Das englische Drama im Zeitalter der Reformation und der Hochrenaissance: Vorstufen, Shakespeare und seine Zeit [Reprint 2019 ed.]
 9783111637792, 9783111255248

Table of contents :
Vorwort
Allgemeine Bibliographie
I. Die Vorstufen des eigentlichen Dramas
II. Das eigentliche Drama der Hochrenaissance (von 1550 an)
Schlüssel zu den Abkürzungen der Dramentitel
Register
Berichtigungen und Zusätze
Inhaltsverzeichnis

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GESCHICHTE DER ENGLISCHEN LITERATUR IM GRUNDRISS

DAS ENGLISCHE DRAMA IM ZEITALTER DER REFORMATION UND DER HOCHRENAISSANCE

BERLIN UND LEIPZIG

WALTER DE GRUYTER & CO. VORM. G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — K A R L J. TRÜBNER — VEIT dt COMP. 1928

DAS ENGLISCHE DRAMA IM ZEITALTER DER REFORMATION UND DER HOCHRENAISSANCE VORSTUFEN, SHAKESPEARE UND SEINE ZEIT

VON

Dr. E D U A R D E C K H A R D T OBERBIBLIOTHEKAR UNO A. O. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT FREIBURG I. BR.

BERLIN U N D LEIPZIG

WALTER D E GRUYTER & CO. VORM. G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J. GUTTENTAO, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J. TRÜBNER — VEIT 4 COMP. 1928

Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, vorbehalten.

Printed in Germany.

Druck von H. Laupp jr, Tübingen

MEINER LIEBEN FRAU

VORWORT.

VII

Vorwort. Dies Buch ist geplant als Fortsetzung zu Brandls mittelenglischer Literaturgeschichte in Pauls Grundriß. Ich nehme also den Faden da wieder auf, wo er bei Brandl endet, nämlich beim Jahre 1500 als der allgemein angenommenen Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit. Meine Arbeit ist trotz ihres anscheinend großen Umfangs nur ein kurzer Grundriß eines überreichen Stoffes; sie soll ein Nachschlagebuch für solche Anglisten sein, die vom Inhalt eines einzelnen Dramas aus der von mir dargestellten Zeit einen ungefähren Begriff erhalten wollen, zugleich eine Grundlage für das Selbststudium weiterer Kreise, die sich für das englische Drama jener Zeit besonders interessieren; namentlich will ich den Leser dieses Buches dazu anregen, selbst manche der von mir vorgeführten Stücke in ihrer Ursprache kennen zu lernen. In meiner Darstellung des Stoffes habj ich mich bemüht, ein induktives Verfahren einzuhalten. Die allgemeine Beurteilung der dichterischen Eigenart eines Dramatikers können wir erst aus Beobachtungen über diese Eigenart in seinen einzelnen Dramen herleiten. Ich habe daher durchweg jene allgemeine Beurteilung stets erst an den Schluß der Besprechung des betr. Dichters gestellt; es wäre verfehlt, das, was erst auf Grund von Einzelbeobachtungen gewonnen worden ist, diesen vorangehen zu lassen. Den Stoff habe ich nicht streng chronologisch geordnet, sondern nach Dramengattungen und Kunstrichtungen. Eine solche Anordnung hat den Nachteil, daß vielfach ein späteres Stück einem früheren in der Reihenfolge der Darstellung vorangeht, daß mitunter auf ein Drama als Quelle eines andern hingewiesen wird, dessen Besprechung erst später erfolgt. Dieser allerdings erhebliche Nachteil wird m. E. durch den Vorteil mehr als aufgewogen, den die geschlossene zusammenfassende Schilderung der Entwickelung der einzelnen Dramengattung gegenüber der durch die streng chronologische Ordnung bewirkten Zersplitterung jener Schilderung hat. Die Vorstufen des eigentlichen Dramas habe ich trotz ihrer niedrigeren Kunststufe, ausführlicher behandelt als (mit Ausnahme Shakespeares) dieses selbst, weil in einer literaturgeschicht-

VIII

VORWORT.

liehen, wie überhaupt in jeder geschichtlichen Darstellung, nicht das an sich Wertvollere, sondern die relative Wichtigkeit am meisten zu berücksichtigen ist. Die Schilderung muß eingehender sein bei der Entstehung der Geleise, die dann, nachdem sie einmal eingefahren sind, kürzere Behandlung verdienen. Im späteren Teil nimmt die Besprechung Shakespeares besonders viel Raum ein; der größte englische Dichter verdient natürlich eine ausführlichere Würdigung als seine weniger bedeutenden Nebenbuhler. In der dem Buche beigegebenen Bibliographie ist Vollständigkeit weder beabsichtigt noch überhaupt notwendig; ich habe hauptsächlich die einschlägigen neueren und neuesten Schriften erwähnt, und verweise im übrigen auf die sehr umfangreichen und genauen Bibliographien in der Cambridge History of English Literature, Vol. 5, p. 381—482 und 6, p. 410—501 und bei Schelling, Elizabethan Drama, Vol. 2, p. 433—537. Wieviel meine Arbeit den eben genannten Werken sowie denen von Courthope, Creizenach, Koeppel und Ward zu verdanken hat, davon legt das auf diese Werke hinweisende Register am Schluß Zeugnis ab. Am meisten habe ich Creizenach benutzt; sein kluges besonnenes Urteil und der weite Umkreis seines Wissens werden wohl noch auf lange Zeit hinaus sein Buch allen Forschern über die Geschichte des älteren englischen Dramas unentbehrlich machen. Fast alle von mir beschriebenen Stücke habe ich jetzt oder früher selbst gelesen; die wenigen Dramen, die mir in Deutschland nicht zugänglich waren, sind durch das Zeichen * vor dem Titel kenntlich gemacht. Unsere Freiburger Universitätsbibliothek ist ungewöhnlich reich an Ausgaben von Dramen aus der Zeit, die für dies Buch in Betracht kommt; die großen und auch die meisten kleineren Dramatiker der Renaissance sind fast vollständig in ihr vertreten. Ihr gebührt daher mein besonderer Dank; zur Beschaffung des meinem Buch zugrunde liegenden Materials habe ich nur ganz wenige Werke von auswärtigen Bibliotheken zu bestellen brauchen. Bei jedem Drama habe ich die sicher feststehende oder die vermutliche Entstehungszeit angegeben, daneben die älteste Druckausgabe nebst Format; um 1529; 40, 1561 bedeutet also z. B., daß das betr. Stück um 1529 entstanden und 1561 zuerst in 4 0 gedruckt worden ist. Freiburg i. Br., im Juni 1927. Eduard

Eckhardt.

ALLGEMEINE

BIBLIOGRAPHIE.

IX

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X

ALLGEMEINE

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I. D I E V O R S T U F E N DES E I G E N T L . D R A M A S . —

A . D I E MISTERIEN.

I

1. Die Vorstufen des eigentlichen Dramas. Zu Beginn der Neuzeit, um 1500, waren von den einzelnen Gattungen des englischen Dramas, in verschieden abgestufter Entwickelung, schon vorhanden: Misterien 1 ), Mirakelspiele, Moralitäten und, wenigstens in den ersten Anfängen, auch komische Zwischenspiele und eigentliche Dramen. A. Die Misterien. 2. Gordon C r o s s e , T h e Keligious Drama. London und Milwaukee 1914. — C. D a v i d s o n , Studies in the Englisch M y s t e r y Plays. 1892. — Adolf E b e r t , Die englischen Misterien (Jahrb. f. roman. und engl. Lit., B d . 1). Berlin 1859. — Alfred W . P o 11 a r d , English Miracle Plays, Moralities and Interludes Oxford und London 1923.

3. Die älteste Stufe des englischen Dramas, das aus der mittelalterlichen Kirchenliturgie heraus entstandene B i b e l - o d e r M i s t e r i e n d r a m a , hatte um 1500 den Höhepunkt seiner Entwickelung längst überschritten und war damals schon in stofflicher Hinsicht, durch Dramatisierung der ganzen biblischen Geschichte Alten und Neuen Testaments, zu einem äußerlichen Abschluß gelangt. Nach 1500 erhielt sich das Misteriendrama zwar noch vereinzelt, in einem Falle sogar noch bis ins 17. Jahrhundert hinein; seine Wandlungen innerhalb dieses Zeitraums liegen aber alle außerhalb des Gebiets des Stofflichen. 4. Das englische Bibeldrama des Mittelalters war im wesentlichen eine Schöpfung der Provinz gewesen. Die Verfasser der mittelalterlichen Misterien sind offenbar in den Kreisen der niederen Geistlichkeit zu suchen 2 ). Solange die Misterien noch als eine ') U n t e r Misterien verstehe ich nur biblische Dramen, unter Mirakelspielen Dramatisierungen der Heiligenlegende. I m Englischen werden die Ausdrücke Mysteries und Miracle Plays vielfach miteinander vermengt. *) Der liturgische Ursprung des Misteriendramas, der einem Theologen besonders naheliegende biblische Stoff, die lateinischen Bühnenanweisungen innerhalb des englischen T e x t e s als deutliche Spuren der Entstehung des Bibeldramas aus der lateinischen Kirchenliturgie weisen überhaupt auf Theologen als Verfasser hin; für die niedere Geistlichkeit sprechen insbesondere der volkstümliche Charakter der Misterien, und der in ihnen hervorE c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

I

2

I. D I E V O R S T U F E N DES EIGENTLICHEN D R A M A S .

bloße Erweiterung der kirchlichen Liturgie empfunden worden waren, hatten sie den Zwecken der Erbauung gedient. Mit ihrer zunehmenden Verweltlichung war bloße Unterhaltung immer mehr ihr Zweck geworden. A n ihren liturgischen Ursprung erinnerte schließlich oft nur noch der biblische Stoff, den sie behandeln. Mit dieser Verweltlichung hängt ein anderer Wandel zusammen, der auch schon im Mittelalter eingetreten war: die Geistlichen waren als Darsteller der Misterien durch Laien abgelöst worden, und zwar durch die städtischen Handwerkerzünfte. Natürlich hatte dem auch ein Wechsel der Sprache entsprochen: das Latein des anfangs noch rein liturgischen Dramas war durch das E n g lische ersetzt worden. Die mittelalterliche Bühnentechnik der Misterienaufführungen stand noch durchaus auf der Stufe einer primitiven Kindlichkeit. 5. Ebenfalls ein Kennzeichen der zunehmenden Verweltlichung des geistlichen Dramas im Mittelalter ist die reichliche Durchsetzung des biblischen Stoffes mit Komik 3 ), eine Merkwürdigtretende engherzige streng kirchliche, zugleich von der Scholastik gänzlich unberührte Standpunkt. Von den neuen Ideen der Frührenaissance, die in der gleichzeitigen Epik, z. B. bei Chaucer, auftauchen und ihn einen freieren Standpunkt der Kirche gegenüber einnehmen, ja sogar kirchliche Mißbräuche, z. B. den Ablaßschwindel, satirisch geißeln lassen, ist bei den mittelalterlichen Misteriendichtern keine Spur vorhanden. Das hängt gewiß auch damit zusammen, daß die Misterien in der Provinz, fern von den Mittelpunkten des Geisteslebens, entstanden sind. a ) Diese Komik berührt uns zunächst fremdartig. Wir empfinden sie als unpassend, als eine Herabwürdigung der Heiligkeit des biblischen Stoffes. Der mittelalterliche Mensch empfand freilich anders als wir: er konnte wie ein Kind in einem Augenblick Tränen der Rührung vergießen und im nächsten wieder selbst über entsetzlich rohe Späße lachen. Trotzdem ist die Komik innerhalb des mittelalterlichen Bibeldramas durchaus nicht etwas Selbstverständliches. In der Bibel selbst, der Quelle der biblischen Dramen, war sie ja nicht vorhanden. Sie hat sich aber zuerst wahrscheinlich in einer Reihe von Fällen ganz von selbst eingestellt. Allerdings enthält die Bibel selbst keine Komik, aber Keime zu einer solchen stecken doch mitunter im biblischen Stoff. In einem Stücke der ehester Plays tritt z. B . der Prophet B i 1 e a m auf; zu seiner Charakterisierung gehört natürlich, im Anschluß an Mos. IV 22, 21 ff., eine Eselin, die als redend vorgeführt wird. Auf der Bühne mußte das unwiderstehlich komisch wirken. Der etwaige Einwand, Bileam sei nur deshalb in die Chester PL aufgenommen worden, um durch seine Eselin Komik zu erzielen, ist nicht stichhaltig; denn er spielt in der späteren biblischen Literatur, auch unabhängig von der Eselin, eine erhebliche Rolle, wie die mehrfachen Anspielungen auf ihn im Neuen Testament beweisen (II. Petr. 2, 15; Jud. 1 1 ; Offenb. 2, 14). Es lag also nahe, ihn als alttestamentlichen Propheten vorzuführen; dabei durfte aber die Eselin nicht fehlen. — In andern Fällen ergab sich die Komik auch ganz von selbst aus der bloßen genaueren Ausmalung des biblischen Stoffes. So bei der Gestalt des H e r o d e s: als regierender Herrscher im Vollbesitz aller königlichen Machtfülle fürchtet er sich vor einem neugeborenen Kinde. Das führte zwangsläufig dazu, ihn als Erzfeigling aufzufassen. — Sogar die

A.

DIE

MISTERIEN.

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keit, die für das spätere eigentliche ernste Drama bedeutungsvoll werden sollte. Schon in diesen mittelalterlichen Misterien treten Züge hervor, die den englischen Volkscharakter kennzeichnen: ein derber, mitunter ungeschlachter Realismus, eine naive behagliche Freude am Dasein. Auch der frische, kräftige, wenn auch mitunter rohe Humor mancher komischer Stellen gehört hierher. 6. Aus der Zeit nach 1500 sind nur noch wenige Misterien auf uns gekommen. Zwar mag manches verloren gegangen sein; aber der Hauptgrund für jene Spärlichkeit ist doch der, daß nach 1500 die Misterien ihre Blütezeit schon längst hinter sich hatten und anfingen, abzusterben. 7. Godly Queen Hester (um 1529/30; 4 0 , 1 5 6 1 ) hg. von G r e g , Bangs Materialien, Bd. 5 (1904). Das älteste Stück nach 1500, das man wegen seines biblischen Stoffes als Misterium bezeichnen kann, ist das anonyme Hester. Früher wurde meist angenommen, daß mit der Titelheldin die Königin Elisabeth gemeint sei; die Entstehung des Stückes wurde daher in die ersten Regierungsjahre dieser Herrscherin verlegt. Brandl zählt das Stück unter die Bibeldramen mit protestantischer Tendenz nach Bales Vorbild. Eine ausgesprochene Tendenz dieser biblische Darstellung von J o s e p h s V e r d a c h t b e i M a r i e n s S c h w a n g e r s c h a f t (Matth. 1, 18 ff.) kann bei genauerer Ausmalung einen Keim der Komik enthalten, der in den Coventry PI. auch tatsächlich zur Komik geführt hat (vgl. Creizenach * I 301). — In allen Misteriensammlungen außer in den Coventry PI. wird N o a h s F r a u als Keiferin geschildert. Dazu bietet die Bibel freilich nicht die geringste Grundlage; aber wenn man die biblische Situation genauer ausmalen wollte, aus der Bibel selbst aber gar keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen waren, was blieb dem Misteriendichter anderes übrig, als aus dem damaligen Alltagsleben zu schöpfen ? Noahs Frau wird also mit Charakterzügen ausgestattet, die bei nordenglischen Bäurinnen oder Bürgerfrauen des Mittelalters häufig gewesen sein mögen. Die Komik ergab sich also auch hier wohl ganz von selbst schon durch die Verknüpfung einer biblischen Persönlichkeit mit dem Alltagsleben, mag aber in diesem Falle noch absichtlich gesteigert worden sein. — In einem andern Falle führte ein ursprünglich wohl bloß erzieherischer Zweck unwillkürlich zur Komik: beim T e u f e l . Man gab ihm, im Anschluß an mittelalterliche Volksanschauungen und an die bildende Kunst, ein möglichst abschreckendes Aeußeres, um die Zuschauer von der Sünde abzuschrecken. Durch die Abstumpfung der Gewohnheit wurde der Teufel jedoch allmählich auch für die furchtsamsten Gemüter zum Hauptvertreter einer sehr packenden grotesken Komik. — Nachdem man aber einmal bemerkt hatte, daß Komik sich von selbst im biblischen Drama eingestellt hatte und wirksam war, begann man, zunächst gewiß nur schüchtern, dann aber immer mehr, die so entstandene Komik absichtlich zu steigern, den biblischen Personen willkürlich komische Situationen anzudichten oder gar rein weltliche Schwanke zu komischen Zwecken in die Misterien einzuflechten (so die Geschichte des schottischen Schafdiebes Mak im zweiten Weihnachtsspiel der Towneley PI., das einem lateinischen Schwank des 12. Jahrhunderts nachgebildet ist, vgl. Brandl, Me. Lit. I I 671). I*

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Art tritt aber nirgends hervor; auch ist nicht Esther, sondern Haman die ausgeprägteste Persönlichkeit des Stückes. Mit ihm ist aber, wie der Herausgeber mit Recht hervorhebt, augenscheinlich der Kardinal Wolsey gemeint 4). Dann muß das Stück viel früher datiert werden. Der Fall Hamans wirkt wie eine Darstellung des Sturzes Wolseys (1529). Die Entstehung des Stückes ist also wohl bald darauf, 1529 oder 1530, anzusetzen, als Wolseys Sturz noch aktuelles Interesse hatte. Der Verfasser gehört nach Greg zur Schule Skeltons, des Schöpfers der politischen Satire mit persönlicher Zuspitzung; vielleicht hat der politische Pamphletist William R o y das Stück verfaßt, Tyndales Sekretär bei dessen Uebersetzung des Neuen Testaments 8 ). Der Wandel der Zeiten wird uns in diesem ältesten erhaltenen Misterium der Neuzeit besonders deutlich. Als Misterium kann das Stück nur noch ganz äußerlich gelten, wegen seines biblischen Stoffes. Nach seinem geistigen Gehalt und seinem Zweck ist es ebensowenig ein Misterium wie etwa Byrons Cain oder Hebbels Herodes und Mariamne. An die Stelle des ursprünglichen erbaulichen Zweckes der mittelalterlichen Misterien ist hier die T e n d e n z d e r p o l i t i s c h e n S a t i r e getreten. Neben dem Einfluß Skeltons ist auch der eines andern ebenso wohlbekannten damaligen Dichters erkennbar, John Heywoods: das Wortgefecht zwischen dem Vice Hardydardy und Haman, wobei jener die Narrheit, dieser die Verständigkeit verteidigt, erinnert an die gleichartige Situation zwischen James und John in Heywoods offenbar älterem, aber schwer genau zu datierendem Stück Folly. In den drei allegorischen Gestalten Pride, Adulation und Ambition offenbart sich, ebenso wie in der Rolle des Vice, die Einwirkung der gleichzeitigen Moralitäten 6). *) V . 840 heißt es: Auoide the murder of this carnifex Aman; carnifex bedeutet »Scharfrichter, Henker«, als Schimpfwort »Schinderknecht, Schurke«, mlat. aber auch oft »Fleischer«. Das Wort ist also anscheinend eine boshafte Anspielung darauf, daß Wolsey der Sohn eines Fleischers war. 6) Fleay nimmt als Verfasser Thom. Richards an, den Dichter des Misog. (1560); Greg weist aber mit Recht auf die Unmöglichkeit dieser Annahme hin: Misog. stellt eine bedeutend höhere Stufe der Entwickelung dar in bezug auf dramatische Kunst und Metrik als unser Stück. Wenn wir dessen Datierung durch Greg als richtig annehmen, ist Richards' Verfasserschaft auch eine chronologische Unmöglichkeit. Auch die Vermutung der Mrs. Stopes, der Verfasser sei William Hunnis, dem sie auch Jacob (vor 1556) zuschreibt, erweist sich aus chronologischen Gründen als unwahrscheinlich. Greg stellt es als Möglichkeit hin, daß Skelton selbst der Verfasser sei. Auch dieser Ansicht kann ich mich nicht anschließen; Skelton pflegte seine Satire sonst nicht hinter der Anonymität zu verbergen. •) Solche allegorische Gestalten begegnen allerdings schon in den Coventry Plays, spielen hier aber nur eine Nebenrolle.

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8. John Bale (1495-1563) 7). Dramatic Writings ed. by John S. F a r m e r , London 1907 für die Early Engl. Drama Soc. B., der Zeit nach der nächste Misteriendichter, stammte aus Cove bei Dunwich in Suffolk, war zuerst Karmeliter in Norwich, bekehrte sich aber zum Protestantismus und wurde nun einer der glühendsten Feinde der katholischen Kirche und einer der eifrigsten Verfechter der neuen Lehre. Eduard VI. ernannte ihn zum Bischof von Ossory in Irland; den Verfolgungen der Königin Maria entging er durch die Flucht auf das Festland. Nach ihrem Tode kehrte er aber wieder nach England zurück und lebte dann bis zu seinem Ende als Präbendar zu Canterbury. 9. B. war der Urheber einer neuen Abart der Misterien, nämlich des B i b e l d r a m a s m i t p r o t e s t a n t i s c h e r Tend e n z , das die katholischen Bibeldramen des Mittelalters aus der Gunst des Publikums verdrängen sollte. Von seinen biblischen Dramen sind acht verloren gegangen, wie aus einer Aufzählung seiner Werke von 1557 hervorgeht: der zwölfjährige Jesus, die Auferweckung des Lazarus, Simon der Aussätzige und fünf Stücke, worin die Ereignisse vom Abendmahl bis zur Auferstehung vorgeführt werden 8). Erhalten sind nur drei misterienartige Stücke B.s: Promis., Bapt. und Tempi. 10. God's Promises (1538). Hg. von Emrys. E. Jones, Erlanger Diss. 1909. Dodsley 4 I. Promis, ist unter B.s erhaltenen Dramen am wenigsten polemisch. Als prolocutor tritt B. selbst auf mit einem Prolog in der Chaucerstrophe. Das eigentliche Stück zerfällt in sieben Szenen; in jeder erscheint je ein Patriarch oder Prophet des alten Bundes zusammen mit dem Pater Coelestis, der ihm die Erlösung der Menschheit verkündet. Nie treten mehr als zwei Personen gleichzeitig auf, offenbar um eine Aufführung durch nur zwei Schauspieler zu ermöglichen. B. wollte mit diesem Drama ein protestantisches Gegenstück zum mittelalterlichen Prophetenspiel darbieten 9). Der pedantische Schematismus, womit es angelegt ist, wirkt aber äußerst langweilig. Hier allein unter den Dramen B.s zeigt sich eine Nachwirkung von Luthers Lehre der Rechtfertigung allein durch den Glauben. 11. John Baptistes (gedr. 1538). Neudruck inHarleian Miscellany, Vol. I, London 1808. ') Ueber sein Leben und seine Werke s. Schröer, Anglia 5 (1882), 137 ff. Vgl. Creizenach I I I 556. Ein Stück B.s David and Absalom befindet sich unter den Stowe MSS., wird aber im Katalog seiner Werke nicht erwähnt (vgl. Hazlitt, Manual p. 59). *) Creizenach I I I 518. 8)

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In Bapt. kommt eine antikatholische Tendenz vor allem in den Rollen des Pharisäers und des Sadduzäers zum Vorschein, die als heuchlerische Vertreter Roms geschildert werden. Beide sind als Typen aufgefaßt, ebenso wie auch zwei andere Gestalten: Publicanus und Miles armatus. Darin verrät sich schon ein Einfluß der Ausläufer der Moralitäten, in deren späterer Entwickelung die ursprünglichen Allegorien durch Typen ersetzt werden. Die noch rein allegorische Gestalt der Turba vulgaris dagegen, die als einzelne Person einen Kollektivbegriff verkörpert, ist ein Erbteil der ursprünglichen Moralitätenart. Das Stück ist also kein reines Bibeldrama, sondern eine Mischform von Misterium und Moralität. 12. The Temptation of Our Lord (gedr. 1538). Hg. von S c h w e m m e r , Erlanger Diss. 1909. Tempt. offenbart die antirömische Tendenz, noch deutlicher: Satan selbst nennt den »Vikar von Rom« seinen Freund. Als bestes Schutzmittel gegen Satans Versuchungen wird die Bibel bezeichnet; indem aber die katholische Kirche ihre Angehörigen dieses Schutzmittels beraube, arbeite sie dem Teufel in die Hände 10 ). 13. Bales Versuch, dem Bibeldrama eine protestantische Tendenz zu verleihen, mißlang, weil er in seiner nüchternen Schwunglosigkeit und allzu absichtlichen Lehrhaftigkeit unfähig war, etwas den mittelalterlichen Misterien Gleichwertiges zu schaffen, die bei aller Unbeholfenheit der Technik doch den Reiz unmittelbarer kindlicher Frische und naiven Humors besitzen. Bei Bales Geburt waren nicht nur die Grazien ausgeblieben, sondern auch einige andere Göttinnen. Er ist ein trockener schwerfälliger humorloser Pedant von geringer Gestaltungskraft, als Protestant ein einseitiger Fanatiker von engem Gesichtskreis; seine antikatholische Polemik bekommt aber doch durch seinen fanatischen Haß gegen Rom eine gewisse Wucht. 14. The Resurrection of Our Lord (zwischen 1530 und 1560). Hg. von W i 1 s o n & D o b e l l , Malone Soc. Repr. 1912. Von dem anonymen Stück Resurr, fehlen Anfang und Schluß; erhalten sind 1321 paarweis oder kreuzweis gereimte Knittelverse. Daß der unbekannte Verfasser ein Protestant war, dafür scheint der fast völlige Mangel an Komik zu sprechen; denn die Protestanten nahmen an der im mittelalterlichen Bibeldrama üblichen Verknüpfung von Tragik und Komik ganz besonders bei den Passionsspielen Anstoß. Ein leichter Anflug von wohl unabsichtlicher Komik steckt höchstens in den Reden der vier das Grab bewachenden Soldaten. In der Liste der englischen Stücke Bales 10

) Wülker

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werden zwei Dramen De sepultura et resurrectione Christi erwähnt. Es liegt nahe, das vorliegende Stück mit dem einen dieser Dramen zu identifizieren; doch fehlt ihm jede antikatholische Polemik, und dieser Umstand macht wieder Bales Verfasserschaft unwahrscheinlich. 15. KingDarius (entstanden 1562/63; 40, 1565). Hg. von Brandl, Quellen. Eine merkwürdige Mischform von Misterium und Moralität liegt vor in dem anonymen Darius A. Die ein Misterium darstellende Haupthandlung beruht auf dem apokryphen dritten Buch Esra, Kap. 3 und 4, und gruppiert sich um die Person des Titelhelden. Der zunehmende Einfluß der Moralitäten tritt in der großen Zahl der allegorischen Gestalten hervor, die teils zur satirischen Nebenhandlung mit dem Vice Iniquity als Mittelpunkt, teils zum Gefolge des Königs Darius gehören. Auch das vorliegende Stück weist durch seine antikatholische Tendenz auf einen protestantischen Verfasser hin 1 1 ). Offenbar soll der Vice Iniquity den Katholizismus selbst verkörpern; er entspricht zugleich dem Vice Infidelity in Bales antikatholischer Moralität Laws, deren Allegorie im allegorischen Teil unseres Dramas nachgeahmt wird. Auch der Schluß: die Vertreibung des Vice durch Feuer, ist beiden Stücken gemeinsam; doch wird auch schon in J. Heywoods Love der Vice Neither Lover nor Loved zuletzt mit Feuerwerkskörpern beworfen. — Eine besondere Eigentümlichkeit dieses Stückes ist das Vorhandensein von zwei fast unvermittelt nebeneinander bestehenden Fabeln. Diese werden erst ganz am Schluss notdürftig und nur sehr äußerlich miteinander verknüpft; eine innere gegenseitige Beziehung besteht zwischen ihnen nicht. Jene Doppelfabel eröffnet eine neue Art der dramatischen Technik, die im späteren eigentlichen Drama oft wiederkehrt (vgl. Shakespeares Merch. oder Lear.). Erst allmählich lernten es die englischen Dramatiker, die beiden anfangs unabhängig nebeneinander herlaufenden Fabeln kunstvoll zu verflechten. An der ungeschickten Verknüpfung in unserem Stücke ist aber, wie Brandl mit Recht betont, nicht nur die Niedrigkeit der hier erreichten Kunststufe schuld, sondern auch ein äußerer bühnentechnischer Zwang, der viele der vorshakespeareschen Dramen kennzeichnet: die Notwendigkeit, auf die geringe Zahl der zur Verfügung stehenden berufsmäßigen Schauspieler Rücksicht zu nehmen. Es mußte vermieden werden, n ) V. 770 ff. redet Iniquity von seinem Vater in Rom, vor dem sich alle Völker beugen, und der vom Schweiße der Armen lebe. V. 858 ist die Rede von der papistischen Nachkommenschaft des Antichrist. Die protestantische Tendenz ergab in einem Stücke, dessen Titelheld der Perserkönig Darius ist, mehrfach gröbliche Anachronismen.

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die Personen der Haupthandlung und die allegorischen Gestalten der Nebenhandlung gleichzeitig auftreten zu lassen, damit, wie d a s Titelblatt ausdrücklich verspricht, 6 Schauspieler alle 21 Personen des Dramas spielen konnten 12 ). — Brandl vermutet als Verfasser einen evangelischen Geistlichen und schließt aus den angeführten Ortsnamen auf Entstehung in einer ostmittelländischen Provinzgegend ]3 ). 16. * The Cruel Debtor (liz. 1565/66) von (William oder Lewis) Wager. Von diesem Stück sind nur einige Bruchstücke überliefert; aus ihnen geht hervor, daß es eine Dramatisierung des biblischen Gleichnisses vom Herrn und seinem Knecht darstellt, der ihm zehntausend Pfund schuldet. Aus den Moralitäten stammen drei allegorische Vertreter des Bösen. Ein Teil der erhaltenen Bruchstücke ist in siebenzeiligen Stanzen abgefaßt. Beide Wager sind eifrige Protestanten. 17. Jacob and Esaù (vor 1556, liz. 1557; 4°. 1568). Dodsley 4 II. Neben der durch Rester vertretenen politischen Satire und der Reformation, deren Ideen im protestantischen Bibeldrama Bales und seiner Nachfolger Ausdruck fanden, verschaffte sich noch eine weitere geistige Strömung Eingang ins neuzeitliche Misteriendrama: der Humanismus. Hierher gehört das anonyme Stück Jacob, das eine Annäherung an das damals schon in den ersten Anfängen vorhandene eigentliche Drama bedeutet; es ist auch wie dieses in Akte und Szenen eingeteilt. Als Vertreter des K o mischen dient Esaus Diener Ragan; er ist mit dem Vice verwandt, aber im Gegensatz zu diesem ein treuer Diener seines Herrn. Eine Nachwirkung der mittelalterlichen Misterien stellen Ragans für die clownartigen Diener der Misterien typischen Klagen über karges Essen und Hunger dar 14). Sonst hat das Stück mit den alten Misterien außer dem biblischen Stoff nichts gemein. Der Geist des Humanismus offenbart sich vielmehr in dem lehrhaften Zweck, dem es dienen soll. E s stellt eine besondere Abart der Spiele vom »Verlorenen Sohn« dar, die in der D i d a k t i k d e s h u m a n i s t i s c h e n S c h u l d r a m a s eine bevorzugte Rolle spielen 1 5 ). Als »Verlorener Sohn« wird Esaù gekennzeichnet. D a ß dieser schon von vornherein verworfen, Jakob dagegen schon vor der Geburt auserwählt ist, darin verrät sich vielleicht der Einfluß 12) Ganz ist das freilich nicht gelungen; V. 676—730 sind 7 Personen gleichzeitig auf der Bühne anwesend, s. Brandl, Quellen S. L X V I I I . 13) Brandl, Quellen S. 658. 14) Eckhardt, Lust. Pers. S. 44. 15 ) Ein lat. Schuldrama des Typus vom »Verlorenen Sohn« ist Acolastus von Gnaphaeus; englische einschlägige Stücke sind Richards' Misog., Ingelends Disob. und Gascoignes Glass.

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der Prädestinationslehre Calvins; freilich hatte vor ihm auch schon Wyclif die gleiche Lehre verkündet. Der Verfasser ist also offenbar Protestant, aber kaum, wie Mrs. Stopes annimmt, William Hunnis, der Leiter der kgl. Kindertruppe, die das Stück spielen sollte, sondern eher der Schulmeister Nicholas U d a 1 1 , der Verfasser des ältesten englischen Lustspiels 1 6 ). A n Udall erinnern die große Rolle, welche die Diener spielen, die häufige Einfügung von Liedern und die nicht in der Bibel enthaltene allgemeine Versöhnung am Schluß 17 ). Z u Udalls Beruf paßt auch der pädagogische Zweck dieses Dramas. Es entfaltet stellenweise eine lebendige Charakteristik, die vom Verfasser auch schon durch die Bühnenanweisungen bewußt angestrebt wird; die Darsteller sollten durch ihr Aeußeres als Juden gekennzeichnet werden. Mit einer gewissen Vorliebe und eingehender Ausmalung von Einzelzügen wird Esaus Jägerleben geschildert. 18. Comedy of the Prodigal Son (vor 1599) 18) Bei Simpson II. Son, anonym, ganz in Prosa, zerfällt in sechs A k t e und zählt unter den handelnden Personen als Erbe der Moralitäten Despair und Hope. Im übrigen stellt das Stück den biblischen Stoff mit fast wörtlichen Anklängen an die Bibel dar. Wohnsitz des Vaters des »Verlorenen Sohnes« ist aber Deutschland, Schauplatz des liederlichen Lebens des Sohnes Italien. Son gehörte offenbar zum Spielplan der englischen Komödianten in Deutschland und zeigt gelegentlich durch eingestreute deutsche Worte deutliche Spuren einer Uebersetzung aus dem Deutschen. Der lehrhafte Zweck wird in diesem typischen Schuldrama noch stärker betont als in Jacob, so daß es zum Teil wie eine langweilige Moralpredigt wirkt; die Darstellung der Liederlichkeit des Titelhelden überrascht uns aber durch einen einfachen, aber wirksamen Realismus. Das Ganze erweckt gegenüber anderen Dramen aus der gleichen Zeit den Eindruck einer absichtlichen Rückkehr zu einer primitiveren Stufe der Dramatik. 19. The Stonyhurst Pageants (nach 1610). Hg. von Carleton Brown, Hesperia, Erg.-Bd. 7 (1920). Ein sehr verspäteter Nachzügler unter den Misterien sind schließlich Ston., die erst kürzlich von ihrem Herausgeber aus jahrhundertelanger Vergessenheit ans Licht gebracht worden sind 19 ). Die Entstehungszeit ist unbekannt; doch benutzt Brown 18)

Wallace p. 100 ff. " ) Boas, Cambr. Hist. V 113. 1S) Ein terminus ad quem für die Entstehungszeit ergibt sich aus der Anspielung auf das Stück in Histriomastix (vor 1599). " ) Der Einleitung des Herausgebers verdanke ich die meisten literaturgeschichtlichen Angaben über diese Sammlung.

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DRAMAS.

das Fehlen der Form its zur Datierung 20 ). Die Sammlung stellt einen Zyklus von 18 einzelnen Stücken dar, sämtlich aus dem Alten Testament. Das Ganze umfaßt 8740 Zeilen und ist dabei nicht einmal vollständig überliefert; Anfang und Schluß fehlen. Das erste im Text vorliegende Stück handelt von Jakob und ist als Nr. 6 bezeichnet. Stück 13, wahrscheinlich die Geschichte von Ruth, ist verloren gegangen. Brown schätzt den Umfang der ganzen Sammlung in vollständiger Gestalt auf 13 000 Zeilen. 20. Ihren Namen haben diese Pageants nach dem jesuitischen Stonyhurst College (1794 gegründet) in Nordlancashire; diesem College gehört gegenwärtig die Handschrift, in der die Pageants überliefert sind. Für deren Entstehung in Lancashire selbst sprechen vorhandene Spuren der Lancashirer Mundart. Stonyhurst ist heute einer der Mittelpunkte des Katholizismus in England. Auch der Verfasser des vorliegenden Zyklus war Katholik; das läßt sich daraus erweisen, daß er als Quelle nicht den anglikanischen Bibeltext benutzt hat, sondern die Vulgata und insbesondere deren in Douai in Frankreich 1609/10 veröffentlichte englische Uebersetzung. Daraus ergibt sich als Entstehungszeit die Zeit nach 1610. Brown vermutet als Verfasser einen Studenten aus Lancashire, der im englischen Jesuitencollege zu Douai studierte. Er war wahrscheinlich ein Theologe, vielleicht sogar ein Jesuit 21 ), vermeidet aber alle antiprotestantische Polemik, und beschränkt sich in den ersten 17 Stücken darauf, die Hauptereignisse des Alten Testaments, in genauem Anschluß an die Bibel, unter Verzicht auf jede Komik, vorzuführen. Von eigener Erfindung sind in jenen Stücken nur die Namen der in der Bibel vorkommenden, aber nicht mit Namen genannten Personen. Eine Einwirkung des gleichzeitigen eigentlichen Dramas ist darin erkennbar, daß diese Namen, im Anschluß an die englischen Nachahmungen des antiken Dramas, teils griechisch-lateinisch sind (Glaucus, Balbo usw. in Stück VII von Joseph), teils italienisch (Brabantio wohl aus Shakespeares Oth. ebenfalls in VII). Aus dem von Seneca beeinflußten eigentlichen Drama stammt auch der sehr ausgiebig verwendete Kunstgriff, bühnentechnische Schwierigkeiten durch die epische Erzählung des Chorus oder eines Nuntius zu umgehen. Die dramatische Technik ist von der allereinfachsten Art. Die Aufführung besonders der längeren Stücke muß ungeheuer langweilig ao) Brown nimmt Entstehung vor 1625 an. Im N E D ist aber der älteste Beleg für its schon vor 1598; die Sammlung ist also wohl etwas früher zu datieren, als Brown es tut. " ) In Stück X I V heißt eine der Nebenpersonen, ohne ein Zerrbild darzustellen, Loyolus.

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gewesen sein. Der Verfasser erscheint uns in den ersten 17 Stücken fast durchweg als humorloser Pedant, der sich vor allem bemüht, möglichst genau zu sein; daher bringt er aus der Bibel auch manche in dramatischer Hinsicht ganz belanglose Einzelheiten. Nur in Stück X I von Jephtha wird er durch die tragische Situation zu wirklichem Pathos mit fortgerissen. Ganz verfehlt ist auch die metrische Form der ganzen Sammlung: paarweis gereimte Septenare, wobei das Stümpertum des Verfassers sich auch in seiner Reimtechnik zeigt. Er reimt gleichmäßig betonte und unbetonte Silben; auch sind seine Reime mitunter ungenau. 21. Eine völlige Ausnahmestellung innerhalb der ganzen Sammlung nimmt Stück 18 ein, das letzte in dem uns vorliegenden Texte, worin die Geschichte des syrischen Feldhauptmanns Naeman (2. Kön. 5) vorgeführt wird. Hier entfernt sich der Dichter weit von seiner biblischen Grundlage, die ihm nur die Umrisse einer dramatischen Handlung darbot. Die Behandlung des Stoffes ist so verschieden von den übrigen Stücken, daß es nahe liegt, dies Stück einem andern Verfasser zuzuschreiben; doch macht die mit den übrigen Teilen übereinstimmende Sprache und Metrik dies wieder recht unwahrscheinlich. Die einzigen Namen, die denen der Bibel entsprechen, sind Naaman und Giezi (in der Bibel: Naeman und Gehasi). In der Bibel heilt der Prophet Elisa den aussätzigen Naeman und bestraft den Gehasi wegen seines Geizes mit dem Aussatz. Zu diesen Gestalten hat der Dichter eine ganze Schar von weiteren Personen hinzugedichtet, zum großen Teil Diener und Dienerinnen, für deren Charakterisierung ihm die altklassische Komödie des Plautus als Muster diente. Namen und Situationen sind von hier entlehnt. Schon daraus geht hervor, daß im vorliegenden Stücke der Komik reichlich Raum gewährt wird. Ihre Hauptträger sind das Küchenmädchen Bromia und Naamans Diener, der faule Schurke Dorio. Auch das für das elisabethanische Drama so charakteristische Wortgefecht wird hier nachgeahmt. Die ekelhafte Krankheit des Naaman wird mit grell realistischen Einzelheiten geschildert. Auch aus dem Eheleben Naamans und seiner Gattin Artemona erfahren wir Züge eines intimen Realismus. Dem Verfasser gelingt es mehrfach, die Spannung geschickt zu steigern; er verfällt aber doch sonst wieder in seine in den übrigen Stücken so langweilige Umständlichkeit, wobei das schon längst Bekannte immer wieder von andern Personen aufs neue aufgetischt wird. Der Schluß des Stückes fehlt. 22. Wenn Stück 18, wie wir annehmen dürfen, den gleichen Verfasser hat wie die übrigen Stücke, so geht daraus hervor, daß er als Dichter doch kein solcher Stümper war, wie die ersten

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DRAMAS.

17 Stücke uns glauben lassen, sondern daß das Primitive seiner Kunst vielmehr wahrscheinlich auf einem bewußten Prinzip beruht, das ihn absichtlich an einer damals längst überlebten Kunstform festhalten ließ. Die katholische Gesinnung des Verfassers mag ihn dazu geführt haben, dem protestantischen Misteriendrama Bales und seiner Nachfolger ein neuzeitliches katholisches Gegenstück gegenüberzustellen, und mit Ueberspringung des Reformationsdramas den Faden der Entwickelung des englischen Dramas da wieder anzuknüpfen, wo er durch die Reformation abgerissen war, nämlich an die mittelalterlichen Misterien. 23. E s könnte uns wundernehmen, daß die primitivste Stufe des neueren Dramas, das Misterienspiel, sich in Ston. noch in eine Zeit hinein lebendig erhielt, als Shakespeare seine dramatischen Meisterwerke schon vollendet hatte. Doch erhält sich eine altmodisch gewordene Kunstgattung mitunter mit erstaunlicher Zähigkeit, besonders in entlegenen Gegenden, fern von den Brennpunkten des geistigen Lebens der Zeit, wie in unserem Falle in Lancashire. In Deutschland haben wir ja ein noch auffallenderes Beispiel dafür im Oberammergauer Passionsspiel, das, fern von Weimar und den heutigen Hauptstätten der deutschen dramatischen Kunst, auch neben dem klassischen Drama eines Goethe und Schiller oder neben der neuzeitlichen Dramatik eines Gerhart Hauptmann bestehen geblieben ist. Ueberbllck über die Entwickelung der Misterien nach 1500. 24. Als hervorstechendster Zug dieser Entwickelung fällt uns auf, daß die schon im Mittelalter weit vorgeschrittene Verweltlichung dieser Dramengattung nun noch weiter zunimmt und sich vollendet. Seines ursprünglichen rein religiösen Gehalts wird das Bibeldrama in der Neuzeit vollends entkleidet; es ist bezeichnend, daß als dramatische Stoffe aus der Bibel mit Vorliebe solche Erzählungen gewählt werden, die an sich schon einen mehr weltlichen Anstrich aufweisen und ebensogut i n einer rein weltlichen Geschichtensammlung enthalten sein könnten (Esther, Darius), oder es wird die religiöse Färbung des biblischen Themas umgeändert (Bales Bapt. und Tempt., Jacob). Der ursprüngliche Zweck des geistlichen Dramas wird völlig umgebogen: es dient der politischen Satire mit persönlicher Spitze (Hester); es wird von Bale und seinen Nachfolgern zum antikatholischen Tendenzdrama umgestaltet (Bales Misterien, Darius A), oder es erhält wenigstens einen protestantischen Stempel durch Entfernung aller für die Protestanten so anstößigen Komik aus dem Passionsdrama (Resurr.). Endlich bemächtigte sich auch der Humanismus des

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MISTERIEN.

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Misteriendramas, um es zum Schuldrama umzugestalten und Lehrzwecken dienstbar zu machen {Jacob, Son). 25. Der Individualismus der Neuzeit zeigt sich nicht nur darin, daß die späteren Misteriendichter uns, im Gegensatz zu den mittelalterlichen, zum Teil dem Namen nach bekannt sind (Bale), sondern auch darin, daß bestimmte einzelne Dichter in den jüngeren Misterien nachgeahmt werden (Skelton und J. Heywood in Hester, letzterer vielleicht auch in Darius A, Plautus in Ston.), ferner darin, daß die Satire sich nun nicht mehr wie im Mittelalter allein gegen ganze Gruppen oder Stände richtet, sondern gelegentlich auch gegen einzelne Personen (Wolsey in Hester). Der Einfluß der gleichzeitigen Moralitäten macht sich in den allegorischen Gestalten geltend, die in die neuzeitlichen Misterien eingestreut werden {Hester, Bwpt.); in Darius A besteht sogar die ganze umfangreiche Nebenhandlung ausschließlich aus abstrakten Personen. Selbst rein theologische Dogmen wie das lutherische von der Rechtfertigung allein durch den Glauben oder das calvinistische von der Prädestination klingen uns vereinzelt entgegen {Promis., Jacob). Am Schluß unserer Entwicklungsreihe steht dann aber als literaturgeschichtliche Merkwürdigkeit die künstliche Wiederbelebung des schon scheinbar zur Leiche gewordenen Bibeldramas durch die katholischen Ston., in bewußter Auflehnung gegen die Protestantisierung dieser Dramengattung in der Reformationszeit. 26. Eine psychologische Verfeinerung in der Charakterisierung trat erst im eigentlichen Drama ein, wäre also nur in den mit diesem Drama gleichzeitigen Misterien zu erwarten. Sie kam hier aber gar nicht oder nur wenig zur Entfaltung, weil die aller wahren Kunst feindliche Tendenz die einschlägigen Stücke mehr oder weniger beherrschte und das Streben nach Verfeinerung der Kunst verkümmern ließ, soweit überhaupt die geringe Zahl jener Stücke ein Urteil erlaubt. Einen künstlerischen Fortschritt der neuzeitlichen Misterien gegenüber den mittelalterlichen können wir höchstens darin erblicken, daß die schon im Mittelalter erfolgreich begonnene Ausmalung der jeweiligen Situation mit lebendigen realistischen Einzelzügen jetzt fortgesetzt und gesteigert wird (vgl. Jacob, Son, Stück 18 der Ston.). 27. Die Metrik der neuzeitlichen Misterien gewährt ebensowenig ein einheitliches Bild wie die der entsprechenden Spiele im Mittelalter. Die besonders in den Moralitäten hervortretende Neigung, die komischen Stellen von den ernsten auch äußerlich zu sondern, indem erstere in Schweifreimstrophen (Reimstellung aabaab), letztere in Chau erstrophen (ababbcc) abgefaßt sind, zeigt sich nur in Hester. Die feierliche Chaucerstrophe wird aber

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im Prolog auch sonst verwandt {Promis., Jacob). Im übrigen herrscht in Promis, und Bapt. der lose gebaute paarweis gereimte Fünfsilbler vor. In Jacob und Resurr, überwiegen paarweis oder kreuzweis gereimte Knittelverse. Eine Eigentümlichkeit von Darius A ist es, daß hier kurze skeltonische Verse als Schweifreimstrophen auch in den Reden der ernsten Personen begegnen; sonst sind hier vierhebige Reimpaare am häufigsten. Ueber die paarweis gereimten Septenare in Ston. s. § 20. 28. Das Hauptvermächtnis der Misterien an das spätere regelrechte Drama war die eigenartige Verbindung des Tragischen mit dem Komischen in den Trauerspielen der volkstümlichen Richtung (vgl. § 5 und Anm. 3). Vielleicht hat auch bei der Entstehung einer neuen Dramenart, der Tragikomödie, alte Misterienüberlieferung nachgewirkt. B. Die Mirakelspiele. 19. G. R . C o f f m a n , A N e w Theory concerning the Origin of the Miracle Play. Diss. von Chicago 1914. — P o l l a r d , s. § 2.

30. Die M i r a k e l s p i e l e stellen schon an sich, als Dramengattung, einen künstlerischen Fortschritt gegenüber den Misterien dar, weil ihre stoffliche Begrenzung weniger eng ist. Erhalten sind aus der Zeit vor 1500 nur zwei solche Stücke: The Play of the Sacrament (1461) und das Digby- Spiel von Mary Magdalene (Ende des 15. Jahrh ) 2 2 ). Schon in den Misterien haben wir in einem Falle Einflüsse der weltlichen Literatur des Mittelalters festgestellt 23). In Magd. A bemerken wir sogar Anklänge an die altrömische Komödie des Terenz 24). 31. Das Mirakelspiel spielte schon in der katholischen Zeit in England eine viel geringere Rolle als das Bibeldrama; im Jahrhundert der Reformation mußte es vollends verkümmern, weil seine Grundlage, die Heiligenlegende, für den Protestantismus bedeutungslos wurde, sehr im Gegensatz zu der Quelle des Misteriendramas, der Bibel, die dem Protestantismus sogar noch mehr bedeutet als dem Katholizismus. 32. Life and Repentance of Mary Magdalene (40, 1566) von Lewis W a g e r . Hg. von C a r p e n t e r . Chicago 1902. 2a) Ueber sonstige Spuren englischer Mirakelspiele des Mittelalters s. Creizenach a I 159. *') Vgl. Anm. 3 über Mab. M ) Brandl, Me. Lit. S. 705. O b nicht vielleicht auch schon die Rollen der prahlerischen Feiglinge in den Misterien (Herodes, Pilatus, Pharao usw.) durch die typische Gestalt des Miles gloriosus bei Plautus beeinflußt worden sind, lasse ich dahingestellt. Das Digby-Spiel The Massacre of the Innoccnts knüpft jedenfalls schon in der Gestalt Watkins deutlich an diesen Miles an.

C.

DIE

MORALITÄTEN.

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Nur ein einziges Stück könnte man allenfalls zu den Mirakelspielen rechnen, Magd. B ; es müßte aber wegen seiner überwiegend allegorischen Personen noch eher eine Moralität genannt werden, und berührt sich auch noch mit den Misterien, indem es manche Züge aus der Bibel selbst entlehnt. Das Stück ist ganz unabhängig von Magd. A. Während dieses noch in die katholische Zeit fällt, ist L. Wager, von dessen Leben wir sonst nichts wissen, Protestant, und als solcher ein Nachahmer Bales.Protestantisch ist die Tendenz des Stückes: es soll erweisen, daß der Glaube allein selig macht 2S ). Antikatholische Satire entfaltet der Vice Infidelity, eine Nachbildung der gleichnamigen Gestalt in Bales Laws: er trägt eine Maske mit unheimlich schielenden Augen und sagt von sich selbst, er mache es wie die Bettelmönche, die mit einem Auge auf ihr Buch, mit dem andern auf ein Mädchen blickten. Auch die zu Anfang des Stückes vom Vice durcheinander geworfene Bruchstücke der katholischen Liturgie sollen offenbar diese lächerlich machen.

C. Die Moralitäten. 33. W . R o y M a c k e n z i e , The English Moralities form the Point of View of Allegory. Boston 1914. — P o l l a r d , s. § 2 . — R . L . R a m s a y s Ausgabe von Skeltons Magnif., E E T S . , E x t r a Ser. vol. 98 (1908) enthält «•ine vortreffliche Einleitung über die Moralitäten im allgemeinen.

34. In den M o r a l i t ä t e n hatte die mittelalterliche Vorliebe für die Allegorie zuerst ihre dramatische Ausprägung erfahren. Die ältesten englischen Moralitäten waren nach den Misterien und Mirakelspielen auch schon im Mittelalter entstanden. Aus der Zeit vor 1500 sind folgende Moralitäten überliefert: Pride of Life (Anfang des 15. Jahrh.), die drei Macro Moralities: The Castle of Perseverance, Mankind und Wisdom oder Mind, Will and Understanding (alle drei aus der Zeit Heinrichs VI, 1422—61), Nature von Henry Medwall (bald nach i486, gedr. um 1520 26), und Everyman (vor 1500, gedr. erst um 1529). In allen diesen Moralitäten steht der Mensch als dramatischer Held in der Mitte zwischen den guten und den bösen Mächten, die beide danach trachten, *') Wegen dieser ganz lutherischen Auffassung kann ich an die in Cambr. Hist. V 483 angenommene frühe Entstehung des Stückes (um 1500) nicht glauben. " ) N a c h Collier soll Medwall noch eine andere Moralität verfaßt haben, die verloren gegangen sein soll: of the Finding of Truth, Carried away by Ignorance and Hypocrisy. Dieser Titel wirkt wie eine unfreiwillige Ironie, wenn wir durch die neueste Forschung erfahren, daß eine solche Moralität nie vorhanden gewesen ist, die Nachricht darüber also zu den vielen Fälschungen Colliers gehört (vgl. Medwalls Fulgens and Lucres ed. b y Boas & Reed, Introduction p. X V I I ) .

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von seiner Seele Besitz zu ergreifen. Auch die lustige Person der Moralitäten, der V i c e , ist schon in manchen jener ältesten allegorischen Dramen erkennbar, wenn er auch noch nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet wird. Bei allen diesen Moralitäten handelt es sich um allegorische Lehrhaftigkeit von rein ethischer Art, um sittliche Lehren, die den Zuschauern in dramatischer Form eingeschärft werden sollen. Die Moralitäten entsprechen also in ihrer ältesten Gestalt noch vollkommen ihrer Bezeichnung. 35. Die Dichter dieser ältesten Moralitäten waren wohl meist Geistliche ebenso wie die der Misterien; aber der Kulturfortschritt der Zeit zeigt sich bei der jüngeren Dramengattung in dem weiteren Gesichtskreis und der größeren Bildung ihrer Verfasser. Allerdings bedeuten die Moralitäten in einer Hinsicht gegenüber den Misterien und Mirakelspielen einen großen künstlerischen Rückschritt, insofern als mehr oder weniger blutleere Abstraktionen in ihnen an die Stelle wirklicher Menschen getreten sind. Aber dieser Nachteil wird durch einen Vorteil aufgewogen: sie bieten der Erfindungsgabe der Dichter einen unvergleichlich größeren Spielraum als besonders die stofflich so eng begrenzten Misterien. Die Moralitäten ließen sich stofflich beliebig erweitern. 36. Weitaus die berühmteste und bedeutendste aller Moralitäten, nicht nur der bereits genannten, sondern auch der späteren, ist Everyman 2'), ein Stück, das in unserer Zeit seine Auferstehung auf der Bühne gefeiert hat und durch die Wucht seines Grundgedankens und durch die Art und Weise, wie dieser Grundgedanke durchgeführt worden ist, auch heute noch nicht verfehlt, einen tiefen und nachhaltigen Eindruck auf die Gemüter zu hinterlassen.

37. Um 1500 hatte sich für die Moralitäten schon ein fertiges Schema ausgebildet: es handelt sich stets um eine Verführung des von Hause aus unschuldigen und harmlosen Helden zum Bösen, auf die meist wieder eine Bekehrung zum Guten am Schluß erfolgt. Während der Schwerpunkt in der Entwickelung der Misterien noch durchaus im Mittelalter liegt, fällt die Hauptblütezeit der Moralitäten in den Anfang der Neuzeit, in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. " ) Die verschiedenen Originaldrucke des Stückes sind neu herausgegeben von Greg in Bangs Mater. Bd. 4 (1904), 24 (1909) und 28 (1910). Zur sonstigen Bibliographie der einschlägigen Literatur vgl. Cambr. Hist. V 392. Zum Streit zwischen Logeman, der das englische Stück als eine Uebersetzung des ndl. Elckerlijk (ältester Druck 1495) ansieht, und de Raaf, der umgekehrt dem englischen Stück die Priorität zuschreibt, vgl. Brandl, Quellen S. X I V und Creizenach * I 472 ff. Die Beweisführung stützt sich beiderseits auf eine Vergleichung der beiden Texte, wodurch ermittelt werden soll, welcher von beiden die ursprünglichere Fassung darbiete. Ueber die ganze Frage ist anscheinend das letzte Wort noch nicht gesprochen; doch scheinen mir die Gründe de Kaafs stärkere Beweiskraft zu haben.

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38. Hickscorner (nach 1500, gedr. um 1525). Dodsley 4 I. Manly, Specimens. Vol. I. Die älteste der erhaltenen neuzeitlichen Moralitäten ist anscheinend Hicksc. Die merkwürdige Gestalt des Titelhelden (etwa = tölpelhafter Spötter) hebt sich aus der allegorischen Umgebung der fünf übrigen Personen als einzige typische Gestalt heraus; er spielt aber nur eine Nebenrolle. An einer Stelle (V. 302) kommt in seiner Rolle der Einfluß von Brants Narrenschiff zum Vorschein. Die Gruppierung der Charaktere ist die übliche: die guten Mächte werden dargestellt durch den alten Pilger Pity und zwei heilige Männer, Contemplation und Perseverance, die bösen durch Imagination (etwa = zügellose Phantasie) und den Titelhelden, beides ausschweifende Wüstlinge. Beide Gruppen kämpfen um die Herrschaft über Freewill als Vertreter des Menschen. Es gelingt den schlimmen Gesellen, Freewill zur Liederlichkeit zu verführen; am Schluß aber wird nicht nur er von Pity bekehrt, sondern auch Imagination, der nun den Namen Good Remembrance erhält. Der Verlauf der Handlung ist t y p i s c h f ü r d i e ä l t e r e n o c h r e i n e t h i s c h e A r t d e r M o r a l i t ä t e n . Der Verfasser scheint ein Geistlicher gewesen zu sein. Er verfügt über eine recht lebendige Realistik, die seine abstrakten Gestalten fast als Personen der Wirklichkeit erscheinen läßt; es fehlt sogar nicht ein Anflug von Londoner Lokalfarbe. 39. Youth (Anfang des 16. Jahrh.; 4°, um 1555/65). Hg. von B a n g & M c K e r r o w , Bangs Mater. 12 (1905). Dodsley 4 II. Inhaltlich nahe verwandt mit Hicksc. ist Youth; hier finden sich sogar wörtliche Anklänge an jenes Stück. Die Situationen und Charaktere beider Dramen gleichen sich; natürlich sind aber die Namen der handelnden Personen verschieden. Youth galt früher zu Unrecht als ein katholisches Tendenzdrama aus der Zeit der Königin Maria (1553—58); eine antiprotestantische Tendenz ist aber nirgends erkennbar. Bang hat in der Einleitung zu seiner Ausgabe (S. XIII) wahrscheinlich gemacht, daß das Stück noch aus der vorreformatorischen Zeit stammt. Die Sprache ist altertümlich und deutet auf den Anfang des 16. Jahrhunderts. Youth stellt aber gegenüber Hicksc. einen künstlerischen Fortschritt dar. Die Realistik ist hier noch anschaulicher geworden; wir dürfen in Youth wohl das jüngere Stück vermuten. Auch in metrischer Hinsicht ist Youth moderner. Das gegenseitige Verhältnis beider Stücke bedarf aber noch einer genaueren Untersuchung. 40. The World and the Child (auch Mundus et Infans betitelt, vor 1509; 40, 1522). Dodsley 4 I. Manly, Spec. I. Unter die Moralitäten der älteren Art gehört auch World. E s knüpft besonders an Castle of Perseverance an darin, daß der Mensch E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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in seinen verschiedenen Altersstufen v o n der Kindheit bis z u m Greisenalter vorgeführt w i r d ; in jeder dieser Altersstufen erscheint er unter einem anderen Namen. Die unglaublichen Prahlereien von Mundus sind offenbar eine Nachwirkung des Bramarbast y p u s der Misterien. 41. Wealth and Health (Anfang des 16. Jahrh., Stat. R e g . 1557/58. 8°). Hg. von G r e g " , Malone Soc. Reprints 1907, v o n H o l t h a u s e n . 2 Engl. Textbibliothek. 17, 1922. A u c h Wealth, das sogar sein Herausgeber Holthausen selbst, wenn auch mit Vorbehalt, früher in die Regierungszeit der Königin Maria gestellt hatte, wird jetzt v o n ihm, wohl mit Recht, in den A n f a n g des 16. Jahrhunderts verlegt. Veraltete Formen und geschichtliche Anspielungen, die wahrscheinlich auf Kaiser Maximilian I. (1493 —1519) und dessen Tochter Margarete z u deuten sind, sprechen dafür; auch das Fehlen aller konfessionellen Polemik weist auf eine Zeit noch vor der Reformation hin, als die katholische Kirche auch in England noch im ungestörten Besitz ihrer Herrschaft war. Z u dieser frühen Datierung paßt allerdings nicht V . 85, wo our soueraine Ladye, the Queene erwähnt, und V . 946, w o im Schlußgebet ausdrücklich für die Königin Elisabeth gebetet w i r d ; beide Stellen sind aber vermutlich spätere Zusätze. Inhaltlich gehört das Stück ebenfalls z u dem älteren (ethischen) Moralitätentypus. A l s Intriganten treten hier »böser Wille« (Illwill) und »Verschmitztheit« (Shrewd Wit) a u f ; Vertreter des Guten ist allein Remedy, während das K a m p f o b j e k t durch drei Personen dargestellt wird, die beiden im Titel genannten und Liberty. Besonderes Interesse gewinnt unser Stück durch das zweimalige A u f treten eines betrunkenen, das Englische radebrechenden V l a m e n Hans W a r , der in England vergeblich sein Brot sucht und schließlich aus dem Lande gejagt wird. In dieser Gestalt äußert sich der kräftige englische Nationalstolz des unbekannten Verfassers; der Vlame ist das älteste uns bekannte Beispiel des später so häufigen Dutchman = T y p u s im englischen D r a m a , und w e h t schon ein Hauptmerkmal dieses T y p u s , die Neigung z u m Trinken, auf. 42. Die Moralität The Cradle of Security (um 1560/70) ist verloren gegangen; wir besitzen aber aus der Hand eines Zeitgenossen eine ausführliche Inhaltsangabe dieses Stückes 2 8 ), woraus seine Verwandtschaft mit Pride of Li je hervorgeht. Eigentümlich ist d a s Schicksal, das dem die Menschheit vertretenden König im Stücke bereitet wird: er wird v o n Luxury und anderen Uiiholdinnen umgarnt und zuletzt völlig unterjocht. Sie legen ihn in eine Wiege und setzen ihm einen Schweinsrüssel auf. Die Wiege 28)

Vgl. Hazlitt p. 53.

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wird schließlich von zwei allegorischen Greisen »Ende der Welt« und »Jüngstes Gericht« zerschmettert, und der König von Teufeln geholt. Das Stück wurde zu Gloucester in Gegenwart der Behörden als Mayor's Play aufgeführt 29 ). 43. Like will to Like, quoth the Devil to the Collier ( 1 5 6 1 ; 4 0 ,

1568). Von Ulpian F u 1 w e 11. Dodsley 4 III. U. F. stammte aus Somerset, und war ein Schulmeister mit klassischer Bildung. Like nähert sich schon merklich dem eigentlichen Drama: neben sechs allegorischen treten sechs typische Gestalten auf, darunter unter dem Einfluß von Udalls gleichnamiger Komödie auch Ralph Rcister. Auch im Inhalt bemerken wir eine Einschränkung der reinen Allegorie zugunsten breit ausmalender Sittenschilderung, die allerdings schon durch Htcksc. vorbereitet erscheint; in ihrem Mittelpunkt steht das Treiben des Vice Nichol Newfangle und seiner vier spitzbübischen Spießgesellen. Zweck des derb realistischen Stückes ist es, die verderbichen Folgen eines ausschweifenden Lebens recht lebendig zu veranschaulichen; insofern könnte man es auch zu den Moralitäten des älteren Typus zählen. Ein Schritt zur Individualisierung ist darin zu erblicken, daß dem Vice ein Vorname beigelegt ist; doch gab zu diesem Vornamen ebenso wie bei den vier Spitzbuben, auch das Alliterationsbedürfnis Veranlassung. Eine Gestalt von volkstümlicher Beliebtheit ist der Köhler, der aber nur vorübergehend auftritt; sein Auftreten ergab sich schon aus dem Sprichwort, das den Titel des Stückes darstellt. Ein weiteres Zugeständnis an den Volksgeschmack stellt der schwer betrunkene Lümmel Hance dar, den schon sein Name als Niederländer kennzeichnen soll. 44. Interlude of the Four Elements (um 1512, gedr. 1519). Hg. von Jul. F i s c h e r , Marburger Stud. zur engl. Philol., H. 5 (1903). Das übliche Moralitätenschema haben wir auch in Elem., und zwar in äußerlicher Anlehnung an Medwalls Nature. Studious Desire (= Reason in Nat.) und Sensual Appetite (= Sensuality) kämpfen um die Herrschaft über Humanity (— Man). Sensual Appetite ist deutlich als Vice erkennbar. Eine zweite Gruppe von Gegenspielern sind Experience und der Lümmel Ignorance, der an die Stelle der Todsünden in Nature getreten ist. Während aber Nature nach Absicht und Ideengehalt noch eine echte Moralität im ursprünglichen ethischen Sinne ist, verfolgt der Verfasser von Elem. einen ganz andern Zweck: den der naturwissenschaftlichen und geographischen Unterweisung. Wir nehmen hier den Geist des Humanismus wahr darin, daß Unwissenheit als das Hauptübel hingestellt wird. D a m i t w i r d d e r S c h w e r p u n k t 29)

Creizenach I I I 507. 577.

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der M o r a l i t ä t aus dem G e b i e t der E t h i k in d a s d e r E r k e n n t n i s v e r s c h o b e n . Der allegorischen Form wird hierdurch ein völlig neuer Inhalt gegeben, der von dem ursprünglichen Gedankengehalt der Moralitäten weit abseits führt. Als Verfasser des Dramas gilt sein Drucker John R a s t e 11 (t 1536), Thomas Mores Schwager 30 ). Neben den allegorischen Personen tritt auch als eine Person des wirklichen Lebens ein Taverner auf. 45. Wit and Science (nach Brandl zwischen 1541 und 1547 entstanden, Hds., zuerst gedr. von der Shakespeare Soc. 1848. Manly, Spec. I. Vf. der Schullehrer John R e d f o r d 31). Die im Anfang unvollständige Moralität WSc. setzt die Richtung fort, die der Verfasser von Elem. eingeschlagen hatte. Die Handlung dreht sich auch hier nicht um ethische Fragen, sondern um ein humanistisches Ideal, um die Erweiterung der Erkenntnis und des Wissens. Vertreter der Laster sind daher Idleness, Tediousness und Ignorance; letzterer wird im Anschluß an Elem. als plumper und völlig ungebildeter Bauerntölpel gekennzeichnet. Seine Charakteristik wird noch dadurch verstärkt, daß er gelegentlich Formen der südwestlichen Mundart vorbringt 32 ), die im Drama der Folgezeit zur traditionellen Bauernmundart schlechthin wurde. Um den Studenten Wit, den Sohn Reasons, kämpfen die Laster mit den echt humanistischen Tugenden Instruction, Study und Diligence. Science ist Wits Braut; Gegenstand des Stückes ist die durch die Laster verzögerte, aber schließlich doch erfolgende Vermählung von Wit und Science, ein mittelbar oder unmittelbar dem Werke des Neuplatonikers Marcianus Capella De nuptiis philologiae et Mercurii entnommenes Motiv. Aus den Ritterromanen stammt das andere Motiv, daß Wit nach siegreichem Kampfe gegen Tediousness diesem das Haupt abschlägt. Auf R.s Schulmeisterberuf weist die komische Szene hin, in der Ignorance es lernen soll, seinen eigenen Namen zu buchstabieren, und sich dabei höchst ungeschickt gebärdet. 46. The Marriage of Wit and Science (1569/70; 40, um 1570). Dodsley 4 II. Man. ist eine Bearbeitung von Redfords Stück und schon wie ein regelrechtes Drama in fünf Akte eingeteilt. Der Einfluß der Ritterromane hat sich hier noch verstärkt: Wit schwärmt als Ritter M ) Angabe in Bales Catalogus. I m 15. und 16. Jahrhundert waren die Drucker o f t auch Dichter oder Gelehrte. Wallace (p. 16) bestreitet Rasteils Verfasserschaft, und schreibt das Stück William Cornish zu, dem Leiter der kgl. Kindertruppe.

" ) Vgl. auch S e i f e r t , Die Wit- und Scj'ence-Moralitäten des 16. Jahrh. Prag 1892. J. R. war nach Hawkins Organist an der Londoner Paulskirche. " ) Vgl. Eckhardt, Dial.-Typen § 25.

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für die minnigliche Dame Science. Das Stück ist ein Schuldrama, das aber vom Geist des Rittertums berührt worden ist. Die Charakteristik der Personen hat das Allegorische schon zum großen Teil abgestreift. 47. The Marriage of Wit and Wisdom (um 1570). Hds. Hg. von H a l l i w e l l für die Shakespeare Soc. 1846. Ein weiterer Fortschritt zur Realistik liegt in Wisd., einer dritten Bearbeitung des Wit-and-Science-Stoffes. Hier haben wir in Idleness eine ausdrücklich als Vice bezeichnete Gestalt, einen echt humanistischen Vice, dessen derbe Komik sich sehr reichlich entfaltet. Ihm wird von zwei eben aus den Niederlanden nach England zurückgekehrten Strolchen Snatch und Catch recht übel mitgespielt. Wie ein Vorläufer von Shakespeares Dogberry nimmt sich der Polizist Search aus, in dessen Rolle das im elisabethanischen Drama übliche ungeheure Ungeschick der Vertreter der hohen Polizei schon grell zutage tritt. 48. Ueber John S t e l t o n (1460?—1529) handeln zwei Freiburger Dissertationen: Axth. K o e l b i n g , Zur Charakteristik J. Sk.s. Stuttgart 1904. — Elise B i s c h o f f b e r g e r , Der Einfluß J. Sk.s auf die engl, Lit. 1914.

Sk.s literarische Tätigkeit liegt zumeist außerhalb des Dramas. Dieser vielseitige Dichter hat sich auch auf dramatischem Gebiet versucht; von seinen Stücken hat sich aber nur ein einziges erhalten: die Moralität Magn.33). 49. Magnificence (entstanden 1515/18. 20, (1530). Hg. von R a m s a y , E E T S . Vol. 98 (1906). Der Verlauf der Handlung entspricht hier durchaus der hergebrachten Schablone der älteren Moralitäten, und gibt uns keinen genügenden Begriff von der originellen Persönlichkeit des Dichters. Das Stück ist weitschweifig, einförmig und langweilig, die Charakteristik mangelhaft; bei der großen Länge dieser Moralität (2567 Zeilen) erscheint uns ihr Inhalt als recht mager. Trotzdem bedeutet das Stück einen wichtigen Markstein in der Entwickelung des allegorischen zum weltlichen Drama. In mehreren Punkten entfernt sich Sk. hier von den älteren Moralitäten, obgleich diese ihm als Vorbilder gedient haben: 1. der Held Magnificence ist nicht mehr der Mensch schlechthin, sondern ein ganz bestimmter Einzeltypus, der edelgesinnte freigebige Fürst, der durch schlechte Ratgeber zur Verschwendung verleitet und so zugrunde gerichtet wird. Auch er tritt nach seinem Fall in der großsprecherischen Weise eines Herodes in den Misterien auf. Das Stück gibt die Lehre, daß ein Fürst, der auf böse Ratgeber hört, sein Land in 33) Ein anderes Drama Sk.s, Virtue, ist verlorengegangen; der Titel läßt vermuten, daß es ebenfalls eine Moralität war.

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Armut und Unglück bringt. Die Schilderung des Schicksals des Titelhelden sieht aus wie eine an den jugendlichen Heinrich VIII. gerichtete Warnung. Damit führt Sk. ein in der weltlichen Didaktik des Humanismus sehr beliebtes Thema in das Drama ein. Das Stück ist gleichsam ein dramatisierter Fürstenspiegel, wozu Sk. durch Hoccleves Govemail of Princes angeregt worden sein mag; er scheint aber auch Hoccleves Quelle, die Schrift des Aristoteles De regimine principum, besonders den Abschnitt De largitate, unmittelbar benutzt zu haben, wohl nach Lydgates und Burghs Uebersetzung (Secrets of ihe Philosophers). 2. Auch der Stoff selbst ist ein anderer als in den älteren Moralitäten : d i e f r ü h e r e rein e t h i s c h e T e n d e n z w i r d d u r c h eine polit i s c h e e r s e t z t ; es handelt sich hier nicht mehr um eine Frage der abstrakten Ethik religiöser Färbung, sondern um ganz konkrete und sehr weltliche Dinge, nämlich um eine kluge Verwaltung der Staatsgelder. Sie wird durch schlechte Ratgeber zeitweilig verhindert; diese erscheinen als Laster in allegorischem Gewände, stellen aber wohl zugleich Typen von bösen Höflingen dar. 50. Es liegt nahe zu vermuten, daß Sk. als Urheber der politischen persönlich zugespitzten Satire mit diesen allegorischen Ratgebern bestimmte Persönlichkeiten des damaligen Hofes hat treffen wollen. Hier schöpfte er aus Brants Narrenschiff in Barclays Bearbeitung. Unter den vier üblen Höflingen wird einem, Counterfeit Countenance, die Unverschämtheit eines Emporkömmlings zugeschrieben. Das sieht aus wie eine boshafte Anspielung auf des Dichters größten Feind, den Kardinal Wolsey. Neben den Höflingen begegnen uns hier auch zwei allegorische Hofnarren, Fancy und Folly, die beide in Narrenkostümen auftreten. Die Rolle Fancys wurde von einem Zwerge gespielt, wie aus mehrfachen Anspielungen auf Fancys Kleinheit hervorgeht. Die allegorischen Gestalten des Stückes haben sich den Typen des eigentlichen Dramas schon beträchtlich genähert, wozu Barclays Ship of Fools, das in der englischen Literatur des 16. Jahrhunderts eine so wichtige Rolle spielt, erheblich beigetragen hat. 51. Impatient Poverty. 40, 1560. Hg. von M c K e r r o w , Bangs Mater., Bd. 33 (19x1). Imp. Pov. erinnert in seiner verwickelten Handlung schwach an Magnif. Der unbekannte Verfasser stammte anscheinend aus dem westlichen Mittellande. 52. Albion Knight (1565). Hg. von C o l l i e r , The Shakespeare Soc.'s Papers, Vol. I (1844). Noch mehr politisch als Magnif. ist die unvollständig überlieferte Moralität AlUon. Der Titelheld verkörpert natürlich Eng-

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land; außer ihm erscheinen nach dem Beispiel Lyndsays die schon im Titel von dessen Sat. erwähnten drei Stände. Die Handlung dreht sich um die von den Vertretern des Bösen, unter Anführung des Vice Ittjury, zeitweilig hintertriebene, aber schließlich doch zustande kommende Vermählung des Ritters Albion mit Plenty, der Tochter des Friedens. 53. The Tide tarrieth No Man (entstanden vor 1576. 40, 1576). Vf. W a p u 11. Hg. von R ü h 1 , Shakespeare-Jahrbuch 43 (1907). Tide, von einem sonst unbekannten, klassisch gebildeten Dichter George W., verrät durch die einem Vertreter der bösen Mächte in den Mund gelegte Beteuerung by the tnass den Protestantismus des Verfassers. Die konfessionelle Polemik tritt aber hier mehr zurück hinter der Satire gegen einzelne politische oder wirtschaftliche Mißstände im bürgerlichen Leben Londons, nach dem Vorbilde von Lyndsays Sat., besonders gegen den durch Greediness verkörperten Wucher. Das Sprichwort, das hier wie in Fulwells Like den Titel darstellt, dient den schlimmen Personen als Vorwand für ihre Schurkereien, und soll zugleich die Zuschauer mahnen, sich rechtzeitig von der Sünde loszumachen, ehe die Lebensfrist verstrichen ist. Neben der Einwirkung Lyndsays kommt in der Aufforderung des Vice Courage, eines Vertreters des Muts zur bösen Tat, in sein Schiff einzusteigen, der Einfluß von Brants Narrenschiff zum Vorschein An einer Stelle wird durch den Text ausdrücklich bestätigt, daß der Vice eine Pause durch improvisierte Späße auszufüllen hatte, um dem Schauspieler, der gleich darauf als Wantonness aufzutreten hatte, Zeit zum Umkleiden zu lassen. 54. Wir kommen nun zu dem älteren Robert W i l s o n (t 1600) als dem Verfasser der Moralitäten Lad. und Lords, worin von wirtschaftlichen und politischen Dingen die Rede ist. Er war ein tüchtiger Schauspieler, als solcher in Clownsrollen berühmt, und neben Tarlton der älteste Mime, der berufsmäßig Stücke für die Londoner Theater schrieb. 55. The Three Ladies of London (vor 1582; 4 0 ,1584). Dodsly 4 VI. Lad. ist eigentlich nur in der Form eine Moralität. Die Handlung ist so lebendig, daß wir den Eindruck gewinnen, die abstrakten Namen der auftretenden Personen könnten ohne Schwierigkeit mit Bezeichnungen menschlicher Typen vertauscht werden. Das Stück ragt schon so tief in die Zeit des eigentlichen Dramas hinein, daß dieses stark abfärben mußte. Vor allem zeigt sich der Einfluß des gleichzeitigen romantischen Lustspiels. Der Verfasser selbst spielte wahrscheinlich den Vice Simplicity. Das Stück verrät den gewandten Bühnenpraktiker, der nicht nur belehren will, sondern selbst im Gewände der Moralität zu unterhalten weiß. Er versteht

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es, den allzu lehrhaften Ton der meisten Moralitäten ebenso geschickt zu vermeiden, wie die sonst in ihnen so häufige Eintönigkeit M). Neben den personifizierten Abstraktionen sind bemerkenswert zwei Personen des wirklichen Lebens, ein Jude Gerontus 3S), der in günstiges Licht gestellt wird, aber wenig lebenswahr wirkt, und ein Italiener Mercatore, der allerlei Ramschwaren nach England einführt und sie zu hohen Preisen an die englischen Damen losschlägt. Seine Befürchtung, daß ihm durch Parlamentsbeschluß das Handwerk gelegt werden könnte, sieht wie eine Anspielung auf ganz bestimmte Verhältnisse jener Zeit aus. Der ursprüngliche moralisierende Zweck der Moralitäten tritt hier schon völlig zurück; die satirische Sittenschilderung überwiegt. Eine Nachwirkung der lebendigen satirischen Charakteristik in Langlands Piers the Plowman ist unverkennbar 39 ); einige allegorische Personen wie Lady Lucre, Simony und Conscience sind auf Langland zurückzuführen. Die Moralität erreicht hier in künstlerischer Hinsicht den Gipfel der Entwickelung, deren diese im ganzen so unerfreuliche Dramengattung überhaupt fähig ist. 56. The Three Lords and Three Ladies of London (1588; 4 0 ,1590). Dodsley 4 VI. Eine Art Fortsetzung von Lad. ist Lords; das Stück unterscheidet sich aber von Lad. durch den Mangel einer Akteinteilung. Auch ist der Charakter der Moralität hier besser gewahrt; die Behandlung des Stoffes wirkt altertümlicher. Aber in Stil und Aufmachung nähert sich Lords mehr der späteren Bühnensprache 37). Der Vice Simplicity kehrt auch hier wieder und spielt nun sogar eine noch größere Rolle. Wir lernen ihn jetzt von einer völlig neuen Seite kennen: als Ehemann. In den älteren Moralitäten hatte der Vice überhaupt kein persönliches Verhältnis zur Weiblichkeit; so ist auch Simplicitys Ehe ein weiteres Kennzeichen der schnell fortschreitenden Individualisierung der Moralitätengestalten. Die schon in Lad. sehr lebhafte Komik Simplicitys erscheint hier noch gesteigert; sie unterscheidet sich von der eines Clowns im eigentlichen Drama nur noch durch den allegorischen Namen ihres Trägers. Collier vermutet im Komiker Tarlton (f 1588) das Urbild dieser Rolle. Die wirtschaftlichen Schäden der Zeit werden auch hier satirisch beleuchtet; aber noch stärker ist der Niederschlag, den der eben errungene unerwartete Sieg über die Armada u)

Creizenach IV 37 ff. Er ist auch der Held einer in Percys Relics abgedruckten alten Ballade. Sein Auftreten in Lad. stellt das älteste Beispiel eines Juden im englischen Drama dar. 3«) Courthope II 350 ff. " ) Vgl. Colliers Einleitung, Dodsley 4 VI 19 ff. 3S)

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hinterlassen hat. Der Kampf der spanischen Uebermacht gegen das kleine England wird in allegorischer Form dargestellt; diese Darstellung zeigt zugleich deutlich den Einfluß der Ritterromane. 57. The Contention between Liberality and Prodigality (1568 ?, bearb. 1601; 4°, 1602). Dodsley 4 VIII. Eine Moralität von verwandtem Typus ist schließlich Liberal., ein Stück, das neben den abstrakten Gestalten auch Personen des wirklichen Lebens enthält. Das in fünf Akte eingeteilte uninteressante Drama führt in Tenacity einen allegorischen Bauern vor, dessen Unbildung durch seine südwestliche Mundart gekennzeichnet wird. Es ist vielleicht nur Bearbeitung eines älteren Werkes 38 ). Lateinische Ausdrücke, die hier und da eingefügt sind, erweisen den Verfasser als einen gebildeten Mann, der sich allzusehr bemüht, seine Gelehrsamkeit zu bekunden. 58. Eine so gewaltige Bewegung wie die R e f o r m a t i o n ließ sich natürlich die Moralität als Waffe im Kampfe der konfessionellen Parteien nicht entgehen. Der Geist der Reformation ergriff allmählich auch alle Zweige der Literatur. Die Moralität mit ihrer schon von vornherein zugespitzten Tendenz war ihm natürlich ein besonders willkommenes Werkzeug. 59. RobinConscience (um 1530). Hg. von H a l l i w e l l , Contrib.to Early Engl. Lit., London 1849. Die älteste Moralität mit antikatholischer Spitze war anscheinend Robin, ein anonymes, nur in Bruchstücken überliefertes Stück in siebenzeiligen Strophen, dessen allegorische Personen es zur Moralität stempeln, mehr ein Gespräch in dramatischer Form als ein wirkliches Drama. Eine antikatholische Tendenz kommt darin zum Vorschein, daß der protestantische Titelheld seinen katholischen Vater Coveiousness wegen seines mangelhaften Glaubens schilt. 60. Der eigentliche Begründer der k o n f e s s i o n e l l g e färbten Moralität protestantischer Tendenz war aber nicht der unbekannte Verfasser von Robin, auch nicht Bale, sondern der Schotte Sir David L y n d s a y (1490—1535). Er war nicht nur Dichter, sondern zugleich auch Staatsmann und ein vertrauter Ratgeber des Königs Jakob V. Für uns kommt er in Betracht als Verfasser der groß angelegten, in schottischer Mundart abgefaßten Moralität Sat. Seine Poetical Works sind hg. von H a l l , EETS. 11. 19. 35. 37. 47, London 1865—72, und von L a i n g , 3 vols, Edinburgh 1879. 61. Satyre of the Three Estaitis (1535) wird durch drei komische Zwischenspiele unterbrochen, und ist mit insgesamt 4652 Versen a i ) Ein Drama Prodigality wurde 1568 bei Hofe aufgeführt; vgl. Hazlitt, Manual p. 185.

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bei weitem die längste aller Moralitäten in englischer Sprache, und zugleich die einzige schottische Moralität. Das Stück wurde 1535 zuerstaufgeführt, zu einer Zeit, als in Schottland der Katholizismus zwar schon im Verfall begriffen, die entscheidende Wendung zum Protestantismus aber noch nicht eingetreten war. Die politische Richtung des Verfassers offenbart sich auch in dem vorliegenden Drama; es bietet ein umfassendes Gemälde der ganzen Zeit, wobei L., auch bei der Schilderung kirchlicher Zustände, die Dogmatik ganz beiseite läßt, und allein praktische Dinge berücksichtigt, vor allem die durch die kirchlichen Mißstände verursachte politische und wirtschaftliche Lage seines Volkes. Das Stück ist, trotz seiner ermüdenden Länge und seiner stellenweise, namentlich in den Zwischenspielen, unflätigen Derbheit, das beste und wirksamste aller englischen Reformationsdramen. Als politische Satire erreicht die Moralität hier ihren Höhepunkt. Zunächst knüpft L. an Chaucer und J. Heywood an: ihnen entlehnt er die so beliebte Gestalt des schwindelhaften Ablaßkrämers, der unglaubliche Reliquien anpreist. Diese Satire gegen den Ablaßkrämer ist aber nur beiläufig. In den wichtigsten Grundgedanken seines Stückes erweist sich L. als ein Nachfolger Wyclifs: er geht wie dieser vom Gesetz Christi aus, und weist auf den grellen Widerspruch hin, in dem die ganze Lebenshaltung der angeblichen Nachfolger Christi zu jenem Gesetz stehe. L. ist weniger witzig als J. Heywood; aber gerade der ernstere Unterton seiner Satire, die tiefe sittliche Entrüstung, der seine antikatholischen Vorwürfe entspringen, geben seinen Angriffen größere Stoßkraft. 62. Die beiden ersten der eingelegten Zwischenspiele sind organisch mit der übrigen Handlung verbunden und linterscheiden sich von ihr nur dadurch, daß die meisten in ihnen auftretenden Personen wirkliche Menschen sind. Im ersten Zwischenspiel setzen die Frauen des Schusters und des Schneiders den Typus der Frau von Bath und Tybs in J. Heywoods Hahnreispiel fort 39). Das dritte Zwischenspiel dient zur bloßen Unterhaltung der Zuschauer; seine Hauptperson Folly hält eine komische Predigt über den Text stultorum numerus infinitus. 63. Im Unterschied von den englischen Moralitäten fällt uns in diesem schottischen Drama eine ausgesprochen demokratische Grundrichtung des Verfassers auf, und zugleich eine größere Abhängigkeit von französischen Mustern, als in der damaligen englischen Literatur wahrzunehmen ist. Johne ihe Commonweill als Vertreter der unteren Volksschichten ist eine Nachahmung von peuple commun in französischen Stücken, der Vice Placebo ist aus »«) Brandl, Quellen S. L V I .

