Das Bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluss des Handelsrechts: Historisch und dogmatisch dargestellt [Reprint 2018 ed.] 9783111525273, 9783111156941

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Das Bürgerliche Recht Deutschlands mit Einschluss des Handelsrechts: Historisch und dogmatisch dargestellt [Reprint 2018 ed.]
 9783111525273, 9783111156941

Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorword zur dritten Auflage
Berichtigung
Abkürzungen
Inhalt
Erstes Buch: Allgemeiner Theil
Einleitung
Erster Abschnitt: Aas objektive Recht
Zweiter Abschnitt: Aas subjektive Recht
Dritter Abschnitt: Die Rechtssubjekte
Vierter Abschnitt: Die Rechtsobjekte
Fünfter Abschnitt: Die Subjekte de- Schuldverhältnisses.
Sechster Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse
Zweites Buch: Die Persönlichkeitsrechte
A. Die Rechte auf den Genuß persönlicher Güter
B. Die Rechte auf Bethätigung
Drittes Buch: Das Recht der Schuldverhältniffe
Erster Abschnitt: Bon der Obligation überhaupt
Zweiter Abschnitt: Gegenstand der Obligation
Dritter Abschnitt: Inhalt der Obligation
Vierter Abschnitt: Entstehung-gründe der Schuldverhältnisse
Fünfter Abschnitt: Die Subjekte de- Schuldverhältnisses
Sechster Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse
Viertes Bach: Das Sachenrecht
Erster Abschnitt: Das Eigenthum
Zweiter Abschnitt: Das Bergrecht
Dritter Abschnitt: Das Lehnrecht
Vierter Abschnitt: Emphyteusis und Erbpachtrecht
Fünfter Abschnitt: Das Erbbaurecht, Superficiar- oder Platzrecht
Sechster Abschnitt: Die Servituten oder Dienstbarkeiten
Siebenter Abschnitt: Die Reallast
Achter Abschnitt: Das Pfandrecht
Neunter Abschnitt: Das Vorkaufsrecht
Fünftes Buch: Das Familienrecht
Erster Abschnitt: Das Eherecht
Zweiter Abschnitt: Das Eltern- und Kindesverhältnis
Dritter Abschnitt: Das Vormundschaftsrecht
Sechstes Buch: Das Erbrecht
Erster Abschnitt: Allgemeine Lehren
Zweiter Abschnitt: Die gesetzliche Erbfolge
Dritter Abschnitt: Die Erbfolge auf Grund einer Verfügung von Todeswege
Vierter Abschnitt: Erbfolge gegen den Willen de- Erblassers (Notherbrecht)
Fünfter Abschnitt: Die Erbfolge in besonderen Güterarten
Sechster Abschnitt: Rechtsstellung des Erben
Siebenter Abschnitt: Vermächtnisse, Schenkungen von Todeswegen und Anfragen
Achter Abschnitt: Verlust des Erbrecht- und Veräußerung der Erbschaft
Sachregister

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3. Ssftarttg, Bocka-oenn der Wechsel domicilirt ist. Wird ein nicht protestierter Wechsel weiterbegeben, so hat das Nachin dossament alle Wirkungen eines Indossamentes, aber es be­ gründet einen neuen Wechsellauf, da es Regreßrechte nur gegen die Nachindossanten entstehen lassen kann (Art. 16 Abs. 1). 5. Der Wechselgläubiger kann gegen einen beliebigen Vormann Regreß nehmen. Vormann ist für den Wechselgläubiger ein jeder, welcher den Wechsel vor ihm erworben und durch Indossament über­ tragen hat. Bezahlt der Vormann im Regreßwege, so befreit er seine Hintermänner von der Regreßpflicht, kann aber gegen seine Vormänner Regreß nehmen. Der Aussteller befreit demnach alle Regreßschuldner, denn er ist der letzte in ihrer Reihe. Durch mehr­ faches Regreßnehmen verzögert sich die endgültige Abwicklung des Geschäfts und vergrößert sich die zu zahlende Summe (Artt. 50, 51). Der Abkürzung des Regreßweges dient das Institut der Wechselintervention 1). Diese besteht darin, daß ein Anderer als ') S. besonders Goldschmidt: System des Handelsrechts. 3. Ausl. 1891. S. 267—274.

bet Trassat den Wechsel annimmt ober baß ein Anberer als bet Trassat ben Wechsel bezahlt. Die Annahme geschieht enttoebet von einer Nothabresse, b. h. einer im Wechsel genannten, nur bebingt mit bet Zahlung beauftragten Person („im Falle bet Noth bei Herrn N.") ober im Wege bet Ehrenannahme im engeren Sinne, b. h. von einer nicht als Nothabresse im Wechsel benannten Person. In beiben Fällen tritt bet Intervenient als Schuldner nur auf Grunb bet von ihm erklärten Wechselannahme ein. Ist aber eine Nothabreffe vorhanden, so hat der Wechselinhaber vor dem Regresse auf Sicherstellung die Annahme bei bet Noth­ abreffe nachzusuchen, eine wechselmäßige Pflicht zur Annahme be­ steht inbessen für bte Nothadresse selbstverständlich nicht. Die Ehrenzahlung geschieht stets von einet zur Zahlung nicht verpflichteten Person. Die Intervention erfolgt zu Gunstrn (zu Ehren) eines RegreßschulbnerS (Honoraten), und zwar entweder des be­ stimmt Benannten ober, wenn die Nennung unterblieben ist, des Ausstellers. Durch bte Ehrenannahme sowohl als durch die Ehren­ zahlung werben die Nachmänner des Honoraten befreit, erfolgt die Intervention also zu Gunsten brS Ausstellers, so werben alle Regreßschuldner befreit. Die Ehrenannahme kann bet Wechselgläubiger zurückweisen, bte Ehrenzahlung muß er nehmen (Artt. 56—65). 6. Eine Wechselkopie ist eine Abschrift beS Wechsels und hat nur die Bestimmung. Kenntniß von dem Inhalte beS Wechsels zu geben, ihre Herstellung liegt daher im freien Belieben eines jeden Wechselbesitzers. Ein Wechselduplikat aber ist ein mit dem Wechsel gleichlautendes Originalexemplar; es ist Träger selbständiger Wechselerklärungen und kann daher nur von demjenigen hergestellt werben, der den Wechsel geschaffen, b. i. vom Aussteller. Indessen ist dieser zur Ausstellung von Duplikaten auf Setlangen verpflichtet (Art. 66). Die Duplikate bienen dem Interesse, ben Wechselbesitzer vor ben Folgen des Verlustes des Wechsels zu schützen (insbesondere wenn bte Prima zum Accept versandt wirb), und dazu, dem Inhaber, der ben Wechsel zum Accepte versandt hat, die Möglichkeit der Jndossirung zu erhalten. Das Duplikat an sich ist nur eine Wechsel­ abschrift, daher findet aus ben auf dem Wechsel befindlichen Wechsel­ erklärungen, die im Duplikat nur wiederholt sind, nur eine ein­ malige Haftung statt. Das Duplikat hat aber die Bestimmung, selbständige Wechselerklärungen aufzunehmen, daher tritt aus ben auf ihm befindlichen neuen Wechselerklärungen eine selbständige Haftung ein. Jndoffirt also bet Inhaber mehrerer Exemplare jedes dieser Exemplare an einen anderen Indossatar, so haftet er aus jedem Indossamente, und acceptirt der Trassat mehrere Exemplare, so bleibt 19*

292 er aus jedem Accepte verhaftet, wem» er sich nicht bei der Zahlung alle acceptirten Exemplare zurückgeben läßt (Art. 67). Die Selbständigkeit einer jeden Wechselerklärung bewirkt aber auch eine Haftung aus dem auf einer Wechselkopie befindlichen Originalindossamente (Artt. 70, 71). 7. Eine jede Wechselerklärung kann von mehreren Personen ab­ gegeben werden, und zwar entweder so, daß sie als Hauptverpflichtete erscheinen, oder so, daß nur der eine die Haupt-, der andere die accefforische Verbindlichkeit (Bürgschaft) übernimmt (Art. 81). Im ersten Fall entstand nach gemeinem Rechte bei gemeinschaftlicher Unter­ zeichnung eine Korreal-, bei hintereinander erfolgender Uebernahme der Verbindlichkeit eine einfache Solidarobligation, nach neuem Rechte schlechthin ein Gesammtschuldverhältniß. Im zweiten Falle spricht man von Ava V), wenn die rein accessorische Natur der Haftung (des Avalisten) aus dem Wechsel selbst erkennbar ist. Er haftet nur dann, wenn die Hauptunterschrift in formell gültiger Weise abgegeben ist; in diesem Falle haftet er aber selbständig so, als ob er der einzige Verpflichtete wäre, also auch dann, wenn der Urheber der Hauptunter­ schrift materiell nicht verpflichtet ist (z. B. wegen mangelnder Wechsel­ fähigkeit). Die Gültigkeit der einen Wechselerklärung ist auch im übrigen von der Gültigkeit anderer Wechselerklärungen unabhängig (Artt. 3. 75, 76). 8. Der Wechselanspruch gegen den Acceptanten sowie den Aus­ steller eines eigenen Wechsels verjährt in drei Jahren vom Tage der Fälligkeit, die Regreßansprüche verjähren in 3, 6, 18 Monaten (Artt. 77—79). Die Unterbrechung der Verjährung unterliegt nach neuem Rechte den allgemeinen Grundsätzen (Art. 8 Nr. 2 Einf.G. z. neuen HGB, §§ 209 ff. BGB). 9. Jede Wechselerklärung begründet eine „wechselmäßige" d. h. den Grundsätzen des Wechselrechts unterliegende Verpflichtung. Diese ist eine etricti jurie obligatio, sie ist ausgestattet mit der mate­ riellen Wechselstrenge d. h. der zivilrechtlich erleichterten Durch­ führbarkeit des Wechselanspruchs durch Beschränkung der Einreden (Art. 82), und der f o r m e l l e n W e ch s e l st r e n g e d. h. der pro­ zessualisch erleichterten Durchführbarkeit des Wechselanspruchs durch Gewährung eines schleunigen, der Vertheidigung des Schuldners un­ günstigen Prozesses (§§ 592—605 CPO). Als abstrakte Obligation dient die Wechselverpflichtung als Form für jedes nur denkbare Schuldverhältniß. Dasjenige Rechts­ verhältniß, das zwischen dem Aussteller und dem Bezogenen vor*) Bon firmare a valle, Unterzeichnung am Fuße der Tratte b. h. di« M i t Unterzeichnung eines Wechsels.

Handen ist ober durch die Zahlung Seitens deS Bezogenen entsteht, heitzt Deckungsverhältniß; das, was der Aussteller dem Bezogenen leistet, ist die Deckung. Das Rechtsverhältnitz aber, das zwischen dem Aussteller und dem Nehmer deS Wechsels, oder zwischen dem Indossanten und dem Indossatar obwaltet, heißt Balutaverhältniß; das, was der Nehmer dem Geber für den Wechsel leistet, ist die B a l u t a. Diese beiden Rechtsverhältnisse gehören nicht dem Wechselrecht, sondern dem allgemeinen bürgerlichen Recht an. Zahlt („honorirt") also der Trassat den auf ihn gezogenen Wechsel, so hat er damit gegen den Aussteller denRevalierungsa n s p r u ch auf die Deckung erworben, war der Trassat aber Schuld­ ner des Ausstellers, so ist mit der geleisteten Zahlung, soweit sie reicht, die Schuld gedeckt, oder der Schuldner kann gegen sie mit dem Reva­ lierungsansprüche aufrechnen; war der Trassat nicht Schuldner bei Ausstellers, so hat er doch den ihm ertheilten Zahlungsauftrag erfüllt, der Revalierungsanspruch ist also nach altem und neuem Rechte die actio mandati contraria (§§ 669, 670 BGB). Ist der Wechsel nicht bezahlt worden, so ist das früher« Rechtsverhältniß bestehen ge­ blieben oder, wenn ein solches nicht bestand, ein Deckungsverhältniß nicht entstanden. Ist der Wechselanspruch verjährt oder ist die Wechselkraft deS Wechsels in Folge Nichtbeobachtung der Wechseldiligenz erloschen (der Wechsel „präjudizirt"), so kann der Wechsel­ gläubiger auf das zu Grunde liegende civilrechtliche Schuldverhältniß zurückgreifen; ist auch dieses erloschen, oder kann der Wechselinhaber aus ihm gegen den Schuldner Rechte nicht herleiten, so hat er gegen den Acceptanten (Aussteller des eigenen Wechsels) und den Trassanten einen civilrechtlichen Anspruch auf denjenigen Betrag, um welchen diese zu seinem (deS ehemaligen Wechselgläubigers) Schaden reicher sein würden (Art. 83). Gegen die Indossanten findet ein solcher Anspruch nicht statt. Wechselmäßig verpflichtet ist nur der Aussteller, der Acceptant, der Indossant, der Ehrenacceptant und der Wechselbürge. 10. Unter einem Blanko-Accept versteht man das auf einen nicht ausgefüllten Wechsel gesetzte Accept. Der Aussteller darf in diesem Falle den Wechsel nur mit derjenigen Summe ausfüllen, die der Acceptant ihm zur Zeit aus anderen Schuldverhältnissen schuldet. Dereinbarungswidrige Ausfüllung giebt eine e. doli aber nur dem Aussteller gegenüber (RG 23, 110). Ein Gefälligkeitsaccept ist dasjenige, das der Acceptant nur giebt, um dem Nehmer Kredit zu verschaffen, und gegen welches der Rehmer sich verpflichtet hat, dem Acceptanten vor der Berfallzeit

294 Deckung zu gewähren oder den Wechsel selbst einzulösen (ROHG 14, 225). Ein Depotwechsel ist ein solcher, dessen Jndossirung durch einen Vermerk „nicht an Ordre" oder durch einen gleichbedeutenden Aus­ druck ausgeschlossen ist (Art. 9). Das trotzdem vorgenommene Indossa­ ment hat nur die Bedeutung einer Session. Eine Rimesse ist ein Wechsel, der als Deckung gegeben wird. Jnterimswechsel ist derjenige Wechsel, der über die Valuta gezogen wird. 11. Ein abhanden gekommener Wechsel kann auf Antrag deS letzten Berechtigten für kraftlos erklärt werden. Der Wechselgläubiger kann aber auch während des der Amortisation des Wechsels voran­ gehenden Aufgebotsverfahrens Zahlung verlangen, wenn er Sicher­ heit leistet, andernfalls kann er Hinterlegung fordern (Art. 73).

8 106. b. Das Jnhaberpapier. 1. Begriff und Geschichte. Das Jnhaberpapier (vom BGB Schuldverschreibung auf den Inhaber genannt) ist eine Urkunde, in welcher sich derAussteiler zu einer Leistung an den jeweiligen Besitzer (Inhaber) der Urkunde verpflichtet. Auch dieses Institut ist dem römischen Rechte fremd, denn es widerspricht der römischen Auffassung von der obli­ gatio; es hat sich erst in den Statutarrechten Italiens entwickelt und erst in neuerer Zeit, namentlich im 18. Jahrhundert, ausgestaltet. Es verdankt seine Entstehung dem wirthschaftlichen Bedürfniß nach Herstellung von Schuldverschreibungen ohne die für den Schuldner bestehende Nöthigung, die B e r e ch t i g u n g des Papierinhabers zur Erhebung der versprochenen Leistung zu prüfen. Das Jnhaber­ papier hat eine noch größere Umlaufsfähigkeit als der Wechsel, es ist für den Verkehr S a ch e, im Verhältniß von Gläubiger und Schuld­ ner aber bleibt es Urkunde über eine gegen den Aussteller zustehende Forderung. Die Regelung des Instituts unterlag bisher dem Partikularrecht, und nur in einzelnen Beziehungen griff das Reichsrecht ein (Art. 307 HGB a. F. Ges. vom 8. Juni 1871); ein gemeinsames Ge­ wohnheitsrecht fehlte. Das BGB hat in den §§ 793—808 die wich­ tigsten Grundsätze aufgestellt, in den Artt. 98—102 des Einf.Ges. indessen mehrere Vorbehalte für die Landesgesetzgebung gemacht. 2. Während der Wechsel stets eine abstrakte Obligation begründet, besteht eine solche Einschränkung für das Jnhaberpapier weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 793). Gleichwohl ist das Einrede­ recht nach neuem Recht in ähnlicher Weise beschränkt wie beim Wechsel (§ 796); da jedoch die aus der Urkunde selbst sich ergebenden

Einwendungen zugelassen sind, so ist ein Zurückgehen auf die causa debendi dann ermöglicht, wenn die Urkunde die Stipulationen des zu Grunde liegenden Geschäftes wiedergiebt. 3. Wie beim Wechsel entsteht, was das BGB im § 794 zum Zwecke der Erledigung des bisherigen Streites zwischen Vertrags­ und Kreationstheorie unzweideutig ausspricht, die Derpflichtung aus dem Papiere mit dem einseitigen Akte der Riederschrift1). Das Recht aus dem Papiere wird also nicht auS einem vom Aussteller mit dem ersten Nehmer geschlossenen Ver­ trage, sondern aus dem einseitig erklärten Verpflichtungswillen des Schuldners hergeleitet. Daher erwirbt auch jeder spätere Erwerber des Papieres das Recht aus diesem Papiere nicht vom Veräußerer, sondern unmittelbar vom Aussteller, das Recht entsteht also in jedem Erwerber von neuem. Folgeweise ist der Aussteller auch dann ver­ pflichtet, wenn das Papier ohne oder gegen seinen Willen in den Ver­ kehr gekommen ist, und er oder sein Erbe haftet, wenn das Papier nach Eintritt seiner Geschäftsunfähigkeit oder nach seinem Tode aus­ gegeben („emittiit") wird. 4. Auch beim Jnhaberpapiere ist zu unterscheiden zwischen Rechts erwerb und bloßem Rechts a u s w e i s. Das Recht aus dem Papiere erwirbt nur derjenige, welcher das Verfügungsrecht über das Papier erlangt, d. h. derjenige, welcher das Papier in gutem Glauben erwirbt und daher dessen Eigenthümer wlrd (§§ 793, 932—935). Diesem gegenüber ist der Aussteller zur Zahlung ver­ pflichtet. Aber auch der nicht verfügungsberechtigte Inhaber des Papiers ist zur Erhebung der Leistung legitimirt, der Aussteller ist ihm gegenüber zur Zahlung berechtigt, er wird also durch Zah­ lung an den bloßen Inhaber befreit. Den Gefahren, die hierin für den Eigenthümer liegen, suchten zahlreiche Partikulargesetze dadurch vorzubeugen, daß sie dem Besitzer des Papieres gestatteten, diesem durch einen auf die Urkunde ge­ setzten Vermerk die Umlaufsfähigkeit zu nehmen. Dieser AußerkurssetzungSvermerk verwandelt das für den ausgedehn­ testen Umlauf bestimmte Papier ohne oder gegen den Willen deS Aus­ stellers in ein Rektapapier. Das BGB (§ 806) beseitigt dieses In­ stitut, indem es nur dem Aussteller die Befugniß ein­ räumt, das Papier in ein auf den Namen einesbestimmten Berechtigten lautendes, also in ein Rektapapier zu ver­ wandeln. Das umgewandelte Papier kann nur noch durch Ab­ tretung übertragen werden, und der Aussteller kann mit befreiender Wirkung nur an den gehörig legitimirten Cessionar zahlen. *) Bestritten.

296 In jedem Fall ist nach altem wie nach neuem Recht« der Aus­ steller nur gegen Aushändigung des Papieres zur Leistung verpflich­ tet: das Jnhaberpapier ist ein sog. Präsentationspapier. Durch die auf Grund der Zahlung erfolgende Rückgabe des Papieres erwirbt der Aussteller nach neuem Recht (§ 797) in jedem Falle das Eigenthum des Papieres. Bleibt das Papier bestehen, so r u h t die Verpflichtung des Eigenthümers so lange er das Papier besitzt; er­ wirbt später ein Anderer das Verfügungsrecht, so lebt die Verpflich­ tung des Ausstellers wieder auf. 5. Im Inland ausgestellte Jnhaberpapiere, welche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauten, dürfen nur mit staatlicherGenehmigUNgin den Verkehr gebracht werden (§ 795). Das ohne diese Genehmigung ausgegebene Papier begründet keine Verpflichtung. Die Ertheilung oder Verweigerung der Genehmigung ist Sache des Bundesstaates, in dessen Gebiete der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hat. Die für die Frage der Genehmigung maßgebenden Normen gehören demnach dem Landesrecht an. Jedenfalls gewährt die Thatsache der Genehmigung dem Erwerber eines Jnhaberpapieres eine gewisse Sicherheit dafür, daß die vom Aussteller in Umlauf gesetzten Papiere die Zahlungs­ mittel des Ausstellers nicht übersteigen. Das Erforderniß der Genehmigung fällt weg bei Papieren, die vom Reich oder einem Bundesstaat ausgegeben sind (§ 795). 6. Wäre das Papier ausschließlich eine mit einem gewissen Werth ausgestattete Sache, so müßte der Verlust des Papieres den Verlust des in ihm enthaltenen Vermögenswerthes und die ungerechtfertigte Be­ reicherung des Ausstellers um diesen Werth zur Folge haben. Das Papier ist aber eine Urkunde über eine Forderung, und diese letztere geht mit dem Verluste der Urkunde nicht verloren. Vielmehr kann nach altem und neuem Rechte der Inhaber eines unbrauchbar geworde­ nen und daher nicht mehr umlaufsfähigen und der letzte Inhaber eines verloren gegangenen Papieres vom Aussteller die Ertheilung eines neuen Papieres an Stelle deS alten verlangen, wenn das unbrauch­ bare Papier zurückgegeben wird, das verlorene auf Grund eines Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt („amortisirt") worden ist (§§ 798 bis 800 BGB. §§ 946 ff. insbesondere 1033 ff. CPO). Nur Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheine sowie auf Sicht zahl­ bare unverzinsliche Schuldverschreibungen unterliegen der Kraftlos­ erklärung nicht (§ 799 BGB), desgl. Banknoten nach § 4 Bankges. v. 14. 3. 75. Die Kosten der Erneuerung trägt stets der Inhaber (§§ 798, 799, 800). Auf Verlangen des Antragstellers hat das Ge­ richt zugleich die Zahlungssperre auszusprechen, d. h. an den

Aussteller und die etwaigen Zahlstellen ein die Leistung untersagende» Gebot zu richten (§ 802 BGB. §§ 1019 ff. CPO). 7. DaS BGB unterscheidet zwischen der Borlegungsfrist und der Verjährung. Die erstere ist eine P r ä k l u s i v f r i st, die bei Zins-, Renten- und Gewinnantheilscheinen 4, bei den anderen Inhaberpapieren 30 Jahre beträgt, und deren Bedeutung darin besteht, daß mit ihrem Ablaufe die Forderung aus dem Papier erlischt (§§ 801, 802). Wird aber innerhalb der Frist die Urkunde dem Aus­ steller zum Zwecke der Einlösung vorgelegt, so beginnt damit die Verjährung der Forderung. Die Verjährungsfrist beträgt 2 Jahre. 8. Das Jnhaberpapier ist für den Umlauf bestimmt. Urkunden, welche diese Bestimmung nicht haben, die aber den Inhaber als Em­ pfangsberechtigten ausweisen, find daher nicht Jnhaberpapiere, son­ dern bloße Legitimationszeichen. Hierher gehören Eisenbahn- und andere BilletS, Marken, Bon» u. f. w. Me diese Urkunden werden auf Grund eines regelmäßig gegenseitigen Vertrages (z. B. eine» Transportvertrages) ausgegeben, aber der eine Kontrahent, dessen Leistung noch aussteht, will sich die Prüfung der Legitimation de» anderen Kontrahenten erleichtern, indem er denjenigen als den Em­ pfangsberechtigten gelten läßt, der jenes Zeichen vorweist. Dadurch erlangen diese Zeichen thatsächlich die Umlaufsfähigkeit des Inhaber« Papiere». DaS BGB (§ 807) wendet auf diese Zeichen einige Be­ stimmungen von Jnhaberpapieren an, indem es den Inhaber für empfangsberechtigt erklärt, für sie die Kreationstheorie verwerthet (§§ 793, 794), sie zu PräsentationSpapieren macht (§ 797) und die Einreden gegen sie beschränkt (§ 796). Eine Kraftloserklärung findet nicht statt, und die Vorlegungs­ frist kommt nicht zur Anwendung. Der Schuldner kann gleichwohl das Interesse haben, nur an die Person des ursprünglichen Gegenkontrahenten zu leisten. Er kann daher die Uebertragung des Papiers untersagen. Wird da» Papier trotzdem veräußert, so erwirbt der Erwerber das Recht auf die Leistung nicht (§ 793). Keine Jnhaberpapiere, sondern gleichfalls bloße Legitim»tionszeichen (hinkende Jnhaberpapiere) sind ferner diejenigen Urkunden, in welchen derGläubigerbenanntist,die jedoch mit der Bestimmung ausgegeben werden, daß die Leistung an jeden Inhaber bewirkt werden kann. Hierher zählen namentlich die Sparkassenbücher zahlreicher öffentlicher Sparkassen. Auch hier wird nur das Interesse an der Erleichterung der Legitima­ tionsprüfung befriedigt. Daher kann das Recht aus einem solchen Papiere nur durch Abtretung übertragen werden, aber der Schuldner

298 kann an den bloßen Inhaber mit befreiender Wirkung leisten (§ 808). Diese Papiere können für kraftlos erklärt werden, eS besteht für sie keine Borlegungsfrist, der in ihnen beurkundete Anspruch unterliegt der Verjährung.

2. Die Verträge. A.

Die einseitig verpflichtenden Verträge. § 107.

Das Darlehn.

1. Darlehn ist nach altem und neuem Rechte (§ 607) die Em­ pfangnahme (Hingabe) vertretbarer Sachen gegen die Verpflichtung, das Empfangene in Sachen von gleicher Art. Güte und Menge zurückzuer­ statten. ES ist nach römischem und heutigem Recht ein Real­ kontrakt, denn die Verpflichtung zur Rückgabe entsteht erst mit dem Hingeben und Annehmen, und das die Darlehnshingabe versprechende pactum de mutuo contrahendo ist ein vom Darlehnsvertrage selbst verschiedenes Geschäft. Die durch diesen Konsen­ sualvertrag begründete Verpflichtung geht auf ein Thun (d. i. den Vertragsschluß), sie kann also nicht gegen eine auf Leistung einer Quantiät von Sachen gerichtete Forderung des Darlehnsgebers aufgerechnet werden. Rach altem und neuern Rechte (§ 610) gilt für das p. de mutuando die clausula rebus sic stantibus: der Verpflichtete kann sein Versprechen widerrufen, wenn in den Ver­ mögensverhältnissen des anderen Theiles eine wesentliche Verschlech­ terung eintritt, durch die der Anspruch auf Rückerstattung gefährdet wird. 2. Der Darlehnsvertrag kommt nach altem und neuem Recht entweder durch unmittelbare Hingabe, oder auch dadurch zu Stande, daß die Valuta auf Anweisung des Darlehnsempfängers a n einen Dritten, oder auf Anweisung des Darlehnsgebers von einem Dritten (l. 15 D. 12,1), oder daß dem Darlehnssucher eine Sache mit der Ermächtigung gegeben wird, die Sache zu verkaufen und den Erlös als Darlehn zu behalten (sog. contractus mohatrae, 1. 11 pr. D. 121); es kann auch die aus einem anderen Grunde entstandene Schuld durch Novation in eine Darlehnsschuld verwandelt werden (§ 607 Abs. 2, vgl. 1. 15 D. 12, 1 mit 1. 34 pr. D. 17,1). Dadurch daß der Darlehnsempfänger nur eine gleiche Quan­ tität der gegebenen vertretbaren Sachen zu erstatten hat, wird er zum V e r brauche der Sachen berechtigt. Durch den gutgläubigen Ver­ brauch oder durch ununterscheidbare Vermengung mit eigenen Sachen

wird er Eigenthümer der fremden Sachen, falls er eS nicht schon durch die Uebergabe geworden ist. Durch die Uebergabe aber wurde er nach bisherigem Rechte nur dann Eigenthümer, wenn der Darlehnsgeber Eigenthümer war. Nach neuem Rechte wird der Dar­ lehnsempfänger durch die Uebergabe stets Eigenthümer, wenn er in gutem Glauben ist (§§ 929, 932, 935 Abs. 2). Ist der Empfänger nicht in gutem Glauben, so kommt kein Darlehn zu Stande, der Em­ pfänger haftet vielmehr aus der Bereicherung oder unerlaubtem Thun. Werden statt baaren Geldes In Haberpapiere hingegeben, so hängt es von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Papiere selbst oder eine Geldsumme Gegenstand des Darlehns ist. Giebt Jemand ein Darlehn aufdenNameneinesDritt e n, so erwirbt dieser Dritte daS Forderungsrecht aus dem Dar­ lehn, mag der Geber Eigenthümer des Geldes gewesen sein oder nicht, und zwar nach altem Rechte kraft positiver Bestimmung (1. 9 § 8 D. 12,1 u. a.), nach neuem Rechte nach den Grundsätzen über Verträge zu Gunsten Dritter. Kommt in Folge Irrthums des Empfänger» über die Person des Gebers ein gültiger Darlehnsvertrag nicht zu Stande, so haftet der Empfänger dem Eigenthümer des Geldes aus der Bereicherung (cond. Juventiana 1. 32 D. de red. «red. 12,1. §§ 812 BGB). 3. Der Darlehnsvertrag erzeugt eine einseitige Ver­ pflichtung auf Rückerstattung. Rach altem römischen Recht erzeugte das förmlich (per aes et libram) geschloffene Rexum einen unmittelbar vollstreckbaren Anspruch. Aber auch nachdem diese Folge deS Nexum durch die lex Poetelia (313 v. Chr.) aufgehoben und deshalb das Nexum selbst außer Gebrauch gekommen war, blieb das formlos geschloffene mutuum ein negotium stricti juris und die aus ihm hervorgehende actio mutai eine condictio certi. Zinsen konnten nach römischem Rechte nur auf Grund besonderer Stipu­ lation verlangt werden, nach gemeinem und neuem Rechte genügt zur Begründung der ZinSpflicht die formlose Vereinbarung. Ist nichts Anderes bedungen, so find nach neuem Rechte (§ 608) die Zinsen nach dem Ablaufe eines jeden Jahres oder, wenn das Darlehn vor dem Ablaufe eines Jahres zu erstatten ist, bei der Rückerstattung zu ent­ richten. Nach römischem und gemeinem Rechte konnten sich auf Grund des Set. Macedonianum Hauskinder aus Darlehen nur mit Zu­ stimmung des Vaters verpflichten, während sie aus anderen Rechts­ geschäften hafteten. Das BGB hat diese Besonderheit nicht aufge­ nommen, denn nach ihm hängt die Verpflichtung aus einem Darlehn wie die aus anderen Rechtsgeschäften von der allgemeinen Geschäfts­ fähigkeit des Darlehnsempfängers ab (§§ 104 ff. 1626).

300 4. Der DarlehnS jchuldschtin ist nur Beweismittel für das durch Geben und Nehmen der geliehenen Sachen gültig zu Stande gekommene Darlehn. Das spätere römische und das ältere gemeine Recht legte dem Schuldschein erst nach Ablauf von zwei Jahren Beweiskraft bei in der Weise, daß vor Ablauf der Frist der Inhaber des Schuldscheines die Erklärung des Ausstellers, daß er das Darlehn nicht erhalten habe (querela non numeratae pecuniae in Gestalt einer exceptio n. n. p., einer condictio auf Rückgabe des Scheines oder eines Protestes), durch den Schuldschein selbst nicht widerlegen konnte, nach Ablauf der Frist aber der Gegen­ beweis gegen den Schein unzulässig war. Der Schuldner hatte es also in der Hand, dem Schuldscheine für immer alle Beweiskraft zu entziehen. Diese Grundsätze wurden zuerst durch Art. 295 HGB a. F. für das Gebiet der Handelsgeschäfte und dann durch § 17 EG zur CPO für Nichthandelsgeschäfte beseitigt. Indem hier bestimmt wird, daß „die Beweiskraft eines Schuldscheines an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden" sein soll, ist der Schuldschein anderen Urkunden gleichgestellt; er erlangt mit der Aushändigung an den Gläubiger be­ weisende Kraft, kann aber durch Gegenbeweis entkräftet werden. Die Beweiskraft des Schuldscheines erstreckt sich auf Alles, was er ent­ hält, Zeit. Summe u. s. w., insbesondere auch auf das in ihm be­ zeichnete Schuldverhältniß, so daß, wer behauptet, es bestehe unter den Parteien ein anderes Schuldverhältniß, den Gegenbeweis zu führen hat. Hieraus folgt, daß, wenn der Schuldschein einen Berpflichtungsgrund nicht angiebt, der Gläubiger das Vorhandensein des von ihm behaupteten Schuldgrundes anderweit zu beweisen hat. 6. Ist über die Zeit der Rückzahlung nichts vereinbart, so kann die Zahlung nach bisherigem Rechte zu jeder Zeit gefordert werden (quod sine die debetnr, statim debetur). Das neue Recht hat dem allgemeinen Brauche und den Interessen beider Theile entsprechend die Fälligkeit des Darlehns. sofern nicht besondere Ver­ einbarungen getroffen sind, von einer jedem Theile zustehenden Kün­ digung abhängig gemacht und die Kündigungsfrist bei Darlehen von mehr als 300 Mark auf drei Monate, bei Darlehen von ge­ ringerem Betrage auf einen Monat festgesetzt. Unverzinsliche Darlehen aber kann der Schuldner auch ohne vorangegangene Kündigung zurückerstatten (§ 609). 6. Ein bedingtes Darlehn war das aus dem griechischen Recht aufgenommene Seedarlehn (foenus nauticum, pecunia trajectitia)1). Es ist ein dem Rheder zum Zwecke des Ankaufs von ') Vgl. besonders Schröder in Endcmann's Handbuch des Handels­ rechts Bd. 4 S. 235 ff.

Waaren oder zur Reparatur deS Schiffes oder zur Löhnung der Schiffsmannschaft gegebenes, im Bestimmungshafen rückzahlbares Darlehn, dessen Eigenthümlichkeit darin besteht, daß die Rückzahlungspflicht von der glücklichen Vollendung der Fahrt abhängt. Der DarlehnSgeber nahm also an der Gefahr der Seereise Theil und erhielt dafür in einem bestimmten Betrage oder jedenfalls in einem erhöhte« Zinse eine Gesahrprämie, denn die Höhe der Zinsen unterlag ursprünglich der freien Vereinbarung, seit Justinian durfte sie 12 % betragen. Es war üblich, das Schiff zu verpfänden, doch bildete die Berpfändung keinen nothwendigen Bestandtheil des Vertrages. Ging daS Schiff in Folg« Versehens des RhederS oder feiner Leute unter, so haftete er wie aus einem gewöhnlichen Darlehn. DaS antike Seedarlehn ist im Mittelalter durch den deutschrechtlichen Bodmerei­ vertrag') verdrängt worden, ein Institut, das schließlich im HGB (§§ 679 bis 699) seine gemeinrechtliche Regelung erfahren hat. Die Bodmerei ist ein DarlehnSgeschäft, welches von demSchifferalssolchemunterZusicherungeiner Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder meh­ reren dieser Gegen st ände in der Art einge­ gangen wird, daß der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodme­ ten) Gegen st ände nach der Ankunft des Schiffes an dem Orte sich halten kann, wo diejenige Reise enden soll, für welche daS Geschäft eingegangen ist (§ 679 HGB). Das Geschäft unterscheidet sich vom foenua nauticum dadurch, daß eS ein unbedingtes Darlehn, daß ihm die Berpfändung wesentlich ist, daß der Darlehnsnehmer nur mit den verpfändeten Gegenständen haftet und daß die Prämie unbeschränkt ist. Zur Gültigkeit des Bodmerei-Vertrages ist die Aufnahme einer Urkunde (deS Bod­ mereibriefes) erforderlich, der an Ordre gestellt werden kann. DaS Papier ist in diesem Fall ein Ordre-, andernfalls ein Rekta-, in jedem Fall ein Präsentationspapier. Das Darlehn ist im Be­ stimmungshafen und am achten Tage nach Vollendung der Bodmerei­ reise fällig. Der gutgläubige Erwerber der verbodmeten Gegenstände ist von der Haftung frei. Fehlt es an einer der Voraussetzungen für daS Geschäft, so haftet der Darlehnsnehmer wie aus einem gewöhn­ lichen Kreditgeschäfte. — Zu den bestimmten Handelsgeschäften gehört es nicht, weil es nicht den Gegenstand eines Handels gewerbeS bilden kann. *) Bon Boden, d. t). ScbiffSboden, Kiel.

302

§ 108.

Die öffentliche Anleihe.

Das Darlehn dient der Befriedigung vorübergehenden Kapital­ bedürfnisses, nicht dem Bedürfnisse des Staates und anderer Korpo­ rationen nach der Aufnahme von Kapitalien, die zu dauernden An­ lagen verwendet werden sollen, noch auch dem Bedürfnisse des Geld­ besitzers nach dauernder Kapitalanlage. Diesen Zwecken dient die öffentliche Anleihe, denn sie ist kein Darlehn (ROHG 20, 253. RG 28, 29). Sie kommt vielmehr in der Weise zu Stande, daß die geld­ bedürftige Korporation eine öffentliche Aufforderung erläßt, ihr gegen Abnahme von Schuldverschreibungen Kapital zu gewähren, daß als­ dann Diejenigen, welche der Aufforderung entsprechen wollen, einen bestimmten Geldbetrag „zeichnen", d. h. sich zur Hingabe des Be­ trages gegen Empfang der versprochenen Papiere schriftlich ver­ pflichten, und daß die Korporation alsdann Jnhaberpapiere herstellt, welche den Zeichnern zu Eigenthum überlassen, also verkauft werden. Die Aufforderung enthält eine Einladung zu Vertrags­ angeboten, die Zeichnung ein Kaufangebot. Die Papiere haben des­ halb schon bei der Ausgabe an den ersten Nehmer einen Kurswerth, es kann also geschehen, daß schon der erste Nehmer für das Papier nicht den vollen Nennwerth bezahlt (Unter-Pari-Emission). Häufig verkauft die geldbedürftige Korporation die Papiere an Bereinigungen (Konsortien) von Bankhäusern, die dann ihrerseits die Papiere „auf den Markt" bringen d. h. in Umlauf setzen. Die Verpflichtung des Ausstellers unterscheidet sich aber von der Verpflichtung des Dar­ lehnsschuldners dadurch, daß die Anleiheschuld für den Gläubiger unkündbar ist, daß die Schuldtilgung häufig ganz ausgeschlossen, oder daß Zeit und Umfang der Schuldtilgung dem Ermessen des Schuldners überlassen ist, und daß da, wo sich der Aussteller zur Schuldtilgung verpflichtet hat. die Zahlung im Wege der Amorti­ sation, d. h. dadurch erfolgt, daß mit den Zinsen ein diese um ein geringes übersteigender Mehrbetrag gezahlt wird. Hat der Schuld­ ner eine Rückzahlungspflicht nicht übernommen, so heißt die Schuld emeRentenanleihe, denn der Inhaber des Papieres hat hier nur die fälschlich meist als Zins bezeichnete Rente zu fordern und kann das gezahlte Kapital nur auf dem Wege der Veräußerung des Papieres wiedererlangen. Eine besondere Art der Anleihe ist die Prämien­ oder Lotterie-Anleihe, bei welcher der Schuldner sich verpflichtet, auf die nach gewissen Zeitabschnitten durch das Loos bestimmten Papiere einen Gewinn (eine Prämie) oder wenigstens den Nennwerth zu zahlen (Ges. vom 8. Juni 1871). Die einzelnen Papiere heißen hier Prämienscheine oder Loose. Die Besitzer solcher Schuldverschreibungen, die von Privat-

Personen oder von privaten juristischen Personen ausgegeben find, rönnen ihre gemeinsamen Rechte auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen oder durch einen von ihnen bestellten Vertreter wahrnehmen (RGes. v. 4.12. 99). Die Mehrheit ist regelmäßig eine einfache, in einzelnen Fällen eine qualifizirte; sie wird nach den Beträgen der Schuldver­ schreibungen bestimmt. Der Mehrheitsbeschluß ist für die Minder­ heit bindend, die Gläubiger bilden danach eine genossenschaftliche Ge­ sammtheit. Nach dem Staatsrechte des Deutschen Reiches erfolgt die Auf­ nahme einer Reichsanleihe im Wege des Gesetzes (Art. 73 BU). Durch das Gesetz wird aber nur die verfassungsmäßige Zustimmung von Bundesrath und Reichstag beschafft, die Aufnahme selbst bleibt ein Berwaltungsalt. Nach allen bisherigen Anleihegesetzen des Deutschen Reiches steht nur dem Reiche, nicht auch den Inhabern der Anleihescheine ein Kündigungsrecht zu. Die Reichsanleihen sind also wiederläufliche Rentenanleihen. Durch Gesetz vom 31. Mai 1891 ist das Reichsschuldbuch eingeführt worden, d. h. eine von der Reichsschuldenverwaltung geführte Urkunde, in welche die dem In­ haber von Reichsanleihescheinen auS dem Jnhaberpapier zustehende Forderung gegen Rückgabe der Papiere auf seinen Namen alS Buch­ schuld eingetragen wird. Die Jnhaberschuld verwandelt sich damit in die auf einen bestimmten Gläubiger lautende Buchschüld. Die Umwandlung erfolgt ebenso wie die Wiederherstellung der Jnhaber­ schuld nur auf Verlangen des Gläubigers. § 109.

Die Schenkung.

1. „Eine Zuwendung, durch die Jemand auS seinem Bermögen einen Anderen bereichert, ist Schenkung, wenn beide Theile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich er­ folgt." In dieser Begriffserklärung stimmen altes und neues Recht (§ 516) überein, durch sie wird die Schenkung in Ueberein­ stimmung mit der herrschenden Lehre des bisherigen Rechtes zugleich als B e r t r a g bezeichnet. Es kann eine unentgeltliche Zuwendung allerdings auch ohne den Willen des Bereicherten erwirkt werden, z. B. indem ohne sein Wissen ein ihm obliegendes Geschäft unter Bermögensopfern, aber ohne animue obligandi, besorgt wird, zur Schenkung wird die Zuwendung aber erst durch die Annahme. Von Demjenigen, der die Zuwendung nicht ausdrücklich ablehnt, muß vermuthet werden, daß er sie angenommen habe. Das BGB (§ 516) giebt dem Schenker ein Mittel, Klarheit über die Meinung des Anderen zu erhalten, indem es ihm die Befugniß einräumt, den Anderen zur Erklärung über die Annahme unter Bestimmung einer

304 angemessenen Frist aufzufordern. Nichtantwort gilt als Annahme der Schenkung, und die Ablehnung giebt dem Zuwendenden einen Anspruch aus grundloser Bereicherung (condictio sine causa). In jedem Falle gehört zum Begriffe der Schenkung das Heraus­ gehen eines Vermögensobjektes aus dem Vermögen des Einen in das des Anderen. Schenkung ist daher, wie das BGB (§ 517), in Uebereinstimmung mit dem bisherigen Recht, ausdrücklich bestimmt, nicht die Ausschlagung eines angetragenen Er­ werbes, nicht der Verzicht auf ein angefallenes, noch nicht erworbenes Recht, auch nicht die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Ver­ mächtnisses, selbst wenn in allen diesen Fällen die Ablehnung deS Er­ werbes in der Absicht geschieht, einem Anderen einen Vortheil zu ver­ schaffen. Ist die Zuwendung als unentgeltliche gewollt (animus donandi), so ist sie auch dann Schenkung, wenn jener Wille einem eigennützigen oder sogar unlauteren Motive entspringt (RG 23, 207). Die Zuwendung ist eine entgeltliche, wenn sie sich als Erfüllung einer Rechtspflicht darstellt. Wer ohne solche Pflicht mit der Zu­ wendung einen ihm geleisteten Dienst belohnen will, nimmt eine (b e lohnende, remuneratorische) Schenkung vor, die nach gemeinem und neuem Rechte den Grundsätzen von der Schenkung überhaupt unterliegt; wer durch den Dienst des Anderen aber einen Vermögensvortheil erlangt hat und zur Erstattung der Bereicherung verpflichtet ist, tilgt durch die Zuwendung seine Verpflichtung und schenkt nur den seinen Vortheil etwa übersteigenden Betrag. Die Schenkung kann verschiedene Formen annehmen, in der Uebereignung einer Sache, in der Ueberlassung des Gebrauchs einer Sache, in dem Erlasse einer Schuld oder in dem Versprechen sonstiger Zuwendung bestehen^). Im letzteren Falle begründet sie eine ein­ seitige Verpflichtung, die im älteren römischen Rechte nur durch Stipulation, seit Justinian durch formlosen Vertrag begründet wer­ den konnte. 2. Von jeher haben Schenkungen gewissen Einschränkungen unterlegen. Solche wurden hauptsächlich durch die lex Cincia de donis et muneribus (204 v. Chr.) eingeführt, in der späteren Kaiserzeit jedoch meist wieder beseitigt. Eigenthümlich war dem römischen Rechte das in das gemeine Recht übergegangene, vom BGB aber aufgehobene Verbot der Schenkung unter Eheleuten. Endlich wurde seit dem Ende der Kaiserzeit (306 n. Chr.) gerichtliche Ver­ lautbarung der Schenkung verlangt, Justinian aber verlangte ge*) Aus diesem Grunde ist sie hier behandelt. Häufig wird sie in den allgemeinen Theil gestellt (z. B. Savigny im Syst. d. heut. vom. Rechts Bd. 4).

richtliche Form nur für Schenkungen über 500 Solidi. Diese Be­ stimmung ging in daS gemeine Recht über. Nach ihr unterlag die Schenkung nur wenn und insoweit sie diesen Betrag (4666 % Mark) überstieg, der richterlichen Beurkundung des SchenkungsakteS („der Insinuation"). War die Schenkung Handelsgeschäft, so war sie von jener Form befreit (Art. 317 HGB a. F. RG 26,15). Auch daS BGB (618) will durch eine Kormvorfchrifl Uebereilungen verhüten, es unterwirft der Form, d. i. der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, jedoch nur das Schenkungsver­ sprechen, dieses aber ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrages. Die Annahme des Versprechens und die dando oder liberando geschehene Schenkung ist an keine Form gebunden. Jener Form unterliegt das Schen­ kungsversprechen aber auch dann, wenn es sich in eine abstrakte Willenserklärung (Schuldversprechen oder Anerkenntnitz) kleidet und selbst dann, wenn es Handelsgeschäft ist (§ 350 HGB). Der Mangel der Form wird durch Bornahme der ver­ sprochenen Leistung geheilt. Ist also die versprochene bewegliche Sache übergeben, die unbewegliche aufgelassen, so findet die Rückforderung wegen formeller Ungültigkeit des Schenkungsver­ sprechens nicht mehr statt. 3. Gegenstand der Schenkung kann Alles sein, was auf der einen Seite eine Vermögensvermehrung, auf der anderen Seit« eine BermögenSminderung bewirkt, daher auch Handlungen, insbesondere Dienstleistungen. 4. Daß die Schenkung ein Akt der Freigebigkeit ist, hat zur Folge, daß die Rechtsstellung des Schenkers eine günstigere ist, als die eines durch lästigen Bertrag Verpflichteten. a) Nach altem und neuem Recht haftet daher der Schenker nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§§ 521, 276); b) der Schenker ist nach altem und neuem Rechte von der Berpflichtung, Berzugszinsen zu zahlen, frei (§§ 522, 288); c) der Beschenkte muß die Sache nehmen wie sie ist, daher haftet der Schenker wegen eines Mangels der Sache nach altem und neuem Rechte nur bei Arglist. Hat er aber eine nur der Gattung nach bestimmte Sache versprochen, die er selbst erst erwerben muß, so ist anzunehmen, daß er eine fehlerfreie Sache hat geben wollen. Giebt er gleichwohl eine fehlerhafte Sache, so ist der Beschenkte nach BGB tutf$lanM. UI. Aufl.

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322 insbesondere auch nach gemeinem Recht jedoch durch Berufung auf höhere Gewalt schützen. Hiermit stimmt das BGB (§§ 701 ff.) grundsätzlich überein. Nach ihm aber ist, wie nach neuerem Recht überhaupt, die Haftung auf einen zwischen Gast und Wirth geschlossenen Beitrag zurück­ geführt und auf diejenigen Ga st Wirthe, welche gewerbemäßig Fremde zur Beherbergung aufnehmen, beschränkt. Diese Wirthe haften wie nach bisherigem Rechte dem im Betriebe jenes Gewerbes aufgenommenen Gaste für jeden Schaden, den dieser durch Verlust oder Beschädigung einge­ brachter Sachen erleidet. Die Haftung ist von einem Ver­ schulden des Wirthes unabhängig, die Ersatzklage also genügend begründet, wenn das Einbringen und der Verlust bewiesen wird. Der Wirth kann sich nur schützen, wenn er beweist, a) daß der Schaden vom Gaste selbst, einem Begleiter des Gastes oder einer Person, die dieser bei sich aufgenommen hat, b) durch die Beschaffenheit der Sache selbst, c) durch höhere Gewalt verursacht ist, denn da in allen diesen Fällen der Kausalzusammenhang zwischen dem Verluste und dem Gastwirthsbetriebe fehlt (§ 701), ist ein Anspruch gegen den Wirth nicht entstanden. Der Wirth wird nach neuem Recht (§ 703) von der einmal begründeten Schadensersatzverbindlichkeit wieder frei, wenn der Gast von dem Verluste nicht unverzüglich nach erlangter Kenntniß dem Wirth Anzeige macht; denn hierdurch erschwert oder benimmt er dem Wirthe die Möglichkeit, den Schaden und den Thäter festzustellen. Die Haftung kann, wie nach altem Rechte, durch Vertrag, nicht aber durch einen bloßen Anschlag, durch den der Wirth die Haftung ablehnt, ausgeschlossen werden. Die Haftung ist wie nach bisherigem Rechte grundsätzl i ch eine unbeschränkte. Nach neuem Recht (§ 702) ist sie auf einen Höchstbetrag von 1000 Mark beschränkt, bei Verlust von Geld, Werthpapieren und Kostbarkeiten. Die volle Haftung aber tritt auch bei diesen Sachen ein, a) wenn der Wirth sie in Kenntniß ihrer Eigenschaft zur Auf­ bewahrung übernimmt: denn damit übernimmt er die Haftung aus­ drücklich; b) wenn er die Aufbewahrung ablehnt, gleichwohl aber den Gast aufnimmt, c) wenn der Schaden von ihm oder seinen Leuten v e r s ch u l d e t wird. Zur Begründung einer Schadensersatzklage auf einen 1000 Mk. übersteigenden Betrag bedarf es also des Beweises eines dieser Um­ stände.

Die Haftung setzt voraus 1. den Abschluß eines GastaufnahmevertrageS; 2. das Einbringen von Sachen von Seiten des aufgenommenen Gastes. Eingebracht ist jede Sache, die der Gast dem Wirth oder Leuten des Gastwirths, die zur Entgegennahme der Sachen be­ stellt sind oder als bestellt anzusehen waren, übergeben oder an einen ihm von diesen angewiesenen Ort oder in Ermanglung einer An­ weisung an den hierzu bestimmten Ort gebracht hat (§ 701). Der Vertrag ähnelt dem Verwahrungsvertrage, denn er verpflichtet den Wirth zur Gewährung der Obhut. Während aber der Verwahrungsvertrag ein Akt des Vertrauens zu der Person des Ver­ wahrers ist, in der Besitzübertragung besteht und den Verwahrer zur Obhut der besonders übernommenen Sachen verpflichtet, enthält die Einbringung von Sachen einen Akt des Vertrauens zu der im Gast­ hause herrschenden Sicherheit, sie beläßt die Sachen im Besitze des Gastes und verpflichtet zu einem sämmtliche eingebrachten Sachen umfassenden Schutze. § 117.

Der Auftrag.

