Das Bild der Herrscherin: Franz Xaver Winterhalter und die Gattungspolitik des Porträts im 19. Jahrhundert 9783111085074, 9783111084879

Franz Xaver Winterhalter, one of the most sought-after and productive artists of the 19th century, developed various typ

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Das Bild der Herrscherin: Franz Xaver Winterhalter und die Gattungspolitik des Porträts im 19. Jahrhundert
 9783111085074, 9783111084879

Table of contents :
Inhalt
Vorbemerkung und Dank
Einleitung
I. Die Tugendporträts
1. Öffentlichkeit und Rezeptionsklima: Tugend-, Geschlechter- und Klassenideale in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
2. Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs: Winterhalters Porträts der Großherzogin Sophie von Baden
3. Une reine vertueuse: Marie-Amélie und die Bildnispolitik der Julimonarchie
4. « On le comprend tout de suite. » Sentimentalitätskult in Winterhalters Porträts vom britischen Königspaar Victoria und Albert
5. Middle class-Ideal? Winterhalters The Royal Family als politischer Identitätsstifter
6. « Ornement du trône »: Winterhalters Porträts der Kaiserin Eugénie und die Erweiterung des Tugendbegriffs während des Second Empire
7. “Secret pictures” der Geliebten? Zur Inszenierung von Privatheit als Tugendversprechen bei Königin Victoria und Kaiserin Elisabeth
II. Die Regalienporträts
1. Porträts unter dem Baldachin: zur Relevanz des königlichen Mythos für Akzeptanz von Monarchie im 19. Jahrhundert
2. Monumentalisierung der Monarchin: die Regalienporträts von Königin Victoria
3. Ausnahmefall Albert: die politischen Handlungs- und Herrschaftsfelder des Prinzgemahls
4. Konstruierte Tradition: Winterhalters offizielle Regalienporträts des französischen Kaiserpaares Napoléon III. und Eugénie von 1854
5. Imagewechsel? Neue Regalienporträts für das französische Kaiserpaar
III. Die Modeporträts
1. Die Diktatur der Mode: Modehandeln als Distinktionspraxis Mitte des 19. Jahrhunderts
2. Konjunkturimpuls: zur Bedeutung von Kaiserin Eugénies Modekompetenz für ihr Porträtprogramm
3. Simplicity? Königin Victoria und die Lücke des Modeporträts als strategisches politisches Statement
4. Porträtkonfektion: Zarin Maria Alexandrovna von Russland und die weibliche High Society im Atelier des peintre à la mode
5. Kaiserin à la mode: zum Einfluss moderner Repräsentationsmedien auf Winterhalters Porträt Elisabeths von Österreich in Balltoilette
Schlussbetrachtung: das Porträt der Herrscherin als gesellschaftlicher Identitätsstifter und politischer Legitimationsfaktor
Literatur- und Quellenverzeichnis
Bildnachweise
Farbtafeln

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Das Bild der Herrscherin

Ars et Scientia Schriften zur Kunstwissenschaft Band 26 Herausgegeben von Bénédicte Savoy, Michael Thimann und Gregor Wedekind

Titia Hensel

Das Bild der Herrscherin Franz Xaver Winterhalter und die Gattungspolitik des Porträts im 19. Jahrhundert

De Gruyter

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für ­Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und der Richard Stury Stifung.

ISBN 978-3-11-108487-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-108507-4 ISSN 2199-4161 Library of Congress Control Number: 2023943555 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Franz Xaver Winterhalter: Kaiserin Elisabeth von Österreich mit aufgelöstem Haar, 1864, Öl auf Leinwand, 158 × 117 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum © KHM, Wien; Franz Xaver Winterhalter: Zarin Maria Alexandrovna, 1862, Öl auf Leinwand, 130 × 95 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe CC0-Lizenz, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe; Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1859, Öl auf Leinwand, 241 × 157 cm, London, Royal Collection Royal ­Collection Trust © His Majesty King Charles III 2023 Einbandgestaltung: Kerstin Protz, De Gruyter Satz: SatzBild GbR, Sabine Taube, Kieve Druck und Bindung: Beltz Grafische Betrieb GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com

Inhalt

Vorbemerkung und Dank   7 Einleitung   11 I. Die Tugendporträts   29 1. Öffentlichkeit und Rezeptionsklima: Tugend-, Geschlechter- und ­Klassenideale in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts   29 2. Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs: Winterhalters Porträts der Großherzogin Sophie von Baden   47 3. Une reine vertueuse: Marie-Amélie und die Bildnispolitik der Julimonarchie   63 4. « On le comprend tout de suite. » Sentimentalitätskult in Winterhalters Porträts vom britischen Königspaar Victoria und Albert   80 5. Middle class-Ideal? Winterhalters The Royal Family als politischer Identitäts­ stifter   94 6. « Ornement du trône »: Winterhalters Porträts der Kaiserin Eugénie und die Erweiterung des Tugendbegriffs während des Second Empire   114 7. “Secret pictures” der Geliebten? Zur Inszenierung von Privatheit als Tugendversprechen bei Königin Victoria und Kaiserin Elisabeth   129 II. Die Regalienporträts   151 1. Porträts unter dem Baldachin: zur Relevanz des königlichen Mythos für ­Akzeptanz von Monarchie im 19. Jahrhundert   ­151 2. Monumentalisierung der Monarchin: die Regalienporträts von Königin ­Victoria   168 3. Ausnahmefall Albert: die politischen Handlungs- und Herrschaftsfelder des Prinzgemahls   186 4. Konstruierte Tradition: Winterhalters offizielle Regalienporträts des ­französischen Kaiserpaares Napoléon III. und Eugénie von 1854   203 5. Imagewechsel? Neue Regalienporträts für das französische Kaiserpaar   219

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Inhalt

III. Die Modeporträts   241 1. Die Diktatur der Mode: Modehandeln als Distinktionspraxis Mitte des 19. Jahrhunderts   241 2. Konjunkturimpuls: zur Bedeutung von Kaiserin Eugénies Modekompetenz für ihr Porträtprogramm   264 3. Simplicity? Königin Victoria und die Lücke des Modeporträts als strategisches politisches Statement   276 4. Porträtkonfektion: Zarin Maria Alexandrovna von Russland und die weibliche High Society im Atelier des peintre à la mode   291 5. Kaiserin à la mode: zum Einfluss moderner Repräsentationsmedien auf ­Winterhalters Porträt Elisabeths von Österreich in Balltoilette   306 Schlussbetrachtung: das Porträt der Herrscherin als gesellschaftlicher Identitäts­stifter und politischer Legitimationsfaktor   323 Literatur- und Quellenverzeichnis   339 Bildnachweise   373 Farbtafeln   375

Vorbemerkung und Dank

Der politische Kommunikationsraum ist heute größer und komplexer denn je und wird von modernsten schnelllebigen Online-Medien dominiert. Dennoch beherrschen ihn jahrhundertealte Klischees und (Vor-)Urteile. Die vorliegende Arbeit ergründet die Wurzeln jener oft auch genderstereotypischen Anforderungen, die bis heute unsere Erwartungen an politische Bilder prägen. Die Süddeutsche titelt beispielsweise im August 2022 „Annalena Baerbock – Kleid und Vorurteil“ und thematisiert, wie „verpönt“ es sei, die Kleidung von Politikerinnen zu kommentieren. Dies könne nicht nur sexistisch sein, sondern berge vor allem die Gefahr politische Kompetenzen in Frage zu stellen: „[M]an kann eine Politikerin eben kaum gründlicher nicht ernst nehmen, als wenn man sich nur auf ihr Äußeres konzentriert.“1 Diese Perspektive basiert darauf, dass Mode­ affinität in unserer westlichen Gesellschaft vielfach als weiblich und eher unintellektuell-­ oberflächliches Beschäftigungsfeld gilt, wohingegen politische Teil- und Machthabe vorschnell oft männlich konnotiert wird. Anmerkungen zu Attraktivität oder Familientauglichkeit von Frauen in politischen Führungspositionen ermöglichen ähnliche Fauxpas. Natürlich gibt es auch unzählige Exempel zur gezielten Diskreditierung männlicher Politiker. Wie kann aber Anerkennung von Herrschaft überhaupt gestiftet oder Wählbarkeit eines Politikschaffenden forciert werden? Und welche verschiedenen Strategien aktivieren diese Legitimationsmuster über das Instrument Bild? Derartigen Fragen widmet sich die vorliegende Arbeit. Vermeintlich aktuelle Sehgewohnheiten und Biases ­fußen auf gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich unter anderem während der Aufklärung und im 19. Jahrhundert entfalteten, wie beispielsweise jene plötzliche Feminisierung von Modeaffinität. Seinerzeit konstituierten sich neue Idealvorstellungen von politischer Teilhabe und Öffentlichkeit und damit gleichsam auch neue Genderideale: ungeschriebene Regeln, an die man sich halten musste und muss, um in der öffent­lichen Wahrnehmung als kompetent zu gelten. Der Blick in die Geschichte konkretisiert, wie stark Akzeptanz politischer Macht abhängig ist von sozialisierten Erwartungs­haltungen. Jene fachkundig in Bildsprache zu transponieren, verantwortet maßgeblich politischen Erfolg. 1

Tanja Rest: Annalena Baerbock – Kleid und Vorurteil, in: https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/­ stil/baerbock-politik-stil-e215523/ (letzter Aufruf: 30.11.2022).

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Vorbemerkung und Dank

Die Dissertation wurde, wie sie hier vorliegt, 2020 an der Universität Hamburg eingereicht und mit summa cum laude benotet. Für die Unterstützung, die mir während des Forschens, Denkens und Schreibens, Verzweifelns und Erlebens etlicher Glücks­momente zuteil wurde, möchte ich mich bedanken. Begleitet haben mich von der e­ rsten Idee bis zur Fertigstellung beide Gutachter, deren Begeisterung für das Thema mich beständig ermutigte: Uwe Fleckner, in dessen Seminar The Swagger Portrait ich einst Winter­halter erstmals begegnete, und der meine Freude an Kunstgeschichte seit vielen Jahren mit un­ ieder neu entfacht. konventionellen Fragen und überraschenden Antworten immer w Ihm danke ich für inspirierendes Feedback während zahlreicher Ge­spräche und Projekte. Ebenso herzlich sei Hendrik Ziegler gedankt, der sich stets ausführlich Zeit für mein Anliegen nahm, mich mit kritischen Nachfragen und mit großer Expertise bezüglich Herrschaftsdarstellungen aller Art anregte. Mehrfach ideell wie finanziell unterstützt wurde ich während verschiedener Recher­ aris. cheaufenthalte in und um Paris vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte in P Stellvertretend seien hier Julia Drost, Jörg Ebeling und Karin Seltmann-Dupuy genannt, in deren Obhut ich mich mehrmals wie zu Hause fühlen durfte. Reisekostenzuschüsse nach Berlin und Wien genehmigte mir das netzwerk mode textil e. V. Ohne diese finan­ zielle Entlastung wären einige wichtige Recherchereisen nicht zu realisieren gewesen. Einblicke in Archivalien und Materialien ermöglichten mir eine Vielzahl an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Archiven, Museen und Bibliotheken in Paris, London, Wien und Süddeutschland, durch die diese Arbeit ihre materialfundierte ­Tiefe erlangen ­konnte. Ihnen zeige ich mich an entsprechender Stelle im Text erkenntlich. Sehr erfreut war ich über das Angebot des Walter De Gruyter Verlages, das Buch zu ­ ichter, verlegen, ebenso über die herzliche und produktive Zusammenarbeit mit Katja R Anja Weisenseel und Arielle Thürmel. Die Aufnahme in die Reihe Ars et Scientia, ­welche von Bénédicte Savoy, Michael Thimann und Gregor Wedekind herausgegeben wird, war eine besonders schöne Zugabe. Finanziert werden konnte der Druck durch äußerst großzügige Druckkostenzuschüsse der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geistes­ wissenschaften und der Richard Stury Stiftung. Für wertvolle Unterstützung und Freundschaft in guten wie in anstrengenden Promotionszeiten danke ich allen voran Nadine Mai, die das Endlektorat besorgte, ­Florian Dölle und Marlen Schneider. Für epochemachende Gespräche und Tipps, kritisches Feedback, geteilte Archivwohnungen, Kaffeepausen an den ungewöhnlichsten ­Orten und ein offenes Ohr auch fern der Kunstgeschichte danke ich meinen Freunden und Kolleginnen Christoph und Ines Bäumker, Ulrike Blumenthal, Jennifer Crowley, ­Nathalie ­Dimic, Ann-Cathrin Drews, der EXTRA-Gruppe, Linda Hilkenbach, ­Familie ­Horstmann, Christine Hübner, Sophie Josten von Scheel, Christine Lackmann, A ­ nnika ­ lison Landmann, Anne Lühr, Stephanie Marchal, Jack Mason, Teresa Mason-Hermann, A McQueen, Marcus Niechciol, Élodie Paradis, Patrick Reinecke, Henrike Renz, Marion

Vorbemerkung und Dank

Romberg, Annabel Ruckdeschel, Barbara Schrödl, Thilo Strakeljahn, Familie Winkelmann, Margot Zimmermann. Schließlich danke ich von Herzen meiner Familie für bedingungslose Liebe und Hilfsbereitschaft: Moritz und Philipp Hensel, Till Utesch und Katharina Geukes, S­ askia Utesch und Grischa Nowak, Klaus Utesch und Birgit Labukt, Felix Hensel und ­Friederike Spangenberg-Hensel, Verena und Nils Wighardt, Horst Eckhardt und ganz besonders meiner mich stets inspirierenden Mutter Antje Amoneit, die jedes Kapitel kritisch als erste kommentierte. Euch widme ich die vorliegende Arbeit. Giens am 30.11.2022

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Einleitung

“It’s about how changing images of the queen act as a kind of lens through which to see changes in our society and changes in artistic values.”1 Paul Moorhouse

Einem Moodboard gleich arrangierte Königin Victoria (1819–1901) im Jahre 1885 Foto­grafien von sieben Gemälden auf einer Seite ihrer sorgfältig geführten Bilderalben (Abb. 1).2 Das 45,5 × 35,5 cm messende Blatt gewährt dem Betrachter einen Blick auf die thronende Queen in vollem Ornat, ebenso auf eine reich geschmückte Königin in Ballrobe, er erhält Einblick in eine intime Mutter-Kind-Situation sowie die Erlaubnis, ­Victoria unfrisiert und im Déshabillé zu beobachten, und schließlich begegnet er ihr als t­rauernde Witwe.* Unterschiedlicher könnten die Bildnistypen kaum sein, die

*1 Die Autorin verwendet in der vorliegenden Arbeit die Termini ‚der Betrachter‘ und ‚die Betrachterin‘ zufällig und synonym, darauf aufmerksam machend, dass im 19. Jahrhundert eine aus Frauen und Männern bestehende politische Öffentlichkeit Zugang zu Winterhalters Porträts hatte (vgl. für eine genauere Erläuterung Kap. I. 1.). Herrscher oder Herrscherin kennzeichnet die Autorin explizit, um dem Untersuchungsgegenstand gerecht zu werden, ansonsten nutzt sie das generische Maskulinum und das generische Femininum, den Argumenten des Literaturwissenschaftlers und Linguisten André Meinunger folgend. Vgl. id.: Ein Plädoyer für das Deutsche als geschlechtergerechter Sprache – ein paar provozierende Beobachtungen und Ausführungen, in: id. u. Antje Baumann (Hg.): Die Teufelin steckt im Detail. Zur Debatte um Gender und Sprache, Berlin 2017, S. 93–100. 1 Kurator Paul Moorhouse in einer Presseerklärung zur Ausstellung The Queen: Art & Image in der National Portrait Gallery London 2012, https://www.artnews.com/art-news/news/addressing-thequeen-506/ (letzter Aufruf: 30.11.2022). Vgl. The Queen: Art and Image, hg. v. Paul Moorhouse u. D ­ avid Cannadine, Ausstellungskatalog, National Portrait Gallery London, London 2012 (Kat. The Queen 2012). 2 Vgl. RCIN 2931300. Zum Moodboard als ein für Projektentwicklung und -vermittlung wichtiges „Arbeits- und Präsentationsmittel“, das „abstrakte Begriffe in konkrete […] Beispiele“ umsetzt, vgl. Pia Kleine Wieskamp: Visual Storytelling im Business – mit Bildern auf den Punkt kommen, Hannover 2019, S. 154.

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Einleitung

1  A page from the catalogue of Queen Victoria’s Private Negatives (Vol. I.), ca. 1885, P ­ igmentdruck, 45,5 × 35,5 cm, London, Royal Collection, darauf sieben Gemälde, alle London, Royal Collection: Abb. 64, 47, 33 u. 22. Mittig Victoria als Witwe: Albert Gräfle, 1864; links unten Victoria als M ­ ode­figurine: Charles Deininger, 1851; oben rechts Victoria in Galarobe: George Koberwein nach Winterhalter, ­zwischen 1859 u. 1876

Einleitung

­ ictorias ­Persönlichkeit in differenzierte Rollenbilder splitten.3 Die ausgewählten PorV träts zählen zu den populärsten der victorianischen Monarchie und illustrieren Images und Aufgaben­felder einer Monarchin im 19. Jahrhundert. Mit ihnen betrieb Victoria zeitlebens Politik. Victoria besaß zum Zeitpunkt der Albumentstehung 48 Jahre Führungserfahrung als regierende Königin eines Weltreiches und dementsprechend professionelles Repräsentationswissen. Wie sensibel sie die flexiblen Möglichkeiten visueller Inszenierung im politischen Kommunikationsraum nutzte, offenbart die Vielfältigkeit der Bildnis­typen.4 Bereits 1842 bewertet The Illustrated London News solches wohlkalkulierte Display: “Queen Victoria will never appear more exalted in the world’s opinion than when each side of the picture is thus revealed – the great Queen and stateswoman in the gorgeous ­palace – the young, lovely, and virtuous mother amidst the pure joys of sylvan retreat and ­domestic relaxation.”5 Bildnisprogramm und Zeitungskommentar indizieren, dass ­Königin ­Victoria Erwartungen gerecht zu werden hatte, die über ihr Amt hinaus an sie als Frau gestellt wurden. Das Albumblatt dokumentiert ein diesbezüglich strategisches Vorgehen und mag insofern als Denkfigur für die vorliegende Untersuchung dienen. Untersuchungsgegenstand und Forschungsfragen Politische Institutionen nutzen seit Jahrhunderten visuelle Mittel um ihre Macht zu demonstrieren, zu stärken, zu verstetigen und zu bewerben. Doch wie wird Anerkennung von Herrschaft gestiftet? An welchen konkreten Botschaften entzündet sich Interesse? Was schafft Glaubwürdigkeit? Auf welchen Bildtraditionen und Strategien basiert ­solcher Prozess? Und wie stark ist die Art politischer Repräsentation abhängig von Amt oder Geschlecht? Derartige Mechanismen und daran geknüpfte Fragen zu ergründen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Fünf der sieben fotografierten Porträts auf Königin Victorias Albumblatt stammen von Franz Xaver Winterhalter (1805–1873), einem der erfolgreichsten und produktivsten Hofmaler des 19. Jahrhunderts. Fast fünf Jahrzehnte lang porträtierte der deutsche Künstler nahezu alle europäischen HerrscherInnnen und nahm beträchtlichen Einfluss 3 4

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Spezifische Anordnung und Größe sind bedingt bedeutend, auf weiteren Seiten gruppiert Victoria die gleichen und ähnliche Bilder in anderen Maßstäben und Reihenfolgen (z. B. RCIN 2931301). Inszenierung nicht im Sinne von Theater oder Täuschung, sondern in dem Sinne, sich „in der Lebenswelt wirkungsvoll in Szene zu setzen“, Erika Fischer-Lichte: Inszenierung und Theatralität, in: Herbert Willems u. Martin Jurga (Hg.): Inszenierungsgesellschaft, Opladen u. Wiesbaden 1998, S. 81–90, hier: S. 88. Zum politischen Kommunikationsraum, dessen „Spezifik in der Breitenwirkung, der Nachhaltig­ keit und der Verbindlichkeit der ihn konstituierenden symbolischen und diskursiven kommunikativen Praktiken [liegt]“, vgl. Jan Andres, Alexa Geisthövel u. Matthias Schwengelbeck: Einleitung, in: id. (Hg.): Die Sinnlichkeit der Macht. Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 2005, S. 7–18, hier: S. 9. The Illustrated London News, 14.05.1842, S. 40.

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Einleitung

auf die visuellen Legitimationsstrategien seiner Modelle.6 Nachdem er seine Ausbildung in München beendet und seine erste Anstellung als offiziell als solcher betitelter Hofmaler im Großherzogtum Baden absolviert hatte, ließ Winterhalter sich in Paris nieder. Dort unterhielt er bis zum Ende des Second Empire 1870 ein florierendes Atelier, von dem aus er europaweit arbeitete.7 Er reüssierte als mobiler Unternehmer mit stets vollem Auftragsbuch und ausgeprägtem Sinn für professionelles Qualitätsmanagement.8 Winterhalters topographisch und zeitlich ausnehmend breit aufgestelltes Œuvre erweist sich als gewinnbringend für die Beantwortung oben gestellter Fragen. Spätestens seit den 1850er Jahren galt Winterhalter als der Monarchenmaler Europas schlechthin, sein Name avancierte zu einer Marke.  «  Les familles couronnées se transmettent M. ­Winterhalter comme une tradition […] » hieß es 1855 während der Weltausstellung in Paris.9 Allein die Wahl des Malers ließ seitdem Rückschlüsse auf das Selbstbild und das gewünschte Image der Dargestellten zu. Seine Porträts sorgten für magnetischen Erfolg bei Auftraggebern und Ausstellungspublikum; Salonbroschüren kündigten seine Werke als Highlights oftmals vor der Eröffnung an.10 Dieser Erfolg steht in krassem Gegensatz zur Rezeption seiner Werke durch die zeitgenössische Kunstkritik, von der Winterhalter oftmals Ablehnung und harsches Urteil erfuhr. Auffälliges offenbart ein Blick auf sein monarchisches Porträtwerk: Es wird von Herrscherinnen dominiert. « Sa spécialité est de peindre les reines et les princesses du

  6 Winterhalters monarchisches Klientel entstammte der Julimonarchie und dem Second Empire Frankreichs, Großbritannien, Österreich, Preußen, Spanien, Portugal, Russland, Polen, den Niederlanden, Belgien sowie diversen deutschen Staaten, sodass sein Werk trotz des monographischen Ansatzes der vorliegenden Arbeit eine Vielzahl an politischen Regierungsformen, Nationen, Geschlechtern und Persönlichkeiten berührt.   7 Vgl. zur Biografie Winterhalters Armin Panter: Studien zu Franz Xaver Winterhalter (1805–1873), Karlsruhe [Diss. 1988] 1996, S. 9–28. Während der Julimonarchie erhielt Winterhalter den offiziellen Titel, während des Second Empire war er offiziell premier portraitiste, vgl. Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, hg. v. France Nerlich u. ­Bénédicte ­Savoy, 2 Bde., Bd. 1: 1793–1843, Berlin u. Boston 2013 (Lex. Pariser Lehrjahre 2013), S. 350. In England hingegen erhielt Winterhalter nie einen ebenbürtigen Titel.   8 Bis auf wenige Ausnahmen behielt Winterhalter die Kopiererlaubnis, koordinierte und kontrollierte nicht nur die Vervielfältigung, sondern auch die Rahmung. Aus Briefen lässt sich seine Atelier­praxis rekonstruieren, vgl. zur Kopierpraxis z.  B. Brief von Winterhalter an Oberst von Friedl, 01.01.1865, ÖNB, Wien, abgedruckt in: Panter 1996, Anh. 8, S. 202. Winterhalters Terminkalender war derart voll, dass er auch hochrangigen potentiellen Kunden Absagen erteilte; Briefe dokumentieren, wie schwer es selbst für den österreichischen Kaiserhof war, Termine bei Winterhalter zu bekommen, vgl. ausführlich Kap. I. 7.   9 Maxime Du Camp: Les Beaux-Arts à l’Exposition Universelle de 1855: Peinture, Sculpture, Paris 1855, S. 262. 10 Vgl. Panter 1996, S. 10.

Einleitung

monde entier; on dirait qu’à toute tête auguste il faut la consécration du pinceau de ­Winterhalter », spottete Arthur Stevens in seinem Artikel salon de 1863.11 Winter­halter fertigte für die weiblichen Hofmitglieder im Gegensatz zu den männlichen nicht nur quantitativ mehr Porträts an, sondern entwickelte für diese konsequent inhaltlich facettenreichere Bildnistypen, mit denen der politische Kommunikationsraum des 19. Jahrhunderts umfassend bespielt wurde. Dieses ist in doppelter Hinsicht erwähnenswert: Die meisten Herrscherinnen waren „nur“ angeheiratet und besaßen wenig regierungspolitische Machthabe.12 Zudem forcierte im Europa des 19. Jahrhunderts die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts einen formalisierten Ausschluss von Frauen aus der Politik.13 Wie ist die Diskrepanz zwischen hoher Visibilität von Frauen im politischen Kontext einerseits und formaler Aussonderung dieser aus Entscheidungsprozessen andererseits zu erklären? Öffentliche Präsentation und Rezeption war höchster Anspruch des Winterhalterschen Auftragsporträts, dem „wichtigste[n] Medium höfischer Kunstpolitik“.14 Jenes ­hatte im 19. Jahrhundert in einem durch rasanten technischen Fortschritt stetig wachsenden Kommunikationsraum zu bestehen. Verschiedenste Medienkanäle galt es permanent und vielfältig zu bedienen. Dies geschah vor allem mit weiblichen Porträts – so die Kernthese der vorliegenden Arbeit. Diese bargen eine stärkere Flexibilität als männliche Äquivalente, sowohl die Bildrhetorik betreffend, als auch den Umgang mit den Medien. Sich seit der Aufklärung neu ordnende Gesellschaftsstrukturen beeinflussten vorherrschende Tugendideale, Geschlechterstereotype und Schönheitsvorstellungen. Vermochten weibliche Herrscherporträts diese Fülle gesellschaftlich relevanter Themen glaubwürdiger zu thematisieren, ohne dabei mit traditionell männlich konnotierter Machtvisualisierung brechen zu müssen? Monarchische Repräsentation war im 19. Jahrhundert wesentlich auch an weibliche Körperbilder gebunden. Deshalb steht das Porträt der Herrscherin von Franz Xaver Winterhalter im Mittelpunkt der Untersuchung. Davon ausgehend, dass Bilder und vor allem Porträts wesentlich zu Anerkennung von Herrschaft beitragen und unentbehrliche Instrumente innerhalb politischer Kommunikations- und Legitimationsprozesse sind, soll analysiert werden, wie Herrschaftsbestätigung mithilfe geschickt ausbalancierter Bildnisprogramme gestiftet und gepflegt werden kann. Methodisch werden im Zuge dieser Analyse drei neue Gattungstermini

11 Arthur Stevens: Le Salon de 1863, Paris 1866, S. 142. 12 Vgl. methodisch zum „nur“: Bettina Braun, Katrin Keller u. Matthias Schnettger (Hg.): Nur die Frau des Kaisers? Kaiserinnen in der Frühen Neuzeit, Wien 2016. 13 Zur erstmals „kategorialen politischen Unterscheidung zwischen Männern und Frauen“ „unabhängig von ihrer sonstigen sozialen oder ökonomischen Lage“ im 19. Jahrhundert vgl. Barbara Stollberg-­ Rilinger: Nur die Frau des Kaisers? Kommentar, in: Braun/Keller/Schnettger 2016, S. 245–251, hier: S. 247. 14 Martin Warnke: Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 1985, S. 270.

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Einleitung

entwickelt und definiert, die der zukünftigen Hof- und Porträtforschung Nutzen bringen sollen. Eine Prämisse der vorliegenden Arbeit lautet: Erfolgreiche Monarchien begriffen die Legitimation ihrer Machtposition nicht als Zustand, sondern als Prozess.15 Forschungsstand Angesichts Winterhalters bemerkenswerten Erfolges überrascht die geringe wissenschaftliche Aufmerksamkeit, die sein Werk bisher erregte. Winterhalters Herrscherinnen­ porträts wurden meist nur vereinzelt in biografischem Kontext der Dargestellten genauer untersucht. Manchmal nur als Pendantbildnisse ihrer regierenden Ehemänner, mitunter gar nicht erwähnt, bilden sie auch aufgrund ihrer seinerzeit hohen Popularität ein vielversprechendes Forschungsdesiderat. Zu Winterhalters Gesamtwerk wurde bis heute gültige Pionierarbeit in den 1980er Jahren geleistet.16 Zeitgleich mit der ersten großen Blockbusterausstellung Franz ­Xaver Winterhalter and the Courts of Europe in London und Paris wurde die weltweit e­ rste Doktor­arbeit über den Maler fertig gestellt: Studien zu Franz Xaver Winterhalter von ­Armin Panter bietet kaum zu überschätzende Grundlagenforschung, immer das Gesamt­ werk und seine kunsthistorische Einordnung im Blick. Begleitend kommentiert P ­ anter den Katalog zur oben genannten Ausstellung kritisch, dessen Inhalte sich vielfach mit seinen Ausführungen überschneiden. In dem Katalog sorgt ein Aufsatz von Aileen ­Reibero für einen ersten modewissenschaftlichen Zugang.17 2016 publizierte Eugéne Barilo von Reisberg die zweite Dissertation zu Winterhalter online: Franz Xaver Winterhalter (1805–1873): Portraiture in the Age of Social Change.18 15 Vgl. grundlegend Peter Graf von Kielmansegg: Legitimität als analytische Kategorie, in: Politische Viertel­jahresschrift 3/1971, S. 367–401, hier: S. 373: „Eine Herrschaftsordnung ist nicht legitim, sie wird es ständig.“ An diesen anschließend: „Erst in der kommunikativen Praxis politischer Prozesse jedenfalls kann ein Legitimitätsglaube an die Rechtmäßigkeit von Herrschaftsbeziehungen hergestellt oder erschüttert werden.“ Andres/Geisthövel/Schwengelbeck 2005, S. 11. Vgl. auch „Legitimitätssicherung als unabschließbare Aufgabe“ in Volker Sellin: Gewalt und Legitimität. Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, München 2011, hier: S. 5; vgl. Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994, S. 24–28. 16 Panter 1996; Franz Xaver Winterhalter and the Courts of Europe, 1830–70, hg. v. Richard Ormond u. ­Carol Blackett-Ord, Ausstellungskatalog, National Portrait Gallery London u. Petit Palais Paris, P ­ aris 1987 (Kat. Courts of Europe 1987). Die im Heinz Archive and Library der National Portrait Gallery nachvollziehbare Vorbereitung der Ausstellung seit 1982 dokumentiert, wie wenig bis dato über Winter­halter und den Verbleib seiner Porträts erforscht war. Dies offenbart auch der dort ebenfalls archivierte Briefwechsel zwischen Armin Panter und den Kuratoren. 17 Aileen Ribeiro: Fashion in the Work of Winterhalter, in: Kat. Courts of Europe 1987, S. 66–71. 18 Eugene Barilo von Reisberg: Franz Xaver Winterhalter (1805–1873): Portraiture in the Age of Social Change, Diss. Melbourne 2016 (Reisberg 2016). Er veröffentlichte bereits 2009 seine Masterarbeit online, Tradition and Innovation: Official Representations of Queen Victoria and Prince Albert by

Einleitung

Reisbergs Verdienst ist es, zu zeigen, dass zu Winterhalters Klientel trotz seines Rufes als Fürstenmaler bis zum Ende seiner Karriere ebenso die Aristokratie und Bürger­liche gehörten. Er orientiert sich auch an Armin Panters und Rainer Schochs Forschung, sein ­Literaturverzeichnis ist dominiert von Primärliteratur, wie zeitgenössische Biografien oder Tagebücher.19 Ebenfalls 2016 wurde die zweite internationale Winterhalter-Ausstellung kuratiert, welche bemerkenswert viele Leihgaben aus privatem Besitz zeigen konnte. Die Er­gebnisse des entsprechenden Katalogs reichen jedoch selten über die von 1987 hinaus, was auch daran liegen mag, dass der Kurator der ersten Ausstellung, Richard Ormond, erneut beteiligt war.20 Nicht in das Ausstellungsprojekt eingebunden wurde Alison McQueen, die als Expertin für die französische Kaiserin Eugénie bereits 2011 wertvolle Grundlagenforschung vorlegte und Winterhalters Porträts der Herrscherin ein ausführliches Kapitel widmete; McQueens Veröffentlichung inspirierte die vorliegende Arbeit.21 Eine systematische kunst- und sozialhistorische Untersuchung insbesondere derjenigen Klientel, die Winterhalters Erfolg hauptsächlich verantwortete – jene der ­Monarchinnen –, steht noch aus.22 Das vorliegende Projekt möchte diese Lücke schließen helfen und einen Beitrag zur allgemeinen Herrscherinnen-Forschung sowie zur Geschichte der Monarchie im 19. Jahrhundert liefern.

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Franz ­Xaver Winterhalter (Reisberg 2009) und betreibt ebenfalls online den unkommentierten workin-­progress catalogue raisonné The Winterhalter Catalogue, Franz Xaver Winterhalter and Hermann ­Winterhalter (Kat. Winterhalter Catalogue). Rainer Schoch: Das Herrscherbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts, München 1975, widmet Winterhalter ein 15-seitiges Kapitel. Franz Xaver Winterhalter. Maler im Auftrag ihrer Majestät, hg. v. Helga Kessler Aurisch et al., Ausstellungskatalog, Augustinermuseum Freiburg, Museum of Fine Arts Houston/Texas und Palais de Compiègne, Stuttgart 2015 (Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015). Vgl. auch die treffende Rezension von ­Sophie Tauche zu Ausstellung und Katalog: Elegant, staatstragend, populär: Porträts moderner Majestäten von Franz Xaver Winterhalter und Johann Peter Krafft, in: Kunstchronik 11/2016, S. 543–550. Alison McQueen: Empress Eugénie and the Arts: Politics and Visual Culture in the Nineteenth Century, Florence 2011. Außerdem nennenswert: Carola Freund: Orte der Sehnsucht: Franz Xaver Winterhalters Schlüssel zum Erfolg? Eine Untersuchung der Gemälde „Il dolce Farniente“ (1836) und „Decamarone“ (1837), in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 44/2017, S. 169–188; Andreas Dobler: Franz Xaver Winterhalter (1805–1873) in den Sammlungen des Hauses Hessen, in: Meisterhafte Porträts der Fürstenmaler im 19. Jahrhundert. „…sehr vorteilhaft und wunderbar gemalt…“, hg. v. Kulturstiftung des Hauses Hessen, Eichenzell 2014; Hubert Mayer (Hg.): Die Künstlerfamilie Winterhalter. Ein Briefwechsel, Karlsruhe 1998; Emmanuel Burlion: Franz Xaver Winterhalter, Brest 2011; Friedrich Pecht: Franz Winterhalter, in: Friedrich von Weesch (Hg.): Badische Biographien, 6 Theile, 2. Theil, Heidelberg 1873, S. 510–517. Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen ohne Literaturverweise: Jürgen Glocker: Der Maler Franz Xaver Winterhalter. Ein Essay, Heidelberg 2015; Ingeborg Eismann: Franz Xaver Winterhalter (1805– 1873). Der Fürstenmaler Europas, Petersberg 2007.

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Geschichtswissenschaftlich trägt das 19. Jahrhundert viele Etiketten: Biografische Untersuchungen populärer HerrscherInnen zeichnen bisweilen ein „monarchisches Jahrhundert“, Konzentrationen auf Biedermeierzeit oder Industrialisierung aus ­modernisierungstheoretischer Perspektive strapazieren Topoi wie „Verbürgerlichung“ oder „Demokratisierung“.23 Dabei war wohl selten ein Jahrhundert von derart gleich­ zeitiger Verschiedenartig geprägt, selten war eines derart mannigfaltig politischen wie gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen und von rasantem Fortschritt auf nahezu allen technischen Ebenen beeinflusst. Klug umschreibt es Jürgen Kocka: „Je besser das 19. Jahrhundert erforscht ist, desto sperriger erweist es sich gegenüber eindeutigen Urteilen“, es ist keinesfalls „in eine knappe Formel zu fassen.“24 Die Geschichte des politischen Bildnisses im 19. Jahrhundert folgt ebenso keiner linearen Entwicklung. Dennoch wird dem HerrscherInnenporträt des 19. Jahrhunderts monoperspektivisch immer wieder ein grundsätzlicher „Wandel“, eine „Krise“ oder gar ein „Zerfall“ attestiert.25 Das Selbstverständnis von Monarchie und Aristokratie als herrschender Elite blieb jedoch auch nach diversen Revolutionen bestehen, und diesem wurde visuell gebührend Ausdruck verliehen. Die Institution Monarchie war seinerzeit als Staatsform durchaus anerkannt, selten wurde ihre Abschaffung, meistens 23 Karl Ferdinand Werner: Fürst und Hof im 19. Jahrhundert: Abgesang oder Spätblüte?, in: id. (Hg.): Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, Bonn 1985, S. 1–53, hier: S. 2; Heinz Dollinger: Das Leitbild des Bürgerkönigtums in der europäischen Monarchie des 19. Jahrhunderts, in: Werner (Hg.) 1985, S. 325– 364; Monika Wienfort: Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft. Deutschland und England von 1640 bis 1848, Göttingen 1993, S. 13; Johannes Paulmann warnt, die Höfe im 19. Jahrhundert als unbedeutend, nur noch als Institution ohne Impulse anzusehen, vgl. id.: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn et al. 2000, S. 205. Ähnlich argumentiert Cornelia Roolfs: Der Hannoversche Hof von 1814 bis 1866, Hofstaat und Hofgesellschaft, Hannover 2005, S. 51. Zu „Modernisierungstheorien“ in der traditionellen Geschichtsschreibung: ­Barbara Stollberg-Rilinger: Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: id. (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005, S. 9–24, hier: S. 18 f. 24 Zu verschiedenen Forschungsstandpunkten zum 19. Jahrhundert im Laufe des 20. Jahrhunderts vgl. Jürgen Kocka: Das lange 19. Jahrhundert: Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft, Stuttgart 2001, S. 23–38, hier: S. 36; vgl. Ewald Frie: Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts? Eine Skizze, in: Geschichte und Gesellschaft, Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 33/2007, Heft 3 (Adel in der Neuzeit), S. 398– 415, S. 398 f. Außerdem Martin Kirsch: „Das Pendel der politischen Macht konnte sich […] mal zum Parlament mal zum Monarchen bewegen, es konnte aber […] auch nach Einführung des Konstitutionalismus wieder zum Absolutismus zurückschlagen.“ Id.: Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, Göttingen 1999, S. 387. 25 Hermann Beenken: Das 19. Jahrhundert in der deutschen Kunst, München 1944; diesen kritisch reflektierend Schoch 1975, S. 9 u. S. 10, der sich für einen „Wandel“ ausspricht; dagegen Beenken zustimmend Andrea M. Kluxen: Das Ende des Standesporträts. Die Bedeutung der englischen Malerei für das deutsche Porträt von 1760 bis 1848, München 1989, S. 111 u. S. 107: „Erschütterung des Standes­ porträts“; aktuell: „Krise“ bei Laure Chabanne: Franz Xaver Winterhalter und die französische Malerei. Echo der Salons. In: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 40–49, S. 48.

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­ihre ­Reformierung vorgeschlagen.26 Vor diesem Hintergrund ist die übliche, die höfische Kunst b ­ etreffende Zäsur um 1800 kritisch zu hinterfragen. Eine weitere These des vorliegenden Forschungsprojekts lautet diesbezüglich: Das HerrscherInnenporträt des 19. Jahrhunderts unterscheidet sich nicht auffallend von jenem vorheriger Jahrhunderte; Kontinuität und Wandel halten sich die Waage. Wurde in den 1980er Jahren noch ein „Genieren“, sich wissenschaftlich mit monarchischen Themen des 19. Jahrhunderts zu beschäftigen, festgestellt, so ändert sich das seit der Jahrtausendwende.27 Vor allem über biografische Ausstellungen und Publikationen wandte sich die Forschung auch speziell der Figur der Herrscherin zu. Das kulturhistorische Forschungsgebiet zu Frauen in politischen Führungspositionen expandiert, wobei das 19. Jahrhundert noch immer ein stiefmütterliches Dasein fristet und Beiträge zur Frühen Neuzeit das Feld mit frischen Perspektiven dominieren.28 26 Nur vier europäische Staaten waren 1917/18 Republiken: „Frankreich, Portugal, Schweiz und San ­Marino“, Dieter Langewiesche: Die Monarchie im Jahrhundert Europas. Selbstbehauptung durch Wandel im 19. Jahrhundert, Heidelberg 2013, S. 6. Ute Daniel betont, dass Höfe u. Herrscher „auf über­ regionaler, nationaler u. internationaler Ebene“ bis zum 1. Weltkrieg „wesentliche Einflussfaktoren waren (wenn auch in veränderter Form und relativiert durch hinzukommende politische Entscheidungsinstanzen).“ Id.: Stadt und Hof: wann erfolgte die Wende?, in: Jan Hirschbiegel, Werner P ­ aravicini u. Jörg Wettlaufer (Hg.): Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft. Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, Ostfildern 2012, S. 271–280, S. 279 f.; vgl. auch Philip Mansel: “1917–1918, not 1789, marks the end of court society’s role in shaping modern Europe and its cities.” Id.: Courts and Cities: the Nineteenth-century R ­ esurgence, in: Hirschbiegel/Paravicini/Wettlaufer 2012, S. 313–318, S. 318. Zu Forderungen, die Monarchie nicht abzuschaffen, und Vorschlägen, sie umzugestalten, vgl. Sellin 2001, S. 167 f.; vgl. Dieter Lange­wiesche: Bürgerliche Adelskritik zwischen Aufklärung und Reichsgründung in Enzyklopädien und Lexika, in: ­Elisabeth Fehrenbach (Hg.): Adel und Bürgertum in Deutschland 1770–1848, München 1994, S. 11–28, S. 19 f.; vgl. Wienfort 1993, S. 95–111; ebenso Kirsch 1999, S. 405: „Die Forderung nach größerer politischer Teilhabe blieb der wichtigste Antriebsfaktor und Motor des Wandels des europäischen monarchischen Konstitutionalismus.“ 27 Werner 1985, S. 15. Auswahl: Spectaculaire Second Empire, hg. v. Guy Cogeval et al., Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, Paris 2016 (Kat. Spectaculaire Second Empire 2016); Frauensache. Wie Branden­burg Preußen wurde, hg. v. Julia Klein et al., Ausstellungskatalog, Schloss Charlottenburg ­Berlin, ­Dresden 2015 (Kat. Frauensache 2015); At the Russian Court, Palace and Protocol in the 19th Century, hg. v. Bijl Arnoud, Ausstellungskatalog, Hermitage Amsterdam, Amsterdam 2009 (Kat. ­Russian Court 2009); Napoléon III et la reine Victoria. Une visite à l’Exposition Universelle de 1855, hg. v. Emmanuel Starcky, Ausstellungskatalog, Musée National du Château de Compiègne, Paris 2008 (Kat. Napoléon III 2008); Victoria & Albert, Art & Love, hg. v. Jonathan Marsden, Ausstellungskatalog, The Queen’s Gallery London, London 2010 (Kat. Art and Love 2010). 28 Auswahl: Enlightened Princesses: Caroline, Augusta, Charlotte and the Shaping of the Modern World, hg. v. Joanna Marschner, David Bindman u. Lisa L. Ford, Ausstellungskatalog, Yale Center for B ­ ritish Art, New Haven 2017 (Kat. Enlightened Princesses 2017); Braun/Keller/Schnettger 2016; Eckhard ­Leuschner u. Iris Wenderholm (Hg.): Frauen und Päpste. Zur Konstruktion von Weiblichkeit in Kunst und ­Urbanistik des römischen Seicento, Berlin u. Boston 2016; Eva Flicker u. Monika Seidl (Hg.):

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Anlässlich ihres 300. Geburtstages tut sich gegenwärtig die Forschung zur Repräsentationspolitik Maria Theresias hervor und thematisiert Fragen nach Identität und Flexi­ bilität des weiblichen Bildkörpers „im Zeitalter der Aufklärung“.29 Diese und andere aktuelle Publikationen problematisieren die männliche Konnotation politischer Herrschaft, die den Blick auf weibliches „herrschaftliche[s] Handeln“, vor allem nicht-regierender Frauen, verstellt.30 Einig ist sich die Forschung darin, dass ein einseitiger verfassungs­ theoretischer Blick, den ein traditioneller Politikbegriff mit sich bringt, aufgebrochen werden muss, um eventuellen politischen Einfluss auch von nicht regierenden Herrsche­ atrin Keller weib­ rinnen aufdecken zu können.31 Vor diesem Hintergrund identifiziert K liche „Handlungsfelder“ von Herrscherinnen der Frühen Neuzeit wie „Familienpolitik“, „Repräsentation“ im Sinne von „Kommunikation von Herrschaft“ (u. a. „Herrschaft­ szeremoniell“, „Kultur des Hofes“) und „religiöse[] Aktivitäten“ sowie relevante Rollen als Netzwerkerin, „Fürbitterin“ und „Ratgeberin“.32 Diese Ansätze sollen für das 19. Jahrhundert und das Porträt der Monarchin im Werk Winterhalters nutzbar gemacht werden.