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dem französischen Drama entlehnt 40 ), und auch die komische Predigt Follys im dritten Zwischenspiel hat französische Vorbilder. Die etwas verwilderte Metrik zeigt wenigstens einiges Geschick in der Anpassung der Versmaße an den Stoff, und eine leichte Beherrschung des Reimes 41 ). 64. Es ist natürlich, daß ein so unermüdlicher Streiter für den Protestantismus wie B a 1 e sich auch der Moralität als Waffe im Kampf gegen Rom bedient hat. Zwei seiner Dramen sind überwiegend als Moralitäten anzusehen, Laws und John A. 65. Comedy concerning Three Laws (1538; 4 0 , 1558). Hg. von S c h r ö e r , Anglia 5 (1882). Laws enthält neben seinen allegorischen Personen als ein Vermächtnis der Mysterien die Rolle des Deus pater, und B. selbst tritt, ebenso wie in Promis., als proloculor auf. Unter den drei im Titel genannten Gesetzen versteht B. das Gesetz der Natur, das des Moses und das Christi; er schildert, wie alle diese drei Gesetze in der Geschichte nacheinander durch menschliche Schlechtigkeit entstellt worden seien, das der Natur durch Sodomie i2 ), das des Moses durch das Pharisäertum, das Christi durch das Papsttum. Das Stück beruht auf einem wohldurchdachten Plane, ja es macht sich sogar in gewissem Sinne eine Art Geschichtsphilosophie darin geltend. Die Lehrhaftigkeit drängt sich aber doch allzusehr vor, und beeinträchtigt, wie auch sonst meist bei B., die künstlerische Wirkung. Die antikatholische Tendenz zeigt sich schon in den Bühnenanweisungen: Sodomie soll als Mönch gekleidet sein, Ambition als Bischof, False Doctrine als papistischer Doktor und Hypocrisy als Bettelmönch. Als Vice, dem die übrigen Laster untergeben sind, tritt Infidelity auf, wird aber am Schluß von Vindicta Dei durch Feuer und Schwert von der Bühne vertrieben. Idolatry erscheint in ihrer 43) Empfehlung von allerlei Zaubermitteln zum Heile von Mensch und Tier wie ein Abklatsch des schwindelhaften Ablaßkrämers bei Chaucer und J. Heywood, ebenso an einer andern Stelle der Vice Infidelity. Das Stück knüpft schon im Titel an Wyclif an, dessen ganzes Lehrgebäude das Gesetz Christi zur Grundlage hat. Die durch Wyclif angeregte Bekämpfung der katholischen Kirche steigert sich aber bei Bale zu einer alles gerechte Maß weit überschreitenden Gehässigkeit. Daneben zeigt sich auch ein Einfluß Skeltons nicht nur in Metrik und Sprache, sondern auch in der rücksichtslosen Kühnheit des Angriffs **); an 40)

Ebenda S. L V I I I . " ) Henderson, Cambr. Hist. III 29. **) Gemeint ist damit die Päderastie. ") Idolatry ist als weibliche Gestalt gedacht. **) Vgl. Schröers Einleitung S. 237.

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Begabung wird aber B. von Skelton weit übertroffen. Das Stück ist in fünf Akte eingeteilt und umfaßt 2081 Verse. 65. King John (1539 aufgeführt 46 ), Hds.). Hg. von C o l l i e r , Camden Soc. London 1838. Manly, Specimens I. Wichtiger ist John A., ein sonderbares Gemisch von Moralität und Historie, wobei aber erstere überwiegt. Mit der geschichtlichen Wahrheit springt B. hier sehr willkürlich um; seine geschichtliche Grundlage ist der Streit zwischen König Johann von England und der Kirche, aber B. idealisiert den treulosen, grausamen und feigen Johann zu einem edlen und würdigen Vorkämpfer der Rechte des Staates gegenüber kirchlicher Anmaßung. Die Anklänge an Chaucer und J. Heywood sind in der Rolle des Vice Seiition, der unmögliche Reliquien anpreist, noch deutlicher als in Laws. Leider versucht B. hierbei den Mangel an echtem Witz durch Unflätigkeit zu ersetzen. Auch hier ist der Ausgangspunkt für B.s antiklerikale Polemik die Lehre Wyclifs, daneben aber auch Naogeorgs lateinisches Drama Pammachius, das B. schon 1538 ins Englische übertragen hatte. Das Stück ist zugleich das einzige Drama B.s, worin sich dessen unmittelbare Beeinflussung durch Lyndsay nachweisen läßt: Ynglond als Witwe ist deutlich als Nachahmung von Lyndsays John the Commonweill zu erkennen. Während aber Lyndsay doch im ganzen einen gewissen würdevollen Ernst bewahrt, artet B.s Satire gelegentlich zu einem bloßen öden Geschimpfe aus. Das düstere Bild, das Lyndsay von den kirchlichen Zuständen Schottlands zu seiner Zeit entwirft, scheint im allgemeinen der Wahrheit zu entsprechen; B. dagegen wird durch seinen maßlosen blinden Haß gegen Rom oft zu argen Uebertreibungen verleitet. 66. In technischer Hinsicht bedeutet das Stück aber doch, trotz offensichtlicher Mängel, schon dadurch einen Fortschritt gegenüber den eigentlichen Moralitäten, daß darin überhaupt versucht wird, statt der Allegorien wirkliche Menschen zu schildern, mag diese Schilderung uns jetzt auch noch so farblos und inhaltsleer vorkommen. Der König Johann ist freilich eher eine Verkörperung der Königsmacht als ein Mensch der Wirklichkeit. Der Verfasser benutzt eine bühnentechnische Eigenheit jener Zeit, nämlich daß mehrere Rollen desselben Stückes von einem einzigen Schauspieler gespielt wurden, um auch wieder der katholischen Kirche einen Hieb zu versetzen: der den Vice Seiition darstellende Schauspieler erscheint nämlich später wieder als Stephen Langton, der dem König feindlich gesinnte Erzbischof von Canterbury, und B. will nun beide Personen, Seiition und den Erzbischof, als eine einzige 45) Der Schluß mit seiner Anspielung auf Elisabeth ist offenbar ein späterer Zusatz.

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aufgefaßt wissen. In gleicher Absicht werden auch andere wirkliche Personen mit allegorischen Gestalten identifiziert (Usurped Power — der Papst, V. 832), usw. 67. Das Stück umfaßt 2656 Verse und zerfällt in zwei deutlich geschiedene Teile (I = V. 1 - 1 0 8 4 , I I = V. 1085 ff.). Teil I I knüpft viel mehr an die Geschichte an als Teil I ; dieser ist aber dramatisch wirksamer. B. greift den Historien Shakespeares voraus, indem er hier zuerst innerhalb des englischen Dramas englische Geschichtschroniken als Quellen benutzt. Ein englischer König tritt hier zuerst als Gestalt des englischen Dramas auf. Allerdings liegt es B. durchaus fern, ihn als Einzelpersönlichkeit zu schildern. B. wird nirgends im Stück ausdrücklich als Verfasser genannt; aber dieses wird von ihm selbst an einer andern Stelle unter seinen Stücken aufgezählt; außerdem ist in Teil I I des Manuskripts seine Handschrift erkennbar. 68. Lusty Juventus (um 1547/1550; 4 0 , um 1550). Vf. R. W e v e r . Dodsley 4 II. Ueber das Leben des Verfassers ist nichts bekannt. In Juveni. wird die ältere, noch rein ethische Art der Moralitäten wieder aufgenommen, aber in protestantischem Sinne umgebogen: die Verfechter des Protestantismus werden als Tugenden hingestellt, dagegen Satans Klagelieder über den Verfall seiner Macht zu einer satirischen Spitze gegen die katholische Kirche verwertet. Hypocrisy als Vice soll dazu dienen, den katholischen Glauben als unecht zu kennzeichnen. Die Tugenden sind aber langweilige Moralprediger und trockene Pedanten. In Hypocrisys Reliquienschwindel offenbart sich auch wieder die Einwirkung Chaucers und J. Heywoods; der Hauptbestandteil der öden Komik dieses Vice ist aber Unflätigkeit. Wie die meisten protestantischen Moralitätendichter steht auch W. unter dem Einfluß Bales: die Gestalt God's Mereiful Promises ist leicht als Nachahmung von Bales God's Promises zu erkennen. Die reichlich verkündete Theologie läßt in W. einen Geistlichen vermuten. Die Erklärung der Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben verrät die nachhaltige Wirkung der Dogmatik Luthers auch in England. 69. Somebody, Avarice and Minister (Zeit der Königin Maria 1553/58?). Hg. von M a i t l a n d 1843, vgl. Brandl, Qullene S. L I X . Eine Nachahmung von Lyndsays Sat. mit der gleichen antikatholischen Tendenz ist nach Brandls Angaben die nur als Bruchstück (zwei Druckseiten) überlieferte Moralität Avar. 70. Johan the Evangelist (vor 1557). Hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1907. Das anonyme Drama Evang. ist trotz seines Titels kein Misterium, sondern wegen des Ueberwiegens der allegorischen Gestalten

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als Moralität zu betrachten; vier solchen Gestalten stehen als Personen des wirklichen Lebens nur der Titelheld und Eugenio als Vertreter des Papsttums gegenüber. Dieser wird als Lästerer und schlechter Kerl hingestellt; wir haben es also auch wieder mit einem protestantischen Tendenzdrama zu tun. A m Schluß werden die bösen Mächte, auch Eugenio, durch eine Predigt des Evangelisten bekehrt. Das Stück bietet nichts besonders Charakteristisches und bewegt sich im hergebrachten Geleise. 7 1 . The longer thou livest, the more Fool thou art ( u m 1 5 5 9 / 6 0 ;

4 0 , 1 5 7 0 ) . Vf. William W a g e r. Hg. von B r a n d l , Shakespeare = Jb. 36 (1900). W . W . war ein protestantischer Schulmann mit humanistischer Bildung. Seine Moralität Fool gehört zu den protestantischen Tendenzdramen nach dem Muster Bales. Die lokalen Anspielungen weisen darauf hin, daß London als Schauplatz gedacht ist, und daß als Zeit der Handlung dem Verfasser die Regierung der Königin Maria mit ihren blutigen Protestantenverfolgungen vorschwebt. I m Mittelpunkt des Dramas steht Moros, im Gegensatz zu den meisten übrigen Personen keine allegorische, sondern eine typische Gestalt, und auch dadurch bemerkenswert, daß Held und Vice in ihm zusammenfallen, während sonst gewöhnlich der Vice ein Gegenspieler des Helden zu sein pflegt. Auch ist Moros nicht Vice schlechthin, sondern schon im Uebergang zu einer besonderen Spielart des Clowns, dem Dummkopf, begriffen. Moros stellt die Torheit dar, aber eine Torheit, die nicht auf natürlicher Veranlagung beruht, sondern eine Folge der Faulheit und Unwissenheit ist. Seine Torheit ist zugleich mit einem guten Teil Schlechtigkeit gepaart. Er wird in drei verschiedenen Altersstufen, als Knabe, Mann und Greis, vorgeführt, und am Schluß von God's Judgment den Teufeln übergeben. Das Stück gehört also zum T y p u s der biographischen Moralitäten in der Art von Medwalls Nature4e), worin das ganze Leben des Helden vorgeführt wird. Die protestantische Tendenz kommt nur an wenigen Stellen zum Vorschein. W . hat sein Stück so eingerichtet, daß es selbst von einer kleinen Wandertruppe in der Provinz aufgeführt werden konnte 4 7 ). 72. The Conflict of Conscience (nach 1560; 4 0 , 1581). Vf. Nathaniel W o o d e s. D o d s l e y 4 VI. N. W . war ein protestantischer Geistlicher zu Norwich. Confl. ist schon, wie manche der jüngeren Moralitäten, unter dem Einfluß des regelrechten Dramas, in A k t e (6) und Szenen eingeteilt. Ein psychologischer Fortschritt liegt darin, daß weder die Verführung noch die Bekehrung des Helden hier so schnell vor sich geht, wie 46) l~)

Vgl. Brandl, Quellen S. X X X V I I I . Brandls Einleitung S. 5.

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d a s früher Moralitätenbrauch war, sondern allmählich. Eine A n näherung an das eigentliche D r a m a erkennen wir auch darin, d a ß hier zuerst innerhalb der Moralitäten der Versuch gemacht wird, i m Helden des Stückes eine wirkliche Persönlichkeit darzustellen 48 ). D a s Urbild des Helden Philologus war ein z u m Katholizismus übergetretener italienischer Protestant, der Rechtsgelehrte Francis Spiera, der 1548 in Verzweiflung Selbstmord beging. W . läßt seinen Helden nicht untergehen, sondern nach schrecklichen Gewissensbissen, die mit einer gewissen W u c h t geschildert werden, z u m Protestantismus zurückkehren. D i e Verbindung von allegorischen und wirklichen Personen macht das Stück zu einer Mischform, wobei aber die Moralität immer noch überwiegt. Der Tendenz nach ist es ein konfessionelles K a m p f d r a m a , mit einer heftigen, aber plumpen Polemik. Hauptvertreter des Papismus ist ein Priester Caconos, der mit zynischer Offenheit gesteht, die Messe und andere Einrichtungen der katholischen Kirche dienten nur dazu, den Priestern die Taschen z u füllen; ein Becher Bier sei ihm lieber als das Neue Testament. Er spricht ein sonderbares Kauderwelsch, das wahrscheinlich als Schottisch gelten soll. Die damalige englische Stimmung gegen Maria Stuart, die katholische Königin von Schottland, die für die gefährlichste Feindin des englischen Protestantismus gehalten wurde, spiegelt sich in diesem Schottentum des Caconos wieder. Die antikatholische Polemik des Dramas geht noch über Wyclif und Bale hinaus im Zweifel, ob Petrus der erste der Apostel, und ob er jemals in R o m gewesen sei. W . b e k ä m p f t auch die katholische Transsubstantionslehre, und schließt sich in der Auffassung des Abendmahls an Luther an. In dem ausführlichen Verweilen bei theologischen Streitfragen k o m m t der geistliche Beruf des Verfassers z u m Vorschein. Der hölzernen Steifheit des Stückes entsprechen die schwerfälligen Septenare der ernsten Stellen; die Feierlichkeit dieser Verse soll bei der Schilderung der Verzweiflung des Philologus durch Alliteration noch verstärkt werden. Die komischen Szenen sind in vierhebigen Versen a b g e f a ß t ; die K o m i k ist aber dürftig, und nicht geeignet, uns über die mitunter große Langweiligkeit der endlosen Reden hinwegzutrösten. 73. New Custom (um 1563/64; 4 0 , 1573). Dodsley 4 I I I . Z u den protestantischen Tendenzdramen gehört auch New Cust. Hier bekehrt sich eines der Laster, Perverse Doctrine, natürlich als Vertreter des Katholizismus gedacht, a m Schluß etwas plötzlich, und erhält nun den Namen Sincere Doctrine. Ihm wird v o m Titelhelden eröffnet, sein, New Cusioms, eigentlicher Name sei Primitive 4S

) Bei Bales König Johann liegt ein solcher Versuch noch kaum vor.

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Constitution. Dem liegt die Anschauung zugrunde, daß der Protestantismus dem Wrchristentum entspreche, der Katholizismus dagegen eine Entartung des letzteren sei; es sei daher falsch, den Protestantismus als neue Lehre zu bezeichnen; er sei vielmehr die ursprüngliche christliche Lehre. Der mit dieser Auffassung zusammenhängende Titel des Stückes ist also anscheinend ironisch gemeint. Komik fehlt gänzlich. Der Verfasser knüpft an Bale an, wie die meisten protestantischen Moralitätendichter, geht aber wie Woodes noch über ihn hinaus, indem er leugnet, daß Petrus jemals Bischof von Rom gewesen sei. Ganz im Sinne Wyclifs ist der Hinweis, daß die Apostel niemals die Transsubstantiation gelehrt hätten. Das Stück zerfällt in drei in Szenen eingeteilte Akte. 74. The Trial of Treasure (um 1567; 40, 1567). Dodsley 4 III. Treas. nimmt unter den jüngeren Moralitäten in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die protestantische Gesinnung des Verfassers äußert sich in milderer Form, als sonst in den meisten protestantischen Stücken, nämlich nur durch Betonung der Lehre von der Gnade und dadurch, daß katholische Flüche und Beteuerungsformeln den Vertretern der Laster in den Mund gelegt werden 49 ). Der Schluß enthält nicht die sonst übliche Bekehrung, sondern eine Vernichtung der bösen Mächte Lust und Treasure. Es wird nicht, wie sonst, ein einziger Lebenslauf vorgeführt, sondern zwei, ein guter und ein böser, eine Eigenart der Handlungsführung, die sonst nur in französischen Spielen des Mittelalters vorkommt. Der Verfasser verfügt über einige Gelehrsamkeit, die er in antik-klassischen und biblischen Anspielungen an den Mann bringt. Die Moral des Stückes ist die Erfahrung, daß es eitel sei, auf irdisches Glück zu bauen. Der Vice Inclination hat sich schon sehr in seinem Wesen dem Hausnarren genähert. Ihm wird von Sapience ein Zügel tatsächlich in den Mund gelegt; der Gedanke, daß sinnliche Begierde durch Weisheit gezügelt werden müsse, wird hier also in konkreter Form vorgeführt. Wir können auch hier wieder, wie in den Misterien, beobachten, wie Komik ganz von selbst entsteht, ohne ursprünglich beabsichtigt zu sein, in diesem Falle durch Versinnlichung eines abstrakten Gedankens. Als Merkwürdigkeit sei noch erwähnt, daß Teile unseres Stückes in umgearbeiteter Gestalt als Einlage in More (IV, 1, 174 ff.) begegnen, obgleich als Titel des eingelegten Stückes (IV, 1, 170) The Marriage of Wit and WiscLom angegeben wird. In Wirklichkeit ist die Einlage eine Verschmelzung von Wisd. und Treas.] mit letzterer Moralität hat sie den Vice Inclination und mehrere Einzelzüge gemein. " ) Creizenach I I I 525.

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75. All for Money (um 1577; 40, 1578). Vf. Thomas L u p t o n . Hg. von E. V o g e 1, Shakespeare-Jahrbuch 40 (1904). Money von Th. L., einem protestantischen Theologen mit klassischer Bildung, erweist sich schon im Personenverzeichnis durch die Spitzfindigkeit von Namen wie Learning with money, Leaming without money, Money without leaming, Neither money nor leaming als Nachahmung von J. Heywoods Love. Neben den allegorischen Personen begegnen auch typische Vertreter verschiedener Stände. Unter diesen ist bemerkenswert Sir Lawrence Livingless, ein Vorläufer von Sir Oliver Martext in Shakespeares As. In seiner Person verkörpert sich eine schneidende Satire gegen den niederen katholischen Klerus. Er ist ein richtiger Heckenpriester, völlig unwissend, ein eifriger Schürzenjäger und Kartenspieler. Er lobt die gute alte Zeit, als das Neue Testament noch nicht ins Englische übersetzt war und das Volk noch dem Priester gehorchte, und schimpft über das überhandnehmende Bibelstudium der Laien. Nachdem er wegen seiner Ausschweifungen abgesetzt worden war, erlangt er vom Titelhelden durch Bestechung eine Stelle als dessen Hauskaplan. Grundgedanke des Stückes ist, wie schon der Titel ausdrückt, die satirische Darstellung der Allmacht des Geldes. Besonders die Gerichtsszene (V. 1009 ff.) bietet eine sehr lebendige Charakteristik. Der hier als Friedensrichter auftretende Titelheld ist natürlich nur das Zerrbild eines gerechten Richters. Bei den allegorischen Gestalten ist die Allegorie vielfach nur noch eine bloße Schale, die einen nicht mehr rein allegorischen Kern enthält; sie sind Typen mit allegorischen Namen. In den typischen Vertretern der verschiedenen Stände erneuert sich die Gruppierung von Lyndsays Sat. Auch hier sehen wir wieder, ähnlich wie in Treas., daß ein abstrakter Gedanke, nämlich daß Geld Vergnügen schafft, aus Vergnügen aber Sünde und aus Sünde Verdammnis entsteht, schon dadurch eine komische Färbung erhält, daß er zum konkreten Vorgang gestaltet wird. Diese Komik wird aber in unglaublich geschmackloser Weise noch bedeutend gesteigert durch die Art der Darstellung: der Titelheld bringt nämlich durch Erbrechen Pleasure zur Welt, auf gleiche Weise erzeugt Pleasure den Vice Sin, und Sin Damnation. Das allegorische Erbrechen ist übrigens ein Motiv, das schon bei Marcianus Capella vorkommt. 76. Respublica (1553; Hds.). Hg. von Brandl, Quellen. M a g n u s , EETS. Extra Ser. 14 (1905). Daß anscheinend nur eine einzige M o r a l i t ä t m i t a u s gesprochen katholischer, also antiprotes t a n t i s c h e r T e n d e n z , Resp., vorhanden ist, erklärt sich aus der Kürze der Regierung der katholischen Königin Maria Eckhardt, Geschichte des englischen Dramas. 3

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(1553—58), unter der allein solche Moralitäten entstehen konnten. Es ist bezeichnend, daß darin die eigentlichen konfessionellen Zeit- und Streitfragen gar keine Rolle spielen und der Schwerpunkt der Polemik auf das politische und wirtschaftliche Gebiet verlegt wird. Der Vice des Stückes ist Avarice. Habsucht wird also als die innerste Triebfeder der Reformation hingestellt, und die Satire richtet sich überhaupt gegen die spitzbübischen Gesellen, die unter dem Deckmantel der Reformation das Kirchengut geraubt hätten. Das entspricht der auch sonst üblichen katholischen Polemik gegen den Protestantismus. Daß die Reformation religiöse Ursachen gehabt hat, will die katholische Kirche nicht zugeben, so sehr auch die Beweise dafür auf der Hand liegen. — Die Satire ist aber so witzig, und die Komik so gelungen, daß das Stück als eine der unterhaltendsten Moralitäten gelten darf. Dadurch unterscheidet es sich vorteilhaft von den meisten protestantischen Kampfdramen, die durch ihre gar zu trockene Lehrhaftigkeit, ihre aufdringliche Tendenz und ihren Mangel an echter Komik recht langweilig wirken. — Das Stück ist wie Bales Laws in fünf Akte eingeteilt, die in einzelne Szenen zerfallen. Im Mittelpunkt der Handlung, als Gegenstand des Kampfes der Tugenden und Laster, steht Respublica, eine deutliche Nachahmung des Rex Humanitas in Lyndsays Sat., während der südwestliche Mundart redende Clown People als Vertreter des schwer bedrückten Bauernstandes Lyndsays John the Commonweill entspricht. Es ist eigenartig, daß der katholische Verfasser in äußerlichen Dingen somit dem Beispiel seiner protestantischen Gegner Lyndsay und, wie es scheint, auch Bale folgt. Brandl vermutet als Verfasser einen katholischen Geistlichen 50 ). Der Vice Avarice gibt als seinen Namen Policy an. Daß die bösen Gestalten sich wohlklingende Namen beilegen, um über ihre wahre Natur zu täuschen, ist ein in den Moralitäten häufiges Motiv S1), und begegnet schon in der Psychomachia des Prudentius, dem klassischen Urbilde der Moralitäten. 77. Ueber den Inhalt der verlorenen Moralität The Play of Plays and Pastimes (1580) besitzen wir eine ausführliche Mitteilung in des Puritaners Stephen Gosson Plays Confuted in Five Actions (1587)62). Das Stück ist für uns merkwürdig als frühes Beispiel einer S a t i r e g e g e n d e n P u r i t a n i s m u s , und auch, Bang und der Herausgeber Magnus erblicken den Verfasser im Protestanten Udall, eine von Haies aufgebrachte Theorie, der ich mich nicht anzuschließen vermag, vgl. meine Dial.-Typen, Anm. 18. " ) Vgl. Eckhardt, Lust. P. S. 204 ff. ") Abgedruckt in Hazlitts English Drama & Stage (1869), p. 159—218. Vgl. Dover Wilson, Cambr. Hist. VI 391 ff.

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weil sogar die Moralität solchem Zwecke dienen mußte. Es will zeigen, wie gefährlich es sei, Zeal (— Puritanismus) zum einzigen Führer des Lebens zu machen; erträglich werde Zeal nur durch Verbindung mit Delight und Recreation. 78. Lingua (um 1603; 40, 1607). Dodsley 4 IX. Ein ganz verspäteter Nachzügler ist schließlich Lingua, worin die Moralität schon im U e b e r g a n g z u m M a s k e n s p i e l begriffen erscheint. Als Verfasser gilt Anthony Brewer M ). Gegenstand dieses eigenartigen Dramas ist ein Wettstreit der fünf Sinne um eine Krone und ein Prachtgewand, die von der Titelheldin als Preise ausgesetzt werden; Common Sense wirkt als Schiedsrichter, erteilt die Krone Visus, das Gewand Tactus und bestimmt, daß Lingua als Anstifterin des Streites im engen Gewahrsam von Gustus bleiben solle. Lingua, die beansprucht hatte, auch zu den Sinnen gerechnet zu werden, wird als sechster Sinn nur dem weiblichen Geschlecht zugesprochen. Der dramatische Fortschritt liegt hier in der schon ganz spezialisierten Handlung und in der realistischen Darstellung. Der Verfasser ist ein witziger Mann mit ausgebreiteter Bildung; er weiß trotz des allegorischen Inhalts des Stückes gut zu unterhalten und gelegentlich wirksame Komik zu entfalten. Anscheinend entstammt sein Werk akademischen Kreisen; es ist ein dramatischer Studentenscherz. Die Namen Una und Acrasia sind Spensers Fairy Queen entlehnt. Allgemeines über die Moralitäten und ihre Entwicklung nach 1500. 79. Die Moralitäten sind ihrem innersten Wesen nach unrealistisch : indem sie die Beweggründe der menschlichen Handlungen, die guten und schlechten Anlagen des Menschen, aus seinem Innern nach außen verlegen, diese Anlagen zu selbständigen Gestalten erheben, entfernen sie sich von der Wirklichkeit. Sie berauben sich so eines Vorteils, der dem eigentlichen Drama, worin wirkliche Menschen auftreten, zugute kommt. Der Kern des eigentlichen Dramas ist Handlung; bei den wirkliche Menschen darstellenden Personen dieses Dramas sind daher nicht die Reden, sondern die Handlungen die Hauptsache, und die Reden sind besonders dazu da, die Beweggründe der Handlungen erkennen zu lassen. Bei der für die Moralitäten charakteristischen Personifizierung dieser Beweggründe muß nun die Handlung zu kurz kommen: die solche Beweggründe verkörpernden Tugenden und Laster bekämpfen einander nicht mehr durch Handlungen, sondern " ) Schelling, Eliz. D r . I I 70 stellt T o m k i n s als Verfasser hin. V o m gleichen Verfasser ist auch, wegen der Uebereinstimmung in P l a n u n d Stil, Pathomachia, or, Love's Loadstone (1630), in Prosa, ein letzter kraftloser A u s l ä u f e r des absterbenden Moralitätendramas.

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durch Beweisgründe und Gegengründe, wodurch sie die in der Mitte zwischen beiden Parteien stehenden neutralen Personen, die Vertreter des Menschen, auf ihre Seite herüberzuziehen versuchen. Der Mensch, der Träger der Handlung im eigentlichen Drama, wird so zu einer ganz passiven Rolle verurteilt M ). Hierin werden die Moralitäten von einer andern Literaturgattung beeinflußt, den im Mittelalter beliebten Streitgedichten (débats, jeux partis), den Vorläufern der komischen Zwischenspiele. Die Verwandtschaft der Moralitäten mit diesen Zwischenspielen wurde im 16. Jahrhundert auch herausgefühlt, und um sie v o n den komischen Zwischenspielen zu unterscheiden, nannte man jene moral, diese merry oder comic interludes. 80. Wir haben gesehen, wie die Entwickelung der Moralitäten in der Neuzeit sie, trotz ihres der Realistik widerstrebenden Grundcharakters, doch sich immer mehr dem Realismus des eigentlichen Dramas nähern läßt. Solches geschah durch Verwandlung der allegorischen Gestalten in Typen mit allegorischen Namen. Ganz realistisch konnte aber die Moralität, solange sie ihrem Wesen treu bleibt, überhaupt nicht werden. Individuen, einzelne Menschen darzustellen, war der Moralität nur möglich, indem sie das ihr innewohnende Prinzip durchbrach. Das geschah, unter dem Einfluß des gleichzeitigen regelrechten Dramas, z. B . beim Titelhelden von Confl. Neben der jüngeren Reihe der typischen und vereinzelt auch der individuellen Figuren in den Moralitäten begegnet in ihnen schon früh eine ältere Schicht konkreter Gestalten (Gott, der Teufel, u. a.) als Nebenfiguren neben den allegorischen Personen; sie sind deutlich als Erbteil der Misterien zu erkennen. 81. Sind der Entwickelung der dramatischen Handlung und der Personen der Moralitäten Schranken gesetzt, die im Wesen der Moralität selbst begründet sind, so ist die Moralität doch andererseits in den Zwecken, denen sie zu dienen vermag, von großer Vielseitigkeit, welche die der Misterien weit übertrifft. Die Moralität bot den Dichtern des 16. Jahrhunderts ein bequemes biegsames Schema dar, das zu allen möglichen Dingen verwandt werden konnte. Wir haben gesehen, wie der ursprünglich rein ethisch-didaktische Zweck der Moralität in der Neuzeit schon früh umgestaltet wird: sie soll die Notwendigkeit predigen, das Wissen zu erweitern (Eiern.)', sie dient der politischen Satire (Magnif.) oder dazu, wirtschaftliche Mißstände zu geißeln (Tide). Vor allem aber bemächtigt sich die konfessionelle Polemik der Moralität als einer W a f f e im Kampfe der religiösen Parteien " ) Vgl. Swoboda, J. Heywood S. 3 ff.

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(Lyndsay, Bale und ihre Nachfolger vom protestantischen, Resp. vom katholischen Standpunkt aus). In der Zeit des eigentlichen Dramas wird die Moralität in einem Falle sogar zur Satire gegen den Puritanismus benutzt (Play), und schließlich stellt Lingua einen Uebergang von der Moralität zum Maskenspiel dar. So wird die allegorische Hülle der Moralität gleichsam von innen heraus allmählich ausgehöhlt; die Moralität entspricht immer weniger ihrem Namen. 82. Natürlich können jene verschiedenen Zwecke auch miteinander verknüpft werden. Mit den eben gekennzeichneten Haupttendenzen verbinden sich leicht noch weitere Nebenzwecke. In den konfessionellen Kampfdramen werden auch wirtschaftliche oder politische Dinge ausführlich erörtert (Sat., Resp.). Die politische oder wirtschaftliche Satire dient zugleich der bloßen Unterhaltung (Lad., Lords). Dieser Zweck der Unterhaltung tritt besonders an der Gestalt des Vice hervor: er entwickelt sich immer mehr aus einem ursprünglichen allegorischen Vertreter des Lasters zum Hauptspaßmacher. 83. Im Verhältnis zu den Misterien und Mirakelspielen haben die Moralitäten eher ein gelehrtes Gepräge 5 5 ). Das liegt an ihrem allegorischen Wesen; die Allegorie war dem Volksempfinden ursprünglich etwas Fremdes, so beliebt sie auch im Mittelalter in gelehrten Kreisen gewesen war. Die Uebertragung der Allegorie auf das Gebiet des Dramas in der Form der Moralität stellt den Versuch dar, die Allegorie auch dem Volk schmackhaft zu machen; aber dieser Versuch gelang nur teilweise, eben weil der allegorische Grundcharakter der Moralität der Volkstümlichkeit widerstrebte. 84. Von den älteren Moralitäten wurden manche wie Castle of Perseverance oder Lyndsays Sat. unter freiem Himmel aufgeführt; sie erforderten eine große Anzahl von Schauspielern, deren Verwendung der Ort der Aufführung keine räumlichen Hindernisse bereitete. Andere setzen eine Aufführung in geschlossenem Räume voraus, so schon Medwalls Nature, Skeltons Magnif., Elem.; hierbei waren gewöhnlich der beliebigen Erhöhung der Zahl der mitwirkenden Darsteller räumliche Schranken gesetzt. Auch noch aus einem andern Grunde wurde diese Zahl immer mehr begrenzt: es wurde allmählich Sitte, Berufsschauspieler zu den Aufführungen zu verwenden, und da die Zahl solcher Schauspieler in der Frühzeit des Dramas beschränkt zu sein pflegte, übertraf bei den späteren Moralitäten die Zahl der dramatischen Personen gewöhnlich die der zur Verfügung stehenden Schauspieler. Diesem Uebel55 )

Vgl.

Swoboda S. 2 ff.



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stände pflegten die Moralitätendichter dadurch zu begegnen, daß sie schon gleich von vornherein bei der Abfassung ihrer Stücke diese so einzurichten suchten, daß eine geringe Anzahl von Schauspielern zu der Darstellung genügte (z. B. in Tide, Fool u. a.). Eine andere Art von Anpassung an die tatsächlich vorhandenen Bühnenverhältnisse liegt in Skeltons Magnif. vor, wo die Rolle Fancys einem zwerghaft kleinen Schauspieler auf den Leib geschrieben ist. 85. Sebastian Brants Narrenschiff (1494) war durch die Uebersetzung von Alexander Barclay (Ship of Fools 1509) in England schon früh volkstümlich geworden. Die große Beliebtheit dieser Dichtung erklärt sich daraus, daß sie vortrefflich den auf satirische Didaktik gerichteten Zeitgeist des Humanismus zum Ausdruck bringt; Anklänge an das Ship of Fools begegnen daher schon früh auch in den Moralitäten (z. B. in Hicksc.). 86. Die metrische Form der Moralitäten ist sehr mannigfaltig und zu verwickelt, um in ihren Einzelheiten hier dargestellt zu werden; der Gegenstand wäre einer besonderen eingehenden Untersuchung wert. Nur so viel sei hier bemerkt, daß im allgemeinen das Bestreben vorhanden ist, die ernsten Teile von den komischen auch durch Verschiedenheit der metrischen Form deutlich zu scheiden. In den ernsten Teilen sind feierliche Strophenformen oder Versmaße beliebt: die siebenzeilige Chaucerstrophe, auch rhyme royal genannt (ababbcc), andere Strophenarten, oder kreuzweise Reime (abab), endlich Septenare (Confl.). Die komischen Lasterszenen werden besonders gern durch Schweifreimstrophen (meist aabccb, seltener aaabcccb) gekennzeichnet, die schon bei Chaucer das Merkmal niederer Bänkelsängerdichtung sind. Eine metrische Besonderheit Skeltons ist die häufige Einfügung von Binnenreimen, durch die er sogar viertaktige Verse in kurze Halbzeilen zerlegt; sie dienen ihm in Magnif. zur Charakteristik der allegorischen Höflinge 88 ), also zu Zwecken der Komik. Vereinzelt begegnet in Man. in der Rede Wits poulter's measure, eine geschmacklose Verknüpfung von Alexandriner und Septenar mit dem Schema:

das trotz seines klappernden drehorgelmäßigen Rhythmus im 16. Jahrhundert recht beliebt war, und nicht nur im ältesten regelrechten Drama (App. A., Camb.), sondern auch in der Lyrik ") Diese kurzen unregelmäßig gebauten Verse (Skeltor.ic verses) gebraucht Skelton mit besonderer Vorliebe auch in seinen nichtdramatischen Wcrkta.

C. Die Moralitäten.

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und Epik vorkommt S7 ). Die paarweis gereimten, lose gebauten Knittelverse werden sowohl in den ernsten als auch in den komischen Teilen der Moralitäten verwendet. An ihre Stelle kommen regelmäßig gebaute paarweis gereimte fünffüßige Jamben, unter der Einwirkung des gleichzeitigen eigentlichen Dramas, zuerst in Marr. vor. Noch stärker ist der metrische Einfluß dieses Dramas in Lords ; es ist die erste Moralität, die in mit Prosa abwechselnden Blankversen abgefaßt ist. 87. Der Einfluß der Moralitäten machte sich auch noch zu einer Zeit geltend, als sie selbst schon längst aus der Mode gekommen waren; er erstreckt sich auch auf die ältesten Stufen des eigentlichen Dramas. Dieses übernahm aus den Moralitäten nicht nur den Vice als allegorischen Spaßmacher, sondern gelegentlich auch andere abstrakte Gestalten. 88. Durch Verwandlung der allegorischen Personen in Typen mit allegorischen Namen (z. B. Simplicity in Wilsons Lad. und Lords) bereitete die Moralität dem Lustspiel einen Weg, das, im Gegensatz zu dem Individuen als Helden bevorzugenden Trauerspiel, es auch vorwiegend mit typischen Personen zu tun hat. 89. Im späteren Drama, besonders im Lustspiel oder in der Tragikomödie, kommen mitunter Personen vor, die einen durchaus unrealistischen Eindruck machen, die nicht dem wirklichen Leben abgelauscht, sondern nur gleichsam Verkörperungen einer einzelnen Eigenschaft sind. Der Hauptzweck solcher Stücke ist es eigentlich, an der betreffenden Persönlichkeit einen rein abstrakten Gedanken zu erläutern. So erscheint uns die Titelheldin in Griss. B in ihrer alles Maß überschreitenden Sanftmut auch unter den härtesten Bedrückungen und den schreiendsten Ungerechtigkeiten ihres Gatten nicht als eine naturwahre echte Frau, sondern als Personifikation der Geduld und Gattinnentreue. Diese Tugenden werden bei der Charakteristik der Grissel gleichsam auf die äußerste Spitze getrieben; ebenso in der Gestalt des Archas in Fletchers Loyal Subjeci die Untertanentreue, u. a. m. Besonders die von Jonson begründete comedy of humours ist reich an Gestalten, die nicht wirkliche Menschen darstellen, sondern nur Verkörperungen irgend einer einzelnen Sonderbarkeit oder Schwäche. Wir dürfen gewiß auch diesen sogar noch in Dickens' Romanen nachwirkenden eigenartigen Zug der englischen Literatur als einen Nachklang der Moralitäten bezeichnen68). " ) Vgl. Schipper, Engl. Metrik I 257. M ) Man könnte versucht sein, auch die »redenden Namen« des späteren eigentlichen Dramas, wobei der Charakter der betreifenden Person schon durch ihren Namen ausgedrückt wird, auf die Moralitäten zurückzuführen.

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I. D I E V O R S T U F E N u s w . — D . D I E K O M I S C H E N Z W I S C H E N S P I E L E .

D. Die komischen Zwischenspiele. 90. Pollard, s. § 2. Im Gegensatz zu den Bezeichnungen der bisher behandelten Dramengattungen bezieht sich der Ausdruck Interlude nicht auf den Inhalt der betreffenden Stücke, sondern auf etwas ganz Aeußerliches: darauf, daß sie bei Gastmählern in den Pausen zwischen den einzelnen Gängen aufgeführt wurden 69 ). Sie konnten daher nur von geringem Umfang sein. Ueber die Unterscheidung von moral und comic oder merry inietludes s. § 79. 91. Von komischen Zwischenspielen in englischer Sprache liegt schon aus sehr früher Zeit ein einziges vor: der noch aus dem 13. Jahrhundert stammende, nur als Bruchstück überlieferte Schwank Interludium de clerico et puella 60), eine Dramatisierung der Novelle Dame Siriz, mit Verwertung von Motiven aus der Terenzischen Schulkomödie und der einheimischen volkstümlichen Schwankliteratur 81). Das Stück behandelt im Stil einer Posse das liederliche Treiben eines verliebten Klerikers, der mit Hilfe einer Kupplerin ein junges Mädchen zu verführen trachtet. Sonst sind keine englischen Possen aus dem Mittelalter vorhanden 62); doch haben wir Nachrichten darüber, daß solche possenartige Zwischenspiele in England im 14. Jahrhundert etwas ganz Gewöhnliches waren. Diese ganze Literatur ist verloren gegangen 63). 92. Aus der Zeit gegen Ende des 15. Jahrhunderts stammen die ältesten Spiele von Robin Hood 84) (das älteste ist um 1475 aufgezeichnet worden), die man als eine besondere Abart der komischen Zwischenspiele bezeichnen kann. Es sind Dramatisierungen volkstümlicher Balladen, die von jenem Lieblingshelden der englischen Volkssage handeln. Diese Spiele knüpfen besonders an die Maifeste an. Der erste Mai wurde in England von alters her Eine solche Annahme ist aber nicht zwingend; »redende Namen« sind z. B. auch im deutschen Drama häufig, obgleich die Moralität in Deutschland nur kümmerlich gediehen ist (vgl. Creizenach 8 I 484) und eine Einwirkung von ihr auf das deutsche Drama nicht ausgehen konnte. *•) Ich schließe mich hier der Deutung des Worts interlude von Swoboda an (S. 5). Chambers (Mediaeval Stage II 181) und Creizenach (IV 268) erklären den Ausdruck als »Spiel, das von zwei oder mehr Darstellern aufgeführt wird«. Ich sehe in dieser Erklärung keinen Vorzug gegenüber der von Swoboda. Im N E D wird das Wort als »Zwischenaktspiel« gedeutet, eine Erklärung, die mir nur auf die in Lyndsays Sat. eingelegten Zwischenspiele zu passen scheint. ,0) Hg. von Heuser, Anglia 30, 307 ff. " ) Vgl. Brandl, Me. Lit. 1 S. 648 und Quellen S. X V I . "*) Abgesehen vom zweiten Weihnachtsspiel der Towneley PL, das auf einen rein weltlichen Schwank zurückgeht, vgl. Anm. 3. •*) Creizenach 2 I 402 ff. " ) Creizenach 8 I 457 ff.

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durch Volksfeste mit allerlei Lustbarkeiten und Mummenschanz gefeiert. Fremde Einflüsse fehlen in diesen Robin-Hood-Spielen gänzlich; in ihnen drückt sich der englische Volkscharakter rein und unvermischt aus. 93. Ein bloßer Keim zu komischen Zwischenspielen steckt ferner in den Vorführungen der Spielleute, deren schauspielerische Künste oft einen mehr oder weniger dramatischen Charakter gehabt haben mögen M). Sie waren z. B. Spieler im Marionettentheater. Ferner gehören auch die Streitgedichte hierher 66), die zuerst in Frankreich aufgekommen waren (hier debats oder jeux partis genannt), aber gewiß auch in England nachgeahmt worden sind. Sie stellen komische Wortgefechte ohne jede eigentlich dramatische Handlung dar, wobei jeder der Teilnehmer seinen Gegner durch scherzhafte Beweisgründe zu widerlegen sucht. Von allen diesen Dingen erfahren wir aber nur mittelbar durch geschichtliche Zeugnisse; irgendwelche einschlägige Literaturdenkmäler in englischer Sprache liegen nicht vor. 94. An der Entstehung der komischen Zwischenspiele haben ferner mitgewirkt die zwischenspielartigen Bestandteile der Misterien (die Geschichte vom Schafdieb Mak, Noahs Frau als Keiferin, vgl. Anm. 3) und Mirakelspiele (vgl. § 30), sowie die epische Schwankliteratur (vgl. § 91). 94. In schottischer Mundart ist abgefaßt The Droichis ( = dwarf's) Part of the Play (nach Schelling 1503 (?) entstanden, hrsg. von S c h i p p e r , Denkschriften der Kais. Akad. d. Wiss., Philos.hist. Kl., Wien 1892, Bd. 40, Abh. 4, S. 100—107) 67 ). Die kleine, nur als Bruchstück überlieferte Dichtung (173 Verse in iözeiligen Schweifreimstrophen) stellt das älteste erhaltene schottische Drama dar, besteht allerdings nur aus einem einzigen Monolog. Als Sprecher tritt der bekannte fahrende Sänger Blind Harry (= Henry the Minstrel) auf, hinter dem sich nach Schipper William D u n b a r verbirgt. Daß dieser als Verfasser zu gelten habe, ist aus stilistischen und andern Gründen wahrscheinlich. Der Sprecher schildert zu Anfang mit ungeheuerlichen Uebertreibungen seine eigenen angeblichen Vorfahren, und geht am Schluß seiner Rede zu einer Satire gegen die Kaufleute von Edinburg über. Man könnte das Ganze als den Anfang eines komischen Zwischenspiels betrachten. Darin, daß der blinde Harry sich aber zugleich Wealth nennt, und auf Weilfair, Wantones und Play als seine (stummen) Gefährten hinweist, zeigt sich doch auch der Einfluß •5) Creizenach 2 ••) Creizenach» " ) Nachrichten son, Cambr. Hist.

I 380 ff. I 386 ff.; 462 ff. von sonstigen schottischen Dramen verzeichnet HenderI I I 122.

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I. D I E V O R S T U F E N DES EIGENTLICHEN

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der Moralitäten; es ist sogar fraglich, ob das Stück in seiner vollständigen Gestalt nicht eine wirkliche Moralität gewesen ist. 95. Der erste englische Dichter der Neuzeit, aus dessen Feder ein Werk stammt, das man allenfalls als »komisches Zwischenspiel« bezeichnen könnte, ist S k e 1 1 o n , dem wir schon begegnet sind. Sein Necromancer (1504) ist jetzt verschollen, muß aber noch Warton im 18. Jahrhundert vorgelegen haben, der eine Inhaltsangabe des Stückes bietet 6 9 ). Unter den fünf Personen sind zwei allegorisch: Simony und Avarice; wir haben es hier also mit einer Mischform von komischem Zwischenspiel und Moralität zu tun. Die sonstigen Personen sind der übrigens nur eine untergeordnete Rolle spielende Schwarzkünstler als Titelheld, der Teufel und der Notar. E s handelt sich u m einen Prozeß gegen die beiden allegorischen Bösewichte, also um eine Satire gegen kirchliche Mißbräuche. Der Teufel ist Richter, und der Notar Gerichtsschreiber. 96. Von einem andern vielleicht einschlägigen Stücke Skeltons, Achademios, ist uns nur der Titel bekannt. Dieser deutet auf ein klassisches Vorbild ••). Das Stück behandelt wahrscheinlich Fragen des gelehrten Unterrichts. John Heywood. 97. R. W. B o 1 w e 11: The Life and Works of J. H. New York & London 192t ,0). — Arthur W. R e e d: The Canon of J. H.'s Plays. London 1908. — Wilh. S w o b o d a : J. H. als Dramatiker. Wien 1888. — K. Y o u n g : Influence of French Farce upon J. H. Modern Philol. II 97—124.

J. H. ist der eigentliche Klassiker des komischen Zwischenspiels in England. Er wurde um 1497, wahrscheinlich in London, geboren, trat noch jung in den Hofdienst, wohl als Chorsänger, und wurde durch seine Ehe mit Eliza Rasteil, der Tochter des Druckers John Rastell (vgl. § 44), ein Verwandter des Thomas More. Wie Morc war H. sein Leben lang ein überzeugungstreuer Katholik, geißelte aber trotzdem die groben Mißbräuche der katholischen Kirche mit derbem beißendem Spotte, allerdings noch in der Zeit vor der Reformation. Nachdem diese eingeführt worden war, ließ er seine Feder ruhen. Während und nach der Reformation wurde eben eine Kritik kirchlicher Mißstände innerhalb der katholischen Kirche von dieser nicht mehr geduldet; H. schwieg, um nicht in den Verdacht einer protestantischen Gesinnung zu geraten. Die Thronbesteigung der Protestantin Elisabeth verjagte ihn nach •*) gaben •») ,0)

Sidney Lee im Diet, of Nat. Biogr. unter Skelton hält Wartons Anfür verdächtig und glaubt, daß vielleicht eine Fälschung vorliege. Wölker I 220. Ungünstig besprochen von Arth. W. Reed, Mod. Langu. Review iS

(1923).

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Mecheln; von da siedelte er nach Antwerpen über, und sein Leben beschloß er hochbetagt um 1580 in Löwen. 98. A Dialogue of Wit and Folly (vor 1521 [?]; gedr. um 1533). Hrsg. von F a i r h o 1 1 , Publ. of the Percy Soc., Vol. 20 (1847). Von H.s Stücken, die alle noch aus der Zeit Heinrichs VIII. stammen, ist Folly das primitivste in der Technik, und daher vielleicht auch das älteste, obgleich eine genauere Datierung unmöglich ist. Die ursprüngliche Form des Streitgedichts ist hier noch ganz rein erhalten. Eine Handlung fehlt durchaus; das Ganze ist ein bloßes Wortgefecht, wobei James die Vorzüge der Torheit verficht, während John für die der Weisheit eintritt. Eine dritte Person, Jerome, wirkt als Schiedsrichter. Die Art der beiderseitigen Beweisführung bereitet auf den Wortstreit zwischen Neither Lover nor Loved und Lover Loved in Love vor; Jerome erscheint uns als ein Vorläufer des Pedlar in P's. Als John, durch die Beweisgründe James' in die Enge getrieben, schon bereit ist, sich für geschlagen zu erklären, gewinnt er an dem eben hinzukommenden Jerome, einem jungen Oxforder Doktor, einen unvermuteten Bundesgenossen, der ihm zum Siege verhilft. Das Lob der Torheit ist natürlich ironisch gemeint, und wurde durch das Encomium moriae (1509) des Erasmus angeregt; noch mehr aber verdankt unser Stück dem Dialogue du fol et du sage, der am französischen Hofe zu Anfang des 16. Jahrhunderts aufgeführt worden war. Die ironische Satire hat eine persönliche Spitze: sie gilt Will Sommers, dem Hofnarren Heinrichs VIII., vor dem das kleine Stück anscheinend aufgeführt worden ist. Das Primitive liegt hier nicht nur in dem völligen Mangel an Handlung, sondern auch in der Farblosigkeit der drei handelnden Personen. 99. The Pardoner and the Friar (1521 oder früher; K l . - 2 0 , 1533). Dodsley 4 I. In Pard. führt H. die Gestalt des schon durch Chaucer bekannten schwindelhaften Ablaßkrämers in das Drama ein, zum Teil mit wörtlichen Anklängen an Chaucer 71), aber mit Zusätzen von einer noch gesteigerten Komik. Im Kerne ist auch dies Stück ein Streitgespräch zwischen den beiden Titelhelden; aber H. offenbart darin auch seine Begabung für Situationskomik: beide treten anfangs in derselben Kirche unabhängig voneinander auf und preisen ihre Waren an, geraten aber schließlich als Geschäftskonkurrenten in einem immer heftiger werdenden Streite aneinander. Indem der " ) Brandl, Quellen S. L I I I weist nochauf weitere Vorbilder des schwindelhaften Ablaßkrämers im zeitgenössischen Humanistendrama hin: auf den Stylpho Wymphelings (1494) und Reuchlins Sergius (1507). Auch eine Lyoner Farce von einem schwindelhaften Ablaßkrämer und einem Theriakhändler weist verwandte Züge auf, vgl. Boas, Cambr. Hist. V 98.

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I. D I E V O R S T U F E N D E S EIGENTLICHEN

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Wortwechsel mit einer Prügelei endet, vollzieht sich zugleich ein Fortschritt der dramatischen Technik, der Uebergang vom bloßen Wortstreit zu einer wenn auch noch ganz rohen Handlung. Diese setzt sich fort durch das Hinzutreten zweier weiterer Personen, des Pfarrers als des rechtmäßigen Inhabers der Kirche und eines Nachbars Prat. Als diese zwischen den Streitenden Frieden stiften wollen, werden sie von den bisherigen Gegnern mit vereinten Kräften gründlich verhauen. Am Schluß siegt also nicht, wie sonst bei H., das Gute, sondern das Schlechte, vielleicht unter dem Einfluß der französischen Posse 72). Darin unterscheidet sich unser Stück von P's, mit dem es sonst stofflich eng verwandt ist. Ein Fortschritt liegt auch darin, daß hier zuerst der Versuch einer psychologischen Begründung der Handlung gemacht wird, und daß dieser Versuch geglückt ist: der Wortstreit wird mit Naturwahrheit geschildert, und daß er sich schließlich zur Prügelei steigert, erscheint uns als ganz natürliche Folge der vorherigen Situation. Die Komik liegt auch nicht in der Situation allein, sondern ist zugleich von einer feineren Art: sie ist Charakterkomik in dem Gegensatz zwischen den salbungvsollen Worten der beiden Hauptpersonen und ihren Taten. Durch äußere Mittel wird die Komik wirkungsvoll gestützt: der Wortstreit geschieht stichomythisch in abgebrochenen Sätzen, in denen jeder der beiden Gegner seine Salbadereien vom Stapel läßt. xoo. The Play of Weather (1533; K l . - 2 0 , 1533). Hrsg. von Brandl, Quellen. In Weath. kehrt H. wieder zu der ursprünglichen Form des reinen Streitgesprächs zurück; er versucht aber es zu verfeinern und ihm eine witzige Pointe zu geben. Diese liegt in der Entscheidung Jupiters, dem die Vertreter der verschiedenen Stände und Altersstufen ihre einander widersprechenden Wünsche in bezug auf das Wetter vorgetragen haben: das Wetter solle so bleiben wie bisher, mit ständigem Wechsel von Sonnenschein, Regen und Schnee, Hitze und Kälte, Wind und Windstille. Stoffliche Anregung mag eine Fabel Aesops geboten haben, in der zwei Frauen den Göttern ebenfalls entgegengesetzte Wetterwünsche mitteilen 73). In der Wahl eines im klassischen Altertum wurzelnden Stoffes offenbart sich hier schon der Geist der Renaissance. Als ein Vermächtnis der Moralitäten ist die Gestalt des Vice Merry Report eingefügt, der aber des allegorischen Intrigantentums schon fast völlig entkleidet erscheint und als bloßer Spaßmacher wirkt. Eine Handlung fehlt noch durchaus, ebenso eine dramatische Verwickelung. " ) Boas a. a. O. V 97. " ) Creizenach I I I 5 3 4 .

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101. The Play of Love (1533; 40, um I555)* Hrsg. von Brandl, Quellen. Ein bloßes Streitgespräch ist auch Love, worin H. seinen Häng zu Spitzfindigkeiten voll entfaltet. Er führt hier zwei streitende Paare vor, 1. einen Mann Lover not loved und eine Frau Loved not loving, 2. zwei Männer Lover loved und Neither lover nor loved. Der Streit dreht sich um die Frage, wer von den vier Personen am glücklichsten sei. Das Stück ist mit seinen 1573 Versen sehr weitläufig angelegt und ermüdet durch seinen fast völligen Mangel an Handlung und durch den ganz abstrakten Inhalt des Wortstreits. Stofflich ist es am nächsten mit Folly verwandt. Neither lover nor loved, der ausdrücklich als Vice bezeichnet wird, ist der einzige, der etwas Handlung hineinbringt, indem er seinen Gegner foppt; im Grunde ist aber auch er recht farblos, eigentlich weiter nichts als ein »personifizierter Gemütszustand«. Die Schlußwendung, die unvermittelt von der menschlichen Liebe zur Liebe zu Gott überspringt und verkündet, daß nur diese Liebe und ihre Frucht, die christliche Nächstenliebe, den Menschen glücklich mache, wirkt wie ein religiöser Gemeinplatz an einer Stelle, wo wir eine witzige Pointe erwarten sollten. 102. A Merry Play between Johan Johan the Husband, Tyb His Wife and Sir Johan the Priest (2 0 ,1533). Hrsg. von Brandl, Quellen. Tyb nähert sich unter H.s Stücken am meisten dem regelrechten Drama und ist am reichsten an Handlung. Es ist eine richtige kleine Posse, die einen damals überaus beliebten Typus von dankbarster Komik vorführt, den Ehemann als Pantoffelhelden und Hahnrei. Der Typus begegnet immer wieder in den Literaturen des Mittelalters und in der humanistischen Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts 74); besondere Aehnlichkeit mit unserem Stück weist aber eine französische Farce auf: Farce de Pemet qui va au vin 7S). H. entfaltet hier nicht nur eine wirksame derb-realistische Situationskomik, sondern auch eine scharf umrissene Charakterkomik, besonders in der Gestalt des betrogenen Ehemanns; aber auch dessen Frau, eine typische Böse Sieben, ist trefflich gezeichnet. Sehr komisch wirkt es, wie der Pantoffelheld seiner Entrüstung über die schmähliche Behandlung, die ihm zuteil wird, nur in gemurmelten Worten Luft zu machen wagt, und jedesmal, wenn u)

Vgl. Brandl, Quellen S. LIV. ' s ) Boas, Cambr. Hist. V 98. Das Abhängigkeitsverhältnis beider Stücke voneinander ist nicht recht klar. Die Farce ist erst 1548 gedruckt worden, und ein viel schwächeres Stück als Tyb. Daß das französische Stück eine Nachahmung des englischen sei, ist aber für das 16. Jahrhundert allzu unwahrscheinlich. Vielleicht konnte H. einen älteren jetzt verlorenen Text der Farce benutzen; dann hat er seine Vorlage jedenfalls bedeutend übertroffen.

I. D I E VORSTUFEN DES EIGENTLICHEN DRAMAS.

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sein Hausdrache ihn wegen dieses Gemurmels zur Rede stellt, seinen Worten eine harmlose Deutung gibt, wie aber noch mehr als die Zerstörung seines Eheglücks ihn der U m s t a n d aufbringt, d a ß er nichts v o n der Pastete z u essen bekommt, die v o n den beiden andern vor seinen A u g e n verzehrt wird. I n höchster W u t greift er nun den Priester, den Räuber seines Glücks, tätlich an, unterliegt aber jämmerlich in der allgemeinen Prügelei, die nun entsteht, gegen die vereinten K r ä f t e des würdigen Paares. D a s Stück h a t unter allen Dramen H.s den geschicktesten A u f b a u . Die Handlung ist in den Charakteren gut begründet und schreitet in gleichmäßiger Steigerung bis z u ihrem Höhepunkt, der Prügelszene, fort. D a ß a m Schluß nicht der Ehebrecher, sondern der Hahnrei unterliegt, entspricht der damaligen literarischen Ueberlieferung. Wir haben es hier noch mit einer rohen K u n s t z u tun, die mit groben Mitteln arbeitet; aber H.s D r a m a t i k erreicht in diesem Stücke ihren Gipfel. 103. The Four P's (um 1543/47 entstanden; 4 0 , o. J. & 1569). Dodsley 4 I. Manly, Spec. I. P's, das bekannteste von H.s Dramen, hat seinen Namen v o n den Anfangsbuchstaben seiner vier Personen: Pardoner, Palmer, Pothecary und Pedlar76). Hier kehrt H. wieder z u m Ausgangspunkt seiner dramatischen Tätigkeit, z u m Streitgespräch, zurück. F ü r die Geringfügigkeit der Handlung werden wir durch sehr witzige K o m i k entschädigt. Der A n f a n g mit seinem Streit zwischen dem Ablaßkrämer und dem Wallfahrer k n ü p f t an Pard. an, ist aber in seiner Satire gegen den Reliquienschwindel milder. D a s ist offenbar auf den Beginn der Reformation in England zurückzuführen, die dem gläubigen Katholiken H. Zurückhaltung auferlegte. Der Apotheker, ein Geistesverwandter Hickscorners und Vorläufer v o n Shakespeares Menenius Agrippa und Apemantus, begleitet den Streit der beiden mit seinen zynischen Randglossen. Dann kommt als Vierter der Hausierer hinzu, und nun wird ohne rechten Zusammenhang mit dem Vorhergehenden beschlossen, d a ß Apotheker, Ablaßkrämer und Wallfahrer jeder eine Lügengeschichte z u m besten geben solle. Der Hausierer soll als Schiedsrichter entscheiden, wer von den drei andern a m besten lügen könne. Auf des Apothekers Münchhausiade v o n hahnebüchener Derbheit folgt die sehr witzige Beschreibung des Ablaßkrämers v o n einem hohen Fest in der Hölle, dem er beigewohnt habe. Die witzigste Pointe des Stückes liegt aber darin, daß der Wallfahrer mit seiner unscheinbaren, v o n den ungeheuerlichen Lügengeschichten seiner Vorgänger so sehr abstechenden Behauptung, er habe noch nie ,6 )

Aehnlich alliterieren auch die Namen der drei Personen von

Folly.

D . D I E KOMISCHEN

ZWISCHENSPIELE.

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in seinem Leben eine zornige Frau gesehen, den Preis als größter Lügner erhält. Während Tyb als Drama gelungener ist, leistet H.s bedeutende Begabung für das Komische hier das Höchste. Er verdirbt aber wieder einen Teil seiner Wirkung, indem er, ähnlich wie in Love, das Stück in einen erbaulichen Schluß ausklingen läßt, der zu dem vorherigen so durchaus unerbaulichen Inhalt gar nicht paßt. 104. John Heywood schildert die unteren Volkskreise; er dichtet aber nicht für das Volk, sondern, ähnlich wie Neidhart von Neuenthal im deutschen Mittelalter, zur Belustigung der vornehmen Hofkreise. Zank und Streit sind die Lieblingsmotive seiner noch rohen und derben Kunst. Er besaß aber eine bedeutende Begabung für echte Komik, und einen scharfen beißenden Witz. Hauptzielscheiben seines Spottes waren die niedere Geistlichkeit und die Frauen. Seine besondere Stärke lag im witzigen Wortstreit; von ihm führt eine gerade Linie über Lyly zu den Witzgefechten zwischen Benedick und Beatrice in Shakespeares Ado, oder zwischen dem Prinzen Heinrich und Falslaff in beiden Zeilen von H 4. H.s Neigung, mit einer ermahnenden Ansprache an das Publikum zu schließen, ist aus dem Einfluß der Moralitäten zu erklären "). Im übrigen empfing H. besondere Anregung für seine Stücke aus den französischen soties oder farces, von denen z. B. die von Mailre Pathelin schon 1535 ihren Weg nach England gefunden hatte 78). 105. Tom Tiler and His Wife (zwischen 1540 und 1569 entstanden; 40, 1661). Hrsg. von Moore S m i t h , Malone Soc. Reprints 1910. Von späteren komischen Zwischenspielen setzt Tiler am ehesten die Art John Heywoods fort. Im Anschluß an dessen Tyb wird hier das dankbare Thema vom Pantoffelhelden und der Bösen Sieben79) wieder aufgenommen. Ein Teil der Personen trägt allegorische Namen, darunter vor allem die ihren Ehemann Tom Tiler pantoffelnde Böse Sieben Strife, der Vice Desire, und als Vertreter der guten Mächte Patience. Die übrigen Personen sind Typen, aber auch Strife ist eigentlich keine Allegorie mehr, sondern schon Typus, der außer seinem Namen nichts Allegorisches mehr an sich hat. Das Stück ist rein englischen Ursprungs, ohne von " ) Swoboda S. 56 ff. ™) Boas, Cambr. Hist. V 9 1 ; vgl. auch Young. Boas V 96 ff. hält H.s Verfasserschaft bei Paul, und Tyb für nicht durchaus unzweifelhaft, bei den andern Stücken für sicher. Pari, und Tyb unterscheiden sich von den übrigen Stücken H.s, die alle einen erbaulichen Schluß haben, dadurch, daß das Schlechte schließlich den Sieg behält. Dies kann aber auf die Einwirkung der französischen Farcen zurückzuführen sein. " ) Eine solche stellte schon Noahs Frau in den Misterien dar; s. Anm. 3.

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I. D I E V O R S T U F E N

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fremden Einflüssen berührt zu sein. Die possenhafte Komik ist natürlich von niederster Art, und gipfelt in Prügeln und Schimpfworten. Als ein Ausschnitt aus dem Alltagsleben der unteren Volksschichten hat das Stück aber doch einigen kulturgeschichtlichen Wert. 106. The Auld Man and His Wife (1552, gedr. 1602). Vf. L y n ds a y. Works ed. Laing II. Stofflich verwandt ist Auld, das einzige selbständige komische Zwischenspiel L.s neben den beiden Einlagen in Sat. Das kleine Drama mit nur 277 Versen führt die hergebrachten Typen des Miles gloriosus (Fyndlaw), das Hahnreis (Auld Man), des Pantoffelhelden (Cutter) und der Bösen Sieben (Wyfe) vor. Trotz seiner Kürze ist das Stück reich an grotesken Uebertreibungen und voll des derben Humors, der für L. charakteristisch ist. 107. Calisto and Melibea (um 1530, Hds.). Dodsley 4 I. Calisto ist bemerkenswert als frühestes Beispiel eines Einflusses der spanischen Literatur auf das englische Drama. Das Stück ist die Bearbeitung eines Abschnitts aus dem großen spanischen Prosadrama Celestina 80) (1480 von Rodrigo Cota begonnen, 1499 von Rojas vollendet). Der Stoff deckt sich mit dem der Novelle Dame Siriz, die schon im Mittelalter in englischer Sprache dramatisiert worden war (vgl. § 91). Es handelt sich hier um die Verführung der tugendhaften Melibea durch Calisto mit Hilfe der Kupplerin Celestina. Das Stück ist schon ganz frei von allegorischen Bestandteilen und unterscheidet sich von einem regelrechten Drama nur durch seinen geringen Umfang und durch den Mangel einer Einteilung in Akte und Szenen 81). Bezeichnend für die pädagogische Tendenz des Verfassers ist es, daß Melibea, in Abweichung von der Vorlage, nicht zum Straucheln gebracht wird, trotz aller Kuppelversuche der Celestina. Die schließliche Rettung entspricht dem Schema der meisten Moralitäten, die also doch wenigstens in diesem einen Punkte unser Stück beeinflussen. Der Schluß des Dramas ist vom künstlerischen Standpunkt aus ein Mangel gegenüber dem Original, dessen tragischer Ausgang viel wirkungsvoller ist. In einer Hinsicht ist das Stück moderner als selbst die gleichzeitigen Dramen J. Heywoods: es bedeutet einen Schritt zur Individualisierung der handelnden Personen, daß diese Taufnamen tragen, statt der typischen Personenbezeichnungen bei jenem Dichter. Die Namen stammen aber aus dem spanischen Original. Wahrscheinlich war das Stück zur Aufführung durch Schüler einer Gelehrtenschule bestimmt 82). M ) Das spaDische Stück war gar nicht zur Aufführung bestimmt, sondern bloßes Lese-Drama, s. Creizenach III 153. 8l ) Schelling, Eliz. Dr. I 90. M ) Creizenach III 541.

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ZWISCHENSPIELE.

108. Thersites (1537; 4 0 , um 1550). Dodsdey 4 I. Thers. ist ebenfalls eine Schulkomödie mit gleichem Zweck w ). Der Stoff und die mancherlei klassischen Anspielungen deuten auf einen gelehrten Verfasser, offenbar einen Lehrer an einer Gelehrtenschule. Die Rolle des Titelhelden steht unter dem Einfluß des plautinischen Miles gloriosus. Creizenach hat nachgewiesen M ), daß unser Stück die Bearbeitung eines lateinischen Schuldramas gleichen Stoffes von Ravisius Textor ist, bei dem auch schon ein Prahlhans mit einer Schnecke kämpft, und sich hinter den Rücken seiner Mutter verkriecht, als er es mit einem ernsthaften Gegner zu tun bekommt. Es liegt hier eigentlich nicht ein ganzes Drama vor, sondern nur eine einzige Szene, in der nur eine einzige Situation vorgeführt wird. In Stil und Metrik knüpft der Verfasser eher an Skelton an als an J . Heywood. 109. Jack Juggler (1553/58; 4°. 1563)- Dodsley 4 II. Klassischer Herkunft ist auch Juggl. Als seine Quelle gibt der unbekannte Verfasser selbst Plautus an. Die Eröffnungsszene von dessen Amphitrm erscheint hier zu einem selbständigen Stück erweitert, als ältestes Beispiel der unmittelbaren Nachahmung eines antiken Dramas in der englischen Literatur. Was aber im römischen Original als Episode einen dankbaren komischen Stoff darbot, war zu dürftig, um den alleinigen Inhalt eines ganzen Stücks auszumachen. So ist die englische Nachbildung ein ziemlich ödes Machwerk, zumal da sie überall faustdick aufträgt, und die an sich schon sehr derbe Komik des Originals noch vergröbert. Auch dies Stück war wahrscheinlich zur Aufführung durch Schulknaben bestimmt. Wie ein Holzschnitt mit der Abbildung des Titelhelden vermuten läßt, wurde dessen Rolle von einem Zwerge oder einem kleinen Knaben gespielt; er stellt zugleich den Vice des Stückes dar. Im Anschluß an das lateinische Original bringt der Vice ( = Merkur bei Plautus) in der Gestalt des Dieners Jenkin Careaway ( = Sosia) es fertig, den wirklichen Jenkin schließlich an seiner eigenen Identität zweifeln zu lassen. Ein mutiges Wort am Schluß gibt uns mit dem Hinweis auf schwere Glaubensbedrückungen einen Anhaltspunkt für die Entstehungszeit unter Maria der Katholischen. 110. The Disobedient Child (um 1547; 4 0 , [um 1565]). Vf. Thomas I n g e l e n d . Dodsley 4 II. Es ist natürlich, daß die pädagogische Richtung des Humanismus, die sich, wie wir gesehen haben, auch im Misterienspiel und in der Moralität bemerkbar macht, in das komische Zwischenspiel ebenfalls eindrang. Selbst J . Heywood, dem lehrhafte Be» ) B r a n d l , Quellen S . L X X I . •«) I I 6 5 . E c k h a r d t , Geschickte des englischen Dramas.

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5O

I. D I E

VORSTUFEN

DES EIGENTLICHEN

DRAMAS.

strebungen sonst ganz fern lagen, hatte ihnen am Schluß von Love und von P's gehuldigt; die Umbiegung zu einem versöhnlichen Schluß in Calisto gehört ebenfalls hierher. Während aber in diesen Fällen der lehrhafte Zweck nur gleichsam nebenbei zum Vorschein kommt, wird er zur Hauptsache in Disob. von Thom. I., anscheinend einem Mitglied von Christ's College, Cambridge Der Verfasser bemüht sich eifrig, seine klassische Bildung durch zahlreiche Anspielungen auf das Altertum an den Tag zu legen. In einem so ausgesprochenen Erziehungsdrama kommt die Komik nur dürftig zur Entfaltung. Träger einer niederen Komik sind besonders ein Koch und eine Köchin in Diensten des Titelhelden, sowie der Teufel, der ganz überflüssiger Weise episodisch auftritt, eine bombastische Prahlrede hält, und immer wieder sein typisches ho, ho, ho! brüllt. Die lehrhafte Tendenz des Stückes macht sich aber sogar in dieser Rolle unliebsam störend in naiv komischer Weise geltend: in übel angebrachter Uneigennützigkeit warnt der Teufel den jugendlichen Teil der Zuschauer vor seinen eigenen Versuchungen. Das Stück, eine Bearbeitung des lateinischen Humanistendramas Juvenis, pater, uxor von Ravisius Textor, ist von pedantischer Schwerfälligkeit und betont übertrieben den didaktischen Zweck. Kennzeichnend für den strengen Sinn des englischen Bearbeiters ist der Schluß, der ohne Versöhnung zwischen dem Vater und dem ungeratenen Sohne, dem Titelhelden, endet. Dieser ist gegen den Willen seiner Eltern eine leichtsinnige Heirat eingegangen und wird von seiner Frau schändlich mißhandelt. Als er seinen Vater anfleht, ihn wieder aufzunehmen, wird ihm diese Bitte abgeschlagen und ihm nur eine Geldunterstützung gewährt. Das Stück entspricht dem Typus vom Verlorenen Sohne noch eher als Jacob. Primitive Technik zeigt sich in den vielen epischen Berichten als Ersatz der dramatischen Handlung. i n . Nice Wanton (1547/53 86); 40, 1560). Dodsley 4 II. Ein Stück verwandter Art ist auch Want. Während Disob. ganz frei von allegorischen Gestalten ist, treten hier neben der nichtallegorischen Mehrzahl der Personen Iniquity als Vice und Worldly Shame auf. Die Personen des wirklichen Lebens tragen zum Teil biblische Namen, ohne daß die Handlung selbst irgendwie an die Bibel anknüpft. Diese Personen sind auch nicht als Juden des Alten Testaments, sondern als Christen gedacht. Die Farben werden, um der Jugend ein abschreckendes Beispiel zu geben, möglichst dick aufgetragen: Ismael wird wegen Diebstahls und " ) Ward I 250. " ) Brandl, Quellen S. L X X I I macht Entstehung durch Hinweis auf den Reim queens (für kings): tkings scheinlich.

unter Eduard V I . (V. 545 ff.) wahr-

D.

DIE

KOMISCHEN

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ZWISCHENSPIELE.

Mordes zum Tode verurteilt; seine zur Dirne gewordene Schwester Dalila stirbt an der Syphilis, nicht ohne noch vor dem Tode ihre Sünden bereut zu haben. Xanthippe, die Mutter des liederlichen Geschwisterpaares, will sich aus Kummer über ihre ungeratenen Kinder erstechen, wird aber von Barnabas, ihrem gutgearteten Sohne, daran gehindert. Zweck des ganzen Stückes ist es, die schlimmen Folgen einer allzu schwachen Erziehung zu veranschaulichen. Es ist eine Bearbeitung des Schuldramas Rebelles (1535) von Macropedius. Auch hier weicht der Verfasser, ähnlich wie Ingelend, am Schluß von seiner Vorlage ab; denn bei Macropedius werden die Uebeltäter schließlich gerettet. Wahrscheinlich ist auch ein Einfluß der biblischen Geschichte vom Verlorenen Sohne zu vermuten, wo auch schon neben diesem ein wohlgeratener Sohn begegnet 87). Boas weist auf die Möglichkeit hin 88), daß Thomas Richards, der Verfasser von Misog., auch unser Stück geschrieben habe; die gelungenste Szene dieses sonst schwachen und rohen Dramas erinnert an eine ähnliche Szene in Misog. Die Komik kommt in Want. noch mehr zu kurz als in Disob. Ihr einziger Träger ist der Vice; aber auch ihm sind komische Züge nur in sehr geringem Maße beigelegt. Die lehrhafte Tendenz überwuchert hier so sehr alles Uebrige, daß das Stück aus der Gattung der komischen Zwischenspiele fast heraustritt8i"). A l l g e m e i n e s ü b e r die k o m i s c h e n

Zwischenspiele.

1x2. Das komische Zwischenspiel gleicht eher als die Moralität dem späteren Drama, insbesondere dem Lustspiel, dadurch, daß es neben dem Zweck der bloßen Unterhaltung im allgemeinen keine Nebenzwecke verfolgt, daß es unter den Vorstufen des eigentlichen Dramas am ehesten tendenzlose Kunst bieten will. So sind die komischen Zwischenspiele unmittelbare Vorläufer des regelrechten Lustspiels; einige jener Spiele wie z. B. J. Heywoods Tyb oder Calisto unterscheiden sich von diesem nur noch äußerlich durch den geringeren Umfang und das Fehlen einer Einteilung in Akte und Szenen, im inneren Bau durch den Mangel einer richtigen Verwickelung oder wenigstens dadurch, daß eine solche Verwickelung erst in kümmerlichen Anfängen vorliegt. 113. Zunächst aber hatte der literarische Zusammenhang mit den Streitgesprächen einen ungünstigen Einfluß auf das komische Zwischenspiel: er hemmte das Aufkommen einer Handlung und bewirkte, daß manche der älteren Zwischenspiele aus nichts als «) Brandl, Quellen S. L X X I I I " ) Cambr. Hist. V 110. " ) Schließlich sei noch W. Wagers * Enoughis asGood as a Feast (hg. von Seymour de Ricci, London und New York 1921) genannt, das im Titel als Interlude oder Comedy bezeichnet wird. 4*

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I.

DIE

VORSTUFEN

DES

EIGENTLICHEN

DRAMAS.

Reden und Gegenreden bestehen (so noch J. Heywoods Folly und Love). In späterer Zeit mußte das komische Zwischenspiel unter der Einwirkung des Humanismus der Lehrhaftigkeit Vorspanndienste leisten (Disob., Want.); je mehr diese betont wurde, desto mehr kam die Komik zu kurz, desto mehr wurde zugleich das komische Zwischenspiel seinem ursprünglichen Wesen entfremdet. Im allgemeinen stellt aber sonst die Komik dieser Spiele eher als bei den andern dramatischen Vorstufen des Lustspiels den eigentlichen Kern des Dramas dar. J. Heywood ist der einzige englische Zwischenspieldichter, bei dem ein Zusammenhang mit den französischen Farcen festzustellen ist. 114. Weil die Komik in diesen Zwischenspielen in den Mittelpunkt der Handlung gerückt ist, macht sich hier weniger als bei den Moralitäten das Bedürfnis geltend, die komischen Stellen auch durch die Metrik besonders hervorzuheben. Die Schweifreimstrophe, die in den Moralitäten so oft ein Kennzeichen komischer Rede ist, fehlt daher in den komischen Zwischenspielen fast ganz (sie kommt nur vereinzelt in Pard. vor). Die feierliche Chaucerstrophe eröffnet das Spiel (Wcath., Thers., Juggl.), oder schließt es {Folly, Juggl.). Eulalia, die Nachbarin der unglücklichen Mutter Xanthippe (Want.), bedient sich als Trägerin einer ernsten Rolle gleichfalls dieser Strophenform, um Xanthippens ungeratene Kinder anzuklagen. In Tiler ist der Prolog in fünffüßigen jambischen Reimpaaren abgefaßt. Sonst herrschen paarweis oder kreuzweis gereimte Knittelverse vor. 115. Das Bedeutungsvollste, was die spätere Dramatik den komischen Zwischenspielen entnahm, waren die scharf geschliffenen Waffen eines lebendigen witzigen Dialogs (vgl. § 104), der im eigentlichen Lustspiel nur noch bedeutend verfeinert zu werden brauchte. E. Ueberblick über die Vorstufen des eigentlichen Dramas. (von 1500 an). 116. Das Jahr 1500 wird als Grenzjahr zwischen Mittelalter und Neuzeit nur angesetzt, um ersteres mit einer runden Jahreszahl abzuschließen. Natürlich waren sich die Menschen im Jahre 1500 in keiner Weise bewußt, an der Grenze zweier Zeitalter zu stehen. Nur ganz allmählich treten im 16. Jahrhundert die Wandlungen des Zeitgeistes gegenüber dem Mittelalter deutlicher hervor. Eines der Hauptmerkmale, wodurch sich die Neuzeit vom Mittelalter unterscheidet, ist die Befreiung der nichttheologischen Wissenschaften von der Vormundschaft der Theologie. Im Mittelalter

E.

UEBERBLICK

ÜBER

DIE V O R S T U F E N

USW.

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waren alle übrigen Wissenschaften Dienerinnen der Theologie gewesen ; erst in der Neuzeit begann man jene um ihrer selbst willen zu pflegen. Eine erste Spur dieses Wandels haben wir in Elem. (um 1512) festgestellt. Wie schon aus der Zeit der Entstehung dieser Moralität hervorgeht, kam der erste Anstoß zu jener Befreiung nicht durch die Reformation, sondern durch den H u manismus. 117. Die Einnahme Konstantinopels durch die Türken (1453) nötigte die dortigen griechischen Gelehrten zur Flucht nach Florenz; dies gab den Anlaß zum Aufblühen der humanistischen Studien in Italien. Schon seit der mittelalterlichen Frührenaissance hatten zwischen Italien und England enge literarische Beziehungen bestanden, namentlich auf dem Gebiete der Epik; so drang der neue Geist des Humanismus auch bald nach England. Der große Erasmus lebte längere Zeit dort; er wirkte eine Zeitlang als Professor des Griechischen an der Cambridger Hochschule. Die Utopia (1516) des Thomas More ist schon ganz durchtränkt mit humanistischen Gedanken. 118. Das Ziel des Humanismus war die Wiederbelebung des klassischen Altertums. Ein Hauptmittel zur Erreichung dieses Zieles waren die Schulen, in denen die neugewonnenen Schätze der Antike der Jugend erschlossen werden sollten. Plautus, Terenz und Seneca wurden in den Schulen gelesen, und in lateinischen Schuldramen nachgeahmt. Ein weiterer Schritt war die Verwendung der englischen Muttersprache beim Drama statt des Schullateins. So wurde der Humanismus der Schöpfer des englischen Schuldramas. 119. Es liegt auf der Hand, daß ein Hang zur Lehrhaftigkeit mit dem Wesen des Humanismus eng verknüpft ist. Er strebte nicht nur nach der Verbreitung klassischer Bildung; sein Ziel war auch die Erziehung im Geiste des klassischen Altertums. Dazu war ihm das Schuldrama ein willkommenes Mittel. Die mehr oder weniger aufdringliche Lehrhaftigkeit des Humanistendramas ließ die rein künstlerischen Zwecke in dieser Abart der dramatischen Literatur zurücktreten. Das Ziel des Humanismus war nicht die Kunst, sondern die Wissenschaft; ihm fehlte durchaus der Geist schöpferischen Künstlertums. Er begnügte sich daher mit den Vorstufen des eigentlichen Dramas, ohne bis zu diesem selbst vorzudringen; er übernahm die schon im Mittelalter entstandenen Misterien und Moralitäten 80), und machte sie seinen Zwecken dienstbar. Von den biblischen Stoffen, die unter dem Einfluß des Humanismus in das ,0 ) Die nach 1500 verfaßten Mirakelspiele können schon wegen ihrer geringen Zahl hier außer Betracht bleiben.

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I. D I E

VORSTUFEN

DES EIGENTLICHEN

DRAMAS.

Gewand des Schuldramas gekleidet wurden, bevorzugte er solche, die sich durch ihren Inhalt besonders zur humanistischen Didaktik eigneten, wie das Gleichnis vom »Verlorenen Sohne« (vgl. Jacob § 17, Son § 18). Die Moralitäten kamen den Zwecken des Humanismus durch die ihnen von vornherein anhaftende Lehrhaftigkeit schon auf halbem Wege entgegen. Der Humanismus verschob aber, seinem Wesen gemäß, den Schwerpunkt der Moralität aus dem Gebiet der Ethik in das des Wissens: Hauptlaster sind in den humanistisch beeinflußten Moralitäten nicht mehr die Laster in engerem Sinne wie Iniquity, Avarice usw., sondern, in echt schulmäßiger Auffassung, Ignorance und Idleness (vgl. § 44—47), die Hauptfehler der Schuljugend. 120. Das komische Zwischenspiel reicht in seinen Anfängen zwar auch noch ins Mittelalter zurück; die Hauptzeit seiner Ausbildung war aber das 16. Jahrhundert. In dieser Dramengattung kommt der Geist des Humanismus noch stärker zur Geltung. Thers. und Juggl. sind Nachahmungen des Plautus, Disob. und Want. ausgesprochene Erziehungsdramen mit dem Zweck, den Fluch kindlichen Ungehorsams oder die schlimmen Folgen einer allzu schwachen Erziehung zu veranschaulichen. 121. Neben dem Humanismus trat im 16. Jahrhundert eine andere geistige Macht von gewaltiger Stärke auf: die R e f o r m a t i o n . Sie entstand in England nicht, wie in Deutschland, von unten herauf als eine Volksbewegung, sondern gleichsam von oben her, durch die fürstliche Laune eines Herrschers, den seine sinnliche Begierde dazu antrieb, die katholischen Ehefesseln zu sprengen. Der Bruch mit Rom hatte aber doch auch in England nachhaltigere Wirkungen, als sein ganz äußerlicher erster Anlaß vermuten lassen würde. Wyclif und seine Anhänger, die Lollarden, die trotz aller grausamen Verfolgungen nie ganz unterdrückt worden waren, hatten den Boden zur Aufnahme der jungen Saat evangelischen Glaubens wirksam vorbereitet, und auch der Humanismus hatte durch seine Befreiung des geistigen Lebens vom Joche der Theologie der Reformation den Weg ebnen helfen. Für die ungeheure Strömung, die von Deutschland aus in der Reformation das ganze Abendland überflutete, waren auch in England schon durch die bloße ursprünglich nur äußerliche Losreißung vom Papsttum die Schleusen geöffnet worden. Auch in England wurde die Reformation allmählich eine Volksbewegung; die germanische Herkunft des englischen Volkes kam ganz unwillkürlich und imbewußt zum Ausdruck im Uebergang des Landes zum Protestantismus, als der germanischem Wesen angemessensten Form des Christentums. Die Reformation wurde sogar auch in England eine ncoh viel stärkere geistige Kraft als der Humanismus; im Zeitalter

E.