1. Begriff. Auftrag (mandatum) ist nach römischem Recht und dem BGB (§ 662) der Vertrag, durch welchen sich der eine Theil (der Beauftragte, Mandatar) verpflichtet, ein ihm von demanderenTheile (dem Auftraggeber, Mandanten) über­ tragenes Geschäft unentgeltlich zu besorgen (mandatum, nisi gratuitnm, nullum est). Dadurch» daß das gemeine Recht das Versprechen einer Belohnung mit dem Wesen deMandats für vereinbar hielt, daß es ferner das Begriffsmerkmal der operae illiberales beim Dienstvertrage fallen ließ, verwischte es den Gegensatz zwischen Mandat und Dienstmiethe. Das neue Recht will zwischen Dienstmiethe und Auftrag einen begrifflichen Unterschied aufstellen, indem es als Gegenstand der ersteren Dienste, als Gegen­ stand des Auftrages Geschäfte bezeichnet und indem es ferner den Gegensatz zwischen der Entgeltlichkeit der Miethe und der Unent­ geltlichkeit des Auftrages aus dem römischen Rechte wieder aufnimmt (§ 611, 612, 662). Doch ist auch die Besorgung von Geschäften ein dem Anderen geleisteter Dienst. Deshalb fallen der dem Rechtsanwalt ertheilte Auftrag und das Kommissionsgeschäft nach neuem Recht unter die Dienstverträge (§ 675). Da jedoch das BGB Dienst- und Werkverträge, welche eine Geschäftsbesorgung zum Gegen­ stände haben, in Gegensatz zum Dienstvertrage stellt und in wesent­ lichen Punkten (Abweichung von den Weisungen des Auftraggebers, Anzeige- und Rechenschafts-, Herausgabe-, Verzinsungspflicht des Beauftragten, Vorschuß- und Ersatzpflicht des Auftraggebers, Einfluß 21*

324 des Todes des Auftraggebers oder des Beauftragten) den dem Beauf­ tragten eine freiere Stellung einräumenden Grundsätzen vom Auf­ träge unterwirft (§ 675), muß der Begriff Geschäft bestimmt werden. Als solches kann nur diejenige Handlung bezeichnet werden, welche den Handelnden in Beziehung zu einem Dritten setzt, ohne daß er gerade Stellvertreter des Auftraggebers sein müßte'). Daher ist jede Rechtshandlung, es ist aber z. B. auch die Ueberbringung einer Nach richt an einen Dritten Geschäft. 2. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Recht unter scheidet das BGB zwischen Auftrag und Vollmacht (s. oben S. 123). Wird dem Beauftragten die Macht eingeräumt, Namens des Machtgebers Rechtshandlungen vorzunehmen, so ist ihm neben dem Aufträge zugleich Vollmacht, soll er Rechtsgeschäfte in eigenem Namen vornehmen, so ist ihm n u r ein Auftrag ertheilt. Der Ertheilung der Vollmacht kann sowohl ein Auftrag als auch ein Dienst­ vertrag zu Grunde liegen, in jedem Falle ist die V o l l m a ch t grund­ sätzlich dem freien Widerrufe ausgesetzt (§ 167 BGB). Widerspricht der Widerruf dem Dienstvertrage, so verbleiben dem Verpflichteten die aus diesem Vertrage sich ergebenden Rechte (§ 167 BGB, §§ 52, 231 HGB). Durch den Auftrag wird ein auf Vertrauen gegründetes, daher rein persönliches Rechtsverhältniß geschaffen. Die Folge ist, daß jedenfalls nach neuem Rechte (§ 664) nur der Auftraggeber (bezw. sein Erbe) die Ausführung des Auftrages verlangen kann, daß also der Anspruch auf Ausführung keine Uebertragung zuläßt, daß aber auch der Beauftragte den Auftrag nicht auf eine andere Person über­ tragen darf. Die herrschende Meinung des gemeinen Rechts aber gab dem Mandatar die Substitutionsbefugniß, während das BGB grundsätzlich die Substitutionsbefugniß ver­ sagt, jedoch wegen der Mannigfaltigkeit der Fälle alles auf die Auslegung des Vertrages ankommen läßt (§ 664). Die unbefugte Substitution ist eine Vertragsverletzung, die befugte Substitution macht den Mandatar nur für ein ihm bei der Uebertragung zur Last fallendes Verschulden, insbesondere also für culpa in eligendo, haftbar, darüber hinaus steht er für die Handlungen des Substituten nicht ein. Hierin folgt das BGB dem bisherigen Rechte. Die An­ nahme von bloßen Gehülfen ist gestattet, belastet den Mandatar aber mit der Verantwortung für deren Handeln (§ 278). 3. Der Beauftragte ist verpflichtet: ’) Streitig: Cosack will die das Vermögen des Dienstempsängers berührende Thätigkeit als Geschäft bezeichnen (viel zu eng). Ungenau Dernburg BR II. 2. S. 365.

a) beit Auftrag auszuführen und dabei nach altem und neuem Recht jede Fahrlässigkeit zu vertreten; er ist den Weisungen des Auftraggebers unterworfen; ein Recht, von dieser Weisung abzuweichen, ist gegeben, wenn der Beauftragte nach den Umständen annehmen darf (subjektiver Standpunkt), daß der Auftraggeber die Abweichung genehmigen würde (§ 665); er kann sogar verpflichtet sein, von der Weisung abzuweichen, wenn dies im Interesse des Mandanten geboten ist; b) dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Befragen Auskunft zu ertheilen, und nach der Aus­ führung deS Auftrages Rechenschaft abzulegen (§ 666), c) betn Auftraggeber Alles, was er zum Zwecke der Aus­ führung des Auftrages oder in Folge der Geschäftsbesorgung er­ langt, herauszugeben, also auch die Rechte zu übertragen, die der Mandatar für den Mandanten, aber durch Handeln in eigenem Namen, erworben hat (§ 667); d) Geld, das er für sich, nicht für den Mandanten, verwendet, zu verzinsen (§ 668). Hierin stimmen altes und neues Recht überein. Die Ansprüche des Auftraggebers führen die Bezeichnung a. mandati directa. 4. Der Auftraggeber ist zum Ersätze der Aufwendungen, die der Mandatar nach den Umständen für erforderlich halten durfte (subjektiver Standpunkt), und zur Leistung von Vorschüssen auf die zur Ausführung des Auftrages nothwendigen Aufwendungen verpflichtet (§§ 669, 670). Auch hierin folgt das neue betn alten Recht. Der Geltendmachung dieser möglicherweise entstehenden Forderungen des Beauftragten dient die a. mandati contraria und das Zurückbehaltungsrecht (§ 273). 5. Der Auftrag erlischt a) nach altem und neuem Rechte durch seine Ausführung, durch eine Resolutivbedingung oder Zeitbestimmung; b) nach altem und neuem Rechte durch Widerruf deS Mandanten und durch Kündigung des Mandatars. Ein Ver­ zicht auf das Widerrufs recht entzieht nach herrschender Auffassung dem Vertrage die Rechtsnatur des Mandats (ROHG 23, 324, RG 3. 186). Auf das Kündigungsrecht des Mandatars kann indessen gültig verzichtet werden (§ 671). Wird es ohne wichtigen Grund zur Unzeit ausgeübt, so haftet der Beauftragte für den Schaden, der dadurch entsteht, daß der Mandant für die Fortführung des Geschäfts nicht rechtzeitig sorgen konnte; c) nach altem und neuem Rechte durch den Tod des Be­ auftragten, wenn nicht aus dem Vertrage das Gegentheil

326 folgt; erlischt der Auftrag, so besteht für den Erben die Pflicht un­ gesäumter Anzeige von dem Tode des Mandatars (§ 673); d) nach altem, grundsätzlich aber nicht nach neuem Rechte (§ 672) durch den Tod des Auftraggebers, indessen rechnet auch hier das BGB mit der Möglichkeit eines ab­ weichenden Vertragswillens. Nach altem und neuem Recht ist auch der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Mandanten nicht von Einfluß auf das Mandat; e) nach neuem Rechte (§ 23 KO) durch den Konkurs des Auftraggebers. 6. Umfang. Der Auftrag kann ein einzelnes bestimmtes Ge­ schäft, eine ganze Klasse von Geschäften, sowie endlich die gesammten Geschäfte des Auftraggebers zum Gegenstände haben. 7. Vom Mandat unterscheidet sich der Rath dadurch, daß ersteres in der Regel die Angelegenheiten des Mandanten, letzterer stets nur die des Berathenen betrifft, und daß ersteres aus der Absicht, ein Rechtsverhältniß zu begründen, hervorgeht, bei letzterem aber eine solche Absicht fehlt. Aus einem bloßen Rath entsteht für den Rathgeber nur dann eine Verbindlichkeit, wenn er versprochen hat, für die Folgen der angerathenen Handlung zu haften („Garan­ tie" übernommen hat), sowie dann, wenn er wissentlich einen schlechten Rath ertheilt. Im ersten Falle haftet er aus dem Ver­ trage, im letzteren Fall aus der unerlaubten Handlung (a. doli). Das neue Recht stimmt hierin mit der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts überein (§ 676). Diese Grundsätze kommen aber dann nicht zur Anwendung, wenn zwischen dem Rathgeber und dem Berathenen ein Ver­ tragsverhältniß besteht, das den Rathgeber zur Rathsertheilung verpflichtet. Denn in diesem Falle kann bloßes Versehen eine Haftung begründen, wenn der Rath­ geber nach Inhalt des Vertrages für Versehen einsteht. Was vom Rathe, gilt von der Empfehlung (§ 676).

§ 118.

Die Anweisung*).

1. Geschichte. Ertheilt Jemand in eigenem Interesse einem Anderen den Auftrag, eine Leistung zu erheben, oder den Auftrag, eine Leistung zu machen, so kommt durch Annahme des Auftrages ein Mandat zu Stande, und der Beauftragte wird zur Ausführung des Auftrages verpflichtet. Nur ein Doppelmandat zum Er*) Wendn Das allgemeine Anwcisungsrecht, 1895. Windscheid in der Festgabe für Otto Müller, 1892. Lenel in JheringS Jahrbüchern, B. 36, 113 ff.

heben und zum Leisten erblickte die frühere gemeinrechtliche Lehre in der Anweisung. Sie ist zwar römischen Ursprungs, hieß dort jussus, delegatio, seltener mandatum, sie hat sich aber erst im Verlehrsrecht der italienischen Städte des Mittelalters und ins­ besondere im modernen Handelsverkehr ausgebildet und den Namen Assignation angenommen. Ueberall, wo von Anweisung die Rede ist, wird eine i n direkte Vermögensleistung angestrebt: nämlich die Leistung durch die Person eines anderen und Leistung in der Person eines Anderen. Die Anweisung dient deshalb der Ersparung von Zeit, Mühe, Gefahr und Kosten dadurch, daß einmaliges Leisten dieselbe Wirkung herbeiführt, die an sich durch zwei Leistungen erreicht werden sollte. Die delegatio des römischen Rechts enthielt eine Weisung des Deleganten an den Delegaten, dem Delegatar entweder zu leisten (dare) oder zu versprechen (promittere). Sie war unabhängig von einem Schuldverhältniffe des Deleganten gegen­ über dem Delegatar und auch unabhängig von einer Schuld des Delegaten gegenüber dem Deleganten. Ging sie auf ein pro­ mittere, so wurde sie ausgeführt regelmäßig durch eine Stipu­ lation zwischen Delegatar und Delegat. War nun der Delegat Schuldner des Deleganten und erfolgte die Delegation dahin, daß der Delegat daS, was er dem Deleganten schuldete, dem Dele­ gatar versprechen sollte, so zog die formale Kraft der stipulatio eine Novation nach sich, d. h. die Forderung des Deleganten ging unter, und der Delegatar erwarb ein neues Forderungsrecht gegen den Delegaten. War auch der Delegant Schuldner des Delegatars und sollte mit der Delegation diese Schuld getilgt werden, so wurde der Delegant von seiner Schuld frei und der Delegat trat als neuer Schuldner an seine Stelle. Aber nicht jede Delegation erfolgte „auf Schuld", nicht jeder Delegation lag die Novationsabsicht zu Grunde, nicht jede Delegation also bewirkte eine Novation. 2. Das neue Recht. Das BGB giebt im Wesentlichen die spätere gemeinrechtliche Lehre, welche die Mandatsnatur verwarf, wieder, aber im Anschlüsse an die Gepflogenheiten des heutigen Verkehrs behandelt es nur die schriftliche Anweisung. Nach ihm und nach altem Recht ist Anweisung die Ermäch­ tigung, eine Leistung bei einem Dritten im eigenen Namen zu erheben, und die dem Dritten ertheilte Ermächtigung, eine Leistung für Rech­ nung des Anweisenden zu machen (§ 783). Sie erfolgt dadurch, daß der Anweisende eine Urkunde ausstellt, in der er den Dritten (den Angewiesenen) anweist, Geld, Werthpapiere oder

3.28 andere vertretbare Sachen an den Anweisungsempfänger zu leisten, und daß er diese Urkunde dem Anweisungsempfänger aushändigt. Die Anweisung enthält also eine doppelte Ermächtigung. Das ihr zu Grunde liegende Rechtsverhältniß ist gleichgültig, es kann ein Auftrag sein; es ist ferner nicht erforderlich, daß der Anweisende Schuldner des Anweisungsempfängers, der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist. Die Anweisung ist ein abstraktes Rechtsgeschäft, das den verschiedensten Zwecken dienstbar gemacht werden kann. Eine Verpflichtung, die Leistung zu erheben, begründet die Anweisung ebensowenig wie eine Pflicht, die Leistung zu machen, selbst dann nicht, wenn der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist (§ 787 Abs. 2). Eine Verpflichtung zur Leistung entsteht für den Angewiesenen aber durch die Annahme der Anweisung, und die Annahme erfolgt durch einen schriftlichen Vermerk auf der Anweisungsurkunde. Der Vermerk kann schon vor der Aushändigung der Urkunde an den Empfänger niedergeschrieben werden, in diesem Falle aber wird der Angewiesene erst mit der Aushändigung der Urkunde Schuldner des Anweisungsempfängers (§ 784). D i e Annahme begründet ein abstraktes Schuldverhältniß und also ein selbständiges Recht des Empfängers. Daher ist das Vertheidigungsrecht des Angewiesenen ein beschränktes, es besteht eine der materiellen Wechselstrenge ana­ loge Anweisungs-Strenge. Es können nämlich (§ 784) dem Gläubiger nur diejenigen Einwendungen entgegengesetzt werden, die a) die Gültigkeit der Annahme selbst betreffen (z. B. Simu­ lation); b) sich aus dem Inhalte der Annahme ergeben (z. B. Zeitbeschränkungen); c) sich aus dem Inhalte der Anweisung ergeben (z. B. nur nach Empfang einer Vorleistung zu leisten); d) dem Angewiesenen unmittelbar gegen den Anweisungs­ empfänger zustehen (z. B. Erlaß, Aufrechnung). Ausgeschlossen sind also alle Einwendungen aus dem der An­ weisung zu Grunde liegenden Schuldverhältniffe (vgl. 1. 19 I). 46, 2), es sei denn, daß dieses Schuldverhältniß in der An­ weisung zum Ausdruck gekommen wäre (s. oben zu c). Wird die beabsichtigte indirekte Vermögensleistung vereitelt, sei es, weil der Anweisungsempfänger die Anweisung nicht geltend machen kann oder will oder weil der Angewiesene die Annahme oder die Leistung verweigert, so hat der Assignatar dem An­ weisenden sofort Anzeige zu machen (§ 789).

Der Anspruch aus dem Anweisungsaccept verjährt wie der Anspruch auS dem Wechselaccept in drei Jahren (§ 786). Die Anweisung erlischt nicht durch den Tod oder den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit der Betheiligten (§ 791), denn sie ist kein Mandat im Sinne des römischen Rechts. Sie erlischt dagegen durch Widerruf gegenüber dem Angewiesenen; ist aber die An­ weisung von diesem angenommen, so ist der Widerruf ausgeschlossen, da der Anweisende dem Empfänger das durch das Accept gewährte eigene Recht nicht nehmen kann. Ebenso ist nach Vornahme der Leistung der Widerruf ausgeschlossen. Auch nach dem BGB gilt der gemeinrechtliche Satz: An­ weisung i st keine Zahlung. Ist der Anweisende Schuldner des Anweisungsempfängers, so ist er weder durch die Anweisung noch durch die Annahme der Anweisung von seiner Schuld befreit, denn die Anweisung begründet keine Novation. Der Anweisungs­ empfänger hat in diesem Falle nach der Annahme zwei Schuldner, aber diese sind nicht Gesammtschuldner, denn ihre Verpflichtungen beruhen auf verschiedenen Rechtsgründen. Der Anweisungsem­ pfänger ist nicht verpflichtet, zuerst den Angewiesenen zu belangen, er kann vielmehr die Schuld des Anweisenden geltend machen. Er st durch die Leistung Seitens des Angewiesenen wird der Anweisende von seiner Schuld befreit (§ 788). Ist der Anweisende nicht Schuldner des AnweisungsempfängerS, so hat der leistende Assignat den sog. Revalirungsanspruch (der a. mandati contraria analog) auf Deckung, bei verweigerter Leistung oder Annahme aber besteht a n s i ch kein Regreßrecht drS Anweisungsempfängers gegen den Anweisenden, ein solches kann nur auf das zwischen ihnen bestehende Rrchtsvrrhältniß ge­ gründet werden. Hierin liegt ein erheblicher Unterschied zwischen der Anweisung und dem Wechsel. Die vom Angewiesenen geleistete Zahlung gilt in jedem Fall als Zahlung des Anweisenden. Ist die Zahlung zu Unrecht er­ folgt, so steht die condictio auf das Gezahlte dem Anweisenden gegen den Zahlungsempfänger zu, wenn der Rechtsgrund der condictio in dem Dalutenverhältniß liegt, und dem Angewiesenen gegen den Anweisenden, wenn die condictio ihren Grund hat im Deckungsverhältniß*). Die Anweisung kann vom Anweisungsempfänger schriftlich übertragen werden. Ist die Anweisung noch nicht angenommen, so liegt hierin nur eine Uebertragung der Ermächtigung d. h. eine neue Anweisung, war sie dagegen angenommen, so enthält die Ueber*) RB bei Seuffert Archiv 44, 419.

330 tragung an sich nur eine Substitution, sie kann aber eine Session des durch die Annahme begründeten Forderungsrechtes enthalten. Nimmt daher der Angewiesene dem Erwerber gegenüber die An­ weisung an, so scheidet der erste Anweisungsempfänger aus, so daß aus dem zwischen ihm und dem Angewiesenen bestehenden Rechtsverhältniß Einwendungen gegen die Acceptverpflichtung nicht hergeleitet werden können (§ 792). 3. Unter einem Kreditbriefe versteht man a) einen Auftrag, welcher den Zweck hat, dem Anweisungsempfänger Kredit zu er­ öffnen, z. B. Darlehen zu verschaffen. In diesem Falle kommen jetzt die Grundsätze von der Bürgschaft zur Anwendung (§ 778 BGB); b) einen Zahlungsauftrag. In diesem Falle geht der Beauf­ tragte durch Zahlungsleistung kein Kreditgeschäft mit dem Empfohle­ nen ein, sondern er zahlt für Rechnung des Auftraggebers. 4. Unter einer kaufmännischen Anweisung war bisher nach Art. 301 HGB a. F. die von einem Kaufmann über Geld, ver­ tretbare Sachen oder Werthpapiere ausgestellte Anweisung zu ver­ stehen. Nach dem neuen HGB § 363 ist kaufmännische Anweisung die a u f einen Kaufmann ausgestellte Anweisung. Denn es kommt dem Berkehre weit mehr auf die Person des Angewiesenen als auf die des Anweisenden an. Was die kaufmännische von der gewöhnlichen Anweisung unterscheidet, ist die Möglichkeit, erstere an Ordre zu stellen und also indoffabel zu machen, vorausgesetzt, daß die An­ weisung über Geld, Werthpapiere oder andere vertretbare Sachen lautet und daß die Leistung nicht von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist. Zwar kann auch die civilrechtliche Anweisung übertragen werden (§ 792 BGB), aber sie ist dem Indossament mit seinen be­ sonderen Wirkungen unzugänglich. Die landesgesetzlichen Borschriften über kaufmännische Anweisungen sind außer Kraft getreten (Art. 21 EG zum neuen HGB). Nach dem HGB ist die i n d o s s i e r t e A nweisung einPräsentationspapier; betreffs der Form des Indossaments, der Legitimation des Besitzers und der Prüfung der Legitimation kommen die wechselrechtlichen Borschriften zur An­ wendung (Artt. 11—13. 36 WO). Dagegen findet keinSprungr e g r e ß statt, der Indossant haftet nur seinem unmittelbaren Nach­ manne. 5. Eine im Bankverkehr übliche Anweisung ist der Check (seltener Bankanweisung genannt); er ist eine auf eine Bank oder einen Bankier ausgestellte, daher eine Unterart der kaufmännischen Anweisung im Sinne des neuen HGB und hat den Zweck, die Ver­ fügung über eine bei einem Bankier für den Einleger bereit lie­ gende oder vom Bankier (durch Krediteröffnung an den An­ weisenden) bereit gestellte Summe zu ermöglichen. Der Bankier

ist verpflichtet, in Höhe dieser Summe auf ihn gestellte Checks des Gläubigers zu honoriren, aber nicht verpflichtet, über jene Summe hinaus mit seinem eigenen Vermögen einzutreten. Daher ist es nicht üblich, diese Anweisungen zu acceptiren, und ein gleichwohl gegebenes Accept ist nach Absicht der Parteien unverbindlich, denn durch das Accept entstände eine persönliche Verbindlichkeit des Angewiesenen. An einer reichsgesetzlichen Regelung des Checkwesens fehlt es noch immer, Art. 17 EG z. HGB läßt daher die landesgesetzlichen Vorschrif­ ten über Checks bestehen. Sie benennen als Empfangsberechtigten ge­ wöhnlich den Inhaber oder eine bestimmte Person mit dem Zusatze, daß auch an den Inhaber gezahlt werden könne. Das Accept eines solchen Jnhaberchecks wird durch § 784 BGB ausgeschlossen, und auf einen bestimmten Anweisungsempfänger ausschließlich gestellte Checks sind ungebräuchlich. Der Check dient ferner nicht ausschließlich der Abhebung, sondern auch der Umschreibung des angewiesenen Betrages auf das Conto eines anderen Girokunden desselben Bankiers (insbesondere der Reichsbank, welche für jene Checks weiße, für diese rothe Formu­ lare hat). Der auf Umschreibung gerichtete Check setzt das Vorhanden­ sein eines Giroverkehrs zwischen der Bank und einer Anzahl von Girokunden voraus. Der Giroverkehr wird begründet durch den Abschluß eine- sog. Girokonto-Eröffnungsvertrag^es zwischen dem Girokunden und der Bank und Einzahlung einer Summe in Geld oder Werthpapieren, des sog. Giro-Depots. Durch den Vertrag ist die Bank verpflichtet, die Forderungen ihrer Girokunden gegeneinander durch Umschreibung auszugleichen. Die Umschreibung geschieht auf Grund von Checks der Girokunden, indem der Betrag, auf den der Check lautet, von dem Girokonto des An­ weisenden ab- und dem Conto deS Anweisungsempfängers zuge­ schrieben wird. Hierdurch werden Unbequemlichkeiten, Gefahren und Kosten der Baarzahlung vermieden. Der Giroverkehr erlischt durch Kündigung wie durch Erschöpfung des Depots.

C. Die zweiseitige« Verträge. § 119.

Der Kauf.

I. Begriff. Kauf (emtio-venditio) ist derjenige Vertrag, durch welchen der eine Theil die Ueberlassung eines Vermögensgegenstandes an den anderen, dieser aber die Zahlung einer Geldsumme an jenen übernimmt. Unter Ueberlassung verstand jedoch das römische und gemeine Recht nur das habere Heere praestare,

332 nur die Berschaffung des ungestörten Genusse-, während daS BGB (§ 433) im Anschluß an daS deutsche Recht und die meisten neueren Gesetzgebungen die Verschaffung des Eigenthums der verkauften Sache oder die Berschaffung des verkauften Rechtes ver­ langt. Zum Abschlüsse deS Vertrages gehört nur die Verein­ barung über den Kaufgegenstand und den Preis. Die Entstehung deS durch den Vertrag begründeten Rechtsverhält­ nisses kann aber von einer Bedingung abhängig gemacht werden. 1. Gegenstand des Kaufes können Sachen und Rechte sein, letztere dann, wenn sie übertragbar sind; es ist also insbesondere der Kauf von Forderungen regelmäßig zulässig. Auch Vermögensinbegriffe, Sachgesammtheiten und künftige Sachen können Gegenstand eines Kaufes sein. Bei letzterem ist aber zu unterscheiden, ob die Sache oder ob die Aussicht auf ihre Entstehung verkauft wird. Wird die Sache verkauft, so wird ein durch die Entstehung der Sache bedingter Kauf abgeschlossen, die aus dem Kaufvertrag« folgenden Rechte und Pflichten kommen also nur dann zur Entstehung, wenn auch die Sache entsteht. Der Hoffnungskauf (cratio spei) aber ist ein unbedingter Kauf, denn die Gewinnmöglichkeit ist von vornherein da. Daher ist der Kaufpreis auch dann zu zahlen, wenn die Hoffnung fehlschlägt. Aber es liegt kein Hoffnungskauf, sondern bedingter Sachkauf vor, wenn die Parteien Zahlung des Preises ohne Rücksicht auf Menge und Güte der künftigen Sache be­ dingen. Denn in diesem Falle hängt die Pflicht des Käufers davon ab, daß die erhoffte Sache entsteht (emtio rei speratae). Alles dies gilt auch nach dem BGB. Genuskauf ist der Kauf einer nur der Gattung nach bestimm­ ten Sache. Werden aber alle zu einer bestimmten Gattung gehörigen Sachen verkauft, so liegt ebenso, wie wenn ein einzelner bestimmter Gegenstand verkauft wird, ein Specieskauf vor. Ob das römische Recht reine Genuskäufe zuließ, ist zweifelhaft, aber zu ver­ neinen'). Im heutigen Recht ist dieser Kauf ausdrücklich anerkannt 480, 491 BGB. Endlich kann auch eine fremde Sache Gegenstand des Kaufes sein. Der Verkäufer hat die Sache zu beschaffen oder Schadens­ ersatz zu leisten. Dasselbe muß nach BGB gelten, da die Fremdheit der Sache nur das Unvermögen des Schuldners, nicht eine die Nich­ tigkeit des Vertrages begründende Unmöglichkeit bewirkt (§§ 306 bis 308). 2. Der Kaufpreis muß vor Allem als wahres Entgelt *) Dernburg: Pand. II § 94 Nr. 1.

(pretium verum) von den Parteien gemeint sein. Sind die Par­ teien einig, daß der bedungene Preis den Werth der Sache nicht erreicht (venditio uno nummo des römischen Rechts), so ist der den Preis übersteigende Werth geschenkt. Ob die Ansicht der Parteien dem wahren Werth entspricht (pretium justum), ist ohne Belang. Das spätere römische Recht dagegen gewährte die Möglichkeit der Anfechtung eine- Kaufvertrages wegen Verletzung über die Hälfte (laesio enormie), indem Diokletian und Maximian (1. 2 C. 4, 44) dem Verkäufer das Recht gaben, vom Vertrage zurückzutreten, wenn der Preis nicht ein­ mal die Hälfte des gemeinen Sachwerthes betrug. Seit der Gloffatorenzeit entwickelte sich jedoch ein gemeines Gewohnheitsrecht, das auch dem Käufer daS Rücktrittsrecht gewährte, wenn er mehr als das Doppelte deS wahren Werthes versprochen hatte. Diese Sätze wurden zunächst durch das alte HGB (Art. 286) für Handelskäufe beseitigt und sind vom BGB nicht wieder aufgenommen worden. Es gilt daher jetzt betreffs der Höhe deS Preises volle Vertragsfreiheit. Der Kaufpreis mußte im älteren römischen Recht b e st i m m t sein (pretium certum), allein nach späterem römischem, gemeinem und neuem Rechte genllgtdieBestimmbarkeitdeSPreis e s. Haben die Parteien einen Preis nicht bestimmt, so haben sie sich, wenn eS sich um eine marktgängige Waare handelt, regelmäßig dem Marktpreise der Waare unterworfen d. i. nach altem wie neuem Rechte dem für den Erfüllungsort zur Erfüllungszeit maßgebenden Preise (§ 453 BGB). Hat der Kaufgegenstand einen Marktpreis nicht, so tritt nach altem und neuem Rechte daS arbitrium boni viri ein, d. h. der Verkäufer bestimmt den Preis, aber er hat ihn nach billigem Ermessen zu bestimmen (§§ 316, 315), denn nur dem an­ gemessenen Preise hat sich der Käufer unterworfen. Der Preis muß in Geld bestimmt werden. Wird eine andere Sache als Geld zur Gegenleistung bestimmt, so ist daS Geschäft nicht Kauf, sondern Tausch. Ob der Preis in baarem Gelde bezahlt wird, ist ohne Belang, denn hier wie bei anderen Geschäften ist Hin­ gabe an Zahlungsstatt erlaubt. II. Verbot. In Uebereinstimmung mit dem römischen Rechte, welches denjenigen Personen, welche kraft Amtes verkauften, das Kaufen untersagte, richtet auch das BGB (§§ 456, 457) an Die­ jenigen, welche mit der Bornahme oder Leitung eines im Wege der Zwangsvollstreckung geschehenden Verkaufes beauftragt sind, sowie an ihre Gehülfen (z. B. den Protokollführer), und an diejenigen Personen, welche bei dem Verkauf auf Grund gesetzlicher Ermächti­ gung, den Gegenstand für Rechnung eines Andern verkaufen zu

334 lassen, handeln**), dasVerbot, den zum Verlaufe gestellten Gegen­ stand für sich persönlich oder durch einen Anderen oder als Vertreter eines Anderen zukaufen. Der gleichwohl geschehene Kauf ist nicht nichtig, aber er hängt von der Zustimmung der am Verkauf als Gläubiger, Schuldner oder Eigenthümer betheiligten Personen ab (§ 458 BGB). in. Uebergang der Gefahr. Nach römischem Rechte ging die Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung mit dem Kauf­ abschluß auf den Käufer über: der Ausdruck perfecta est emtio bedeutet, daß der Käufer die Gefahr trägt. Das ältere deutsche Recht ließ die Gefahr mit der U e b e r g a b e der verkauften Sache auf den Käufer übergehen. Dieser Grundsatz des deutschen Rechtes hat sich in mehreren Partikularrechten erhalten und i st i n d a s BGB (§ 446) llbergegange n2). Bei dem Verkauf eines Grundstücks geht die Gefahr schon mit der Eintragung des neuen Eigenthümers über, wenn diese vor der Uebergabe erfolgt. Der angeblich aus dem Wesen der synallagmatischen Verträge folgende Grundsatz des römischen Rechts machte eine Bestimmung über die Gefahr der Versendung der verkauften Sache überflüssig. Denn der Transport geschah nach ihm immer auf Gefahr des Käufers. Folgerichtig müßte nach BGB die Gefahr auf den Käufer erst mit der Aushändigung an ihn übergehen, denn die Versendung bildet den Akt der Uebergabe. Doch ist nach ihm (§ 447) zu unter­ scheiden: versendet der Verkäufer die Sache an den Erfüllungsort (b. i. seinen Wohn- oder Niederlassungsort, § 269), so trägt e r die Gefahr, weil er damit sich selbst in die Lage versetzt, zu übergeben; versendet er die Sache dagegen an einen anderen als den Er­ füllungsort, z. B. an den Wohnort des Käufers, so geht die Gefahr mit Uebergabe der Sache an die Transportperson auf den Käufer über. — Ist der Kauf aufschiebend-bedingt, so kann — trotz Ueber­ gabe — die Gefahr nicht vor Eintritt der Bedingung übergehen. IV. Uebergabe. Nach römischem, gemeinem und neuem Recht ist der Verkäufer verpflichtet, die verkaufte Sache zu übergeben: der Käufer muß den Besitz der Sache erhalten. Nach deutschem und neuem Recht ist der Verkäufer auch zur Vornahme derjenigen Hand­ lungen verpflichtet, die zur Uebertragung des Eigen­ thums erforderlich sind, also insbesondere zur Auflassung der un­ beweglichen Sache (§§ 433, 929 ff., 873). Die Auflassung kann y) Damit ijt z. B, der Verlaus im Austrage des Konkursverwalters ober des Psandgläubigers gemeint. *) Abweichend von § 323, denn der Verkäufer hat mit der bloßen Uebergabe noch nicht erfüllt. § 433 Abs. 1.

jedoch durch die rechtskräftige Derurtheilung deS Verkäufers zur Auf­ lassung ersetzt werden (§ 894 CPO). Ist ein Rech 1 verkauft, so hat nach römischem und gemeinem Rechte der Verkäufer dem Käufer nur die Möglichkeit der Ausübung, nach deutschem und neuem Rechte dasverkaufteRechtselbst zu verschaffen (§ 434). Damit hängt die Verschiedenheit der sog. EviktionSpflicht des Verkäufers nach römischem und neuem Rechte zu­ sammen. Uebergabe und Ablieferung sind nicht dasselbe. Uebergabe ist derjenige Akt, durch welchen der Besitz eingeräumt wird, Ab­ lieferung derjenige Akt, durch den der Käufer die thatsächliche Mög­ lichkeit einer Untersuchung der Sache erlangt. Die Ablieferung kann nur bei beweglichen Sachen vorkommen, sie fällt mit der Uebergabe nicht immer zusammen, sondern folgt ihr häufig nach. Auch Annahme und Empfangnahme sind nicht dasselbe. Die Annahme vollendet den Uebergabeakt, die Empfangnahme schließt die Billigung der Waare ein. V. Haftung für Mängel im Rechte. Der Verkäufer hatte nach römischem Rechte die Pflicht deS habere licere praestare, d. h. er hatte dafür zu haften, daß nicht Rechte Dritter bestanden, welche dem Käufer das Haben der Sache gefährdeten. Wurde dem Käufer der Besitz der Sache entzogen auf Grund eines Anspruches auS dem Eigenthum, dem redlichen Besitze, dem Pfandrecht, einer persönlichen Dienstbarkeit oder auf Grund eine- Roxalanfpruches, m. e. Worte: wurde dem Käufer die Sache ehtnrirt (entwehrt), so stand der Verkäufer für daS Interesse ein. Nach dem Rechte der zwölf Tafeln stand dem Käufer in dem Falle, wenn er die Sache durch Mancipation erworben, eine actio aactoritatis auf das Doppelte des Kaufpreises zu. War die Sache nur tradirt, so hatte der Käufer die a. emti auf das Interesse. Dieses pflegt man durch Vertrag (stipulatio duplae) auf das Doppelte des Preises fest­ zusetzen. Das gemeine Recht hielt daran fest, daß der Verkäufer nicht zur Verschaffung des Eigenthums, sondern nur zum habere licere praestare verpflichtet sei. Die Eviktionspflicht konnte daher nicht schon dann geltend gemacht werden, wenn sich herausstellte, daß der Verkäufer Eigenthum nicht übertragen, sondern erst dann. wenn der Käufer den Besitz in Folge des Rechts eines Dritten verloren hatte (RG 20, 217). Voraussetzung der Eviktionshaftung war ferner im gemeinen wie im älteren römischen Rechte eine vollständige Entziehung des Genusses der Sache. Sie trat daher nach herrschender Auf­ fassung dann nicht ein, wenn der Dritte an der Sache eine Grund­ dienstbarkeit mit Erfolg geltend machte (RG 4, 194; 7, 174), viel-

336 mehr haftet der Verkäufer in diesem Falle nur dann, wenn er dem Käufer die Freiheit der Sache von der Realservitut zusicherte oder wenn er ihm das Bestehen dieses Rechtes arglistig verschwieg. In beiden Beziehungen weicht das neue Recht vom bisherigen ab. Das BGB verpflichtet nämlich den Verkäufer a) zur Ver­ schaffung des Eigenthums oder des verkauften Rechtes lz. B. der Forderung), und es verpflichtet ihn b) den verkauften Gegenstand frei von allen Rechten zu verschaffen, die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können (§§ 433, 434). a) Die erstere Pflicht hat zur Folge, daß der Verkäufer haftet, auch wenn der Dritte sein Eigenthum nicht geltenv macht, denn er hat in jedem Falle nicht Eigenthum übertragen. b) Die letztere Verpflichtung des Verkäufers führt dahin, daß er nach dem BGB schon dann haftet, wenn nur überhaupt Rechte Dritter an der veräußerten Sache b e st e h e n. Der Verkäufer hat aber auch die nicht b e st e h e n d e n. im Grundbuch oder Schiffs­ register noch eingetragenen Rechte auf seine Kosten löschen zu lassen, wenn sie im Falle ihres Bestehens das dem Käufer zu be­ schaffende Recht beeinträchtigen würden (§§ 434—439). Allgemeiner Grundsatz ist, daß der Verkäufer j e d es Recht eines Dritten, das gegen den Käufer geltend gemacht werden könnte, und das dem Käufer unbekannt ist, zu vertreten und also zu beseitigen hat. Von diesem Grundsätze bestehen zwei Ausnahmen: a) es sind nicht zu vertreten die öffentlichen Lasten und Abgaben von Grundstücken (§ 436), ß) es sind zu vertreten die Hypothek, die Grundschuld, die Rentenschuld, das Pfandrecht, die Vormerkung, auch wenn sie der Käufer kennt. Ein Mangel im Rechte des Verkäufers in der einen (a) oder anderen Beziehung (b) bewirkt, daß der Vertrag nicht erfüllt ist, der Käufer kann also (§ 440) 1. nachträgliche Erfüllung verlangen, 2. die Zahlung des Kaufpreises verweigern (e. non impleti contractus), 3. Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Letzteren Anspruch kann beim Kauf einer beweglichen Sache der Käufer nur dann geltend machen, wenn er die Sache dem Verkäufer oder dem Dritten herausgegeben hat oder wenn sie untergegangen ist (§ 440), weil sonst der Käufer die Vortheile des Besitzes ziehen und daneben noch Schadensersatz erlangen würde.

VI. Eigenthumsüdergavg. Das Eigenthum der ver­ kauften und übergebenen Sache geht nach römischem und gemeinem Recht erst mit der Zahlung oder Kreditirung des Preises, nach deutschem und neuem Rechte mit der Uebergabe der beweglichen, der Auflassung der unbeweglichen Sache auf den Käufer über. Die Eigenthumsüber­ tragung ist aber die Folge des, von der Gültigkeit des Kaufvertrages unabhängigen, in der Uebergabe oder Auslastung, bei For­ derungen in der Session bestehenden dinglichen Vertrages. Beim Verkaufe von Seeschiffen oder Schiffsparten kann bedungen werden, daß das Eigenthum sofort d. i. mit dem Vertragsabschluß und ohne Uebergabe auf den Käufer übergehen soll (§ 474 HGB). Der Verkäufer kann sich bei der Uebergabe das Eigenthum bis zur Zahlung des Preises vorbehalten (pactum reservat! dominii). Nach gemeinem wie neuem Rechte, das den Vorbehalt nur beim Kauf beweglicher Sachen behandelt, liegt in dem Vor­ behalt im Zweifel eine aufschiebende Bedingung, nach neuem Rechte zugleich der Vorbehalt eines RücktrittSrechtS, für den besonderen Fall, daß der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt (§ 465). VII. Haftung wegen Mängeln der Sache. Nach altem und neuem Recht haftet der Verkäufer einer Sache dem Käufer dafür, daß die verkaufte Sache nicht mitphysischen Mängeln behaftet ist. Diese Haftung bildet den Gegensatz zu der oben erörterten Haftung für Mängel im Rechte. 1. G e s ch i ch t e. Das römische Civilrecht gab dem Käufer nur einen Jntereffeanspruch (actio emti), und zwar wenn der Verkäufer Eigenschaften der Sache, die ihr thatsächlich fehlten, versprochen hatte, und wenn er ihm bekannte Mängel der Sache arglistig verschwieg. Diese für den Verkauf von Grundstücken paffenden Sätze reichten im Marktverkehr nicht aus. Das Edikt der curulischen Aedilen und daS sich anlehnende (das sog. ädilitische) Recht ging darüber hinaus. Der Fortschritt, den es brachte, bestand darin: a) daß der Verkäufer nicht bloß für versprochene (promissa), sondern auch für die der Sache beigelegten Eigen­ schaften (für dicta), b) daß er auch für die ihm selbst unbekannten Mängel haftete. c) daß dem Käufer die Wahl zustand, vom Vertrage zurück­ zutreten oder bei dem Vertrage zwar stehen zu bleiben, dafür aber Herabsetzung des Preises zu verlangen. Daneben blieb das Civilrecht bestehen. Der Käufer hatte also die Befugniß, Schadensersatz zu verlangen, wenn die Vor­ aussetzungen hierzu vorlagen, er hatte aber auch die sog. ädilitiLngelmann, ». bürgerliche Recht Deutlchlaubt. III. Ruft.

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338 scheu Rechtsmittel (actio redhibitoria und quanti minoria). Die Grundsätze des römischen Rechts wurden gemeines Recht, das deutsche Recht dagegen, das vom Käufer eine größere Aufmerk­ samkeit verlangte („wer die Augen nicht aufthut, mutz den Beutel aufthun") und welches vielfach die Geltendmachung der Rechte des Käufers von der bald nach der Uebergabe erfolgten Feststellung des Mangels abhängig machte, erhielt sich für den Viehhandel und hatte auf die Gestaltung des Handelsrechts Einfluß. 2. Neues Recht. Das BGB giebt A. allgemeine Vorschriften über die Gewährleistung über­ haupt und schließt sich darin an das gemeine Recht an (§§ 459 bis 480); diese Vorschriften kommen auch dann zur Anwendung, wenn der Kauf Handelsgeschäft ist, und nur für den Fall, daß der Kauf für beide Theile Handelsgeschäft ist, hat das HGB in §§ 377, 378 einige besondere Bestimmungen; B. besondere Vorschriften über die Gewährleistung für Viehmängel (§§ 481—492), die auf deutschrechtlicher Grundlage beruhen und auch dann zur Anwendung kommen, wenn das Geschäft Handelsgeschäft ist (§ 382 HGB). A. D i e allgemeinen Gewährlei st ungsgrundsätze. 1. Nach gemeinem und neuem Recht (§ 459) haftet der Verkäufer für die zugesicherten Eigenschaften der Sache (dicta promissa) und für ihre Fehler, auch wenn der Mangel verborgen und dem Verkäufer selbst unbekannt war. Die Haftung für die zu­ gesicherten Eigenschaften ist eine unbedingte, mag das Fehlen der Eigenschaft die Brauchbarkeit oder den Werth der Sache beeinträchti­ gen oder nicht. Die Haftung für Fehler aber ist davon abhängig, daß der Fehler die T a u g l i ch k e i t der Sache zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch oderihren Werth aufhebt oder mindert (§ 459). Nach altem und neuem Recht aber kommen unerhebliche Minderungen des Werths oder der Tauglichkeit nicht in Betracht (minima non curat praetor). Ist eine bestimmte Größe des verkauften Grundstücks zugesichert, so ist damit nach BGB (§ 468) eine Eigenschaft zugesichert. Auch darin stimmen altes und neues Recht überein, daß die Haftung des Verkäufers ausgeschlossen ist, nicht nur, wenn der Käufer den Mangel kannte, sondern auch wenn er ihn nur bei grober Fahrlässigkeit übersehen konnte (vitia — quae ignoravit vel ignorare potuit. I. 14 § 10 D. 21,1. § 460 BGB). Für diese letzteren, leicht erlennbaren Mängel haftet der Verkäufer jedoch dann,

wenn er die Abwesenheit des Fehlers zugesichert oder wenn er den Fehler arglistig verschwiegen hat (§ 460). Kennt der Käufer den Mangel btt der Annahme, so liegt in dieser ein Verzicht auf seine Rechte, es sei denn, daß er sich diese vorbehält (§ 464). In einer Veräußerung der beanstandeten Waare liegt regelmäßig, aber nicht immer die Annahme und also ein Verzicht. Dieselben Grundsätze gelten im Handels­ recht. Das HGB (§ 377) ist nur bei denjenigen Kaufverträgen, die für b e i d e Theile Handelsgeschäfte sind (RG 49,158), insofern gegen den Käufer strenger als das BGB, als es ihm die Pflicht auferlegt, die Waare unverzüglich nach der Ablieferung zu untersuchen und von einem entdeckten Mangel dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen (Mängelrüge), und indem es an die Versäumniß der Anzeigepflicht die der Widerlegung entzogene Vermuthung knüpft, daß die Waare genehmigt sei. Die Mängelrüge enthält nämlich die Erklärung, daß mit der Waare so, wie sie beschaffen, der Kaufvertrag nicht erfüllt sei; nichts weiter ist die Erklärung, daß die Waare dem Verkäufer zur Verfügung gestellt werde. Die Sicherheit des Handels­ verkehrs erheischt diese strenge Behandlung, denn es soll sobald als möglich feststehen, ob das Geschäft mit der Lieferung erfüllt ist. Die Anzeigepflicht entsteht mit dem späteren Hervortreten eines Mangels von Neuem. Sie ist aber erfüllt, wenn die Anzeige noch rechtzeitig abgesendet wird. Diese Grundsätze kommen nach dem neuen HGB zur Anwendung, sowohl wenn die Waare versendet (Distanzk a u f) als auch wenn sie nicht versendet wird (P l a tz k a u f), endlich auch dann, wenn eine andere als die bedungene Waare oder eine andere als die bedungene Menge von Waaren geliefert ist. Die Ab­ weichung darf aber nicht eine so starke sein, daß der Verkäufer die Genehmigung deS Käufers als ausgeschloffen betrachten mußte (§ 378 HGB). 2. Entscheidend für die Gewährleistungspflicht deS Verkäufers ist nach gemeinem Rechte, daß der M a n g e l zur Zeit des Vertragsschluffes, nach neuem Recht, daß er zur Zeit deS Gefahr­ überganges vorhanden ist (§ 459). 3. Hat der Verkäufer den vorhandenen Mangel überhaupt zu vertreten, so ist nach altem und neuem Rechte der Käufer berechtigt, a) Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung [actio redhibitoria]) oder b) Herabsetzung des Preises (Minderung [actio quanti minoris]) zu verlangen (§ 462). c) Statt eines dieser beiden Rechte kann der Käufer nach altem und neuem Rechte (§ 463) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (mit der actio emti), wenn der Sache beim Vertragsabschlüsse, im Falle eines Genuskaufes (§ 480) beim Uebergange der

340 Gefahr, eine zugesicherte Eigenschaft fehlte oder ein arglistig ver­ schwiegener Fehler anhaftete. Beim Gattungskauf hatte nach der richtigen Auffassung des bisherigen Rechtes (RG 30, 154) der Käufer bei Lieferung einer der Gattung zugehörigen, aber fehlerhaften Sache nur die ädilitischen Rechtsmittel (1. 72 § 5 D. 46. 3), nach dem BGB (§ 480) hat er wahlweise das Wandelungs-, das Minderungs- und das Recht auf Lieferung einer mangelfreien Sache. Ist eine Sache anderer Gattung geliefert, so hat der Käufer nach beiden Rechten wie im Falle der Lieferung einer anderen Spezies das Recht auf Rückgabe der gelieferten und auf Lieferung der dem Beitrage entsprechenden Sache (1. 50 D. 46,3). Unter jenen Rechten kann der Käufer wählen; er kann von der einmal getroffenen Wahl wieder abgehen (jus va­ riandi), bis die Wandelung oder Preisminderung vollzogen ist. Vollzogen aber war sie nach der herrschenden Lehre des gemeinen Rechts mit der vom Käufer einseitig getroffenen Wahl. Diesen Standpunkt hat das BGB verlassen. Rach ihm (§ 465) ist die ein­ seitige Erklärung des Käufers, daß er wandeln oder mindern wolle, nichts weiter als ein Vertragsantrag, Wandelung oder Minderung sind vollzogen erst ipit der Annahme des Antrages. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so kann der Käufer auf Wandelung oder Minderung klagen; nach der Auffassung des BGB ist die Klage auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, die Wandelung oder Minderung ist in diesem Fall also erst vollzogen mit der rechtskräfti­ gen Verurtheilung des Verkäufers (§ 894 CPO). Hat der Käufer aber die Schadensersatzklage erhoben, so hat er damit auf das Recht der Wandelung oder Minderung verzichtet (§ 463 BGB). Das BGB hat dem Verkäufer ein Mittel in die Hand gegeben, Klarheit über die Absichten des Käufers zu erlangen. Der Käufer soll nicht zum Nachtheil des Berkäufers auf das Steigen oder Fallen des Preises der gelieferten Waare spekuliren (d. h. beim Steigen des Preises Minderung, beim Sinken Wandelung verlangen) dürfen. Der Verkäufer kann daher Wandelung anbieten unter Bestimmung einer angemessenen Erklärungsfrist. Geht der Käufer auf den An­ trag ein, so ist die Wandelung vollzogen, geht er innerhalb der Frist auf den Antrag nicht ein, so hat er das Recht auf Wandelung verloren (§§ 466, 465). 4. Die Wandelung ist Rücktritt vom Bertrage, sie setzt also einen noch bestehenden Vertrag voraus, die Anfechtung des Dertrages wegen Irrthums oder arglistiger Täuschung (§§ 119,123) macht den Bertrag von Anfang an nichtig (§ 142), daher hat der Käufer hier auf Rückgabe des Preises den Anspruch aus ungerecht-

fertigtet Bereicherung, und daS BGB (§ 467) hat sie unter die Grundsätze vom vertragsmäßigen Rücktritt gestellt. Nach altem und neuem Recht ist der Käufer zum Rücktritt jedoch nur dann befugt, wenn er den Kaufgegenstand in im wesentlichen unveränderter Be­ schaffenheit zurückzugeben bereit und im Stande ist oder wenn die Unmöglichkeit der Wiederherstellung die Folge eines Zufalles ist. der den Untergang der Sache herbeigeführt hat (§§ 467, 350 ff.). Die einmal erklärte Wandelung wird unwirksam, wenn der Käufer mit der Rückgabe der Sache in Verzug kommt (§ 354). Die Wande­ lung eines Thierkaufes dagegen bleibt zuläffig, auch wenn das Thier geschlachtet oder veräußert ist; eS tritt der Werth an Stelle des Thieres (§ 487). Sind mehrere Sachen verkauft, so kommt eS darauf an, ob sie als einzelne oder als zusammengehörige verkauft waren: in jenem Falle kann nur Wandelung der e i n e n mangelhaften und in Folge dessen verhältnißmäßige Herabsetzung des Preises der nicht ge­ wandelten Sachen (§§ 469, 471), in diesem Falle aber kann von jedem Theile Wandelung aller Sachen verlangt werden, wenn sich die mangelfreien von den mangelhaften Sachen nicht ohne Nachtheil trennen lassen. Daß ein Gesammtpreis vereinbart worden, ist noch kein Beweis dafür, daß die Sachen als Einheit gemeint sind. Die üollzogene Wandelung hat die Verpflichtung des BerkäuferS zur Folge, den gezahlten Preis zurückzuzahlen. Zum Ersätze des durch die mangelhafte Sache verursachten Schadens aber ist der Käufer nur auf Grund eines Verschuldens verpflichtet. 5. Die Minderung besteht nach dem bisher herrschend ge­ wesenen und auch vom BGB (§ 472) angenommenen relativen Prinzip in einer verhältnißmäßigen Herabsetzung d e s P r e i s e s. d. h. eS ist zunächst der W e r t h der mangelfreien und der Werth der mangelhaften Sache festzustellen; in dem Ver­ hältnisse, in dem diese Werthe zu einander, muß auch der Preis der mangelfreien zu dem zu suchenden Preise der mangelhaften Sache stehen'). Die Minderung ist so oft zulässig, als Mängel hervortreten; ja es ist, wenn wegen eines Mangels Minderung erfolgt ist, wegen eines anderen MangelsWandelung gestattet (§ 475). Jeder von mehreren Käufern hat ein selbständiges Recht auf Min­ derung (§ 61 CPO), wandeln aber können nur alle Käufer gemein­ schaftlich (§ 62 CPO). Ist daher von einem einzelnen Käufer die Minderung vollzogen, so ist damit nicht nur für ihn, sondern wegen der Untheilbarkeit des Wandelungsrechts die Wandelung für alle ausgeschlossen (§ 474). *) Werth der fehlerlosen Sache — 200, der mangelhaften Sache 150, Preis der fehlerfreien Sache — 250. Also 200 :150 — 260: x. x 187,60 M.