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­ ashion­able Queens: Body – Power – Gender, Frankfurt am Main 2014; Simone Roggendorf u. ­Sigrid F Ruby (Hg.): ­(­En)­gendered: Frühneuzeitlicher Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der ­Alpen, Marburg 2004; Clarissa Campbell Orr: Queenship in Europe, 1660–1815. The Role of the Consort, Cambridge 2004; Sigrid Ruby: Mit Macht verbunden. Bilder der Favoritin im Frankreich der Renaissance, Freiburg 2010; Gabriele Baumbach u. Cordula Bischoff (Hg.): Frau und Bildnis 1600–1750. ­Barocke ­Repräsentationskultur an europäischen Fürstenhöfen, Kassel 2003; Regina Schulte (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, Frankfurt am Main 2002; Fanny Cosandey: La reine de France. Symbole et pouvoir, XVe–XVIIIe siècle, Paris 2000. Vgl. umfang- und facettenreich Werner Telesko, Sandra Hertel u. Stefanie Linsboth (Hg.): Die Repräsentation Maria Theresias. Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung, Wien et al. 2020; vgl. Bettina Braun, Jan Kusber u. Matthias Schnettger (Hg.): Weibliche Herrschaft im 18. Jahrhundert. Maria Theresia und Katharina die Große, Bielefeld 2020; vgl. auch Werner Telesko: Herrschaftssicherung mittels visueller Repräsentation. Zur Porträtkultur Maria Theresias, in: Eva Kernbauer u. Aneta Zahradnik (Hg.): Höfische Porträtkultur. Die Bildnissammlung der österreichischen Erzherzogin Maria Anna (1738– 1789), Berlin u. Boston 2016, S. 37–48, der für Maria Theresias kunstpolitische Strategien eine „gattungsmäßige Flexibilisierung“ (S. 37) feststellt und Michael Yonan zitiert, welcher eine “flexibility of identities” (S. 31) konstatiert: Id.: Empress Maria Theresa and the Politics of Habsburg Imperial Art, University Park Pennsylvania 2011. Katrin Keller: Frauen und dynastische Herrschaft. Eine Einführung, in: Braun/Keller/Schnettger 2016, S. 13–26, S. 16; vgl. bereits Heide Wunder: Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 27–54, S. 53. Vgl. Keller 2016, S. 18. Ibid., S. 22.

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Methodische Prämissen: Zur politischen Relevanz eines HerrscherInnenporträts Die vorliegende Arbeit versteht sich als Beitrag einer facettenreichen „Kulturgeschichte des Politischen“, die nicht auf „harten Fragen“ und „Relevanzkriterien“ besteht und damit Kulturgeschichte einer Politikgeschichte unterordnet.33 Vielmehr ist die „Dar­ stellung und Wahrnehmung des Politischen“ kaum von „Machtstrukturen und Entscheidungsprozesse[n]“ zu separieren. Realität wird grundsätzlich mittels Sprache, Bildern, Zeichen, Symbolen dargestellt und kommuniziert, ja „symbolische Praktiken und diskursive Strukturen [spielen] schon bei der Konstitution von politischen Institutionen, Ordnungskategorien, Geltungs- und nicht zuletzt Herrschaftsansprüchen [eine fundamentale Rolle].“34 Die Bereitschaft zu einem solch unvoreingenommenen wissenschaftlichen Blick ist von besonderer Wichtigkeit in Hinblick auf Porträts von politischen Akteuren, die aus verfassungstheoretischer Perspektive nicht zum relevanten Machtzirkel gehörten – wie manch angeheiratete Herrscherinnen. Dem methodischen Ansatz der „Kulturgeschichte des Politischen“ folgt daher der Politikbegriff der vorliegenden Arbeit:35 „Politisch ist, was in kommunikativen Prozessen als politisch gilt und als politisch gestaltet wahrgenommen und erfahren wird.“36 Die politische Relevanz von Bildern soll hier noch einmal deutlich gemacht werden: Eine „Effizienz der Bilder“ ermöglicht „schnelle[] Erfassung komplexer Sach­verhalte, 33 Thomas Nicklas: Macht – Politik – Diskurs. Möglichkeiten und Grenzen einer Politischen Kultur­geschichte, in: Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 86, 1/2004, S. 1–25, S. 11 u. S. 14. Vgl. auf diesen antwortend Stollberg-­ Rilinger 2005, S. 15. Vgl. auch Kurt Lenk, der den Begriff „symbolische“ Politik propagiert. Er unterscheidet zwischen „einer instrumentellen Entscheidungsebene“ und „einer legitimatorischen Symbolebene“, die „der Integration und/oder Herstellung von Massenloyalität dient.“ Id.: Politik als Theater, in: Zeitschrift für kritische Theorie, 2/1996, S. 111–122, S. 111. Zur Verwendung eines engen Politikbegriffs vgl. Wienfort 1993, S. 12 f., deren Meinung nach beginne mit dieser Funktionsveränderung einhergehend eine „Entpolitisierung des Monarchen in einer zunehmend politisierten Gesellschaft“. Für die ältere politische Kulturforschung waren zwei Ansätze prägend: das civic-culture Konzept sowie das Konzept der „symbolischen Politik“, vgl. Stollberg-Rilinger 2005, S. 16. Vgl. für eine Einführung in die Begriffs- und Rezeptionsgeschichte von „symbolischer Politik“ Gerhard Göhler: Symbolische Politik – Symbolische Praxis. Zum Symbolverständnis in der deutschen Politikwissenschaft, in: Stollberg-Rilinger 2005, S. 57–69. 34 Stollberg-Rilinger 2005, S. 16; vgl. auch Hans-Georg Soeffner u. Dirk Tänzler: Figurative Politik. Prolegomena zu einer Kultursoziologie politischen Handelns, in: ibid. (Hg.): Figurative Politik. Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft, Opladen 2002, S. 17–33: „auch das sogenannte Entscheidungshandeln vollzieht sich […] symbolisch“, S. 17 ff., hier S. 21. 35 Ein „sozialanthropologische[r] Kulturbegriff “, „wonach Kultur über die fundamentale Fähigkeit des Menschen zur Symbolerzeugung definiert wird“, liegt diesem Ansatz zugrunde, Stollberg-Rilinger 2005, S. 10 f. 36 So eine der Hauptthesen von Wolfgang Braungart: Ästhetik der Politik, Ästhetik des Politischen. Ein Versuch in Thesen, Göttingen 2012, S. 16. Vgl. auch Andres/Geisthövel/Schwengelbeck 2005, S. 11: „Politik wird erst politisch, wenn sie […] repräsentiert ist. Herrschaft muss sich darstellen, um als legitim anerkannt werden zu können“.

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[…] Erzeugung erlebnisnaher Illusionen sowie […] empathische[]/affektive[] Rezep­ tion“.37 Bilder evozieren Emotionen und diese, vor allem positive, beeinflussen wiederum die Art der Abspeicherung von Informationen und auch den „Zugriff auf Gedächtnis­ inhalte“.38 In dieser Funktion als flexibel reagierendes Artefakt politischer Kommunika­ tionsprozesse sind Porträts wesentlich an der Produktion von Legitimation beteiligt: „Damit Symbole angenommen und verstanden werden, bedarf es auf Seiten der Interpreten gewissermaßen eines Resonanzbodens, der durch die Symbole zum Schwingen gebracht wird. […] wird [der Resonanzboden] nicht aktiviert, verliert das Gemeinwesen früher oder später seine Legitimation.“39 Besonders diese Funktion von HerrscherInnenporträts als Stimulus und damit ihr Anteil an alltäglicher, ständiger politischer Repräsentation interessiert hier, um Handlungsmöglichkeiten der Herrscherin auffächern zu können, auch vor dem Hintergrund, dass sich im 19. Jahrhundert eine neue „visuelle Erwartungshaltung“ herauszubilden begann.40 In der vorliegenden Arbeit soll der Begriff Image helfen, die mithilfe von Porträts gestifteten Vorstellungen von höfischen Personen oder Institutionen in der Öffentlichkeit zu erfassen.41 Image wird hier verstanden als Ergebnis eines strategisch geplanten Kommunikationsprozesses, der auf die Verankerung eines prägnanten Profils zielt. Dieses schürt und erfüllt gesellschaftliche Erwartungen bezüglich spezifischer Eigenschaften und Kompetenzen. Wirkungsvolle politische Images sollten dabei keine fiktive Aneinanderreihung idealer Eigenschaften sein, sondern „Erprobungen ihrer Wirklichkeitsentwürfe auch praktisch […] bestehen“.42 Ein solches Image wird über verschiedene K ­ anäle erschaffen und gesendet. Letztendlich wird es erst durch einen (kollektiven) Interpretationsvorgang produziert und ist damit abhängig von gängigen und etablierten Idealen, Stereotypen und Denkschemata: „Images erzählen, wie der Mythos erzählt: offen und

37 Klaus Sachs-Hombach: Illokutionäre Kraft und kommunikative Verbindlichkeit. Anmerkungen zur Differenz sprachlicher und visueller Kommunikation, in: Wilhelm Hofmann (Hg.): Bildpolitik – Sprachpolitik. Untersuchungen zur politischen Kommunikation in der entwickelten Demokratie, Berlin 2006, S. 181– 196, S. 184 f., hier: S. 185. 38 Hilde Haider: Emotionen als Steuerungselemente menschlichen Handelns, in: Birgit Aschmann (Hg.): Gefühl und Kalkül. Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts, München 2005, S. 33–45, S. 43. 39 Göhler 2005, S. 68. Ernst Cassirers Symbolbegriff übernehmend, begreift Göhler Symbole als „hermeneutisches Phänomen“: „Die Deutung durch den Interpreten bringt seine ganze Lebenswelt mit ein: sein Wissen, seine Erfahrungen, seine Grundsätze, seine Emotionen.“ Id. 2005, S. 66. 40 Gottfried Boehm: Wie Bilder Sinn erzeugen, Berlin 2007, S. 246. 41 Zur Geschichte und unterschiedlichen Akzentuierung des Begriffs Image vgl. Siegfried Schmidt: Die Wirklichkeiten der Images, in: Gerhard Johann Lischka u. Peter Weibel (Hg.): Das Regime des Image. Zwischen mimischem Display und Corporate Branding, Bern 2003, S. 43–60, bes. S. 49–53. 42 Schmidt 2003, S. 57.

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vieldeutig.“43 Es bildet deshalb eine eigene Realität, ist vielschichtig, veränderbar und nur bedingt planbar. Methodisches Vorgehen und Struktur der Arbeit Wissenschaftliche Texte zum monarchischen Bildnis nutzen gern den allgemeinen Terminus Herrscherporträt, auch politisches Bildnis, Staats- oder Repräsentativporträt ist zu lesen. Umständliche Versuche, spezifische Eigenheiten eines HerrscherInnenporträts deskriptiv herauszuarbeiten, sind in jüngst vorgenommenen inhaltsreichen und klugen Analysen der Bildnispolitik Maria Theresias zu finden: „Gemälde[], auf denen explizit Herrscherinsignien wie Krone oder hermelingefütterter Mantel dargestellt sind“, „­Porträts mit mindestens einer Krone“ oder schließlich „Porträts ohne Kronen“.44 Besonders letztere Beschreibung offenbart die Schwierigkeit, eine höfische Porträtvielfalt, wie sie auch die einleitend vorgestellte Albumseite Queen Victorias illustriert, sprachlich zufriedenstellend fassen zu können.

43 Hans-Otto Hügel: Lob des Mainstreams. Zu Begriff und Geschichte von Unterhaltung und Populärer Kultur, Köln 2007, S. 157. Seine Conclusio ist, dass eindeutige, auch einschichtige oder eindimensionale Images erfolgloser sind als widersprüchliche Images, vgl. ibid., S. 160. 44 Johannes Pietsch: Die Kleidung Maria Theresias im Spiegel der Porträts, in: Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 197–204, S. 204. Zu gattungsspezifischem Vorgehen, um Aussagen über Schwerpunkte und Variationen innerhalb eines Bildnisprogramms treffen zu können, vgl. auch Stefanie Linsboth: Quantitative Auswertung der Porträts Maria Theresias, in Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 213–215. Sie unter­ scheidet Ganzfigurenbild, Kniestück und Brustbild, außerdem zählt sie „Porträts ohne Kronen“ und „Porträts mit mindestens einer Krone“, untersucht die „Häufigkeit der Kleider und Ornate“ und verwertet diese statistisch. Vgl. auch Schochs Ansatz Porträtgattungen zu spezifizieren. Er nutzt den Begriff Handlungsporträt als „Darstellung exemplarischer Handlungen“ im moralischen Sinn; die „spontane Handlung“ sollte im 19. Jahrhundert nach Schoch den „traditionelle[n] symbolische[n] Apparat“ ablösen. Id. 1975, S. 34. Handlung „wurde hauptsächlich in Bildnisse mit privatem oder halboffiziellem Charakter aufgenommen.“ Inhaltliche Beispiele sind für Schoch das „Ideal der bürgerlichen Häuslichkeit“ oder das „Thema der Mütterlichkeit“ (S. 35), Charakteristika sind „bestimmter Ort, Momentaneität und bestimmte Handlung“ (S. 36). Vgl. dazu jedoch jüngst Ralf von den Hoff: Handlungsporträt und Herrscherbild. Die Heroisierung der Tat in Bildnissen Alexanders des Großen, Göttingen 2020, der die Gattung nicht nur als Visualisierung eines Tugendkanons, sondern allgemeiner als Aktionsporträt begreift, als sichtbare Handlung im Bild, beispielsweise als Kriegsherr. Er unterscheidet zwischen „Handlungspotenz“ und „Handlungsleistung“ (S. 10), nutzt den Terminus eher im Sinne von Wredes Idee des „Königtum[s] […] der Tat“, Martin Wrede: Einleitung: Die Inszenierung der mehr oder weniger heroischen Monarchie. Zu Rittern und Feldherren und Schauspielern, in: id. (Hg.): Die Inszenierung der heroischen Monarchie. Frühneuzeitliches Königtum zwischen ritterlichem Erbe und militärischer Herausforderung, München 2014, S. 8–39, S. 36. Ein Handlungsporträt ist definitorisch nicht automatisch nur an Tugenden gebunden, wie Schoch es 1975 vorschlägt, sondern ebenso an „Mythisierungen“, „Heroisierungen“, Götterangleichungen oder Zuschreibungen des Dargestellten als „siegreich“, vgl. Hoff 2020, S. 12 f.

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Mit dem Ziel Mechanismen von Herrschaftsanerkennung und -sicherung über den Gattungsbegriff kürzer und klarer segregieren zu können, wird deshalb in der vorliegenden Arbeit eine neue spezifischere Nomenklatur entwickelt, die die bestehende kunsthistorische Terminologie ergänzen soll: Drei neue Termini – Tugendporträt, Regalienporträt und Modeporträt – versprechen für die sowohl thematische als auch in Hinblick auf die Bildrhetorik und Betrachteransprache bestehende Vielfältigkeit zu sensibilisieren und diese gattungstheoretisch fassbar zu machen.45 Damit betritt die vorliegende Arbeit grundlegend Neuland. Methodisch erfordert die kunsthistorische Beschäftigung mit HerrscherInnenporträts eine interdisziplinäre Herangehensweise. Sowohl eigenständiges Kunstwerk, als auch Instrument politischer Repräsentation und nur Teil eines ganzen Bildnisprogramms, verlangt es zwar eine stilistisch-ikonografische Einordnung und einen analytischen Blick auf das Werk des Künstlers; in erster Linie jedoch spiegelt ein Auftrags­porträt das Selbstverständnis und die Mentalität der Dargestellten, verortet das Modell zwischen Amt und Individuum und ist grundsätzlich vor dem Prisma zeitgenössischer politischer, gesellschaftlicher und kultureller Paradigmen zu verhandeln. Höfische Porträts, genutzt als „historische Quellen“, dokumentieren Herrschafts-, Ordnungs- und Kommunikationsstrukturen, Tugend-, Geschlechter-, Schönheits- und Modeideale – und nicht zuletzt die Berufsauffassung eines Hofmalers im 19. Jahrhundert.46 Diese Informationen zu extrahieren hilft ein methodisch breit aufgestellter kulturund sozialgeschichtlicher Forschungszugriff, der politische Ikonografie, Hof- und Bürger­ tumsforschung, gender studies, medien- und modewissenschaftliche An­sätze genauso berücksichtigt wie politikwissenschaftliche und Ritual- und Zeremoniellforschung.47 Neben den Bildmedien Ölbild, Druck und Fotografie sind weitere Quellen kritisch auszu­werten, 45 Dies auch im Sinne von Warnkes Idee eines „postulativ vorgetragen[en] […] fiktiven Rollen­ spektrum[s]“, das von Seiten der Untertanen vorgeschlagen wurde, Martin Warnke: Politische Ikonographie, in: Andreas Beyer (Hg.): Die Lesbarkeit der Kunst. Zur Geistes-Gegenwart der Ikonologie, Berlin 1992, S. 23–28, S. 28. Ob tatsächlich aber ein solcher „fiktiver Wertekatalog mit und nach der Französischen Revolution […] als Gegenstand der Kunst hinfällig geworden“ sei, wird die vorliegende Arbeit kritisch hinterfragen, ibid., S. 28. 46 Vgl. Peter Burke: Augenzeugenschaft. Bilder als historische Quellen, Berlin 2003. 47 Gender studies als „Forschung zur Geschlechterdifferenzierung“, die untersucht, „ob und wie eine Gesellschaft ‚Geschlechter‘ unterscheidet“. Stefan Hirschauer: Wozu gender studies? Ein Forschungsfeld zwischen Feminismus und Kulturwissenschaft, in: Forschung & Lehre, Nr. 11, 21/2014, S. 880–882. Vgl. auch Stollberg-Rilingers Appell, dem hier nachgekommen werden soll: „Die kategoriale politische Unterscheidung zwischen Männern und Frauen ist keineswegs selbstverständlich, sondern ein Erbe des 19. Jahrhunderts, von dem wir uns in unserem Sprechen und Denken noch immer nicht ganz verabschiedet haben. Sie lag als Feindbild der historischen „Frauenforschung“ zugrunde und wirkt ex negativo auch heute oft noch nach, […]. Mittlerweile ist es aber an der Zeit, die Frage nach weiblichen politischen Handlungsspielräumen gelassener zu stellen und in einem größeren, eben dynastischen Zusammenhang zu betrachten.“ Stollberg-Rilinger 2016, S. 247.

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etwa Ego-Dokumente wie Tagebücher und Briefe, politische Schriften und Reden, Zivillisten, Kataloge, Verfassungen, Presseberichte und Kunstkritiken. Der Rezeptionskontext erweist sich als besonders relevante Untersuchungsvariable: Hängungsort, Zusammensetzung des Ausstellungspublikums, Vervielfältigungsarten und Erwerbsmöglichkeiten interessieren. Winterhalter konterfeite Herrscherpaare mit verschiedener Aufgabenteilung: in England mit Victoria eine regierende Königin und mit Albert den im europäischen Vergleich eine Ausnahme stellenden, männlichen Prince, der zunächst nicht einmal den offiziellen Titelzusatz consort erhielt; mit Eugénie während des Second Empire eine politisch äußerst ambitionierte impératrice consort. Die Gegenüberstellung ermöglicht, herauszufinden, inwiefern sich politische Position, Geschlecht, nationale Herkunft oder individuelle Persönlichkeit auf die Bildnisprogramme und deren strategische mediale Verbreitung auswirkten und die Legitimationsmuster von Herrschaft modellierten. Um inhaltliche Programmatik und Schwerpunktsetzung, eventuelle Verschiebungen im Laufe des Jahrhunderts oder auch innerhalb eines Regimes bestimmen und damit auch Rückschlüsse auf politische Handlungsfelder der Herrscherin und ihren Einfluss ziehen zu können, braucht es vergleichbare Parameter: Die neuen Gattungs­termini sollen hier assistieren. Erstmalig werden daher die Herrscherinnenporträts im Werk Franz Xaver Winterhalters systematisch geordnet. Die Identifikation dreier Bildnis­ gruppen verantwortet die Gliederung der Arbeit in drei Hauptkapitel. Diese eröffnen jeweils mit einem einführenden ausführlichen theoretischen Kapitel, auf das Fallbeispiele folgen, die entweder Typica und Phänomene oder Ausnahmen markieren. Die Auswahl der Winterhalter­schen Porträts zielt nicht auf Vollständigkeit, sondern auf Aussagekraft. Jedes Unter­kapitel schließt mit einem kurzen Fazit. Auf Zusammenfassungen einzelner Kapitel wird zugunsten eines übergreifenden Resümees im Schlusskapitel verzichtet. Das erste Hauptkapitel betrachtet diejenigen höfischen Porträts aus sozial- und kulturhistorischer Perspektive, welche auf vorherrschende moralische Gesellschafts­ideale rekurrieren und diese teilweise spiegeln: die Tugendporträts. Hier werden der dieser Arbeit zugrundeliegende Öffentlichkeitsbegriff und Zielgruppen der höfischen Bildnis­ produktion herausgearbeitet. Der zweite Abschnitt subsummiert sogenannte Regalienporträts. Ihre Existenz offenbart das Paradoxon, dass der Monarch im 19. Jahrhundert zum einen als Gleicher unter ­ rster Gleichen zu erkennen sein, jenen Tugendkanon seines Volkes teilen und sich als E Diener des Staates verstehen sollte (Tugendporträts), doch andererseits nach wie vor als Symbolfigur eines Personenkults charismatischen Herrschervorstellungen gerecht zu werden hatte. Im dritten Kapitel demonstrieren Winterhalters Modeporträts den Einfluss der sich im 19. Jahrhundert massiv verändernden Modewelt auf das HerrscherInnenporträt. Die ­ onarchie Verbindung von Mode und Monarchie eröffnet ein enormes Spannungsfeld: M baut auf Beständigkeit und Tradition, wohingegen Mode von stetigem Wandel und

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a­ ktuellem Zeitbezug geprägt ist. Modekompetenz zu beweisen geriet jedoch in neuem Ausmaß zur politischen Handlungsoption vor allem der Herrscherin. Winterhalter absorbierte als europaweit arbeitender Künstler nationale Grenzen und leistete Kulturtransfer. Die zu erwartenden Erkenntnisse zielen auf eine Neubewertung der Relevanz des Herrscherinnenporträts innerhalb höfischer Bildnisprogramme, ja mehr noch, der politischen Handlungsräume der Monarchin, und daran anknüpfende Schlussfolgerungen bezüglich Kontinuität und Wandel gesellschaftspolitischer Ordnungs- und Kommunikationsstrukturen im 19. Jahrhundert. Die Ergebnisse sollen bei­ rauen tragen zur Erschließung ausschlaggebender Faktoren für die Repräsentation von F in politischen Führungspositionen und deren Abhängigkeit von sozial konstruierten Gesellschaftsidealen. * Eine Briefmarkenserie, die der britische Hof 1992 anlässlich des 40. Thron­jubiläums Queen Elizabeth II. herausgab, zeichnet mithilfe von fünf Porträts die Rollenbilder und Amtsaufgaben der britischen Monarchin Ende des 20. Jahrhunderts sorgfältig nach (Abb. 2) – und ähnelt insoweit frappierend der einleitend vorgestellten Albumseite

2  Briefmarkenserie ­anlässlich des 40. Thronjubiläums von Königin ­Elisabeth II., 1992, London, Royal Mail

Einleitung

­Victorias.48 Der Briefeschreiber darf wählen zwischen einem Bild der Königin am Tag ihrer Krönung, der Herrscherin in der Robe des Hosenbandordens oder in Paradeuniform, einer Schwarzweißfotografie der Monarchin in der Mutterrolle und nicht zuletzt einem Schnappschuss von der amtierenden Queen in einem ihrer pastellfarbenen Hutund-Mantel-Ensembles, von denen sie behauptet, sie gehörten zu ihrer Uniform.49 Diese Briefmarkenserie liefert einen ersten Hinweis dafür, dass heutige Sehgewohnheiten bezüglich visueller Machtrepräsentation nicht nur Produkt vermeintlich moderner Zeiten sind, sondern teilweise bereits während des 19. Jahrhunderts und vorher entstanden. „Legitimation durch öffentliche Kommunikation“ gilt im Grunde für politische Systeme in aller Welt bis heute.50 Besondere Wirkung jedoch erziele, dies bescheinigen seit Jahrhunderten die Experten, die „visuelle Darbietung“; Martin Warnke kommentierte als Kenner der Politischen Ikonografie mehrerer Jahrhunderte 1992: „Ob man diese Meinung für richtig hält oder nicht: die meisten politischen Instanzen haben sich daran gehalten.“51

48 Veronika Kopecky beobachtet hingegen in dieser Briefmarkenserie eine „neue Art von Rollenspiel“. Handbuch der politischen Ikonographie, hg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, 2 Bde., München, 2. durchgesehene Auflage 2011 (HPI 2011), s. v. „Politikerin“ (Veronika Kopecky), S. 247. 49 Luise Wackerl: Royal Style. Von Marie Antoinette bis Herzogin Kate: Die Fashiontrends des Adels, München 2012, S. 7. 50 Paulmann 2000, S. 12. 51 Warnke 1992, S. 23.

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I.  Die Tugendporträts

“To state the matter shortly, Royalty is a government in which the attention of the nation is concentrated on one person doing interesting actions. A Republic is a government in which that attention is divided between many, who are all doing uninteresting actions.”1 Walter Bagehot

1. Öffentlichkeit und Rezeptionsklima: Tugend-, Geschlechterund Klassenideale in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Franz Xaver Winterhalter startete seine internationale Karriere während der so genannten Julimonarchie in Paris. Bereits anlässlich seines ersten Auftrages von Seiten des ­Hofes, des im Salon von 1839 ausgestellten Porträts der Prinzessin Clémentine ­d’Orléans, hagelte es Kritik: Es verstecke sich eine « jeune fille bourgeoise […] sous la princesse », ­stichelte ein unzufriedener Kunstkenner, das Bildnis der jüngsten Tochter des französischen Königs kommentierend, welches im Mittelpunkt der Ausstellung und damit im Fokus des gesellschaftlichen Interesses stand.2 Da derselbe Kritiker das Porträt erst nach lobenden Beschreibungen der Schönheit der Dargestellten mit dem Etikett „zu bürgerlich“ brandmarkte, schien der Darstellungsmodus als unpassend, und nicht die von der Prinzessin verkörperte Regierungsform als kritikwürdig empfunden worden zu sein. Und das in einer Zeit, in der das großstädtische Bürgertum längst wirtschaftlich wie politisch großen Einfluss auf die Gesellschaft und die französischen Regierungsgeschäfte

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The Collected Works of Walter Bagehot, hg. v. Norman St. John-Stevas, 12 Bde., Bd. 5, The Political ­Essays, London 1974 (Bagehot 1974), S. 229 f. Jules Janin: Salon de 1839, in: L’Artiste, 2e série, Bd. 2, 1839, S. 257. Jules Janin galt als konservativ gemäßigter Kritiker. Vgl. zum Porträt auch Panter 1996, S. 106, der das Auftragsdokument transkribierte (S. 205) und die höfische Repräsentation vor einer „bürgerlichen Öffentlichkeit“ problematisiert.

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I.  Die Tugendporträts

nahm. Es wäre anzunehmen gewesen, die konservative Kunstkritik hätte begeistert reagiert ob etwaiger Verschmelzungen bürgerlicher und höfischer Repräsentationsmodi. Was den Kritiker störte, mag ein Blick auf das lebensgroße Porträt enthüllen (Taf. 1). Aus diesem schaut die mit Stocklocken frisierte und à la mode gekleidete Frau mit liderschwerem Blick auf den Betrachter herab.3 Die junge Prinzessin steht in uneleganter P ­ ose vor einer Balustrade, glanzlos ist der Stoff ihres Kleides, dessen enge Taillierung ihre Figur nicht eigens in Szene zu setzen vermag. Ein bewegt bewölkter Hintergrund mit tief gezogener Horizontlinie zeugt vom Vorhaben des Künstlers, den Betrachter emotional zu adressieren. Rosenarrangements und roséfarbene Schleifen ziehen dessen Blicke auf sich. Das zur klassischen Herrscherikonografie gehörende Säulenpostament verliert seine traditionelle Bedeutung, indem es zum blumendekorierten Beiwerk gerät. Ähnliches kritisierte die Revue des Deux Mondes aus bürgerlich-sentimentaler Perspektive: ll est rare, pour un peintre, de rencontrer des modèles comme son altesse royale la princesse Clémentine. Je ne sais si M. Winterhalter lui a rendu pleine justice. A coup sûr l’éclat de son teint et la noblesse de sa taille ne se retrouvent point dans ce portrait. La pose du corps est même tout-à-fait manquée. […] Il paraît que son altesse royale n’a posé que pour la tête.4

Winterhalters Porträt bediente weniger ein zeitgenössisches Klischee vom Glanzbild e­ iner Prinzessin, vielmehr illustrierte er ein bürgerliches Frauenideal. Das Bildsetting erinnert an einen biedermeierlichen Damenbildtypus, wie er während Winterhalters Ausbildung in den süddeutschen Ländern und Wien en vogue war. Für jenen waren eine authentische oder zumindest weniger offensichtlich idealisierte Darstellung von Physiognomie und Körperbau sowie eine sentimentale Aufladung charakteristisch.5 Da der vergoldete, reich verzierte Trophäenrahmen keinen Zweifel an dem hohen Status der Prinzessin schürte, ging es der Kunstkritik kaum um die Möglichkeit einer Verwechslung, sondern um die Verletzung des Dekorums. Aber waren es tatsächlich die genannten Kriterien, die den eingangs zitierten Kritiker zu jener „bürgerlichen“ Beund damit Verurteilung des Porträts animierten? Und wenn ja, haben Winterhalter und der die höfische Bildnispolitik streng kontrollierende französische König Louis-Philippe nicht sogar absichtlich eine solche Darstellungsweise gewählt? Um solche Fragen beantworten zu können, ist es notwendig, zunächst das gesellschaftliche Rezeptionsklima der zu untersuchenden Zeitspanne zu sezieren und den

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Die Haare mittig gescheitelt, oben an den Kopf gekämmt und seitlich zu Stocklocken gedreht, beschreibt eine Modefrisur des Spätbiedermeier (1836–48). Die anliegenden, unterhalb der Schultern ansetzenden Ärmel und die Schneppentaille weisen die Machart des Kleides nach aktuellem Modeschnitt aus. Vgl. Reclams Mode- und Kostümlexikon, hg. v. Ingrid Loschek, Stuttgart, 6. erweiterte u. aktualisierte Auflage v. Gundula Wolter 2011 (Lex. Mode und Kostüm 2011), S. 65. 4 Anonym: Salon de 1839, in: Revue des Deux Mondes, 01.04.1839, Bd. 18, S. 254 f. 5 Vgl. beispielsweise das Porträtwerk Ferdinand Georg Waldmüllers (1793–1865).

1.  Öffentlichkeit und Rezeptionsklima

­ ieser Arbeit zugrunde liegenden Öffentlichkeitsbegriff zu entwickeln. Der Künstler d Franz Xaver Winterhalter produzierte für nahezu alle europäischen Monarchien Porträts und leistete damit innerhalb seiner fast 50 Jahre andauernden internationalen Karriere als Hofmaler für verschiedenste politische Systeme Öffentlichkeitsarbeit. Präzisiert werden muss, welche Tugend- und Geschlechterideale und welche Klassen-Identitäten die europäische Gesellschaft im 19. Jahrhundert hervorbrachte, um zu erkennen, welche Ideale Eingang fanden in seine HerrscherInnenporträts. Kommunikationsstrukturen Es waren besondere politische und sozio-kulturelle Umstände, unter denen Winterhalter während der Julimonarchie in Paris arbeitete. Höfische Kunst und vor allem höfische Porträts standen angesichts der stets präsenten Presse und nicht zuletzt der Kunstkritik im Fokus einer breiteren Öffentlichkeit als je zuvor.6 Der rasante technische Fortschritt im Informationswesen, angestoßen von zu Beginn des Jahrhunderts entwickelten Drucktechniken, verursachte im Verlauf des Jahrhunderts eine „Entfesselung der Massenkommunikation“.7 Die Tageszeitung avancierte zu dem Leitmedium schlechthin und setzte neue Maßstäbe bezüglich eines anspruchsvollen Verständnisses von Nachrichten-Aktualität. Damit einhergehend ist in der Presselandschaft ein „Visualisierungsschub“ auszumachen.8 Die Öffentlichkeit war spätestens seit den 1840er Jahren an Zeitungen mit Bild gewöhnt. Durch den Siegeszug der Lithografie gelangte das Bild des Herrschers in höherer Auflage an die Öffentlichkeit, und der politische Kommunikationsraum vergrößerte sich erheblich. Die Verbindung von Herrscher und Volk wirkt sich grundsätzlich auf das Kommunikationsverhältnis von Bildkörper und Bildadressat und damit auf die Porträtform an sich aus. Politische Porträts dienten schon immer der Machtstabilisierung und der 6

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Zur Wahrnehmung des Pressewesens als neue Großmacht im 19. Jahrhundert vgl. Jürgen Wilke: Auf dem Weg zur „Großmacht“: Die Presse im 19. Jahrhundert, in: Rainer Wimmer (Hg.): Das 19. Jahrhundert. Sprachgeschichtliche Wurzeln des heutigen Deutsch, Berlin u. New York 1991, S. 73–94, S. 73 ff.; vgl. Schoch 1975, S. 10; vgl. Dollinger 1985, S. 336 f. Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Köln et. al, 2. Auflage 2008, S. 154. Beispielsweise bewerkstelligte seit 1814 die von Friedrich Koenig und Andreas Friedrich B ­ auer entwickelte Schnellpresse das Drucken einer ganzen Zeitungsauflage innerhalb nur einer Nacht. Die Doppelzylindermaschine und die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eingesetzten ersten Rotationsdruckmaschinen steigerten die Druckkapazitäten um ein Vielfaches. Gleichzeitig ermöglichten neue Papiermaschinen eine höhere Papierproduktion und eine Vergrößerung des Blattformats. Vgl. Wilke 2008, S. 157 f. Als wichtigste Erfindung der Medienlandschaft des 19. Jahrhunderts galt die Telegrafie, die Mitte des Jahrhunderts für die Allgemeinheit freigegeben wurde, vgl. ibid., S. 160. Telegrafen- bzw. Nachrichtenbüros übermittelten die neuesten Nachrichten innerhalb Europas während nur eines Tages, vgl. ibid., S. 245. Werner Faulstich: Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter (1830–1900), Göttingen 2004, S. 125. Vgl. auch Wilke 2008, S. 306 f.

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I.  Die Tugendporträts

Sympathiebildung. Die Wahrnehmung eines Herrscherporträts ist beeinflusst von den ­subjektiven Erfahrungen, Bedürfnissen und Gefühlen des Betrachters, die von seinem jeweiligen sozialen Milieu abhängen.9 Um erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit betreiben zu können, mussten die Höfe die Leitideen und Ideale, die „mentalen Dispositionen“, kurz: den Tugendkanon ihres Volkes kennen und diesen bestenfalls auch repräsentieren.10 Doch wer war „das Volk“ im 19. Jahrhundert? Die Aufklärung veranlasste seit dem späten 17. Jahrhundert in ganz Europa sukzessive eine neue Weltordnung, zu dessen Nachwirkungen ein permanenter Wechsel von politischen Systemen und gesellschaftlichen Ordnungen bis zum Ersten Weltkrieg zählen. Im Zentrum jener aufklärerisch-liberalen Bewegung stand das Konzept einer säkularisierten Zivilgesellschaft unabhängiger mündiger Bürger.11 Meilensteine dieser Umgestaltung bildeten die Glorious Revolution (1688/89), die Französische Revolution (1789) sowie die Massenerhebungen, die seit 1830 Mitteleuropa erschütterten.12 Mit ihnen ging schrittweise ein Aufbruch aus der ständisch geordneten Welt einher, der den Grundstein für jene kapitalen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen legte, die vor allem in vielen europäischen Großstädten eine Verschiebung der politischen und kulturellen Machtverhältnisse zu Gunsten des Wirtschaftsbürgertums mit sich brachten.13 Die sich neu ordnenden Gesellschaftsstrukturen sorgten für eine veränderte Auffassung von Monarchie und Herrscherfigur seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert. Zahlreiche Gesetze und Verfassungstexte, wie im 19. Jahrhundert der Reform Act von 1832 in Großbritannien oder die neuaufgelegte charte constitutionelle von 1830 in Frankreich, bestimmten eine stärkere Bindung der Monarchen an Parlamente und Konstitutionen. Sie waren wählbar und folglich auch abwählbar geworden. Welche Folgen hatte die Flexibilisierung der Gesellschaft für die höfische Bildnispolitik? Und an welchen für das Bestehenbleiben der Höfe wichtigen Zielgruppen orien­ tierten sich die Legitimationsstrategien seinerzeit im Wesentlichen? Welche Krite­rien

  9 Zum Begriff „Symbolmilieu“ Gregor Paulsson: Die soziale Dimension der Kunst, Bern 1955, S. 24. 10 Warnke 1992, S. 27. 11 Zum Begriff der „Zivilgesellschaft“ vgl. Jürgen Kocka: Arbeiten an der Geschichte. Gesellschaftlicher Wandel im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 2011, S. 192. 12 Die Julirevolution 1830, die Februarrevolution 1848 in Frankreich, die an diese anschließenden durch Mitteleuropa ziehenden Revolutionen von 1848/49, die „erste[n] konstitutionelle[n] Gehversuche[]“ von 1860 in Österreich. Thomas Huber-Frischeis: Der lange Weg zur Demokratie. Verfassung und Parlament im Zeitalter Franz Josephs I., in: Der ewige Kaiser: Franz Joseph I. 1830–1916, hg. v. Hans Petschar, Ausstellungskatalog, Österreichische Nationalbibliothek Prunksaal Wien, Wien 2016 (Kat. Der ewige Kaiser 2016), S. 171–183, S. 171. Auch die Amerikanische Revolution und der Unabhängigkeitskrieg Ende des 18. Jahrhunderts hatten hierauf Auswirkungen. 13 Vgl. Hans-Werner Hahn u. Dieter Hein: Bürgerliche Werte um 1800. Zur Einführung, in: id.: (Hg.): Bürger­ liche Werte um 1800. Entwurf, Vermittlung, Rezeption, Köln 2005, S. 9–27, S. 9 f.