UEBERBLICK

ÜBER

DIE V O R S T U F E N

USW.

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der Reformation wurde das ganze englische Leben beherrscht von den kirchlichen Kämpfen. 122. So war es nur natürlich, daß auch das Drama zur Waffe in diesen Kämpfen verwendet wurde. Es gab zwar schon vor der Reformation eine erstaunlich freimütige Kritik der schweren Mißbräuche der Kirche, vor allem des Ablaß- und Reliquienschwindels, wie die komischen Zwischenspiele des strenggläubigen Katholiken John Heywood uns gezeigt haben. In der Reformationszeit aber mußte die Kritik solcher Mißbräuche auf katholischer Seite verstummen, da die Katholiken sich sonst dem Verdacht der Ketzerei ausgesetzt hätten. Wir begreifen daher, warum John Heywood, der dem alten Glauben treu geblieben war, nach der Einführung der Reformation in England verstummte. Um so lebhafter gebärdeten sich dagegen die Rufer im Streite auf protestantischer Seite. Bale und seine Nachfolger gestalteten die mittelalterlichen Misterien zu Bibeldramen mit protestantischer Tendenz um. Eine solche Tendenz erkennen wir auch in dem einzigen, aus der Zeit nach 1500 erhaltenen Mirakelspiel, L. Wagers Magd. B. 123. Besonders geeignet zur konfessionellen Polemik waren aber die Moralitäten. Der noch aus dem Mittelalter überkommene Grundriß ihres dramatischen Aufbaus: der Mensch als Held in der Mitte zwischen den guten und den bösen Mächten, die um die Herrschaft über ihn kämpfen, bot den protestantischen Moralitätendichtern ein bequemes Schema; sie brauchten nur als böse Mächte die Laster hinzustellen, die sie den Katholiken hauptsächlich vorzuwerfen pflegten, und die entsprechenden Gegensätze als protestantische Tugenden. Solche Laster im Sinne der protestantischen Polemik sind z. B . : Sodomy, False Doctrine, Hypocrisy, Infidelity und Idolatry in Bales Laws, ähnlich Perverse Doctrine als Vertreter des Katholizismus in Cust., usw. — Von Moralitäten mit katholischer Tendenz ist nur eine einzige erhalten: Resp. Wir können daraus erkennen, welcher Art die Vorwürfe sind, die von katholischer Seite den Protestanten gemacht wurden. Als Hauptvertreter des Lasters wird nicht ein solches hingestellt, das mit dem Glauben und seiner Ausübung zusammenhängt, wie das bei den von den Protestanten aufgestellten Lastern der Fall ist, sondern der Vice Avance. Hiermit wird also der Hauptbeweggrund für den Uebertritt zum Protestantismus nicht in der Religion gesucht, sondern in dem habgierigen Wunsch, sich die reichen Kirchenschätze anzueignen. 124. Die komischen Zwischenspiele wurden anscheinend eben wegen ihrer Komik nicht für geeignet gehalten zur Austragung religiösen Streites, obgleich eine Komik in satirischer Form als konfessionelles Kampfmittel wohl denkbar gewesen wäre. Es sind

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1. D I E V O R S T U F E N

DES EIGENTLICHEN

DRAMAS.

wenigstens keine Stücke jener Dramenart erhalten, in denen die konfessionellen Gegensätze hervortreten. 125. Neben dem Humanismus und der Reformation haben in der Zeit vor dem eigentlichen Drama auch noch andere Kräfte am Aufbau des geistigen Lebens mitgewirkt. Hierher gehört zunächst die B u c h d r u c k e r k u n s t . Sie hat zwar den Inhalt des Dramas nicht unmittelbar beeinflußt, wohl aber seine äußere Gestalt. Obgleich sie schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfunden worden war, kam sie erst im Jahrhundert darauf zu voller Auswirkung. Sie gewann allgemeinere Bedeutung für die Bildung und Aufklärung auch der Masse des Volkes durch die Flugschriften, die nun erst in großen Mengen hergestellt und verbreitet wurden. Zur Aussaat der neuen Ideen bedienten sich sowohl Humanismus als auch Reformation der Buchdruckerkunst als eines willkommenen Hilfsmittels. 126. Während aus dem 15. Jahrhundert Drucke englischer Dramen nicht vorliegen, pflegen sie vom 16. an gedruckt zu werden. Der älteste Druck eines englischen Dramas ist anscheinend der von Medwalls Fulg. (1513/19). Im Mittelalter konnten nur die gelehrten Stände lesen; durch die Buchdruckerkunst wurde das Lesen und die gedruckte Literatur zum Gemeingut des ganzen Volkes. Das kam natürlich auch dem Drama zugute, wenn auch weniger als den andern Literaturgattungen, weil beim Drama die Aufführung auf einer Bühne, und nicht das Lesen, die Hauptsache ist. 127. Weitere Bausteine künftiger Renaissancekultur waren die großen geographischen Umwälzungen, die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas und Erschließung des Seeweges nach Ostindien, sowie die Lehren des Kopernikus, die einen vollständigen Umschwung in den Vorstellungen vom Weltgebäude bewirkten. Durch alle diese Kulturfortschritte wurde der Gesichtskreis der abendländischen Völker unendlich erweitert, und ihre Einbildungskraft gewaltig befruchtet.

A . D I E ANFÄNGE DES

LUSTSPIELS.

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II. Das eigentliche Drama der Hochrenaissance (von 1550 an).

A. Die Anfänge des Lustspiels 128. C. M. Gayley. A Historical View of the Beginnings of English Comedy. New York 1903. Als um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Vorstufen des eigentlichen Dramas in ihrer Alleinherrschaft auf dramatischem Gebiet vom regelrechten Drama abgelöst wurden, waren als dramatische Bausteine, die sich den Lustspieldichtern darboten, vorhanden: 1. die altklassischen Komödien von Plautus und Terenz; 2. das zeitgenössische festländische Humanistendrama in lateinischer Sprache; 3. die italienische Renaissancekomödie; 4. die komischen Bestandteile der Misterien, Mirakelspiele und Moralitäten, insbesondere in letzteren der Vice als Hauptträger der Komik; 5. die komischen Zwischenspiele. 129. Während Terenz das ganze Mittelalter hindurch eifrig gelesen und in den Schulen studiert wurde, war Plautus in jener Zeit fast völlig in Vergessenheit geraten91). Von seinen zwanzig Lustspielen waren die letzten zwölf lange Zeit verschollen; erst 1427 tauchten sie von neuem auf, und auf eine Bekanntschaft mit den ersten acht seiner Stücke deuten auch nur flüchtige Spuren. Unter den neu aufgefundenen Dramen des Plautus waren es besonders zwei, die für das neuere Drama erhöhte Bedeutung gewannen und häufig nachgeahmt wurden, die Menaechmi wegen der wirkungsvollen Situationskomik, die sich aus den beständigen Verwechslungen zweier zum Verwechseln ähnlicher Zwillingsbrüder ergab, und der Mües gloriosus wegen der grotesken Komik des Titelhelden92). Im 16. Jahrhundert hatte Plautus schon im ganzen Abendlande, seiner tatsächlichen Bedeutung entsprechend, seinen Nebenbuhler Terenz an Ansehen überflügelt. Die Kenntnis beider " ) Creizenach a I x ff. " ) Creizenach 2 I 5 6 8 f f .

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II. DAS EIGENTLICHE DRAMA DER HOCHRENAISSANCE.

römischer Dichter beschränkte sich aber, da englische Uebersetzungen ihrer Werke in der ersten Hälfte des Jahrhunderts k a u m vorhanden w a r e n 9 3 ) , auf die gelehrten Schulen, wo ihre Stücke als Grundlage für die lateinische Schullektüre dienten; gelegentlich wurden die Dramen der beiden römischen Dichter auch bei Hofe oder vor vornehmen Gönnern a u f g e f ü h r t 9 1 ) . D i e ungelehrten Kreise des Volkes wußten natürlich bis um die Mitte des 1 6 . Jahrhunderts von beiden Dichtern und ihren Werken nichts, außer dem wenigen, w a s der Miles gloriosus und der Amphitruo in den Vorstufen des eigentlichen D r a m a s an N a c h klängen hinterlassen hatten. Natürlich war auch das lateinische Humanistendrama den unteren Volkskreisen völlig unzugänglich. 1 3 0 . Englische Uebersetzungen von italienischen Renaissancekomödien lagen zwar u m 1 5 5 0 noch nicht v o r ; aber da die englische epische Literatur des Mittelalters schon seit den Zeiten Chaucers in enger Verbindung mit der italienischen gestanden und in den letzten Jahrhunderten vor der Neuzeit keine andere fremdländische Literatur der englischen so viel Anregung geboten hatte, wie die italienische, lag es den englischen Renaissancedramatikern besonders nahe, sich das italienische D r a m a zum Muster zu nehmen. 1 3 1 . Fulgens and Lucres (um 1 4 9 7 9 5 ) ; 4 0 , 1 5 1 3 / 1 9 ) , V f . H e n r y M e d w a 1 1 . H g . von F . S. B o a s und A . W . R e e d. Oxford 1 9 2 6 . Bis vor kurzem galt Udalls Roist. (vor 1551) als das älteste englische Lustspiel. Die Entdeckung von Fulgens & Lucres im Jahre 1 9 1 9 hat aber in überraschender Weise gezeigt, daß schon Ende des 15. Jahrhunderts die ersten Anfänge des Lustspiels vorhanden waren, und legt es nahe, die Möglichkeit noch weiterer Entdeckungen früher Dramen zuzugeben. Das Stück verdient als das älteste jetzt bekannte weltliche Drama in englischer Sprache unsere besondere Beachtung. Ein Hauptkennzeichen der späteren Dramentechnik, die doppelte Handlung, findet sich schon hier: die ernste Haupthandlung wird von einer komischen Nebenhandlung begleitet. Schauplatz ist das alte Rom. In der Haupthandlung wird geschildert, wie Lucres [ = Lucretia], die Tochter des römischen Senators Fulgens [ = Fulgentius] von zwei Freiern umworben wird, dem reichen vornehmen, aber ausschweifenden Publius Cornelius, und dem armen niedriggeborenen, aber tugendhaften Gaius Flaminius. Lucres zieht letzteren vor. Personen der komischen Nebenhandlung sind Jone, die Zofe der Lucres, und die Diener der beiden Freier. Diese Diener, A und B genannt, bewerben sich beide um die Hand der Zofe, werden jedoch von ihr genasfiihrt. Die Nebenhandlung wirkt durch ihren Parallelismus zur Haupthandlung wie deren Parodie. Quelle des Stückes war das novellenartige Werk des Bonaccorso de Pistoja De vera •3) Außer der von Rastell um 1530 gedruckten Uebersetzung der Andria des Terenz sind mir keine bekannt. M ) Boas, Cambr. Hist. V 102 ff. 8ä ) Das Stück liegt eigentlich außerhalb des zeitlichen Rahmens dieses Buches. Da es aber erst kürzlich zum Vorschein gekommen und daher in Literaturgeschichten noch nirgends erwähnt worden ist, sei es an dieser Stelle besprochen.

A.

DIE ANFÄNGE

DES

LUSTSPIELS.

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nobiliiatc (1428); M. hat es aber selbständig verwertet, manches hinzugedichtet, namentlich den Schluß der Haupthandlung und, wie es scheint, die ganze Nebenhandlung. Die Komik ist natürlich, der primitiven Stufe des Dramas zur Zeit der Entstehung des Stückes gemäß, von der plumpsten Art; sie gipfelt in Prügeln und Unflätigkeiten. Im übrigen zeigt der Verfasser, trotz großer Weitläufigkeit, schon einiges Geschick in der Führung der Handlung. Diese gipfelt in der Entscheidung der Lucres. Durch allerlei Hemmungen der endgültigen Entscheidung (auch die komischen Szenen dienen diesem Zweck) weiß M. im ersten Teil des Stückes eine gewisse Spannung zu erregen, der dann im zweiten Teil die Lösung folgt. Die ernsten Teile sind meist in Chaucerstrophen abgefaßt; in den komischen überwiegt die Schweifreimstrophe. Dies entsprach, wie wir gesehen haben, der metrischen Unterscheidung von Ernst und Komik, wie sie auch sonst vor der Einführung des Blankverses im englischen Drama üblich war. — Zwischen unserem Stück und dem nächsten erhaltenen regelrechten Drama, Roist., klafft eine Lücke von über einem halben Jahrhundert.

132. Nicholas Udall (1505—56), der Verfasser von Roist., stammte aus Hampshire, wurde in Winchester erzogen, studierte in Oxford, wo er zum Protestantismus übertrat, wirkte 1534—41 als Leiter der Schule zu Eton, und in seinen letzten Lebensjahren in gleicher Stellung an der Westminster School. Er war ein vielseitig veranlagter Mann, und hat eine ganze Reihe von Dramen verfaßt, die fast alle verloren gegangen sind 94 ), darunter auch lateinische Komödien und eine Uebersetzung von Ochinos protestantischer Tragödie De Papatu. 133. Ralph Roister Doister (vor 1551; 4°, [1566]. Dodsley 4 III Manly, Specimens II. Erhalten ist von allen seinen Stücken nur Roist. Der Titelheld wird schon durch seinen Namen als prahlerischer Feigling gekennzeichnet, und ist deutlich als eine Nachahmung des Miles gloriosus von Plautus zu erkennen. Indem U. ihn außerdem als erfolglosen Bewerber um eine Dame auftreten läßt, die einen andern liebt, verwertet er zugleich Szenen aus dem Eunuchus des Terenz. Der Schauplatz ist aber nach England verlegt, und der Verfasser hat es geschickt verstanden, den fremden Stoff seinen heimatlichen Verhältnissen anzupassen und in englischem Sinne umzugestalten. Echt englisch sind vor allem die beiden schwatzhaften Mägde der vom Titelhelden vergebens angebeteten Dame Custance. Der Kampf dieser Mägde mit Roister Doister erinnert an die Prügel, die der prahlerische Feigling Watkin im Digby-Spiel vom Bethlehemitischen Kindermord von den Müttern erhält, die ihrer Kinder beraubt worden sind 97 ); vielleicht ist die Szene auch zugleich Nachahmung einer Episode in der Lysistrata des Aristo••) So sein biblisches Drama Ezechias, " ) Courthope II 357.

s. Boas, Cambr. Hist. VI 208.

6o

II.

DAS

EIGENTLICHE

DRAMA

DER

HOCHRENAISSANCE.

phanes 98 ). Geschick in der Verknüpfung fremder und einheimischer Bestandteile offenbart auch die Gestalt des Matthew Merrygreek, der teils antiker Parasit und Diener nach dem Muster von Plautus und Terenz, teils englischer Vice ist, und als solcher ein Erbteil der Moralitäten. Als Vice bemüht er sich immer wieder mit Erfolg, Roister Doister in Situationen zu bringen, in denen dessen Feigheit, in ergötzlichem Gegensatz zu seinen vorherigen Prahlereien, zum Vorschein kommt. Der neuzeitliche Fortschritt zeigt sich aber in dem regelmäßigen Bau des Stückes, das in Akte und Szenen geteilt ist. Es scheint zur Aufführung durch die Schulknaben von Westminster bestimmt gewesen zu sein. Als Schuldrama ist es ganz frei von Unanständigkeiten; es verfällt auch nicht in die aufdringliche Lehrhaftigkeit, die den meisten derartigen Stücken eigen ist. Das Schulmeistertum des Verfassers äußert sich vielmehr auf durchaus originelle Weise in dem grammatischen Hauptspaß, worin die Komik des ganzen Dramas gipfelt: in dem Liebesbrief des Titelhelden an die Dame seines Herzens (III, 4, 36 ff.), dessen Sinn der boshafte Merrygreek beim Vorlesen durch falsches Interpungieren in sein gerades Gegenteil verkehrt. Drastischer und zugleich ergötzlicher kann ein Lehrer seinen Schülern die Notwendigkeit einer richtigen Interpunktion kaum beibringen. Der Prolog ist, wie im älteren Drama üblich, in Chaucerstrophen abgefaßt, das eigentliche Stück in paarweis gereimten Knittelversen. 134. Von Richard Edwards (1523 ? —1566), einem Hofdichter der Königin Elisabeth, ist nur ein einziges Stück auf uns gekommen, Dam.', wir wissen aber, daß sein jetzt verschollenes Stück Palamon and Arcite (1566) wenige Wochen vor seinem Tode in der Halle von Christ Church, Oxford, aufgeführt wurde. 135. Dämon and Pithias (1563/64); 40, 1571. Dodsley 4 IV. Dam. behandelt den durch Schillers „Bürgschaft" allgemein bekannt gewordenen antiken Stoff, aber nach einer andern Quelle: der zum Tode verurteilte Dämon hat danach das Verbrechen, das ihm zur Last gelegt wird, gar nicht begangen 99 ). Der Stoff streift gelegentlich an das Tragische; der glückliche Ausgang stempelt das Stück aber zur Tragikomödie. Wir haben in diesem Drama die älteste Tragikomödie vor uns, freilich ohne daß es ausdrücklich als solche bezeichnet ist. In der Haupthandlung steht dem aus den beiden Titelhelden bestehenden Freundespaar, das eine ideale Freundschaft verkörpert, ein Paar falsche Freunde gegenüber, deren Intrigen am Hofe des Tyrannen Dionys von 8"8) Ward I 258. " ) Creizenach I I I 568.

A.

DIE

ANFÄNGE

DES

LUSTSPIELS.

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Syrakus wie Anspielungen auf Verhältnisse am englischen Hofe aussehen. Das falsche Freundespaar stellt durch die von ihm ausgehende Kontrastwirkung die Freundschaft des andern Paares in ein um so helleres Licht; zugleich wird die Vorführung von zwei Paaren, die zueinander einen Gegensatz bilden, von nun an ein technisches Kunstmittel englischer Dramatik. Aus dem klassischen Altertum stammt nicht nur der Stoff, sondern auch eine Reihe von stehenden Typen der antiken Komödie: der Parasit (Carisophus), der gute Ratgeber (Eubulus), der Sklave (Stephano) und schließlich auch der tyrannische Herrscher (Dionys) selbst. Eine Nachahmung Senecas erkennen wir in der häufigen Verwendung der Stichomythie, und in den in rhetorisches Pathos gekleideten Gemeinplätzen 10°). Wie Udall, hat es aber auch E. verstanden, dem fremden Stoff einen englischen Anstrich zu geben. Neben der antiken Haupthandlung steht eine echt englische Nebenhandlung, worin der Komik ein sehr breiter Raum eingeräumt, und die mit dem übrigen Stück ungeschickt und recht lose verbunden ist. Diese Nebenhandlung stellt in ihrer rohen Possenhaftigkeit ein Zugeständnis an den Geschmack der Menge dar. Ihr Hauptheld ist eine im damaligen England volkstümliche Gestalt, der Köhler Grim von Croydon, den der Verfasser sogar, um ihn als ungebildeten Tölpel zu kennzeichnen, südwestliche Mundart reden läßt. Ihm wird von zwei vorlauten Bürschchen, Vorläufern der naseweisen Pagen Lylys, sehr übel mitgespielt: er wird von ihnen rasiert, wobei sie aber statt des Wassers Harn verwenden; zugleich wird er von ihnen bcstohlen. Trotzdem das Stück eine volkstümliche Richtung verfolgt, fehlen doch nicht nur der in den ältesten volkstümlichen Dramen sonst meist begegnende, aus den Moralitäten überkommene Vice, sondern überhaupt allegorische Gestalten. Die metrische Kunst des Verfassers ist dürftig; seine Verse sind recht holprig. 136. The Bugbears (1561; Hds.). Hg. von G r a b a u , Herrigs Archiv, Bd. 98 und 99 (1897). Noch stärker als die Einwirkung der Antike auf das englische Lustspiel war der italienische Einfluß. Bugb. ist die englische Uebertragung der italienischen Komödie Grazzinis La Spiritata durch zwei anonyme Bearbeiter. Die englische Fassung ist nicht ganz vollständig erhalten. Das Stück übermittelt der englischen Literatur zuerst die bekannten feststehenden Typen der italienischen commedia dett'arte: den verliebten Alten (pantälone), den geizigen Vater, der seine Tochter durchaus mit diesem Pantalone vermählen will, den lebenslustigen jungen Mann, der seine Ver10°)

Boas, Cambr. Hist. V 11S.

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II.

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bindung mit dieser Tochter gegen den Willen ihres Vaters durchsetzt, endlich die schlauen vertrauten Diener, mit deren Hilfe die Jugend über das Alter den Sieg davonträgt. Als Hauptmittel, um diesen Zweck zu erreichen, dient, wie auch der Titel andeutet, die Gespensterfurcht. Das Stück ist leichte Ware, und wirkt dadurch, daß die Geprellten gar zu leichtgläubig sind, recht unwahrscheinlich; auch überschreiten die lustigen Streiche, indem sie bis zu einem Diebstahl ausarten, ebenso wie in Dam., die Grenzen der Harmlosigkeit. Durch Einführung einer Nebenhandlung wird die Fabel des Stückes verwickelt. Trotzdem wird, nach dem italienischen Vorbild, die Einheit der Zeit und des Ortes streng eingehalten: die ganze Handlung spielt sich an einem einzigen Tage in Florenz vor dem Hause einer der Hauptpersonen ab. Auch hier zeigt sich wieder das für die Engländer typische Geschick, einen fremden Stoff dem eigenen Volkstum mundgerecht zu machen. Die Bearbeiter haben ihre Vorlage durch eigene Zutaten erweitert, und die italienische Prosa durch paarweis gereimte Alexandriner ersetzt. Das Stück ist zwar zum Teil eine wörtliche Uebersetzung von Grazzinis Lustspiel; es ist aber noch eine umfangreiche Episode hinzugekommen, die entlehnt ist teils einem andern italienischen Stück, Gl' Ingannati, teils der Andria des Terenz. Durch diese Bearbeitung wurde die lange Reihe englischer Nachahmungen von italienischen Intrigenlustspielen der Renaissancezeit nicht ungeschickt eingeleitet. 137. Common Conditions (1570, liz. 1576); Originaldruck o. J.). Brandl, Quellen. Die anonyme unvollständig überlieferte Komödie Cond, versetzt uns in eine ideale erträumte romantische Welt. Die Handlung dreht sich um die wechselvollen Schicksale, die mehrfache Trennung und schließliche Wiedervereinigung zweier Liebespaare, die in einer Doppelhandlung vorgeführt werden. Der Titelheld hat von den Moralitäten nicht nur seinen allegorischen Namen, sondern auch als der unheilstiftende Intrigant des Stückes die Vice-Rolle geerbt; aber als solcher ist er eher ein loser Kobold, ein lustiger Schelm als ein Bösewicht. Brandl faßt ihn wohl mit Recht als einen Vertreter des neckischen Zufalls auf 1 0 1 ). Zugleich ist er aber auch nach dem Muster der altklassischen Komödie der schlaue, um Auskunftsmittel nie verlegene Diener, der seine Gebieter geschickt zu lenken weiß. Manche Anspielungen im Stücke lassen vermuten, daß seine Rolle dazu bestimmt war, von einem Zwerge gespielt zu werden. Bemerkenswert ist der völlige Mangel einer lehrhaften Tendenz in diesem Stücke 1 0 1 ); aus der 10>)

Quellen S. C X V .

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romantischen Epik übertrug der Verfasser auf das dramatische Gebiet die reine Lust am Fabulieren, die Freude an einer möglichst buntbewegten Handlung ohne jeden ethischen Gehalt, wobei die Charaktere völlig zur Nebensache, bloße Träger dieser bunten Handlung werden. Peele hat später in Tale die Ideenlosigkeit, den Mangel eines inneren Zusammenhangs der einzelnen Teile der Handlung in Stücken dieser Art witzig parodiert 102 ). In unserem Drama erkennt Creizenach 103 ) ein wunderliches Gemisch von Motiven des griechischen Romans, der Ritterromane und des italienischen Lustspiels. Der Verfasser bemüht sich, durch Einschitbung von Liedervorträgen Abwechselung zu bieten. Als Versmaß dient, wenigstens für die pathetischen Stellen, der eintönige Septenar, während die komischen Gestalten in Knittelversen reden. 138. Sir Clyomon and Sir Clamydes (1578 oder vorher; 4", 1599). Hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1913. Auch in Peele's Works ed. Bullen. II. Stofflich ist mit Cond, aufs engste verwandt die ebenfalls anonyme Komödie Clyom., die früher ohne zureichenden Grund Peele zugeschrieben wurde. Beide Stücke gleichen einander in der Verwickeltheit und Zusammenhanglosigkeit der Handlung, im häufigen jähen Wechsel, dem das Schicksal der Hauptpersonen unterliegt, überhaupt im ganzen romantischen Apparat. Eine naive Romantik macht hier Alexander den Großen, in dessen Zeit das Stück verlegt ist, zu einem Zeitgenossen der Könige von Dänemark und von Schweden, deren Söhne die beiden Titelhelden sind. Beide sind Ritter; zu den Bestandteilen des Ritterdramas gehört natürlich auch ein Drache, der eine Prinzessin bewacht, und ein böser Zauberer, der alle Ritter in Schlaf versenkt, die durch Tötung des Drachen die Hand der armen Prinzessin erlangen wollen, weil er, der Zauberer, selbst es auf sie abgesehen hat. Die Technik des Stückes ist von der kindlichsten Art, ebenso kindlich wie die Charakteristik der handelnden Personen und die Handlung selbst, die noch durch ihren Reichtum an epischen Bestandteilen die Herkunft des Stückes aus dem Ritterepos verrät. Die Verwandtschaft mit Cond, offenbart sich auch darin, daß auch hier ein Vice (Subtle Shift) sein Wesen treibt, un d daß der paarweis gereimte Septenar als Versform vorherrscht. Das minderwertige abgeschmackte Stück ist ohne Akteinteilung und sehr weitläufig angelegt. Die Namen deuten auf eine uns unbekannte romanische Quelle. 139. The Rare Triumphs of Love and Fortune (1581 ¡82; 4 0 ,1589). Dodsley 4 VI. >02) Baker, Cambr. Hist. V 130.

1M

) I V 22.

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Das anonyme Stück Rare läßt in der mythologischen Einkleidung Venus und Fortuna als Hauptpersonen auftreten; sie arbeiten stets gegeneinander am Schicksal der Menschen, bis Merkur sie schließlich im Auftrag Jupiters auffordert, zusammenzuwirken: sie sollen abwechselnd in friedlichem Wettstreit die Geschicke der Menschen regieren. Der Wettstreit erstreckt sich nun auf die wirklichen Personen der Haupthandlung. Diese enthält als Bestandteile des romantischen Lustspiels die Wiedervereinigung von Vater und Sohn nach langer Trennung, die schließliche Entdeckung der vornehmen Abkunft des letzteren, wodurch alle Hindernisse der Verbindung mit seiner Geliebten beseitigt werden, überhaupt den bunten Wechsel, das beständige Auf und Ab im Schicksal des Liebespaares, ähnlich wie in Cond. Manches erinnert an die Art Lylys, aber ohne ihn in seiner Feinheit zu erreichen. Für Komik sorgt im mythologischen Teil der grobschlächtige Vulkan, der zu den Reden der andern Götter seine Clownsglossen macht, im übrigen ein clownartiger Diener Lentulo und der parasitische Intrigant Penulo. In der metrischen Form teilt der Blankvers noch die Herrschaft mit andern Vers- und Strophenformen. 140. Promos and Cassandra (1578; 40, 1578). Vf. George W h e t s t o n e (1544?—87). In: Shakespeare's Library VI. Promos besteht aus zwei Teilen, jeder mit fünf Akten, und stellt eine romantische Tragikomödie dar; Quelle ist eine Erzählung in Cinthios Hecaiommiihi. Wegen seiner allzugroßen Länge ist dies Drama wahrscheinlich niemals aufgeführt worden. Wh. hat den abstoßenden Stoff der Haupthandlung (Cassandra gibt sich dem Promos preis, um das Leben ihres Bruders Claudio zu retten), später noch in eine epische Prosabearbeitung umgegossen. Beide Werke, sowohl das Drama als auch diese Prosabearbeitung, haben Shakespeare als Vorlage für Meas. gedient; jedoch erscheint bei Shakespeare der Stoff in bedeutend verfeinerter Gestalt. In einer komischen Nebenhandlung, die auch wieder mit der Haupthandlung nur lose verknüpft ist, wird das liederliche Leben der unteren Schichten geschildert. Eine Tendenz zur Lehrhaftigkeit macht sich in den ermahnenden Worten geltend, die an mehreren Stellen des Stückes zum Tode verurteilte Verbrecher, darunter auch der Titelheld Promos selbst, an die Zuschauer richten, die der Hinrichtung beiwohnen wollen. In der Metrik läßt auch Wh. den schleppenden, für dramatische Zwecke ungeeigneten Septenar vorherrschen; bemerkenswert ist daneben das gelegentliche Vorkommen von Blankversen. Damit hält diese Versform ihren Einzug in das Lustspiel.

A.

D I E A N F Ä N G E DES

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141. Gammer Gurion's Needle (1552/53; 4°, 1575). Hg. von B r e t t - S m i t h (The Percy Reprints) 1920. Dodsley 4 III. Manly, Specimens II. Außer durch die Antike und durch Italien wurde das englische Lustspiel auch durch die einheimische Ueberlieferung angeregt. Gleich eines der ältesten einschlägigen Stücke, Gurt., ist in Stoff und Ausführung rein englisch, zeigt aber durch seine innere Verwandtschaft mit Roisi., wie sehr auch dies Stück trotz seiner alt klassischen Grundlage schon ein englisches Gepräge erhalten hat. In beiden Dramen wird ein Dummkopf von einem viceartigen Intriganten gefoppt; beide Stücke gipfeln in einer Prügelei. Der Intrigant, der die Fäden der ganzen Handlung in der Hand hält und der Anstifter alles Unheils ist, heißt hier Diccon, und ist ein Abraham man, ein Strolch, der sich als angeblich Geisteskranker, wie Edgar in Shakespeares Lear, bettelnd auf dem Lande herumtreibt. Sein Opfer ist der plumpe Bauerntölpel Hodge, ein Knecht im Hause der Titelheldin, als Lümmel durch seine bäurische südwestliche Mundart gekennzeichnet. Die Handlung dreht sich um den Verlust einer Nadel der Gevatterin Gurion, damals gewiß eine wertvollere Sache als in unserer Zeit; trotzdem muß auch schon damals der Gegensatz zwischen dem unbedeutenden Gegenstande und dem großen Apparat an Handlung, der wegen des Verlustes aufgeboten wird, die Komik wirksam verstärkt haben. In einer derben Schlußpointe wird die Nadel glücklich wiedergefunden durch einen tüchtigen Schlag, den Hodge auf seinen Allerwertesten erhält; es erweist sich hierbei in einer für ihn recht schmerzlichen Weise, daß sie in seinen Hosen steckt. Das Stück knüpft an mittelalterliche Schwankmotive an, und bedeutet trotz seiner mitunter bis zur Unflätigkeit gesteigerten Derbheit entschieden einen künstlerischen Fortschritt gegenüber Roist. Die Handlung ist origineller; sie bietet ein freilich sehr grobes, aber frisches und lebendiges Bild hausbackener Realistik aus dem Alltagsleben englischer Bauern, mit drolligen Verwicklungen und Verwechslungen. Als Verfasser galt früher John Still, neuerdings William S t e v e n s o n 1 0 4 ) , von dem bekannt ist, daß er mehrere jetzt verlorene Stücke geschrieben hat. Die Form dieses Dramas sind paarweis gereimte Septenare, mit lose gebauten vierhebigen Zeilen vermischt 105 ). 142. Misogonus (1560; Hds.). Vf. Thom. R i c h a r d s . Hg. von B r a n d l , Quellen. Die didaktisch gefärbte lateinische Humanistenkomödie beeinflußte nicht nur die Vorstufen des eigentlichen Dramas, sondern lM) 105)

Vgl. Boas, Cambr. Hist. VI 296; Schelling, Eliz. Dr. I 86. Creizenach III 573.

E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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I I . D A S E I G E N T L I C H E D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

auch das regelrechte englische Lustspiel. Ein einschlägiges B e i spiel ist Misog. v o n T h . R., wahrscheinlich einem Schulmann. D a s a m A n f a n g und zum Schluß lückenhafte Stück war offenbar zur A u f f ü h r u n g durch Schüler bestimmt, und gehört zum T y p u s der Spiele v o m Verlorenen Sohne. Die Handlung wird nach L a u rentum in Italien v e r l e g t ; es ist aber deutlich, daß dem Verfasser England als Schauplatz vorschwebte. R . entfaltet beträchtliche K u n s t in der komischen Charakteristik eines einfältigen bäuerlichen Paares, des alten Tropfs Codrus, der sich durch seine mundartliche Rede als Tölpel erweist, und seiner stotternden F r a u Alison. Ein Erbteil der Moralitäten ist auch hier wieder die Rolle des Vice, dessen Name Cacurgus schon seine Vice-Natur andeutet; er ist aber zugleich auch Hausnarr und Parasit. A u s der altrömischen Komödie stammen die den T y p u s des antiken verschmitzten Sklaven vertretenden Diener des Titelhelden. Eugonus, dessen rechtschaffener Bruder, ist schon als ganz kleines K i n d , ohne daß dies genügend begründet wird, aus dem Elternhause und der Vaterstadt weggeschafft worden; d a ß am Schluß sich alle Familienglieder wieder glücklich zusammenfinden, ist auch ein beliebtes Motiv des altrömischen Lustspiels. Unter den humanistischen Schuldramen h a t a m ehesten der Acolastus (1529) des Gnaphaeus unser Stück beeinflußt 1 0 6 ). Auch die Einwirkungen der Reformation sind sichtbar in der Satire gegen den offenbar einen katholischen Geistlichen darstellenden erbärmlichen Heckenpriester Sir John. Der Verfasser hat, trotz seiner vielfachen A b hängigkeit v o n literarischen Vorbildern, die Handlung doch selbständig zu gestalten und durch eigene Zusätze von geschickter Erfindung z u beleben verstanden. Verfehlt ist nur die metrische Form, wenigstens an den gehobenen Stellen: die an sich schon für das D r a m a ungeeigneten, sonst meist paarweis gereimten Septenare werden hier durch kreuzweise Reimstellung vollends unbrauchbar; daneben begegnen kreuzweis gereimte vierhebige Zeilen. 143. The Play of Patient Grissel 107 ) (1565), V f . John P h i l l i p . Hg. von Mc K e r r o w & G r e g , Malone Soc. Reprints 1909; v o n Heinr. P a u l , Erlanger Diss. 1921. Viel mehr macht sich eine unkünstlcrische Lehrhaftigkeit bemerkbar in Griss. A v o n J. Ph., einem Manne mit gelehrter Bildung, der als Dichter zwischen 1565 und 1591 wirkte. Der schon von Chaucer in die englische Literatur eingeführte bekannte und beliebte Stoff beruht auf der letzten Novelle des Decamerone. D a s 10 I0

') Brandl, Quellen S. LXXVIII. ') Vgl. Käte Laserstein: Der Griseldisstoff in der Weltliteratur. Weimar

1926.

B.

GEORGE

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GASCOIGNE.

Stück war verschollen, und wurde erst 1907 wieder neu entdeckt. Es steckt stark in den Fesseln der Moralität, wie die Menge seiner allegorischen Gestalten lehrt, unter denen Politic Persuasion als Vice obenan steht. Doch ist bei manchen die Allegorie nur im Namen enthalten; so heißen die Lehnsmannen des Markgrafen, des Gemahls der geduldigen Griseldis, Fidence, Reason und SoIriety. Der Vice tritt ebenfalls in dessen Dienste, und stiftet seinen Herrn zu dem grausamen Verhalten gegen Griseldis an. Seine Komik ist von der für den Vice typischen Art. Die Moral wird im übrigen gar zu dick aufgetragen. Aus den zahlreichen salbungsvollen Reden, die das Stück enthält, läßt sich schließen, daß der Verfasser ein Geistlicher oder Lehrer war. Seine Kunst ist noch recht gering; in der Motivierung der Handlungen der beteiligten Personen und in ihrer Charakteristik ist er ungeschickt 108 ). Das jüngere bekanntere Griseldis-Drama von Chettle, Dekker und Haughton (1598) ist von dem vorliegenden Stücke ganz unabhängig. In diesem ist poulier's measure das vorherrschende Versmaß der ernsten Teile, während die komischen aus paarweis oder kreuzweis gereimten Knittelversen bestehen. B. George Gascoigne (1525?—77). 144. The Complete Works in 2 vols. ed. b y John W. C u n 1 i f f e, Cambridge 1907. 1910. G. gehört auch zu den Vermittlern der italienischen Dramatik in England. Er stammte aus einer angesehenen Familie in Bedfordshire, studierte in Cambridge, und bekehrte sich am Ende seines Wechselvollen, an Ausschweifungen reichen Lebens zu einem strengen Moralisten. Als Schriftsteller war er sehr vielseitig; er zersplitterte aber seine nicht gerade bedeutende dichterische Kraft allzusehr. Von seinen Zeitgenossen wurde er als Dichter ebenso überschätzt, wie das jüngere Dichtergeschlecht ihn unterschätzte. Er hat jedenfalls das Verdienst, zur Verfeinerung der bis dahin noch recht ungefügen englischen Sprache beigetragen zu haben. 145. The Supposes (1566). Works II. Für uns kommt er zunächst in Betracht als Bearbeiter eines Lustspiels von Ariost Gli Suppositi (1509), einer Verknüpfung der Captivi des Plautus mit dem Eunuchus des Terenz. Das Stück ist, wie schon sein Titel besagt, eine Verwechslungskomödie; die Verwechslung ergibt sich daraus, daß ein junger Herr und sein Diener ihre Rollen miteinander vertauschen. Es hat für uns aber 108 ) So läßt er Griseldis (V. 858), obgleich sie niederen Standes ist, von Tarquinius, Appian und Penelope reden.

5*

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I I . DAS EIGENTLICHE DRAMA DER HOCHRENAISSANCE.

noch ein besonderes Interesse dadurch, daß es die Bianca-Episode in Shakespeares Shrew B vorbereitet. Es ist das älteste, ganz in Prosa abgefaßte englische Drama, und führt wie Bugb. die stehenden Typen der commedia dell'arte vor: zu dem Pantalone und dem schlauen Diener kommt hier noch der Dottore und der Parasit, in dessen Typus der altrömische Ursprung dieser Dramengattung besonders deutlich zutage tritt. Außerdem zeigt sich der unmittelbare Einfluß von Plautus' Amphitruo in einer Szene, in der Philogano dazu gebracht wird, an seiner eigenen Identität zu zweifeln: er will seinen Sohn Erostrato in Ferrara besuchen, findet aber dort einen Sienesen vor, der sich für Philogano ausgibt. Der Dialog ist lebhaft, und die Sprache fließend und leicht. 146. The Glass of Government (1573; 4 0 , 1575)- Works II. Die moralische Umwandlung G.s hat auch ihren dramatischen Niederschlag gefunden in Glass, einem Stück aus seiner letzten Lebenszeit. Es ist eine Nachahmung der lateinischen Humanistenkomödien mit erzieherischer Tendenz, insbesondere der Dramen vom Verlorenen Sohne. Der Schauplatz Antwerpen deutet auf einen niederländischen Humanisten als unmittelbares Vorbild. Die meist griechischen Namen der Hauptpersonen drücken schon den Charakter ihrer Träger aus; zugleich ist deren Anordnung ganz symmetrisch: dem lasterhaften Philautus steht sein tugendreicher Bruder Philomusus gegenüber; die gleiche Gegenüberstellung finden wir bei dem andern Brüderpaar Philosarcus und Philotimus, und ein drittes gegensätzliches Paar ist der treue Diener Fidus und der unzuverlässige Diener Ambidexter. Am Schluß wird Philautus in Gegenwart seines zu Ansehen und Würden gelangten Bruders wegen eines Raubes gehängt; Philosarcus wird wegen seiner geschlechtlichen Ausschweifungen an drei Tagen nacheinander öffentlich ausgepeitscht und dann aus der Stadt verbannt. Die faustdick aufgetragene Moral des Stückes, das sich stofflich mit Misog. berührt, wirkt abstoßend. Der streng kalvinistische Geist darin ist gleichsam ein Vorbote des Puritanismus. Die unbeholfene Weitschweifigkeit des Dialogs gibt dem Stücke ein Gepräge primitiver Altertümlichkeit. Doch fehlt in den Verführungsszenen nicht eine lebendige Realistik, die durch das Vorherrschen der Prosa noch verstärkt wird. In Versen sind nur der Prolog und die Chöre abgefaßt, mit denen die ersten vier Akte abschließen 109).

C. John Lyly. 147. The Dramatic Works with Notes by F. W . F a i r h o 1 1 . Vol. 1. 2. London 1892. — The Complete Works ed. by R. Warwick B o n d . Vol. 1 — 3 . l0 *) G. bearbeitete ferner zusammen mit Francis Kinwelmersh (f 1580 ?) die Phoenissae des Euripides in Blankversen unter dem Titel Jocasta (1566).

C.

JOHN

Oxford 1902 (beste Ausgabe). — Alb. Cambridge 1910 (geistreich, mitunter Darstellung). — M. L a m p e 1: Der Diss. von 1912. — Karl S t e i n h ä Halle 1884.

LYLY.

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F e u i l l e r a t , J. L . Panser Thèse. übergeistreich, erschöpfend, elegante Stil in L.s Lustspielen. Greifswalder u s e r : J. L. als Dramatiker. Diss.

148. J. L. wurde um 1553/54, vielleicht zu Maidstone in Kent, geboren, trat 1571 in das Magdalen College zu Oxford ein, verließ diese Universität 1575 als M. A., scheint seine Studien in Cambridge fortgesetzt zu haben, wo er ebenfalls zum M. A. promovierte, und erlangte dann eine Anstellung am Ofjice of the Revels ; wahrscheinlich hatte er die Chorknaben von St. Paul zu unterrichten, vor allem aber die Dramen, die vor der Königin aufgeführt werden sollten, mit ihnen einzustudieren 110). Für diese Knabentruppe hat L. auch fast alle seine Stücke geschrieben ; der Umstand, daß die darstellenden Schauspieler Knaben waren, hat auch den Inhalt seiner Stücke beeinflußt. Die umfangreiche Rolle, die L. in seinen Dramen vorlauten naseweisen Pagen oder überhaupt frühreifen kecken halbwüchsigen Burschen zuweist, erklärt sich aus der Rücksicht auf die jugendlichen Darsteller jener Truppe. Er liebt es, Lieder hier und da in seine Stücke einzustreuen, weil er als Leiter der Singknaben die zum Singen dieser Lieder erforderlichen musikalischen Kräfte ohne weiteres zur Verfügung hatte. Knaben waren nicht geeignet, Dramen aufzuführen, worin die tiefsten Fragen des Lebens angeschnitten oder gewaltige Leidenschaften vorgeführt werden. L.s Stücke gelangen daher nirgends über eine oberflächliche Behandlung des Stoffes hinaus m ) . Im Febr. 1588/89 wurde der Dichter als Vertreter von Hindon in Wilts. ins Parlament gewählt. L. hat das traurige Schicksal gehabt, nach glänzendem dichterischem Aufstieg am Ende seines Lebens von dem jüngeren Dichtergeschlecht an Ruhm völlig überstrahlt und in den Schatten gedrängt zu werden. Sein Lebensabend war trübe; in Armut und Vernachlässigung starb er im Nov. 1606. 149. Alexander and Campaspe (1579/80; 40, 1584). Manly, Specimens II. Sein ältestes Stück ist wahrscheinlich Camp. Es schildert im Anschluß an Plinius, mit allerlei Zutaten aus Plutarch, Diogenes Laertius u. a., wie der große Alexander Nebenbuhler des Malers Apelles wird in der Liebe zu der schönen Campaspe, einer Gefangenen aus Theben. Diese gefährliche Nebenbuhlerschaft erhält am Schluß eine für den Maler günstige Wendung: Alexander überläßt ihm großmütig die Geliebte, und zieht aus, um die Welt zu erobern. Der für ein fünfaktiges Drama etwas magere Vorwurf i n j Vgl. Bond in Vol. I seiner Ausgabe, p. 1. '») Bond p. 36.

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I I . D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

wird erweitert vor allem durch Hinzuziehung des Diogenes, dessen zynische Stichelreden das Stück würzen, und dadurch, daß, wie in den meisten Dramen L.s, die Dienerszenen sehr breit ausgesponnen werden. Hier sind es die drei Diener des Apelles, des Diogenes und des Plato, die sich ausführlich über ihre Herren auslassen und, wie alle Diener bei L., in Rede und Gegenrede leichten behenden Witz entfalten. Der Hauptreiz des lose gebauten Stückes liegt aber in der Fülle anekdotenhafter Einzelzüge, durch die uns eine Reihe von antiken Berühmtheiten gleichsam im Schlafrock vorgeführt wird. Diogenes hat vielleicht für Shakespeare, der überhaupt stark von L. beeinflußt wird, als Vorbild für Apemantus in Tim. B. gedient. Die Sprache ist durchtränkt von euphuistischen Wendungen, wird aber durch einige eingefügte anmutige Lieder verschönert 112 ). Das Stück ist ganz in Prosa abgefaßt, wie auch alle übrigen Stücke L.s außer Moon. 150. Sappho and Phao (1581; 40, 1584). Sappho handelt vom Liebesverhältnis zwischen Sappho und dem von Venus mit wunderbarer Schönheit begabten Fährmann Phao. Als Quellen dienten dem Verfasser Ovids Heroiden, Ars amandi und Metamorphosen, sowie Aelian; doch hat L. den Stoff durch eigene Zusätze stark umgestaltet: Sappho ist bei ihm keine Dichterin, sondern Königin von Syrakus; mit ihr zugleich wird ihr Hof in einer Reihe von Gestalten vorgeführt. L.s Vorliebe für die Darstellung von Wortstreitereien veranlaßt ihn ferner, in dem gelehrten Pandion und dem Höfling Trachinus entgegengesetzte Charaktere miteinander disputieren zu lassen, ebenso auch, ins Komische umgebogen, die ihre Herren unfreiwillig in ihren Gesprächen parodierenden Diener der beiden. Die Haupthandlung ist eine allegorische Anspielung auf die geplante Verlobung der Königin Elisabeth ( = Sappho) mit dem Herzog von Alen?on (Phao). Sappho erweist sich am Schluß stärker als selbst die allgewaltige Venus, die ihr die Liebe zu Phao eingeflößt hatte. Sie stürzt sich nicht in verzweifeltem Liebesgram vom Felsen wie die wirkliche Sappho, sondern wird von ihrer Liebe geheilt und verschmäht nun den unglücklichen Phao; das entspricht dem Scheitern des Heiratsplanes, dem die jungfräuliche Königin schließlich widerstrebte. Der Dichter bringt es also fertig, dieses Scheitern in eine grobe Schmeichelei für Elisabeth zu verwandeln. Die Schmeichelei wird in ein allegorisch-mythologisches Gewand gehüllt, und ist ebenfalls reich an Euphuismen. " * ) D a s reizende Liedchen v o n der L e r c h e in Shakespeares Cymb. (II 3 , 2 1 ) hark, hark\ the lark at heaven's gate sings ist o f f e n b a r d u r c h ein Lied in Camp. (V, r, 40) angeregt w o r d e n : Brave pricksong I Who is 't now we hear ? None but the lark so shrill and clear, How at heaven's gate she claps her wings.

C.

JOHN

LYLY.

7i

151. Galathea (1584; 40, 1592). Auch Galath. schöpft aus dem reichen Born der altgriechischen Mythologie; unmittelbare Quelle sind wieder Ovids Metamorphosen. Ovid schildert hier in der Geschichte von Iphis und Janthe die Liebe zweierMädchen zueinander, von denen das eine als Knabe verkleidet ist. L. läßt beide Mädchen, die Töchter zweier alter Hirten, in der Verkleidung von Knaben auftreten. Sie entbrennen in gegenseitiger Liebe, weil jede die andere für einen wirklichen Knaben hält, ein reizender Einfall des Dichters und eine Steigerung des poetischen Gehalts über Ovid hinaus. Die Entwirrung des Knotens am Schluß geschieht dadurch, daß, wie in der mythologischen Quelle, das eine der Mädchen tatsächlich in einen Knaben verwandelt wird. Ein zweites Motiv antiken Ursprungs ist die in mehrfacher Fassung vorkommende, hier den Fabeln des Hyginus entlehnte Geschichte von dem Seeungeheuer, das alljährlich eine Jungfrau als Opfer fordert. Die beiden Handlungen werden nun geschickt dadurch verbunden, daß die Verkleidung der Mädchen den Zweck hat, der Opferung an das Ungeheuer zu entgehen. Hinzu kommen zwei komische Nebenhandlungen, die mit der Haupthandlung gar nicht zusammenhängen, die eine von drei schiffbrüchigen clownartigen Brüdern Ralph, Robin und Dick, die andere in Form einer Satire von dem betrügerischen Treiben eines Astrologen und eines Alchemisten nebst seinem Lehrling, ein Lieblingsvorwurf des späteren Dramas. So ist das Stück eine originelle Mischung von Hirtendichtung, Mythologie und Satire 113 ). Den Schauplatz hat L. nach Lincolnshire verlegt; doch hat der Stoff mit England sonst gar keine Berührung. Die übliche, an die Königin gerichtete Huldigung fehlt auch hier nicht: sie wird durch Diana, die Göttin der Keuschheit dargestellt, die Siegerin über Cupido, der von ihren Nymphen gefangen genommen wird. 152. Endymion, the Man in ths Moon (1585; 40, 1591). Endym. ist eine höfische Allegorie, worin in mythologischem Gewände die Nebenbuhlerschaft zwischen Cynthia [ = Elisabeth] und Tellus [nach Fleay = die Gräfin von Suffolk, nach Bond 114) = Maria Stuart] in der Liebe zu Endymion [ = Graf von Leicester] vorgeführt wird u 5 ). Die Allegorie behandelt in zart verhüllender Form die wechselnden Beziehungen der Königin Elisabeth zu ihrem Liebling Leicester, der durch seine Heirat mit der Witwe »») Bayne, Cambr. Hist. V I 365. Vorwort zu Endym. p. 9. m ) Eine Zeitlang (1563—65) bestand wirklich der Plan einer Heirat zwischen Maria Stuart und Leicester, vgl. Bond, On the Allegory in Endym., Works I I 90. ,M)

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II. D A S E I G E N T L I C H E

DRAMA DER

HOCHRENAISSANCE.

des Grafen von Essex zeitweilig bei ihr in Ungnade gefallen war 1 1 8 ). Jene Allegorie ist von doppelter A r t : aus der klassischen Mythologie stammt das Motiv von Endymions vierzigjährigem, durch die Rache der Tellus über ihn verhängten Schlaf und v o m Kuß, den Cynthia dem Schlafenden g i b t ; zugleich ist der Gegensatz zwischen Tellus und Cynthia ein Wettstreit zweier Himmelskörper, der Erde und des Mondes u 7 ). Nachdem Endymion erwacht und durch ein Wunder wieder verjüngt worden ist, verzichtet er auf die Hand der erhabenen Göttin. Die Quelle dieser Haupthandlung ist ein Dialog Lucians in den Göttergesprächen. L . hat aber das antike Verhältnis zwischen Endymion und Cynthia umgekehrt : bei ihm ist Endymion der werbende Teil, Cynthia dagegen keusch, kühl und zurückhaltend. Hinzu kommen zwei Nebenhandlungen, die eine vom Streit zwischen dem alten Geron und seiner abschreckend häßlichen Gattin Dipsas, in die sich der törichte Prahlhans Sir Tophas verliebt, die andere vom Liebesverhältnis zwischen Eumenides und Semele. Die lächerliche Liebe des Sir Tophas zu Dipsas wirkt wie eine Parodie der Leidenschaft Endymions für Cynthia. Sir Tophas ist eine der vielen Nachahmungen des Miles gloriosus bei Plautus, und zugleich der gleichnamigen Gestalt in Chaucers Canterb. Tales. Er wird von einem winzigen Pagen Epiton begleitet, wie später bei Shakespeare Armado von Moth (LLL) oder Falstaff von seinem Pagen (H 4 B). Die Komik wird nicht nur durch ihn bestritten, sondern auch durch einen Oberkonstabler und seine Wachmannschaft, die sich wie Keime zu Dogberry und Genossen in Shakespeares Ado ausnehmen. Die ernsten Nebenpersonen werden verschieden identifiziert; ich unterlasse es daher, darauf einzugehen. Es stecken gewiß im Stücke manche verborgenen Anspielungen, die vielleicht nur den Zeitgenossen verständlich sein konnten. 153. Love's Metamorphosis (1584/88; 4 0 , 1601). Das Hirtenspiel Love's Met. führt in symmetrischer Anordnung der Charaktere drei Forstleute vor, von denen sich ein jeder in eine der drei Nymphen der Ceres verliebt hat. Der Titel rührt daher, daß die Nymphen vom Liebesgott, weil sie ihm keinen Einfluß gewähren, durch Verwandlung in Tiere bestraft werden, am Schluß aber ihre ursprüngliche Gestalt wieder erlangen. Diese "*) Bond, Allegory p. 87. V o n Feuillerat wird übrigens geleugnet, daß mit E n d y m i o n Leicester gemeint sei. E r hält es für ausgeschlossen, d a ß L . es gewagt haben könnte, die sehr zarten Beziehungen des Grafen zur Königin auch nur in verschleierter F o r m darzustellen und glaubt in E n d y m i o n J a k o b I. v o n E n g l a n d zu e r k e n n e n ! ! ! Dieser war aber doch der Sohn der Maria Stuart, nicht ihr Geliebter. Letztere Parallele scheint mir daher ganz unmöglich. " ' ) B o n d , Allegory p. 81.

C.

JOHN

LYLY.

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Haupthandlung ist anscheinend des Dichters eigene Erfindung n s ) ; die Nebenhandlung schöpft wieder aus Ovids Metamorphosen. In ihr wird dargestellt, wie ein Baum im heiligen Haine der Ceres, unter dem ihre Nymphen einen Reigentanz aufführen, von dem frevlerischen Erisichthon mit der Axt bearbeitet wird, wie aber auf einmal Blut dem Baume entströmt und Klagelaute aus ihm heraus ertönen. L. hat nun seine Haltung der Liebe gegenüber geändert: er läßt Diana, die Göttin der Keuschheit, von Ceres, der Göttin der Fruchtbarkeit, abgelöst werden 119 ). Der Euphuismus macht sich hier noch stärker geltend, als in den früheren Dramen L.s. Das Stück ist matter als diese. Die Handlung berührt sich mit Galath.; es fehlt aber jede Komik. 154. Midas (1589; 4°, 1592). Midas ist eine Dramatisierung der bekannten antiken Erzählung von dem König Midas von Phrygien, dessen Goldgier dadurch bestraft wird, daß alles, was er berührt, sich in Gold verwandelt, und der von Apollo Eselsohren statt seiner menschlichen Ohren erhält, weil er im Wettstreit Apollos mit Marsyas (bei L. Pan) diesem den Preis zuerkannt hatte. Auch hier schöpfte L. den Stoff aus Ovids Metamorphosen. Eigene Zusätze aus seiner Hand sind u. a. eine Tochter die er dem Midas andichtet, mit ihren Hofdamen, mehrere jugendliche Diener, die sich in Witzgefechten ergehen, ein Barbier Motto mit seinem Lehrling. Diesmal wagt sich L. auf das Gebiet der zeitgenössischen hohen Politik. Er gestaltet die Sage von Midas für die Zwecke der politischen Satire um, indem er Midas als einen ehrgeizigen Herrscher hinstellt, der nach dem Besitz der Insel Lesbos trachtet. Midas verkörpert den König Philipp II. von Spanien; Lesbos bedeutet natürlich England. Der Sieg über die Armada lag zur Zeit der Entstehung des Stückes ja nur ein Jahr zurück; so war eine Verspottung des reichen und mächtigen spanischen Königs den Engländern damals besonders willkommen. Die Eselsohren des Midas haben offenbar zum Eselskopf Bottoms in Shakespeares Mids. Anstoß gegeben; auch haben die clownartigen Diener Licio und Petulus für Launce und Speed in Shakespeares Gent, als Vorbilder gedient. 155. Mother Bombie (1589/90; 40, 1594). Bomb, unterscheidet sich von allen übrigen Dramen L.s dadurch, daß es, unter völligem Verzicht auf allen antik-mythologischen Apparat, auf englischem Boden spielt und englisches Alltagsleben schildert. Der Schauplatz ist Rochester. Die sehr verwickelte Handlung, die mehrfache Verkleidungen und häufige Verwechslungen mit sich bringt, beruht aber doch auf antiker Grundlage: 1,s)

Bond, Einleitung p. 291. "*) Feuillerat p. 192.

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II. D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

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aus den Komödien des Terenz stammt das Motiv der heimlichen Heirat mehrerer jugendlicher Paare gegen den Willen ihrer Eltern, mit Hilfe von schlauen Dienern 12°). Eigene Erfindung des Dichters ist der Versuch zweier Elternpaare, sich ihrer schwachsinnigen Kinder durch deren Verheiratung zu entledigen, indem jedes Elternpaar vor dem andern den Schwachsinn seines Kindes verheimlicht. Schließlich kommt heraus, daß die Schwachsinnigen gar nicht die wirklichen Kinder ihrer bisherigen Eltern, sondern untergeschoben sind; die richtigen Kinder werden gefunden. Die Motive der Kindesvertauschung, des Verlustes und Wiederfindens von Kindern sind Züge, die auch in der antiken Komödie oft begegnen. Die Titelheldin ist eine weise Frau, mit deren Hilfe am Schluß der dramatische Knoten gelöst wird; im übrigen beeinflußt sie kaum den Gang der Handlung. 156. The Woman in the Moon (1591/93 121 ); 40, 1597). L.s jüngstes Drama ist wahrscheinlich Moon. Die Titelheldin Pandora ist offenbar die Verkörperung des Weibes schlechthin, unbeständig in der Liebe, kindisch, trotzig, und doch durch ihr phantastisches Wesen für die Männer verführerisch m ) . Der beständige Wechsel des Gegenstandes ihrer Liebe und ihrer Stimmung wird durch die Einwirkung des Wechsels der Planeten begründet. Sie ist abwechselnd melancholisch, mürrisch, träumerisch, schweigsam, weinerlich, usw. Auf Veranlassung der vier Hirten, denen sie beigesellt ist und die sich ihrer Gefährlichkeit gegenüber ohnmächtig fühlen, wird sie am Schluß auf den Mond versetzt. Wir haben es hier mit einer Hirtenkomödie unter Benutzung der allegorischen Form der Moralitäten zu tun 123 ). Nicht nur der Grundgedanke des Stückes ist allegorisch; es ist auch das 1S0 )

Bond, L.s Works I I 245. Früher wurde das Stück als frühestes Drama L.s aufgefaßt auf Grund einer Anspielung im Prolog, worin der Dichter selbst es als seinen ersten Traum im heiligen Hain des Phöbus bezeichnet. Das bezieht sich entweder auf eine ältere Fassung, die jetzt nicht mehr vorliegt, oder eher noch darauf, daß es das erste und einzige Drama L.s in Blankversen ist. 122 ) Feuillerat (p. 233), der in den meisten Stücken L.s verschleierte Anspielungen auf die englischen Zeitereignisse erblickt, glaubt in der Gestalt der Pandora eine Satire auf die Königin als Frau zu erkennen, weil der Verfasser im Januar 1594/95 in Gefahr gewesen sei, in Ungnade zu fallen. Dies scheint mir unwahrscheinlich: 1. setzt es eine zu späte Datierung des Stückes voraus das 1591/93 vor der Herrscherin selbst aufgeführt wurde, und 2. wäre eine solche Anspielung auf die viel umschmeichelte, an Weihrauch gewöhnte Königin damals ein sehr ungewöhnlicher Schritt gewesen. Entweder wurde die Satire, wenn wirklich eine solche vorlag, verstanden; dann konnte das dem Verfasser den Kopf kosten. Oder, wenn sie nicht verstanden wurde, wäre sie wirkungslos verpufft. 181 )

»") Schelling, Eliz. Dr. I 128.

C.

JOHN

LYLY.

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einzige Drama L.s, worin allegorische Gestalten: Natur, Eintracht und Zwietracht, auftreten. Aus Hesiods »Werke und Tage«stammt die Erzählung von der Erschaffung der Pandora und ihrer Ausstattung mit den Eigenschaften verschiedener Götter, aus Fentons Tragical Discourses (1567), die Verwandlung dieser Götter in Planeten, und aus Greenes Planetomachia (1585) und Rare der Wettbewerb der Planeten um die Herrschaft; im übrigen ist die Fabel eigene Erfindung des Dichters 124). Zu der Schar der Liebhaber der männertollen Pandora gehört auch ihr Diener Gunophilus, ein im Uebergang zum Clown begriffener Vice. Das Stück ist ganz frei von den Euphuismen der früheren Dramen L.s. 157. The Maid's Metamorphosis (1599?; 40, 1600). Lyly's Works ed. Bond. II. Bullen, Collection I. D a s anmutige anonyme Hirtenspiel Maid's Met. wurde früher zu U n recht ebenfalls L . zugeschrieben. B o n d stellt es aber als möglich hin, d a ß dieser zu der ursprünglichen Fassung einiges hinzugefügt habe, namentlich die Rollen der komischen Pagen. Der Titel k n ü p f t an L . s Love's Met. an; die H a n d l u n g erinnert aber eher an S p e n c e r s F a i r y Queen,15). Bullen und Gosse vermuten im Stücke ein frühes W e r k John D a y s , worin dieser L . nachahmt. D a s Ganze ist in heroic Couplets abgefaßt, bis auf die komischen Prosastellen und einige eingestreute hübsche Lieder. Dies D r a m a geht über L . hinaus darin, daß es sich v o n dessen Unarten freihält.

158. Innerhalb des eigentlichen englischen Dramas stoßen wir in John Lyly zuerst auf eine dichterische Persönlichkeit von ausgesprochener Eigenart. Er läßt sich in mancher Hinsicht mit Wieland vergleichen: beide sind ganz durchtränkt vom Geiste der altgriechischen Bildung; beide stehen als zeitgenössische Dichter außerhalb des Kreises der jugendlichen Stürmer und Dränger, die in England wie in Deutschland der nationalen klassischen Dichtung den Weg gebahnt haben; für beide ist die dichterische Form wichtiger als der Inhalt, der Stil wichtiger als der Gedanke. Darin liegt ein ungermanischer Zug ihres Wesens, der sie zu Geistesverwandten der Romanen macht. Der von L. ins Leben gerufene Euphuismus stellt ja auch nur die Verpflanzung einer spanischen Sprachmode nach England dar. 159. Für den Dramatiker L. ist die Handlung Nebensache; das Hauptgewicht legt er auf den sprachlichen Ausdruck, auf eine gefeilte Sprache. Diese ist bei L. nicht mehr bloßes Ausdrucksmittel, sondern wird zum Selbstzweck. Seine Dramen wirken durch ihren Mangel an Handlung oft ermüdend. Sie bestehen zum großen Teil aus einem durch seine übermäßige Ausdehnung einförmig wirkenden geistigen Fangballspiel, aus fein gedrechselter Rede und Gegenrede, aus bloßem Wortgeplänkel in immer wieder sich 1M)

B o n d , L . s Works I I 245. ' " ) B o n d über Maid's Met. p. 377.

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I I . D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

erneuernden Antithesen und Wortspielen, die eher Witzeleien als wirklichen Witz enthalten. Hier und da fühlen wir uns aber doch durch reizvolle Stellen, durch feine Bemerkungen entschädigt. Es ist keine große, wohl aber, wenigstens in seinen gelungensten Schöpfungen, eine zierliche Kunst, die L. vor uns ausbreitet. Wir kennen ihn auch als Verfasser des Romans Euphues und als Urheber des Euphuismus, der sich auch in seinen Dramen, besonders den früheren, bemerkbar macht. Wir sind heutzutage gewohnt, den Euphuismus wegen seiner albernen Geziertheit als lächerlich abzutun, und übersehen dabei oft, daß er auch seine guten Seiten gehabt hat. Er schoß zwar in seiner Einseitigkeit weit über das Ziel hinaus; aber indem sein Schöpfer den künstlerischen Schwerpunkt in die Form der Rede verlegte, hat er wie kein anderer Dichter vor Shakespeare dazu beigetragen, der bis dahin noch ungelenken englischen Sprache Schliff, Feinheit und Geschmeidigkeit zu verleihen. 160. In seiner Vorliebe für lange Gespräche, in der Zurückdrängung der Handlung ist L. ein Fortsetzer und Verfeinerer der Dramatik John Heywoods und der komischen Zwischenspiele überhaupt. Wir erkennen deutlich die Verbindungslinie, die von den mittelalterlichen Streitgesprächen über J. Heywood bis zu L., und von diesem zu Shakespeares Lustspielen hinführt. 161. L. hat zuerst gezeigt, daß auch das Schreiben von Prosa eine Kunst sei 12S ). Das Schwergewicht seiner dichterischen Verdienste liegt überhaupt eher in seinen Prosaschriften als in seinen Werken in gebundener Rede. Er hat der Prosa im englischen Lustspiel ein Uebergewicht verschafft. In der Vervollkommung der Prosa war L. am ehesten Shakespeares Lehrmeister. Shakespeare hat allerdings schon früh den Euphuismus als geschmacklos empfunden, und ihn in LLL lächerlich gemacht; unbewußte Anklänge an den Euphuismus begegnen bei ihm aber doch noch später hier und da, z. B. in Rom., und auch sonst hat Shakespeare vielfach ganz unwillkürlich L. nachgeahmt. Daß ein so strenger Kritiker wie Jonson für L.s Vorzüge kein Verständnis hatte, ist begreiflich; Bonds Vermutung, er habe mit der Gestalt des Fastidious Brisk in Out L. gemeint, ist daher nicht unwahrscheinlich. 162. Auch inhaltlich hat L. das englische Drama verfeinert, indem er der Roheit und Plumpheit, die vielfach an den Dramengestalten seiner Vorgänger hervortritt, den sonst so beliebten unanständigen Spässen nirgends Raum gewährt. Er hat das Feinkomische in das englische Drama eingeführt. 163. Die meisten seiner Stoffe entnahm L. dem klassischen Altertum. Die antike Götterwelt, die altgriechische Mythologie, »•) Bond, L.s Works I p. VI.

D.

ROBERT

WILSON.

77

diente i h m als Vorratskammer. Drei seiner Werke, Galath., Love's Met. und Moon knüpfen anscheinend an das v o n den Italienern geschaffene Hirtendrama an. D a sie aber mit den entsprechenden italienischen Dramen nur geringe Aehnlichkeit haben, ist vielleicht für sie eher in der bukolischen Dichtung des A l t e r t u m s das Muster z u suchen. 164. I m Grunde war L . kein Dramatiker. Nicht nur der Mangel a n Handlung in seinen Stücken rechtfertigt das Urteil, sondern auch das Fehlen einer dramatischen Gestaltungskraft und einer lebendigen Charakteristik. Beträchtlich ist dagegen seine lyrischc Begabung. In den in seine Dramen eingestreuten reizenden Liedchen kommt die Anmut seiner Dichtung zur vollen G e l t u n g 1 2 7 ) . Z u m tragischen Dichter war L. gar nicht v e r a n l a g t ; er hat sich auch niemals im Trauerspiel versucht. Seiner ganzen Begabung nach war er auch nur geeignet, auf einen engen Kreis zu wirken, auf den Hof und dessen Umgebung. E s war ihm nicht gegeben, volkstümlich z u schreiben. Man könnte ihn den ältesten englischen Salondichter nennen. D. Robert Wilson

128)

der Aeltere.

165. The Cobbler's Prophecy (vor 1593; 4 0 , 1594). Hg. von D i b e 1 i u s , Shakespeare-Jb. 33 (1897); von G r e g , Malone Soc. Reprints 1914. Z u den Vorläufern Shakespeares gehört auch R . W . Sein Stück Cobbl. knüpft in bewußter Altertümlichkeit noch an die Ueberlieferungen der Moralität an. E s enthält neben Contempt, der sich in richtiger Vice-Manier den harmlos klingenden Namen Content beilegt, aber als Vice weiter nichts ist als ein Verführer ohne alle komischen Züge, noch sechs andere allegorische Gestalten. Die komische Hauptperson ist aber der nichtallegorische Titelheld R a l p h , der in sich die Rollen des Feiglings und des Pantoffelhelden vereinigt. Als Böse Sieben ist ihm seine zänkische F r a u Zelota beigegeben. Merkur hat R a l p h die Gabe der Weissagung verliehen; d a m i t übernimmt er neben dem bloßen Spaßmachertum des Clowns auch die ernstere A u f g a b e eines Wahrheitsapostels in der A r t der Narren Shakespeares. I n dem lehrhaften Zweck des Stückes zeigt sich eine auffällige Verwandtschaft mit Look. Gl.129), "') Baker, Cambr. Hist. V 125 bezweifelt allerdings, daß L. diese Lieder selbst verfaßt habe, und vermutet, sie seien auf seine Bestellung von andern gedichtet worden. ls8 ) Es gab zwei Dramatiker dieses Namens zu jener Zeit. Der Jüngere (1579—1610) war einer der Verfasser von Oldc., Mitarbeiter Mundays und anderer Lohnschreiber für den Theaterunternehmer Henslowe, und zugleich als Schauspieler tätig. Der Aeltere (t 1600) war vermutlich sein Vater. "•) Dibelius, Einl. zu seiner Ausg. S. 4.

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I I . D A S E I G E N T L I C H E D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

wo auch wie hier die Vertreter der oberen Stände in ihren besonderen Lastern vorgeführt werden. Darin, daß Ralph seine Kritik schonungslos selbst an Fürsten und Göttern übt, tritt eine stark demokratische Tendenz hervor. Dieser Mut der Kritik paßt freilich durchaus nicht zu seiner sonstigen Feigheit. Die Rolle Ralphs erinnert an die Simplicitys in Lad. und Lords, zwei Moralitäten des gleichen Verfassers. Auch Simplicity vereinigt Dummheit und sarkastischen Witz in einer die Einheitlichkeit der Rolle sprengenden Weise. Der Schuhflicker war eine Lieblingsgestalt des englischen Volkshumors; die Uebertragung der Prophetenrolle auf einen Angehörigen dieser Zunft war also besonders dankbar. Auch in der metrischen Form ist das Stück altertümlich: der Blankvers dient nur zum Ausdruck der ernsten Rede; daneben werden sehr verschiedenartige Vers- und Strophenformen verwendet 13°).

E. Die Anfänge des Trauerspiels. 166. Rudolf F i s c h e r : Zur Kunstentwicklung der engl. Tragödie von ihren ersten Anfängen bis zu Shakespeare. Straßburg 1893. — F. L. L u c a s : Seneca & Elizabethan Tragedy. Cambridge 1922. — E. M. S p e a r i n g : Elizabethan Translations of Seneca's Tragedies. London 1912. — A. H. T h o r n d i k e : Tragedy. Boston & New York 1908.

Während die ältesten englischen Lustspiele, auch wenn sie auf antiker oder italienischer Grundlage beruhen, durch den Zusatz von einheimischen Bestandteilen ein mehr oder weniger volkstümliches Gepräge erhalten und als einheitliche Gattung erscheinen, entwickelt sich das älteste Trauerspiel von vornherein nach zwei verschiedenen Richtungen, die zunächst scharf gesondert nebeneinander hergehen und sich erst bei Marlowe und K y d vereinigen: 1. das gelehrte klassizistische Trauerspiel nach dem Muster der lateinischen Tragödien Senecas; 2. das volkstümliche Trauerspiel als Fortsetzung der durch die Vorstufen des eigentlichen Dramas dargebotenen tragischen Ansätze. 167. Es war ein Verhängnis für die klassizistische Richtung, daß sie sich gerade den römischen Dichter S e n e c a zum Vorbild gewählt hatte. Er hat auf das neuere Drama überhaupt einen unheilvollen Einfluß ausgeübt. Die Trauerspiele dieses dekadenten Epigonen erscheinen uns gegenüber den Werken der großen altgriechischen Tragiker, namentlich des Aeschylus und des Sophocles, wie schale Verwässerungen. Daß Seneca trotzdem im 16. Jahrhundert mehr gelesen wurde als die großen Griechen, erklärt sich einfach daraus, daß die Kenntnis des Griechischen damals noch 1S0) Creizenach I V 626. Ein anderes Stück W.s, *The Pedlar's Profihecy (1590; 40, 1595; Malone Soc. Reprints 1914), läßt an Stelle des Schuhflickers einen Hausierer als Propheten auftreten.

E.

D I E A N F Ä N G E DES

TRAUERSPIELS.

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lange nicht so verbreitet war wie die des Lateins. Statt der starken und echten Leidenschaft, die vor allen Aeschylus mit ungeheurer Wucht darzustellen weiß, entfalten Senecas Tragödien viel kalte Rhetorik und hohles Pathos, das nicht selten in Schwulst ausartet. Mythologische Anspielungen sollen die Leidenschaft, Gelehrsamkeit die Beobachtung der Wirklichkeit ersetzen. Infolge des Ueberwucherns der Rhetorik sind seine Dramen arm an Handlung. Die lang ausgesponnenen Reden kleiden sich gern in die Form der Stichomythie, bei der Rede und Gegenrede versweise abwechseln. Er schmeichelt dem verdorbenen Geschmack seines Publikums durch genaue Schilderung auch des Widerlichen; gleichsam als Feigenblatt für seine Scheußlichkeiten durchsetzt er seine Stücke mit moralischen Plattheiten. Das Rachemotiv ist bei ihm besonders häufig. Seine Dramen sind kalt, trocken, verstandesmäßig, unpersönlich. Ein Hauptmerkmal seiner Trauerspiele ist ferner der völlige Mangel komischer Bestandteile. Alle seine Dramen bestehen aus fünf Akten; die ersten vier pflegen mit dem Auftreten eines Chors abzuschließen. Der erste Akt besteht oft nur aus einem Prolog und dem Chor; er soll dann bloß dazu dienen, das Stück durch Ankündigung des zu behandelnden Gegenstandes einzuleiten. Ein szenisches Hilfsmittel, das nicht nur bei Seneca, sondern überhaupt im antiken Drama häufig begegnet, ist die Verwendung von Boten zu Berichten über Vorgänge, die man auf der Bühne nicht darstellen wollte oder konnte; diese Berichte sind ein epischer Bestandteil innerhalb des Dramas. 168. Der Hauptübersetzer Senecas war Jasper H e y w o o d (um I 535 — 98), der Sohn John H.s. Er übertrug in paarweis gereimte Septenare, die das Muster für die späteren Seneca-Uebersetzungen wurden, die Troas (1558), den Thyestes (1560) und den Hercules Furens (1561) 131 ). Sein Beispiel fand bald Nachahmung: schon 1561 wurden Agamemnon und Medea von John Studley übersetzt 132), und bis 1581 waren alle zehn Trauerspiele des römischen Dichters in englischem Gewände erschienen. — Von den altgriechischen Tragikern war vor 1560 allein Euripides ins Englische übersetzt worden. Die Uebersetzung der Iphigenia in Aulis durch Lady L u m 1 e y , die Tochter des Grafen von Arundel, stellt den ältesten Versuch dar, ein griechisches Drama ins Englische zu übertragen 133 ). Angeregt wurde die Uebersetzerin wahrscheinlich durch George Buchanans lateinische Uebersetzungen 131)

H g . v o n H . de Beide hg. von B d . 38). 133 ) H g . v o n Gust. H . C h i 1 d , Malone 132 )

V o c h t , L o u v a i n 1913 ( = B a n g s M a t e r i a l i e n , B d . 41). E . M. S p e a r i n g , L o u v a i n 1 9 1 3 ( = B a n g s Mater., B e c k e r , Shakespeare-Jb. 46 (1910) und v o n H a r o l d Soc. Reprints. 1909.

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I I . D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

(Alcestis und Medea) und Nachahmungen (Jephthes) des Euripides. Ueber die Uebersetzung der Phoenissae s. A n m . 109. 169. Alexander Maclaxen W i t h e r s p o o n : The Influence of Robert Garnier on Elizabethan Drama [ = Yale Studies in English 65.] New Häven 1924.

Ein neuzeitlicher Nachahmer Senecas, der auch für die englische D r a m a t i k Bedeutung hat, ist der französische Tragiker Robert G a r n i e r (1545—90). Witherspoon hat aber mit Recht auf die vielfache Verschiedenheit beider Dichter, bei aller Aehnlichkeit, aufmerksam g e m a c h t : vor allem enthält sich G. ganz der Schilderung v o n Greueltaten; auch macht er keinen Gebrauch v o m Motiv der Rache. 170. Die volkstümliche Richtung innerhalb des englischen Trauerspiels unterscheidet sich v o n der gelehrten hauptsächlich dadurch, d a ß sie als ein Erbe der Misterien komische Bestandteile mit der T r a g i k verbindet; in den ältesten Trauerspielen der volkstümlichen Richtung ist gewöhnlich Hauptträger der K o m i k der aus den Moralitäten übernommene Vice. Diese Richtung verzichtet auf das mythologische Beiwerk, auf gelehrte Einflüsse, wenigstens im Stil und in der F o r m der Stücke. Sie verschmäht zwar nicht antike S t o f f e ; diese werden aber der volkstümlichen Darstellungsart angepaßt. Natürlich konnten auch Mischformen entstehen, in denen die Nachahmung Senecas in volkstümlichem Sinne umgestaltet wird. 171. Gorboduc; or, Ferrex and Porrex 134) (1561/62; 8°, u m 1570) Vff. T h o m a s S a c k v i l l e (später erster Graf v o n Dorset und Lord Buckhurst, 1536—1608) und T h o m a s N o r t o n (1532—84). Manly, Specimens I I . Die Verfasser waren zwei junge Juristen aus dem Inner Temple. Ihr Stück, das älteste englische Trauerspiel, ist zugleich das erste Beispiel eines Trauerspiels der klassizistischen R i c h t u n g nach Senecas Vorbild. Auf Seneca ist die strenge Form des Stückes zurückzuführen, das ganz frei v o n K o m i k ist, ferner die Einteilung in fünf A k t e , der Chor zur Bezeichnung der Aktschlüsse, und die vielen Botenberichte, durch die vermieden wird, die vorkommenden Greueltaten auf der Bühne selbst vorzuführen. I m übrigen erweisen sich aber die Verfasser als recht selbständig auch Seneca gegenüber; das lehrt schon die W a h l des Stoffes, der nicht dem klassischen A l t e r t u m entnommen ist, sondern der sagenhaften britischen Vorzeit, im Anschluß an Gottfried v o n Monmouth. D a s Stück handelt v o n dem Streit der beiden feindlichen Brüder m ) Der Titel lautete in der Ausgabe von 1565 Gorboduc, in der von 1570 Ferrex and Porrex.

E.

DIE ANFÄNGE

DES

81

TRAUERSPIELS.

Ferrex und Porrex, unter die ihr Vater Gorboduc sein Reich verteilt hat. Der Streit führt schließlich zum Untergang des ganzen Geschlechts. Die Handlung erinnert an Senecas Thebais, ohne aber unmittelbar davon abzuhängen. Die Gruppierung der Personen ist ganz symmetrisch, im Anschluß an Moralitätenüberlieferung: ein jeder der beiden feindlichen Brüder ist von einem guten und einem schlechten Ratgeber umgeben. 172. Neben den altklassischen Einwirkungen übernahm das Stück auch den aus Italien stammenden, durch das Humanistendrama übermittelten Brauch, jeden A k t durch eine dumb show einzuleiten, worin die kommende Handlung in allegorischer Symbolik angedeutet wird 1 3 5 ). 173. Gorb. hat eine ganz bestimmte stark betonte politische Tendenz: es soll die Königin Elisabeth, vor der es aufgeführt wurde, zu einer Regelung der Thronfolge veranlaßt werden, um das Land vor Zwietracht und Bürgerkrieg zu bewahren. Die Erinnerung an die schreckliche Zeit der Rosenkriege war damals noch im englischen Volk lebendig. 174. Die Charakteristik der Personen ist noch mangelhaft; sie handeln mehr wie Marionetten, die von außen her bewegt werden, als wie wirkliche Menschen. Sonstige Mängel sind: die ermüdende Länge der Reden, die sich in allzu großer Breite über theoretische Fragen der Politik ergehen, die undramatischen Botenberichte und überhaupt die Schwerfälligkeit künstlerischen Anfängertums. Trotzdem bedeutet das Stück einen großen Schritt vorwärts. Es hat in mehrfacher Hinsicht bahnbrechend gewirkt: 1. Vor allem durch Einführung des Blankverses, des reimlosen fünffüßigen Jambus, der bald zur stehenden Versform des englischen Dramas werden sollte und im 18. Jahrhundert auch vom deutschen Drama als die der germanischen dramatischen Kunst angemessenste Form übernommen wurde. Durch ihn bekam das Drama zuerst eine feierliche ernste Würde. Der Blankvers stammte ursprünglich aus der italienischen Tragödie (endecasillabo sciolto) 1 3 8 ), und war in der englischen Literatur zuerst von dem Grafen von Surrey in seiner Uebersetzung der Aeneis (1541) angewandt worden. Im vorliegenden Drama ist der Blankvers natürlich noch steif und ungelenk; er klingt einförmig dadurch, daß er, wie überhaupt in den Anfängen des eigentlichen Dramas, fast nur männliche Versausgänge h a t ; auch verstehen die Verfasser noch nicht, ihn durch das Enjambement, oder durch Verteilung eines Verses auf mehrere Personen, abwechslungsreich zu gestalten. Der Reim 135 )

Ueber den Ursprung der dumb shows s. Creizenach I V 443 ff. " • ) Creizenach II 468 ff. E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

6

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II. D A S

EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

kommt noch gar nicht vor, auch nicht, wie das später üblich wurde, am Schluß v o n Szenen. Gereimt sind nur die lyrischen, zu Strophen gegliederten Chorpartien. Die Strophen sind teils Schweifreimstrophen, teils kreuzweis gereimt. Als besonderer Redeschmuck wird gelegentlich (z. B. V, 2, 108—110) die Alliteration gebraucht. 2. In künstlerischer Hinsicht weniger erfreulich war eine andere Nachwirkung unseres Stückes: es gab durch seine doppelte Verfasserschaft den Anstoß zu dem später so häufigen Brauch, d a ß zwei oder noch mehr Verfasser an der Abfassung eines Dramas beteiligt waren. Oft wurde durch eine solche Teilung die Einheitlichkeit der Handlung oder der Charakteristik beeinträchtigt. Die mehrfache Beteiligung ist in verschiedener Weise möglich. I n Gorb. geschah sie in der Weise, daß ein Teil des Stücks, nämlich A k t I — I I I von N., ein anderer Teil, A k t IV und V, von S. gedichtet wurde. Letzterer erweist sich hierbei als der reicher beanlagte Dichter. N. hat wahrscheinlich auch den Plan zur ganzen Handlung entworfen. 3. Die dumb shows blieben nach dem Vorbilde unseres Stückes im ernsten Drama noch lange ein beliebtes Mittel unreifer Kunst, das Interesse der Zuschauer an der Handlung zu steigern. 4. Endlich eröffnet unser Stück eine lange Reihe von Dramen die ihre Stoffe aus der altbritischen Sagenwelt schöpften. Mittelbar hat es auch Shakespeares Lear und Cymb. den Weg geebnet. 175. Gismund of Salem in Love (1562; Hds.). Hg. von Brandl, Quellen. Ein Drama so streng klassizistischer Richtung wie Gorb. war natürlich nicht für das Volk, sondern nur für gelehrte und höfische Kreise bestimmt. E s fand zunächst auch noch keine unmittelbaren Nachahmer. Eine Zwischenstufe zwischen der gelehrten und der volkstümlichen Richtung stellt Gism. dar. Es teilt mit Gorb. die Chöre am Aktschluß, den häufigen Ersatz der Dramatik durch Epik, die mehrfache Verfasserschaft (fünf Juristen des Inner Temple teilen sich in das Stück, indem jeder einen A k t übernimmt). Aus Senecas Thyest ist die Gestalt der Megäre entlehnt, und auch sonst sind Anklänge an ihn häufig, besonders an sein Trauerspiel Phaedra. Eine Annäherung an das volkstümliche Drama liegt darin, daß als Versform nicht der Blankvers verwendet wird, sondern der kreuzweis gereimte fünffüßige Jambus; nur in I V 2 begegnen paarweis gereimte Alexandriner. Außerdem ist der Stoff eher romantisch als klassisch; er beruht auf einer Novelle in Boccaccios Decamerone. Die abstoßende Fabel handelt von dem heimlichen Liebesverhältnis zwischen dem Grafen Guiscard und Gismonde,

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E . D I E ANFÄNGE DES TRAUERSPIELS.

der Tochter des Königs Tancred von Neapel, und von Tancreds schrecklicher Rache an Guiscard: er läßt ihn ermorden und sein Herz in einem goldenen Becher seiner Tochter überreichen. Diese vergiftet sich darauf in Verzweiflung. Das ganze Stück hindurch läßt sich ein Widerstreit verfolgen zwischen der Romantik des Stoffes und der Neigung der Verfasser, ihn in klassischem Geschmack zu behandeln 137). 176. Tancred and Gismunda (1591; 4 0 , 1591). Vf. Robert W i l m o t (1568—1608). Hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1914. Dodsley 4 VII. Der Verfasser des 5. Aktes von Gistn., R. W „ hat dann das ganze Drama nochmals überarbeitet und als Tancr. neu herausgegeben. Wir erkennen deutlich sein Bestreben, die Handlung zu beleben; selbst der Chor, der in der älteren Fassung unbeteiligter Zuschauer gewesen war, nimmt nun an der Handlung teil; er besteht aus vier Jungfrauen im Gefolge der Gismunda. Die Greuelszenen, die im älteren Stück durch Boten berichtet worden waren, werden nun des stärkeren Eindrucks wegen auf der Bühne selbst vorgeführt: nach dem Beispiel des Oedipus bei Sophocles sticht sich Tancred vor den Zuschauern selbst die Augen aus und begeht dann Selbstmord 138 ). Auch die dumb shows, die in Gism. noch fehlen, dienen hier zur Erhöhung der Realistik. Die mehrfach angewandte Stichomythie (z. B. I 3. II 2) stellt eine Annäherung an die streng klassische Form des Trauerspiels dar; ebenso die stärkere Heranziehung des Blankverses, neben dem allerdings auch noch hin und wieder kreuzweis gereimte fünffüßige Jamben vorkommen. 177. The Misfortunes of Arthur (1587; 8°, 1587). Vf. Thomas H u g h e s . Hg. von G r u m b . ( = Literarhist. Forsch. H. 14) 1900. Dodsley 4 IV. Von Th. H. ist nur bekannt, daß er Fellow von Queen's College, Cambridge und einer der Juristen von Gray's Inn, London war. Er ist nicht der alleinige, sondern nur der Hauptverfasser von Misf.\ er hatte sieben Mitarbeiter, darunter den Philosophen Francis B a c o n. Das Stück ist ganz im Stile Senecas gehalten, mit Chören, Botenberichten, Stichomythien, kalter Rhetorik, einer pomphaften, auf Stelzen einherschreitenden Sprache, wobei die Charakteristik der Personen, außer der Arthurs selbst, ganz verkümmert. Auch die Vorstellungen vom Schicksal und seiner Vergeltung früheren Frevels sind Lehngut aus Seneca. Das besondere Muster ist hier dessen Thyestes139); die Verfasser haben » ' ) Ward I 215. "») Cunliffe, Cambr. Hist V 76. I39 ) Cunliffe a. a. O. 78. 6*

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aber auch andere Dramen des römischen Dichters als Vorbilder benutzt. Das Ganze wirkt durchaus unrealistisch und konventionell. Das Stück knüpft an Gorb. auch darin an, daß die klassizistische Form auf einen Stoff der altbritischen Geschichte übertragen wird. Quellen waren Gottfried von Monmouth und wahrscheinlich auch Malorys Morle d'Arthur, woraus die bei Gottfried fehlenden Gestalten Guenevera, Mordred und Gawin stammen. 178. Marc Antonie (1590; 4 0 , 1592). Uebersetzung von Rob. G a r n i e r s französischem Trauerspiel Marc-Antoine durch die Gräfin von P e m b r o k e 1 4 0 ) . Hg. von Alice L u c e ( = Literarhist. Forsch. H. 3). 1897. Zur Schule Senecas gehört mittelbar auch Anton. Das Stück sollte nach dem Willen der Uebersetzerin, einer Schwester Sir Philip Sidneys, dem von Marlowe geschaffenen volkstümlichen Trauerspiel, das ihr als geschmacklos und verderblich erschien, ein klassizistisches Gegengewicht bieten. Es ist wie alle Stücke Garniers, in Anknüpfung an Seneca, ein bloßes Lesedrama, arm an Handlung, voll von endlosen Reden, und ganz ohne Rücksicht auf eine Bühnenaufführung verfaßt. 179. Wir kommen nun zu drei Trauerspielen der volkstümlichen Richtung, die sämtlich Stoffe des klassischen Altertums darstellen und durch ihre nahe Verwandtschaft untereinander eine besondere Gruppe für sich bilden 141 ). Es sind App. A., Hör. und Camb. Alle drei werden volkstümlich gestaltet durch Uebernahme des Vice und anderer allegorischer Figuren aus den Moralitäten und durch reichliche Komik, deren Hauptträger natürlich der Vice ist. Dieser erweist sich als typischer allegorischer Intrigant in der Haupthandlung, während seine Komik sich in einer Nebenhandlung abspielt, die mit der Haupthandlung nur sehr lose verknüpft ist. Volkstümlich ist auch die Metrik: der Blankvers fehlt noch durchaus; nach älterem Brauch bestreben sich die Dichter, die ernsten von den komischen Teilen durch die Metrik zu scheiden; in ersteren überwiegt der feierliche Septenar, in letzteren vierhebige Zeilen. 180. Appius and Virginia (wahrscheinlich 1563; 4 0 , 1575) angeblich von Rieh. B o w e r. Hg. von M c K e r r o w , Malone Soc. Reprints 1911. Dodsley 4 IV. App. A führt uns eine aus der Antike wohlbekannte Geschichte vor, die sich mit der von Lessings Emilia Galotti nahe berührt. Der Vice Haphazard ist als tückischer Vertreter des Zufalls ein Seitenstück zum harmlosen Vice Common Conditions im gleichno) Vgl.FrancesBerkeley Y o n n g : Mary SidneyCountessofP. London 1912. 141 )

Entfernter verwandt ist auch

Dam.