342 6. Die Rechte auf Wandelung oder Minderung unterliegen nach altem und neuem Rechte (§ 476) dem Verzicht, der jedoch die Rechte wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels nicht beseitigt, und einer kurzen Verjährung. Nach römischem Rechte verjährte die a. redhibitoria in 6 Mo­ naten, die a. quanti minoris in einem Jahre, die a. emti dagegen als gewöhnliche Vertragsklage in 30 Jahren. Das BGB unter­ scheidet nicht die Ansprüche, sondern die Kaufgegenstände. Daher unterliegt auch die Schadensersatzklage der kurzen Verjährung, und zwar von 6 Monaten bei beweglichen Sachen (seit der Ab­ lieferung), von einem Jahre bei Grund st Licken (seit der Uebergabe). Rur die auf arglistiges Verschweigen gestützte Schadenscrsatzklage unterliegt der ordentlichen Verjährung. Die Verjährung trifft unbedingt aber nur die Befugniß des Käufers, einen jener Ansprüche im Wege der Klage durchzusetzen. Das Wandelungs­ oder Minderungsrecht befugt aber auch zur Verweigerung der Kauf­ preiszahlung, also zur Erhebung einer Einrede, und der Scha­ densersatzanspruch kann dem Kaufpreisanspruche gegenüber a u f ge­ rechnet werden. Dieses Einrede- und Aufrech­ nungsrecht bleibt trotz eingetretener Verjährung der ihren Gegenstand bildenden Ansprüche (§§ 478, 479) b e st e h e n, wenn a) der Käufer vor Eintritt der Verjährung dem Verkäufer den Mangel angezeigt oder die Anzeige an ihn abgesendet, oder b) gerichtliche Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises be­ antragt, oder c) in einem zwischen ihm und einem späteren Erwerber der Sache wegen des Mangels der Sache anhängigen Rechtsstreite dem Verkäufer den Streit verkündet hat. Die einheitliche Grundlage, auf welcher das Wandelungs-, Minderungs- und Schadensersatzrecht beruht, hat zur Folge, daß die Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung des einen Rechtes auch auf die Verjährung der anderen Rechte hemmend oder unter­ brechend wirkt (§ 477). Der Uebergang von der Wandelungs- in die Minderungs- oder Schadensersatzklage wird gleichwohl in der Regel eine Klageänderung enthalten, doch kann sie nach neuem Rechte (§ 264 CPO) vom Gericht zugelassen werden, wenn die Vertheidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wird. B. Die besonderen Grundsätze von Vieh­ mängeln. Diese kommen nur beim Verkaufe von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maulthieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen zur Anwendung (§ 481). Aber auch beim Verkaufe dieser Thiere steht der Verkäufer nur für bestimmte Fehler (Hauptmängel)

und nur dann ein, wenn sie sich innerhalb bestimmter Fristen (Ge­ währfristen) zeigen (§ 482). Die Hauptmängel und die Gewährfristen werden durch eine mit Zustimmung des Bundesrathes er* laffene Kaiserliche Verordnung bestimmt'). Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an welchem die Gefahr übergegangen ist. Tritt innerhalb dieser Frist ein vertretbarer Hauptmangel hervor, so wird vermuthet, daß er schon bei Beginn der Frist vorhanden war. Der Käufer hat nur den Wandelungsanspruch, er ver­ liert aber auch diesen, wenn er nicht spätestens zwei Tage nach der Tödtung oder dem Verenden des Thieres oder dem Ablaufe der Gewährfrist die Mangelrüge erklärt, Klage erhoben, Sicherung des Be­ weises beantragt oder den Streit verkündet hat. Diese Frist sowie die Gewährfrist sind Ausschlußfristen. Die Berjährung der Wandelungs- und der Schadensersatzklage tritt mit dem Ablaufe von 6 W o ch e n seit dem Ende der Gewährfrist ein. Mit der Aufstellung dieser Grundsätze (die Einzelheiten s. §§ 481—492) schließt sich daS BGB dem deutschen Recht an. Beim Verkaufe von Thieren, welche im BGB nicht bezeichnet sind, oder beim Vorhandensein solcher Mängel, die n i ch t als Haupt­ mängel gelten, kommen die allgemeinen Grundsätze über Gewähr­ leistung zur Anwendung. Anders wenn der Verkäufer beim Verkauf eines jener besonders bezeichneten Thiere die Gewährleistung einer nicht zu den Hauptmängeln gehörenden Fehlers übernimmt oder eine Eigenschaft zusichert; denn dann kommen die be­ sonderen Viehmängelgrundsätze zur Anwendung. VIII. Pflichte« des Käufers. Der Käufer war nach römischem Rechte zur A b n a h m e der Waare berechtigt» aber nicht verpflichtet. Eine solche Pflicht bestand richtiger Ansicht nach im gemeinen Recht, und das BGB hat sie ausdrücklich ausgesprochen (§§ 433 Abs. 2, 448, 449). Der Käufer ist ferner verpflichtet, gegen Uebergabe oder Auf­ lassung der Sache den Kaufpreis zu bezahlen (§ 433) und von dem Tage ab zu verzinsen, an welchem die Nutzungen der Sache ihm gebühren, es sei denn, daß der Kaufpreis gestundet wäre (§ 452). Hierin stimmen altes und neues Recht überein'). Der Käufer ist endlich bei einem zweiseitigen Handelsgeschäfte verpflichtet, die ihm von einem anderen Orte übersendete und von ihm beanstandete Waare einstweilen aufzubewahren, und, wenn Gefahr im Verzüge oder die Waare dem Verderb ausgesetzt ist. verkaufen zu lassen (§§ 373, 379 HGB, 383 BGB). ') Ist am 27. März 1899 erlassen. ') Ueber die Berechnung des Preises nach dem Gewicht § 380 HGB.

344 IX. Verzug. Ist ein Vertragstheil mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen im Verzüge, so kommen nach altem und neuem Rechte die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung (s. oben S. 195). Nach neuem Rechte hat der nicht säumige Theil insbesondere auch daS Recht des Rücktritts, wenn der säumige Theil die ihm ge­ setzte Nachfrist verstreichen läßt (§ 326). Dies es Recht geht dem Verkäufer verloren, wenn e r den Vertrag erfüllt und den Kauf­ preis stundet (§ 454), das Recht auf Schadensersatz behält er. Die Bestimmungen des BGB (§§ 326, 286) kommen künftig auch im Handelsverkehre zur Anwendung, sie stimmen im Wesent­ lichen mit den in Art. 354—356 HGB für den Handels kauf matzgebend gewesenen Grundsätzen überein. Das neue HGB giebt aber für Handelskäufe, also für Kaufverträge, welche jedenfalls für einen Kontrahenten Handelsgeschäfte sind (§§ 343—345 HGB). einige besondere Bestimmungen. 1. Ist der Kauf ein Fixgeschäft, sei es, datz die Lieferung oder die Abnahme ober die Zahlung zeitlich fest bestimmt ist, so hängt das Rücktritts recht des Nichtsäumigen nicht von einem Verzüge des anderen Theiles, sondern nur von der T h a t s a ch e ab, datz die Leistung nicht rechtzeitig erfolgt. Nur der Schadens­ ersatzanspruch ist durch den Verzug des anderen Theiles bedingt. Der Anspruch auf Erfüllung geht verloren, wenn nicht dem Säumigen sofort nach Ablauf der Leistungszeit vom anderen Theil erklärt wird, datz er auf der Erfüllung bestehe. Denn der säumige Theil kann gerade diese Entschliehung nicht erwarten. Der Nicht­ säumige kann entweder a) den ihm thatsächlich entstandenen Schaden verlangen und diesen durch jedes ihm zu Gebote stehende Mittel beweisen (konkrete Schadensberechnung), er kann zu diesem Zwecke das Ergebniß eines von ihm wirklich vorge­ nommenen Deckungskaufes oder Deckungsverkaufes, b. h. eines Kaufes, den er zum Zwecke der anderweitigen Deckung seines Bedürfniffes oder zum Zwecke der Fortschaffung der Waare schließen mußte, heranziehen, wenn das Deckungsgeschäft sofort nach dem Ablaufe der Leistungszeit vorgenommen ist und die Waare einen Börsen- oder Marktpreis hat; oder er kann b) seinen Schaden so berechnen, als ob er ein Deckungsgeschäft vorgenommen hätte, das er in Wahrheit aber nicht geschlossen hat, d. h. den Unterschied zwischen dem Kaufpreise und dem Markt- oder Börsenpreise zur Zeit und am Orte der geschuldeten Leistung d. h. demjenigen Ort, an dem der Leistungsgegenstand verwerthet werden sollte, fordern (abstrakte Schadensberechnung). 2. Ist der Käufer mit der Annahme d. h. der Besitz­ ergreifung der Waare im Verzüge, so richtet sich das Rücktritts-

und Schadensersatzrecht des Verkäufers nach den Vorschriften de«GB (§ 374 HGB, 326 BGB), das HGB (§ 373) aber giebt dem Verkäufer außerdem ein Hinterlegungs- und ein Verkaufsrecht und damit ein Mittel, sich der Obhut und des Besitzes der bereitgestellten Waare zu entschlagen. Der Verkauf (Selbsthülfeverkauf) geschieht zwar im Namen des Verkäufers, aber für Rechnung des Käufers, denn er hat den Zweck, den Preis festzustellen, zu dem die Waare verkäuflich war. Die Folge ist. daß der Verkäufer nicht mehr zur Lieferung der Waare, sondern zur Leistung der Summe verpflichtet ist, die sich als Verkaufserlös ergiebt und die sich um den Betrag der Kosten des Selbsthülfeverkaufs und um den durch den Verzug dem Verkäufer sonst zugefügten Schaden vermindert, daß der Käufer aber den Verkauf nicht anzuerkennen braucht, wenn dieser unter Verletzung derjenigen Maßregeln vorgenommen ist, die der Wahrung der Rechte des Käufers dienen sollen (Androhung und öffentlicher oder durch einen Handelsmakler bewirkter Verkauf). — Käufer und Verkäufer können bei der Versteigerung mitbieten (§ 373 HGB, § 457 BGB).

§ 120. Besondere Arten des Kaufes. I. Der Kauf »ach Probe ist nach altem und neuem

Recht «in unbedingter Kauf, durch den der Verkäufer die Verpflichtung übernimmt, eine der Probe oder dem Muster entsprechende Waare zu liefern. Die Eigenschaft der Probe bildet also ein dictum promiasum der Waare (§ 494). Daß diese der Probe entspricht, hat der Verkäufer zu beweisen. Auf den Käufer geht die Beweislast über, wenn er den Verlust der ihm zur Aufbewahrung überlassenen Probe ver­ schuldet hat (RG 11, 38). II. Der Kauf auf Probe oder auf Besicht ist nach bisherigem und neuem Recht (§ 495) unter der im Belieben des Käufers stehenden Bedingung geschloffen, daß er die Waare billigen werde. Durch daS dem Käufer eingeräumte freie Belieben, das diesen von der Angabe deS Grundes seiner Mißbilligung befreit, unterscheidet sich das Geschäft von der Vereinbarung, daß der Käufer durch eine Prüfung das Vorhanden­ sein gewisser Eigenschaften feststellen werde. Seine Eigenthüm­ lichkeit besteht darin, daß nur der Verkäufer gebunden, der Käufer aber nach freiem Belieben zu bestimmen berechtigt ist, ob das Geschäft geschloffen und also auch für ihn bindend sein solle; er bildet also eine Ausnahme von dem Grundsätze, daß die unter der Bedingung ai velim geschlossenen Geschäfte ungültig sind. Gleichwohl ist er nicht eine bloße Offerte an den Käufer, sondern

346 ein bedingter Kaufvertrag. Die Bedingung ist im Zweifel eine aufschiebende (§ 495 BGB), nach neuem Recht aber ist er nicht von dem bloßen Willen, sondern davon abhängig, daß der Käufer sich innerhalb einer (vereinbarten oder vom Käufer bestimmten angemessenen) Frist erklärt. Schweigt der Käufer bis zum Ablaufe der Frist, so wird auch der Verkäufer frei, wenn er den Besitz behalten hatte; doch wird die geschehene Billigung angenommen, wenn die Sache dem Käufer übergeben war (§ 496). III. Der Spezifikationskauf (ein Erzeugniß des neuesten Bertehrsbrauches namentlich der Eisenindustrie) ist derjenige über eine bewegliche Sache geschlossene Kauf, bei welchem dem Käufer die nähere Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse der verkauften Waare vorbehalten ist (z. B. Kauf von Stabeisen nach den vom Käufer angegebenen Maßen). Die Be­ stimmung ist ein Recht, aber auch eine Pflicht des Käufers. Daher geräth nach § 375 des neuen HGB, der dieses Geschäft zum ersten Male einer gesetzlichen Norm unterwirft, der Käufer in Verzug, wenn er in der Erfüllung jener Pflicht säumig ist. Die Folge ist, daß der Verkäufer die Spezifikation vornehmen oder die ihm nach dem BGB zustehenden Rechte geltend machen d. h. Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrage zurücktreten kann (§ 326 BGB). Von der durch ihn vorgenommenen Spezifikation hat der Verkäufer den Käufer zu benachrichtigen und ihm zugleich eine Frist zur Vornahme einer anderweitigen Bestimmung zu setzen. Giebt der Käufer nicht innerhalb der Frist eine andere Bestimmung auf, so ist die Bestimmung des Verkäufers maßgebend. Der Käufer muß also die nach dieser Bestimmung hergestellte Waare annehmen (§§ 375, 373). Die Anwendung dieser im HGB enthaltenen Grundsätze auf Nicht-Handelsgeschäfte ist natürlich nicht aus­ geschlossen. iv. Vorbehalt eines besseren Gebotes (addktio in diem) ist bte dem Kauf beigefügte Abrede, daß der Derkäufer den Kaufgegenstand einem Anderen ver­ kaufen dürfe, wenn dieser ein besseres Angebot macht als der erste Käufer. Die gemeinrechtliche Lehre sah in dieser Abrede im Zweifel eine auslösende Bedingung. Das BGB enthält keine Bestimmung, es ist also im einzelnen Falle zu entscheiden, ob die Parteien eine auflösende Be­ dingung, die Begründung eines Rücktrittsrechtes oder vielleicht eine aufschiebende Bedingung gewollt haben. V. Das Wiederkaufsrecht und das (seltenere) Wiederver­ kaufsrecht (p. de retroemendo — retrovendendo) giebt dem

einen Kontrahenten das (meist an eine Frist geknüpfte) Recht, die Sache wieder zu kaufen oder wieder z u v e r k a u f e n. Ist es an die Person des Berechtigten geknüpft, so geht es nicht auf dessen Erben über. Grundsätzlich aber ist eS sowohl nach gemeinem Rechte wie nach BGB veräußerlich und ver­ erblich. Ob der Vorbehalt des Wiederkaufsrechtes die Einräumung eines Rücktrittsrechtes oder ein pactum de contrahendo enthält, war nach gemeinem Rechte streitig. Nach dem BGB begründet eS eine persönliche Verpflichtung zur Wiederüberlassung der — beweg­ lichen oder unbeweglichen — Sache an den Verkäufer auf dessen einseitige, formlose Erklärung hin, daß er das Wiederkaufsrecht ausübe (§§ 497, 498). Es folgt hieraus die Nothwendigkeit einer Festsetzung desjenigen Preises, zu dem der Wiederkauf erfolgen soll (des Wiederkaufspreises): im Zweifel ist der Wieder­ kaufspreis dem Kaufpreise gleich (§ 497 Abs. 2). Ist der Wieder­ kaufspreis höher als der Kaufpreis, so liegt die Annahme nahe, daß das Geschäft als Kaufvertrag simulirt und als Darlehn mit Ver­ pfändung gemeint ist. Der Preisunterschied ist dann die Gegenleistung für die Kapitalgewährung und kann einen wucherlichen Bortheil darstellen. In Ermangelung einer vertragsmäßigen Frist ist vom BGB für die Ausübung deS Rechtes bei Grundstücken eine Aus­ schlußfrist von 30 Jahren, bei anderen Gegenständen eine solche von 3 Jahren festgesetzt (§ 503). Ueber das Wieder bet kaufsrecht giebt das BGB keine Bestimmungen. VI. DaS Vorkaufsrecht. In Uebereinstimmung mit dem bis­ herigen Recht unterscheidet das BGB den persönlich wirkenden Borbehalt eines Vorkaufsrechts (§§ 504 ff.) und das eine dingliche Belastung eines Grundstücks enthaltende Vorkaufsrecht (§§ 1094 ff.). Das hier zu behandelnde persönliche Vorkauf s recht giebt dem Berechtigten die nur gegen den Ver­ pflichteten und dessen Erben wirkende Befugniß, in einen von dem Verpflichteten mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag einzu­ treten (§ 504). Nach dem BGB setzt die Ausübung des Vor­ kaufsrechts also einen fertigen Kaufvertrag voraus, während die herrschende Lehre des gemeinen Rechts die Bereitwillig­ keit des Dritten zum Kaufabschluß für ausreichend erklärte. Der Vertrag muß sich als Kaufvertrag darstellen d. h. als entgeltliche, freiwillige Veräußerung. Das Vorkaufsrecht greift deshalb im Zweifel nicht bei einem Kaufe Platz, der nur das künftige gesetzliche Erbrecht des Käufers gegenüber dem Verkäufer verwirklicht (sog. Kindskauf § 511), und ist gegenüber einem im Wege der ZwangS-

348 Vollstreckung ober durch den Konkursverwalter bewirkten Verkaufe ausgeschlossen (§ 512), dagegen ist es nach BGB, das hiermit eine Streitfrage des bisherigen Rechtes entscheidet, auch gegenüber dem sog. Mengekauf begründet (§ 508). Da das Vorkaufsrecht regelmähig nur den persönlichen Inter­ essen des Berechtigten dient, ist es im Zweifel nach altem und neuem Rechte (§ 514) weder veräußerlich noch vererblich. Doch geht es auf die Erben des Berechtigten dann über, wenn es auf eine bestimmte Zeit beschränkt ist. Wie das Wiederkaufsrecht wird auch das Vorkaufsrecht nach neuem Rechte durch eine einseitige, formlose Erklärung ausgeübt (§ 505). Mit dieser Erklärung ist der Kaufvertrag zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten geschlossen, und zwar unter den Bedingungen, die zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten vereinbart sind (§§ 505, 507—509). Die Er­ klärung des Berechtigten ist demnach die Annahme einer ihm gestellten Offerte1). Daher ist der Verpflichtete zur Anzeige des geschlossenen Kaufes an den Berechtigten verpflichtet, und die An­ nahmefrist beträgt bei Grundstücken zwei Monate, bei anderen Gegenständen ein Woche (§ 510). Das Vorkaufsrecht kann außer durch Vertrag auch durch letzt­ willige Verfügung begründet werden.

§ 121.

Die Abzahlungsgeschäfte2).

Unter Abzahlungsgeschäften versteht man Verträge, welche die Uebertragung des Eigenthums einer beweglichen Sache gegen Ent­ gelt bezwecken, bei denen aber dem Erwerber gestattet ist, das Entgelt in Theilzahlungen zu leisten, und dem Veräußerer bei nicht pünktlicher Erfüllung der dem Erwerber obliegenden Verpflichtungen das Rücktrittsrecht zusteht. Sie unterliegen dem Reichsgesetze vom 16. Mai 1894. Der Vertrag stellt sich äußerlich als Kauf- oder als Miethvertrag dar. Als Kaufvertrag ist er entweder unbedingt, aber mit Vorbehalt des Rücktrittsrechts oder unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, daß der Käufer alle Theilzahlungen pünkt­ lich entrichte. Ist das Geschäft als Miethvertrag geschloffen, so ist die Sache dem Erwerber zunächst nur zum Gebrauch überlassen, während der Eigenthumsübergang an die Bedingung vollständiger Tilgung des von vornherein in einer festen Summe bedungenen Preises geknüpft ist. Auch in diesem Fall aber ist ein aufschiebendbedingter Kaufvertrag geschlossen. *) Streitig. Andere Ansicht: bedingtes pactum de contrahendo. *) Lazarus: Das Recht des Abzahlungsgeschäfts. 1898.

Den Abzahlungsgeschäften war biS zu jenem Gesetze die D e r Wirkungsklausel eigenthümlich (s. oben S. 228, 229), und zwar in der Form, daß beim Rücktritt des Verkäufers alle bis­ her geleisteten Theilzahlungen verfallen sein sollten. DaS Gesetz erklärt eine solche Abrede für nichtig und verlangt, daß bei Aus­ übung des Rücktrittsrechtes alle bisher gemachten Leistungen zurückgewährt und daß nur Beschädigungen. Aufwendungen und Ab­ nutzungen vergütet werden sollen. Die Rückgewähr der Leistungen hat Zug um Zug zu geschehen, es steht also jedem Theile bis zum Nealangebote der Gegenleistung das Zurückbehaltungsrecht zu (§§273, 274, 320 BGB). Eine dem Käufer auferlegte, unverhältnißmäßig hohe Vertragsstrafe kann nach dem Gesetz von 1894 wie nach § 343 BGB auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Eine fernere Besonderheit dieser Geschäfte bestand darin, daß Nichteinhaltung eines Theilleistungstermins die Fälligkeit der ganzen Restschuld herbeiführte. Nach dem Gesetze von 1894 tritt jene Folge nur dann ein, wenn zwei aufeinanderfolgende Raten ganz oder theilweise ausbleiben, und wenn der Theil der Schuld, mit dem stch der Käufer im Verzüge befindet, wenigstens dem 10. Theile deS ganzen Kaufpreises gleichkommt. Entgegenstehende Abreden sind nach diesem Gesetz und nach § 134 BGB nichtig. Die besonderen Bestimmungen des Gesetzes von 1894 kommen nicht zur Anwendung, wenn der Erwerber als Kaufmann im Handelsregister eingetragen ist.

§ 122. Börsengeschäfte. Unter Börsengeschäften versteht man regelmäßig die an der Börse und unter Benutzung der Börseneinrichtungen geschloffenen Geschäfte. Börse in diesem Sinne bezeichnet aber nicht den Ort, wo die Kaufleute zum Abschlüsse von Geschäften thatsächlich zu­ sammenkommen, sondern die von kaufmännischen Vereinigungen zum Zwecke der Erleichterung deS Geschäftsverkehrs und der Preis­ feststellung errichteten Anstalten. Das deutsche Börsengesetz vom 22. Juni 1896 stellt die Börsen unter Staatsaufsicht und unter­ wirft sie einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften. Es werden aber an der Börse nicht Geschäfte über beliebige, sondern nur solche über bestimmte Waarengattungen geschloffen, die von den Börsenorganen als Gegenstände des Börsenverkehrs besonders zugelassen sind. ES sind dies Waaren, die besonders starken Preisschwankungen aus­ gesetzt sind, insbesondere also Wertpapiere („Effekten"', daher Effekten- oder Fondsbörse) und Rohprodukte (Produktenbörse). Denn nur für den Geschäftsverkehr mit diesen Waaren besteht ein wirthschaftliches Bedürfniß an der Feststellung und Bekanntmachung

350 der Preise. Die Feststellung erfolgt durch die amtlich bestellten und vereideten Kursmakler durch Vergleichung der an sie zum Zwecke der Geschäftsvermittelung gerichteten Kauf- und Verkaufangebote. Die so sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Preise werden von den Börsenorganen amtlich bekannt gemacht (Kurs­ zettel) und ergeben die Auffaffung, die der Handel von dem jeweiligen Werthe der einzelnen Waarengattungen hat, sie sind des­ halb auch von Bedeutung für Nicht-Börsengeschäfte. Ueber die Zulaffung einer Waare als Gegenstand des eigentlichen Börsenhandels entscheiden die Börsenorgane. Die an der Fondsbörse vorgenommenen Geschäfte sind ent­ weder Kassa- (Komptant-) oder Zeitgeschäfte. Die ersteren werden an demselben oder am nächstfolgenden Tage oder ausnahmsweise einige Tage nach dem Abschlüsse erfüllt1) und dienen der Anlage, sowie der sofortigen Flüssigmachung von Kapital. Zeit- oder Termingeschäfte sind diejenigen Geschäfte, welche eine bestimmte Zeit nach dem Geschäftsschluß erfüllt werden^), sie dienen vorzugsweise der Spekulation, indem der Käufer darauf rechnet, daß der Kurs der Papiere bis zum Lieferungs- (Stich-) Tage steigen, der Verkäufer aber darauf rechnet, daß der Kurs der Papiere bis zum Stichtage fallen werde (ä hausse — ä baisse spekuliren). Termingeschäfte werden auch in Produkten vorge­ nommen, doch ist durch das Börsengesetz der börsenmäßige Termin­ handel in Getreide und Mühlenfabrikaten untersagt (§ 50). Das Börsengesetz giebt über Kassageschäfte keine Bestimmungen, sie unterliegen danach den allgemeinen Grundsätzen des HGB und des BGB. Termingeschäfte unterliegen den Vorschriften des Börsen­ gesetzes, wenn sie Börsentermingeschäfte sind. Diese Eigenschaft aber haben sie dann, wenn sie nach Geschäftsbedingungen geschlossen werden, die von dem Börsenvorstande für den Termin festgesetzt sind, und wenn für die an der betreffenden Börse ge­ schlossenen Geschäfte solcher Art eine Feststellung von Terminpreisen erfolgt (§ 48). Alle anderen Geschäfte sind einfache Lieferungs­ geschäfte und unterliegen ausschließlich den Bestimmungen des HGB und des BGB, insbesondere denen über das Fixgeschäft. Ueber den Einwand des Differenzgeschäftes s. oben S. 308. Vgl. auch RG 42, 50. Da die Spekulation in der Berechnung derjenigen Umstände besteht, welche auf das Steigen und Sinken des Preises der „Werthe" *) Auch „Tagesgeschäfte", weil sie sich nur auf einen Tag erstrecken. *) Auch „Ultimogeschäfte", weil der Zahltag gewöhnlich der letzte des Monat« ist.

Einfluß haben, aber auch die umsichtigste Berechnung durch unvor­ hergesehene Umstände vereitelt werden kann, ist bei den Spekula­ tionsgeschäften der Borbehalt des Rücktritts besonders häufig. DaS Rücktrittsrecht Pflegt aber nur dann gewährt zu werden, wenn der Berechtigte dem anderen Theil eine bestimmte Summe (Prämie) zahlt. Der Prämiengeber ist alsdann be­ fugt. entweder bei dem Geschäfte stehen zu bleiben oder gegen Auf­ opferung der Prämie zurückzutreten. Diese Geschäfte heißen Prä­ miengeschäfte. Unter den Begriff des Prämiengeschäftes fallen aber auch alle anderen Börsengeschäfte, die gegen eine Prämie dem Prämiengeber ein Recht einräumen, das er nach der Natur des Bertrages nicht haben würde. Die Prämie wird gezahlt ent­ weder für die Einräumung oder für die Ausübung des bedungenen Rechtes, sie ist also keine Bertragsstrafe, sondern eine Vergütung für die Uebernahme des Risikos, und wenn sie für das ausgeübte Rücktriitsrecht gezahlt wird, eine sog. Wandelpön. Das einfache Prämiengeschäft besteht in dem Vorbehalte deS Rücktrittsrechts, das zusammengesetzte P. in der Befugniß, daS geschloffene oder ein anderes Geschäft zu wollen. Zu den letzteren gehört: a) das Nochgeschäft, bestehend in der Befugniß, nur die bedungenen oder außer diesen zu dem gleichen Preise noch andere Papiere zu verlangen; b) der Schluß auf fest und offen, bestehend in dem Rechte, nur einen Theil der bedungenen Papiere zu nehmen oder zu geben, hinsichtlich des anderen Theiles aber vom Geschäfte zurück­ zutreten; c) das Stellgeschäft, bestehend in der Befugniß, zu ver­ kaufen oder zu kaufen; ck) das W a n d e l g e s ch L f t, d. i. die Befugniß, die Er­ füllung schon vor dem Stichtage zu fordern oder zu bewirken. Verschieden vom Stellgeschäft ist das zweischneidige Prämiengeschäst, insofern eS auch noch das Rücktrittsrecht gewährt. Zweiprämiengeschäft aber ist die Verbindung zweier Prämiengeschäfte: der Käufer behält sich gegen je eine von ihm zu zahlende Prämie nicht blos gegenüber dem Verkäufer, sondern auch gegenüber seinem Abnehmer das Rücktriitsrecht vor, oder er räumt gegen eine von jedem an ihn zu gebende Prämie jedem von ihnen das Rücktrittsrecht ein. Man pflegt die vom Verkäufer entrichtete Prämie Rück- oder Empfangs-, die vom Käufer entrichtete Vor- oder Lieferungsprämie z« nennen.

352 DaS Heuer- oder Promessengeschäft besteht in der gegen Prämie übernommenen Verpflichtung, denjenigen Gewinn herauszuzahlen, der nach einer Berloosung auf ein Papier (ein sog. Loos) fallen wird. Durch das sog. Prolongations- (Report-, Deport-, auch wohl Kost-) Geschäft wird dem Bedürfnifle nach Fortsetzung einer begonnenen Spekulation genügt. Würde nämlich der Käufer, der an Ultimo abnehmen und zahlen müßte, bei dem gegenwärtigen Kursstände Schaden leiden oder nicht den ganzen erhofften Gewinn haben, so verkauft er die Papiere, die er abnehmen sollte, an einen Dritten und kauft sie zu einem späteren Termine von ihm zurück, und zwar gewöhnlich zu einem Preise, der den vom Dritten zu zahlenden Kaufpreis übersteigt. Der Preisunterschied heißt Report. Diesen gewinnt der Dritte, aber der Spekulant kann doch dadurch gewinnen, daß die Papiere zu dem späteren Termine so hoch im Kurse stehen, daß der Report überschritten wird. Der Dritte nimmt die Papiere unmittelbar vom Verkäufer und zahlt an diesen oder an den spekulirenden Käufer. Ferner kann derjenige, der am nächsten Ultimo Papiere liefern soll, aber durch Lieferung Schaden oder nicht den ganzen erhofften Gewinn haben würde, die Papiere von einem Dritten kaufen und zu einem späteren Termine wieder an ihn verkaufen. Der Dritte erhält regelmäßig einen höheren Preis, als er an dem späteren Termine zu zahlen hat, er gewinnt also den Preisunterschied, Deport, aber der Spekulant kann durch starkes Fallen der Papiere bis zu diesem späteren Termine doch vielleicht noch gewinnen. Nach der herrschenden An­ sicht ist der Dritte nicht Darlehnsgeber, sondern Käufer bezw. Verkäufer der Papiere (RG 19, 145 ff.).

§ 123.

Der Tauschvertrag.

Der Tausch besteht in der Veräußerung von Sache gegenSache. Er war im römischen Recht ein nudum pactnm. wurde aber später zum Innominatkontrakte. Es konnte also nur derjenige auf Erfüllung klagen, der seinerseits geleistet hatte (a. praeecriptis verbis). Im gemeinen und neuen Recht ist der Tausch Konsensualvertrag, also mit dem Abschluffe bindend. Im gemeinen Rechte wich er insofern vom Kauf ab, als er die Ver­ pflichtung zur Eigenthumsübertragung begründete. Diese Ver­ pflichtung besteht auch nach neuem Recht, da nach ihm die Vor­ schriften über den Kauf auf den Tausch entsprechende Anwendung finden (§ 515). Es haften also beide Theile für Mängel im Recht und für Mängel der Sache. Das Wechseln von Geld kann Tausch oder auch Kauf sein.

§ 124.

Methe.

I. ©ejjrtff. Während das römische Recht alS locatio oonductio rei jeden Vertrag bezeichnete, durch welchen der eine Kontrahent dem anderen die Benutzung eines Gegenstandes gegen Bezahlung überließ, unterscheidet man im gemeinen und im neuen Rechte (§§ 535, 581) Miethe und Pacht, je nachdem nur der Gebrauch oder auch der Fruchtgenuß überlassen ist. Die modernen Gesetzgebungen und mit ihnen daS BGB (§§ 581 ff.) geben denn auch der Pacht, insbesondere der Pacht landwirthschaftlicher Grundstücke, eine von der Miethe in einigen Beziehungen abweichende Regelung. Die Ueberlaffung des Ge­ nusses von Rechten sieht das BGB immer als Pachtvertrag an (§§ 535, 581). Die Ueberlaffung der bloßen Räume zu dem Zwecke, in ihnen ein Gewerbe zu betreiben, ist Miethe; wird aber daS dem Einen zustehende Recht zu einem bestimmten Gewerbe­ betriebe (z. B. die Fährgerechtigleit an einem öffentlichen Flusse) überlassen, so ist ein Pachtvertrag vorhanden. Ein Haus ist ver­ pachtet, wenn es zum Vermiethen, vermiethet, wenn es zum Wohnen überlassen ist. Das Rechtsverhältniß der Miethe oder Pacht kann nur durch Beitrag entstehen: die Einquartierung von Truppen ist eine öffentlich-rechtliche Last. Der Bertrag war schon im römischen Rechte Konsensualkontrakt. Wesentlich ist ihm die zeitliche Be­ grenzung des eingeräumten Rechtes und die Festsetzung eines sog. Mieths- oder Pacht z i n s e S, der nach römischem Rechte nur in Geld und nur bei der Pacht in einer Quote der Früchte bestehen konnte (colonia partiaria), und auch nach neuem Recht, wie das in § 535 gebrauchte Wort „Mieth zins" beweist, nur in Geld oder ähnlichen vertretbaren Sachen bestehen kann. Daher ist die Ueberlaffung eines Gebrauches z. B. gegen Leistung von Diensten (an einen Hausmeister. Gärtner) nicht Miethe. II. Form des Vertrages. Der Beitrag ist nach altem und neuem Recht formfrei. Ist er aber über ein Grundstück auf länger als ein Jahr geschlossen, so unterliegt er nach neuem Rechte (§ 566) der Schriftform. Berabsäumung dieser Form hat zur Folge, daß der Bertrag jedenfalls ein Jahr ausgehalten werden muß, daß er im Uebrigen aber auf unbestimmte Zeit gilt. Er endet also keines­ wegs mit Ablauf des ersten Jahres von selbst, sondern unterliegt für das Ende des ersten Jahres und für die Zeit darüber hinaus der (gesetzlichen) Kündigung. III. Gegenstand. Gegenstand der Miethe können nach 6melmann, b. bürgerliche Recht Deutschlands. III. Aust.

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354 neuem Rechte (§ 535) nur körperliche (bewegliche tote un­ bewegliche) Sachen, Gegenstand der Pacht können auch Rechte sein. Es kann Jemand auch seine eigene Sache gültig miethen, wenn ein Anderer das Recht auf den Gebrauch der Sache hat (z. B. infolge Psandbestellung, Nießbrauchs). Wußte der Miether nicht, daß die Sache seine eigene, so ist der Miethvertrag ungültig1). IV. Pflichten des Bermiethers. Der Miethvertrag wird nicht durch einmalige Leistung und Gegenleistung erfüllt, sondern begründet eine während der Vertragszeit fortdauernde Ver­ pflichtung zu Leistung und Gegenleistung. Der Vermiether hat also A) nach altem und neuem Rechte nicht nur die Pflicht, die Sache rechtzeitig und in brauchbarem Zu­ stande zu übergeben, sondern er hat ferner die Pflicht, die Sache während der ganzen Vertragsdauer in demjenigen Z u stände zu erhalten, der dem Miether den vertragsmäßigen Gebrauch der Sache ermöglicht. Ob die Unbrauchbarkeit der Sache Folge eines Verhaltens des Bermiethers oder des vertragsmäßigen Gebrauches von Seiten des Miethers oder die Folge eines Zufalles ist, macht keinen Unterschied, da in jedem Falle der Miether den Gebrauch entbehrt (§ 536)2). Nach neuem Recht ist zu unter­ scheiden: 1. Die Sache ist übergeben, aber sie ist zur Zeit der Ueberlassung mit einem Fehler behaftet, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufhebt oder mindert, oder es entsteht im Laufe der Miethzeit ein solcher Fehler, oder es fehlt der Sache zur Zeit der Ueberlassung oder später eine zu­ gesicherte Eigenschaft. In einem solchen Falle kann der Miether. a) Erfüllung des Vertrages d. h. Herstellung der Sache ver­ langen, b) die Zahlung des Miethzinses ganz oder zum Theil ver­ weigern (§ 537), c) Ersatz des Schadens verlangen, der durch einen schon beim Vertragsabschluß vorhanden gewesenen Fehler entstanden ist (§ 538). Diese Rechte sind von einem Verschulden des Bermiethers unabhängig. Der Vermiether haftet also (zu c) schlechthin für die volle Gebrauchsfähigkeit der Sache. Trat aber der Mangel erst nach Vertragsabschluß in Folge eines vom Vermiether zu vertretenden Umstandes ein, oder *) L. 29 pr. D. 7, 4; 1. 35 § I, 1. 37 D. 13,7; 1. 28 D. 41,2. — L. 20 C. 4, 65; 1.21 D. 41, 3. «) L. 9 § 1, 1. 19 § 1, 1. 30 § 1 D. 19,2. RG 4, 169.

geräth der Vermiether mit der Beseitigung des Mangels in Berz u g (§ 538), so beruht die zu jenen beiden Rechtsfolgen (a und b) hinzutretende Schadensersatzpflicht auf dem Verschulden des Vermiethers. Dieses Recht steht dem Miether neben dem Rechte auf Ver­ weigerung der Gegenleistung zur Wahl. Beim Verzüge des Vermiethers kann der Miether den Mangel selbst beseitigen und Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Kenntniß oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntniß des Miethers von dem Vorhandensein des Fehlers und wissent­ liche Annahme einer mangelhaften Sache bringen den Miether um seine Rechte, wenn nicht der Vermiether den Mangel arglistig ver­ schwiegen oder die Abwesenheit des Fehlers zugesichert oder der Miether sich seine Rechte vorbehalten hat. Dem Vorhandensein eines physischen Mangels stellt das BGB das Dasein des Rechts eines Dritten gleich, vorausgesetzt, daß dem Miether auf Grund dieses Rechtes der vertragsmäßige Gebrauch der Sache ganz oder zum Theil entzogen wird (§ 541). 2. Die Sache wird nicht oder nicht rechtzeitig zum vertrags­ mäßigen Gebrauch übergeben oder sie wird dem Miether wieder entzogen. In diesem Falle hat der Miether, gleichviel ob die Nichterfüllung vom Vermiether verschuldet oder nicht verschuldet ist'), ein fri st loses Kündigungsrecht (§ 542) und zwar unbedingt, wenn die Sache für ihn kein Interesse mehr hat, durch den fruchtlosen Ablauf einer Nachfrist bedingt, wenn der Miether noch Interesse an dem Gebrauche der Sache hat. Auch hier bewirkt die Kündigung eine Auflösung deS MiethvertrageS für die Zukunft. War der Miethvertrag Fixgeschäft, so fällt die Fristbestimmung weg, und der Miether hat daS Recht des Rück­ tritts (§ 361). Trifft den Vermiether ein Verschulden, ist er insbesondere im Verzüge, so tritt neben das Kllndigungsrecht das nach den allgemeinen Grundsätzen dem Miether zustehende Rücktritts- und Schadensersatzrecht (§§ 326, 286). Das Kündigungsrecht geht aus denselben Gründen verloren, welche dem Miether die wegen eines Mangels gegebenen Rechte ent­ ziehen. Auf diese Rechte wie auf das Kllndigungsrecht kann gültig verzichtet werden (§§ 543, 539, 540), wenn nicht dem Vermiether Arglist zur Last fällt; sie stehen dem Miether aber trotz Kenntniß und trotz Verzichts zu, wenn ein zum Aufenthalt von Menschen dienender Raum gemiethet, die Benutzung dieses Raumes aber nach ') Rach den allgemeinen Grundsätzen Rücktrittsrecht nur bei Ver­ schulden (§§ 326, 326).

356 seiner Beschaffenheit mit einer erheblichen Gefährdung der Gesund­ heit verbunden ist (§ 544). B. Der Bermiether ist verpflichtet, die vom Miether auf die Sache verwendeten nothwendigen Auslagen (z. B. für Wiederherstellung unbrauchbarer Oefen) zu ersetzen (1. 55 D. 19, 2 § 547 BGB). Die Fütterungskosten für ein vermiethetes Thier aber hat nach neuem Rechte (§ 547) der Miether zu tragen. Die Erstattung nützlicher Verwendungen richtet sich nach den Grundsätzen von der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag, hängt also vom animus obligandi des Miethers ab. Auch hat der Miether das Wegnahmerecht (1. 19 § D. 19,2 § 547 BGB). C. Der Bermiether ist weiter nach altem und neuem Rechte verpflichtet, die auf der Sache ruhenden L a st e n zu tragen (I. 32 § 6 D. 26,7, § 546 BGB). V. Pflichten des Miethers. Der Miether ist verpflichtet, A) den bedungenen Miethzins zu bezahlen und zwar, da der Bermiether vorleisten muß, nach gemeinem Recht erst nach Beendigung der ganzen Miethzeit, nach neuem Recht entweder nach Ablauf der ganzen Miethzeit oder derjenigen Zeitabschnitte, nach denen der Zins bemessen ist (§ 551). Der Miethzins für ein Grundstück ist, sofern er nicht nach kürzeren Zeitabschnitten be­ messen ist (es ist z. B. gemiethet gegen einen monatlichen Miethzins von 50 Mark), nach dem Ablaufe je eines Kalendervierteljahres am ersten Werktage des folgenden Monats zu entrichten (§ 551). Der auf den Miethzins klagende Bermiether muß seine Vorleistung be­ weisen, es genügt aber. darzuthun, daß er dem Miether die Mög­ lichkeit der vertragsmäßigen Benutzung gewährt hat. Der An­ spruch wird daher nicht durch ein in der Person des Miethers liegendes Hinderniß, wohl aber dadurch ausgeschlossen, daß der Bermiether den Gebrauch an einen Anderen überläßt. Dies gilt für altes und neues Recht (§ 552). B. Der Miether haftet bei dem Gebrauche der Sache nach altem und neuem Rechte (§ 276) für jedes Versehen. Eine durch vertragsmäßigen Gebrauch verursachte Abnutzung ist keine Beschädigung. Vertragswidriger Gebrauch verpflichtet zum Schadensersatz und giebt dem Bermiether nicht blos einen Anspruch auf Unterlassung (§ 550), sondern nach fruchtloser Abmahnung und bei erheblicher Gefährdung der Rechte des Vermiethers auch ein fristloses Kündigungsrecht (§ 553). C. Er hat nach Beendigung der Miethzeit die Sache zurückzugewähren (§ 556), und ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Ansprüche gegen den Bermiether steht ihm wenigstens an Grundstücken nicht zu (§ 556). Das Wenigste, was der Der-

Miether bei Borenthaltung der Sache verlangen kann, ist der ver­ einbarte Miethzins, einen weitergehenden Schadensersatzanspruch hat er besonders zu begründen (§ 557). D. Der Miether ist zur unverzüglichen Anzeige an den Vermiether verpflichtet, wenn sich im Laufe der Miethe ein Mangel zeigt oder wenn eine Borkehrung zum Schutze der Sache nothwendig wird oder wenn sich ein Dritter ein Recht an der Sache anmaßt. Unterlassung der Anzeige verpflichtet den Miether zum Schadensersatz« und entzieht ihm die sonst etwa auf Grund dieser Umstände zustehenden Rechte. (8 545). Die Ansprüche aus dem Miethvertrage unterlagen nach bis­ herigem Rechte der ordentlichen Verjährung. DieS gilt nach neuem Rechte (§ 558) nicht für die Ansprüche des VermietherS wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache, auch nicht für die Ansprüche des Miethers auf Ersatz von Verwendungen und auf Gestattung der Wegnahme einer Ein­ richtung. Diese Ansprüche verjähren in 6 Monaten. VI. Pfandrecht. Nach römischem, gemeinem und neuem Recht hat der Vermiether eines Grundstücks wegen seiner Forderungen aus dem Miethverhältniffe ein Pfandrecht an den in das Grund­ stück eingebrachten Sachen des Miethers. Die verbreitete gemein­ rechtliche Auffassung, welche dieses Pfandrecht auf eine still­ schweigende Verpfändung der Sachen durch den Miether zurückführte (1. 4 pr. D. 2,14. 1. 3, 1. 4 pr. 1. 6 D. 20,2), und welche folgerte, daß das Pfandrecht sich auf alle Sachen erstrecke, die der Miether zu verpfänden befugt sei, insbesondere also auf die unpfändbaren und auf die Sachen seiner Ehefrau und Kinder, sofern ihm über diese Sachen ein Verfügungsrecht zustehe, ist vom neuen Rechte (§ 659 BGB § 492 KO) verworfen worden, indem dieses das Recht des Vermiethers als ein g e s e tz l i ch e s Pfandrecht bezeichnet. Dieses Pfandrecht besteht ohne Besitz des Pfandgläubigers, es er­ streckt sich nicht auf die der Pfändung entzogenen und beschränkt sich auf die dem Miether selbst gehörigen Sachen. Es hat den Zweck, Sicherheit zu gewähren für die Forderungen des Vermiethers, der Miether kann daher die Geltendmachung des Pfandrechts über­ haupt durch Sicherheitsleistung abwenden und auch jede einzelne Sache vom Pfandrechte befreien, wenn er in Höhe ihres Werthes Sicherheit leistet (§ 562). Dem Miether gegenüber kann der Vermiether das Pfandrecht geltend machen wegen aller bereits fälligen Forderungen auf Mieth­ zins oder Entschädigung, sowie wegen die Forderungen auf den Miethzins des laufenden und des folgenden Miethjahres, anderen Gläubigern desselben Miethers gegenüber aber nur wegen

358 fälliger Entschädigungsforderungen und wegen des Miethzinses für das der Pfändung oder Konkurseröffnung vorangehende letzte Jahr (§§ 559, 563 BGB. § 49 Nr. 2 KO). Einer Pfändung von Sachen des Miethers kann der Dermiether nicht widersprechen (§ 563 BGB, § 805 CPO), er kann, soweit er dem anderen Gläubiger gegenüber sein Pfandrecht über­ haupt geltend machen darf, nur bevorzugte Befriedigung aus dem Erlöse der gepfändeten Sache verlangen. Nach der herrschenden Auffaffung des gemeinen Rechts (ROHG 6, 288. RG in Straff. 14,321) und neuem Recht erlischt das Pfandrecht mit der Entfernung der Sachen vom Grundstück (§ 560). Geschieht die Entfernung ohne Wissen oder gegen den Widerspruch des Vermiethers, so bleibt das Pfandrecht bestehen. Ein Widerspruch des Vermiethers aber ist dann ungerechtfertigt, wenn die Entfernung im regelmäßigen Betriebe des Geschäfts des Miethers oder nach den gewöhnlichen Lebensverhältnissen erfolgt, oder wenn die zurück­ bleibenden Sachen des Miethers zur Sicherung des Vermiethers offenbar ausreichen. Um die Entfernung der Sachen zu verhindern, ist dem Vermiether nach altem und neuem Recht ein Zurückhal­ tungsrecht eingeräumt, gegen das sich der Miether durch einst­ weilige Verfügung schützen kann (§ 561). VII. Endigung des Miethverhältnifses. Nach altem und neuem Recht endet das auf eine bestimmte Zeit eingegangene Miethverhältniß ohne Weiteres mit Ablauf der Zeit, das auf u n be­ st i m m t e Z e i t begründete Verhältniß mit einer jedem Theile frei­ stehenden Kündigung (§ 564). Die Kündigungs frist wird durch Vertrag, in Ermangelung einer Bertragsbestimmung durch das Gesetz festgesetzt. Nach neuem Recht ist die gesetzliche Frist so bemessen, daß 1. die Miethe beweglicher Sachen spätestens am dritten Tage vor dem Tage zu kündigen ist, an welchem das Miethsverhältniß endigen soll, und ist der Miethzins nach Tagen bemessen, so kann an jedem Tage für den folgenden Tag gekündigt werden; 2. bei der Miethe von Grundstücken ist zu unterscheiden: a)derMiethzinsistnachbestimmtenZeitabschnitt e n b e m e s s e n. Ist er nach Tagen bemessen (z. B. bei Hotel­ zimmern), so ist die Kündigung an jedem Tage für den folgenden Tag zulässig; ist der Miethzins nach Wochen bemessen (z. B. bei Woh­ nungen in Badeorten), so ist die Kündigung nur für den Schluß einer Kalenderwoche zulässig und muß spätestens am ersten Werktage der Woche erfolgen; ist der Miethzins nach Monaten bemessen (z. B. bei möblirten Zimmern), so ist die Kündigung nur für den Schluß

eines Kalendermonats zulässig und muß spätestens am 15. deS Monats erfolgen. b) Ist der Zins nicht nach diesen Zeitabschnitten, also wie bei größeren Wohnungen, nach dem Jahresbetrage bemessen oder für die ganze Miethsdauer bestimmt, so ist die Kündigung nur für den Schluß eines Kalendervierteljahres zulässig und muß spätestens am 3. Werktage des Vierteljahres erfolgen. Ueber den formlosen Mietvertrag s. oben unter II. Ist der Vertrag auf länger als 30 Jahre geschlossen, so steht nach Ablauf von 30 Jahren jedem Theile das gesetzliche Kündigungsrecht zu. Ist der Vertrag aber auf die Lebenszeit des Vermiethers oder deS Mie­ thers geschloffen, so ist die Kündigung unzulässig (§ 567). Eine thatsächliche Fortsetzung des Miethverhältnisses (relocatio) nach seiner Beendigung hat nach altem und neuem Rechte (§ 568) die Bedeutung einer Verlängerung deS VertragSverhältniffes auf unbestimmte Zeit. Dieser Annahme kann nur durch Erklärung des entgegenstehenden Willens des einen oder des anderen Theiles ent­ gegengetreten werden; nach neuem Rechte kann die Erklärung nur gegenüber dem anderen Theile und nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen abgegeben werden.

VIII. Einfluh ungewöhnlicher Ereignisse.

1. Wird dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch der Sache nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen, so steht ihm —, und macht er trotz Abmahnung deS VermietherS einen Vertragswidrigen Gebrauch, oder überläßt er den Gebrauch unbefugt einem Anderen oder gefährdet er die Sache erheblich durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt, so steht dem Vermiether ein fristlosesKiindigungsrechtzu(§§ 542, 563). 2. Verzug des Miethers mit dem ganzen Miethzinse oder einem Theile des Zinses an zwei aufeinanderfolgenden Terminen giebt dem Vermiether ein fri st loses Kündigungsrecht (§ 554). Nimmt aber der Vermiether vor der Kündigung den rückständigen Miethzins an, so verliert er das Kündigungsrecht. 3. Der Tod des Miethers hat nach gemeinem Rechte keinen Einfluß auf den Bestand des Miethverhältnisses, nach neuem Rechte aber gewährt er sowohl dem Erben als auch dem Vermiether das Recht, den auf eine bestimmte Zeit oder unter Festsetzung einer längeren Kündigungsfrist geschlossenen Vertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Erfolgt aber die Kün­ digung nicht für den ersten Termin, für den sie zulässig ist. so ist jenes außerordentliche Kündigungsrecht erloschen (§ 569). 4. Veränderung der persönlichen Verhältnisse giebt keinem Theil ein Recht zur Kündigung. Nach neuem Rechte (570) aber gewährt

360 Militärpersonen, Beamten, Geistlichen und Lehrern an öffentlichen Unterrichtsanstalten die Versetzung nach einem anderen Ort ein außerordentliches, nur für den ersten zulässigen Termin bestehendes Recht, mit Einhaltung der gesetzlichenFrist zu kündigen. 5. Der Konkurs des einen oder des anderen Theiles hat die oben erörterten Folgen. 6. Die freiwillige Veräußerung der vermietheten Sache durch den Vermiether. Da der Miether nur ein persönliches Recht aus dem Vertrage, also nur gegen den Vermiether hat, konnte nach römischem und gemeinem Rechte der Singularsucceffor des Vermiethers zwar ohne vorangegangene Kündigung, doch unter Ge­ währung einer angemeffenen Frist vom Miether die Herausgabe der Sache verlangen, und der Miether war auf einen Schadensersatz­ anspruch gegen seinen Vermiether beschränkt („Kauf bricht Miethe"). Wollte aber der Vermiether in den Vertrag eintreten, so war der Miether nicht berechtigt, den Vertrag aus eigener Entschließung zu lösen. Rach deutschen Partikularrechten, z. B. dem preußischen ALR, hatte der Miether ein dingliches, also gegen den Singularsuccessor wirkendes Recht an der Miethsache („Kauf bricht nicht Miethe"; „Heuer geht vor Kauf"). Das BGB steht bei der Miethe beweglicher Sachen auf dem gemeinrechtlichen Standpunkte, und hat auch für unbewegliche Sachen die Dinglichkeit des dem Miether zustehenden Rechtes abgelehnt, da nach ihm durch bloße Besihübertragung dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen nicht entstehen. Dagegen tritt bei ihnen der Rechtsnachfolger des Vermiethers in die durch den Miethvertrag begrün­ deten Rechte und Pflichten ein. Also ist der Erwerb einer vermietheten Sache zu einer Rechtsnachfolge in das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältniß gestaltet (§§ 571, 572)'). Ist der Eintritt aber einmal erfolgt, so entstehen die durch den Mieth­ vertrag begründeten Rechte und Pflichten in der Person des Er­ werbers nicht als abgeleitete, sondern als eigene, so als ob er selbst den Vertrag mit dem Miether geschloffen hätte. a) Für die Verpflichtungen aus dem Vertrage haftet dem Miether neben dem Erwerber, der sie durch den Erwerb der Sache übernommen, der Veräußerer, der sie durch den Miethvertrag übernommen, wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Von dieser Haftung wird der Veräußerer frei, wenn er dem Miether von dem Eigen') Fischer: Zoll Kauf Pacht und Miethe brechen? 1889. Sterne: Die juristische Natur der Miethe. 1896. (See. A. aus Jherings Jahrb. f. Dogm. Bd. 37 S. 1 ff.)

thumsübergange Mittheilung macht und der Miether nicht für den ersten zulässigen Termin kündigt (§ 571 Abs. 2). Denn dann hat er sich mit dem Eintritte des Erwerbers in den Miethvertrag einver­ standen erklärt. b) Der Anspruch aus den nach dem Eigenthumsübergange fälligen Miethzins steht dem Erwerber zu, denn er ist nach Obigem eine Forderung auS seinem Vertrage, sie steht ihm daher nicht als abgetretene, sondern als ursprünglich eigene zu. Von diesem Grundsätze macht indessen daS BGB Ausnahmen: aa) Gegen den Erwerber und zu Gunsten deS VermietherS läßt es Verfügungen deS Veräußerers, die er bot dem Eigenthumsübergange über den Miethzins getroffen, für das zur Zeit des Eigenthumsüberganges lausende und das nächste Kalendervierteljahr gelten. Es sind damit besonders Abtretungen, Verpfändungen und Pfändungen deS Miethzinses gemeint. bb) Gegen den Erwerber und zuGunstendesMietherS sind Rechtsgeschäfte des Veräußerers mit dem Miether, insbesondere also Vorausbezahlungen, Aufrechnungsverträge, Erlasse (§§ 573, 574) wirksam**), wenn sie nur den Miethzins für daS zur Zeit der Kenntniß des Miether- vom Eigenthumsübergange lausende und für das nächste Kalendervierteljahr Betreffen1). War der Eigen­ thumsübergang beim Abschlüsse eines solchen Geschäfts schon ge­ schehen, so wird der Miether geschützt, wenn er in gutem Glauben war (§ 574). Soweit aber ein Rechtsgeschäft gegen den Erwerber wirkt, ist auch die Aufrechnung mit Schulden des Veräußerers gegen­ über dem Erwerber zulässig (§ 575). Der Eigenthumsübertragung steht die Belastung deS vermietheten Grundstücks mit dem Rechte eines Dritten gleich, wenn durch die Ausübung des Rechts dem Miether der vertragsmäßige Gebrauch entzogen (§ 577), insbesondere also wenn das Grundstück mit einem Rießbrauchsrechte belastet wird (vgl. 1. 59 § 1 D. 7,1). Der dinglich Berechtigte tritt also in den Miethvertrag ein. Wenn das Recht des Dritten aber nur eine Beschränkung des Miethers zur Folge hat z. B. bei Begründung einer Grunddienstbarkeit, so tritt der *) Es fei auf die Verschiedenheit von § 673 und 574 aufmerksam gemacht. *) 8- ®- (iu aa) der Veräußerer hat ant 12. Mai feine Miethsorderungen für die Zeit vom 1. Juli bis 1. Januar an Dritte abgetreten und am 15. Juli daS Grundstück ausgelassen. Die Session ist gegen den Erwerber wirksam § 573. — (Zu bb) er hat am 12. Mai vom Miether A den nachträglich zu zahlenden Miethzins für die Zeit vom 1. April bis 1. Januar erhoben und am 15. Mai ausgelassen, wovon A am 20. Mai Kenntniß erlangt hat. Die Zahlung muß sich der Erwerber gefallen lassen, soweit er den Miethzins für die Zeit vom 1. April bis 30. September betrifft. Den Zins für das letzte Merteljahr muß A nochmals, an den Erwerber, zahlen.