1.  Öffentlichkeit und Rezeptionsklima

wie Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Wahlberechtigung beeinflussten jene? Im ­Weiteren werden einzelne Gesellschaftsgruppen konturiert, welche die politische, von Winterhalter adressierte Öffentlichkeit bildeten. „bürgerlich“ Winterhalter wurde von zeitgenössischen Kritikern als « peintre bourgeois » oder « ­idole[] du goût bourgeois » bezeichnet.14 Dieses Etikett war in erster Linie ein negatives; dem bildkonsumierenden Salonpublikum unterstellte der Kunstkritiker gemeinhin kein besonderes Kunstwissen. Der Begriff des Bürgerlichen wurde von Zeitgenossen inflationär in Bezug auf einen bestimmten Wertekanon genutzt und hatte mit der Aufklärung eine „enorme Dynamisierung, Veränderung und Verdichtung“ erfahren.15 Darauf reagierte die Forschungsliteratur besonders im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zur höfischen Kunst des 19. Jahrhunderts mit einer ebenfalls inflationären Verwendung des Terminus. Der Topos von der Verbürgerlichung steht dort meistens synonym für einen linearen Modernisierungsprozess von der Monarchie zur Demokratie.16 Mit einem kritischen Blick auf diese Forschung soll im Folgenden der äußerst komplexe Begriff des „Bürgerlichen“ geklärt werden.17 Die dem Bürgertum zuzuordnenden 14 Winterhalter wurde auch als «  l’élégance bourgeoise personnifiée  » bezeichnet, Ernest Duvergier de Hauranne: salon de 1874, in: Revue des Deux Mondes, Bd. 3, 01.05.1874, S. 666. 15 Hahn/Hein 2005, S. 12. 16 Schoch 1975 schreibt z. B. von monarchischer Kunst, die sich nach „bürgerlichen Vorstellungen“ richten musste, um den „historischen Prozeß hinaus[zu]zögern“, dass die Monarchie schließlich unterging (S. 201). „Die hier sich andeutende ‚Verbürgerlichung‘ des Hofes beruhte nicht allein auf der willkürlichen oder modischen Übernahme bürgerlicher Ideen bei Hof. Vielmehr gewinnt der Hof im Verlauf des 18. Jahrhunderts selbst eine private Existenz.“ (S. 208, Anm. 125); Dollinger 1985; vgl. Kluxen 1989; vgl. zuweilen, allerdings reflektierter, Panter 1996, z. B. S. 105 f. Kritische Stimmen zum Topos von der Verbürgerlichung der Gesellschaft und der Monarchien im 19. Jahrhundert liefern Ute D ­ aniel: Hof­theater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995 sowie id. 2012; Paulmann 2000 (bes. S. 208 ff.); Eva Kell: Bürgertum und Hofgesellschaft. Zur Rolle „bürger­ licher Höflinge“ an kleineren deutschen Fürstenhöfen (1780–1860), in: Fehrenbach 1994, S. 187–202; Heinz Reif: Adel im 19. und 20. Jahrhundert, Oldenburg, 2. Auflage 2012; Roolfs 2005; Alexa ­Geisthövel: Restaura­tion und Vormärz 1815–1847, Paderborn 2008 (S. 167); Frank-Lothar Kroll: Zwischen europäischem Bewusstsein und nationaler Identität. Legitimationsstrategien monarchischer Eliten im Europa des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in: Hans-Christof Kraus u. Thomas Nicklas (Hg.): Geschichte der Politik. Alte und neue Wege, München 2007, S. 353–374, S. 359. Vgl. Kocka 2001, der auf seine eigene ­Frage „Das 19. Jahrhundert – ein bürgerliches Jahrhundert?“ „Mit Einschränkung: ja.“ antwortet (ibid., S. 138). Weiter heißt es zum Bürgertum: „[…] seine Ausstrahlungskraft war immer begrenzt. […] Auch wurde es nicht zur herrschenden Klasse. Der Adel blieb stark. […] Dennoch: Die Präge- und Ausstrahlungskraft des Bürgertums erwies sich als enorm. Es drückte dem 19. Jahrhundert seinen Stempel auf. […] Doch letztlich blieb es ein uneingelöstes Versprechen, ein Stück Utopie […].“ Ibid. 17 Vgl. Rainer M. Lepsius: Demokratie in Deutschland. Soziologisch-historische Konstellationsanalysen. Ausgewählte Aufsätze, Göttingen 1993, S. 289 ff. Für eine Definition von Adel vgl. Eckart C ­ onze

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I.  Die Tugendporträts

Personen stammten aus verschiedenen sozialen Verhältnissen, wiesen nicht unbedingt dieselben Bildungsstandards auf, waren keinesfalls der gleichen Konfession zugehörig und zeigten länderspezifische Unterschiede, weshalb auch die Begrifflichkeiten Bürger­ tum, middle class oder bourgeoisie nicht ohne klare Definiton synonym genutzt werden können.18 Dass innerhalb des Bürgertums und damit auch der bürgerlichen Bildnis­ industrie spätestens seit dem 18. Jahrhundert zwei diametral entgegengesetzte Geistes­ strömungen auszumachen waren – oft an die geografische Lage des Wohnsitzes in Stadt oder Provinz gekoppelt –, erschwert eine klare Definition: Teile des Bürgertums suchten die Lebens- und Repräsentationsweise des Adels und Hofes bewusst zu adaptieren, es wird gar von einer „Aristokratisierung“ oder „Feudalisierung“ des Bürgertums geschrieben;19 andere wollten sich von der „Sittenlosigkeit“ des Ancien Régime demonstrativ abgrenzen.20 Angesichts solcher Verschiedenartigkeiten spricht die Forschung von einem bürgerlichen „Wertepluralismus“.21 Um Begriffe wie „bürgerlich“ und „Bürgertum“ dennoch für die vorliegende Arbeit verwendbar zu machen, soll nachfolgend ein idealtypisches Konstrukt einer sich spätestens seit dem ausklingenden 18. Jahrhundert in ganz Europa ausbildenden bürgerlichen Kultur skizziert werden.22 Hier sei dem die Bürgertumsforschung bis heute prägenden

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u. M ­ onika Wienfort: Einleitung. Themen und Perspektiven historischer Adelsforschung zum 19. und 20. Jahrhundert, in: Eckart Conze u. Monika Wienfort (Hg.): Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 2004, S. 1–16, S. 12. Für die Schwierigkeiten, Adel zu definieren, vgl. Ewald Frie: Adel und bürgerliche Werte, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 393–414, S.  393 ff. Dies gilt ebenso für citoyen. Je nach Auslegung machte das Bürgertum nur fünf bis zwanzig Prozent der Bevölkerung Europas aus, vgl. Ralf Roth: Wirtschaftsbürger als Werteproduzenten, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 95–118 (Roth 2005a), S. 97. Zum Großbürgertum zählten Kaufleute, Fabrikanten und ­Bankiers, die Kapitalbesitzer und Unternehmer, auch Wirtschaftsbürgertum oder Besitzbürgertum genannt. Dem Bildungsbürgertum gehörten Pfarrer, Ärzte, Rechtsanwälte oder Lehrer, dem Kleinbürger­ tum Handwerker, Kleinhändler oder Gastwirte an. Vgl. Kocka 2001, S. 114. Zu den historischen Veränderungen der Begrifflichkeiten bürgerlich, bourgeois, citoyen, Zivilgesellschaft vgl. Kocka 2001, S. 129–137. Vgl. David Blackbourn: Kommentar, in: Jürgen Kocka (Hg.): Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Göttingen 1987, S. 281–287, S. 283; vgl. Daniel 1995, S. 125. Hofkritik war allerdings nie ein dem Bürgertum vorbehaltenes Feld, ganz im Gegenteil zeichneten in gleichem Maße seit der Aufklärung Adelige für hofkritische Äußerungen verantwortlich, vgl. Daniel 2012, S. 274 f. Hahn/Hein 2005, S. 21. Vgl. Jürgen Kocka: Bürgertum und Bürgerlichkeit als Probleme der deutschen Geschichte vom späten 18. zum frühen 20. Jahrhundert, in: id. (Hg.) 1987, S. 21–63, S. 42 ff.; vgl. Dietrich Rüschemeyer: Bourgeoisie, Staat und Bildungsbürgertum. Idealtypische Modelle für die vergleichende Erforschung von Bürgertum und Bürgerlichkeit, in: Kocka (Hg.) 1987, S. 101–120, der zwar an Max Webers Konzeption des Idealtyps (Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1968) anknüpft, darüber­ hinausgehend aber den Idealtyp als Theorem ergänzt, indem er schreibt, dass „Bedingungen und

1.  Öffentlichkeit und Rezeptionsklima

Ansatz von Jürgen Kocka und Rainer Lepsius gefolgt, der „Bürgertum“ erstmals nicht als Klasse oder Stand definiert, sondern vielmehr als „,Kultur‘, als ein Insgesamt von Tugenden und Verhaltensweisen, von Normen und Formen“ konstituiert.23 Wesentliche Grundlage für die Herausbildung einer solchen bürgerlichen Kultur war ursprünglich die scharfe Trennung des privaten Lebensbereichs vom öffentlichen Raum.24 Erst diese Splittung ermöglichte die Verteidigung eines geistigen Freiraums, auf den ein monarchischer Staat wenig Einfluss ausüben konnte.25 Fixpunkte wie Nation und Vaterland lösten Autoritäten wie Hof und Kirche zunehmend ab, auch die Wertevermittlung war nicht mehr unbedingt in kirchliche Lehren gefügt. Die Egalität aller Menschen war das wichtigste Credo dieser Bewegung. Das Individuum sollte seinen Status idealerweise nicht mehr seiner Geburt, sondern der Nutzung des eigenen Verstandes und somit der eigenen Leistung verdanken. Zumindest auf diskursiver Ebene emanzipierte sich ein neues Modell der Lebensführung.26 Innerhalb der die bürgerlichen Tugenden im 19. Jahrhundert besonders charakterisierenden Neuheiten ist eine enorme Emotionalisierung und damit markante Aufwertung von zwischenmenschlichen Beziehungen hervorzuheben.27 Eine tragende Säule innerhalb einer solchen bürgerlichen Kultur bildete ein patriarchalisches Verständnis von Ehe und Familie, welches durch emotionale Beziehungen gepflegt und, „in Absetzung

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­ onsequenzen in einer Weise, die keineswegs die Realität widerspiegelt, die aber in höchstem Maß für K die Wirklichkeitsanalyse interessant wird, als die realen Bedingungen sich den Annahmen des Modells annähern.“ Rüschemeyer 1987, S. 101 ff. u. Anm. 1. Die vorliegende Untersuchung folgt diesem Ansatz. Thomas Nipperdey: Kommentar: „Bürgerlich“ als Kultur, in: Kocka (Hg.) 1987, S. 143–148, S. 143 f., hier: S. 143. Auch als Bielefelder Schule bekannt. Jürgen Kockas These wird kontrovers diskutiert, doch auch von jüngsten Forschungen als plausibelstes und universal geltendes Konzept anerkannt. Auch inter­national wird mit der Definition Kockas gearbeitet vgl. Jerrold Seigel: Modernity and Bourgeois Life. Society, Politics, and Culture in England, France, and Germany since 1750, Cambridge 2012. Vgl. für eine allgemeine Einführung in die Bürgertumsforschung den Sammelband Bürgerliche Werte um 1800 (Hahn/Hein 2005 (Hg.), bes. S. 9–27), der auch die deutsche Bürgertumsforschung der 1980er und 90er Jahre kritisch beleuchtet. Rebekka Habermas kritisiert, dass viele Definitionsversuche von „Bürger­tum“ sich als zu eng erweisen, um allgemein zuzutreffen. Sie führt den Begriff der „Erfahrung“ ein, der den der Kultur ersetzen soll und sich auf Praktiken und nicht auf die Auswertung von normativen Textquellen oder Egodokumenten stützt. Vgl. id: Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familien­geschichte (1750–1850), Göttingen 2000, S. 8 ff. Claudia Opitz-Belakhal: Geschlechtergeschichte, Frankfurt am Main 2010, konstatiert, dass „die Reichweite des public-private-Konzepts“ heute in der gender-Forschung vielfach angezweifelt wird, id. 2010, S. 98. Vgl. Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main, mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990, S. 142 f. Zum Modell der Lebensführung vgl. Andreas Gestrich: Familiale Werteerziehung im deutschen Bürgertum um 1800, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 121–140, S. 121 ff. Katja Deinhardt u. Julia Frindte: Ehe, Familie und Geschlecht, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 253–272, S.  261 f.

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zu Wirtschaft und Politik“, nicht von Zweckhaftigkeit oder Konkurrenzgedanken gestört werden sollte.28 Sowohl eine auf „wahrer“ Liebe fußende Ehe als auch eine ver­traute Eltern-­Kind-Beziehung wurden spätestens ab Ende des 18. Jahrhunderts als ­Garant für häusliches Glück stilisiert, und solche Familienidylle geriet zum Ziel eines idealen Lebens­entwurfs.29 Besonders der Erziehungs- und damit einhergehend auch der Vorbildgedanke, nicht nur Kindern, sondern auch der Gesellschaft gegenüber, rückte in den Mittelpunkt des bürgerlichen Alltags. Ein Forum, um die eigene gesellschaftliche Geltung durch Kommunikation und öffentliche (Selbst-)Reflexion zu kultivieren, boten Lesegesellschaften und Salons, die im 19. Jahrhundert noch Hochkonjunktur hatten und spätestens seit dem 18. Jahrhundert zur Institutionalisierung einer kritischen Öffentlichkeit beitrugen. Seiner­zeit als „bürgerlich“ bezeichnete Werte wie Redlichkeit, Mäßigkeit und Anstand waren von dieser Möglichkeit öffentlicher (Selbst-)Beobachtung und Kontrolle geprägt. Besonders bezeichnend für das europäische Bürgertum waren das Streben nach sozialem Ansehen, nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit wie etwa politischem Einfluss, ebenso wie Respekt vor der Wissenschaft und der hohe Stellenwert, der Bildung beigemessen wurde.30 Die politischen und gesellschaftlichen Egalitätsansprüche, der Wille zu Gleichberechtigung, bezogen sich auf die eigene Klasse; von der Arbeiterklasse, und bisweilen von der Aristokratie, wollte man sich abgrenzen.31 Vielmehr wurden Ansprüche formuliert, den anderen Klassen vorbildhaft voranzuschreiten.32 Der Historiker Ewald Frie warnt daher: „Wer für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts nach der Verbürgerlichung

28 Kocka 1987, S. 43 f. 29 Ein solches Leitbild entsprang vor allem der aufklärungskritischen Strömung der Romantik, vgl. Andreas Gestrich: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, München, 3. Auflage 2013, S. 5. In der Praxis ist zu konstatieren, dass Eheschließungen nach wie vor „nach dem Prinzip des taktischen Aus­tarierens von sozialen, emotionalen und ökonomischen Interessen aller an der Heirat beteiligten Familien­angehörigen“ geschlossen wurden, Habermas 2000, S. 399. 30 Zum Begriff „neues Bürgertum“ vgl. Gunilla Budde: Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Darmstadt 2009, S. 8; zur Charakterisierung des Bürgertums vgl. Hahn/Hein 2005, S. 22; zu den Inhalten einer ideal-bürgerlichen Bildung vgl. Michael Maurer: Bildung, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 227–237. 31 In Deutschland übte die bürgerliche Klasse weniger Einfluss auf die Gesellschaft aus als beispielsweise in England und Frankreich, vgl. Kocka 2001, S. 128. 32 Paulmann formuliert die These, dass „Bürgerlichkeit im Kontext der Hofgeschichte an der Epochenwende zum 19. Jahrhundert eine doppelte Projektion darstellte. Einerseits schrieben Aufklärer […] den Monarchen ständeübergreifende, als ‚bürgerlich‘ bezeichnende Tugenden und Verhaltensweisen zu und erhoben damit Forderungen nach politischer und gesellschaftlicher Reform. Andererseits wandte sich die dynastische Repräsentation in veränderten Formen, keineswegs zufällig, an ein sozial jenseits der aristokratischen Hofgesellschaft liegendes, bürgerliches Publikum.“ Id. 2000, S. 209.

1.  Öffentlichkeit und Rezeptionsklima

des Adels fragt, begibt sich in gefährliche Nähe zur zeitgenössischen bürgerlichen Selbstbeschreibung.“33 Es wird deutlich, so fasst Ute Daniel zusammen, wie „[erkenntnisverstellend] die Verwendung des Topos von der Verbürgerlichung“ sein kann.34 Das „neue“ Bürgertum ist keinesfalls mit nur einem einzigen, schon gar nicht einem rein modernen Stempel zu versehen: Mental war es ebenso oft konservativ und traditionsorientiert, durchaus nicht immer hofkritisch eingestellt, auf wirtschaftlicher und technisch-industrieller E ­ bene setzte das Bürgertum viele maßgebliche Impulse für Modernisierungen.35 Insofern liefert das Bürgertum kein klares Leitbild, an dem sich die höfische Bildnispolitik hätte orien­ tieren müssen. Passives Frauenideal der (Post-)Aufklärung – Klischee oder Realität? Innerhalb der sich neu ordnenden Gesellschaft wurden die Geschlechter differenziert betrachtet. Das historisch-traditionell tugendhafte Frauenbild wurde nicht nur verstetigt, sondern um die Fähigkeit rationalen Denkvermögens und Gelehrtheit gekürzt. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wandelte sich das „Ideal der ‚vernünftigen Frau‘ zu dem der empfindsam-tugendhaften und passiven […]. Gelehrsamkeit galt nun plötzlich als Widerspruch zur ‚schönen Weiblichkeit‘.“36 In psychologisch, medizinisch und naturwissenschaftlich-anthropologisch argumentierenden Diskursen war ab Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkt von Konzepten zu lesen, die den Geschlechtern diametral entgegengesetzte Attribute, Aufgaben, Rollen und Denk- und Verhaltensmuster zuwiesen und diese als naturgegeben ausgaben.37 Der weiblichen Bevölkerung ordneten solche 33 Frie 2005, S. 414. Vgl. auch Kocka 2001, S. 123. 34 Daniel 2012, S. 274. 35 Monarchien waren die führende Staatsform und selbst die meisten Kritiker forderten selten ihre Abschaffung, sondern meistens eine Modifizierung. Hahn/Hein 2005, S. 18, konstatieren, dass „die ­Grenze zwischen traditionellen und modernen Werteorientierungen weit schwerer zu bestimmen ist, als die gängige Betonung der Neuheit bürgerlicher Wertebildung deutlich werden lässt.“ Nipperdeys Äußerungen scheinen deshalb zu einseitig: Bezogen auf die Beziehung zwischen Betrachter und Kunstwelt und die Beurteilung von Kunstwerken stellt er fest, dass jene „an die bürgerlichen Normen der Weltdeutung und der Moral gebunden“ war, die das „Kunstwürdige“, das „Akzeptable“, das „Tabuisierte“ festlegten. Er erkennt eine „Dominanz von Traditionalismus“ innerhalb des (bürgerlichen) Kunstpublikums, Thomas Nipperdey: Wie das Bürgertum die Moderne fand, Berlin, Lizenzausgabe 1998, S. 46 f. 36 Sylvia Paletschek: Adelige und bürgerliche Frauen (1770–1870), in: Fehrenbach 1994, S. 159–185, S. 162. 37 Vgl. Esther Suzanne Pabst: Die Erfindung der weiblichen Tugend. Kulturelle Sinngebung und Selbstreflexion im französischen Briefroman des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007, S. 12; vgl. Thomas Laqueurs Studie Auf den Leib geschrieben, die den wissenschaftlich-biologischen Forschungsweg der Beschaffenheit und des Unterschieds der Geschlechter nachzeichnet. Seit dem späten 18. Jahrhundert dominiere das so genannte „Ein-Geschlechter-Modell“ das „Zwei-Geschlechter-Modell“, die Geschlechter­ bilder des 19. Jahrhunderts seien „ideologisch aufgeladene soziale Konstrukte“. Vgl. Thomas Laqueur: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt am

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Modelle ein Ideal von Tugendhaftigkeit, Passivität und Emotionalität und über diese hinaus den häuslichen Radius zu, dem Mann Stärken in Bereichen der Ratio und Kultur ebenso wie den Komplex des öffentlichen Lebens.38 Damit wurde gleichzeitig eventuelle Begabung für die dem jeweils anderen Geschlecht zugeschriebenen Aufgabenkreise nahe­zu ausgeschlossen. Der Geschlechter-Diskurs war grundsätzlich nichts Neues. Es gab seit der ­Antike Auseinandersetzungen über Tugendhaftigkeit, Unterschiede und Rangordnung von Mann und Frau; unter dem Schlagwort Querelle des Femmes sind europaweit Debatten seit der Renaissance bis ins 18. Jahrhundert hinein geführt worden.39 Mit der Christianisierung wurden die Tugenden Mariä den Frauen Vorbild. Doch einmalig ist seit um 1800 die Intensität, mit der die speziell weiblichen und männlichen Eigenschaften medial aufbereitet wurden, und vor allem die Konsequenz und der universale Anspruch, mit dem die praktische Umsetzung jener Ideale und Begrenzungen gefordert wurde. Hier liegt der wesentliche Unterschied zu den vorherigen Jahrhunderten, in denen die „Diskurse[] der

Main 1996, S. 177 u. S. 42. Seine Studie zur Körpergeschichte wird zwar oft als zu einschichtig kritisiert; sein Verdienst aber bleibe es, so Opitz-Belakhal, „die Historizität der Idee von der ‚natürlichen Zwei­ geschlechtlichkeit des Menschen‘“ beschrieben zu haben (vgl. id. 2010, S. 47 ff.). Zu „Geschlecht als soziale[m] Konstrukt“ im 19. Jahrhundert vgl. Kocka 2001, S. 105–113, hier: S. 112. 38 Für eine kritische Zusammenfassung der Forschungslandschaft zum Themengebiet „Öffentlichkeit und Weiblichkeit“ im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Ulrike Weckel: Zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften im späten 18. Jahrhundert und ihr Publikum, Tübingen 1998, S. 1–13; für eine Zusammenfassung der englischsprachigen Forschung zum Thema vgl. Aruna D’Souza u. Tom McDonough: Introduction, in: id. (Hg.): The invisible flâneuse? Gender, public space, and visual culture in nineteenth-century, Paris u. Manchester 2006, S. 1–17, S. 2–11. Vgl. auch die Zusammenfassung der Debatte zum öffentlichen und privaten Bereich in der gender-Forschung bei Opitz-Belakhan 2010, Kap. 6. 39 Querelle des femmes wird „ein umfassender [europaweiter] Geschlechterstreit“ genannt, der von Männern und Frauen geführt wurde. Die zeitliche Eingrenzung differiert zwischen dem Ende des Mittel­ alters und dem 19. Jahrhundert. „Gestritten wurde hier [in Wort und Bild] um männliche und weibliche Tugenden, Fähigkeiten oder auch Laster und Fehler, um Geschlechterhierarchien, um die Ehe, um die weibliche Bildungs- oder Herrschaftsfähigkeit sowie darum, ob die männliche Behandlung des weiblichen Geschlechts […] angemessen oder […] verfehlt sei.“ Opitz-Belakhal 2010, S. 130 f.; vgl. auch Margarete Zimmermann: Vom Streit der Geschlechter. Die französische und italienische ­Querelle des Femmes des 15. bis 17. Jahrhunderts, in: Die Galerie der starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salon­damen, Ausstellungskatalog, hg. v. Bettina Baumgärtel u. Silvia Neysters, Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof u. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, München 1995 (Kat. Galerie der starken Frauen 1995), S. 14–33. Diese basierten wiederum auf Abhandlungen, die schon aus der Antike überliefert waren, bspw. Aristoteles’ Konzept von der biologisch begründeten Unterlegenheit der schwachen Frau, vgl. Laqueur 1996, S. 42 ff. Im Gegensatz dazu wurde von René Descartes (1596–1650) ein Diskurs über tatsächliche Geschlechtergleichheit geführt: «  L’esprit n’a point de sexe.  », zitiert nach Opitz-Belakhal 2010, S. 49. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts „favorisierten die Moralischen Wochenschriften das Bild der gelehrten, aufgeklärten, vernünftigen Frau.“ Paletschek 1994, S. 162.

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Theologie, des Rechts, der Medizin und Naturphilosophie“ zwar eine Unterordnung von Frauen festlegten, allerdings einzelne Neigungen oder Begabungen von Frauen nicht kategorisch ausschlossen und auch weniger gender-spezifische Eigenschaften und Handlungsräume anboten.40 Die geschlechtsdualistisch konzipierten Stereotype fanden schnell Einzug in nahezu alle Gesellschaftsschichten in Form von Etikettebüchern, Zeitschriften und Romanen, in denen nuancierte Lebensentwürfe „zur individuellen Reflexion über [die eigenen] Werte herausforderten.“41 Wochenblätter informierten ab um 1800 so häufig und intensiv wie nie zuvor über das Verhältnis von Mann und Frau, die Ehe, Familienwerte oder Erziehungsfragen.42 Romane suchten durch die „Konfrontation von Tugend und Laster sitt­ liche Wirkung zu erzielen.“43 Die Porträtlandschaft offenbart jene personifizierte Tugend auch in der visuellen Praxis.44 Bildnisse zeigen Bürgerliche, Landadelige und Damen aus dem höfischen Milieu als tugendhafte Gefährtin, liebende Mutter oder sogar stillend, damit dem neuesten Trend folgend.45 Tonangebend waren sowohl Bürgerliche als auch

40 Stollberg-Rilinger 2016, S. 247. Die Begründung für diese Unterordnung findet ihren Ursprung in der „schöpfungsgeschichtlichen Zweitrangigkeit Evas“ und deren „Rolle beim Sündenfalls Adams“, vgl. Wunder 1997, S. 32. 41 Hahn/Hein 2005, S. 19; vor allem in Briefromanen der Zeit thematisieren weibliche Protagonisten „die weibliche Tugend als neue Verhaltensnorm für die Frau“. Pabst 2007, S. 7. Fehrenbach konstatiert für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts eine „Verbürgerlichung des Frauenbildes“, für die zweite Hälfte eine gegenteilige Entwicklung, eine „Aristokratisierung bürgerlichen Frauenlebens“, id. 1994, S. 166 u. S. 183. Für eine eingehende Analyse von Benimmratgebern im späten 19. Jahrhundert und deren Rezeption vgl. Karin Schrott: Das normative Korsett: Reglementierungen für Frauen in Gesellschaft und Öffent­lich­keit in der deutschsprachigen Anstands- und Benimmliteratur zwischen 1871 und 1914, Würzburg 2005. 42 Zum Journal des Luxus und der Moden vgl. Werner Greiling: Zeitschriften und Verlage bei der Vermittlung bürgerlicher Werte, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 211–224, S. 222. Zur Geschichte der Debatte über Un-/Gleichheit zwischen Mann und Frau sowie der Ehe vgl. Deinhardt/Frindte 2005, S. 255–259. 43 Das bürgerliche Trauerspiel leitete die weibliche Belegung des Begriffs „Tugend“ und deren Verbindung mit dem Bürgertum ein. Die Protagonisten waren fast immer junge Frauen, die durch Bestrafung des Lasters und Belohnung der Tugend lernen sollten, vgl. Karl S. Guthke: Das deutsche bürgerlichhe Trauer­spiel, Heidelberg, 6. Auflage 2006, S. 61. Ähnliches ist bis heute im Horrorfilmgenre zu beobachten: Meistens überleben diejenigen Mädchen und Frauen, die sich am tugendhaftesten verhalten haben. 44 Eine große Auswahl jene Tugenden illustrierender Porträts bietet der Katalog Als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren. Die Sicht der Frau in der Zeit der Aufklärung und des Biedermeier, hg. v. Hildegard Westhoff-Krummacher, Ausstellungskatalog, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1995 (Kat. Sanft und engelsgleich 1995). 45 Die Arbeiterschicht teilte nicht unbedingt dieselben Tugendideale und Frauenbilder: Oft arbeiteten beide Elternteile, und auch die Männer waren bis zur Einführung des allg. Männerwahlrechts vom politischen Leben oft ausgeschlossen. Vgl. Geisthövel 2008, S. 72. Kaiserin Elisabeth durfte beispielsweise nicht stillen; die strenge Fortführung des Hofzeremoniells verlangte traditionell das Stillenlassen durch eine Amme, vgl. Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München, 3. Auflage 1990, S. 125.

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­ dlige. Erstmalig machten im 19. Jahrhundert Frauen nahezu die Hälfte aller sich an den A Debatten beteiligenden Personen aus.46 Dass solche theoretischen idealen „Konzept[e] zur Verhaltensorientierung und -regulierung von Frauen“ und Männern auch noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bestand hatten, ist in Konversationslexika zu lesen.47 Ein Auszug aus der Allgemeinen Deutschen Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände informierte 1852 noch immer: Frauen seien „die Repräsentanten der Sitte, der Liebe, der Scham, des unmittel­ baren ­Gefühls, wie die Männer die Repräsentanten des Gesetzes, der Pflicht, der Ehre und des Gedankens.“48 Seit dem späten 18. Jahrhundert verstetigte sich die Annahme von Tugendhaftigkeit als bürgerlicher, in jedem Fall aber weiblicher Eigenschaft.49 Die Differenz zwischen propagiertem Ideal und gelebter Praxis war jedoch groß. Dass es sich bei den oben skizzierten Inhalten keinesfalls um historische Realität handelt, sondern lediglich um ein in aufklärerischen Texten massiv vorangetriebenes, idealtypisches Konzept von einflussloser Weiblichkeit, verdeutlichen die Ergebnisse ­jüngster mikro­historischer Aufklärungs- und Bürgertumsforschungen, die auch eine wesentlich komplexere Verschränkung der Bereiche von Männern und Frauen für das 18. und 19. Jahrhundert aufzeigen als viele ältere, der Sphärentrennung-Theorie folgende Forschungsansätze.50 Die sogenannte „Sphärentheorie“ verficht eine scharfe Trennung von weiblicher und männlicher Sphäre, den Dichotomien Frau – privat, Mann – öffentlich

46 Z. B. Wilhelm von Humboldt, Johann Friedrich Campe und Sophie von La Roche, vgl. Paletschek 1994, S. 163. Vgl. Gisela Bock: Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000, S. 122. Dass so viele Frauen mitdebattierten, hatte vorrangig damit zu tun, dass ­diverse Zeitschriften von ihnen herausgegeben wurden. 47 Pabst 2007, S. 7. 48 Allgemeine Deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon, hg. v. Brockhaus Leipzig, 15 Bde., Bd. 6, Leipzig, 10. Auflage 1852 (Lex. Real-Encyklopädie 1852), s. v. „Frauen“, S. 322–325, S. 322. 49 Zur Etymologie und Begriffsgeschichte der „vertu“ vgl. unter der Überschrift Feminisierung der „vertu“ Pabst 2007, S. 25 ff. Bereits 1619 wurden die „Tugendliche Gesellschaft“, der Damenorden „Sklavinnen der Tugend“ und der Kreuzsternorden gegründet. 50 Für neue Forschungsansätze, die sich davon lösen, „die breitangelegten, vielstimmigen und mitunter widersprüchlichen Debatten der Aufklärungszeit allzu sehr auf ihr Ergebnis zu reduzieren“ und eine „starre Dichotomie von Gleichheit versus Differenz“ aufzubrechen suchen, Claudia Opitz: Mutter­schaft und weibliche (Un-)Gleichheit in der Aufklärung. Ein kritischer Blick auf die Forschung, in: id., U ­ lrike Weckel u. Elke Kleinau (Hg.): Tugend, Vernunft und Gefühl. Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten, Münster 2000, S. 85–106, S. 1; Anne-Charlott Trepp: Sanfte Männlichkeit und selbstständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum zwischen 1770 und 1840, Göttingen 1996; vgl. Habermas 2000; vgl. Deinhardt/Frindte 2005, S. 257 ff.; für eine Zusammenfassung älterer Forschungsansätze vgl. Gestrich 2013, S. 101 ff. Vgl. auch The Lisa Unger Baskin ­Collection, die aufzeigt, dass Frauen seit Jahrhunderten in sogenannten Männerberufen arbeiten, Naomi Nelson, Lauren Reno u. Lisa Unger Baskin (Hg.): Five Hundred Years of Women’s Work, Durham 2019.

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folgend, welche seinerzeit auch auf die Politik als rationalem Handlungsfeld übertragen wurden. Die Herrscherin erweist sich als Forschungsgegenstand, der solchen Schemata kaum unterworfen werden kann: Sie ist sowohl Frau als auch Person öffentlichen Lebens. Darüber hinaus sollen in Bezug auf Winterhalters Porträts solche Forschungsergebnisse einbezogen werden, die Emotionen, als „Mittel bestimmte Inhalte zu verankern“, wesent­ lichen Einfluss auf politische Handlungen und die Rezeption von Politik zuschreiben, und zwar unabhängig vom Geschlecht.51 Nach heutigem Forschungsstand ist Kognition nicht als rational und Emotion nicht als irrational zu charakterisieren.52 Zahlreiche Text- und Bildquellen zeugen davon, dass das Ausstellungspublikum im 19. Jahrhundert, und auch die Gesellschaft des öffentlichen Lebens auf den Boulevards oder in den Parks beispielsweise des Second Empire, zur Hälfte aus Frauen bestand.53 Gesellschaftlich einflussreiche Frauen hatten wesentlichen Anteil am öffentlichen Leben, gesellige und gelehrte Zirkel wurden oft von ihnen geführt. Arbeiterinnen waren wichtiger Part des Erwerbslebens. Frauen waren demnach keinesfalls nur passiver Teil des häuslichen Radius’. Auf der anderen Seite waren Männer allein durch ihre patriarchalisch interpretierte Stellung innerhalb der Familie wesentlicher Part des häuslichen Lebens. Und auch das Verhalten der Männer unterlag jenen moralischen Gesetzten und Tugendkatalogen, die die Gesellschaften Europas nach der Aufklärung ordneten. Folglich waren die weiblichen Betrachter wichtiger Bestandteil jener Folie, die der höfischen Bildnispolitik als Kompassnadel diente; und zwar, obwohl Frauen europaweit per Verfassung von Verwaltung, Wahlrecht und vielen anderen Rechten ausgeschlossen waren und jenen oben skizzierten Tugendidealen in Bild und Wort vielerorts gerecht wurden.54 Winterhalters monarchische Porträtprogramme orientierten sich ­ immer 51 Vgl. Birgit Aschmann: Vom Nutzen und Nachteil der Emotionen in der Geschichte, in: id. (Hg.) 2005, S. 9–32, hier: S. 30. Sie zeichnet nach, dass und wie Emotion ein „zentrales Puzzleteil [des mensch­ lichen Wesens]“ ist, „ohne welches das Gesamtbild vom handelnden […] Menschen in seiner jeweiligen Zeit unvollständig bleibt.“ (S. 11), dies anhand von Erkenntnissen aus den Bereichen Emotionsforschung, Psychologie, Hirnforschung und Soziologie. 52 Vgl. Haider 2005, S. 33–45, bes. S. 44, deren Ergebnisse der „Kognition die Vorherrschaft gegenüber der Emotion“ entziehen (S. 35). 53 Vgl. Andrée Sfeir-Semler: Die Maler am Pariser Salon 1791–1880, Frankfurt u. New York 1992, S. 48 ff.; vgl. Greg Thomas: Women in Public: the Display of Femininity in the Parks of Paris, in: D’Souza/­ McDonough (Hg.) 2006, S. 32–48, S. 37 ff. Dieses wird in Kap. III. Die Modeporträts vertieft. 54 In England wurde das Wahlrecht für Frauen 1928, in Frankreich 1944 und in Deutschland 1918 eingeführt, vgl. Bock 2000, S. 202 f.; vgl. Opitz-Belakhan 2010, S. 104 f. Einen kritischen Blick auf die Forschungslandschaft zum Zwei-Geschlechter-Modell und neue Ergebnisse, etwa, dass adelige und einflussreiche bürgerliche Frauen wesentlich zu wissenschaftlichen Revolutionen, zur Aufklärungs­ bewegung und damit auch zur Festschreibung jener Geschlechterideale beigetragen haben, liefert Opitz-Belakhan 2010, S. 47 ff.; vgl. auch Pabst 2007, S. 19 ff. Stollberg-Rilinger 2016 skizziert, dass ­Frauen in der Frühen Neuzeit, wie klassenbedingt auch viele Männer, zwar nicht die gleichen Rechte,

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­ ieder – so eine These der vorliegenden Arbeit – an jenem „Symbolmilieu“ einer pow litischen Öffentlichkeit, die aus Männern und Frauen bestand.55 Deshalb werden die ­Begriffe Betrachter und Betrachterin in der vorliegenden Arbeit synonym verwendet.56 Öffentlichkeit und Kunstkritik Frauen wie Männer, Herrschende, Aristokraten, Bürgerliche und Angehörige der Arbeiterschicht flanierten im 19. Jahrhundert durch Institutionen wie die britische R ­ oyal Academy, den französischen salon oder die seit 1851 stattfindenden Weltausstellungen, die seinerzeit tonangebenden Institutionen für Unterhaltung und Freizeitvergnügen schlechthin.57 Der Salon galt als Ort, an dem sich alle sozialen Schichten mengten und trafen.58 Tage mit kostenlosem Eintritt sorgten dafür, dass aus ihm eine „Massenattraktion“ wurde.59 Das Ausstellungspublikum kann snonym stehen für die breitest mögliche politische Öffentlichkeit, verstanden als „zentrale Kategorie aufklärerischen Denkens und legitimierende Instanz in politischen, moralischen und ästhetischen Fragen“, für die Winterhalter seine Werke konzipierte.60 Davon ausgehend, dass jede politische Handlung ­eine Kommunikationsform darstellt, in der „[e]inzelne und Gruppen von Akteuren als Organisatoren, Protagonisten und Publikum an der Herrschaftsdarstellung mitwirken“,

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aber wesentlich mehr Einfluss hatten als von der älteren Forschung propagiert („Die Geschlechterdifferenz war nur eine unter vielen […].“, S. 247). Seit dem Mittelalter hatte eine „zunehmende Formalisierung, das heißt schriftliche Fixierung, Positivierung und Organisationsförmigkeit von Herrschaft […] tendenziell auch den zunehmenden Ausschluss von Frauen zur Folge.“ Ibid., S. 251. Erst im 19. Jahrhundert aber entstand mit der Einführung der „allgemeinen staatsbürgerlichen Gleichheit der Männer“ eine „kategoriale“ Geschlechterungleichheit, ibid. 2016, S. 247. Vgl. auch Kocka 2001, S. 113. Torgny T. Segerstedt prägte den Terminus „Symbolmilieu“ 1938 für die Soziologie. Paulsson führte 1955 in seinem Buch Die soziale Dimension der Kunst aus: „Segerstedt will nun mit dem Begriff Symbol­ milieu die Tatsache bezeichnen, dass Angehörige einer Gruppe die Wirklichkeit auf übereinstimmende ­Weise sehen. Ihre Einstellung, ihre Handlungsbereitschaft, ihr Gefühlston und ihre wirklich voll­ zogenen Handlungen weben einen Schleier ähnlicher Farbe und Feinheit über der Wirklichkeit, die den ­gleichen Sinn für diese Individuen annimmt.“ Paulsson 1955, S. 23 ff.; vgl. zum Konzept des Symbol­millieus auch Bernd Roeck: Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit, Göttingen 2004, S. 70 ff. Vgl. Fußnote * als erste des vorliegenden Textes; vgl. Meinunger 2017, S. 93–100. Vgl. hierzu bes. die in Kap. II. 1. unternommene Analyse der von The London Illustrated News begleiteten Herrscherbegegnung von Kaiser Napoléon III. und Königin Victoria in Paris. Vgl. Sfeir-Semler 1992, S. 48 f. Ibid., S. 26. Der Kunstkritiker Jules Janin berichtet, dass die Salonaussteller, die eventuellen Prämierungen und andere Gerüchte Gegenstand der gesellschaftlichen Gespräche waren. Man bereitete sich auf den Salonbesuch vor: Der Schneider wurde konsultiert, die Klatschspalten wurden in den Gazetten gelesen, vgl. Sfeir-Semler 1992, S. 47. Eva Kernbauer: Der Platz des Publikums. Modell für Kunstöffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Göttingen 2011, S. 7.

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k­ onnte jeder Bildkonsument durch öffentliche Ablehnung oder Zustimmung und Begeisterung an der Legitimation und Konsolidierung von Herrschaft teilhaben.61 So viel sei vorweggenommen: Vor Winterhalters Porträts drängelten sich gern die Massen. Stollberg-Rilinger vermerkt, für die Anerkennung eines politischen Systems komme es in erster Linie auf „den äußeren Vollzug“ an: „Die allgemein sichtbare Teilnahme [an öffentlichen symbolisch-rituellen Akten] machte die Anwesenden wechselseitig zu Augenzeugen ihres Glaubens an diese Ordnung. […] Anwesenheit bedeutete Akzeptanz.“62 Solche Prozesse von Herrschaftsanerkennung sind auf den Akt der Bildbetrachtung übertragbar. Durch das kollektive und begeisterte Rezipieren höfischer Porträts können sowohl die dahinterstehende Institution, als auch der Dargestellte als politische Machthaber anerkannt werden. Seitenhiebe der Kunstkritik sollten dahingegen stets auf ihre politische Motivation hin geprüft werden. Das HerrscherInnenporträt ist Gegenstand „politischen Handelns“;63 der Akt der Bildbetrachtung wird zum „Vollzug von Politik“.64 Angelehnt an Stollberg-Rilingers Ausführungen lässt sich folgende Prämisse formulieren: Enthusiastischer Bildkonsum bedeutet politische Akzeptanz. Dass Winterhalter seine Porträts an der zu erwartenden Betrachterin genau auszutarieren wusste, wird anhand der folgenden Fallbeispiele in Kap. I. 2.–7. zu zeigen sein; das politische Gegenüber blickte bisweilen auf andere Porträts oder Formate als die breite Medienöffentlichkeit oder monarchische Netzwerke. Mit der Annahme, dass auch nicht wahlberechtigte Schichten und vor allem Frauen der gebildeten und e­influssreichen

61 Alexa Geisthövel: Wilhelm I. am „historischen Eckfenster“: Zur Sichtbarkeit des Monarchen in der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Andres/Geisthövel/Schwengelbeck (Hg.) 2005, S. 163–186, S. 165. Dass feudale Autorität bereits in der Frühen Neuzeit einer Kommunikation mit dem und einer Bestätigung durch das Volk bedurfte, legen Hendrik Ziegler und Martin Wrede für die Frühe Neuzeit und ­Andreas Gestrich für das frühe 18. Jahrhundert überzeugend dar, Jürgen Habermas’ Ansatz einer „repräsentativen Öffentlichkeit“, des „Volk[es] als Kulisse“ (id. 1990, S. 17) kritisch diskutierend. Vgl. ­Hendrik Ziegler: Der Sonnenkönig und seine Feinde: Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik, Peters­berg 2010, S. 14 ff.; vgl. Gestrich 1994, S. 28 ff.; vgl. Wrede 2004, S. 54 ff. Vgl. auch Paulmann, der konstatiert, „dass die Kommunikation in der Frühen Neuzeit weder durch reine Propaganda im Sinne zynischer Manipulation von Seiten der Machthaber noch durch unkritische Gläubigkeit bei den Empfängern der Signale gekennzeichnet war, sondern dass die repräsentative Öffentlichkeit vielmehr stark von symbolischem Handeln bestimmt war, in dessen Rahmen Zustimmung, Widerspruch oder Missachtung ebenso möglich waren, wie im Fall von rein verbaler Verständigung.“ Id. 2000, S. 52. 62 Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des A ­ lten Reiches, München 2008, S. 11. Wichtig ist für Stollberg-Rilinger dabei tatsächlich nur die äußerlich sichtbare Anwesenheit, „auf die innere Einstellung [kam es] nicht an.“ Diese entzöge sich der Nachprüfbarkeit. 63 Hans-Georg Soeffner u. Dirk Tänzler: Einleitung, in: id. (Hg.) 2002, S. 7–16 (Soeffner/Tänzler 2002a), S. 8. 64 „Inszenierung, Ritual und Zeremoniell [sind] kulturell anerkannter, erwarteter und insofern notwendiger Vollzug von Politik.“ Braungart 2012, S. 161.