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D I E A N F Ä N G E DES T R A U E R S P I E L S .

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namigen Lustspiel. Trotz der primitiven Charakterisierungskullst des Verfassers nehmen wir doch bei ihm den Anlauf z u einer psychologischen Verfeinerung wahr, indem er den Appius nicht als reinen Bösewicht hinstellt, sondern als einen Menschen, in dem gute und schlechte Eigenschaften gegeneinander kämpfen. Der Sieg des Schlechten über das Gute wird bei i h m durch das Zureden des Vice herbeigeführt. Quelle war vermutlich die Erzählung des Arztes in Chaucers Canterbury Tales. 181. Horestes (um 1564/67; 4 0 , 1567). V f . John P i k e r y n g . Hg. von Brandl, Quellen. Hör. von J. P., einem gelehrten Verfasser, wie seine vielen klassischen Anspielungen beweisen, ist eine Dramatisierung der altgriechischen Sage von Orestes. Quelle ist k a u m die Elektra des Euripides, wie Brandl a n n i m m t 1 4 2 ) , sondern eher die Erzählung des D i c t y s Cretensis 1 4 3 ). Der ständige Begleiter und Freund des Titelhelden ist nicht, wie im Altertum, Pylades, sondern der Kreterkönig Idumeus. Die Darstellung ist von einer manchmal geradezu kindlichen N a i v i t ä t . Zur Erheiterung der Gründlinge des Parterres treten in der Eingangsszene zwei Bauern auf, die südwestliche Mundart reden. Der Vice hetzt sie so gegeneinander auf, d a ß sie sich schließlich prügeln. Dieser Vice vereinigt merkwürdigerweise in seiner Person zwei verschiedene Rollen 144 ). Er tritt zuerst als Courage a u f ; als solcher ist er die treibende K r a f t , die den Helden zum Handeln anstachelt, und zwar z u einem gerechten Handeln; denn der Rachekrieg des Orestes gegen Mutter und Stiefvater ist nach der Auffassung des Verfassers sittliche Pflicht. Später erscheint der Vice als Revenge; in dieser Rolle verhindert er, daß die gefangene K l y t ä m n e s t r a begnadigt werde, und dient dem Orestes als Vollstrecker der Rache. I m allgemeinen ist aus dem Verhältnis des Vice z u m Titelhelden die K o m i k verbannt. N a c h v . 46 scheint auch diese Vicerolle dazu bestimmt z u sein, von einem Zwerge gespielt zu werden. B r a n d l 1 4 5 ) vermutet im vorliegenden Stück eine politische Tendenz: wie K l y t ä m n e s t r a den Mörder ihres Gatten Agamemnon ehelicht, so h a t t e auch Maria Stuart ihren Liebhaber Bothwell geheiratet, nachdem dieser ihren ersten Gemahl Darnley umgebracht hatte. D a s D r a m a soll also dazu dienen, gegen die schottische Königin Stimmung z u machen. 182. Cambyses (um 1570; 4 0 , ohne Jahr). Vf. T h o m a s P r e s t o n (1537—98 ?). Dodsley 4 IV. Manly, Speciniens I I . Quellen S. XCIII. Creizenach II 473. 144) Aehnlich der Vice Sedition Quellen S. XCV. 143)

in Bales John

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Der Verfasser des dritten Stückes, Th. Pr., stammte aus Buckinghamshire, studierte in Cambridge und lebte dort auch nach Beendigung seiner Studien. Sein Camb. wird im Titel als a lamentable trageiy mixed füll of pleasant mirth bezeichnet. Das mag Shakespeare zum tragical mirth von Pyramus and Thisbe in Mids. angeregt haben. Das Stück ist in seinen ernsten Teilen eine fortlaufende Kette von Greuelszenen, die alle auf offener Bühne vorgeführt werden. Die Volkstümlichkeit wird hier zur Roheit. Demgegenüber stellen die undramatischen Berichte über solche Dinge durch Boten in den englischen Nachahmungen Senecas eine Verfeinerung und einen künstlerischen Fortschritt dar. Der Vice Ambidexter gebärdet sich als Hanswurst in zwei komischen Episoden, die nicht nur mit dem Kern des Dramas gar nicht zusammenhängen, sondern auch unter sich nur durch die Person des Vice sehr lose verknüpft sind. In der einen finden wir ihn umgeben von drei komischen Spitzbuben, in der andern zusammen mit zwei Bauernlümmeln, die auch wieder als solche durch ihre südwestliche Mundart gekennzeichnet werden. In beiden Episoden werden wir aus dem persischen Altertum auf englischen Boden versetzt. F. Die Stürmer und Dränger. 183. Wie die deutsche klassische' Dichtung des 18. Jahrhunderts durch eine Zeit des Sturmes und Dranges eingeleitet wurde, der auch die Jugendwerke unserer deutschen Klassiker selbst zuzurechnen sind, so ging auch dem Auftreten des größten englischen Dichters Shakespeare eine Sturm- und Drangperiode voraus, unter deren Einfluß auch seine eigenen Erstlingsdramen stehen. Zum engeren Kreise dieser englischen Stürmer und Dränger gehören mehrere jugendliche dichterische Himmelsstürmer, deren Lebensschicksale den einen gemeinsamen Zug aufweisen, daß sie alle nach einem leichtsinnigen, in Ausschweifungen vergeudeten Leben einen frühen Tod erleiden mußten. I. Christopher Marlowe. 184. Werke hg. von H. B r e y m a n n und A. W a g n e r (Historischkrit. Ausg.) 1885—89. — Works. Ed. by A. H. B u 11 e n, 3 vols. 1884. 85. — Ed. by C. F. Tucker B r o o k e. Oxford 1910. — Ed. by Francis C u n n i n g h a m , London 1902. — C. F. Tucker B r o o k e : The Reputation of Chr. M. New Häven (Conn.) (Transactions of the Connecticut Acad. of Arts and Sciences, Vol. 25, 1921/22). — J. G . L e w i s : Chr. M. Canterbury 1891. — William L y n n P h e l p s : Chr. M. (Masterpieces of the English Drama). New York 1912.

185. Das geistige Haupt jener Stürmer und Dränger, zugleich auch die bedeutendste Dichterpersönlichkeit ihres Kreises war

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Chr. M. Dieser größte englische Dramatiker vor Shakespeare wurde als Sohn eines Schuhmachers am 26. Februar 1564 zu Canterbury geboren, ist also nur wenige Monate älter als sein noch größerer Nachfolger. Er besuchte in seiner Vaterstadt die King's School und bezog 1580 das Corpus Christi (damals Benet) College zu Cambridge, das er 1587 als M. A. verließ. Dann siedelte er wie so viele andere Dichter in die Hauptstadt über; hier lebte er als freier Schriftsteller. In genialer Tollheit tobte sich seine Feuerseele in wüsten sinnlichen Ausschweifungen aus; der schlechte Ruf, den er infolgedessen genoß, wurde noch dadurch sehr verstärkt, daß er als Freigeist und Gottesleugner galt. Gerade als ihm eine Anklage wegen seines Unglaubens drohte, fand sein Leben plötzlich Ende Mai 1593 ein allzufrühes schreckliches Ende durch einen Wirtshausstreit wegen einer Liebesangelegenheit, wobei der 29jährige von seinem Gegner erstochen wurde. Seine dichterische Laufbahn umfaßt also nur die sechs Jahre von 1587 bis 1593. 186. Tamburlaine the Great (1587; 4 0 , 1590). Gleich M.s erstes Stück Tamb. zeigt ihn schon vornherein auf der vollen Höhe seiner Kunst. Durch dies Trauerspiel, dessen Titelheld der mächtige Tatarenchan Tamerlan ist, das also einen orientalischen Schauplatz hat, wird M. der Begründer des Orientdramas, das von nun an einen wesentlichen Bestandteil der englischen Renaissancedramatik ausmacht. Durch M. wurde es feste Ueberlieferung, die orientalischen Herrscher als Ausbunde blutrünstiger Grausamkeit und als Verkörperungen ärgster despotischer Willkür zu schildern. Tamerlan ist eine titanenhafte Gestalt von größtem Wurf; alles erscheint an ihm ins Uebermenschliche und auch Unmenschliche gesteigert bis zur Unwirklichkeit. In einer berühmten Szene läßt er sich von zwei von ihm besiegten Königen in einem Wagen ziehen; mit einer Peitsche treibt er sie an, indem er ihnen die geflügelt gewordenen Worte zuruft: Holla, ye pampered jades of Asia. Ebenso bekannt sind die Szenen, in denen vorgeführt wird, wie Tamerlan den ihm unterlegenen türkischen Sultan Bajazet als Fußschemel benutzt, um seinen Thron zu besteigen, wie er Bajazet sonst auf seinen Eroberungszügen in einem Käfig mitschleppt, und wie Bajazet sich schließlich an den Wänden dieses Käfigs im Selbstmord den Schädel einrennt. Starken Eindruck erweckt es auch, den gewaltigen Tamerlan in Liebesbande verstrickt zu sehen; wie alles an ihm, ist auch sein Schmerz um den Tod seiner Gattin Zenocrate ungeheuer. Erbarmungslos opfert er dagegen seinen eigenen Sohn Calyphas, weil dieser ein Feigling und als solcher seines großen Vaters unwürdig ist. Die Tamerlans ganzes Wesen beherrschende und durchdringende Urleidenschaft ist eine unersättliche Eroberungslust; sie treibt ihn dazu an,

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immer wieder aufs neue ganze Länder sich zu unterwerfen. M.s Hauptquelle ist das lateinische Geschichtswerk des Perondinus über Tamerlan (1553) 1 4 6 ). Das Stück zerfällt in zwei Teile zu je fünf Akten; zu einer Fortsetzung des ersten Teils wurde M. erst durch den Beifall bewogen, den dieser Teil auf der Bühne erntete. Im zweiten Teil stirbt Tamerlan; aber auch im Augenblick des Hinscheidens beugt sich seine Seele in unbändigem Stolz weder vor dem Tode noch vor Gott selbst. Hier ist er offenbar das Sprachrohr für M.s ureigenste Gedanken 147 ). Ueberhaupt steckt in Tamerlan ein Stück von M.s eigenem Wesen. 187. Das Pathos unbändiger Leidenschaft eines genialen Sturmgesellen durchdringt das ganze Stück. M.s großartige Sprache klingt oft schwülstig und maßlos übertrieben, dient aber hier zur Charakteristik des Titelhelden. Dieser sprachliche Bombast wurde durch M. ein wesentliches Merkmal der Rede orientalischer Despoten späterer Dramen. Er wurde von jüngeren Dramatikern oft parodiert; Pistol z. B . in Shakespeares H4B ist ganz vollgespickt mit Zitaten aus Tamb. 188. Das Stück ist eigentlich mehr episch als dramatisch 14S ). Es stellt eine fortlaufende Kette von Eroberungen dar, die erst mit dem Tode des Helden enden; eine dramatische Verwickelung fehlt durchaus. Die Charaktere sind oberflächlich gezeichnet, außer dem gewaltigen Titelhelden, dessen Größe M. sehr lebendig zu veranschaulichen weiß. Trotz dieser Mängel ist Tamb. weitaus das bedeutendste Drama, das bis dahin in englischer Sprache erschienen war, und wirkte durch die ungezügelte Kraft der Darstellung bahnbrechend namentlich auf Shakespeare, dessen große tragische Meisterwerke dadurch vorbereitet wurden, der von M. die Darstellung mächtiger Leidenschaft lernen konnte. Durch Tamb. wurde das englische Trauerspiel ganz unabhängig von fremden Vorbildern, ganz auf eigene Füße gestellt 149 ); es bekam nun einen neuen, ihm eigenen Stil. Zugleich beruht die Bedeutung des Stückes auch darauf, daß dadurch erst der Blankvers von seiner anfänglichen Steifheit befreit wurde; erst durch M. wurde er zu einem wirklich brauchbaren dramatischen Werkzeug. Die fast ausschließlich männlichen Versausgänge, die bei M.s Vorläufern meist einförmig klingen, erwecken hier den Eindruck selbstbewußter Gedrungenheit und verhaltener Kraft. 189. Doctor Faustus (1588; 4 0 , 1604). Einzelausgabe von C. B . W h e e 1 e r , Oxford 1915. 146

) ) 148 ) 149 j 147

Creizenach I V 505. Brie, Deismus S. 129. Garnett & Gosse I I 173. Schelling, Eliz. Dr. I 230.

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Fau. ist das älteste englische Drama, das einen Stoff deutscher Herkunft behandelt. Die Faustsage wird hier nach dem deutschen Volksbuch vom Doktor Faust dargestellt, dem das Drama genau folgt 15 °). Durch eine solche Uebertragung epischer Erzählung ins Drama wird der Bau des Stückes vom technischen Standpunkt aus mangelhaft; es besteht aus einer losen Reihe dramatischer Bilder, die nur durch die Persönlichkeit des Titelhelden zusammengehalten werden. Trotzdem ist Fau. an Großartigkeit Tamb. durchaus ebenbürtig. Der titanenhafte unersättliche Drang, der sich bei Tamerlan als Eroberungssucht äußert, wird hier auf das Gebiet der Erkenntnis übertragen: Faust ist gleichsam ein Tamerlan des unstillbaren Erkenntnisdranges, der zur Befriedigung seines unendlichen Verlangens sogar seine Seele opfert. Das bedeutet eine bedeutende Vergeistigung und Verfeinerung von Tamerlans Titanentum. Das ganze Stück gipfelt in der Schlußszene, in der mit einer Tragik von erschütternder Wucht Fausts Ende geschildert wird: durch seinen Bund mit dem Teufel hatte Faust diesem seine Seele verschrieben; die 24 Jahre Erdenfrist sind am Schluß abgelaufen, und nun werden die letzten Stunden und Minuten Fausts, bis sein Schicksal ihn ereilt, die furchtbaren Seelenqualen, die Faust in Erwartung der nun unmittelbar bevorstehenden ewigen Verdammnis erleidet, mit einem Realismus von gewaltig packender Wirkung in allen Einzelheiten ausgemalt. Der Atheismus des Verfassers, der in seinen andern Stücken gelegentlich hervorbricht, kann aus diesem Drama nicht erschlossen werden; auch der rechtgläubigste Christ hätte die Angst des der Verdammnis verfallenden Sünders nicht erschütternder darstellen können. 190. Das Stück wurzelt durchaus im alten Volksdrama, von dem es manche Bestandteile übernimmt und wirkungsvoll steigert. Zwar stammt der Chor, der mit pomphaftem Pathos die einzelnen Abschnitte des ursprünglich nicht in Akte eingeteilten Stückes einleitet, aus der gelehrten Tragödie; aber Mephisto ist deutlich eine Fortsetzung des alten Misterienteufels, und der gute und der böse Engel, die Faust bei seinem Erdenwallen begleiten, sowie die sieben Todsünden in einem eingelegten Zwischenspiel, sind Erbteile der Moralitäten. M. besaß keine besondere Veranlagung zur Komik; um so auffallender sind die zum großen Teil recht abgeschmackten Clownszenen, die hier, sehr zum Nachteil des Stückes, breiten Raum einnehmen, um so mehr, als sie mit dem li0 ) Das deutsche Volksbuch wurde schon gleich nach seinem ersten E r scheinen ins Englische übersetzt (1588). Ob M. die englische Uebersetzung oder das deutsche Original benutzt hat, ist eine noch unentschiedene Streitfrage. Vgl. W a r d I 3 3 2 , ferner R . Rohde: Das engl. Faustbuch und M.s Tragödie ( = Studien zur engl. Philol. 43), Halle a. S. 1 9 1 0 .

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übrigen Drama nur sehr wenig zusammenhängen. Man könnte sie als ein Zugeständnis M.s an den Volksgeschmack auffassen, da nun einmal in der volkstümlichen Tragödie die Verbindung von Tragik und Komik stehender Brauch geworden war. Nach Sykes 151 ) sind aber diese Clownszenen eine spätere Interpolation Samuel R o w 1 e y s. Von den Clowns kommt nur der Pferdehändler schon in der deutschen Quelle vor, und auch nur in einer ganz unwesentlichen Rolle. Vielleicht ist er daher der einzige unter den Clowns, der doch M. selbst zuzuschreiben ist. In der äußeren Form des Stückes wechseln Blankverse mit Prosa ab. 191. The Jew of Malta (Ende 1588; 4 0 , 1633). Jew 152) steht an Ideengehalt nicht auf der gleichen Höhe wie Fau. Für uns ist die Gestalt des Titelhelden Barabas vor allem wichtig als Vorstudie zu Shakespeares Shylock. Als typischer Jude 153 ) erscheint Barabas aber nur in seiner Geldgier, seiner heimtückischen Geschmeidigkeit und seinem bitteren Haß gegen die Christen. Die Unmenschlichkeit seines sich in lauter Verbrechen umsetzenden Christenhasses wird allerdings gemildert dadurch, daß auch die Christen ihm schweres Unrecht antun. Ihm als dem weitaus reichsten Manne von Malta wird das ganze Vermögen abgepreßt. Im übrigen ist Barabas der übliche Theaterbösewicht, der Verbrechen auf Verbrechen häuft, ohne dabei gerade typische Eigenschaften eines Juden zu entfalten. Seine Mordtaten gehen vielfach sogar über alles menschliche Maß hinaus. Er tötet schließlich ohne ausreichende psychologische Begründung; zum Spaß vergiftet er z. B. ein ganzes Nonnenkloster. Helfershelfer seiner meisten Verbrechen ist sein Sklave Ithamore, der aber nicht als Jude, sondern als Muhammedaner gedacht ist. Er ist der Stammvater der englischen Bühnenmohren. Daß Machiavelli zu Anfang als Prolog auftritt, soll andeuten, daß Barabas kein gewöhnlicher Schurke ist, sondern ein politischer Ränkeschmied, der nach einem wohlüberlegten Plane handelt 154 ). Den geschichtlichen Hintergrund der Handlung bildet die Belagerung von Malta durch die Türken und die heldenmütige Verteidigung der Insel durch die Ordensritter im Jahre 1565 155 ). Nach Creizenach ist die Gestalt des Barabas aber eher der Geschichte des Kampfes zwischen Türken und Ordensrittern an deren früherem Sitz Rhodus ' « ) P . 64. 152 ) Vgl. Margar. Thimme:M.s Jew. Stil-und Echtheitsfragen. ( = Studien zur engl. Philol. 61). Halle a. S. 1 9 2 1 . 15s ) Als solcher erscheint Barabas auf der Bühne, ebenso wie alle späteren Juden des Renaissancedramas, mit einer ungeheuren Nase ausgestattet. >") Ward I 340. 1M ) Creizenach I V 5 1 3 .

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(1522) entnommen 15a). Sonst scheint ein großer Teil der Handlung des Dichters eigene Erfindung zu sein. 192. M. ist der erste englische Dichter starker menschlicher Leidenschaften: in Tamb. handelt es sich um den leidenschaftlichen Drang nach Eroberungen, in Fau. um den leidenschaftlichen Wunsch, das Reich der Erkenntnis unendlich zu erweitern, hier um leidenschaftliche Geldgier und leidenschaftlichen Rachedurst. Die späteren Teile des Stückes zeigen Spuren hastiger Arbeit; die Charakterzeichnung auch des Barabas wird flüchtiger. Während wir anfangs noch ein wenig Sympathie für ihn empfinden oder sein Rachedurst uns wenigstens begreilfich erscheint, ist er später das reine Scheusal, bei dem die maßlose Uebertreibung in der Charakteristik anfängt lächerlich zu wirken. In der dramatischen Technik stellt das Stück aber trotzdem einen Fortschritt gegenüber den beiden früheren Stücken M.s dar. 193. King Edward II. (1592; 8°, 1594). Einzelausgaben von W. D. B r i g g s , London 1914. G r e g , Malone Soc. Reprints I9 2 5. E. II. führt als Titelhelden einen königlichen Schwächling vor, der eine widernatürliche Vorliebe für seinen niedriggeborenen unwürdigen französischen Günstling Gaveston hegt und sich von diesem ganz beherrschen läßt. Die Hauptgestalt hat in ihrer Charakterschwäche einige Aehnlichkeit mit Richard II. in Shakespeares gleichnamigem Stücke; auch der Schluß, wo die edleren Züge im Wesen beider durch das Unglück geläuterter Herrscher zum Vorschein kommen, zeigt eine gewisse Uebereinstimmung. Hauptgegenspieler sind die Königin Isabella, eine Französin, die sich von ihrem Gatten zugunsten Gavestons zurückgesetzt fühlt, und ihr Liebhaber Mortimer als Führer des mit der Günstlingswirtschaft unzufriedenen Adels 157 ). Beide verbinden sich und stürzen den König; nach dessen Tode ereilt sie aber das rächende Schicksal unter dem neuen König Eduard III., dem Sohne und Nachfolger Eduards II. Die Charakteristik ist hier besser gelungen als in M.s älteren Stücken; nicht allein der Held hat an ihr Anteil, sondern in gleichmäßiger Verteilung auch die übrigen scharf umrissenen Hauptgestalten, die in wirksamem Spiel und Gegenspiel einander gegenübergestellt sind. Einen Anflug von Komik bietet höchstens die flüchtig skizierte Nebenfigur des ehrgeizigen Geistlichen Baidock. Die Handlung ist gegenüber der geschicht1M ) Kellner: Die Quelle v o n M.s Jew (Engl. Stud. 10, 1887) nimmt als Quelle für Barabas die wirkliche Laufbahn eines bekannten Juden des 16. Jahrhunderts, Josef Nassi, an, dessen Leben Ereignisse aufweist, die den von Barabas berichteten Zügen ähnlich sind. " ' ) Creizenach I V 517.

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liehen Hauptquelle, Holinsheds Chronik, mit künstlerischem Geschick stark zusammengedrängt; statt der lose aneinandergereihten Szenen v o n Tamb. und Fau. finden wir hier einen straffen dramatischen A u f b a u v o n packender Wirkung. Eine Vergleichung mit Peeles E. I. zeigt, gerade wegen der Verwandtschaft des Stoffes, wie sehr M. Peele als Dramatiker überlegen ist. Die Blankverse sind, wie fast immer bei M., voller Wohllaut und K r a f t ; Reime begegnen nur hier und da und sind nicht einmal a m Szenenschluß die R e g e l ; die Prosa fehlt durchaus. 194. The Massacre at Paris (1592?; 8°, [um 1594]). Mass. ist die älteste dramatische Darstellung eines Ereignisses der nicht weit zurückliegenden Vergangenheit: der Bartholomäusnacht (1572) mit der Niedermetzelung v o n vielen tausend Hugenotten in Paris und den Provinzen. D a s Stück ist verstümmelt überliefert; es besteht nur aus drei A k t e n , erweckt den Eindruck einer flüchtigen Arbeit und ist nichts als eine ununterbrochene Reihe v o n Mordtaten, von unzusammenhängenden und oft wenig fesselnden Episoden. Der literarische Wert des Stückes ist also nicht g r o ß ; es ist jedenfalls das schwächste v o n M.s Dramen. E i n künstlerischer Fehler war es, den Höhepunkt des Ganzen, die Bartholomäusnacht, gleich an den A n f a n g zu verlegen: eine Steigerung des dramatischen Interesses war darnach nicht mehr möglich; die Handlung flaut infolgedessen z u m Schluß hin immer mehr ab. Der Hauptvertreter der antiprotestantischen Partei ist der Herzog v o n Guise; er handelt aber nicht aus religiösem Fanatismus, sondern benutzt nur den fanatischen Katholizismus seiner Partei zur Befriedigung maßlosen persönlichen Ehrgeizes. A l s ein ins Uebermenschliche gesteigerter Bösewicht gleicht er B a r a b a s in Jew. Führer der Hugenotten ist^ Heinrich v o n Navarra, der spätere K ö n i g Heinrich I V . M. benutzt das Stück z u m Sprachrohr seiner eigenen sehr katholikenfeindlichen Gesinnung. Der behandelte Zeitraum reicht v o n 1572 bis z u m Tode Heinrichs I I I . (1589); wie in E. II., wird auch hier durch Zusammendrängung der Handlung deren Vereinheitlichung angestrebt, aber ohne daß dies durchaus gelungen wäre. 195. Dido Queen of Carthage (4 0 ,1594) (Abdruck auch in Nash's Works ed. b y Mc Kerrow II) wurde von M. bei seinem Tode (1593) unvollendet hinterlassen und v o n N a s h vollendet 1 5 8 ). Wenigstens ist die A n n a h m e einer derartigen Verteilung der Arbeit a m Stücke auf die beiden Dichter wahrscheinlicher als ihre gleichzeitige Zusammenarbeit. Eine Bestimmung v o n beider Anteil ist 15S)

1905.

Vgl. B. K n u t o w s k i : Das Dido-Drama von M. und Nash. Breslau

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im einzelnen unmöglich, da von Nash sonst nur ein einziges Drama überliefert ist, an dessen Stil in unserm Stück nichts erinnert, ebensowenig an die übrigen Schriften Nashs159). Als Quelle diente natürlich Vergils Aeneis; hinzugedichtet ist die Liebe von Didos Schwester Anna zu Jarbas 16°). Die epische Quelle hat hier und da ihre Spuren hinterlassen, so in dem langen undramatischen Bericht des Aeneas vor Dido über seine bisherigen Schicksale im zweiten Akt, in genauem Anschluß an Vergil 161 ). Die in diesem Bericht enthaltene Beschreibung des Todes des Priamus wurde von Shakespeare in Haml. parodiert 162 ). Die Wucht starker Leidenschaft, die M. sonst so gern in seinen Dramen entfaltet, fehlt hier völlig; ein Nachlassen der früheren Kraft zeigt sich hier ähnlich wie in Mass.; doch erhebt sich die Darstellung an einigen Glanzstellen zu wirklicher Schönheit. 196. Mit M a r I o w e trat zum erstenmal im englischen Drama ein wirklich großer Dichter auf den Plan, mit einer überschäumenden Einbildungskraft und mit der Fähigkeit, der Fülle seiner Gesichte den rechten Ausdruck zu geben. Seine Größe offenbart sich vor allem in der Unabhängigkeit seiner dichterischen Persönlichkeit von fremden Mustern. Seine Werke tragen den Stempel einer ganz neuen Eigenart. Auf die Nachwelt hat M. den stärksten Einfluß ausgeübt, nicht nur als Vorbild für viele kleinere Dichter, sondern auch als Bahnbereiter für Shakespeare, der in seinem ersten Trauerspiele Tit. noch ganz im Banne M.s stand. M. ist der einzige Vorläufer Shakespeares, der als diesem einigermaßen ebenbürtig bezeichnet werden kann. Mit genialer Kraft sprengte M. die engen Fesseln, die Senecas englische Schüler dem Trauerspiel angelegt hatten; er wurde so der erste volkstümliche englische Tragiker großen Stils. 197. M. ist vor allem der Darsteller glutvoller Leidenschaft, der er in einem großartigen glänzenden Pathos, in kühnen Bildern angemessenen Ausdruck zu geben weiß. Weil bei ihm das sprachliche Gewand durchaus zum Inhalt paßt, hat jenes Pathos den Klang der Echtheit. Er gleicht unserm Schiller in dessen Jugendwerken darin, daß die strotzende Kraft seiner Rede wie ein prächtiger Kaisermantel nur zu ihm allein paßt, bei seinen schwächeren Nachahmern aber leicht in hohlen Schwulst ausartet, der als lächerlich empfunden wurde. Diese Lächerlichkeit hat dann auch auf das Urteil der Nachwelt über M. selbst zurückgewirkt: auch seine Sprache galt später als hochtrabender Bombast, der zur Parodie herausforderte. 1M )

Creizenach I V 526. Creizenach I V 524. •") Wülker I 277. I , s ) G. G. Smith, Cambr. Hist. V 145.

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198. Im Titanentum von M.s Haupthelden prägt sich seine eigene ungestüme trozige Faustnatur aus. Wie er in seinem zügellosen Leben alle Fesseln seiner wilden Triebkräfte gesprengt hat, so bäumte er sich auch in rücksichtslosem Denken gegen den Gottesglauben auf, der ihm als eine unerträgliche Einengung seiner persönlichen Freiheit erschien. Sein Atheismus ist allerdings eher aus den über ihn überlieferten Nachrichten seiner Zeitgenossen, besonders Kyds, als aus seinen Werken zu erkenpen, in denen er seinen Unglauben nur vorsichtig zur Schau stellen konnte 163). 199. Eigentümlich ist bei M. das Fehlen einer künstlerischen Entwickelung: er leistet schon gleich in seinem Erstlingswerk Tamb. das Höchste seiner Kunst, und übertrifft dies Stück höchstens noch in seinem zweiten Drama Fau. durch gedankliche Vertiefung und Verinnerlichung. Mangelhaft ist in den meisten Stücken M.s die Charakteristik. Gewöhnlich drängt sich seine ganze Kunst wie in einem Brennpunkt in der Hauptgestalt zusammen; die andern Personen pflegen neben dieser stark zurückzutreten. Merkwürdig ist es, was für eine geringe Rolle die Frauen bei ihm spielen; seine Helden sind, außer in Dido, durchweg männliche Personen 164 ). Diese Helden machen ebensowenig wie er selbst eine Entwickelung durch; ihr Wesen steht schon von vornherein in allen Einzelzügen fest. Auch im dramatischen Aufbau ist M.s Kunst nicht groß. Es fehlt seinen Stücken meist eine eigentliche dramatische Verwickelung; der ungeheuren Leidenschaft, die den Helden zu beherrschen pflegt, wird kaum von irgendeiner Seite nennenswerter Widerstand geleistet. M. hat den Bösewicht großen Stils zuerst in das englische Drama eingeführt; aber auch das eigene Gewissen seiner großen Verbrecher hindert sie in keiner Weise, immer neue Schandtaten zu begehen. Ein weiteres Hauptmerkmal M.s ist es, daß er zur Darstellung des Erhabenen besser befähigt war als zu der des Komischen. Er ist ganz humorlos; auch fehlt ihm jede Neigung zur Satire. In dieser Begrenztheit seiner Größe zeigt sich seine Unterlegenheit gegenüber seinem größeren Nachfolger Shakespeare. 200. M. hat dem Blankvers im englischen Drama endgültig zum Siege über die andern metrischen Formen verholfen. Erst er hat den Blankvers biegsam und wohllautend gemacht, ihn durch geschickte Anbringung der Zäsur an verschiedener Stelle, durch Vermeidung der Pause am Ende der Verszeile und durch häufigere i«3) v g l . Brie, Deismus S. 121. 164)

G . G . Smith, Cambr. Hist. V 150.

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Anwendung weiblichen Versausgangs abwechslungsreicher gestaltet 165). 201. The W a r s of Cyrus King of Persia (1588/91; 4 0 , 1594). Hg. v o n W. K e 11 e r , Shakespeare-Jahrbuch 37 (1901). Der anonyme Verfasser von Cyrus knüpft in der Wahl eines mächtigen Eroberers zum Titelhelden au Tamb. an, aber ohne Marlowe in der Wucht der Darstellung auch nur entfernt zu erreichen. Die Schicksale des ersten Perserkönigs werden hier im Anschluß an Xenophons Cyropädie geschildert. Im Vorspiel verwirft der Dichter ausdrücklich die volkstümliche, mit Komik und mit dem Vice behaftete Tragödie. Der strengeren Kunst dieses Dramas entsprechend hat hier der Blankvers die Alleinherrschaft. Der Verfasser verschmäht aber doch nicht das echt romantische, aus der italienischen Literatur stammende Motiv der Kleidervertauschung von Personen verschiedenen Geschlechts, und der daraus entstehenden Liebe eines Mannes zu einem vermeintlichen Mädchen, das sich schließlich als Jüngling entpuppt "•).

2. George Peele. 202. Works ed. by A. H. B u 11 e n. 2 vols. London 1888. — Dramatic and Poetical Works ed. by Alex. D y c e , s. G r e e n e . — P.-H. C h e ff a u d : G. P. 1558—96 (?). R. L ä m m e r h i r t. G. P. Rostock 1882. Erna L a n d s b e r g : Der Stil in P.s dramatischen Werken. Breslauer Diss. 1910.

G. P. wurde 1558 zu London als Sohn eines Clerk a m Christ's Hospital geboren. Er trat in das Christ Church College z u Oxford ein, erwarb hier 1577 den Grad eines B . A., 1579 den eines M. A . , und kehrte 1580 in die Hauptstadt zurück, u m hier ein ungebundenes Literatenleben zu führen. A u c h als Schauspieler war er tätig. Ein großer Teil seiner dramatischen Werke ist verloren gegangen. Seine Verschwendungssucht bewirkte, daß er sich beständig auf der Flucht vor seinen Gläubigern befand. Seine leichtsinnigen Streiche brachten ihn in den Ruf eines englischen Eulenspiegels; als solcher wurde er seinerzeit so berühmt, d a ß seine Späße nach seinem Tode in einer Schwanksammlung (Merry Concdted Jests of G. P.) der Nachwelt überliefert wurden. Wenn diese Sammlung der Wahrheit entspricht, waren die meisten dieser Scherze nach heutigen Begriffen keineswegs harmlos und in moralischer Hinsicht einwandfrei, da sie vielfach auf eine Zechprellerei hinausliefen. P. verkam schließlich in Not und Elend u m 1596. 203. The Arraignment of Paris (1581; 4°, 1584). Einzelausgabe v o n C h i 1 d , Malone Soc. Reprints 1910. D a s älteste seiner Stücke ist das Hirtenspiel Arr., worin die bekannte Geschichte v o m Urteil des Paris dazu benutzt wird, die olympischen Götter und andere Gestalten der altgriechischen ,,ä)

G. G. Smith, Cambr. Hist. V 156. "•) W. Keller, Einl. zu seiner Ausg. S. 5.

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Mythologie zusammen mit drei Hirten auftreten zu lassen. Die Entscheidung des Paris hat den Unwillen der von ihm nicht preisgekrönten Göttinnen erregt. Der Titel des Stückes bezieht sich auf die Klage über ihn, die jene Göttinnen an die Götterversammlung richten. Von dieser wird Diana zur Schiedsrichterin ernannt, und nachdem letztere sich der Zustimmung zu ihrer Entscheidung im voraus versichert hat, überreicht sie der Nymphe Eliza den goldenen Ball als Preis der Schönheit. So endet das Stück mit einer hübschen, an die Königin Elisabeth gerichteten Huldigung. Es berührt sich stofflich mit den Maskenspielen. Die zierliche Kunst, die P. hier entfaltet, verrät den Einfluß Lylys. P. wird zwar im Drama nicht als Verfasser genannt, aber schon 1584 wurde es von Nash in seiner Vorrede zu Greenes Menaphon ihm zugeschrieben. Senecas Einwirkung tritt zutage in der Akteinteilung, sowie in dem von Ate gesprochenen Prolog. Die episodische Liebesgeschichte zwischen Paris und Oenone stammt aus Ovids Heroides1S7), und hat offenbar Tennyson zu seinem Gedicht Oenone angeregt. Geschmacklos wirkt die ganz grundlose Einflechtung italienischer und lateinischer Verse, die nur die Gelehrsamkeit des Dichters zur Schau stellen sollen 168). Ein Mangel P.s ist seine Charakterzeichnung; von einer unterscheidenden Charakteristik der einzelnen Personen kann hier eigentlich kaum die Rede sein. Das Stück setzt die Entwickelungslinie fort, die das romantisch-phantastische Drama mit Cond, und Clyotn. begonnen hatte, aber mit beträchtlich gesteigerter, in der Schule Lylys gereifterer Kunst. Ein altmodischer Zug ist es, daß der Blankvers noch nicht die vorherrschende Versform ist, sondern fünffüßige jambische Reimpaare oder paarweis gereimte Septenare; die drei Hirten reden in pouller's measure. Ein Vorzug P.s offenbart sich uns schon hier in seinem Erstlingswerk: sein feines Gefühl für die musikalischen Wirkungen der Sprache, obgleich der Verfasser sich in der Holprigkeit seiner Verse noch als Anfänger zeigt. Viele anmutige Liedchen sind eingelegt. 204. The Love of King David and Fair Bethsabe (1588; 4 0 , 1599). Einzelausgabe von G r e g , Malone Soc. Reprints 1912. Auch bei Manly, Specimens II. Mit Beths. wagte sich P. an einen biblischen Stoff; insofern ließe sich das Stück als ein verspäteter Ausläufer der Misterien auffassen. Es besteht aus einer doppelten Handlung: zuerst wird Davids Ehebruch mit Bathseba und die Ermordung des Urias vorgeführt, dann Absaloms Aufstand und frühes Ende. Beide Teile werden nur durch die Person Davids lose miteinander ver" ' ) Creizenach I V m ) Creizenach I V

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knüpft; von einer Einheitlichkeit der Handlung kann also hier keine Rede sein. Im Stoff hält sich P. ganz an seine biblische Quelle; er stellt ihn in seiner wuchtigen Einfachheit dar, ohne wesentliche eigene Zutaten; die verderblichen Folgen von Davids Missetat weiß er eindrucksvoll zu schildern. Komik liegt nur in einer einzigen Szene vor, in der Urias von David trunken gemacht wird. Die Schwäche von P.s Charakterisierungskunst zeigt sich auch hier; seine Personen sind nicht plastisch genug gezeichnet. Mit keinem seiner Dramen hat P. so ehrgeizige Absichten verfolgt wie mit dem vorliegenden. Das Stück wird eingeleitet durch einen schwungvollen Prolog, mit Anklängen an den Anfang der Ilias und der Aeneis. Der Blankvers herrscht durchaus vor, und am Schluß jedes Akts tritt nach klassischem Vorbild ein Chor auf, der über das eben Geschehene seine Bemerkungen macht. Das ganze Stück umfaßt aber nur drei A k t e ; Creizenach vermutet in ihnen den mittleren Teil eines im übrigen verloren gegangenen dreiteiligen Dramas 169). Das musikalische Feingefühl des Dichters macht sich auch hier geltend im Wohlklang der Sprache und in der feinen Abtönung der Worte. Ein Einfluß des Pathos von Marlowes Tamb. ist wahrzunehmen, aber ohne die bei dessen Nachahmern gewöhnlichen Uebertreibungen. 205. The Battie of Alcazar (1588/89; 4 0 , 1594). Einzelausgabe von G r e g , Malone Soc. Reprints 1907. Ale. spielt teils auf der pyrenäischen Halbinsel, teils in Marokko. Die im Titel erwähnte Schlacht wurde am 4. August 1578 zwischen Marokko und Portugal geschlagen, das von Spanien um die versprochene Hilfe betrogen worden war. Mit dem sich an den marokkanischen Schauplatz knüpfenden orientalischen Theaterapparat verband nun P. die Schicksale eines damaligen englischen Volkshelden, des Captain Thomas Stukeley, offenbar um dadurch das Stück bei seinen Landsleuten beliebter zu machen. Dieser Stukeley gehört zu den Abenteurern, die im Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen in fernen Ländern ihr Glück versucht haben; er war ein rechter, stets kampflustiger Draufgänger, wie jene Zeit ihrer viele hervorgebracht hat 1 7 0 ). Das Stück erschien »•) I V 578. W i e beliebt S t u k e l e y war, g e h t daraus hervor, d a ß er später (1596) z u m H e l d e n eines besonderen a n o n y m e n D r a m a s g e m a c h t w u r d e : T h c F a m o u s H i s t o r y of t h e L i f e a n d D e a t h of C a p t a i n T h o m a s S t u k e l e y (40, 1605; a b g e d r u c k t bei Simpson, Schoo! of Shakspere I). D a s S t ü c k h a t keine A k t e i n t e i l u n g und ist, wie die meisten D r a m e n biographischen C h a r a k t e r s , ohne einheitliche H a n d l u n g ; es b e s t e h t nur aus einer Reihe v o n dramatischen Bildern, die allein d u r c h die Person des H e l d e n lose z u s a m m e n g e h a l t e n werden. D e r eigenwillige stolze selbstb e w u ß t e C h a r a k t e r S t u k e l e y s wird darin v o r t r e f f l i c h gezeichnet. Am E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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zuerst, ohne P. als Verfasser zu nennen; er gilt aber als solcher, weil in einer 1600 von Allott herausgegebenen Anthologie Englands Parnassus eine Stelle aus unserem Drama ihm ausdrücklich zugeschrieben wird. Auf ein inzwischen altmodisch gewordenes szenisches Auskunftsmittel greift P. zurück mit dem Presenter, der jeden Akt einleitet, und zwei dumb shows. An der üblichen Huldigung für Elisabeth fehlt es auch hier nicht: der König Sebastian von Portugal preist ihre Macht und Weisheit. Als Quelle hat die Historia de hello Africano in lat. translata per Jo. Thom. Freigium, Norimbergae 1580, gedient. Eine Verwandtschaft mit Tamb. offenbart sich nicht nur in der Gemeinsamkeit des orientalischen Schauplatzes m ), sondern auch in dem Schwulst der Sprache, den P. von Marlowe übernommen hat. Wegen dieses Schwulstes wurden einzelne Stellen des Stückes oft parodiert 172 ). Als Drama bedeutet Ale. ein Herabsteigen P.s von der Höhe seiner älteren Stücke. 206. King Edward I. (1590; 4 0 ,1593). Einzelausgabe von G r e g , Malone Soc. Reprints 1 9 1 1 . E. I. ist wahrscheinlich das älteste erhaltene Historiendrama, eine besondere Abart des englischen Dramas, die später von Shakespeare zur höchsten Blüte gebracht wurde. Diese Dramengattung nimmt Ereignisse der englischen Geschichte zum Vorwurf. Eine antispanische Gesinnung des Dichters zeigt sich in der Charakteristik der Königin Elinor, der Gemahlin Eduards I., nach P. einer grausamen, wollüstigen und hochmütigen Spanierin, die durchaus die widerspenstigen Engländer unter ein spanisches Joch beugen will. Hier hat P. unter dem Eindruck des Seekrieges zwischen England und Spanien das geschichtliche Urbild dieser Königin arg verzerrt; in Wirklichkeit war sie eine durchaus liebenswürdige Dame. Es liegt zugleich eine Verwechslung vor mit Eleonore von Poitou, der Gattin Heinrichs II., die in der Tat übelberüchtigt war 173 ). Eine vaterländische Saite schlägt P. an durch die Schilderung der Geburt des ersten Prinzen von Wales, lebendigsten sind die in England spielenden Szenen. Die späteren Teile berühren sich nahe mit Ale. Zum Schluß ist der überlieferte T e x t in einer argen Verwirrung. 171 ) Noch größer ist die stoffliche Berührung mit einem viel jüngeren Drama, Massingers Believe as you list (1630). I I , 3, 595 bringt der Sultan Muly Mahamet seiner Gattin Löwenfleisch als Nahrung mit den Worten: Feed then and faint not, fair Callipolis. Im Anschluß daran sagt der mit geschwollenen Redensarten vollgespickte Pistol zu MTS. Quickly in H 4 B I I , 4, 1 9 3 : Then feed, and be fat, my fair Calipolis; in dieser von Shakespeare geprägten Form wurde der Vers ein geflügeltes Wort. m ) Großmann S. 2 1 . Die der Königin nachgesagten Schandtaten beruhen auf zwei volkstümlichen Balladen.

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des ältesten Sohnes Eduards I., auf wallisischem Boden; dadurch wurde der noch jetzt übliche Titel des englischen Thronfolgers veranlaßt. Auch Londoner lokale Verhältnisse werden gestreift: die Stelle, wo zum Andenken an die inzwischen verstorbene Königin ein Kreuz errichtet worden ist, wird auf Befehl des Königs Charing Cross genannt. Ferner wird die Gründung des Balliol College zu Oxford dargestellt; P.s eigene Studentenerinnerungen machen sich hier geltend. Das kunstlose, wenig einheitliche Stück stellt in seiner Handlung ein buntes Gemisch dar. In einer sehr umfangreichen Nebenhandlung, wo die Eroberung von Wales vorgeführt wird, tritt eine Reihe von Wallisern auf, wohl zum erstenmal innerhalb des englischen Dramas. Besonders die Szenen mit dem wallisischen Bettelmönch Hugh ap David, einer Nachahmimg des Friar Tuck in den Balladen und Spielen von Robin Hood, haben mit dem übrigen Stück kaum noch Berührung. Quelle ist, wie für fast alle Historien, hauptsächlich Holinsheds Chronik. Dem Stück fehlt eine Akteinteilung; der Text ist sehr schlecht überliefert, und vielfach verderbt. Er besteht teils aus Blankversen kurzen Reimpaaren, paarweis gereimten Septenaren, teils aus Prosa. Die Komik nimmt einen breiten Raum ein; die kurzen Reimpaare sollen die komischen Stellen auch schon äußerlich kennzeichnen. Iu den ernsten Teilen wird Marlowes dröhnendes Pathos öfters nachgeahmt 174 ). Es wimmelt von lateinischen Zitaten, mythologischen und altklassischen Anspielungen. 207.

Old W i v e s T a l e (um 1 5 9 0 ; 4 0 ,

1595).

Tale, das dichterisch wertvollste Werk P.s, erinnert in seiner Märchenstimmung an die Christmas Pantomimes, die noch jetzt in England um die Weihnachtszeit aufgeführt werden 175). Gleich zu Anfang stoßen wir auf eine originelle Situation: die Frau eines im Walde wohnenden Schmiedes erzählt drei jungen Burschen, die sich verirrt haben und in der Waldschmiede aufgenommen worden sind, ein Märchen von einer Königstochter Delia, die von einem bösen Zauberer gefangen gehalten und von'ihren Brüdern gesucht wird l76 ). Die Schmiedsfrau erzählt das alles aber so verworren, daß diese Brüder gleichsam ungeduldig werden und auf einmal leibhaftig erscheinen. Von da an wird das bis dahin nur erzählte Märchen auf der Bühne selbst fortgesetzt. Das sieht wie eine Vorwegnahme der Ironie der deutschen Romantik aus, ist aber jedenfalls als eine Satire auf die Zerfahrenheit romantischer 171 )

Creizenach I V 585. »») Wülker I 265. "•) Neuerdings hat F. Brie in der Festschrift für A. Brandl (Palaestra 147/148, S. 136) einen Zusammenhang unseres Stückes mit dem Märchen von Childe Rowland nachgewiesen.

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Komödien wie Cond, oder Clyom. zu deuten. Was wir in diesen Stücken als Mangel empfinden, erscheint uns in Tale als reizvoll, weil wir die künstlerische Absicht des Dichters herausfühlen. Mit der Haupthandlung ist das bekannte Märchen vom dankbaren Toten verbunden, indem dieser dazu verhilft, Delia aus der Gewalt ihres Peinigers zu befreien. Ferner begegnet uns ein prahlerischer Feigling Huanebango, nach Creizenach 177 ) eine satirische Verkörperung Gabriel Harveys; insbesondere wird dessen Versuch, den Hexameter in die englische Dichtung einzuführen, durch Huanebangos unglaubliche Hexameter parodiert. Die Verknüpfung der phantastischen Märchenhandlung mit allerlei Schulspässen und komischen Wortungeheuern erscheint als ein lustiges sehr locker gebautes Sammelsurium, übt aber doch einen eigenartigen Zauber auf uns aus. Das Stück hat nach zwei verschiedenen Richtungen nachgewirkt: als Satire ist es ein Vorläufer von Beaumonts Knight of ¿he Buming Pestle, als Märchendichtung hat es Miltons Cumus als Vorbild gedient. Der Name des bösen Zauberers Sacrapant ist Greenes Orl. entlehnt. Die metrische Form ist dem Inhalt glücklich angepaßt: dem Realismus der Szene in der Waldschmiede entspricht die Prosa; das diese fortsetzende Märchen ist in Blankverse gekleidet. 208. Alphonsus Emperor of Germany (1594; 4°, 1654). Hg. von E l z e , Leipzig 1867; von S c h w a r z , New Y o r k 1913; auch in Chapman's Plays ed. b y Shepherd. Alph. galt bisher als ein Werk Chapmans, wird aber von Fleay, Schölling und Sykes wohl mit größerem Recht P. zugeschrieben. Die Behandlung des Stoffes weicht sehr von der Art ab, wie Chapman sonst in seinen Trauerspielen mit dem Stoff zu verfahren pflegt: bei ihm wird die Handlung zur Nebensache, während sie hier durch grelle Bühnenwirkungen aufs äußerste gesteigert erscheint. Das Stück steht überhaupt auf einer primitiveren Kunststufe, als die sonstigen Trauerspiele Chapmans. Es ist eine an Greueln reiche Rachetragödie, und ganz in dem hochtrabenden Stil der Nachahmer Marlowes geschrieben. Schauplatz ist Deutschland; zahlreiche und lange Stellen sind deutsch abgefaßt, und beweisen eine genaue Bekanntschaft mit der deutschen Sprache und deutschen Verhältnissen. Daß P. solche Kenntnisse besessen habe, davon ist sonst nichts bekannt. Wenn wir ihn als Verfasser gelten lassen, so ist er wohl von einem der englischen Komödianten unterstützt worden, die durch ihre langjährige Tätigkeit in Deutschland mit der deutschen Sprache wohl vertraut waren. Titelheld ist Kör.ig Alfons X . von Kastilien, der zur Zeit des Interregnums in Deutschland als deutscher Thronkandidat aufgestellt wurde. Ganz abweichend von der Geschichte wird er als verruchter Bösewicht gezeichnet. Sein Gegenkandidat ist der englische Prinz Richard von Cornwall, der dem teuflischen Alfons als Engel gegenübersteht.

209. Einige Dramen P.s sind verloren gegangen. Unter diesen verdient besondere Erwähnung The Turkish Mahomet and Hiren the •') I V 587.

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Fair Greek, ein Stück mit orientalischem Schauplatz und augenscheinlich in dem gleichen bombastischen Stil wie Ale. ; in späterer Zeit wird mehrfach darauf angespielt 178 ). 210. Als Dramatiker ermangelt P e e 1 e einer ausgesprochenen Eigenart. Er hat sich auf den verschiedensten Gebieten mit mehr oder weniger Erfolg versucht, aber ohne jemals wirklich Großes zu schaffen. Dazu fehlte ihm die wahrhaft schöpferische Kraft. Er besaß eine lebhafte Einbildungskraft und Reichtum der Erfindung, arbeitete jedoch ohne Sorgfalt; aber selbst wenn er sich mehr angestrengt hätte, verfügte er doch nicht über dramatische Wucht und die Kraft einer lebendigen Charakterisierung. Seine Begabung war mehr von lyrischer als von dramatischer Art. Einige in seine Stücke eingelegte Lieder sind von großer Anmut und sehr wohllautend. Sein lyrisches Feingefühl machte ihn überhaupt besonders empfänglich für musikalische Klangwirkungen, die er fein zu berechnen wußte. Wenn Nash ihn als primus verborum artifex preist, so hat dies uns übertrieben klingende Lob wenigstens einen berechtigten Kern. 211. Sein Erstlingsdrama Arr. fällt noch in die Zeit vor Marlowes erstem Auftreten und blieb daher vor Einwirkungen von dieser Seite her bewahrt, zum Heile für das Stück. Später aber konnte P. sich dem übermächtigen Einfluß nicht mehr entziehen, den Marlowes feuriger Stil auf die zeitgenössischen Dramendichter ausgeübt hat. Dies gereichte P. nicht zum Vorteil. Marlowes großartiges Pathos artete bei ihm in hohlen Schwulst aus, der lächerlich wirken mußte und Parodien geradezu herausforderte. 212. The Life and Death of Jack Straw (1587; 4 0 , 1593). Hg. von S c h ü 1 1 , Kieler Studien II (1901). Auch bei Dodsley 4 V. Straw, ein S t ü c k , d a s ohne ausreichende B e g r ü n d u n g P z u g e s c h r i e b e n w o r d e n ist, b e r u h t auf den C h r o n i k e n v o n H o l i n s h e d u n d G r a f t o n , u n d b e h a n d e l t einen A u s s c h n i t t a u s der englischen G e s c h i c h t e , wie n ä m l i c h w ä h r e n d der R e g i e r u n g R i c h a r d s I I der A u f r u h r J a c k S t r a w s (1381) d u r c h die entschlossen z u g r e i f e n d e T a t k r a f t des d a m a l i g e n L o n d o n e r L o r d m a y o r s W a l w o r t h i m e n t s c h e i d e n d e n A u g e n b l i c k u n t e r d r ü c k t w u r d e 1 7 9 ) . D a s in E i l e geschriebene S t ü c k ist o f f e n b a r eine G e l e g e n h e i t s d i c h t u n g , w a h r s c h e i n lich zu einer Feier des a l l j ä h r l i c h e n L o r d m a y o r - F e s t e s . D i e D a r s t e l l u n g des T r e i b e n s der A u f r ü h r e r erinnert a n die C l o w n s z e n e n m d e r S c h i l d e r u n g des A u f s t a n d e s des J a c k C a d e in S h a k e s p e a r e s H6B, das a b e r j ù n g e r ist (1591 /92). D i e H a u p t v e r t r e t e r der K o m i k sind der a u s d r ü c k l i c h als C l o w n b e z e i c h n e t e T o m Miller, dessen R o l l e anscheinend v o n einem Z w e r g e gespielt w u r d e , u n d der v i c e a r t i g e Nobs, der nur ä u ß e r l i c h a m A u f s t a n d e t e i l n i m m t , die R e d e n und T a t e n der ü b r i g e n A u f r ü h r e r m i t beiseite g e s p r o c h e n e n B o s 17S ) Pistols F r a g e m H 4 B I I , 4, 173. 189: Have we not Hiren here ? g i l t w o h l m i t R e c h t als Z i t a t d a r a u s . I79 ) N a c h B r i e ( E n g l i s h H i s t o r i c a l R e v i e w 21, 106) sind J a c k S t r a w und W a t Tyler identisch.

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heiten begleitet 190 ), und sich schließlich rechtzeitig in Sicherheit bringt. Die Pöbelszenen sind in paarweis gereimten Knittelversen oder in Prosa abgefaßt; Blankverse sollen dazu dienen, das Auftreten von Personen höheren Standes zu bezeichnen. Ueber Clyom, als dessen Verfasser P. ebenfalls zu Unrecht hingestellt worden ist, s. § 138.

3. Robert Greene. 213. The Plays & Poems ed. b y J. Churton C o l l i n s . 2 vols. Oxford 1905 (beste Ausgabe). — Dramatic & Poetical Works ed. b y Alex. D y c e. London 1861 (zusammen mit den Werken Peeles). — Wolfg. B e r n h a r d i : R. Gr.s Leben und Schriften. Leipzig 1874 (oberflächliche Kompilation aus Dyce). — John Clark J o r d a n : R. Gr. Diss. Columbia Univ. New Y o r k 1915. — J. L e G a y B r e r e t o n : To-morrow. A Dramatic Sketch of the Character and Environment of R . Gr. [Sydney [ 1910.

R. Gr. wurde im Juli 1558 zu Norwich, wahrscheinlich als Sohn eines Gastwirts, geboren. Er studierte in Cambridge, und erwarb hier 1583 und in Oxford 1588 den Grad eines M. A. Inzwischen scheint er große Reisen gemacht zu haben, wahrscheinlich nach Italien und Spanien, später auch nach Frankreich, Deutschland, Polen und Dänemark 181 ). Schon 1585 oder 1586 hatte er geheiratet; nach der Rückkehr von seinen Reisen ließ er sich in London als Schriftsteller nieder. Als solcher entfaltete er eine sehr fruchtbare Tätigkeit, nicht nur auf dem Gebiet des Dramas, sondern auch als Novellendichter. Auch er führte ein sehr liederliches Leben und verzehrte seine Kräfte, nachdem er Frau und Kinder im Stich gelassen hatte, beim Trunk und mit Weibern. A m Schluß seines Lebens schrieb er in bitterer Reue und Selbstanklage seine Schrift A Groatsworth of Wit Bought with a Million of Repentance (1592). Sie ist für uns auch bemerkenswert durch den darin enthaltenen Angriff auf Shakespeare, der eben am Londoner Bühnenhimmel in hellem Lichte zu strahlen begann, und dessen dramatische Erfolge Gr. mit Neid erfüllten als den älteren Dichter, der sich von dem jüngeren in den Schatten gestellt sah. Gr. redet hier von einer emporgekommenen Krähe, die sich mit unsern Federn schmücke, und, mit eines Tigers Herz in eines Schauspielers Haut gehüllt 1 8 2 ), als wahrer Hans Faktotum nach seiner Meinung der einzige Bühnen-Erschütterer (Shake-scene) 183 ) im Lande sei. Gr. starb im größten Elend am 3. Sept. 1592. Alle seine 1S°)

Creizenach I V 605. ) Creizenach (IV 548) bezweifelt Gr.s Angaben über seine Reisen, m. E. mit Unrecht; vgl. auch Brie, Deismus S. 134. 182) Parodie einer Stelle in Shakespeares H6C I 4, 137. 183) Der Ausdruck Shake-scene ist offenbar eine wortspielende Anspielung auf den Namen Shakespeare und beweist, daß dieser gemeint ist, obgleich sein Name nicht ausdrücklich genannt wird. m

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Dramen, von denen ein großer Teil verloren gegangen sein muß 184)_, sind erst nach seinem Tode gedruckt worden. Die Entstehungszeit der einzelnen Stücke Gr.s ist schwer genau zu bestimmen. 214. The Comical History 18S ) of Alphonsus King of Aragon (um 1587; 4°. 1599)Das älteste unter Gr.s Dramen ist wohl Alph. Ar. Gr. zeigt hier noch sein Anfängertum in der kindlichen Bühnentechnik, der Roheit und Unreife seiner Kunst. Das Stück ist eine unselbständige Nachahmung von Marlowes Tamb. Bei Marlowe paßt die hochtönende Sprache zu der gewaltigen Persönlichkeit Tamerlans; hier fehlen solche Persönlichkeiten, und der hochtrabende Ton erscheint daher hier als lächerlich übertriebener Schwulst. Durch dies Stück, das auch zum Teil im Orient spielt, wollte Gr. offenbar sein Vorbild Tamb. noch übertrumpfen, was ihm aber gründlich mißlungen ist. Von lebenswahrer Charakteristik kann hier gar keine Rede sein. Die künstlerische Unreife Gr.s äußert sich in dem schnellen Wandel der Gesinnung der handelnden Personen, ohne daß versucht wird, uns diesen Wandel psychologisch glaubhaft zu machen, in der unvermittelten Plötzlichkeit der Handlungsweise mancher Charaktere, auch in der steifen Schwerfälligkeit und Einförmigkeit der Blankverse. Mit dem Titelhelden ist Alfons V. von Aragon (f 1458) gemeint, der Eroberer des Königreichs Neapel; im übrigen hat Gr. die geschichtliche Handlung unbedenklich im Anschluß an sein literarisches Vorbild Tamb. umgestaltet u s ). Nach dem Epilog scheint Gr. die Absicht gehabt zu haben, das Stück in einem zweiten Teil fortzusetzen, auch darin ein Nachahmer von Tamb.; diesen Plan hat er aber wahrscheinlich nicht ausgeführt. 215. Orlando Furioso (um 1588/89; 4 0 , 1594). Einzelausgabe von G r e g , Malone Soc. Reprints 1907. Orl. beruht, wie schon durch den Titel angedeutet wird, auf einer Episode in Ariosts gleichnamigem Epos. Es handelt sich hier um den Wahnsinn, in den Roland wegen der vermeintlichen Untreue seiner Geliebten Angelika verfällt. Sein Hauptgegner ist der Bösewicht Sacripant, der Verleumder der Angelika; in ihm ahmt Gr. Marlowes große Verbrecher nach. Am Schluß wird Roland durch eine Zauberin Melissa von seinem Wahnsinn geheilt; sie enthüllt ihm Sacripants Schurkerei und Angelikas Unschuld. Roland besiegt und tötet nun diesen seinen Feind, der ihm vor seinem Tode noch eingesteht, daß er Angelika verleumdet habe. lM ) Darunter das Bibeldrama History of Job. ' " j Diese Bezeichnung soll offenbar nur auf den nichttragischen Ausgang des Dramas hinweisen. 1M ) Creizenach I V 550.

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II. D A S EIGENTLICHE DRAMA DER HOCHRENAISSANCE.

Das Stück ist ein Musterbeispiel für die UnWahrscheinlichkeiten, und geschmacklosen Uebertreibungen des romantischen Ritterdramas. Neben Roland treten natürlich auch die übrigen Pairs von Frankreich aus der Karlssage auf, aber außerdem auch noch ein Kaiser von Afrika (Vater der Angelika), ein Sultan von Aegypten und drei Könige, von Cuba, Mexiko und »von den (westindischen) Inseln«. Eine noch recht unbeholfene Psychologie erweist sich in der Charakteristik der Personen, die keine ausgesprochene Individualität besitzen. Vor allem aber versagt Gr. ganz bei der Darstellung von Rolands Wahnsinn. Er besaß weder den psychologischen Scharfblick noch genügende Gestaltungskraft, um ihn eindrucksvoll zu schildern, und sucht diesen Mangel durch hochtrabenden Schwulst zu ersetzen, der auch wieder die Einwirkung Marlowes verrät, aber kalt und unecht klingt. Schwung der Rede und Erhabenheit der Bilder wußte Gr. hier noch nicht anders darzustellen als durch Häufung der Anleihen aus der antiken Mythologie; diese wirkt aber im Munde eines Sultans von Aegypten oder der Könige von Cuba und Mexiko nur lächerlich. Es entsteht durch das Uebermaß solcher Anspielungen der Eindruck einer gespreizten rein konventionellen Rhetorik und der Unnatürlichkeit. Die Geschmacklosigkeit wird noch gesteigert durch unnütze Einfügung lateinischer und italienischer Verse, die nur den Zweck haben, des Dichters Sprachkenntnisse zur Schau zu stellen. Der Titel des Dramas nennt keinen Verfasser; daß aber dieser in Gr. zu suchen sei, wird wahrscheinlich durch eine anonyme Schrift, worin R. G. (der volle Name wird nicht genannt) beschuldigt wird, dies Stück zweimal nacheinander betrügerischerweise an verschiedene Schauspielertruppen verkauft zu haben 187). Die in Prosa abgefaßten Clownszenen werden von Sykes 188) ebenso wie die in Marlowes Fau. Samuel R o w i e y zugeschrieben. Das Stück ist vorwiegend in Blankversen abgefaßt; nur die Personen der unteren Stände reden in Prosa. 2 1 6 . A Looking-Glass for London and England

(wahrscheinlich

1590; 4°, 1594). Look.-Gl. ist eine gemeinsame Arbeit von Gr. und L o d g e. Ein puritanischer Geist, zu dem allerdings die Lustigkeit der Clownszenen einen schroffen Gegensatz bildet, erfüllt dies Drama. Wir erkennen daraus den Seelenzustand, in dem Gr. sich zeitweilig auch schon mehrere Jahre vor seinem Tode befunden haben muß. Das Stück läßt sich als eine Art Fortsetzung der Misterien bezeichnen : im Mittelpunkt der Handlung steht der Prophet Jonas, der vor den gottlosen Bewohnern von Niniveh ( = London) als I87) 18S)

Greg in der Einleitung zu seiner Ausgabe p p. 67.

VI.

F-

DIE

STÜRMER

UND

DRÄNGER.

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Bußprediger auftritt. Ihre Lasterhaftigkeit wird sehr anschaulich geschildert. Die lehrhafte Tendenz beeinträchtigt aber den künstlerischen Wert des Stückes. Rasni, der König von Niniveh, ist offenbar in seinen hochtrabenden Reden eine Nachbildung von Marlowes Tamerlan. Blankverse wechseln mit lose gebauten, paarweis gereimten fünffüßigen Jamben und Prosa (in den Clownszenen) ab. Die Anteile der beiden Dichter sind schwer abzugrenzen. Im Titel des Stückes begegnet uns zum ersten Male der Ausdruck tragicomedy. 217. The Scottish History of James IV. slain at Flodden18) Courthope I V 180. m) Vischer V 357.

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den gleichen Stoff behandelndes Drama gemeint habe, S. Rowleys When. 405. All's well that ends well (1601/02?; 2°, 1623).

187 etwa

A. E. T h i s e 11 o n: Some Textual Notes on AU's. 1900.

Sh.s L u s t s p i e l e aus dem 17. Jahrhundert stehen zunächst wie schon hervorgehoben wurde, unter dem ungünstigen Einfluß seiner tiefen Verstimmung. Dieser Einfluß zeigt sich schon gleich im ersten Lustspiel aus dieser Zeit, in All's. Der Kern der Fabel dieses Stückes ist recht bedenklich und abstoßend: Helena, eine junge Dame, erzwingt sich die Hand des von ihr geliebten Grafen Bertram von Roussillon, der sie verschmäht, durch einen königlichen Befehl. Bertram verstößt Helena gleich nach seiner Trauung mit ihr; sie aber läßt sich dann durch eine List, indem sie ohne sein Wissen an die Stelle einer andern tritt, von ihm zur wirklichen Gattin und Mutter machen. Das Stück ist eine Dramatisierung der Erzählung Giletta von Narbonne in Boccaccios Decamerone, die Sh. aus Painters Bearbeitung in dessen Palace of Pleasure (1566) kennen gelernt haben mag. 406. All's bildet einen Gegensatz zu Shrew B : dort wird der Sieg der Frau über den Mann dargestellt, hier der Sieg des Mannes über die Frau. Helena ist ihrem schwächlichen unbeständigen Gatten geistig und sittlich überlegen; unsere Symptahie für sie verringert sich aber sehr infolge des bedenklichen Mittels, das sie anwendet, um ihren Gatten dauernd an sich zu fesseln. Bertram wird als ein schöner Mann feurigen Mutes geschildert. Unser Urteil über seine unschöne Handlungsweise gegenüber Helena wird gemildert dadurch, daß er zur Ehe mit ihr gezwungen worden war; auch steht er anfangs unter dem Einfluß von Parolles, der ihn schmarotzend begleitet und als sein böser Geist gegen Helena aufhetzt. Nachdem Parolles als erbärmlicher Lügner, Verleumder und Feigling entlarvt worden ist, wird für Bertrams Ehe eine bessere Grundlage geschaffen; aber wir haben am Schluß doch ebenso wie in Ado das unbehagliche Gefühl, daß der Mann der aufopfernden Liebe seiner Frau nicht völlig wert sei; der Charakter des Mannes läßt in beiden Stücken nicht so unbedingt auf eine glückliche eheliche Zukunft hoffen, als der oberflächliche Schluß uns verheißt. — In der umfangreichen komischen Nebenhandlung sind Parolles und der Narr Lavache die Hauptpersonen. Beide sehen wie Zerrbilder von Charakteren früherer Dramen Sh.s aus: der feige Prahler Parolles erscheint uns wie ein all seines Witzes entkleideter Falstaff, erinnert zugleich aber auch an Pistol; der Narr wirkt wie eine abgeschwächte Wiederholung der Narren in As und Tw.

I88

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HOCHRENAISSANCE.

407. Unter den 12 Dramen Sh.s, die Meres als 1598 vorhanden erwähnt, befindet sich auch ein sonst unbekanntes Stück mit dem Titel Love's Labour's Won. Es ist schon oft vermutet worden, daß damit unser Stück gemeint sei. Der Titel drückt den geraden Gegensatz zu LLL aus, offenbar im Hinblick auf den Schluß beider Stücke. Auf kein anderes Stück Sh.s würde jener Titel so gut passen wie auf All's. Wir haben also wahrscheinlich in Love's Labour's Won eine ältere, jetzt verlorene Fassung des Stückes, auch von Sh. selbst, zu erblicken; All's wäre dann also ihre spätere Umarbeitung. Für eine solche Vermutung sprechen auch noch andere Umstände: wir begegnen in All's einer merkwürdigen Mischung von Stilarten, wie sie verschiedenen Stufen von Sh.s künstlerischer Entwickelung entsprechen. Einige Szenen sind reich an Euphuismen, die sonst nur ein Kennzeichen seiner Frühzeit sind. Auch die Metrik weist auf verschiedene Entstehungszeiten hin: neben Reimpaaren mitten in der Szene (II 1, 137 ff. 3, 78 ff.) und neben dem kreuzweis gereimten Brief (III 4 , 4 ff.) begegnen metrische Merkmale des Dichters aus der Zeit nach 1600 M2). In der Charakteristik der Personen dagegen erscheint das ganze Drama wie aus einem Guß; die Hemmungen, die Sh.s Verstimmung der Entfaltung reiner ungetrübter Komik entgegensetzt, verteilen sich gleichmäßig über das ganze Stück. 408. Measure for Measure (1603; 2°, 1623). Louis A l b r e c h t : Neue Untersuchungen zu Sh.s »Maß für Maß«. 1914 (vgl. Creizenachs Besprechung im Sh.-Jahrbuch, Jg. 51 (1915), bis 268). — Fr. L e d e r b o g e n : Die inneren Beziehungen von Sh.s zu den übrigen Dramen der Hamlet-Periode. Diss. Halle 1912. — T h i s e l t o n : Some T e x t u a l Notes on Meas. igoi.

Berlin S. 264 Meas. A. E .

Noch verfehlter und unerfreulicher als All's ist Meas. In keinem andern Drama Sh.s werden heikle Situationen so unverhüllt dargestellt. Manche geradezu anstößige Einzelheiten machen dies Lustspiel für die Aufführung auf unserer heutigen Bühne durchaus ungeeignet. Dabei ist die Gesamttendenz des Stückes sittlich gesund; es ist sogar besonders gedankenreich und tiefsinnig in der Grundidee; aber die Lösung der darin angeregten Probleme kann uns nicht befriedigen. Die Fabel hat einige Aehnlichkeit mit All's, insofern als das anstößige Motiv der untergeschobenen Braut auch hier wiederkehrt. Der Schauplatz ist Wien; es fehlt aber jede Lokalfarbe, wie schon aus den italienischen Namen eines großen Teils der handelnden Personen hervorgeht. Der ferne Schauplatz dient vielmehr nur zur Verhüllung der Schilderung der zeitgenössischen Verhältnisse der eigenen Hauptstadt London. Indem das Stück die in Wien immer mehr einreißende Unsittlich"*) Creizenach V 425.

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keit schildert, hält es London gleichsam einen Spiegel vor, ähnlich wie Look. 409. Mit Vincentio, dem Herzog von Wien, der Angelo zu seinem Stellvertreter in der Regierung ernennt, angeblich, weil er eine weite Reise vorhabe, der aber in Wirklichkeit als Mönch verkleidet als heimlicher Beobachter am Orte bleibt, ist König Jakob I. gemeint. Wie Vincentio scheut auch Jakob geräuschvolle Huldigungen und meidet die Volksmenge. Wie ein zweiter Harun al Raschid erlebt Vincentio in seiner Verkleidung allerlei merkwürdige Situationen. Lucio, ein junger Wüstling, erzählt ihm immer wieder neue Verleumdungen und Lügengeschichten über den vermeintlich abwesenden Herzog, und behauptet, seine Nachrichten aus bester Quelle zu schöpfen. Vor allem lernt Vincentio jetzt erst den wahren Charakter seines Statthalters Angelo kennen. Dieser spielt sich als äußerst strenger Sittenrichter auf: er verurteilt Claudio auf Grund eines in Wien bestehenden Gesetzes wegen Unsittlichkeit zum Tode; als aber Claudios Schwester Isabella für ihren Bruder um Gnade bittet, erklärt er sich dazu bereit, wenn sie sich ihm zuvor preisgebe. Auf den Rat Vincentios, der alle diese Dinge erfährt, wird Angelos frühere Verlobte Mariana für Isabella untergeschoben. Angelo glaubt, Isabella habe seinen Wunsch erfüllt, befiehlt aber trotzdem, Claudio hinrichten zu lassen, weil er dessen Rache für die Schande seiner Schwester fürchtet. Der Kopf eines zum Tode verurteilten und hingerichteten Verbrechers, der Claudio sehr ähnlich sieht, dient dazu, dem Angelo die Hinrichtung Claudios vorzutäuschen. Am Schluß wirft Vincentio seine Verkleidung ab; er vermählt sich mit der edlen Isabella, der er schon längst seine Zuneigung zugewandt hat. Unsere sittliche Empfindung empört sich aber durchaus dagegen, daß er den schändlichen Angelo begnadigt; dieser verdient Gnade um so weniger, als er, abgesehen von all seinen übrigen Missetaten, wie schließlich herauskommt, seine Braut Mariana schnöde verlassen hat, nachdem ihre Mitgift verloren gegangen war. Angelo wird nur gezwungen, Mariana zu heiraten; ebenso wird auch Claudio mit seiner Buhle ehelich verbunden. 410. Diese dreifache Heirat am Schluß ist Komödienüberlieferung; im übrigen verfehlt Sh. in diesem Stücke durchaus den ungezwungen heiteren Ton seiner älteren Lustspiele. Gegenüber Angelos Begnadigung wirkt die Bestrafung des Verleumders Lucio auffallend; vielleicht soll diese Handlung Vincentios einen Charakterzug König Jakobs andeuten, der gegen den Tadel seiner Untertanen besonders empfindlich war. Diese Ungleichheit im Strafmaß entspricht also keineswegs dem Titel »Maß für Maß«; in der Bestrafung Lucios äußert sich der überloyale Geist der kgl.

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Schauspielertruppe, deren Mitglied Sh. war 283). — Der einfältige Polizeidiener Elbow nimmt sich wie ein Dogberry in zweiter abgeschwächter Auflage aus. — Ein Mangel an Sorgfalt in der Ausarbeitung des Stückes liegt darin, daß wir nicht erfahren, ob der Herzog Angelos bedenkliche Vergangenheit kannte in dem Augenblick, als er ihn zu seinem Stellvertreter ernannte, und ferner darin, daß er in seiner Verkleidung als Mönch und Beichtvater Claudios in unangebrachter Grausamkeit Isabella zunächst im Glauben läßt, daß ihr Bruder hingerichtet sei 284). 411. Hauptquelle Sh.s war Whetstones Drama Prom. und dessen den gleichen Stoff behandelnde Novelle. Eine Vergleichung mit Whetstones Stück lehrt uns, wie sehr Sh. das Abstoßende des Stoffes gemildert und verfeinert hat, obgleich noch genug des Abstoßenden auch bei ihm nachgeblieben ist. Die ausführliche Schilderung der allgemeinen sittlichen Fäulnis ist ein Ausdruck von Sh.s damaliger pessimistischer Stimmung. Für den Widerstreit zwischen Keuschheit und Bruderliebe, in den Isabella hineingestellt wird, wäre ein tragischer Ausgang angemessener gewesen als das gewaltsame und bedenkliche Auskunftsmittel, das eine glückliche Lösung herbeiführen soll, und doch keine solche ist. Der Stoff eignet sich wenig zu einem Lustspiel; die Komik des Stückes hinterläßt einen allzu bitteren Nachgeschmack. Eine stoffliche Verwandtschaft mit Merch. tritt darin hervor, daß auch hier das Verhältnis des formalen Rechts zur Gnade eines der behandelten Probleme ist. 412. Troilus and Cressida (1603?; 4 0 , 1609). Troil. nimmt in mehrfacher Hinsicht unter Sh.s Dramen eine Sonderstellung ein. Das Stück ist, als Ganzes betrachtet, noch immer ein ungelöstes Rätsel. Es schillert in verschiedenen Stimmungen und Farben, und läßt den Zuschauer darüber im Unklaren, was der Dichter eigentlich damit hat sagen wollen. Es ist sogar viel darüber gestritten worden, welcher Dramengattung das Stück zuzurechnen sei. Als Lustspiel schlechthin können wir es nicht gut ansehen; daran hindert vor allem das tragische Ende Hektors, das am Schluß (V, 8) geschildert wird. Dem Tragödiencharakter widerspricht wieder der parodistisch-satirische Ton, der sonst vorherrscht. Wo wir nach der ganzen Sachlage eine ernste Situation erwarten müßten, da bekommt diese durch irgendeine nicht ernste Begleiterscheinung einen komischen Anstrich. 413. Das Stück erschien zuerst 1609 in zwei Quartausgaben, die nur unwesentlich voneinander abweichen, und dann in der **8) Creizenach V 436. *•*) Creizenach V 435.

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ersten Folio-Ausgabe von 1623. Schon damals schwankte man in der Beurteilung seines Charakters: in der einen Quarto wird es im Titel als History, im Vorwort aber mehrfach als Comedy bezeichnet. In der Folio wird es Tragedy genannt, und zwischen die Historien und die Tragödien gestellt 285). Daß dieser Platz aber nicht der ursprüngliche war, geht aus der an dieser Stelle unterbrochenen Seitenzählung und auch daraus hervor, daß es im Inhaltsverzeichnis nicht erwähnt wird. 414. Auch die genaue Datierung macht Schwierigkeiten. In die Buchhändler-Register wurde ein Stück mit obigem Titel schon im Februar 1603 eingetragen; im Vorwort der einen Quarto von 1609 wird aber ausdrücklich betont, daß »dies neue Stück bisher noch nicht aufgeführt« sei. Aus irgendwelchen Gründen scheint es also sechs Jahre lang auf seine Aufführung gewartet zu haben 415. Wie es scheint, stecken allerlei versteckte persönliche Beziehungen in diesem merkwürdigen Drama, die uns jetzt nicht mehr verständlich sind, Zerrbilder von Zeitgenossen und satirische Anspielungen auf zeitgenössische Verhältnisse. In Parti. C (V. 1809 ff.) ist davon die Rede, daß Jonson durch die Person seines Horaz (in Poetaster) seinen literarischen Gegnern eine Pille verabreicht, daß aber Sh. ihm ein Abführungsmittel gegeben und sein Ansehen dadurch verdorben habe. Vielleicht ist Troil. damit gemeint; ein Zerrbild Jonsons, der im Theaterstreit zeitweilig zum Gegner Sh.s wurde, wäre in jenem Stücke am ehesten in der Gestalt des plumpen und erzdummen Tölpels A j a x zu erblicken. Sonst pflegt Sh. freilich in seinen Dramen nicht auf seine Zeitgenossen anzuspielen; er mag aber zu einer Durchbrechung dieses Grundsatzes durch persönliche Angriffe gezwungen worden sein. 416. Neben vielem Unbefriedigendem enthält das Stück auch manche ergötzliche Szenen. Es ist aber keine einzige Person darin, zu der wir uns hingezogen fühlen könnten. Sh. führt uns hier die Helden des trojanischen Krieges vor, aber nicht, wie wir es gewohnt sind, in der Beleuchtung des auf griechischer Seite stehenden Homer, sondern eher mit der im Mittelalter üblichen Parteinahme für die Trojaner, im Anschluß an die Haupt quelle unseres Dramas, Chaucers episches Gedicht Troilus and Criseyde. Daneben benutzte er auch Lydgates Troy Booke und Caxtons Recuyell of the Historyes of Troye. Den Kern der Haupthandlung bildet das im Mittelalter erfundene Liebesverhältnis zwischen dem trojanischen Prinzen Troilus, dem jüngsten Sohne des Priamus, und Cressida, der Tochter des Priesters Kalchas. Bei Chaucer fällt Troilus am Mt ) Uebrigens ist auch Cymb. in der ersten Folio unter die Tragödien, und zwar an deren Schluß geraten.