362 dingliche Berechtigte in den Miethvertrag nicht ein, er hat aber dem Miether den Gebrauch der Sache zu gestatten. Diese Grundsätze gelten unbeschränkt nur, wenn der Eigen­ thumsübergang nach der Ueberlaffung der Sache an den Miether erfolgt; geschieht er vor der Ueberlaffung, so tritt der Erwerber in das Miethverhältnitz nur dann ein, wenn er dem Bermiether gegenüber die Erfüllung der aus dem Miethvertrage folgenden Ver­ pflichtungen besonders übernommen hat: andernfalls gilt hier der Grundsatz „Kauf bricht Miethe" (§ 578). Daß er dann, wenn er dem Miether gegenüber die Pflichten aus dem Vertrage über­ nimmt, in das Miethverhältniß eintritt, bedarf keiner Ausführung. 7. Die Zwangsversteigerung des vermietheten und dem Miether oder Pächter übergebenen Grundstückes wirkt wie eine freiwillige Veräußerung, doch hat der Ersteher ein außerordentliches, nur für den ersten zuläffigen Termin bestehendes Recht, mit Ein­ haltung der gesetzlichen Frist zu kündigen. Das Kündigungsrecht be­ steht nicht, wenn die Zwangsversteigerung die Aufhebung einer Ge­ meinschaft bezweckt (§§ 57, 183 des Zwst. Ges.). IX. Untermiethe. Der Miether kann beim Mangel einer ent­ gegenstehenden Vertragsabrede die Sache in Aftermiethe geben, nach neuem Recht (§ 549) jedoch nur auf Grund der Erlaubniß des Vermiethers. Verweigert der Bermiether die Erlaubniß, so kann der Miether kündigen, es sei denn, — was der Bermiether zu beweisen hat — daß in der Person des Untermiethers ein wichtiger Grund zur Versagung vorläge. Für Verschuldungen des Untermiethers haftete der Miether nach altem Rechte nur, wenn ihn bei der Aus­ wahl des Untermiethers ein Verschulden traf, nach neuem Recht (§ 549) haftet er unbedingt. Das Recht des Untermiethers endete nicht ohne Weiteres mit dem Rechte des Miethers. Da aber der Hauptvermiether nicht in ein Rechtsverhältniß zum Aftermiether trat, so konnte er bisher auf Grund seines Eigenthums nach Beendigung der Hauptmiethe gegen den Untermiether auf Räumung klagen, und das dem Hauptmiether die Räumung gebietende Urtheil wirkte gegen den Aftermiether (§ 236 CPO a. F.). Rach neuem Recht (§ 556 Abs. 3) erlischt mit dem H a u p t m i e t h v e r h ä l t n i ß auch die Unter­ miethe. Der Bermiether hat daher ein aus dem Miethvertrage folgendes Recht gegen den Untermiether auf Räumung des Besitzes. X. Besitz. Nach römischem und gemeinem Rechte behielt der Bermiether den juristischen Besitz, und der Miether erhielt nur die Detention. Besitzschutz genoß also nur der Bermiether. Nach neuem Recht hat der Miether Besitz, also auch Besitzschutz, sogar gegen den

Dermiether, der Dermiether hat mittelbaren Besitz, also gleichfalls Besitzschutz (§§ 854, 865, 868).

§ 125. Die Pacht. Die Pacht gewährt nach altem und neuem Rechte keineswegs daS Recht auf alle Erzeugnisse und Nutzungen der Sache, sondern nur auf diejenigen Früchte, die nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft als Ertrag anzusehen sind (§ 581). Da unter den Begriff der Frucht aber überhaupt jede Ausbeute fällt, welche auS der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird (§ 99 BGB), so ist nach altem und neuem Rechte der Vertrag, der die Ausnutzung eines Bergwerks, eines Steinbruchs, eines Torfstichs zum Gegenstände hat, nicht ein Kauf der zu gewinnenden Substanztheile, sondern ein Pacht­ vertrag (RG 6, 4; 27, 279. Preuß. Berggesetz vom 24. 6. 65 § 114). Die Pacht richtet sich nach den für die Miethe gegebenen Be­ stimmungen. Doch weicht das BGB von ihnen in einzelnen Punk­ ten ab: 1. Für jedes Pachtverhältniß gilt, daß der Pächter nicht wegen verweigerter Unterverpachtung, nicht wegen Bersetzung, der Berpächter nicht beim Tode deS Pächters kündigen darf (§§ 596, 549 Abs. 1, 569, 570). 2. Ist ein Grundstück verpachtet, so kann sich das Rechtsverhältniß hinsichtlich deS I n v e n t a r s, d. h. der dem wirthschaftlichen Zwecke deS Grundstücks dienenden Gegenstände (§ 98), ver­ schieden gestalten, je nachdem das Grundstück sammtJnventar d. i. als Einheit verpachtet oder das Inventar zum SchätzungSwerthe übernommen wird. Im ersten Falle hat der Pächter die Pflicht, die einzelnen Stücke zu erhalten und den gewöhnlichen Abgang der Thiere aus den Jungen zu ersetzen, der Verpächter aber die Pflicht, daS durch ungewöhnlichen Abgang verminderte Inventar zu ergänzen (sog. S u m m i s s i o n), der Pächter hat aber nicht das Recht, über das Inventar zu verfügen. Im zweiten Falle (dem sog. Eisernviehvertrage; RechtSsprüchwort: eisern Bieh stirbt nie) ist der Pächter nur ver­ pflichtet, das Inventar als solches zum Schätzungswerthe zurück­ zugewähren, er trägt die Gefahr und hat das Inventar als Ganzes zu erhalten, dagegen hat er das Recht freier Verfügung über die ein­ zelnen Stücke. In beiden Fällen bleibt das Inventar Eigenthum des Ver­ pächters, und in dem zweiten Falle geht das Eigenthum eines ange­ schafften Stückes mit der Einverleibung in das Inventar auf den Berpächter über (§§ 586—589). Wegen der Forderungen des Pächters, die sich auf das mit-

364 gepachtete Inventar beziehen, steht dem Pächter nach altem und neuem Recht ein gesetzliches Pfandrecht an den in seinem Besitze befindlichen Jnventarstücken zu (§ 590). 3. Ist die Pachtzeit nicht bestimmt, so kann nach neuem Rechte (§ 595) die Kündigung nur für den Schluß eines Pachtjahres und spätestens am ersten Werktage desjenigen halben Jahres erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht endigen soll. An dieselben Grenzen ist die Kündigung dann gebunden, wenn die Pachtzeit zwar bestimmt, aber ein Fall gegeben ist, in welchem unter Wahrung der gesetzlichen Frist gekündigt werden darf (f. oben § 124 VIII. 3, 6, 7).1). 4. Ist Gegenstand der Pacht ein landwirthschaftlicheS G r u n d st ück, so hat der Pächter die Pflicht, das Gut in betriebs­ fähigem Zustande zu erhalten, daher die gewöhnlichen Ausbesserungen vorzunehmen (§ 582), solche Aenderungen in der wirthschaftlichen Bestimmung zu unterlassen, die auf die Art der Bewirthschaftung über die Pachtzeit hinaus von Einfluß sind (§ 583), und das Grund­ stück, gleichviel in welchem Zustand er es übernommen, in dem Zu­ stande zurückzugewähren, der einer während der Pachtzeit fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirthschaftung entspricht (§§ 591, 593, 594). Ueber die Rechte und Pflichten der Kontrahenten bei der Rückgewähr enthält das BGB ausführliche Vorschriften (§§ 591—594). Auch das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters eines landwirthschaftlichen Grundstückes reicht weiter als das anderer Berpöchter. Es ergreift, wie nach altem Recht, auch die Früchte deS Grundstücks, es umfaßt ferner auch die nach § 811* CPO un­ pfändbaren Sachen, und es kann Dritten gegenüber wegen des ge­ summten Pachtrückstandes geltend gemacht werden (§§ 585, 563 CPO, § 49 Nr. 2 KO). Ist, wie üblich, der Pachtzins nach Jahren bemessen, so ist er, in Ermangelung einer abweichenden Vertragsbestimmung, nach Ab­ lauf eines Pachtjahres am ersten Werktage deS folgenden Jahres zu entrichten. Nach römischem und gemeinem Rechte hatte der Pächter eines landwirthschaftlichen Grundstückes Anspruch auf Nachlaß am Pacht­ zinse (remissio mercedis), wenn der Fruchtgenuß durch außer­ gewöhnliche Ereignisse erheblich geschmälert wurde, wogegen er ver­ pflichtet war. den Ausfall aus den Erträgen besonders reicher Jahre zu decken. Diese Bestimmungen hat das BGB beseitigt. 4. Seit dem Mittelalter hat sich in Gegenden mit ausgebildeter Viehzucht der sog. Viehverstellungsvertrag entwickelt, durch welchen der eine Theil gegen eine Gegenleistung Vieh des l) Dies gilt auch bei der Pacht von Rechten (§ 696).

anderen Kontrahenten zur Wartung, Fütterung, insbesondere aber auch zur Nutzung übernimmt. Das Geschäft kommt in den ver­ schiedensten Formen vor, wird aber gewöhnlich als Pachtvertrag be­ handelt. DaS BGB überläßt ihn gewohnheitSrechtlicher Bildung. § 126.

Der Dienstvertrag.

1. Geschichtliches. Im alten Rom galt die produktive Lohn­ arbeit, da sie fast ausschließlich von Sklaven geleistet wurde, als eines freien Menschen unwürdig, als opera illiberalis. Gegenstand eines Dienstvertrages, der locatio conductio operarum, d. h. eines auf Leistung von Diensten gegen Entgelt gerichteten Vertrages, konnten daher nur diese operae illiberales (locari solitae) sein, während operae liberales d. h. die Bethätigungen einer Wissen­ schaft oder Kunst, ohne Entgelt geleistet wurden. AIS man später auch für die operae liberales eine Gegenleistung zu beanspruchen pflegte, fehlte es zur Durchsetzung dieses Verlangens an einer actio, doch fand sich in der extraordinaria cognitio ein Mittel, die Leistung der verabredeten Vergütung, die man, der früheren Auf­ fassung entsprechend, nicht merces, sondern honorarium nannte, zu erzwingen. Die moderne Anschauung macht keine Unterschiede. Das gemeine Recht wendete daher die römischen, nur für operae illiberales gegebenen Grundsätze von der loc. c. operarum auf alle Dienstverrichtungen, auch die wissenschaftlicher oder künstlerischer Art. an. Ihm folgt daS BGB, indem nach ihm (§ 611 Dienste jeder ArtGegen st anddeSDienstvertrageSsein können. Eine Reihe von Dienstverträgen besonderer Art hat ihre reichSgesetzliche Regelung in besonderen Gesetzen gefunden, so namentlich die Rechtsverhältnisse der HandlungSgehülfen und der Seefchiffer im HGB, die der gewerblichen Arbeiter in der Gew.-O., die der Schiffs­ mannschaft in der Seemannsordnung vom 27. Dezember 1872. Diese Gesetze find für die durch fie geregelten besonderen Arten von Dienst­ verträgen neben dem BGB bestehen geblieben. Die Bestimmungen dieses kommen, wie bisher die Vorschriften des Pandektenrechts, nur auf die nicht durch Sondergesetz geordneten Arten der Dienstverträge zur Anwendung. 2. Begriff. Der Dienstvertrag besteht in der Uebernahme der Verpflichtung, bestimmte Dien st e gegen eine von dem anderen Theile versprochene Vergütung z u l e i st e n. Die Vereinbarung einer Vergütung ist hiernach wesent­ lich. Doch bedarf es weder nach altem noch nach neuem Recht, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist, ausdrücklicher Festsetzung (§ 612 BGB). Die Ver­ gütung mußte nach römischem Recht in Geld bestehen (merces),

366 andernfalls war der Vertrag ein Innominatkontrakt. Nach gemeinem und neuem Rechte kann die Vergütung in jeder Art von Leistungen bestehen, sie muß nach der Auffassung der Parteien den Gegenwerth gegen den Werth der Dienste, nicht einen bloßen Beweggrund für die Dienstleistung, bilden. 3. Pflichten. Der Dienstverpflichtete hat die versprochenen Dienste, und zwar im Zweifel inPerfon und nur a n die Person des Dienstberechtigten, zu leisten. Die Mitwirkung bloßer Ge­ hülfen ist natürlich nicht ausgeschlossen; ihre Handlungen sind Handlungen des Dienstverpflichteten. Ueberträgt Letzterer aber mit Einwilligung des Dienstberechtigten die Dienstleistung einem Anderen, so ist dieser der Dienstverpflichtete. Der Dienstherr ist verpflichtet, a) die bedungene Vergütung zu gewähren. Sie ist nach altem und neuem Rechte Nachlei st ung, also grundsätzlich erst nach Beendigung des Dienstes zu entrichten; ist sie aber nach Zeit­ abschnitten bemessen, so ist sie nach neuem Rechte (§ 614) nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu leisten. Fehlt es an einer Verein­ barung über ihre Höhe, so entscheidet die etwa vorhandene Taxe und beim Fehlen einer solchen der übliche Satz; b) nach modernem Gewohnheitsrecht und neuem Gesetzesrechte (§ 120 a—e Gew.-O., § 618 BGB) für die Sicherheit des Dienstverpflichteten gegen lebens- und gesundheitsgefährliche Ein­ flüsse bei Ausrichtung der Dienste zu sorgen;1) c) nach neuem Rechte (§ 617) dem Dienstverpflichteten während einer Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärzt­ liche Behandlung bis zur Dauer von 6 Wochen zu gewähren, vorausgesetzt, daß das Dienstverhältniß ein dauerndes ist. daß es die Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder haupt­ sächlich in Anspruch nimmt, daß der Verpflichtete in die Hausgemein­ schaft des Dienstberechtigten aufgenommen ist, und daß der Dienst­ verpflichtete nicht die Krankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahr­ lässigkeit herbeigeführt hat. Die hierdurch entstandenen Kosten können von der Vergütung in Abzug gebracht werden. Ein Vertrag, der die unter 2 und 3 aufgeführten Verpflichtungen des Dienstberechtigten im Voraus ausschließt oder einschränkt, ist nichtig (§ 619 BGB). 4. Folgen der Nichtleismng. Wird die Leistung der Dienste durch einen Zufall unmöglich, so entsteht weder nach altem noch nach neuem Recht (§ 323) eine Vergütungspflicht. Will oder *) Weiter geht diese Fürjorgepflicht gegenüber Personen, die in der lichen Gemeinschaft des Dienstberechtigten stehen (§ 618 Abs. 2).

häus­

kann aber der Berechtigte, wenngleich ohne seine Schuld, die Dienste nicht annehmen, während der Pflichtige zur Leistung bereit und im Stande ist, so hat nach altem Rechte unbedingt (1. 19 § 9, 1. 38 pr. D. 19, 2. RG 3,179) und nach neuem Rechte bei Annahme­ verzug des Berechtigten (§§ 615, 293 ff.) der Pflichtige den Anspruch auf die Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Der Anspruch ist ein Schadensersatzanspruch aus dem Bertrage, der Dienstverpflichtete muß sich daher anrechnen lasten, was er erspart und was er bei anderweitiger Verwendung seiner Arbeitskraft verdient oder zu verdienen böswillig Unterlasten hat. Eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsätze, daß die Ver­ gütung nur für die wirklich geleisteten Dienste zu zahlen ist, macht der Satz des neuen Rechts, daß a) beim gewöhnlichen Dienstvertrag unbedeutende, vom Pflichtigen nicht verschuldete Unterbrechungen seiner Dienstthätig­ keit seinen Anspruch auf die Vergütung nicht beeinträchtigen (§ 616 BGB), b) daß der Handlungsgehülfe bei einer durch unver­ schuldetes Unglück verursachten Verhinderung seiner Dienstthätigkeit den Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, doch nicht über 6 Wochen hinaus, behält (§ 63 HGB). Im Falle a (nicht auch bei b) hat nach neuem Rechte der Dienst­ verpflichtete sich den Betrag anrechnen zu lasten, der ihm für die Dauer seiner Behinderung auf Grund der gesetzlichen Kranken- oder Un­ fallversicherung zukommt (§ 616 BGB, § 63 HGB). 5. Die Dauer des Dienstvertrages bestimmt sich nach altem und neuem Recht (§ 620) entweder nach der Parteifestsetzung oder nach der Natur oder dem Zwecke der Dienste. Fehlt ein derartiger Maßstab, so kann jeder Theil das Dienstverhältniß kündigen. Die Kündigungsfrist richtet sich nach dem Vertrage; gesetzliche Kündigungsfristen hat im Gegensatze zum römischen Recht erst die neuere Gesetzgebung eingeführt: sie beträgt bei Ge­ sellen. GewerbSgehülfen und Fabrikarbeitern 14 Tage, für gewerbliche Betriebsbeamte und Handlungsgehülfen 6 Wochen. Das BGB sucht der Verschiedenartigkeit der Dienstverhält­ nisse möglichst zu entsprechen, indem es die Zeiträume, nach denen die Vergütung bemessen ist, auch als Kündigungsfristen gelten läßt (§ 621); es kommen hier dieselben Bestimmungen wie bei der Miethe zur Anwendung (§ 565 Abs. 1) mit der Abweichung, daß, wenn die Vergütung nach Vierteljahren bemessen ist, die Kündigungsfrist sechs Wochen beträgt. Diese Frist gilt auch bei dem Dienstverhältniß der mit festen Bezügen zur Leistung von Diensten höherer Art an­ gestellten Personen, deren Erwerbsthätigkeit durch das Dienstver-

368 hältniß vollständig ober hauptsächlich in Anspruch genommen wird (insbesondere der Lehrer, Erzieher, Privatbeamten, Gesellschafte­ rinnen), selbst wenn die Vergütung nach kürzeren Zeitabschnitten als Vierteljahren bemessen ist. In allen Fällen sechswöchiger Frist kann die Kündigung nur zum Schluß eines Kalendervierteljahres erfolgen. Für den Hand­ lungsgehülfenvertrag gilt (§§ 67—69 HGB) noch das Besondere, daß eine bedungene Frist für beide Theile gleich sein und wenig­ stens einen Monat betragen muß. es sei denn, daß der Handlungs­ gehülfe ein Gehalt von mindestens 5000 Mark jährlich bezieht oder daß er für eine außereuropäische Handelsniederlassung angenommen ist und der Prinzipal für den Fall, daß er kündigt, die Kosten der Rückreise zu tragen hat. Ebenso bei den gewerblichen Betriebs­ beamten. Ist die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen, so kann, wie nach bisherigem Recht, die Kündigung jederzeit erfolgen (§ 623, s. daselbst die Ausnahme). Endlich ermöglicht das BGB § 624 die Lösung eines auf die Lebenszeit einer Person oder für länger als fünf Jahre eingegangenen Dienstverhältnisses, indem es eine Kün­ digung nach Ablauf von fünf Jahren zuläßt und eine Frist von 6 Monaten festsetzt. Von der Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist befreit ist Derjenige, dem einwichtigerGrundzu sofortiger Auflösung des Dienstverhältnisses zur Seite steht (§§ 626 BGB 70 HGB). Die Gew.-O. (§§ 123, 124) zählt diese Gründe auf, und das HGB giebt in §§ 71, 72 einige Beispiele. Ob ein solcher wichtiger Grund vor­ liegt, ist im Streitfälle durch Urtheil zu entscheiden. 6. Die Rechtsverhältnisse der Handlungsgehülfen sind in den §§ 59—75 HGB geregelt. Handlungsgehülfe ist. „werineinemHandelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt a n g e ft e II t i ft" (§ 59). Durch die Leistung kaufmännischer Dienste unterscheidet er sich von den Personen, welche technische Leistungen bewirken, und von denen, welche dem Kaufmann Gesindedienste leisten. Durch die Anstellung tritt er in ein Dienstverhältniß zum Prinzipal: dadurch unterscheidet er sich vom Hand­ lungsagenten, der in keinem Dienstverhältniß steht, daher nicht einem Prinzipal untersteht und nur für einzelne bestimmte Dienste Be­ lohnung (Provision) erhält. Umfang und Art der wechselseitigen Leistungen bestimmen sich in Ermangelung besonderer Vereinbarung nach dem Ortsgebrauch: fehlt es an einem solchen, so gelten die den Umständen nach ange­ messenen Leistungen als vereinbart. Die Dienste des Gehülfen

36Y. f ö, n n e p w dem Abschlüsse hon Handelsgesellschaften Namens des Prinzipals, also in sinxr St e l lv e r tr e t u n g, bestehen. Per Gehülfe ist bann kraft der ihm ertheilten Vollmacht Handlungs­ bevollmächtigter oder Prokurist des Prinzipals. Die Vollmacht unserliegt dem Widerrufe, damit wird aber der Dienstvertrag an sich nicht berührt. Der Gehalt ist am Schlüsse eines jeden Monats zu zahlen, und eine Vereinbarung, wonach der Gehalt später zu zahlen, ist nichtig (§ 64). Per Handlnngsgehülfe unterliegt während seiner dienstlichen Stellung einem Konkurrenzverbote (§ 60). 7. Die Verträge der selbständigen Gewerbetreibenden mit gewerb­ lichen Arhpiteru unterliegen den §§ 105—139 Gew. O. Selb­ ständiger Gewerbetreibender i st derjenige,tpelcher für eigene Rechnung in Erwerbsabsicht ein« gewerbliche Thätigkeit, wenngleich nur vprübergehend, ausübt. Daher ist derjenige, welcher Arbeiter anwirbt und alsdann dm von ihnen verdienten Lohn an sie abführt, Vermittler odee Stellvertreter dieser Arbeiter, nicht selbständiger Gewerbe­ treibender. Das Dienstverhältniß unterliegt zwar der freien Vereinbarung, doch ist diese Freiheit in einigen Beziehungen (namentlich hinsichtlich dsr Sonntagsruhe, der Annahme jugendlicher Arbeiter) durch Gesetz eingeschränkt. Zu dm Beschränkungen gehört das Verbot deS Trucksystems: die Arbeitslöhne sind haar in ReichSwährung zu zahlen utib Waaren dürfen den Arbeitern nicht freditirt werden. Hieraus folgt zunächst die Nichtigkeit entgegenstehender Verein­ barungen, die Nichtigkeit der Hingabe an ZahlyngSstatt und der Mqngel gerichtlichen Schutzes derjenigen Forderungen, welche für kreditirte Waaren entstanden sind. SBoit diesem Verbot ist nicht betroffen öie Verabfolgung von Lebensmitteln an die Arbeiter zu einem die Anschaffungskofien nicht übersteigenden Preise, fern« können die Ueberlaflung von Wohnung, Feuerung, Landnutzyng regelmäßige Belästigung, Arzneien, ärztliche Hülfe, Werkzeuge und Stosse zu den übertragenen Arbeiten gewährt, und es kann der Werth dieser Leistungen auf den Lohn angerechnet werden. Gesellen und Gehülfen sind zu häuslichen Arbeiten für den Dienstherrn nicht verpflichtet, sie unterliegen aber dessen Weisungen betreffs der ihnen übertragenen Arbeiten und der häuslichen Ein­ richtungen. Der Dienstherr ist verpflichtet, dem Gesellen oder Gehülfen nach Beendigung des Dienstverhältnisses ein Z e u g n i ß auszustellen, das auf Verlangen auch auf die Führung auszudehnen ist. Engelmann, d. bürgerliche Recht Deutschland». III. Aufl.

24

370 8. Die Anstellung eines Beamten gegen Gehalt ist nicht Ab­ schluß eines Dienstvertrages, sondern Uebertragung der Befugnitz und Pflicht, Staatshoheitsrechte auszuüben gegen Gewährung einer der standesmätzigen Bestreitung des Lebensunterhaltes dienenden Rente (RG 38. 320; 45, 242; 48. 2). Jene Seite des Verhältnistes gehört ausschließlich dem öffentlichen, diese (vgl. §§ 149 ff. Reichsbeamtenges. v. 31. März 1873. § 9 @33(9) dem Privatrecht an. § 127.

Der Gesindedienstvertrag.

Durch den Gesindedienstvertrag verpflichtet sich das Gesinde zur Leistung von Dien st e n im Hausstande des Dien st berechtigten, tritt in dessen Hausstand ein und unter­ wirft sich der hausherrlichen Gewalt des Dienstberechtigten. Die Vergütung besteht in Geld, freier Wohnung und Kost. Die Unbe­ stimmtheit der zu leistenden Dienste, die Unterwerfung des Gesindes unter die Anordnungen des Hausherrn, die häusliche Gemeinschaft von Gesinde und Herrschaft, der rechtliche Einfluß des Herrn auf das sittliche Leben des Gesindes unterscheiden die Gesindemiethe von dem nur obligatorische Wirkungen begründenden Dienstvertrage und nähern das Gesindedienstverhältniß einem personcnrechtlichen Ge­ waltverhältnisse. Dem römischen Rechte war diese Art des Dienstvertrages un­ bekannt, und auch in Deutschland hat er sich spät entwickelt, da die häuslichen Dienste regelmäßig von Leibeigenen geleistet wurden. Erst in den letzten Jahrhunderten hat sich das Institut in Deutschland partikularrechtlich, aber ziemlich gleichmäßig entwickelt. Der Bei­ trag unterliegt keiner Form, aber die Hingabe eines Miethgeldes an das Gesinde ist fast überall in Uebung. Das Miethgeld gilt nach manchen Rechten als bloßes Angeld, das auf den Lohn angerechnet wird, nach anderen Rechten als Zugabe zum Lohn. Beiden Theilen steht ein Kündigungsrecht zu; vielfach war der Herrschaft ein mäßiges Züchtigungsrecht gewährt, dagegen die Pflicht auferlegt, auch für das krankgewordene Gesinde zu sorgen. Das BGB läßt die landesgesetzlichen Vor­ schriften. welche dem Gesinderecht angehören, unberührt (Art. 95 Einf.-Ges.), stellt aber einzelne Normen auf, die auf den Gesindedienstvertrag Anwendung finden und die natürlich dem Landesrechte vorgehen. So beseitigt das BGB das hier und da etwa noch bestehende Ziichtigungsrecht der Herrschaft, es unterwirft den Gesindedienst-Bertrag den allgemeinen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§ 104—115, 131), es macht den Dienstherrn haftbar für das bei Ausführung der Dienstverrichtungen vom Gesinde begangene Berschulden (§§ 278, 831), es legt dem Dienstherrn hin-

sichtlich der Fürsorge für erkranktes Gesinde und des Schutzes gegen Gefahren dieselben Pflichten auf, denen der Dienstberechtigte über­ haupt unterworfen ist (§§ 617—619); es erklärt ein auf Lebenszeit oder auf länger als fünf Jahre eingegangenes Dienstverhältniß für kündbar (§ 624), und es giebt dem Ehemann ein fristloses, aber an die Ermächtigung des Bormundschaftsgerichts geknüpftes Kündi­ gungsrecht, wenn die Frau sich ohne seine Zustimmung zu Gesinde­ diensten verpflichtet hat (§ 1358). Die Ansprüche aus dem Gesindedienstverhältnifle genießen im Zwangsversteigerungsverfähren und im Konkurse deS Dienstherrn ein Vorzugsrecht (§ 10 Nr. 2 Zwst.-G. § 61 Nr. 1 KO). § 128.

Der Lehrvertrag.

Durch den Lehrvertrag übernimmt der Lehrherr die Pflicht, den Lehrling in einem bestimmten Ge­ werbe zu unterrichten, während der Lehrling die Verpflichtung eingeht, für den Lehrherrn zuarbeiten und feinen Anordnungen zufolgen. DaS römische Recht behandelte den Lehrvertrag, weil er die Aus­ bildung von Sklaven, also die Verbesserung einer Sache zum Gegen­ stände hatte, als locatio conductio operis; feine Ausgestaltung hat er durch das deutsche Recht erfahren (vorzugsweise durch die Zunftordnungen). Reichsgesetzliche Bestimmungen enthält die Ge­ werbeordnung (§§ 126—133) und für Handlungslehrlinge jetzt daS HGB (§§ 76—82). Diesem deutfchrechtlichen Lehrvertrage ist der Eintritt deS Lehrlings in das Hauswesen des Lehrherrn und die Unterwerfung deS Lehrlings unter die väterliche Zucht deS Lehrherrn eigenthümlich, während die Zahlung eines Lehrgeldes nicht wesentlich ifl1). Wie der Gesindedienstvertrag, begründet auch der Lehrvertrag nicht blos rein vermögensrechtliche Beziehungen, sondern auch höchst­ persönliche Rechte und Pflichten, er ist daher ein Dienstvertrag eigener Art. Der Lehr vertrag ist zwar fotntftei, doch können An­ sprüche wegen unbefugter Lösung des Lehrverhältniffes nur, wenn der Vertrag schriftlich geschlossen ist, geltend gemacht werden (§§ 130, 132 Gew. O. § 79 HGB). Innerhalb der ersten 4 Wochen, bei Handlungslehrlingen innerhalb des ersten Monates, kann der Ver­ trag fristlos gekündigt werden, eine Ausdehnung dieser Probezeit auf mehr als 3 Monate aber ist unzulässig. Nach Ablauf der Probe*) Die Unterwerfung unter die väterlich« Zucht besteht gesetzlich nur bei den Handwerkslehrlingen. Handlungslehrlinge smd zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten.

372 zejt währt das Lehrverhältyiß die im Vertrage oder durch OrtSgebrauch bestimmte Zeit und kann vorher nur aus den Gründen auf­ gehoben werden, die zu einer vorzeitigen Lösung des Gesellen- oder Handlungsgehülfenverhältnisses berechtigen; der Lehrling kann den Vertrag auch dann lösen, wenn der Lehrherr seine Verpflichtungen gegen den Lehrling in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Aus­ bildung gefährdenden Weise vernachlässigt, der Handwerkslehrling endlich auch, wenn der Lehrherr seine väterliche Zucht mißbraucht oder zur Erfüllung seiner Verpflichtungen unfähig wird. Der Lehr­ ling behält jedoch die Freiheit, zu einem anderen Gewerbe oder Be­ rufe überzugehen; macht er von dieser Befugniß Gebrauch, so muß dies dem Lehrherrn schriftlich mitgetheilt werden, der Lehrvertrag endet dann nach Ablauf von 4 Wochen (nach HGB nach einem Monat). Nach Beendigung des Lehrverhältnisses ist dem Lehrling ein Z e u g n i ß auszustellen.

§ 129.

Der Werkvertragl).

1. Begriff.

Der Werkvertrag (locatio conductio operis) ist nach altem und neuem Rechte (§ 631) derjenige Vertrag, durch welchen sich der Unternehmer (condue.tor) zur Herstellung eines Werkes, der Besteller (locator) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Werkverdingung ist aber nicht blos der auf Her­ stellung oder Bearbeitung einer Sache, sondern jeder auf den Erfolg einer Arbeitslei st ung gerichtete Ver­ trag, daher auch die Transportbesorgung. Zum Wesen des Ver­ trages gehört auch hier die Vereinbarung einer Vergütung, doch ge­ nügt stillschweigende Vereinbarung, wenn die Herstellung des Werkes den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist (8 632). a) Gegenstand des Dienst miethvertrages sind Dienste für sich betrachtet oder die Arbeit als solche, Gegenstand der Werk Ver­ dingung ist das Erzeugniß der Dienste oder der Arbeit. Daher wird auch die Vergütung für das Arbeits e r g e b n i ß gewährt, was nicht ausschließt, daß die Höhe der Vergütung nach Maß, Zahl, Gewicht, Zeit bestimmt werden kann (1. 51 § 1 D. 19,2). b) Beschafft der Unternehmer selbst den Stoff zu dem her­ zustellenden Werke, so enthält die Lieferung des Werkes nach römi­ schem und gemeinem Recht eine Veräußerung (§ 4 J. 3, 24; 1. 2 § 1 D. 19, 2; 1. 20, 65 D. 18, 1. RG 1, 29), der auf Herstellung des Werkes gerichtete Vertrag demnach einen Kauf vertrag, der auf Er*) Riezler: Der Werkvertrag.

Jena.

1900.

richtung eines Bauwerkes auf fremdem Boden abzielende Vertrag einen Werkvertrag. In gleichem Sinne entscheidet das BGB (§ 651). Nach ihm ist das Geschäft ein Kaufvertrag, wenn der Unters nehmereinevertretbareSacheherzustellenübernimmt. Denn «S ist gleicht ob der Besteller eine schon fertige oder eine erst herzustellende Sach: erwirbt. Hat der Unternehmer eine unvertretbare Sache herzustellen, so ist die Arbeitsleistung wich­ tiger als der Stoff, der Herstellungsvertrag ist daher ein Werk­ vertrag, aber der Unternehmer hat nicht das Pfandrecht und nicht tat Titel zur Hypothek, er bleibt Eigenthümer bis zur Ueber gäbe, er kann sich also durch Zurückhaltung seiner Leistung sichern (§ 273). DU also in diesem Falle einzelne Grundsätze vom Kauf Anwendung finden, nehmen Manche*) ein gemischtes Geschäft, einen sog. Werklieferungsoertrag, an. wozu kein Bedürfniß vorliegt. Wie nach römischem Rechte, bleibt das Geschäft Werkvertrag, wenn die Stofflieferung des Unternehmers sich auf Zuthaten und Nebensachen beschränkt. Die Herstellung eines Bauwerkes auf einem Grundstücke des Bestellers ist jedenfalls dann Werkvertrag, .wenn der Bau wesent­ licher Bestandtheil des Grundstückes wird (§ 94, 95), andernfalls kann Kauf vorliegen.

2, Pflichtn........................... A. De? Unternehmer ist verpflichtet:

,a) das Werk vertragsmäßig auszuführen; ob er es persönlich ausführt oder es nur unter seiner Leitung ausführen läßt oder ob seine Thätigkeit ausnahmsweise ganz außer Betracht bleibt, bestimmt sich nach dem Jnhglt des einzelnen Beitrages. Entspricht das Werk hem Vertrage nicht, so griffen nach bisherigem Rechte nicht, die aedilitischen Rechtsmittel Platz, der Besteller hatte vielmehr das Recht, Beseitigung des Mangels und, falls dem Werl eine zugesicherte Eigenschaft fchlte oder dem Unternehmer rin Verschulden zur Last fiel, Schadensersatz zu ver­ langen. Das n eu eR ech t (§ 633) bestimmt zunächst den Be­ griff der Mangelhaftigkeit; nach ihm ist das Werk dann mangelhaft, wenn ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder wenn es mit einem Feh­ lerbehaftetist, derdenWerthoderdieTauglichkeit des Werkes zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Beitrage vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder — wenngleich nur unerheblich — mindert. Ferner giebt das neue Recht dem Besteller die Wahl zwischen Wandelung und Minderung. Diese Rechte l) Z. B. Fischer-Henle, Oertrnann, Riezler.

374 hängen nicht von einem Verschulden des Unternehmers, wohl aber in der Regel davon ab, daß der Besteller den Unternehmer zur Beseitigung des Mangels unter Bestimmung einerFrist und mit der Drohung vergeblich aufgefordert hat. daß er nach Ablauf der Frist die Beseitigung nicht mehr dulden werde. Diese Regel greift dann nicht Platz, wenn die Beseitigung unmöglich oder vom Unternehmer verweigert ist oder wenn der Besteller ein be­ sonderes Interesse an der sofortigen Minderung oder Wandelung hat, z. B. wenn ein Reiseanzug bis zur Abreise sich nicht ändern läßt. Der Besteller ist auf den Minderungsanspruch beschränkt, wenn der Mangel den Werth oder die Tauglichkeit deS Werkes nur unerheblich mindert. Er hat dagegen außer jenen beiden An­ sprüchen zur Wahl auch noch das Recht auf Schadensersatz, wenn der Unternehmer den Mangel verschuldet hat (§§ 634, 635). Diese Ansprüche verjähren nach neuem Recht (§§ 638, 639) in sechs Monaten, bei Arbeiten an einem Grundstück in einem Jahre, bei einem Bauwerk in fünf Jahren. b) Er ist zur rechtzeitigen Ablieferung verpflichtet. Verletzt er diese Pflicht, so hatte der Besteller nach altem Recht unter Umständen ein Rücktritts-, jedenfalls ein Schadensersatzrecht. Rach neuem Rechte kommen die Grundsätze vom Verzüge zur Anwendung, wenn ein solcher vorliegt. Aber auch wenn sich der Unternehmer nicht im Verzüge befindet, hat der Besteller das Recht der Frist­ setzung und des R ü ck t r i t t s (§ 636). Rach altem und neuem Rechte liegt in der vorbehaltlosen Annahme des Werkes eine stillschweigende Billigung, die dem Besteller die Beweislast aufbürdet und das Rllgerecht hinsichtlich der ihm bekannten Mängel entzieht (§§ 363, 640 BGB). B. Der Besteller ist nach altem und neuem Rechte verpflichtet: a) das Werk abzunehmen, wenn es vertragsmäßig her­ gestellt und wenn nicht etwa durch seine Beschaffenheit (z. B. Trans­ portausführung) die Abnahme ausgeschlossen ist (§ 640); d) die Vergütung zu leisten; ob bei oder nach der Ab­ lieferung, ist nach altem Rechte streitig. Rach neuem Rechte (§§ 641, 646) ist bei der Abnahme und bei nicht abnahmefähigen Werken bei der Vollendung zu zahlen. Die Leistung des Unternehmers ist also in jedem Falle Vorleistung. Leistet der Unternehmer mehr oder Anderes, als ursprünglich vorgesehen, so kommen die Grundsätze von der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag in Anwendung. 3. Gefahr.

Nach gemeinem Rechte war streitig, wer die Ge-

fahr zu tragen habe. Die jüngst vertretene Meinung') legte die Gefahr für alle in die Sphäre des Unternehmers gehörenden Unfälle diesem, für alle anderen Unfälle dem Besteller auf. Eine andere Meinung ließ die Gefahr mit der Billigung, eine andere mit der Vollendung deS Werkes auf den Besteller übergehen, eine dritte verpflichtete den Be­ steller zur Bezahlung des Werkes, so weit es vor dem Untergange fertig war. Nach BGB (§ 644) trägt grundsätzlich biS zur Abnahme, und wo eine solche wegen der Beschaffenheit deS Werkes nicht stattfinden kann, bis zur Vollendung der Unternehmer dieGefahr. Dies entspricht dem Wesen des Werkvertrages, denn der Besteller verlangt und vergütet nicht eine Arbeit, sondern ein fertiges Werk. Eine Ausnahme erleidet der Grundsatz, wenn daS Werk durch einen Mangel des vom Be steiler gelieferten Stoffes oder in Folge einer vom B e st e l l e r für die Ausführung ertheilten Anweisung untergeht oder stch verschlechtert: ist der Schaden ausschließlich auf einen dieser Umstände zurück­ zuführen, so trägt der Besteller die Gefahr (§ 645). Auf diesen geht die Gefahr in jedem Falle über, sobald er in Annahmeverzug kommt, und er trägt von vornherein die Gefahr für den von ihm gelieferten Stoff. Die Bersendungsgefahr trägt, wie beim Kauf, der Besteller, wenn das Werk auf sein Verlangen an einen vom Erfüllungsorte verschiedenen Ort gesendet wird. Soweit der Unternehmer die Gefahr trägt, nimmt ihm ein Z u fall nur den Anspruch auf die Vergütung. Zur Leistung des Jntereffe verpflichtet ihn nur ein von ihm begangenes Ber­ sch u l d e n. 4. Sicherung. In Uebereinstimmung mit Partikulargesetzen und der KO giebt daS BGB dem Unternehmer wegen seiner Forderungen auS dem Vertrage a) ein gesetzliches, an den Besitz geknüpftes Pfandrecht an dm von ihm hergestellten oder ausgebefferten beweglichen Sachen (§ 647 BGB, § 49- KO). b) dem Unternehmer eines Bauwerks ein Recht auf Ein­ räumung einer Sicherungshypothek (§ 648). 5. Rücktritt. Nach gemeinem Rechte war zweifelhaft, ob dem Besteller das bei der Dienstmiethe gewährte freie Rücktrittsr e ch t zustehe, und die herrschende Meinung verneinte dieses Recht. Das BGB (§ 649) giebt dem Besteller bis zur Voll­ endung ein unbeschränktes Kündigungs recht, dmn er bleibt Herr des für ihn in Arbeit genommenen Werkes. Die *) Oertmann in Grünhuts Zeitschrift 24,1 ff.

Riezler S. 143.

376 Kündigung hebt den Vertrag nur für den Unterlief)thet auf, fte beftett ihn von der Pflicht der Fertigstellung, beläßt ihm abet den Anspruch auf die vereinbarte Vergütung unter Abrechnung dessen, was er an Aufwendungen erspart oder durch seine frei gewordene Arbeitskraft erwirbt.

6. Tod. Waren für den Vertragsschluß die persönlichen Eigen­ schaften gerade dieses Unternehmers entscheidend, so erlischt der Ver­ trag mit dem Tode des Unternehmers. Der Tod des Bestellers ist regelmäßig einflußlos.

§ 130.

Der Frachtvertrag.

A. Begriff. Der Frachtvertrag ist eine Unterart des Werk­ vertrages, denn er ist gerichtet auf einen „durch Arbeit oder Dienst­ leistung herbeizuführenden Erfolg." Er unterliegt daher, soweit er Nicht unter das vom HGB behandelte Frachtgeschäft fällt, nach altem und neuem Rechte den Grundsätzen von der locatio conductio operis, auch wenn das Geschäft Handelsgeschäft ist. Relatives Han­ delsgeschäft nach bisherigem, Handelsgewerbe nach neuem Handels­ recht aber sind die Uebernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Be­ förderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern be­ stimmten Anstalten, sowie die Geschäfte der Schleppschifffahrtsunter­ nehmer (§ 1 Nr. 5 HGB).

b. Frachtführer. 1. Begriff. Vom HGB besonders geregelt ist der mit einem Frachtführer geschloffene Vertrag. „Frachtführer i st, wer e s g e w e r b s m ä ß i g übernimmt, die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern auszuführen" (§ 425 HGB). Damit ist der gesummte Personentransport ausgeschloffen. Unter Gütern sind alle transportfähigen beweglichen Sachen zu ver­ stehen. Da der Frachtführer den Transport auszuführen übernimmt, erlangt er den Besitz (nach altem Rechte die Detention) der Sache. Die Besonderheit des Frachtvertrages besteht darin, daß er zunächst nur Rechte und Pflichten zwischen Frachtführer und Ab­ sender, dann aber auch Rechte und Pflichten für beit Empfänger be­ gründet, falls dieser eine vom Absender verschiedene Person ist. Dieser Eigenthümlichkeit entsprechen die bei dem Vertrage vorkommenden Urkunden. Der Frachtbrief enthält den Frachtvertrag und ist eine bloße Beweisurkunde für das Rechtsverhältniß zwischen Fracht­ führer und Absender (§ 426 HGB); er wird daher vom Absender ausgestellt, wenn dies der Frachtführer verlangt.

Det Ladeschein wird vom Frachtführer auf Grund tttttt von diesem mit dem Absender getroffenen Bereinbatung ausgestellt, er wird dem Absender ausgehändigt, beurkundet die Verpflichtung des Frachtführers zur Ablieferung des Gutes und enthält die für das Rechtsverhältniß zwischen Frachtführer und Empfänge* maßgebenden Bestimmungen. Er ist keine bloße BeweiSurkunde, sondern ein Verpflichtungsschein, daher ist berechtigt aus ihm Derjenige, der in ihni als Empfänger („Destinatär") be­ zeichnet ist, oder düs den der Schein, »tritt er an Order lautet, durch Jndofsaniint, übertragen ist. Zugleich ist er ein sog. DiSpositionspapier, d. h. er verkörpert das BerfügungSrecht über daS Gut; dir Uebergabe des Ladescheines steht daher der Uebergabe des Gutes gleich (§§ 444—150 HGB). Frachtbrief und Ladeschein können nebeneinander bestehen, aber verschiedenen Inhalt haben. In diesem Fall ist der Frachtführer den Weisurigen deS Absenders so lange unterworfen, bis stch der Em­ pfänger durch Vorlegung deS Ladescheines legitimirt hat. Von diesem Zeitpunkt ab unterliegt der Transport den Weisungen des Em­ pfängers, denn durch Uebergabe des Ladescheines begiebt stch ber Absender der Verfügung zu Gunsten des Empfängers (5 450 HÄV). 2. Rechte und Pflichten aus demVertrage. a) Der Frachtführer ist verpflichtet, den Transport auszriführeri und daS Gut rechtzeitig am Bestimmungsorte bim Em­ pfänger abzuliefern. Er ist einer strengen Haftung unter­ worfen, bettn er ist im Falle deS Verlustes oder der Beschädigung des Gutes oder bei VerabfäumuNg der Lieferfrist schlechthin zum Schadensersätze verpflichtet. Bon dieser Berpflichtütrg befreit er sich nach neuem Rechte durch denRachweisvvn Um­ ständen, die durch die Sorgfalt eines ordent­ lichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnteri (§ 429 HGB). Für Verlust oder Beschädigung be­ sonders werthvoller Gegenstände (Kostbarkeiten, Kunstgegenstäride, Geld, Werthpapiere) tritt diese strenge Haftung nur dann ein, wenn dem Frachtführer deren Werth (Werthdeklaration) oder Be­ schaffenheit angegeben worden ist, andernfalls greifen die all­ gemeinen Grundsätze über Verschulden Platz. Zu erstatten ist grundsätzlich dergemeineHandelswerth und in Ermangelung eines solchen der gemeine Werth, den Gut derselben Art und Beschaffenheit am Orte und zur Zeit der Ab­ lieferung hatte, und nurbeiVorsatz oder grober Fahr­ lässigkeit ist der volle Schaden zu ersetzen. Der Frachtführer muß aber auch für ein Verschulden seiner Leute, sowie für ein Verschulden anderer Personen, deren er sich bei der Aris-

378 führung des Transports bedient, wie für eigenes Verschulden ein­ stehen (§ 431 HGB § 278 BGB). Der Frachtführer haftet ferner für die Unterfrachtführer, nicht auch für die Zwischenfrachtführer. Unterfrachtführer ist derjenige, dem der Hauptfrachtführer zum Zwecke der Ausführung des von ihm übernommenen Trans­ portes das Gut Lbergiebt, Zwischenfrachtführer derjenige, der den Transport von demjenigen Orte ab übernimmt, an welchem der vom ersten Frachtführer übernommene Transport endet. Durch Annahme eines Unterfrachtführers wird der zwischen dem Haupt­ frachtführer und dem Absender geschlossene Frachtvertrag nicht gelöst, daher bleibt jener haftbar, bis der von ihm übernommene Transport beendet ist. Der Zwischenfrachtführer aber schließt einen selbständigen Vertrag mit dem Absender. Nach positiver Gesetzesbestimmung tritt indessen auch der Unterfrachtführer durch Uebernahme des Gutes und des ursprünglichen Frachtbriefes in den Frachtvertrag ein, so daß dem Absender oder Empfänger die sämmtlichen Frachtführer solida­ risch haften. Hat einer von ihnen Schadensersatz geleistet, so steht ihm der Rückgriff gegen denjenigen zu, der den Schaden verschuldet hat, und wenn dieser nicht ermittelt und auch die Strecke nicht fest­ gestellt werden tarnt, auf welcher der Schaden geschehen ist, gegen jeden Frachtführer anteilig nach Maßgabe der Fracht. Mit der Annahme des Gutes und Bezahlung der Fracht er­ löschen alle gegen den Frachtführer begründeten Ansprüche, es sei denn, daß der Schaden vor der Annahme durch amtlich bestellte Sachver­ ständige festgestellt wäre. In Folge dessen reicht bei einer Franko­ sendung die bloße Annahme nicht aus (RG 25, 32), und die auf eine äußerlich nicht erkennbare Beschädigung oder Minderung des Gutes gegründeten Ansprüche erlöschen dann nicht, wenn der Empfänger den Mangel unverzüglich nach der Ent­ deckung durch amtlich bestellte Sachverständige hat feststellen lassen. Sie erlöschen auch in Folge Mangels dieser Diligenz nicht, wenn der Schade durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Fracht­ führers herbeigeführt worden ist (§ 438). Die Ansprüche gegen den Frachtführer verjähren in der Regel in einem Jahre, und nur wenn der Schaden durch Vorsatz verursacht ist, in der ordentlichen Verjährungsfrist. Die kurze Verjährungs­ frist kann durch Vertrag verlängert werden (§§ 439, 414). b) Die Pflichten des Frachtführers bestehen auch gegenüber dem Empfänger. Dieser hat ein selbständiges, durch den Fracht­ vertrag begründetes Recht auf Auslieferung des Gutes, er kann dieses Recht aber nur Zug um Zug gegen Erfüllung der aus dem Frachtverträge folgenden Pflichten geltend machen, doch kann er schon vor der Ankunft des Gutes sicherstellende Maßregeln treffen.

Die PflichtdeS Empfängers, dem Frachtführer nach Maßgabe deS Frachtbriefes Zahlung zu leisten, entsteht mit der Annahme des Guteund des Frachtbriefe- (§ 436). c) Der Frachtführer ist berechtigt, di« bedungene oder übliche Vergütung (Frachtlohn, „F r a ch t") und Ersatz seiner Aus­ lagen, sowie Liegegelder, zu verlangen und hat wegen aller seiner durch den Frachtvertrag begründeten Forderungen an dem Gut ein gesetzliches Pfandrecht, das nicht nur so lange, als der Fracht­ führer das Gut noch im wirklichen Besitz oder mittels eines Dispo­ sitionspapieres noch in seiner Verfügung hat, sondern auch noch drei Tage nach der Ablieferung besteht, sofern der Frachtführer es in dieser Zeit gerichtlich geltend macht und das Gut sich noch im Besitze des Empfängers befindet. Die Befriedigung deS Frachtführers auS dem Pfande erfolgt nach den Vorschriften deS BGB (§ 440 HGB). Ist das Gut nacheinander von mehreren Frachtführern befördert worden, so geht die gesicherte Forderung mit dem Pfandrecht auf den Nachmann über, wenn dieser den Vormann befriedigt; andernfalls bleiben For­ derung und Pfandrecht deS VormanneS bestehen, doch hat der letzte Frachtführer Recht und Pflicht, die Rechte seiner Vormänner aus­ zuüben (§§ 441, 442). Besondere Grundsätze gelten im Fall eineZusammentreffen- der Pfandrechte deS Kommissionärs, deS Spe­ diteurs und deS Frachtführers (§ 443 HGB). In diesem Falle sind nämlich zwei Arten von Pfandrechten zu unterscheiden. Unter den durch die Versendung oder durch die Beförderung entstandenen Pfandrechten geht daS jüngere dem älteren vor, weil es auf dem RechtSgedanken der nützlichen Verwendung beruht und das Gut werthvoller wird, je näher eS feinem Bestimmungsorte kommt. Unter den anderen Pfandrechten gilt der Satz prior tempore potior jure (§ 461 HGB 1209, 1257 BGB). C. Frachtführer sind die dem öffentlichen Güterverkehr dienenden Eisenbahnen. Auf die von ihnen geschloffenen Frachtverträge kommen daher, soweit sie nicht besonderen Vorschriften unterliegen, die Bestimmungen des HGB zur Anwendung. Solche besonderen Vorschriften aber waren aus mehreren Gründen nöthig. Vor Allem war es geboten, gegenüber dem thatsächlich bestehenden Monopole der Eisenbahnen im Groß- und Fernverkehre die Vertragsfrei­ heit der Eisenbahnen einzuschränken, d. h. ihnen unter gewissen Voraussetzungen die Verpflichtung zum Abschlüsse von Frachtverträgen aufzuerlegen und ihnen die Befugniß zu einer vertragsmäßigen Ablehnung oder erheblichen Einschränkung ihrer Haftung zu nehmen. Dieser Ablehnung waren bisher und sind auch nach neuem Rechte gewisse Grenzen gezogen. Bis zu dieser Grenze regelten die Eisenbahnen bisher ihre Haftung durch Vertrag,

380 indem sie allgemeine TransportbedingUntztst äüff&Hten üdb Hettii Inhalt zum Bestandtheile jedes eidzeMst Frachtbt^tragetz Echten. Daher begannen mehrere Artikel des bisherigen HM8 aiit den Worten: „es kann bedungen werdest, daß . Die Brfugnitz der Eisenbahnen zu vertragsmäßiger Festsetzung der Haftungsgrenze ist indessen damit weggefallen, daß die Transportbedingungen und Haf­ tungsgrenzen durch eine vom Bundesrath erlassene Verordnung in bindender Weise vorgeschrieben sind (Berkehrsördstung fält dir Eisen­ bahnen Deutschlands vom 26. Oktober 1899). Diese BrtordNüstg enthält also nicht eine Aufstellung von Transportbedingungen, sondern ist eine Rechtsverordnung, so daß das neue HGB wiederholt auf sie als Ergänzung seiner eigenen Bestimmungen verweisest könnte und ihre Sähe zu revisiblen Rechtsnormen im Sinne der §§ 549, 550 CPO geworden sind. Der § 459 des neuen HGB beginstt nunmehr mit den Worten: „Die Eisenbahn haftet nicht . . ." Durch die genannte Bestimmung wird die Haftung der Eisenbahn aus bestimmten Gefahren abgel eh nt, zugleich aber zu Gunsten der Bahn die Rechtsvermuthung aufgestellt, daß der Schaden aus der Gefahr, für welche die Haftung abgelehnt ist, entstanden sei, wenn er den Umständen nach aus dieser Gefahr entstehen konnte. Ist der Schaden aber durch Verschulden der Eisenbahn entstanden, so ist sie haftbar. Auch sie haftet nur für den gemeinen Werth, und in AUSnahmetarisen kann sie einen Höchstbetrag ihrer Haftung festsetzen. Die Personenbefürdtrung unterliegt gleichfalls einem Eisenbahn-Frachvertrage. Dieser bestimmt sich nach der EisenbahN-Berkehrsordnung vom 26. Oktober 1899 (§ 472 HGB).