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­ esellschaftsteile zu Zeiten Winterhalters im Sinne der öffentlichen Kommunikation unG bedingt als Part der politischen Öffentlichkeit und damit der öffentlichen Meinung einzuordnen sind, distanziert sich der vorliegende Öffentlichkeitsbegriff von älteren Forschungsansätzen einer männlichen bürgerlichen Öffentlichkeit.65 Die politische Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert kommentierte und prägte maßgeblich die Figur des Kunstkritikers.66 Die zu Winterhalters Lebzeiten oft zensierte Kunst­ kritik argumentierte bisweilen aus bürgerlicher, doch meist aus antibürgerlicher und anti­aristokratischer Perspektive. Damit folgte sie einer Tradition, wie sie mit dem Humanismus und der Aufklärung durch gesellschaftskritische Moralisten besonders die höfische Lebensart kritisierte. Bürgertum, Adel und Hof galten in diesem Fall als eine konser­ pfer vative Gruppe.67 Besonders die Urteilskraft des Salonpublikums wurde oft genug O beißenden Spottes der Kritiker. Meistens bejubelte es Kunstwerke, die von Kritikern verrissen wurden; es scheint, als ob Beliebtheit bei den Salonbesuchern zu e­ inem ­festen Negativ-­Kriterium der Beurteilung von Kunstwerken durch die Kunstkritik w ­ urde.68 Besonders anschaulich wird diese „romantische[] Publikumsbeschimpfung“ in den Salon-Kommentaren Charles Baudelaires.69 Zentral für Baudelaires Begegnung mit ­Politik über Kunst ist ein wertend-emotionaler Zugriff.70 Er wirft dem Volk ­oberfläch­lichen und 65 Wie ursprünglich in Jürgen Habermas’ Ansatz einer „bürgerlichen Öffentlichkeit“, id. 1990, S. 161 ff. In dem Vorwort zur Neuauflage von 1990 revidiert Habermas vorsichtig selbst: „Wenn die moderne Öffentlichkeit verschiedene Arenen für einen über Druckerzeugnisse, also Bildung, Information und Unterhaltung vermittelten, mehr oder weniger diskursiv ausgetragenen Meinungsstreit umfaßt, in denen nicht nur verschiedene Parteien von locker assoziierten Privatleuten miteinander konkurrieren, sondern von Anfang an ein dominierendes bürgerliches auf ein plebejisches Publikum trifft, und wenn man weiterhin die feministische Dynamik des ausgeschlossenen Anderen im Ernst berücksichtigt, dann ist das (in §11 entwickelte) Modell der widerspruchvollen Institutionalisierung der Öffentlichkeit im bürgerlichen Rechtsstaat zu starr angelegt.“ Ibid., S. 21. 66 Zur Geschichte des anti-bourgeoisen Kritikers vgl. Dolf Oehler: Pariser Bilder 1 (1830–1848). Antibourgeoise Ästhetik bei Baudelaire, Daumier und Heine, Frankfurt am Main 1979. Oehler beschreibt anschaulich den Spagat zwischen Realität und Stereotyp sowohl des in Karikatur, Kunst und Literatur angegriffenen Bourgeois als auch der die Bourgeoisie angreifenden „Romantiker“. Er spricht von einer „Emanzipationsbewegung einer bürgerlichen Künstler- und Literaten-Avantgarde“. Ibid., S. 44. 67 Fuhrmann sieht im Fürstenhof des absolutistischen Zeitalters eine von der historischen Forschung nur unzulänglich berücksichtigte (und von den damaligen Bürgern ignorierte) Voraussetzung einer sich entwickelnden bürgerlichen Kultur, vor allem in Bezug auf ihren „Bildungsstolz“, vgl. Manfred Fuhrmann: Der europäische Bildungskanon, Frankfurt am Main, Erweiterte Neuausgabe 2004, S. 70 ff., hier: S. 72. 68 Vgl. auch Pierre Bourdieu: Der Ekel vor dem „Leichten“, in: Ute Dettmar u. Thomas Küpper (Hg.): Kitsch. Texte und Theorien, Stuttgart 2007, S. 265–278. Dort unterscheidet Bourdieu zwischen „Reflexions­ geschmack“ und „Sinnen-Geschmack“, S. 270. 69 Oehler 1979, S. 56. 70 Dass Politik kein rationales Feld ist, sondern grundsätzlich über Emotion rezipiert wird, vgl. Müller, die ein Modell propagiert, das politischer Kommunikation nicht nur argumentative Strukturen unterstellt:

1.  Öffentlichkeit und Rezeptionsklima

sensationslüsternen Kunstkonsum vor und spornt die Besucher zu (selbst-)kritischerer Reflexion an: « Vous êtes la majorité, – nombre et intelligence; – donc vous êtes la force, – qui est la justice. »71 Über Porträtmaler schrieb Baudelaire: « Il y a deux manières de comprendre le portrait, – l’histoire et le roman. » Zur ersten gehörten für ihn Ingres und seine Schüler, Winterhalter ordnete er neben Rembrandt, ­Reynolds und ­Lawrence in die zweite Kategorie ein. Ein paar Seiten später kommentierte er: « M. Winter­halter est ­réellement en décadence. »72 Dass die Meinung des Salonpublikums nicht unbedingt mit dem Standpunkt der Kunstkritik übereinstimmte, lässt sich am Œuvre Winterhalters geradezu beispielhaft nachzeichnen. Jene Massen stauten sich meist vor den Einreichungen Winterhalters, was vielen Kritikern ein Dorn im Auge war. Da die harsche Kritik einsetzte, nachdem Winterhalter zum Hofmaler der königlichen Familie Louis-Philippes aufgestiegen war – sein großformatiges Genrestück Decamerone im Salon von 1837 galt noch als ein in den höchsten Tönen gelobter „epochaler Erfolg“ – muss die sozialpolitische Dimension der Kritik an Winterhalter stets berücksichtigt werden.73 Anforderungen an einen Hofmaler im 19. Jahrhundert Wie ist die Kritik am eingangs vorgestellten Bildnis der Prinzessin Clémentine nun einzuordnen? Um das von König Louis-Philippe und dem Maler Winterhalter verfolgte Ziel erfassen zu können, hilft ein Blick auf das in demselben Jahr entstandene und in demselben Salon ausgestellte Porträt ihrer Schwägerin, der deutschen Herzogin Helene zu Mecklenburg-Schwerin, Duchesse d’Orléans.74 Beide Bildnisse sind Teil desselben dynastischen Zyklus’ von Ganzfigurenbildnissen der bourbonischen Königsfamilie, den Louis-­Philippe seit 1839 für eine Galerie in Versailles bei Winterhalter in Auftrag gegeben hatte. Helene war mit dem französischen Thronfolger Ferdinand-Philippe d’Orléans verheiratet. Die positiveren Reaktionen auf das Bildnis von Louis-Philippes Schwieger-

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„Vielmehr werden argumentative notwendigerweise durch ikonische Elemente ergänzt, die der Kommunikation eine emotionale Dimension hinzufügen.“ Marion G. Müller: Politische Vision, in: Wilhelm Hofmann (Hg.): Die Sichtbarkeit der Macht. Theoretische und empirische Untersuchungen zur visuellen Politik, Baden-Baden 1999, S. 15–27, S. 19. Vgl. zum „Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts“ den Sammelband Aschmann (Hg.) 2005. Charles Baudelaire: Salon de 1846, in: id.: Curiosités esthétiques. L’art romantique et autres œuvres critiques, Édition corrigée et augmentée d’un sommaire biographique, Édition de Henri Lemaitre, Paris 1962 (Baudelaire 1962), S. 97. Eine ausführliche Interpretation von Baudelaires Aux bourgeois von 1846 in Oehler 1979, S. 56 ff. Baudelaire 1962, S. 158 u. S. 161. Vgl. zum Echo der Salons auf Winterhalter Chabanne 2015, S. 40 ff., hier: S. 42. Zum Einfluss Louis-Philippes auf die staatlich geförderte Kunst vgl. auch Panter 1996, S. 93.

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I.  Die Tugendporträts

tochter verdeutlichen, welche Erwartungen an die Porträts der königlichen Familie geknüpft waren.75 Die Herzogin präsentiert der französischen Gesellschaft vor vergoldet-neobarockem Interieur den in elegante französische, vermutlich aus Alençon stammende S­ pitze gekleideten Sohn des französischen Thronfolgers (Taf. 2). Ebenfalls à la mode frisiert und gekleidet wird die mit feinem Duktus ausgearbeitete Figur der Duchesse von üppigen Draperien hinterfangen, die dem Betrachter einen Blick in einen repräsentativen Park gewähren. Modische Stoffblumen und Schleifen sorgen in diesem Porträt weniger für ein sentimentales setting, als dass sie das feminine Porträt veredeln. Die Farbgebung der Kleidung von Mutter und Kind verbindet beide: weiß und hellblau dominieren, e­ dle Seiden­ bänder (das der Mutter ist von Silberlahn durchzogen) schmücken sowohl die Haube als auch das Mützchen des auf dem Insignienkissen sitzenden Kindes.76 Winterhalter entzieht das Porträt durch die feine Ausarbeitung der edlen Stoffe und Accessoires und vor allem des hochkarätigen Interieurs jeglicher Verwechslung mit ­einem zeitgenössischen typisch-bürgerlichen Bildnis. Doch berührt die sensible Darstellung und Betonung der Mutter-Kind-Beziehung den emotionalen Erfahrungshorizont des zeitgenössischen Betrachters: Lebendig gestaltete Gesichter und vor allem die kindlich verspielte Geste des Sohnes, der die Schleife des mütterlichen Kleides greifen ­möchte, weichen von distanziert-repräsentativer Herrscherdarstellung ab. Das Bildnis verrät damit bereits einen von Winterhalters Lösungsansätzen, „bürgerliche“ Vergleiche mit seinen Porträtierten in Zukunft zu vermeiden und dennoch ein zeitgemäßes zielgruppenorientiertes Programm für die höfische Bildnispolitik zu schaffen. Warum König Louis-Philippe und Winterhalter zwei derart verschiedene Ansätze innerhalb der gleichen Familie offenbar absichtlich wählten, lässt sich mit dem zeitgenössischen Hierarchieverständnis erklären: Helene war die Ehefrau des Thronfolgers. Damit war ihr Status dem ihrer Schwiegermutter Königin Marie-Amélie nahe. Das schloss Experimente aus. Nur bei der jüngsten Tochter, die eine politisch weniger brisante Position besetzte, konnten Maler und König einen schichtenmischenden Darstellungsmodus ausprobieren. Offensichtlich sollte im Bildnis visuell das volksnahe Credo der noch jungen Regierung unter Bürgerkönig Louis-Philippe manifestiert werden, indem der höfische Pomp gezielt dezimiert und traditionelle Sehgewohnheiten umgeleitet wurden. * Die Kritik an dem zu bürgerlich gestalteten Bildnis der Prinzessin verrät vor allem eines: Die HerrscherInnen im 19. Jahrhundert mussten ihr Bildnisprogramm genau auszubalancieren wissen, zwischen Zugeständnissen an aktuelle schichtenübergreifende Machtstrukturen einerseits und der klaren Konturierung ihrer eigenen Position andererseits. 75 Vgl. L’Artiste, 1839, S. 257. Vgl. für eine Zusammenschau der Kritiken zum Bildnis Panter 1996, S. 105. 76 Die Lithografie von Grevedon/Lemercier von Helene wird nicht die gleiche Wirkung erzielt haben, sie ist gröber ausgearbeitet als das Ölbild. Beide Gesichter sind weniger sensibel gezeichnet.

2.  Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs

Glaubwürdigkeit und Authentizität konnten als legitimationsstärkende Motoren fun­ gieren.77 Auf welche Weise die Verantwortlichen bei Hofe ein von jenen oben skizzierten Tugendidealen inspiriertes Klima rezipierten, und wie dieses die höfische Bildnispolitik im 19. Jahrhundert beeinflusste, wird in den folgenden Kapiteln dargelegt, vor allem unter Berücksichtigung sich verändernder sozialer Konstruktionen von Weiblichkeit. Die Aufmerksamkeit gilt Monarchinnenporträts, die aufgrund ihrer „emotionalisierten Binnen­ struktur vielfältigere Perspektiven der Identitätsstiftung“ boten, als es HerrscherInnenporträts in den Jahrhunderten vorher möglich war.78 Der Schwerpunkt liegt auf höfischen Bildnissen, die zwischenmenschliche Beziehungen, Familiensinn und wahre ­Liebe thematisieren, aufklärerische Tugendkataloge aktivierten und der Betrachterin über ­diese Identifikationsoptionen boten. Es wird zu untersuchen sein, ob diese Thematisierungen lediglich eine Spiegelung bestimmter Gesellschaftsideale als berechnende Werbe­ maßnahme oder vielmehr Ergebnis veränderter höfischer Mentalität sind. Die folgende Betrachtung umfasst Monarchinnenbildnisse, die, auch in Anlehnung an den Tugendboom im 19. Jahrhundert, ohne weiteres als Tugendporträts zu bezeichnen sind.

2. Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs: Winterhalters Porträts der Großherzogin Sophie von Baden Die Basis für Winterhalters Karriere legte eine hochkarätige Ausbildung an der Münche­ ner Akademie, an der er früh mit gesellschaftlichen Phänomenen und künstlerischen Problemen in Berührung kam, die ihn Zeit seines Lebens beschäftigen sollten. „Wenn ich mit der Zeit Gnade vom Hofe, oder eine Stelle haben möchte, so wird auf ­academische Bildung gesehen,“ schreibt der Zwanzigjährige 1825 an seine Eltern, sein Berufsziel bereits fest im Blick.79 Bayerns König Ludwig I. (1786–1868) prägte das Kunstleben in der Hauptstadt, die zunehmend zum kulturellen Zentrum des deutschen Bundes wurde. Bei seinem H ­ of­maler 77 „Authentizität ist das in die Ästhetik des Politischen eingebaute Korrektiv des Verdachtes bloßer Künstlichkeit, bloßer Inszeniertheit, weil dieser Verdacht politische Kommunikation immer begleitet.“ Braungart 2012, S. 165. Dass ein „bürgerlicher“ Tugendkatalog ein ebenso ausgebildeter und kultivierter Verhaltensapparat wie der des Adels war, wird in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein. 78 Diese Formulierung sei Werner Telesko entliehen, der sie im Zusammenhang mit der Bedeutung von monarchischen Familienporträts nutzt, id.: „Der Mensch steckt nicht im König, der König steckt im Menschen“ Herrschaftspräsentation und bürgerliches Bewusstsein in der habsburgischen Porträtkunst von ­Joseph II. bis Ferdinand I., in: Aufgeklärt bürgerlich. Porträts von Gainsborough bis Waldmüller 1750– 1840, Ausstellungskatalog, hg. v. Sabine Grabner u. Michael Krapf, Österreichische Galerie Belvedere, München 2006 (Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006), S. 70–84, S. 78. 79 Brief abgedruckt in: Mayer 1998, S. 78, Hervorhebung wie im Original.

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I.  Die Tugendporträts

Joseph Karl Stieler (1781–1858) hatte Ludwig I. für seine Münchener Residenz ­eine Schönheitengalerie in Auftrag gegeben; die Auswahlkriterien für die Modelle erläutert der Herrscher im Jahre 1829 wie folgt: „Nur Schönheiten guter Aufführung kommen in die Sammlung.“ (Abb. 3).80 Die Auswahl sollte nicht von Stand oder Herkunft abhängig sein, ausdrücklich nur Frauen von „untadeligem Lebenswandel“ durften abgebildet werden, „anständige[] und tugendhafte[] Mädchen“.81 Für den König symbolisierte physische Schönheit gleichzeitig „hohe[] Sittlichkeit und menschliche[] Integrität“.82 Diese Verbindung von Tugendhaftigkeit und Schönheit in der Frauenrolle gehörte im frühen 19. Jahrhundert noch immer zu den gesellschaftlichen Idealvorstellungen.83 Dass man jene bei Hofe rezipierte, sollte die Öffnung der Galerie für Volk und Touristen zeigen: Zeitgenössische Reiseführer verzeichnen sie als „Sehenswürdigkeit Münchens“.84 Seit 1825 finanzierte der Badische Hof Winterhalter den Besuch der Münchener Akademie.85 Nach Beendigung seiner Ausbildung war Winterhalter deshalb seit 1828 unter anderem als Zeichenlehrer für die Markgräfin Sophie von Baden (1801–1865) tätig. Als deren Ehemann Leopold von Baden (1790–1852) 1830 an die Macht kam und

80 Gerhard Hojer: Die Schönheitengalerie König Ludwigs I., Regensburg, 7. Auflage 2011, S. 15. Die Schönheitengalerie ist gegenwärtig im Schloss Nymphenburg zu bewundern. Bis heute leistet Gerhard Hojers Analyse von 1979 Grundlagenarbeit, liefert einen Katalog, referiert die Entstehungsgeschichte der Galerie, gibt einen Überblick über die typengeschichtlichen Wurzeln der Frauengalerie und analysiert die Entwicklung von Stielers Porträtstil. In einem Briefkontakt zwischen Ludwig I. und Stieler war erstmals 1821 von einer derartigen Galerie die Rede, vgl. Hojer 2011, S. 11. 81 Ibid., S. 15. 82 Ibid., S. 7. Die Schönheitengalerie ist vor allem eine Typendarstellung des zeitgenössischen Frauen­ideals. Tatsächlich finden sich in fast jedem Bildnis der Galerie Anspielungen auf Tugendhaftigkeit: Liebe (Rose), Beständigkeit (Burg), Frömmigkeit (Kirche und Gebetbuch), Treue (Nelken), vgl. Hojer 2011, S. 34. Trotzdem helfen in nahezu allen Porträts vestimentäre Hinweise dem Betrachter, die Dargestellte als Bürgerliche oder Adelige zu identifizieren, was das liberale Statement, die Herkunft der Dargestellten spiele keine Rolle, in Frage stellt. 83 Junge Mädchen zu Sittlichkeitsvorbildern in Virtus-Allegorien oder Tugendspiegeln in Porträtgalerien zu machen, war eine Tradition, für die es in ganz Europa spätestens seit dem 16. Jahrhundert zahl­reiche Beispiele gibt. Hojer geht der Frage nach, welche davon speziell die Ludwig’sche Galerie beeinflusst haben könnten. Vgl. Hojer 2011, S. 25–34. Stielers feinmalerischer Stil sorgte dafür, dass die Galerie der individuellen Schönheiten einen einheitlichen Charakter bekam. 1829 schmückten die ersten zehn von letztlich 36 Porträts zwei Säle in der Residenz. Vgl. Hojer 2011, S. 10. 84 Ibid., S. 9. 85 Vgl. Mayer 1998, S. 68, erwähnt in einem Brief der Brüder vom 20.07.1825 an ihre Eltern. Im Gegenzug musste Winterhalter jährlich eine Zeichnung nach Karlsruhe schicken. Für eine ausführliche Einleitung zum künstlerischen Werdegang Winterhalters vgl. Tilmann von Stockhausen: Franz Xaver Winter­halter und der Schwarzwald, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 24–31, S. 27 ff.; vgl. ­Panter 1996, S. 16. Winterhalters Lehrer und Mentor Joseph Stieler war bei François Gérard in die Lehre gegangen und beeinflusste Winterhalters feinen und farbfokussierten Malstil sowie dessen Porträtauf­ fassung stark.

2.  Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs

3  Anonym: Joseph Stielers Schönheitengalerie bestehend aus 38 Porträts, 1827–1850, Fotografie, ohne Maße, ohne Jahr, München, Schloss Nymphenburg

zum Großherzog ernannt wurde, vergab das Herrscherpaar die ersten offiziellen Porträt-­ Aufträge sofort an den jungen Künstler. Winterhalter erlangte erstmals den Status eines Hofmalers.86 Großherzogin Sophie von Baden war demnach die erste Herrscherin, die von Winter­ halter porträtiert wurde.87 Ihre Bildnisse dokumentieren, dass Winterhalters Porträt­ auffassung in höfischem Milieu und sein sensibles Gespür für den politisch relevanten Betrachter bereits während seiner beruflichen Anfänge aufblühten. Baden galt seinerzeit mit der Verfassung von 1818 und der „liberalen Gemeindeordnung“ von 1830 als liberaler Vorzeigestaat.88 Gegenstand politischer Reden war immer wieder die Frauenrolle. Wie Winterhalter die Konflikte zwischen liberalen Forderungen und höfischer Tradi­tion, 86 Den Titel großherzoglich-badischer Hofmaler erhielt Winterhalter indes erst im August 1834 und behielt diesen bis zu seinem Lebensende, obschon er während der nächsten 40 Jahre in Frankreich lebte. Alle Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), die zu seinem Testament, Erbschaften oder der von ihm ins Leben gerufenen Stiftung in Menzenschwand existieren, titulieren ihn als „Bad. Hofmaler“ (z. B. GLA 233/7880, GLA 233/18820, GLA 233/27602, GLA 270/16569). 87 Armin Panter liefert einen umfassenden Überblick über alle Porträts, die Winterhalter für den badischen Hof gemalt hat, vgl. Panter 1996, S. 40–53. 88 Joachim Eibach: Der Staat vor Ort. Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt am Main u. New York 1994, S. 25.

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4  Franz Xaver Winterhalter: Großherzogin Sophie von Baden, 1831, Öl auf Leinwand, 39,8 × 29 cm, Haus Baden

zwischen biedermeierlichem Frauenbild und öffentlicher Repräsentation in den Porträts löste, soll im Folgenden analysiert werden. Die populären Porträts von 1831 1831 malte Winterhalter von Sophie und Leopold kleinformatige Ölporträts. Diese wurden fortan zwar als offizielles Aushängeschild genutzt, allerdings nur in Form von Lithografien, die ebenfalls von der Hand Winterhalters stammen. Vor allem die Transponierung des Ölgemäldes von Sophie in die Litografie gibt Auskunft darüber, wie zielgerichtet die Konzeption eines bestimmten politischen Images umgesetzt wurde. Es sei zunächst das Ölporträt von Sophie betrachtet, von dem Leopolds ist nur noch die Lithografie vorhanden. Das Bildnis ist mit den Maßen von 39,8 × 29 cm so kleinformatig, dass es zunächst wohl nicht für eine Präsentation vor der breiten Öffentlichkeit gedacht war (Abb. 4). In dem Kniestück sitzt die Großherzogin vor repräsentativer K ­ ulisse auf einem Holzstuhl im Biedermeierstil. Die hinter ihr angedeutete Säule rahmt ­weite Landschaft und freien Himmel hinter einer steinernen Balkonbrüstung. Die Herrscherin trägt ein dunkelrotes Kleid aus fester Baumwolle mit weiten Gigotärmeln, deren mit ­Blumen bestickte Rispenbandverzierung an Trachtenmode erinnert. Ein schmaler Pelzschal umschlingt ihren Hals. Sparsam ergänzt Schmuck ihre Aufmachung, darunter ein goldenes Armband mit Herzanhänger. Das Haar ist kompliziert zu einer s­ einerzeit hochmodischen

2.  Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs

5  Franz Xaver Winterhalter: Großherzogin ­Sophie von Baden, 1831, Lithografie, 48 × 34 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle

krönenden Schleife gelegt. Die Großherzogin blickt mit großen ­Augen, ge­röteten Wangen und melancholischem Lächeln am Betrachter vorbei in die F ­ erne. ­Niedrige Bepflanzung mildert die Repräsentativität der Szene. Im Schoß hält sie ­eine ­Lorgnette. Interessantes offenbart die Transponierung des Porträts in die Lithografie. Erst nach Fertigstellung der kleinformatigen Ölbilder wurde wohl die Entscheidung getroffen, dass jene sich für eine Vermarktung des Hofes in der Öffentlichkeit besonders gut eigneten; daraufhin wurden die Lithografien angefertigt. Für diese Annahme spricht Dreierlei: Erstens wären andernfalls die Ölporträts, deren Lithografien weite Verbreitung erfuhren, sehr wahrscheinlich von vornherein in Lebensgröße gemalt worden. Zweitens transponierte, wie gesagt, Winterhalter die Lithografien selbst, was keineswegs gängige Praxis war. Obwohl er in diesem Metier ausgebildet worden war, erledigten solche Arbeiten zu diesem Zeitpunkt für ihn bereits spezialisierte Lithografen. In diesem Fall erhielt aber Winterhalter sogar ein „Privilegium auf zehn Jahre gegen den Nachdruck oder Nachstich […] seiner auf Stein gezeichneten Copien der […] in Oel gemalten Bildnisse“.89 Dieses besondere Dokument zeigt, welcher hohe Stellenwert diesen speziellen Lithografien beigemessen wurde. Drittens nahm Winterhalter – und dies durfte er nur, weil er seine 89 Die komplette Privilegiums-Ertheilung ist, ohne dass deren Bedeutung dort erläutert wird, abgedruckt in: Mayer 1998, S. 121.

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e­ ige­nen Öl-Porträts als Vorlagen nutzte – in Sophies Lithografie größere Veränderungen der Bildsemantik vor: Winterhalters Lithografie von Sophies Porträt zeigt zwar die gleiche Szene und ­Pose wie im Ölbild, doch veränderte Winterhalter die Bildaussage zugunsten eines repräsentativeren Effekts (Abb.  5). Die Großherzogin trägt keine baumwollene Trachten­mode mehr, sondern ein hochwertiges modisches Kleid mit transparenten Mousseline­ärmeln und feiner Spitzenberthe. Außerdem fügte Winterhalter dem Bildnis einen im Öl­gemälde nicht vorhandenen, über die Stuhllehne quellenden Kaschmir-Schal hinzu, der ­Sophies Aufmachung und damit dem gesamten Bildnis einen edleren Anstrich verleiht. Die Lithografie des Großherzogs ähnelt in Format und Anlage derjenigen seiner Ehefrau (Abb. 6).90 Leopold sitzt aufrecht, mit entspannter Mimik den Blick seitwärts gerichtet. Die hohe Mauer hinter ihm gewährt einen schmalen Ausblick zum Horizont. Sein rechter Arm ruht auf einer steinernen Brüstung, sein Frack spannt über der Brust und springt auf, was der Situation etwas Lässiges und Authentisches, nahezu Informelles, gibt.91 Seine dennoch entschlossen wirkende Haltung verleiht dem Porträt einen aktiven Charakter und demonstriert Standhaftigkeit. Die auf einer Abstufung der Brüstung liegenden Accessoires zeugen von Kopfarbeit und Pflichtbewusstsein: neben dem Handschuh bekunden ein gefalteter Brief mit Siegel in Leopolds Kappe sowie eine Pergamentrolle den „im Interesse des Allgemeinwohls wirkenden“ Fürsten.92 Seine auf dem Knie ostentativ aufgestützte Faust hält ein weiteres, offensichtlich wichtiges Dokument. Die Darstellung des Herrschers mit Schriftrolle war ein tradiertes Bildmotiv des gelehrten Fürsten im Arbeitsprozess für das Wohl seines 90 Da die Porträts in diversen Veröffentlichungen in verschiedener Anordnung abgedruckt sind, soll die hier festgelegte Reihenfolge der Hängung (Großherzog links, Großherzogin rechts) begründet werden: Das Paar schaut sich auf diese Weise nicht an, sondern blickt in Richtung Volk. Komposition, Körperhaltung, formaler Aufbau sowie die Hände mit Papieren und Lorgnette weisen jedoch aufeinander. Hinge das Porträt der Großherzogin links, trennte den Herrscher außerdem ein Mauervorsprung von seiner Frau, was eher unwahrscheinlich ist. Es galt vor 1800 für Pendantbildnisse: links die Frau, rechts der Mann. Das blieb im 19. Jahrhundert in vielen adeligen Porträts bestehen, änderte sich aber in bürgerlichen Bildnissen, vgl. Kat. Sanft und engelsgleich 1995, S. 79. Derart hätten Leopold und Sophie einen bürgerlich-liberalen Habitus übernommen. 91 Leopolds Frack mit quer über der Brust verlaufenden Posamentverschlüssen wird von Zeitgenossen in der Privilegiums-Ertheilung als „Civil-Kleidung“ wahrgenommen. Mayer 1998, S. 121. Panter schreibt in diesem Zusammenhang von einem Ölporträt, das er zwar als schlechte Kopie identifiziert, das aber Aufschluss darüber gibt, wie das verschollene Originalbild aussah: „Während Leopold in Uniform mit Orden und Ordensband gemalt ist, wurde er in der Lithographie […] in bürgerlichem Frack dargestellt.“ Panter schreibt über Sophies Porträt hingegen: „Daher wurde es ohne Änderungen als Litho­ graphie vervielfältigt.“ Panter 1996, S. 47. 92 Kroll 2007, S. 358. Die Geste ausgezogener Handschuhe signalisierte Volksnähe, ein Abstandnehmen von aristokratischen Privilegien. Vgl. zum arbeitenden Fürsten auch Prinz Albert als „Herrscher der Tat“, Kap. II. 3. Vgl. zu Leopolds Porträt auch Reisberg 2016, S. 74 f.

2.  Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs

6  Franz Xaver Winterhalter: Großherzog ­Leopold von Baden, 1831, Lithografie, 48 × 34 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle

Volkes und ist hier wohl ein Beleg für seinen Schwur auf die Verfassung.93 Erst im Zusammenhang mit seinem Porträt wird die Lorgnette in Sophies Händen sinnhaft, welche darauf verweist, dass sie die Papiere gelesen hat oder lesen wird. Um die Botschaft beider Lithografien ganz erfassen zu können, soll zunächst kurz die liberale Geschichte Badens und das in diesem Klima in politischen Reden thematisierte und definierte Frauenideal nachgezeichnet werden. Winterhalter wird all jene Ideale rezipiert haben, während er in München und Karlsruhe arbeitete. Badens bürgerliches Frauenideal Die historische Forschung zeichnet Baden gern als Paradebeispiel für den deutschen Liberalismus.94 Bereits 1818 erhielt Baden – wie Bayern – eine Verfassung nach dem Vorbild der französischen charte constitutionelle von 1814. Unter der Protektion Napoléon

93 Vgl. Martin Knauer: Vox populi, vox imperatoris. Louis-Napoléons visueller Aufstieg zur Macht (1848– 1852), in: id. u. Verena Kümmel (Hg.): Visualisierung konstitutioneller Ordnung 1815–1852, Münster 2011, S. 46. Panter vergleicht es zu Recht mit „Schreibtischbildnissen“ der Restaurationszeit, id. 1996, S. 48. 94 Eibach 1994, S. 25; jüngere Forschung sieht dies kritischer und widersprüchlicher, vgl. Bernhard Wien: Politische Feste und Feiern in Baden 1814–1850. Tradition und Transformation: Zur Interdependenz liberaler und revolutionärer Festkultur, Frankfurt a. M. 2001, S. 603 f.

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Bonapartes war die Markgrafschaft Baden Stück für Stück politisch gewichtiger, flächenmäßig größer und 1806 schließlich zum Großherzogtum geworden. Badens Verfassung von 1818 galt seinerzeit im Deutschen Bund als liberalste Verfassung.95 Allerdings wurde bereits zeitgleich kritisiert, manche Reformmaßnahme solle darüber hinwegtäuschen, dass Badens „Kammerliberalismus“ bürgerlichen Volksvertretern zu wenig Mitspracherecht einräume.96 Die Regierung war nach wie vor ständisch geordnet und die Macht des Adels mit Hilfe der 1. Kammer gesichert. Die 2. Kammer bildete die Volksvertretung und damit das politische Portal des Bürgertums. Nach einigen restaurativen Rückschlägen in den 1820er Jahren und unter dem Eindruck der Französischen Julirevolution weckten das unter Großherzog Leopold im Jahr 1830 neu berufene Ministerium und die Gemeindeordnung von 1830 hohe Erwartungen an eine politische Wende. Leopolds wichtigste Berater waren liberale Bürger wie sein Innenminister Ludwig Georg Winter oder sein Ministerialdirektor Karl ­Friedrich ­Nebenius. Allgemeine Pressefreiheit avancierte zu einem politischen Hauptthema und sollte möglichst bald nach britischem Vorbild eingeführt werden. In einer ­Rede vor der 2. Kammer heißt es 1831: „Der Zustand einer gewissen Halbheit des consti­ tutionellen ­Systems muß aufhören und die Verfassung in all’ ihren Institutionen verwirklicht werden“, Presse­freiheit sorge für „Kultur, Sicherheit, Wohlstand und Ruhe“.97 ­Solche Aus­sagen unterstützend, erkannte der Vizepräsident der 2. Kammer, Johann Georg ­Duttlinger, „die Lehre jener britischen Staatsmänner als die wahre […], die da den Satz aussprechen, daß die Regierungen, die in gewöhnlichen Zeiten mit der Preß­freiheit nicht zu bestehen ­vermögen, zu bestehen nicht würdig und tüchtig seien.“98 An solche Erkenntnisse knüpfte das neue, Ende 1831 von Leopold unterzeichnete „Preßgesetz“ an, das zwar keine vollkommene Pressefreiheit vorsah, doch von den Liberalen als klarer Fortschritt verbucht wurde.99 Auch Geschlechterideale und -rechte waren Gegenstand dieser politischen Reden. Wie bereits dargelegt, wurden Frauen und Männer im 19. Jahrhundert vor dem ­Gesetz

95 Für die Gründe, aus denen gerade französische Verfassungen so oft als Vorbild genutzt worden sind, vgl. Kirsch 1999, S. 402. 96 Die Verfassung sollte die unter der Protektion Napoléons I. zusammengefügten Kleinstaaten zu einer Einheit mit Nationalgefühl machen. Vgl. Lothar Gall: Gründung und politische Entwicklung des Großherzogtums bis 1848, in: Badische Geschichte. Vom Großherzogtum bis zur Gegenwart, hg. v. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1979 (Badische Geschichte 1979), S. 11–36, S. 23 f. u. S. 26. 97 Carl Theodor Welcker war Jurist, Hochschullehrer und liberaler Politiker. Landtag 1831, 2. Kammer, 12. Heft (14.03.1831), S. 74 ff. Rede abgedruckt in: Christine Zeile: Baden im Vormärz. Die Politik der Ständeversammlung sowie der Regierung zur Adelsfrage, Grundentlastung und Judenemanzipation 1818 bis 1843, München 1989, S. 136. 98 Landtag 1831, 2. Kammer, 1. Heft (14.03.1831), S. 142. Rede abgedruckt in: Zeile 1989, Anm. 122. 99 Zeile 1989, S. 138.

2.  Das biedermeierliche Frauenbild im politischen Diskurs

nicht gleich behandelt; die revolutionären Vorstöße thematisierten in erster Linie die Rechte der männlichen bürgerlichen Mitte.100 Welche Frauenrechte in Baden gefordert wurden, enthüllen exemplarisch Reden aus der 2. Kammer: Besonders wichtig war die Zugehörigkeit einer Frau zu einem Mann. Unverheiratete Frauen bekamen in Baden zwar Bürgerrechte, durften sie aber nicht ausüben. So heißt es in einem Protokoll einer Rede vor der 2. Kammer von 1831: Frauenspersonen [können] nie für sich allein, ohne sich zu verheiraten, ohne eine Familie zu gründen, das Bürgerrecht antreten […], weil sie im Staate gewissermaßen nur in Verbindung mit dem Manne dastehen und nicht für sich selbst ein selbständiges Wesen bilden. Man sagt, es gebe unter den Männern auch viele, die die Bürgerschaften nicht alle erfüllen können. Allerdings, es gibt unter den Männern ­solche, die durch Zufälle verhindert sind, sie sind verrückt oder lahm oder haben ein sonstiges Ge­ brechen; allein die Frauen sind allgemein unfähig, die gemeinbürgerlichen Pflichten zu erfüllen.101

Vor allem Tugendhaftigkeit wird als Metier der Frauen immer wieder angeführt: Es ist überhaupt der Sittlichkeit nicht vorteilhaft, wenn man ledige Haushaltungen von Frauen be­ günstigt. […] veranlasst man nun auch noch, daß Frauen eine eigene Haushaltung führen, so ist der Unsittlichkeit Tür und Tor geöffnet. […] Dies sind die Gründe, die mich veranlassen, den Frauen zwar das angeborene Bürgerrecht zu geben, sie aber dasselbe nicht ausüben und antreten zu lassen, es sei denn, daß sie sich verehelichen.102

Noch 1838 hält Carl Theodor Welcker, Mitglied der 2. Kammer, im Staats-Lexikon fest: „Gewiß also nur unnatürliche weibliche Zwitterwesen […] werden ihre Weiblichkeit, ihre hohe naturgemäße Bestimmung für Tugend und Glück ihrer Familien und ihres Vater­landes aufopfern, und eine andere Rechtsgleichheit verlangen.“103 Mit diesen klaren Forderungen ging eine Aufwertung der Frauenrolle innerhalb der Gesellschaft einher. Es ist zu beobachten, dass in Baden zu der Zeit zahlreiche patriotische und wohltätige Vereine gegründet und von Frauen geführt wurden; sie waren vom öffentlichen Leben nicht ausgeschlossen, aber sie spielten dort nur eine zweit­rangige ­Rolle.104 Solche Tätigkeiten finden sich auch in Sophies Biografie. Die Groß­herzogin war

100 Vgl. Kap. I. 1. 101 Johann Baptist Bekk im Landtag 1831, 2. Kammer, 13. Heft, S. 113 f. Rede abgedruckt in: Zeile 1989, S. 146. 102 Johann Baptist Bekk im Landtag 1831, 2. Kammer, 13. Heft, S. 115. Rede abgedruckt in: Zeile 1989, S. 146. Natürlich gab es auch andere Meinungen, doch hier soll nur erwähnt werden, was letzten Endes Gesetz wurde. Vgl. Zeile 1989, S. 146 f. 103 Staats-Lexikon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften, hg. v. Carl Rotteck u. Carl Theodor Welcker, Bd. 6, Altona 1838 (Lex. Staats-Lexikon 1838), s. v. „Geschlechtsverhältnisse“, S. 629–665, S. 650. 104 Vgl. Geisthövel 2008, S. 73.

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beispielsweise Schirmherrin eines wohltätigen Frauenvereins, der sich – 1831 gegründet – vorwiegend der Hilfe für Notleidende verschrieben hatte.105 Zwei Porträts, die Winterhalter von Sophie zeitlich vor dem oben vorgestellten Bildnis­ paar anfertigte, sollen im Folgenden unter den Stichworten tugendhaft-sentimental und höfisch-traditionell diskutiert werden. Offensichtlich dienten sie dem offiziellen Bildnis als Inspirationsquellen. tugendhaft-sentimental Ebenfalls im Jahr 1831 malt Winterhalter ein weiteres Ganzkörperporträt der Großherzogin in kleinem Format (Taf. 3).106 Sophie lehnt sich an einen Felsen am Rand einer Waldlichtung und blickt, mental der realen Situation entrückt, in ungewisse Ferne. Kleid und Schmuck sind detailliert ausgearbeitet, die Materialien wie die Baumwolle des Kleides jedoch einfacher Natur. Besonders ins Auge fällt ihre aufwendige Frisur, ebenfalls von einer geflochtenen Haar-Schleife gekrönt. Um ihre Hüfte schlingt sich ein üppiger Kaschmir-Schal, wie er auch im offiziellen Porträt über die Stuhllehne quillt. Diesem gelingt es, Figur und die sie umgebende Landschaft farblich in Einklang zu bringen; ein Vorgehen, das an die englische Porträttradition des 18. Jahrhunderts erinnert.107 Jedoch scheint die „virtuose Synthese dieser beiden Elemente“, wie sie noch Gainsboroughs Zielen entsprach, nicht Winterhalters Absicht gewesen zu sein.108 Dafür ist die Bildwirkung zu künstlich-sentimental: Eine idealisierte Lichtführung setzt die Herrscherin hell in Szene, und im Hintergrund kündigt abendliches Orange den Sonnenuntergang an. Wie um ein biedermeierliches Szenario zu vervollständigen, wurde der Hut der Großherzogin neben einigen Blumen zu ihren Füßen arrangiert. Das zierliche Maß weist darauf hin, dass das Ölporträt nicht für die breite Öffentlichkeit, sondern für einen privaten Rahmen gedacht war. Winterhalter inszeniert Sophie im Sinne zeitgenössischer Geschlechter-Ideale. Weiblichkeit ist mehrfach akzentuiert: Der weiche Schwung ihrer gekünstelten Pose folgt den die Rundung ihrer Hüfte betonenden Stoffmengen. Weißlich-reines Licht bescheint sie. Die Betonung ihrer rosigen Wangen und großen blauen Augen, die aus dem Bild herausblicken, ohne Kontakt mit dem Betrachter aufzunehmen, aber auch das leichte Fingerspiel mit ihrer Halskette und die damit verbundene sanfte Berührung ihres Halses sollen sie sensitiv und der Situation mental entrückt zeigen. Der kostspielige Schal war das weibliche Accessoire der Bieder­meier­

105 Dieser gilt als Vorläufer des bis heute bekannten Badischen Frauenvereins, der nach dem Tod der Großherzogin übrigens in „Sophienverein“ umbenannt wurde, vgl. Susanne Asche et al.: Karlsruher Frauen 1715–1945. Eine Stadtgeschichte, Karlsruhe 1992, S. 151 f. u. S. 207. 106 Sophie ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt und nicht 16, wie irrtümlich in Kat. Franz Xaver Winter­ halter 2015, S. 74 verzeichnet. 107 Vgl. Panter 1996, S. 52. 108 Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006, S. 150.

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zeit schlechthin und begann seine Karriere in Porträts von Damen der höheren Gesellschaft.109 Besondere Kennzeichen des erlesenen Extras waren dessen immense Größe, ein entsprechendes Stoffvolumen sowie auffällige Muster.110 Sophie lehnt sich sozusagen an der Natur an, hält inne.111 Solches Sujet genoss im 19. Jahrhundert besonders in bürgerlichen Kreisen große Beliebtheit: Natur wurde zum „künstlerischen Stimmungsträger“ und „Ort bürgerlicher Reflexion“.112 Seinen Ursprung hatte diese Bewegung in der Aufklärung. Natürlichkeit und damit auch Naturverbunden­ uster heit avancierte zum Ideal wider die Künstlichkeit der höfischen Welt.113 Diesem M entspricht das idyllisch-sentimentale Porträt der Sophie.114

109 Kostbar war das Material von der Chandra-Ziege, die in den Gebirgsregionen Kaschmirs lebte, und die nur sehr geringe Mengen hergab. Es dauerte eineinhalb bis drei Jahre einen solchen Schal herzustellen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als der Schal immer mehr in Mode kam, begannen Unternehmen, Schals aus Seidengemisch zu produzieren, die dem Design des Originals ähnelten und damit auch für eine breitere Öffentlichkeit erschwinglich wurden. Vgl. Erika Mayr-Oehring: Textile Kostbarkeiten. Einleitung, in: Cashmere. Der Shawl in der Malerei des Biedermeier, hg. v. Erika Mayr-Oehring, Ausstellungskatalog, Residenzgalerie Salzburg 2000 (Kat. Cashmere 2000), S. 11–15, S. 11 u. S. 14. 110 Die spielerischen Möglichkeiten „des Enthüllens und Verhüllens, wie auch die ständige Beschäftigung der Hände mit dem Stoff, machen den Schal, ähnlich wie den Fächer, zu einem galanten Kommunikationsmittel.“ Erika Mayr-Oehring: Der Shawl in der Malerei des Biedermeier, in: Kat. Cashmere 2000, S. 38–54, S. 53 (Mayr-Oehring 2000a). 111 Winterhalter nutzte die sich an der Natur anlehnende Figur in seiner frühen Schaffensphase mehrmals, z. B. Schweizer Mädchen aus Interlaken (1840er Jahre, Privatbesitz) und Graf Ludwig von Langenstein (1834, Sammlung Graf und Gräfin Douglas, Schloss Langenstein). 112 Telesko 2006, S. 81. 113 In den Kupferstichen Daniel Chodowieckis wird diese Gegenüberstellung besonders deutlich: „Natur“ versus „Affection“. Der Bürger agiert vorbildlich einfach und natürlich in der Natur, die Aristokratie verhält sich gekünstelt. Vgl. Werner Busch: Das sentimentalische Bild. Die Krise der Kunst im 18. Jahrhundert und die Geburt der Moderne, München 1993, S. 309 ff. 114 Zur Definition des Begriffs sentimental, wie er im 19. Jahrhundert und in dieser Arbeit genutzt wird, vgl. Kap. I. 4. Übrigens ließ auch Leopold sich des Öfteren in der Natur porträtieren. Das Porträt ­eines “man of feeling” entsprach einem Ideal der Epoche der Empfindsamkeit in England; ein Sentiment, das im moralischen Sinne den “man” dazu befähigt „stets das Angemessene zu tun“. Kat. Aufgeklärt bürger­ lich 2006, S. 146. Winterhalter malte Leopold 1831 in Uniform lebensgroß und ganzfigurig vor weiter Landschaft, deren Horizontlinie von dunklen Wolken aufgenommen wird. Dieses Bild er­innert an ­Joshua Reynolds heroisiertes Porträtideal mit stimmungsgeladenem düsterem Wolkenhimmel und extrem niedrig gezogener Horizontlinie (1831, Privatbesitz). Ein Aquarell von Johann Grund von 1837 zeigt Leopold beispielsweise im Frack, sich wie Sophie in der Natur aufstützend und mit sentimentalem Blick gen Himmel schauend, Abb. 64 in: Großherzog Leopold von Baden 1790–1852. Regent, M ­ äzen, Bürger. Versuch eines Porträts, hg. v. Klaus Häfner, Ausstellungskatalog, Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Karlsruhe 1990 (Kat. Großherzog Leopold 1990), S. 62.

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höfisch-traditionell Einen Kontrast zu jenem tugendhaft-sentimentalen Bildnis der Großherzogin bildet ein rund ein Jahr vorher, 1830, von Winterhalter gefertigtes Ölporträt. Dieser erste Auftrag an den Künstler demonstriert, dass das Badische Herrscherhaus zunächst sehr traditionelle Herrscherporträts bestellt hatte (Taf. 4). Seriös schaut Sophie von Baden den Betrachter aus engem Bildraum an. Ihr Hüftstück zeigt jenes kühle Inkarnat, jenen plastisch ausgearbeiteten Schmuck und jene facettenreiche Darstellung kostbarer Stoffe, die Winterhalters Markenzeichen werden sollen. Modische Gigot-Ärmel aus transparenten Mousselinebahnen nehmen über dem in Falten gelegten blauen Samt des Kleides derart üppigen Raum ein, dass Säule und Vorhang in den Hintergrund gedrängt scheinen. Die Herrscherin trägt, der biedermeierlichen Mode entsprechend, nur wenig Make-up, verlässt diese Zurückhaltung aber mit einer dreireihigen, durch einen prächtigen Saphireinschluss aufgewerteten Perlenkette, einer auffälligen goldenen Brosche, tropfenförmigen Perlenohrringen und einem reich verzierten, an eine Krone erinnernden Diadem. Zwar verorteten die voluminösen, der neusten Mode entsprechenden Ärmel die Herrscherin in der Gegenwart, jedoch setzte die Menge an kostbarem Schmuck das Outfit vom schlichten bürgerlich-biedermeierlichen Modetrend ab. Diese Aufwertung signalisierte dem Betrachter einen hohen Rang der Dargestellten. Die rote Draperie mit schweren goldenen Quasten und ein Säulenpostament rahmen den Ausblick und weisen auf ihren höfischen Status.115 Dieses erste Winterhaltersche Porträt der Sophie von Baden spiegelt kaum die politische Erwartung an die Herrscherin eines liberalen Staates. Die Anlehnung an klassische Herrscherikonografie distanziert den Betrachter von der Dargestellten. Tatsächlich stellt das Porträt in ihrem Werk eine Ausnahme dar. Es ist anzunehmen, dass das Bildnis nicht im politisch-öffentlichen Raum, sondern im inner-höfischen Kontext zirkulierte. Solche These lässt sich durch die Tatsache stützen, dass zunächst kein Pendant­porträt ihres regierenden Ehemannes existierte. Erst ein Jahr später wurde Winterhalter mit der Anfertigung eines Partner-Porträts beauftragt. Man entschloss sich, keinen ­neuen Entwurf anzustrengen, sondern eine in der Öffentlichkeit bis dato erfolgreich genutzte Lithografie vom Herrscher, die ebenfalls von der Hand Winterhalters stammte, in Öl zu transponieren und das neue Porträt fortan neben jenem Sophiens zu nutzen. Dieses Hüftstück war ursprünglich Teil einer Porträt-Serie von Leopold und seinen zwei Brüdern, den Markgrafen Maximilian und Wilhelm von Baden.116 Es zeigt den Großherzog in der schwarzen Uniform eines Generals der Infanterie (Taf. 5). Der steife, goldbesetzte Kragen stützt sein mit einem Backenbart geziertes Gesicht, aus dem der Großherzog den Betrachter unbewegt anblickt. Die goldenen Epauletten sind derart plastisch gestaltet, als ragten sie 115 Dieses Porträt von Sophie stach Schuler in Stahl (GLA Karlsruhe I/Aa: S:13), Kupferstich, 26 × 21 cm, „nach der Natur gemalt von X. Winterhalter“. 116 Kat. Großherzog Leopold 1990, Abb. 48, 49 und 50.