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Schluß durch die Hand des Achilles. Dies hat Sh. weggelassen; die Handlung erhält infolgedessen keinen rechten Abschluß. Während Chaucer die Untreue der Cressida und ihren Uebergang zu Diomedes aus dem Zwang der Verhältnisse erklärt, ohne jene satirisch zu behandeln, macht sich die trübe Stimmung Sh.s zur Zeit der Abfassung dieses Stückes in der herben Satire und dem Pessimismus geltend, womit er hier die Untreue und herzlose Koketterie der Cressida als typische Eigenschaften des Weibes überhaupt hinstellt. Pessimistisch ist auch seine Auffassung von der eigentlichen Ursache des trojanischen Krieges, der wegen eines Hahnreis (Menelaus) und einer Dirne (Helena) entbrannt sei. Selbst die Liebe erscheint dem Dichter in dieser Zeit als reine Torheit, die nur Unheil anrichte. 417. Die menschenverachtende Stimmung Sh.s erstreckt sich auch auf die berühmtesten homerischen Helden, die unter seiner Hand zu bloßen Zerrbildern werden. Nicht nur A j a x erleidet dies Schicksal, sondern auch Nestor, der als schwatzhafter Mummelgreis dargestellt wird, und selbst Achilles, der als großmäuliger Prahlhans auftritt. Sogar seiner Freundschaft zu Patroklus werden erotische Beweggründe untergelegt m ) , ohne daß die Troj asage des Altertums oder des Mittelalters Anhaltspunkte für eine solche Auffassung geboten hätte. Am sympathischsten berührt uns Hektor; aber darin, daß er durch die Niedertracht des Achilles fällt, der den Unbewaffneten von seinen Myrmidonen niedermetzeln läßt, kommt doch wieder die pessimistische Grundstimmung des Dichters zum Durchbruch in dem Gedanken, daß das Edle der Gemeinheit zum Opfer fallen muß. — Ulysses wird als kluger Weltmann und scharfblickender Menschenkenner dargestellt; er dient dem Dichter als Sprachrohr für seine eigenen Gedanken. Die widerwärtigste aller Gestalten des Stückes ist natürlich Thersites, ein körperlicher und seelischer Krüppel und zugleich ein erbärmlicher Feigling, der als unbeteiligter Zuschauer die Handlungen der übrigen Personen mit seinen derbkomischen Lästerreden begeifert. Diese Reden wirken wie eine burleske Parodie des antiken Chores. Sh.s Pessimismus erreicht aber gerade darin seinen Gipfel, daß die Kritik des Thersites oft recht hat, daß also auch in seiner Rede ein Stück von Sh.s eigenem Ich steckt, wenn auch in burlesker Verkleidung. Im Anschluß an Chaucer wird Pandarus, Cressidas Oheim, als Kuppler gekennzeichnet, aber mit beträchtlicher Steigerung seiner Widerlichkeit. Er schwelgt in süßlichen Redensarten, die voll sind von sinnlichen Anspielungen. Als Kuppler ist er ein männliches Seitenstück zur Amme in Rom.; *") Creizenach V 274.

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durch seine beständige Wiederholung bestimmter Redewendungen erinnert er an den Friedensrichter Shallow in H4B. 418. Durch den Mangel einer einheitlichen Stimmung wirkt das Stück unbefriedigend. Auch die Charakteristik der Personen ist vielfach nicht so scharf, wie sie es sonst bei Sh. zu sein pflegt. 419. Pericles, Prince of Tyre (1608; 4 0 , 1609). A. H. S m y t h: Sh.s Per. and Apollonius of Tyre. Philadelphia 1898. — Karolina S t e i n h ä u s e r : Die neueren Anschauungen über die Echtheit von Sh.s Per. Heidelberg 1918.

Das Stück wurde zuerst gedruckt in einer Quarto von 1609, erlebte dann bis 1635 fünf weitere Auflagen, fehlt aber in den beiden ersten Folios und begegnet erst in der dritten von 1664. Heminge und Condeil, die Zeitgenossen Sh.s und Herausgeber der ersten Folio von 1623, haben es also nicht.für echt gehalten. Von der neueren Kritik wird unserem Dichter auch nur höchstens ein Anteil an der Verfasserschaft zugestanden. Akt III und V sowie die Gestalt der auch in andern Akten auftretenden Marina, der Tochter des Titelhelden, tragen am ehesten den Stempel von Sh.s Geist. Es ist schwer zu sagen, ob Sh. ein von einem andern vollendetes Stück umgearbeitet hat, oder ob er Mitarbeiter eines andern Dichters war; erstere Annahme entspricht eher seiner sonstigen Gepflogenheit U7 ). Das oft recht holprige Versmaß und der liederliche Text lassen auf eine flüchtige Arbeit schließen. Die Handlung hat einige Aehnlichkeit mit der von Miseries of Enforcecl Marriage. Delius vermutete daher in George Wilkins, dem Dichter dieses Dramas, auch den ursprünglichen Verfasser von Per. m ) ; diese Vermutung wird gestützt durch den Umstand, daß Wilkins eine auf Per. beruhende Prosanovelle The Painful Advenlures of Pericles Prince of Tyre (1608) verfaßt hat, und daß er hier auch auf die Verfasserschaft des Dramas Anspruch macht iSa ). Dagegen liegt kein ausreichender Grund vor, mit Fleay auch eine Beteiligung W. Rowleys an der Abfassung des Stückes anzunehmen. 420. Per. hat eine sehr buntbewegte Handlung, mit einer Anhäufimg von überraschenden und unwahrscheinlichen Abenteuern; ein tieferer geistiger Gehalt fehlt durchaus, wenn wir von Marina absehen, die ein Ideal edelster Weiblichkeit verkörpert, indem sie selbst in einer unreinen Umgebung, von sittlichen Gefahren schwer bedrängt, ihre Reinheit und Unschuld bewahrt. Das Stück ist eine Dramatisierung des im dritten Jahrhundert n. Chr. entstandenen griechischen Romans Apollonius von Tyrus. Seesturm, *") Anders p. 146. «") Sh.-Jahrbuch von 1868. "•) Collins in Sh.s Works ed. Porter & Clarke, Vol. 13, p. F. E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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EIGENTLICHE

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Schiffbruch, Trennung und schließliche Wiedervereinigung von Familiengliedern sind typische Motive dieser spätgriechischen Romanepik (vgl. auch Cond.). In einer lateinischen Uebersetzung bildet der Roman auch einen Bestandteil der Gesta Romanorum. In englischer Sprache hatte schon Gower in seiner Confessio Amantis den Stoff bearbeitet; 1576 wurde die Erzählung von Lawrence Twine unter dem Titel The Pattem of Painful Adventures nochmals ins Englische übertragen. Gower und Twine sind die unmittelbaren Quellen für Per. ; Gower dient zugleich als Chor, der in paarweis gereimten vierfüßigen jambischen Versen, in einer mit altertümlichen Worten gespickten Rede, jeden Akt einleitet. 421. Mehrfach werden wir an andere Stücke Sh.s erinnert. Marina hat eine entfernte Aehnlichkeit mit Imogen in Cymb.; ihr Verhältnis zu ihrem Vater gleicht dem Mirandas zu Prospero in Temp. Im übrigen sieht Cerimon als Herrscher über die Geheimnisse der Natur noch mehr als Pericles wie eine Vorstudie zu Prospero aus 29°). Pericles findet auf wunderbare Weise seine Gattin Thaisa und seine Tochter wieder, wie Leontes am Schluß von Wint. mit Hermione und Perdita wieder vereint wird. Die Schilderung eines Seesturms war für Sh. ein besonders beliebter Vorwurf; sie findet sich schon in Err. und Tw., gleicht aber besonders der in Temp. 422. Cymbeline (1609; 2°, 1623). Leon K e l l n e r : Cymb. Eine textkritische Studie. Leipzig 1925. R. O h 1 e: Sh.s Cymb. und seine romanischen Vorläufer. Berlin 1890.



Cymb. erschien zuerst in Folio I (1623), und bildet hier den Abschluß der Tragödien. Das Stück ist aber kein Trauerspiel, freilich auch kein Lustspiel in unserem Sinne, sondern ein Schauspiel, eine Art Tragikomödie. Es spielt in der grauen Vorzeit Britanniens, zur Zeit des Kaisers Augustus; Cymbeline ist der Name eines altbritischen Königs. Doch wird das Zeitkolorit keineswegs eingehalten: neben Briten und Römern treten auch ein Niederländer, ein Italiener und ein Spanier auf. Unter den nichttragischen Stücken Sh.s aus der späteren Zeit ist Cymb. das erste, worin wir bemerken, daß der Dichter sich von der Verstimmung fast völlig befreit hat, die ihn so lange beherrscht hatte. Der Hauptwert des Dramas liegt in der herrlichen Frauengestalt der Imogen, die eine Hauptrolle spielt. Imogen steht wohl unter allen weiblichen Charakteren Sh.s am höchsten; in ihr vereinen sich die Keuschheit und Reinheit der Desdemona in Oth., die hingebende Liebe der Julia in Rom. und der Seelenadel der Cordelia in Lear zur edelsten Blüte der Weiblichkeit 291 ), und zu diesen hohen seelischen s*°) m

Dowden, Sh. p. 145. ) Genee, Sh.s Leben S. 336.

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Eigenschaften gesellt sich noch der holde Liebreiz körperlicher Schönheit. Ihre ganze Rolle ist eine Kette unverschuldeter Leiden, die sich erst am Schluß in Glück verwandeln. Sie ist die Tochter des Königs Cymbeline aus erster Ehe, und wird, wie Schneewittchen im Märchen, von einer bösen Stiefmutter verfolgt, weil sie es verschmäht, deren Sohn Cloten zu heiraten. Sie vermählt sich heimlich mit dem Römer Posthumus Leonatus. Ihre Gattentreue und weibliche Unschuld besteht siegreich die härtesten Prüfungen, obgleich ihr Gemahl sich als ihrer Liebe unwert erweist. Die frivole A r t und Weise, wie dieser seinem Freunde Jachimo gegenüber auf ihre Keuschheit wettet, und diesem Jachimo gestattet, ihre Tugend auf die äußerste Probe zu stellen, wirkt auf unser verfeinertes heutiges Empfinden in hohem Grade verletzend und beeinträchtigt die sittliche Schönheit des Stückes. Der Unwert des Posthumus offenbart sich auch später: er ist gegenüber den durch Betrug erlangten jämmerlichen Beweisen von Imogens Fall, die der schurkische Jachimo beibringt, gar zu leichtgläubig; er glaubt nun auch an ihre Untreue, und will sie sogar umbringen lassen. Der Mordgeselle aber, den er ihr zuschickt, ist weichherziger als er selbst; jener verschont sie und läßt sie in der Verkleidung eines Mannes entkommen. A m Schluß erweist sich Imogens Unschuld; Posthumus bereut seine Schuld und will schwer dafür büßen. Nachdem er so eine sittliche Läuterung durchgemacht hat, läßt der Dichter Imogen wieder mit ihm vereint werden. — Den äußersten Gegensatz zu Imogen bildet der Prinz Cloten, eine originelle Mischung von Schurkerei, Geckenhaftigkeit, Plumpheit und Dummheit. 423. Neben der sich auf dem Hintergrund der Geschichte abspielenden Haupthandlung, die das beliebte Thema von der verleumdeten Unschuld der Frau vorführt, steht eine Nebenhandlung, in deren Mittelpunkt die beiden Brüder der Imogen, Guiderius und Arviragus, gestellt sind. Sie wachsen in der Waldwildnis von Wales auf, unter der Obhut eines verbannten Adligen, des Belarius, der sich in der Verbannung Morgan nennt. Imogen weiß von diesen ihren Brüdern nichts; sie trifft unerkannt auf ihrer Flucht in Wales mit ihnen zusammen, aber erst am Schluß wird ihre Verwandtschaft entdeckt. 424. Den geschichtlichen Hintergrund verdankte Sh. Holinsheds Chronik; das Motiv der Wette und überhaupt die sich an Imogen knüpfende Handlung entnahm er Boccaccios Decamerone (II 9: Erzählung von der treuen Ginevra), während das Waldidyll seine eigene Erfindung zu sein scheint. Die Verknüpfung Imogens mit der geschichtlichen Handlung geschieht dadurch, daß sie ( = Ginevra) zur Tochter Cymbelines gemacht wird; in welcher Weise 13*

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ihre Rolle mit dem Waldidyll verbunden wird, haben wir schon gesehen. Einige Aehnlichkeit mit Cymb. hat auch Rare. Dem Posthumus entspricht hier Hermione, der Imogen Fidelia. Daß Sh. Rare gekannt und benutzt haben mag, wird dadurch wahrscheinlich, daß Imogen in ihrer Verkleidung den Namen Fidele annimmt, und daß in beiden Stücken Jupiter als deus ex machina auftritt und den gordischen Knoten der Handlung löst. Die opernhafte Szene (V 4), in der Jupiter unter Donner und Blitz vom Himmel herniedersteigt und dem schlafenden Posthumus im Traume die Wahrheit über Imogen verkündet, ist offenbar unter dem Einfluß der literarischen Modeströmung entstanden, die damals prunkhafte Hofmaskenspiele aufkommen ließ. 425. In der Gegenüberstellung des idyllischen Lebens im Walde und der Sittenverderbnis des Hofes, die uns schon in .,4 s begegnet war und hier wiederkehrt, erkennen wir die letzten Ausläufer von Sh.s pessimistischer weltschmerzlicher Stimmung. Die Natur wird zur Kultur in Gegensatz gebracht, und diese Kultur erweist sich als eine bloße lügenhafte Scheinkultur 292). Es war dies eine Stimmung, die einige Jahre später Sh.s Entschluß zur Reife brachte, das geräuschvolle Leben Londons mit der ländlichen Stille Stratfords zu vertauschen. 426. Das Stück, eines der längsten Dramen Sh.s, krankt an einem Ueberreichtum an Handlung, wodurch unser Interesse zersplittert wird 293). Viele epische Bestandteile zeugen von einer mangelhaften dramatischen Verarbeitung der epischen Quelle. Das Auftreten Jupiters ist ein ungeschickter und geschmackloser Theaterkniff. Die Mängel der Motivierung, z. B. das unbegreifliche Benehmen Cymbelines gegen Imogen, die er durchaus zur Heirat mit Cloten zwingen will, ferner daß der König die offenkundige Minderwertigkeit seines Stiefsohnes nicht erkennt, lassen sich am ehesten erklären, wenn wir das alles als Märchenmotive auffassen. Die Verwandtschaft des Stoffes mit dem Märchen von Schneewittchen haben wir ja schon festgestellt; zum Märchen paßt auch das Durcheinanderwerfen verschiedener Zeiten und Völker. Die Unvollkommenheiten mancher Szenen des Stückes, die Ungleichheiten seiner Ausarbeitung im einzelnen haben Anders (p. 64) zu der Annahme veranlaßt, daß Cymb. in der uns vorliegenden Fassung nur die oberflächliche Bearbeitung eines älteren Dramas durch Sh. sei. Eine Entschädigung für manche Mängel bietet aber, neben der wunderbaren Gestalt der Imogen, die Frische und Anmut des prächtigen Waldidylls. 2M M>

) Bulthaupt S. 399 ff. ) Oechelhäuser S. 2 1 3 II.

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427. Immer leichter und freier wird nun des Dichters Geist; immer mehr verlieren die Dramen aus seiner letzten Zeit die häßlichen Schlacken, die seinen nichttragischen Stücken in der Zeit der Verstimmung angehaftet hatten, und selbst noch in Cymb. hier und da hervortreten. Seine Kunst wird immer mehr geläutert und geklärt. 428. The Winter's Tale (1610/11; 2°, 1623) 2M ). Schon in Cymb. erinnert uns manches ans Märchen. Noch mehr Märchencharakter besitzt Wint. Echt märchenhaft ist auch hier das Durcheinanderwerfen verschiedener Zeiten und Gegenden: das delphische Orakel gleichzeitig mit einer russischen Kaisertochter, Sizilien und Böhmen als Nachbarländer, die böhmische Meeresküste, alles das versetzt uns aus der Wirklichkeit weit hinweg in eine märchenhafte romantische Welt, freilich ohne daß in dieser irgendwelche übernatürlichen Kräfte walteten. Ganz romantisch ist auch die Geschichte von der Königin Hermione und ihrem grundlos eifersüchtigen Gemahl Leontes, dem König von Sizilien. Er verstößt sie, da er sie für untreu hält, in maßloser Verblendung. Sie wird allgemein für tot gehalten. 16 Jahre vergehen; da wird die Totgeglaubte als Bildsäule vor Leontes gebracht, und unter den Klängen lieblicher Musik kehrt das ververmeintliche Standbild in den Armen des reuigen Leontes wieder ins Leben zurück. Das Motiv der totgeglaubten Frau, die am Schluß wieder zum Vorschein kommt, hatte Sh. schon in Ado angewandt; in Wint. hat er es nur noch viel kunstvoller ausgestaltet. Ueber das Schicksal der Hermione werden wir bis zur Schlußszene im Ungewissen gelassen, während wir in Ado von vornherein wissen, daß Hero am Leben geblieben ist. Die Standbildszene in Wint. ist von so ergreifender poetischer Wirkung, daß wir dadurch über die große Unwahrscheinlichkeit der ganzen Situation geschickt hinweggetäuscht werden. — Durchaus romantisch ist auch die Geschichte von des Leontes Tochter Perdita, die er als vermeintlichen Bastard auszusetzen befiehlt, die aber gerettet und nach Böhmen verschlagen wird, dort als Schäferin aufwächst und 16 Jahre später vom Schicksal wieder nach Sizilien zu ihrem Vater zurückgeführt wird. 429. Das Stück beruht auf Greenes Erzählung Pandosto, or, The Triumph of Time (zuerst 1588, später unter dem Titel Dorastus and Faunia). Der berühmte geographische Schnitzer der ,M ) Dowden, dem ich sonst in der Chronologie von Sh.s Dramen im allgemeinen folge, setzt Wint. später an als Temp.: Wint. 1610/11, Temp. 1610. Daß Temp. aber das jüngere und überhaupt das letzte Stück Sh.s vor HS ist, wird durch die noch gereiftere Kunst, die sich in ihm offenbart, wahrscheinlich.

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Küste von Böhmen entstammt auch schon dieser Quelle, ebenso die Ueberbrückung der 16 Jahre Zwischenzeit zu Anfang des 4. Aktes durch Time als Chorus. Der Stoff war zum Drama wenig geeignet, und selbst Sh. ist es nicht gelungen, die epischen Bestandteile der Quelle ganz in Dramatik aufzulösen. Durch die lange Zwischenzeit zwischen den drei ersten und den beiden letzten Akten wird die Einheitlichkeit der Handlung empfindlich gestört. Die Entdeckung von Perditas Abstammung am Schluß wird nicht dramatisch vorgeführt; der Dichter bedient sich hier vielmehr des epischen Notbehelfs der Erzählung von Hofleuten. Die Unwahrscheinlichkeiten der Handlung sind auch hier aus dem Märchencharakter des Stückes heraus zu begreifen. 430. Hinzugedichtet hat Sh. die Gestalten der Paulina und ihres Gatten Antigonus, eines sizilischen Lords, den Gauner Autolycus und das reizende Idyll des ländlichen Schafschurfestes. Die wackere Paulina ist die einzige Person am Hofe des Leontes, die es wagt, ihm mit schonungsloser Derbheit das Unsinnige seines Verhaltens gegen Hermione vorzuhalten. In ihrem Hause hält sich letztere 16 Jahre lang verborgen. Antigonus erhält von Leontes den Auftrag, die eben geborene Perdita auszusetzen; er gelangt mit ihr zu Schiff nach Böhmen, wird aber bei der Landung daselbst von einem Bären aufgefressen. Autolycus ist eine sehr ergötzliche komische Figur, und neben Falstaff das trefflichste Beispiel dafür, wie der Dichter selbst das sittlich Niedrige durch Verknüpfung mit Komik ästhetisch genießbar machen kann. Dieser Autolycus ist ein wahres Spitzbubengenie, ein Künstler im Prellen, der mit einer bodenlosen humoristischen Unverschämtheit eine bedeutende Menschenkenntnis verbindet und jedes Opfer, das ihm in die Hände fällt, stets von der richtigen Seite anzupacken weiß, um es weidlich zu schröpfen. Die Schilderung des Schafschurfestes unterscheidet sich durch ihre realistische Echtheit und muntere Lebendigkeit sehr vorteilhaft von der sonstigen modischen Hirtendichtung, die nur zu leicht in hohle Unnatur und gespreizte Verlogenheit ausartet. Die ländliche Frische des Schafschurfestes bildet einen wirksamen Gegensatz zu der schwülen Luft des sizilischen Hofes; einen Gegensatz von ähnlicher Art hatte Sh. schon in As und in Cymb. dargestellt. 431. Das Motiv der unschuldig leidenden Frau war ein Lieblingsvorwurf Sh.s (vgl. Ado, Cymb.), ebenso wie die Darstellung des durch Eifersucht angerichteten Unheils (Oth., auch Wiv.); beide Motive begegnen bei ihm in immer neuen Formen. Leontes hat zur Eifersucht nicht den geringsten Grund, im Gegensatz zu Othello, den die Situation dazu zwingt, an Desdemonas Untreue zu glauben; jener wirkt daher viel abstoßender auf uns als der

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Mohr. Seine Eifersucht ist aber weniger nachhaltig; ebenso plötzlich wie sie aufgetaucht war, verfällt er bei der Nachricht vom Tode seines Söhnchens und vom angeblichen Tode der Hermione in das Gefühl bitterster Reue. Hermione entspricht in ihrer Treue auch einem ihrer unwürdigen Gatten gegenüber dem Griseldis-Typus, der eher das mittelalterliche Ideal der Weiblichkeit darstellt, als dem wirklichen Leben jener Zeit entspricht. Das Schicksal der an der böhmischen Küste ausgesetzten Perdita erinnert an das der Marina in Per.; wie in En., Per. und Cymb. werden am Schluß verloren geglaubte Familienglieder wieder unerwartet vereint. 432. Der anmutige Titel des Stückes, auf den auch im Gespräch zwischen Hermione und ihrem frühreifen, bald dem Tode verfallenden Knaben Mamilius angespielt wird (II, 1, 25), mag angeregt worden sein durch A Winter Night's Vision, eine Ergänzung zum Mirror for Magistrates, die 1610 durch Niccols veröffentlicht wurde 29S ). 433. The Tempest (um 1 6 1 1 ; 2 0 , 1623) 294). Erich I s r a e l : Die Grundzüge von Sh.s Weltanschauung in seinem Kulturdrama »Der Sturm«. Diss. Marburg 1917. — J . de P e r r o t t : The Probable Source of the Plot of Sh.'s Temp. Worcester, Mass. 1905,

Temp. ist das reifste und abgeklärteste nichttragische Drama aus Sh.s späteren Lebensjahren. Während in Cymb. und Wint. nur Einzelheiten märchenartig sind, spielt sich in Temp. die ganze Handlung in einer phantastischen Märchenwelt ab. Der Schauplatz des Stückes ist eine Zauberinsel, in der gute und böse Geister ihr Wesen treiben. Von wunderbarer Originalität ist Sh.s Einbildungskraft in diesem anmutigen Drama, das höchste Poesie mit der milden versöhnlichen Gesinnung edelster Menschlichkeit verbindet. Im Mittelpunkt der Handlung steht, ebenso wie in As, ein widerrechtlich aus seinem Reiche vertriebener Herrscher (Prospero), der am Schlüsse sein ihm geraubtes Land wiedererlangt. Durch das Zauber- und Märchenwesen erinnert das Stück am meisten an Müs.; während aber hier die toll ausgelassene Laune des jugendlichen Dichters sich hemmungslos austobt, in dessen Lebensanschauung das Komische noch den meisten Raum einnimmt, finden wir in Temp. als vorherrschende Stimmung den Ernst des Lebens, der nur durch den Märchencharakter dieses Stückes gemildert wird. 434. Dem neckischen Kobold Puck in Mids. entspricht hier der Luftgeist Ariel 2% ), eine zarte feine Geistergestalt. Er wird zum dienenden Geist Prosperos, des Herrn der Zauberinsel, dadurch, 295

) Ward II 193. ) Ein alttestamentlicher Name, den der Dichter durch eine Art Volksetymologie zu engl, air in Beziehung gebracht hat. 296

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daß dieser ihn aus einem Baumspalt beireit, in den die Hexe Sycorax ihn jahrelang eingeklemmt hatte. — Eines der genialsten Meisterstücke von Sh.s dichterischer Phantasie ist Caliban t n ) , der Sohn dieser Sycorax. Er stellt als Mischung von Mensch und Tier den äußersten Gegensatz zu Ariel dar, und ist gleichsam die Verkörperung alles Tierischen im Menschen. Im wirklichen Leben gibt es kein Urbild für ihn, und doch empfinden wir diese merkwürdige Gestalt durch Sh.s kühne lebendige Charakteristik als naturwahr. Alle Besserungsversuche Prosperos scheitern an der unwandelbaren Gemeinheit dieses Geschöpfs, das dabei doch nicht mit irgendeinem menschlichen Schurken Sh.s auf gleiche Stufe gestellt werden darf. Daß Sh. den Caliban nicht etwa als niedrigen Menschen kennzeichnen wollte, deutet er auch äußerlich dadurch an, daß er ihn in Versen sprechen läßt, während sonst seine Schufte, Lumpen und Clowns in Prosa zu reden pflegen. 435. Prospero zerbricht am Schlüsse seinen Zauberstab und entsagt den Zauberkünsten. Er kann als Sinnbild für Sh. selbst gelten, der mit Temp. seine Tätigkeit als Dramendichter abzuschließen gedachte. Ob freilich eine solche hübsche und sinnreiche Deutung Sh.s eigener Absicht entsprach, ist zweifelhaft. Ein Stück von Sh.s eigenem Ich dürfen wir aber doch auch in Prospero erkennen : dieser verzeiht seinen Feinden und blickt mit dem milden Lächeln der Entsagung auf das Weltgetriebe, dessen Stürme und Leidenschaften ihn nicht mehr berühren; so hat auch Sh. mit Temp. die pessimistische Menschenverachtung, die ihn so lange beherrscht hatte, innerlich völlig überwunden und sich zu seelischer Harmonie und zur milden Weisheit der gereiften Lebenserfahrung durchgerungen. — Temp. nimmt unter Sh.s Stücken eine Sonderstellung ein, insofern als es nur eine einzige Frauenrolle enthält m ) , die von Prosperos jugendlicher Tochter Miranda. Wie die Söhne Cymbelines ist auch Miranda als Genossin ihres Vaters auf der Zauberinsel fern von der großen Welt und unberührt von deren Schmutz in ländlicher Einsamkeit aufgewachsen. 436. Ein Anhaltspunkt für die Entstehungszeit dieses Dramas ergibt sich aus dem Zeitpunkt des Erscheinens der Schrift von Sylvester Jourdan A Discovery of the Bermudas, otherwise called The Isle of Devils (1610). Hier wird ein Sturm beschrieben, der die Flotte des Sir George Somers auf dem Wege nach Virginien zerstreute und das Admiralschiff nach den Bermudas-Inseln verschlug. Sh. verdankte dieser Beschreibung den Schauplatz seines " ' ) Das Wort ist offenbar eine Verdrehung von cannibal; angeregt zur Schöpfung dieser Gestalt wurde der Dichter durch die Schilderungen der Eingeborenen Amerikas in damaligen Reisebüchern. Abgesehen von den drei Göttinnen, die in I V 1 auftreten.

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Stückes. In der Handlung gleicht Temp. aber in auffallender Weise einem im übrigen rohen und kunstlosen Drama von Jakob Ayrer, der „Komödie von der schönen Sidea". Da Ayrer schon 1605 starb, kann er nicht aus Temp. geschöpft haben. Ferner hat Gustav Becker auf die Aehnlichkeit mit einer spanischen Erzählung Nockes de Invierno ( = Winternächte) (1610) von Antonio de Eslava hingewiesen 299). Hier begegnen uns ebenso wie in Temp. ein Fürst und seine Tochter, die aus ihrem Lande vertrieben worden sind und in der Einsamkeit leben. Schließlich wendet sich alles wieder zum Guten durch die Liebe zwischen der Tochter des vertriebenen Fürsten und dem Sohne seines Feindes; in Temp. entspricht dem das Liebesverhältnis zwischen Miranda und Ferdinand, dem Sohne des mit dem Usurpator Antonio, dem Bruder Prosperos, verbündeten Alonso Königs von Neapel. Becker nimmt eine uns unbekannte verlorene gemeinsame Quelle für Ayrer, Eslava und Sh. an. 437. Im Auftreten der drei Göttinnen Iris, Ceres und Juno im 4. A k t verrät sich wieder der Einfluß der damals so beliebten Hofmasken. Die mit leisem Zweifel behandelte Schilderung eines utopischen Urzustandes der Menschheit durch den Höfling Gonzalo (II, 1, 147 ff.) ist einem von Montaignes Essais entnommen, die John Florio ins Englische übersetzt hatte (1603). 438. Temp. ist neben En. das einzige Stück Sh.s, worin die drei Einheiten streng durchgeführt sind. Die Handlung spielt sich auf der gleichen Insel in drei Stunden ab. Temp. ist auch das kürzeste aller Dramen des Dichters: es umfaßt nur etwa 2000 Verse. Alle diese Umstände machen es wahrscheinlich, daß das Stück wegen seiner geringen szenischen Ansprüche zunächst nicht für eine öffentliche Bühne bestimmt war, sondern für eine Aufführung bei einer Hoffestlichkeit. 439. Für die späte Entstehung zeugt auch die große Zahl der Verse mit weiblichem Versausgang (33%, in Merch. 1 5 % , in /ls nur 12%). Warum dies vorletzte aller Stücke Sh.s von den Herausgebern der ersten Folio an die Spitze seiner Dramen gestellt worden ist, wissen wir nicht. 440. Wir kommen nun zu den t r a g i s c h e n Meisterw e r k e n aus Sh.s späterer Zeit, Stücken, die den Namen des Dichters vor allem zu einem der berühmtesten und glänzendsten aller Zeiten gemacht haben. Unter diesen Meisterwerken bilden die drei Römerdramen eine einheitliche Gruppe für sich. "•) Sh.-Jahrbuch 43 (1907), S. 155 ff.

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441. Das älteste der Römerdramen ist Julius Caesar (1601 3°°); 2°, 1623). Ed. by H. de G r 0 0 t. Utrecht 1925. — A. B o e c k e r : A Probable Italian Source of Sh.'s Caes. Diss. New York 1913. — Adolfo F a g g i : II Giulio Cesare di Sh. Roma 1916. — Anna K e r r 1 (s. § 289). — William W e l l s : The Authorship of Caes. London 1923 (ursprünglich von Marlowe, ' Ueberarbeitung angefangen von Sh., fortgesetzt von F. Beaumont!!!)

Es ist erstaunlich, wie Sh. sich hier in die Gedankenwelt des römischen Altertums hineinversenkt hat. Während sonst die Dichter der Renaissance, darunter oft auch Sh. selbst, nur zu geneigt sind die Verhältnisse der eigenen Zeit an die Stelle fremder Zeitverhältnisse zu setzen, waltet hier in den meisten Szenen des Stückes ein antiker Geist. Der politische Sinn, der den alten Römern in so hervorragendem Maße eigen war, die Schlichtheit ihres republikanischen Wesens findet in diesem Stücke ihren Ausdruck und prägt sich auch in der Sprache aus, die aber gerade durch ihre markige Knappheit sehr eindrucksvoll wirkt. Durchaus antik ist auch das Grundmotiv des Dramas: es ist ein politisches Trauerspiel, und sein Gegenstand ist der Todeskampf der römischen Republik gegen das sich vorbereitende Kaisertum. Caesars Tod bildet nicht den tragischen Abschluß, sondern den Wendepunkt der Handlung; er stirbt schon in der Mitte des Stückes (III, 1) unter den Dolchen der Verschwörer. 442. Die literarische Kritik hat sich viel mit der Frage beschäftigt, wer als der eigentliche Held des Stückes zu gelten habe, Caesar oder Brutus; und falls letzterer der Hauptheld sei, warum das Stück dann doch Julius Caesar heiße. Unzweifelhaft hat Sh. auf die eingehende psychologische Charakterisierimg des Brutus viel größere Mühe verwandt als auf die Caesars. Sh. schildert Caesar nicht als im Aufstieg begriffen, als Kämpfer und Vollbringer großer Taten, sondern als schon auf dem höchsten Gipfel der Macht angelangt 301 ). Seine überragende Größe wird nur mittelbar gekennzeichnet, durch die bewundernden Urteile der andern über ihn. In der unmittelbaren Charakteristik Caesars bleibt Sh. hinter der wirklichen Größe des geschichtlichen Urbildes zurück. Der Dichter zeigt uns den großen Mann in einigen sehr menschlichen Schwächen: seine Reden wirken hochtrabend und prahlerisch; er ist Schmeicheleien sehr zugänglich und abergläubisch. Diese Verkleinerung Caesars erklärt sich zum Teil aus dem Einfluß von Sh.s Quelle Plutarch, der als Grieche dem großen 30°) Nach Creizenach (V 114) ist das Stück schon 1599 aufgeführt worden; dann würde es noch zu Sh.s Jugenddramen gehören. Dowden nimmt als Entstehungszeit 1601 an. 301) Creizenach V 118.

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Römer nicht vollauf gerecht wird, zum Teil daraus, daß Sh. damit in bewußter Absicht einen künstlerischen Zweck verfolgt, nämlich die Tat des Brutus nicht als gewöhnlichen Meuchelmord eines undankbaren Verräters, die sittlichen Wertunterschiede zwischen Caesar und Brutus nicht als allzu ungleich erscheinen zu lassen. Die bedeutendere Persönlichkeit von beiden ist doch Caesar, trotz aller seiner Schwächen, auch bei Sh. Wenn Caesar auch schon mitten im Drama stirbt und wenn auch Brutus mehr im Vordergrunde steht, als Caesar, so geht doch dessen Geist, das von ihm verkörperte monarchische Prinzip, mit seinem Tode nicht unter, sondern beherrscht die Handlung bis zum Schlüsse, und trägt sogar den Endsieg davon; denn schließlich unterliegen die Häupter der Verschwörung, der edle Brutus und der verschlagene Cassius, in der Schlacht bei Philippi gegen die Anhänger Caesars, die Triumvirn. Brutus ist also nur scheinbar die Hauptperson des Stückes; dessen Hauptheld ist doch Caesar, trotz aller Gründe, die dagegen zu sprechen scheinen. 443. In Brutus führt uns Sh. eine echt altrömische Gestalt vor, in einem tragischen Widerstreit zwischen Freundschaft und Pflichtgefühl, der ganz aus den altrömischen politischen Verhältnissen der Republik entspringt. Brutus verehrt und liebt in Caesar seinen Freund und Wohltäter; aber höher als Caesar steht ihm doch die republikanische Verfassung, die eben dieser Caesar zu vernichten droht. Trotzdem also Brutus seinen persönlichen Freund als politischen Gegner bekämpfen muß, schließt er sich doch der Verschwörung gegen Caesar nur mit großem inneren Widerstreben an. Der politische Meuchelmord galt freilich im alten Rom als etwas im Notfall Erlaubtes. Der edelgesinnte Brutus kann sich aber doch nicht ohne weiteres über die moralische Verwerflichkeit hinwegsetzen, die nun einmal jedem Meuchelmord anhaftet; er fühlt es selbst, daß er sich durch seine Teilnahme an Caesars Ermordung mit einer schweren tragischen Schuld befleckt hat. Aus Idealismus beseitigt Brutus auch nur den Caesar, nicht auch dessen Anhänger; denn er will unnützes Blutvergießen möglichst vermeiden. Vom Standpunkt der rein praktischen Politik ist dies aber ein verhängnisvoller Fehler, der schließlich sogar den Untergang des Brutus selbst mit herbeiführt. 444. Im ersten Teil des Dramas sind Caesar und Brutus die Hauptgegenspieler, im zweiten Brutus und Antonius. Dieser erweist sich als der bedeutendste Anhänger Caesars und zugleich als ein sehr gewandter Demagog. Durch seine aufreizende, wenn auch von echter Liebe zu Caesar beseelte Beredsamkeit stachelt er das wankelmütige urteilslose Volk, das in seinem jähen Stimmungswechsel dem leichtbewegten Meere gleicht, zu blinder Wut

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gegen die Verschwörer an, denen es eben vorher noch zugejubelt hatte. Antonius enthält sich klugerweise jedes Urteils über die Tat der Verschworenen; er zeigt nur dem Volke die blutenden Wunden von Caesars Leiche, und läßt »diese armen stummen Munde« statt seiner selbst reden. Diese Rede des Antonius an das Volk (III 2) ist eine der berühmtesten Stellen aus Sh.s Dramen und ein beliebtes Paradestück für Schauspieler und Rezitatoren. Sh. hat den Charakter des Antonius in Caes. nur skizziert; er ist eine glänzende Erscheinung, ein Mann von großen Fähigkeiten, zum Führer und Herrscher anscheinend wohl geeignet, dabei aber doch von geringem sittlichem Werte. Im Gegensatz zu Brutus läßt er sich mehr durch Gefühle als durch Grundsätze leiten; er ist ein Genußmensch, der sich gern dem Augenblicke hingibt, Gelage und Sinnengenuß liebt. Das Höchste dürfen wir daher trotz all seiner hohen Begabung nicht von ihm erwarten. 445. In Portia, der Gattin des Brutus, hat Sh. eine der Volumnia in Cor. verwandte Gestalt gezeichnet, den Typus der heldenhaften altrömischen Frau, die ihrem Gemahl an Edelmut und Seelenstärke ebenbürtig ist. Als aber das eherne Schicksal sich anschickt, den Brutus zu zermalmen, da kommt doch bei ihr, ähnlich wie bei Lady Macbeth, die Schwachheit ihres Geschlechts in ihrem seelischen Zusammenbruch zum Vorschein: noch vor dem Ende ihres Gatten wird sie in den Selbstmord hineingetrieben. 446. Als Quelle diente Sh., wie für die übrigen Römerdramen, die Plutarch-Uebersetzung von Sir Thomas North (1579). An vielen Stellen lehnt sich Sh. wörtlich an Plutarch an. Er hat aber die Handlung seinen dramatischen Zwecken angepaßt, indem er sie hier und da zusammendrängte. Eigene Erfindung Sh.s ist vor allem die meisterhafte Leichenrede des Antonius, zu der Plutarch dem Dichter nur dürftige Andeutungen dargeboten hatte. Die Geringschätzung des niederen Volkes fehlt auch bei Plutarch; in ihr offenbart sich wieder, wie bei der Schilderung des Aufstandes von Jack Cade in H6B, Sh.s aristokratischer Standpunkt. 447. Ein erheblicher Mangel des bedeutenden Stückes ist das Nachlassen der dramatischen Spannung nach der großen Rede des Antonius an das Volk. Die Handlung ermattet nun und steigert sich zu größerer Lebhaftigkeit nur noch in der eindrucksvollen Streitszene zwischen Brutus und Cassius (IV 3), an der Rümelin nur mit Recht tadelt 302), daß ihre gegenseitigen Vorwürfe zu weit gehen, um ihre so baldige Wiederversöhnung glaubhaft erscheinen zu lassen. 448. B r a n d l m ) erhebt mit Recht Einspruch gegen die Neigung mancher Kritiker, in Caes. Anspielungen auf die eigenen Zeitm

) Gustav R . : Sh.-Studien.« Stuttgart 1874, S. 139. ) 1 S. 148.

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Verhältnisse des Dichters zu suchen, vor allem in Brutus ein Abbild des Grafen Essex zu erblicken, der sich ebenso wie Brutus gegen seinen besten Freund, die Königin Elisabeth, verschworen habe. Solche Vermutungen sind nicht zwingend; derartige Anspielungen wären außerdem zwecklos gewesen, wenn sie nicht an die Königin selbst gerichtet und für diese verständlich waren. Eine wenn auch nur bedingte Rechtfertigung des Tyrannenmordes, wie sie ja doch in Sh.s Charakterisierung des Brutus enthalten ist, hätte ja in einem solchen Falle Sh. selbst den Kopf kosten können. Caes. ist also wohl als bloßes Geschichtsdrama, ohne Beziehung auf Sh.s eigene Zeit, aufzufassen. 449. Anthony and Cleopatra (1607; 2°, 1623). M. A. B a y f i e 1 d: A Study of Sh.s Versification. With an Enquiry into the Trustworthiness of the Early Texts, an Examination of the 1616 Folio of Ben Jonson's Works, and Appendices, including a Revised Text of Ant. Cambridge 1920.

Eingehender hat Sh. den Charakter des Antonius erst in Ant. gezeichnet. Die in Caes. behandelte Frage, ob Rom eine Republik bleiben oder eine Monarchie werden solle, ist in Ant. schon im Sinne der Monarchie erledigt; es dreht sich hier nur noch um die andere Frage, wer der künftige Herrscher werden soll. Nur insofern, also rein äußerlich, dem Stoffe nach, kann Ant. als Fortsetzung von Caes. gelten. Die beiden Triumvirn Antonius und Octavius, die am Schluß von Caes. das Heer der republikanischen Verschwörer mit vereinten Kräften geschlagen hatten, kämpfen nun um die Weltherrschaft. Wer in diesem Kampfe Sieger bleiben wird, der reichbeanlagte, aber leichtsinnige Antonius, oder der kalte, zielbewußte Octavius, darüber läßt Sh. schon gleich von vornherein kaum Zweifel aufkommen. Hier ist eine gewisse Aehnlichkeit der Charaktere und der allgemeinen Situation vorhanden zwischen diesem Stücke und R2B, wobei freilich Octavius dem Heinrich Bolingbroke besser entspricht als Antonius dem König Richard II. 450. Im Kerne ist aber Ant. kein politisches Trauerspiel wie Caes., sondern eine Charaktertragödie, in deren Mittelpunkt die beiden Titelhelden stehen, freilich eine Charaktertragödie mit einem großartigen weltgeschichtlichen Hintergrunde. Wir finden den Antonius in den Netzen der ägyptischen Königin Kleopatra, eines koketten Weibes, die ihren Geliebten immer wieder durch ihre raffinierten Verführungskünste an sich zu fesseln weiß, so oft er auch in einer Anwandlung von Scham, Ehrgeiz und Pflichtgefühl versucht, sich aus ihrer Verstrickung loszureißen. Die dämonische Macht des Weibes über den Mann ist wohl nirgends gewaltiger dargestellt worden als in diesem Stücke, dessen Grund-

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gedanke ein Widerstreit zwischen Tatendrang und Sinnenlust ist. Leider wird die dramatische Wirkung des Liebesverhältnisses der beiden Hauptpersonen und der sich daraus ergebenden Verwickelungen durch eine verwirrende Menge von geschichtlichen Einzelheiten gehemmt, die Sh. uns in diesem mit seinen fast 4000 Versen längsten aller seiner Dramen, in allzu engem Anschluß an seine Quelle Plutarch, schildert. So bedeutet das vorliegende Stück neben der würdevollen Einfachheit von Caes. doch, bei aller Größe seines Grundgedankens und trotz der glänzenden Charakteristik der beiden Hauptpersonen, gegenüber Caes. einen künstlerischen Rückschritt. 451. Obgleich es Sh. nicht ganz gelungen ist, die epischen Spuren seiner Quelle dramatisch zu überwinden, hat er doch seinem dramatischen Zwecke zuliebe an dem ihm vorliegenden Stoff manche Veränderungen vorgenommen: er hat die auf einen langen Zeitraum sich ausdehnende Handlung zusammengedrängt, den Charakter des Antonius veredelt, um ihn zum tragischen Helden besser geeignet zu machen, dagegen die Gestalt der Octavia verkleinert. Antonius wirkt auf uns durch die Genialität und die Ritterlichkeit seines Wesens sympathischer als der kühle gemütlose Rechner Octavius. Daß Antonius und Kleopatra sich unmittelbar vor ihrem Ende noch zu einer gewissen sittlichen Höhe aufraffen, ja daß ihr selbstgewählter Tod seelische Größe zeigt, beweist nichts gegen die Auffassung, daß ihre Sinnenlust ihnen den selbstverschuldeten Untergang bereitet; denn ihr Fall ist schon vorher entschieden, in dem Augenblick, als Antonius das Schlachtfeld von Actium und damit Ruhm und Sieg im Stich läßt, nur um der fliehenden Kleopatra zu folgen. Allein die Art ihres Untergangs, die sie selbst wählen, gibt ihnen jene Größe. Eine Tragik im Schicksal des Antonius liegt auch darin, daß er als der Bedeutendere der beiden Gegner, der eher zur Weltherrschaft berufen gewesen wäre, von dem zwar keineswegs unbedeutenden, aber doch ihm an Reichtum der Begabung nachstehenden Octavius besiegt wird, daß dieser seinen Sieg mehr den Fehlern des andern als dem eigenen Verdienst zu verdanken hat. 452. Die dunkelhaarige Orientalin Kleopatra erinnert an die »dunkle Schönheit«, die Sh. in seinen Sonetten besingt. Auch deren Ruf ist befleckt; sie übt trotzdem nach den Sonetten auf den Dichter selbst einen verhängnisvollen Zauber aus, ähnlich dem der Kleopatra auf Antonius 304). E s scheint also für Kleopatra eine Londoner Dame aus des Dichters Umwelt Modell gestanden zu haben. Zum Entschluß der Kleopatra, sich selbst nach dem 3M

) Mac Callum p. 3 1 4 .

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Untergang des Antonius den Tod zu geben, trägt auch der Abscheu der Aristokratin bei, im Triumphzug des siegreichen Octavius mitgeführt und vom römischen Pöbel begafft zu werden. — Octavia, die Schwester des Octavius und rechtmäßige Gattin des Antonius, hat keine selbständige Bedeutung, sondern soll nur als Folie für Kleopatra dienen. Zu diesem Zwecke läßt Sh. unerwähnt: ihre Schönheit, durch die sie Kleopatra übertraf, sowie den Umstand, daß ihre Ehe mit Antonius mehrere Jahre gedauert hat und mehrere Kinder daraus hervorgingen. Bei Sh. ist ihre Vermählung mit Antonius ein rein politischer Akt; ihr wird eine nüchterne trockene Tugendhaftigkeit beigelegt, die es gegenüber einem Feuergeist wie Antonius in keiner Weise mit den Liebeskünsten der genialen Buhlerin Kleopatra aufnehmen kann. Ihnen verfällt Antonius sofort aufs neue, nachdem er aus Rom nach Aegypten zurückgekehrt ist. — Der witzige Spötter Enobarbus ist ein Geistesverwandter des Bastards Faulconbridge in John C, Mercutios in Rom. und des Menenius Agrippa in Cor. Nach der Flucht des Antonius aus der Schlacht von Actium verläßt er diesen. Obgleich seine satirischen Bemerkungen zu den Taten der übrigen Personen ihm gleichsam die Rolle des antiken Chors verleihen, steht er doch nicht außerhalb der Handlung, sondern wird auch in den allgemeinen Strudel mit hineingerissen und geht ebenfalls unter. 453. Der Stoff war schon vor Sh. von der Gräfin von Pembroke (1590) und von Daniel (1593) behandelt worden; Sh. hat aber den Dramen der beiden nichts zu verdanken. 454. Coriolanus (1608; 2°, 1623). A. C.B r a d l e y: Cor. London 1912. Hier erhebt sich Sh. wieder zur vollen Höhe seiner dramatischen Kunst. Wie in Caes., geht er wieder von einem Kampf politischer Gegensätze aus, von dem Kampf zwischen den Patriziern und den Plebejern in der ältesten Zeit der römischen Republik. Dieser Kampf bildet aber nur den Ausgangspunkt, nicht den Kern der dramatischen Handlung. Das Stück ist, ebenso wie Ant., weniger ein politisches Trauerspiel als eine Charaktertragödie, die Tragödie des Stolzes. Der Titelheld ist einer der Patrizier, ein Vollblutaristokrat mit allen Vorzügen und Fehlern eines solchen. Sein Streit mit den Plebejern ist daher kein von außen her an ihn herantretendes Ereignis, sondern entspringt seinem innersten Wesen. Er ist ein ganzer Mann, eine volle, in sich geschlossene gewaltige Persönlichkeit, dabei aber maßlos stolz und hochmütig. Er zeigt den Plebejern stets nur seine grenzenlose Verachtung, die Sh. allerdings wohl begreiflich gemacht hat. Sie bestehen nur aus dem römischen Pöbel, der hier noch viel abschreckender geschildert

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wird als in Caes., als eine Rotte v o n Menschen, die d e m Aristokraten schon lebhaften physischen E k e l einflößt, als eine blinde unverständige Masse, die den Schlagworten ihrer Führer, der beiden Tribunen, willenlos wie eine Herde Schafe folgt. Coriolans Stolz überragt sogar seine Vaterlandsliebe: nachdem er durch seine Schroffheit gegen das Volk die Strafe der Verbannung auf sich gezogen hat, scheut er sich nicht, zu den Feinden Roms, den Volskern, überzugehen, also die eigene Vaterstadt zu verraten. Mit dem feindlichen Heere rückt er vor die Tore R o m s ; hier tritt ihm aber seine edle Mutter Volumnia entgegen, eine echt a l t römische Matrone, und beschwört ihn mit den dringendsten Vorstellungen, v o n seinem verderblichen Vorhaben abzulassen. D i e Mutter vermag, was sonst unmöglich schien: die unbeugsame Natur Coriolans wird durch sie erweicht. E r erhört die B i t t e n Volumnias, obgleich er weiß, daß er sich dadurch den Untergang bereite. Die über seinen A b f a l l empörten Volsker töten ihn. E r geht also zugrunde, gerade als das Bessere in ihm gesiegt h a t , und sühnt durch seine Selbstaufopferung den früheren Verrat 30B). 455. Eine komische Gegenfigur des tragischen Helden Coriolan ist Menenius Agrippa, ein zungenfertiger alter Spötter, der es liebt, harten K ä m p f e n mit der Bequemlichkeit des weltklugen Genußmenschen auszuweichen. Im Grunde verachtet er als Patrizier den Pöbel nicht weniger als Coriolan; er ist aber beim Volke beliebter als jener, weil er seine Verachtung hinter der Maske einer wohlwollenden Leutseligkeit zu verbergen weiß. I m Gegensatz zu Coriolan ist er mehr ein Mann der Rede als der T a t ; er bewundert aber jenen gerade wegen der Eigenschaften, die ihm selbst fehlen, und gewinnt unsere Zuneigung durch die treue Anhänglichkeit an Coriolan, die er auch im Unglück seines Freundes bewährt. 456. Der K a m p f Coriolans gegen die ihm feindlichen Gewalten ist zugleich der K a m p f des großen Menschen gegen das Mittelmäßige und Niedrige, das stets der natürliche Feind wahrer Größe ist. A n wuchtiger Logik des dramatischen A u f b a u s ist Cor. unter Sh.s Dramen nur noch mit Macb. vergleichbar. Der tragische Ausgang ergibt sich mit Notwendigkeit aus dem Charakter des Helden. O b Sir Walter Raleigh, dessen herrisches Wesen mit dem Coriolans einige Aehnlichkeit hat, Sh. als Urbild für letzteren vorgeschwebt habe, wie Brandl annimmt 308), ist zweifelhaft. K a u m annehmbar ist auch Brandes Vermutung 307), Sh. h a b e bei der Gestalt der Volumnia an seine eigene im Sept. 1608 verstorbene M6) M ')

307)

Wülker I 321. Sh.1 S. 167; vgl. dagegen Mac Callum p. 464. S. 761, dagegen Mac Callum p. 464.

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Mutter gedacht; denn alle gewinnenden Züge, die an Volumnia hervortreten, stammen schon aus Plutarch. 457. An dieser seiner Quelle hat Sh. sonst mancherlei Aenderungen vorgenommen: er hat den Charakter seines Helden zu fast übermenschlicher Größe gesteigert. Die Tribunen werden erst bei ihm zu Volksverhetzern; endlich ist das Volk bei Plutarch keineswegs so verächtlich, wie Sh. es schildert. Die Minderwertigkeit des Volkes dient Sh. dazu, die großartige Gestalt Coriolans nur um so heller strahlen zu lassen. Bei der Darstellung des Volkes übertrug Sh. offenbar, ebenso wie in Caes., die englischen Verhältnisse seiner Zeit auf das alte Rom. Er stellt die altrömischen Plebejer auf gleiche Stufe mit dem Londoner Pöbel, dessen schlimme Seiten er gewiß in den Theatern der Hauptstadt als Schauspieler ausgiebig kennengelernt hatte, den er also verachtete, während die Gunst und Freundschaft einiger vornehmer Adliger ihm wertvoll war, wie die Widmungen seiner epischen Gedichte und seine Sonette zeigen. Sh. erweist sich als ein echtes Kind seiner Zeit darin, daß die sozialen Ursachen, die dem Kampfe der Plebejer mit den Patriziern zugrunde lagen, für ihn gar keine Rolle spielen. 458. Timon of Athens (1607/08; 2°, 1623). Tim. B findet als das einzige Trauerspiel Sh.s, das einen antiken Stoff griechischer Herkunft behandelt, seinen Platz am besten im Anschluß an die drei römischen Tragödien. 459. Timon (um 1600; Hds.) Shs. Library VI. Iis gibt ein handschriftlich überliefertes anonymes Drama gleichen Titels, das offenbar zur Unterhaltung einer akademischen Zuschauerschaft geschrieben wurde, nach Creizenach (V 453) wahrscheinlich zur Aufführung durch Chorknaben bestimmt war und die üblichen Typen des englischen Lustspiels im griechischen Gewände enthält: den Einfaltspinsel Gelasimus, den Gauner Pseudocheus, den geizigen Alten Philargurus, den vorlauten jugendlichen Diener Paedio, usw. Die Haupthandlung mit dem Menschenhasser Timon im Mittelpunkt wird von einer umfangreichen Nebenhandlung überwuchert, in der geschildert wird, wie Pseudocheus den Gelasimus schröpft. Die Uebereinstimmungen mit Tim. B erstrecken sich besonders auf zwei Punkte: 1. Timon hat einen treuen Diener, der ihn auch im Unglück nicht verläßt; 2. das Gastmahl Timons, wobei dieser seinen treulosen Freunden eine mit Steinen gefüllte Schüssel vorsetzt, die als Artischocken angemalt sind; diese Steine wirft Timon schließlich seinen Gästen an die Köpfe. Die Handlung ist zum Teil Lucian entlehnt; die Gastmahlszene erinnert an eine Stelle im Leben des Kaisers Heliogabalus von Lampridius. Während Sh. in Tim. B auch aus Plutarch schöpft, fehlen in Tim. A alle auf Plutarch beruhenden Bestandteile, namentlich die Beziehungen Timons zu Apemantus und Alcibiades Creizenach (V 454) weist daher auf die Möglichkeit hin, daß der Verfasser von Tim. A die aus Lucian stammenden Stellen aus Sh.s Drama übernommen habe. Dann müßte natürlich eine viel spätere Entstehungszeit von Tim. A angenommen werden als das Jahr 1600. E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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II. D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

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460. Tim. B. P a r r o t t : The Problem of Tim. London 1923. — J.M.Roberts o n : Sh. and Chapman: a Tbesis of Chapman's Authorship of A Lover's Complaint and His Origination of Tim. with Indications of Further Problems. London 1917. — Ernest Hunter W r i g h t : The Authorship of Tim. N e w Y o r k 1910.

Unter den Stücken, in denen Sh.s mehrfach erwähnte lange und tiefe Verstimmung zum Vorschein kommt, steht obenan Tim. B. Zu Anfang ist Timon ein freigebiger Wohltäter, der seinen Reichtum unvernünftig verschwendet und von einem Kreise von Schmarotzern umgeben ist, die ihm schmeicheln und die er für seine Freunde hält. Aber schon im 2. Akt erleben wir, daß Timons Vermögen erschöpft ist. Jetzt lassen ihn alle die vermeintlichen Freunde im Stich, und Timon verfällt nun ins andere Extrem: er hält nun alle Menschen für Diebe und Betrüger, verzweifelt an der ganzenWelt und flieht in die Wildnis, wo er den Tod findet. Der einzige Lichtblick in diesem finsteren Trauerspiel des Menschenhasses ist die Treue der Diener Timons, die auch in seiner Verarmung zu ihm halten. Sein Haushalter Flavius folgt ihm sogar ins Unglück und erbietet sich, seinen eigenen bescheidenen Besitz mit seinem Herrn zu teilen. Hier sind es also gerade Vertreter der unteren Volksschichten, die sittlich am höchsten stehen. Die grellen Uebertreibungen dieses Stückes sind durchaus unkünstlerisch, und nur aus der überaus trüben Stimmung des Dichters zu erklären, die hier ihren Gipfel erreicht. Diese Trübung erstreckt sich auch auf die Komik des Stückes, deren Hauptvertreter der zynische Philosoph Apemantus ist. Er ist ein boshafter Menschenverächter, und sein Humor so gallenbitter, daß er ungenießbar wird. Das Reinkomische findet in seiner Rolle gar keinen Platz. Er ist anscheinend der Gestalt des Diogenes in Lylys Camp, nachgebildet, aber auch mit Thersites in Troil. verwandt. Apemantus spielt durch seine bissigen Bemerkungen zu den Handlungen der übrigen Personen die Rolle des antiken Chores, hat aber als Zyniker zugleich sein eigenes besonderes Gepräge. Ein anderer Gegenspieler des Titelhelden ist Alcibiades; auch er hat schnöden Undank erfahren, verharrt aber nicht wie Timon in ohnmächtiger Wut über die Menschen, sondern demütigt in siegreichem Widerstände den athenischen Senat, der ihn verbannt hatte. Die Situation erinnert an Cor. 461. Zu dem vorliegenden Stoff war Sh. durch seine Arbeit an Ant. gelangt. In Plutarchs Lebensbeschreibung des Antonius ist auch von Timon die Rede, der sich, von der Undankbarkeit der Menschen angewidert, in die Einsamkeit zurückgezogen habe. Eine weitere Quelle ist Lucians Dialog Timon. Von Lucian wird Timons

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Enttäuschung als komischer Vorwurf behandelt; erst Sh. hat ihm die Wendung ins Tragische gegeben 3 0 B ). 462. D a s Stück macht den Eindruck einer flüchtigen Arbeit. D a ß Timon a m Schluß stirbt, wird nirgends ausdrücklich erwähnt, geht aber aus dem ganzen Zusammenhang unzweideutig hervor; ob er aber an gebrochenem Herzen stirbt, oder Selbstmord begeht, bleibt unklar. Später (V 3 und 4) wird sein Grab entdeckt, und Alcibiades liest die von Timon selbst verfaßte Inschrift auf diesem Grabe, die innere Widersprüche enthält: zuerst verbietet sie nach dem Namen des Toten zu forschen; dann nennt sie als dessen Namen Timon. Der vielfach hervortretende Mangel an gleichmäßiger künstlerischer Durchdringung des Stoffes, die Unklarheiten und Widersprüche im Stücke haben schon früh die Kritik veranlaßt, Sh.s Verfasserschaft, trotz des Abdrucks in der ersten Folio von 1623, zu bezweifeln, oder ihm nur einen Teil des Dramas zuzuschreiben. Ueber die Unechtheit einzelner Stellen und über die Verfasser der unechten Teile herrschen bei den Kritikern ganz verschiedene Ansichten, ein Beweis dafür, wie zweifelhaft der Wert der kritischen Methode ist, die Anteile verschiedener Dichter an einem einzelnen Werke genau zu bestimmen. Delius hat das Stück als gemeinsame Arbeit von Sh. und Wilkins hingestellt. Sykes (p. 1 ff.) erkennt in den angeblich nicht von Sh. verfaßten Teilen die Hand Middletons und D a y s . Sh. habe das von diesen beiden gemeinsam verfaßte Stück nur überarbeitet; die minderwertigen Teile seien Reste der ursprünglichen Fassung, die Sh. unberührt gelassen habe. F l e a y vertritt die gegenteilige Meinung, Sh. sei der ursprüngliche Verfasser des ganzen Dramas, und die mangelhaften Stellen der uns vorliegenden Fassung seien spätere Entstellungen. Jedenfalls ist der T e x t in anscheinend stark verstümmelter Gestalt auf uns gekommen. Die Zeit der tiefsten Verstimmung m a g auch Sh.s dichterische Schöpferkraft zeitweilig gelähmt h a b e n ; manche Mängel sind wohl auf diese Verstimmung zurückzuführen. Jedenfalls ist die Mangelhaftigkeit des Stückes noch kein genügender Anlaß, es Sh. abzusprechen. 463. D i e Gestalt Timons ist ein erschütternder Ausdruck von Sh.s eigenem zeitweiligem Pessimismus; sie enthält ein Stück v o n des Dichters eigenem Ich. Die Bitterkeit des menschenfeindlichen Jacques in As erscheint in Timon bis ins Ungeheure gesteigert. A l s Tragödie des Undanks ist Tim. a m nächsten mit Lear verwandt. In der Freigebigkeit des Verschenkens und in der Entrüstung über die erfahrene Undankbarkeit gleicht Timon Lear, in dem daraus entstehenden Pessimismus Hamlet. 308)

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II. DAS EIGENTLICHE DRAMA DER

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464. Hamlet Prince of Denmark (1602; 4 0 , 1603). Einzelausgaben: von Karl E l z e , Halle 1882 (bloße Texterklärung ohne ästhetischen Kommentar); von V e r i t y , Cambridge 1904 (vortreffliche Einleitung, klare und übersichtliche methodische Darstellung). — Abdruck der ersten Quarto von 1603 mit Einleitung und Anmerkungen von Frank G. H u b b ä r d , Madison 1920; von G. B. H a r r i s o n , London 1924. Werke über Haml.: Karl W e r d e r : Vorlesungen über Sh.s Haml. Berlin 1875. — Herrn. B a u m g a r t : Die Haml.-Tragödie und ihre Kritik. Königsberg 1877. — Rich. L ö n i n g: Die Haml.-Tragödie Sh.s. Stuttgart 1893 (ausführliche kritische Darstellung der deutschen //am/.-Literatur). — Herrn. T ü r c k: Die Uebereinstimmung von Kuno Fischers und H. Türcks Ham/.-Erklärung. Jena 1894. — Kuno F i s c h e r : Sh.s Haml.1 Heidelberg 1896 (mit kritischer Uebersicht über die deutsche Haml.-Literatur). — Herrn. C o n r a d : Sh.s Selbstbekenntnisse. Haml. und sein Urbild. Stuttgart 1897. — H. D ö r i n g : Haml. Ein neuer Versuch zur ästhet. Erklärung der Tragödie (am Schluß Uebersicht: Ein Jahrh. deutscher //am/.-Kritik). Berlin 1898. — Sam. L u b l i n s k i : Sh.s Problem im Haml. Leipzig 1908. — Elise D e c k n e r : Die beiden ersten Haml.-Quartos. Berlin 1909. — H . B . I r v i n g : Some Thoughts on Haml. Sydney 1911. — C o r p u s H a m l e t i c u m . Hg. von Jos. S c h i c k . Abt. I. Berlin 1912. (sehr groß angelegte Quellensammlung).— A. R ü e g g : Sh.s Haml. Basel 1 9 1 2 . — Emerson V e n a b l e : The Haml. Problem and Its Solution. Cincinnati 1912. — Wilbraham F. T r e n c h : Sh.s Haml. London 1 9 1 3 . — C61estin D e m b 1 o n: L'auteur d'Haml. et son oeuvre. Paris 1914. — G. W o 1 f f: Der Fall Haml., ein Vortrag mit einem Anhang: Sh.s Haml. in neuer Verdeutschung. München 1914. — Erich W u 1 f f e n: Sh.s Haml., ein Sexualproblem. Berlin 1914. — Henry W o o d a 11: Haml. and Mach, oppositely Interpretative. London 1916. — Gust. M a i - R o d e g g : //am/.-Entdeckungen eines Schauspielers.* Mit Vorwort von Jos. Kohler. Berlin 1917 (behauptet einen Zusammenhang von Hamlets Rache-Aufgabe mit der ital. vendetta). — Elisabeth G e r k r a t h : Das dramatische Meisterwerk des Protestantismus (Haml.). Berlin [1918]. — Gertr. L a n d s b e r g : Ophelia. Kothen 1918. — J . M . R o b e r t s o n : The Problem of Haml. London 1919. — Elmer Edgar S t o 11: Haml. Minneapolis 1919 (besonnene und kluge Deutung, große Belesenheit). — V e s t e r b e r g : Studier 0ver //am/.-Teksterne. I. Kopenhagen 1920. — Howard Mumford J o n e s : The King in Haml. Austin 1 9 2 1 . — Jos. W i h a n : Die Haml.-Frage. Leipzig 1921. — Lilian W i n s t a n l e y : Haml. & the Scottish Succession. Cambridge 1921. — Ern. J o n e s : A Psycho-Analytic Study of Haml. London 1922. — Karl A. K u h 1 m a n n: Z/ami.-Erkenntnisse. Kiel 1922. — W. Roy M a c k e n z i e : Hamlet as a Man of Action (Wash. Univ. Studies, Vol. 10, Human. Ser. No. 1). 1922. — M o r s b a c h , s. § 247d. — H. de G r o o t : Haml., Its Textual History. Amsterdam 1923. — Kemp M a l o n e : The Literary History of Haml. 1. Heidelberg 1923. — J . M . R o b e r t s o n : Haml. once more. London 1923. — Bastian A. P. van D a m: The Text of Sh.s Haml. London 1924. — Gge. M a c D o n a l d : The Tragedy of Haml. Prince of Denmark. London 1924. — Sir Israel G o 11 a n c z: The Sources of Haml. London 1926 ®09). 30*) Ich erhielt im Nov. 1926 einen Brief von einem Herrn Th. Justesen aus Banjoewangi (Java), worin er eine neue Hypothese über den Ursprung der Haml.-Sage aufstellt. Der Briefschreiber geht davon aus, daß das Anagramm zu Telemach Chamelet ergibt, und vermutet, ein dänischer Kaufmann habe um das Jahr 1000 den griechischen Osten besucht, dort die Erzählung

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465. Haml. ist das berühmteste aller Dramen Sh.s, und hat unter allen am meisten philosophischen Gehalt; es ist sein tiefstes und geistreichstes Werk. Einen besonderen Reiz hat dies Stück noch durch den Schleier des Geheimnisvollen, der noch immer darüber gebreitet ist; es übt immer wieder die Anziehungskraft eines noch ungelösten tiefsinnigen Rätsels aus, dessen Lösung schon Hunderte von Kritikern versucht haben. Die Bücher, die über Haml. geschrieben worden sind, machen allein eine ansehnliche Bibliothek aus. Die Rolle des Titelhelden ist außerdem die schwierigste, aber auch, neben der Fausts, die bedeutendste, die es für einen Schauspieler überhaupt gibt. Jeder große Schauspieler faßt diese Rolle in besonderer Weise auf. Das ist leicht erklärlich: das Rätselhafte des Stückes knüpft sich vor allem an die Rolle Hamlets selbst; diese merkwürdige gewaltig große Rolle bietet Spielraum genug für die verschiedensten Auffassungen. 466. Die Fabel des Stückes ist bekannt: Hamlets Vater, der frühere König von Dänemark, ist von seinem eigenen Bruder Claudius ermordet worden. Durch diesen Mord verschafft sich Claudius nicht nur die Krone Dänemarks, sondern auch die Hand Gertrudes, der Mutter Hamlets, mit der er schon zu Lebzeiten seines Bruders ehebrecherischen Umgang gepflogen hatte. Zu Beginn des Stückes erscheint Hamlets Vater seinem Sohne als Geist; er enthüllt ihm das entsetzliche Verbrechen des Claudius und fordert ihn auf, den Mord zu rächen. Hamlet übernimmt diesen Auftrag und stellt sich wahnsinnig, um ihn leichter ausführen zu können. Er versäumt aber immer wieder die günstige Gelegenheit, die Rache an seinem Oheim und Stiefvater zu vollstrecken. Zuletzt tötet er diesen allerdings, aber nicht in Befolgung des ihm erteilten Racheauftrags, sondern in einer augenblicklichen Aufwallung; dabei geht er aber auch selbst unter als ein Opfer der heimtückischen Nachstellung des Claudius. 467. W i e i s t n u n d i e s e z ö g e r n d e U n e n t s c h l o s s e n h e i t H a m l e t s z u d e u t e n ? Diese Haupt- und Kernfrage des ganzen Stückes ist von der literarischen Kritik in verschiedenster Weise beantwortet worden. Einige Kritiker suchen die Ursache des Zögerns in den äußeren Verhältnissen, in die Hamlet hineingestellt ist. Er habe eine überhaupt unlösbare Aufvon Telemachus kennengelernt, und sie nach seiner Rückkehr in die Heimat mit Umstellung des Namens Telemach für seine dänische Landsleute umgedichtet. Das anlautende H sei im skandinavischen Norden bald geschwunden, dagegen in England, wohin die Sage auch bald gedrungen sei, erhalten geblieben. Ich halte die Aehnlichkeiten zwischen der Geschichte des Telemach und der Hamletsage für zu geringfügig, um einen literarischen Zusammenhang beider Sagen anzunehmen. Das Anagramm Telemach-Chamelet wäre dann weiter nichts als ein merkwürdiger Zufall.

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gäbe übernommen. Es sei nicht seine Aufgabe, den König zu töten, sondern ihn zu entlarven; dessen Verbrechen sei aber nicht nachweisbar 310). Diese Auffassung ist hinfällig. Der Auftrag des Geistes schreibt Hamlet ausdrücklich Rache an Claudius, nicht dessen Entlarvung vor. Die von Hamlet veranlaßte Aufführung des Schauspiels hat nicht den Zweck, den König vor der Außenwelt zu entlarven, sondern nur Hamlet selbst die Wahrheit der Mitteilungen des Geistes zu bestätigen. Außerdem zeigt auch der Ausgang des Stückes, wobei Hamlet zwar untergeht, aber als dem Tode Geweihter schließlich die Rache an seinem Oheim doch noch vollzieht, ohne daß dieser als Mörder seines Bruders öffentlich entlarvt worden ist, daß eine solche Entlarvung gar nicht Hamlets Aufgabe gewesen war. 468. Auch Morsbach (S. 102) erblickt den Grund für die Verzögerung der Rache nicht in Hamlets Charakter, sondern teils in der Schwierigkeit seiner Aufgabe, die Zeit und Abwarten erfordere, teils »in den Gegenmaßnahmen und Anschlägen des Königs auf das Leben Hamlets, gegen die er sich wehren müsse«. In der Gebetsszene (III 3) fehlt aber für Hamlet jedes äußere Hindernis, die Rache zu vollziehen. Der König ist ihm schutzlos preisgegeben; Hamlet läßt aber auch diesen günstigen Augenblick ungenutzt verstreichen, und die Worte seines Selbstgesprächs, mit denen er seine Schonung des Königs vor sich selbst begründet: er habe den König nicht in dem Augenblick töten wollen, wo dieser seine Seele im Gebet gereinigt habe, weil Claudius dann in den Himmel gekommen wäre, er, Hamlet, ihn aber in die Hölle senden wolle, diese Worte klingen doch wie ein bloßer, Hamlet selbst vielleicht gar nicht bewußter Vorwand. Das einzige äußere, aber auch keineswegs unüberwindliche Hindernis für den Vollzug der Rache, das man als tatsächlich vorhanden zugeben kann, ist Hamlets Scheu, seine Mutter bloßzustellen, durch deren schlechten Ruf auch die Ehre seines eigenen Vaters verletzt würde. Diese Schonung der Mutter war zwar im Racheauftrag des Vaters mit enthalten; der Geist selbst hält aber offenbar den Rachevollzug mit jener Schonung für vereinbar. 469. Die Mehrzahl der Kritiker sucht die Ursache für Hamlets Zögern in seiner Persönlichkeit, wie mir scheint, mit Recht. Bestimmte Charaktereigenschaften Hamlets sind also an der Verzögerung der Rache schuld. Nach dieser Auffassung ist das Stück durchaus eine Charaktertragödie. Während sonst das Drama auf Handlung beruht, ist in Haml. ganz im Gegenteil innerhalb eines Rahmens äußerer Begebenheiten gerade dieser immer wieder810) Baumgart S. 6; vgl. auch Conrad S. 251. Aehnlich auch Werder (vgl. Döring S. 301), L . Klein (vgl. Löning S. 108).

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kehrende Aufschub der Handlung die Hauptsache. Und dabei wird durch diesen Aufschub die dramatische Spannung nicht etwa geschwächt, sondern vielmehr aufs höchste gesteigert 311 ). Das ist nur dadurch möglich, daß Haml. im Kerne ein psychologisches Drama ist, und zwar vielleicht das bedeutendste, das es überhaupt gibt. 470. In der Beantwortung der Frage aber, welche Eigenschaften Hamlets hemmend auf die Ausführung seines Racheauftrags wirken, gehen die Ansichten der Kritiker wieder sehr stark auseinander. Goethe (in Wilhelm Meister) und andere suchen das Hemmnis in einer Weichheit Hamlets, die ihn zu der großen Tat, die ihm auferlegt sei, unfähig mache. Von Weichheit kann aber bei Hamlet gar keine Rede sein: er opfert rücksichtslos seine Liebe zu Ophelia der Rachepflicht, ersticht ohne Reue den Lauscher Polonius, sendet ohne Bedenken seine Jugendfreunde aus Notwehr in den Tod, und findet im Zorn auch kräftige Worte gegen die eigene Mutter 312). Andere erblicken das Hemmnis in religiösen Bedenken Hamlets 313 ); aber das Christentum verbietet durchaus nicht die Bestrafung eines Verbrechers, und an dem unverantwortlichen gekrönten Herrscher konnte die Strafe, zumal in der alten Zeit, nur in der Form der persönlichen Rache vollzogen werden. Wieder andere beurteilen Hamlet, unter dem Einfluß der Schule Hegels, als einen Charakter, bei dem das Denken über das Handeln überwiege 314 ); dem widerspricht aber Hamlets impulsives leidenschaftliches Wesen. Seine Handlungen entspringen nicht langer vorheriger Ueberlegung, sondern sind der Ausfluß plötzlicher Gemütsaufwallungen. 471. Fr. Th. Vischer (I 367) glaubt in Hamlet ein Opfer leichtbeweglicher oft überhitzter Einbildungskraft zu erkennen. Diese müßte ihn aber gerade zu unbesonnenem Handeln verleiten, scheint mir aber nicht denkbar als Ursache der Tatenlosigkeit, sondern nur der Sprunghaftigkeit seines Handelns. Vischer (I 324) bringt außerdem Hamlets Tatenlosigkeit mit seinem Pessimismus in Zusammenhang; dieser Pessimismus lasse ihn bezweifeln, ob es sich überhaupt bei der allgemeinen Schlechtigkeit der Welt lohne, eine einzelne Schlechtigkeit zu bestrafen. Dem widerspricht aber der Umstand, daß Hamlet niemals aufhört, die Ausführung 3 U ) Nur der 4. A k t hält sich, ebenso wie in Caes., nicht auf der gleichen Höhe wie die vorherigen; aber am Schluß des 5. Aktes gewinnt die Handlung ihre ursprüngliche Spannkraft in vollem Umfang wieder (Creizenach V 260). 31«) Wolff II in. 31>) Conrad S. 282, vgl. dazu Döring S. 247, Löning S. 92. 3 U ) A . W. Schlegel, Brandes S. 523, Bulthaupt S. 303, Courthope IV 148, Dowden p. 121, Rötscher (vgl. Löning S. 31), Ulrici I I 429, Verity p. X L I X .

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der Rache als eine ihm auferlegte Pflicht zu empfinden. Unter dem Einfluß Schopenhauers wird Hamlets Pessimismus auch von andern zur Erklärung seines zögernden Verhaltens herangezogen 315 ). Verwandt damit ist die Meinung, Hamlets Zögern sei eine Folge seiner melancholischen Sinnesart 31S ). Hamlets Pessimismus und Melancholie gehören aber gar nicht zum Kern seines Wesens; ursprünglich war er durchaus ein Lebensbejaher, und erst seine schrecklichen persönlichen Erfahrungen haben ihn umgewandelt. Außerdem ist eine melancholische Gemütsart sehr wohl mit Jähzorn, wie er auch Hamlet eigen ist, vereinbar, wirkt also bei ihm nicht als Hemmnis der Tatkraft. Wieder andere 317 ) sehen in Hamlet einen weltfremden Idealisten, der zur Ausführung einer praktischen Tat unfähig sei. Hamlet ist aber nicht weltfremd, sondern ein Mensch mit offenen Augen, ein scharfer Beobachter. Endlich wird Hamlets Zögern von einigen aus seinem Fatalismus abgeleitet, der sich schließlich bei ihm durch die Ergebnislosigkeit seines Handelns entwickelt habe 3l8 ). Die Behauptung dieser Ergebnislosigkeit ist aber eine Uebertreibung; die durch das Schauspiel im Schauspiel erlangte Gewißheit von der Schuld des Oheims war für Hamlet ein sehr wichtiges Ergebnis. Das Zögern Hamlets ist außerdem am auffallendsten in der Gebetsszene, also noch zu einer Zeit, wo sich der ihm zugeschriebene Fatalismus auch nach der Meinung der Kritiker, die in ihm die Ursache des Zögerns vermuten, noch gar nicht entwickelt hatte. Die wichtigste Szene, in der Hamlet sein uns so befremdendes Zögern an den Tag legt, wird also durch seinen Fatalismus nicht erklärt. 472. Wieder eine andere Deutung leitet die Schwierigkeiten aus dem alten Stück, Sh.s Quelle, dem Urhamlet Kyds ab. Daraus habe Sh. die Gestalt Hamlets und dessen Rachepflicht übernommen, ihm aber seine eigenen Gedanken und Empfindungen untergelegt, und so sei ein Widerspruch zwischen Wort und Tat, zwischen dem Denker und dem Rächer H. entstanden. Gegen diese Auffassung haben Morsbach (S. 110) und Wolff (II 100) mit Recht geltend gemacht, daß Hamlets Charakter nirgends den Eindruck der Zwiespältigkeit erweckt, daß er eine durchaus einheitliche Gestalt aus einem Guß ist. 473. In der Erklärung von Hamlets zögernder Unentschlossenheit schließe ich mich der Meinung derer an, die in Hamlet einen 315

) Döring S. 84, Türck S. 55. ) Vehse (1851) (vgl. Döring S. 296), Lee (deutsche Uebers. 1901) S. 209. a17 ) Türck (vgl. Döring S. 304), Kuno Fischer (Döring S. 306), Dowden, Sh. (deutsche Uebers.) S. 99, Gervinus I I 129, Köstlin (vgl. Löning S. 42), Vischer I 340. 3U ) Löning S. 183, vgl. auch Oechelhäuser S. 1 1 2 II, Wolff I I 124. 318

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feinfühligen Kulturmenschen erblicken, der in ein rohes barbarisches Zeitalter hineingestellt ist 319 ); denn die Blutrache als allgemeine Sitte ist nur in einem solchen Zeitalter denkbar. Der Auftrag des Vaters ist Hamlet heilig; aber seine Natur schaudert zugleich immer wieder vor der blutigen Tat zurück, durch die allein er die Rache vollziehen kann. Außerdem kann ein so vornehm denkender Mensch wie Hamlet sich unmöglich aus innerem Antriebe heraus zu der rohen Pflicht «der Blutrache berufen fühlen. Diese Pflicht wird nur ganz von außen her an ihn herangetragen, widerstrebt aber seinem innersten Wesen. Somit wäre das tragische Hauptproblem des Stückes der Widerstreit zwischen der Barbarei einer Gesamtheit und der verfeinerten Kultur eines Einzelmenschen. 474. Wir haben gesehen, daß Hamlet sich wahnsinnig stellt, um seinem Racheziel näher zu kommen. Manche seiner Reden und Handlungen haben aber den Anschein, als sei dieser Wahnsinn nicht nur Verstellung. Es ist viel darüber gestritten worden, ob Hamlets Wahnsinn echt oder unecht sei. Wie mir scheint, ist er echt und unecht zugleich. Die schrecklichen Enthüllungen des Vaters haben Hamlets edlen Geist zerrüttet, aber nicht völlig; er behält noch Geisteskraft genug übrig, um sich mit bewußter Ueberlegung wahnsinnig zu stellen. 475. In der Charakteristik Hamlets hat sich Sh. eine Aufgabe gestellt, die nur ein so großer Dichter wie er selbst lösen konnte: die Darstellung eines genialen Menschen. Hamlets geniale Ueberlegenheit über die Erbärmlichkeit seiner Umgebung äußert sich in schneidendem Spott oder in großartiger Ironie. Hamlet ist zugleich durch und durch wahr und echt, außerdem mutig und kühn. In den ehrenden Worten, die Ophelia ihm widmet (III, 1, 158 ff.), ist gewiß Sh.s eigene Charakteristik Hamlets ausgesprochen. — Dem Zufall hat Sh. in Hamlets Geschick bedeutenden Raum gewährt; hierher gehört z. B. seine Begegnung mit den Seeräubern (IV 6). Der Zufall dient hier aber wohl einem höheren künstlerischen Zweck: er soll andeuten, daß Hamlets Schritte, ihm selbst unbewußt, von einer höheren Macht gelenkt werden 320). 476. Auch in Hamlet offenbart uns Sh. ein Stück seines eigenen Wesens. Zum ersten Male wirft er hier die Frage auf, ob das Leben überhaupt lebenswert sei, und antwortet zwar darauf noch nicht 3») Albrecht (vgl. § 408) S. 288. — Baumgart S. 101, Brandl Sh. 1 S. 154. Hazlitt (vgl. Furness, Sh., Var. Ed. II 156), Genfee, Sh.s Leben S. 306, Gervinus II 127. Liebau (vgl. Löning S. 72), Oechelhäuser S. 111 I, Ulrici II 433. Aehnlich Köhler (vgl. Bulthaupt S. 309, Döring S. 302). Gegen diese Auffassung Bradley p. 100, Dowden, Sh. (übers.) S. 103. M0) Bradley p. 173.

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wie in Tim. B mit einem entschiedenen Nein; sein Pessimismus erscheint aber doch schon so weit gesteigert, daß er am Werte des Lebens zweifelt, der ihm noch nicht lange zuvor selbstverständlich gewesen war. — Das Hauptgewicht fällt im ganzen Stücke auf die seelische Entwickelung des Titelhelden; alle übrigen Personen sind entweder dessen Gegenspieler, oder wirken neben ihm als bloße Staffagefiguren. 477. Viel Raum hat $h. in Haml. der Komik gewährt, die aber durch seinen damals beginnenden Pessimismus getrübt wird. Mit herber Satire zeichnet er eine Reihe von Höflingen: die beiden geistigen Zwillingsnullen Rosencrantz und Guildenstern, den erbärmlich kriecherischen Osric und den albern gespreizten Wichtigtuer und unerträglichen alten Schwätzer Polonius, den Vater der Ophelia, der Geliebten Hamlets. Die Lächerlichkeit und Erbärmlichkeit der Höflinge dient Sh., im Verein mit der Verworfenheit des Königspaares, als Folie für Hamlets sittliche Größe, die sich auf einem solchen dunklen Hintergrunde nur um so leuchtender abhebt. Ein Mann wie Hamlet an diesem völlig verdorbenen Hofe! Die Satire verstärkt hier nur die tragischen Grundlagen der ganzen dramatischen Situation. — Den 5. Akt eröffnen zwei Clowns. Sie sind Totengräber. Ihre Scherze wirken schon deshalb anders als die der gewöhnlichen Clowns, weil sie sich im Ideenkreis ihres Gewerbes bewegen. Die Komik des ersten Totengräbers verwandelt sich sogar in beißende Satire in seiner Bemerkung über die schon vor ihrem Tode verfaulten Menschen, deren Leichen kaum bis zur Bestattung vorhielten. In diesem Stück, dem der Tiefsinn seines sich in des Daseins Rätsel versenkenden Titelhelden seinen innersten Wert verleiht, ist selbst die lustige Person (denn als solche dürfen wir besonders den ersten Totengräber bezeichnen) ein spitzfindiger Grübler, »ein närrischer Philosoph der Verwesung«. Die düstere Stimmung, von der das ganze Stück durchtränkt ist, erstreckt sich also nicht nur auf das Gewerbe des Hanswurstes, sondern auch auf den Inhalt seiner Komik. Diese erhält eine tragische Färbung. 478. Haml. erschien zuerst im Druck in zwei Quartos von 1603 und 1604 und erlebte dann noch vor der Aufnahme in die erste Folio drei weitere Quart-Ausgaben. Die erste Quarto von 1603 unterscheidet sich sehr wesentlich von allen späteren Ausgaben: sie ist um etwa 1600 Zeilen kürzer; außerdem hat ein erheblicher Teil der Personen andere Namen als in den späteren Fassungen. Diese Abweichungen erklären sich am ehesten daraus, daß die Quarto von 1603 der Quelle des Dramas, Kyds verlorenem Urhamlet, noch am nächsten steht. Jene Quarto ist offenbar eine gegen den Willen des Dichters entstandene Raubausgabe; die

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späteren Quartos bieten das Stück in der Form dar, wie es Sh. selbst nach gründlicher Umarbeitung gestaltet sehen wollte. 479. Hauptquelle ist also Kyds Urhamlet. Es gibt unter den Schauspielen der englischen Komödianten in Deutschland ein Drama Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet aus Dänemark, das stofflich eng mit Haml. zusammenhängt. Jenes Stück ist aber kaum geeignet, uns von dem verlorenen Urhamlet ein Bild zu geben, sondern eher als eine den Zwecken einer Wandertruppe angepaßte Bearbeitung von Sh.s Haml. aufzufassen 321). Aus dem Urhamlet stammen: der Geist, Hamlets Zögern und das Schauspiel im Schauspiel 322). Bei K y d ist aber anscheinend Hamlets Verzögerung der Rache gar nicht motiviert; erst Sh. hat es unternommen, sie aus dem Charakter des Helden psychologisch zu begründen. Die Sage von Hamlet begegnet zuerst bei Saxo Grammaticus (Historia Danica, entstanden um 1200). Der aus Saxo stammende Stoff war schon um 1559 v o n Belleforest in einer Erzählung seiner Histoires tragiques behandelt worden, und aus Belleforest hat offenbar der Urhamlet geschöpft. Sh. muß aber neben dem Urhamlet auch noch Belleforest selbst benutzt haben 323 ). Schon aus Belleforest stammt wohl die christliche Färbung der Fabel, die bei Saxo noch rein heidnisch ist, der allgemeine Gang der Handlung und die meisten von deren Einzelheiten, z. B. die Tötung des Lauschers Polonius, sowie die Hauptcharaktere. Zusätze Sh.s sind besonders die Gestalt des Sohnes des Polonius, Laertes, der Hamlet im Zweikampf tötet, die Entlarvung des Königs (durch das Schauspiel im Schauspiel) und der Anschlag des Claudius auf das Leben Hamlets am Schluß. 480. Neben obigen Quellen tritt ein allgemeiner Einfluß von Montaignes Essais hervor, von denen 1603 eine englische Uebersetzung durch Florio erschienen war. Eine Stelle (V, 2, 7 ff.) ist zum Teil wörtlich aus Montaigne entlehnt; außerdem zeigen sich dessen Einwirkungen in manchen Gedankengängen von Hamlets Selbstgesprächen. Die Ratschläge, die Polonius seinem Sohne Laertes gibt (I 3), stammen aus Lylys Roman Euphues 324); auch der Brief Hamlets an Ophelia ist in euphuistischen Redewendungen abgefaßt, die halb ironisch gemeint sind. 481. Beziehungen auf Zeitereignisse liegen Sh.s dramatischer Dichtung im allgemeinen und besonders seinen romantischen Dramen fern. Deshalb ist es zweifelhaft, ob mit König Claudius Graf Leicester gemeint sei, der nach allgemeiner Annahme den ,!1)

Ward I I 163. "«) Verity p. X I X . >") Morsbach S. 53 ff. a24) Lee (deutsche Uebers. 1901), S. 56.