D. Frachtführer sind die Postavstalten. Während aber auf private Postanstalten die allgemeinen Bestimmungen des HGB vom Frachtgeschäft Anwendung finden, unterliegt die Postverwal­ tung des Reiches und der Bundesstaaten einem im Gesetze vom 28. Oktober 1871, in der Postordnung vom 11. Juni 1892, einem mehrfach geänderten Gesetz über das Posttaxwesen vom 28. Oktober 1871 und im Gesetze vom 20. Dezember 1899 ent­ haltenen Sonderrecht. Hierhin gehört a) die Bestimmung des neuen HGB (§ 452), daß diese Post­ verwaltungen nicht als Kaufleute gelten. b) Die Vertragsfreiheit auch der Postverwaltungen ist im öffentlichen Interesse in der Weise eingeschränkt, daß der Beförderungsvertrag geschlossen werden muß, wenn der Gegenkontrahent die gesetzlichen und verordnungsmäßigen Bestimmungen befolgt.

c) Dif Haftpflicht der Popvepwaltstngen ist erheblich be­ schränkt. Gfe besteht überhaupt nicht für nicht eingeschrieben« oder nicht mit Merthangabe versehene Briefe, Postkarten, Waarenmuster und Drucksachen, und ist eine auf ein bestimmtes niedriges Mäh begrenzte beim Verlust oder bei der Beschädigung von Briefen mit Werthangabe, von Palleten mit oder ohne Werthangabe, sowie im Falle deS Verlustes eingeschriebener und zur Beförderung durch Estafette eingelieferter Sendungen. Die einseitig vom Absender ge­ machte Werthangabe hat aber keine die Postverwaltung unbedingt bin­ dende Wirkung, die Post braucht vielmehr nur den thatsächlichen ge­ meinen Werth zu ersetzen. für den sie jedoch die Beweislast hat. Der Ersatzanspruch steht nur dem Absender, als dem Gegenkontrahenten, zu. Dieser hat auch das Recht, die Ausführung des Beförderungs­ vertrages bis zum Zeitpunkte der Auslieferung der Sendung zu ver­ hindern. st) Der Adressat hat kein eigenes Recht auf Auslieferung der uyter seiner Adresse gehenden Sendung, vielmehr hat der Absender das Recht, die Sendung zurückzunehmen, so lange sie dem Adressaten noch sticht ausgehändigt ist (§ 36 der Postordnung. RÄ 43, 98). E'. Unter den Begriff eines besonderen, nicht dem HGB, sondern dem Gesetze vom 6. April 1892 unterliegenden Frachtvertrages fällt die Uebermittelung von Telegrammen und Telephonnach­ richten. F. Eigenartige Rechtsgrundsätze gelten für das SeefraHkaejchäst uqd dev Binnenschifffahrtsvertraa. erstere sind tm HGÄ, letztere im Gesetze vom Io. Juni 1895 (nur wenig geändert durch das Eins. Ges. zum neuen HGB) enthalten. Der Eiaenthümsr eines ihm zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiffes, der Rheder (§ 484 HGB), sowie der Eigen­ thümer eines zur Schifffahrt auf Flüssen und sonstigen Binnen­ gewässern bestimmten und hierzu von ihm verwendeten Schiffes, der Schiffseigner (§1 angef. Ges.), haftenfürdi«eigent­ lichen Schiffsschulden nur nzit der fortune de mer, d. h. nur m i t S ch i f f und Fracht, für andere Schulden aber, insbesondere für die Forderungen der Schiffsbesatzung aus deren Dienstvertrage, unbeschränkt persönlich. Auch der Nichteigenthllmer, der das in seinem Besitze befindliche Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt oder Binnenschifffahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder von einem Schiffer führen läßt, gilt Dritten gegenüber als Rheder oder als Schiffseigner (§§ 484 bis 488, 510 HGB, §§ 1—6 Ges.). Schiffer ist diejenige Person, welcher vom Rheder oder Schiffseigner die Führung des Schiffes übertragen ist. Er ist einer

382 Reihe einzelner Pflichten unterworfen*) und haftet bei Ausführung seiner Dienstverrichtungen, insbesondere bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Berträge, für die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, sowohl Dritten, als auch dem Rheder oder Schiffseigner gegenüber. Er steht zum Rheder oder Schiffseigner nicht blos in einem Dienstvertragsverhältniß, sondern ist, sobald das Schiff den Heimathshafen oder den Heimathsort verlassen hat, bei allen zur Ausführung der Reise nothwendig werdenden Rechtsgeschäften sein Stellvertreter. Die Seeschiffsmannschaft unterliegt der Seemanns-Ordnung vom 27. Dezember 1872, die Binnenschiffsmannschaft der GewerbeOrdnung. Der Schiffs-Frachtvertrag ist Stückgütervertrag, wenn er die Beförderung einzelner Güter zum Gegenstände hat, Char­ tervertrag, wenn zum Zwecke der Güterbeförderung das Schiff im Ganzen oder ein verhältnißmäßiger Theil oder ein bestimmt be­ zeichneter Raum des Schiffes gewährt wird. Wird ein Charter­ vertrag geschloffen, so kann im Seeverkehr jeder Kontrahent die Ausstellung einer Urkunde, der Chartepartie, verlangen. Sie ist bloße Beweisurkunde (§§ 556 ff. HGB). Der Verfrachter (d. i. der Rheder oder der Schiffer) oder der Frachtführer (d. i. der Schiffseigner oder sein Schiffer) hat das Schiff zur bedungenen Zeit in seetüchtigem Zustande zur Befrachtung bereit zu stellen, der Befrachter die Einladung der Güter recht­ zeitig zu bewirken. Eingehende Bestimmungen regeln die Ladezeit, die Ueberliegezeit, die Wartezeit, die Löschzeit und den Anspruch auf Liegegelder. Der Vertrag endet, wenn vor oder nach Antritt der Reise das Schiff oder das Gut durch Zufall verloren geht; besonders wichtige Ereigniffe geben jedem Theile das Rücktrittsrecht ohne die Pflicht der Entschädigung. Der Befrachter hat sogar ein freies Rück­ trittsrecht, er muß aber, wenn er von diesem vor Antritt der Reise Gebrauch macht, die Hälfte, wenn er es nach Antritt der Reise ausübt, die ganze Fracht, als sog. Fautfracht zahlen. Geht nach Antritt der Reise durch einen Zufall das Schiff verloren, so hat der Be­ frachter die sog. Distanzfracht zu zahlen, soweit Güter ge­ borgen oder gerettet werden; gehen die Güter verloren, so besteht keine Frachtzahlungspflicht, im Binnenverkehr ist aber auch in diesem Falle Distanzfracht zu zahlen (§ 633 HGB, § 64 Ges.). Der Seeverkehr hat in dem Konnossement ein dem Lade*) Hierher gehört die sog. Verklarung d. h. ein unter Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl von ihnen abgesaßter Bericht über alle Unfälle, welche sich während der Reise ereignen.

scheine rat Wesentlichen gleichstehendes Papier, der Ladeschein des Binnenverkehrs unterliegt den vom HGB für den Ladeschein des Frachtführers aufgestellten Grundsätzen. Auch dem Verfrachter wie dem Binnenschiff-Frachtführer steht das gesetzliche Pfandrecht zu, und zwar im Seeverkehr noch 30 Tage nach Ablieferung des Gutes, wenn es innerhalb dieser Zeit ge­ richtlich geltend gemacht ist. Die Grenze der Haftbarkeit ist dieselbe, wie für den Frachtführer. Havarie ist ein durch die besonderen Gefahren deS SchiffsIransportes dem Schiffe oder der Ladung zugefügter Verlust. Totalverlust fällt nicht unter den Begriff der Havarie. Das HGB und daS angef. Gesetz unterscheiden: a) große oder gemeinschaftliche Havarie, d. h. alle Schäden, welche dem Schiffe oder der Ladung oder beiden zum Zwecke der Er­ rettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf deffen Geheiß von Anderen vorsätzlich zugefügt werden, die durch derartige Maßregeln ferner verursachten Schäden und die zu gleichem Zwecke aufgewandten Kosten; b) besondere Havarie, d. h. alle nicht zur großen Havarie gehörenden Schäden. Beide Gesetze zählen eine Reihe von Schäden auf, die stets zur großen Havarie, das HGB auch solche, die stets zur besonderen Havarie zu rechnen sind. Die große Havarie wird von Schiff, Fracht und Ladung gemein­ schaftlich, die besondere Havarie vom Eigenthümer des Schiffs und von den Eigenthümern der Ladung, von jedem für sich allein, getragen. Die Vertheilung der großen Havarie setzt voraus, daß das Schiff und die Ladung und zwar jeder dieser Gegenstände ganz oder zum Theil gerettet sind, und richtet sich nach dem Verhältnisse des Werthes des Schiffes und der Ladung und nach dem Betrage der Fracht. Die Urkunde, welche die Feststellung deS Schadens enthält und seine Vertheilung ausspricht, heißt Dispache und erfolgt innerhalb des Deutschen Reiches durch gerichtlich bestellte Sachver­ ständige (Dispacheurs). Im AuSlande ist es Sache der Konsuln, die Vertheilung herbeizuführen. Die Grundsätze von der Havarie sind im Wesentlichen römisches Recht, das in dieser Beziehung das rhodische Recht (lex Rhodia de jactu) übernommen hat. Nach diesem Recht aber war für die geopferten Waaren der Einkaufspreis, für die geretteten der Berkaufswerth maßgebend, während nach HGB der Berkaufswerth, den die geopferten und die geretteten Sachen am Bestimmungsorte haben, entscheidet.

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§ 131. Das Speditjoysgeschqft. „Spediteur ist. wer es gewerbsmäßig über­ nimmt, Güterversendungen durch Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines Anderen (des Versenders) in eigenem Namen zu besorgen" (§ 407 HGB). Die Spe­ dition ist hiernach eine Art Kommission, unterscheidet sich von dieser jetzt aber dadurch, daß die Kommission grundsätzlich nur den Ein­ und Verkauf, die Spedition nur die Besorgung der Güterversendung zum Gegenstände hat. Es waren deshalb für die Spedition eine Reihe besonderer Vorschriften geboten, im Uebrigen unterliegt sie den Grundsätzen vom Kommissionsgeschäft. Regelmäßig tritt der Spe­ diteur dem Frachtführer oder Verfrachter gegenüber an die Stelle des Absenders, führt er den Transport selbst aus, so ist er zugleich Frachtführer (oder Verfrachter). Er ist berechtigt, Ersatz der baaren Auslagen (insbesondere der Fracht) und eine Provision zu verlangen, welche mit der Uebergabe des Gutes an den Frachtführer oder Verfrachter fällig ist, und hat ein Pfandrecht am Gute, so lange es seiner Verfügung unterliegt. Das Pfandrecht besteht aber nur wegen der Forderungen aus dem­ jenigen Vertrage, der sich gerade auf dieses Gut bezieht, während has Pfandrecht des Kommissionärs wegen aller Forderungen aus laufen­ der Rechnung in Kommissionsgeschäften überhaupt besteht. Der Spediteur haftet für die Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­ manns und trägt die Beweislast dafür, daß er diese Sorgfalt ange­ wendet habe. Hinsichtlich der von ihm angenommenen Zwischen­ spediteure und Frachtführer oder Verfrachter haftet er für culpa in eligendo, darüber hinaus haftet er für die von diesen Personen be­ gangenen Handlungen nicht. Der sog. Annoncenspediteur ist nicht Spediteur im Sinne des HGB, nach neuem Recht auch nicht Kommissionär. Pie vom ihm geschlossenen Geschäfte können jedoch zu den Geschäften des Buchhandels gerechnet werden und bilden jedenfalls nach neuem Rechte regelmäßig ein Handelsgewerbe im Sinne des § 2 des HGB. Er ist demnach Kaufmann. § 132.

Das Kommissionsgeschäft.

1. Begriff. Nach früherem Rechte war Kommlffionär derjenige, welcher gewerbemäßig in eigenem Namen für Rechnung eines Auf­ traggebers Handelsgeschäfte schloß (Art. 360 HGB), nach jetzigem Recht (§ 383 HGB) ist es derjenige, der „es gewerbsmäßig übernimmt, Waaren oder Werthpapiere für Rechnung eines

Anderen (deS Kommittenten) in eigenem Namen zutaufenoder zu verkaufen". Es wird sich regelmäßig um vertretbare Sachen handeln, aber auch die Lieferung einer nicht vertretbaren Sache kann Gegenstand eines Kommissionsgeschäftes sein, wenn sie aus einem vom Unternehmer zu beschaffenden Stoffe herzustellen ist (§ 406 HGB, § 651 BGB). Nach neuem Recht also braucht das aufgetragene Geschäft nicht Handelsge­ schäft zu sein, und es giebt nurnoch eine Ein­ kaufs- und eine Verkaufskommission. Uebernimmt aber ein Kommiffionär oder ein Kaufmann, der nicht Kommiffionär ist, die Schließung eines anderen Geschäftes für fremde Rechnung, aber in eigenem Namen, so kommen die Bestimmungen des HGB über das Kommissionsgeschäft zur Anwendung; Kommissionär wird der Kaufmann dadurch nicht. Die Eigenthümlichkeit des Kommissionsgeschäftes besteht darin, daß der Kommissionär zwar in Folge Auftrages und für Rech­ nung eines Anderen, aber doch im eigenen Namen handelt, daß das von ihm geschlossene Geschäft wirthschaftlich ein fremdes, juristisch sein eigenes Geschäft ist. Er ist demnach nicht Stellvertreter des Komittenten, die Wirkung der von ihm geschlossenen Geschäfte tritt daher in seiner Person ein und muß durch eine besondere Rechtshandlung auf den Komittenten übertragen werden. Da er zu dieser Uebertragung verpflichtet ist und die Ueber* tragung in jeder Form geschehen kann, gelten die vom Kommiffionär erworbenen Forderungen, obwohl ihre Geltendmachung vor der Ab­ tretung nur dem Kommissionär zusteht, sowohl im Verhältnisse von Kommittent und Kommiffionär, als auch im Verhältnisse dieses zu seinen Gläubigern als Forderungen deS Komittenten. Ob der Kom­ missionär Besitz und Eigenthum für sich oder für den Komittenten erwirbt, war nach bisherigem Rechte streitig (RG 24, 314; 30, 142), nach neuem Rechte vollzieht sich auch dieser Erwerb, zunächst für den Kommissionär (§§ 164, 929 BGB), durch das für den Regelfall an keine Form gebundene constitutum possessorium aber geht Besitz und Eigenthum auf sehr einfache Weise auf den Komittenten übet, und nur in den dem Depotgesetz unterliegenden Fällen ist hierfür die dort (§ 7) verlangte Form erforderlich (f. oben S. 321). Nach früherem Rechte war das der Kommission zu Grunde liegende Geschäft Mandat, nach neuem Recht ist es ein Dienstvertrag, da der Kommissionär eine Belohnung erhält (§§ 662, 675, 611 BGB). Aber auch jetzt ist es ein Akt des Vertrauens. 2. Die Pflichten des Kommissionärs bestehen in der den Wei­ sungen des Kommittenten entsprechenden Ausführung des Geschäfts, wobei er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden und •ngelmenn, b. bürgerliche Recht Deutschland»,

IIt. Aufi.

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386 das Interesse des Kommittenten zu wahren hat'), in der Benachrichtigungs- und Rechenschaftspflicht und in der Verpflichtung, das. waS er durch die Gefchäftsbeforgung erlangt hat, an seinen Auftraggeber herauszugeben, also Besitz und Eigenthum zu übertragen, die For­ derungen abzutreten. Abweichungen von den Weisungen des Auf­ traggebers verpflichten zum Schadensersatz, sind jedoch unter Um­ ständen gestattet (§ 385 HGB, 665 BGB). Jeder Vortheil aus dem Geschäfte gebührt dem Kommittenten, also auch der Gewinn, der dadurch erzielt wird, daß der Kommissionär zu günstigeren Bedingungen abschließt, als ihm der Kommittent gesetzt hatte. Hat der Kommiflionär unter ungünstigeren Bedingungen ab­ geschlossen, also theurer eingekauft oder billiger verkauft, so ist der Kommittent berechtigt, das Geschäft als nicht für seine Rechnung geschlossen zurückzuweisen, es sei denn, daß der Kommissionär mit der Anzeige vom Geschäftsabschluß auch seine Bereitwilligkeit zur Deckung des Unterschiedes erklärt. Von dem Zurückweisungsrechte kann aber der Kommittent nur dann Gebrauch machen, wenn er sich auf die An­ zeige des Kommissionärs sofort in diesem Sinn erklärt, andernfalls muß er das ungünstigere Geschäft als das seinige gelten lassen (§§ 387, 386 HGB). Der Kommissionär hat die Pflicht, die Rechte des Kommittenten gegenüber dem Absender des Gutes, dem Frachtführer oder dem Schiffer auszuüben und das Gut zu verwahren. Die Verwah­ rungspflicht macht ihn für jeden Schaden, der das Gut trifft, und der durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes abgewendet werden konnte, haftbar; für die Unabwendbarkeit des Schadens hat er die Beweislast (§§ 388, 389, 390). Zur Kreditgewährung ist der Kommissionär nicht be­ rechtigt, falls sie nicht der Handelsbrauch am Orte des Geschäfts gestattet. Das unter Kreditgewährung geschlossene Geschäft ist gleichwohl für Rechnung des Kommittenten geschlossen, aber der Kommissionär handelt auf eigene Gefahr, d. h. er haftet subsidiär für die Verbindlichkeit des Kreditempfängers und ist sogar verpflichtet, an den Kommittenten den dem Dritten kreditirten Kaufpreis sofort zu zahlen (§ 393). Von diesem Fall abgesehen, haftet er für den Dritten nur, wenn dies dem Handelsbrauch entspricht oder er die Ver­ pflichtung des Dritten übernommen hat, d. i. wenn er Delcredere steht. In diesem Fall ist seine Haftung nicht eine subsidiäre, sondern eine Principale, er hat dafür das Recht, eine besondere Pro­ vision vom Komittenten zu verlangen, da er dessen Forderungen Sicherheit gewährt (§ 394). ’ i Jnteresiante Entscheidung in RG 43, 108.

3. Der Kommissionär hat das Recht, die vertragsmäßige oder handelsübliche Provision zu verlangen, wenn das aufgetragene Geschäft zu Stande gekommen oder aus einem nur in der Person des Kommittenten liegenden Grunde nicht zu Stande gekommen ist, er hat ferner Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen (§§ 396 HGB, 675 BGB). Der Sicherung dieser Ansprüche des Kommissionärs dient das ihm am Kommissionsgute zustehende gesetzliche Pfandrecht, das im Konkurse des Kommittenten ein Recht auf abgesonderte Be­ friedigung gewährt. Das Pfandrecht ist an den Besitz geknüpft, erlischt also mit dem Verluste des Besitzes ohne Weiteres. Besitz aber ist auch die Möglichkeit, durch Dispositionspapiere (Konnossemente, Lager-, Ladescheine) über das Gut zu verfügen. An den gegen Dritte zustehenden Forderungen kann der Kommissionär ein Pfandrecht nicht haben, weil diese bis zur Abtretung ihm selbst zustehen, nach der Ab­ tretung aber nicht mehr seiner Verfügung unterliegen. Das Gesetz ge­ währt ihm deshalb das Recht, sich aus diesen Forderungen vorzugs­ weise zu befriedigen, und zwar vor dem Kommittenten, indem er die Abtretung verweigert, und vor dessen Gläubigern, indem er gegenüber dem Zugriffe dieser ein Jnterventionsrecht geltend macht (§ 399). Steht das Kommissionsgut im Eigenthum des Kommissionärs, so be­ steht zwar kein Pfandrecht, der Kommissionär darf aber seine Befrie­ digung aus dem Gute nur wie ein Pfandgläubiger suchen (§ 398). Ein besonderes Recht des Kommissionärs ist das S e l b st e i n trittsrecht, d. h. erdarfdiezuverkaufendeWaare selb st kaufen, die zu kaufende Waare selb st ver­ kaufen. Der Kommittent ertheilt keinen alternativen Auftrag, sondern er ertheilt ausschließlich die Weisung, ihm eine bestimmte Waare zu beschaffen oder eine bestimmte Waare zu veräüßern; daß der Kommissionär zu diesem Zwecke mit einem Dritten kontrahirt. ist für den Kommittenten regelmäßig gleichgültig und ist daher nur selten Inhalt des Auftrages. Der Kommissionär handelt also nicht, wie man künstlich zu konstruiren gesucht hat, gleichzeitig alieno und auo nomine, sondern er führt den Kommissionsauftrag dadurch aus, daß er die Waare selbst beschafft oder selbst erwirbt. Da er hiernach im Dienste des Kommittenten handelt, ist er berechtigt, die Provision zu fordern. Voraussetzung des Selbsteintrittsrechtes ist, daß die Waare einen Börsen- oder Marktpreis hat und daß der Kurs der Werthpapiere amtlich festgestellt ist. Der Kauf- oder Verkaufs­ preis darf kein für den Kommittenten ungünstigerer sein als der Markt- oder Börsenpreis. Da also nicht mehr ein dem Kommissionär fremdes Geschäft geschlossen wird, fällt die Rechenschaftspflicht fort, der Kommissionär hat nur nachzuweisen, daß er den Markt- oder

388 Börsenpreis eingehalten. Zeigt er aber schlechthin an, daß das Ge­ schäft ausgeführt sei, so ist darin die Erklärung zu finden, daß das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen sei. Das Selbsteintritts­ recht geht verloren, wenn der Kommittent die Kommission widerruft und der Widerruf dem Kommissionär zugeht, bevor die Ausführungs­ nachricht zur Absendung abgegeben ist (§§ 400—405 HGB). Daß der Kommissionär auch im Falle des Selbsteintritts das gesetzliche Pfand­ recht und die Befugniß der Veräußerung des ihm gehörigen Kom­ missionsgutes hat, folgt daraus, daß ihm auch der Provisionsanspruch zusteht. § 133.

Der Trödelvertrag.

Der Trödelvertrag besteht darin, daß Jemand einem Anderen eine Sache unter Bestimmung ihres Preises übergiebt, wogegen der Empfänger sich verpflichtet, dem Geber entweder die Sache zurückzugeben oder den Preis zu zahlen. Dem Geber bietet dieser Vertrag die Möglichkeit gewinnbringender Ver­ äußerung, dem Empfänger Gelegenheit, aus dem Verkaufe einer fremden Sache Gewinn zu ziehen. Denn der Mehrerlös verblieb nach bisherigem Rechte dem Empfänger, Gefahr des Untergangs und der Verschlechterung dem Geber'). Das Geschäft galt im römi­ schen Recht als Innominatkontrakt, die Hingabe der Sache war der rechtsbegründende Akt. Die Rechte des Gebers wurden mit der a. aestimatoria (oder de aestimato) geltend gemacht. Das gemeine Recht behandelte den Trödelvertrag als selbständigen Vertrag. Das BGB hat jedoch davon Abstand genommen. Bestimmungen über ihn zu treffen. Rechte und Pflichten aus Verträgen mit dem Inhalte des ehemaligen Trödelvertrages werden daher nur nach den Vertrags­ bestimmungen selbst beurtheilt werden müssen, sofern sie nicht unter den Begriff des bedingten Kaufes, des Auftrages, des Dienst- oder Werkvertrages fallen. Ein dem Trödelvertrage verwandtes Geschäft ist das buchhänd­ lerische Sortimentsgeschäft. Der Sortimentsbuchhändler, d. h. der­ jenige, welcher Verlagsartikel unmittelbar an das Publikum absetzt, erwirbt vom Verleger entweder ä condition, d. h. unter der Abrede, daß er die unverkauften Exemplare zurückgeben darf und für die verkauften Exemplare den Buchhändlerpreis zu zahlen hat, oder auf feste Bestellung, d. h. in der Weise, daß er die ihm vom Verleger über­ sandten Exemplare unbedingt zu behalten hat. Im ersten Falle *) Letzteres war nicht unbestritten.

bleibt der Verleger, im letzteren Falle wird der Sortimenter Eigen­ thümer der ihm zugesandten Exemplare.

§ 134. Der Maklervertrag. Nach römischem Rechte war der mit dem proxeneta geschloffene Vertrag ein klagloses pactum, war aber der versprochene Dienst ge­ leistet, so gab man eine extraordinaria persecutio auf das proxeneticum (den Maklerlohn.) Das gemeine Recht fußte auf diesen Grundsätzen, wendete jedoch vielfach die Grundsätze des Dienst- oder Werkvertrages oder des Mandates an. Der Mäklervertrag ist indeffen ein eigenartiger Vertrag. Er ist nicht Dienstvertrag, weil er den Mäkler zur Vermittlerthätigkeit nicht verpflichtet, er ist nicht Auftrag, weil der Mäkler das Geschäft nicht für den Auftraggeber abschließt, sondern nur bewirkt, daß das Ge­ schäft vom Auftraggeber selbst mit dem Dritten geschloffen wird. Der Mäkler ist auch nicht Bote, weil er die vorbereitenden Er­ klärungen nicht nur überwältigt, sondern selbstthätig das Zustande­ kommen des beabsichtigten Geschäftes anstrebt. Der Vertrag be­ steht entweder darin, daß der Mäkler es übernimmt, eine Gelegenheit zum Abschluß eines bestimmten Vertrages nachzuweisen, oder den Ab­ schluß deS beabsichtigten Vertrages selbst herbeizuführen (zu ver­ mitteln). Das DGB hat in den §§ 652—656 einige allgemeine Grund­ sätze aufgestellt, das neue HGB hat in den §§ 93—104 die Rechts­ verhältnisse der Handelsmäkler und in den §§ 84 bis 92 die der Handlungsagenten geregelt. Beide sind Kaufleute. HandelSmLkler ist, wergewerbSmäßigfür andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines V ertrag s verhältnisses ständig damit betraut zu sein, d i eVermitte lu ng von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von Waaren oder W e r t h p a p i e r e n, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffsmiethe oder sonstige Gegenstände des Handelsver­ kehrs übernimmt. Die Grundstücks- und Hypothetenmäkler sind demnach keine Handelsmäkler. Handlmigsagent ist, wer, ohne als Handelsgehülfe angestellt zu sein, ständig damit betraut ist, für das Handelsge­ werbe eines Anderen Geschäfte zu vermitteln oderim Namendes Anderen abzuschließen. Er ist ständig für das Handelsgewerbe einer bestimmten Person thätig und zwar auf Grund eines Vertrages, den er durch die Vermittlung ein­ zelner Geschäfte ausführt. Der Handelsmäkler geht mit einem Jeden,

390 der sich seiner Hülfe bedienen will, einen auf Abschließung eines be­ stimmten Geschäftes gerichteten Vertrag ein. 1. Wie nach bisherigem, so hat auch nach neuem Rechte (§ 652 BGB) der Möller, der Handelsmäkler, der Handlungsagent einen Anspruch auf die bedungene, tarmäßige oder übliche Belohnung (Provision) nur dann, wenn durch seine Thätigkeit ein rechtsgültigesGeschäftzu Standegekommenist; daher geht er seiner Belohnung auch dann verlustig, wenn das von ihm wohl vorbereitete Geschäft durch freien Entschluß des Auftrag­ gebers vereitelt wird (daher das Rechtssprllchwort „Mäklers Müh ist oft umsonst"); hat der Auftraggeber dabei aber arglistig gehandelt, so steht dem Maller der Anspruch auf die Provision als Schadens­ ersatzanspruch zu. Der Handlungsagent kann auch von denjenigen Geschäften Provision verlangen, die durch ein ungerechtfertigtes Ver­ halten des Geschäftsherrn vereitelt worden sind (§§ 88 HGB). 2. Der Auftraggeber muß die von dem Mäkler geleisteten Dienste angenommen haben; er muß sich also dessen bewußt sein, daß der Makler für ihn thätig ist oder gewesen ist (RG 31, 289. vgl. auch Seuff. Abs. 57 No. 6). Auch diese den Maklervertrag vom Dienstverträge unterscheidende Eigenheit giebt ihm die Natur eines Real­ kontraktes. 3. Der Mäkler hat n u r Anspruch auf die Provision, nicht auch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die er im Interesse der Geschäftsvermittlung gemacht hat. Der Handlungsagent kann die Pro­ vision von jedem einzelnen Geschäfte verlangen, und ist er ausdrücklich für einen bestimmten Bezirk bestellt, so hat er ein Recht auf Provision auch für diejenigen Geschäfte, die in diesem Bezirk ohne seine Mit­ wirkung vom Geschäftsherrn oder für diesen geschlossen werden. Für Verkäufe kann er Provision erst fordern, wenn die Zahlung ein­ gegangen ist. 4. Der Mäkler hat die Pflicht, ausschließlich die Interessen seines G e s ch ä f t s h e r r n wahrzuneh­ men. Ist er von dieser Pflicht nicht durch seinen Auftraggeber be­ freit, so ist er seiner Ansprüche verlustig, falls er auch für den anderen Theil thätig ist. Dieselbe Pflicht folgt für den Handlungsagenten schon aus dem, einen Akt des Vertrauens bildenden, Vertrage, durch den er vom Geschäftsherrn bestellt wird. Der Handelsmäkler aber handelt nach der Auffassung des Gesetzes für beide Parteien, er hat daher im Zweifel von jeder Partei die Hälfte der Provision zu fordern. 5. Die Thätigkeit des Mäklers und des Handelsmäklers ist mit dem Vertragsschlusse beendet, er schließt aber nicht selbst den Ver­ trag, sondern er führt nur die Kontrahenten zum Vertragsschlusse

zusammen, er ist also nicht Stellvertreter seines Auftraggebers. Der Handlungsagent steht in einem Vertragsverhältnisse von ge­ wöhnlich unbestimmter Dauer zum Geschäftsherrn, das außer beim Vorhandensein wichtiger Gründe von jedem Theile unter Wahrung einer sechswöchigen Frist zum Schluffe jedes Kalendervierteljahres ge­ kündigt werden kann. 6. Der Handelsmäkler hat die besondere Pflicht, ein Tage­ buch zu führen und sogleich nach Abschluß des Geschäfts jeder Partei eine sog. Schlußnote zuzustellen, welche die Parteien, den Gegen­ stand des Geschäftes und die Vertragsbedingungen enthält. Er hat ferner die Pflicht, die dem Geschäfte zu Grunde gelegte Waarenprobe aufzubewahren. 7. Endlich kennt das Börsengesetz vom 22. Juni 1896 Kurs­ mäkler. Sie sind Hülfspersonen des Börsenvorstandes und wirken neben diesem mit bei der amtlichen Feststellung des Börsenpreises von Waaren und Werthpapieren. Sie müssen, so lange sie Kurs­ mäkler sind, die Vermittelung von Börsengeschäften in den be­ treffenden Waaren oder Werthpapieren betreiben, also Handels­ mäkler sein, werden aber von der Landesregierung bestellt und ent­ lassen und leisten vor Antritt ihrer Stellung einen Eid (§§ 29—34 enges. Ges., Art. 14 I Einf.-Ges. zum neuen HGB). 8. Ein HeirathSvermittelungsauftrag begrün­ det, waS nach altem Rechte zweifelhaft war, nur eine Natural­ obligation (§ 656 HGB).

§ 135.

Der Verlagsvertrag.

DaS Verlagsrecht ist ein Institut deS modernen Rechtes uikd verdankt seine Ausbildung in Deutschland dem Gewohnheitsrecht und der Landesgesetzgebung. Obwohl die gewerbsmäßige Vornahme von Verlagsgeschäften nach dem früheren und dem jetzigen HGB (Art. 272°, § 1® HGB) ein Handelsgewerbe bildet, den Verleger also zum Kaufmanne macht, hatte sich das HGB der gesetzlichen Re­ gelung des Verlagsrechtes enthalten, und auch das BGB ließ die landesgesetzlichen Vorschriften über das Verlagsrecht unberührt (Art. 76 Einf.-Ges.). Durch Gesetz vom 19. Juni 1901 aber ist es reichsgesetzlich geregelt. Das neue Gesetz behandelt nur den Verlagsvertrag über ein Werk der Literatur oder der Tonkunst, wird aber auf den Verlag von Werken der bildenden Kunst entsprechende Anwendung finden dürfen. Der Verlagsvertrag besteht in der Ueberlassung des Ur­ heberrechts der Ausübung nach und verpflichtet den Verfasser, dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene

392 Rechnung zu überlaffen, den Verleger, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten. Daß der Verleger an den Urheber eine Vergütung zahle, ist dem Verlagsvertrage nicht wesentlich (§ 22). Schon aus diesem Grunde darf man den Verlagsvertrag nicht als Kauf bezeichnen. Da er regelmäßig auch nicht auf eine Theilung von Gewinn und Verlust gerichtet ist. fällt er nicht unter den Begriff des Gesellschaftsver­ trages: er ist ein dem Werlvertrage am nächsten stehendes eigen­ artiges Geschäft. Erfolgt der Verlag auf den Namen und für Rechnung des Urhebers, so spricht man von Selb st Verlag, und ein Verlags­ vertrag wird also nicht geschloffen; geschieht er auf den Namen des Verlegers, aber für Rechnung des Urhebers, so spricht man von Kommissionsverlag. Der Urheber ist zur Herstellung und Uebergabe des zu verlegenden Werkes verpflichtet. Die Verpflichtung zur Herstellung des Werkes ist eine höchstpersönliche, die Erben haben nur die Pflicht, das etwa schon fertiggestellte Werk zu übergeben. Aehnliches gilt, wenn das Werk begonnen, seine Vollendung aber in Folge eines vom Verfaffer nicht zu vertretenden Umstandes un­ möglich geworden ist (§ 34). Auch steht bis zum Beginne der Ver­ vielfältigung dem Verfaffer das Recht zu, gegen Entschädigung des Verlegers wegen der bereits gemachten Aufwendungen vom Ver­ trage zurückzutreten, wenn Umstände eintreten, die ihn von der Herausgabe des Werkes abgehalten haben würden (§ 35). Die Ablieferung des Werkes (in einem für die Vervielfältigung geeigneten Zustande) muß rechtzeitig erfolgen d. h. wenn das Werk fertig ist, sofort, wenn es hergestellt werden soll, in einer dem Zwecke des Werkes entsprechenden, schließlich in einer für die Ver­ hältnisse des Verfassers angemessenen Frist (§ 11). Hält er die Frist nicht ein, so steht dem Verleger der meistens undurchführbare Anspruch auf Erfüllung zu (vgl. §§ 888, 893 CPO); statt dieses Rechtes kann er von der Befugniß der Fristsetzung Gebrauch machen und im Falle der Nichteinhaltung der Frist vom Vertrage zurück­ treten. Stellt sich die Nichteinhaltung der Ablieferungsfrist als Verzug dar, so kann der Verleger die ihm für diesen Fall nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Rechte geltend machen, also insbesondere Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 326 BGB) oder wegen verspäteter Erfüllung verlangen (§ 286). Das Verlagsrecht entsteht erst mit der Ablieferung des Werkes: es besteht in dem ausschließlichen Rechte des Verlegers zur Verviel­ fältigung und Verbreitung des Werkes und wirkt nicht nur gegen

den Sets offet, sondern auch gegen Dtitte. Es ist gtundsätzlich übet« tragbar. Ihm entspricht die dem Verfasset gegenüber bestehende vertrags­ mäßige Verpflichtung des Verlegers, das Werk in der zweck­ entsprechenden und üblichen Weise zu vervielfältigen und zu ver­ breiten, damit aber auch bald nach der Ablieferung des Werkes zu beginnen, für die Korrektur zu sorgen und die vereinbarte Ver­ gütung zu zahlen. Die Vereinbarung braucht keine ausdrückliche zu fein. Der Verlagsvertrag endet, wenn er auf eine bestimmte Zahl von Auflagen oder Abzügen geschlossen ist, sobald diese vergriffen sind, woraus zugleich folgt, daß der Vertrag an sich alle etwaigen Auflagen umfaßt. Der Vertrag endet ferner mit Ablauf der fest­ gesetzten Zeit und mit dem von dem einen oder anderen Theile er­ klärten Rücktritt. Der Verleger hat ein Kündigungsrecht, wenn der Zweck des Werkes nach dem Vertragsabschlüsse wegfällt. Doch behält in diesem Falle der Verfasser den Anspruch auf die Ver­ gütung.

Die Gesellschaft. § 136.

Uebersicht.

1. Unter Gesellschaft versteht man eine durch Vertrag entstandene Personengemeinschaft. Dieser Vertrag bewirkt für sich allein nichts weiter als ein Rechte und Pflichten erzeugende-, die Kontrahenten unter einander verbindendes Rechtsverhältniß. Derartige Verträge kannte daS römische und das deutsche und kennt daS jetzige Recht. Aber in der Auffassung dieses Rechtsverhält­ nisses bestand ein Gegensatz zwischen römischem und deutschem Rechte. DaS römische Recht erblickt in diesem Verhältnisse nichts weiter als ein Kontraktsverhältniß einander selbständig gegen­ überstehender Personen, das deutsche Recht eine die Genossen enger verknüpfende Gemeinschaft, ein Gegensatz, dessen praktische Bedeutung in dem Rechtsverhältnisse des den Gesell­ schaftszwecken dienenden Vermögens hervortritt. Die römische eocietae nämlich hat kein geschlossenes Gesell­ schaftsvermögen: die von den Genossen betn Gesellschafts­ zwecke gewidmeten und die im Betriebe der gesellschaftlichen Thätig­ keit erworbenen Gegenstände werden Miteigenthum der socii zu bestimmten ideellen Antheilen, der Antheil bildet einen frei ver­ äußerlichen, daher auch dem Zugriffsrechte der Gläubiger aus­ gesetzten Vermögensgegenstand des Einzelnen. Daher giebt eS keine

394 Gesellschaftsforderungen, denn hat eine Allen zustehende Forderung einen untheilbaren Gegenstand, so tritt eine solidarische Berechtigung jedes einzelnen Gesellschafters ein; ist ihr Gegenstand theilbar, so bestehen nach dem Grundsätze nomina eunt ipso jure diviea so viele einzelne Theilforderungen als socii vorhanden sind. Es giebt auch keine Gesellschaftsschulden: die im Interesse der Gesellschaft kontrahirten Schulden sind Obligationen der einzelnen Gesellschafter; der Gläubiger kann den einzelnen socius oder alle Gesellschafter verklagen, und hat er einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt, so kann er sich nur an das Vermögen desjenigen Gesellschafters halten, gegen den dieser Titel lautet. Anders das in sehr zahlreichen Abstufungen erscheinende deutsch­ rechtliche Prinzip der „gesummten Hand". Seine praktische Be­ deutung zeigt sich darin, daß es nach ihm ein Gesellschafts­ vermögen giebt, d. h. ein Vermögen, das zwar nicht einem von den Genossen verschiedenen Rechtssubjekte, sondern den Genossen ge­ hört, das aber an den Gesellschaftszweck gebunden und daher der freien Verfügung, mithin auch dem Zugriffsrechte der Gläubiger des Einzelnen entrückt ist. Denn der dem Einzelnen gebührende Antheil ist regelmäßig ein unbestimmter, nur durch eine Theilung zu ermittelnder, jedenfalls ein unlösbarer, er bildet nicht einen in Geld schätzbaren Vermögensgegenstand, sondern das Rechtsverhält­ niß der Theilhaberschaft. Gesellschaftsforderungen stehen weder dem Einzelnen zu einem Theile noch Jedem solidarisch zu, sie können daher nur von allen Gesellschaftern geltend gemacht werden. Ge­ sellschaftsschulden vermindern das Gesellschaftsvermögen, sie können gegen alle socii geltend gemacht werden, und für ihre Befriedigung haftet jedenfalls zunächst das Gesellschaftsvermögen. Die Rezeption des römischen Rechts hat zuerst nicht ver­ mocht, das deutschrechtliche Prinzip zu verdrängen, das vielmehr noch am Ende des 18. Jahrhunderts im preußischen Allgemeinen Landrecht zur Geltung gelangte. Dagegen war die individualistische Richtung des 19. Jahrhunderts dem römischen Rechte günstig, das denn auch im sächsischen Gesetzbuche des Jahres 1863 und im ersten Entwürfe des BGB vom Jahre 1888 beinahe ungetrübt zum Aus­ druck kam. Indessen hatte sich im Handelsrecht das wirthschaftlich zweck­ mäßigere deutschrechtliche Prinzip erhalten und im HGB von 1861 bei Rormirung der offenen Handelsgesellschaft und der Kommandit­ gesellschaft gesetzliche Anerkennung gefunden. Das BGB hat sich vom römischen Recht nicht vollständig losgesagt, sich aber im Wesent­ lichen an deutschrechtliche Grundsätze angeschlossen, so daß zwischen der Gesellschaft des neuen bürgerlichen Rechts und der Handels-

gesellschaft weniger Unterschiede bestehen, als zwischen dieser und der eocietas des römischen Rechts. Es giebt aber auch Gesellschaften, welche juristische Personen sind. Obwohl sie einen Vertrag zur Grundlage haben muffen, tritt bei ihnen mit dem Augenblicke des Daseins der juristischen Person das die Kontrahenten unter einander verknüpfende Rechtsverhältniß an Bedeutung zurück hinter der Thatsache, daß nunmehr ein neues Rechtssubjelt vorhanden ist, dem die gesellschaftlichen Rechte und Pflichten allein zustehen. Von ihnen ist im § 138 die Rede, während die eigentlichen Gesellschaften in § 137 behandelt werden. 2. Das BGB kennt nur eine einzige Gesellschafts­ form, seine Bestimmungen mußten daher auf Gesellschaften der verschiedensten Art berechnet werden. Das HGB dagegen enthält Normen für die v e r s ch i e d e n st e n Gesellschaftsgebilde. Alle Handelsgesellschaften sind Erwerbsgesellschaften, daher ist für sie die Kreditgrundlage von entscheidender Wichtigkeit. Diese Grundlage wird gebildet entweder durch die persönlichen Eigen­ schaften der Mitglieder oder durch ein Kapital: die offene Handels­ gesellschaft ist ausschließlich auf die persönliche Haftung sämmtlicher, die Kommanditgesellschaft auf die persönliche und unbegrenzte Haftung einzelner und die beschränkte Haftung anderer Gesell­ schafter, die Aktiengesellschaft, welche übrigens die Eigenschaft einer juristischen Person hat, ausschließlich auf die Haftung eines Kapi­ tales und damit auf die unbegrenzte Haftung aller Mitglieder ge­ gründet. Eine Art der Kommanditgesellschaft, doch mehr ähnlich der Aktiengesellschaft, ist die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Eine Kapitalgesellschaft ist ferner die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Endlich kann die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen­ schaft auf persönliche oder auf Kapitalhaftung gegründet sein. Aehnlichkeit mit der Kommanditgesellschaft hat die stille Gesrllschaft. Letztere tritt aber nach außen nicht alS Gesellschaft auf. Beide Gesellschaftsformen fanden ihre geschichtliche Grund­ lage in der schon im Alterthum vorkommenden, im Mittelalter ent­ wickelten commenda, d. h. einem „sozietätsmäßigen Kredit­ geschäft'"), das in der Kapitalbetheiligung an einer von einem Anderen betriebenen Erwerbtsthätigkeit bestand und in sehr ver­ schiedenen Formen und zu sehr verschiedenen Zwecken vorkam.

§ 137. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und die Sozietäten des Handelsrechts. 1. Entstehung und Arten. Die Gesellschaft kann nur d u ich Vertrag entstehen.

Nach altem und neuem Rechte grundsätzlich

*) Goldschmidt: Universalgeschichte des Handelsrechts.

1891. S. 262.

396 formfrei, ist der Vertrag nach neuem Recht (§ 313 BGB, 105 Abs. 2, 161 HGB) der gerichtlichen und notariellen Beurkundung dann unterworfen, wenn sich ein Gesellschafter zur Einbringung eines Grundstücks verpflichtet. Daß die offene Gesellschaft und die Kommandit-Gesellschaft indasHandelsregistereinzutrag e n sind (§§ 106—108,161162 HGB), ist nur eine Ordnungsvor­ schrift und hat zur Folge, daß die Wirksamkeit des Gesellschafts­ vertrages Dritten gegenüber, sofern die Gesellschaft nicht schon vor­ her ihre Geschäfte begonnen hat, spätestens mit der Eintragung eintritt (§ 123 HGB), und nur in dem Falle, daß die Eigenschaft eines Unternehmens als eines Handelsgewerbes von der Eintragung einer Firma abhängt, erlangt das etwa schon vorhandene civil­ rechtliche Gesellschaftsverhältniß die Eigenschaft der offenen Handels­ gesellschaft mit der Eintragung. In Uebereinstimmung mit dem bisherigen Rechte bezeichnet das BGB § 705 den Gesellschaftsvertrag als denjenigen Vertrag, durch welchen sich „die Gesellschafter gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten". Diese Begriffs­ bestimmung ist allgemein und enthält daher auch die wesentlichen Merkmale eines jeden Handelsgesellschaftsvertrages. Der Zweck muß ein unerlaubter und möglicher (§§ 138, 306, 309 BGB), er braucht nicht nothwendig ein vermögensrechtlicher zu sein, der Zweck einer Handelsgesellschaft aber ist immer Vermögenserwerb. Durch den Vertrag wird jeder Gesellschafter gegenüber jedem andern Gesell­ schafter verpflichtet; Gegenstand der Verpflichtung kann jede mögliche Leistung sein, selbst bei der Handelsgesellschaft in bloßen Diensten oder in der Verwerthung besonderer persönlicher Eigenschaften (Kenntnisse, Geschäftserfahrung) bestehen. Daher beruht das Wesen der Gesellschaft auf gegenseitigem Vertrauen, wenngleich bei den Er­ werbsgesellschaften zuweilen nur auf dem Vertrauen in die Ver­ mögenskräfte des Anderen. Eine offene Handelsgesellschaft ist eine solche Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet und bei wel­ cher die Haftung der Gesellschafter gegenüber den Ge­ sellschaftsgläubigern nicht beschränkt ist (§ 105 HGB). Auch die Kommanditgesellschaft bezweckt den Betrieb eines Handels­ gewerbes unter gemeinschaftlicher Firma, aber ste hat die Eigen­ thümlichkeit, daß bei einem oder einigen Gesell­ schaftern die Haftung auf eine bestimmte Ver-

mögenseinlage beschränkt (Kommanditisten), bei den anderen Gesellschaftern (persönlich haftenden G., sog. Komplementären) eine unbeschränkte ist (§ 161 HGB). Ist das Kapital der Kommanditisten in Aktien zerlegt, so ist eine KG auf Aktien vorhanden (320 HGB)**). Hier­ nach ist eine Vereinigung zum Betriebe eines einzelnen Handels­ geschäftes, sowie jede Bereinigung zum Betriebe eines Handels­ gewerbes, doch ohne gemeinschaftliche Firma nie eine Handelsgesellschaft; auch die Bereinigungen von Handwerkern und Kleinkauf­ leuten zum Betriebe eines Gewerbes sind nur Gesellschaften des bürgerlichen Rechts (§ 4 HGB). Schon durch seine Begriffsbestimmung lehnt das HGB die fast allgemein verworfene Auffassung der Handelsgesellschaften als juristischer Personen, und durch seinen Hinweis auf das BGB, also auch den § 705, d i e Auffassung ab, als bestehe die Handelsgesell­ schaft nicht in einem gegenseitigen Berpflichtungsverhältniß, sondern nur in der Haftung für die Schulden eines unter gemeinschaftlicher Firma betriebenen Handelsgewerbes. Gesellschaft ist ferner auch die stille Gesellschaft. Sie besteht darin, daß sich Jemand an dem von einem Anderen betriebenen H a n d e l s g e w e r b e mit einer Bermögenseinlage „als stiller Gesellschafter" d. h. mit Antheil am Gewinn und regelmäßig auch mit Antheil am Verluste betheiligt (§ 355 HGB). Ihr fehlt die gemeinschaftliche Firma, daS GesellschaftSverhältniß tritt nach außen nicht hervor, das Handelsgewerbe wird von dessen Inhaber allein und unter seiner Firma betrieben, daher wird er allein berechtigt und verpflichtet, die Mitwirkung deS stillen Gesellschafters besteht nur in der Einzahlung der Ein­ lage. Das Rechtsverhältniß der stillen Gesellschaft hat danach Aehnlichkeit mit dem Darlehn. Aber während der Anspruch auf Rückzahlung deS Darlehns sich gleich bleibt, auch wenn der Darlehnsempfänger Verluste erleidet, nimmt der stille Gesellschafter am Risiko des Unter­ nehmens Theil, er kann also seine Einlage ganz oder theilweise ver­ lieren, wenn er am Berluste betheiligt ist (§ 336 HGB). Ist er, waS nach dem neuen HGB zulässig ist2), nur am Gewinne betheiligt, so ist das Rechtsverhältniß allerdings nur das eines qualifizirten DarlehnS, da es sich in diesem Falle vom einfachen Darlehn nur dadurch unterscheidet, daß der stille Gesellschafter nicht festbestimmte Zinsen, sondern Dividende (Gewinnantheil) zu fordern hat. ') Sie ist »ach neuem Recht mehr Aktiengesellschaft als Kommanditcesellschast. *) Vergl. übrigens RG 31, 33.

398 Die Folge ist, daß die stillt Gesellschaft immer nur zwischen dem Inhaber des Geschäfts und einem stillen Gesellschafter bestehen kann. Derselbe Kaufmann kann aber mit mehreren Personen je eine stille Gesellschaft eingehen, ein Rechtsverhältniss unter den mehreren stillen Genossen entsteht nicht. Hierin liegt ein Unterschied zwischen der stillen Gesellschaft und der Kommandit-Gesellschaft. Der oder die Komplementäre können sich mit mehreren Kommanditisten verbinden, die Kommanditisten treten dann auch untereinander in das Gesellschaftsverhältnih.