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über die Grenze des Bildraumes; drei Orden schmücken seine Brust.117 Goldene Uniformknöpfe auf der sonst schwarzen Stofffläche schaffen Dreidimensionalität. Die vielen Gold-Akzente sorgen für eine fürstliche Wirkung Leopolds, der in seinen Porträts grundsätzlich auf Regalien verzichtete.118 Winterhalter thematisiert nicht Leopolds einzigartige Position, sondern seinen militärischen Rang als Gleicher unter Gleichen. Das Porträt vom Herzog erstellt somit die schlichtere Variante eines traditionellen Herrscherporträts als dasjenige seiner Ehefrau und entsprach eher dem liberalen Klima Badens. Deshalb wurde die diesem Bildnis zugrundeliegende Lithografie des Großherzogs von Anfang an im Rahmen bürgerlich-­ politischer Repräsentation genutzt. Das Großherzogpaar als „Arbeitspaar“ Mit diesem Wissen sollen noch einmal Winterhalters populäre Lithografien von 1831 untersucht werden. Sophies Porträt wirkt wie eine Mischung beider oben analysierter Bildnistypen: Gesicht und Frisur ähneln stark dem tugendhaft-sentimentalen Porträt, Kleidung und Bildausschnitt hingegen erinnern an höfische Porträttradition. Offenbar war es Winterhalter und dem Badischen Herrscherpaar für eine offizielle Repräsentationsstrategie in liberalem Klima wichtig, zeitgenössische Geschlechterideale aufzugreifen, ohne dabei auf traditionellen Darstellungsmodus zu verzichten.119 Eine Bemerkung aus einer Rede des Amtmanns Rettig vor der 2. Kammer von 1831 trifft den Kern dessen, was Winterhalter in seine Paar-Darstellung wirksam einfließen ließ: „Das Weib ist die Gefährtin, die Trösterin, die Ratgeberin des Mannes, sie ist die Ernährerin, die erste Erzieherin der Kinder und legt den Grund der Bildung in unsern künftigen Staatsbürgern.“120 Diesen idealisierten Bezug zum Mann greifen die Porträts von 1831 auf: Die schöne Großherzogin verkörpert sowohl die Rolle als liebende „Gefährtin“, worauf das Herz an ihrem Armband weist, als auch die der „Ratgeberin“, liest man die Existenz der Lorgnette in ihrer Hand nicht nur als modisches Accessoire, sondern als

117 Es sind der Orden vom Zähringer Löwen, der Hausorden der Treue und der militärische Carl-Friedrich-­ Verdienstorden; dieselben Orden tragen seine Brüder auf den Lithografien. 118 Obwohl Leopold Regalien besaß: Die Erhebung des Markgrafentums zum Großherzogtum verlangte badische Regalien. 1811, als der erste badische Großherzog Karl Friedrich I. starb, wurden diese für seine Beisetzungsfeierlichkeiten geschaffen: Krone, Zepter und Schwert wurden aus diversen Schmuckstücken des Hofes und des Hofkirchenschatzes hergestellt. Einen Thronsaal ließ Leopold erst 1838 einrichten (vgl. Informationsmaterial Badisches Landesmuseum Schloss Karlsruhe). 119 Dass die Wahl auf zwei Hüftstücke anstelle von Ganzkörperporträts fiel, wird auch der Tradition von höfischen Bildnissen in der deutschen Aufklärung geschuldet sein, vgl. zum „moralischen Herrscherbild“ Wienfort 1993, S. 105 ff. Eventuell hatte Winterhalter sich für das Porträts der Herrscherin auch an der Schönheitengalerie König Ludwigs I. orientiert. 120 Amtmann Rettig im Landtag 1831, 2. Kammer, 13. Heft, S. 119. Rede abgedruckt in: Zeile 1989, S. 147.

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Fingerzeig darauf, dass sie die Papiere ihres Mannes studiert. Die Litho­grafie spiegelt auf idealtypische Weise die zeitgenössischen bürgerlich-politischen Forde­rungen. Die Bildinhalte sind an sich kein Novum und kein reines Produkt einer aufgeklärtbürgerlichen Geisteshaltung. Redner Rettig gibt mit seinen Worten weibliche höfische Handlungsgebiete wieder, wie sie jüngst Katrin Keller für Kaiserinnen und Fürstinnen bereits für die Frühe Neuzeit in Bezug auf das Konzept des „Arbeitspaares“ be­legte.121 Deren Ideale erlebten eine Blüte im 18. Jahrhundert: Kate Retford zeigt anhand von Pendant­porträts verheirateter Paare zu jener Zeit in England auf, wie Männer in ihrer offi­ziellen oder beruflichen Funktion, ihre Ehefrauen hingegen unbeschäftigt, schön und tugendhaft dargestellt wurden.122 Getrennte Porträträume separieren die Geschlechter­ ideale – so wie in den Winterhalterschen Bildnissen von Sophie und Leopold. Die Reaktionen auf diese scheinen enthusiastisch. Im Oktober war 1832 im Kunstblatt zu lesen: Die Porträte seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden und Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin von Baden, nach Gemälden von Winterhalter, lithographirt von demselben. Das Hauptverdienst der Porträte des Herrn Winterhalter müssen wir auch hier bewundern; denn die Ähnlichkeit ist ihm täuschend gelungen. Schöne Gesichtszüge und geistvolle Augen, so wie ein geschmackvolles Arrangement des Beiwerkes, haben wir noch nie auf einem Porträt dieses Künstlers in dem Grade meisterhaft vereinigt gefunden, wie hier, wo er gewiß begeistert war von dem Glücke, die Bildnisse eines, von seinen Unterthanen angebeteten Fürstenpaares machen zu dürfen. Was die Lithographie selbst betrifft, so ist sie breit behandelt, besonders in Anbetracht der Größe beider Porträte, von guter Wirkung; […] Schon längst wünschte man allgemein, die Bildnisse des so geliebten Fürstenpaares zu besitzen. Das Publikum muß dem Künstler nun Dank wissen, der den allgemeinen Wunsch so schön erfüllt hat.123

Ähnliche Ausschnitte dieses Artikels werden von der Winterhalter-Forschung zitiert.124 Jedoch wies bisher niemand darauf hin, dass und warum diese Aussagen mit Vorsicht zu 121 Vgl. die von Katrin Keller als weiblich identifizierten Handlungsfelder und -rollen von Herrscherinnen, id. 2016, S. 22. Zum Konzept des „Arbeitspaares“ vgl. Heide Wunder: „Er ist die Sonn’, sie ist der Mond“. Frauen in der frühen Neuzeit, München 1992; zum Arbeitspaar Maria Theresia und Franz ­Stephan vgl. Bettina Braun: Maria Theresia: Herrscherin aus eigenem Recht und Kaiserin, in: Braun/ Keller/­Schnettger 2016, S. 211–227, S. 212 ff. 122 “Men were repeatedly depicted as public and professional characters in the pendant tradition, whilst the accompanying representations of their wives usually served to enhance their status through an emphasis on the proper und virtuous fulfilment of domestic tasks and leisured, genteel accomplishments.” Kate Retford: The art of domestic life. Family portraiture in eighteenth-century England, New ­Haven u. London 2006, S. 19–47, hier: S. 46. Die meisten Porträts von Sophie aus den 1830er Jahren von Winterhalter und anderen Malern zeichnen dasselbe Frauenideal: Die Herrscherin ist zu sehen als auf ihren Mann bezogene Ehefrau, als Mutter mit ihren Kindern, im Kreis der Familie, z. B. Johann Grund: Großherzog Leopold und seine Familie (1838, Privatbesitz). 123 Kunstblatt, 9.10.1832, Nr. 81, S. 324. Das Zitat entstammt dem Bericht über die öffentliche Kunstausstellung in Karlsruhe im Mai 1832. 124 Vgl. Reisberg 2016, S. 54 f.; vgl. Panter 1996, S. 46.

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deuten sind. Im Oktober 1832 nämlich war das liberalere Pressegesetz in Baden unter dem Druck des „von Metternich beherrschte[n] Bundestag[es]“ bereits wieder aufge­ hoben und die Universität Freiburg, Hochburg liberaler Politiker, geschlossen worden.125 Die Zeitungsbranche unterlag also zum Zeitpunkt der Veröffentlichung strenger Zensur. Leopold hatte enttäuscht, indem er sich dem Druck aus Wien und Berlin gebeugt und damit klar gemacht hatte, dass seine Regierungsarbeit – bei aller Reformfreudigkeit – monarchisch-bürokratisch begrenzt bleiben würde. Der euphorische Text im Kunstblatt muss infolgedessen als politisch motivierter gelesen werden, und nicht als tatsächliche Glücksäußerung eines des Volkes Stimme wiedergebenden Journalisten. Die ergebene Sprache setzt sich auch vom staatsbürgerlichen Selbstvertrauen der oben zitierten Kammerredner ab. Der Leser wird manipuliert, indem emotionale Nähe zwischen Monarch, Hofmaler und Untertan hergestellt wird. ­Eine bürgerliche Lesart sowohl der Porträts, als auch des Blickes auf einen Hofkünstler des 19. Jahrhunderts wird beschworen: Der Maler sollte, wie das Volk, „begeistert […] von dem Glücke“, also emotional beteiligt sein, sowohl an seinen Aufträgen als auch an den Modellen. Damit kopiert der Artikel das seit der Aufklärung bestehende Konzept, den Herrscher als Menschen wahrnehmen zu wollen.126 * Die Porträtreihe einer Herrscherin in der Überschrift mit dem Etikett „biedermeierlich“ zu versehen, mag provokant scheinen, gilt das Biedermeier immerhin als „Inbegriff ­einer entpolitisierten Stillhaltekultur“.127 Doch genau solche Botschaft transportieren die Herrscherinnen-Porträts der Sophie von Baden aus den 1830er Jahren, indem sie zeitgenössische, politisch propagierte Geschlechterideale reflektieren.128 Die Großherzogin ­verkörpert auf den meisten Bildern den „Typus der ‚domestizierten‘ Biedermeierfrau“.129 Sophie von Baden nutzte aber diese passive Rolle, um damit Politik zu betreiben. Damit

125 Vgl. Wolfgang Hug: Geschichte Badens, Stuttgart, 2. Auflage 1998, S. 240 f., hier: S. 241; vgl. Kirsch 1999, S. 406. 126 Vgl. zum bürgerlichen Blick auf die Monarchie über den Hofkünstler auch Warnke 1985, bes. S. 325. 127 Geisthövel 2008, S. 9. 128 Vorbildcharakter für alle deutschen Höfe für eine ähnliche, sich am zeitgenössisch geltenden Frauenideal orientierende Porträtproduktion auf königlicher Ebene besaß Königin Luise von Preußen: „­Keine andere Frau um 1800 war jedoch ihren Zeitgenossen visuell so präsent wie Luise, die weniger als ­reale Königin einer europäischen Mittelmacht, denn als Verkörperung weiblicher Identität schlechthin inszeniert, wahrgenommen und verehrt wurde. Die Flut zeitgenössischer Luisendarstellungen lässt die Königin als Figur einer Bildproduktion erscheinen, in der sich Diskurse über ideale Weiblichkeit, Porträt­ähnlichkeit und die Anforderungen monarchischer Distinktion wie Repräsentation überschneiden.“ Gerrit Walczak: „O des schönen Weibes, der Königin“ Das Frauenbild in den Porträts der Königin Luise von Preußen, in: Roggendorf/Ruby 2004, S. 191–206, S. 192. 129 Dieser Ausdruck sei Burcu Dogramaci: Wechselbeziehungen: Mode, Malerei und Fotografie im 19. Jahrhundert, Marburg 2011, S. 38 entliehen.

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7  Illustrirte Zeitung, Nr. 7, 12. August 1843, S. 1

folgte sie jahrhundertealten Legitimationsstrategien adeliger Frauen wie Catherine de Médici oder Madame de Maintenon, die „mit dem Rollenbild der schwachen, der politisch ungebildeten und einflusslosen Frau auch gezielt Politik machen konnten, dies zur Abgrenzung herrschaftlicher Handlungsfenster einsetzte[n]“.130 130 Keller 2016, S. 19, die die Forschungsergebnisse von Katherine Crawford (id.: Catherine de Medicis and the Performance of Political Motherhood, in: The sixteenth century journal 31, 3/2000, S. 643–660) und Corina Bastian (id.: Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts, Köln et al. 2013) zusammenfasst. Dass Frauen, die eine politische Position besetzten, im deutschsprachigen Raum gezielt in weibliche Handlungsfelder gepresst wurden, verdeutlicht auch die Rezeption von Königin Victoria in deutscher Presse. Beispielsweise übertitelt 1843 die Illustrirte Zeitung mit der Zeile Die Königin Victoria als Gattin und Mutter eine Abbildung von ihr mit Kind im Arm, ohne Hinweis auf ihre politische Position oder Tätigkeit (Abb. 7). Der darunter stehende Artikel stellt die politische Kompetenz der Königin in Frage und legitimiert ihre Position mit einem abwertenden

3.  Une reine vertueuse

Bereits während dieser frühen Aufträge kam Winterhalter mit differenzierten Anforderungen an einen Hofmaler in Berührung. Seine ersten Porträts malte er, als noch „Reformeuphorie“ herrschte und politische Aufbruchstimmung für bürgerliche Begeisterung seinem Herrscher gegenüber sorgte.131 Fortschrittlich war der Badische Hof, vor allem die mediale Seite der Öffentlichkeitsarbeit betreffend; die offiziellen Herrscherbilder existierten „nur“ als Stich. Im späten 19. Jahrhundert verlor die Bildgröße des Originals sukzessiv an Bedeutung und die neuen Möglichkeiten technischer Reproduzierbarkeit bestimmten die Verteilung politischer Porträts immer stärker. Als sich das politische Klima 1832 verschärfte, war Winterhalter auf dem Weg nach Italien und kehrte 1834 nur noch kurz nach Baden zurück, bevor er nach Frankreich übersiedelte, von wo aus er wenig später seine internationale Karriere mit seinem ersten großen Erfolg im Salon von 1836 startete.132

3.  Une reine vertueuse: Marie-Amélie und die Bildnispolitik der Julimonarchie Während der Straßenkämpfe, die Paris 1830 drei Tage lang in einen Ausnahmezustand versetzten, avancierten diverse gesellschaftliche Gruppierungen zu Helden der Revolu­ tion. Dies illustriert der Stich eines kurz nach der Julirevolution entworfenen Kartenspiels (Abb.  8): 27 Karten bilden entsprechende Protagonisten, Helden, symbolträchtige Orte oder Geschehnisse ab. Die Kreuz 7 schmückt die Allegorie der Freiheit, die das Volk anführt; als Herz-König posiert unverkennbar Louis-Philippe mit Backenbart und in Uniform, die Hand auf der Verfassung – unterschrieben ist die Karte mit dem Satz: « Elle sera désormais une vérité. » Die Herz-Dame ist Königin Marie-Amélie, deren Hand ebenfalls auf einer Pergamentrolle liegt; auch die Erwartungen an sie sind klar formuliert: auf der Pergamentrolle steht « Secours aux Blessés », unten auf der Spielarte « La reine Amélie. Bonté. Bienfaisance. » Der gerade gewählte König und seine Frau erscheinen hier als stolze Gewinner der Julirevolution. Louis-Philippe gab sich gerade zu Beginn seiner Herrschaft pflichttreu. Mit Erfolg, schnell brachten ihm seine öffentlichen Auftritte den Titel Roi Bourgeois ein. 1830 nahm ­ ommentar über das parlamentarische System Englands, in dem die Krone sowieso keine Macht habe: K „Deswegen können auch Frauen [den Königsthron] einnehmen, deswegen kann aber auch Victoria als Königin dort nichts Großes thun. Ihr bleibt eine schönere Aufgabe: Sie kann das Ideal einer Gattin und Mutter sein.“ Illustrirte Zeitung, Nr. 7, 12.08.1843, S. 1f. 131 Gall 1979, S. 32. 132 Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem französischen Königshaus und dem Großherzogtum in Karlsruhe lassen vermuten, dass Winterhalter empfohlen wurde. Armin Panter geht ausführlich den Möglichkeiten nach, wie der Künstler an den Hof Louis-Philippes gelangen und derartig schnell Erfolg haben konnte. Vgl. Panter 1996, S. 19 f.

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8  E. F. V. Maniez: Jeu des Héros des mémorables journées de juillet 1830, 32 ­Karten, 1831, Paris, Musée Carnavalet

er die ihm mit der Mehrheit der Deputiertenkammer angebotene Position des Königs an, leistete einen Eid auf jene frisch modifizierte Verfassung und verkündete seinem Volk in einer Proklamation: « La charte sera dèsormais une vérité. »133 Diverse strategische Maßnahmen sollten die Position des Königspaares nun festigen. Sie nannten sich Roi et R ­ eines des Français, nicht mehr « de France et de Navarre », und die Inthronisa-

133 Michael Erbe: Louis-Philippe 1830–1848, in: Peter Claus Hartmann (Hg.): Französische Könige und ­Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498–1870, München 1994, S. 402–421, S. 408.

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tion des Königs erfolgte im Palais Bourbon, dem Sitz der Deputiertenkammer.134 Das Strategieprogramm enthielt einige Punkte, die an das „nationale Ehrgefühl“ appellierten.135 Anstelle des Lilien­banners der Bourbonen wehte die Trikolore der französischen Revolution.136 Auch ließen der König und sein Premierminister Adolphe Thiers 1840 die sterblichen Überreste Napoléons I. mit den entsprechenden Ehrerweisungen in den Invalidendom überführen.137 Napoléon-Bonaparte war zu diesem Zeitpunkt in weiten Bevölkerungskreisen „zum populären Helden französischer Größe“ aufgestiegen, und das machte die Regierung sich zunutze.138 Unübersehbar ist das Vorhaben, sich von herkömmlicher Monarchie- und Königsvorstellung zu distanzieren. Das Image der Familie d’Orléans vor 1830, deren bürgerlich-liberale Mentalität in Pariser Kreisen allseits bekannt war, ermöglichte erst eine glaubwürdige Inszenierung ­eines liberalen Königtums. Doch wie authentisch war der nach außen ver­marktete bürger­lich-­liberale Appell? Louis-Philippe war zwar ein an seine Regierung gebundener und damit gewählter König, doch zugleich trat er seiner Meinung nach die legitime Erbfolge der Bourbonen an. Die Fortführung der Dynastie sollte ein Porträtzyklus von der königlichen Familie in einem neuen Museum im Schloss Versailles demonstrieren.139 Für dieses Vorhaben wurde seit 1838 Winterhalter engagiert, der im Pariser Salon bereits erste große Erfolge gefeiert hatte.140 Winterhalter unterhielt zu diesem Zeitpunkt ein kleines Atelier in Paris. Seine mit Abstand wichtigsten Ateliermitarbeiter waren, bis zu seinem Lebensende, sein Bruder Hermann Winterhalter (1808–1891) sowie Albert Graefle (1809–1889), dem im Atelier von 1839–1848 wichtige Aufgaben anvertraut wurden.141 Winterhalters Kleinunternehmen zeichnete sich schon damals durch hohe Zuverlässigkeit aus, sowohl die Koordination als auch die Qualitätskontrolle von Kopien und Rahmung seiner Gemälde betreffend. Seine Porträts des bourbonischen Herrscher­paares 134 Vgl. Erbe 1994, S. 409. Sein Titel enthielt den Zusatz von Gottes Gnaden nicht mehr, in Spanien oder Italien gab es diesen Zusatz noch. Vgl. Dollinger 1985, S. 346. 135 Paulmann 2000, S. 315. 136 Vgl. Erbe 1994, S. 409. 137 Vgl. Klaus Malettke: Die Bourbonen, Bd. III: Von Ludwig XVIII. bis zu Louis Philippe 1814–1848, Stuttgart 2009, S. 188. 138 Paulmann 2000, S. 314 f., hier: S. 314. 139 Die Renovierung und der Porträtzyklus, zu dem auch die einleitend besprochenen Porträts der Prinzessin Clémentine und der Herzogin Helene gehören, wurden aus der Zivilliste finanziert, die dem ­König 12 Millionen Francs zugestand. Vgl. Erbe 1994, S. 416. 140 1836 und 1837 erhielt Winterhalter für seine monumentalen Genrebilder Il dolce far niente und Decamerone die begehrte Medaille zunächst Zweiter und ein Jahr später Erster Klasse. 141 Vgl. Lex. Pariser Lehrjahre 2013, s. v. „Graefle, Albert“ (Gitta Ho), S. 96 f. Außerdem arbeiteten laut Lex. Pariser Lehrjahre 2013/2015 u. a. für ihn: Richard Lauchert, Bd. 1, S. 24; Mathias Leyendecker, Bd. 1, S. 179. Zu den Kopisten u. a. gehörten Georg von Bothmann, Bd. 1, S. 30, Georg Koberwein, Bd. 1, S. 148; Hermann Moritz Cossmann, Bd. 2, S. 35; Anton Hansmann, Bd. 2, S. 85; Caroline Pockels, Bd. 2, S. 201.

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führten bis zum Ende der Julimonarchie deren Bildnisprogramm an. Eine Analyse soll im Folgenden Aufschluss geben über die Entwicklung der Art der Außendarstellung während der Julimonarchie und strategische Legitimationsabsichten. Das Alter der Königin als Tugendgarant Winterhalters lebensgroßes Bildnis der französischen Königin Marie-Amélie von 1842 wurde bis zum Ende ihrer Herrschaft 1848 vom Königshaus als prominentes Zugstück genutzt (Taf. 6).142 Die sechzigjährige Königin steht mit dem Betrachter auf gleicher Ebene. Leicht in die Länge gezogene Proportionen nobilitieren sie ebenso wie die grazil ausgearbeiteten, wohl aus der Königlichen Spitzenmanufaktur in Alençon stammenden Spitzenbahnen, der schwere blaue Samt ihres Gewandes und das vergoldete Konsoltischchen zu ihrer Linken. Ihr graues Haar ist zu gepflegten Schläfenlocken gedreht und rahmt ihre feine Physiognomie. Marie-Amélie ist als Dame der höchsten Gesellschaft ausgewiesen, doch nicht auf den ersten Blick als Königin zu identifizieren. Nur schemenhaft auszumachen ist die zur klassischen Ausstattung eines Herrscherporträts gehörende Draperie mit Quaste im Bildhintergrund, die sich um eine Säule legt. Auffallender sind die detailliert gezeichneten, insigniengleich auf der Konsole dargebotenen Schreibunterlagen und Bücher, die sie als gebildete und tätige Frau ausweisen: Deutlich zu erkennen sind Siegel und Siegelwachs, Hefte, Bücher, Tintenroller, Schreibfeder und Tintenfass, einige Zettel oder Briefe sowie ein Schreibset. Auf dem rechten Buch markiert die große Ziffer 2 einen Enzyklopädie-Band. Glänzende, mit Goldfäden verwobene Taftbänder halten die Spitzenhaube. Die Züge ihres ernsten Gesichts mit papierener, von Fältchen durchzogener Haut und leicht wässrigen Augen offenbaren ihr wahres Alter. Pose und Gestik drücken Zurücknahme aus, die aufrechte Haltung zugleich Selbstbewusstsein. Die durch den gelängten Körper und den weit herabhängenden Schal betonte Mittelsenkrechte sorgt für eine stabile Komposition; die unaufdringliche Farbgebung unterstützt jene Vornehmheit, die auch Mimik und Pose suggerieren. Selbst der Rahmen ist kein prunkvoller Trophäenrahmen, sondern eine schmucklosere Variante.143 Außer Perlenschnüren schmücken sie ihr Ehering und ein breites Armband, in das ein Miniaturporträt ihres Ehemanns eingearbeitet ist.144 Weiße, aufwendig gearbeitete Seiden-Handschuhe, von denen sie nur einen trägt, waren

142 Panter nutzt den Zyklus, um exemplarisch die qualitativen Unterschiede zwischen Winterhalters Frauen­ porträts und seinen Männerporträts zu diskutieren, das Gemälde der Königin erwähnt er rein deskriptiv und kurz. Vgl. Panter 1996, S. 100 f. 143 Zu sehen in diversen Ausstellungen und dauerhaft in der Sammlung des Musée du Château de Versailles. 144 Die Miniatur an ihrem Armband ist als Kopie des Winterhalterschen, 1839 gemalten Porträts von Louis-­Philippe zu identifizieren.

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9  Louis Hersent: Marie-Amélie de ­Bourbon, reine des Français, 1836, Öl auf Leinwand, 220 × 158 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

10  Louis Hersent: La reine Marie-Amélie, le duc ­d’Aumale et le duc de Montpensier, 1835, Öl auf ­Leinwand, 230 × 165 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

vor der Französischen Revolution ein dem Adel vorbehaltenes vestimentäres Z ­ eichen.145 Ein geschlossener, sie damit als verheiratete Frau ausweisender Fächer beschäftigt ihreHände. Winterhalter nutzt eine regalienfreie Ikonografie, wie sie auch die offiziellen Bildnisse von Marie-Amélie der 1830er Jahre zeigen, doch sein Porträt markiert einen Einschnitt.146 Winterhalter fokussiert, was vorherige Künstler nicht thematisierten: zum ­einen ihr wahres Alter, zum anderen die gelehrte Frau. Das Alter der Königin in einem lebensgroßen Staatsporträt derart naturgetreu zu ­offenbaren, wie Winterhalter es hier bewusst tut, war untypisch. Der Maler entblößt F ­ alten 145 Erstmals erlangte der Handschuh als liturgisches Gewandstück den Rang eines Insigne; zur Geschichte des Handschuhs als Prunkstück und Amtszeichen vgl. Berent Schwineköper: Der Handschuh im Recht, Ämterwesen, Brauch und Volksglauben, Sigmaringen, 2. Auflage 1981, S. 40. 146 Zum Vergleich mögen zwei populäre Ölporträts von Louis Hersent dienen, die Marie-Amélie im klassischen Schema eines Regalienbildnisses zeigen oder ihre Mutterrolle thematisieren (Abb. 9 u. Abb. 10).

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und Tränensäcke – zwar ohne seinem Modell Würde zu nehmen, indem er sie insgesamt idealisert. Doch ein solches Bildnis hätte noch im 18. Jahrhundert nicht ohne Weiteres akzeptiert werden können. Traditionell alterte der Körper der Königin im Bildnis nicht derart offensichtlich. Schaut man auf späte Porträts Maria Theresias von Öster­reich (z. B. 56-jährig malte sie Anton von Maron 1773, Kunsthistorisches Museum, Wien), hat sie zwar ein Doppelkinn, doch ihr rosiger Teint transportiert die Spannkraft einer ­jüngeren Frau. Auch die Porträts etwa von Marie Leszczynska, der Gattin Ludwigs  XV., zeigen grundsätzlich nicht ihr biologisches, sondern ein etwas jüngeres Alter.147 Hier ist auch an die Bildnisse Elizabeths I. zu erinnern, deren letztes „Rainbow-Porträt“ die 67-jährige jünger zeichnet als die meisten zuvor.148 Und die frühen Gemälde von Marie-­Amélie, die Louis Hersent anfertigte, zeigen ebenfalls deutlich weniger Falten als der Zeit­spanne von sechs Jahren, die zwischen seinen Bildnissen und Winterhalters ­Porträt liegt, ent­ spräche.149 Der Grund liegt darin, dass Schönheit bis ins späte 18. Jahrhundert als moralisches Bewertungskriterium fungierte, vor allem im weiblichen Herrscherdiskurs.150 Im 19. Jahrhundert hingegen entwickelte sich eine realistische Darstellungsweise von Altersspuren im Porträt im bürgerlichen Umfeld zum Aushängeschild moralischer Integrität. Ferdinand Georg Waldmüllers Porträt seiner Mutter mag hier als Beispiel dienen (Abb. 11): Fältchen und jede andere Unebenheit des Gesichts sind ebenso detailgetreu ausgearbeitet wie die Spitze ihrer Haube, der Glanz der Seidenschleife oder der Faltenwurf ihrer Kleidung, die sie unmissverständlich als Bürgerliche ausweist.151 Mit der gleichermaßen detaillierten Malart von Alterszeichen und feinen Stoffen wird das Alter an sich aufgewertet; die Dargestellte drückt zeitgenössisches klassenbewusstes Selbstbewusstsein und Stolz aus. Authentizität zu transportieren scheint das Ziel Waldmüllers gewesen zu sein.

147 Zur Darstellung älterer Damen und vor allem Herrscherinnen in China im 19. Jahrhundert vgl. Teng Yuning: Dispersing the Political Shadow. Constructing and Deconstructing Authority in the Portraits of Cixi, in: Uwe Fleckner u. Titia Hensel (Hg.): Hermeneutik des Gesichts. Das Bildnis im Blick aktueller Forschung, Berlin u. Boston 2016, S. 183–208, S. 190: “No shadow! No wrinkles either!” ist die Reak­tion der Kaiserin Cixi auf die zu realistische Darstellung ihres Konterfeis westlicher Künstler. 148 Zugeschrieben Marcus Gerards d. Jüngeren (um 1600–1602, Collection of the Marquess of ­Salisbury, Hatfield). Vgl. Regina Schulte: Der Körper der Königin – konzeptionelle Annäheruungen, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 9–26 (Schulte 2002a), S. 15. 149 In Männerporträts ist das anders: Hyacinthe Rigauds Bildnis von Ludwig XIV. zeigt beispielsweise das Alter des Königs relativ schonungslos (Abb. 35). 150 Vgl. zum Schönheitsdiskurs zu Maria Theresia Sandra Hertel: Vom Nutzen der Schönheit. Maria ­Theresia in Text und Bild, in: Braun/Kusber/Schnettger (Hg.) 2020, S. 273–291. 151 Vgl. Michael Krapf: Das Porträt 1700–1840. Die Konzentration auf das Antlitz als „Spiegel der Seele“, in: Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006, S. 8–25, S. 21.

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11  Ferdinand ­Georg Waldmüller: ­Elisabeth Waldmüller, 1830, Öl auf Leinwand, 94,7 × 75,4 cm, Wien, Österreichische Galerie Belvedere

Eine ähnliche „unproblematische Identitätserfahrung“ ermöglicht Winterhalters Porträt der französischen Königin.152 Das regalienfreie, schlicht komponierte Bildnis mündet damit in einer Kombination von seinerzeit als bürgerlich geltenden und her-

152 Barbara Wittmann schreibt von einer „unproblematische[n] Identitätserfahrung“, die das Bürgertum sich vom typischen Porträt der Julimonarchie wünschte, „eine Transparenz der Zeichen, die die Ähnlichkeit des Modells mit seinem Porträt einerseits und die Identität von Individuum und ­Klasse andererseits bestätigen soll.“ Barbara Wittmann: Gesichter geben. Édouard Manet und die Poetik des ­Portraits, München 2004, S. 32. Man denke auch an Jean-Auguste-Dominique Ingres’ Porträt des M. Bertin (1832, Musée du Louvre, Paris).

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kömmlichen aristokratischen Repräsentationsmodi.153 Marie-Amélies Antlitz forderte die Kunstkritiker nicht heraus, wie jenes ihrer Tochter Clémentine d’Orléans, sondern es wurde angenommen: « Des trois portraits exposés par M. Winterhalter, celui de la reine est le plus sobre d’appareil pittoresque et le meilleur comme portrait, » heißt es 1842 in der Revue des deux mondes.154 Das Bildnis der Marie-Amélie zielt auf die Demonstration eines idealen Königinnen­ images ihrer Zeit: Zurückhaltung suggeriert Bescheidenheit, ihr ausgestelltes Alter verspricht Authentizität, die Bücher und Arbeitsutensilien benennen den Wert, der Arbeit und Bildung beigemessen wird. Wie in Maurice Quentin de La Tours Bildnis der Madame de Pompadour von 1755 (Musée du Louvre, Paris) verweist das Tischchen mit dem Lexikon-Band auch auf die Enzyklopädisten. Ein Armband mit der Miniatur ihres Ehemannes zu tragen, bekundet wahre Zuneigung, was dem (bürgerlich-)idealen Lebensentwurf von Eheglück entsprach. Kunstkritiker wie Roger de Piles, Étienne La Font de Saint-Yenne oder Jean-Jacques Rousseau zählten im 18. Jahrhundert in Kommentaren zur Porträtflut öffentlicher Ausstellungen auf, wer ihrer Meinung darstellungs- und ausstellungswürdig sei. Erwähnt werden « reines vertueuses » und « bons rois » sowie ganz allgemein « tous nos S­ ouverains humains et bienfaisants  ».155 Gefordert wurde, dass die Auswahl nicht nur nach Amt oder Stand, sondern nach Nutzen für die Gesellschaft gegliedert wurde, nach einem „am Gemeinwohl orientierten Tugendkanon[]“.156 Das waren Vorstellungen, die auch nach der Julirevolution auf fruchtbaren Boden fielen. Im Vordergrund einer Beurteilung des Herrschers von seinem Volk standen im 19. Jahrhundert persönliche Verdienste und tatsächliche Leistung. Winterhalters Darstellung der Marie-Amélie präsentiert – um La Fonts Vokabular zu nutzen – eine zeitgenössische reine vertueuse. Ähnlich wie Großherzogin Sophie von Baden erscheint die Köngin als Ratgeberin ihres Mannes und bekleidet damit Aufgaben­ gebiete, die der Ehefrau des Herrschers seit dem Mittelalter traditionell zukamen.157 Das Tugendporträt wurde bis zum Ende der Julimonarchie vielfach genutzt, rezipiert und

153 Vgl. Panter 1996, S. 101, der nach einer kurzen Bildbeschreibung Ähnliches, aber ohne Begründung, konstatiert. 154 Louis Peisse: Le Salon de 1842, in: Revue des deux mondes, 01.04.1842, S. 245. 155 Étienne La Font de Saint-Yenne: Sentimens sur quelques ouvrages de Peinture, Sculpture et Gravure, ­Paris 1754, S. 134. 156 Schoch 1975, S. 26 f., hier: S. 26. 157 Vgl. Keller 2016, S. 19.

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kopiert.158 Das französische Königspaar sollte eine tugendhafte Vorbildfunktion wahr­ nehmen.159 Jo Margadant verficht die These, dass das öffentliche Image von Marie-Amélie bevor sie Königin der Franzosen wurde, die Inthronisation Louis-Philippes erst ermöglichte; sie verkörpere als Ehefrau und Mutter einer « famille sentimentale classique » e­ inen Tugendkatalog, der den vorherrschenden zeitgenössischen bürgerlichen Idealvorstellungen entsprach.160 Dieses Konzept unterstrich Winterhalter 1842 mit seinem Bildnis der Königin. Die Regalienporträts des französischen Königs Im Gegensatz zu Marie-Amélies Bildnissen sind diejenigen von Louis-Philippe oft analysiert worden.161 Da die Porträts des Herrscherpaares erst im Zusammenspiel ihre ­eigentlichen Funktionen entfalten, verwundert es allerdings, dass das Bildnis von Marie-­ Amélie selten zum männlichen Pendant in Korrelation gesetzt wurde. Winterhalters ­Porträt des französischen Königs Louis-Philippe von 1839 wurde drei Jahre vor demjenigen Marie-Amélies angefertigt. Erst das von Winterhalter kreierte Image der Königin deckt die Bedeutung des Louis-Philippeschen Porträts auf: In ihrem fand die Betrachterin Hinweise auf einen sozial-verbindenden Tugendkanon, in demjenigen ihres Mannes die Legitimationsgrundlage seiner Herrschaft durch dynastische Kontinuität der bourbonischen Familie.162 Louis-Philippe steht dem Betrachter – wie Marie-Amélie – stufenlos gegenüber (Taf. 7). Auch an seiner ernsten, nuanciert ausgearbeiteten Miene ist das Alter ablesbar. Volle Koteletten entsprechen der biedermeierlichen Mode. Der Monarch trägt kein Krönungsornat, sondern eine reich dekorierte Generalsuniform. Angelehnt an traditio­nelle Herrscherdarstellungen rahmen die Figur Draperie und Pfeiler und gewähren ­einen 158 Z. B. ist Jean-Jacques Pradiers Terracotta-Skulptur von Marie-Amélie (Musée Condé, Chantilly) nach diesem Porträt entstanden. Zu Kopien der Winterhalterschen Porträts von Marie-Amélie und Louis-­ Philippe auf Vasen, Schmuckstücken, Schreibtischablagen oder in Miniaturen vgl. L MV 5111, Documentation, Château de Versailles. Für herzliche Unterstützung aus der Documentation danke ich ­Frédéric Lacaille, Delphine Dubois und Christine Desgrez. 159 Vgl. Sarah Hanley: Configuring the Authority of Queens in the French Monarchy, 1600s–1840s, in: Historical Reflections/Réflexions Historiques, Bd. 32, 2/2006, S. 453–464, S. 461 f. 160 Jo Burr Margadant: Les représentations de la reine Marie-Amélie dans une monarchie « bourgeoise », in: Revue d’histoire du XIXe siècle, Nr. 36, 1/2008, S. 93–117, S. 96 u. S. 104. Gleichzeitig begründet sie mit dieser bürgerlichen Mentalität auch die Erfolglosigkeit der Julimonarchie. Die zunehmend negative Beurteilung des bürgerlichen Philisters und deren von der Presse und politischen Opposition hergestellte Verbindung mit dem Königshaus habe diese zur Folge gehabt, vgl. Margadant 2008, S. 105. 161 Vgl. vor allem Michael Marrinan: Painting politics for Louis-Philippe. Art and Ideology in Orléanist France, 1830–1848, New Haven u. London 1988; vgl. Panter 1996, S. 90 ff.; vgl. Reisberg 2016, S. 82 ff. 162 Trotz der leichten Differenz der Formate wurden die Porträts bis zum Ende ihrer Herrschaft als Herrscherporträtpaar genutzt.

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Ausblick in eine Parklandschaft. Wie seine Frau trägt und hält er jeweils einen Handschuh. Neben ihm liegen, auf einem roten Samtkissen angeordnet, Krone, Zepter und main de justice; letztere weist auf die Hand des Königs, berührt diese gar fast.163 Eher unauffällig und etwas unter das Regalienkissen geschoben ruht die schmale Charte constitutionelle von 1830, die erst durch die aufgelegte Hand besonderen Stellenwert erlangt.164 Bei korrekter Hängung des Porträts liegt die charte auf Augenhöhe der Betrachterin. Charte und Uniform waren fester Bestandteil der Königs-Ikonografie der Julimonarchie. Winterhalters Porträt birgt jedoch, obgleich der Maler diese Elemente berücksichtigt, eine politisch provokante Botschaft. Um diese klarer extrahieren zu können, sei ein Blick auf die frühere Ikonografie des Herrschers erlaubt. Der König der Franzosen verdankte seine Position der Volkssouveränität und wusste um die Unsicherheit seines ­Postens. Die Verfassung neben die Krönungsinsignien zu legen, war ein wichtiger Schachzug. Sie beinhaltet eine Vereinbarung zwischen König und Volk, der Monarch war an die Charte constitutionelle gebunden, die zentrale Grundrechte, wie Gleichheit vor dem Gesetz oder Presse- und Religionsfreiheit, festlegte.165 Strategisch klug war auch das Tragen einer Uniform in einem von der Komposi­tion als Regalienporträt angelegten Porträt.166 Ein Monarch in Uniform war als Teil einer Armee zu identifizieren, an der der Untertan ebenfalls teilhaben und für das gemeinsame Vaterland kämpfen konnte.167 Außerdem grenzte Louis-Philippe sich mit dem Tragen ­einer Uniform von den Darstellungen im Krönungsornat seiner Vorgänger der Restaurationszeit ab.168 Eine Uniform trägt Louis-Philippe bereits vor 1830 in zahlreichen Stichen.

163 Die Krone existierte gar nicht, vgl. Panter 1996, S. 93. 164 Immerhin wird das Porträt von Louis-Philippe in der Documentation des Musée de Versailles unter dem Titel Louis Philippe en pied, la main sur la charte aufgeführt. 165 Der Text ist abzurufen unter http://www.verfassungen.eu/f/fverf30-i.htm (22.11.2020). 166 Vgl. zum Begriff des Regalienporträts Kap. II. 1. Dass die Uniform zur beliebten Porträtkleidung im 19. Jahrhundert avancierte, erwähnt etwas ausführlicher auch Reisberg 2016, S. 209. Vgl. auch ­Philip Mansel: Monarchy, Uniform and the Rise of the Frac 1760–1830, in: Past & Present, Bd. 96, 1/1982, S. 103–132, der erklärt, wie die Uniform das Distinktionsproblem des Fracks zu lösen vermochte. 167 Egalisierend war die Uniform allerdings nicht. An ihr war genau abzulesen, welchen Rang oder Adelstitel der Träger besaß. Vgl. Sabine Brändli: „Der herrlich biedere Mann“ Vom Siegeszug des bürgerlichen Herrenanzuges im 19. Jahrhundert, Zürich 1998, S. 233 ff. 168 Vgl. zur Funktion der Uniform im höfischen Bildnis Kap. II. 4. Kessler Aurisch vermutet, dass Louis-­ Philippe sich wegen seiner Entscheidung gegen eine Krönung auch gegen ein Krönungsornat entschieden habe. Vgl. Helga Kessler Aurisch: Der vollendete Hofmaler, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 14–23, S. 18. Die Uniform kann ikonografisch als Nachfolger der Rüstung im Königsporträt des 18.  Jahrhunderts eingeordnet werden. Beide verweisen auf die militärische Position des Herrschers und seine Macht, über Krieg und Frieden zu bestimmen, vgl. Philippe Bordes: The Portrait in ­Armour in Bourbon France. Artistic Challenge and Political Strategy from Louis XIV to Louis XVI, in: Barbara Stollberg-­Rilinger u. Thomas Weißbrich (Hg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010, S. 91–

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12  Alexis François Girard nach Louis ­Hersent [1831]: Louis-Philippe Ier, roi des Français, 1832, Mezzotinto, 69 × 49 cm, Privatbesitz

Das erste Auftrags-Porträt, das Louis-Philippe als frisch ernannten König zeigt, stammt von Louis Hersent und wurde 1831 im Salon ausgestellt (Abb. 12).169 Der Herrscher trägt die Uniform der Nationalgarde. Die traditionelle Kulisse kontrastiert symbolisch das wahre politische Leben links im Hintergrund, wo mehrere bürgerlich ge­kleidete Männer auf den König warten. Hersent entlarvt den Thronraum als normales Zimmer innerhalb des Palais. Ein sozusagen realer, kein symbolträchtiger, von Pneuma aufgebauschter Vorhang teilt die Atelierszene ab. Unbestückt liegt das Insignienkissen auf dem Boden. Dieses erste Königsporträt unterscheidet sich von allen folgenden, vor allem, da die Charte nicht im Bild liegt. Der reale Umraum mit den Wählern und Mitregierenden zeugt von der verfassungsrechtlichen Gebundenheit des französischen Monarchen. 1832 malte Horace Vernet den König.170 In der Uniform der Nationalgarde präsentiert der Herrscher zwar alle Regalien in klassischem Umraum mit Vorhang und ­Säule,

104. Bordes zeichnet die Tradition des maskulinen Porträts in Rüstung von der Renaissance bis zur Französischen Revolution nach. 169 Vgl. zur Entwicklung von Louis-Philippes Porträts Marrinan 1988, hier: S. 3 u. S. 220, Anm. 7. Das Original-­Ölgemälde (Salonnr. 1062) wurde wahrscheinlich 1848 zerstört. Die hier besprochene Aquatinta ist eine Kopie des Porträts von François Girard von 1832. 170 Das Gemälde von Vernet wurde im Salon von 1833 ausgestellt. Auch Panter nimmt einen Vergleich mit Gérard und Vernet vor und erkennt den größeren Pomp im Winterhalterschen Bildnis, vgl. ­Panter

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13  François Gérard: Louis-Philippe, Roi de Français, 1834, Öl auf Leinwand, 222 × 157 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

doch die royal-pompöse Wirkung verliert gegenüber dem Winterhalterschen Bild: Den Porträthintergrund nimmt nämlich eine Trikolore ein, auf der deutlich der Schriftzug ­Liberté zu lesen ist. Und die Charte, auf die Louis-Philippe sich stützt, übertrifft alle ­Insignien an Größe und Wichtigkeit; damit gewinnt sie den Rang einer Regalie. Ein drittes Porträt, gemalt von François Gérard, zeigt den König 1833 wieder in der Uniform der Nationalgarde – dieses Mal dynamisch posierend in einem traditionellen idealisierten Thronraum (Abb. 13). Hinter dem Herrscher steht ein mit seinen Initialen bestickter und von geschnitzten Regalien gekrönter Thron; doch vorn im Bild, deutlich beschriftet, befindet sich isoliert die aufgeschlagene Charte von 1830, welche durch ihre Positionierung auf einem Insignienkissen höchste Relevanz erhält.