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Grafen Walter Essex vergiftet haben soll und dann dessen Witwe heiratete 325), oder der Mörder Lord Darnleys, Bothwell, der dann Darnleys Witwe, die Königin Maria Stuart, ehelichte 326). In beiden Fällen fehlt ein der Persönlichkeit Hamlets selbst gut entsprechendes geschichtliches Urbild. Auch die Gleichsetzung Hamlets mit dem Grafen Robert Essex 327) ist wenig wahrscheinlich. 482. Othello the Moor of Venice ( 1 6 0 4 ; 4 0 , 1622). Elmer Edgar S t o 1 1 , Othello. Minneapolis 1915 (vom vergleichenden Standpunkte aus). — W . R. T u r n b u l l : Othello, a Critical Study. Edinburgh 1892.

Oth. gilt gewöhnlich als Tragödie der Eifersucht; wir sind gewohnt, in Othello selbst den Typus eines eifersüchtigen Menschen zu erblicken. Diese Anschauung ist aber verkehrt: in der Lage, in die Othello durch die Niedertracht seines Gegners Iago, und durch eine unglückliche Verkettung von Umständen, allerdings auch durch seine übergroße Leichtgläubigkeit und Vertrauensseligkeit Iago gegenüber hineingerät, würde jeder Ehemann an der Treue seiner Gattin zweifeln. In Oth. haben wir es überhaupt nicht mit typischen, sondern mit ganz ungewöhnlichen Verhältnissen und Personen zu tun, die der Dichter nur durch die sehr lebendige dramatische Handlung und die meisterhafte Charakteristik der Personen menschlich näher gebracht, ja so fesselnd gestaltet hat, daß er uns über jene Ungewöhnlichkeit leicht hinwegtäuscht. 483. Ungewöhnlich ist schon die Voraussetzung der Handlung des Stückes: der dunkelhäutige Othello hat es in den Diensten der Republik Venedig bis zum Feldherrn gebracht, also in einem nichtorientalischen Lande Europas eine hohe Stellung errungen. Brabantio, ein Senator der adelsstolzen Republik, gibt ihm, wenn auch widerwillig, seine Tochter Desdemona zur Frau. 484. Aus dem Rahmen eines gewöhnlichen Bösewichts fällt auch der Charakter Iagos heraus; er ist ein Mann von fast teuflischer Bosheit, dessen wütender Haß gegen Othello nicht ganz ausreichend begründet wird. Als einen Grund für diesen Haß gibt Iago selbst den Neid an: Othello hat nicht ihn, den kriegserfahrenen Iago, sondern den kriegsunkundigen Cassio zu seinem Leutnant gemacht. Später sucht er sich selbst einzureden, daß Othello ihn mit seiner, Iagos, Gattin Emilia betrüge, aber anscheinend ohne selbst so recht daran zu glauben und nur, um die schurkischen Pläne, die er schmiedet, vor sich selbst zu rechtfertigen. Große geistige Ueberlegenheit und bedeutende Menschen325)

Brandes S. 489, Conrad S. 102. Brandes S. 489. 327) Conrad S. 139 ff.

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kenntnis befähigen ihn, die Menschen seiner Umgebung, auch seinen General Othello nach seinem Willen zu lenken. Das Bewußtsein dieser Ueberlegenheit gewährt ihm hohe Befriedigung und veranlaßt ihn, sie in immer neuen raffiniert angelegten Intrigen zu erproben. Er bedient sich dabei der Maske eines derben barschen soldatischen Biedermannes. Mit alledem wird aber doch nur ein Teil seiner Bosheit erklärt. Ein unerklärter Rest bleibt übrig, der nur zu begreifen ist, wenn wir annehmen, daß die Freude am Ränkespinnen und die Leidenschaft, andern Menschen zu schaden, für ihn Selbstzweck und sein eigentliches Lebenselement sind. Zugleich ist er mutig und von bewundernswerter Selbstbeherrschung. So hat Sh. dafür gesorgt, daß wir lago, trotz all seiner abgrundtiefen Schlechtigkeit, nicht als unwirklich, sondern als lebenswahr empfinden. In der Gestalt Edmunds in Lear begegnet uns der gleiche Charaktertypus unter völlig andern äußeren Verhältnissen. A m Schluß bereitet lago zwar Othello und Desdemona den Untergang, wird aber selbst, ganz gegen seine eigene allzukünstliche Berechnung, die das Gute als Beweggrund menschlicher Handlungen ganz außer Betracht gelassen hatte, als Schurke entlarvt und erhält den verdienten Lohn seiner Schandtaten. 485. Die Othello beigelegte Bezeichnung moor ist ebenso unbestimmt wie der entsprechende deutsche Ausdruck Mohr. Ursprünglich bedeutete beides einen Bewohner Mauretaniens, eines Landes, das Teile vom heutigen Marokko und Algerien umfaßte. Seine Bewohner wurden wegen ihrer dunklen Hautfarbe mit den Negern verwechselt; so kam es, daß der Ausdruck moor auch auf die Neger übertragen wurde. Neuerdings ist die Streitfrage aufgeworfen worden, ob Othello als Neger oder als dunkelhäutiger Nordafrikaner zu gelten habe. Wahrscheinlich hat Sh. überhaupt keine klare Vorstellung vom Unterschiede beider Volksstämme gehabt. Daß er aber bei Othello eher an einen richtigen Neger gedacht hat, dafür spricht besonders der Beiname thicklips, der ihm beigelegt wird. Aber auch Othellos ganzes Wesen paßt gut zu einem Neger. Er ist zwar ein Mann, der sich die Errungenschaften der abendländischen Kultur angeeignet hat, und besitzt außerdem persönlich gewinnende Eigenschaften: er ist tapfer, stolz, großmütig und offenherzig. Aber seine Negernatur kommt doch, trotz allen Kulturfirnisses, im Augenblicke der Leidenschaft unaufhaltsam zum Durchbruch; seine ursprüngliche afrikanische Wildheit zeigt sich dann in ihrer ganzen elementaren Wucht. Eigenhändig erwürgt er sein Weib Desdemona, nachdem er sich von ihrer Untreue überzeugt zu haben glaubt, allerdings nicht im Jähzorn, sondern als ihr sie bestrafender Richter. Gleich darauf kommt ihm

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freilich das Furchtbare seiner Tat zugleich mit der Erkenntnis von Desdemonas Unschuld zum Bewußtsein, und nun zögert er nicht, auch an sich selbst das Todesurteil zu vollstrecken, das er an Desdemona vollzogen hatte. — Als echter Neger erweist sich Othello auch in seiner geradezu kindlichen Vertrauensseligkeit gegenüber dem tückischen Iago, sowie in der kühnen Todesverachtung bei seinem Selbstmorde. 486. Den wirksamsten äußeren und inneren Gegensatz zum Mohren bildet die liebliche Desdemona. Sie ist ganz weibliche Zartheit, Hingebung und Unschuld. Gerade ihre Arglosigkeit und ihr Mangel an Menschenkenntnis stürzen sie ins Verderben. Sie versteht es nicht, den bösen Schein zu meiden, weil sie eben in ihrer Unschuld von dem Fehltritt, in dessen Verdacht sie geraten ist, überhaupt keine Ahnung hat. Diese Arglosigkeit ist die einzige Eigenschaft, die sie mit Othello teilt. Von einer sittlichen Schuld als Ursache ihres Verderbens kann bei ihr kaum die Rede sein; das Einzige, was ihr vorgeworfen werden könnte, die heimliche Flucht aus dem väterlichen Hause, reicht natürlich nicht aus zur Grundlage ihres tragischen Verhängnisses. 487. Nehmen wir die ungewöhnliche Situation, auf die sich das Stück gründet, als gegeben hin, so baut sich die Handlung mit wunderbarer Folgerichtigkeit darauf auf. Auch das tragische Ende Desdemonas und Othellos selbst wird so zu einer logischen Notwendigkeit. Auch wirkt die tragische Katastrophe trotz ihrer Furchtbarkeit versöhnend. Othello versöhnt uns mit der eigenhändigen Erdrosselung seines Weibes durch die Seelengröße, womit er sich selbst bestraft, nachdem er seinen schrecklichen Irrtum erkannt hat. Desdemona aber entfaltet im Augenblick ihres Todes die ganze Lieblichkeit und Holdseligkeit ihres Wesens zur schönsten Blüte. 488. Emilia, Desdemonas Kammerfrau, gehört zu den Naturen, deren große und gute Eigenschaften für gewöhnlich schlummern, aber im Augenblick einer starken Lebenskrisis unerwartet hervorbrechen. Hauptsächlich durch ihre Enthüllungen wird ihr Gatte Iago am Schluß entlarvt; indem sie dafür von ihm aus Rache erdolcht wird, büßt sie ihre Ueberzeugungstreue mit dem Tode. So sühnt sie zugleich ihre vorherige Schuld gegenüber Desdemona: denn sie hatte den Diebstahl des verhängnisvollen Taschentuchs zugelassen, der das Verderben ihrer Herrin besiegelte, und später geschwiegen, als Desdemona durch jenen Diebstahl unschuldig in den schlimmsten Verdacht geriet. Emilia zeigt eine gewisse Aehnlichkeit mit Paulina in Wint., aber auch mit Margarete in Ado. 489. Oth. erschien im Druck zuerst in einer Quart-Ausgabe von

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1622, der einzigen Quarto, die erst nach dem Tode des Dichters gedruckt worden ist. — Der Stoff beruht auf einer Erzählung in Giraldo Cinthios Novellensammlung Hecatommithi (1565 entstanden, 1585 ins Französische übersetzt). D a aber Desdemona der einzige daraus entnommene Name ist, und manche Einzelheiten nicht zu Cinthio stimmen, scheint Sh. neben diesem noch eine andere uns unbekannte Quelle gehabt zu haben 328). Die Zusätze Sh.s gegenüber Cinthio betreffen besonders den Anfang des Stückes: die Entführung der Desdemona, ihre heimliche Vermählung, die Anklage Brabantios, Othello habe das Herz seiner Tochter durch Zauberkünste gewonnen, ferner die Gestalt des venetianischen Patriziers Roderigo. 490. Die geschichtlichen Ereignisse, die den Hintergrund des Stückes bilden, fallen in den Mai 1570. Damals wurde Zypern, das bis dahin im Besitz Venedigs gewesen war, von den Türken angegriffen. In Oth. erfüllt der Titelheld die Aufgabe, jenen Angriff zurückzuschlagen. Es scheint aber zugleich auch noch ein anderer Abschnitt aus der venetianischen Geschichte in das Stück mit hineinzuspielen. In ihr begegnet uns seit 1498 als hervorragende Persönlichkeit ein Christophai Moro, dessen Schicksale denen Othellos ähnlich sind und der vielleicht als dessen geschichtliches Urbild gelten darf 329). Es ist vermutet worden, daß jener Ausdruck Moro, der nur einen dunkelhaarigen Menschen bezeichnet, als »Mohr« mißdeutet worden sei, daß also Othellos Beiname the Moor auf einem Mißverständnis beruhe. Ein solches ist aber jedenfalls nicht Sh. selbst zur Last zu legen, der von jenem Moro sicher nichts gewußt hat, sondern schon seiner Quelle Cinthio, deren Hauptheld schon ein Mohr ist. 491. King Lear (1605; 4 0 , 1608). E . B o d e: Die Learsage vor Sh. Halle a. S. 1904. — Christian E i d a m : Ueber die Sage von K ö n i g Lear. Schulprogr. W ü r z b u r g 1880. — Wilfried P e r r e t t : T h e S t o r y of K i n g L e a r from G e o f f r e y of Monmouth to Sh. Berlin 1904. — Q u e l l e n zu K ö n i g Lear, hg. v o n R u d . Fischer. B o n n 1914. — Eduard S i e v e r s: Sh.s Anteil an K i n g Lear. (In: Anglica I I «= Palaestra, B d . 148.) Leipzig 1925 (will aus satzmelodischen Gründen neben Sh. noch andere Verfasser unterscheiden).

492. Hauptquelle von Sh.s Lear ist das anonyme Stück The True Chronicle History of King Leir (1593; 4 0 , 1605. Hg. von G r e g ,Malone Soc. Reprints 1907; auch in Sh.s Library VI) 33°). D i e H a u p t h a n d l u n g v o n Lear liegt hier in ihren allgemeinen Umrissen schon vor; dagegen fehlt durchaus die in Sh.s S t ü c k so breiten R a u m ein"») H a r t in Arden Sh. über Oth. p. X X X I . Brandes S. 619. S50 ) Schelling, Eliz. Dr. I 294, stellt unter Vorbehalt L o d g e als Verfasser hin, was Perrett (p. 119) f ü r sehr unwahrscheinlich hält. 3")

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nehmende Nebenhandlung mit Gloucester und seinen beiden Söhnen. Dem treuen Kent Sh.s entspricht hier Perillus. Außerdem unterscheidet sich Leir von Lear durch den nichttragischen Schluß. Das Stück ist in einem leichten gefälligen Stil geschrieben, kann sich aber mit Sh.s Drama in keiner Weise messen. Erst Sh. hat den ihm überkommenen Stoff zu einem der gewaltigsten Dramen aller Zeiten gestaltet.

493. Lear. Alles erscheint in Lear, der Tragödie des Jähzorns und der Undankbarkeit, bis ins Ungeheure gesteigert. In einem Jähzorn, der keine Grenzen kennt, verjagt König Lear seine treue Tochter Cordelia, weil sie es in ihrer herben und spröden Aufrichtigkeit verschmäht hat, ihm wie ihre beiden andern Schwestern Goneril und Regan zu schmeicheln. Ebenso furchtbar wie dieser Jähzorn ist das Unglück, das durch die Undankbarkeit dieser beiden andern Töchter über den König hereinbricht. Die festesten Bande der Ordnung, Zucht und Sitte lösen sich nun; alle Normen werden in ihr Gegenteil verkehrt. Außer dem von Lear verbannten Grafen von Kent, der sich ihm in Verkleidung wieder anschließt, ist es jetzt allein der Narr, der beim Könige ausharrt. Diese Treue wirkt um so ergreifender, als es nur ein Narr ist, der sie übt. Die tragische Ironie des Dichters, die in dieser Narrenrolle liegt, erreicht ihren Gipfel in der Sturmszene auf der Heide (III 4): der durch sein namenloses Leid wahnsinnig gewordene König zusammen mit dem sich wahnsinnig stellenden Edgar und dem Narren als dem einzigen Vertreter der Vernunft — eine großartigere Ironie ist kaum denkbar. 494. Dieser Narrenrolle hat Sh. einen Inhalt gegeben, der weit über das hinausgeht, was einen gewöhnlichen Possenreißer zu kennzeichnen pflegt. Mit Recht wird die Rolle dieses Narren in unsern Theatern nicht dem Komiker, sondern dem Charakterdarsteller übertragen. Lears Narr ist ein Humorist, der die Unvernunft des Weltlaufs überhaupt zur Zielscheibe seiner Narrenkritik nimmt. Sh. benutzt ihn dazu, seinen eigenen damaligen Pessimismus auszudrücken. Der Humor dieses Narren wirkt aber nur tragisch. Die an sich schon so gewaltige tragische Wirkung des Stoffes wird durch ihn noch erheblich gesteigert: indem er immer wieder seine Geistesblitze in die grauenvolle Leidensnacht seines königlichen Gebieters hineinschleudert, erhellt er in grellem Streiflicht das Dunkel auf einen Augenblick, um es im nächsten nur um so schwärzer erscheinen zu lassen. — Auch des Narren Humor selbst ist in die düstere Stimmung getaucht, die das ganze Stück so reichlich durchtränkt. Die gedankenschwere gallige Art des Humors, die dieser Narr vertritt, läßt Lachlust überhaupt nicht aufkommen. Trotzdem er eigentlich nur nach seiner äußeren Hülle ein Narr ist, müssen wir ihn doch wegen seiner sittlichen Höhe und seines geistreichen gehaltvollen Witzes als den be-

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deutendsten Vertreter der Narrenrolle überhaupt, in allen Literaturen, betrachten. Ebensowenig wie die meisten andern Narren Sh.s hat Lears Narr einen unmittelbaren Anteil an der Handlung. Er nähert sich darin dem Chor der antiken Tragödie, ebenso auch durch die tragische Grundstimmung seiner humoristischen Kritik. 495. Die dramatische Darstellung des Wahnsinns birgt künstlerische Gefahren in sich; denn an sich wirkt er in keiner Weise poetisch. Bei Sh. dient aber auch der Wahnsinn der tragischen Ironie: in den lichten Augenblicken seiner geistigen Störung legt Lear mehr Vernunft und klare Erkenntnis der Personen und Dinge an den Tag, als in der Zeit der Verblendung vor seiner Erkrankimg. Der Wahnsinn dient hier also einem ähnlichen künstlerischen Zwecke wie das Narrentum: im Gewände der Torheit Weisheit zu verkünden. 496. In keinem andern Stücke Sh.s ist die Tragik von einer solchen erhabenen Kraft und wilden Größe. In den ungeheuren Leidenschaften, die hier mit einer durch keinerlei kulturelle Hindernisse gehemmten Wucht aufeinander prallen, erinnert uns das Stück an die großartigen Tragödien des Aeschylus. Es hat auch einige äußere Aehnlichkeit mit Tim. B, wobei Lear dem Timon, und der Narr dem Apemantus entspricht. In beiden Dramen schenkt der Held in übel angebrachter Großmut alles weg, wofür ihm mit schnödem Undank gelohnt wird. Wie Apemantus dem Timon, so hält auch der Narr dem König Lear immer wieder die Torheit seines Verfahrens vor. Der Pessimismus Sh.s äußert sich in Lear nicht in so maßloser Form wie in Tim. B. Die Tragik im Schicksal der beiden Hauptpersonen Lear und Cordelia enthält auch versöhnende Bestandteile. Ihr schließlicher Tod wirkt auf uns wie eine Befreiung nach dem Uebermaß ihres Leides. Neben schändlichem Undank sind Treue und Aufopferung ja selbst auch in Tim. B tatsächlich vorhandene Kräfte; ihre Wirkung ist aber in Lear sehr viel ergreifender. Wie bitter klingt aber doch auch hier der Ausspruch Gloucesters (IV, 1, 38), aus dem wir Sh.s eigene Ansicht heraushören: „As flies to wanton boys, are we to thi They kill us for their Sport."

gods,

Hier wird die göttliche Weltordnung selbst der Ungerechtigkeit und Willkür angeklagt. 497. Eine tragische Schuld der Cordelia, die von einigen Kritikern behauptet wird, kann nicht anerkannt werden. Weder die keusche Wortkargheit ihrer Wahrheitsliebe gehört hierher, obgleich sie dadurch das Verderben über ihren Vater und über sich selbst heraufbeschwört, noch der Umstand, daß sie später als Gattin des Königs von Frankreich an der Spitze eines französischen E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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Heeres in ihr Vaterland England einfällt, um ihrem Vater den englischen Thron zurückzuerobern. 498. In einem so gewaltigen Werke wäre ein nichttragischer Schluß wie in Leir schal und matt erschienen. Der tragische Ausgang war also eine künstlerische Notwendigkeit. 499. Die Nebenhandlung mit dem alten Grafen von Gloucester und seinen beiden ungleichen Söhnen Edgar und Edmund entspricht in ihren allgemeinsten Grundzügen der Haupthandlung; sie wirkt aber nicht wie eine bloße Wiederholung, sondern wie eine Ergänzung jener, und verstärkt so noch den mächtigen Gesamteindruck des Stückes. Auch in dieser Nebenhandlung handelt es sich um einen törichten Vater, der seine Gunst gerade dem unwürdigen Kinde zuwendet (seinem schurkischen Bastard Edmund), dagegen das Kind, das seiner Liebe' wirklich wert ist, von sich stößt (seinen rechtmäßigen Sohn Edgar). Auch Gloucester muß durch das von ihm begünstigte Kind schwärzesten Undank erleben, während Edgar ihm trotz seiner Verstoßung im Herzen treu bleibt. Edmund erinnert an Iago in Oth., aber auch an Richard III. Wie diesem die Mißgestalt, so wird Edmund die uneheliche Geburt zum Antrieb, sich durch seine Verbrechen gleichsam an der ganzen Menschheit für die Unbill des Schicksals zu rächen 3 3 1 ). Die beiden ursprünglich voneinander unabhängigen Fabeln sind mit unvergleichlicher Meisterschaft verknüpft. Edmund wird der doppelte Liebhaber Gonerils und Regans. Die gemeinsame Liebe zu ihm entzweit die bis dahin gegen ihren Vater verbündeten Schwestern, und stürzt beide in Tod und Verderben. Edgar und sein alter Vater sind treue Anhänger Lears auch in dessen höchstem Leide. Der alte Graf muß dafür durch den Verlust seines Augenlichts büßen: auf offener Szene werden ihm von dem schändlichen Herzog von Cornwall, Regans Gemahl, die Augen ausgestochen (III 7). Dieser Auftritt macht einen höchst widerwärtigen Eindruck; daß Sh. einen solchen Greuel nicht hinter die Szene verlegt hat, ist ein Mangel des sonst so großartigen Dramas. 500. Der Stoff ist fast zu groß für ein einzelnes Stück; er droht die dramatischen Fesseln durch die Vielheit der Personen und die Ueberfülle von Handlung zu sprengen. Auch leidet die Handlung vielfach an Unwahrscheinlichkeit und an ungenügender Motivierung; das alles fällt aber bei einem so gewaltigen Stoffe nur wenig in die Wagschale. 501. Neben dem anonymen Drama Leir als der Haupt quelle scheint Sh. gelegentlich auch Holinsheds Chronik benutzt zu 331 )

Bradley p. 301, Brandes S. 183.

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haben, die ihm aus der Zeit der Abfassung seiner Königsdramen so wohl vertraut war 332). Auch aus Gottfried von Monmouth und aus dem Minor for Magistrates (1561) ist einiges geschöpft 333). Eine unbedeutende Episode in Sidneys Arcadia lieferte Sh. den Stoff zu der eindrucksvollen Nebenhandlung 334). Die Todesart der Cordelia (durch Erhängen) sowie die Namensform Cordelia verdankt der Dichter wahrscheinlich Spensers Fairy Queen33*). Die in Lear dargestellte Fabel von dem Gegensatz der beiden älteren bösen und der jüngsten guten Schwester, die Liebesprobe des Vaters und die Undankbarkeit der Kinder sind uraltes Märchengut 336). 502. Das Stück erschien zuerst in einer Quarto von 1608, deren Abweichungen vom Text der ersten Folio auf Nachlässigkeit des Druckes zurückzuführen sind 337). 503. Lear ist überreich an Symbolik. Die Sturmszene auf der Heide entspricht in ihrer großartigen Natursymbolik den seelischen Stürmen in der Brust des königlichen Dulders. Das tragische Ende der Hauptpersonen deutet den Untergang einer ganzen Welt an, die zusammenstürzt, nachdem ihre Grundlagen zerbrochen sind. Die Charaktere des Stückes erweitern sich zu typischen Vertretern des Guten und des Bösen überhaupt. Lear rührt an die letzten Fragen der Menschheit. 504. Macbeth (1606; 2°, 1623). D . L . C h a m b e r s : The Metre of Macb. 1903. — Ernst K r ö g e r : Die Sage von Macb. bis zu Sh. Berlin 1904. —• W . D. S a r g e a u n t : Macb. London 1 9 1 7 . — Karl W e r d e r : Vorlesungen über Sh.s Macb. Berlin 1 8 8 5 (vielfach willkürliche Auslegung). — W o o d a 1 1 , vgl. § 464.

In Macb., der Tragödie des verbrecherischen Ehrgeizes, nimmt der Dichter ein Thema wieder auf, das er schon in R3B behandelt hatte: das Thema von dem Herrscher, der durch Mord einen Königsthron erlangt. Sonst aber haben beide Stücke wenig Gemeinsames. Richard III. ist schon gleich von vornherein ein verruchter Bösewicht, während Macbeth ursprünglich kein Verbrecher ist, und erst durch ein äußeres Ereignis auf die Bahn des Verbrechens gedrängt wird, wenn auch der verbrecherische Keim schon lange in der Seele des ehrgeizigen Mannes geschlummert hatte. Als siegreicher Feldherr kehrt Macbeth aus der Schlacht zurück; unterwegs wird durch die Weissagungen der Hexen zuerst in ihm der zuvor nur undeutliche Wunsch lebendig, König zu "«) MS ) rii ) J31 ) S3C ) 5 «)

Perrett p. 2 7 3 . Anders p. 1 4 1 ff. Anders p. 1 0 3 . Creizenach V 396. Creizenach V 4 0 1 . Vgl. das Märchen vom Ward II 175.

Aschenbrödel.

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werden. Immer tiefere Wurzel faßt dieser Gedanke in seiner Seele; schließlich steigert sich sein mit starker Einbildungskraft gepaarter Ehrgeiz zu brennender Begier, die keine sittlichen Schranken mehr anerkennt und auch vor einem Verbrechen nicht zurückschreckt. Im Dunkel der Nacht ermordet er, von seiner Gemahlin und Helfershelferin unterstützt, den guten alten König Duncan, während dieser als Gast unter seinem Dache weilt. Die psychologische Entwickelung des in der Seele eines Mörders entstehenden, allmählich bis zur Mordtat selbst reifenden Verbrechens hat Sh. in Macb. mit einer Meisterschaft ohnegleichen dargelegt, der in der neueren Literatur nur noch höchstens Dostojewskis Roman Raskolnikow an die Seite gestellt werden kann. Durch den Mord, der durch Verletzung der heiligsten Pflichten der Gastfreundschaft noch verabscheuungswürdiger wird, erlangt Macbeth die Krone Schottlands. Er kann aber den durch schwere Blutschuld erkauften Thron nur behaupten, indem er, um sich vor Entdeckung zu sichern, immer wieder neue Mordtaten begeht. Wir waten also in einem Meer von Blut; trotzdem darf das Stück keineswegs mit einem Schauerdrama wie Tit. auf gleiche Stufe gestellt werden. Nicht um äußerer Zwecke willen, um einen Nervenkitzel auszuüben, oder um möglichst kräftige Farben aufzutragen, werden hier die Mordtaten gehäuft; sie ergeben sich vielmehr mit Notwendigkeit aus dem Charakter des Helden. 505. Auch Macbeth bricht am Schluß, wie Richard III., unter der Last seiner Schuld zusammen. Auf die innere Entwickelung des Verbrechers auch nach der ersten Mordtat hat Sh. aber in Macb. viel mehr Gewicht gelegt; darin offenbart sich seine ganze inzwischen gewonnene künstlerische Reife. Wir verfolgen den allmählichen Fortgang der Zersetzung der Seele in Macbeth, die durch die schrecklichsten Gewissensbisse immer mehr zerstört wird: der schließliche äußere Untergang wird so nur zur Kehrseite der inneren Vernichtung. 506. Der erste Anstoß zum Plane von Duncans Ermordung entstand im Geiste Macbeths selbst; später aber wird seine Ehegenossin zur treibenden Kraft, die den zögernden, vor dem Morde zurückbebenden Gemahl rücksichtslos zur Ausführung der entsetzlichen Tat anstachelt. Sie erscheint hier als der mutigere Teil der beiden Gatten. Zuletzt aber zeigt sich doch der Unterschied der Geschlechter im Verhalten des Verbrecherpaares in einer naturgemäßeren Weise: während Macbeth die Reue über seine Taten in wahnsinnigem Trotz durch immer neue Verbrechen zu betäuben sucht, ist Lady Macbeth schon lange vor ihm körperlich und geistig völlig zerrüttet. Großartig in seiner Wirkung ist ihr letztes Auftreten (V 1): wir erblicken sie als wahnsinnige Nacht-

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wandlerin, deren Worte verraten, daß ihr irrer Geist keine andern Bilder mehr vor Augen hat als die der begangenen Verbrechen. — Nicht Liebe verbindet das verbrecherische Ehepaar, sondern bloße Interessengemeinschaft. 507. Komik begegnet in Mach, nur in einer merkwürdigen Szene (II 3). Eben ist Duncan ermordet worden (II 2). Den schroffsten Gegensatz zu der fürchterlichen Mordtat, unter deren vollem Eindruck wir noch stehen, bildet der nun folgende derbkomische Auftritt. Macduff und Lennox, zwei schottische Edelleute, klopfen ungestüm beim Morgengrauen an das Tor von Macbeths Schloß; der schlaftrunkene Pförtner träumt, er sei Pförtner der Hölle, und schreibt jede Erneuerung des Klopfens einem neuen, Einlaß begehrenden Sünder zu. In seinem durch ein Zechgelage des vorhergehenden Abends verstärkten Dämmerzustand zählt der Pförtner die einzelnen vermeintlichen Ankömmlinge auf, wobei er von jedem Geschöpf seines Dusels eine satirische Charakteristik entwirft. Unmittelbar nach einem so entsetzlichen Ereignis wie der Mordtat an Duncan würde alltägliche Komik schal und nüchtern wirken. Sh. konnte daher hier nur groteske Komik brauchen. Rein grotesk ist in der Tat die Lage, in die sich der Pförtner bei dem ungeduldigen Klopfen hineindenkt. Wie unwahrscheinlich sie aber auch zu sein scheint, sie erhält, dem Pförtner selbst völlig unbewußt, einen Schein von Wirklichkeit durch die eben geschehene gräßliche Tat. So wird auch hier in wahrhaft künstlerischer Weise, ähnlich wie bei den Totengräbern in Haml. und beim Narren in Lear, sogar die Komik der lustigen Person der tragischen Grundstimmung des ganzen Stückes angepaßt, zum tragischen Humor erhoben. 508. Als dramatisches Kunstwerk steht Mach, in seinem geschlossenen straffen Aufbau, seiner kraftvollen Handlung, in der jeder einzelne Bestandteil mit zwingender Logik den schließlichen Zusammenbruch vorbereitet, unter allen Stücken Sh.s am höchsten. In der neueren Literatur scheint mir in dieser Hinsicht nur Hebbels Maria Magdalena mit unserem Drama vergleichbar. 509. Die Hexen dienen zunächst nur dazu, im Zuschauer eine bestimmte Stimmung zu erregen. Mit genialer Sicherheit hat Sh., ohne jemals, soviel wir wissen, in Schottland gewesen zu sein, doch unbewußt den Stimmungsgehalt der schottischen wilden Hochlandromantik getroffen. Zu der herben ernsten Schönheit der schottischen Heidelandschaft mit all ihrem Dämmerhaften, Halbverschleierten, Geheimnisvollen passen trefflich die drei Hexen, die gleich zu Beginn des Stückes auf solch einer schottischen Heide auftreten. Zum zweiten Male begegnen wir den Hexen bald darauf (I 3). Hier hat ihr Erscheinen nicht nur Stimmungswert;

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sie erfüllen zugleich einen ähnlichen Zweck wie der Geist in Haml.: durch sie bekommt der Held erst die Haupttriebfeder all seines späteren Strebens and Handelns. Während anfangs die Hexen Macbeth aufgesucht hatten, ist es später (IV i) Macbeth, der zu den Hexen seine Zuflucht nimmt. Sie täuschen ihn durch listige Sprüche, die ihn in falsche Sicherheit wiegen. 510. Banquo, der Gefährte Macbeths bei der Weissagung der Hexen, wird auf dessen Veranlassung durch gedungene Meuchelmörder ermordet (III 3), weil dieser in ihm den geheimen Mitwisser seines Verbrechens an Duncan vermutet. Im nächsten Auftritt erscheint Banquos Geist bei der Bankettszene dem königlichen Mörder; sein Erscheinen soll aber offenbar nur eine bloße Sinnestäuschung andeuten, da nur Macbeth, nicht auch seine Gäste, den Geist wahrnehmen. Die ganze Szene ist durch den Gegensatz zwischen den äußeren Verhältnissen und dem Gemütszustande Macbeths von höchster dramatischer Wirkung. Einerseits das prunkvolle Königsmahl, Macbeth als anerkannter König am Ziel seiner Wünsche — andererseits statt der Freude über das Gelingen der ehrgeizigen Lebenspläne bei Macbeth nur furchtbare Angst und Gewissensqualen, die allen äußeren Glanz wertlos machen. 511. Die Hauptquelle ist wieder Holinsheds Chronik, aus der Sh. zwei verschiedene Geschichten zu einer einzigen verschmolzen hat: 1. die von Macbeth selbst; 2. die von der Ermordung des Königs Duffe, eines Vorfahren der Lady Macbeth, der 75 Jahre vor Duncan regierte, durch Donwald; die Einzelheiten dieses Mordes werden von Sh. auf den Mord Duncans übertragen 338). Aus Holinshed stammt auch die übermäßige Breite der Unterredung zwischen Malcolm und Macduff (IV 3); sie erklärt sich aus dem bei Sh. häufigen allzu genauen Anschluß an seine Vorlage. Im übrigen hat Sh. den Stoff frei umgestaltet; seine Erfindung sind Duncans Auftreten in Macbeths Schloß, Macbeths Verdächtigung der Söhne Duncans, ihren Vater ermordet zu haben, die Pförtnerszene, die Bankettszene, mit dem Erscheinen von Banquos Geist, die Schlafwandelszene und andere kleinere Zusätze 339). Der Dichter hat Banquo von der Mitschuld am Tode Duncans befreit, offenbar mit Rücksicht auf das Königshaus der Stuarts, das von Banquo abstammte und in der Person Jakobs I. seit 1603 auch über England herrschte 340). Indem Sh. in Mach, den Nachkommen Banquos den Besitz der schottischen Krone zuteilt, huldigt er Jakob; auf den Zusammenhang dieses Königs mit 338)

Collins, in Sh.s Works ed. Porter & Clarke Vol. 11, p. D. Cunningham, Arden Sh. über Mach. p. X X X V I I . 340) Kröger S. 19.

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Banquo wird an einer Stelle (IV i , 121 ff.) auch deutlich angespielt. Dagegen hat der Dichter die Mitschuld der L a d y Macbeth an Duncans Ermordung, wofür ihm Holinshed nur unbestimmte Angaben geboten hatte, in allen Einzelheiten genau ausgemalt. Das Motiv des wandelndes Waldes ist alte Sagenüberlieferung; auch die andere Weissagung, die Macbeth von den Hexen erhält, daß niemand ihm schaden könne, der von einem Weibe geboren sei, ist in Märchen und Sage weit verbreitet 341 ). 512. Der geschichtliche Macbeth steht in viel günstigerem Lichte da als der Sh.s. Er hatte ein größeres Anrecht auf den schottischen Thron als Duncan, und tötete diesen aus einer Art Notwehr, um jenes größere Recht dem Thronräuber Duncan gegenüber zu behaupten, zugleich auch um Blutrache zu üben für schweres Unrecht, das Duncans Vorfahren dem Geschlecht seiner Gemahlin angetan hatten. Der Macbeth der Geschichte war ein weiser gerechter und kraftvoller König; seine zehnjährige Regierung fällt in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts 342). Die geschichtlichen Ereignisse, die in Macb. in ein einziges Drama zusammengedrängt dargestellt werden, umfassen in Wirklichkeit einen Zeitraum von 17 Jahren. Die märchenhaften Bestandteile in der Sage von Macb.: die Hexen, der wandelnde Wald und der Nichtgeborene, sind dem Stoff durch den schottischen Dichter Andrew of Wintoun (1Drygynale Cronykill of Scotland, um 1420) hinzugefügt worden 343). Ihre endgültige Gestalt erhielt dann die Macb.-Sage durch den schottischen Geschichtschreiber Hector Boethius (f 1536) 344 ); Holinsheds Darstellung schließt sich ihm genau an. 513. Die tragische Ironie dient Sh. hier ebenso häufig und mit gleich mächtiger Wirkung als Kunstmittel wie in Lear : Duncan betritt Macbeths Schloß, worin er schon in der Nacht darauf seinen Tod finden sollte, mit dem Ausdruck der Befriedigung über die angenehme Lage des Gebäudes und die leichte milde Luft, die dort gastlich die heiteren Sinne umfange; beim Abschied zwischen Macbeth und Banquo muß letzterer versprechen, beim bevorstehenden Bankett nicht zu fehlen; er erfüllt dies Versprechen, indem er als Geist erscheint, u. a. m. 514. Macb. erschien im Druck zuerst in der ersten Folio von 1623, mit einem nicht sehr sorgfältigen Text. Dieser Mangel an Sorgfalt und einige kleine Widersprüche berechtigen uns aber noch nicht, in dem vorliegenden Text eine Bühnenbearbeitung 341)

Kröger S. 77 ff. Furness, Sh. Var. Ed. Macb. p. 379 ff. Brandes S. 600. 343) Kröger S. 60. 344) Kröger S. 100.

342)

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von Sh.s eigener zugrunde liegender Handschrift durch eine fremde Hand, etwa durch Middleton, anzunehmen, der in Witch einen verwandten Stoff behandelt hat 34S). Die übrigens spärlichen Anklänge dieses Stückes an Macb. sind offenbar bloße Nachahmungen. Die sonst so großartige Einheitlichkeit des dramatischen Aufbaus von Sh.s Stück verbietet es durchaus, einen fremden Bearbeiter des uns vorliegenden Textes vorauszusetzen. c) Allgemeines über Shakespeares Dramen. 515. D e u t s c h e U e b e r s e t z u n g e n . Auf die neueren Uebersetzungen kann hier nicht eingegangen werden. Die Hauptübersetzung ist für uns auch jetzt noch immer die von S c h l e g e l und T i e c k. Es ist neuerdings Uebung geworden, die allerdings vielfach vorhandenen Mängel dieser Uebersetzung ungebührlich hervorzuheben. Wenn man aber die Dürftigkeit der Hilfsmittel in Betracht zieht, die den Uebersetzern damals, im Vergleich zur Gegenwart, zur Verfügung standen, so ist ihre Uebersetzung immerhin eine staunenswerte Leistung. Das zeigt sich besonders bei den in manchen Stücken so überaus zahlreichen Wortspielen; denn diese sind ja ihrem Wesen nach unübersetzbar. Um sie also in einer Uebersetzung wiederzugeben, war meist eine völlige Neuschöpfung erforderlich; diese aber ist besonders Schlegel glänzend gelungen. Durch die Uebersetzung von Schlegel und Tieck wurde Sh. geradezu ein deutscher Klassiker; sie allein hat uns die feststehende Form dargeboten, in der wir »geflügelte Worte« aus Sh.s Werken zu zitieren pflegen. Eine neuere Uebersetzung müßte sich daher darauf beschränken, den Wortlaut von Schlegel und Tieck nur da zu ändern, wo ein offenbarer Fehler vorliegt, oder wo sie in der Schönheit der Form bedeutend über jene hinausgehen kann. Wünschenswert sind also nur Verbesserungen an einzelnen Stellen, nicht eine völlig neue Uebertragung. Es geht uns mit der Uebersetzung von Schlegel und Tieck ähnlich wie mit Luthers Bibelübersetzung: die Patina des Alters hat ihr einen Gefühlswert verliehen, mit dem in Wettbewerb zu treten einer späteren Uebersetzung kaum noch möglich sein wird, selbst wenn sie genauer und formvollendeter ist. 516. Hier ist auch nicht der Ort für eine eingehendere Besprechung auch nur der wichtigeren Werke aus der unübersehbaren L i t e r a t u r ü b e r S h . Nur einige allgemeine Bemerkungen seien mir hier gestattet, und einige wenige einschlägige Werke will ich aus der großen Fülle herausgreifen. 345)

Bradley p. 481, vgl. Cunningham, in Ar den Sh. Macb. p. X I I I ff.

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517. Die e n g l i s c h e S h . - K r i t i k berücksichtigt im allgemeinen viel weniger als die deutsche die ästhetische Seite seiner Dramen; sie beschränkt sich eher auf rein philologische Fragen. Bei den Engländern, die das Renaissancedrama ihres eigenen Volkes zum Gegenstand ihrer Forschung machen, besteht eine besondere Vorliebe für Untersuchungen über die Verfasserschaft solcher Dramen. Derartige Untersuchungen arten aber leicht in subjektive Willkür aus; sie bleiben oft an der Oberfläche und heften sich an bloße Aeußerlichkeiten, die den innersten Kern der Wesensart der einzelnen dichterischen Persönlichkeit gar nicht berühren. Auch Sh. ist von der Willkür dieser Methode nicht verschont geblieben: ohne Rücksicht auf das Zeugnis für die Echtheit seiner Stücke, das deren Aufnahme in die erste Folio von 1623 durch seine Freunde und Berufsgenossen Heminge und Condeil darstellt, werden ihm von der englischen Kritik ganze Dramen, die in dieser Folio enthalten sind, oder Teile solcher Dramen abgesprochen und andern Dichter zugewiesen 346). Meist ist der Grund für die Annahme der Unechtheit die Minderwertigkeit, die geringere Kunst eines ganzen Stückes oder einer einzelnen Stelle. Es geht aber nicht an, alles wirklich Poetische, alle gut gebauten Blankverse z. B. in Tim. B Sh. zuzuschreiben, alle unregelmäßigen hinkenden Verse, alles bloße Reimgeklingel und alle matte Prosa ihm aber abzusprechen 347 ); denn Sh. überragt seine Zeitgenossen nur im allgemeinen, aber durchaus nicht an jeder einzelnen Stelle seiner Werke. 518. Eine Ausnahmestellung innerhalb der englischen Sh.Kritik nimmt das Werk von A. C . B r a d l e y ein. Es behandelt die sich an die vier großen Meistertragödien knüpfenden ästhetischen Fragen mit überlegenem Feinsinn, und bietet vortreffliche psychologische Analysen der Hauptcharaktere. Die Arbeiten von Sidney L e e über Sh. genießen mit Recht großes Ansehen. Es entspricht der Absicht des Verfassers selbst, die ästhetische Kritik ganz zurücktreten zu lassen; so gewinnen wir aber durch ihn kein Bild von Sh.s künstlerischer Entwickelung. Rühmenswert ist gerade bei einem Engländer seine kritische Vorsicht gegenüber Hypothesen. Mitunter ist aber Lee, wie mir scheint, überkritisch; auch ist seine Darstellung recht nüchtern und trocken. Die Ausgaben des Arden Sh. und des Elizabethan Sh. (Herausgeber: H u d s o n ) enthalten treffliche Einleitungen zu den einzelnen Stücken. Die vom Amerikaner F u r n e s s herausgegebene New Variorum Edition ist besonders durch die ungeheure Reichhaltigkeit des Materials wertvoll. 316) 3 ")

Vgl. H6A § 269. Tit. So Sykes p. 3.

§ 385. Tim. B. § 462.

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HOCHRENAISSANCE.

519. Für d i e ältere d e u t s c h e S h . - K r i t i k war es ein besonderes Verhängnis, daß einige ihrer Führer von einer andern Wissenschaft her an die ästhetische und literarische Beurteilung des Dichters herangetreten sind, und daß diese anderen Wissenschaften sie in ihrem Urteil über Sh. befangen gemacht haben. G e r v i n u s übertrug als Historiker Maßstäbe der politischen Geschichte auf Sh.s dramatische Kunstwerke. U 1 r i c i glaubte als Philosoph in ihnen den dramatischen Ausdruck bestimmter philosophischer Gedanken zu erkennen; seine Auslegungen der Dramen Sh.s stellen wohl das Ungeheuerlichste an Verirrung in der Sh.-Kritik dar. Als eine Art bewußter oder unbewußter Nachfolger Ulricis war E . W. S i e v e r s geneigt, Sh.s Königsdramen als den Niederschlag gewisser staatsphilosophischer Anschauungen des Dichters anzusehen. Die ältere deutsche Sh.-Kritik ging offenbar von der Anschauung aus, daß jedes bedeutende Kunstwerk mehr enthalte, als sein Urheber selbst auszudrücken sich bewußt war, daß es also gleichsam über seinen eigenen Schöpfer hinauswachse. Damit ist aber der Willkür der Auslegung Tür und Tor geöffnet. E s kann nicht genug immer wieder betont werden, daß selbst die geistreichsten und scharfsinnigsten Deutungen wertlos sind, wenn sie dem Dichter die eigene moderne Denkart der betreffenden Kritiker unterlegen, statt sich in die anders geartete Anschauung des Dichters selbst hineinzudenken. — Unter den älteren deutschen Sh.-Forschern scheint mir K r e y s s i g durch die Besonnenheit seines wohlerwogenen klugen Urteils obenan zu stehen. Otto L u d w i g s Sh.-Studien sind nur unvollendet hinterlassene Skizzen zu einem geplanten größeren Werke, enthalten aber viele geistvolle Bemerkungen. 520. B u l t h a u p t ist ein scharfsinniger, mitunter allzu spitzfindiger Kritiker von sehr unabhängigem Urteil, der nur die Neigung hat, die Mängel von Sh.s Dramen allzusehr auf Kosten ihrer Vorzüge hervorzuheben. — W e t z (Sh. 2 1897) ist besonders durch Taine befruchtet worden, und sucht im Anschluß an dessen literaturgeschichtliche Methode die besondere Eigenart Sh.s durch Vergleichung mit der des so ganz anders gearteten Corneille als eines Vertreters des französischen Klassizismus herauszustellen. — Max J . W o 1 f f faßt mit selbständiger Kritik die bisherigen Ergebnisse der Sh.-Forschung geschmackvoll und geschickt zusammen, ist aber gelegentlich auch nicht ganz frei von gewagten Auslegungen, die eher geeignet sind, die eigene Geistreichigkeit, als Sh.s Gedankengänge darzulegen 348). Vgl. seine Bemerkungen über Thersites als Selbstverhöhnung des Satirikers (II 317).

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521. Es ist neuerdings fast Mode geworden, den R e n a i s s a n c e - C h a r a k t e r von Sh.s Dichtung abzuleugnen und ihn als Barockdichter hinzustellen 349). Diese Anschauung beruht auf einer argen Verkennung des Begriffs »Renaissance«, der allzu abstrakt aufgefaßt wird, als ein Begriff, dem in Wirklichkeit nichts oder allenfalls nur die bildende Kunst der italienischen Renaissance entspricht. Was bei Sh. für barock gehalten wird, das Unregelmäßige, Romantische, im Gegensatz zu der klassischen Klarheit und Regelmäßigkeit, wie sie in der Renaissance nur Italien aufzuweisen hat, das sind weiter nichts als mittelalterliche Erbstücke innerhalb der englischen Renaissance. 522. Dies mittelalterliche Erbe stellt e i n g e r m a n i s c h e s E l e m e n t in Sh.s Dichtung dar. Auch noch in anderen Zügen offenbart sich uns das germanische Wesen Sh.s. Während die Romanen das größere Gewicht auf den schönen Schein legen, erweist sich Sh. als ein germanischer Dichter darin, daß ihm die ungeschminkte Wahrheit die Hauptsache ist, selbst wenn sie rauh und schroff klingt und abstoßend wirkt. Das Germanentum Sh.s zeigt sich ferner in seiner gegenüber der romanischen reineren Auffassung der Ehe, in der aristokratischen Stellung des Herrn zum Diener, im Humor gegenüber dem romanischen Witz, im Zurücktreten der Intrige als Lustspielmotiv oder ihrer Auflösung in bloßen Spaß, in der Verknüpfung des Tragischen mit dem Komischen, in der Freiheit von allem Regelzwange, in der Darstellung hemmungsloser Leidenschaft, gegenüber der romanischen Schilderung des Widerstreits von Leidenschaft und Pflicht 35°) und in manchen andern Dingen. 523. Im allgemeinen ist Sh. als Dramatiker von so großer O b j e k t i v i t ä t , daß sich aus seinen Dramen nur unter Schwierigkeiten und bei Anwendung großer Vorsicht ein Bild seiner Persönlichkeit gewinnen läßt. In der Zeit seiner kraftstrotzenden Jugend enthält H5 am ehesten Spuren von S u b j e k t i v i t ä t . Aber auch ein Naturbursche wie der Bastard Faulconbridge in John C, oder der gleiche Typus des urwüchsigen Kraftmenschen in verfeinerter Form, vertreten durch Benedick in Ado oder Mercutio in Rom., wird von Sh. mit deutlich erkennbarer Sympathie behandelt, offenbar, weil auch in solchen Charakteren ein Stück von Sh.s eigener Seele steckt. Hamlet, Timon, ja sogar Thersites in Troil. dienen dem Dichter als Sprachrohr 349 ) Ausführlicheres über diesen Gegenstand in meinem Aufsatz: »Gehört Sh. zur Renaissance oder zum Barock?«, in der Festschrift für F. Kluge, Tübingen 1926 (S. 21—29). 350) Vgl. meinen Aufsatz über »Germanische Züge in Sh.s Werken« (Deutscher Volkswart, Jg. 6 [1921], S. 73—78, 1 2 4 — 1 3 0 ) .

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II.

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für seine eigene zeitweilige Stimmung und Verstimmung, wie umgekehrt Prospero in Tetnp. die Befreiung von dieser Verstimmung verkörpert. Sonst pflegt Sh. freilich seinen Gestalten völlig objektiv gegenüberzustehen; Othello und Macbeth z. B. zeichnet er, ähnlich wie Schiller seinen Wallenstein, ohne ihnen ein Stück seines eigenen Ich mitzugeben. 524. Die Spärlichkeit der Nachrichten über Sh.s Leben und die große Objektivität seiner Dramen, die ihn auch aus dem Katholizismus wertvolle poetische Anregungen schöpfen ließ, haben einige katholische Schriftsteller dazu verleitet, unsern Dichter als Katholiken hinzustellen 351 ). Sh. wurzelt aber durchaus im P r o t e s t a n t i s m u s ; er ist freilich kein protestantischer Fanatiker wie etwa Bale, sogar wie übrigens fast alle anderen Dramendichter seiner Zeit ein Gegner der Puritaner, aber durchaus nicht etwa aus Zuneigung für den Katholizismus, sondern nur wegen der puritanischen Feindschaft gegen das Theater. Dem Protestantismus verdankt Sh. die Freiheit seiner Weltanschauung; er ist Protestant, aber ohne irgendwie in der Dogmatik des Protestantismus befangen zu sein. Ein Katholik würde kaum schon bald nach den Glaubenskämpfen der Reformationszeit so abschreckende Vertreter römischer Herrschsucht und pfäffischen Intrigantentums gezeichnet haben wie Kardinal Beaufort in H6, den päpstlichen Legaten Pandulph in John C oder Kardinal Wolsey in H8. Protestantische Grundanschauungen sind es z. B., gegenüber der katholischen Mechanisierung des Gebets, und der katholischen Ueberschätzung der guten Werke, daß ein Gebet ohne Andacht nicht zum Himmel dringe (Haml. III 3, 98), und daß bloße Werkheiligkeit ohne bußfertige Gesinnung wertlos sei (H 5 IV, 1, 320). 525. Die Möglichkeit, daß in Sh.s Stücken v e r b o r g e n e A n s p i e l u n g e n a u f Z e i t e r e i g n i s s e stecken, daß einige Personen seiner Dramen A b b i l d e r v o n Zeitgen o s s e n sind, muß zugegeben werden (vgl. Troil. § 415); es ist aber sehr schwierig, solche Zeitbeziehungen mit Sicherheit nachzuweisen. Wer z. B. mit Conrad (vgl. § 481) den Grafen Robert Essex als das geschichtliche Urbild Hamlets hinstellt, der müßte erst beweisen, daß Sh. von seiner literarischen Quelle zugunsten des behaupteten geschichtlichen Urbildes abgewichen sei. 3äl ) A . F . R i o: Sh. A u s dem Franz. von K . Zell. Freiburg i. Br. 1864."— J. M . R a i c h : Sh.s Stellung zur katholischen Religion. Mainz 1884. — J. S p a n i e r : Der »Papist« Sh. im Haml. Trier 1890. — Dagegen Edu. V e h s e : Sh. als Protestant, Politiker, Psycholog und Dichter. B d . 1. 2. Hamburg 1851. — Mich. B e r n a y s : Sh. ein kathol. Dichter? Sh.-Jahrb. B d . 1 (1865).

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526. Sh.s B e t e i l i g u n g a m T h e a t e r s t r e i t (1598 bis 1601) zwischen Jonson einerseits, Dekker und Marston andererseits 362) ist aus den Dramen unseres Dichters allerdings deutlich zu ersehen. Er verhielt sich aber hierbei mit großer Zurückhaltung; im Gegensatz zu den unmittelbar beteiligten Dichtern ging er nur in sachlicher Weise auf den Streit ein. Jonson hatte im Prolog zu In Sh.s Historiendramen und seiner romantischen Kunst überhaupt den Kampf angesagt; Sh. verteidigte die Eigenart seiner Dichtung in den Prologen zu den einzelnen Akten von H5. 527. Daß Sh. S c h a u s p i e l e r war, verrät sich in seiner Vorliebe für Vergleiche des wirklichen Lebens mit der Bühne 3S3), und in dem breiten Raum, den die Vorbereitung des Schauspiels im Schauspiel in Haml. beansprucht. Eine genaue Kenntnis der Erfordernisse des Theaters, die nur aus praktischer Erfahrung erwachsen konnte, offenbaren Hamlets Weisungen und Ratschläge an die in jenem Schauspiel auftretenden Schauspieler. Aber auch der Bau und die Technik von Sh.s Stücken selbst erweisen ihn als einen Dramatiker von großer Bühnenpraxis; es paßt auch zu seinem Schauspielertum, daß jene Stücke nur für Zuschauer, nicht für bloße Leser bestimmt sind. Der unmittelbare Eindruck des Schauens ist ihm stets die Hauptsache. Sh.s Schauspielertum kommt auch in seiner Polemik gegen die Kindertruppen zum Vorschein, die aus den Chorsängern der Kgl. Kapelle gebildet worden waren und seit 1600 am neuen Blackfriars-Theater wirkten. Die erwachsenen Schauspieler fühlten sich natürlich durch den Wettbewerb und die bevorrechtete Stellung dieser Kindertruppen beeinträchtigt. Sh. hat seine Mißstimmung gegen sie durch den Mund Hamlets ausgedrückt (II, 2, 361 ff.). Solche Beziehungen zur Bühne bilden eine der Brücken, die von den Dramen des Dichters zu seinem persönlichen Leben hinüberleiten. 528. Sh.s Dramendichtung ist natürlich keine isolierte Größe; an tausend Fäden hing sie mit seiner Zeit und seinem Lande zusammen. Er war bei all seiner überragenden Bedeutung doch durchaus ein K i n d s e i n e r Z e i t u n d s e i n e s Volk e s . Es ist für ihn bezeichnend, daß er in bezug auf die formale Seite seiner Dramatik keineswegs ein Neuerer war; in allen äußeren Dingen folgte er gern älteren Vorbildern. 529. Im Renaissancedrama überwog noch wie in der Epik des Mittelalters das I n t e r e s s e f ü r d a s r e i n S t o f f l i c h e . Man empfand eine naive Freude an einer bunten wechselvollen Handlung, an tollen Abenteuern und am jähen Umschwung im Schicksal der handelnden Personen. Auch Sh. teilt mit seiner 352) 3M )

Vgl. Morsbach S. 21 ff. A m bekanntesten ist die Stelle in As II 7, 139 ff.

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ganzen Zeit diese Lust am dramatischen Fabulieren. Seine dichterische Größe, die Tiefe und Weite seiner Weltanschauung bricht aber doch, bei all seiner Freude am bloßen Stoff, immer wieder mit unwiderstehlicher Macht hervor in dem reichen Gedankengehalt, den er in seine Stücke hineingelegt hat. 530. Auch in der W a h l d e r S t o f f e selbst folgt Sh. fast in allen seinen Dramen nur dem allgemeinen Zuge der Zeit. Hierher gehört seine Vorliebe für Stoffe aus der italienischen Novellendichtung und aus der antiken, besonders römischen Geschichte und Literatur. Daß er aber, trotz der Menge fremder Stoffe, die er verarbeitete, im Grunde doch ein durchaus nationaler Dichter war, ergibt sich schon rein äußerlich daraus, daß unter seinen Dramen die verhältnismäßig am zahlreichsten sind, die einheimische Stoffe behandeln. Hierher gehören außer seinen 10 Historien und Wiv. auch zwei Stücke, die in der grauen Vorzeit Britanniens spielen: Cyrnb. und Lear, ferner Macb. Die Mannigfaltigkeit des Kulturgemisches der Renaissance hat in Sh. ihre reichste Blüte entfaltet. Zugleich aber erweist sich unser Dichter auch in seiner Fähigkeit, alle fremdartigen Bestandteile dem eigenen Volkstum anzupassen, als ein echter Vertreter des englischen Volkes. Trotzdem sein Geist durch eine Fülle fremder Einflüsse unausgesetzt befruchtet wurde, erscheinen uns seine Dramen doch als durchaus organisch aus heimischem Boden hervorgewachsen. So war Sh. im edelsten und besten Sinne ein volkstümlicher Dichter. 531. Sh.s früheste Stücke sind noch Lehrlingsarbeiten: im Trauerspiel ahmt er Marlowe und K y d nach (Tit.), im Lustspiel steht er unter Lylys Einfluß ( L L L ) ; schon bald aber wurde der Lehrling zum Meister, der alle seine Vorläufer weit hinter sich ließ. 532. Die Abhängigkeit Sh.s vom Zeitgeschmack tritt auch in seiner B e h a n d l u n g d e r S t o f f e hervor. Den Dramatikern der Renaissance lag es durchaus fern, ihren Stücken Lokalfarbe zu geben. Auch bei Sh. finden wir eine solche Gleichgültigkeit gegen alles das, was wir unter dem Begriff Lokalfarbe zusammenzufassen pflegen. Dieser M a n g e l a n L o k a l f a r b e findet sich aber doch nicht in allen Stücken Sh.s. In seinen in England selbst spielenden Dramen ist lokale Echtheit ja selbstverständlich; aber auch Macb. ist, wie wir gesehen haben, im Stimmungsgehalt echt schottisch, und daß Sh. dem Dänen Hamlet die ganze Schwerblütigkeit des brütenden Nordländers beilegt, ist wohl ebenso ein Zeichen der genialen Sicherheit seines künstlerischen Instinktes wie die satten Farben und die echt südliche Glut der Leidenschaft in Rom. 533. Mit der eben geschilderten Gleichgültigkeit gegen Lokalfarbe hängt es auch zusammen, daß bei den Dramatikern der

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volkstümlichen Richtung, selbst bei solchen mit akademischer Bildung, A n a c h r o n i s m e n und geographische S c h n i t z e r nicht selten sind. Auch Sh. ist reich daran: hierher gehören die Erwähnung des Aristoteles zur Zeit des trojanischen Krieges in Troil., die Trommeln in Cor., die Schlaguhr in Caes., die Kanonen in John C., ferner die Löwen des Ardennerwaldes in As, die Küste von Böhmen als dem Nachbarlande Siziliens in Wint., usw. 534. Auch in der schon mehrfach berührten V e r b i n d u n g v o n T r a g i k u n d K o m i k folgt Sh. nur einem allgemeinen Zuge der Zeit. Es zeigt sich aber in seiner dichterischen Laufbahn ein zunehmendes Geschick darin, Komik und Tragik zu verknüpfen. 1. Anfangs reiht Sh. Komik und Tragik noch ganz äußerlich aneinander, ohne Rücksicht darauf, ob die Stelle, die er der Komik innerhalb des Tragischen eingeräumt hat, zur Aufnahme von Komik besonders geeignet ist, und ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der Komik in ihrem Verhältnis zur Tragik. Das einzige Beispiel dafür bietet Tit. 2. Als angehender Meister zeigt Sh. deutlich das Bestreben, der Komik innerhalb des Trauerspiels den richtigen Platz anzuweisen. Dem Reinkomischen gebührt ein solcher Platz nur vor Beginn der entscheidenden Wendung zum eigentlich Tragischen, also in der ersten Hälfte des Trauerspiels. Dagegen erscheinen dem Dichter jetzt noch alle Arten des Komischen als gleichmäßig geeignet zur gelegentlichen Verwendung im Trauerspiel; er legt sich noch nicht die Frage vor, ob es nicht innerhalb des Komischen verschiedene Abstufungen einer solchen Eignung gebe. Das Komische hat also auch jetzt noch kaum einen andern Zweck als den der Belustigung. Ein passendes Beispiel ist Rom. 3. Als vollendeter Meister verfolgt Sh. mit der Komik, die er seinen Trauerspielen einfügt, einen höheren Zweck als den der bloßen Belustigung. Er sucht sie nun dem Gesamtcharakter der betreffenden Tragödie anzupassen und erhebt sie zu tragisch gefärbtem Humor. Beispiele dafür enthalten die drei tragischen Meisterwerke Haml., Lear und Mach. In diesen drei Trauerspielen hat Sh. die Komik mit künstlerischem Feingefühl der Gesamtidee des Stückes dienstbar gemacht, zwischen Tragik und Komik eine innere Beziehung hergestellt, so daß beide nicht mehr, wie in den älteren Tragödien, mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander stehen. Bei tragisch gefärbter Komik ist der Dichter in der Auswahl der Stelle, die er ihr innerhalb des Trauerspiels zuweist, weniger beschränkt als bei Komik von gewöhnlicher Art. Wir finden daher Komik von tragischer Färbung im 5. Akt von Haml.,

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nachdem die Wendung zum Tragischen schon längst eingetreten ist, und in Mach, unmittelbar nach Duncans Ermordung, womit Macbeth die tragische Schuld auf sich ladet, wodurch also der Knoten der tragischen Verwickelung eben geschürzt worden ist. Auch in der Behandlung des Komischen innerhalb des Trauerspiels lernen wir also Sh. als wahrhaft großen Künstler kennen, der ein ihm aus der Vorzeit überkommenes unvollkommenes Kunstprinzip in feinsinniger Weise veredelt hat 354). 535. Sh. war durchaus in den a r i s t o k r a t i s c h e n Anschauungen seiner Zeit befangen, die für die meisten damaligen Dramendichter charakteristisch waren, auch wenn sie selbst dem Bürgerstande entstammten. Sie schrieben eben ihre Stücke hauptsächlich für die aristokratische männliche Jugend, die den wichtigsten Teil des Bühnenpublikums ausmachte. Sh.s aristokratische Gesinnung zeigt sich besonders in den Szenen, wo er ganze Scharen niederen Volkes mit den oberen Schichten feindlich zusammenstoßen läßt, wie in H6B und Cor. Er verschont aber auch die höheren Klassen der Gesellschaft nicht; die Unnatur einer überfeinerten Kultur verspottet er ebenso 35S) wie die Einfalt und Unwissenheit der Unkultur. Alles Unechte, aller bloße Schein war ihm verhaßt. 536. So hoch Sh. auch seine Zeit überragte, so dürfen wir diese Ueberlegenheit seines Geistes doch nicht etwa in der Richtung der Aufgeklärtheit im heutigen Sinne suchen. Ebenso wie seine ganze Zeit scheint auch er selbst an die Bedeutung von Träumen, Vorahnungen und Zeichen, an Geister und Hexen geglaubt zu haben. Sh.s poetische Meisterschaft offenbart sich aber doch auch hier in dem Geschick, womit er den A b e r g l a u b e n seiner Zeit den Zwecken der Dichtung dienstbar zu machen weiß 35a). — Auch die dramatische Technik Sh.s bewegt sich durchaus in den zu seiner Zeit üblichen Bahnen, die freilich von unserem heutigen übertriebenen Bühnenrealismus sehr wesentlich abweichen. 537. Ein Kind seiner Zeit war Sh. also mehr in der Außenseite seines Wesens und seiner Dichtung. Der Kern dieses Wesens und der innere Gehalt seiner Werke hebt ihn über alle andern Dichter der Renaissance hoch empor, und macht ihn zu einem der bedeutendsten Dichter der Weltliteratur. Sh. darf als d e r g r ö ß t e und v i e l s e i t i g s t e D r a m a t i k e r aller Zeiten 3 " ) Vgl. meinen Aufsatz »Die Komik in Sh.s Trauerspielen«, Zeitschr. für den deutschen Unterr., Jg. 21 (1907), S. 737—752. *••) Vgl. LLL und die Schilderung des geckenhaften Boten, den König Heinrich IV. an Percy gesandt hat (H4A I, 3, 3 ff.). "•) Vgl. meinen Aufsatz »Volksaberglaube bei Sh.«, Zeitschr. f. d. dtsch. Unterr. Jg. 24 (1910), S. 229—245.

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bezeichnet werden. Alle übrigen großen Dramatiker sind mehr oder weniger einseitig veranlagt gewesen. Sh.s dichterischer Genius allein war gleichmäßig befähigt für das Trauerspiel wie für das Lustspiel; in beiden Dramengattungen hat der Dichter Kunstwerke höchsten Ranges geschaffen. 538. Sh.s Größe liegt vor allem darin, daß er seine Dichtung über die auch selbst bei dem bedeutendsten seiner dramatischen Nebenbuhler, bei Jonson, oft so enge zeitliche und örtliche Begrenzung hinaus ins G e b i e t d e s a l l g e m e i n M e n s c h l i c h e n erhoben hat. Dies erkennen wir vor allem in seinen großen Meisterwerken, bei denen uns ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem Genius überkommt, ein Gefühl, daß kein anderer Dichter als er selbst das damals geschaffen haben konnte, während bei den geringeren Dramen, z. B. bei Err., ein solches Gefühl durchaus fehlt. 539. Wie bei vielen andern Dramatikern jener Zeit, laufen auch bei Sh. oft e i n e H a u p t - u n d e i n e N e b e n h a n d l u n g nebeneinander her. Die Ueberlegenheit von Sh.s Kunst zeigt sich hierbei besonders in der Verknüpfung beider. Beide stehen meist in einer inneren Beziehung zueinander, wobei die eine gleichsam zur Erläuterung und Ergänzung der andern dient und diese in eine neue Beleuchtung rückt. So in Lear (§ 499); vgl. auch Merch. (§ 343). In Temp. wirkt der verräterische Anschlag des Kleeblatts Caliban, Stephano und Trinculo gegen Prospero wie eine Parodie auf den Verrat Antonios und Sebastians an demselben Prospero 357). 540. Große Kunst entfaltet Sh. auch in seiner Zeichnung von p a a r w e i s e a u f t r e t e n d e n C h a r a k t e r e n , wobei der eine als Folie zum Charakter des andern dient 358). Innerhalb einer allgemeinen Gleichartigkeit oder Gemeinsamkeit deckt Sh. individuelle Verschiedenheiten auf. So stellen z. B. Brutus und Cassius in Caes. zwei verschiedene Typen von Verschwörern dar. Die beiden Triumvirn Antonius und Octavius in Ant. sind als Charaktere einander sogar völlig entgegengesetzt. Selbst Nebenrollen wie die der beiden kleinen Prinzen oder der beiden Mörder des Herzogs von Clarence in R3B werden durch einige individuelle Besonderheiten unterschieden. Wo bei zwei Parallelgestalten eine Unterscheidung unterbleibt, geschieht das meist mit bewußter künstlerischer Absicht. So wird in Haml. bei Rosencrantz und Guildenstern der vollständige Mangel an persönlicher Eigenart in geistreicher Weise veranschaulicht dadurch, daß, wenn von dem einen die Rede ist, man ihn ohne weiteres mit dem andern ver35 ')

Dowden, Sh. übers. S. 292. Hudson, Eliz. S h . 3 (Caes.), p. X X X V I . E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

3M)

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tauschen kann, ohne daß es einen Unterschied macht (vgl. II, 2, 33 ff-)541. Im Gegensatz zu Morsbach (S. 12) bin ich der Meinung, daß bei Sh. die C h a r a k t e r z e i c h n u n g an Bedeutung die d r a « m a t i s c h e F a b e l noch überragt, wie groß auch die Rolle sein mag, die er letzterer zugeteilt hat (vgl. § 529). Das Stoffliche überwiegt bei ihm doch nur in den weniger hervorragenden Stücken wie Err. und Per.; sonst sind überall die Charaktere die Hauptsache, vor allem in den großen Meistertragödien. J e bedeutender das einzelne Drama ist, desto eher dient dessen Handlung dazu, die Charaktere gleichsam zu erläutern, den Faden darzubieten, an dem sich der Charakter in seinen einzelnen Aeußerungen abzurollen vermag. Daß manche Ereignisse und Situationen unabhängig von den Charakteren eintreten, ist kein Beweis für das Gegenteil. Wenn das Drama den Eindruck der Lebenswahrheit machen, einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen soll, hat auch der sog. Zufall wie im wirklichen Leben so auch im Drama seine innere Berechtigung. Uebrigens hat Sh. gerade in zweien seiner größten Meisterwerke, im Cor. und in Mach., die Rolle des Zufalls fast völlig ausgeschaltet. 542. M e t r i k . In Sh.s Dramen wechselt, wie auch bei andern Dramatikern, der Blankvers mit Prosa ab. Prosa ist die Form der Rede der unteren Stände und der dcrbkomischen Teile, während die oberen Schichten der Gesellschaft und die feinere Komik im Gewände des Verses aufzutreten pflegten. Beim Blankvers ist in der Entwickelung von Sh.s dramatischer Kunst, ebenfalls einem allgemeinen Zuge der Zeit entsprechend, eine allmähliche Zunahme weiblicher Versausgänge zu beobachten. Es handelt sich hier aber natürlich nur um eine allgemeine Zielrichtung, nicht um ein strenges Gesetz. Es geht selbstverständlich nicht an, die zeitliche Reihenfolge von Sh.s Dramen allein durch den Prozentsatz weiblicher Versausgänge zu bestimmen; darin läge eine allzu mechanische Auffassung geistiger Arbeit und künstlerischen Schaffens. — 543. Kurze Reimpaare dienen dazu, die Sprache übermenschlicher Wesen zu kennzeichnen, so Pucks in Mids., Ariels in Temp., der Hexen in Mach. In den älteren Stücken Sh.s begegnen noch lose gebaute paarweis gereimte Knittelverse (doggerei rhymes), so in LLL, Err., Shrew B. In LLL wird in den von Holofernes vorgetragenen Versen zu komischen Zwecken die Alliteration angehäuft, ebenso wie an einigen Stellen des Rüpelspiels in Mids. Das fünffüßige jambische Reimpaar ist, wie auch sonst im englischen Drama jener Zeit, zur Bezeichnung des Szenenschlusses beliebt; außerhalb des letzteren kommt es ebenso wie der kreuz-

H.

WILLIAM

SHAKESPEARE.

243

weis gereimte fünffüßige Jambus nur in den älteren Stücken vor (LLL, Err., Mids.). 544. Im Anhang sei hier noch die sog. B a c o n - T h e o r i e kurz behandelt. Eine jede Wissenschaft ist durch Uebertreibung der ihr eigentümlichen Methode Ausartungen ausgesetzt. Zu den Ausartungen der einen wesentlichen Bestandteil der geschichtlichen und literaturgeschichtlichen Methode bildenden historischen Kritik gehört die in unserer Zeit so vielfach hervortretende Neigung, ohne genügenden Grund um jeden Preis die bisherigen geschichtlichen Werturteile umzustoßen, »Ehrenrettungen« an Personen zu vollziehen, die solche gar nicht verdienen, oder große Persönlichkeiten ihres alten Ruhmes zu berauben, und diesen Ruhm auf andere zu übertragen, denen er nicht gebührt. Das auffallendste Beispiel einer derartigen Ausartung der historischen Kritik stellt die Bacon-Theorie dar, d. h. die Lehre, die uns unter dem Namen Sh.s überlieferten Dramen seien gar nicht von ihm, sondern vom Philosophen Francis Bacon verfaßt worden. Eine amerikanische Dame, Delia Bacon, hat zuerst 1856 diese unsinnige Behauptung aufgestellt. Sie hatte damit einen nachhaltigeren Erfolg, als man nach dem tatsächlichen Gewicht ihrer Ausführungen erwarten konnte. Ihre Schrift enthielt den Krankheitskeim zu einer ansteckenden geistigen Seuche, und gab den ersten Anstoß zu einer inzwischen zu großem Umfang angeschwollenen Literatur, die immer noch weiter wächst, obgleich alle wirklichen Kenner Sh.s die Bacon-Theorie völlig ablehnen. In zahlreichen Gegenschriften ist die Bacon-Theorie schon widerlegt worden; die Baconianer pflegen freilich auch die schlagendsten Beweisgründe ihrer Gegner unbeachtet zu lassen. 545. Als Stütze für ihre Ansicht führen die Baconianer, mit maßloser Uebertreibung, immer wieder die angebliche Unbildung des Schauspielers Sh. an, der daher unmöglich der Verfasser der unter seinem Namen überlieferten Dramen gewesen sein könne. Ein anderer beliebter Einwand gegen Sh.s Verfasserschaft ist der angebliche Mangel an gut beglaubigten Nachrichten über sein Leben (vgl. § 248). Die nicht wenigen ausdrücklichen Zeugnisse für Sh. als den Verfasser seiner Dramen werden von den Baconianern entweder ganz übersehen oder gewaltsam umgedeutet. Außerdem sind der mit einem unendlichen Reichtum an schöpferischer Einbildungskraft begabte Dichter jener Dramen und der nüchterne Verstandesmensch Bacon ihrem Wesen nach so grundverschieden voneinander, daß letzterer für die Verfasserschaft jener Stücke am allerwenigsten in Betracht kommt, selbst wenn man wirklich, wozu gar kein ausreichender Grund vorliegt, Sh. als ihren Verfasser ausschalten würde. 16*

244

H . D A S E I G E N T L I C H E D R A M A DER H O C H R E N A I S S A N C E .

546. F ü r die Unehrlichen unter den Aposteln der Bacon-Theorie ist der Drang, Aufsehen zu erregen, ein Hauptbeweggrund. Sie finden unter der großen Menge schon deshalb manche Anhänger, weil für viele eine irrige, aber verblüffende neue Hypothese lockender ist als die schlichte Wahrheit, die nichts Neues bietet. Bei den ehrlichen Baconianern bemerken wir vielfach einen Mangel an Verständnis für das Wesen des genialen Menschen. Das Genie ist eine unmeßbare Größe; wer es als bloße Rechenaufgabe behandelt, dem wird immer ein Rest bleiben, der nicht aufgehen will, nicht erklärt werden kann. Die Ehrlichen unter den Baconianern gleichen Leuten, die das Unendliche mit dem Zentimetermaß messen wollen, und weil es sich damit überhaupt nicht messen läßt, kurzweg erklären, es gebe gar kein Unendliches. 5 4 7 . Die pseudoshakespearesche Dramen. The S h. A p o c r y p h a being a Collection of 14 Plays which have been ascribed to Sh. ed. with Introduction, Notes and Bibliography by C. F . Tucker B r o o k e . Oxford 1906 (beste Ausgabe). — Doubtful P l a y s of William Sh. (6 Stücke enthaltend, Hrsg. Max M o 1 1 k e). Leipzig 1869. — H. Dugdale S y k e s : Sidelights on Sh., being Studies on Kinsm., H 8, Ard., Yorksh., John B , Leir, Per. Stratford on Avon 1919. Das Ansehen und der Ruhm, deren sich Sh. schon zu seinen Lebzeiten erfreute, kommt auch darin zum Ausdruck, daß andere Dichter sich mit seinen Federn schmückten. Von den 14 Stücken, die ihm fälschlich beigelegt wurden, sind 6 in die dritte Folio-Ausgabe von 1664 und die vierte Folio von 1685 von Sh.s Werken aufgenommen worden: Locr., Oldc., Cromw., Prod., Pur. und Yorksh. Drei einschlägige Stücke nennen auf dem Titelblatt als Verfasser W. S.: Locr., Cromw. und Pur.', die Abkürzung wurde offensichtlich mit der Absicht des Betruges gemacht, um dahinter den großen Dichter vermuten zu lassen. 548. Die Stücke sind ebenso verschieden in ihrem Inhalt wie in ihrem Kunstwert; die anonymen Verfasser scheinen auch verschiedene Personen zu sein. 549. S t o f f e a u s d e r e n g l i s c h e n G e s c h i c h t e . The Reign of King Edward III. (um 1 5 9 4 ; 4 0 , 1596). Gustav L i e b a u: König E. und die Gräfin von Salisbury. Weimar 1900. Dies hervorragende anonyme Drama war für die Kritik der reine Tummelplatz des Rätselratens in bezug auf die Verfasserschaft. Es ist aber wohl ein müßiges Beginnen, nach dem oder den Verfassern zu forschen. Die Möglichkeit besteht doch, daß selbst ein bedeutender Dichter damals wie heute dauernd anonym blieb und zugleich aus irgendwelchen Gründen nur ein einziges Stück verfaßt hat. Ein solcher Fall mag hier vorliegen; der unbekannte Verfasser wird vielleicht überhaupt niemals zu ermitteln sein. Ein kräftiger englischer Nationalstolz entfaltet sich hier besonders bei der Darstellung des Krieges zwischen England und Frankreich und der für die Engländer siegreichen Schlacht von Crfecy (1346). Die geschichtlichen Teile des Stückes beruhen auf Holinsheds Chronik; die Liebschaft zwischen dem Titelhelden und der Gräfin von Salisbury ist einer in Painters Palace of Pleasure übersetzten Novelle Bandellos entlehnt. Sh. kommt als Verfasser schon wegen der Verschiedenheit des Stiles von dem seiner unzweifelhaft echten Stücke kaum in Betracht.

H. WILLIAM

SHAKESPEARE.

550. Sir Thomas More ( u m 1 5 9 0 ;

Hds.).

Beste Ausgabe

245 von

W . W . G r e g , Malone Soc. Reprints. 1911. A. W . P o l l a r d , W . W . G r e g , E . M. T h o m p s o n , J . Dover W i 1s o n , R . W. C h a m b e r s : Sh.'s Hand in the Play of More. Cambridge 1923Dies handschriftlich überlieferte Stück wurde zuerst 1844 von D y c e für die Sh. Society herausgegeben. Es schildert das Leben und Sterben des bekannten Staatsmannes im Anschluß an Halls Chronik. Ein Zusatz des anonymen Dichters ist die Gestalt der Doli Williamson, die mit urwüchsiger Derbheit der englischen Abneigung gegen die im Lande wohnenden Fremden Ausdruck verleiht. Als Verfasser des größeren Teils des Dramas darf Anth. M u n d a y gelten. Ueber die Moralität, die der Titelheld zu Ehren des Lord Mayor als Einlage aufführen läßt, s. § 74. Das größte Interesse aber gewinnt das Stück für uns dadurch, daß unter seinen handschriftlichen ZusätzeD einer von drei Seiten sich findet, der vielleicht von Sh.s eigener Hand herrührt. Es handelt sich um Bl. 8 a, 8 b und 9 a (Greg. p. 73—78, V. 121—270, Zusatz D), eine Aufruhrszene darstellend, die in der Art wie Cades Aufstand in H6B geschildert wird und zuerst von Rieh. Simpson Sh. selbst zugeschrieben worden war' 5 »). Englands angesehenster Paläograph Sir E. M. Thompson kam schon 1916 durch eine sorgfältige Vergleichung der Handschrift mit den uns überlieferten 6 Unterschriften des Dichters zu einer Bestätigung obiger Vermutung. 1923 verband sich Thompson mit andern Gelehrten zu einer erneuten Prüfung der Frage, wobei er zu dem gleichen Ergebnis gelangte; er wurde hierbei von J. Dover Wilson durch bibliographische und orthographische Beweisgründe gestützt, von R. \V. Chambers durch den Hinweis auf eine Verwandtschaft der bei Sh. hervortretenden politischen Ideen mit denen des Handschriftenabschnitts, auch auf die gleichartige Auffassung des niederen Volkes und auf stilistische Aehnlichkeiten » ,0 ). 5 5 1 . Thomas Lord Cromwell ( u m 1 5 9 2 ; 4 0 , 1602). Cromw. schildert mit einer kindlichen Charakteristik und ohne viel Zusammenhang der einzelnen Szenen untereinander das Leben des 1540 hingerichteten Ministers Heinrichs VIII., im Anschluß an Foxes Book of Martyrs (1563). Ueber Oldc. s. § 245. 552. Locrine ( 1 5 8 6 ; 4 0 , 1595). Theod. E r b e : Die L.-Sage. Diss. Halle a. S. 1904. Die vorangelsächsische Zeit der alten Briten bildet den geschichtlichen Hintergrund für dies Trauerspiel. Sein ernster Teil stellt eine Rachetragödie dar; hier herrscht der gespreizte konventionelle Stil der Nachahmer Senecas vor. Hauptquelle ist Gottfried von Monmouth, mit gelegentlichen Anleihen bei Caxton und Holinshed. Ueber die Anklänge an Selim. s. § 224. Für die Kunstbedürfnisse der »Gründlinge des Parterres« sorgt ausgiebig die possenhafte Komik des Clowns Strumbo, der im Mittelpunkt einer Nebenhandlung steht. 553. Stofflich knüpft ebenfalls an die sagenhafte Vorzeit Britanniens an The Birth of Merlin; or, The Child hath found His Father (um 1602), ,M)

In einem Aufsatz in Notes & Queries, 1. Juli 1871. ""j Sh.s Verfasserschaft wird geleugnet von B . A. P. van Dam, Text of Hamlet, 1925, und als unsicher hingestellt von W. Keller (Sh.-Jahrbuch Bd. 61 (N. F . Bd. 2 [1925] S. 134 ff.). Auch L. L. Schücking bezweifelt sie aus beachtenswerten Gründen (vgl. Sh.-Jahrbuch 62 [1926], S. 186 ff.).

246

II. DAS EIGENTLICHE

DRAMA D E R

HOCHRENAISSANCE.

nach der Quarto von 1662 von W. Sh. und William R o w 1 e y. Die Romantik der Arthursage erscheint hier in unharmonischer Verbindung mit plumpen Clownspossen; die Komik beruht auf der Verknüpfung des Uebernatürlichen mit dem Alltäglichen, Hausbackenen. Sh. ist sicher am Stück in keiner Weise beteiligt, und W. Rowley wohl der einzige Verfasser. 554. D i e L o n d o n e r S i t t e n k o m ö d i e ist vertreten durch zwei Stücke: Prod. und Pur. In The London Frodigal (1603; 4 0 , 1605) begegnen wir einigen der feststehenden Typen jener Dramengattung: dem liederlichen jungen Manne, an dessen schließliche plötzliche Bekehrung wir nicht recht glauben können, einem südwestliche Mundart redenden Tuchhändler aus Devonshire als der komischen Hauptperson, u. a. Die Handlung ist lebhaft und frisch, aber die Charakteristik oberflächlich. 555. The Puritan; or, The Widow of Watling Street (1606 gedr. 1607). A. T z e u t s c h l e r : Das Drama Pur. Eine literarhistor. Untersuchung. Diss. Breslau 1909. Pur. erinnert durch seine redenden Namen an Jonsons Lustspieltechnik, und ist Sh.s Art so unähnlich als möglich. Hauptzweck des Stückes ist es, die Puritaner lächerlich zu machen; das besorgt ein früherer Oxforder Student George Pye-board, dessen lustige Streiche an die Peeles erinnern. 556. R o m a n t i s c h e K o m ö d i e n sind Em, Muc. und Edm. Fair Em the Miller's Daughter of Manchester, with the Love of William the Conqueror (vor 1587; gedr. 1631). Paul L o h r : Le printemps d'Yver und die Quelle zu Em. Berlin 1912. Em hat einen schablonenhaft regelmäßigen Aufbau, und setzt sich mit unkünstlerischer Verknüpfung aus einer Doppelhandlung zusammen. Der Verfasser hat Jacques d'Yver's Printemps d'Yver und eine Ballade The Miller's Daughter of Manchester benutzt. Das Stück gleicht in dem Motiv der Liebe eines vornehmen Mannes zu einem einfachen Mädchen Greenes Bac., ist aber wohl älter als dies Drama. 557. Mucedorus the King's Son of Valentia, and Amadine the King's Daughter of Arragon (um 1590; 4 0 , 1598). Auch bei Dodsley 4 VII. Muc. vermengt ebenfalls Romantik mit Clownspossen M1 ). Die sehr unwahrscheinliche Handlung ist von geradezu kindlicher Unbeholfenheit, und hat einen gewissen Reiz höchstens durch ihre Frische, wie sie aller ganz primitiven naiven Kunst eigen ist M! ). 558. The Merry Devil of Edmonton (um 1596/97; 4 0 , 1608). Auch bei Dodsley 4 X . Der unbekannte Verfasser erweist sich als ein Nachahmer Sh.s in der Charakteristik des Gastwirts Blague, der ähnlich wie der Wirt zum Hosenband in Wiv. seine Reden mit immer wiederkehrenden feststehenden Wendungen zu schließen liebt. An künstlerischem Wert überragt das Stück die beiden vorigen Dramen. Die Verknüpfung des damaligen englischen Alltagslebens mit übernatürlichen Bestandteilen verleiht ihm einen eigenartigen Reiz MS ). M1 )

Creizenach V 103. »») Brooke p. V I I . Ms ) Creizenach V 330.