2. DaS Rechtsverhältnis; der Gesellschafter untereinander beginnt mit dem Abschlüsse des Gesellschaftsvertrages oder dem darin festgesetzten Ereigniss oder Zeitpunkt und richtet sich nach diesem Vertrage. Die mit der a. pro socio geltend zu machenden Gesell­ schaftspflichten bestehen nach altem und neuem Recht in der durch den Vertrag selbst bestimmten oder aus dem Zwecke der Gesell­ schaft sich bestimmenden Förderung des Gesellschaftszweckes'), insbeson­ dere in der Leistung der bedungenen Beiträge. Denn diese bilden die regelmäßige, sehr häufig die einzige gesellschaftliche Leistung. Hieraus folgt, daß die Befreiung eines Gesellschafters von der Leistungspflicht, also auch vom Verluste, den Vertrag der Eigenschaft eines G e s e li­ sch a f t s Vertrages entkleidet. Aber auch, wenn ein Gesellschafter von den Vortheilen der gemeinsamen Leistungen und nur am Verluste be­ theiligt ist (soc. leonina), ist ein Gesellschaftsvertrag nicht vorhanden. Die Beiträge können ungleiche sein, im Zweifel sind sie nach altem und neuem Rechte gleiche (§ 706 BGB, 105 Abs. 2 HGB). Mit der Leistung des bedungenen Beitrages ist die Pflicht des Gesell­ schafters erschöpft (§ 707), die Vereinbarung, höhere oder andere Beiträge zu leisten, bildet eine Aenderung, vielleicht den Ersatz des Gesellschaftsvertrages durch einen neuen. Der Verzug in der Bei­ tragsleistung hat die allgemeinen an den Verzug geknüpften Folgen (§ 112 HGB, §§ 284—288 BGB, § 352 Abs. 2 HGB). Der a. pro socio kann die e. non implcti contractus ent­ gegengesetzt werden (RG 26, 253). Bei der Erfüllung der Gesell­ schaftspflichten haftet der Sozius nach altem und neuem Rechte für diligentia quam suis (§ 708). Hierzu tritt ein Kon­ kurrenzverbot nach §§ 112, 113, 165 HGB. Zur Führung der Gesellschaftsgeschäfte sind alle Gesellschafter berechtigt und nach HGB (§ 114) auch verpflichtet. Das einzelne Geschäft bedarf nach dem BGB (§ 709) in der Regel der Zustimmung aller Gesellschafter, weil jedes gemeinsame Ge>) Vergl. die interessante, auch nach neuem Recht anwendbare 1. 58 D. 17,2.

schüft zugleich ein Geschäft jedes Einzelnen ist. Abweichungen von diesem Prinzip (Entscheidung nach Stimmenmehrheit, Uebertragung der Geschäftsführung auf einen oder mehrere Gesellschafter. Aus­ stattung jedes einzelnen Gesellschafters mit der Befugniß, für die Gesellschaft zu handeln), müssen daher im Gesellschaftsvertrage vor­ gesehen sein (§§ 709—711 BGB, 114, 119 HGB). Wo Stimmen­ mehrheit maßgebend ist, entscheidet im Zweifel absolute Personen­ mehrheit. Das HGB (§ 115) weicht im Interesse rascher Ab­ wicklung der Handelsgeschäfte von diesem Grundsatz ab, indem es jedem geschäftsführenden Gesellschafter die Ermächtigung ein­ räumt, allein zu handeln, jedem anderen geschäftsführenden Gesell­ schafter aber das Recht giebt, die Vornahme des Geschäfts durch seinen Widerspruch zu verhindern. Das Gleiche tarnt bei der civil­ rechtlichen Sozietät bedungen werden (§ 711 BGB). Das trotz des Widerspruches vorgenommene Geschäft, gegenüber den anderen Gesellschaftern ein rechtswidriger Akt, ist gültig, wenn es im Be­ reiche der Bertretungsmacht liegt. In der Uebertragung der Geschäftsführung auf einen oder mehrere Gesellschafter ist zugleich der Ausschluß der anderen Gesell­ schafter von der Geschäftsführung enthalten (§§ 710 BGB, 141 HGB). Die Kommanditisten und natürlich der stille Gesell­ schafter sind kraft Gesetzes (§§ 164, 335 HGB) sowohl von der Geschäftsführung als vom Widerspruchsrechte ausgeschlossen. Die übrigens widerrufliche und kündbare (§§ 712 BGB, 117 HGB) Uebertragung macht den socius gerens nicht zum Mandatar seiner Genossen, die Geschäftsführung ist vielmehr Ausfluß seiner Stellung als Gesellschafter, daher haftet er auch hierbei nur für diligentia quam suis. Seine Stellung ist aber eine mandatsähnliche, tS finden daher auf sie einzelne Mandatsgrundsätze Anwendung (§§ 713, 664—670 BGB). Der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter hat ein weitgehendes Jnformationsrecht (§§ 716 BGB, 118, 166, 338 HGB). 3. Das Gesellschaftsvermögen besteht aus den etwa von den Gesellschaftern gemachten Einlagen, aus ihren Beiträgen und auS dem. was durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworben wird. B e i t r a g ist alles das, was der Gesellschafter in Erfüllung seiner Vertragspflicht für die Gesellschaft leistet, weshalb auch die Leistung von Diensten Beitrag ist. Einlage ist alles, was ein Gesellschafter aus seinem Privatvermögen ausscheidet und dem Ge­ sellschaftszwecke toibmet1). Die Herstellung einer Einlage enthält daher einer Veräußerung. J) Diese Begriffsbestimmung folgt aus §§ 718, 733 Abs. 2 BGB.

400 Die Einlage kann, wie beim Kommanditisten und den stillen Ge­ sellschaftern, von vornherein fest bestimmt sein. Die Beiträge können zum Gebrauch oder zum Eigenthum überlasten werden, im Zweifel wird das letztere angenommen, wenn vertretbare oder verbrauchbare Sachen geleistet werden.bei anderen Sachen gilt diese Vermuthung nur dann, wenn sie nach einer Schätzung beizutragen sind, die nicht blos für die Gewinnvertheilung bestimmt ist, also wenn res venditionis causa aestimatae eingebracht werden (§ 706 BGB). Werden beweg­ liche Sachen überlassen, so genügt die Eigenthumsübertragung durch constitutum possessorium (§ 930 BGB), das im Abschlüsse des Gesellschaftsvertrages gefunden werden kann. Zur Ueberlassung des Eigenthums an unbeweglichen Sachen bedarf es nach neuem Rechte der Auflassung (§§ 873, 925 BGB). Das Gesellschaftsvermögen ist nach neuem und Handelsrecht ein geschlossenes, d. h. es ist nicht etwa nur thatsächlich, sondern rechtlich vom Vermögen der einzelnen Gesellschafter getrennt. Daher unterliegt es. dem Prinzip der „gesammten Hand" gemäß, nur der gemeinschaftlichen Verfügung aller Gesellschafter. Der Ge­ sellschafts a n t h e i l besteht nicht, wie nach römischem Recht, in einem ideellen und frei veräußerlichen Miteigenthumsantheil an allen einzelnen zum gemeinschaftlichen Vermögen gehörigen Stücken, sondern in dem Rechtsverhältniß, in welchem sich der ein­ zelne Gesellschafter gegenüber seinen Genossen befindet, das dingliche Rechte wie obligatorische Ansprüche begründen kann und an die Stelle der für die Gesellschaft hingegebenen Vermögensgegenstände tritt. Bei den Handels- und anderen Erwerbsgesellschaften bilden die ein­ zelnen Vermögensgegenstände nur Theile eines dem Betriebe dienen­ den Kapitales. Die Antheile sind daher bei ihnen reineWerthoderKapitalantheile (vgl. §§ 120—122 HGB), die infolge Ab- und Zuschreibung von Gewinn und Verlust wechseln und sich nach jedem Rechnungsabschluß in einer bestimmten Geld­ summe darstellen lassen, auch wenn augenblicklich baares Geld in der Gesellschafts-Kasse überhaupt nicht vorhanden ist. Der Gesellschafter kann daher weder über seinen Antheil am Gesellschafts vermögen, noch an den einzelnen dazu gehörenden Gegen st änden verfügen, er kann seinen Gläubigern daran keine Rechte einräumen, er kann auch nicht Theilung verlangen (§ 719). Der Verfügung des Gesellschafters unterliegen nur die aus jenem Rechtsverhältniß entsprungenen Ansprüche auf be­ stimmte oder bestimmbare Summen oder Sachen: insbesondere die durch die Geschäftsführung entstandenen Forderungen (z. B. auf Dergütung), soweit sie vor der Auseinandersetzung befriedigt werden können, die Forderungen auf einen Gewinnantheil, sowie die An-

sprüche auf das, was dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung zufallen wird (§ 717). Hieraus folgt, daß der Gesellschafter nicht an seiner Stelle einen Anderen in das Gesellschafts Verhältniß eintreten lassen kann, er kann nur jene ihm bereits erworbenen An­ sprüche abtreten. Da indessen der Gesellschaftsantheil als Grund­ lage einer Reihe möglicher Vermögensansprüche selbst einen Set» mögenswerth hat und also zum Vermögen des Sozius gehört, so unterliegt er auch der Pfändung durch die Privatgläubiger des Ge­ sellschafters und gehört zu seiner Konkursmasse. Dem Zugriffe der Gläubiger unterliegt der Antheil nur insofern, als der Pfändungs­ gläubiger sowie die Konkursgläubiger auf Grund der Pfändung und eines endgültig vollstreckbaren Schuldtitels die Gesellschaft ohne Ein­ haltung einer Kündigungsfrist kündigen und nach Ueberweisung des Anspruchs auf das, was dem Gesellschafter bei der Auseinander­ setzung zufallen wird, Befriedigung erlangen können. Die Gläubiger können aber auch die oben bezeichneten, der Verfügung des Sozius unterliegenden Ansprüche, so lange die Gesellschaft besteht, nicht geltend machen (§§ 717—720, 726 BGB, § 135 HGB, 859 CPO, 16, 61 KO). Die Geschlossenheit deS Gesellschafts-Vermögens zeigt sich endlich darin, daß der Antheil eines ausscheidenden Gesellschafters seinen Genossen anwächst und daß nur der Geldwerth deS Antheils aus­ gezahlt wird (§ 738 BGB). Das HBG geht in der Schaffung eines selb­ ständigen Gesellschaftsvermögens weiter als das bürgerliche Recht: nach römischem Rechte war ein Konkurs über das Gesellschaftsvermögen eben so wenig möglich, als es nach jetzigem Recht einen Konkurs über das Vermögen einer stillen Gesellschaft geben kann; aber auch das BGB kennt einen Ge­ sellschaftskonkurs nicht, wohl aber ist ein von dem Konkurse über daS Vermögen eines Sozius unabhängiger Konkurs über das Vermögen der offenen Handel s- Gesellschaft und der Kommandit-Gesellschaft zulässig (§§ 131* u. ", 144 HGB, 209 KO). An diesem Konkurse dürfen nu? die Gesellschaftsgläubiger Theil nehmen. Zur Zwangs­ vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen bedarf es eines gegen die Firma gerichteten Schuldtitels (§ 129 Abs. 4 HGB). Endlich er­ scheint der Handelsgesellschaftsantheil, wie oben bemerkt, geradezu als bloßer Kapital antheil. 4. Den Rechnungsabschluß und die Getoinnvertheilung kann nach BGB § 721 der Gesellschafter erst nach Auflösung der Ge­ sellschaft verlangen; ist die Gesellschaft aber von längerer Dauer, so findet Rechnungsabschluß und Gewinnvertheilung im Zweifel nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres statt. Für die HandelsgesellSigtlmann, d. bürgerliche «echt Deullchland». Hl. Huf!.

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402 schäften ist die jährliche Gewinn- und Verlustberechnung, durch aller­ dings dispositive Gesetzesbestimmung, vorgeschrieben (§§ 120, 161, 167 HGB). Nach altem und neuem bürgerlichen Rechte (§ 722) wird Ge­ winn und Verlust nachKöpfen getheilt. Das HGB räumt der Verschiedenheit der Kapitalberechnung da­ durch Einfluß ein, daß es jedem Genossen aus dem Jahresgewinne zunächst 4 Prozent und bei geringerem Gewinn einen entsprechend niedrigeren Prozentsatz jenes Kapitalantheils zubilligt und nur den Rest des Gewinnes nach Köpfen vertheilt. Der V e r I u ft dagegen wird ausschließlich nach Köpfen vertheilt (§§ 120, 121 HGB). Der Gewinn wird dem Kapitalantheile zugeschrieben, der Verlust abgeschrieben; abgeschrieben wird natürlich auch das im Laufe des Jahres auf den Kapitalantheil entnommene Geld. Da die Gesellschafter sich meist mit ihrem ganzen Vermögen oder einer erheblichen Vermögensquote an der Gesellschaft betheiligen, ist ihnen gestattet, jedes Jahr 4 Prozent ihres Kapitalantheiles gleichsam wie einen Kapitalzins zu erheben. Erreicht der Gewinn nicht jene 4 Pro­ zent, so vermindert sich in Folge dessen der Kapitalantheil. Uebersteigt der Gewinn 4 Prozent, so ist der Gesellschafter auch zur Er­ hebung des Mehrbetrages befugt, soweit er damit nicht offenbar die Gesellschaft schädigt (§§ 120—122 HGB). Dieselben Grundsätze finden Anwendung auf die Komplemen­ täre einer Kommandit-Gesellschaft, während beim Kommanditisten zwischen Einlage und Kapitalantheil zu unter­ scheiden ist: die Einlage dieses ist der in einer Geldsumme aus­ gedrückte Betrag, welchen der Kommanditist dem Gesellschaftszwecke zu widmen verpflichtet ist und der stets gleich bleibt, Ka­ pitalantheil aber die dem steten Wechsel unterworfene Summe, welche durch die auf die Einlage wirklich geleisteten Ein­ zahlungen und durch die Zu- oder Abschreibungen von Gewinn und Verlust gebildet wird. Nur von diesem Kapitalantheile wird der Ge­ winn berechnet, und er wird dem Kapitalantheile so lange zuge­ schrieben, bis dieser die Höhe der Einlage erreicht. Ist sie erreicht, so darf der Kommanditist den Gewinn erheben, und der nicht erhobene Gewinn erhöht nicht die fest begrenzte Einlage, sondern bildet den Gegenstand einer gewöhnlichen Forderung des Kommanditisten, der insoweit nicht Genosse, sondern Gläubiger seiner Genossen ist. Am Verluste nimmt der Kommanditist nur bis zur Höhe seines Kapital­ antheils und seiner etwa rückständigen Einlage Theil (§§ 167—169 HGB). Bei der Gewinnberechnung der stillen Gesellschaft ent­ scheidet über den Gewinnantheil mangels ausdrücklicher Verein-

barung das den Umständen entsprechende Ermessen. Die Gewinnberechnung erfolgt jährlich, und der festgestellte Gewinn wird an den stillen Gesellschafter ausgezahlt, so lange aber seine Einlage durch Verlust gemindert ist, zur Deckung des Verlustes verwendet; am Ver­ luste nimmt der stille Gesellschafter nur bis zum Betrage seiner Ein­ lage Theil, und hinsichtlich des nicht erhobenen Gewinnes gilt dasselbe wie bei der Kommanditgesellschaft (§§ 336, 337 HGB). 6. Im Rechtsverkehr mit Dritten gelten nach altem und neuem Rechte die allgemeinen Grundsätze von der Stellvertretung. Wurden nach diesen alle Gesellschafter berechtigt, so erwarb nach gemeinem Rechte der Einzelne einen ideellen Eigenthumsantheil an der erworbenen Sache, eine Theilforderung an der erworbenen theilbaren Forderung, solidarische Berechtigung betrefft des er­ worbenen untheilbaren Rechtes. Wurde für die Gesellschafter eine Verpflichtung begründet, so trat nach gemeinem Recht antheilige Haftung ein, wenn alle Gesellschafter kontrahirt hatten oder einer Namens aller Gesellschafter, dagegen solidarische Haftung, wenn ein Dritter Namens der Gesellschafter gehandelt hatte (?). Nach BGB und HGB wird die für alle Gesellschafter er­ worbene Forderung Gesellschaftsvermögen, eS tritt also für den einzelnen Genossen weder eine antheilige, noch eine solidarische Berechtigung ein (§§ 718—720 BGB). Die Schulden der Gesellschaft sind Schulden der Gesellschafter; daher die soli­ darische Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden (§§ 427, 431 BGB. § 128 BGB). Der Gesellschafter haftet für die Schuld der Gesellschaft mit dem zu Zwecken der Gesellschaft gewid­ meten (dem Gesellschaftsvermögen) und mit dem zu seiner Verfügung gebliebenen, dem sog. Privatvermögen. Nur der Umstand, daß die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma verklagt werden kann, hat dazu geführt, die zwangsweise durchzusetzendeBefriedigung des Gläubigerwegen einer Gesellschaftsschuld bei der gewöhnlichen Gesellschaft von einer anderen Voraussetzung abhängig zu machen als bei der Handels­ gesellschaft. Will nämlich der Gläubiger Befriedigung aus dem Ver­ mögen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes suchen, so muß er einen gegen alle Gesellschafter gerichteten vollstreckbaren Schuldtitel erlangen (§§ 736, 750 CPO). Die Klage mutz daher gegen alle Mitglieder der Gesellschaft erhoben werden. Zur Zwangsvollstreckung in das Handelsgesellschafts-Vermögen bedarf es eines gegen die Ge­ sellschaft gerichteten Schuldtitels (§§ 124, 161 HGB). Dieser Titel reicht auch dann aus, wenn nach Erlaß des Urtheils ein Wechsel der Mitglieder stattgefunden hat. Will der Gläubiger Befriedigung aus dem Privatvermögen eines einzelnen Gesellschafters suchen, so muß er einen gegen diesen persönlich gerichteten Schuldtitel erlangen (vgl. 26*

404 § 129 HGB). Um also die Zwangsvollstreckung sowohl in das Ver­ mögen der Handels-Gesellschaft, als in das der einzelnen Handels­ gesellschafter zu bewirken, bedarf es eines gegen die Firma und zu­ gleich gegen die Personen der Mitglieder gerichteten Schuldtitels. Die Haftung der Mitglieder einer zivilrechtlichen, einer offenen Handels-Gesellschaft und der Komplementäre einer Kommandit-Gesellschaft ist eine unbeschränkte, die der Komman­ ditisten eine auf die Einlage beschränkte, aber in Höhe des Rückstandes der Einlage unmittelbare, während mit der Einzahlung der Einlage die unmittelbare Haftung erloschen ist. Der gegen den Gesellschafter gerichteten Klage eines Gesellschaftsgläubigers stehen nicht blos die dem Beklagten persönlich, sondern auch die der Gesellschaft selbst zustehenden Einwendungen entgegen, der Beklagte kann daher zwar nicht mit einer Gesellschafts­ Forderung kompensiren, wohl aber die Zahlung mit dem Hinweise auf die Möglichkeit dieser Kompensation verweigern (§ 129 HGB). Im Konkurse des Gesellschaft e r s haben die Gesellschafter an dem bei der Theilung ermittelten Gesellschafts-Antheile des Ge­ meinschuldners ein Absonderungsrecht (§ 51 KO). Ist nur über das Vermögen der Handelsgesellschaft Konkurs eröffnet, so stnd die Gesellschaftsgläubiger nach neuem Rechte nicht gehindert, den vollen Betrag ihrer Forderungen im Konkurse und daneben von den persönlich haftenden Gesellschaftern zu verlangen. Ist dagegen auch über das Privatvermögen dieser Gesellschafter Konkurs er­ öffnet, so verwandelt sich zu Gunsten der Privatgläubiger der Ge­ sellschafter deren Prinzipale Haftung in eine subsidiäre, d. h. auf den Ausfall, den die Gesellschaftsgläubiger im Gesellschaftskonkurse er­ leiden, beschränkte (§§ 68. 212 KO. 128 HGB). Die Stellvertretungsbefugniß ist nach BGB 714, 715) im Zweifel in der Geschäftsführungsbefugniß mit ent­ halten, nach dem HGB (§§ 125,126) dagegen an diese Voraussetzung nicht geknüpft. Berechtigt und verpflichtet aus den für die Gesell­ schaft vorgenommenen Rechtsgeschäften sind immer nur die einzelnen Mitglieder, denn wenngleich die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma Rechte erwirbt und Verbindlichkeiten eingeht, so ist damit kein Rechtssubjekt, sondern nur eine zusammenfassende Bezeich­ nung für die durch das Gesellschafts-Verhältniß verbundenen Per­ sonen gegeben (§§ 124, 161 HGB). Wer in eine bestehende zivilrechtliche Gesellschaft eintritt, nimmt zwar an den Rechten der Gesellschaft fortan Theil und muß sich die Befriedigung der Gesellschafts-Gläubiger aus dem nun auch ihm mit­ gehörigen Gesellschafts-Vermögen gefallen lassen, eine persönliche Haftung für die Gesellschafts-Schulden aber tritt nur im Falle der

Schuldübernahme ein; wer dagegen in eine Handels-Gesellschaft ein­ tritt, wird dadurch ohne weiteres persönlicher Schuldner der bis­ herigen Gesellschafts-Gläubiger (§ 130 HGB). 6. Endigung. DaS Gesellschaftsverhältniß endigt nach altem und neuem Rechte mit Ablauf der Zeit, für welche es eingegangen, mit Eintritt der Resolutivbedingung, mit Erreichung deS Zweckes oder mit Eintritt der Unmöglichkeit dieses Zweckes durch Eröffnung des Konkurses über daS Vermögen eines Gesellschafters, durch den Tod eines Gesellschafters, durch Kündigung und durch Beschluß aller Genossen, nach dem HGB (§ 131) tritt zu diesen Auflösungsgründen der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft und gerichtliche Entscheidung hinzu. Eine Abweichung des neuen Rechts und deS Handelsrechts vom gemeinen Rechte liegt darin, daß das Ausscheiden eines Mitgliedes nicht wie bisher die Auflösung der Gesellschaft unter allen Umständen zur Folge hat. Denn reine Erwerbsgesellschaften werden durch das Ausscheiden eines Mitgliedes meistens nicht in der Weise berührt, daß nicht die Errreichung des Gesellschafts-Zweckes für die übrigen Mitglieder noch immer möglich bliebe. Es ist daher zugelassen, daß für diese Fälle der Fortbestand der Gesellschaft im Gesellschafts-B ertrage vorgesehen werde (§§ 727, 736, 737 BGB, 131 \ 137, 138, 139 HGB). und wird der Kon­ kurs einer Handelsgesellschaft durch Zwangsvergleich oder Einstellung deS BerfahrenS beendet, so können die Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Geräth eine KommanditgesellschaftinKonkurS. so gehören die Einlagen zur Masse. Der Kommanditist hat einen Anspruch nur auf den n a ch Befriedigung der Gesellschafts-Gläubiger etwa verbliebenen Rest nach Maßgabe seines Kapitalantheils (§§ 165, 161 HGB). Geräth bei der stillen Gesellschaft der Inhaber des Handelsgewerbes in Konkurs, so bildet zwar die Einlage des stillen Gesellschafters einen Bestandtheil der Masse, von dem Betrage der Einlage aber verliert er nur soviel, als seinem Antheil am Ver­ luste entspricht, auf den diesen Betrag übersteigenden Rest seiner Ein­ lage hat er einen Anspruch als Konkursgläubigers. Insoweit steht er den Gläubigern gleich, während der Kommanditist ihnen nachsteht. Der Tod eines Kommanditisten ist einflußlos. Die Kündigung eines auf unbestimmte Zeit eingegangenen Gesellschafts-Verhältnisses — und als solches gilt die auf die Lebens•) Z. B. er nimmt mit einer Einlage von 10 000 M. zu 10 Prozent am Verluste Theil. Die Folge ist. daß et 1000 M. verliert, 9000 M. aber als Konkursgläubiger anmelden kann (§ 341 HGB).

406 zeit eines Gesellschafters eingegangene Gesellschaft — kann nach BGB zu jeder Zeit (§ 723), nach HGB nur für den Schluß eines Ge­ schäftsjahres und nur wenigstens 6 Monate vor diesem Zeitpunkte stattfinden. Ist die Gesellschaft auf bestimmte Zeit eingegangen, so kann nach BGB (§ 723) gleichwohl vorher eine Kündigung statt­ finden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Das HGB (§ 133) hat dagegen im Interesse der Verkehrssicherheit sowohl in diesem Falle als auch gegenüber einer Gesellschaft von unbestimmter Dauer den Gesellschaftern nur das Recht eingeräumt, die Auflösung der Ge­ sellschaft im Wege der Klage herbeizuführen. Denn in diesem Fall endet die Gesellschaft erst mit der Rechtskraft des Urtheils, im Falle der Kündigung aber schon mit der Abgabe dieser Willenserklärung (§ 130 BGB). Unzeitige Kündigung hatte nach römischem Rechte die Folge, daß der Kündigende fortan vom Gewinne ausgeschlossen war, am Verluste aber noch weiter Theil nahm (soeium a ae, non so a socio liberal); nach neuem Recht hat sie volle Wirkung, ver­ pflichtet aber zum Schadensersatz (§ 723). Kündigen kann nicht blos jeder Gesellschafter — auch wenn er auf das Kündigungsrecht verzichtet hat (§ 723) — sondern auch der Privatgläubiger eines Ge­ sellschafters, der den Gesellschaftsantheil seines Schuldners hat pfänden lassen, nach BGB fristlos (§ 725), nach HGB nur sechs Monate vor dem Schluß eines Geschäftsjahres, und nur z u diesem Zeitpunkte, und auch dies nur dann, wenn innerhalb der letzten sechs Monate eine (von ihm oder einem Anderen betriebene) Zwangs­ vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesellschafters ohne Erfolg geblieben ist (§ 135 HGB). 7. Nach der Auflösung der Gesellschaft erfolgt die Auseinander­ setzung nach Maßgabe der §§ 730—735 BGB. Sie besteht in der Beendigung der schwebenden Geschäfte, Berichtigung der Gesellschafts­ Schulden, Rückerstattung der Einlagen und Theilung des Restes nach Verhältniß der für die Gewinnvertheilung maßgebenden Antheile. Reicht das Vermögen der Gesellschaft zur Tilgung der Schulden und zur Erstattung der Einlagen nicht aus, so müssen die Gesellschafter nach Maßgabe der für die Verlustberechnung maßgebenden Antheile den Ausfall decken. Während der Auseinandersetzung „gilt" die Gesellschaft als fortbestehend für die Zwecke der Theilung, d. h. es besteht eine Gemeinschaft, welche noch von dem Gesellschafts-Verträge beherrscht wird. Auch die Mitglieder einer Handelsgesellschaft können jede Art der Auseinandersetzung wählen. Machen sie von dieser Befugniß keinen Gebrauch, so tritt die Liquidation ein, es sei denn, daß die Auflösung durch den Konkurs der Gesellschaft herbeigeführt worden wäre. Die Liquidation besteht in der Beendigung der

laufenden Geschäfte, der Einziehung der For» derungen, der Versilberung des übrigen Ver­ mögens, der Befriedigung der Gläubiger und der Vertheilung des Re st es an die Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Kapitalantheile (§ 145 ff.). Bei der Liquidation hören die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugniß auf (wie nach § 730 Abs. 2 BGB), die Gesellschafter sind als Theilhaber der Gemeinschaft zur Besorgung der Liquidation befugt, doch können sie Einzelne von ihnen oder Fremde zu Liquidatoren bestellen, es können aber auf Antrag auch nur eines Gesellschafters aus wichtigen Gründen vom Gericht Liquidatoren bestellt werden (§§ 145—158, 161 HGB). Im Falle der Auflösung einer stillen Gesellschaft tritt eine ein­ fache Auseinandersetzung ein.

§ 138. Die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf ANien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1. Geschichte'). Daß den Römern die Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft bekannt gewesen sei, ist nicht nachweisbar, denn die Nachrichten über die soc. publicanorum sind zu dürftig. Diese societates waren Bereinigungen von Personen, welche vom römischen Staate vorzugsweise die Einkünfte aus den indirekten Abgaben pachteten. Zur Aufbringung der Pachtsummen bedurfte eS erheblicher Kapitalien, die nur durch Beiträge zahlreicher Personen gebildet werden konnten. Diejenigen Personen nun, welche mit dem Staate kontrahierten, die mancipes oder socii, hafteten jedenfalls nach den Grundsätzen der gewöhnlichen societas, neben ihnen aber standen affines, Personen, die wahrscheinlich nur eine Geldeinlage machten. Es ist aber zweifelhaft, ob diese als Gesellschafter in die Gesellschaft, oder nur in ein Rechtsverhältniß zu einem einzelnen, bestimmten socius traten. Die Entstehung der Aktiengesellschaften ist vielmehr in den im 15. Jahrhundert in einzelnen italienischen Städten be­ gründeten Vereinigungen von Staatsgläubigern zu suchen. Die erste derartige Gesellschaft ist die St. Georgsbank in Genua, welcher die Ambrosiusbank in Mailand folgte. Die Mitglieder dieser Ber­ einigungen brachten ein Kapital (einen mons) auf, welches in gleiche Antheile (loca) zerlegt wurde. Jeder Antheil bildete eine Partial­ obligation, die vererblich und veräußerlich war. Der Eintritt in die Gesellschaft der Gläubiger wurde als Kauf (compera) des Antheils behandelt. Die Gläubiger waren genossenschaftlich verbunden und bezogen aus Staatseinkünften einen Zins, später eine Dividende.

*) Jetzt besonders Lehmann: Das Recht der Aktiengesellsch. 1898. S. 4. ff.

408 Mit dem Beginnt des 17. Jahrhunderts entstanden zunächst in den Niederlanden jene großen Handelskompagnien, welche koloniale Zwecke verfolgten (zuerst die Niederl.-Ostindische 1602, dann die Niederl.Westindische Kompagnie 1621). Diese Gesellschaften, denen später Vereine mit anderen Zwecken folgten und auf welche die Rechtsinstitute der commenda und der Rhederei Einfluß übten, tragen das Gepräge von Aktiengesellschaften. Gesetzgeberische Regelung erfuhr die Aktiengesellschaft zuerst durch den code de commerce, welcher sie als sociötä anonyme be­ zeichnet. In Deutschland behandelten die Aktiengesellschaft zu­ erst zwei preußische Gesetze. Eine umfaffende gesetzliche Regelung erhielt das Aktiengesellschaftsrecht durch das HGB von 1861. Nach ihm war die Entstehung einer Aktiengesellschaft von st a a t l i ch e r Genehmigung abhängig, während den Landesgesetzen überlassen war, dasselbe Erforderniß auch für die Entstehung von KommanditGesellschaften auf Aktien vorzuschreiben. Durch Ges. vom 5. 6. 69 wurde das HGB zum norddeutschen Bundesgesetz und bei Errichtung des Reiches zum Reichsgesetz erhoben. Mittlerweile hatte die Novelle vom 11. Juni 1870 für beide Gesellschaftsformen das Erforderniß staatlicher Genehmigung aufgegeben und war zum System der N o r mativbedingungen übergegangen. Nach ihm entstand die Gesellschaft als solche mit der Eintragung ins Handelsregister, und die Eintragung mußte erfolgen, wenn einigen, im wesentlichen for­ malen Erfordernissen genügt war. Das in dieser Weise geänderte Gesetz ermöglichte zahlreich« Uebervortheilimgen des Publikums, insbesondere dadurch, daß das Gesetz über die Gründung der Aktien­ gesellschaften keine Bestimmungen gab und die Frage nach der Ver­ antwortlichkeit der Gründer dem in dieser Hinsicht unzulänglichen allgemeinen Recht überließ. Diesen Mangel zu beseitigen, war der Zweck des Gesetzes vom 18. Juli 1884. Erreichen wollte es das Ziel dadurch, daß es die Offenlegung und Prüfung der Gründungshergänge vorschrieb und die Berantwortlichkeit aller hierbei betheiligten Personen erheblich steigerte; auf das Erforderniß staatlicher Genehmigung ist das Gesetz nicht wieder zurückgekommen. Da es sich im wesentlichen bewährte, wurden seine Bestimmungen mit geringen sachlichen Aenderungen, doch in über­ sichtlicherer und klarerer Form in das neue HGB vom 10. Mai 1897 übernommen (Buch II Abschnitt 3 und 4, §§ 178—334). Die Aktienkommanditgesellschaft ist mehr und mehr außer Ge­ brauch gekommen, denn die persönliche Haftung eines oder mehrerer Komplementäre hat dann nichts zu bedeuten, wenn, wie es häufig geschieht, ein rascher Wechsel der Komplementäre stattfindet oder ver­ mögenslose Personen in diese Stellung gewählt werden.

Man erblickte indessen seit längerer Zeit in dem Fehlen einer Gesellschaftsform, welche daS geringere Risiko der Aktien-Betheiligung mit dem Vortheile einer festeren Bindung der Gesellschafter an daS Unternehmen vereinigte, eine Lücke unseres Gesellschaftsrechts. Die Form der Aktiengesellschaft ist vermöge ihrer festen Organisation eine äußerst verwickelte, sie eignet sich nur für große Unternehmungen mit einer erheblichen Mitgliederzahl, und die Mitglieder verlieren da­ durch, daß sie nicht mehr als die Aktie verlieren können, ihr Kapital aber fremder Verwaltung ausantworten müssen, das Interesse für das Unternehmen. Die rein individualistische offene Handels­ gesellschaft aber ist mit der Gefahr persönlicher unbeschränkter Haftung verbunden. Dazu kam, daß sich zahlreiche Kreise durch die strengen Vorschriften, welche das Aktiengesellschaftsrecht jetzt beherr­ schen, beengt fühlten. Man schuf daher zunächst in dem Gesetze be­ treffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete vom 15. März 1888 für Kolonialgesellschaften und dann in dem Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892 eine Form für Personenverbindungen, die sich stark an die bergrechtliche Gewerkschaft anlehnt, die Dertragsfreiheit in ausgedehntestem Maße wahrt und eine allen Be­ dürfnissen genossenschaftlichen Lebens entgegenkommende Anpassungs­ fähigkeit besitzt, aber auch die Möglichkeit unlauteren GebahrenS wieder einführt. 2. Begriff, a) Die Aktiengesellschaft ist eine mit bestimmter Organisation ausgestattete Personenvereinigung, welche ein in Aktien, d. h. gleiche Antheile zerlegtes Grundkapital hat und an welcher sich die sämmtlichen Mit­ glieder (Aktionäre) nur mit Aktien betheili­ gen, ohne persönlich für die Verbindlichkei­ ten der Gesellschaft zu haften; für ihre Verbind­ lichkeiten haftet nur daS Grundkapital. Hierin liegt der Unterschied von der Kommanditgesellschaft auf Aktien. b) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist ein Personenverein von bestimmter Ver­ fassung, an welchem sich eine oder mehrere Personen als persönlich und unbeschränkt haf­ tende Mitglieder (Komplementäre), andere nur mit Aktien (Kommanditisten oder Aktionäre) betheiligen. Für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft haftet also nicht blos das in Aktien zerlegte Grundkapital, sondern zugleich der oder die Komplementäre persönlich. c) Die Gesellschaft mit beschränkter Haf-

410 tung ist ein Personenverein, dessen Stamm­ kapital in ungleiche Antheile zerlegt sein kann und dessen Mitglieder sich nur mit Stammeinlagen betheiligen, s i ch aber auch zu Nachschüssen verpflichten können, ohne per­ sönlich und unbeschränkt für die Verbind­ lichkeiten der Gesellschaft zu haften. Für ihre Verbindlichkeiten haftet lediglich das Gesellschaftsvermögen. Sie gleicht der Aktiengesellschaft in der beschränkten Haftung der Mit­ glieder, unterscheidet sich von ihr aber durch die zugelassene Ungleich­ heit und erschwerte Veräußerlichkeit der Antheile, durch die Organisa­ tion und durch die Zulassung einer Nachschubpflicht. Alle diese Gesellschaften sind juristische Personen. Für die Kommanditaktiengesellschaft ist dies lebhaft bestritten, folgt aber jetzt aus §§ 320, 210 HGB. Sie sind sämmtlich Handels­ gesellschaften, auch wenn das Unternehmen nicht im Betriebe von Handelsgeschäften besteht. 3. Gesellschaftsantheil, a) Der Antheil des einzelnen Mitgliedes einer Aktiengesellschaft und des Kommanditisten einer Kommandit­ aktiengesellschaft heißt Aktie. Er ist kein Forderungsrecht des Mit­ gliedes gegen die Gesellschaft, auch nicht ein EigenthumSantheil am Vermögen der Gesellschaft, denn das Vermögen gehört der Körper­ schaft, nicht den einzelnen Mitgliedern; er ist das Rechtsver­ hält n i ß, in welchem das Mitglied zum Ganzen steht und das sich in der Begründung von personenrechtlichen Rechten und Pflichten (Stimmrecht, Annahme von Aemtern), sowie in der Erzeugung ver­ mögensrechtlicher Ansprüche auf Auszahlung von Gewinn und Ausantwortung eines Theiles des Vermögens der ausgelösten Gesellschaft äußert. Diese letzteren Rechte bilden die Einzel-, Sonder-, Indivi­ dualrechte der Mitglieder. Der Gesellschaftsantheil hat demnach einen Vermögenswerth, der nicht mit seinem Nennwerthe überein­ zustimmen braucht; er ist deshalb Gegenstand vermögensrechtlicher Geschäfte und unterliegt betn Zugriffsrechte der Gläubiger des Ge­ sellschafters. Die Uebertragbarkeit des Antheils ermöglicht einen steten Wechsel der Mitglieder, und es können sich mehrere, ja sogar alle Antheile in einer einzigen Person vereinigen. Die Uebertragbarkeit wird dadurch erleichtert, daß man die Antheile in Werthpapieren verkörpert; man bezeichnet deshalb mit dem Wort Aktie auch den Aktienschein; er kann auf den Inhaber oder auf den Namen des Gesellschafters lauten (§§ 179, 222, 320 HGB); lautet er auf den Namen, so kann er durch Indossament übertragen werden. Die Ausstellung der Aktien auf den Namen hat eine festere Bindung der Mitglieder an die Gesellschaft zum Zwecke, doch können

auch diese Aktien mangels einer entgegenstehenden Bestimmung deS Gesellschafts-Vertrages ohne Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden, und nur die Uebertragung der auf weniger als 1000 Mark lautenden Aktien ist an die Zustimmung des Aufsichtsraths und der Generalversammlung gebunden, sie kann ferner nur mittels einer die Person des Erwerbers bezeichnenden, gerichtlich oder notariell beglau­ bigten Erklärung erfolgen (vinkulirte Namensaktie § 222).

b) Der Antheil der Gesellschaft mit beschränkter Haftung heißt

Geschäftsantheil, er ist zu unterscheiden von der Stammeinlage. Während die letztere dasjenige Vermögensobjekt bezeichnet, das der Gesellschafter zum Zwecke der Herstellung des Stammkapitals an die Gesellschaft überläßt und das stets in einer bestimmten Summe aus­ gedrückt wird, ist der Geschäftsantheil, wie die Aktie, daS durch die Mitgliedschaft begründete RechtSverhältniß. Die Einlage ist mit der Leistung aus dem Vermögen des Gesellschafters ausgeschieden, der Geschäftsantheil aber umfaßt die dem Gesellschafter zustehenden Rechte. Der Geschäftsantheil verkörpert sich nicht in einem Werth­ papiere. Fehlt ihm danach zwar die leichte Uebertragbarkeit dieser, so ist doch seine Veräußerung nicht ausgeschlossen. Im Interesse der engeren Verknüpfung des Gesellschafters mit der Gesellschaft ist die Gültigkeit der Veräußerung von gerichtlicher oder notarieller Form abhängig (§§ 14, 16, G. v. 20. 4. 92). Demselben Interesse dient die Zulassung einer Vertragsbestimmung, nach welcher die Veräuße­ rung von weiteren Voraussetzungen, insbesondere von der Ge­ nehmigung der Gesellschaft abhängen soll; in jedem Falle gilt der Gesellschaft gegenüber nur Derjenige als Mitglied der Gesellschaft, der sich durch Vorlegung der Erwerbsurkunde angemeldet hat (§ 16). Die Aktie wird auf einen bestimmten Nennwerth gestellt. Das Gesetz verbietet die sog. Unter-PariEmission, d. h. die Ausgabe der Aktie gegen Einzahlung einer hinter dem Nennwerthe zurückbleibenden Summe (§ 184), weil hierin eine Verminderung des Grundkapitals liegen würde. Dagegen ist die Ueber-Pari-Emiflion gestattet, wenn die durch sie bedingte Er­ höhung des Grundkapitals im Vertrage vorgesehen ist. Der Nennwerth der Aktie soll w e n i g st e n s 1000 Mark betragen, denn es soll dem kleinen Kapital die Betheiligung an Aktienunternehmungen erschwert werden. Ausnahmen sind zugelassen für gemeinnützige und für solche Unternehmungen, für welche das Reich oder ein Bundesstaat oder eine öffentliche Korporation Garantie geleistet hat, und für vinkulirte Namensaktien, in welchen Fällen die Aktie auf wenigstens 200 Mark gestellt werden muß (§ 180 HGB). Die Stammeinlage eines jeden Mitgliedes einer Gesell-

412 schaft m. b. H. muß mindestens 500 Mark betragen, sie kann für die einzelnen Gesellschafter verschieden, mutz in jedem Fall aber in Mark durch 100 theilbar sein (§ 5 Ges ). Der Geschäftsantheil ist natürlich kein sich gleichbleibender, er kann einen höheren oder ge­ ringeren Werth haben als die Stammeinlage. Wird daS Grundkapital einer Aktiengesellschaft erhöht, so ge­ schieht dies in der Weise, datz neue Aktien ausgegeben werden. Grundsätzlich stehen diese neuen Aktien den zuerst ausgegebenen, den Stamm-Aktien, gleich; zuweilen werden ihnen gewisse Vor­ zugsrechte (insbesondere auf den Bezug einer bestimmten Dividende) eingeräumt, in welchem Falle sie Prioritätsaktien heißen. Nicht Aktie ist die sog. Obligation, denn diese bezeichnet nicht einen Gesellschaftsantheil, sondern eine Schuld der Gesellschaft; ihr Träger ist daher nicht Mitglied, sondern Gläubiger der Gesellschaft und hat also nicht Gewinnantheile, sondern Zinsen zu fordern. Dagegen können weder dem Aktionär noch dem Mitglied« einer Gesell­ schaft m. b. H. Zinsen bedungen werden (§ 215 HGB §§ 30, 31 Ges.), denn überstiege deren Prozentsatz den Gewinnantheil, so würde eine Herabminderung des Grundkapitals herbeigeführt; blieben die Zinsen dagegen hinter dem Gewinne zurück, so würde die Prämie für das Verlustrisiko zu geling sein und das Unternehmen in Folge davon nicht genügende Anziehungskraft ausüben. Die Mitglieder der Ge­ sellschaft haben nur Gewinnantheile (Dividende) zu fordern. Ausgenommen sind sog. Bauzinsend, h. prozentuale Zahlungen, welche an die Gesellschafter während der Vorbereitung des also jetzt noch nicht nutzbringenden Unternehmens geleistet werden und sich allerdings als vertragsmäßig zugelassene Kapitalrück­ zahlungen darstellen. In der Generalversammlung der Aktionäre gewährt jede Aktie, in der Generalversammlung der Mitglieder einer Gesellschaft m. b. H. gewähren jede 100 Mark des Geschäftsantheils eine Stimme (§ 252 HGB § 47 Ges.). Mit dem Mitgliedschaftsberichte ist ferner als Sonderrecht der Gesellschafter ein — unten zu erörterndes — Widerspruchs- und Anfechtungsrecht verbunden. Die Aktie ist untheilbar (§ 179 HGB), der G e schäftsantheil einer Gesellschaft m. b. H. theilbar (Z 17 Ges.). Die Veräußerung solcher Theile hängt von der schriftlichen Genehmigung der Gesellschaft ab. Die durch den Geschäftsantheil begründeten Rechte stehen allen Theilhabern nach dem Grundsätze der gesummten Hand gemeinschaftlich zu, für die an die Gesellschaft zu machenden Leistungen aber haften die Theilhaber solidarisch (§ 18). 4. Pflichten der Gesellschaftsmitglieder, a) Durch die Bei­ trittserklärung (bei der Aktiengesellschaft „Zeichnung der

Aktie") wird die Verpflichtung zur Leistung der ver­ tragsmäßigen Einlage begründet. Diese Einlage ist bei der Ge­ sellschaft m. b. H. die Stammeinlage, bei der Aktiengesellschaft der Nennbetrag der Aktie oder deren etwa höherer Ausgabepreis (§ 211 HGB). Die Einlagen werden in Geldsummen dargestellt und grundsätzlich in Geld geleistet (§§ 180, 211 HGB, 5 Ges.), es können aber auch andereVermögensgegenständein Anrech­ nung auf die Einlage gegeben werden (sog. Apports). Es kann ferner b) den Mitgliedern der Gesellschaft m. b. H. sowie nach neuem Aktienrecht auch den Aktionären, sofern die Uebertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist, die Verpflichtung zu wiederkehrenden, nicht in Geld bestehenden Leistungen auferlegt und im Falle nicht pünkt­ licher Leistung eine Vertragsstrafe angedroht werden (§ 5 Ges., 212 HGB). Damit ist der nach bisherigem Rechte wohlbegründete Zweifel erledigt, ob nicht die Verpflichtung zu derartigen Leistungen (z. B. Rübenlieferung) mit dem Wesen der Aktie unvereinbar und daher nur aus einem vom Gesellschafts-Verträge unabhängigen Nebenvertrage herzuleiten sei. Die Einlagezahlung kann in Theilbeträgen erfolgen, aber der Gesellschafter, der nicht die volle Einlage bezahlt hat, bleibt zur Zahlung des Restes persönlich verpflichtet, auch wenn er seinen An­ theil veräußert hat; diese Verpflichtung ist jedoch eine subfidiäre (§§ 16, 22 Ges., 220 HGB), sie tritt nur dann ein, wenn der Er­ werber des Antheils der durch den Erwerb der Aktie übernommenen Verpflichtung zur Zahlung des Restes nicht nachkommt. Aus diesem Grunde dürfen Inhaberaktien oder auf den Inhaber lautende In­ te r i m s s ch e i n e (b. h. Bekenntnisse der Gesellschaft über em­ pfangene Theilzahlungen, verbunden mit dem Versprechen, nach Voll­ zahlung den Aktienschein auszugeben) vor voller Einzahlung der Ein­ lage nicht ausgegeben werden, und in den vor der Vollzahlung aus­ gegebenen NamenSaktien müssen die geleisteten Theilbeträge vermerkt werden (§ 179 HGB). Wer mit der Zahlung fälliger Beträge säumig ijl, hat kraft Gesetzes Verzugszinsen zu zahlen. Läßt er die Aufforderung der Gesellschaft zur Einzahlung des fälligen Betrages unbeachtet, so kann er seines Antheils verlustig erklärt werden (Kaduzie­ rung). Der Antheil geht dadurch aber nicht unter, sondern es wird über ihn eine neue Urkunde gefertigt und demjenigen Rechts Vorgänger des Säumigen ausgehändigt, der den rückständigen Betrag zahlt. Es findet nämlich ein sog. Reihenregreß statt, indem die Gesellschaft den Rechtsvorgänger des Ausgeschlossenen zur Zah­ lung auffordert, und wenn auch dieses Begehren unbefriedigt bleibt.

414 sich an dessen Rechtsvorgänger hält, so daß schließlich der ursprüng­ liche Gesellschafter in Anspruch genommen werden kann (§§ 219 bis 221 HGB. §§ 21, 22 Ges.). Gleichwohl droht der Aktiengesellschaft immerhin die Gefahr eines Verlustes d. i. einer Verminderung des Grundkapitals. Für diesen Ausfall bleibt der Ausgeschlossene haft­ bar, während für die Mitglieder einer Gesellschaft m. b. H. die sub­ sidiäre Verpflichtung eintritt, den Fehlbetrag nach Verhältniß ihrer Geschäftsantheile aufzubringen (§ 24). Ein Ansporn zu baldiger Einzahlung liegt für den Aktionär darin, daß bei ungleich geschehener Zahlung vom Reingewinn 4 °/0 oder ein entsprechend niedrigerer Prozentsatz vorweg gezahlt wird (§ 214 HGB), für das Mitglied einer Gesellschaft m. 6. H. darin, daß der Geschäftsantheil sich nach dem Betrage der geleisteten Ein­ zahlungen richtet. Mit der Einzahlung des Aktienbetrages und der Entrichtung der etwa sonst übernommenen Leistungen ist die Pflicht des Aktionärs erschöpft. Im Gesellschafts-Verträge einer Gesellschaft m. b. H. aber kann die Pflicht der Mitglieder zur Zahlung von bestimmten oder später erst zu bestimmenden, dem Verhältniß der Geschäftsantheile entsprechenden, Nachschüssen festgesetzt werden. Diese also nicht gesetzliche, sondern vertragsmäßige Nachschußpflicht nähert die Ge­ sellschaft m. b. H. der bergrechtlichen Gewerkschaft. Sie ist zwar ge­ eignet, die Gesellschaft vor der Gefahr des Unterganges zu bewahren, birgt aber für die Mitglieder die Gefahr größerer Verluste; sie nähert eine solche Gesellschaft der individualistischen offenen Handels-Gesell­ schaft und steigert gegenüber der Aktiengesellschaft das Interesse des Einzelnen am gemeinsamen Unternehmen. Der Gesellschafter aber, der die Stammeinlage vollständig bezahlt hat, kann sich von der Nach­ schußpflicht dadurch befreien, daß er seinen Antheil der Gesellschaft zur Verfügung stellt. Diese kann ihn im Wege der Versteigerung ver­ äußern. schlägt dieses Mittel zur Deckung des Ausfalles fehl, so fällt der Antheil an die Gesellschaft selbst, die ihn dann für eigene Rechnung veräußern kann (§§ 26—28 Ges.). 5. Entstehung, a) Die Gesellschaft m. b. H. e n t st e h t durch einen gerichtlichen oder notariellen Vertrag, der von allen Gesellschaf­ tern zu unterzeichnen ist und über gewisse Punkte Bestimmungen treffen mutz. Hierzu gehört das Stammkapital, das wenigstens 20 000 Mark betragen muß, und der Betrag der von jedem Gesell­ schafter zu leistenden Stammeinlage (also nur Simultangründung). Daher giebt es keine „Zeichnung" von Stammeinlagen wie bei der Aktiengesellschaft, und ein Versprechen, sich an einer Gesellschaft m. b. H. zu betheiligen, bedarf nach allgemeinen Grundsätzen selbst der gerichtlichen oder notariellen Form (s. oben S. 224 RG 43, 139).