1996, S. 91 f. Es ist Panters Kritik am Katalogtext zum Kat. Courts of Europe 1987 zuzustimmen, wo jene Vergleichsporträts als “bombastic” und “flamboyant” charakterisiert werden (S. 183). Marrinan ­charakterisiert Louis-Philippe in Winterhalters Porträt als “epicenter of power” und begründet das topo­graphisch. Der Ausblick helfe, den Platz einzuordnen, und zwar genau auf der so symbolischen Achse, die vom “Arc du Caroussel in the courtyard of the palace to the Arc de Triomphe de l’Etoile” führt. Marrinan 1988, S. 15.

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Die frühen Porträts zeigen den König in der Uniform der ideologisch aufgeladenen Nationalgarde und heben die Charte als wichtigstes Instrument der Herrschaft Louis-­ Philippes deutlich hervor. Sie unterscheiden sich in diesen elementaren Punkten vom Winterhalterschen Bildnis, auf dem der König die ranghöhere Generalsuniform trägt und den klassischen Herrschaftsinsignien deutlich mehr Macht und Raum bietet.171 Dieses wird in der offiziellen – und damit royalistischen – Salonbroschüre besprochen. «  Le portrait du roi et très beau, bien posé, d’une dignité calme, sans raideur, sans emphase,  » beginnt der begeisterte Kommentar des Verfassers;172 ein übertrieben positives Urteil, da jedem aufmerksamen Betrachter aufgefallen sein müsste, dass die hier abgebildete Charte im Vergleich zu den oben besprochenen früheren Porträts massiv an Größe verloren hat. Andere Kritiker merken diesen Wandel in der Ikonografie an: « Celui-­ci est un portrait d’apparat qui ressemble peu à tous ceux qui ont été exposés depuis huit ans. »173 Auch dass der König die Uniform gewechselt hat, fällt demselben Kritiker unangenehm auf.174 Außerdem prangert der Kunstkenner den Winterhalterschen Thronraum an: « […] l’appartement n’est plus un intérieur simple et bourgeois. » Nach langer Aufzählung der glänzenden Regalien, meint er – in ironisch überraschtem Tonfall – ein rotes Büchlein zu erkennen: « […] c’est la charte de 1830, vous savez, la charte-­ vérité. » Das Winterhaltersche Porträt von 1839 deutet einen Tugendkönig nur noch an, der Pomp dominiert. Mit der Uniform stilisiert der Künstler den Bürgerkönig zwar immer noch zum „ersten Diener des Staates“ und verweist auch auf dessen politische Arbeit.175 Doch ist die Charte hier sehr viel unauffälliger ausgefallen, und dem traditionellen Apparat in dominierender rot-goldener Farbgebung wird sichtlich mehr Platz eingeräumt als in Louis-Philippes älteren Herrscherporträts. Somit entspricht Winterhalters Darstellung des Königs kaum einem « bon roi », wie er La Font im 18. Jahrhundert ­vorgeschwebt 171 Reisberg konstatiert hingegen für das Winterhaltersche Bildnis: “[Louis-Philippe] never commissioned the customary portrait d’apparat.” Er sieht Louis-Philippe in der Rolle des “military leader, visually justifying his privileged position as the head of the constitutional monarchy by focusing public attention on his loyalty, patriotism, and service in the armed forces.” Reisberg 2016, S. 88. Aus seiner Sicht machen die Existenz der Uniform und der barrierefreie Zugang zum Dargestellten das Porträt zu ­einem moderneren. Selbiges konstatiert er später für Winterhalters Regalienporträt von Napoléon III. (S. 137). 172 Alexandre Barbier: Salon de 1839, Paris 1839, S. 126. 173 Hier und im Folgenden: Vicomte Walsh: La Mode au Salon de 1839. portraits politiques, in: La mode: revue des modes, 16.03.1839, S. 326–328. Dieselbe Quelle zitiert in anderen Teilen auch Panter 1996, S. 91, der allerdings den Schluss zieht, dass das 1839 „entstandene[] Staatsporträt allgemein Anerkennung […] gefunden hatte“, S. 95. 174 « Ce n’est plus l’uniforme de garde nationale avec le pantalon blanc de calicot ou de croisé de coton; c’est l’habit d’officier-général avec les broderies d’or et le pantalon garance galonné. » Man beachte die Wichtigkeit der Stofflichkeit: Baumwolle versus Goldbesätze. 175 Diese Wendung nutzt Rainer Schoch für Herrscherporträts der Aufklärung, id. 1975, S. 27.

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haben mag. Vielleicht wurde auf die Kritik reagiert und auch deshalb drei Jahre später ein Tugendporträt von Louis-Philippes Ehefrau Marie-Amélie in Auftrag gegeben. Ihr Image konnte auf seine Darstellung ergänzend wirken. Mentalität des Hofes der Julimonarchie Was bedeutet der schleichende Wandel in Louis-Philippes Ikonografie in Richtung e­ iner restaurativen Monarchie-Auffassung? Wie authentisch waren seine frühen offiziellen Herrscherporträts? Diverse Fakten weisen auf eine tatsächliche bürgerliche Mentalität des Hofes unter Louis-Philippe und Marie-Amélie gegenüber älterer Herrschaftsauffassung. Das Paar teilte sich zum Beispiel eine Wohnung in den Tuilerien – eine in Frankreich vorher und nachher unübliche Konstellation –, sodass das ancien appartement ordinaire des Königs nicht mehr als solches genutzt wurde.176 Die ancienne chambre du Roi avancierte zum salon de Famille. Außerdem erhielt das appartement de gouvernement einen eigenen Eingang.177 Beruf und Privatleben wurden damit getrennt. Ähnliche Abkehr vom Dekorum demonstriert, dass sich das Herrscherpaar beim Vornamen nannte oder Arm in Arm durch die Tuilerien flanierte.178 In Frankreich galt bei Hofe, „Affekte und spontane Gefühlsäußerungen“ strategisch zu verbergen oder zu kanalisieren; ein Verhalten, das Norbert Elias mit dem Terminus „höfische ‚Rationalität‘“ belegt.179 Louis-Philippe und Marie-Amélie machten hingegen gezielt auf ihr bürgerlich-sentimentales Eheglück aufmerksam. Die Kinder des Herrscherpaares besuchten öffentliche Schulen und erhielten eine ähnlich aufgeklärte und vielseitige Ausbildung wie ihr Vater.180 Zu offiziellen Bällen und Empfängen waren Angehörige verschiedenster gesellschaftlicher Schichten geladen, Bürgertum und Aristokratie waren nicht mehr klar zu trennen, wofür unter anderem die Regierung verantwortlich war, die 1838 die An­ maßung von Adelstiteln außer Strafe gesetzt hatte.181 176 Sich eine Wohnung zu teilen, entsprach seinerzeit eher bürgerlichem Alltagsleben. Vgl. Paletschek 1994, S. 174 f. 177 Colombe Samoyault-Verlet: Les Appartements des souverains en France au XIXe siècle, in: Werner (Hg.) 1985, S. 121–138, S. 129. 178 Vgl. Margadant 2008, S. 98. 179 Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft, Baden-Baden 2002, S. 158 ff., hier: S. 160. Vgl. Paletschek 1994, S. 161. 180 Vgl. Margadant 2008, S. 98 f.; vgl. Erbe 1994, S. 407 f. Louis-Philippe hatte eine „für einen Hochadligen jener Zeit ungewöhnliche, ganz auf die Ideen der Aufklärung hin ausgerichtete Erziehung“ erhalten. Seine Erzieherin war eine Anhängerin Rousseaus, und seine Schwestern erhielten die gleiche Erziehung. Erbe 1994, S. 405. 181 Vgl. Suzanne d’Huart: La Cour de Louis-Philippe, in: Werner (Hg.) 1985, S. 77–85, S. 84; vgl. Claude-­ Isabelle Brelot: Das Verlangen nach Adel und Standeskultur im nachrevolutionären Frankreich, in: Conze/­Wienfort (Hg.) 2004, S. 59–64, S. 61. Diese Titel wurden auch 1858 im Second Empire anerkannt. Solches Vorgehen begann unter Napoléon I.: „Der alte Adel nimmt seine Titel wieder auf, der

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14  Franz Xaver Winterhalter: Louis-Philippe Ier, roi des Français, 1839, Öl auf Leinwand, 89 × 71 cm, Balleroy, Château de Balleroy

Seinem forcierten Image als Bürgerkönig entsprechend ließ Louis-Philippe sich immer wieder in bürgerlicher Mode abbilden. 1839, als er jenes oben besprochene Regalien­ porträt in Auftrag gab, bestellte er bei Winterhalter zusätzlich ein Hüftstück in bürger­ lichem Gehrock (Abb. 14). Dieses Bildnis wurde nicht im Salon ausgestellt; offenbar war es nur für ein bestimmtes Publikum angefertigt worden und sollte keinesfalls als Gegenentwurf zum (eben nicht besonders bürgernah gestalteten) Regalienporträt verstanden werden können.182 Doch ist die offenkundig zur Schau gestellte Liberalität des Herrscherpaares mit Vorsicht zu bewerten. Kritik wurde laut in Bezug auf die Heiratspolitik ihrer acht Kinder, die nicht der Logik eines Bürgerkönigs folgte, sondern zutiefst royalen Traditionen.183 Der König war überzeugt von der politischen Legitimität der bourbonischen Linie und seiner Position.184 In zahlreichen Reden betonte Louis-Philippe seinen Status als ­alleiniger neue behält die seinen,“ heißt es in der charte von 1814, Art. 71. Die Folge eines solchen Versuches, die bürgerlichen Elitespitzen für sich zu gewinnen, waren inflationäre Nobilitierungen. Es sollten „bürgerliche Leistung (Tugend) durch monarchische Ehre“ ausgezeichnet und „Bürgertum und Monarchie in Einklang“ gebracht werden. Dollinger fasst Aussagen von Montesquieu in eigenen Worten zusammen. Dollinger 1985, S. 332 f. 182 Vier Jahre später malte Winterhalter den König noch einmal. Dieses Mal en costume bourgeois, sich auf sein Leben im Exil 1793 beziehend, vorgesehen für einen Zyklus von „Propagandabildern, die wichtige Situationen im Leben des Königs illustrieren und dessen Verdienste und Fähigkeiten“ herausstellen sollten. Panter 1996, S. 96. 183 Zur Kritik vgl. Hanley 2006, S. 453–464, hier: S. 462 ff. 184 Vgl. Huart 1985, S. 84.

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Regierender, was vielerorts für empörte Debatten sorgte, in denen die Vorrangstellung der Kammer und des Premierministers gegenüber dem König akzentuiert ­wurde.185 Wie doppeldeutig die „bürgernahe“ Politik der Julimonarchie von Anfang an war, bekunden auch viele kleine Vorfälle, die die Regierung zu verantworten hatte: Honoré D ­ aumier wurde 1832 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil er eine Karikatur von Louis-­ Philippe als Gargantua veröffentlicht hatte. Eugène Delacroix’ Gemälde Die Freiheit führt das Volk an wurde 1833 ins Depot der staatlichen Sammlungen verbannt.186 Die September­gesetze von 1835 schränkten die Pressefreiheit weiter ein.187 Zu den Reaktionen auf solche Vorkommnisse gehörten nicht nur zahlreiche Karikaturen wie Charles Philipons Métamorphose de Louis-Philippe en poire (1831) oder Reception (1832) von Jean-Ignace Grandville et Eugène Forest, auch Marie-Amélie als Birne diskreditierend, die das Image des Bürgerkönigtums in der Öffentlichkeit gleich zu Beginn sabotierten. Sondern immer wieder gab es auch Aufmärsche, Kundgebungen oder Streiks.188 Eine Verschärfung der sozialen Gegensätze während seiner Regierungszeit hatte Louis-Philippe mit zu verantworten. Die Wirtschaftskrise von 1847 bereitete seinen ein Jahr später stattfindenden Sturz vor.189 * Die Ikonografie des französischen Königspaares Louis-Philippe und Marie-Amélie veränderte sich im Laufe ihrer 18-jährigen Herrschaft. 1839 läuteten die Wahl eines neuen Hofmalers für jenen Familienzyklus in Versailles und damit auch neue offizielle Staatsporträts einen deutlichen Wandel ein.190 Daraus folgten geschlechtsspezifische Differenzen: Winterhalters klassisches Regalienporträt des Königs, das der charte nur noch wenig Platz einräumt, führt weg von liberaler Monarchendarstellung hin zu offensiver Machtdemonstration und dominierte fortan Louis-Philippes Porträtprogramm.191 ­Dieses ­entsprach 185 186 187 188

Vgl. Malettke 2009, S. 183. Vgl. Marrinan 1988, S. 68. Vgl. Malettke 2009, S. 183. Zu Streiks und Erhebungen und deren gewaltsamer Niederschlagung vgl. Jean Tulard: Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789–1851, Stuttgart 1989, S. 359 u. S. 363 f. Besonders die Gruppierungen « le mouvement » und « la résistance » sorgten für ein reges politisches Leben. Zu der Partei des Widerstands gehörten viele Wirtschafts- und Bildungsbürger. Diese „befürworteten den nunmehr gegebenen politischen und gesellschaftlichen Status quo“ unter Louis-Philippe. Malettke 2009, S. 172. 189 Vgl. Erbe 1994, S. 418. 190 Vgl. Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 101. Hier wird ein „Wandel in der Darstellung des Herrschers“ konstatiert, aber nicht begründet. Panter zitiert den Intendanten der Zivilliste, der berichtet, dass und inwiefern Louis-Philippe aktiv die Entstehung der von ihm in Auftrag gegebenen Kunst­werke kontrollierte. Vgl. Panter 1996, S. 93. 191 Vgl. zum Terminus des Regalienporträts in dieser Arbeit Kap. II. 1. Übrigens entstand 1841 ein zweites lebensgroßes Porträt von Winterhalter, das die Figur des Königs nahezu identisch in einem musealen Umraum wiederholt; wahrscheinlich posiert der König im von ihm in Versailles eingerichteten

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mit der Betonung seines exklusiven Ranges kaum mehr dem klassen-sozialen Anspruch, den der Designer des Kartenspiels von 1831 an einen Herz-König der Julirevolution im Sinn gehabt hatte. Drei Jahre später brillierte Marie-Amélie als tugendhafte und gebildete Königin in Winterhalters Porträt von 1842. Dieses weckte Assoziationen an das Fundament der politischen Ideen und Ideale, auf die die Julimonarchie baute, und sollte wohl auf das Macht heischende Image des Königs einwirken. Das Porträt von Marie-Amélie wurde sensibel an den Darstellungsmodus des Königbildes angepasst: Das Bildnis der Königin brach weitaus vorsichtiger mit dem Dekorum als das sentimental-liebevolle Verhalten des ­Paares in der Öffentlichkeit. Das Alter der Königin oder die durch das kleine Medaillon ausgedrückte Liebe zu ihrem Ehemann wurden von Winterhalter keinesfalls sentimentalisiert; repräsentative Vornehmheit dominiert.192 Die Monarchie unter König Louis-Philippe entwickelte die liberalen Ideen der Julirevolution nicht kontinuierlich weiter.193 Der König betrachtete seine Position und deren Legitimation offenbar als Fakt und nicht als permanenten Prozess. Die hier aufge­zeigte Entwicklung innerhalb der offiziellen Porträtproduktion und auch des Regierungshandelns der Julimonarchie entkräftet etablierte Thesen, die einen linearen fortschreitenden Modernisierungsprozess innerhalb der monarchisch-politischen Strukturen des 19.  Jahrhunderts postulieren und vor allem für die Julimonarchie das Konzept eines Bürger­königtums stark machen. Für Winterhalter erwies sich die Arbeit am französischen Hof als Sprungbrett in ­eine internationale Karriere; von dort aus wurde er dem belgischen und dem englischen Hof bekannt.

­ useum. Das Porträt wurde weder im Salon ausgestellt, noch lässt sich in der Zivilliste ein Auftrag für M dieses Porträt nachweisen. Panter nimmt eine ausführliche Analyse vor. Vgl. id. 1996, S. 93 f. 192 Vgl. dagegen Winterhalters Porträts von Königin Victoria u. Prinz Albert, Kap. I. 4. 193 Vgl. Sellin 2011, S. 294; vgl. auch Erbe, dessen Meinung nach Louis-Philippe anfangs wie gemacht dafür schien, eine Monarchie mit „von den Ideen der Großen Revolution geprägten parlamentarisch-­ demokratischen Regierungsformen zu versöhnen“, doch der König verkannte, „daß der Ersatzadel, mit dessen Hilfe er politische Macht ausübte – die großbürgerlichen ‚Notabeln‘ –, eine im Volk ebenso verhaßte Oligarchie darstellte wie der Adel vor 1789.“ Erbe 1994, S. 420. „Die Integration jener Kreise mißlang, die schließlich die Revolution von 1830 getragen und für sie geblutet hatten.“ Ibid., S. 415; vgl. auch Kirsch 1999, S. 390.

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4. « On le comprend tout de suite. » Sentimentalitätskult in Winterhalters Porträts vom britischen Königspaar Victoria und Albert “I have just returned from the Academy, where I think we shall have an amusing exhibition. There are Queens of all sorts and sizes, as you may suppose, good, bad, and indifferent.”194 Bissige Kommentare wie dieser des Künstlers Charles Robert Leslie über die frühen Porträts der jungen Queen Victoria waren keine Seltenheit. Für Victoria, 1837 mit 18 Jahren Königin geworden, hatte ihre Regierung noch kein überzeugendes Porträtprogramm entwickelt. 1840 heiratete sie Prinz Albert (1819–1861), welcher die Öffentlichkeitsarbeit zunehmend bestimmte und professionalisierte.195 Als das Königspaar zwei Jahre später erstmals Franz Xaver Winterhalter auf Empfehlung der französischen und belgischen Königshäuser einlud, setzte es auf eine Kursänderung der bisher noch unzulänglichen Bildnispolitik. Image und Aufgaben der Königin waren in England traditionell Gegenstand des gesellschaftlichen Dialogs. Grundzüge „moderne[r] Herrscherwahrnehmung“ gehörten dort wesentlich länger dazu als in den deutschen Staaten oder in Frankreich.196 Der englische Monarch wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts zu einem politischen „Integrations­ symbol“, er sorgte für eine nationale Einheit und damit für Nationalbewusstsein und stellte sich idealerweise vor die politischen Parteien.197 Er sollte nicht aus Interesse an der eigenen politischen Wirkung, sondern – tugendhaft – im Interesse der Nation h ­ andeln:

194 Charles Robert Leslie (1794–1859) in einem Brief vom 30.4.1838 an seine Schwester Anne, abgedruckt in: Carrie Rebora Barratt: Queen Victoria and Thomas Sully, Princeton 2000, S. 5. Für eine Zusammenfassung des in der Forschungslandschaft viel zitierten humoristischen Artikels des Bentley’s ­Miscellany über die Porträts der Königin aus dem Jahr 1838 vgl. Claire Svetlik: Von der Schönheitskönigin zur Mutter­ikone. Zur Entwicklung von Königin Victorias Portraitbild, in: Victoria & Albert, Vicky & The Kaiser. Ein Kapitel deutsch-englischer Familiengeschichte, hg. v. Wilfried Rogasch, Ausstellungskatalog, Deutsches Historisches Museum Berlin, Berlin 1997 (Kat. Vicky and The Kaiser 1997), S. 45–55, S. 45. In diesem Artikel fordert der Schreiber, dass Victoria sich endlich einen Prototyp zulegen solle, damit man sie auch wiedererkenne, wie Elizabeth I. 195 Es gab unter Victoria und Albert einen sogenannten courts newsman. Dieses Amt ist erstmalig ­unter King George III. zu verzeichnen. In den 1820ern wurde der Posten zu einem offiziellen und unter ­Victoria und Albert zu einem etablierten und professionellen Amt, das erst Anfang des 20. Jahrhunderts von einer Agentur ersetzt wurde. Vgl. John Plunkett: Queen Victoria. First Media Monarch, New York 2003, S. 224 ff. 196 Wienfort 1993, S. 149. Die englische Monarchie hatte eine scharfe Krise bereits im 17. Jahrhundert mit der Hinrichtung von König Charles I. (1600–1649) überwunden. Mit dem Dynastiewechsel von Queen Anne (1665–1714) zu König George I. (1660–1727) wurde die Legitimationsdebatte erstmals nicht mehr nur noch über das Gottesgnadentum, sondern auch über den Volkswillen geführt. Vgl. Wienfort 1993, S. 19 ff. 197 Ibid., S. 148.

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„Die Tugend des englischen Königs diente dazu, einen ‚metasozialen‘ Gentleman als ­idealen Engländer vorzustellen.“198 George III. (1738–1820) galt als Inbegriff eines solchen “patriot king”, er regierte 60 Jahre lang.199 Victorias Vorgänger George IV. (1762– 1830) und William IV. (1765–1837) hatten jedoch einen solchen metasozialen Gentleman zu keinem Zeitpunkt verkörpert. Um Victorias Popularität von Beginn an zu stärken, und sie von ihren direkten Vorgängern abzugrenzen, setzte der Hof auf Visualisierung ihrer Jugend und Tugendhaftigkeit.200 Deshalb war die Eheschließung des königlichen Paares von großer Relevanz für die Öffentlichkeit, und zwar sowohl auf politischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Victoria musste nicht nur die Thronfolge gewährleisten, auch in England gehörte eine tugendhafte Frau an die Seite eines Mannes. Was in den vorangegangenen Kapiteln bereits für den badischen und französischen Hof herausgearbeitet werden konnte, galt auch für das britische Königshaus: Das „Symbolmilieu“ der Betrachterin fungierte als Folie für die höfische Bildnispolitik.201 Die Verbindung von Victoria und Albert wurde als Liebesheirat vermarktet. Wie Winterhalter das Eheglück in seinen ersten Porträts thematisierte, soll im Folgenden unter Berücksichtigung zeitgenössischer Vorstellungen von Sentimentalität als kollektivem und schichtenübergreifendem Geschmacksideal analysiert werden. Die Beauftragung Winterhalters läutete eine neue Epoche ein, in der vor allem ausländische Maler wichtige Kunstaufträge vom britischen Hof erhielten; eine Tatsache, die die Presse in den folgenden Jahrzehnten immer wieder kritisierte, und die auch die Beurteilung der Winterhalter­schen Gemälde negativ beeinflusste.202 Der deutsche Künstler fertigte in den folgenden 25 Jahren rund 120 Porträts für das Königshaus an, mindestens einmal pro Jahr reiste er für mehrere Wochen an.203 Die Kniestücke von 1842 Zu den populärsten Bildnissen der victorianischen Herrschaft avancierten zwei lebensgroße Kniestücke, die Winterhalter während seines ersten London-Aufenthaltes in ­enger 198 Ibid., S. 149. 199 Zu den George III. zugeschriebenen Tugenden vgl. Wienfort 1993, S. 154 ff., hier: S. 154. Das Familienund Eheleben von King George III. und Queen Charlotte lieferte ein Vorbild für die Tugendvorstellungen ihres Volkes. 200 Ähnliche Voraussetzungen hatte übrigens Luise von Preußen zu meistern, ihre Tugendhaftigkeit sollte ihr den Weg ebnen, vgl. Regina Schulte: Der Aufstieg der konstitutionellen Monarchie und das Gedächtnis der Königin, in: Historische Anthropologie, 6/1998, S. 76–103, S. 90 ff. 201 Vgl. zum Symbolmilieu Kap. I. 1.; vgl. Paulsson 1955, S. 23 ff.; vgl. Roeck 2004, S. 70 ff. 202 Vgl. Oliver Millar: Königin Victoria und Prinz Albert – Deutsche Bilder und deutsche Maler, in: Kat. ­Vicky and The Kaiser 1997, S 57–66, S. 59. Das änderte sich auch nach Winterhalters Tod im Jahr 1873 nicht. Heinrich von Angeli wird sein berühmtester Nachfolger. 203 Winterhalter erhielt in England nie einen offiziellen Titel als Hofmaler.

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Absprache mit dem Königspaar kreierte. Die 23-jährige Königin im Abendkleid aus weißer Seide und Spitze sieht den Betrachter mit ernstem, leicht verhangenem Blick an (Taf. 8).204 Ihre vor dem Ohr geflochtenen Zöpfe, der gerade gezogene Mittelscheitel und die dezente Ungeschminktheit ihres Gesichts entsprachen der zeitgenössischen Mode.205 Vier Schmuckstücke, deren romantische Bedeutung dem britischen Betrachter bekannt war, liegen auf einer dominanten Bilddiagonale: Neben ihrem Ehering trägt Victoria eine Saphirbrosche, das Hochzeitsgeschenk Prince Alberts, dazu ein mit einem herzförmigen Diamanten besetztes Medaillon, das eine Haarlocke des Prinzen barg, sowie eine in die Frisur eingearbeitete tiara, die Albert für sie entworfen hatte.206 Winterhalter setzte weitere Highlights zugunsten sinnlicher Ansprache. Zwei blühende volle Rosen in den Händen der Queen fungieren eher als Gefühlsträger, denn als Symbol des englischen Königshauses.207 Mit der wiederholten Variation seines Duktus verlebendigte Winterhalter das Kniestück: Haar, Gesicht und Rosen arbeitete er wie zum Anfassen detailliert aus, die Spitze des Kleides hingegen wirkt durch den breiten schnellen Pinselstrich fast skizziert.208 Dieses Bildnis der Königin wahrt kaum die noble Distanz traditioneller Herrscherdar­ stellungen, vielmehr scheinen die melancholische Bildstimmung sowie die A ­ bwesenheit 204 Die Winterhalterschen Originale hängen seit ihrer Fertigstellung im White Drawing Room in Windsor Castle. Zwei Fotos von 1867 von André Adolphe Eugène Disdéri belegen die Positionen beider Porträts (RCIN 2100538 u. RCIN 2100097). 205 Rainer Schochs Bildbeschreibung des Porträts – er erkennt einen „schmollende[n] Mund“ und eine „Gretchenfrisur“ – mag von Winterhalters sentimentaler Inszenierung beeinflusst worden sein. Schoch 1975, S. 143. 206 Die Saphirbrosche wurde auch als “Wedding Brooch” bezeichnet, Kat. Art and Love 2010, S. 309; zum Medaillon vgl. ibid., S. 67 u. vgl. Victoria’s Journals, Bd. 13, S. 42 (12.11.1839); zur tiara vgl. The ­Victorian Pictures in the Collection of Her Majesty the Queen, hg. v. Oliver Millar, Sammlungskatalog, 2 Bde. (Text u. Plates), Cambridge 1992 (Kat. The Victorian Pictures 1992), Text, S. 286; vgl. Jewellery in the Age of Queen Victoria. A Mirror to the World, hg. v. Charlotte Gere u. Juday Rudoe, Ausstellungskatalog, The British Museum, London, 2010 (Kat. Jewellery 2010), S. 43. Zur „Ikonographie der Intimität“, wie der Haarlocke im Schmuckstück, vgl. Gerrit Walczak: Zurschaustellung und Intimität: Praktiken der Bildnisminiatur, 1750–1840, in: Eva-Bettina Krems u. Sigrid Ruby (Hg.): Das Porträt als kulturelle Praxis, Berlin u. München 2016, S. 254–266, S. 262. Höfischer Schmuck interessierte die Öffentlichkeit, dieser wurde auf den Weltausstellungen ausgestellt oder in Zeitungen abgedruckt, vgl. z. B. The Illustrated London News, 25.03.1871, S. 280 f., in der der gesamte Schmuck, den die vierte Tochter von Victoria und Albert zu ihrer Hochzeit erhielt, bildlich abgedruckt ist. Vgl. Kat. Jewellery 2010, S. 67, Abb. 42. 207 Schoch vergleicht das Bildnis mit Élisabeth Vigée-Lebruns Marie-Antoinette als Flora (1783, Petit ­Trianon, Versailles) und sieht im Victoria-Porträt ein Nachfolgeporträt des französischen Rokokos, vgl. Schoch 1975, S. 143. Die Rose war eng mit ihrer frühen Herrscherinnen-Ikonografie verbunden, vgl. Margaret Homans: Royal Representations. Queen Victoria and British Culture, 1837–1876, Chicago 1998, S. 11 f. 208 Vgl. dazu auch Reisberg 2009, S. 54, der Winterhalters Duktus in diesem Porträt als “unexpectedly modern and innovative” beurteilt.

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sie umgebenden Pomps dem Betrachter einen emotionalen Zugang zum Bildnis und damit auch zur Dargestellten selbst ermöglichen zu wollen: Hinter Victoria türmen sich vor dunkelgrauem Gewitterhimmel Wolken, die eine bewegte Spirale um die Figur der Königin zeichnen; diese Linie wird von ihrem Spitzenschal aufgenommen und rechts aus dem Bild geleitet. Am Horizont bricht abendliches Sonnenlicht durch. ­Winterhalters Arrangement zielte auf eine Anregung des Betrachters. Jener vermochte, im Rahmen „ästhe­ tischer Reflexion“, den bewegt gestalteten Himmel nachmalend auf die Gemüts­lage der Dargestellten zu übertragen.209 Der Hintergrund besaß nicht mehr die symbolische Funktion wie in der englischen Porträttradition des 18. Jahrhunderts. Dort diente er dazu den Dargestellten zu charakterisieren: Die Kulisse entsprach „eine[r] Szenerie entfesselter Naturgewalten, in der er ­ruhig und mit heroischer Selbstsicherheit steht“, und funktionierte als Dramatisierungsgestus.210 Der bewegte Hintergrund stilisierte die Dargestellten zu Helden beziehungsweise zu Vorbildern für moralische Empfindsamkeit. Queen Victoria im Abendkleid schlug keine Schlacht erfolgreich wie die Reynoldschen, Romneyschen oder Lawrenceschen meist uniformierten Bildprotagonisten. Winterhalters Himmel ist eine Transformation eines solchen Hintergrundes, jedoch ohne den gleichen Bedeutungsgehalt. Zwar fungiert er noch immer als ein Fingerzeig auch auf das Innenleben der dargestellten Person, doch erfährt das klassische Bildsujet hier einen Trivialisierungsprozess, indem der Hintergrund zu unreflektierter Folie gerät und damit an moralischer Qualität verliert. Die Inszenierung eines Gefühlseinblicks hat damit dekorativen Charakter.211 Das Pendant-Kniestück zeigt Prinz Albert in nobler aufrechter Pose vor ähnlichem Wetterspiel und niedrig gezogenem Horizont (Taf. 9). Sein fester Blick mit erhobenem Kinn ist nach rechts und damit fiktiv auf seine Ehefrau gerichtet. Ins Gesicht gekämmte feine Locken sowie der sauber geschnittene Backen- und Oberlippenbart rahmen sein rosiges Antlitz nach Art der zeitgenössischen Mode. Seine Feldmarschall-Uniform wird durch goldene Aiguillettes an der rechten Schulter verziert, die Albert als Mitglied des ranghöchsten Militärs erkennen lassen. Eine um die Hüfte geschlungene Kordel hält sein an einem Karabinerhaken befestigtes Schwert. Erst 1843 wird die britische Uniform offi­ ziell so aussehen, wie in diesem Bildnis von Winterhalter bereits festgehalten: eine von

209 Vgl. Titia Hensel: Kaiserin à la mode: Franz Xaver Winterhalters „Bildnis der Elisabeth von Österreich in Balltoilette“, in: Fleckner/Hensel 2016, S. 163–182, S. 174; der Terminus „ästhetische Reflexion“ sei Thomas Kisser entliehen, id.: Visualität, Virtualität, Temporalität. Überlegungen zur Zeitlichkeit in Bildkonzepten von Tizian, Rembrandt, Watteau und Friedrich, in: Thomas Kisser (Hg.): Bild und Zeit. Tempo­ralität in Kunst und Kunsttheorie seit 1800, München 2011, S. 87–136, S. 136. 210 Roland Kanz: Die Einheit des Charakters. Das Seelenhafte, Symbolische und Charakteristische in der Porträt-­Ästhetik der Romantik, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 34, 1/1998, S. 223–267, S. 236. 211 Schoch schreibt vom „heroisierten Biedermeier“, id. 1975, S. 143.

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Albert angestoßene Veränderung des Uniformdesigns zugunsten eines “Saxe Coburg Gotha touch”.212 Winterhalters Tugendporträt schließt an Alberts frühe Ikonografie an. In den 1840er Jahren wird dieser stets in Uniform, ritterlich, tugendhaft, man möchte sagen dekorativheroisch dargestellt.213 Bereits vor seinem Umzug nach England und seiner Hochzeit bot der deutsche Prinz dem umkämpften Bildnismarkt von Kopien und Stichen wichti­ger Persönlichkeiten in London ein vielversprechendes Modell.214 Fünf Tage vor der ­Hochzeit und Alberts Ankunft in London schreibt ein Journalist im Athenaeum am 1. Februar 1840 ironisch über den Konsum und die Produktion höfischer Bildnisse: The artists of England have sprung a new vein in Gotha; and are working, or preparing to work it with busy rivalry. How many brushes and burins will be engaged, before the end of the year, in multiplying the ‘counterfeit presentment’ of Prince Albert, we will not venture to conjecture; but we hear of such arrangements making, in all directions.215

Albert hatte schon vor der Hochzeit erkannt, welche Dimensionen eine Porträtproduktion in Wirtschaftsmarkt und Politik erreichen konnte. 1839 informiert er seinen Bruder Ernst, dass […] ein englischer berühmter Kupferstecher und Entrepreneur Hodgson & Graves mit seinem besten Mahler Mr. Patten hier wären um mich zu mahlen und dann in England mit dem Kupferstich, der sehr groß (ganze Figur) werden wird eine Speculation zu machen. Sie sind expreß v. London hierher gereist und schon an der Arbeit.216

Im Pendantporträt von 1842 trägt der Prinz zwei Orden, die sich leuchtend rot vom Schwarz der Uniform abheben: das Kreuz des Hosenbandordens und den Halsorden vom Goldenen Vlies. Sie haben, wie das Schmuckprogramm in Victorias Porträt, nostalgische Bedeutung, da seine Frau ihm den Star of the Garter zur Hochzeit schenkte und

212 Ibid. Die Verzierungen seiner Uniform entsprachen nicht den typischen von 1842. Deshalb propagiert Millar, dass Prince Albert bereits 1842 die neue Uniform trug. Albert interessierte sich für Verbesserungen von Uniformen und Kopfbedeckungen zugunsten einer praktischeren und bequemeren Handhabung und fertigte selbst Entwürfe an. 213 Vgl. Porträts von Prinz Albert: Winterhalter 1842; Winterhalter 1845; John Partridge 1841 (Kat.Nr. 810, 818 u. 534 in Kat. The Victorian Pictures 1992, Plates. Vgl. Peter Funnell: The Iconography of Prince Albert, in: Franz Bosbach u. Frank Büttner (Hg.): Art in Britain and Germany in the Age of Queen Victoria and Prince Albert, München, 2. Auflage 2011, S. 109–120, bes. S. 113, der ebenfalls auf Alberts frühe Standardbekleidung in Uniform aufmerksam macht. 214 Vgl. Susanne Netzer: Zwei Bildnisse Prinz Alberts von Sachsen-Coburg und Gotha aus dem Jahre seiner Vermählung mit Königin Victoria von England, in: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 28/1983, S. 287–290. 215 Athenaeum, 01.02.1840, S. 100. 216 Kunstsammlungen der Veste Coburg, Autographensammlung, Inv. Nr. I, 580.5, zitiert nach Netzer 1983, S. 287.

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den Halsorden zu seinem Geburtstag anfertigen ließ.217 Das Porträt demonstriert, dass auch im Männerporträt eine sentimentale Ideologie Eingang gefunden hat. Noch wichtiger allerdings ist die politische Botschaft der Orden. Diese weisen Albert nicht nur als Ehrenmann aus, sondern positionieren ihn standesgemäß innerhalb der höfischen Rangordnung.218 Diese Einordnung war von großer Brisanz in Hinblick auf die politische und gesellschaftliche Akzeptanz eines derart populären Mitglieds des Hofes. Der Prinz trug als Ehemann der britischen Regentin, im Gegensatz zu den meisten Ehefrauen der in Europa regierenden Monarchen, keinen der Queen ebenbürtigen Titel.219 Die politische Opposition hatte dafür gesorgt, dass ihm der ranghöhere Titel Prince Consort erst 1857 verliehen wurde. Victorias einzige Möglichkeit, die Position ihres Ehemanns innerhalb der höfischen Rangordnung zu erhöhen, war die Verleihung zahlreicher Orden an ihn. Ihre Stellung als Queen Regnant wird über die Bildkomposition konsolidiert. Albert blickt Victoria an.220 Zwei Finger seiner rechten Hand zeigen auf sie, und die Wolken­ linien fallen sozusagen in ihr Bild, wo sie sich in einer dynamischen Spirale hinter ­ihrer Figur öffnen. Wie um diese einseitige Fokussierung abzumildern, malte Winterhalter Victorias Körper dem Porträt ihres Ehemannes zugewandt. Außerdem überragt dieser sie an Körpergröße, was auch anatomisch der Realität entsprach. Prince Albert wusste um die Wichtigkeit einer strategischen Bildnispolitik für das Bestehenbleiben des britischen Hofes, und Winterhalter wurde schnell ein enger Verbündeter. Victorias Biografin Karina Urbach, Historikerin an der University of London, vergleicht die Zusammenarbeit von Albert und Winterhalter mit der von „Theater­regisseur“ und „Bühnenbildner“.221 Damit wertet sie Winterhalters Einfluss ab; zahlreiche Briefe überliefern jedoch, dass er maßgeblich an der Konzeption seiner Porträts beteiligt war und sich durchaus leistete Aufträge abzulehnen. Doch weist Urbachs Vokabular richtigerweise auf die enge Zusammenarbeit von Prinz Albert und Winterhalter: Die Porträts von 1842 – deren sentimentale Abstrahlung, Relation und Zeichen der Hierarchie – sind reflektierter Part eines durchdachten, von Albert forcierten Marketingprogramms, das das biografische Identifikationspotential voll ausschöpfen sollte. Identifikationspotential Wie authentisch aber war die visuelle Zurschaustellung sentimentaler Gefühlsbindung in den Winterhalterschen Porträts? Als die achtzehnjährige Victoria 1837 den britischen Thron bestieg, trat sie ein schweres Erbe an. Das Image der britischen Monarchie hatte in der Öffentlichkeit unter den Königen George IV. und William IV. enormen Schaden 217 218 219 220 221

Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 325 u. S. 329. Zu Rangordnung, Titeln und Orden Prinz Alberts vgl. vor allem Kap. II. 3. Vgl. zu den Auswirkungen des ungleichen Status der beiden auf die Bildnispolitik Kap. II. 3. Der Blick wird bemerkt in Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 120 f. u. Reisberg 2009, S. 58. Karina Urbach: Queen Victoria. Eine Biografie, München 2011, S. 82.

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genommen. Anstatt Victorias Alter und ihre Unerfahrenheit als Schwäche auszulegen, konnten die Königin nun eigene Tugendmaßstäbe im Rahmen einer neuen weiblichen Ikonografie von dem verrufenen Verhalten ihrer Vorgänger abheben.222 The Monthly Chronicle blickt im März 1838 Victorias Regentschaft mit Hoffnung entgegen: Her youth, her sex, and her personal advantages could not fail to excite interest and propitiate indulgence; while the reports that were circulated of her Majesty’s abilities, the care that had been bestowed upon her education, the odium which attached to her presumptive successor, gathered the most anxious hopes around her dawning power.223

Die Öffentlichkeit war Victoria wohlgesonnen. Doch erhöhte die Tatsache, dass ihr gleich zu Beginn ihrer Regentschaft einige diplomatische Fehler unterliefen, den Druck auf sie, sich einen Mann zu suchen.224 Victorias Einstellung einer eventuellen Hochzeit gegenüber war ambivalent. Auf der einen Seite teilte sie die stereotypen Ansichten der Gesellschaft. Ihre Tagebucheinträge offenbaren ein Frauenbild, das dem zeitgenössischen Diskurs ähnelte: Frauen sollten ihrem Ehemann eine Vorzeigeehefrau sein. Auch Jahre später wird sie ihrer Tochter nach deren Hochzeit raten: “Let it be your study and your object to make his life and his home a peaceful one and to be of use to him and be a comfort to him in every possible way.”225 Andererseits ließ Victoria das als Achtzehnjährige für sich persönlich noch nicht unbedingt gelten. Nachdem sie ihre Kindheit und Jugend unter strenger Aufsicht verbracht hatte, wollte sie ihre nun erworbene Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und politische Macht nicht teilen, weder mit einem ihrer Premier­ minister noch mit einem Ehemann.226 Die Hochzeit von Victoria und Albert war von langer Hand geplant. Treibende ­Kräfte waren König Leopold I. von Belgien, Victorias und auch Alberts Onkel, und dessen Berater Christian Friedrich von Stockmar. Sie hatten Albert eine Ausbildung zukommen lassen, die ihn auf die Position als Prince optimal vorbereitet hatte. Stockmar formulierte ihre Hoffnungen für die britische Monarchie so: „[…] der Anteil von logischem Verstand, von gründlichem Wissen, von Haltung und Takt, […] der sich in der Königin bis jetzt nicht findet und nie erlangen lassen wird, diesen ganzen Anteil will ich durch die

222 Vgl. Schulte 2002a, S. 18. An vier einst regierenden Königinnen hätte Victoria sich orientieren können: Mary (1516–1558), Elizabeth I. (1533–1603), Anne (1665–1714) und Mary II. (1662–1694). Keine jedoch eignete sich als konkrete Inspirationsfläche für eine Legitimationsstrategie Queen Victorias. Zu zeitgenössischen Vergleichen Victorias mit vorherigen Königinnen vgl. Urbach 2011, S. 27 ff. 223 The Monthly Chronicle, Bd. 1, März–Juni 1838, S. 22. 224 Vgl. Kap. II. 2. 225 Brief vom 26.01.1858, zitiert nach Regina Schulte: „Madame, ma Chère Fille“ – „Dearest Child“ Briefe imperaler Mütter an königliche Töchter, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 162–196, S. 182. 226 So in Briefen und Tagebucheinträgen nachzulesen, vgl. Urbach 2011, S. 10–26.