I. D I E N A C H A H M E R S E N E C A S U N D G A R N I E R S U S W .

247

559. Schon zu Sh.s Lebzeiten kamen als eine neue Abart des Trauerspiels Stücke auf, in denen ein zeitgenössischer auf englischem Boden verübter Mord dramatisch verarbeitet wurde. Diese h ä u s l i c h e Tragödie ist unter den einschlägigen Dramen zweifach vertreten, durch Ard. und Yorksh. Die Vorliebe der Engländer für Kriminalgeschichten macht sich hier also schon früh auch auf dramatischem Gebiete geltend.

Arden of Feversham (1586; 4°, 1592). Hg. von B a y n e , Temple Dramatists 1897. Ard. ist das älteste uns bekannte bürgerliche Trauerspiel innerhalb des englischen Dramas. Die zugrunde liegende Mordtat berichtet schon Holinshed, aus dem auch der Verfasser geschöpft hat. Sh. scheidet als Verfasser schon wegen der frühen Entstehungszeit des Stückes aus. Ard. ist in seiner Art eine bedeutende Leistung, und von erschütternder Realistik. Die Handlung wirkt aber trotz aller Spannung schließlich doch ermüdend dadurch, daß der Mord, der im Mittelpunkt der Darstellung steht und eigentlich schon zu Ende des ersten Aktes geschehen sollte, immer wieder durch unvorhergesehene Hindernisse vereitelt wird, bis er endlich am Schluß des fünften Aktes gelingt. 560. A Yorkshire Tragedy (1605; 4 0 , 1608) ist eine viel plumpere und oberflächlichere Arbeit. Mit Sh. hat das Stück, trotzdem dieser im Titel der Quarto von 1608 als Verfasser genannt wird, gar nichts zu tun, schon deshalb, weil es im Stil völlig von dem seinigen abweicht.

561. The Two Noble Kinsmen (1612; 4 0 , 1634). Eine Sonderstellung innerhalb unserer Gruppe nimmt Kinsm. ein, nach der Quarto von 1634 von John F l e t c h e r und W. Sh. M4 ). Das Stück ist eine Dramatisierung der uns durch Chaucers Knight's Tale bekannten Fabel von der gemeinsamen Liebe des Freundespaars Palamon und Arcite zu Emilia, der Schwester des Theseus, und ihrer aus dieser Liebe erwachsenden Feindschaft. Wir haben es hier also mit einem antiken Stoff zu tun, der sich in das Gewand der mittelalterlichen Ritterromantik kleidet. Die Tochter des Kerkermeisters, die sich in Palamon verliebt, ist ein Zusatz der Verfasser. Zu diesen gehört sicher Fletcher. Ueber die Mitarbeiterschaft Sh.s sind die Meinungen geteilt; sie ist mindestens zweifelhaft. Anklänge an Oth., Hatnl. und Temp. sind deutlich erkennbar M5 ).

I. Die Nachahmer Senecas und Garniers zur Zeit Shakespeares. 562. Oskar B a 11 w e g : Das klassizistische Drama zur Zeit Shakespeares. Heidelberg 1909. — A . B u b e r t : Sam. Daniels »Cleopatra« und »Pkilotas• und Sam. Brandons »Virtuous Octavia«. Diss. Königsberg 1913.

563. Samuel Daniel (1562—1619). The Complete Works in Verse and Prose ed. by Alex. B. in 4 vols. Vol. 3: The Dramatic Works. London 1885.

Grosart

S. D. wurde als Sohn eines Musiklehrers in der Nähe von Taunton (Somerset) geboren; er studierte seit 1580 in Oxford, verließ aber diese Universität 1583, ohne einen Grad erlangt zu haben. Unter dem Einfluß der Gräfin von Pembroke wurde er ein Be*•*) A. H. Cruickshank: Massinger and Kinsm. Oxford 1922. MS) Vgl. I V , 1, 103. — Der Wahnsinn der Tochter des Kerkermeisters erinnert an den der Ophelia und zugleich an Temp. (IV, 1, 185 ff.).

248

I I . D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

wunderer der altklassischen Tragödie und ein eifriger Verfechter der klassizistischen Richtung innerhalb des englischen Trauerspiels. Bei Hofe genoß er als Dichter großes Ansehen; dagegen war Jonson sein erbitterter Gegner; wahrscheinlich ist er mit der Gestalt des Fastidious Brisk in dessen Every Man out of His Humour gemeint. Dieser Brisk wird als höfischer Stutzer dargestellt, der mit seinen vornehmen Beziehungen wichtig tut, auf gute Kleider und auf die Gunst der Damen erpicht ist. 564. Cleopatra (1593; 12 0 , 1594). Hg. von L e d e r e r , Bangs Materialien, Bd. 31 (1911). Amandus M ü l l e r : Leipzig 1914.

Studien

zur S. D.s Tragödie

Cleop.

A.

Diss.

Das Stück führt die Geschichte der Kleopatra erst v o m Tode des Antonius an vor. Sie wird als groß und edel geschildert, ohne die schlimmen Eigenschaften, die ihr in Shakespeares Anl. anhaften. Der Dichter folgt ganz dem Muster Senecas. Die Aufzüge enden mit Chorgesängen; alle Regeln der altrömischen Tragödie werden streng eingehalten. Ein rein rhetorisches Lesedrama, würdig, aber steif und kühl; es scheint niemals aufgeführt worden zu sein. Wie die meisten klassizistischen Trauerspiele ist es reich an epischen Bestandteilen, überhaupt mehr episch als dramatisch. Neben Seneca haben auch Garnier und Jodelles Cleopalre captive (1552) als Vorbilder gedient. Die Anregung zu diesem Drama empfing D. durch seine Gönnerin, die Gräfin von Pembroke; es sollte offenbar ein Gegenstück zu ihrer eigenen Tragödie Anton. darstellen. Der Stoff stammt aus Norths Plutarch-Uebersetzung. Die metrische Form: fünftaktige kreuzweis gereimte Jamben, daneben gelegentlich auch entsprechende jambische Reimpaare, wirkt durch ihre Einförmigkeit sehr ermüdend, um so mehr, als fast nur männliche Reime vorkommen. 565. Philotas (vor 1600; 1 2 1 6 0 5 ) schildert das tragische Schicksal dieses Freundes Alexanders des Großen; als Verschwörer gegen das Leben des Königs wurde er mit dem Tode bestraft. In der Apology am Schluß (in Prosa) verwahrt sich D. dagegen, mit seinem Titelhelden den Grafen von Essex gemeint zu haben. Diese Deutung war für unsern Dichter gefährlich; er geriet dadurch in den Verdacht, mit dem als Hochverräter hingerichteten Grafen zu sympathisieren. D. konnte aber nachweisen, die ersten drei Aufzüge seines Dramas schon vor dem Prozeß gegen Essex verfaßt zu haben; trotzdem fiel er wegen dieses Stückes bei Hofe in Ungnade. Seine Quellen sind Quintus Curtius Rufus, Plutarch und Justin. D. verfolgt hier eine lehrhafte Tendenz: er will die Gefahren übermäßigen Ehrgeizes für Personen in hoher Stellung veranschaulichen. Die Sprache ist feierlich; der Handlung fehlt

1. D I E NACHAHMER

S E N E C A S UND G A R N I E R S USW.

249

aber aller Schwung, zumal da auch hier die epischen und rhetorischen Bestandteile immer noch breiten Raum einnehmen. 566. The Queen's Arcadia (1605; 4 0 ,1606) wurde vor der Königin in Christ Church, Oxford, 1605 aufgeführt. E s ist das älteste englische, für eine akademische Bühne geschriebene Schäferspiel s«6) und wie die meisten derartigen Spiele ohne jede individuelle Charakteristik, enthält aber in einer satirischen Nebenhandlung nichtpastorale Bestandteile, die es weniger langweilig machen, als sonst die meisten Hirtendichtungen zu sein pflegen. D. hat hier Gelegenheit, seine lyrische Begabung in anmutigen wohllautenden Versen zu entfalten. Ein metrischer Fortschritt liegt darin, daß reimlose Blankverse hier zahlreicher sind als in den beiden älteren Dramen D.s. Die Handlung wird aber auch hier noch vielfach, der Technik Senecas entsprechend, nicht dramatisch vorgeführt, sondern episch berichtet. Im übrigen schließt sich D. italienischen Vorbildern an, besonders Tassos Aminta. Die Tendenz des Stückes ist es, den schädlichen Einfluß einer unechten Zivilisation auf ein harmloses Hirtenvolk darzustellen. Mit keinem andern seiner Stücke hatte D. einen solchen Erfolg wie mit diesem. 567. Hymen's Triumph (1614/15; 8°, 1615), wie Arcad. eine »pastorale Tragikomödie«, handelt in geschickt erfundener Fabel, wie die meisten Schäferdramen, von Liebesverhältnissen zwischen Schäfern und Schäferinnen, von den Hindernissen und Wechselfällen ihrer Liebe. Zahlreiche Lieder sind eingelegt. Die Sprache ist einfach und schmucklos, ohne rhetorische Künsteleien. Anmutige Bilder machen das Stück poetischer als Arcad. Komik fehlt durchaus. Von den strengen Regeln der altklassischen Tragödie hat sich D. hier, dem Hirtendrama entsprechend, schon ganz losgesagt; die Verwandtschaft mit dem Maskenspiel tritt dagegen deutlich hervor. 568. D.s Begabung lag mehr auf lyrischem als auf dramatischem Gebiet. In seinen platten Stücken prägt sich nur wenig dichterische Eigenart aus; sie zeigen Anmut und Geschmack, wirken aber eher wie gelungene Schulübungen als wie wirkliche Kunstwerke. Seine beiden ersten Dramen, mit denen D. sich eng an Seneca anlehnt, sind rein akademisch; im Hirtendrama wird seine Kunst freier. 569. The Virtuous Octavia (1598; 2°, 1598). Hg. von M c K e r r o w , Malone Soc. Reprints 1909. S a m u e l B r a n d o n , über dessen Leben gar nichts bekannt ist, ahmt in Oct. Daniels Cleop. nach, zugleich aber auch Garnier *•) Boas, Cambr. Hist. V I 317.

25O

II. D A S EIGENTLICHE DRAMA DER

HOCHRENAISSANCE.

und L a d y Pembrokes Anton. Heldin ist die tugendhafte Gemahlin des Antonius, die Schwester Octavians; da sie am Schluß a m Leben bleibt, nennt sich das Stück eine »Tragikomödie«. Nicht die liebliche Unschuld der Desdemona ist der Titelheldin eigen, sondern eine kalte abstrakte, gleichsam programmäßige Tugend, über die sie selbst allzuviel reflektiert. A u c h die Aeußerungen ihres Schmerzes über die Untreue ihres Gatten enthalten nur hohle Rhetorik. Die Charakteristik der Personen ist ganz verblaßt. Handlung ist fast gar nicht vorhanden; mit seinen endlosen Gesprächen und seiner verfehlten metrischen Form, den aus Cleop. übernommenen, aber hier durchweg durchgeführten kreuzweis gereimten Vierzeilern, wirkt das Stück unerfreulich. Quelle ist auch wieder Plutarchs Leben des Antonius. 570. Fulke Greville Lord Brooke (1554—1628). Dramatic Works ed. by A . B . G r o s a r t . 4 vols. London 1870. — Morris W. C r o 11: The Works of F. Gr. A Thesis. Philadelphia 1913. Gr. war einer der vertrautesten Freunde Sir Philip Sidneys, dessen Leben er beschrieben hat. Er wurde Ratgeber des Königs J a k o b I., der ihn z u m Lord Brooke ernannte. Als einflußreicher Hofmann beteiligte er sich auch an der Politik. 1628 wurde er v o n seinem Diener ermordet, der sich durch das Testament seines Herrn benachteiligt glaubte. 571. * A l a h a m (1600; 2 0 , 1633) gehört z u den Trauerspielen, deren Handlung der orientalischen Geschichte entnommen ist. Schauplatz ist die Insel Ormus im Persischen Golf. Der Titelheld verschwört sich gegen seinen Vater, den König, und seinen ältesten Bruder, den Thronerben. Wie alle englischen Tragödien, die im Orient spielen, ist das Stück reich an grauenhaften Einzelheiten. I m Stil folgt der Dichter aber durchaus altklassischen Vorbildern und Garnier; z u m szenischen A p p a r a t Senecas gehört ein außerhalb der Handlung stehender, sie begleitender Chor. A l s Quelle hat der Verfasser Knolles' History of the Türks benutzt. 572. * Mustapha (1606; 4 0 , 1609). Dodsley 1 II (1744). August S t r e i b i c h : M. und Zeangir, die beiden Söhne Solimans des Großen, in Geschichte und Dichtung. Philos. Diss. von Freiburg i. Br. Stuttgart 1903. A u c h dieses Trauerspiel schöpft aus der türkischen Geschichte; seine Personen sind aber nur dem Namen nach Türken. Der Sultan Soliman erschlägt seinen Sohn M., angestiftet durch seine Gattin Rossa, die ihren eigenen Sohn Zanger z u m Thronerben machen will. Quelle ist eine der damals verbreiteten Darstellungen der türkischen Geschichte. Chöre beschließen auch hier wieder die einzelnen A u f z ü g e .

I. D I E

NACHAHMER

SENECAS

UND

GARNIERS

USW.

251

573. Gr. war ein Nachahmer Senecas und Garniers nur in der äußeren Form; diese dient ihm als Rahmen für eine eigenartige Staatsphilosophie. Er will die Gefahren darstellen, die einem Lande aus der Charakterschwäche seines Herrschers erwachsen können. Der Grundgedanke seiner Dramen ist so abstrakt, daß sie für eine Bühnenaufführung gar nicht in Betracht kommen. 5 7 4 . Sir William Alexander Earl of Stirling

(1567?—1640).

Poetical Works in 3 vols. Vol 1 &~z (Dramen). Glasgow 1870. 1872. — Poetical Works ed. by L. E. K a s t n e r and H . B . C h a r l t o n . Vol. I. Dramatic Works. Manchester 1921.

Sir W . A. entstammte einer altadligen Familie Schottlands und bekleidete unter den beiden ersten englischen Königen aus dem Hause Stuart hohe Staatsstellungen. 1630 wurde er Viscount, 1633 Earl. 575. Unter seinen vier Monarchie Tragedies steht zeitlich obenan Darius (vor 1603; 4 0 , 1603). Dieser persische König wird hier nicht auf der Höhe seines Glücks vorgeführt, sondern schon gleich von vornherein als fallende Größe. Der Stoff ist fast ganz der Geschichte Alexanders des Großen von Quintus Curtius Rufus entnommen. Das Stück ist eher rhetorisch als dramatisch und soll die schlimmen Folgen krankhaften Ehrgeizes deutlich machen. Die Chöre werden dadurch abwechslungsreicher gestaltet, daß die metrische Form in allen verschieden ist. 576. Croesus (1604; 4 0 , 1604), ein langweiliges Stück, ist sehr arm an Handlung, die meist nicht dargestellt, sondern durch Boten erzählt wird. Es besteht aus endlosen Reden und ermüdet auch durch die Einförmigkeit seines metrischen Gewandes, die von gleicher Art ist wie in Daniels Cleop. Quellen sind Herodot und Plutarchs Leben des Solon. 577. Julius Caesar (1604: 4 0 , 1604) steht unter dem starken Einfluß von Garniers Cornelie. Zur Bearbeitung des Stoffes wurde der Dichter wahrscheinlich durch Shakespeares gleichnamiges Stück angeregt. Es ist lehrreich, durch Vergleichung beider Dramen den Unterschied zwischen der volkstümlichen und der klassizistischen Richtung innerhalb des englischen Trauerspiels festzustellen. Von Shakespeare hat der Verfasser nichts gelernt. Seine Tragödie ist das ausgeklügelte Erzeugnis bloßen Verstandes. Die Leidenschaft spielt in ihr gar keine Rolle. Der Untergang Caesars wird auch wieder als die üble Folge unklugen Ehrgeizes aufgefaßt. 578. The Alexandrean Tragedy (1604; 4 0 , 1605) ist unter A.s Dramen am sorgfältigsten ausgearbeitet. Gegenstand der Handlung sind die Streitigkeiten, die nach Alexanders des Großen Tode unter den Diadochen entstanden waren und schließlich zur Er-

252

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HOCHRENAISSANCE.

mordung der mazedonischen Königsfamilie führten 387). Die lehrhafte Tendenz ist die gleiche wie in den andern Stücken A.s. 579. Sir W. A. schöpfte alle seine Stoffe aus dem klassischen Altertum. Er ist in der Befolgung der klassizistischen Regeln viel strenger als Daniel und Greville. Auch seine handlungsarmen Dramen sind nicht für die Bühne bestimmt, sondern zur Deklamation in vornehmem Kreise. Die schwerfällige Pedanterie und die Weitschweifigkeit des Dichters machen seine Stücke langweilig; sie gleichen einander auch im Stil und in ihrer Tendenz allzusehr, um fesseln zu können. Seine Personen sind keine wirklichen Menschen, sondern blutleere Verkörperungen von Tugenden und Lastern. Mit den Dramen Garniers war A. offenbar wohl vertraut. 580. L a d y Elizabeth Carews Mutter war eine Verwandte Spensers; sie selbst wurde die Gattin des Sir Thomas Berkeley. Ihr Trauerspiel * Mariam the Fair Queen of Jewry (1612; 4 0 , 1613; hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1914) beruht auf den »Jüdischen Altertümern« des Flavius Josephus, und ist für uns merkwürdig als das älteste englische Drama, das eine Frau verfaßt h a t m ) . In seinen Chören und in der metrischen Form schließt es sich eng an die älteren Klassizisten an. J. Kleinere Dramatiker aus der spateren Zeit der Königin Elisabeth (bis 1603). 1. Henry Chettle (1554—1607).

581. H. Ch. war anfangs in London Buchdrucker und Papierhändler, begann aber schon früh eine sehr fruchtbare Tätigkeit als Dramatiker zu entfalten. Er soll 48 Stücke verfaßt haben, teils allein, teils mit andern zusammen; von ihnen haben sich aber nur vier erhalten. In seiner Druckerei war Greenes einen Angriff auf Shakespeare enthaltende Schrift A Groatsworth of Wit erschienen (1592); Ch. entschuldigte sich dafür in seinem eigenen ein Jahr später veröffentlichten Büchlein A Kind Heart's Dream. Seine Leibesfülle hat zur Vermutung Anlaß gegeben, daß er Shakespeare als Modell für den dicken Ritter Sir John Falstaff gedient habe. 582. Hoffman; or, A Revenge for a Father (1602; 4 0 , 1631). Hg. von Rieh. A c k e r m a n n , Bamberg 1894. Hoffm. ist das einzige erhaltene Stück, das Ch. allein verfaßt hat. E s ist ein blutrünstiges Schauerdrama, an dem nichts deutsch ist als der Schauplatz (die Gegend vonDanzig), die Namen einiger »') ScheUing, Eüz. Dr. II 14. *") Lady Pembroke kommt hier natürlich als bloße Uebersetzerin nicht in Betracht.

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handelnder Personen und der Stoff (eine Danziger Schiffergeschichte). Die Charakteristik ist ohne jede individuelle Färbung. Der Titelheld ist der übliche Theaterbösewicht, Lorrique sein typischer Helfershelfer. Ch. knüpft hier an Marlowes Jew und an K y d s Span. Trag, an, aber darin, daß der Titelheld den Tod seines Vaters rächen will, auch an Shakespeares Hatnl. Ch. wollte offenbar durch dies Stück in Wettbewerb mit Haml. treten. Im Gegensatz zu Haml. ist hier aber der Rächer und Held zugleich Bösewicht. Lucibella, die aus Gram über den plötzlichen Tod ihres Bräutigams wahnsinnig wird, erinnert uns an Ophelia, und stellt so eine weitere Verbindung mit Haml. dar. Das Stück traf mit seinen groben Effekten den Geschmack der Masse, und hatte trotz seiner Roheit nicht geringen Erfolg. 583. The Comedy of Patient Grissel (1598; 4 0 , 1603). Hg. von H ü b s c h , Erlanger Beitr. zur engl. Philol., H. 15 (1893). Griss. B, das gemeinsame Werk von Ch., D e k k e r und H a u g ht o n , verarbeitet einen schon im Mittelalter, zuerst von Petrarca und Boccaccio, dann von Chaucer behandelten Vorwurf, und gehört zu den Literaturdenkmälern, worin nach der Weise des Mittelalters eine einzelne Tugend, gleichsam auf die Spitze getrieben, verkörpert wird. Hier ist es die weibliche Sanftmut und Gattinnentreue, die sich an der Titelheldin, trotz aller Roheit und Grausamkeit ihres Gemahls, selbst in den härtesten Prüfungen bewährt, in einer für unser Empfinden unnatürlich, ja geradezu abstoßend wirkenden Weise. Es ist unmöglich, die Anteile der drei Verfasser an diesem Stücke, dem eine Akteinteilung fehlt, mit Sicherheit zu bestimmen; doch darf es als wahrscheinlich gelten, daß Ch. die Haupthandlung verfaßt hat, und daß aus Dekkers Feder das Walliserpaar Sir Owen und Gwenthian stammt, da dieser Dichter auch sonst mehrfach Walliser in seinen Dramen auftreten läßt. Der geduldige Sir Owen und seine überaus zänkische Frau Gwenthian sind die komischen Gegenfiguren zu dem tyrannischen Markgrafen und seiner übergeduldigen Gattin Griseldis. Wie in Shrew, wird Gwenthian schließlich gezähmt, aber nicht, wie bei Shakespeare, durch Uebertrumpfung der Widerspenstigkeit der Bösen Sieben, sondern durch die fast übermenschliche Geduld des Sir Owen. 584. The Blind Beggar of Bednal Green (1600; 4 0 , 1659). Hg. von B a n g , Materialien Bd. 1, 1902. Bedn., von Ch. und D a y , knüpft im Titel an Chapmans Blind Beggar of Alexandria an; in beiden Stücken erscheint der äußerst verwandlungsfähige Titelheld in immer neuen Verkleidungen. Der Bettler unseres Dramas ist ein ungerechterweise des Verrats angeklagter und aus England verbannter Lord, der un-

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erkannt in Bethnal Green lebt. In der Nebenhandlung wird die Komik des dummen Tom Strowd und seines Dieners, des Clowns Swash, mit ermüdender Breite dargestellt. Grundlage des Stückes ist eine Ballade The Beggar's Daughter of Bednal Green. Die eben erwähnte Tochter ist ein schönes Mädchen, das sich ein edler Ritter trotz ihrer Bettelhaftigkeit zur Gattin erkoren hat. Bei der Hochzeit stellt sich die vornehme Abkunft des vermeintlichen Bettlers heraus. Dieser romantische Stoff wird von den Verfassern mit Ereignissen aus der englischen Geschichte verknüpft und in die ersten Regierungsjahre Heinrichs VI. verlegt. Bedn. ist ein verworrenes, eilig für das Tagesbedürfnis der Bühne zusammengeschriebenes Stück, dessen geschickte Mache ihm aber doch einigen Erfolg beschied. Sykes' mit großer Bestimmtheit vorgetragener Versuch, die Anteile der beiden Verfasser zu scheiden (p. 222), hat wenig Ueberzeugungskraft. Ueber Ch.s Anteil an Downj. und Death s. Munday § 243. 244. 2. William Haughton (um 1598). 585. Von seinem Leben ist sehr wenig bekannt. Er wird aber im Tagebuch des Theaterunternehmers Henslowe oft erwähnt, als Mitverfasser sehr verschiedenartiger Dramen, von denen die meisten verloren gegangen sind. 1599 wurde Gorb. von ihm umgearbeitet. Englishmen for My Money; or, A Woman will have Her Will (1599; 4 0 , 1616). Einzelausgaben von A. C. B a u g h als Diss. von Philadelphia 1915, von W . W . G r e g , Malone Soc. Reprints 1912. Außerdem Dodsley 4 X . Alleiniger Verfasser ist H. nur von Engl. Dies Stück, das keine Akteinteilung hat, bietet eine derbe, aber sehr wirksame Situationskomik. H. erweist sich hier, ohne bedeutend zu sein, als gewandter Bühnenpraktiker, der die Beliebtheit seines Lustpsiels durch Umschmeichelung der englischen nationalen Eitelkeit zu erhöhen wußte. Die chauvinistische Tendenz des Stückes wird schon durch seinen Titel angedeutet. Die Anordnung der Personen ist ganz schematisch: die drei Töchter eines in London ansässigen Portugiesen werden von drei Engländern und drei Ausländern umworben; sie selbst begünstigen die Engländer, während ihr Vater den Ausländern den Vorzug gibt. Natürlich tragen am Schluß die Engländer über ihre ausländischen Nebenbuhler den Sieg davon; zur Erreichung dieses Zieles dient das abgebrauchte Motiv der Verkleidungen und dadurch herbeigeführten Verwechslungen. Die Ausländer werden in allerlei komische Situationen gebracht. Unter ihnen wird der Niederländer Vandal als der lächerlichste hingestellt; die Szene, in der er in Nachahmung eines italienischen

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Novellenrnotivs zu einem vermeintlichen Stelldichein an einem Strick in einem Korbe in die Höhe gezogen, und dann zwischen Himmel und Erde schweben gelassen wird, stellt den Gipfel der Situationskomik dar. 586. Grim the Collier of Croydon; or, The Devil and His Dame (1600; 12°, 1662). Dodsley 4 V I I I . H. gilt auch als Verfasser der anonymen Komödie Grim. Im Titel des Stückes wird J. T. als Verfasser genannt; dieser ist aber wohl nur der Bearbeiter der ersten, erst 1662 erschienenen Druckausgabe. Die Annahme, daß H. der ursprüngliche Verfasser sei, stützt sich darauf, daß Henslowe in seinem Tagebuch eine Summe erwähnt, die er H. für ein Stück The Devil and His Dame gezahlt habe. Die Fabel beruht auf Machiavellis witziger Teufelsgeschichte Marriage of Belphegor. Der eigentliche Held des in England spielenden Stückes ist der Teufel Belphagor. Er wird auf ein Jahr zur Erde enstandt, um festzustellen, ob die Frauen wirklich so böse seien, wie von den Männern behauptet wird. Er nimmt Menschengestalt an, heiratet, muß aber als Ehemann sehr schlimme Dinge erleben: seine Gattin betrügt ihn und versucht sogar ihn zu vergiften. Nach Ablauf seines Erdenjahres kehrt er daher wieder schleunigst und mit Freuden in die Hölle zurück. Hier erscheint er als Hahnrei mit Hörnern auf der Stirn. Um ihn zu trösten, wird von Pluto angeordnet, daß von da an alle Teufel Hörner auf der Stirn tragen sollen. Mit dieser witzigen Schlußpointe endet das unterhaltende Lustspiel. Die Grundidee hat mit der Erzählung des Apothekers in J. Heywoods P's die Ueberlegenheit der Frau über den Teufel gemein. Der Titelheld war eine Lieblingsgestalt der englischen Volksüberlieferung; er begegnet schon in Edwards' Dam. Eine vom Volksglauben angenommene enge Beziehung des Köhlers überhaupt zum Teufel ergibt sich auch aus Fulwells Like. Ueber H. als Mitarbeiter an Griss. B s. Chettle § 583, an Lust's Dominion s. Dekker, 3. Henry Porter (geb. 1573). 587. Ueber sein Leben wissen wir nur, daß er aus London stammte, 1589 in Oxford immatrikuliert wurde und dann zu der großen Schar der Lohnschreiber Henslowes gehörte. Von seinen Stücken hat sich nur eines erhalten: The Two Angry Women of Abington (1597 ?; 4 0 , 1599). Hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1912. Dodsley 4 V I I . Dies ist eines der anziehenden liebenswürdigen Lustspiele, die ohne größeren literarischen Ehrgeiz das Alltagsleben des Merry Old England mit behaglichem Humor schildern. Die Handlung ist sehr lebendig, die Charakteristik der Personen freilich oberfläch-

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lieh. Schauplatz dieses Dramas, dem ebenfalls eine Akteinteilung mangelt, ist das heutige Abingdon, eine kleine Stadt bei O x f o r d . Die Feindschaft der beiden Titelheldinnen entsteht aus der E i f e r sucht der Mrs. Barnes auf Mrs. Goursey, die, wie die andere glaubt, v o n Mr. Barnes geliebt werde. Die Stärke ihres gegenseitigen Hasses wird aber doch nicht ausreichend begründet. D i e Kinder der beiden Feindinnen, Mall Barnes und F r a n k Goursey, lieben sich; Mall aber fühlt, wie Beatrice in Shakespeares Ado, das Bedürfnis, aus einem Ueberschäumen der Jugendlust ihren Bräutigam tüchtig z u necken. Die niedere K o m i k wird a m originellsten durch Nicholas Proverbs vertreten, dessen Rede fast nur aus Sprichwörtern besteht; für jede Gelegenheit hat er, wie Sancho Pansa, ein passendes Sprichwort bereit. P. nimmt hier Jonsons comedy of humours schon vorweg. Nicholas stellt ein frühes Beispiel für den in der englischen Literatur beliebten T y p u s des mit einem »Tick« behafteten Menschen dar, der sich immer nur v o n einer einzigen Seite zeigt. I m späteren englischen Roman, namentlich bei Dickens, spielt diese komische Einseitigkeit der »Tick«-Menschen eine große Rolle. A m Schluß wird ein auch sonst häufiges Motiv angewandt: im Dunkel der N a c h t kommen viele Personen, ohne es zu wissen, zusammen; dadurch entsteht zunächst Verwirrung, wird aber schließlich die Lösung des dramatischen Knotens bewirkt. Die muntere Handlung scheint eigene Erfindung P.s zu sein. K . E i n z e l d r a m e n aus der späteren Zeit der Königin Elisabeth (bis 1603). 588. In diesem Abschnitt fasse ich eine Reihe von einzelnen Stücken zusammen, die als anonyme Dramen erschienen, oder bei denen uns die Namen der Verfasser zwar bekannt sind, sonstige K u n d e v o n deren Leben und Persönlichkeit aber nicht überliefert ist. Diese Stücke vertreten sehr verschiedene Gattungen des Dramas. 589. Z u den e i n h e i m i s c h e n Sittenkomödien gehört W i l y Beguiled (vor 1595; 4 0 , 1606; hg. von G r e g , Malone Soc. Reprints 1912; D o d s l e y 4 I X ) , ein Stück, das einen oft behandelten Vorwurf z u m Gegenstande h a t : den Sieg wahrer Liebe über die im Plane einer bloßen Geldheirat enthaltene Konvenienz. Der Wucherer Gripe will seine Tochter Lelia durchaus mit dem reichen, aber dummen Bauernsohn Peter Ploddall verheiraten; sie bevorzugt aber den armen Studenten Sophos, und gewinnt ihn, unterstützt von ihrem Bruder Fortunatus. Wie in vielen andern gleichartigen Dramen, wird auch hier die Realistik des Alltagslebens mit der R o m a n t i k des Uebernatürlichen ver-

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brämt. Die dramatische Technik ist von kindlicher Unbeholfenheit, die Charakteristik oberflächlich, und doch hat das Stück gerade wegen seiner frischen harmlosen naiven Kunstlosigkeit einen eigenen Reiz. 590. The Fair Maid of Bristol (1602; 4 0 , 1 6 0 5 ; hg. von Q u i n n , Publ. of the Univ. of Pennsylvania, Ser. in Philol. V I I I , Nr. 1, 1902) ist eine schwächliche Nachahmung von Th. Heywods How a Man tnay choose a Good Wife from a Bad. Die Sanftmut der von ihrem Gatten (Edward Vallenger) mißhandelten Frau (Anabella, Tochter des Sir Godfrey) wird hier noch mehr, bis zur Unnatürlichkeit, gesteigert. Das Stück spielt zur Zeit des Königs Richard I. Löwenherz; die geschilderten Verhältnisse entsprechen aber durchaus denen der Zeit der Entstehung dieses Dramas. 591. Aus den lateinischen Schul- und Universitätsdramen der Humanistenzeit entwickelte sich als eine besondere Abart des englischen Lustspiels d a s a k a d e m i s c h e Drama in e n g l i s c h e r S p r a c h e , das die einheimischen Universitätsverhältnisse schildert, oder wenigstens auf sie Bezug nimmt. Club Law (1597/98; Hds.; hg. von Moore S m i t h , Cambridge 1907), vermutlich von George R u g g 1 e (1575—1622), dem Verfasser einer lateinischen Universitätskomödie Ignoramus, hat ein bedeutendes kulturgeschichtliches Interesse durch seine lebendige Schilderung der damaligen Cambridger akademischen Zustände; Athen, der angebliche Schauplatz des Stückes, ist natürlich nur Deckname für die englische Universitätsstadt. Das Stück behandelt den von alters her in Cambridge (und Oxford) bestehenden Gegensatz zwischen town und gown, d. h. Bürgern und Studenten, der oft in Prügeleien m ) ausartete und sich in Cambridge damals gerade zu besonderer Schärfe gesteigert hatte. Dieser Gegensatz war eine Folge der außerordentlichen Vorrechte der Universitäten, die auch über die nichtakademischen Bürger der Stadt eine Art Gewalt ausübten. Die townsmen waren so gar nicht Herren im eigenen Hause 3 ' 0 ). Natürlich ist unser Drama, dessen Verfasser den akademischen Kreisen angehört, im Kampf der beiden Parteien nicht unparteiisch; es stellt sich vielmehr völlig auf die Seite der gownsmen. Die townsmen werden von diesen überlistet und erleiden am Schluß eine völlige Niederlage. Leider ist das eigenartige Stück nicht ganz vollständig erhalten. 592. The Pilgrimage to Parmassus (1598; Hds.; hg. von M a c r a y , Oxford 1886) schildert die akademischen Verhältnisse, die in Club unmittelbar dargestellt werden, in allegorischer VerhülM")

Der Titel des Stückes deutet auf einen solchen »Holzcomment« hin. Bekanntlich haben die Kämpfe zwischen town und gown erst im 19. Jahrhundert aufgehört. E c k h a r d t , Geschichte des englischen Dramas.

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lung; die lebhafte Lokalfarbe j enes Stückes geht dabei natürlich verloren. Das akademische Studium wird hiermit einer Besteigung des Parnaß verglichen, die vier Jahre mühseliger Wanderung erfordere. Wieder ist Cambridge die Universität, die der Verfasser (vielleicht John D a y) im Auge hat. Die redenden Namen der handelnden Personen knüpfen dies Stück viel mehr als Club an das lateinische Universitätsdrama an; sie kennzeichnen zugleich die verschiedenen Typen damaligen Studententums: die fleißigen Studenten Philomusus und Studioso, den trinklustigen Madido, den Wüstling Amoretto, usw. Parn. A ist auch merkwürdig wegen seiner Fülle von literarischen Anspielungen und wegen der darin enthaltenen Kritik vieler zeitgenössischer Dichter. 593. Eine Fortsetzung von Parn. A ist das zweiteilige Drama The Return from Parnassus (I 1601, II 1602; 4 0 , 1606; hg. von M a c r a y zus. mit Parn. A; Part II auch bei Dodsley 4 IX). Die allegorische Hülle wird hier fast ganz fallen gelassen; statt dessen wird uns in einer Reihe von realistischen Einzelbildern mit zum Teil sehr bitterer Satire dargestellt, unter wie schwierigen Verhältnissen sich akademisch Gebildete nach Beendigung ihres Studiums ihr Brot verdienen müssen 371 ). Studioso ist durch seine Armut gezwungen worden, Hauslehrer bei einem reichen Bauern zu werden; Philomusus ist als Küster und Dorfschreiber auf den Kentish Downs tätig. Als neue Gestalt tritt der wohlhabende, aber törichte Gullio auf. Die Feindschaft zwischen town und gown spielt auch hier gelegentlich mit hinein: als Vertreter der Stadt lernen wir den Defiuty Recorder von Cambridge Francis Brackyn kennen, der aus Habsucht Pfarren an reiche Dummköpfe verleiht, statt an tüchtige Studenten; schon in Club war dieselbe Persönlichkeit satirisch behandelt worden. Der Verkauf von Pfründen rechtfertigt den Nebentitel des Stückes The Scourge of Simony. Eine originelle burschikose Derbheit und allerlei Schulspässe entsprechen der akademischen Umwelt. Die literarischen Anspielungen nehmen auch hier breiten Raum ein. 594. Mit dem akademischen Drama berührt sich auch Narcissus (1602; Hds.; hg. von Marg. L. L e e , London 1893), ohne selbst die Universitätsverhältnisse zum Gegenstand zu haben. Es ist ein von den Studenten des John's College zu Oxford aufgeführtes Dreikönigspiel. Der Verfasser parodiert das klassische Altertum, ähnlich wie Shakespeare in LLL und Mids.; die burleske Parodie soll den naiven Realismus der volkstümlichen Komödie in ihrer rohesten Gestalt lächerlich machen. Der Stoff ist der Geschichte des Narcissus in Ovids Metamorphosen entnommen. 371 )

Boas, Cambr. Hist. V I 310 ff.

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Der zierliche Humor, den das Stück entfaltet, verleiht ihm einen eigenartigen Reiz. A l s ein Vorläufer Byrons, erzielt der Verfasser komische Wirkungen durch originelle Reimbindungen; die zahlreichen einsilbigen Wörter der englischen Sprache machen diese besonders geeignet, Gruppen solcher Wörter z u Reimen auf klassische N a m e n z u verbinden 372 ). 595. Z u den r o m a n t i s c h e n K o m ö d i e n gehört zunächst A Knack to know a Knave (1592; 4 0 , 1594; D o d s l e y 4 VI). Die Handlung ist in die Zeit des angelsächsischen Königs E d g a r verlegt. In der Haupthandlung soll Edgars N e f f e Graf Ethenwald für seinen Oheim u m Alfrida, die Tochter des Lord Osrick, werben. Er vermählt sich aber selbst heimlich mit ihr und täuscht seinen Oheim durch die Vorspiegelung, sie sei seiner unwert. A l s aber E d g a r sich persönlich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen will, läßt Ethenwald vor ihm eine Küchenmagd in der Rolle Alfridas auftreten. Die T ä u s c h u n g k o m m t jedoch an den T a g , und E d g a r wird nur durch das Zureden des hl. Dunstan davon abgehalten, E t h e n w a l d m i t dem Tode z u bestrafen. Diese ernste Haupthandlung beruht auf einer alten Ballade, die auch Deloney in seine Balladensammlung A Garland of Good Will (1604) aufgenommen hat. Mit jener Haupthandlung ist recht mangelhaft eine allegorische Nebenhandlung v e r k n ü p f t , in der eine abstrakte Gestalt namens Honesiy die Hauptrolle spielt. Er h a t gar keine Beziehung z u den übrigen Personen und wirkt außerhalb der eigentlichen Handlung wie eine A r t Chor. Der Zusammenhang mit den Moralitäten, der hier zutage tritt, verleiht dem Stück einen altmodischen Anstrich. 596. D a ß A Knack to know an Honest Man (1595; 4 0 , 1596; hg. von de V o c h t , Malone Soc. Reprints 1910) eine N a c h a h m u n g von Knack ist, verrät schon der Titel. Der Schauplatz ist aber hier Venedig und die U m g e b u n g v o n Florenz. Die Handlung geht aus v o n einem abgedroschenen Motiv: zwei Freunde werden z u Feinden, weil der eine (Sempronio) der Gattin des andern (Lelio) nachgestellt hat. E s k o m m t z u m Zweikampf zwischen beiden. Lelio glaubt seinen Gegner getötet zu haben; dieser ist aber nur schwer verwundet worden und wird v o n einem Einsiedler gepflegt und gerettet. E r verbirgt sich, w a r u m ist nicht recht ersichtlich, und nimmt einen falschen N a m e n an. Lelio wird v o m Herzog von Venedig wegen seines vermeintlichen Totschlages z u m Tode verurteilt; es gelingt ihm aber z u flüchten. A m Schluß k o m m t durch das unvermutete A u f t r e t e n des totgeglaubten Sempronio alles wieder ins rechte Geleise. Die Charakteristik der Personen 37a) V. 134/35'- Narcissus: hisse vs, 190/91: to you noe: Juno, to lome her\ Homer, 387/88: Venus: between vs, usw.

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209/10:

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ist primitiv; ihre einzelnen Handlungen werden nicht genügend begründet. Grobe Geschmacklosigkeiten begegnen; der Ablauf der wenig originellen unwahrscheinlichen Handlung ist von sprunghafter Willkür. 597. The Valiant Welshman (1595; 4 0 , 1605; hg. von K r e b , Erlangen und Leipzig 1902) von R. A., worunter früher ein sonst wenig bekannter Dramatiker, der Schauspieler Robert A rm i n 373), gesucht wurde, spielt auf britischem Boden zur Zeit des römischen Kaisers Claudiu$, und berührt sich stofflich nahe mit Fletchers Bonduca. Der Held des Stückes, Prinz Caradoc, eine geschichtliche Persönlichkeit, war ein britischer Führer gegen Rom; er wurde von den Römern gefangen genommen, und sollte getötet werden, wurde aber von Claudius begnadigt. Seine Kinder wurden Christen und brachten das Christentum nach Britannien. Der Verfasser stützt sich auf die Annalen des Tacitus, auf Holinsheds Chronik und auf den schottischen Geschichtschreiber Hector Boethius. Aus Spensers Fairy Queen entstammt die romantische Nebenhandlung von der wunderbaren Rettung der schönen Florimel aus den Händen einer Hexe. Die Charakteristik ist nur skizzenhaft, und die Technik altertümlich; große Teile des Stückes bestehen aus den epischen Berichten eines Barden, der eine Art Chor darstellt. 598. In The Wisdom of Doctor Dodipoll (vor 1596; 4 0 , 1600; Bullen III) hat der Titelheld, dessen Name »Dummkopf« bedeutet, ein das Englische radebrechender französischer Arzt, nur eine Nebenrolle. Als Schauplatz ist undeutlich Deutschland, insbesondere Sachsen, zu erkennen. Der Zug, daß Graf Cassimere aus Großmut die häßliche Cornelia, die Tochter des Juweliers Flores, heiratet und seinen Besitz mit diesem teilt, ist aus Lucians Geschichte von Zenothemis und Menecrates in Toxaris, vel de amicitia entlehnt. Wie in Wily, wird auch hier das Gewöhnliche mit einer romantischen Zauberwelt verknüpft. Die verworrene Handlung wird aber ungeschickt durchgeführt; ihre einzelnen Teile haben keinen rechten Zusammenhang untereinander. 599. Look about you (1594/99; 4 0 , 1600; Dodsley 4 VII), wahrscheinlich von einem sonst unbekannten Dichter Anthony W a d e s o n , spielt zur Zeit des Königs Heinrich II. von England. Im geschichtlichen Teil der Handlung werden die Streitigkeiten der Söhne des Königs geschildert. Ihre Charakteristik ist nicht übel. Es treten auf: der schöne, aber ausschweifende Richard Löwenherz, sein brutaler, rücksichtsloser, höchst anmaßender Bruder Johann, ferner Robin Hood u. a. Eine Hauptrolle spielt der biedere 3'3)

Verfasser des Lustspiels The

Two

Maids

of More

Clache

(1609).

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Graf von Gloucester, ein Verwandter des königlichen Hauses; seine abenteuerlichen Schicksale sind in der Hauptsache freie Erfindung des Dichters. Die sehr lebhafte Handlung ist höchst unwahrscheinlich. Eine Haupteigentümlichkeit des Stückes sind beständige Verkleidungen, die durch ihre Anhäufung ermüdend wirken. Skink, der Bösewicht des Stückes und Hauptgegenspieler Gloucesters, eine Art Vice, entgeht durch solche Verkleidungen immer wieder der Verfolgung. Die Vermutung, daß A. W. Verfasser des Stückes sei, gründet sich auf eine Mitteilung Henslowes, daß A. W. 1601 für ein Stück The Honourable Life of the Humorous Earl of Gloucester with His Conquest of Portugal ein Vorschuß gegegeben worden sei. 600. Zu den T r a g i k o m ö d i e n , zu denen man vielleicht auch Knack rechnen könnte, gehört The Weakest goeth to the Wall (1600; 4 0 , 1600; hg. von G r e g , Malone Soc. Repr. 1912. Auch in Webster's Dram. Works IV), eine Mischung von halb erdichteter Geschichte mit romantischer und realistischer Komik. In der Hauptsache handelt es sich hier um das beliebte Motiv der abenteuerlichen Trennung und schließlichen Wiedervereinigung verschiedener Glieder einer Familie: der des Herzogs Lodowick von Boulogne, der durch die Ränke seiner Feinde von den Seinen getrennt und seiner Würden entkleidet wird, am Schluß aber alles Verlorene wieder zurückgewinnt. Er fällt mit seiner Gattin in einer fremden Stadt einem herzlosen Niederländer Jacob van Smelt in die Hände, der ihre Not schamlos ausnutzt. Später wird Lodowick sogar Küster bei einem feuchtfröhlichen Pfarrer von Ardres. Sein Sohn Frederick wächst als Findelkind am Hofe des Herzogs Emanuel von Brabant auf, gewinnt dort die Liebe von dessen Tochter Odillia, und entflieht mit ihr; das Liebespaar gelangt auf der Flucht nach Ardres und wird von dem dortigen Pfarrer getraut. Frederick ist schließlich, nachdem seine fürstliche Abstammung entdeckt worden ist, Emanuel als Schwiegersohn willkommen. Als Quellen dienten dem Verfasser eine Novelle in Barnabe Richs Sammlung Farewell to Military Profession, Bandello und Painter. Als ein frischer origineller Vertreter englischen Volkstums, der auch im Auslande stets mit Nachdruck die Ehre seines Vaterlandes aufrechterhält, wird ein clownartiger Flickschneider Bunch vorgeführt. Das Stück wurde ohne ausreichenden Grund früher Webster zugeschrieben; eher ist D e k k e r als Verfasser anzusehen, mit dessen Clowns Bunch Aehnlichkeit hat. 601. A Larum for London; or, The Siege of Antwerp (1598/99; 4 0 , 1602; hg. von G r e g , Malone Soc. Repr. 1913; von Emil P a u l , Erlanger philos. Diss. 1921). Larum entspricht dem Begriff »Tragikomödie« des damaligen

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Sprachgebrauchs, ist aber wegen des Zurücktretens der K o m i k eher ein Schauspiel im engeren Sinne. E s handelt von der E r oberung Antwerpens durch die Spanier im Jahre 1575. Diese werden als wahre Ausbunde von Grausamkeit und Gemeinheit gekennzeichnet. D a s rohe Stück besteht eigentlich nur aus einer Aneinanderreihung szenischer Greueltaten. Große Schuld an d e m Unglück, das über die Stadt hereingebrochen ist, wird seinen Bürgern zugeschrieben, die in Wohlleben und Schlemmerei verweichlicht und zu m a n n h a f t e m Widerstande unfähig geworden sind. Gascoigne, der zur Zeit der Eroberung Antwerpens gerade in dieser Stadt anwesend war, verfaßte eine Flugschrift über seine dortigen Erlebnisse The Spoil of Antwerp (1576). Der unbekannte Verfasser des vorliegenden D r a m a s hat sie als Quelle benutzt, aber in sehr freier Weise, mit vielfachen Abweichungen. 602. D a s h ä u s l i c h e T r a u e r s p i e l wird zunächst vertreten durch A Warning for Fair Women (um 1598; 4 0 , 1599; Simpson II). Die Handlung schildert eine Londoner Mordtat a u s dem Jahre 1573: die Ermordung des Kaufmanns George Sanders durch seine G a t t i n und deren Geliebten, den H a u p t m a n n George Brown. Der unbekannte Verfasser versucht es, die A b w e n d u n g der Mrs. Sanders v o n ihrem Manne psychologisch verständlich z u machen durch dessen Weigerung, ihr 30 £ für ihre persönlichen Bedürfnisse zu bewilligen. Die seelische Stimmung der dadurch verärgerten F r a u wird noch mehr v o m Gatten abgelenkt und B r o w n zugewandt durch die Prophezeiung einer in Browns Diensten stehenden Kupplerin Mrs. Drury, Mrs. Sanders werde bald W i t w e werden, dann aber in Brown einen besseren und vornehmeren Mann bekommen. D a s Alltagsleben eines Londoner Bürgerhauses jener Zeit wird mit einer schon etwas vorgeschrittenen Technik und hausbackenem Realismus dargestellt, z u dem altertümliche Bestandteile wie Tragedy, History und Comedy im Vorspiel und andere Allegorien in den dumb shows nicht recht passen wollen. Jener Realismus verleiht dem Stück ein gewisses kulturgeschichtliches Interesse, wenn auch sein Kunstwert nicht groß ist. A l s Quellen dienten dem Dichter ein Bericht des Puritaners Golding über die Mordtat, sowie die Chroniken von Stow und Holinshed. 603. In Two Tragedies in One oder Two Lamentable Tragedies (1599; 4°> 1601; Bullen IV) v o n einem sonst völlig unbekannten Dichter Robert Y a r r i n g t o n werden zwei verschiedene Handlungen zu einem einzigen Stück verbunden: die Ermordung eines Londoner Lichtziehers Beech und seines Lehrlings durch einen Gastwirt T h o m a s Merry, sowie die eines Knaben, der auf Anstiften seines Oheims in einem Walde bei Padua von zwei Meuchel-

L . UEBERBLICK ÜBER DAS DRAMA DER HOCHRENAISSANCE.

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mördern umgebracht wird. Zwischen beiden Parallelhandlungen besteht gar kein Zusammenhang; meist wechselt eine Szene der einen Handlung mit einer der andern ab. Die erste beruht auf einer wirklichen Begebenheit (1594); die zweite erinnert an die Ballade The Babes in the Wood. Die Mordtaten werden in ganz roher und unkünstlerischer Weise im Stil von dramatisierten Kolportageromanen dargestellt. Auch hier wirkt die Moralitätenüberlieferung in der Einflechtung allegorischer Gestalten nach. 604. Das R ö m e r d r a m a wird vertreten durch Caesar and Pompey; or, Caesar's Revenge (1594; 4 0 , o. J. u n d 1 6 0 7 ; h g . v o n

M ü h 1 f e 1 d , Shakespeare-Jahrbuch 47, 1911. 48, 1912. Auch von B o a s , Malone Soc. Repr. 1911). Das Stück gehört zu den Nachahmungen Senecas in der rhetorischen Getragenheit der Sprache und dem Fehlen aller Komik; im Stil zeigen sich zugleich auch Einflüsse von Marlowes Tamb. und K y d s Span. Trag. Caesar wird durchweg als Tyrann und Usurpator aufgefaßt; Brutus ist von vornherein sein Gegner. Quelle ist nicht Plutarch, sondern Appians De bellis civilibus. Die sehr zahlreichen klassischen Anspielungen lassen auf akademischenUrsprung des Stückes schließen. In Stil und Metrik weist es altertümliche Züge auf; wir dürfen daher wohl in Henslowes Eintrag von 1594 sesar and pompie unser Stück erkennen. L. Ueberblick über das Drama der Hochrenaissance. 605. Unter »Hochrenaissance« verstehe ich die Zeit von den ersten Anfängen des eigentlichen Dramas bis zu seiner höchsten Blüte, einer Blüte, deren Abschluß mit dem Ende der dramatischen Tätigkeit Shakespeares als des größten englischen Dramatikers zusammenfällt. Jene Zeit umfaßt also als ihren Hauptbestandteil die ganze glanzvolle Regierung der Königin Elisabeth (1558—1603), reicht aber mit den Meisterdramen Shakespeares noch über das Jahr 1603 hinaus. 606. Humanismus und Renaissance sind eigentlich nur zwei verschiedene Seiten derselben Kulturbewegung: der Humanismus stellt ihre gelehrte, wissenschaftliche, die Renaissance ihre künstlerische Seite dar. 607. Freilich ist ^ R e n a i s s a n c e « als literarischer Begriff unklar und umstritten. Es ist aber möglich, zu einer klaren und festen Bestimmung jenes Begriffs zu gelangen (was beim Begriff »Romantik« schwieriger scheint), auf dem Umwege über die bildende Kunst, insbesondere die Baukunst. In der Baukunst ist »Renaissance« ein scharf abgegrenzter Begriff; ein Bauwerk der Renaissance läßt sich auch von einem Laien leicht als solches

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I I . D A S EIGENTLICHE DRAMA DER HOCHRENAISSANCE.

erkennen und von den Bauwerken anderer Stilarten an ganz bestimmten Merkmalen unterscheiden. 608. Die Renaissance erstrebte ursprünglich, wie schon ihr Name andeutet, eine Erneuerung des klassischen Altertums. Sie ist aber nirgends dessen bloßer Abklatsch; überall im Abendlahde wurden vielmehr die wiedergewonnenen Gestaltungsformen der Antike mit dem eigenen Geist und Wesen des betreffenden Landes so völlig durchtränkt, daß etwas ganz Neues entstand. »Renaissance« bedeutet also in jedem Lande, wo sie auftrat, etwas anderes, je nach der nationalen Eigenart, die sich mit den antiken Einflüssen zu einer neuen Einheit verknüpfte. 609. In der Baukunst prägen sich die verschiedenen Stilarten am deutlichsten aus. Schon ein flüchtiger Blick auf die deutsche oder die französische Baukunst der Renaissance lehrt uns, daß diese von der entsprechenden italienischen Baukunst wesentlich verschieden ist. Zwar ist auch letztere keine bloße Wiederholung der Antike. Da aber Italien unter allen Ländern des Abendlandes im Mittelalter den Zusammenhang mit dem Altertum am besten bewahrt hat, finden wir hier auch am ehesten unter antikem Einfluß in der Baukunst der Renaissance klassisches Ebenmaß; im übrigen Abendlande dagegen bemerken wir an den Bauwerken der Renaissance neben den Einwirkungen des klassischen Altertums andersartige Bestandteile, die mit der Antike nichts zu tun haben. Als Stilart folgte die Renaissance auf die Gotik. Wie alle Gegenwart an die Vergangenheit anknüpft, so empfing auch die Renaissance in jedem einzelnen Lande ein besonderes Gepräge durch die besondere Gestalt, welche die Spätgotik als die letzte Gestaltungsform der gotischen Kunst in ihm angenommen hatte. Das gilt nicht nur für die Baukunst, sondern überhaupt für die ganze Kultur. Außerhalb Italiens wird also in den Ländern des Abendlandes durch »Renaissance« ein Kulturgemisch bezeichnet, in dem die aus der Wiederbelebung des klassischen Altertums stammenden Keime der Befruchtung mit mittelalterlichen und zwar spätgotischen Erbteilen vermengt erscheinen. D i e s e r g e m i s c h t e C h a r a k t e r scheint mir e i n H a u p t m e r k m a l d e r R e n a i s s a n c e k u l t u r zu sein. 610. Dieser Satz läßt sich auch auf die englische Literatur, insbesondere das Drama, anwenden. Drei Hauptbestandteile lassen sich am englischen Drama der Hochrenaissance unterscheiden: 1. das einheimische, zum Teil noch aus dem Mittelalter stammende Erbgut; 2. die Einflüsse der antiken Literatur; 3. italienische Einwirkungen, die selbst wieder auf der Grundlage des klassischen Altertums beruhen können. Der Geist der Antike befruchtete also das englische Drama teils unmittelbar, teils durch italienische

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Vermittlung; mit den in der italienischen Literatur enthaltenen Ueberresten der Antike drang aber auch das Neue, das sich unabhängig vom Altertum in Italien entwickelt hatte, als ein Stück Romantik ins englische Drama ein. 611. Die Literatur der englischen Renaissance gipfelt im Drama, das allein ein allseitiges Spiegelbild der ganzen Zeit bietet, mit all ihren Höhen und Tiefen, während alle andern Literaturgattungen immer nur einen mehr oder weniger großen Ausschnitt des Lebens darstellen. Doch war die dramatische Hochrenaissance schon durch die vorwiegend epische Frührenaissance angebahnt worden, die im Mittelalter mit Chaucer begonnen hatte und in Surrey und Spenser ihre letzten Ausläufer aufweist. 612. Die großartige Entwickelung des englischen Dramas unter Elisabeth wurde durch die Zeitumstände ganz besonders gefördert. Ein unendlicher Reichtum neuer Anschauungen und Gedanken war schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die abendländische Menschheit eingeströmt. Humanismus und Reformation, die Erfindung der Buchdruckerkunst, die geographischen und astronomischen Entdeckungen, alle diese Schatzkammern des Geistes waren bald nacheinander oder sogar gleichzeitig erschlossen worden. Die Kulturwerte, die man ihnen entnahm, besaßen noch den vollen Reiz der Neuheit und Frische, im Gegensatz zu den abgegriffenen Münzen unserer kulturmüden Gegenwart; sie waren aber erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts völlig geistiges Eigentum des englischen Volkes geworden, und wurden nun zu einer einheitlichen Weltanschauung verschmolzen, deren künstlerischer Ausdruck in England das Renaissancedrama war. Die Renaissance besaß eben die Kraft, die einzelnen in ihr enthaltenen sehr verschiedenartigen Bestandteile, das Kulturgemisch, aus dem sie sich zusammensetzt, zu einer neuen Einheit zusammenzuschmieden. 613. Es war eine Zeit, in der im ganzen Abendlande beim unablässigen Auf- und Abwogen neuer Ideen eine Art Taumel und Rausch die Geister ergriffen hatte. Eine erhöhte Lebenskraft und Lebensfreude war über die Welt gekommen, und hatte ein Geschlecht vollsaftiger kraftstrotzender Menschen hervorgebracht. Ein freudiger Optimismus, ein starkes Hervortreten der Einzelpersönlichkeit, sich steigernd bis zum Bedürfnis, alle Schranken niederzureißen, die dem vollen Ausleben des einzelnen Menschen gesetzt sind 374), das waren die allgemeinen Merkmale der Renaissance. In England gab der Sieg über die Armada (1588) dieser • m ) Die Renaissance war daher, besonders in Italien, zugleich die Zeit der großen fürstlichen Verbrecher und der entsetzlichsten Schandtaten.

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II. DAS

EIGENTLICHE

D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

allgemeinen Geistesströmung noch eine besondere Färbung durch die gewaltige Kräftigung des Nationalstolzes; in der Literatur der Folgezeit, besonders im Drama, ist jene Färbung sehr deutlich wahrzunehmen. 614. Das England der Königin Elisabeth zeigte noch nicht das etwas griesgrämige Gesicht, welches das heutige England, besonders Sonntags, zur Schau trägt. Der kunstfeindliche Puritanismus hatte zwar schon angefangen, sich zu regen; seine Macht war aber zunächst noch gering. Die Engländer der Renaissance standen an naiver Lebenslust hinter keinem der romanischen Völker zurück, und dazu kam noch als germanisches Erbteil des englischen Volkes ein frischer, oft übermütiger Humor. Nicht mit Unrecht heißt daher jene Zeit die Zeit des merry old England. 615. Zu der allgemeinen geistigen Bereicherung durch die Renaissance kam in England noch der besondere Gewinn, den gerade dies Land seinen Dramendichtern gewährte. In andern Ländern, namentlich im protestantischen Teile Deutschlands, hatten Humanismus und Reformation einen fast völligen Bruch mit der Vergangenheit herbeigeführt. In England war die Deutschland zerklüftende konfessionelle Spaltung nicht eingetreten; das ganze Land wurde protestantisch. So kam es, daß in England viel weniger der Fäden zerrissen wurden, welche die Neuzeit mit dem Mittelalter verknüpfen, als bei uns. So sehr man sich auch der neuen Zeit mit all ihren Errungenschaften stolz bewußt war, so waren doch die mittelalterlichen Volksüberlieferungen mit ihrer Fülle dichterischer Stoffe im englischen Volke des 16. Jahrhunderts noch in ungeschwächter Kraft lebendig geblieben. Die englische Renaissance ist daher besonders reich an mittelalterlichen Erbstücken. 616. Der die Neuzeit kennzeichnende Individualismus erstreckt sich nicht nur auf die einzelnen Menschen, sondern auch auf ganze Völker, indem diese sich nun ihrer Eigenart, ihres besonderen Wertes und der Unterschiede bewußt werden, die sie von andern Völkern trennen. Die vorhin berührte Steigerung des englischen Nationalgefühls durch ein einzelnes geschichtliches Ereignis (vgl. § 613) kam also schon einem allgemeinen Zuge der Zeit entgegen. Jene Steigerung führte auch dazu, daß die Vergangenheit des eigenen Volkes die englischen Dramatiker der Renaissance besonders fesselte. Die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit ließ die Romantik des Mittelalters im Drama wieder aufleben. Selbst die unmittelbare Gegenwart erschien den Dramatikern der englischen Hochrenaissance in dieser Zeit der nationalen Hochspannung in mehr oder weniger romantischer Beleuchtung

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(vgl. den Schluß von Shakespeares Wiv.). Zu einer realistischsatirischen Kritik des zeitgenössischen Lebens im eigenen Lande gelangte man erst in der Spätrenaissance, unter dem Einfluß von Jonsons Londoner Sittendramen. 617. Das Mischungsverhältnis der klassischen Bestandteile antiken (unmittelbar entlehnten oder durch Italien vermittelten) und der romantischen Bestandteile mittelalterlichen oder italienischen Ursprungs (vgl. § 610) kann im einzelnen Falle natürlich sehr verschieden sein. Wir begegnen allen Abstufungen von bloßen Nachahmungen antiker oder die Antike nachahmender italienischer Vorbilder bis zum rein volkstümlichen Drama, bei dem die Einwirkungen der Antike mehr oder weniger zurücktreten, und das trotzdem zur Renaissance gerechnet werden muß. Shakespeare stellt die edelste Blüte dieser volkstümlichen Richtung dar. 618. Zu allen Zeiten bekämpfen sich im Leben des einzelnen Menschen wie auch ganzer Völker und Menschengeschlechter zwei einander entgegengesetzte Tendenzen: das Trägheitsmoment, das, zum Teil unbewußt, am Alten, Hergebrachten noch festhält, auch wenn dieses nicht mehr zeitgemäß ist, und der aus dem Ueberdruß an stetem Einerlei und beständiger Wiederholung derselben Erscheinungen entstehende Reizhunger, das Bedürfnis nach etwas Neuem, nach Veränderung. Daher kommt es, daß auch in der Literatur eine neue Richtung niemals die ältere in der Weise ablöst, daß letztere vollständig verschwindet und gleichzeitig die neue an ihre Stelle tritt. Es pflegen vielmehr eine Zeitlang beide Richtungen nebeneinander herzugehen, bis dann die ältere allmählich abstirbt, zu einer Zeit, wo die neue sich schon längst eingebürgert hat. Wir haben das an den verschiedenen Abarten der Vorstufen des eigentlichen Dramas gesehen, die vereinzelt noch lange nach dem Aufkommen des letzteren bestanden. Auch steht die jüngere Literaturgattung, besonders in der ersten Zeit ihres Auftretens, noch gleichsam unter der Vormundschaft der älteren. Der Vice und andere allegorische Gestalten vererben sich z. B. von den Moralitäten auch auf die ältesten eigentlichen Dramen. Der Humanismus wirkte auch noch im regelrechten Lustspiel nach, indem er dieses seinen Erziehungszwecken dienstbar machte. Erst allmählich erlangte das eigentliche Drama in der Hochrenaissance seine Mündigkeit. 619. Um das Drama der Renaissance richtig würdigen zu können, ist es notwendig, mancherlei uns fremdartig erscheinende Eigentümlichkeiten jenes Dramas geschichtlich zu begreifen. Solche für das ganze Drama der Renaissance, auch das der Spätrenaissance, charakteristische Eigentümlichkeiten erklären sich teils aus den damaligen Kulturverhältnissen, die von den unsrigen

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abweichen, teils aus feststehenden literarischen Ueberlieferungen, die unsere Gegenwart aufgegeben hat. 620. Zunächst bemerken wir innerhalb der englischen Renaissance allerlei E r b s t ü c k e a u s d e m M i t t e l a l t e r , die in unserer Zeit nicht mehr vorhanden sind. Hierher gehört zunächst die S t e l l u n g der F r a u dem Manne gegenüber. Die Frau war nicht die gleichberechtigte Gefährtin des Mannes, sondern als bloßes Geschlechtswesen nur dessen wertvollster Besitz. Der Mangel an Gleichberechtigung der Geschlechter führte zu einer doppelten Moral: der Mann durfte sich eher Ausschweifungen hingeben; von der Frau aber wurde Treue gegen ihren Gatten verlangt, auch wenn er sie betrog oder mißhandelte. Der Griseldis-Typus entsprach dem mittelalterlichen Frauenideal, aber auch noch dem der Renaissance. Eigentümlich berührt uns auch das Mißtrauen gegen die Tugendhaftigkeit der Frauen, das auch eine aus dem Mittelalter vererbte Grundanschauung war. Von den Frauen im allgemeinen wird von vornherein angenommen, daß sie unkeusch seien; sie müssen ihre Keuschheit erst beweisen, während jetzt das umgekehrte Verhältnis gilt. Die leuchtenden Beispiele weiblicher Unschuld und Reinheit, wie Desdemona, Imogen u. a., beweisen gerade dadurch, daß ihre Tugend so stark unterstrichen wird, daß sie auffielen oder gar als Ausnahme erschienen. 621. I n g e s c h l e c h t l i c h e n D i n g e n standen die Menschen der Renaissance d e r N a t u r noch n ä h e r , als unsere verbildete Zeit. Man empfand es daher nicht als anstößig, mit einem Brautpaar oder eben vermählten Ehepaar über die Freuden der bevorstehenden Brautnacht und über die zu erwartenden Kindergeburten ganz offen zu reden. 622. Ein anderer uns auffallender Zug stellt ein Spiegelbild der verfassungsrechtlichen Zustände des 16. Jahrhunderts dar. Unter den Tudors, besonders seit Heinrich VIII., steigerte sich die Macht des Herrschers bis zur Unumschränktheit. S o k e n n t a u c h im D r a m a j e n e r Z e i t der W i l l e des Herrs c h e r s ü b e r h a u p t k e i n e S c h r a n k e n . Wir vermissen an den meisten dramatischen Herrschergestalten jede Spur eines Gefühls der Verpflichtung gegenüber dem eigenen Volke. Diese Machtstellung, die das beherrschte Land geradezu in persönlichen Besitz desHerrschers verwandelt, äußert sich in ganz naiver Weise darin, daß z. B. in Shakespeares Königsdramen die Könige von England und Frankreich sich gegenseitig France und England anreden. Das Herrschen ist dem Landesfürsten Selbstzweck; er verteilt oder verschenkt daher sein Land ganz nach eigenem Gutdünken, ohne die Bewohner zu fragen (vgl. Lear, wo allerdings eine solche Verteilung in die britische Vorzeit hinein verlegt ist).

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Die hohe Auffassung seiner Herrscherpflichten bei Shakespeares Heinrich V. bildet eine vereinzelte rühmliche Ausnahme. — In dieser Periode des Absolutismus trug natürlich auch die ganze Zeit das Gepräge einer a r i s t o k r a t i s c h e n Weltans c h a u u n g . Da nun noch dazu Hof und Adel die Hauptstützen des Theaters waren, ist es begreiflich, daß auch die meisten Dramatiker bürgerlicher Herkunft jener Weltanschauung huldigten. 623. Fremdartig berührt uns am Renaissancedrama auch das so überaus häufige Motiv der V e r k l e i d u n g e n 375). Es entstammt wohl dem italienischen Drama, ist aber offenbar auch zugleich ein Spiegelbild damaliger Sitten; Maskeraden und allerlei Mummenschanz waren damals häufiger als heutzutage. Als literarisches Motiv mag es aber auch durch die mittelalterliche Epik beeinflußt worden sein, oder durch die Moralitäten, in denen die Laster unter einem falschen wohlklingenden Namen in Verkleidungen ihr Verführungswerk auszuüben pflegen. Ueber die großen Unwahrscheinlichkeiten solcher Verkleidungen müssen wir hinwegsehen, um das Renaissancedrama richtig einzuschätzen; wir dürfen nicht daran Anstoß nehmen, daß selbst die nächsten Verwandten durch die Verkleidung über die Person des Verkleideten getäuscht werden. Im Lustspiel ist die Verkleidung ein Hauptmittel, um durch Verwechslung der Personen Situationskomik herbeizuführen. Aber auch im Trauerspiel bildet die Verkleidung häufig einen wesentlichen Bestandteil der Intrige. Sie dient dem Bösewicht zur Erreichung seiner verbrecherischen Ziele; sie kann aber auch den Zweck haben, einem Verfolgten das Entkommen aus einer Gefahr zu erleichtern (Edgar in Lear). Oft ist die Verkleidung mit einer Vertauschung der Geschlechter verbunden. Seit Shakespeares Tw. wird es ein beliebtes Motiv, daß ein Mädchen in der Verkleidung eines Pagen in die Dienste des von ihr geliebten Mannes tritt; meist gewinnt sie dessen Hand, nachdem ihr wahres Geschlecht erkannt worden ist. Diese Geschlechtervertauschung wurde dadurch sehr erleichtert, daß damals auch die weiblichen Rollen durchweg von männlichen Personen (jungen Burschen) gespielt wurden. 624. Dieser Umstand mildert auch unser Urteil über die vielen ungeheuren D e r b h e i t e n des Dramas, die oft in Unflätigkeit ausarten. Dadurch, daß die weiblichen Rollen von Knaben gespielt wurden, kam es, daß Dinge auf der Bühne gesagt wurden, die in Wirklichkeit kaum von Männern zu Frauen, noch weniger von Frauen zu Männern gesagt worden wären, obgleich die damaligen Frauen in solchen Dingen viel weniger empfindlich waren als 3,ä )

Beispiele bei Creizenach IV 252—255.

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II. D A S EIGENTLICHE DRAMA DER

HOCHRENAISSANCE.

unsere heutige Frauenwelt; die Liebesszenen bekamen wegen der darin auftretenden Knaben in Frauenkleidern leicht einen Schein der Unwirklichkeit und Unfeinheit376). Die Verwendung von Knaben als Schauspieler und der Umstand, daß manche Dramatiker, die selbst zugleich auch Schauspieler waren, schon in früher Jugend den Schauspielerberuf ergriffen hatten, ist wohl auch die Ursache dafür, daß den Kinderrollen im damaligen Drama meist eine frühreife Altklugheit und ein sich bis zur Dreistigkeit steigernder Vorwitz, sehr selten aber echte Kindlichkeit eigen ist. 625. Eine andere Eigentümlichkeit des Renaissancedramas, die freilich erst in unserem neuzeitlichen realistischen Drama außer Gebrauch gekommen ist, sind die vielen S e l b s t g e s p r ä c h e 3 7 7 ) . Meist sind sie ein unrealistisches altmodisches Auskunftsmittel der Bühnentechnik, um den Zuhörern Dinge mitzuteilen, die zum Verständnis des Zusammenhangs der Handlung notwendig sind; in solchen Fällen haben wir es eigentlich gar nicht mit Selbstgesprächen im eigentlichen Sinne zu tun, sondern mit Anreden des Sprechers an die Zuhörerschaft. Daneben gibt es aber auch wirkliche Monologe, durch die der Redende die geheimsten Triebfedern seines Handelns aufdeckt. Shakespeare hat den Monolog mit besonderer Meisterschaft zu handhaben gewußt; in Haml. äußert der Titelheld gerade in dieser Redeform die tiefsten und geistreichsten Gedanken. 626. Ein weiterer uns veraltet erscheinender bühnentechnischer Kunstgriff ist das viele B e i s e i t e s p r e c h e n 3 ' 8 ) , wodurch heuchlerische Schmeichler ihre wahre Gesinnung verraten, oder untergeordnete Personen die Torheit Höhergestellter an den Pranger stellen. 627. Aus dem klassischen Altertum stammt ein anderer Zug, der natürlich besonders in Nachahmungen antiker Vorbilder begegnet : die B o t e n b e r i c h t e . Sie dienen dazu, den technischen Schwierigkeiten auszuweichen, die der Darstellung bestimmter Szenen im Wege stehen; sie bezwecken aber auch oft eine Milderung allzugreller Greuelszenen, die man sich auf offener Bühne vorzuführen scheut. Solche Botenberichte stellen einen epischen Ueberrest im Drama dar. 628. Andere Bestandteile antiker Herkunft sind, besonders in den Nachahmungen Senecas, die C h o r u s r e d e n . Die d um b s h o w s sind dem italienischen Drama entnommen 379). Beliebt 3 ")

®") 37S) aT9) bühne

Cruickshank, Massinger p. 65. Beispiele bei Creizenach I V 3 1 0 — 3 1 3 . Creizenach I V 313. Creizenach I V 443. Sie gelangten durch Vermittlung der Humanistenins englische Drama.

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ist auch ein P r o l o g zu Anfang und ein E p i l o g am Schluß des Dramas. Mitunter wird der Prolog auch durch eine als Chorus bezeichnete Person ersetzt, die gelegentlich auch zu Beginn eines späteren Aktes auftritt. Der 4. A k t von Shakespeares Wint. wird z. B. durch Time als Chorus eingeleitet, der verkündet, daß seit dem Schluß des vorhergehenden Aktes 16 Jahre verflossen seien. 629. An die W a h r s c h e i n l i c h k e i t d e r H a n d l u n g wurden im Theater jener Zeit geringere Ansprüche gestellt, als wir zu stellen gewohnt sind (vgl. § 623). Wir wundern uns über die Leichtigkeit, mit der oft einzelne Personen oder ganze Menschenmassen umgestimmt werden. Ein erstaunlich schneller Gesinnungs- und Meinungswechsel begegnet häufig. Auch diese psychologische Unwahrscheinlichkeit müssen wir in den Kauf nehmen. 630. Das, was uns am englischen Renaissancedrama als Mangel erscheint, betrifft aber meist nur die äußere Form, die bühnentcchnische Seite dieser Literatur. Wenn wir den Grundsatz, daß jede Zeit nur aus sich selbst heraus beurteilt werden darf und verstanden werden kann, auch auf jenes Drama anwenden, dann sind die meisten seiner eben gekennzeichneten Eigentümlichkeiten nur scheinbare Mängel. Das Renaissancedrama steht vielmehr unerreicht da in seinem ungeheuren Reichtum an bühnenwirksamen Situationen und Motiven, in der Mannigfaltigkeit seiner Erfindung und Gestaltung. Die strotzende Fülle seiner dichterischen Wesensart zeigt sich auch in der M e n g e d e r Seitenzweige, die aus seinen Hauptästen hervorsproßten. 631. Sowohl das Lustspiel als auch das Trauerspiel spaltete sich von vornherein oder bald nach seinen ersten Anfängen in mehrere Unterarten. Roist., Bugb., Gurt, und Cond, vertreten, wie wir gesehen haben, vier verschiedene Unterarten des Lustspiels. L y 1 y gab ihm eine neue Schattierung, indem er es verfeinerte; diese Verfeinerung erstreckt sich nicht auf die Handlung, sondern auf die Rede und Gegenrede. Er ist der Urheber der Mode, ins Drama witzige oder witzelnde Gespräche einzufügen, die gar nichts zur Handlung beitragen, sondern nur den Zweck haben, die redenden Personen als geistreich zu kennzeichnen. P e e 1 e und G r e e n e sind die eigentlichen Schöpfer der r o m a n t i s c h e n K o m ö d i e . Ein Zusatz des Fremdartigen, Ungewöhnlichen, ein Gegensatz zum Alltag, ist für alle Romantik wesentlich. Bei Peele steckt die Romantik in der Dramatisierung eines Märchenstoffes (in Tale). Greene gab der einheimischen Komödie einen romantischen Anstrich, indem er in Bac. Zauberszenen einflocht, in Green die Handlung ins Mittelalter verlegte und mit dem Volkshelden Robin Hood verknüpfte. Sonst pflegt die romantische Komödie, wie das romantische Drama überhaupt,

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I I . D A S EIGENTLICHE D R A M A DER

HOCHRENAISSANCE.

sich meist auf einem fernen Schauplatz (am häufigsten Italien, aber auch Frankreich, Spanien, oder noch entferntere Länder) abzuspielen. Ein sonstiges Merkmal dieser Abart des Dramas sind jähe überraschende Wandlungen der buntbewegten Handlung; große Unwahrscheinlichkeiten sind hier besonders häufig. 632. Beim T r a u e r s p i e l haben wir eine streng klassizistische und eine volkstümliche Richtung, sowie Uebergangsformen zwischen beiden unterschieden. Das klassizistische- Trauerspiel verwertete nicht nur antike Stoffe, sondern griff auch auf solche aus der britischen Vorzeit zurück. Beide Richtungen wurden erst in den Trauerspielen von M a r 1 o w e und K y d völlig zu einer neuen Einheit verschmolzen. Marlowe wurde durch Tamb. der Schöpfer des T r a u e r s p i e l s m i t orientalischem S c h a u p l a t z . In der Auffassung der orientalischen Herrscher als despotischer Wüteriche, die seither üblich wurde, spiegelt sich die englische Volksmeinung über den Orient wieder; in den meisten Fällen entsprach aber jene Anschauung gewiß auch der Wirklichkeit. Von Kyds Span. Trag, ging die R a c h e t r a g ö d i e aus, die in der Folgezeit eine so große Rolle im englischen Drama spielen sollte. Zu ihr gehört gewöhnlich ein Bösewicht, der durch seine Ränke die Verwickelung der Handlung herbeiführt und natürlich ein Rächer, der den Bösewicht entlarvt und bestraft. — Abseits von den übrigen Abarten des Trauerspiels entwickelte sich schon früh die e i n h e i m i s c h e h ä u s l i c h e Trag ö d i e , in der irgendein aufsehenerregender Mord im eigenen Lande dramatisch verarbeitet wurde. 633. Schon früh läßt sich neben dem Lustspiel und dem Trauerspiel eine besondere Dramengattung beobachten, bei der die Handlung an Tragik streift, aber nichtragisch endet: die T r a g i k o m ö d i e . Das älteste Beispiel ist Edwards' Dam. (1563/64). Man war sich aber noch auf lange Zeit hinaus der Besonderheit dieser Dramenart nicht klar bewußt. Noch Shakespeare nennt derartige Stücke (z. B. Merch.) comedies ebenso wie die regelrechten Lustspiele. Erst durch Fletcher wurde die Bezeichnung tragicomecly eingebürgert. 634. Auch die englische Geschichte wurde schon bald dramatisch bearbeitet 38°). Als ältestes H i s t o r i e n d r a m a (History) 3so) w i r müssen uns freilich darüber klar werden, daß die übliche Einteilung in Lustspiele, Trauerspiele und Historien verkehrt und unlogisch ist. Sie ist widersinnig, nicht nur weil sich in ihr zwei verschiedene Einteilungsgründe kreuzen, sondern auch weil für die Aufstellung der Historien als einer besonderen Dramengattung ein subjektiver Gesichtspunkt den Ausschlag gibt. Selbst wenn wir von dem Mangel an Logik in jener Einteilung absehen, bilden die Historien eine selbständige Dramengattung doch nur für den Engländer; die englische Literaturgeschichte nennt ja nicht alle

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darf wohl Peeles E I gelten (1590). Quelle für die meisten derartigen Dramen waren Geschichtschroniken, besonders die von Hall (1542) und Holinshed (1577 ff.)- Diese Dramenart war weit mehr als die andern der Gefahr ausgesetzt, eine bloße zusammenhanglose Aneinanderreihung geschichtlicher Ereignisse ohne innere Einheit darzubieten außer der durch die Person des Herrschers, dessen Regierung gerade geschildert wird. A u c h Shakespeare hat noch in den drei Teilen v o n H6 diese Schwierigkeiten nicht ganz überwunden, und erst seinen späteren Historien strafferen Zusammenhang beigelegt (vgl. R3 und H4). 635. Abseits von den übrigen Dramenarten steht endlich das H i r t e n s p i e l . D a s älteste uns überlieferte Beispiel ist L y l y s Love's Met. (1584/88); doch enthalten schon Peeles Arr. (1581) und L y l y s Galath. (1584) hirtenspielartige Bestandteile. D a s englische Hirtenspiel steht unter dem Einfluß teils der bukolischen Dichtungen Theokrits und Vergils, teils zweier berühmter italienischer Hirtendramen, Tassos Aminta und Guarinis II Pastor Fido. Der idyllische Charakter, der dem Hirtendrama eigen ist, nimmt ihm die dramatische Spannung, entfremdet es dadurch dem eigentlichen Wesen des Dramas überhaupt und nähert es der L y r i k . D a s Hirtendrama wurde besonders bei Hofe gepflegt. Die vornehmen Herren und Damen des Hofes traten, als Schäfer verkleidet, im Hirtendrama auf. D a s harmlose idyllische Leben eines ländlichen Hirten lockte sie durch seinen Gegensatz zu ihrer höfischen Ueberfeinerung. E s ist begreiflich, d a ß diese höfischen Hirtenspiele, die stofflich gar nicht im wirklichen Leben wurzelten und noch dazu von Darstellern gespielt wurden, denen die derbe Wirklichkeit des Hirtenlebens völlig fremd war, hohl und unnatürlich wirkten. Doch machte sich allmählich gegen solche Unnatur eine Gegenströmung geltend. Shakespeares Schilderung eines Schafschurfestes in Wint. steht durch ihre natürlicheFrische und realistische Echtheit in wohltuendem Gegensatz z u der inneren Verlogenheit der Mehrzahl der Hirtenspiele. 636. Verfolgen wir die Entwickelung des englischen D r a m a s der Hochrenaissance in seiner Gesamtheit, so müssen wir vor allem über die Schnelligkeit erstaunen, mit der unter der auch an großen äußeren Erfolgen so reichen Regierung der Königin Elisabeth jenes D r a m a aus noch recht kümmerlichen Anfängen zu großartiger Höhe emporstieg, u m im ersten Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts in den gewaltigen Trauerspielen aus Dramatisierungen der Geschichte »Historien«, sondern nur solche Stücke, worin Abschnitte aus der englischen Geschichte behandelt werden. Vom allgemeinen Standpunkt aus, der auch für Nichtengländer gilt, ist also die Bezeichnung »Historien« ganz unhaltbar. Eckhardt,

Geschichte des englischen Dramas.

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274

II.

DAS

EIGENTLICHE

DRAMA

DER

HOCHRENAISSANCE.

