs. 4 237 Abs. 1 237 Abs. 2, 3 237 Abs. 4 238 251 Abs. 1, 3 239 240 241 Abs. 1 241 Abs. 2 242 243 251 Abs. 2, 3 244 245

219 220 225 226 227 228 230 231 232 233 234 235 236 237 238 240 241 242 243 244 245 246 247 249

223 224 225 226 227 228 230 231 232 233 234 235 236 237 238 240 241 242 243 244 245 246 247 248

223 224 225 226 227 228 230 231 232 233 234 235 236 237 238 240 241 242 243 244 245 246 247 248

252



250 254 253

250 251 252 253 253 a

250 251 252 253 253 a

394

387

387

353 b

28

vgl. 15

254 a 254 b 254 c 254 d 254 e 254 f 254 g 254 h 255 256 257 258 259 260 261 262

254 a 254 b 254 c 254 d 254 e 254 f 254 g 254 h 255 256 257 258 259 260 261 262

-

246 247 248, 249 250 -

— -

130 Abs. 1 -

-

-

-

-

-

-

-

-



-



-

-

-

253 254 255 256 257 258 259 260

-

255 256 257 258 259 260 261 262

283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331

Entwurf Februar 1936

Entwurf Oktober 1937

Entwurf Oktober 1938

Entwurf Februar 1939

261 262 263

263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 275 275 275 276 278 279 280 281 282 283

263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 275 a 275 a 275 b 276 278 279 280 281 282 283 283 a 284 285 286 287 288 288 a 289 292 293 294 295 296 297 298 299 302 303 304 305 306 307 308 309 310

263 264 265 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 275 a 275 a 275 b 276 278 279 280 281 282 283 283 a 284 285 286 287 288 288 a 289 292 293 294 295 296 297 298 299 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311

264 265 266 267 268 269 270 271 272 272 272 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 286 285 288 289 Abs. 1 289 Abs. 3 291 302 Abs. 1 293, 295 299 294 300 301 302 304 305 306 307 308 309

284 285 286 287 288 290 289 292 293 277 294 296 297 298 299 302 303 304 305 306 307 308 309 310 311

332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379

Entwurf Februar 1936

Entwurf Oktober 1937

Entwurf Oktober 1938

Entwurf Februar 1939

310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 Abs. 1, 2 3 19-321 322 323

312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324



312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 324 a 325 328 329 330 331 333 334 335 336 337 337 a 339 340 341 342 343 344 345 346

-

324 327 328 329 330 332 333 334 335 — -

337 338 Abs. 4 338 Abs. 1 - 3 339 341 342 343 344 Abs. 1 346 Abs. 2, 3 347 348 349 350

-

325 328 329 330 331 333 334 335 336 337 -

339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350



-

347 348 349 349 a 350

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-









350 a 350 b 350 c

351 352 354



350 a 350 b 350 c

ai 19 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423

E ntw urf Februar 1936

E ntw urf O ktober 1937

E ntw urf O ktober 1938

E ntw urf F ebruar 1939

353 355 356 357 358 359



350 d 350 e 350 f 350 g 350 h 350 i 3501

350 d 350 e 350 f 350 g 350 h 350 i 3501 351 352 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365

-

360 361, 362 361 Abs. 1 362 Abs. 3, 355 364 365 366 367, 368 Abs. 1 368 369 370 371 372 364 S. 1, 365 Abs. 1 S. 2 373 374 375 376 377 378 379 380

-

351 352, 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365





3 7 3 -3 7 7 378 379 380 381 382 383 384 385 386 388 389 390 391 392 393 394, 395

393 395 —

396 85 Abs. 1 —

85 Abs. 2, 3 -

-

366 367 368 369 370 371 372 372

380 ff. 385 386 387 388 390 390, 391 392 —

-

-

366 367 368 369 370 371 372

373 — -

1

374 375 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 391 392 393 394

Entwurf Februar 1936

431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444 445 446 447 448 449 450 451 452 453 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463 464 465 466 467 468 469

298 77 Abs. 2 335 Abs. 1 Nr. 4 397 399 400 401 Abs. 1, 3 401 Abs. 4, 402 Abs. 1, 4 403, 404 405 406, 407 409 410

423 411 -4 1 3 414 414 416 417 418 419

Entwurf Oktober 1937

Entwurf Oktober 1938

396 397 398 399 400 401 402 403, 404 405 406 407 409 410

396 397 398 399 400 401 402 03, 4C 405 406 407 409 410

411 412 413 414 415

411 412 413 414 415 415 a 415 b 415 c 415 d 415 e 415 f 415 g 415 h 416 417 418 419 420 421 422 423 426 427 428 429 430 431 432 433 434

416 417 418 419 420 421 422 423