Die Gesellschaft muß eine Firma haben. Die vorgeschriebene Ein­ tragung inS Handelsregister hat rechtsbegründende Wirkung: vor der Eintragung besteht eine Gesellschaft dieser Art noch nicht; ist also vor der Eintragung kontrahirt worden, so ist Namens der einzelnen künftigen Gesellschafts-Mitglieder und mit der Wirkung, daß die Handelnden persönlich und solidarisch haften, kontrahirt worden. Der Eintragung geht die Prüfung ihrer formalen Erfordernisse voran (§§ 2—12 Ges.). ES genügen zwei Gesellschaftsmitglieder. b) Erheblich verwickelter ist die Art der Entstehung einer Aktiengesellschaft. Auch sie zwar hat einen GesellschaftS vertrag zur Voraussetzung, doch ent­ steht auch sie als solche erst mit der Eintragung. Diese erfolgt nur, wenn der Nachweis geführt ist, daß der Gründungsvorgang den ge­ setzlichen Erfordernissen entspricht. Die Gründung beginnt mit dem gerichtlichen oder notariellen Abschlüsse deS Gesellschafts-Vertrages unter wenigstens 5 Personen, den sog. Gründern. Der Vertrag mutz über gewisse Punkte Be­ stimmung treffen. Besondere Bestimmungen sind erforderlich im Fall einer sog. qualifizirten Gründung, d. h. wenn einzelnen Aktionären besondere Vortheile zugesichert oder wenn Apports von der Gesellschaft übernommen werden. Zum Vertragsschluffe gehört die Aktienübernahme. ES soll vermieden werden, daß die Gründer mit dem Abschlüsse deS Ver­ trages verschwinden und daS Unternehmen Anderen überlassen, sie müssen vielmehr Aktien übernehmen und also Mitglieder der Gesellschaft werden. Uebernehmen die Gründer alle Aktien (Simult a n g r L n d u n g), so ist mit der — gerichtlichen oder notariellen — Uebernahmeerklärung die Gründung geschehen. Sie haben dann nur noch den Vorstand und den ersten Aufsichtsrath zu bestellen, und diese Organe haben entweder selbst oder, falls sie zu den Gründern gehören oder einen Vortheil ausbedungen erhalten haben, durch be­ sonder« Revisoren den Gründungshergang zu prüfen und alsdann im Vereine mit den Gründern die Gesellschaft zur Eintragung in daS Handelsregister anzumelden (§§ 188, 190, 191—195 HGB). Uebernehmen die Gründer nicht alle Aktien (Succesiv-Gründung), so erfolgt die Ueberlaffung der anderen Aktien an andere Personen dadurch, daß die Beitrittslustigen Aktien zeichnen. Die Zeichnung besteht in der einseitigen, nothwendig schriftlichen Willenserklärung, sich an der Gesellschaft mit einer oder mehreren Aktien zu betheiligen, und begründet eine Verpflichtung gegenüber der künftigen Gesellschaft. Nach Eingang der zur Uebernahme des Aktienrestes erforderlichen Zeichnungen ist von den Gründern ein Aktionärverzeichniß herzustellen und eine Generalversammlung zu berufen zur

416 Wahl des Vorstandes und des Aufsichtsrathes. Nachdem alsdann durch diese Organe oder durch Revisoren eine Prüfung des Grün­ dungsherganges bewirkt worden ist, melden Vorstand, AufsichtSrath und Gründer die Gesellschaft zur Eintragung an. Das Gericht hat die Aktionäre zu einer (der konstituirenden) Generalversamm­ lung zu berufen und diese Versammlung zu leiten. Sie beschließt endgültig über die Errichtung der Gesellschaft und zwar, wenn der Gesellschafts-Vertrag Aenderungen in gewissen besonders wichtigen Bestimmungen unterworfen wird, mit Einstimmigkeit, andernfalls mit Stimmenmehrheit; diese Mehrheit ist eine wenigstens den vierten Theil aller Aktionäre umfassende Personen- und zugleich eine wenig­ stens den vierten Theil des Grundkapitals darstellende Summenmehr­ heit (§§ 189—202 HGB). 6. Verfassung, a) Die Gesellschaft m. b. H. hat nach dem Gesetz eine sehr einfache Organisation, durch Vertrag kann sie sich eine ver­ wickelte« Verfassung geben. Das Gesetz verlangt nämlich nichts weiter, als daß die Gesellschaft einen oder mehrere Ge­ schäftsführer habe, die nicht nothwendig Mitglieder der Gesell­ schaft zu sein brauchen (§ 6). Sie haben für die Verwaltung der inneren Gesellschafts-Angelegenheiten zu sorgen und die Gesellschaft nach außen zu vertreten. Zum Abschlüsse eines Rechtsgeschäftes bedarf es der Mitwirkung aller Geschäftsführer, soll aber der Gesell­ schaft gegenüber eine empfangsbedürftige Willenserklärung abgegeben werden (z. B. ein Vertragsangebot, eine Kündigung), so genügt es, daß sie an einen der Geschäftsführer gerichtet wird. Die Bestellung eines Aufsichtsraths ist nicht vorgeschrieben; ist ein solcher bestellt, so unterliegt er den für die Aktiengesellschaft ge­ gebenen Vorschriften. Hauptwillensorgan ist die Versammlung der Gesellschafter. In dieser entscheidet die Mehrheit der Stimmen (§§ 46-52 Ges.). b) Die Aktiengesellschaft muß aa) einen Vorstand haben; dieser kann aus einer oder mehre­ ren Personen bestehen, die nicht Aktionäre zu sein brauchen. Für ihn gilt hinsichtlich der Vertretung das oben von den Geschäftsführern Gesagte. Die Vertretungsmacht dieser letzteren wie des Vor­ standes ist Dritten gegenüber unbeschränkbar, aber jederzeit widerruflich, doch wird durch einen Widerruf an den aus ihrem Dienstvertrage folgenden Rechten der Vertreter nichts geändert (§§ 231—241 HGB). Der Vorstand führt die laufende Verwaltung. Die Kommandit-Gesellschaft auf Aktien hat in den persönlich haftenden Gesellschaftern geborene Vertreter. Die Vertretungs­ macht dieser ist unwiderruflich, weil sie von der persönlichen Haftung nicht getrennt werden kann.

bb) Die Aktiengesellschaft muß einen Aufsichtsrath haben, der auS wenigstens drei Personen besteht. Diese dürfen nicht zugleich Vorstandsmitglieder, brauchen aber nicht nothwendig Aktio­ näre zu sein. Der erste Aufsichtsrath wird von den Gründern be­ stellt oder von der Versammlung der Zeichner gewählt, jeder spätere Aufsichtsrath wird von der Generalversammlung der Aktionäre ge­ wählt. Seine Aufgabe ist die Ueberwachung der gesammten Geschäftsführung. Um seine Unparteilich­ keit möglichst zu sichern, begünstigt das Gesetz einen häufigen Wechsel der Aufsichtsrathsmitglieder, indem es die Amtsdauer des ersten Aufsichtsraths auf nur ein, die jedes späteren Aufsichtsraths auf höchstens fünf Jahre bemißt. cc) Das oberste Organ der Gesellschaft ist die General­ versammlung der Aktionäre: ihr sind die wichtigeren Willens­ entschlüsse vorbehalten, so namentlich bei der Succesivgründung schon die Errichtung der Gesellschaft, ferner die Statutenänderung und die Auflösung der Gesellschaft: sie bildet endlich die höchste Aufsichts­ instanz für Vorstand und Aufsichtsrath, daher ist ihr die Jahresbilanz mit der Gewinn- und Verlustberechnung vorzulegen. Die konstituirende Versammlung wird vom Gericht, jede spätere regelmäßig vom Vorstände berufen, doch steht auch dem Aufsichtsrathe das Recht der Einberufung einer Versammlung zu. Die Beschlüsse werden regel­ mäßig mit einfacher Stimmenmehrheit, in besonderen Fällen durch eine höhere (q u a l i fi z i r t e) Mehrheit gefaßt, doch bedarf der Beschluß der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, einige Beschlüsse sogar der Eintragung ins Handelsregister. Im Inter­ esse möglichster Reinhaltung der Geschäftsführung sind an Aktio­ när-Minderheiten und Aktionärfraktionen unentziehbare Rechte eingeräumt:«) Ein Theil der Aktionäre, deren Aktien zusammen wenigstens 1jt0 des Grundkapitals darstellen, können, wenn der Verdacht unredlichen oder statutenwidrigen Verhal­ tens der Gesellschafts-Organe besteht, beim Gericht') die Ernennung von Revisoren beantragen, welchen die Prüfung der Griindungshergänge und der Geschäftsführung der letzten zwei Jahre obliegt (§ 266); dieselbe Minderheit kann eine Vertagung der über die Genehmigung der Bilanz stattfindenden Verhandlung verlangen (§ 264); ß) eine Minderheit von ]/10 des Grundkapitals kann gegen Gründer, Vorstands- und Aufsichtsrathsmitglieder, sowie gegen Emissionshäuser Schadensersatzansprüche erheben (§§ 268, 269). Die Ausübung dieser Befugniß hängt jedoch von gewissen Garantien ab (halbjähriger Besitz und gerichtliche Niederlegung der Aktien, Be') Amtsgericht, welches das Register führt. §§ 145, 146 FGG. Sngelmann, d. bür-er»che Recht Dkutichland». III. Last.

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418 stellung der vom Gegner verlangten Sicherheit § 133 CPO) und birgt die Gefahr einer solidarischen Haftbarkeit für den der Gesell­ schaft zugefügten Schaden. 7) Eine Minderheit von '/5 des Grund­ kapitals kann durch ihren Widerspruch die Aufgabe von Entschädi­ gungsansprüchen aus Gründungsvorgängen verhindern (§§205,208); 0) eine Minderheit von ’/?„ des Grundkapitals kann die Berufung einer Generalversammlung verlangen (§ 254). Endlich ist sogar jeder einzelne Aktionär befugt, einen Beschluß der Generalversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder des Gesellschafts - Vertrages im Wege der Klage a n z u f e ch t e n , sofern der Aktionär in der Versammlung erschienen ist und seinen Widerspruch zu Protokoll erklärt hat, und falls der Aktionär nicht erschienen war. sofern er zur Versammlung unberech­ tigterweise nicht zugelassen oder die Berufung der Versammlung und die Ankündigung der Tagesordnung nicht gehörig erfolgt war. Die Klage wird gegen die Gesellschaft gerichtet und diese durch den Vor­ stand, falls er nicht selbst klagt, und durch den Aufsichtsrath vertreten. Sie kann nur innerhalb eines Monats erhoben werden. Ist die Klage begründet, so wird der angefochtene Beschluß für nichtig erklärt, die Rechtskraft des Urtheils wirkt daher nothwendig auch für und gegen die Aktionäre, die nicht Partei sind (§§ 271—273 HGB, 113 CPO). 7. Herabsetzung des Kapitals. Da das Grund- oder Stamm­ kapital die einzige Kreditgrundlage der Gesellschaft bildet, ist vom Gesetz Fürsorge gegen eine Herabminderung dieses Kapitals getroffen. Hierher gehört a) das Verbot von Kapitalrückzahlungen und von Zinsenzahlungen an die Mitglieder der Gesellschaft (§§ 213, 215 HGB 30. 31 Ges.'); b) die Bestimmung, daß die Gesellschaft eigene Antheile nicht erwerben oder amortisiren darf, denn in beiden Fällen würde der Verkaufspreis oder ein anderer Betrag an den Gesell­ schafter ausgezahlt werden müssen. Das Verbot des Erwerbes aber greift dann nicht Platz, wenn es sich bei den Aktien um eine Einkaufskommiflion handelt, das Verbot der Amortisation dann nicht, wenn diese im Gesellschafts-Verträge vorgesehen ist (§§ 226, 227 HGB, §§ 33. 34 Ges.); c) die Einlagezahlung darf nicht gestundet oder erlassen werden, und eine Aufrechnung der Einlage­ zahlungspflicht mit Forderungen des Gesellschafters findet nicht statt; d) dem Zwecke der Wahrung des Kapitals dient die nunmehr vom Gesetze geregelte Pflicht der Gründer. Vorstands- und Auf-

sichtsrathsmitglieder, der aktienausgebenden Bankhäuser und der Ge­ schäftsführer, sowie derjenigen Personen, welche eine Gesellschaft m. b. H. zur Eintragung anmelden, zum E r s a tz e des durch sie ver­ ursachten Schadens (§§ 241, 249, 202—204 HGB, §§ 9. 42 Ges.); e) die Aktiengesellschaft und dieKommandit-Aktiengesellschaft, nicht aber auch die Gesellschaft m. b. H., muß zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes einen Reservefonds haben (§§ 262, 320 HGB). 8. Eine Aenderung des Gesellschafts-Vertrages kann nur durch die Generalversammlung mit Dreiviertelmehrheit beschlossen werden (§§ 274 ff. HGB, 53 ff. Ges.). Eine Aenderung ist: a) Die Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals; sie be­ steht in einer Vermehrung der Aktien oder Stammeinlagen, nicht noth­ wendig in einer Vermehrung der Mitgliederzahl, denn die bisherigen Mitglieder einer Gesellschaft nt. b. H. können zum Erwerbe der neuen Antheile, die bisherigen Aktionäre müssen zum Erwerbe der neu auszugebenden Aktien kraft ihres gesetzlichen, ihrem bisherigen Antheile am Grundkapital entsprechenden Bezugsrechtes zu­ gelassen werden (§ 55 Ges., 282 HGB). Betreffs der Einbringung von Apports gelten dieselben Vorsichtsmaßregeln wie bei der Grün­ dung der Gesellschaft (§ 56 Ges. 279 HGB). Die Aktiengesellschaft soll ihr Grundkapital nicht vor der Einzahlung deS ganzen bis­ herigen Kapitales erhöhen (§ 278 HGB). b) Die Herabsetzung des Kapitales bedarf bei der Aktiengesell­ schaft einer Mehrheit, deren Aktien wenigstens % des Grundkapitals darstellen. Bei ihr sowohl wie bei der Gesellschaft m. b. H. darf der Beschluß nur zur Ausführung gelangen, wenn die Gesellschafts­ Gläubiger benachrichtigt worden sind, die sich zu diesem Zwecke mel­ denden Gläubiger Befriedigung oder Sicherheit empfangen haben und seit der letzten öffentlichen Aufforderung ein Jahr verstrichen ist (§§ 288—291 HGB § 58 Ges.). c) Eine Aenderung des Kapitalbestandes wird auch durch die sog. Nachgründung herbeigeführt, d. h. einen innerhalb zweier Jahre nach der Errichtung der Aktiengesellschaft von dieser geschloffenm Vertrag, welcher dm Erwerb einer unbeweglichen Sache oder vorhandene oder herzustellende, dauernd zum Geschäftsbetriebe der Gesellschaft bestimmte Anlagen gegen eine den zehnten Theil des Grundkapitals übersteigende Vergütung zum Gegenstände hat (§§ 207, 208 HGB). Es soll auch durch diese Bestimmung der Gefahr vorge­ beugt werden, daß auf Grund von Abmachungen aus der Zeit vor Errichtung der Gesellschaft das Grundkapital thatsächlich herab-

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420 gemindert werde. Ein Erwerb zu einem unverhältnißmäßig hohen Preise heißt Uebergründung. d) Eine weitere Aenderung ist die sog. Fusion, d. h. die Vereinigung mehrerer Aktiengesellschaften in der Weise, daß aus den mehreren Gesellschaften eine neue entsteht, oder so, daß die eine Ge­ sellschaft in der anderen aufgeht. Da die Fusion also jedenfalls die Auflösung einer Gesellschaft herbeiführt, das gesammte Vermögen der ausgelösten Gesellschaften aber auf die andere oder auf die neue Ge­ sellschaft übergeht, so bedarf es der Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger der aufgelösten Gesellschaft und des Ablaufes eines Jahres (des sog. S p e r r j a h r e s), in welchem die Vermögen der verschiedenen Gesellschaften getrennt zu verwalten sind, und nach deffen Ablauf die Vereinigung in der Weise erfolgt, daß die Aktionäre der aufgelösten Gesellschaft Aktien der anderen oder der neuen Ge­ sellschaft erhalten (§§ 305, 306 HGB). 9. Die Auflösung der Gesellschaft erfolgt (§ 292 HGB § 60 Ges.): a) v o n s e l b st mit Ablauf der Zeit, für welche die Gesellschaft errichtet war; b) durch Auflösungsbeschluß der Gesellschafter, welcher bei der Gesellschaft m. b. H. Dreiviertelmehrheit, bei der Aktiengesell­ schaft eine Mehrheit, die wenigstens 3jt des in der Versammlung vertretenen Grundkapitals erfordert, und die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger, sowie den Ablauf des Sperrjahres voraussetzt; e) im Falle des Konkurses der Gesellschaft. Da die Be­ friedigung der Gläubiger nur aus dem Vermögen der Gesellschaft erfolgt, kann der Konkurs nicht blos im Falle der Zahlungsunfähig­ keit, sondern auch schon im Falle der Ueberschuldung eröffnet werden. Der Vorstand oder die Geschäftsführer sind beim Vor­ handensein einer dieser Voraussetzungen zum Antrage auf Konkurs­ eröffnung verpflichtet (§§ 63, 64 Ges., § 240 HGB, § 207 KO). d) Ein Auflösungsgrund für die Gesellschaft m. b. H. ist ferner das gerichtliche Urtheil oder der Ausspruch im Verwaltungs st reitverfahren. Die Auflösung kann nämlich aus­ gesprochen werden: aa) aus privatrechtlichen Gründen, insbesondere, wenn die Erreichung des Gesellschafts-Zweckes unmöglich wird, oder ein anderer wichtiger Grund vorliegt, mittels einer gegen die Gesell­ schaft gerichteten Klage von Gesellschaftern, deren Geschäftsantheile wenigstens Yio des Stammkapitals darstellen, durch Urtheil des Landgerichts, in dessen Bezirke die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 61); bb) aus öffentlichrechtlichen Gründen, wenn die Ge-

sellschaft das Gemeinwohl dadurch gefährdet, daß die Mitglieder gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Ge­ schäftsführer zulassen (§ 62). Ein Entschädigungs-Anspruch gegen den Staat besteht nicht. Für die Aktiengesellschaft fehlt es an einer derartigen Vorschrift. Doch ist die Entziehung der Rechtsfähigkeit gemäß § 43 BGB mög­ lich, wenn die Gesellschaft das Gemeinwohl gefährdet (§ 292 Abs. 2 HGB). Außer im Falle des Kurkurses tritt die Liquidation ein. Liquidatoren sind im Zweifel die Borstandsmitglieder der Aktien­ gesellschaft, die Geschäftsführer der Gesellschaft nt. b. H. Die Liqui­ dation hat den Zweck, die Auflösung durchzuführen. Dahin gehört vor allem die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger und schließlich die Bertheilung des verbliebenen Vermögens an die Mit­ glieder der Gesellschaft nach Maßgabe ihrer Antheile am Gesellschafts­ Vermögen (§§ 294—302 HGB). Einer Liquidation bedarf es ferner nicht im Falle der Um­ wandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft m. b. H. Die letztere wird Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Aktiengesellschaft. DaS Stammkapital der neuen Gesellschaft darf nicht geringer sein als das Grundkapital der alten.

§ 139. Die Erwerbs- und WirthschastSgenoffenschaste». 1. Begriff. Genossenschaften im engeren Sinne sind „Ge­ sellschaften von nicht geschlossener Mitglie­ derzahl, welche die Förderung des Erwerbes oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mit­ telst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes be­ zwecken." Sie sind ein Erzeugniß der neueren Zeit, hervorgegangen namentlich aus den Bestrebungen von Schulze-Delitzsch, Personen, welche nicht das für wirthschaftliche Unternehmungen von größerem Umfange erforderliche Kapital besitzen, zu Gesellschaften zu vereinigen und ihnen damit die Bortheile des Großbetriebes, insbesondere die Konkurrenzfähigkeit, zu sichern. Ihre erste gesetzliche Regelung er­ hielten sie durch ein preußisches Gesetz vom 27. März 1867, als­ dann durch ein norddeutsches Bundesgesetz vom 4. Juli 1868 und schließlich in dem jetzt geltenden, durch das Einf.-Ges. z. neuen HGB vom 10. Mai 1897 nur wenig geänderten Reichsgesetze vom 1. Mai 1889 (in der Fassung vom 20. Mai 1898). Die Genossenschaften sind zwar juristische Personen (§ 1), welchen die Eigenschaft der Kaufleute beiwohnt, auch wenn sie ein Handelsgewerbe nicht betreiben, doch steht neben der körper-

422 schaftlichen Haftung mit dem Genossenschafts­ Vermögen d i e solidarische Haftung der Mit­ glieder. Denn soll der Genosienschaft, welche auf die Aufnahme möglichst vieler Mitglieder von geringer Kapitalkraft berechnet ist, der zum Großbetriebe erforderliche Kredit gesichert werden, so bedarf es einer möglichst ausgedehnten Kreditgrundlage. Als solche erschien früher das Genossenschafts-Vermögen allein nicht ausreichend, die beiden älteren Gesetze statuirten daher die persönliche, unbe­ schränkte Haftung sämmtlicher Genossen, und zwar unmittelbar den Genossenschafts-Gläubigern gegenüber. Das neue Gesetz hielt diese strenge Haftung für nicht unbedingt nothwendig, dabei für allzu bedrohlich gerade für die kapitalkräftigeren Mitglieder der Ge­ nossenschaft. Das neue Gesetz läßt deshalb die Wahl zwischen drei verschiedenen Haftungsformen. a) Die Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht. Die einzelnen Genossen haften zwar s o l i d a risch und unbeschränkt unmittelbar dem Ge­ nossenschafts-Gläubiger gegenüber, aber nur auf den Ausfall, den dieser im Genossenschafts­ Konkurse erleidet. Dabei sucht das Gesetz die Maßnahme einer unmittelbaren Inanspruchnahme der Mitglieder und daher die Gefahr ungleicher Vertheilung der Genossenschaftslasten dadurch zu vermeiden, daß esdieHeranziehungderGenossenzu einerErgänzungderKonkursmasse anordnet. Sofort nach Niederlegung der Bilanz (§ 124 KO) hat nämlich der Kon­ kursverwalter eine Berechnung des vermuthlichen Ausfalles der Gläu­ biger und also derjenigen Beiträge aufzustellen, welche jeder Genosse vorschußweise an die Konkursmasse zu zahlen haben wird. Diese sog. Vorschußberechnung dient der Abwendung eines Aus­ falles. Hat sich aber nach Vornahme der Schlußvertheilung dennoch ein Ausfall herausgestellt, so nimmt der Verwalter die Nachschub­ berechnung vor, welche das Vorhandensein eines Aus­ falles zur Voraussetzung hat und daher dem einzelnen Genossen die­ jenigen Beträge zu zahlen auferlegt, welche zur Deckung des Aus­ falles erforderlich sind. Beide Berechnungen reicht der Verwalter beim Konkursgericht ein, dieses giebt den Genossen Gelegenheit, Ein­ wendungen zu erheben, und erklärt die Berechnung, soweit sie nicht oder ohne Grund angefochten ist, für vorläufig vollstreckbar. Damit ist dem Verwalter die Möglichkeit sofortiger Zwangsvollstreckung gewährt, denn einem Rechtsmittel unterliegt die konkursrichterliche Vollstreckbarkeitserklärung nicht, der Genosse kann sie nur mittels einer gegen den Verwalter zu richtenden Klage anfechten. Das rechtskräftige Urtheil wirkt für und gegen alle beitragspflichtigen Ge-

noffen (§§ 105 ff.). Erst nachdem seit der Vollstreckbarkeitserklärung der Nachschubberechnung 3 Monate verflossen find, kann der Gläu­ biger wegen des Ausfalles, den er trotz der dargestellten Maßnahmen (insbesondere in Folge Zahlungsunfähigkeit eines Genossen) erlitten hat, die einzelnen Genossen unmittelbar in Anspruch nehmen (§ 122). d) Die Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschußpflicht. Der Genosse haftet persönlich und unbeschränkt,abernurgegenüberderGenossenschaft. ES findet daher auch bei ihr jene Vorschuß- und Nachschußberechnung statt, aber damit sind die zur Abwendung und Deckung eines Ausfalles zulässigen Maßnahmen erschöpft, der aus­ gefallene Gläubiger kann sich nicht an die einzelnen Genossen halten (§ 126 ff. Ges.). c) Die Genossenschaft mit beschränkter Haft­ pflicht. Die Genossen haften zwar der Genossenschaft und den Gläubigern unmittelbar, aber nur auf eine im Voraus festgesetzte Summe, und nur auf den Ausfall, den der Gläubiger im Konkurse der Genossenschaft erlitten. Daher darf die Vorschuß- und die Nachschubberechnung über die Haftsumme nicht hinausgehen, und fordert der Gläubiger von ein­ zelnen Genossen den Ausfall, so darf er nicht mehr fordern, als der Genosse nach Zahlung der auf Grund jener Berechnungen zu ent­ richtenden Beträge von der Haftsumme noch zu leisten hat (§ 141 Ges.). 2. Der Entstehung der Genossenschaft liegt der Abschluß eines schriftlichen Vertrages unter wenigstens 7 Personen, daS Genossenschafts-Statut, zu Grunde (§§ 4, 5), alsdann ist der Vor­ stand und der Aufsichtsrath zu wählen und hierauf die Genossen­ schaft vom Vorstande zur Eintragung in das amtsgerichtliche Ge­ noffenschaftsregister anzumelden. Die Eintragung hat auch hier rechtsbegründende Wirkung (§ 13). 3. MitgliedschaftSrechte. Die Genossenschaft ist auf die Auf­ nahme einer möglichst großen Zahl von Genossen berechnet; daher ist diese Zahl keine geschlossene (§ 1), der Ein- und Austritt von Genossen kann jeder Zeit stattfinden, und das durch die Einlagen gebildete Genossenschafts-Vermögen ist stetem Wechsel unterworfen. Der Beitritt von Genossen zu der in der Entstehung begriffenen Genossenschaft erfolgt durch UnterzeichnungdesStatuts, der Beitritt zur bestehenden Genossenschaft durch eine schriftliche, unbedingte, die Art der Haftung zum Ausdruck bringende Er­ klärung. Da die Zahl und die Personen der Mitglieder für den Kredit der Genossenschaft von derselben Bedeutung sind wie das Grundkapital der Aktiengesellschaft, liegt beim Amtsgericht eine Liste

424 der Genoffen zu Jedermanns Einsicht offen. Erst mit der Ein­ tragung des neuen Genoffen in diese Liste entsteht seine Mitglied­ schaft (§ 15). Jeder Genosse ist am gemeinsamen Betriebe mit einer Ver­ mögenseinlage, dem Geschäftsantheil, betheiligt. Dieser Antheil stellt auch hier ein in Geld schätzbares Rechtsverhältniß dar, aus welchem dingliche Rechte und Forderungen entstehen können, das einen Anspruch auf Gewinnantheil und auf einen verhältnißmäßigen Betrag des nach Auflösung der Genossenschaft verbleibenden Ver­ mögens gewährt, Stimmrecht giebt, zur Uebernahme von Aemtern in der Genossenschaft und insbesondere zu der unter 1 dargestellten Be­ richtigung der Genossenschafts-Schulden verpflichtet. Die Höhe des Geschäftsantheils darf eine in be stimmte! Geld­ summe auszudrückende Grenze nicht überschreiten, kann innerhalb dieser Grenze aber für die verschiedenen Genossen verschieden sein. Geschäftsguthaben ist derjenige Betrag, der auf die Einlage thatsächlich an die Genossenschaft gezahlt ist und sich durch die Abschreibung von Verlust vermindert, durch die Zuschreibung von Gewinn vermehrt. Im ersten Geschäftsjahr ist das Guthaben also gleich der wirklich geleisteten Einzahlung, im nächsten Jahre geht der Verlust ab oder es tritt der Gewinn hinzu. Die Höhe des Guthabens giebt den Maßstab für die Gewinnvertheilung und für die Ber­ theilung des Vermögens der aufgelösten Genossenschaft, der Gewinn aber darf ausgezahlt werden erst wenn der Geschäftsantheil erreicht ist. Zinsen von bestimmter Höhe werden auch hier den Genossen nicht gewährt. Nur die Mitglieder einer Genossenschaft mit be­ schränkter Haftpflicht können sich mit mehreren Geschäftsantheilen betheiligen (§§ 119, 126, 134). Bei diesen Genossenschaften ist aber wiederum zwischen Geschäftsantheil und Haftsumme zu unterscheiden. Die Haftsumme ist derjenige Betrag, den der Genosse zum Zwecke der Tilgung der Genossenschafts-Schulden im äußersten Falle zu zahlen verpflichtet ist, sie kann nie geringer, wohl aber höher sein als der Geschäftsantheil (§ 131). Dem freiwilligen Austritte des Genossen (§§ 65 ff.) muß «ine, nur zum Schluffe des Geschäftsjahres zulässige, dreimonatige schriftliche Kündigung vorangehen. Die Frist kann auf zwei Jahre gesteigert, auf 6 Wochen herabgesetzt werden. Auch der Gläubiger eines Genossen kann, wie der eines Handelsgesellschafters, kündigen. Ein Ausschluß des Genossen kann erfolgen, wenn er die bürgerlichen Ehrenrechte verliert oder an einer Konkurrenzgenossen­ schaft betheiligt ist (§ 68). Stirbtein Genosse, so scheidet er erst mit dem Ende des laufenden Geschäftsjahres aus, bis dahin stehen

die Mitgliedschaftsrechte den Erben zu. Die Auseinandersetzung eines ausscheidenden Genossen mit der Genossenschaft erfolgt auf Grund der letzten Bilanz, sein Guthaben soll in spätestens 6 Monaten ausgezahlt werden, und sein Anspruch darauf verjährt in zwei Jahren. Die Uebertragung des Geschäftsantheils setzt einen schriftlichen Vertrag voraus und führt nicht zu einer Ausein­ andersetzung, wenn der Erwerber schon Genosse ist oder es an Stelle des Veräußerers wird (§ 76). Der Erhaltung der Kreditgrundlage dient auch hier eine Reihe von Bestimmungen, insbesondere das Verbot der Einlagerückzahlung und der Zinsenzahlung, sowie das Gebot der Bildung eines Reserve­ fonds, vornehmlich aber solche über die Haftpflicht der Genossen.

4. Die Genossenschaft muß einen Vorstand und einen Auf­ sichtsrath haben, der erstere besteht aus wenigstens zwei, der letztere aus wenigstens drei Mitgliedern, sie werden von der Generalversamm­ lung auS der Zahl der Genossen gewählt. Höchstes Willensorgan der Genossenschaft ist die Generalversamm­ lung, in welcher jeder Genosse eine Stimme hat. Die Thätigkeitsgebiete dieser Organe sind im wesentlichen dieselben wie bei der Aktiengesellschaft. Die Genossenschaft kann ihren Geschäftsbetrieb auf Personen ausdehnen, die nicht zu ihren Mitgliedern gehören. Hiervon machen jedoch die Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb die Darlehnsgewährung bezweckt (Vorschußvereine, Darlehnskaffen), und die Kon­ sum-Vereine eine Ausnahme (§ 8). 5. Die Auflösung der Genossenschaft (§§ 78 ff.) erfolgt durch Beschluß der Generalversammlung mit wenigstens DreiviertelMehrheit der erschienenen Genossen. Sinkt die Zahl der Genossen unter sieben herab, so ist die Genossenschaft durch daS Register­ ger i ch t auf Antrag des Vorstandes oder von AmtSwegen aufzulösen. Gefährdet die Genossenschaft das Gemeinwohl durch Vornahme gesetz­ widriger Handlungen, oder verfolgt sie andere als die statuten­ mäßigen Zwecke, so kann sie von der Verwaltungsbehörde aufgelöst werden. Die Auflösung der Genossenschaft tritt auch im Falle deS Konkurses ein. Da die Genossenschaft in der Lage ist» zur Ergänzung ihres Vermögens die Genossen heranzuziehen, so reicht die bloße Ueberschuldung nur bei den Genossenschaften mit be­ schränkter Haftpflicht zur Konkurseröffnung aus, während der Konkurs der anderen Genossenschaften Zahlungsunfähigkeit voraus­ setzt (§§ 98, 140). Eine Aufhebung des Konkurses durch Zwangs­ vergleich findet nicht statt, denn der Zwangsvergleich würde den Gläubigern auch die Rechte gegen die einzelnen Genossen entziehen.

426

§ 140.

Die Rhederei.

Ist ein Schiff Bestandtheil des Vermögens einer Handelsgesell­ schaft, so richten sich die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter nach den Grundsätzen der betreffenden Gesellschaftsform. Wird aber von mehreren Personen ein ihnen gemeinschaft­ lich zustehendes Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung ver­ wendet, so besteht das eigenthümliche Rechts­ verhältniß der Rhederei (§§ 489 bis 510 HGB). Maß­ gebend für dieses Rechtsverhältniß ist stets der unter den Parteien ge­ schlossene Vertrag. Da zwar nicht das Miteigenthum am Schiffe, wohl aber die Verwendung des Schiffes für gemeinschaftliche Rech­ nung immer auf einen Vertrag zurückzuführen ist, so bildet die Rhederei nicht blos ein Miteigenthumsverhältniß, sondern eine Ge­ sellschaftsform eigenthümlicher Art, welche das gemeinsame Eigen­ thum am Schiffe nur ebenso zur Voraussetzung hat, wie die bergrecht­ lichen Gesellschaftsverhältniffe das gemeinsame Eigenthum an einem Bergwerke zur Grundlage haben. Das Miteigenthum ist deutschrechtliches Gesammteigenthum. Die Antheile heißen Schiffsparten, sie sind veräußerlich, unter­ liegen also auch der Zwangsvollstreckung durch die Gläubiger eines Mitrheders. Der Erwerber der Part tritt in die Gesellschaft ein, welche als reine Vermögensgemeinschaft vom Wechsel der Mitglieder nicht abhängt. Betreffs der S ch u l d e n h a f t u n g ist zwischen den eigent­ lichen Schiffsschulden und anderen Schulden zu unterscheiden. Für jene (§§ 486, 494) haftet die Rhederei, ebenso wie der einzelne Rheder, nur mit dem Schiffsvermögen, d. h. mit Schiff und Fracht, für diese haften die Mitrheder persönlich nach dem Verhältniß ihrer Part. Gewinn und Verlust wird nach Parten ver­ theilt, von Zuschußzahlungen kann sich der Mitrheder durch Aufgabe (Abandonirung) seiner Part, die den anderen Mitrhedern nach Ver­ hältniß ihrer Antheile anwächst, befreien. Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt, sogar der Auflösungsbeschluß bedarf keiner qualifizirten Mehrheit. Die Veräußerung des Schiffes enthält eine Auflösung der Gesellschaft, weil das Schiff die nothwendige Grund­ lage der Rhederei bildet. Aber die Organisation der Rhederei bleibt bis zur vollständigen, der Liquidation gleichenden Abwicklung der Rhedereigeschäfte bestehen (RG 42. 74). Durch Beschluß der Rhederei kann zur Besorgung ihrer Ge­ schäfte ein sog. Korrespondentrheder bestellt werden. Dieser vertritt die Rhederei in allen Geschäften, welche der Betrieb der Rhe-

derer gewöhnlich mit sich bringt. Seine Dertretungsbefugniß reicht also weiter als die eines Handlungsbevollmächtigten, die sich nach den Verhältnissen des bestimmten Handelsgewerbes richtet. Die Rhederei hat nicht die Eigenschaft einer juristischen Person.

§ 141. Der Versicherungsvertrag. 1. Geschichtliches. Die moderne Versicherung gegen

Prämie hat sich aus dem foenus nauticum, aber erst um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts in Italien*), später in Deutschland als Seever­ sicherung an den Küsten der Nordsee, entwickelt. Reichsgesetzlich ge­ regelt ist nur die Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt (im alten HGB und in §§ 778—900 des neuen HGB). Im ü b r i gen ist unser heutiges BersicherungSrecht parti­ kulares oder Gewohnheitsrecht und besteht als Landesrecht fort (Art. 75 Einf.-Ges. z. BGB). Doch hat die reichsgesetzliche Regelung des Versicherungswesens einen wich­ tigen Fortschritt gemacht durch das Gesetz vom 12. Mai 1901 über die privaten Versicherungsunternehmungen. Dieses Gesetz unterstellt Privatunternehmungen, welche den Betrieb von Versicherungsgeschäf­ ten zum Gegenstände haben, einer staatlichen Beaufsichtigung. Daher enthält das Gesetz überwiegend Verwaltungsrechtsnormen und nur zu einem geringen Theile Privatrecht. 2. Begriff. Durch den Versicherungsvertrag verpflichtet sich der eine Theil zu einer festbestimmten Ver­ mögenslei st ung, der andere zur Deckung einer noch ungewissen Vermögenseinbuße oder ge­ wisser Aufwendungen. Immer ist Zweck deS Vertrages, diejenigen Vermögensschwierigkeiten zu beseitigen oder zu erleichtern, die durch ein noch ungewisses oder von den Parteien mit Bestimmtheit erwartetes Ereigniß verursacht werden könnten. Die Vertrags­ parteien heißen Versicherer und Versicherungsnehmer; letzterer ist nicht immer auch der Versicherte d. h. der, dem die Ver­ sicherungssumme zufallen soll. Der Versicherungsvertrag kommt in zwei Formen vor: a) Die Versicherung gegen Prämie besteht darin, daß der Versicherer gegen eine von vornherein bestimmte Gegenleistung die Deckung des den Versicherten möglicherweise treffenden Schadens übernimmt. Hier ist der eine Kontrahent nur versichert, der andere ist ausschließlich Versicherer. Der erstere hat die Prämie auf einmal oder jährlich in fest bestimmten.Beträgen zu zahlen, auch wenn ihn niemals der versicherte Schaden trifft. Dagegen hat der Versicherer *) Goldschmidt: Universalgeschichte des Handelsrechts.

1891. om S ch i e d s e i d selbst gesagt werden: juramentum speciem trans-

actionie continet, weil Gegenstand des Schiedseides nicht blos Thatsachen, sondern auch Rechtsverhältnisse sein konnten und der in jure geleistete Eid das Urtheil erübrigte. Nach gemeinem und neuem Recht wirkt der zugeschobene Eid nur als besonders kraft­ volles Beweismittel für behauptete Thatsachen'). § 146.

Die Bürgschaft.

Die Lehre von der Bürgschaft wird hier am Schlüsse deS Ver­ tragsrechts behandelt, weil die Haftung deS Bürgen sich auf einen Vertrag gründet, Bürgschaft aber für jede Art von Verbindlichkeiten übernommen werden kann. 1. Begriff. Die Bürgschaft ist ein Fall der Jntercession. Unter Jntercession versteht man jeden Eintritt in eine fremde Schuld durch Vertrag mit dem Gläubiger. In der Regel geschieht der Ein­ tritt in eine schon bestehende Schuld. In diesem Falle tritt der neue Schuldner entweder an die Stelle des bisherigen Schuldners (privative Jntercession), oder er tritt neben diesen (kumu­ lative Jntercession). Die privative Jntercession geschieht ent­ weder auf dem Wege der Expromission, wenn der Eintritt des neuen Schuldners ohne Auftrag deS alten Schuldners, im Wege der Passivdelegation, wenn der Eintritt des neuen Schuld­ ners in Folge Auftrages des bisherigen Schuldners vor sich geht. Alles dies gilt sowohl für das alte wie für das neue Recht. Die kumulative Jntercession ist entweder Bürgschaft oder Pfandbestellung für eine fremde Schuld. Die Bürgschaft bewirkt eine persönliche und unbeschränkte, die Pfandbestellung eine dingliche, also auf die Sache beschränkte Haftung. Mit letzterem Falle ist nicht die Versicherung der Bürg­ schaftsschuld durch Pfandbestellung zu verwechseln, denn hier bleibt der Bürge persönlich verhaftet. Auch der intercedirt, der eine noch nicht bestehende Verbindlich­ keit eingeht, die ohne sein Dazwischentreten ein Anderer, um einen von ihm verfolgten Zweck zu erreichen, hätte eingehen müssen (sog. interceseio tacit a2). Aber nicht jedes solche Geschäft ist Jntercession. Nimmt A. ein Darlehn auf. um das Geld dem B., der keinen Kredit hat, zuzu­ wenden, so werden zwei DarlehnSverträge, aber kein Jntercessionsvertrag geschlossen: der Gläubiger muß wissen, daß sein Vertrags­ gegner die Schuld nur im Interesse eines Anderen eingeht. Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich *) Darüber Näheres in meinem deutschen Civilprozeß. *) L. 8 § 14, 1. 29 pr. D. 16, 1; c. 4,19 Cod. 4,29. ROHG 14, 145.

436 der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten,für die Erfüllung der Verbindlichkeit dieses Dritten einzustehen (§ 765 BGB). 2. Geschichte. Das älteste römische Recht kannte drei Formen der Verbürgung, die sponsio, die fideipromissio und die fideijussio. In jedem Falle bedurfte es einer stipulatio, und zwar lautet die Frage idem davi spondes? bezw. idem flde promittis ? oder idem flde tua esse jubes? Sie sehte eine rechtsgültige Hauptschuld voraus und begründete eine klagbare Berpflichtung, auch wenn die Hauptschuld eine blos naturale Obligation war. Die Ber­ pflichtung des Bürgen muhte aber auf idem gehen; ging seine Er­ klärung auf mehr oder etwas anderes, so war die Stipulation nichtig. Im klassischen Rechte bestanden zwischen diesen drei Instituten Unter­ schiede, doch sind die sponsio und die fideipromissio in der nach­ klassischen Zeit außer Gebrauch gekommen, im justinianischen Recht hat sich nur die fideijussio erhalten. In der Kaiserzeit diente der Verbürgung auch das consti­ tutum debiti a l i e n i, d. h. ein pactum, durch das die Be­ zahlung einer Schuld versprochen wurde. Das c. hing nicht wie die fideijussio von der Wortform der Stipulation ab, es konnte daher auf einen andern Gegenstand gerichtet sein, und ging es auf mehr als die Hauptschuld, so war es nicht nichtig, sondern bestand bis zur Höhe der Hauptschuld. Aber es hatte die Eigenthümlichkeit, daß es von einer späteren Aufhebung, insbesondere von der Verjährung der Hauptschuld, nicht berührt wurde. Das Constitutum wurde nicht gemeines Recht'). Da aber dem gemeinen Rechte die Stipulationsform unbekannt war, so fiel hier alles das fort, was noch im justinianischen Rechte Folge der Ver­ tragsform war. Der Bürge konnte sich daher nach gemeinem Rechte unter härteren Bedingungen, selbst zur Leistung eines anderen Gegen­ standes, verpflichten, sofern nur die Identität von Haupt- und Bürzschaftsschuld gewahrt blieb. Denselben freieren Standpunkt nimmt auch das BGB (§§ 765, 767) ein. 3. Das Söcfetl der Bürgschaft. Die Bürgschaftsschuld ist a) eine accessorische, denn sie setzt das Bestehen einer Hauptschuld voraus. Hieraus folgt: aa) daß für den Bürgen eine Verpflichtung nur dann besteht, wenn eine solche für din Hauptschuldner vorhanden ist. Beruht also die Haustschuld auf einem nichtigen Vertrage, so ist auch die Bürgschaft nichtig; ist der Vertrag anfechtbar, so hat der Bürge nur eine auf die Anfecht') Dernburg: Pandekten II §§ 69, 77.

Larkeit gegründete dilatorische Einrede; steht dem Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner eine Einrede entgegen, so kann stch ihrer auch der Bürge bedienen, auch wenn der Hauptschuldner nach Eintritt des Bürgen auf sie verzichtet. Hierin stimmen altes und neues Recht überein (§ 768); kann aber der Hauptschuldner auf­ rechnen, so kann der Bürge auf diese Befugniß nur eine dilatorische Einrede gründen (§ 770); bb) daß die Verpflichtung des Bürgen den­ selben Umfang hat, wie die des Hauptschuld­ ners ; diese umfaßt nach neuem Recht auch die Vertragszinsen; ändert sich durch Verzug oder Verschulden die Hauptschuld, so ändert sich auch die Bürgschaftsschuld. Dagegen kann der Schuldner nicht Lurch ein Rechtsgeschäft die Verpflichtung des Bürgen erweitern. Auch hierin stimmt daS alte Recht mit dem neuen überein (§ 767). b) Die Bürgschaftsschuld ist eine subsidiäre, b. h. der Bürge haftet nur, wenn der Hauptschuldner nicht zahlt. Diese Auffassung bestand nicht nach älterem römischem Recht. Denn nach ihm waren Bürge und Schuldner Korrealschuldner. Der Gläubiger hatte daher die Wahl, den Schuldner oder den Bürgen zu belangen, doch wurde der nicht Belangte durch die Litiskontestation des Andern mit dem Gläubiger befreit. Justinian gab dem Bürgen (in Nov. 4 cap. 1) die Befugniß, die Zahlung zu verweigern, wenn der Gläubiger nicht vorher durch Ausklagung beim Schuldner vergeblich Befriedigung gesucht hatte (beneficinm oder exceptio excueeionis, Einrede der Borausklage). Außerdem fiel die konsumirende Kraft der Litiskontestation weg. Dieser Rechtszustand wurde gemeines Recht, die Subsidiarität der BürgschaftSschuld hing demnach vom Willen des Schuldners ab, während die Verpflichtung deS Bürgen nach deutschen RechtSquellen von vornherein eine subsidiäre war. Das BGB (§ 771) stimmt mit dem gemeinen Recht überein, indem es dem Bürgen die Einrede der VorauSklage giebt, so lange nicht der Gläubiger eine Zwangsvoll­ streckung gegen den Hauptschuldner ohn« Erfolg versucht hat. Handelt es sich aber um eine Geldforderung, so kann der Gläubiger schon dann auf den Bürgen greifen, wenn er aus den beweglichen Sachen deS Hauptschuldners keine volle Be­ friedigung erlangt (§ 772). Die Einrede hat stets aufschiebende Wirkung, und erst wenn sie vorgebracht ist, braucht der Gläubiger den Beweis für den bereits vorgenommenen Zwangsvollstreckungsversuch anzutreten. Sie fällt weg, wenn die Bürgschaft für den Bürgen einHandelsgeschäft und der Bürge Dollkaufmann ist, wenn er auf sie verzichtet hat, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Schuldner in Folge einer nach Uebernahme der Bürgschaft eingetretenen Aende-

438 rung deS Wohnsitzes, des Aufenthaltsortes oder der gewerblichen Niederlassung wesentlich erschwert, wenn der Schuldner im Konkurse und wenn anzunehmen ist, daß die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen werde (88 349, 351 HGB, 773 BGB). Wird auf die Einrede der Borausklage verzichtet, so spricht man von selb st schuldnerischer Bürgschaft. Der Verzicht hebt nur die Subsidiarität, nicht auch die Abhängigkeit der Bürg­ schaftsschuld auf (RG bei Seuff. 50, 153). c) Mitbürgen hatten nach einem Reskripte Hadrians (epistola Divi Hadriani) das sog. beneficium division i s, d. h. sie konnten verlangen, daß der Gläubiger seine For­ derung unter den zahlungsfähigen Bürgen theile. Die Zahlungs­ fähigkeit bes Mitbürgen hat der belangte Bürge zu beweisen, denn die Berufung auf die Rechtswohlthat war eine wirkliche Einrede. War sie begründet, so hatte sie zur Folge, daß der Gläubiger nunmehr gegen jeden einzelnen Bürgen eine besondere, auf einen Theil deS Schuldbetrages beschränkte Forderung hatte. Die Rechtswohlthat wurde gemeines Recht, aber das HGB versagte sie für den Regelfall (Art. 281), und das BGB hat das beuef. divisionia ganz beseitigt: mehrere Bürgen haften als Gefammtschuldner (§ 769). d) Der Gläubiger übernimmt dem Bürgen gegenüber aber auch die Pflicht, seine Rechte sorglich zu wahren, damit die Lage des Bür­ gen nicht verschlechtert werde. Diesen jedenfalls vom gemeinen Rechte (RG 18, 235. Seuff. 52, 280) anerkannten Grundsatz spricht § 776 BGB auS, indem es in den bestimmten Fällen (Aufgabe von Vor­ zugs- und Pfandrechten oder Aufgabe des Anspruchs gegen den Mitbürgen) den Bürgen insoweit von seiner Haftung entbindet, als der Bürge aus diesen — mit der Forderung auf ihn übergegangenen — Rechten hätte Befriedigung finden können. e) Hat der Bürge den Gläubiger befriedigt, so kann er Er­ st a t t u n g vom Schuldner verlangen, wenn das unter ihnen bestehende Rechtsverhältniß ihm eine solche Befugnis; giebt. Er wird demnach in der Regel die a. pro socio haben, wenn er Sozius deS Schuldners ist und als solcher gebürgt hat. Der Schuldner ist als Auftraggeber verpflichtet, wenn er zur Zahlung oder auch nur zur Bürgschaftsübernahme und damit zur Zahlung Auftrag gegeben; er haftet als Geschäftsherr, wenn die Zahlung als Geschäftsbesorgung, also mit dem animus obligandi, erfolgt ist. Unabhängig von diesem unter ihnen bestehenden Rechtsverhältnisse erwirbt der Bürge einen Erstattungsanspruch dadurch, daß er kraft des ihm zustehenden Re­ tentionsrechtes (beneficium cedend. actionum) die Zahlung da-

von abhängig macht, daß ihm der Gläubiger die zu bezahlende For­ derung abtritt. Erfolgt die Ceflion, so erwirbt der Bürge den An­ spruch des befriedigten Gläubigers mit allen Vorzügen und allen Mängeln (Vorzugsrecht im Konkurse, kurze Berjährungsfrist u. a.). Das BGB stimmt mit diesen Grundsätzen des gemeinen Rechtes über­ ein. doch tritt der Uebergang der getilgten Forderung auf den Bürgen von Rechts wegen ein (8 774). Geräth der Schuldner in Konkurs, so kann der Bürge seinen Regreßanspruch als aufschiebendbedingte Forderung anmelden. f) Der Bürge kann vom Hauptschuldner Befreiung von der Bürgschaftsverpflichtung verlangen, nach altem Recht, wenn der Hauptschuldner zu verschwenden anfing oder die Tilgung der Schuld ungebührlich verzögerte, nach neuem Rechte (§ 775), wenn sich die Vermögensverhältnisse deS Schuldners wesentlich verschlechtern, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner in Folge einer nach Uebernahme der Bürgschaft eingetretenen Berlegung seines Aufent­ halts oder Wohnsitzes wesentlich erschwert wird, wenn der Haupt­ schuldner in Verzug geräth, und wenn der Gläubiger gegen den Bürgen ein vollstreckbares Urtheil auf Erfüllung erwirkt hat. Vor­ ausgesetzt ist dabei, daß die Bürgschaft im Aufträge be8 Schuldners übernommen ist, oder daß der Bürge gegen den Schuldner einen Anspruch aus unbeauftragter Geschäftsführung, also wenn er mit dem anirnus obligandi gebürgt hat. Andernfalls besteht zwischen Bürgen und Schuldner kein Rechtsverhältniß. 4. Gegenstand der Bürgschaft kann nach altem und neuem Rechte jede, auch die bedingte oder betagte oder klaglose Verpflichtung deS Hauptschuldners sein (§ 765). 5. Form. Der Bürgschaftsvertrag war nach gemeinem Rechte in allen Fällen, und ist nach neuem Rechte dann, wenn die Bürgschaft auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft und der Bürge Vollkauf­ mann ist, an keine Form gebunden. Nach BGB (§ 766) aber ist die Gültigkeit des B ü r g sch a f t s v er t r a g e s v o n der Schriftform abhängig. Erfüllung der Hauptverbindlichkeit durch den Bürgen heilt den Mangel der Form. 6. Ende der Bürgschaft. Die Bürgschaft endet mit Aufhebung der Hauptschuld. Da die Bereinigung der Forderung mit der Haupt­ schuld nach altem und neuem Recht nicht immer eine endgültige Auf­ hebung der Schuld bewirkt, dauert auch die Bürgschaftsschuld fort. Bereinigt sich aber Forderung und Bürgschaftsschuld, so ging nach altem Rechte die Bürgschaftsschuld unter, nach neuem Rechte bleibt sie bestehen. Der Grundsatz des deutschen Rechtes, daß die Bürg­ schaftsschuld mit dem Tode des Bürgen erlischt (weil der Bürge Geißel war), ist vom römischen Rechte beseitigt und vom BGB nicht wieder

440 aufgenommen worden. Das neue Recht aber giebt im Gegensatze zum gemeinen Rechte, nach welchem hier die allgemeinen Grundsätze gelten, für den Fall einer zeitlich begrenzten Bürgschaft die Vorschrift, daß der Bürge nicht mit dem Eintritt des Zeitpunktes, sondern erst dann frei wird, wenn der Gläubiger die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner nicht unverzüglich betreibt (§ 777). 7. Arten der Bürgschaft. Wer sich für den Bürgen verbürgt, ist Nachbürge (Afterbürge), wer für die Regreßschuld des Haupt­ schuldners Bürgschaft übernimmt, ist Rückbürge. Der Verbürgung diente ferner schon im römischen und dient noch im heutigen Rechte der Kreditauftrag (mandatum qualificatum), d. i. der Auftrag, einem Anderen (durch Gewährung oder Verlängerung des Kredits) auf Gefahr des Auftrag­ gebers (d. i. in eigenem Namen und für eigene Rechnung § 778 BGB) z u kreditiren. Das Rechtsgeschäft unterliegt nach altem und neuem Rechte den Grundsätzen vom Auftrage, es ist also vor der Ausführung des Auftrages dem Widerrufe ausgesetzt und erlischt mit dem Tode des Mandanten oder des Mandatars. Ist es ausgeführt, so hat der Mandatar die a. mandati contraria auf Erstattung des Geleisteten, und zwar auch dann, wenn eine Verpflichtung des Kredit­ empfängers wegen dessen Geschäftsunfähigkeit nicht entsteht. Dem Mandanten steht zur Ausführung des Auftrages die a. mandati directa zu Gebote. Der Kreditauftrag ist nicht eine UnterartderBürgschaft, wohl aber steht nach Ausführung des Auftrages die H a f t u n g des Auftraggebers gegenüber dem Be­ auftragten unter den Grundsätzen von der Bürgschaft (§ 778: „als Bürge"). Daher unterliegt der Auftrag nach neuem Rechte nicht der Schriftform (RG 50, 160), der Auftraggeber hat aber die Einrede der Dorausklage. Wer im Namen und für Rechnung des Auftraggebers kreditirt, erlangt nach altem und neuem Rechte einen Anspruch nicht gegen den Kreditempfänger, sondern nur gegen den Auftraggeber, von einem der Bürgschaft ähnlichen Verhältnisse ist hier also keine Rede. 8. Unzulässige Bürgschaft. Ein Senatus consultum (Vellejanum) vom Jahre 56 n. Chr. gab weiblichen Perso­ nen die Befugnitz, eine von ihnen eingegangene Jnterceflion anzu­ fechten, und zwar durch Einrede wie durch condictio indebiti. Die Erfüllung der fremden Verbindlichkeit hing also vom freien Willen der Jntercedentin ab, doch gab es zahlreiche Ausnahmefälle, in welchen das beneficium versagte. Justinian ging im Schuhe der Frauen noch weiter: er unterwarf jedes Jnterceffionsgeschäft einer weiblichen Person einer Form (öffentliche und von drei Zeugen unter-

schrieben« Urkunde) und erklärte jede nicht in dieser Form abgegebene Erklärung für nichtig, die formell gültige Erklärung aber für anfecht­ bar nach den Grundsätzen des Set. Vellejanum; endlich erklärte er jede von einer Ehefrau für ihren Mann abgegebene Jnterceffionserklärung für nichtig, auch wenn die Form beobachtet wurde (Rov. 134 c. 8 und sog. Auth. si qua mulier). Das kanonische Recht ließ diese sog. „weiblichen Rechtswohlthaten" verloren gehen, wenn die Frau ihre Verpflichtung eidlich bekräftigte. Doch wurde dieser Satz nicht gemeines Recht. Statt dessen verlangten einzelne Partikulargesetze gerichtliche Form und Belehrung der Frau über ihre Rechte durch den Richter (certioratio). Das HGB (Art. 11) und die Gew.-O. (§ 11) stellten Handels- und gewerbetreibende Frauen den Männern gleich, wenn es sich um eine aus dem Handels- oder Ge­ werbebetriebe entstandene Verbindlichkeit handelte, und daS BGB ent­ hält für Jnterceffionen weiblicher Personen überhaupt keine Bestim­ mungen: nach neuem Rechte unterliegen also derartige von Frauen abgegebene Erklärungen einer Beschränkung überhaupt nicht mehr. 9. Wechselbürgschaft wird dadurch übernommen, daß der Bürge die Wechselerklärung des Hauptschuldners schlechthin oder mit dem Zusatze „als Bürge" unterzeichnet. Sie begründet ein Gesammtschuldverhältniß ohne Einrede der Vorausklage (Art. 81 WO). Eine wechselrechtliche Verpflichtung entsteht nicht, wenn für eine Wechselschuld nicht auf dem Wechsel selbst Bürgschaft übernommen wird, in diesem Falle hat daher der Bürge die Einrede der Dorausklage. Wird aber für eine civilrechtliche Schuld durch Abgabe einer Wechselerklärung Bürgschaft übernommen, so unterliegt die Zulässig­ keit der exceptio exeuasionis dem Art. 82 WO. 10. Ein der Bürgschaft ähnliches Geschäft ist der Gara«tievertrag. Durch diesen übernimmt der eine Theil die Verpflichtung, dem andern diejenigen Vortheile zu gewähren, die dieser auS einem gewissen Unter­ nehmen zu ziehen hofft. Dieses Geschäft kommt am häufigsten in der Gestalt vor, daß der Staat oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft auf die Aktien einen bestimm­ ten Ertrag gewährleistet (vgl. § 180 HGB). Er begründet eine ein­ seitige, von einer Gegenleistung unabhängige Verpflichtung. Der Bürgschaftsübernahme kann ein einseitig oder zweiseitig verpflichten­ des Abkommen zu Grunde liegen, der Versicherungsvertrag ist stets ein zweiseitig verpflichtender. Bürgschaft und Versicherung wollen Schuh gegen ein dem Vermögen von außen her drohendes Ereigniß ge­ währen, der Garantievertrag aber will gegen eine im Unternehmen selbst liegende Gefahr sichern. Weder das bisherige, noch das neue Recht enthalten Bestimmungen über den Garantievertrag.