S h a k e s p e a r e s Meisterjahren seinen Gipfel zu erreichen. Dieser unerhörte Aufschwung und die Kürze der Zeit, in der er vor sich ging, läßt sich nur mit dem Aufstieg der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert in dem gleichen Zeitraum v o n etwa fünfzig Jahren von Gottsched bis zu Goethe und Schiller vergleichen. Dabei ist Shakespeare freilich der größte, aber keineswegs der einzige bedeutende Dramatiker seiner Zeit. 637. In der M e t r i k können wir an den Anfängen der Dramen der Hochrenaissance den Kampf zwischen Trägheitsmoment und Reizhunger besonders gut beobachten. Der Blankvers, der durch Gorb. (1561 ¡62) zunächst nur in das streng klassizistische Trauerspiel eindrang, worin der Ernst als einheitliche Stimmung das ganze Stück beherrschte, war den ältesten Tragödien der volkstümlichen Richtung (z. B . Pikeryngs Hör. (um 1564/67), Prestons Camb. (um 1570) noch durchaus fremd. Diese Dramen, für welche die Mischung von Ernst und Komik das wichtigste Merkmal ist, schieden im Anschluß an die Vorstufen des eigentlichen Dramas noch Ernst und Komik auch durch metrische Verschiedenheit: die tragischen Stellen sind in feierlichen, wegen ihres schleppenden Charakters für das Drama ungeeigneten (paar- oder kreuzweis gereimten) Septenaren abgefaßt; die Komik wird durch (ebenfalls paar- oder kreuzweis gereimte) Knittelverse angedeutet. Die ältesten Lustspiele widerstanden erst recht dem Eindringen des Blankverses; sie erbten von jenen Vorstufen gleichfalls den Knittelvers, und bedienten sich daneben sogar gelegentlich des Septenars, um feierliches Pathos anzudeuten (Cond. 1570) 381 ). Andere Mittel zu gleichem Zweck sind die Chaucerstrophe (Prolog zu Udalls Roist., vor 1551) und poulter's measure (Phillips Griss. A 1565). Ins Lustspiel drang der Blankvers erst mit Whetstones Prom. (1578) ein, ohne darin vorzuherrschen; auch in Rare (1581) ist seine Herrschaft noch nicht ausschließlich. Erst seit Marlowes Tarnb. (1587) erlangte der Blankvers in sämtlichen Dramenarten, auch im Lustspiel, das entschiedene Uebergewicht. Prosa ist die sprachliche Form in Gascoignes Glass (1573) sowie in allen Stücken L y l y s außer Moon (1591/93). Seit Marlowe traten im Drama der Hochrenaissance die metrischen Verhältnisse ein, wie sie bei der Darstellung von Shakespeares Metrik geschildert worden sind; sie blieben mit geringen Veränderungen auch noch in der Spätrenaissance bestehen. Ml) Clyom. (1578) und Whetstones Prom. (1578) sind trotz ihres Lustspielcharakters sogar vorwiegend, Gurt. (1552/53) durchweg in Septenaren abgefaßt. In Richards' Alisog. (1560) wird der an sich schon iür das Lustspiel wenig passende Septenar durch kreuzweise Reimstellung noch verfehlter.

S C H L Ü S S E L ZU D E N A B K Ü R Z U N G E N

DER D R A M E N T I T E L .

275

Schlüssel zu den Abkürzungen der Dramentitel. Abingt. = The Two Angry Women of Abington, Vf. Porter. — Ado = Much Ado about Nothing, Vf. Shakespeare. — Ale. = Battle of Alcazar, Vf. Peele. — All's = All's well that ends well, Vf. Shakespeare. — Alph. = Alphonsus Emperor of Germany, Vf. Peele. — Ant. = Anthony & Cleopatra, Vf. Shakespeare. — Anton. = Marc Antonie, Vf. Gamier, Uebers.: Gräfin von Pembroke. — App. A = Appius & Virginia, Vf. angeblich Bower. — Arcad. = The Queen's Arcadia, Vf. Daniel. — Ard. = Arden of Feversham, Pseudo-Shakespeare. — Arr. = Arraignment of Paris, Vf. Peele. — As = As you like it, Vf. Shakespeare. Bac. = Friar Bacon & Friar Bungay, Vf. Greene. — Bapt. = John Baptistes, Vf. Bale. — Bedn. = Blind Beggar of Bednal Green, Vff. Chettle & Day. — Beths. = Love of King David & Fair Bethsabe, Vf. Peele. — Bomb. = Mother Bombie, Vf. L y l y . — Bugb. = Bugbears (anonym). Caes. = Julius Caesar, Vf. Shakespeare. — Calisto = Calisto & Melibea (anonym). — Camb. = Cambyses, Vf. Preston. — Camp. = Alexander & Campaspe, Vf. L y l y . — Cleop. = Cleopatra, Vf. Daniel. — Club = Club Law, Vf. wahrscheinlich Ruggle. — Clyom. = Sir Clyomon & Sir Clamydes (anonym). — Cond. = Common Conditions (anonym). — Confl. = Conflict of Conscience, Vf. Woodes. — Cor. = Coriolanus, Vf. Shakespeare. — Cromw. = Thomas Lord Cromwell, Pseudo-Shakespeare. — Cymb. = Cymbeline, Vf. Shakespeare. Dam. = Damon & Pithias, Vf. Edwards. — Death = Death of Robert Earl of Huntingdon, Vf. Munday. — Dido = Dido Queen of Carthage, Vff. Marlowe & Nash. — Disob. = Disobedient Child, Vf. Ingelend. —• Downf. = Downfall of Robert Earl of Huntingdon, Vf. M u n d a y . — E 1 = King Edward I., Vf. Peele. — E 2 = King Edward II., Vf. Marlowe. — E 3 = Reign of King Edward III., Pseudo-Shakespeare. — Edm. = Merry Devil of Edmonton, Pseudo-Shakespeare. — Elem. = Four Elements, Vf. Rastell. — Em = Fair Em, Pseudo-Shakespeare. — Endym. = Endymion, the Man in the Moon, Vf. L y l y . — Engl. = Englishmen for My Money; or, A Woman will have Her will, Vf. Haughton. — Err. = Comedy of Errors, Vf. Shakespeare. — Fau. = Doctor Faustus, Vf. Marlowe. — Fedele = Fedele & Fortunio, Vf. Munday. — Folly = W i t & Folly, Vf. J. Heywood. — F o o l = The longer thou livest, the more Fool thou art, Vf. W. Wager. Galath. = Galathea, Vf. L y l y . — Gent. = Two Gentlemen of Verona, Vf. Shakespeare. — Gism. = Gismund of Salerne in Love (anonym.) — Glass = Glass of Government, Vf. Gascoigne. — Gorb. = Gorboduc; or, Ferrex & Porrex, Vff. Norton & Sackville. — Green = George-a-Green, the Pinner of Wakefield, Vf. Greene. — Grim = Grim the Collier of Croydon, Vf. Haughton. — Griss. A = Play of Patient Grissel, Vf. Phillip. — Griss. B = Pleasant Comedy of Patient Grissel, Vff. Chettle, D a y & Haughton. — Gurt. = Gammer Gurton's Needle, Vf. Stevenson. H 4 A & B = King Henry IV., Part I & II, Vf. Shakespeare. — H 5 = King Henry V., Vf. Shakespeare. — H 6 A — C = King Henry VI., Part 18*

276

S C H L Ü S S E L ZU DEN A B K Ü R Z U N G E N DER D R A M E N T I T E L .

I — I I I , Vf. Shakespeare. — H 8 = K i n g H e n r y V I I I . , V f . Shakespeare. — H a m l . = H a m l e t P r i n c e of D e n m a r k , V f . Shakespeare. — H e s t e r = G o d l y Q u e e n H e s t e r ( a n o n y m ) . — H i c k s . = Hickscorner ( a n o n y m ) . — H o f f r n . = H o f f m a n n ; or, A R e v e n g e for a F a t h e r , V f . C h e t t l e . — H o r . = H o r e s t e s , Vf. Pikeryng. J 4 = James I V . , Vf. Greene. — Jacob = Jacob & Esau (anonym). — Jeron. = J e r o n i m o , P a r t I ( a n o n y m ) . — Jew = J e w of M a l t a , V f . M a r lowe. — John A = K i n g John, V f . Bale. — John B = Troublesome R e i g n of K i n g J o h n ( a n o n y m ) . — J o h n C = K i n g John, V f . S h a k e s p e a r e . — Juggl. = J a c k Juggler (anonym). Kinsm. = T w o Noble Kinsmen, Pseudo-Shakespeare. — K n a c k = K n a c k to know a K n a v e (anonym). L a d . = T h r e e L a d i e s of L o n d o n , V f . W i l s o n d. A e . — L a w s = C o m e d y concerning Three Laws, Vf. Bale. — Lear = K i n g Lear, V f . Shakespeare. — L e i r = T r u e Chronicle H i s t o r y of K i n g L e i r (anonym). — L i k e = L i k e w i l l t o L i k e , q u o t h t h e D e v i l t o t h e Collier, V f . F u l w e l l . — L L L . = L o v e ' s L a b o u r ' s L o s t , V f . S h a k e s p e a r e . — L o c r . = T r a g e d y of Locrine, P s e u d o S h a k e s p e a r e . — L o o k . Gl. = L o o k i n g - G l a s s for L o n d o n & E n g l a n d , V f f . Greene & L o d g e . — L o r d s = T h r e e L o r d s & T h r e e L a d i e s of L o n d o n , V f . W i l s o n d. A e . — L o v e = P l a y of L o v e , V f . J. H e y w o o d . — L o v e ' s Met. = L o v e ' s Metamorphosis, Vf. L y l y . — M a c b . = M a c b e t h , V f . S h a k e s p e a r e . — Magd. A = M a r y M a g d a l e n e ( a n o n y m ) . — M a g d . B = L i f e & R e p e n t a n c e of M a r y Magdalene, V f . L . W a g e r . — Magn. = Magnificence, Vf. Skelton. — Maid's Met. = Maid's Metamorphosis ( a n o n y m ) . — M a r r . = M a r r i a g e of W i t & Science ( a n o n y m ) . — M a s s . = Massacre a t P a r i s , V f . M a r l o w e . — Meas. = Mea- sure for Measure, V f . S h a k e s p e a r e . — Merch. = M e r c h a n t of Venice, V f . Shakespeare. — Merl. = B i r t h of Merlin; or, T h e Child h a s f o u n d His F a t h e r , P s e u d o - S h a k e s p e a r e . — Mids. = M i d s u m m e r N i g h t ' s D r e a m , V f . Shakespeare. — Misog. = Misogonus, V f . R i c h a r d s . — M o o n = W o m a n in t h e Moon, V f . L y l y . — More = Sir T h o m a s More, P s e u d o - S h a k e s p e a r e . — M u c . = Mucedorus, P s e u d o - S h a k e speare. New Cust. = New Custom (anonym). O c t . = V i r t u o u s O c t a v i a , V f . B r a n d o n . — Oldc. = Sir J o h n O l d c a s t l e , V f f . M u n d a y , D r a y t o n , W i l s o n d. J. & H a t h w a y . — Orl. = O r l a n d o F u r i o s o , V f . G r e e n e . — O t h . = O t h e l l o , t h e Moor of Venice, V f . S h a k e s p e a r e . P a r d . = P a r d o n e r & F r i a r , V f . J. H e y w o o d . — P a r n . A = P i l g r i m a g e t o Parnassus (anonym). — Parn. B & C = Return from Parnassus, P a r t I & I I ( a n o n y m ) . — P e r . = Pericles P r i n c e of T y r e , V f . S h a k e s p e a r e . — Pers. = Soliman & Perseda, V f . K y d . — Philot. = Philctas, V f . Daniel. — P l a y = P l a y of P l a y s & P a s t i m e s (anonym) — P r o d . = L o n d o n P r o d i g a l , P s e u d o - S h a k e s p e a r e . — P r o m i s . = G o d ' s Promises, V f . B a l e . — P r o m o s = P r o m o s & C a s s a n d r a , V f . W h e t s t o n e . — P ' s = F o u r P ' s , Vf J. . H e y w o o d . — P u r . = P u r i t a n ; or, T h e W i d o w of W a t l i n g Street, P s e u d o - S h a k e s p e a r e . R 2 B = K i n g Richard II., V f . Shakespeare. — R 3 A = True T r a g e d y of R i c h a r d I I I . ( a n o n y m ) . — R 3 B = K i n g R i c h a r d I I I . , V f . S h a k e s p e a r e . — R a r e = R a r e T r i u m p h s of L o v e & F o r t u n e (anonym). — R e s p . = R e s p u b l i c a ( a n o n y m ) . — R e s u r r . = R e s u r r e c t i o n of O u r L o r d (anonym). — R o b i n = R o b i n Conscience ( a n o n y m ) . — Roist. = R a l p h R o i s t e r D o i s t e r , V f . U d a l l . — R o m . = R o m e o & J u l i e t , V f . Shakespeare. S a t . = S a t y r e of t h e T h r i e E s t a i t i s , V f . L y n d s a y . — Selim. = S e l i m u s , s o m e t i m e s E m p e r o r of t h e T u r k s (anonym). — S h r e w A = T a m i n g of a S h r e w ( a n o n y m ) . — S h r e w B = T a m i n g of t h e S h r e w , V f . S h a k e s p e a r e . — Son = Prodigal Son (anonym). — Span. Trag. = Spanish T r a g e d y , V f . K y d . — S t o n . = S t o n y h u r s t P a g e a n t s . — S t r a w = L i f e & D e a t h of J a c k

S C H L Ü S S E L ZU D E N A B K Ü R Z U N G E N D E R D R A M E N T I T E L .

277

Straw (anonym). — Stukel. = Life & Death of Captain Thomas Stukeley (anonym). — Summ. = Summer's Last Will & Testament, Vf. Nash. — Supp. = Supposes, Vf. Gascoigne. Tale = Old Wives' Tale, Vf. Peele. — Tamb. = Tamburlaine the Great, Vf. Marlowe. — Temp. = Tempest, Vf. Shakespeare. — Tempt. = Temptation of Our Lord, Vf. Bale. — Thers. = Thersites (anonym). — Tide = Tide tarrieth No Man, Vf. Wapull. — Tiler = Tom Tiler & His Wife (anonym). — Tim. B = Timon of Athens, Vf. Shakespeare. — Tit. = Titus Andronicus, Vf. Shakespeare. — Treas. = Trial of Treasure (anonym). — Troil. = Troilus & Cressida, Vf. Shakespeare. — Tw. = Twelfth-Night; or, What you will, Vf. Shakespeare. — T y b = Merry Play between Johan the Husband, T y b His Wife, & Sir Johan the Priest, Vf. J. Hey wood. Vict. = Famous Victories of Henry V (anonym). Want. = Nice Wanton (anonym). — Weak. = Weakest goeth to the Wall (anonym). — Weath. = Play of Weather, Vf. J. Heywood. — Welshm. - Valiant Welshman (anonym). — Wily = Wily Beguiled (anonym). — Wint. = Winter's Tale, Vf. Shakespeare. — Wisd. = Marriage of W i t & Wisdom (anonym). — Wiv. = Merry Wives of Windsor, Vf. Shakespeare. — Wounds = Wounds of Civil War, Vf. Lodge. — W S c = W i t & Science, Vf. Redford. — Yorksh. = Yorkshire Tragedy, Pseudo-Shakespeare.

278

REGISTER.

Register. (Die Zahlen beziehen sich auf die Paragraphen.)

Abbott: 2 4 7 j . Ablaßkrämer und Theriakhändler (Lyoner Farce): Anm. 7 1 . Ackermann: 247 m. Adams, J. A . : 247 c. Adams, John Quincey: 247 n. Aelian: 150. Aeschylus: 167. 496. Aesop: 100. 2 3 1 . Akademische Dramen: 459. 566. 591—594- Anm. 369—372. A Larum for London; or, The Siege of Antwerp: 6 0 1 . Albion Knight: 52. Albrecht: 408. Anm. 319. Alexander, Sir William: 574—579. Anm. 367. Alexandrean Tragedy: 578. Anm. 367Croesus: 576. Darius: 575. Julius Caesar: 577. Alexandriner: 86. 136. 175. 2 4 1 . Alliteration: 174. 330. 543. Allott: 205. 224. Alphonsus Emperor of Germany, s. Peele. Anders: 247 g. 426. Anm. 264. 287. 333- 334Antike Komödie: 1 3 7 . 142. 145. 155. Antike Stoffe: 530. 5 6 1 . Antike Tragödie: 563. 567. 5 7 1 . Antimasken: 341. Apollonius von Tyrus: 332. 419. 420. Appian: 604. Appius und Virginia, s. Bower. Apulejus: 339. Ariost: 145. 2 1 5 . 353. 358. Anm. 254. Aristokratische Weltanschauung: 277. 446. 457. 535. 622. Aristophanes: 133.

Aristoteles: 49. Armin: Anm. 373. Valiant Welshman, s. Valiant W . Arnold: 247 p. Arthursage: 177. 553. Aschenbrödel: Anm. 336. A x : 297. Ayrer: 436. Bab: 247 c. Babes in the Wood: 603. Bacon, Delia: 544. Bacon, Francis: 248. 544. 545. Misfortunes of Arthur, s. Hughes. Bacon, Roger: 218. Bacon-Theorie: 248. 544—46. Baeske: 297. Baildon: Anm. 270. Baker: 247 d. Anm. 102. 127. Bale: 7. 8—13. 14. 17. 22. 24. 25. 32. 60. 64—67. 68. 7 1 — 7 3 . 81. 122. 524. Anm. 7—10. 3 0 . 4 2 — 4 5 . Comedy concerning Three Laws: 15. 32. 64. 65. 67. 76. 123. Anm. 42—44. David & Absalom: Anm. 8. God's Promises: 10. 25. 27. 65. Anm. 9. John Baptistes: 11. 24. 25. 27. King John: 65a—67. 3 1 9 . Anm. 45. 48. 144. Temptation of Our Lord: 12. 24. Anm. 10. Ballweg: 562. Bandello: 358. 549. 600. Bang: 39. Anm. 50. Barclay, Alexander: 50. 85. Barock: 5 2 1 . Anm. 349. Baumgart: 464. Anm. 310. 319. Bayfield: 247 k. Bayne: Anm. 1 1 3 . 205. 207.

REGISTER.

B e a u m o n t : K n i g h t of t h e B u r n i n g P e s t l e : 207. B e c k e r : 436. A n m . 299 B e g g a r ' s D a u g h t e r of B e d n a l G r e e n : 584B e i s e i t e s p r e c h e n : 626. A n m . 378. B e l i e f e r e s t : 358. 479. B e r n a y s : A n m . 351. B e r n e r s : 339. Bernhardi: 213. B e r z e v i c z y : 247 m. B e s t r a f t e r B r u d e r m o r d , oder P r i n z H a m l e t aus D ä n e m a r k : 479. B i e b e r : 247 p. B i o g r a p h i s c h e D r a m e n : 243. B i s c h o f f b e r g e r : 48. B l a c k f r i a r s - T h e a t e r : 261. 527. A n m . 215. B l a e s e : 247 p . B l a n k v e r s : 139. 140. 165. 1 7 4 — 1 7 6 . 1 7 9 . 188. 190. 193. 200. 201. 203. 204. 206. 207. 212. 2 1 4 — 2 1 7 . 224. 227. 228. 235. 241. 243. 29O. 330. 333- 34 3^7- 517- 542- 56. 637. A n m . 121. 136. 279. B l i n d H a r r y , s. H e n r y t h e Minstrel. B o a s : i n . 247 d. A n m . 1 7 . 26. 7 1 . 72. 7 5 . 78. 88. 94. 96. 100. 104. 366- 371. B o c c a c c i o : 143. 175. 405. 424. 583. B o d e : 491. B o c c k e r : 441. B o e t h i u s , H e c t o r : 512. 597. B o l w e l l : 97. A n m . 70. Bonaccorso: 131. B o n d : 147. 152. 157. 161. A n m . n o . i n . 1 1 4 — 1 1 8 . 120. 124. 125. B o t e n b e r i c h t e : 20. 167. 176. 1 7 7 . 182. 230. 429. 576. 627. B o t h w e l l : 181. 481. B o w e r (?), A p p i u s & V i r g i n i a : 86. 1 7 9 . 180. B r a d l e y : 247 c. 454. 518. A n m . 319. 320. 3 3 1 . 345. B r a n d e s : 2 4 7 c . 456. A n m . 230. 260. 307. 314. 325. 326. 329. 331. 342. B r a n d l : 7. 15. 69. 76. 137. 181. 247 c. 448. 456. A n m . 3. 24. 27. 39. 40. 46. 47. 61. 7 1 . 83. 86. 87. 101. 106. 142. 145. 219. 264. 303. 306. 319. B r a n d o n : 569. V i r t u o u s O c t a v i a : 562. 569. B r a n t : 38. 50. 53. 85. B r e r e t o n , J. L e G a y : 213. 3 1 1 . B r e w e r , L i n g u a : 78. 81. A n m . 53.

279

B r i e : A n m . 147. 163. 176. 179. 1 8 1 . B r o o k e , A r t h u r : 393. B r o o k e , C . F . T u c k e r : 184. 268. 547. A n m . 362. B r o o k e , L o r d , s. G r e v i l l e . B r o w n : 19. A n m . 19. 20. B r u n i u s : 247 n. B u c h a n a n : 168. B u c h d r u c k e r k u n s t : 125. 126. 612. B i i t t n e r : 247 c . 268. 297. B u g b e a r s : 136. 145. 631. B u k o l i s c h e D i c h t u n g : 163. 635. B u l l e n 157. B u l t h a u p t : 247 d. 520. A n m . 239. 292. 314. 319. B u n g a y : 218. A n m . 190. B u r b a g e : 247 n. 254. B u r g h : 49. B y r o n : 7. 594. Cade, J a c k : 276. 277. Caesar & P o m p c y ; or, Caesar's R e v e n g e ( a n o n y m ) : 604. Calisto & M e l i b e a : ( a n o n y m ) : 107. n o . 112. A n m . 80—82. C a l v i n : 1 7 . 25. Capella, M a r c i a n u s : 45. 75. C a r e w , L a d y : 580. A n m . 368. M a r i a m : 580 A n m . 368. Castle of Perseverance ( a n o n y m ) : 34. 40. 84. C a x t o n : 416. 552. C e l e s t i n a : 107. A n m . 80. C e r v a n t e s : 328. 587. C h a m b e r s , D . L . : 504. C h a m b e r s , E . K . : 247 c. A n m . 59. C h a m b e r s , R . W . : 550. C h a p m a n : 208. 460. A l p h o n s u s E m p e r o r of G e r m a n y , s. Peele. B l i n d B e g g a r of A l e x a n d r i a : 584. C h a u c e r : 6 1 . 64. 65. 65 a. 68. 86. 99. 130. 143. 152. 180. 339. 416. 417. 561. 583. 6 1 1 . Chaucerstrophen ¡ 2 7 . 8 6 . 1 1 4 . 1 3 1 . 1 3 3 . C h e f f a u d : 202. Chester P l a y s : A n m . 3. Chettle: 581—584. B l i n d B e g g a r of B e d n a l G r e e n : 584. D e a t h of R o b e r t E a r l of H u n t i n g don, s. M u n d a y . D o w n f a l l of R o b e r t E a r l of H u n tingdon, s. M u n d a y . H o f f m a n ; or, A R e v e n g e for a F a t h e r : 582.

28O

REGISTER.

Hot Anger' soon Cold, s. Jonson Bd. II. Patient Grissel: 89. 143.583. 586. Robert II King of Scots, s. Jonson Bd. II. Childe Rowland: Anm. 176. Chorus: 628. Christmas Pantomimes: 207. Churchill: 281. Cinthio: 140. 217. 489. 490. City Pageants: 240. Clarke: 247!. Club Law, s. Ruggle. Coffman: 29. Cohn: 247 o. Coleridge: Anm.259. Collier: 56. Anm. 26. 37. 259. Collin: 335. Collins: 213. Anm. 194. 289. 338. Comedy of humours: 587. Commedia dell' arte: 136. 145. 355. Common Conditions (anonym): 137. 138. 139. 180. 203. 207. 420. 631. 637. Anm. 101—103. Condell: 266. 419. 517. Conrad: 464. 525. Anm. 310. 313. 325- 327Contention between Liberality & Prodigality (anonym): 57. Anm. 38. Contention betwixt the Two Famous Houses of Y o r k & Lancaster (anonym): 274. Anm. 223. 224. Corneille: 520. Cornish: Anm. 30. Cota, s. Celestina. Courthope: 222. 274. Anm. 36. 97. 192. 198. 223. 238. 251—253. 255. 277. 280. 314. Coventry Plays: 251. Anm. 3. Cradle of Security (anonym): 42. Anm. 28. 29. Creizenach: 108. 137. 191. 204. 207. 245. 401. 408. 459. Anm. 3. 8. 9. 22. 27. 29. 34. 49- 58. 59- 63. 64. 80. 82. 84. 91. 92. 99. 103. 105. 130. 135. 136. 143. 146. 155. 157. 159. 160. 167 — 169. 174.177. 180. 181. 186. 195. 201. 208. 209. 211. 221. 227. 242 — 244.254. 265. 267. 27I. 273. 274. 276. 278. 282—284. 286. 300. 30I. 308. 311. 335. 336. 361. 363. 375. 377—379Croll: 570. Crosse: 2. Cruickshank: Anm. 364. 376.

Cunliffe, J. W . : Anm. 138. 139. Cunliffe, R. J.: 247I1. Cunningham: Anm. 339. 345. Curtain (Theater in London) : Anm. 215Curtius, Q. Rufus: 565. 575. Dam, V a n : 464. Anm. 360. Dame Siriz: 01. 107. Daniel: 562. 563—568. 579. Cleopatra: 453. 562. 564. 569. 576. Hymen's Triumph: 567. Philotas: 562. 565. Queen's Arcadia: 566. 567. Anm. 366. Darnley: 181. 481. Davidson: 2. D a y : 157. 462. Blind Beggar of Bednal Green, s. Chettle. Lust's Dominion, s. Dekker. Maid's Metamorphosis, s. Maid's Metamorphosis. Pilgrimage to Parnassus, s. Pilgrimage. Spanish Moor's Tragedy,s. Dekker, Lust's Dominion. Débats, s. Streitgespräche. Deckner: 464. Dekadenz: 167. Dekker: 222. 526. Anm. 352. Lust's Dominion; or, The Spanish Moor's Tragedy: 586. Patient Grissel, s. Chettle. Spanish Moor's Tragedy, s. Dekker, Lust's Dominion. Weakest gocth to the Wall, s. Weakest . . . . Delius: 419. 462. Anm. 288. Deloney: 222. 595. Demblon: 464. Demokratische Züge: 367. 460. Dennis: Anm. 261. Derbheiten: 624. Anm. 376. Deutschbein: 247 j. Deutsches Drama: 174. 636. Anm. 58. Dialogue du fol et du sage: 98. Dibelius: 382. 383. Anm. 129. Dickens: 89. 587. Dictys Cretensis: 181. Anm. 143. Digby-Spiele: 133. Anm. 97. Diogenes Laertius: 149. Doccioli: 247 g. Döring: 464. Anm. 310. 313. 3 1 5 — 317- 319-

REGISTER.

D o g g e r e l r h y m e s : 330. 333. 357. 543. D o s t o j e w s k i : 504. D o w d e n : 247 c. 352. A n m . 225. 254. 290. 294. 300. 314. 317. 319. 357. D r a y t o n : 268. Sir J o h n O l d c a s t l e , s. M u n d a y . D r e i k ö n i g s s p i e l e : 376. 594. D u m b s h o w s : 172. 174. 1 7 6 . 2 0 5 . 6 0 2 . 628. A n m . 135. 379. D u n b a r , D r o i c h i s P a r t of t h e P l a y : 94 a . E b e r t : 2. E c k h a r d t : A n m . 14. 32. 50. 5 1 . 349. 35°- 354- 356E c k l e b e n : 247 p. E d w a r d s : 134. 135. A n m . 99. 100. D a m o n & P i t h i a s : 135. 136. 586. 633. A n m . 99. 100. 1 4 1 . P a l a m o n & A r c i t e : 134. E g e : 400. 401. E i d a m : 491. Einheimisches S i t t e n l u s t s p i e l : 554. 555. 589. 616. E l c k e r l i j k : A n m . 27. E l z e , K a r l : 464. Elze, T h e o d o r : A n m . 2 1 7 . E n d e c a s i l l a b o sciolto : 174. A n m . 136. E n j a m b e m e n t : 174. 235. E p i l o g : 628. E p i s c h e B e s t a n d t e i l e : 5 6 4 — 5 6 6 . 597. 627. E p i s c h e D i c h t u n g : 219. 529. E r a s m u s : 98. 1 1 7 . E r b e : 552. E r l e r : 247 p. E s l a v a : 436. E s s e x , Graf R o b e r t : 481. 525. 565. A n m . 327. E s s e x , G r a f W a l t e r : 481. E u p h u i s m u s : 149. 150. 153. 156. 158. 159. 1 6 1 . 220. 328. 391. 394. 407. A n m . 245. E u r i p i d e s : 168. 1 8 1 . A n m . 109. E v a n s : A n m . 241. E v e r y m a n (anonym) : 34.36. Anm.27. F a g g i : 441. F a i r M a i d of B r i s t o l ( a n o n y m ) : 590. F a m o u s V i c t o r i e s of H e n r y V . (anon y m ) : 298. 3 1 7 . 353. F a r c e n : 99. 104. 1 1 3 . A n m . 72. 78. F a r c e de P e r n e t qui v a a u v i n : 102. A n m . 75. F a u s t ( V o l k s b u c h ) : 189. A n m . 150.

281

F c n t o n : 156. F e u i l l e r a t : 147. A n m . 1 1 6 . 122. F i o r e n t i n o : 344. 368. F i s c h e r , K u n o : 281. 464. A n m . 3 1 7 . F i s c h e r , R u d o l f : 166. 387. 491. F l e a y : 152. 208. 298. 419. 462. A n m . 5. 224. F l e t c h e r : 401. 633. A n m . 279. B o n d u c a : 597. K n i g h t of t h e B u r n i n g Pestle, s. B e a u m o n t . L o y a l S u b j e c t : 89. T w o Noble Kinsmen, s. PseudoShakespeare. F l o r i o : 437. 480. F l ü g g e : A n m . 206. F o r d , H . : 247 m. F o u r E l e m e n t s ( a n o n y m ) : 44. 81. 84. 1 1 6 . 1 1 9 . A n m . 30. F o x e : 551. F r a n z : 247 j . F r a n z ö s i s c h e D r a m e n : 63. F r ä s e r : 234. F r i a r B a c o n , F a m o u s H i s t o r y o f : 218. F r i e d l ä n d e r : 342. F r i e s e n : 247 d. A n m . 232. Frührenaissance: 611. F ü n f s i l b l e r : 27. F ü r s t c n s p i e g e l : 49. F u l l e r , T h o m a s : 260. F u l w e l l : 43. L i k e will t o L i k e , q u o t h t h e D e v i l t o t h e C o l l i e r : 43. 53. 586. F u r n e s s : 518. A n m . 319. 341. G a m e l y n : 373. GammerGurton'sNeedle,s.Stevenson. G a r n e t t : A n m . 148. 204. G a r n i e r : 169. 178. 230. 5 6 2 — 5 8 0 . A n m . 366. 367. G a s c o i g n e : 144—146. 6 0 1 . A n m . 108. 109. G l a s s of G o v e r n m e n t : 146. 637. A n m . 15. J o c a s t a : A n m . 109. S u p p o s e s : 145. 353. G a y l e y : 128. A n m . 435. 439. G e n i e : 247 c. A n m . 214. 220. 224. 249. 2 9 1 . 319G e r k r a t h : 464. G e r v i n u s : 247 c. 5 1 9 . A n m . 259. 3 1 7 . 319G e s t a R o m a n o r u m : 344. 420. G i s m u n d of S a l e r n in L o v e ( a n o n y m ) : 1 7 5 . 1 7 6 . A n m . 137.

282

REGISTER.

Globe-Theater: 254. 261. G n a p h a e u s : 142. A n m . 15. Godly Queen Hester (anonym): 7. 17. 24. 25. 27. A n m . 4—6. Goethe: 23. 465. 470. 636. Goetz: 247 p. Golding: 602. Gollancz: 464. Gosse: 157. Vgl. auch G a r n e t t . Gosson: 77. 344. Gottfried von M o n m o u t h : 171. 177. 491. 5 0 1 ' 552. G o t t s c h e d : 636. Gower: 420. G r a b a u : A n m . 219. G r a e t z : 342. Graf t o n : 212. Grazzini: 136. Greene: 156. 202. 213—224. 231. 237. 246. 256. 269. 274. 429. 581. 631. Anm. 181—194. 212. Alphonsus King of Aragon: 214. A n m . 185. 186. Friar Bacon & F r i a r B u n g a y : 218—220. 221. 242. 556. 631. A n m . 190. 194. George a-Green, t h e Pinner of Wakefield: 221. 631. Anm. 191. History of J o b : A n m . 184. J a m e s I V : 217. A n m . 189. 194. Looking-Glass for London & Engl a n d : 165. 216. 234. 408. Anm. 129. Orlando Furioso: 207. 215. Anm. 187. 188. Greg: 7. 550. Greville, F u l k e : 570—573. 579. A l a h a m : 571. M u s t a p h a : 572. Griechischer R o m a n : 137. 420. Grim t h e Collier of Croydon, s. Haughton. Griseldis-Typus: 143. 334. 431. 583. 620. Anm. 107. G r o o t : 464. Großmann, R u d o l f : A n m . 173. Guarini: 635. Gundolf: 247 d. Guy von W a r w i c k : 250.

H a r i n g t o n : 358. H a r r i s : 247 p. H a r t : A n m . 328. H a r v e y : 207. H a t h w a y , Sir J o h n Oldcastle, s. Munday. H a u g h t o n : 585. Englishmen for My Money; or, A W o m a n will h a v e Her Will: 368. 585. Grim t h e Collier of Croydon; or, The Devil a n d His D a m e : 586. L u s t ' s Dominion, s. Dekker. P a t i e n t Grissel, s. Chettle. Spanish Moor's Tragedy, s. Dekker, Lust's Dominion. H a u p t m a n n , G e r h a r t : 23. H a z l i t t : A n m . 28. 38. 52. 319. H e b b e l : 7. 508. H e b l e r : 342. Hegel: 470. Heminge: 266. 419. 517. Henderson: A n m . 41. 67. H e n r y t h e Minstrel: 94 a. Henslowe: 585—587. 599. 604. Anm. 128. H e r f o r d : 247 d. p. H e r o d o t : 576. Heroic couplets: 157. Hesiod: 156. Heywood, J a s p e r : 168. Anm. 131. Heywood, J o h n : 25. 61. 62. 65. 65 a. 68. 97—104. 105. 107. 108. 113. 122. 160. Anm. 54. 70—78. F o u r P ' s : 98. 99. 103. 110. 58(1. Anm. 76. J o h a n t h e H u s b a n d . . . .: 62. 102. 103. 105. 112. Anm. 74. 75. 78. P a r d o n e r & F r i a r : 99. 103. 114. Anm. 71. 72. 78. P l a y of Love: 15. 25. 75. 98. 101. 103. 110. 113. P l a y of W e a t h e r : 100. 114. Anm. 73W i t & F o l l y : 7. 25. 98. 101. 113. 114. Anm. 76. Heywood, T h o m a s . H o w a Man m a y choose a Good Wife f r o m a B a d : 590. Hickscorner (anonym): 38. 39- 4385- i°3Häusliches Trauerspiel: 559. 560. 602. H i r t e n d i c h t u n g : 373. 603. 632. Hirtenspiele: 151. 153. 156. 157. 163. Haies: A n m . 50. 203. 430. 566—568. 635. H a l l : 268. 276. 279. 550. 634. Historia de bello A f r i c a n o : 205.

REGISTER.

H i s t o r i e n d r a m e n : 65 a — 6 7 . 193. 206. 2 1 7 . 222. 267. 327. 400—404. 501. 519. 526. 530. 622. 634. A n m . 45. 173.174. 220—243. 279—281.332. 380. H i s t r i o m a s t i x , s. Marston. H o c c l e v e : 49. Hochrenaissance im D r a m a : 1 2 8 — 637. A n m . 9 1 — 3 8 1 . H o l i n s h e d : 193. 206. 212. 2 4 7 g . 259. 268. 276. 297. 298. 3 1 7 . 403. 424. 501. 5 1 1 . 5 1 2 . 549. 552. 559. 597. 602. 634. Holthausen: 41. H o m e r : 416. H o w a Man m a y choose a G o o d W i f e f r o m a B a d , s. T h . H e y w o o d . H u d s o n : A n m . 245. 358. Hughes: 177. Misfortunes of A r t h u r : 177. A n m .

139-

283

J o d e l l e : 564. Johan t h e E v a n g e l i s t ( a n o n y m ) : 70. Jones: E m . : 464. Jones, H o w a r d M u m f o r d : 464. Jonson: 89. 1 6 1 . 226. 239. 254. 260. 266. 4 1 5 . 526. 538. 555. 563. 587. 616. A n m . 199. 352. Case is A l t e r e d : 240. C y n t h i a ' s R e v e l s ; or, T h e F o u n t a i n of S e l f - L o v e : 240. E v e r y M a n in H i s H u m o u r : 241. 368. 526. E v e r y M a n o u t of H i s H u m o u r : 1 6 1 . 563. P o e t a s t e r : 241. 4 1 5 . Jordan: 213. Josephus, F l a v i u s : 580. J o u r d a n : 436. J o v i u s : 224. J u s t e s e n : A n m . 309. J u s t i n : 565.

H u m a n i s m u s : 17. 24. 4 4 — 4 9 . 102. n o . 1 1 3 . 1 1 6 — 1 2 0 . 1 2 1 . 125. 591. K a b e l : 3 1 1 . 606. 6 1 2 . 6 1 5 . 618. K a t h o l i s c h e T e n d e n z : 76. 524. H u m a n i s t e n d r a m a : 128. 142, 146. K e l l e r : A n m . 166. 2 3 5 — 2 3 7 . 360. 172. A n m . 379. K e l l n e r : 247 c. h. i. 422. K e r r l : 318. 4 4 1 . H u n n i s : 1 7 . A n m . 5. H u o n de B o r d e a u x : 339. K i n d e r t r u p p e n : 527. Hyginus: 151. K i n g D a r i u s ( a n o n y m ) : 15. 24. 25. 27. A n m . 1 1 — 1 3 . Impatient P o v e r t y : 51. K i n g R i c h a r d I I ( a n o n y m ) : 290. I n g a n n a t i : 136. 378. Anm. 234—237. Ingelend: n o . K i n w e l m e r s h : A n m . 109. D i s o b e d i e n t C h i l d : n o . i n . 113. J o c a s t a : A n m . 109. 120. A n m . 15. 85. Klassizistisches T r a u e r s p i e l : 171— I n t e r l u d i u m de clerico & p u e l l a : 91. 178. 5 6 2 — 5 8 0 . 637. A n m . 134 A n m . 60. 6 1 . bis 140. 3 6 6 — 3 6 8 . I r v i n g : 464. K l e i n : A n m . 310. I s r a e l : 433. K l u g e : A n m . 349. Italienische D r a m e n : 623. 628. K n a c k to know a K n a v e (anonym): Italienische H i r t e n s p i c l e : 163. 635. 242- 595- 596. 600. Italienische L i t e r a t u r : 201. Italienische L u s t s p i e l e : 128. 130. 136. K n a c k t o k n o w a n H o n e s t M a n ( a n o n y m ) : 596. 137- 144- 241K n i t t e l v e r s e : 27. 86. 1 1 4 . 133. 1 3 7 . Italienische N o v e l l e n : 530. 585. A n m . 143. 212. 637. 249. Knolles: 571. Italienische R e n a i s s a n c e : 5 2 1 . 609. K n u t o w s k i : A n m . 158. Italienische T r a u e r s p i e l e : 174. K o c h , M a x : 247 c. J a c k J u g g l e r ( a n o n y m ) : 1 0 9 . 1 1 4 . 120. K o e h l e r : 247 e. J a c o b & E s a u ( a n o n y m ) : 1 7 . 1 8 . 2 4 — K o e l b i n g : 48. 27. 1 1 0 . 1 1 9 . A n m . 5. 14. 16. 1 7 . K o e s t l i n : A n m . 3 1 7 . J a g g a r d : 247 b . K o h l e r : A n m . 319. J e r o n i m o , P a r t I ( a n o n y m ) : 228. 229. K o m i s c h e Z w i s c h e n s p i e l e : 1 . 79. A n m . 202. 9 0 — 1 1 5 . 120. 122. 124. 160. A n m . J e u x partis, s. S t r e i t g e s p r ä c h e . 59—89-

284

REGISTER.

Koppel: 247 d. Kopplow: 318. Kreuzweise Reime: 175. 176. 330. 333- 341- 396- 4°7- 543- 564- 569637. Anm. 381. Kreyssig: 247 c. 519. Kriminalgeschichten: 559. Kroeger: 504. Anm. 340. 341. 343. 344Kühnemund: 247 p. Kuhlmann: 464. K y d : 166. 198. 225—233. 246. 256. 269. 394. 632. Anm. 195—203. Cornelia: 230. Soliman & Perseda: 226. 229. Spanish Tragedy: 226. 227. 228. 229. 231. 233. 339. 382. 582. 604. 632. Anm. 196—201. Urhamlet: 231. 472. 478. 479. Anm. 203.

Lokalfarbe: 38. 532. Lollarden: 121. Look about you, s. Wadeson. Lopez: 344. Lublinski: 464. Lucas: 166. Lucian: 152. 459. 461. 598. L u c y : 253. 309. 366. Ludwig: 247 d. 519. Lüdemann: 247 p. Lumley, L a d y : 168. Lupton: 75. All for Money: 75. Lust's Dominion; or, The Lascivious Queen, s. Dekker. Luther: 10. 25. 68. 72. 515. Anm. 25. Lydgate: 49. 416. L y l y : 104. 135. 139. 147—164. 203. 239- 328- 335- 394- 4 S o - 6 3 i - 37Anm. 110—127. Alexander & Campaspe: 149. 460. Anm. 112. Lämmerhirt: 202. Endymion, the Man in the Moon: Lambert: 247 c. Lampridius: 459. 152. 328. 368. Anm. 1 1 4 — 1 1 7 . Landauer: 247 d. Galathea: 151. 153. 163. 635. Anm. Landsberg, Erna: 202. "3Landsberg, Gertrud: 464. Love's Metamorphosis: 153. 157. Langland: 55. l(>3• 635. Anm. 118. 119. Larum for London, s. A Larum Midas: 154. 335. 339. Laserstein: Anm. 107. Mother Bombie: 155. Anm. 120. Lateinische Universitätsdramen: 591. Sappho & Phao: 150. Anm. 112. 592. Woman in the Moon: 149. 156. Lawson: 247 p. 163. 637. Anm. 121—124. Lederbogen: 408. Lyndsay: 60—63. 81. 106. Lee: 247 c. m. 518. Anm. 68. 275. Auld Man & His Wife: 106. 316. 324. Satyre of the Thrie Estaitis: 52. 53 Le Gay Brereton, s. Brercton. 61—63. 65 a. 69. 75. 76. 82. Leicester, Graf: 250. 339. 481. 84. 106. Anm. 39—41. Leschtsch: 297. Lessing: 180. Mac Callum: 247 c. Anm. 304. 306. Lewis: 184. 307. Liebau: 549. Anm. 319. Mac Donald: 464. Life & Death of Captain Thomas Machiavelli: 191. 233. 586. Stukeley (anonym): Anm. 170. Mackenzie, Agnes Mure: 247 p Life & Death of Jack Straw (ano- Mackenzie, W. R o y : 33. 464. nym): 212. Anm. 179. 180. Macro Moralities: 34. Lingua, s. Brewer. Macropedius: i n . Lodge: 225. 234—236. 373. Anm. 330. Märchen vom dankbaren Toten: 207. Looking-Glass for London & Eng- Magnus: Anm. 50. land, s. Greene. Maid's Metamorphosis (anonym): 157. Anm. 125. Wounds of Civil War: 235. 236. Loening: 464. Anm. 310. 313. 314. Mai-Rodegg: 464. Maispiele: 92. 317—319. Maitre Pathelin: 104. Logeman: Anm. 27. Malone, Kemp: 464. Lohr: 556.

REGISTER. Malory: 177. M a n k i n d ( a n o n y m ) : 34. Maria S t u a r t : 1 8 1 . 481. Markscheffel: 225. M a r l o w e : 1 6 6 . 1 7 8 . 1 8 4 — 2 0 0 . 206. 208. 2 1 1 . 2 1 5 . 2 1 7 . 2 2 2 . 2 2 3 . 2 2 5 . 2 2 7 . 2 3 2 . 246. 248. 256. 2 7 1 . 2 7 3 . 2 7 4 . 280. 288. 3 5 3 . 382. 394. 6 3 2 . 637. Anm. 1 4 6 — 1 6 5 . 174. D i d o Queen of C a r t h a g e : 1 9 5 . 199. 238. Anm. 1 5 8 — 1 6 2 . Doctor Faustus: 189.190. 1 9 1 — ! 9 3 - 199- 2 J 5 - 2 I 8 . A n m . 1 5 0 .

285

Mind W i l l & U n d e r s t a n d i n g , s. W i s dom. M i r a k e l s p i e l e : 1. 2 9 — 3 2 . 83. 1 2 2 . A n m . 1. 2 2 — 2 5 . 90. Mirror for M a g i s t r a t e s : 4 3 2 . 5 0 1 . M i s t e r i e n : 1. 2 — 2 8 . 30. 34. 3 5 . 40. 6 5 . 70. 7 4 . 80. 83. 94. n o . 1 1 9 . 1 2 2 . 1 7 0 . 1 9 0 . 204. 2 1 6 . 2 5 1 . 3 8 6 . A n m . 1 — 2 1 . 24. 7 9 . 1 8 4 . Mittelalterliche E p i k : 623. M o n t a i g n e : 4 3 7 . 480. Montemayor: 335. 339. M o r a l I n t e r l u d e s , s. M o r a l i t ä t e n . M o r a l i t ä t e n : 1. 7 . 11. 1 5 . 1 6 . 32, J e w of M a l t a : 1 9 1 . 1 9 2 . 1 9 4 . 2 3 3 . 3 3 — 8 9 - 94- 95104. 1 0 7 . n o . 2 8 2 . 2 8 3 . 344. 3 8 2 . 5 8 2 . A n m . 112. 114. 119. 123. 133. 135. 137. 152—156. 142. 143. 156. 165. 170. 1 7 1 . 179. K i n g E d w a r d I I : 1 9 3 . 1 9 4 . 290. 1 9 0 . 2 1 8 . 2 3 9 . 2 7 5 . 290. 5 9 5 . 5 9 9 . 293. Anm. 157. 222. 603. 6 1 8 . 623. Anm. 26—58. 1 2 3 . Massacre a t P a r i s : 194. 1 9 5 . More ( M o r u s ) : 44. 97. 1 1 7 . 5 5 0 . Tamburlaine the Great: 186—188. A n m . 3 5 9 . 360. 1 8 9 . 1 9 2 . 1 9 3 . 1 9 9 . 2 0 1 . 204. 2 0 5 . 2 1 4 . 2 1 6 . 224. 2 2 9 . 2 3 5 . 269. M o r o : 490. 2 7 5 . 2 8 1 . 604. 6 3 2 . 6 3 7 . A n m . M o r s b a c h : 2 4 7 c. d. 464. 468. 4 7 2 . 541. Anm. 323. 352. 146—149. Marriage of W i t & Science (ano- M ü l l e r : 5 6 4 . Münz: 247 m. n y m ) : 46. 86. 1 1 9 . Marriage of W i t & W i s d o m (ano- M u n d a y : 2 4 0 — 2 4 6 . A n m . 1 2 8 . 2 0 5 — 212. n y m ) : 4 7 . 74. 1 1 9 . D e a t h of R o b e r t E a r l of H u n t i n g Marston: 526. Anm. 352. d o n : 244. 584. H i s t r i o m a s t i x : 240. A n m . 1 8 . D o w n f a l l o f R o b e r t E a r l of H u n M a r x : 247 p. t i n g d o n : 2 4 3 . 244. 584. A n m . M a r y Magdalene ( a n o n y m ) : 30. 3 2 . 209. 210. Masefield: 247 m . Fedele & Fortunio: 241. 335. Anm. M a s k e n s p i e l e : 7 8 . 8 1 . 203. 2 3 9 . 3 4 1 . 206. 2 0 7 . 424- 437- 567John a K e n t & John a Cumber: 242. Massacre of t h e I n n o c e n t s ( a n o n y m ) : A n m . 208. Anm. 24. Sir J o h n O l d c a s t l e : 2 4 5 . 5 4 7 . 5 5 1 . Massinger: Anm. 364. Anm. 128. 2 1 1 . B e l i e v e a s you l i s t : A n m . 1 7 1 . Sir T h o m a s More, s. PseudoMasuccio di S a l e r n o : 3 5 0 . Shakespeare. M a t t h e w s : 2 4 7 c. d. Medwall, F i n d i n g of T r u t h : A n m . 2G. Mundus & I n f a n s , s. W o r l d & Child. Fulgens & Lucres: 126. 1 3 1 . Anm. Naogeorg: 6 5 a . 26. 9 5 . Narcissus ( a n o n y m ) : 594. A n m . 3 7 2 . N a t u r e : 34. 44. 7 1 . 84. Nash: 195. 203. 2 1 0 . 2 3 1 . 237—239. M e i n c k : 2 4 7 c. 2 6 9 . A n m . 204. M e r e s : 2 3 2 . 2 4 2 . 2 5 8 . 362. 3 6 5 . 3 8 5 . D i d o Queen of C a r t h a g e , s. M a r 407. Anm. 2 1 8 . 259. lowe. Meyer: 247 b. M i d d l e t o n : 462. 5 1 4 . A n m . 3 4 5 . Summer's Last Will & Testament: W i t c h : 5 1 4 . Anm. 345. 239Miller's D a u g h t e r of M a n c h e s t e r ( B a l - N a s s i : A n m . 1 5 6 . lade): 556. N a t ü r l i c h k e i t in geschlechtlichen D i n Milton, Comus 2 0 7 . gen: 621.

286

REGISTER.

P e r r o t t : 433. N e i d h a r t v o n H e u e n t a l : 104. N e w C u s t o m ( a n o n y m ) : 7 3 . 123. P e s s i m i s m u s : 263. 374. 398. 399. 405. N i c c o l s : 432. 4 1 1 . 4 1 7 . 425. 435. 460. 463. 4 7 7 . 494. 496. N i c e W a n t o n ( a n o n y m ) : 1 1 1 . 1 3. P e t r a r c a : 583. 1 1 4 . 120. A n m . 86. P e t r o n i u s : 375. Nicht v o m Weibe geboren: 511. P h e l p s : 184. N i c l a s : 247 p. P h i l l i p : 143. N i e m e y e r : 342. N o r p o t h : 334. P a t i e n t Grissel: 143. 637. A n m . N o r t h : 235. 339. 446. 564. 107. 108. Norton: 171. P i e h l e r : 237. P i k e r y n g : 181. G o r b o d u c , s. S a c k v i l l e . H o r e s t e s : 179. 1 8 1 . 637. O b e r a m m e r g a u e r P a s s i o n s s p i e l : 23. Anm. 142—145. O c h i n o : 132. Pilgrimage to Parnassus (anonym): O e c h e l h ä u s e r : 24yd. A n m . 240. 263. 293- 318. 3 : 9 . 0 s t e r b e r g : 464. O h l e : 422. O n i o n s : 247 h . O p t i m i s m u s : 263. 395. 6 1 3 . O r i e n t d r a m e n : 186. 205. 224. 229. 5 7 1 . 572. 632. O v i d : 150. 1 5 1 . 153. 154. 203. 339. 382. 594P a g e a n t s s. C i t y P a g e a n t s . P a i n t e r : 405. 549. 600. P a r r o t t : 460. P a s q u a l i g o : 241. P a t h o m a c h i a ; or, L o v e ' s L o a d s t o n e : A n m . 53. P e e l e : 137. 2 0 2 — 2 1 2 . 222. 223. 237. 26g. 274. 3 1 9 . 555. 6 3 1 . A n m . 167—180. A l p h o n s u s E m p e r o r of G e r m a n y : 208. A r r a i g n m e n t of P a r i s : 203. 2 1 1 . 635. A n m . 1 6 7 — 1 6 8 . B a t t l e of A l c a z o r : 205. 209. A n m . 170—172. D a v i d & B e t h s a b e : 204. A n m . 169. K i n g E d w a r d I : 193. 206. 634. A n m . 173. 174. O l d W i v e s ' T a l e : 137. 207. 6 3 1 . Anm. 175—177. Turkish Mahomet & Hiren the Fair G r e e k : 209. A n m . 178. Pellissier: 247 m . P e m b r o k e , L a d y : 178. 230. 563. 564. A n m . 140. M a r c A n t o n i e : 178. 230. 453. 564. 569. A n m . 368. P e r c y : A n m . 35. P e r o n d i n u s : 186. P e r r e t t : 4 9 1 . A n m . 330.

592. 593.

P l a u t u s : 2 1 . 25. 108. 109. 1 1 8 . 120. 128. 129. 133. 145. 152. 242. 3 3 1 . A n m . 24. 9 1 . 92. 94. 247. P l a y of P l a y s & P a s t i m e s ( a n o n y m ) : 7 7 . 8 1 . A n m . 52. P l a y of t h e S a c r a m e n t ( a n o n y m ) : 30. P l i n i u s : 149. P l u t a r c h : 149. 235. 339. 442. 446. 450. 456. 457. 459. 4 6 1 . 564. 565. 569. 576. 604. P o e l : 247 n. P o e p p e r l i n g : 247 p. P o l l a r d : 2. 29. 33. 90. 550. P o r t e r : 587. T w o A n g r y W o m e n of A b i n g d o n : 368. 587. P o u l t e r ' s m e a s u r e : 86. 143. 203. 637. P r e s t o n : 182. C a m b y s e s : 86. 179. 182. 339. 637. Price: 311. P r i d e of L i f e ( a n o n y m ) : 34. 42. P r o d i g a l Son ( a n o n y m ) : 18. 24. 26. 1 1 9 . A n m . 18. P r o e s c h o l d t : 337. P r o l o g : 628. P r o p h e t e n s p i e l : 10. P r o s a : 145. 146. 149. 1 5 7 . 1 6 1 . i y o . 193. 206. 207. 212. 2 1 5 . 2 1 6 . 224. 296. 298. 325. 330. 367. 434. 542. 565. 637. P r o t e s t a n t i s m u s : 524. P r u d e n t i u s : 76. Pseudo-Shakespeare: 547—561. Anm.

359—365A r d e n of F e v e r s h a m : 547. 559. B i r t h of Merlin; or, T h e C h i l d h a t h f o u n d H i s F a t h e r : 553. F a i r E m : 219. 556. L o c r i n e : 224. 547. 552.

REGISTER.

287

London P r o d i g a l : 5 4 7 . 5 5 4 . R e t u r n f r o m P a r n a s s u s (anonym): Merry Devil of E d m o n t o n : 5 5 6 . 4 1 5 . 5 9 3 * Anm. 3 7 1 . 5 5 8 . Anm. 3 6 3 . Reuchlin: A n m . 7 1 . Mucedorus: 5 5 6 . 5 5 7 . Anm. 3 6 1 . Rhodes: 2 4 7 n. R h y m e royal, s. Chaucerstrophe. 362. P u r i t a n ; or, T h e Widow of Watling Rich: 3 7 6 . 3 7 8 . 6 0 0 . A n m . 2 6 7 . Richard: 2 3 4 . Street: 5 4 7 . 5 5 4 . 5 5 5 . Reign of K i n g Edward I I I : 5 4 9 . Richards, T h o m a s : H I . Sir John Oldcastle, s. Munday. Misogonus: H I . 1 4 2 . 1 4 6 . Anm. 1 5 . Sir T h o m a s More: 7 4 . 2 4 5 . 5 5 0 . 106. 381. Anm. 3 5 9 . 3 6 0 . R i c h t e r : 2 4 7 c. Thomas Lord Cromwell: 5 4 7 . 5 5 1 . R i o : Anm. 3 5 1 . Two Noble Kinsmen: 5 4 7 . 5 6 1 .R i t t e r d r a m e n : 1 3 8 . 2 1 5 . Anm. 3 6 4 . 3 6 5 . Ritterepos: 1 3 8 . Yorkshire T r a g e d y : 5 4 7 . 5 5 9 . 5 6 0 . R i t t e r r o m a n e : 4 5 . 4 6 . 5 6 . 1 3 7 . Puritanismus: 7 7 . 8 1 . 1 4 6 . 2 1 6 . 2 2 2 . Ritterromantik: 5 6 1 . 237- 238. 380. 524. 555. 614. Robertson: 3 6 3 . 3 8 2 . 4O0. 4 6 4 . Anm. 2 6 9 . Robin Conscience (anonym): 59. 60. P y r a m u s & Thisbe: 2 5 1 . 3 3 8 . Robin Goodfellow: 3 3 9 . Robin H o o d : 9 2 . 2 0 6 . 2 2 1 . 2 4 3 . 2 4 6 . Queen Hester, s. Godly Queen Hester, 335- 373- 599- 631. yueen Mab: 3 3 9 . Römerdramen: 2 3 5 . 4 4 0 — 4 5 8 . 5 3 0 . Quiller-Coucli: 2 4 7 d. C 0 4 . Anm. 3 0 0 — 3 0 7 . Roetsclier: 2 4 7 d. Anm. 2 3 2 . 3 1 4 . R a a f : Anm. 2 7 . Iiohde: Anm. 1 5 0 . Rachetragodien: 1 9 2 . 2 0 8 . 2 2 6 . 2 3 3 . Rojas, s. Celestina. 552. 632. Romantik: 6 0 7 . 6 1 6 . Raich: Anm. 3 5 1 . Romantische E p i k : 1 3 7 . 1 3 8 . 2 4 6 . Raleigh, S i r W a l t e r ( i 5 5 2 — 1 6 1 8 ) : 4 5 c . . Romantische Ironie: 2 0 7 . Raleigh, Walter ( 2 0 . J a h r h . ) : 2 4 7 c. Romantische Lustspiele: 5 5 . 1 3 7 — Ramsay: 3 3 . 139. 223. 332. 556—558. 595- 631. R a r e T r i u m p h s of Love & F o r t u n e Romantische S t o f f e : 2 3 3 . 5 8 4 . 5 8 9 . (anonym): 1 3 9 . 1 5 6 . 4 2 4 . 6 3 7 . Romantisches D r a m a : 2 2 1 . 2 2 2 . 2 2 6 . Rastell: 4 4 . 9 7 . A n m . 9 3 . Four E l e m e n t s : 4 4 . 8 1 . 8 4 . 1 1 6 . 5 2 6 . 6 3 1 . R o o t : 2 4 7 m. 1 1 9 . Anm. 3 0 . Realismus: 5 . 1 8 . 2 1 . 3 8 . 3 9 . 4 7 . 1 8 9 . Rowley, Samuel: 1 9 0 . 2 1 5 . 2 9 8 . 3 5 3 . Anm. 1 5 1 . 1 8 8 . 207. 593. 594. 602. 625. When you see me, you know m e : Redende N a m e n : 5 5 5 . 5 9 2 . Anm. 5 8 . 402. 404. Redford: 4 5 . Anm. 3 1 . W i t & Sciencc: 4 5 . 4 6 . 1 1 9 . Anm. Rowley, William: 4 1 9 . B i r t h of Merlin, s. Pseudo-Shake3 1 . 32speare. Reed: 9 7 . Anm. 2 6 . 7 0 . Reformation: 2 4 . 3 1 . 5 8 . 7 6 . 1 0 3 .R o y : 7 . Rüegg: 4 6 4 . 1 2 1 — 1 2 4 . 125. 142. 612. 615. R e i m p a a r e : 2 7 . 8 6 . 1 1 4 . 2 0 3 . 2 0 6 .R ü h f e l : 2 3 7 . 2 1 6 . 2 2 8 . 2 4 1 . 3 3 0 . 3 3 3 . 3 4 1 . 3 5 7 . Rümelin: 4 4 7 . Anm. 3 0 2 . Ruggle: 5 9 1 . 3 9 6 . 47- 4 2 0 - 5 4 3 - 5 6 4 - 6 3 7 Club L a w : 5 9 1 . 5 9 2 . 5 9 3 . Anm. 3 6 9 . Renaissance: 1 0 0 . 1 2 7 . 1 3 6 . 3 3 4 . 5 2 1 . 5 2 9 . 5 3 0 . 6 0 5 — 6 3 7 - Anm. 3 4 9 . 37°374—381. Respublica (anonym): 7 6 . 8 1 . 8 2 . 1 2 3 . Sackville: 1 7 1 . Anm. 5 0 . s i Gorboduc; or, F e r r e x & P o r r e x : Resurrection of O u r Lord (anonym): 171—174. 175. 177. 585. 14. 24. 2 7 . 6 3 7 . Anm. 1 3 4 — 1 3 6 .

288

REGISTER.

Saintsbiiry: Anm. 258. Sargeaunt: 504. Sarrazin: 225. 247 h. Savits: 247 n. Saxo Grammaticus: 479. Schäfer s. Hirten . . . . Schaubert: 268. Schauspiel im Schauspiel: 217. 226. 233- 243. 329- 338- 353- 4 6 7- 47i479. 527. Anm. 209. 322. Schelling: 94 a. 208. Anm. 81. 104. 123. 149. 33°- 367Schick: 464. Schiller: 23. 135. 197. 257. 302. 523. 636. Schipper: 94. Anm. 57. Schlegel: 5 1 5 . Anm. 314. Schmidt, Alexander: 247 h. 337. Schmidt, Joh. E.: 247 d. Schmidt, Karl: 268. Schneewittchen: 422. Schöttner: 387. Schomburg: 352. Schopenhauer: 471. Schottische Dramen: 61—63. 94. 106. Anm. 39—41. 67. Schrankenlosigkeit des Herrschers 622. Schröer: 382. Anm. 7. 44. Schück: 247 c. Schücking: 247 p. Anm. 360. Schuldramen: 118. 119. 133. 142. 591. Schwanke: 91. 94. 102. 1 4 1 . Anm. 3- 62. Schweifreimstrophen: 27. 86. 94. 1 1 4 . 1 3 1 . 174. Scott: 250. Seibel: 247 m. Seifert: Anm. 31. Selbstgespräche: 625. Anm. 377. Selimus, sometimes Emperor of the Türks (anonym): 224. 552. Seneca: 20. 118. 135. 166. 167. 168. 169. 1 7 1 . 175. 177. 178. 182. 196. 227. 230. 2 3 1 . 233. 235. 275. 288. 382. 552. 562—580. 604. 628. Anm. 1 3 1 . 132. 366. 367. Septenare: 20. 27. 72. 86. 137. 138. 140-142.168.179.203.206. 2 4 1 . 6 3 7 . Shakespeare: 23. 67. 1 5 9 — 1 6 1 . 165. 183. 185. 188. 196. 199. 2 1 3 . 222. 223. 245. 246. 247—546. 547. 549- 55°- 553- 559—561. 581. 605. 616. 622. 625. 633. 636. 637. Anm. 183. 193. 194- 213—358-

lakespeare, Pseudo-, s. PseudoShakespeare. All's well that ends well: 263. 405—407. 408. Anm. 282. Anthony & Cleopatra: 263. 449— 453- 454- 461. 54°- 54- Anm. 304. As you like it: 75. 234. 254. 369. 370—375- 406. 425- 43°- 433439- 463. 533. Anm. 194. 266. 353Comedy of Errors: 331—333. 336. 355- 377- 421. 431- 438. 538. 541. 543. Anm. 244. 247. 248. Coriolanus: 103. 263. 277. 445. 452. 454—457- 4 6 °- 533- 535541. Anm. 305—307. Cymbeline: 174. 263. 421. 4 2 2 —426. 427. 428. 430. 4 3 1 . 4 3 3 435- 53°- 6 2 ° . Anm. 112. 194. 250. 257. 279. 285. 291—293. Hamlet Prince of Denmark: 195. 226. 231—233. 254. 259. 263. 385. 463. 464—481. 507. 509. 523. 524. 52 7- 532. 534540. 561. 582. 625. Anm. 162. 197- 309—327- 365Julius Caesar: 259. 277. 318. 441—448.449.450. 454.457.533. 540. 577. Anm. 300—303. 31». King Henry IV.: 104. 152. 187. 241. 245. 253. 254. 260. 267. 272. 295. 297—310. 316. 328. 354. 364. 366. 406. 4 1 7 . 430. 581. 634. Anm. 172. 178. 193. 2 : 8 . 238. 256. 355. King Henry V.: 259. 267. 298. 3 1 1 — 3 1 7 . 323. 326. 366. 523. 524. 526. 622. Anm. 239—242. King Henry VI: 2 1 2 . 245. 250. 254. 267. 268—280. 281. 290. 293- 305- 312. 44G. 524. 535. 550. 634. Anm. 182. 220—226. 346. King Henry V I I I : 264. 267. 280. 400—404. 524. 547. Anm. 279— 281. 294. King John: 244. 267. 318—325. 354. 390. 452. 523. 524. 533. Anm. 243. King Lear: 15. 1 4 1 . 174. 371. 422. 463. 484. 491. 492. 493—503507- 513- 53°- 534- 539- 622. 623. Anm. 331—337. King Richard II; 193. 254. 267. 290. 291—296. 299. 320. 449.

289

REGISTER. King Richard III: 267. 275. 2 8 1 — 2 8 9 . 2 9 1 . 292. 295. 300. 315. 3 2 0 . 3 4 6 . 3 8 5 . 499. 504. 5 0 5 . 540. O34. A n m . 2 2 7 — 2 3 3 . Love's Labour's Lost: 152. 1 6 1 . 328—330. 3 3 1 . 333. 336. 339. 3 6 0 . 407. 5 3 1 . 5 4 3 . 5 9 4 . A n m . 244—246. 279. 355. M a c b e t h : 2 8 2 . 445. 4 5 6 . 464. 5 0 4 — 5 1 4 . 523. 532. 534. 541. 543- A n m . 3 3 8 — 3 4 5 Measure for M e a s u r e : 1 4 0 . 2 5 9 . 2 6 3 . 349. 4 0 8 — 4 1 1 . A n m . 2 8 3 . 284. M e r c h a n t of V e n i c e : 1 5 . 1 9 1 . 3 3 4 . 3 4 2 — 3 5 1 - 377- 4 " - 439- 539633. Anm. 194. M e r r y W i v e s of W i n d s o r : 2 5 2 . 2 5 3 . 3 1 1 . 363—368. 4 3 1 . 530. 55S. 616. Anm. 193. 256. 260—265. Midsummer-Night's D r e a m : 154. 182. 250. 2 5 1 . 329. 330. 334. 3 3 7 — 3 4 1 - 374- 433- 434- 543- 594Much Ado a b o u t N o t h i n g : 47. 1 0 4 . 1 5 2 . 260. 3 0 9 . 3 2 9 . 3 3 4 . 3 5 4 . 3 5 8 — 3 6 2 . 3 7 1 . 406. 428. 4 3 1 . 488. 5 2 3 . 5 8 7 . A n m . 2 5 0 . 2 5 7 bis 259O t h e l l o t h e Moor of Venice 20. 384. 4 2 2 . 4 3 1 . 4 8 2 — 4 9 0 . 499. 523. 5 6 1 . 569. 620. Anm. 257. 328. 329. 365. Pericles P r i n c e of T y r e : 2 6 2 . 3 3 2 . 4 1 9 — 4 2 1 . 431. 5 4 1 . 547. Anm. 287—290. R o m e o & J u l i e t : 1G1. 2 5 5 . 3 5 4 . 3 8 1 . 3 8 7 — 3 9 6 . 399- 4 ' 7 - 4 2 2 - 4 5 2 . 523- 532- 534- A n m . 2 7 6 — 2 7 8 . T a m i n g of t h e S h r e w : 1 4 5 . 2 1 7 . 3 5 2 . 353- 3 5 4 — 3 5 7 - 3 5 » . 4 ° 6 - 543583. Anm. 253. 254. 256. T e m p e s t : 2 4 2 . 2 6 3 . 264. 3 7 1 . 4 2 1 . 4 3 3 — 4 3 9 - 523- 539- 543- 5 6 1 . A n m . 208. 294. 2 9 6 — 2 9 9 . 3 6 5 . T i m o n of A t h e n s : 1 0 3 . 1 4 9 . 2 6 3 . 399- 4 5 8 . 459- 4 6 0 — 4 6 3 . 4 7 6 . 496. 5 1 7 . 5 2 3 . A n m . 3 0 8 . 3 4 6 . Titus Andronicus: 196. 232. 256. 3 8 1 . 3 8 2 — 3 8 6 . 504. 5 3 1 . 534. Anm. 2 7 0 — 2 7 5 . 346. Troilus & Cressida: 263. 4 1 2 — 4 1 8 . 460. 5 2 3 . 5 2 5 . 5 3 3 . A n m . 2 8 5 . 2 8 6 . 348. T w e l f t h - N i g h t ; or, W h a t you will: 3 2 9 . 334- 3 6 9 . 3 7 6 — 3 8 0 . 406. 421. 623. Anm. 194. 267—269. Eckhardt,

Two Gentlemen of Verona: 154. 334—336- 350. 377. Anm. 194. 244. 2 4 9 — 2 5 2 . Winter's T a l e : 263. 4 2 1 . 4 2 8 — 4 3 2 . 4 3 3 . 488. 5 3 3 . 628. 6 3 5 . A n m . 2 5 0 . 2 5 7 . 294. 2 9 5 . Sidgwick: 337. Sidney: 1 7 8 . 230. 335. 5 0 1 . 570. S i e p e r : 2 4 7 c. Sievers, Eduard: 491. Sievers, Eduard Wilhelm: 2 4 7 e . 5 1 9 . Simpson: 550. Anm. 359. Sir C l y o m o n & Sir C l a m y d e s (anonym) : 1 3 8 . 2 0 3 . 2 0 7 . 2 1 2 . Anm. 3 8 1 . S k e l t o n : 7. 25. 4 8 — 5 0 . 65. 86. 9 5 . 96. 1 0 8 . 2 4 3 . 244. A n m . 5. 3 3 . 56. 68. A c h a d e m i o s : 96. A n m . 69. M a g n i f i c e n c e : 3 3 . 4 9 . 50. 5 1 . 5 2 . 8 1 . 84. 86. N e c r o m a n c e r : 95. A n m . 68. Virtue: Anm. 33. S k e l t o n i s c h e V e r s e : 2 7 . 244. A n m . 5 6 . S m i t h , G. G r e g o r y : A n m . 1 6 2 . 1 6 4 . 165. 199. S m y t h : 419. S o m e b o d y , Avarice & Minister (anon y m ) : 69. S o m e r s , Sir G e o r g e : 436. S o m m e r s , W i l l , s. S u m m e r . Sophocles: 167. 176. Soties: 104. Spätrenaissance im D r a m a : 637. Spanier, J . : Anm. 3 5 1 . Spanische Dramen: 107. S p a n i s c h e L i t e r a t u r : A n m . 249. S p a n i s h Moor's T r a g e d y , s. D e k k e r , Lust's Dominien. Spearing: 166. S p e n s e r : 78. 2 2 4 . 2 2 5 . 3 5 8 . 5 0 1 . 5 S 0 . 597. 6 1 1 . S p i e l l e u t e : 93. 2 2 1 . Stecher: 387. Steinhäuser: 419. Steinitzer: 247 c. S t e l l u n g der F r a u d e m M a n n e gegenü b e r : 620. S t e l l v e r t r e t e n d e r W e r b e r als Gewinner der B r a u t : 2 : 9 . 2 7 1 . 5 9 5 . S t e v e n s o n : 141. Gammer Gurton's Needle: 1 4 1 . 6 3 1 . Anm. 104. 105. 3 8 1 . S t i c h o m y t h i e : 99. 1 3 5 . 1 6 7 . 1 7 6 . 1 7 7 . 2 2 7 . 2 3 0 . 279. 288. Still, Gammer Gurton's Needle, s. S t e v e n s o n .

Geschichte des englischen Dramas.

IQ

290

REGISTER.

Stirling, Earl of, s. Alexander, Sir William. Stoll: 297. 342. 464. 482. Stonyhurst Pageants: 19—23. 25—27 Anm. 19—21. Stopes, Mrs.: 17. 247 d. n. Anm. 5. Stow: 602. Straparola: 368. Streibich: 572.

Troublesome Reign of King John (anonym): 319. 325. 547. True Chronicle History of King Leir (anonym): 492. 498. 501. 547. Anm. 330. True Tragedy of Richard I I I (anonym) : 2 7 4 . 2 7 4 . 275. Anm. 2 2 4 . True Tragedy of Richard Duke of Yorks S. Contention betwixt the Two Famous Houses of York & S t r e i t g e s p r ä c h e : 79. 9 3 . 9 8 — 1 0 0 . 1 0 3 . Lancaster, Part I I . 1 1 3 . 160. Tschischwitz: 247 d. Studley: 168. Türck: 464. Anm. 315. 317. Stukeley: 205. Anm. 170. Tugend und Liebesstreit (anonym): Summer, Will: 98. 239. Surrey, Earl of: 174. 6 1 1 . Anm. 2 6 7 . Swinburne: 247 c. Turnbull: 482. Swoboda: 97. Anm. 54. 55. 59. 77. Twine: 420. Sykes: 190. 208. 215. 29S. 319. Tyler, Wat: 277. Anm. 179. 3 5 3 . 462. 5 1 7 . 5 4 7 . 584. Anm. 1 5 1 . Tyndale: 7. 188. 2 1 0 . 347. Tzeutschler: 555. Tacitus: 597. Tagelied: 394. Taine: 520. Taming of a Shrew (anonym): 353. 355- 583- Anm. 253—255. Tarlton: 54. 56. 298. Tasso: 566. 635. Anm. 203. Tausendundeine Nacht: 353. Telemach: Anm. 309. Tennyson: 203. Terenz: 30. 91. 118. 128. 129. 133. 1 4 5 . 1 5 5 . Anm. 9 3 . 94. Textor, Ravisius: 108. 110. Theaterstreit: 526. Theatre (Theater in London): Anm. 215Theokrit: 635. Thersites (anonym): 108. 114. 120. Anm. 83. 84. Thimme: Anm. 152. Thiselton: 337. 405. 408. Thompson: 247 1. 550. Thorndike: 166. 247 c. n. Thiimmel: 247 d. Tieck: 515. Timon (anonym): 459. Tomki(n)s: Anm. 53. Tom Tiler & His Wife: 105. 114. Tourneur: 232. Towneley Plays: Anm. 3. 23. 62. Tragikomödien: 28. 135. 140. 216.

Udall: 17. 132. 133. 1 4 1 . 135. Anm. 50. 96—98. Ezechias: Anm. 96. Ralph Roister Doister: 43. 1 3 1 . 1 3 2 . 133. 1 4 1 . 3 3 9 . 6 3 1 . 6 3 7 . Anm. 97. 98. Ulrici: 247 d. 519. Anm. 314. 319. Untergeschobene Braut: 405. 408. Valiant Welshman (anonym): 597. Vehse: Anm. 316. 351. Venable: 464. Vergil: 174. 195. 635. Verity: 464. Anm. 314. Verkleidungen: 623. Anm. 375. Verleumdete Unschuld der Frau: 358—360.

422.

423.

431.

Anm.

258. Verlorener Sohn (Schuldramen): 17. 18. 1 1 0 . i n . 1 1 9 . 1 4 2 . 1 4 6 . Anm. 15.

Vertauschung der Geschlechter in der Verkleidung: 1 5 1 . 201. 334. 377. 422.

Vischer: 247 d. 471. Anm. 281. 317. Vorstufen des eigentlichen Dramas: 1 — 1 2 7 . A n m . 1—90.

j Wadeson: Look about you: 599. j Wager, Lewis: Cruel Debtor: 16. j Life & Repentance of Mary MagdaI lene: 32. 122. Anm. 25. i Wager, William: 7 1 . 422. 5 6 7 . 569. 600. 6 0 1 . 6 3 3 . ' Cruel Debtor: 16. Trench: 464. Trial ofTreasure (anonym): 74.75.550. I Enough is a Good as a Feast:

REGISTER.

Anm. 89. The longer thou livest, the more Foul thou art: 71. 84. Anm. 46.

47-

Wahrscheinlichkeit der Handlung: 623. 629. Waking Man's Dream (Erzählung): 353Wallace: 259. Anm. 16. 30. 219. Wandelnder Wald: 511. Wapull: 53. Tide tarrieth No Man: 53. 81. 84. Ward: Anm. 85. 98. 137. 150. 154. 191. 224. 266. 295. 321. 337. Warde: 247 p. Warner: Anm. 247. Warning for Fair Women (anonym): 602. Wars of Cyrus King of Persia (anonym): 201. Anm. 166. Warton: 95. Anm. 68. Weakest goeth to the Wall (anonym) : 600. Wealth & Health (anonym): 41. Webster John: 232. Weakest goeth to the Wall, s. Weakest . . . . Wegener: 247 n. Anm. 216. Weiblicher Versausgang: 439. 542 Anm. 279. Wells: 441. Werder: 464. 504. Anm. 310. Wetz: 247 c. d. 520. Anm. 247. Wever, Lusty Juventus: 68. Whetstone: 140. Promos & Cassandra: 140.411. 637. Anm. 381. White: 2 4 7 p . Wieland: 158. Wielert: 311. Wihan: 464. Wilkins: 419.462. Anm. 289. Miseries of Enforced Marriage :41g. Anm. 288. Wilmot: 176. Tancred & Gismunda: 176. Anm. 138. Wilson, J. Dover: 550. Anm. 52. Wilson, Robert (der Aeltere): 54—56. 165. Anm. 34—37. 128—130.

Cobbler's Prophecy: 165. Anm. 129. 130. Pedlar's Prophecy: Anm. 130. Three Ladies of London: 54. 55. 56. 82. 88. 165. Anm. 34—36. Three Lords & Three Ladies. of London: 54. 56. 82. 86. 88. 165. Anm. 37. Wilson, Robert (der Jüngere): Anm. 128. Sir John Oldcastle, s. Munday. Wily Beguiled (anonym): 589. 598. Winstanley: 464. Winter: 247 n. Winter Night's Vision: 432. Wintoun, Andrew of: 512. Wisdom (anonym): 34. Wisdom of Doctor Dodipoll (anonym): 598. Witherspoon: 169. Wolff, G.: 464. Wolff, Max J.: 247c. 472. 520. Anm. 248. 272. 312. 318. 348. Wolsey: 7. 25. 50. Anm. 4. Woodall: 464. 504. Woodes: 72. Conflict of Conscience: 72. 73. 80. 86.

World & Child (anonym): 40. Wortspiele: 247 p. 515. Wotton, Sir Henry: 229. 404. Wright: 460. Wiilker: 10. 69. 161. 175. 213. 214. 305Wulffen: 247 e. 464. Wurth: 247 p. Wyclif: 17. 61. 65. 72. 73. 121. 245Wympheling: Anm. 71. Xenophon: 201. Xenophon von Ephesus: 393. Yarrington, Two Tragedies in One = Two Lamentable Tragedies: 603. Y o n g : 335. Young, Frances Berkeley: Anm. 140. Young, K . : 97. Anm. 78. Youth (anonym): 39. Y v e r : 556.

19*

292

BERICHTIGUNGEN

UND

ZUSÄTZE.

Berichtigungen und Zusätze. S. 27, Zeile 13 v. o. lies: M i s t e r i e n statt Mysterien. S. 28, Zeile 3 v. o. statt 65 lies: 65 a. S. 41, Zeile 22 v. u. statt 94 lies: 94 a. § i 2 i , S. 54 letzte Zeile lies n o c h statt n c o h. Zu § 189. Marlowes Faust ist nicht, wie der Goethes, von unstillbarem Erkenntnisdrang erfüllt; die Haupttriebfeder seines Handelns ist der Wunsch, mit Hilfe der Zauberei Reichtum und Macht zu erlangen. Zu § 225. K y d starb 1594. Zu § 253. Shakespeares Sohn Hamnet wurde zwölf Jahre alt. Zu § 321. Zwischen der Darstellung von Arthurs Tod in Shakespeares John C und dem Tode seines eigenen Söhnchens Hamnet besteht keinerlei Zusammenhang; dieser starb, nachdem der Dichter die Gestalt Arthurs und die Arthur-Szenen schon geschaffen hatte. Zu § 527. Ueber die Kindertruppen handelt mit erschöpfender Gründlichkeit das Buch von Harold Newcomb H i l l e b r a n d : The Child Actors. Univ. of Illinois 1926. Zu § 550, Anm. 360. In abschließender Weise wird More untersucht im Buche von A. T a n n e n b a u m : The Booke of Sir Thomas Moore. New York (1927). T. läßt die Frage von Shakespeares Anteil an More offen, und stellt im übrigen, hauptsächlich durch Handschriftenvergleichung, außer Munday noch K y d , Chettle, Dekker und Thomas Heywood als Verfasser fest. Zu § 56J, Schluß Anm. 365 a), vgl. auch § 161.

INHALTSVERZEICHNIS.

293

Inhaltsverzeichnis. Seite

Vorwort Allgemeine Bibliographie I. Die Vorstufen des eigentlichen Dramas. § 1—127 A. Die Misterien. § 2—28 B. Die Mirakelspiele. § 29—32 C. Die Moralitäten. § 33—89 D. Die komischen Zwischenspiele. § 90—115 E. Ueberblick über die Vorstufen des eigentlichen Dramas (von 1500 an). § 116—127 II. Das eigentliche Drama der Hochrenaissance (von 1550 an). § 128 bis 637 A. Die Anfänge des Lustspiels. § 128—143 B. George Gascoigne. § 144—146 C. John L y l y . § 147—164 D. Robert Wilson der Aeltere. § 165 E. Die Anfänge des Trauerspiels. § 166—182 F. Die Stürmer und Dränger. § 183—233 1. Christopher Marlowe. § 184—201 2. George Peele. § 202—212 3. Robert Greene. § 213—224 4. Thomas K y d . § 225—233 G. Kleinere Dramatiker aus der Zeit der Königin Elisabeth (bis 1603). § 234—246 H. William Shakespeare. § 247—561 a) Shakespeares Jugenddramen (1589—1600). § 267—397 . . b) Die Dramen aus Shakespeares Mannesjahren (1601—13). § 398—514 c) Allgemeines über Shakespeares Dramen. § 515—546 . . Die pseudoshakespeareschen Dramen. § 547—561 . . . I. Die Nachahmer Senecas und Garniers zur Zeit Shakespeares. § 562—580 J. Kleinere Dramatiker aus der späteren Zeit der Königin Elisabeth (bis 1603). § 581—587 K . Einzeldramen aus der späteren Zeit der Königin Elisabeth (bis 1603). § 588—604 L. Ueberblick über das Drama der Hochrenaissance. § 605—637 Schlüssel zu den Abkürzungen der Dramentitel Register Berichtigungen und Zusätze

VII IX 1 1 14 15 40 52 57 57 67 68 77 78 86 86 95 102 110 115 122 133 184 232 244 247 252 256 263 275 278 292

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S h a k e s p e a r e s dramatische W e r k e nach der Übersetzung von A U G U S T W I L H E L M S C H L E G E L und L U D W I G T I E C K , sorgfältig revidiert und teilweise neu bearbeitet, mit Einleitungen und Noten versehen, unter Redaktion von H. U1 r i c i herausgegeben durch die Deutsche Shakespeare-Gesellschaft. Zweite, aufs neue durchgesehene Auflage. 1876—77. Oktav. Neudruck 1922. I. Band. X und 526 Seiten. II. „ X und 526 Seiten. III. „ I Blatt und 498 Seiten. IV. „ I Blatt und 428 Seiten. V. ,, I Blau und 372 Seiten. VI. „ I Blatt und 463 Seiten. VII. ,, I Blatt und 391 Seiten. VIII. „ I Blatt und 407 Seiten. IX. „ I Blatt und 421 Seiten. X. „ I Blatt und 441 Seiten. XI. ,, I Blatt und 497 Seiten. XII. „ I Blatt und 466 Seiten. 12 Bände. In Leinen 2 4 . — , in Halbleder 4 0 . — S h a k e s p e a r e - D r a m e n (Romeo und Julia, Othello. Lear, Macbeth). Nachgelassene Übersetzungen von O T T O G I L D E M E I S T E R . Herausgegeben von H E I N R I C H SPIESS. Oktav. X V , 524 Seiten. 1904. 5.— S h a k e s p e a r e s Sonette. Übersetzt von K. L A C H M A N N . Sedez. 153 Seiten. 1820. Preis auf Anfrage. Shakespeares Gedichte. 422 Seiten. 1861.

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S h a k e s p e a r e ' s books. A dissertation on Shakespeare's reading and the immediate sources of his works. (Shakespeares Belesenheit.) Von H. R. D. A N D E R S . XX, 316 Seiten. Oktav. 1904. (Schriften der Deutschen ShakespeareGesellschaft /.) 6 . — , geb. 7.50 H e r d e r s S h a k e s p e a r e - A u f s a t z in dreifacher G e s t a l t . Mit Anmerkungen herausgegeben von F R A N Z Z I N K E R N A G E L . Oktav. 41 Seiten. 1912. (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 107.) 1.20 H a m l e t auf der d e u t s c h e n B ü h n e bis zur G e g e n w a r t . Von A L E X A N D E R V O N W E I L E N . Oktav. IX, 200 Seiten. 1908. (Schriften der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft III.) 4 . — , geb. 5.50 G e s c h i c h t e der e n g l i s c h e n Literatur im Grundriß. Dieses Werk ist vom ehemaligen „Grundriß der germanischen Philologie" (Pauls Grundriß) als besondere Abteilung abgezweigt worden und wird in mehreren einzeln käuflichen Teilen ausgegeben werden. G e s c h i c h t e des e n g l i s c h e n D r a m a s im Zeitalter der R e f o r m a t i o n und R e n a i s s a n c e . Von Dr. E D U A R D E C K H A R D T , Oberbibliothekar und a. o. Professor an der Universität Freiburg i. Br. Groß-Oktav. 1. Band: Vorstufen. Shakespeare und 2. Band: Shakespeares Nachfolger.

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II. Teil

(ungekürzt). Oktav. 483

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