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Person des Prinzen angeschafft haben, sodass es womöglich ein Ganzes wird.“227 Der Plan ging auf. Victoria machte Albert im Oktober 1839 einen Antrag.228 Die Verbindung war so gut vorbereitet, dass an dem Wahrheitsgehalt der p ­ lötzlich aufflammenden wahren Liebe zu zweifeln ist. Doch ob es sich wahrhaftig um eine sinnlich-­ leidenschaftliche Liebesgeschichte, wie sie auch in den Tagebüchern der Königin erzählt wird, oder eine hauptsächlich rational geplante Verbindung handelte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.229 Entscheidend ist, dass die Ehe von Victoria und Albert öffent­ lich als eine von Leidenschaft motivierte vermarktet wurde. Mit der ­Inszenierung ihrer legendären Liebe wurde der Grundstein ihrer Beliebtheit im Volk gelegt. Ihre Herrschaft begann dementsprechend politisch vielversprechend. Seit 1800 war in Europa schichtenübergreifend eine Verschmelzung von der Idee des Arbeits- und Ehepaares früherer Jahrhunderte mit der des Liebespaares auszumachen.230 Insofern war die Ehe des Herrscherpaares Vorbild und Folie zur Nachahmung zugleich. Winterhalters Porträts spiegelten dia­logisch solche gesellschaftlichen Tugendideale, indem er an den Gefühlskanon des Betrachters animierte. Anders gesagt: Er sentimentalisierte die Porträts.231 Sentimentalität im Diskurs des 18. und 19. Jahrhunderts Da „Sentiment“ und „sentimental“ sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch im Roman oder privaten Briefen des 18. und 19. Jahrhunderts Schlüsselbegriffe sind, seien 227 Zitiert nach ibid., S. 51. 228 Victorias Tagebucheinträge dieser Tage quellen über vor sentimentalen Beschreibungen von Alberts schönem Äußeren und auch von Begeisterung über die offenen Gespräche mit ihm. Angeblich ver­ liebte Victoria sich in ihn während Prinz Alberts zweitem Besuch in London im Oktober 1839, vgl. z. B. Victoria’s Journals, Bd. 12, S. 337–340 (27. u. 28.10.1839); vgl. Urbach 2011, S. 51 f. Prinzessin Beatrice schrieb ihre Tagebücher ab, redigierte und vernichtete manche Originale. Vgl. dazu auch Kurt Tetzeli von Rosador u. Arndt Mersmann (Hg.): Queen Victoria: Ein biographisches Lesebuch, München 2000, S. 53: „Schrieb und sah meine alten Tagebücher durch und korrigierte sie, was durchaus nicht sehr angenehme Gefühle wachrief.“ Vgl. auch Dollinger 1985, S. 358, der zusammenfasst, dass Victoria ihre Tagebücher veröffentlichte, um das Volk zu erreichen, welches “simple record” schätze. 229 Verschiedene Liebeskonzepte wurden im 19. Jahrhundert als sinnvoll und erfolgreich debattiert, Deinhardt/Frindte 2005, S. 260. Victoria hatte von vornherein vor, ihre Tagebücher zu veröffentlichen. 230 Vgl. Deinhardt/Frindte 2005, S. 261. Ursprünglich Ziel eines bürgerlichen Lebens- und Glücksentwurfs, war im 19. Jahrhundert auch an einigen europäischen Höfen eine Liebes- oder Neigungsehe zu verzeichnen, am „Prinzip der Ebenbürtigkeit“ wurde allerdings festgehalten, vgl. Dollinger 1985, S. 353 ff., hier: S. 354. 231 Den Topos von der Sentimentalisierung erwähnen in Bezug auf die victorianische Monarchie auch Martin Kohlrausch: Monarchische Repräsentation in der entstehenden Mediengesellschaft: Das deutsche und das englische Beispiel, in: Andres/Geisthövel/Schwengelbeck (Hg.) 2005, S. 93–122, S. 119 („Sentimentalmonarchismus“); Karina Urbach: Die inszenierte Idylle. Legitimationsstrategien Queen Victorias und Prinz Alberts, in: Frank-Lothar Kroll u. Dieter J. Weiß (Hg.): Inszenierung oder Legitimation? Die Monarchie in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Ein deutsch-englischer Vergleich, Berlin 2015, S. 23– 33, S. 26 („Sentimentalisierungsprojekt“).

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der Terminus „sentimental“, wie er Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet wurde, sowie die ihm inhärenten Wertungsaspekte an dieser Stelle für die vorliegende Arbeit nachgezeichnet. Zwischen Laurence Sterns A sentimental Journey Through France and Italy (1768) und Gustave Flauberts L’Éducation sentimentale (1869) machte jene Bezeichnung eine dynamische Entwicklung durch: „Sentiment“ fungierte zu Beginn des 18. Jahrhunderts als moralisch wertender Terminus und wurde bei Rousseau oder den Enzyklopädisten „als Schlüsselbegriff einer positiv gewendeten Gesellschafts-, Moral- und Kunstlehre“ verwendet.232 Rousseau erweiterte den Diskurs: Sentiment wurde darüber hinaus als Ursache für Leidenschaft, passions, erkannt.233 In England fand parallel eine Aufwertung der moral sense als Basis von Erkenntnis statt, die von aufkommenden Wahrnehmungstheorien untermauert wurde.234 Eng damit verbunden war der Individualitäts­ gedanke: Erst das subjektive und intuitive Gefühl unterscheide das Ich von anderen.235 Mit dieser Individualisierung durch den Blick auf das Innere „nahmen die Bedeutung des Gefühls, das Verlangen nach Gefühlsausdruck und Gefühlsdifferenzierung zu.“236 Bezogen auf das Kunstverstehen wurde damit auch ein assoziativ-ästhetisches Verstehen von Kunst propagiert.237 Bereits Ende des 18. Jahrhundert wurde der Begriff „sentimental“ in England und Frankreich immer häufiger auch ironisch gebraucht, wurde überbordendes, übertrieben zur Schau gestelltes Gefühl kritisiert. Wolfgang Herrlinger erstellt für den englischen Roman bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen Katalog von Symptomen „sentimentalen Existierens“ auf: „Tränen“, „Freuden und Gefahren intuitiver Erkenntnis“, „Melancholie“, „Lesen als Therapie und Versuchung“, „Funktion der Landschaftsdarstellung“ gehören dazu.238 Er zeichnet nach, wie diese Symptome im 19. Jahrhundert dem Begriff des Sentimentalen seine moralische Grundlage, die Tiefe der Empfindungen und seine Authentizität Schritt für Schritt entzogen.

232 Harald Nehr: Das sentimentale Objekt. Die Kritik der Romantik in Flauberts Éducation sentimentale, Heidelberg 2007, S. 78 u. S. 65. 233 Rousseau unterscheidet zwischen sensibilité, sie ist für ihn „die rein körperlich-biologische und passive Empfindungsfähigkeit“ eines jeden Menschen, und sentiment, die für ihn „die individuellen inneren Befindlichkeiten bezeichnet“. Nehr 2007, S. 70. 234 Vgl. Simone Roggendorf: Die Feminisierung und Marginalisierung von Thomas Gainsborough. Eine Neubewertung der späten Landschaftsporträts im Kontext der Kultur der Empfindsamkeit am Beispiel von Mr and Mrs Hallet, in: Roggendorf/Ruby 2004, S.170–190, S. 174 ff. 235 Vgl. Nehr 2007, S. 69. 236 Nipperdey 1998, S. 32. 237 Z. B. im Sinne Anthony Ashley Coopers, 3. Earl of Shaftesburry (1671–1713) oder Edmund Burkes (1729–97), vgl. Kluxen 1989, S. 20 f. 238 Wolfgang Herrlinger: Sentimentalismus und Postsentimentalismus: Studien zum englischen Roman bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1987, S. 75–190.

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Der Terminus sentimental erfuhr also eine Abwertung. Sentimentales, und damit unauthentisches und unintellektuelles Verhalten, wurde in diversen Karikaturen als Monopol der bürgerlichen Mittelschicht entlarvt. Doch trotz aller Kritik: Mitte des 19. Jahrhunderts blieb Sentimentalität ein Geschmacks- und Gefühlsideal für eine breite Schicht der neu geordneten Gesellschaft. Oft sorgte erst der Bezug zu eigener nostalgischer Erinnerung für ein sentimentales Verhalten.239 Für Norbert Elias ist das 19. Jahrhundert auch deshalb ein „Kitschzeitalter“.240 Sentimentalität als schichtenübergreifendes Geschmacksideal In einer Salonbesprechung von 1840 begründet ein Kritiker die Beliebtheit von sentimentalen und idyllischen Genrebildern beim Salonpublikum wie folgt: « […] on le comprend toute de suite.  »241 Damit ist jener barrierelos-emotionale Zugang zu einem Gemälde beschrieben, den Winterhalter oft meisterhaft zu gestalten verstand. Sein monumentales Genregemälde Il dolce far niente läutete 1836 den Salonerfolg des Malers in Paris ein (Abb. 15).242 Das Bildpersonal offenbart entspannte Mimik und Körperhaltung. Warmes Sonnenlicht liegt über der Szene, die eher ein idyllisches Lebensgefühl, ein Klischee vom Leben im Süden transportiert, als eine thematische Information. „[…]  ohne die ­Mücken würde man glauben, man sey im Paradiese“ kommentiert das Kunstblatt 1837.243 ­Diese Essenz des Bildes konnte jeder Betrachter leicht entschlüsseln. E ­ iner Genredarstellung liegt genau diese Idee zugrunde, nämlich ein Sujet über alltägliche Handlung und Emotion verständlich zu veranschaulichen. Sentimentalität behauptete sich Mitte des 19. Jahrhunderts als kollektives Geschmacks- und Gefühlsideal. Auf das G ­ efühl ­zielende

239 Andreas Dorschel kommt zu dem Schluss, dass Nostalgie und Sentiment nicht zu trennen sind, vgl. id.: Sentimentalität. Über eine Kategorie ästhetischer und moralischer Abwertung, in: Perspektiven der Philosophie 31, 1/2005, S. 11–22, S. 17. 240 Kitsch ist für Norbert Elias das, was „eindeutig darauf angelegt […] [ist], an das Gefühl des Beschauers zu greifen.“ Id.: Kitschstil und Kitschzeitalter, Münster 2004, S. 33. Er schrieb 1934 über das „Kitschzeitalter“: Das Besondere am Stilwandel vom 18. zum 19. Jahrhundert sei, dass es kein „Wandel im Rahmen der gleichen Gesellschaftsschicht“ sei. Vielmehr sei „der tiefere Einschnitt, der zwischen der Formenwelt des 18. und der des 19. Jahrhunderts liegt, […] der Ausdruck für den Aufstieg einer neuen Gesellschaftsschicht, des kapitalistisch-industriellen Bürgertums, zur Macht. An die Stelle des höfischen tritt der bürgerlich-kapitalistische Stil und Geschmack.“ Ibid., S. 2. 241 L’Artiste, 1840, S. 217. Vgl. auch Panter, der die Kriterien für zeitgenössische Beliebtheit von Genre­ darstellungen im Allgemeinen und Winterhalters im Besonderen überzeugend herausarbeitet, vgl. Panter 1996, S. 63 f. 242 In diesem Zusammenhang ist interessant, dass das erste Gemälde, das Queen Victoria von Winter­halter kaufte, ein kleines Genrebild mit dem Titel Jeune fille de l’Ariccia war, das 1838 im Salon ausgestellt wurde. Seine Genremalerei begeisterte sie. Vgl. Panter 1996, S. 69 f. 243 Kunstblatt 1837, S. 178 zitiert nach Panter 1996, S. 65, der auch eine Bildanalyse von Il dolce far niente liefert, vgl. ibid., S. 64 f.

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15  Franz Xaver Winterhalter: Il dolce far niente, 1836, Öl auf Leinwand, 114 × 159 cm, Privatbesitz

Genrebilder zogen in den Ausstellungen magnetisch das Publikum an, wie ebensolche literarischen Werke die Leselisten anführten. Auch das britische Königspaar verlieh seinen Gefühlen füreinander vielfach mit kleinen Geschenken Ausdruck, die von nostalgischem Erinnerungswert waren.244 Jährlich angefertigte Aquarelle vom Geburtstagstisch der Queen, deren Existenz an sich bereits sentimentale Mentalität offenlegen, bezeugen, dass Gemälde oder Schmuckstücke zu den am häufigsten verschenkten Liebesbeweisen zählten.245 Eines davon ist ein von Winterhalter angefertigtes liegend-ovales „Porträt“ dreier verschränkter Hände (Taf. 10). Zwei weibliche und eine männliche, lebensgroß ins Bild gesetzt, kennzeichnen die dazu gehörigen Personen als Liebende: intim und zärtlich ist die Berührung. Hinweise auf die 244 Die Gemäldesammlung Victorias und Alberts enthält viele Genreporträts, Landschafts- und Bauernidyllen, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, z. B. Plates 131–137. Auch in ihrer Schmucksammlung gibt es einige Broschen, in die sentimentale Landschaften eingearbeitet sind, vgl. Kat. Jewellery 2010, S. 492. Ofenbar entsprachen solche sentimentalen Darstellungen ihrem Geschmack. 245 Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 14 und Appendix II (list of recorded gifts).

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Liebenden bieten das Ärmelrevers einer golddekorierten Uniform am Handgelenk des Mannes und mehrere Armreife sowie ein üppiger Türkisring an der weiblichen Hand. Eingeweihte konnten sie als Hände Victorias und Alberts identifizieren. Eine rote Draperie hinterfängt zudem die symbolische Szene, gerahmt ist das Liebesversprechen von hochwertig geschnitztem, teilweise vergoldetem Holz.246 Eine solche Metapher der Liebe weist auf jenes „absichtliche[] Schwelgen in der Empfindung“, mit dem 1846 Friedrich Theodor Vischer in seiner Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen den Begriff „Sentimentalität“ erläuterte.247 Dass ein solches Kunstverständnis nicht nur der privaten Mentalität des britischen Herrscherpaares entsprach, sondern auch in der offiziellen Bildnismalerei des H ­ ofes seine Spuren hinterließ, belegen jene ersten Aufträge, die Winterhalter für Queen ­Victoria und ihren Gatten Prinz Albert 1842 ausführte.248 Die sentimentalisierten Knie­stücke ­evozieren eine emotionale Bindung des Rezipienten an die Dargestellten, wie sie für Genrebilder elementar ist. Die Kompositionen befriedigten des Betrachters Forderung nach Sentiment, indem sie aus einem Symptom-Katalog sentimentalen Empfindens wählten. Es sei an die emotionale Belegung der Schmuckstücke und Orden erinnert, das bewegte Wetterspiel der Himmelskulisse und an die sorgfältig komponierte Rela­tion zwischen den beiden Bildnissen. Victoria und Albert visualisierten ihre privaten Liebesgefühle nicht nur in kleinen Erinnerungsstücken, sondern vermarkteten diese öffent­lich in Tugendporträts. Unter diesen Gesichtspunkten soll das Porträt von Prince Albert noch einmal betrachtet werden. Wie kam ein sentimentalisiertes männliches Herrscherporträt in der Öffentlichkeit an? Die bildliche Darstellung der Rolle des Prinzgemahls erwies sich von Beginn an als problematisch. Wie gezeigt, hielten im 19. Jahrhundert idealtypischer­weise Frauen ein Monopol auf die Gefühlswelt. In England gab es während der Epoche der Empfindsamkeit zwar zeitweise den Idealtypus des man of feeling. Doch war hier die Visualisierung des Sentimentalen noch im moralischen Sinne aufwertend zu verstehen gewesen; der Dargestellte präsentierte seinen „verfeinerten Sinn für moralische Prinzi­ pien“.249 Eine gefühlsbetonte sentimentale Note in Porträts regierender Herrscher war

246 Vgl. RCIN 402490. 247 Friedrich Theodor von Vischer: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen, 2 Bde., Bd. 2, Reutlingen 1848, S. 513. 248 Panter arbeitet in seinem Kapitel Genregemälde und Porträt heraus, „dass eine verhaltene Sentimentalität […] zu dem von Winterhalter geschaffenen Typus der Damenbildnisse“ gehört. Den Zusammenhang erklärt er an zwei Gemälden der Fürstin Leonilla zu Sayn-Wittgenstein vor italienischer Kulisse. Panter 1996, S. 79; vgl. zum Einfluss von Sentimentalität auf Winterhalters Porträts auch Schoch 1875, S. 139 f. Beide Autoren nutzen den Terminus „Sentimentalität“ unkritisch. Vgl. jüngst zu Winterhalters Genrebildnissen Freund 2017. 249 Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006, S. 146.

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unüblich; auch innerhalb Winterhalters Männerporträt-Œuvre bildet dieses Porträt von Prince Albert eine Ausnahme.250 Da Albert seine Bildnisse in enger Zusammenarbeit mit Winterhalter konzipierte, muss solches Vorgehen Teil seiner Strategie gewesen sein. Zwar ließ Albert sich stets uniformiert im dekorativ-heroischen Modus abbilden, doch erhielt sein Porträtäußeres in jungen Jahren wiederholt feminisierende Kritik.251 Schon der erste Albert zeigende und käuflich zu erwerbende Stich von George Patten wird in The Art Union ironisch kom­ ife, mentiert. Er enthülle Albert als “one who is likely to render her Majesty a happy w and not likely to involve himself in political contests.”252 Auch Winterhalters Kniestück von 1842 weckte derartige Assoziationen, obwohl der Künstler Alberts Figur maskulin gestaltete – eine Pose mit breiter Brust und geraden Schultern, unbewegtem Blick, Schwert, Uniform. Die Presse kommentierte: “[…] a look of ill-health and depression”, “timidity and wash weakness of manner”.253 Immerhin galt Winterhalters Porträt trotzdem als ­bestes Bildnis, das bisher von dem Prinzen angefertigt wurde. Der Prinz fiel bild­ konzeptuell zunächst nicht auf als der politisch ambitionierte Staatsmann, der er war.254 Offensichtlich lautete die Strategie zu Beginn, Königin Victoria in erster Linie die Spitze der Monarchie repräsentieren zu lassen.255 Im Gegensatz zum nur mittelmäßig bewerteten Prinzenporträt verloren sich die britischen Kritiker in begeisterten Umschreibungen des Pendantporträts der Königin: “The attitude is simple, easy and becoming.”; euphorisch wird erklärt, dass Victorias P ­ orträt “very natural and graceful in composition and arrangement” sei.256 Angepriesen wird der Verkauf der Stiche bei Colnaghi & Co. Auch attestiert der Kritiker dem Bildnis ­große Ähnlichkeit mit dem Modell. Das wird die Queen besonders gefreut haben, “like­ ness” war für sie ein unentbehrliches Kriterium, auf das hin sie jedes neue Porträt zuerst ­prüfte.257 Die große Anzahl von Kopien und Drucken des Königinnenporträts belegt,

250 Panter konstatiert, vermutlich ohne dieses Porträt zu berücksichtigen: „Bei der Darstellung von Herren spielte der Einfluß von Genremalerei keine Rolle.“ Panter 1996, S. 80. 251 Vgl. zu den frühen Bildnissen von George Patten (1839), John Partridge (1841) und John Lucas (1842) Funnell 2011, S. 112. 252 The Art Union, Februar 1840, Bd. 1, S. 23. 253 The Age, 26.02.1843, S. 3, zitiert nach Reisberg 2009, S. 59. 254 Für Prinz Alberts Strategie, im Hintergrund zu agieren vgl. Kap. II. 3. 255 Das Bildnis aber gefiel Victoria besonders gut, noch Ende des 19. Jahrhunderts ließ sie sich zu offiziellen Repräsentationszwecken in schwarzer Tracht auf ihrem Thron fotografieren, im Hintergrund hängt das Winterhaltersche Kniestück von Prinz Albert. Vgl. NPG Akquise Nr. x75811. 256 The Art Union, März 1843, Bd. 4, S. 71. 257 Sie selbst bewertete die Porträts ebenfalls äußerst positiv: “The likeness is perfect & the picture very fine” notierte sie am 25.06.1842 in ihr Tagebuch.

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16  Franz Xaver Winterhalter: Victoria Ière, ­reine de Grande Bretagne, 1842, Öl auf Leinwand, 133,5 × 98 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

dass Winterhalter den zeitgenössischen Geschmack der medienkonsumierenden Öffentlichkeit getroffen hatte.258 Beide Porträts wurden im White Drawing Room in Windsor Castle aufgehängt. Das Bildnis der Königin erfuhr derartigen Zuspruch, dass es oft kopiert und an andere ­Höfe verschickt wurde.259 Kopien wurden mit der blauen Ordensschärpe des Hosenband­ ordens versehen, was sie sozusagen politisierte (Abb. 16). Diese Vorgehensweise offenbart einen modernen und flexiblen Umgang mit höfischen Porträts, die ursprünglich vielleicht nicht für eine so weite und offizielle Verbreitung entworfen waren. Warum Victorias Bildnis reüssierte, mag eine in diesem Zusammenhang bisher von der Winterhalter-Forschung unberücksichtigte Illustration eines nach bürgerlichem 258 Zur Verbreitung beider Porträts in Stichen, Kopien, auf Porzellan und in Miniaturform in Schmuck­ stücken vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 287. Das Bild wurde auch als kolorierter Stich von François Forster (1790–1872) vermarktet (E.1780-1973, Archiv des Victoria & Albert Museums, ­London). Blauer Lidschatten, rote Lippen, ein rosafarbenes Kleid sorgen für die sentimental-überbordende Wirkung eines Glanzbildes. 259 Louis-Philippe erhielt eine Version mit Ordensschärpe und revanchierte sich 1846, indem er die Porträts auf Sèvre Porzellan kopieren ließ. Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 63. Das Bildnis wurde auch auf Konsumprodukte kopiert, zum Beispiel schmückte es eine auf der Weltausstellung von 1851 ausge­stellte Vase von Charles Meigh & Son (Victoria & Albert Museum, London).

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Geschmack möblierten Wohnzimmers aus dem 19. Jahrhundert offenbaren (Taf.  11). ­Winterhalters Porträt der Königin Victoria, die offiziellere Version mit Ordensschärpe, hängt über dem Sofa. Der Künstler der kolorierten Zeichnung wusste um die Eigenschaften, die das Herrscherinnenporträt so beliebt machten und rückte jene in den Fokus: Er gestaltet das Wolkenspiel noch bewegter als im Original, auf die sentimentale N ­ ote kam es an. Hier trifft bürgerlicher Alltag auf offizielle Herrscherrepräsentation. Praktiziert wurde, was Novalis, sich auf Königin Luise von Preußen beziehend, forderte: „Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter sollte das Bild der Königin in ihrem oder ­ihrer Töchter Wohnzimmer haben.“260 Der Alltag des Volkes erfuhr eine Monarchisierung. Und andersherum fand eine Veralltäglichung und Konsumierung von Monarchie statt. * Victoria avancierte zusammen mit ihrem Ehemann zu dem tugendhaften Vorbild und damit zu der Vorzeigemonarchin, auf die das höfische Marketing gesetzt und die Öffent­ lichkeit 1838 gehofft hatte. Victoria wird von Karina Urbach treffend als „integrative Klammer“ der britischen Gesellschaft und als „moralische[r] Kompass für die aufsteigende Mittelschicht“ bezeichnet: „Ohne Victoria hätte die britische Monarchie kaum überlebt.“261 Die Königin hatte direkt Einfluss auf die britische Politik genommen, als „Monarchin und Mutter, als Strippenzieherin dynastischer Diplomatie und symbolischer Mittelpunkt einer victorianischen Fortschrittswelt.“262 Ein von Beginn an flexibler Umgang mit Porträts ermöglichte es, diese facetten­ reichen Rollenbilder auf medialer Ebene zu transportieren. Winterhalters sentimentalisiertes, als Kniestück ohne Hoheitszeichen eher unpolitisch erscheinendes Bildnis ­wurde kurzerhand politisiert und vervielfältigt, weil es in der Öffentlichkeit so gut ankam. So konnte ein junges Königspaar zu Leitfiguren von Moral und Anstand und damit zum Vorbild für die Gesellschaft werden.

5.  Middle class-Ideal? Winterhalters The Royal Family als politischer Identitätsstifter 1867 veröffentlichte Walter Bagehot, Gründer des Economist und Herausgeber diverser verfassungstheoretischer Schriften, sein Werk The English Constitution.263 Der Stellung der Institution Monarchie innerhalb der politischen Strukturen Großbritanniens wer-

260 Novalis: Punkt 30 der Vorrede in Glauben und Liebe oder der König und die Königin, Fragmentsammlung, 1789, abgedruckt in: Gerhard Schulz (Hg.): Novalis Werke, München 2001, S. 362. 261 Urbach 2011, S. 7. 262 Ibid., S. 8. 263 Die Quelle ist die eines Journalisten und Geschäftsmannes, nicht etwa die eines Politikers oder internen Beraters. Bagehot hatte keinen Zugriff auf geheime Dokumente, folglich sind seine Texte eher als

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den zwei ausführliche Kapitel eingeräumt. Einleitend stellt er fest: “The use of the Queen, in a dignified capacity, is uncalculable. Without her in England, the present E ­ nglish ­Government would fail and pass away.”264 Er erklärt die Funktion und den Wert, die die ­Monarchie seiner Meinung nach für das politische System haben, und gesteht besonders der Royal Family große Marketingwirkung zu: A family on the throne is an interesting idea also. It brings down the pride of sovereignty to the level of petty life. […] Just so a royal family sweetens politics by the seasonable addition of nice and pretty events. It introduces irrelevant facts into the business of government, but they are facts which speak to ‘men’s bosoms,’ and employ their thoughts.265

Sein Kommentar reflektiert eine emotionale Beziehung zwischen Monarch und Volk; eine Bindung, die Anerkennung von Herrschaft stiften konnte. Victoria hatte erkannt, dass ihr vorbildliches Familienleben ihre Beliebtheit und damit die Stabilität ihres Amtes festigte. “They say, no Sovereign was ever more loved than I am (I am bold enough to say), and this because of our happy domestic home, and the good example it presents”, schreibt sie 1844 an ihren Onkel, König Leopold I. von ­Belgien.266 Zeit ihres Lebens griff sie auf diese Motive zurück, um sich dem Volk zu empfeh­len. Im Fokus der von Prinz Albert strategisch geleiteten Öffentlichkeitsarbeit stand die Kernfamilie.267 Die Queen besaß zwar auf dem Papier ähnliche Prärogative wie ihre Vorgänger, – Gesetzesentwürfe bedurften ihrer Zustimmung, auch oblag ihr beispielweise die Wahl des prime ministers –, doch war ihre Macht in der Praxis seit dem Reform Act von 1832 eingeschränkter.268 In nahezu allen Fragen an die Entscheidungen des Parlaments g­ ebunden,

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Kommentar und Interpretation seiner Zeit zu lesen und nicht als politische Primärquelle (Ähnliches schreibt Urbach 2011, S. 80). Bagehot 1974, S. 226. Ibid., S. 229: “We have come to regard the crown as the head of our morality. The virtues of Queen ­Victoria and the virtues of George III have sunk deep into the popular heart. We have come to believe that it is natural to have a virtuous sovereign […].” Hervorhebung wie im Original. Anlässlich der 1874 veröffentlichten Biografie Prinz Alberts, die auf diversen Dokumenten und persönlichen Informationen der Königin basierte, erschien am 12.12.1874 in Athenaeum eine Besprechung, in der dieser Kommentar der Königin abgedruckt ist. Athenaeum, Nr. 2459, 1874, S. 786. Zu viele Verwandte – wie der Herzog von Cumberland, König von Hannover, oder Alberts Bruder Herzog Ernst II. von Coburg – hatten sich imageschädigend verhalten, vgl. Urbach 2015, S. 24 f. Vgl. zu Victorias politischer Einflussnahme vor allem Kap. II. 2. Das englische Verfassungsrecht ist „bis heute nicht in einem kodifizierten Verfassungstext […] festgelegt.“ Es besteht „aus einem komplizierten System von Einzelgesetzen, geschriebenen wie auch ungeschriebenen Rechtsbräuchen, althergebrachten Traditionen und historischen Tatbeständen, den ‘constitutional conventions’.“ Hans-Christof Kraus: Prince Consort und Verfassung. Zum Problem der verfassungsrechtlichen Stellung Prinz Alberts, in: Franz Bosbach u. John R. Davis (Hg.): Prince Albert. A Wettin in Britain, München 2004, S. 111–135, S. 112.

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konnte sie von ihren Rechten nur in extremen Fällen Gebrauch machen.269 Ihren Posten zu halten forderte folglich, den Mehrwert, den die Institution Monarchie ihrer Nation zu bieten hatte, öffentlich zu erklären und zu demonstrieren. Mit der Präsentation von Familie, vor allem von Kindern, erhalten automatisch Inhalte Einzug in die monarchische Bildnispolitik, die laut Bagehot „Interesse erregen“ und „zu den Herzen der Menschen“ und „ihren Gedanken“ dringen. Der Hof h ­ atte das r­ oyale Familienglück zum politischen Teaser für den britischen Staat auserkoren. Ein s­ olches strategisches Vorgehen, nämlich Emotionen gezielt innerhalb der Bild-Betrachter-­ Kommunikation zu verankern, konnte bereits im vorangegangenen Kapitel für die sentimentalisierten Porträts herausgearbeitet werden. Über Emotion gelingen Sinngebung und Vermittlung politischer Botschaften besser als durch vernunftgeleitete ­Argumente.270 Damit entsprach die damalige Öffentlichkeitsarbeit der britischen Monarchie neuesten Forschungsergebnissen heutiger Neurowissenschaften.271 Anhand einer Analyse des monumentalen Gruppenporträts The Royal Family von 1846 lässt sich nachvollziehen, wie gezielt Winterhalter eine derartige emotional ge­ steuerte Wirkung im Familienbildnis zu evozieren verstand und wie strategisch Medienkampagnen diese seinerzeit nutzten. Winterhalters The Royal Family in 1846 Vor mediterraner Landschafts-Kulisse posiert in offizieller, auffällig mit Hosenband­orden dekorierter Kleidung das Herrscherpaar auf der 2,50 × 3,17 Meter messenden Leinwand (Taf. 12).272 Als Sitzgelegenheiten dienen zwei wuchtige edle Stühle auf einer mit rotem

269 Die zeitgenössischen Meinungen über die Macht der britischen Krone im 19. Jahrhundert sind mannigfaltig, vgl. Kraus 2004, S. 131 ff. Bagehot sieht in ihr nach herbem Machtverlust 1832 eine durch ihre symbolische Kraft legitimierte wichtige Institution, um dem politischen System eine Art Maske überzustülpen. Alpheus Todd hingegen schrieb 1867–69: “Though divested, by the growth and development of our political institutions, of direct political power, the crown has still retained immense personal and social influence for good or evil. The King’s name is a tower of strength; and without the blessing of headship, in the person of an hereditary sovereign, the time-honoured institutions of England would sink at once to the level of a democracy, and the good government of the country would be jeopardized, if not overthrown, by the strife and cupidity of rival factions contending for the mastery.” Zitiert nach Kraus 2004, S. 132. 270 Vgl. Haider 2005; vgl. auch schon Rüdiger Voigt: Mythen, Rituale und Symbole in der Politik, in: id. (Hg.): Politik der Symbole, Symbole der Politik, Opladen 1989, S. 9–38, S. 11. 271 „Emotion dominiert und leitet das menschliche Entscheidungsverhalten, nicht rationale[] Leistungskriterien“. Dieser Mechanismus wird heute auch in neuen Disziplinen wie Neuroökonomie oder Consumer Science erforscht. Zur Beziehung von Marketingstimuli, Hirnfunktionen und dem daraus resultierenden Konsumentenverhalten vgl. Barbara Sigg: Emotionen im Marketing: Neuroökonomische Erkenntnisse, Bern 2009, hier: S. 2 u. S. VI. 272 Das Porträt wird auch von Reisberg genauer analysiert, vgl. id. 2016, S. 121 ff.

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Baldachin überspannten Terrasse.273 Queen Victoria nimmt aus dem Zentrum des Bildes Kontakt zum Betrachter auf, als junge und modebewusste Mutter. Ruhig und gelassen sitzt sie neben ihrem Ehemann Prinz Albert, ihre Hand berührt seine beinahe. Das Paar ist umringt von seinen fünf Kindern, denen Alberts ungeteilte Aufmerksamkeit gilt. Zu seinen Füßen kümmern sich zwei Töchter, Alice und Victoria, um das jüngste der Kinder, Helena, das die Betrachterin – mit ihm auf Augenhöhe – kopfüber aus großen blauen Augen emotional zu manipulieren sucht. Im Arm hält Victoria ihren ältesten Sohn, den Thronfolger und Prinz of Wales. Das fünfte der Kinder, Alfred, ist dabei, mit ausgebreiteten Armen auf wackeligen Beinchen zu seinen Schwestern zu laufen. Wie ihre Eltern sind die Kinder in edle Garderobe gekleidet. Schärpe und Abzeichen des Hosenbandordens werten die Kleidung des Herrscherpaares auf. Zusätzlich ist der Hosenbandorden Alberts unterhalb seines linken Knies angebracht, um seinen Hals liegt der Badge of the Golden Fleece, wie im sentimentalisierten Porträt.274 Victoria trägt an ­einer Kette jenen Anhänger, der Alberts Haarlocke enthält, außerdem ein Diadem.275 Sie wählte damit für dieses Bildnis keine der beiden zu den offiziellen Regalien gehörenden Kronen, sondern ein von ihrem Ehemann kreiertes Schmuckstück; vielleicht ein weiterer Hinweis auf ihr persönliches Ehe-Hierarchieverständnis, Albert als ihr ebenbürtig anzusehen.276 Obgleich die offiziellen Krönungsinsignien fehlen, verkünden alle Accessoires, dass hier ein offizieller Auftritt auf politischer Bühne stattfindet. Die Rolle der Königin als Mutter des Staates wird innerbildlich lebendig, eine Rolle, die Victoria – so die eindeutige Botschaft des Bildes – souverän ausfüllt. Die Augen des Betrachters sind angehalten, einmal um die Familie herumzuwandern, um die sich derart ein liegendes Oval schnürt. Prince Albert dirigiert diesen Betrachterblick rechter Hand auf Victoria und den Kronprinzen. Jener weist wiederum auf den jüngeren Bruder, dessen um Gleichgewicht ringende Arme die Familienszene von links einschließt und den Blick ins Bildzentrum zurückleitet. Alberts linke Hand schwebt

273 Die unterschiedlich verlaufenden Fluchtpunktlinien der Lehnen beweisen, dass es sich um zwei zueinander gedrehte Stühle handelt. In beiden Ausstellungskatalogen zu Franz Xaver Winterhalter wird fälschlicherweise ein Zweisitzer erkannt: “sofa” in Kat. Courts of Europe 1987, S. 39; „Kanapee“ in Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 20. Millar identifiziert die Stühle als Set von Morel & Seddon, angefertigt für Windsor Castle, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 239. 274 Das weibliche Geschlecht der Königin barg hinsichtlich diplomatischer Ordensverleihungen Schwierig­ keiten, da viele Orden nur Männern verliehen werden durften. Prince Albert konnte an ihrer Stelle ­einige annehmen, unter anderem den Badge of the Golden Fleece. Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 329. 275 Das Design des mit Diamanten und Smaragden besetzten Diadems, der Brosche und der Ohrringe stammt von Prince Albert. Gearbeitet hat das Diadem 1845 Joseph Kitching für 1150 £. Vgl. Kat. Jewellery 2010, S. 40; vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 78. 276 Die Königin konnte als Oberhaupt des Hosenbandordens Albert diesen höchsten Orden Groß­britanniens verleihen. Vgl. zur Funktion des Hosenbandordens und den damit einhergehenden Hinweisen auf das Hierarchieverständnis des Herrscherpaares Kap. II. 2. u. 3.

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über seinen drei Töchtern; diesen Bildausschnitt hatte Winterhalter entgegen seiner Gewohnheit direkt auf der Leinwand zu beginnen, auf einem Skizzenblatt entwickelt, derart wichtig schien ihm offenbar jene Erziehungs- und Beschützergeste.277 Winterhalter gelingt es, die Familie als harmonische Einheit zu inszenieren. Gleichzeitig evoziert das Richtungsgefüge das Gefühl von Lebendigkeit. Wie als Beweis für die Authentizität der minutiös festgehaltenen familiären Szene, platzierte der Künstler als Einstieg und Blicköffnung in das monumentale Bildnis vorne links eine um­geschlagene Teppichkante, eine Nachlässigkeit, die wohl nur unbeschwertes Kinderspiel fabriziert ­haben kann. Die Landschaft sendet eine spezielle politische Botschaft. Der Hintergrund eröffnet nämlich keinen traditionellen Blick auf Regierungssitz oder -land, sondern enthüllt den Meerblick aus dem privaten Wohnzimmer der Familie im Osborne House. Eine Skizze von der Hand Queen Victorias mit dem Titel View from the Sitting Room Window of the New House at Osborne zeigt denselben roten Vorhang, den Ausblick und den Teppich wie im Winterhalter-Porträt (Taf. 13).278 Die royale Kulisse suggeriert Luxus – ein dicker asiatischer Teppich, erlesene Südfrüchte, wertvolle Blumen und vergoldete Möbel.279 Die Demonstration von häuslicher Harmonie und Wohlstand, zwei hohe Ziele viktorianischen Glücksstrebens, bieten dem zeitgenössischen Betrachter emotionalen Zugang zum Gemälde. Kontraste forcieren ein lebendiges Blickerlebnis: Feinmalerei steht neben ­einem schnellen Strich; Victorias Schmuck ist beispielsweise sehr plastisch, das Kleid des ­jüngsten Sohnes dagegen mit breitem und modernem Pinselstrich aufgetragen. Königliches Rot hebt sich vom edlen Weiß der Kleider ab. Familiäre und liebevolle Intimität paart sich mit offizieller Repräsentation.280 Die Eltern strahlen Ruhe und Gelassenheit aus, die Kinder sind eher aktiv und in Bewegung. Jene kindliche Agilität birgt ein narratives Moment, welches das monumentale Bildnis modernisiert. Der jüngste Sohn möchte zu seinen Schwestern laufen, eine Tochter ist dabei, das auf dem zur Unterlage umfunktionierten Krönungsmantel liegende Baby hochzuheben, dieses versucht sich auf die Seite zu drehen. Nur die Ältesten scheinen den

277 Foto der Bleistiftzeichnung im Archiv der National Portrait Gallery, London, Referenznegativ-Nr. 17057. Auch Reisberg und Ormond deuten die Geste als Hinweis auf Kindererziehung, vgl. Reisberg 2016, S. 126; vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 40. Ormonds Aussage, dass es der Bildkomposition an Rhythmus und Energie fehle, dass vor allem das Königspaar einem “Cut-out” gleiche und ein Loch in der Komposition auszumachen sei, ist nach der vorliegenden Analyse nicht nachzuvollziehen. Richard Ormond: Introduction, in: Kat. Courts of Europe 1987, S. 18–65, S. 40. 278 RCIN 980054.at. 279 Vgl. zum Bildnis auch Reisberg 2016, S. 126 ff.; vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 39 f. 280 Diese Gegensätze animieren Margaret Homans zu Fragen wie: “Are Victoria and Albert public or private, indoors or out, on stage or not?”, Homans 1998, S. 30.

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Ernst der offiziell-repräsentativen Situation erfasst zu haben und blicken seriös den Maler an. Solche narrative Komplexität spendet dem Bild einen genrehaften Zug. Kate Retford belegt für Paarporträts im England des 18. Jahrhunderts, dass die Vereinigung von männlichem und weiblichem Raum einen neuen heterosozialen Raum zur Folge hat.281 Blickt man auf das matriarchalisch-monarchische Familienbild von Winterhalter, muss man diesem heterosozialen den kindlichen Raum hinzufügen. Familie, Kindheit und Erziehungsideale im 19. Jahrhundert Um das höfische Familienbildnis im zeitgenössischen Kontext verorten zu können, soll an dieser Stelle ein kurzer Exkurs konturieren, welche Vorstellungen von Familie und Kindheit die Gesellschaft seinerzeit beherrschten. Seit dem 17. Jahrhundert war in Europa zunehmend eine „Entdeckung der Kindheit“ auszumachen.282 John Locke legte 1693 mit seiner Schrift Some Thoughts Concerning Education den Grundstein für eine aufgeklärte und progressive Wahrnehmung des Kindes als „vernunftbegabte[m] Wesen“.283 Jean-Jacques Rousseau, der 1762 seinen viel beachteten Erziehungsroman Émile ver­ öffent­lichte, revolutionierte diese Perspektive. Er gestand Kindern nur wenige, aber stark ausgeprägte Eigenschaften zu, darunter „eine scharfe Beobachtungsgabe […] und Elementargefühle“.284 Erstmals wurde die Kindheit in wissenschaftlichen Abhandlungen als eigenständige und wichtige Lebensphase erkannt. Johann Gottfried Herder ent­fernte mit seinem „romantischen Kindheitsbild[]“ Kindheit und vernunftbasiertes Aufklärungsgedankengut noch stärker als Rousseau voneinander.285 Spätestens im vorgerückten 18. Jahrhundert war von einer „Sentimentalisierung von Kindheit“ zu sprechen.286 Die Vorstellung von einer idealen Beziehung zwischen Eltern und Kindern veränderte sich während dieser Zeit von einer autoritären zu einer altruistischen.287 Die gemeinsame Erziehung, die Sorge um das kindliche Wohl, galt als wichtiges Bindeglied zwischen Mutter und Vater.288 Mit der Aufwertung von Kindheit entstand ein eigener

281 Vgl. Retford 2006, S. 82. 282 Die Entdeckung der Kindheit. Das englische Kinderporträt und seine europäische Nachfolge, hg. v. ­Mirjam Neumeister, Ausstellungskatalog, Städel Museum Frankfurt, Frankfurt am Main 2007 (Kat. Entdeckung der Kindheit 2007). 283 Damit nahm er Abstand von älteren Vorstellungen von einer „natürlichen Bösartigkeit der kindlichen Natur“. Hans-Heino Ewers: Kinder der Natur, Kinder Gottes, in: Kat. Entdeckung der Kindheit 2007, S. 47–57, S. 48. 284 Ibid., S. 51. 285 Ibid., S. 53. 286 Gestrich 2013, S. 38. 287 „Fürsorge und Zärtlichkeit“ und „nicht mehr Disziplinierung jedweder Art“ überwog das Eltern-KindVerhältnis idealerweise, Trepp 1996, S. 403. 288 Vgl. Habermas 2000, S. 264 f. Wie Retford für das Porträt des 18. Jahrhunderts, konstatiert Habermas für die Familie im 19. Jahrhundert, dass nicht „von einer Trennung der weiblichen und männlichen

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Kosmos in Abgrenzung von der Erwachsenenwelt: Kinderzimmer wurden eingerichtet, Kindermöbel und pädagogisch wertvolles Spielzeug in neuen Dimensionen produziert, gehäuft Kinderliteratur und Erziehungsratgeber publiziert.289 Ähnliches spiegelte die Kunstwelt: Vorher hatten Kinderbildnisse hauptsächlich e­ ine Funktion innerhalb der Erwachsenenwelt zu erfüllen, etwa politische dynastische Stabi­ lität zu visualisieren oder sozial hohe Klassenzugehörigkeit zu demonstrieren. Viele gesunde Kinder in einem Porträt präsentieren zu können bedeutete auch, dass sich die ­Familie eine gute Ernährung und medizinische Versorgung leisten konnte. Diese Funktionen veränderten sich, in den Gemälden bestimmte zunehmend Kindlichkeit die Bildaussage.290 Am englischen Hof war Prinz Albert für die Erziehung des königlichen Nachwuchses zuständig. Damit verantwortete er ein traditionell weibliches Feld herrschaftlichen Handelns. Geprägt waren seine Vorstellungen und sein Wissen von deutschen Erziehungs­ idealen. Zwei im deutschsprachigen Raum entstandene Werke sollen jene die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts prägenden Kinderideale und liberalen Erziehungsgedanken veranschaulichen: Willem Joseph Laquys um 1790 gemaltes Familienbild erlaubt einen Einblick in das Arbeitszimmer eines Familienvaters (Abb. 17). In ein unordentliches Spielfeld haben die drei Kinder den Raum verwandelt. Der älteste Sohn hält ein Spielzeuggewehr im Anschlag, der jüngste sitzt trommelnd in der Wiege, die Tochter spielt Federball im Haus. Die Jungen sind offensichtlich laut, sie ahmen den militärischen Beruf des Vaters nach. Der in Wellen gelegte Teppich neben dem bellenden Hund dient – wie in Winterhalters Bildnis der Royal Family – als Beweis für wildes Kinderspiel. Die Eltern scheint es nicht zu stören: Ruhig und stolz schauen sie dem Spektakel zu. Und nicht nur dies, Vater und Mutter scheinen selbst unordentlich: Stiefel, Uniformjacke und Hut liegen ungeordnet herum.291 Momenthaftigkeit zeigen Posen und Mimiken: Wesentliches Element der familiären Szene ist Bewegung; als Indiz fungiert der in der Luft hängende Federball.