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II. Obligationen an» Ui»n», b. bürgerliche Recht Drustchlaabs. UL Aast.

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530 recht, zum größeren Theile Partikulargefetze. Diese Normen werden vom BGB (Art. 59 EG) aufrechterhalten. Das F. unterscheidet sich dadurch vom Stammgut, daß letzteres auf Rechtsvorschrift, ersteres auf einer Privatwillenserklärung (der Stiftung) des Eigenthümers beruht. Die Stiftung kann in einem Erbvertrag, einem Testament oder einer sonstigen einseitigen Er­ klärung enthalten sein. häufig bedarf sie der Bestätigung des Landes­ herrn oder einer Behörde; sie hat bindende Kraft nicht nur für den Erben, sondern für alle künftigen Mitglieder der Familie des Stifters und für Dritte; sie bedarf daher regelmäßig der Bekanntmachung und der Eintragung ins Grundbuch. Berechtigt zur Stiftung eines F. ist grundsätzlich ein Jeder, dem die freie Verfügung über den Gegenstand der Stiftung zusteht. Gegenstand des F. kann Alles sein, was einen dauernden Genuß zu­ läßt, namentlich Grundstücke, den Grundstücken gleichbehandelte Rechte und Kapitalien. Der Stiftung wesentlich istdieAnordnungderUnveräußerlichkeit. Diese Anordnung braucht keine ausdrückliche (RG 18, 207) und nicht für alle Zeiten gegeben zu sein, der Stifter kann sie vielmehr zeitlich beschränken. Ist eine solche Einschränkung nicht erklärt, so erlischt das F. grundsätzlich erst mit dem Aus sterben der berechtigten Familie, denn auch ein Beschluß aller gegenwärtigen Familienmitglieder ist an sich nicht geeignet, den Stiftungswillen zu beseitigen. Die neuere Gesetzgebung aber, die dem Familienfideikommiß vorübergehend ungünstig war (namentlich der code civil und die Gesetze von 1848), läßt regelmäßig sowohl die Veräußerung als die Abänderung und Aufhebung der Stiftung mit Zustimmung aller lebenden Familienmitglieder (Familienschluß) beim Vorhandensein gewifler Voraussetzungen und Beobachtung gewisser Formen zu. Auch ist der gutgläubige Erwerber geschützt (Art. 61 EG z. BGB). Die Stiftung kann wohlerworbene Rechte nicht verletzen. Sie unterliegt daher der querela inofficiosi testamenti oder einer dieser nachgebildeten Klage, wenn sie ein Pflichttheilsrecht verletzt, und sie kann die Rechte derjenigen Gläubiger, welche entweder schon ein ding­ liches Recht auf Befriedigung aus der Sache (Pfand- oder Hypotheken­ recht) oder doch die Aussicht auf Befriedigung aus der Sache haben, nicht schmälern; daher können letztere die Stiftung mit der a. Pauliana anfechten. Regelmäßig wird mit der Stiftung die Festsetzung einer b e sonderen Successionsordnung verbunden, denn die allgemeine Erbfolgeordnung ist für das F. ungeeignet, weil sie zur Berufung zahlreicher Personen usb daher zu einer wenigstens ideellen

Theilung bei F. führt. Eine reelle Theilung ist mit dem Zwecke des Institutes unvereinbar und daher unzulässig. Das F. geht nicht, wie früher häufig angenommen wurde, in das Eigenthum der Familie übet, es wird vielmehr beschränktes Eigen­ thum des F.-Folgers. Die Beschränkung besteht in der bereits er­ wähnten Unveräußerlichkeit und in dem Mangel des Rechts, daS Gut mit Schulden zu belasten. Die gleichwohl auf das Gut gelegten Schulden können nur aus dem befriedigt werden, was der freien Ver­ fügung des F.-Besitzers unterliegt, d. i. aus den Einkünften (daher die sog. Revenüen-Hypothek). Die vom Stifter und die vom F.-Besitzer zu Gunsten des Fideikommisses selbst auf dieses ge­ legten sog. Fideikommißschulden gehen nicht auf die Gesammtnachfolger des ursprünglichen Schuldners, sondern mit dem F. auf den F.-Nachfolger über und können nach einzelnen Partikular­ rechten auch durch Zwangsversteigerung deS F. beigetrieben werden. Weitere Beschränkungen bestehen im Interesse der Unversehrtheit des F. (z. B. Abholzung, Veränderung der wirthschaftlichen Bestimmung des GuteS) zu Gunsten der Fideikommißanwärter d. h. der eventuell successionsberechtigten Personen. Nicht schon mit der Stiftung, sondern beim ersten Successions­ falle scheidet das F. aus dem übrigen, dem sog. Allodialvermögen, des Stifters aus.

Der Krwerö und der Aertust des Eigenthums. A. § 185.

Die beweglichen Sachen. I. Der abgeleitete Eigenthumserwerb.

Der abgeleitete (derivative) Eigenthumser­ werb ist eine Succession des Erwerbers in das Eigenthum eines Andern, des AuktorS, Rechtsurhebers, Rechtsvorgängers. Der Rechtsnachfolger erwirbt also die Sache mit den ihr anhaftenden Lasten (Eigenthumsbeschränkungen, dinglichen Belastungen) und den mit ihr verbundenen Rechten (Reallastberech­ tigungen, Grundgerechtigkeiten u. a., den sog. subjektiv-dinglichen Rechten). 1. Bon Todeswegen geschieht die Succession nach altem und neuem Recht durch Erbfolge, durch Bermächtniß, durch Schen­ kung von TodeSwegen. Wie der Erbe und der Universalfideikommiffar (Nacherbe) in alle Rechtsverhältnisse des Erblassers ein­ tritt, so erwirbt er auch das Eigenthum der Sachen, die in dessen Eigenthum gestanden hatten.

532 2. Durch adjudicatio d. i. das im Theilungsprozeß er­ lassene Urtheil geht das Eigenthum an der etwa zugeschlagenen Sache oder dem zugeschlagenen Stücke nach altem und neuem Recht (§ 920 BGB) über. Verschieden hiervon ist der Z u s ch l a g, der auf Grund einer Bersteigerung zu Gunsten des Erstehers erfolgt (§ 156); denn der Zuschlag ist eine den Vertrag vollendende Willenserklärung und fällt daher unter den unten zu behandelnden Begriff der Uebereignung. Erfolgt die Versteigerung durch einen Beamten (z. B. den Gerichtsvollzieher §§ 814—818 CPO), so ertheilt dieser den Zu­ schlag traft seines Amtes, nicht als Vertreter des Schuldners; ein Anspruch auf Ueberlaflung der Sache entsteht aber auch hier nur durch den Zuschlag, und das Eigenthum geht erst mit dem Besitz­ erwerb über. Rach bisherigem Rechte ging durch das auf die dominii impetratio erlassene Urtheil das Eigenthum an der Pfand­ sache auf den Pfandgläubiger, durch das die restitutio in integrum ausführende Urtheil das Eigenthum auf den RestitutionSkläger über, ohne daß es in allen diesen Fällen noch eines weiteren Aktes bedurfte. Beide Institute sind dem neuen Rechte fremd. 3. In einigen Fällen geht das Eigenthum über, indem eS der bisherige Eigenthümer verwirkt: a) nach altem Recht, wenn er zur zweiten Ehe schritt; es erwarben dann die Kinder erster Ehe ipso jure an gewissen Gütern des binubus das Eigenthum; ferner wenn der Miteigentümer eines reparaturbedürftigen Hauses die von seinem Genossen verauslagten Wiederherstellungskosten nicht erstattete. Beide Fälle des Eigenthumserwerbs sind dem neuen Rechte fremd; b) nach geltendem Recht zur Strafe wegen einer strafbaren Hand­ lung; in diesen Fällen geschieht ein Zuschlag an den Fiskus d u r ch U r t h e i l d e s S t r a f r i ch t e r s (§§ 40,152, 295 StGB u. a. Gesetze). Nach herrschender Auffassung bedarf es jedoch der Besitzergreifung durch den Fiskus (RG in Straff. 21, 5). Dieser Erwerb ist nicht immer ein derivativer, da er in einigen Fällen vom Eigenthum deS Verurtheilten nicht abhängt (z. $8. §§ 295, 367 letzter Abs. StGB; § 15 Ges. vom 14. Mai 1879 betr. d. Verkehr mit Nahrungsmitteln u. s. w.). Hieran wird durch das BGB nichts geändert. 4. Die missio ex secundo decreto übertrug das Eigenthum im Falle der cautio damni infecti (s. oben S. 454) nach römischem Recht. 5. Bei Auflösung der Ehe fielen nach römischem Rechte die Dotalsachen ipso jure an die Frau (f. hierüber im Familienrecht).

§ 186. Die Uederetgnuug. Der Hauptfall abgeleiteten EigenthumserwerbS ist der der Uebereignung d. h. der freiwilligen Veräußerung. Dieser Erwerb vollzog fich nach älterem römischen Rechte durch man­ cipatio oder in jure cessio. Die erstere, nur römischen Bürgern und nur für res mancipii gestattet, bildete einen privaten symbo­ lischen Akt, zu dem 5 Zeugen und ein Wagehalter zugezogen und ein Stück Erz als Symbol des Kaufpreises in die Wagschale gelegt, der aber auch dann angewendet wurde, wenn der Uebereignung ein anderes Geschäft als Kauf zu Grunde lag. Die in j ure cessio, auch bei res nec mancipii anwendbar, bestand in einem Scheinprozeß, bei welchem der Erwerber als vindicirender Eigenthümer auftrat, der Veräußerer als Beklagter nicht widersprach, und der damit endete, daß der Prätor die Sache dem Erwerber zusprach. Diese Formen sind durch die traditio verdrängt worden, d. h. durch die mit dem UebereignungSwillen erfolgte Befitzübergabe. Diese Uebergabe erfolgt zwar regelmäßig in Erfüllung einer obligatorischen Rechtspflicht, um dem Käufer die verkaufte, dem Be­ schenkten die geschenkte Sache, dem DarlehnSfucher das versprochene Geld, dem Gläubiger die geschuldete Geldsumme zu verschaffen. Ein solches Geschäft ist aber nur ein Z e i ch e n dafür, daß der Wille, die hingegebene Sache zu über eignen, und die Absicht, daSEigent h u m zu erwerben, vorhanden ist, denn die Uebergabe an sich über­ trägt nur den Besitz. Dies ist der Sinn der 1. 31 pr. D. de acq. rer. dom. 41,1: Nonquam nuda traditio transfert dominium, sed ita si venditio vel aliqua justa causa praecesserit, propter quam traditio sequeretur. Die Uebereignung oder Tradi­ tion ist vielmehr ein von jenem BerpflichtungSverhältniß losgelöster, abstrakter dinglicher Vertrag. Denn auch wenn jenes VeräußerungSgeschäft nichtig ist und ein DrrpflichtungSverhältniß nur in der Einbildung der BertragSgenoffen besteht, geht durch die Tradition nach altem und neuem Recht Eigen­ thum über, wenn nur der UebereignungSwille auf beiden Seiten vor­ handen ist (vgl. die wichtige Stelle 1. 36 D. 41, 1). ES kann umgekehrt der obligatorische Beitrag gültig und un­ bedingt, die Tradition aber ungültig oder bedingt sein. Auch hat das pactum reservati dominii, d. h. die (zur Sicherstellung des Verkäufers wegen des Kaufpreises getroffene) Dereinbarung. daß die übergebene Sache im Eigenthum des Verkäufers bleiben solle (§ 455 BGB), nur die Wirkung, daß sie die Tradition, nicht auch den

534 Kauf bedingt (RG 7, 147)'). Im Falle des Verkaufs war die Tra­ dition nach römischem Recht übrigens stets durch die Zahlung des Preises bedingt; das Eigenthum ging daher auf den Käufer erst mit der Preiszahlung über, es sei denn, daß der Verläufer die Sache unter Kreditirung des Preises übergab. Dieser Satz war gemeiner Recht geworden, in das BGB aber ist er nicht übergegangen, die Uebergabe auf Grund eines Kaufes bildet also heute keine Ausnahme mehr (§ 929). Das BGB erklärt in Uebereinstimmung mit dem alten Rechte den abstrakten dinglichen Vertrag, der in der Einigung der Kontrahenten über den Eigenthumsübergang besteht, und die Uebergabe der Sache für erforderlich (§ 929). Es steht also int Gegensatze zum französischen Rechte, nach welchem die Einigung aus­ reicht, auf dem gemeinrechtlichen Traditionsprinzip. Die Uebergabe kann körperlich, sie kann durch brevi manu traditio oder constitutum possessorium erfolgen (§§ 929, 930), sie wird aber auch durch Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt, wenn sich die Sache im Besitz eines Dritten befindet (§ 931), während nach ge­ meinem Recht im Falle der Abtretung der Bindikation das Eigen­ thum erst dann auf den Erwerber überging, wenn er den Besitz der Sache erlangte. Das Traditionsprinzip erleidet eine Durchbrechung nur beim Verkaufe von Seeschiffen und Schiffsparten. Dabei kann nämlich (nach § 474 BGB) die Uebergabe durch die Vereinbarung, daß das Eigenthum sofort auf den Erwerber übergehen solle, ersetzt und damit der Erwerb des Eigenthums eines auf der Fahrt befind­ lichen Schiffes ermöglicht werden. Die Uebereignung war nach römischem und gemeinem Recht eine Rechtsnachfolge (f. § 185 a. An­ fang); sie ist dies auch nach BGB, wenn der Veräußerer Eigen­ thümer ist. Da das BGB aber, wie § 188 gezeigt werden wird, den Eigenthumserwerb des gutgläubigen Erwerbers vom Eigen­ thum des Beräußerers unabhängig macht, begründet die Uebergabe in vielen Fällen einen ursprünglichen Erwerb.

II. Der ursprüngliche Erwerb. § 187.

Einleitung.

Durch ursprünglichen Erwerb kann sowohl an Sachen, die schon einen Eigenthümer haben, als auch an solchen, die noch in Niemandes Eigenthum stehen. Eigenthum begründet werden. Im ersten Falle hat zwar der Eigenthumserwerb nothwendig für den bisherigen *) Cb suspensiv ober resolutiv, hängt von der Absicht der Parteien ab. Im Zweifel ist die Bedingung eine aufschiebende.

Eigenthümer de» Eigenthumsverlust zur Folge, aber eine Rechtsnach­ folge findet nicht statt. Aeutzerlich stellt sich der EigenthumSerwerb lieft guten Glaubens als eine Rechtsnachfolge d. i. als Tradition dar, daher soll dieser Fall vorangestellt werden.

§ 188. Erwerb auf Grund guten Glaubens. 1. Früheres Recht. Während das römische Recht an dem Grundsätze festhielt: nemo plus juris transferre potent quam ipse habet, denjenigen also, der eine Sache vom Nichteigenthümer erlangt hatte, dem Eigenthümer gegenüber rücksichtslos zur Heraus­ gabe zwang'), gelangte das deutsche Recht zu dem zwar nicht überall geltenden, aber weitverbreiteten Grundsätze, daß derjenige vor der Herausgabt geschützt werden müsse, der eine Sache im guten Glauben d. h. in der zwar irrigen, aber durch die Lage der Umstände gerecht­ fertigten Meinung erworben hat, daß der Veräußerer zur Ver­ äußerung auch befugt sei. Doch hat das rezipirte römische Recht jenen deutschrechtlichen Sah zu einem partikulären Satze von beschränktem Anwendungsgebiet herabgedrückt. Im Interesse der Sicherheit deS Handelsverkehrs hat dann daS moderne Recht jenen deutschrechtlichen Grundsatz wiederaufgenommen und ist so weit gegangen, demjenigen, der eine für den Umlauf bestimmte Sache im Vertrauen auf daEigenthumsrecht des Veräußerers im Wege des gewöhnlichen Ge­ schäftsverkehrs erwarb, nicht blos Schutz vor der Vindikation deS EigenthümerS, sondern das Eigenthum selbst zu gewähren, auch wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer war. Dieser Satz war in den Artt. 306, 307 HGB a. F. enthalten. Wer ein Ordrepapier durch formell gültiges Indossament (nicht durch Session RG 33, 147) von dem zum Besitze deS Papieres Legitimirten in gutem Glauben er­ warb, erlangte nach Artt. 36,74 WO Art. 305 HGB das Eigenthum deS Papieres. Der Eigenthumsübergang an Namenspapieren unterlag den Grundsätzen derivativen Erwerbes. Ferner ließen deutsche Partikularrechte daS Eigenthum an öffent­ lich versteigerten Sachen auf den Erwerber übergehen, auch wenn der, in dessen Interesse die Versteigerung erfolgte, nicht Eigenthümer war. 2. Heutiges Recht. Das BGB hat den in diesen einzelnen Fällen zur Anwendung kommenden modern-rechtlichen Grundsatz *) Wer vom Fiskus, dem Regenten oder der Regentin erwarb, wurde »ach römischem Recht Eigenthümer, auch wenn der Veräußerer nicht Eigenchümer war. Guter Glaube war nicht erforderlich. — Der Psandgläubiger Mt befugt, das Recht tu übertragen, das der Pfandschuldner an der Lach« hatt«, also unter dieser Voraussetzung Eigenthum. Dieser Fall war leine Ausnahme und bildete eine originäre Erwerbsart nicht.

536 verallgemeinert, indem eS in jedem Falle der Veräußerung beweglicher Sachen von dem Erforderniffe des Eigenthumsrechtes drS Veräußerers absieht. Der EigenthumSerwerb an beweglichen Sachen im Falle eines auf Uebertragung gerichteten Rechtsgeschäftes ist also nach ihm ein ursprünglicher Erwerb. Die Folge davon ist das Er­ löschen von Rechten Dritter an der veräußerten Sache, falls der Er­ werber das Recht nicht kannte oder kennen mußte (§ 936). Diese Grundsätze sind durch §§ 897, 898 CPO auf einen im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgenden Erwerb ausgedehnt worden. Voraussetzungen des Eigenthumserwerbs sind hier­ nach (§§ 929—935): 1. Uebergabe; der körperlichen Uebergabe aber steht die brevi manu traditio (§ 929) in dem Falle, daß der Erwerber den Besitz vom Veräußerer erlangt hatte, sowie die Abtretung des Heraus­ gabeanspruches gegen den Besitzer (§ 931) gleich (§§ 932, 934), nicht aber auch das constitutum possessorium (§ 933). Das BGB verlangt also stets einen wirklichen Besitzwechsel. 2. Einverständnißder Parteien darüber, daß das Eigen­ thum übergehen soll, also der abstrakte dingliche Uebereignungsvertrag. 3. Guter Glaube des Erwerbers zur Zeit des Erwerbes; nachträglich erlangte Kenntniß vom Nichtrecht des Veräußerers hebt den vollendeten EigenthumSerwerb nicht wieder auf. Ueber den Be­ griff deS guten Glaubens war früher Streit; das BGB begnügt sich nicht mit der Thatsache des irrigen Meinens, sondern sieht als guten Glauben an nur die trotz gewissenhafter Prüfung vor­ handene Nichtkenntniß davon, daß die Sache nicht dem Ver­ äußerer gehört (§ 932 Abs. 2). Wer Eigenthum auf Grund eines VeräußerungsgeschäfteS er­ worben zu haben behauptet, braucht nur den eingetretenen Besitzwechsel und das Vorhandensein des Uebereignungswillens zu be­ weisen. Sache des Gegenbeweises ist es, darzuthun, daß der Er­ werber zur Zeit des Erwerbes sich nicht in gutem Glauben befunden habe, daß ihm also bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbe­ kannt gewesen sei, daß die Sache nicht dem Veräußerer gehörte (§ 932). DaS Vorhandensein des Uebereignungswillens wird durch Darlegung des der Tradition zu Grunde liegenden, auf EigenthumSgewährung gerichteten Rechtsgeschäftes bewiesen. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen findet nur beim Er­ werb solcher Sachen statt, deren Besitz der Eigenthümer oder, falls dieser nur mittelbar besaß, der Besitzer ohne seinen Willen verloren hat (§ 935). Jedoch ohne Rücksicht darauf, ob der bisherige Eigen­ thümer den Besitz freiwillig oder unfreiwillig verloren hatte, gehen in das Eigenthum des redlichen Erwerbers mit der Uebergabe übet:

&) (Selb und Jnhaberpapiere (also nicht die in §§ 807, 808 BTB bezeichneten Urkunden). Wird aber ein ge­ stohlener, verloren gegangenes oder sonst abhanden gekommene- Ja­ haberpapier an einen Kaufmann, der Bankier- oder Geldwechsler­ geschäfte betreibt, veräußert, so gilt dessen guter Glaube als ausge­ schlossen, wenn zur Zeit der Veräußerung der Verlust im „Deutschen Reichsanzeiger" bekannt gemacht und seit dem Ende deS JahreS, in dem btt Veröffentlichung erfolgt ist, nicht mehr als ein Jahr ver­ strichen war. Der Bankier kann diese Vermuthung durch den Nach­ weis besonderer Umstände entkräften (§ 367 HGB); b) die int Wege öffentlicher Versteigerung veräußerten Sachen (§§ 156, 935 BGB). Nach diesen allgemeinen Vorschriften deS BGB wird durch den guten Glauben deS Erwerbers nur daS mangelnde Eigenthum deS Veräußerers ersetzt; in besonderen Fällen ersetzt der gute Glaube deS Erwerbers daS mangelnde Verfügungsrecht deS EigenthumerS. Diese Fälle sind: die Veräußerung trotz eineS zu Gunsten bestimmter Personen wirkenden Veräußerungsverbotes (§§ 135,136, § 23 ZwstG), die Veräußerung trotz Anfechtbarkeit deS dem Ver­ äußerer zustehenden Eigenthums (§ 142), die Veräußerung während deS Schwedens einer Bedingung (§ 161), Veräußerungen, die der Vorerbe und solche, die der Erbe vornimmt, obwohl die Verfügungs­ macht nur dem Testamentsvollstrecker zusteht (§§ 2113, 2211). End­ lich hat das HGB (§ 366) den EigenthumSerwerb zugelassen, wenn der Erwerber zwar daS mangelnde Eigenthum deS Veräußerers, nicht aber den Mangel deS VerfügungSrechtS deS Veräußerers kennt. Wer also von einem Kommissionär erwirbt, ohne zu wissen, daß der Kommissionär nicht veräußern soll, erwirbt Eigenthum. Der Verlust, den der Eigenthümer dadurch erleidet, daß er durch die Verfügung eines Nichtberechtigten sein Recht verliert, soll durch einen Bereiche­ rungsanspruch ausgeglichen werden (§ 816). § 189.

Die Ersitzung.

1. Der redliche, aber irrige Glaube. Eigenthum erworben zu haben, führte schon nach älterem römischen Rechte zum Eigenthum, wenn eine längere Zeit ungestörten Besitzes hinzukam. DaS Recht der zwölf Tafeln gestattete den EigenthumSerwerb an unbeweglichen Sachen bei zweijährigem, an beweglichen Sachen bei einjährigem Besitz. Diese nsucapio setzte Sachen voraus, die deS quiritischen Eigenthums fähig waren, und galt nur für römische Bürger. Daneben entwickelte das prätorische Recht eine 1 o n gi temporis praescriptio d. h. eine die Vindi­ kation ausschließende Einrede (wie der Name besagt), welche Dem-

538 jenigtn, der ein Provinzialgrundstück 10 (inter absentes 20) Jahre besessen hatte, gegeben wurde. Justinian vereinigte beide Institute, indem er dem Präskribenten Eigenthum gewährte. Ferner verordnete er, daß der gutgläubige Erwerber, gegen den in Folge dreißig­ jährigen Besitzes die Eigenthumsklage verjährt war, seinerseits die Eigenthumsklage sollte anstellen können, wenn er den Besitz verlor. Das gemeine Recht unterschied im Anschluß an diese Veränderungen eine ordentliche und eine außerordentliche Ersitzung, b. i. einen Eigenthumserwerb durch fortgesetzten Besitz. Das ältere deutsche Recht hatte eine Ersitzung nicht gekannt. Die ordentliche Ersitzung hing nach altem Recht davon ab, daß der Erwerber einen Titel für seinen Erwerb hatte, d. h. daß er den Besitz der Sache durch ein Rechtsgeschäft erlangt hatte, das an sich geeignet war, Eigenthum zu begründen, diese Wirkung nur im vorliegenden Falle nicht haben konnte, weil dem Veräußerer das Eigenthum fehlte. Beim Vorhandensein eines Titels begnügte sich das Recht bei beweglichen Sachen mit dem kurzen Zeit­ raume von drei Jahren'). Die außerordentliche Ersitzung sieht von dem Erfordernisse des Titels ab, verlangt dafür aber zur Vollendung der Ersitzung einen langen Zeitraum (30 Jahre). 2. Bisher war die Ersitzung ein praktisch wichtiges Institut, denn sie diente dem Schutze des guten Glaubens: ein thatsächlicher Zustand, der aus gutem Grunde, wenngleich irrig, als ein dem Recht entsprechender Zustand angesehen worden war, sollte nach Ablauf eines gewissen Zeitraums zu einem Rechte werden und also der Anfechtung entzogen sein. Da nun das BGB den redlichen Erwerb viel wirk­ samer dadurch schützt, daß es an ihn unmittelbar und sofort den Erwerb des Eigenthums knüpft, hat die Ersitzung für das neue Recht eine geringe Bedeutung. Sie wird praktisch nur noch in Fällen des Besitzerwerbs an abhanden gekommenen Sachen (§ 935), an Sachen, die der Besitzer nicht durch ein Veräußerungsgeschäft erlangt hat (§ 929), und bei Erwerbungen, die in Folge eines anderen Mangels als desjenigen des Eigenthums des Veräußerers Eigenthum nicht übertragen. Dafür erleichtert das BGB die Ersitzung, indem es vom Titel absieht; die heutige Ersitzung ähnelt daher der außer­ ordentlichen Ersitzung des gemeinen Rechts, ohne einen so langen Zeitraum zu erfordern, wie diese. Das gemeine Recht stellte für die ordentliche Ersitzung eine Reihe Erfordernisse auf, die in dem Denkverse: res habilis, titulus, fides, possessio, tempus zusammengefaßt wurden. Danach war erforderlich ') Bei unbeweglichen Sachen 10 Jahre.

a) eine fähige Sache. Nach der endgültigen Gleich­ stellung der uaucapio und der longi temporis praeecriptio waren grundsätzlich alle Sachen der Ersitzung fähig. Doch bestanden einige Ausnahmen. Zu ihnen gehörte das Verbot der Ersitzung von ree furtivae und res vi possessae (nach den XII Tafeln, der lex Atinia und der 1. Plantia, Art. 209 der Carolina): dem Be­ stohlenen sollte die Möglichkeit, seine Sache wiederzuerlangen, für immer offengehalten werden. Das BGB macht keine Ausnahme von der Ersitzbarkeit, der Bestohlene wird dadurch geschützt, daß der red­ liche Erwerb einer dem Eigenthümer durch Diebstahl entfremdeten Sache nicht sofort Eigenthum begründet (§ 935). b) Der Titel. Der gute Glaube muß seine Rechtfertigung finden in einem Borgange, der geeignet ist, in dem Erwerber die Meinung, er habe Eigenthum er­ worben, zu begründen. Zu diesen Vorgängen gehören na­ türlich diejenigen Rechtshandlungen, die an sich fähig sind, Eigen­ thum zu geben. Diese Rechtsgeschäfte nennt man die ErsitzungStitel. Daher unterscheiden die römischen Quellen einen titulua pro emptore, wenn der Erwerber die Sache durch Kauf, pro donato, wenn er sie durch Schenkung, pro dote, wenn er sie als Mitgift, pro soluto, wenn er sie als Gegenstand der Erfüllung einer Berpftichtung erhielt, pro derelicto, wenn er sie in der Meinung in Besitz nahm, sie fei vom bisherigen Eigenthümer preisgegeben. In allen diesen Fällen wurde der sofortige Eigenthumserwerb nur durch einen Mangel im Rechte des Veräußerers verhindert. Ob nicht neben dem wirklich vorhandenen Titel (titnlns verus) die irrige An­ nahme eines Titels (ein titnlns putativus) ausreiche, war schon unter den römischen Juristen streitig, und die herrschende Lehre des gemeinen Rechts begnügte sich mit dem Putativtitel, wenn jene An­ nahme durch die Thatsachen gerechtfertigt toütbe1). T. pro berede nannte man den Fall, in dem ein Richterbe Erbschaftssachen, und den Fall, daß der Erbe nicht zum Nachlasse gehörige Sachen in Besitz nahm, nicht auch den Fall, daß der Erbe die vom Erblasser an­ gefangene Ersitzung fortsetzte. Der in den Quellen (Dig. 41,10) ge­ brauchte Ausdruck titnlns pro euo diente als allgemeine Bezeichnung für jeden Titel und für diejenigen Titel, die keinen eignen Namen hatten. ’) Z. B. Jemand beauftragt einen Anderen mit dem Ankauf einer Sache und erhält die Sache von dem Beauftragten mit der falschen Versicherung, das, er sie gekauft habe. ES kaust Jemand eine Sache von einem Wahn­ sinnigen, den er für vernünftig hält. Im letzteren Falle war der Kauf nichtig, als» ein Titel nicht vorhanden.

640 Das BGB (§ 937) hat bad Erforderniß bei Titels beseitigt, btt Unterscheidung von wahrem unb putativem Titel hat also keine Bebeutung mehr. c) Der gute Glaube, b. i. bte irrige, aber nach Lage der Umstände gerechtfertigte Annahm«, baS Eigenthum erworben zu haben, brauchte nach römischem Rechte nur beim Erwerbe vorhanden zu fein; die später erlangte Ueberzeugung, nicht im Rechte zu sein, war lein Hinderniß für die Ersitzung. Das gemeine und das neue Recht (§ 937) haben sich in­ dessen dem kanonischen Grundsätze (cap. 20 X de praescr. 2, 26) angeschloffen, wonach die später erworbene Kenntniß des Besitzers, daß ihm das Eigenthum nicht zustehe, die Ersitzung hindert (mala Ödes superveniens nocet). d) Der Besitz und zwar nach bisherigem und neuem Recht (§ 937) Eigenbesitz b. h. Besitz mit dem animus domini (§ 872). e) Der Besitz muß die vom Gesetze bestimmte Zeit hindurch bestanden haben d. h. nach gemeinem Rechte 3 Jahre bei einer be­ weglichen, 10 Jahre bei einer unbeweglichen Sache, nach neuem Recht (§ 937) 10 Jahre. Der Rechtsnachfolger kann sich aber nach altem und neuem Rechte (§ 943) den Ersitzungsbesitz seines Rechtsvor­ gängers anrechnen. Diese accessio possessionis ist zu unterscheiden von der successio in usucapionem d. h. von betn Eintritt des Erben in die vom Erblaffer begonnene Ersitzung: war nämlich der Erbe in mala flde, so setzte er nach römischem Rechte die vom Erblaffer begonnene Ersitzung gleichwohl fort, weil er in alle Rechtsverhältniffe des Erblassers eintrat und bona fides nur beim Beginne der Ersitzung vorhanden zu sein brauchte. Rach ka­ nonischem, gemeinem und neuem Rechte (§§ 937, 943) kann die Er­ sitzung durch den Erben nur dann fortgesetzt werden, wenn auch er in bona flde ist. Während aber der Erbe auch nach römischem Rechte nicht ersitzen konnte, wenn der Erblaffer in mala flde war, kann nach neuem Rechte der Erbe in diesem Falle die Ersitzung be­ ginnen. Nach neuem Rechte (§ 944) kommt betn Erben auch die­ jenige Zeit zu statten, die zu Gunsten eines Erbschaftsbesitzers ver­ strichen ist, b. h. während welcher dieser den Ersitzungsbesitz gehabt hat. — Der hie und da in der gemeinrechtlichen Lehre vertretene Satz: olim et hodie possessor, semper possessor ist vom BGB (§ 938) zu einer Rechtsvermuthung gemacht worden, daher hat der Besitzer nur zu beweisen, daß er am Anfang und am Ende der Ersitzungszeit besessen habe. Die Ersitzung kann unterbrochen werden. Tritt eine Unterbrechung ein, so kommt nach altem und neuem Rechte (§ 942) der bisher abgelaufene Zeitraum nicht mehr in Anschlag. Sobald

aber der Grund der Unterbrechung wegfällt, beginnt eine neue Er­ sitzung, wenn in diesem Zeitpunkte die Boraussetzungen der Ersitzung vorhanden sind. Die Unterbrechung wird herbeigeführt aa) durch den Verlust deS Besitzes, und zwar nach altem Rechte deS juristischen Besitzes, nach neuem Rechte deS Eigen­ besitzes (§ 940); aber während nach bisherigem Rechte selbst die wider Willen deS Besitzers und auf nur ganz kurze Zeit eingetretene Besitzentziehung unterbrechend wirkte, tritt nach neuem Recht eine Unterbrechung nicht ein, wenn der Besitzer den ohne seinen Willen verlorenen Besitz innerhalb Jahresfrist oder mittels einer in dieser Frist erhobenen Klage wiedererlangt hat; bb) nicht nach römischem, wohl aber nach kanonischem, ge­ meinem und neuem Rechte (§ 937 Abs. 2) durch mala fides superveniene; in diesem Falle hört mit der Unterbrechung die Ersitzung ganz auf. cc) Nicht unterbrochen wurde die Ersitzung nach römischem Rechte durch Erhebung der EigenthumSklage gegen den Besitzer. Vollendete aber der Besitzer die Usukapion während deS für den Kläger erfolgreichen Prozesses, so konnte er sich gegenüber dem Kläger auf sein Eigenthum nicht berufen, er mußte vielmehr die Sache dem Kläger zu Eigenthum zurückgeben. Darin äußerte sich im älteren Recht die obligatorische Kraft der LitiSkontestation. Im Ergebnisse stimmt hiermit daS gemeine und daS neue Recht (§ 941) überein, denn sie geben der Erhebung der Klage nur eine relative, d. h. nur zu Gunsten deS Klägers wirkende Kraft. Der Besitzer vollendet also nach dem Prozeßbeginn den EigenthumSerwerb, er kann diese seine Stellung auch gegenüber jedem Dritten, aber nicht gegen den Kläger geltend machen. Die Unterbrechung wirkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Er­ ledigung des Prozesses, und sie gilt als nicht erfolgt, wenn die Klage zurückgenommen oder durch ein nicht über den Anspruch selbst ent­ scheidendes Urtheil abgewiesen wird (§§ 941, 209—212, 216, 219, 220). Die gleiche Wirkung wie die Klageerhebung hatte nach gemeinem Recht eine Protestation. wenn die Klage nicht erhoben werden konnte. Dieses Unterbrechungsmittel ist vom BGB beseitigt worden. 3. Die Ersitzung fällt nicht zusammen mit der Verjährung des Heraus gabeanspruchS des Ei­ genthümer s. Wer den Besitz verliert und durch 30 Jahre hin­ durch die Erhebung der Eigenthumsklage (rei vindicatio) unter­ läßt, kann vom Besitzer die Herausgabe nicht mehr erzwingen, auch wenn der Besitzer die Sache nicht ersessen hat. Diese Möglichkeit tritt

642 für den Eigenthümer erst dann wieder ein, wenn die Sache in den Besitz einer Person gelangt, die nicht Rechtsnachfolger des bisherigen Besitzers ist, denn dann ist von neuem actio nata. Ersitzt aber der Besitzer die Sache, so verliert der bisherige Eigenthümer das Eigen­ thum und aus diesem Grunde den Herausgabeanspruch, auch wenn die Berjährungszeit noch nicht abgelaufen ist. Nach altem und neuem Recht (§ 939) ist indeß die Ersitzung so lange gehemmt und wird, wenn sie begonnen hatte, so lange unterbrochen, als die Verjährung des Eigenthumsanspruches gehemmt ist oder ihrer Voll­ endung die besonderen in §§ 206, 207 BGB bezeichneten Hindernisse entgegenstehen. Andere nur subjektive Hindernisse der Ersitzung kennt das neue Recht nicht. § 190.

Verbindung, Vermischung. Verarbeitung.

Durch Verbindung. Vermischung, Verarbeitung kann ein Eigenthumserwerb bewirkt werden. 1. Die Verbindung von Sachen wirkt nicht in allen Fällen gleich. a) Wurde eine bewegliche Sache mit einer unbe­ weglichen fest verbunden, so verlor die bewegliche Sache ihr selb­ ständiges Dasein als Rechtsobjett, so daß neben dem Eigenthum am Grundstück ein besonderes Eigenthum an der beweglichen Sache nicht bestehen konnte (RG 33, 251), der Eigenthümer der unbeweglichen Sache erwarb also nach altem Rechte das Eigenthum der beweglichen durch die Thatsache der Verbindung. Der Boden­ eigenthümer erwarb daher das auf seinem Grundstücke Gesäte und Gepflanzte (implantatio), das auf seinem Grundstücke Gebaute und in sein Gebäude Verbaute (inaedificatio): implantatio ve 1 inaedificatio solo cedit. Auf Redlichkeit oder Un­ redlichkeit dessen, der die Verbindung herstellte, kam es für den Eigen­ thumswechsel nicht an. Verbaute aber der Grundeigenthümer selbst fremdes Material (tignum), so konnte er nicht zur Trennung ge­ zwungen, vielmehr (auf die actio de tigno juucto) nur auf den doppelten Werth des Materials belangt, und wenn er in bösem Glauben war, auch als fictus posseseov oder mit der condictio furtiva auf Schadensersatz und nach der Trennung auf Herausgabe des Materials belangt werden. Die Verbindung einer Pflanze mit dem Boden geschieht durch das Wurzelschlagen. Das BGB unterscheidet, ob die bewegliche Sache wesent­ licher Bestandtheil des Grundstücks geworden ist oder nicht, und stellt für den ersten Fall gleichfalls den Grundsatz super­ ficies solo cedit auf, während es im zweiten Fall an die Verbindung an sich eine Aenderung der bisherigen EigenthumSver-

hältnisse nicht knüpft. Dort also ist die Rechtsänderung noth­ wendige Folge der Verbindung, der gegenüber auch ein Eigenthumsvorbehalt (z. B. des Handwerkers an den in ein Haus verbauten Fenstern, Thüren u. s. w.) wirkungslos bleibt, hier aber ist die Ver­ bindung allein wirkungslos. Tritt aber eine Eigenthumsänderung «in, so kommt es darauf nicht an, von wem die Verbindung vorge­ nommen ist und ob der Verbindende den Eigenthumswechsel gewollt hat oder nicht (§ 946). Ueber den Begriff deS wesentlichen Bestandtheils §§ 93—95 BGB s. oben S. 81. b) Werden bewegliche Sachen verschiedener Eigenthümer mit einander verbunden, so entschied bisher über den Eigenthumserwerb an der ganzen Sache die praktische Be­ deutung der Sachen: das Eigenthum der Hauptsache zog daS der Nebensache nach sich. Unter den Begriff der Verbindung (accessio) brachte das römische Recht auch daS Schreiben und Malen, es gab hier aber die bestimmte Vorschrift, daß beim Schreiben die Grund­ lage, auf welche die Schrift gesetzt wird, beim Malen daS Gemälde die Hauptsache sei. Das BGB scheidet daS Bearbeiten der Oberfläche eines Gegen­ standes, daher auch daS Schreiben und Malen, aus (vgl. § 950) und legt im übrigen wiederum daS entscheidende Gewicht darauf, ob eine der verbundenen Sachen zum we­ sentlichen Bestandtheil der anderen geworden ist: nur in diesem Falle tritt eine EigenthumSänderung ein, und zwar wird, wie im römischen Recht, der Eigenthümer der Hauptsache Eigenthümer der Nebensache; ist keine der Sachen als Hauptsache anzusehen, so tritt Miteigenthum Mer an der ganzen Sache ein, und zwar nach Verhältniß deS Werthes der einzelnen Sachen. Welche Sache die Hauptsache ist, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung (§ 947). 2. Im Falle einer Vermengung (commixtio) oder Ver­ mischung (confusio) unterschied das bisherige Recht trockene und flüssige Körper. Die Vermmgung trockener Körper bewirkte eine Eigenthumsänderung selbst in dem Falle nicht, daß die Ver­ mengung eine unentwirrbare war; nicht das Eigenthum, sondern nur die Möglichkeit seiner Durchführung war aufgehoben (RG 4, 41). Die Aenderung in den Eigenthumsverhältnifsen erfolgte viel­ mehr erst durch die Theilung der Menge, die durch Vertrag und im Streitfälle durch Urtheil (adjudicatio) herbeigeführt wurde. Die Vermischung flüssiger oder flüssig gemachter Stoffe bewirkte Miteigenthum am Ganzen, sofern sich nicht die Mischung wieder auflösen ließ.

544 Da- BGB (§ 948) behandelt die untrennbare Ver­ bindung und Vermischung ebenso wie die Verbindung beweglicher Sachen. Ist also der eine Stoff Hauptsache, so folgt ihr die Neben­ sache, und entsteht eine neue Sache, so erwerben die verschiedenen Stoffeigenthümer das Miteigenthum an der neuen Sache. Un­ trennbar ist die Verbindung schon dann, wenn die Trennung unverhältnifemäfeige Kosten verursachen würde. DaS römische Recht behandelte die Vermengung von Geld mit dem Gelde eines Andern als Verbrauch und ließ deshalb das Eigenthum am Gelde auf den Besitzer desjenigen Geldes übergehen, mit dem jenes vermengt wird (1. 78 D. 46, 3). Durch diese Sonder­ bestimmung wurde die Vindikation vermengten Geldes ausgeschlossen. Das neue Recht bedarf einer solchen Bestimmung nicht, ba §§ 925 Abs. 2, 1006 BGB dasselbe Ziel erreichen. Erwirbt hiernach der g u t gläubige Empfänger das Geld schon mit der Uebergabe, und spricht die Vermuthung für das Eigenthum des Besitzers, so ist zwar die Vindikation unredlich empfangenen Geldes rechtlich zulässig, doch thatsächlich undurchführbar. 3. Spezifikation *) ist die Verarbeitung vorhandenen Stoffes in eine neue Sache. Die römische Rechtsschule der Sabinianer sprach die neue Sache dem Stoffeigenthümer, die der Prolulianer dem Ver­ fertiger zu. Justinian erhob eine Mittelmeinung, die dem Stoffeigenthümer die neue Sache zusprach, wenn sie sich in ihre frühere Gestalt zurückführen liefe, dem Verfertiger, wenn die Rückbildung nicht möglich war, zum Gesetz (1. 7 § 7 D. 41, 1). Nur in diesem Fall ist in Wahrheit eine neue Sache vorhanden. Der Erwerb der neuen Sache erfolgte nicht durch Okkupation, denn der Erwerb hatte nicht den Willen des Verfertigers, eine Rechtsänderung herbei­ zuführen, zur Voraussetzung, er war vielmehr die einfache Folge der Umgestaltungshandlung. Aus demselben Grunde war nach der herrschenden Lehre bona oder mala fidee des Verfertigers nicht gleichgültig, der Erwerb hing vielmehr vom guten Glauben des Ver­ fertigers ab. Die wissentliche Umgestaltung fremden Stoffes war furtum, die fahrlässige Verarbeitung unterlag der lex Aquilia, und in jedem Falle haftete der Verfertiger auf die Bereicherung. Das BGB (§ 950) weicht von diesen Grundsätzen in mehreren Beziehungen ab. Es erweitert vor Allem den Begriff der Verarbeitung. Denn eine solche ist sowohl im Falle der Umbildung eines oder mehrerer Stoffe in eine neue Sache, als auch im Falle der blofeen Bearbeitung der Oberfläche einer Sache, also z. B. beim Zeichnen, Malen. Schreiben, Drucken, Gra*) Otto Fischer: DaS Problem der Identität und der Neuheit.

1893.

Viren vorhanden. Ferner ist der EigenthumSerwerb von der bona oder mala fides des Verfertigers unabhängig, er tritt aber dann nicht ein, wenn die Arbeit erheblich weniger werth ist alS der verarbeitete Stoff. Den Beweis des Minderwerths der Arbeit hat der Stoffeigenthümer zu führen. Das BGB belohnt dem­ nach durch den EigenthumSerwerb die nutzbringende Ar­ beit. Die Bertehrssicherheit verlangt, daß nicht blos das bisherige Eigenthum, sondern auch andere Rechte am Stoffe erlöschen. Wer durch Verbindung, Beimengung, Berarbeitung Schaden leidet, hat gegen den Urheber des Berlustes den Anspruch auf Schadensersatz (§ 823 Abs. 1), wenn diesem ein Verschulden zur Last fällt, in jedem Falle einen Anspruch auf die Be­ reicherung (§§ 812, 951).

§ 191. Erwerb von Erzeugnissen und Bestandtheile«. Gegenüber der gemeinrechtlichen Streitfrage, ob die Früchte einer Sache nur abgetrennte Theile der Hauptsache oder neue Sachen sind, nimmt das BGB im Sinne der ersten Alternative Stellung, indem es die getrennten Früchte dem Eigenthümer der Hauptsache ohne Weiteres, also ohne besonderen Besitzergreifungsakt einräumt (§ 953). An den Früchten einer fremden Sache war nach römischem Recht ein EigenthumSerwerb erst mit der Trennung der Früchte mög­ lich, denn bis dahin waren sie Bestandtheile der Hauptsache. DaS deutsche Recht ließ zwar ein selbständiges Recht an stehenden und hängenden Früchten zu, das BGB (§§ 94, 954 ff.) hat sich aber an daS römische Recht angeschloffen. Altes und neues Recht unterscheiden Trennung und Besitz­ ergreifung der Früchte. Mit der Trennung (Separation) erwarb nach altem Recht das Eigenthum der Emphyteuta und der redliche Be­ sitzer, mit der Besitzergreifung (Perzeption) der Nießbraucher und der Pächter, der letztere insbesondere auf Grund der im Pachtver­ träge liegenden Traditionsofferte. Das BGB läßt regelmäßig daS Eigenthum mit der Trennung übergehen, und zwar sowohl wenn der Erwerber der Frucht ein dingliches Recht auf den Fruchtgenuß hat'), als auch wenn er gutgläubiger Besitzer der Hauptsache ist. oder wenn der Eigenthümer oder sonst Fruchtziehungsberechtigte (z. B. der Nieß­ braucher) zur Ueberlaffung der Früchte persönlich (z. B. durch einen Pachtvertrag) verpflichtet u n d der Berechtigte im Besitze der Haupt­ sache ist. Mit der Besitzergreifung erwirbt das Eigenthum Derjenige, der nur ein persönliches Fruchtziehungsrecht hat und sich n i ch t im Besitze der Hauptsache befindet (§§ 955, 956). *) Z. B. Nießbrauch (§ 1030), Pfandrecht mit NutzungSbefugniß (§ 1213).

Cngtlmann, d. bürgerliche Rech« Deutschland«. III. Sufi.

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546 Der EigenthumSerwerb deS redlichen Besitzers und des Eigen« thümers der Hauptsache wird durch daS Bestehen eines dinglichen Fruchtziehungsrechtes eines Andern nicht gehindert, wenn Jener bis zur Trennung der Früchte sich in entschuldbarer Unkenntniß von dem dinglichen Rechte befindet (§ 955). Den Früchten werden vom BGB die Bestandtheile gleichgestellt, welche wie Torf, Steine, Sand Theile der Hauptsache sind und deren Ausbeutung die bestimmungsmäßige Verwendung der Hauptsache bildet (§ 99). § 192. Aneignung (ONupatiou). Aneignung ist nach altem und neuem Recht (§§ 958, 872) die mit dem Aneignungswillen ausgeführte Be­ sitzergreifung. Sie giebt dem Okkupanten Eigenthum, wenn die Sache eine aneignungsfähige ist. Aneignungsfähig aber sind nach altem und neuem Recht (§ 958) herrenlose Sachen, und zwar nach römischem Recht auch Grundstücke, nach neuem Rechte nur be­ wegliche Sachen. Denn auf herrenlose Grundstücke hat nach neuem Recht der Fiskus des Bundesstaates, in welchem sie liegen (§§ 928 Abs. 2 BGB Art. 190 Einf.G. z. BGB), ein ausschließliches An­ eignungsrecht. Rach römischem Recht wurde der Eigenthumserwerb nicht dadurch gehindert, daß durch die Okkupation in ein fremdes Aneignungsrecht eingegriffen wurde. Die herrschende Lehre deS ge­ meinen Rechts und mit ihr das neue Recht (§ 958 Abs. 2) verneint dagegen in diesem Falle den Erwerb des Eigenthums. Daher er­ wirbt z. B. der Wilderer nicht Eigenthum an dem erlegten Thiere. 1. Unter den herrenlosen Sachen nehmen die wilden Thiere, d. h. die Richthausthiere, eine wichtige Stelle ein. Diese Thiere sind nach altem und neuem Rechte herrenlos, so lange sie sich in Freiheit befinden (§ 960). In Freiheit befinden sich nicht diejenigen Thiere, die sich in Thiergärten, und die Fische, die sich in Teichen und anderen ge­ schlossenen Privatgewässern befinden, denn sie unterstehen der Herr­ schaft des Menschen (§ 960). Das herrenlose Thier unterliegt nach römischem Recht, gleichviel ob es sich auf dem Grundstück des Okku­ panten oder auf einem anderen Grundstück befindet, dem freien Thier­ fange (1. 3 pr. § 1 D. 41, 1, § 12 J. II, 1), während das deutsche Recht, von den Fischen abgesehen, zwischen jagdbaren und nicht-jagd­ baren Thieren unterscheidet. Jagdbare Thiere sind die­ jenigen, welche dem ausschließlichen Okkupationsrechte des Jagd­ berechtigten unterliegen: es gehören zu ihnen nur einheimische Thiere, im Uebrigen bestimmen hierüber vom BGB aufrecht erhaltene, partikularrechtliche Normen (Art. 69 Einf.G. z. BGB). Das Eigenthum

an diesen Thieren erwirbt durch Okkupation unzweifelhaft Der­ jenige, dem daS Jagdrecht zusteht. Streitig war nach gemeinem Recht, ob es nur dieser erwerben kann. Mit Recht ließ die herrschende Lehre mit der Okkupation des Thieres durch einen Wilderer weder für diesen noch für den Jagdberechtigten Eigenthum entstehen; ihr schließt sich das BGB an (§ 958 Abs. 2). Der Wilderer ist aber zur Herausgabe des erlegten Wildes verpflichtet, weil er schadens­ ersatzpflichtig ist (§ 249 BGB), und erst durch die an diese Heraus­ gabe sich anschließende Okkupation erwirbt der Jagdberechtigte daS Eigenthum. Die Frage, ob und auf welche Weise ein lebendes wildes Thier, welches okkupirt und also Eigenthum einer Person geworden ist, wieder herrenlos wird, beantwortet das neue und das alte Recht in folgender Weise. Gefangene Thiere, b. h. solche, die der Mensch durch mecha­ nische Mittel bei sich festhält, werden dadurch, daß sie in die Freiheit zurückkehren, gezähmte Thiere, d. h. solche, die der Mensch seelisch an sich gewöhnt hat'), dadurch, daß sie die Gewohnheit, an den ihnen bestimmten Ort zurückzukehren (consuetudo revertendi), ablegen, herrenlos (§ 960). Aber während man nach bisherigem Rechte die Rückkehr des gefangenen Thieres in seine natürliche Freiheit verlangte, begnügt sich das neue Recht mit der Rückkehr des Thieres in d i e Freiheit, so daß jetzt auch ein fremdländisches Thier herrenlos wird, wenn eS bei uns seinem Herrn entflieht und der Herr von der Berfolgung Abstand nimmt2). Zu den wilden Thieren gehören die nicht eingefangenen, sog. wilden Bienen. Sie unterliegen daher nach altem und neuem Recht der freien Okkupation. Rach römischem und älterem deutschen Rechte blieben die eingefangenen Bienen wilde Thiere, daS neuere Recht behandelte sie als zahme Thiere, das BGB aber (§ 961) kehrt zu der alten und natürlichen Anschauung zurück, daß die Biene ein gefangenes wildes Thier sei, es läßt daher das Eigenthum an einem ausgezogenen Bienenschwärme aufhören, wenn der Eigenthümer ihn nicht unverzüglich verfolgt oder wenn er die Berfolgung aufgiebt. Die Berfolgung ist durch die Erlaubniß er­ leichtert, fremde Grundstücke zu betreten und die von dem Schwarme besetzte fremde Bienenwohnung zu öffnen (§ 962 vgl. auch §§ 963, 964). Tauben behandelte das römische und gemeine Recht als ge­ zähmte Thiere, deutsche Partilularrechte gestatten jedoch unter ge') v. Jhering: Besipwille 1889