Räume gesprochen werden kann. […] Statt einer Trennung von Frauen und Männern bildete sich vielmehr ein neuer gemeinsamer Raum heraus.“ Id. 2000, S. 265. 289 Vgl. Gestrich 2013, S. 38. 290 Vgl. Mirjam Neumeister: Die Entdeckung der Kindheit. Eine Einführung in die Ausstellung, in: Kat. Entdeckung der Kindheit 2007, S. 13–31, S. 13. Meist entbehrten Kinderporträts vor 1750 eines kindlichen Gehabes, sie zeigten kleine Erwachsene. Ausnahmen sind z. B. Tizians Clarissa Strozzi (1542, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie), Anthonis van Dycks Maddalena Cattaneo (1623, Washington, National Gallery of Art) oder Giovanni Francesco Carotos Knabe mit einer Zeichnung (um 1520, Museo di Castelvecchio, Verona). 291 Vgl. Kat. Sanft und engelsgleich 1995, S. 54. Dem Katalogtext ist in vielerlei Hinsicht nicht zuzustimmen, vor allem die Interpretation der Mutterfigur, die hier als „blaß gepudert […] ergeben duldend, etwas kraftlos eine Stütze suchend […] die Personifikation des schwachen Geschlechts“ beschrieben wird, scheint Vorurteilen und keiner sorgfältigen Bildanalyse zu entspringen.

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17  Willem Joseph Laquys: Familienbild, um 1790, Öl auf Leinwand, 74 × 63 cm, ­Kleve, Städtisches Museum Haus Koekkoek

Ähnlich liberale Pädagogik-Ideale haben 25 Jahre später noch immer Bestand: In erzieherischer Absicht verfasste volkstümliche Blätter, wie die hier mit Lebensläufe be­ titelte Illustration, stehen repräsentativ für Massen an Porträtmotiven (Abb. 18).292 Schematisch werden ideale gender-spezifische Meilensteine dargestellt. Während der Mann als Kind trommelnd, und damit laut und bewegt, als Knabe lernend, als Jüngling dyna292 Vgl. Kat. Sanft und engelsgleich 1995, S. 102. „Diese Festlegung der bürgerlichen Frauen auf die ­Rolle der Hausfrau und Mutter und die damit verbundene explizite anti-intellektuelle Charakterisierung der Frau dominierte das pädagogische Schrifttum des 19. Jahrhunderts [und] die reale Erziehung der ­Mädchen […].“ Gestrich 2013, S. 106.

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18  Anonym: Lebensläufe, um 1815, Kupferstich, ohne Maße, Frankfurt, Historisches Museum

misch und frei und als Mann arbeitend gezeigt wird, ist die Frau als Kind leiser und unbewegter gezeichnet, als Mädchen mit Hand- statt mit Kopfarbeit beschäftigt, und wartet danach als junge Frau, voller Sentiment Liebesbriefe lesend, auf ihre Aufgabe als Ehegattin. Das pädagogische Blatt formuliert klar die Zielvorgabe für jeden Bürger und jede Bürgerin: Erst in der Ehe kommen grundverschiedene Geschlechter zu einer optimalen Geltung und Ergänzung. Solche Ideale prägten die Kindererziehung in ganz Europa und auch die der britischen Königsfamilie. Wie erwähnt, kümmerte sich hauptsächlich Prince Albert um die Organisation der Erziehung.293 Victoria unterstützte ihren Ehemann in dem Vorhaben, die Thronfolger nach tugendhaften Maßstäben volksnah zu erziehen. Solche Vorgaben sind in einem Brief, in dem sie ihrer Tochter Erziehungstipps für ihre Enkel gibt, zu lesen: „Was ich meinte […] ist folgendes: daß die Prinzen und Prinzessinnen vollkommen gütig und menschlich sein müssen, daß sie nicht denken sollen, sie wären von anderem Fleisch und Blut als die Armen, die Bauern, Arbeiter und Dienstboten.“294 Allerdings re-

293 Für die Nachkommen von Victoria und Albert wurde ein eigenes Haus in Kindergröße gebaut. Zeitgenössischen Geschlechteridealen entsprechend, erhielten die Mädchen eine Kinderküche mit Gemüsebeet, für die Jungen wurde ein Miniaturfort zur Vorbereitung auf ihre militärische Karriere gebaut. Wichtiger Punkt war, sie mit dem „realen britischen Leben“ vertraut zu machen. Deshalb besaßen sie einen Einkaufsladen mit realen Marktpreisen. Vgl. Urbach 2011, S. 88. 294 Brief vom 11.02.1871, abgedruckt in: Frederick Ponsonby (Hg.): Briefe der Kaiserin Friedrich, Berlin 1929, S. 131.

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sümiert Victoria hier Idealvorstellungen, die nach außen hin auch inszeniert wurden. In der Realität kümmerten sich Victoria und Albert selbst nicht viel mehr um ihre Kinder, als Herrscherpaare vorheriger Jahrhunderte; zahlreiche Ammen und Kinder­mädchen waren angestellt.295 Winterhalter arbeitete im königlichen Familienporträt moderne Ideale von geschwisterlichem Zusammenhalt wie „Zuneigung, Vertrauen, Verlässlichkeit“ sensibel aus.296 Auch sind Geschlechterideale in den Kinderfiguren angelegt. Erziehungs­ratgeber empfahlen, der ältesten Tochter die Position der Erzieherin zur Vorbereitung auf ihr späteres Leben zu übertragen.297 Hier kümmern sich die älteren Mädchen fürsorglich um ihr jüngstes Geschwisterchen. Die Jungen hingegen agieren stehend. Der Thronfolger, durch sein rotes Kostüm von seinen Geschwistern abgehoben, hält sich dicht neben der Herrscherin. Fürsorgliche Erziehung wird durch Alberts aufmerksamen Blick und ­seine weisenden Hände thematisiert.298 Da sich für die repräsentative Funktion des Ge­mäldes herum­liegendes Spielzeug kaum schickte, erinnert die umgeschlagene Teppichkante ledig­lich an kindliche Unordnung. Kindlichkeit spiegeln auch Winterhalters Einzelporträts von den britischen Königskindern. Ein Porträt von Prinz Alfred mit Prinzessin Helena diene als Beispiel (Abb. 19). Die familiäre Begeisterung für das schottische Hochland betonend, trägt Victorias Sohn einen Kilt mit Dachssporran und Kniestrümpfe im Tartanmuster. Die Federn, die der ­Älteste der Jüngsten vorenthält, sind Teil der schottischen Tracht und stecken normaler­ weise an einem Hut.299 Winterhalter malt glänzende Kinderaugen, Pauswangen, dralle Händchen. Vor allem die bewegten und unruhig wirkenden Posen betonen ihre Kindlichkeit und gehen mit zeitgenössischen Pädagogikwerken konform: Erziehungsratgeber propagierten, Bewegung sorge für Kräftigung der körperlichen Konstitution, Spiel für die Ausprägung von Geschicklichkeit und für die Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeiten; Kinder durften seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert lebhaft und mussten nicht brav und angepasst sein.300 Winterhalters Kinderikonografie verleiht den Kindern damit eine „Transparenz der Unschuld“.301 Das Geschwisterbildnis war ein Geburtstagsgeschenk für Victoria von Albert. ­Francis Graham Moon erwarb die Druckrechte und sorgte dafür, dass das Originalgemälde in Edinburgh öffentlich ausgestellt wurde. Damit sollte wohl der Verkauf seiner Nach­drucke

295 Vgl. Urbach 2011, S. 95 f. 296 Gestrich 2005, S. 129. 297 Vgl. Iris Wien: Transparenz der Unschuld. Ein Blick auf englische Kinderbildnisse des 18. Jahrhunderts, in: Kat. Entdeckung der Kindheit 2007, S. 35–45, S. 42. 298 Vgl. Schoch 1975, S. 151. 299 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 311. 300 Neumeister 2007, S. 24. 301 Wien 2007, S. 35.

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19  Franz Xaver Winterhalter: Prince Alfred and Princess Helena, 1849, Öl auf Leinwand, 49,2 × 34,8 cm, London, Royal Collection

angeheizt werden.302 Kinderporträts, dazu noch prominente, waren in Schottland ein Verkaufsschlager, was in diesem Fall der vestimentäre Hinweis auf die schottische Nationalität noch verstärkt haben wird. Der Boom um Familie und Kindheit bewirkte eine Konjunktur des Familien­porträts. Werner Telesko sieht im Familienbildnis um 1800 eine Symbiose aus „adlige[m] und bürger­liche[m] Bildtypus.303 Es begleite die bürgerlichen Emanzipationsstrebungen, visuali­siere geradezu einen „ideologischen Aufstieg der ‚bürgerlichen Familie‘“.304 Familiä­ rer Zusammenhalt, das Demonstrieren von innerer Einheit und emotionaler Zusammen­ gehörigkeit waren wichtige Eckpfeiler der aufklärerischen Bewegung. Die Familie wurde zur „staatstragende[n] Säule“ der Gesellschaft.305 Amy Freund zeigt jüngst auf, dass

302 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 311. Auch, dass das Bild 1855 abfotografiert wurde, weist auf eine weite Verbreitung hin (RCIN 2905928). 303 Telesko 2006, S. 77. 304 Wienfort 1993, S. 183. 305 Telesko 2006, S. 77.

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g­ erade die bürgerliche Familienporträtmalerei die politische Ideologie der Französischen Revolution transportierte.306 Die Auswirkungen auf das höfische Familienporträt waren enorm.307 Besondere Veränderung betraf die Komposition der Figuren, die im klassischen höfischen Familienporträt vor dem 19. Jahrhundert die Darstellung der Hierarchiestufen der einzelnen Familienmitglieder im Fokus hatte und weniger die zwischenmenschlichen Beziehungen, wie es im Winterhalterschen Bildnis der Fall ist. Vor allem die monarchischen Spröss­ linge wurden nun viel kindlicher dargestellt. Ein beachtlicher Unterschied zwischen dem zeitgenössisch-bürgerlichen Porträt und dem höfischen Familienbild von Winterhalter liegt in der Nicht-Konzentration auf den Vater. Üblicherweise oblag diesem als pater familias die ranghöchste Position. Prinz Albert ragt zwar figürlich am höchsten hinaus und trägt als einziger ihn damit akzentuie­ rende, samt-schwarze Kleidung.308 Er ist aber nicht das Zentrum aller Aufmerksamkeit. Auch die Queen ist es nicht, trotz ihres Blickwechsels mit dem Betrachter. Vielmehr birgt Winterhalters Komposition eine außergewöhnliche Atmosphäre von demokratisch verteilter Aufmerksamkeit, die alle Familienmitglieder, auch die Kinder, ähnlich wichtig erscheinen lässt. Besonders deutlich wird diese Aufmerksamkeitsverteilung im Vergleich mit einem Porträt von Maria Theresia und ihrer Familie auf der Schlossterrasse von Schönbrunn von Martin van Meytens (um 1754, Kunsthistorisches Museum, Wien). Die auf sie weisende Gestik wichtiger Familienmitglieder markiert sie als „Machtzentrum“.309 Das britische Königspaar ist hingegen als „Arbeitspaar“ gekennzeichnet.310 Winterhalters Figurenarrangement löst derart den Konflikt zwischen gesellschaftlich-idealer patriarchalischer und speziell viktorianisch-matriarchalischer Darstellung. Rezeption der Queen als Mutter Victorias Position als weibliche Herrscherin barg Vorteile und Nachteile zugleich. Ihre Ausnahmestellung als weibliche Herrscherin forderte die herkömmliche patriarchische Familienauffassung geradezu heraus und erschwerte es Victoria in vielerlei Hinsicht, sich auf eine typische Rolle festzulegen.311 Sie erntete viel Häme: Zeit ihrer Regierung 306 Vgl. Amy Freund: Portraiture and Politics in Revolutionary France, University Park, Pennsylvania 2014, S. 199–234. 307 Helmut Börsch-Supan: Aufklärung und Intimität in der deutschen Bildnismalerei des 18. Jahrhunderts, in: Kat. Von Mensch zu Mensch 2010, S. 11–27, S. 17 f.; vgl. Telesko 2006, S. 78. 308 Zu schlichter dunkler Herrenkleidung als vestimentärem schichtenübergreifendem Zeichen vgl. Kap. III. 1. 309 Anne-Sophie Banakas u. Sandra Hertel: Die Gestik Maria Theresias zwischen Weiblichkeit und Majestät, in: Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 205–212, S. 210. 310 Vgl. Kap. I. 2. 311 Zur Problematisierung von Victorias weiblicher Herrscherrolle und Alberts Position in der medialen Öffentlichkeit vgl. Homans 1998, S. 17 ff.

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reduzierte die Presse ihre Position wiederholt auf einen aktuellen männlichen Lebens­ abschnittsbegleiter, indem man sie mit Mrs Melbourne, Mrs Coburg oder Mrs Brown betitelte.312 Diverse Karikaturen verspotteten auch die Position Alberts als untergeordneten Ehemann.313 Obwohl sich der Kinderreichtum der Royal Family langfristig zu einem wahren Werbe-­ Clou entwickeln sollte, kommentierte die Presse die Anzahl der Geburten zunächst kritisch. Auch die Euphorie des Volkes hielt sich während der wirtschaftlich kritischen 1840er Jahre in Grenzen; jedes Kind kostete den Steuerzahler Unterhalt.314 ­Diverse ­Stiche entlarvten Victorias und Alberts Elternrolle als Fulltime-Job: Der Thronsessel bleibt in diesen Abbildungen unbesetzt.315 Umso bedeutsamer war, dass die emotionale Botschaft der Royal Family den viktoria­ nischen Betrachter erreichte. „Voraussetzung für die Symbolkraft von Familie und Dynastie war die Wahrnehmung des Monarchen als Individuum mit menschlichen Bedürfnissen, die sich prinzipiell nicht von denen seiner Untertanen unterschieden.“316 Die Feststellung der Historikerin Monika Wienfort lässt sich nahezu als Grundlage für die Definition höfischer Tugendporträts nutzen. Victoria konnte sich als Vorzeige­mutter ­ihrer Familie präsentieren und damit zeitgenössischen Idealvorstellungen nicht nur entsprechen, sondern ihrem Volk vorbildlich voranschreiten. Dieses mit dem Ziel, dass i­ hre Kompetenzen, die mit dem Muttersein einhergehenden Tugenden und Stärken, auf die Rolle der Mutter der Nation übertragen werden. Neuere Forschung verweist darauf, dass gerade Victorias Weiblichkeit den britischen Thron in den für eine Monarchie politisch unsicheren Zeiten jene vor einem Untergang bewahrte.317 Da hiervon grundsätzlich ein regierungspolitischer Machtverlust abgeleitet wird, ist dem nicht ohne Weiteres zuzustimmen, da sich auch regierende Herrscher mit Kind in ihrer Rolle als Familienvater darstellen ließen, vor allem im seinerzeit neuen Medium der carte de visite.318 312 Benannt nach ihrem ersten, die 18-jährige stark beeindruckenden Premierminister, ihrem Ehemann sowie einem schottischen Diener namens John Brown, der die Witwe stets begleitete, vgl. Urbach 2011, S. 135 f. 313 Vgl. Homans 1998, Abb. 6 u. 10. 314 Zu Kritiken vgl. Urbach 2011, S. 62 f. 315 Vgl. Homans 1998, Abb. 10 u. 11. 316 Wienfort 1993, S. 184. Wobei Victoria nie so weit ging, sich darstellen zu lassen wie zum Beispiel ­Kaiser Franz I. in den Familienbildnissen der Restaurationszeit, in denen kein Hinweis mehr auf eine kaiserliche Darstellung gegeben wird, und die bürgerliches Familienethos beschwören. Vgl. Schoch 1975, S. 105 u. Abb. 107. 317 Vgl. Dollinger 1985, S. 356; vgl. Kohlrausch 2005, S. 110; vgl. Schulte 2002a, S. 23; vgl. Bernd Weisbrod: Die theatralische Monarchie: Victoria als „Family Queen“, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 236–253, S. 238; vgl. Clarissa Campbell Orr: The feminization of the monarchy 1780–1910, in: Andrzej Olechnowicz (Hg.): The Monarchy and the British Nation, 1780 to the Present, Cambridge 2007, S. 76–107. 318 Napoléon III. mit Sohn, wie auch Franz Joseph von Österreich mit seinen Kindern, vgl. Kap. I. 6. u. Kap. I. 7.

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20  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria with Prince Arthur, 1850, Öl auf Leinwand, 59,5 × 75,1 cm, London, Royal Collection

Nichtsdestoweniger nutzte Victoria die Mutterrolle stringent für die Öffentlichkeitsarbeit. 1850 porträtierte Winterhalter Victoria mit Prince Arthur als Baby auf ihrer Terrasse in Osborne (Abb. 20). Das Lichtspiel versetzt die in Pastellfarben gehaltene ­Szene am Meer in eine fiktive südliche Landschaft, die Siesta-ähnliche Ruhe suggeriert. Das ovale Format verdichtet den Eindruck einer intimen Mutter-Kind-Situation. Die Blicke beider treffen sich, die Handhaltung Victorias deutet eine liebevolle Berührung an. ­Eine idealisierte, an zeitgenössische sentimental-idyllische Genredarstellungen erinnernde Mutter-Kind-Beziehung ist hier inszeniert. Innerbildlich findet die offizielle Rolle der Königin keine Erwähnung.319 Das Genrehafte in Winterhalters Bildnis enthebt Victoria der regierungspolitischen Sphäre. So kann sie sich als Mutter zeigen, ohne auf politischer 319 Sich als Schwangere oder Mutter mit Säugling zu zeigen kam in Mode. Das hatte auch den Grund, dass Bevölkerungswachstum forciert und entsprechend die Mutterrrolle vermarktet wurde, vgl. Kat. Sanft und engelsgleich 1995, S. 184. Victorias Körperhaltung könnte auf die Tätigkeit des Stillens verweisen, die zum Trend der bürgerlichen Lebensführung gehörte. Stillen im Bild war vor allem Genrebildern

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Ebene Reputation einzubüßen. Das Bild war ein Geburtstagsgeschenk für Prince Albert und wurde im privat genutzten sitting room in Osborne aufgehängt, dessen Aussicht der des Bildhintergrunds entsprach.320 Zweierlei verrät, dass das Bild trotz der inszenierten Privatsphäre eine offizielle politische Botschaft transportierten sollte: Ein Stich von G. Zobel verbreitete 1852 das hier illustrierte Mutter-Image in der Öffentlichkeit.321 Einen zweiten Hinweis liefert der bereits zu Lebzeiten angebrachte ovale Rahmen, dessen aufwendig geschnitztes Rosenwerk eine Krone schmückt.322 Diese Krone ist eine hölzerne Kopie des sogenannten Diamond Diadems, das Victoria seit ihrer Krönung zu offiziellen Anlässen wie der Parlamentseröffnung trug. Wie bewusst jene Porträts inszeniert worden sind, die die Königin in privater Mutter­ situation zeigen, offenbaren ihre Tagebücher sowie zahlreiche Briefe. Die Diskrepanz zwischen ihrer persönlichen Einstellung und den Bildinhalten ist bemerkenswert. V ­ ictoria stillte nicht selbst.323 Ihre Briefe verraten, dass sie weder begeisterte Schwangere noch engagierte Mutter, eher später eine teilnehmende Großmutter war.324 Das sollte sich ihrer ältesten Tochter gegenüber ändern, als diese den Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen ehelichte und ein fulminanter, über 40 Jahre andauernder Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter begann. Erst jetzt nahm Victoria ihre Tochter auf Augen­höhe wahr.325 Dieser offenbart sie ihre „wahren“ Gefühle bezüglich Schwanger- und Mutterschaften, es fallen Vokabeln wie “disgusting”. Victoria stellt fest, “an ugly baby is a very nasty object […] but from four months they become prettier and prettier”. Sie wusste: “Dear Papa always directed our nursery and I believe that none was even better.”326 Die Ergebnisse könnten dazu veranlassen, ihre Bildnisse in der Mutterrolle als berechnende Werbemaßnahme und damit als bloße Zugeständnisse an vorherrschende Gesellschaftsideale zu sehen. Doch das wäre wohl falsch. Auch wenn Victoria dem Mutter-­Dasein nicht so viel abgewinnen konnte, wie ihre Porträts vorgeben, wollte sie

und niederen Ständen vorbehalten. Erst in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts findet das Motiv Eingang in die bürgerliche, seltener in die adelige Malerei. 320 Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 83. 321 Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 294. 322 Vgl. RCIN 7405963. 323 Vgl. Urbach 2011, S. 96. 324 Zum Vergleich heranzuziehende Familienporträts des späten 18. Jahrhundert in Retford 2006, S. 83– 114. In Großbritannien manifestierte sich der Trend auf rechtlicher Ebene in einem 1839 erlassenen Gesetz, bekannt als Custody of Infant Act, das Anfänge eines mütterlichen Sorgerechts definiert, vgl. Rudolf Beck u. Konrad Schröder (Hg.): Handbuch der britischen Kulturgeschichte. Daten, Fakten, ­Hintergründe von der römischen Eroberung bis zur Gegenwart, Paderborn 2006, s. v. “Custody of Infant Act” (Vera Nünning), S. 291. Vgl. auch Opitz 2000, S. 85 ff. 325 Vgl. Schulte 2002, S. 178. 326 Ibid., S. 184 f.

5.  Middle class-Ideal?

21  Francis Cotes: Queen ­Charlotte with Charlotte, Princess Royal, 1767, Pastell, 93,0 × 78,5 cm, London, ­Royal Collection

­unbedingt den zeitgenössischen Idealen entsprechen, gerade weil jene idealerweise auch ­ihre ­eigenen waren.327 Sonst hätte sie kaum Tugendporträts wie das von 1850 im privaten Rahmen verschenkt.328 Nationales Vorbild war die Porträtpraxis Queen Charlottes, die ihre Mutterrolle differenziert ausbildete. Eine Art von Domestizierung der britischen Monarchie hatte bereits unter ihr und George III. langsam begonnen. Wie dem Volk Einblick in ihr Leben 327 Wilhelm Heinrich Riehl kritisierte in seinem Bestseller Die Familie 1855 die Emanzipation der Frau, die einer Individualisierung der Frau gleichkomme, als natürlicherweise falsch, weil sie die „Zerstörung der Familie zur Folge“ habe. Rebekka Habermas: Bürgerliche Kleinfamilie – Liebesheirat, in: ­Richard van Dülmen: Entdeckung des Ich. Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln et al. 2001, S. 287–309, S. 187. 328 Dass Prince Arthur sich offenbar als besonders pflegeleichtes Kind entpuppte (“This child is dear, dearer than any of the others put together”, schrieb Victoria an Albert, zitiert nach Kat. Art and Love 2010, S. 83), mag dazu beigetragen haben, dass sie gerade diese Mutterschaft zu einem solchen Motiv und Bildnis inspiriert hat.

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22  Martin van Meytens: Maria Theresia mit Franz Stephan und neun Kindern, 1752, Öl auf Leinwand, 204 × 189 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum

mit Kind ermöglicht wurde, illustriert zum Beispiel ein ovales Pastell, 1767 öffentlich ausgestellt, auf dem die Königin die schlafende Kronprinzessin in den Armen hält und dem Betrachter mit erhobenem Finger zu verstehen gibt, still zu sein, damit das Kind nicht aufwacht (Abb. 21).329

329 Das Bildnis wurde 1767 während der jährlichen Ausstellung der Society of Artists gezeigt. Es existieren zwei Kopien. Vgl. RCIN 452805. 1770 wurde dieses Porträt von William Wynne Ryland gestochen und dabei das Bildmotiv der Mutter mit Kind in ein Regalienporträtschema eingefügt. Die Spannung zwischen der intimen Szene und dem pompösen Umraum führt zu einem Gattungskonflikt, der verdeutlicht, wie funktional eine Splittung eines Bildnisprogramms in verschiedene Rollenbilder, also eine sorgfältige Trennung von Mechanismen von Herrschaftsanerkennung, für eine mühelose Rezeption der Bildbotschaft ist (1770, London, Royal Colletion).

5.  Middle class-Ideal?

Die Bildnispolitik von Queen Charlotte und Victoria unterscheidet sich hierin von der Maria Theresias. Diese ließ zwar ihre Fruchtbarkeit als legitimierendes Argument immer wieder in ihre Repräsentationsstrategie einfließen, jedoch zeigen die Porträts nie eine sentimental-liebende, dem Kind zugewandte Mutter. Maria Theresia präsentierte grundsätzlich ihre politische Position, meistens mit Ehemann und im Kreise der ganzen Familie (Abb. 22).330 Sie verkörperte „gleichsam weibliche und männliche Vollkommenheit“, wurde aber zu Lebzeiten als „die große Ausnahme“ rezipiert; anders wäre sie kaum in seinerzeit herrschende aufklärerische Idealvorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit zu integrieren gewesen.331 Erst die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts charakterisierte die Herrscherin Maria Theresia schließlich als „bürgerlich[e] Familienmutter“ – so selbstverständlich war das Idealbild einer Mutter als fürsorgliche Frau in der Gesellschaft etabliert.332 Rezeption von Winterhalters The Royal Family Wie unentbehrlich auf politischer Ebene die Propagierung der vorherrschenden Familien­ ideale war, offenbart beispielhaft die Rezeption des Winterhalterschen Familienbildes in Großbritannien.333 Aufgehängt wurde es zwar im privaten Umfeld der Königsfamilie, im dining room, der zu deren Privatgemächern im Buckingham Palace zählte.334 Vorher, 1847, wurde es jedoch im St. James’s Palace gezeigt, wo “vast crouds of people were ­attracted thither to see it”.335 Da das Bildnis unglaublich positive Resonanz erfuhr, kaufte

330 Die Darstellungen von Maria Theresia allein mit Kind zeigen den Thronfolger. Zur Rezeption von ­Maria Theresia im 19. Jahrhundert als liebevolle Mutter, die sie nicht war, vgl. Barbara Stollberg-­ Rilinger: Weibliche Herrschaft als Ausnahme? Maria Theresia und die Geschlechterordnung des 18. Jahrhunderts, in: Braun/Kusber/Schnettger (Hg.) 2020, S. 19–50, hier: S. 40 f. Trotz der Wichtigkeit der dynastischen Kontinuität wurde in ihrer Ikonografie „nie die fürsorgliche Mutter des 19. Jahrhunderts inszeniert“, Bettina Braun, Jan Kusber u. Matthias Schnettger: Einleitung, in: Braun/Kusber/Schnettger (Hg.) 2020, S. 9–16, S. 14. 331 Barbara Stollberg-Rilinger: Maria Theresia – Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biografie, München 2017, S. XVII. 332 Ibid., S. XXV. 333 Es sei an den Zeitungsbericht der Illustrirten Zeitung erinnert, der die Queen als liebende Mutter und nicht als politisch relevante Figur propagiert, vgl. Kap. I. 2. 334 Die Queen erwähnt die zahlreichen Sitzungen aller Familienmitglieder stets in ihrem Tagebuch. Abschließend gibt sie ihr Urteil ab: “Winterhalter’s picture, which is a ‘chef d’œuvre’, – like a Paul ­Veronese, such beautiful, brilliant, fresh colouring”, Victoria’s Journals, Bd. 22, S. 237 (18.12.1846). “Winterhalter’s splendid family picture” wurde allen Besuchern gezeigt, Lord Palmerston äußerte sich Victoria zufolge so: “the finest modern picture he ever saw”, Victoria’s Journals, Bd. 22, S. 242 (20.12.1846). 335 Es waren über 100.000 Besucher. Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 294; vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 78; vgl. Reisberg 2016, S. 128, der die Ankündigungen in den Zeitungen zusammenfasst, die bereits Kat. Courts of Europe 1987, S. 41 erwähnt (Daily News, 23.03.1847, S. 5; The Morning ­Chronicle, 19.04.1847, S. 5; The Times, 02.07.1847, S. 8).

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Moon 1849 von Winterhalter die Druckrechte und engagierte den britischen Künstler Samuel Cousins für die Anfertigung eines Stichs.336 Dessen Kopie wurde wie ein neues Original in The Art-Journal 1850 euphorisch besprochen, nicht ohne Seitenhieb auf ­Winterhalters Können und vor allem auf dessen nicht-britische Nationalität. Der Kritiker würdigt die hohe Qualität des Stichs umfassend und verkündet: “[…] it deserves to find a place in the home of every loyal British subject.”337 Den Erwerb des Bildes als Druck machte dann Colnaghi’s in London möglich.338 Was in der Forschung bisher nicht thematisiert wurde, betrifft den Umgang mit dem Originalbild über diese erste große Ausstellung hinaus: Das Winterhaltersche Familien­ porträt erfuhr eine derart ideologische Aufladung, dass es – wie zu Wahlkampf­zwecken – zu den Besuchen des Herrscherpaares vor Ort öffentlich ausgestellt wurde. So zum Beispiel in Edinburgh, wie The Scotsman am 24. August 1850 berichtet: “Mr  ­Crichton has the honour to announce that he has been intrusted, by especial permission, with ­Winterhalter’s Celebrated Drawing of The Royal Family for Exhibition for a short ­time.”339 Zwei Wochen später war ein Besuch des britischen Königspaares geplant, währenddessen Prince Albert den Grundstein für die National Gallery of Scotland legen sollte.340 Dieses Vorgehen verdeutlicht wie wichtig, auch in Zeiten technischer Reproduzierbarkeit, das Original war. Die farbige lebensgroße Darstellung barg mehr Wirkmacht als jede massenmedial verbreitete Version.341 Für Victoria und Albert transportierte dieses Winterhaltersche Bildnis auch innerhalb der Familie eine bestimmte Weltanschauung. Dessen Nutzung am Tag der Hochzeit ihrer Tochter Alice 1862 gibt diesbezüglich Aufschluss: Das Ölbild wurde über dem A ­ ltar platziert, von wo aus es – wie ein Gemälde von George Housman Thomas i­ llustriert – dem frisch gebackenen Ehepaar den richtigen Weg der Eheführung weisen sollte (Taf.  14). Das Bild von Thomas wurde wiederum ein Jahr später öffentlich in der Royal Academy ausgestellt.342 Jedes verlobte Paar in Großbritannien sollte sich mit der Darstellung identifizieren und der Vorzeige-Ehe ihres Herrscherpaares nacheifern. Derselben Meinung war offenbar The Illustrated London News, die eine dem Thomasschen Porträt ähneln-

336 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 294. 337 The Art-Journal, 1850, S. 235. 338 Vgl. Panter 1996, Anm. 286; Athenaeum 1847, S. 530. 339 The Scotsman, 24.08.1850. 340 Vgl. RA Archiv-Nr. 404873, Winterhalter (Royal Archives, London). 341 Schochs Aussage, bezogen auf ein anderes Gemälde, dass „der Bedeutungsanspruch, den der Typus durch das reduzierte Format scheinbar verlor, […] durch die massenhafte Verbreitung mittels druckgraphischer Reproduktionen um ein Vielfaches wettgemacht“ werden kann (Schoch 1975, S. 107), ist zwar nicht falsch, doch ein überlebensgroßes farbiges Gemälde hat im 19. Jahrhundert mehr Eindruck gemacht als eine kleinformatige schwarz-weiß Reproduktion. 342 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 260.

5.  Middle class-Ideal?

de Zeichnung über zwei Seiten abdruckte und im Text auf das Winterhalter­porträt über dem Altar verwies.343 * Rainer Schoch stellt für die Öffentlichkeitsarbeit des britischen Königshauses fest, dass man „von offizieller Seite […] bemüht“ gewesen sei, „eine volkstümliche Vorstellung von der Monarchin zu propagieren und dabei die häuslichen Tugenden in den Vordergrund zu rücken.“344 Diese vor allem von der älteren Literatur überbetonte „Häuslichkeit“ des britischen Hofes führt zu falschen Schlussfolgerungen.345 Häuslichkeit war hier nicht im bürgerlichen oder gar heutigen Sinn zu verstehen. Entscheidend für eine zeitgenössische Verbindung des Hofes mit Werten der middle class war vielmehr die neue Art der dezentrierten Hofführung, die eine Trennung von Privatleben und öffentlichem Auftritt ermöglichte.346 Paraphrasiert man Victorias Auftritte in Winterhalters Tugendbildnissen als ­middle class-Ideal, muss die Betonung mehr auf Ideal als auf Häuslichkeit liegen. Der B ­ ildinhalt spielt lediglich auf einer Metaebene auf solche Vorstellungen an, um im Betrachter entsprechende Assoziationen zu wecken.347 Queen Victoria musste zwischen dem Ideal der passiven, ja untergeordneten Ehefrau und ihrem Auftrag als Oberhaupt einer Weltmacht zu einer passenden Bildlösung finden. Sie konstruierte aber nicht kurzerhand aus dem patriarchalischen ein matriarchalisches Herrscherideal. Vielmehr fand sie zu einem Bildnisprogramm, das zwischen beiden Rollen changierte, die Königin zu einem familiären Vorbild für alle Klassen erhob und gleichzeitig ihrem Herrschaftsanspruch als einer der

343 The Illustrated London News, 05.07.1862, Abb. S. 72–73, Artikel S. 75. 344 Schoch 1975, S. 150. 345 Vgl. z.  B. Svetlik 1997, S. 50. Vgl. im Gegenzug Reisberg 2016, S. 127. Vgl. auch Schamas sorgfältige Unterscheidung: “Beside the continuing importance of uniform and coronation robes portraits the genre of nursery album portraits and conjugal portraits became the stock-in-trade of the monarchmongering business.” Simon Schama: The Domestication of Majesty: Royal Family Portraiture, 1500– 1850, in: Robert I. Rotberg u. Theodore K. Rabb (Hg.): Art and History. Images and Their Meaning, Cambridge 1986, S. 155–183, S. 157. Vgl. ebenso Urbach 2015, S. 26, in Bezug auf Prinz Alberts strategisches Vorgehen: „der Außenwelt sollte sowohl die traditionelle, repräsentative Seite der Monarchie gezeigt werden als auch eine bürgerlich anmutende Familie.“ 346 Z. B. durch das Nutzen von Zufluchtsorten wie Osborne House. 347 Volkstümlicher erscheinende Gegenentwürfe zu Winterhalters offizieller Repräsentation bieten die Familien­gemälde Edwin Landseers. Dessen Porträts zeigen die junge Familie meist in bürgerlicher Kleidung in privat anmutenden Situationen zu Hause oder in den Highlands, wo die Familie ihr geliebtes Refugium Balmoral Castle besaß, das zum Inbegriff eines privaten monarchischen Rückzugsortes wurde. Prinz Albert wird in diesen meistens als Familienmittelpunkt, als pater familias, skizziert. ­Allein schon die weitaus kleineren Maße dieser Bildnisse sprechen für eine weniger offizielle Funktion. Für eine Bildanalyse des Porträts Windsor Castle in modern Times von Edwin Landseer (1841–43, ­Royal Collection, London) vgl. Homans 1998, S. 28.

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mächtigsten Frauen der Welt gerecht wurde. Dies ermöglichte vor allem die spezielle Einbeziehung Prinz Alberts in das Familiennetz und dessen Sentimentalisierung. Winterhalters Porträts trugen maßgeblich zu diesem Selbstentwurf bei. Die Maßnahmen fruchteten, die Presse berichtete in den 1850er Jahren eindeutig monarchiefreundlicher.348 Auf medialer Ebene demonstriert der Umgang mit dem Familienporträt eindrucksvoll, wie effektiv die offizielle Präsentation des farbigen überlebensgroßen Original­öl­porträts neben der druckgrafischen Vervielfältigung war.

6. « Ornement du trône »: Winterhalters Porträts der Kaiserin Eugénie und die Erweiterung des Tugendbegriffs während des Second Empire Winterhalter wurde nach dem Sturz von König Louis-Philippe im Jahr 1848 und der Wahl von Louis-Napoléon zum Präsidenten der Zweiten Republik bezeichnenderweise erst nach dessen Staatsstreich, der ihn 1852 Kaiser werden ließ, wieder in Frankreich engagiert.349 Der neue Monarchentitel erforderte offensichtlich eine Krönung im Künstleratelier.350 Und dafür war Winterhalter, dem sein Ruf als begehrtester europäischer Monarchenmaler längst vorauseilte, prädestiniert. Wie bemerkenswert die Übernahme eines Hofmalers gleichwohl ist, vermittelt eine Beobachtung des Künstlers Paul Martin, die dieser während der Februarrevolution in Paris machte: „In einem Nebenhause, das als provisorisches Atelier des bekannten Malers Winterhalters diente“, konnte Martin beobachten, wie Winterhalters „lebensgroß angefangene[s] Bild der Herzogin v. Orléans in Gesellschaft zweier Prinzen“ zerstört wurde.351 Demnach hatten 1848 genau die Gemälde symbolisch für ein Feindbild gestanden, die Winterhalter nur fünf Jahre später erneut großen Erfolg bescheren sollten.

348 Vgl. Urbach 2011, S. 89. 349 Während seiner 4-jährigen Präsidentschaftszeit hatte er Winterhalter jedenfalls nicht beschäftigt. Napoléon III. erfand eine eigene Genealogie. Der unpopuläre Napoléon-François-Bonaparte war 1831 gestorben, er hatte titularisch zwei Wochen regiert und konnte so als Napoléon II. entsprechend strategisch genutzt werden. Vgl. Michael Erbe: Napoleon III. (1848/52–1870), in: Hartmann 1994, (Erbe 1994a), S. 422–452, S. 424. 350 „Die Krönung fand gewissermaßen im Atelier statt.“ So formuliert es Heinz Dollinger: Die historischpolitische Funktion des Herrscherbildes in der Neuzeit, in: id. et al. (Hg.): Weltpolitik, Europagedanke, Regionalismus, Festschrift für Heinz Gollwitzer zum 65. Geburtstag am 30. Januar 1982, Münster 1982, S. 19–45, S. 34. 351 Brief vom 24.02.1848, München, StB Monacensia, zitiert nach Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, hg. v. France Nerlich u. Bénédicte Savoy, 2 Bde., Bd. 2: 1844–1870, Berlin u. Boston (Lex. Pariser Lehrjahre 2015), s. v. „Martin, Paul“ (Lisa Hackmann), S. 160.

6.  « Ornement du trône »

Louis-Napoléon hatte sich bereits vor seiner Amtsübernahme 1848 einen Namen als Sozialpolitiker mit innovativen Reformideen gemacht.352 Seine Schriften wie Des idées napoléoniennes (1839) oder L’Extinction du paupérisme (1844) liefern Lösungsvorschläge etwa zur Umsetzung einer demokratischen Verfassung mit Gewaltenteilung. Sie waren europaweit Bestseller.353 Selbst als im Dezember 1852 das Zweite Kaiserreich ausgerufen wurde und Louis-Napoléon den Namen Napoléon III. annahm, galt er weiterhin als „Volkskaiser“, ja wurde sogar bisweilen zum „Wortführer des Sozialismus“ stilisiert.354 Einem solchen Ruf hatte seine Ehefrau gerecht zu werden. Nicht nur ­gehörte ein verheiratetes Staatsoberhaupt zu den Idealvorstellungen der Gesellschaft, vor a­ llem ­sollte möglichst schnell ein Thronfolger geboren werden. Im Januar 1853 ­verlobte sich ­Napoléon III. mit der spanischen Eugenia de Montijo und heiratete sie bereits zwei ­Wochen später.355 Da seine Wahl damit auf keine der standesgemäßen Prinzessinnen Europas fiel, hielt er kurz vor der Hochzeit im Januar 1853 vor dem Senat eine von zahlreichen Zeitungen abgedruckte, populär gewordene Rede, in der er seine Hochzeitspläne nicht nur verkündete, sondern erklärte und zu legitimieren suchte: « Mon mariage n’était plus qu’une affaire privée. »356 In dieser Ansprache fordert er von seinen Zuhörern Stolz auf das eigene Land « en prenant franchement vis-à-vis de l’Europe la position de parvenu » und erinnert an die Begeisterung, die die Hochzeit Napoléon-Bonapartes mit Joséphine im Volk geweckt hatte, die ebenfalls nicht von royalem Blut gewesen war. Im weiteren Verlauf seiner ­Rede französisiert er die spanische Herkunft seiner zukünftigen Ehefrau, indem er betont, sie sei « [f]rançaise par le cœur, par l’éducation, par le souvenir du sang que versa son p ­ ère pour la cause de l’Empire  », und arbeitet den Vorteil ihrer spanischen Herkunft heraus, nämlich « l’avantage de ne pas avoir en France de famille à laquelle il faille donner 352 Historikern gilt Napoléon III. als der „sozialpolitisch zweifellos engagierteste Repräsentant aller gekrönte[n] Häupter Europas“. Frank-Lothar Kroll: Die Idee eines sozialen Königtums im 19. Jahrhundert, in: Kroll/Weiß 2015, S. 111–140, S. 133. 353 Vgl. ibid., S. 132; vgl. Erbe 1994a, S. 426 f. 354 So bezeichnete Pierre-Joseph Proudhon bereits zu dessen Lebzeiten Napoléon III. Der Kaiser propagierte, „die Belange der gesamten Nation zu repräsentieren, soziale Spannungen auszugleichen und insbesondere die meist kümmerlichen Lebensbedingungen der mittellosen Unterschichten nachhaltig zu verbessern.“ Kroll 2015, S. 131. Dies belegen auch zahlreiche Imagereisen in Krisengebiete. 355 1826 wurde sie als Maria Eugenia Ignacia Augustina de Montijo, Portocarrero de Guzmán y K ­ irkpatrick geboren. Nach dem Tod ihres Onkels erhielt sie den Titel Gräfin von Teba. Eugénies Vater kämpfte ­unter Napoléon-Bonaparte, ihre Erziehung erfolgte in Spanien, Frankreich und Großbritannien. Zu Eugénies Biografie und der Verbindung mit Napoléon III. vgl. McQueen 2011, S. 2. Die europäischen Herrscherhäuser sahen den Emporkömmling als keine gute Partie an. 356 Die Rede ist abgedruckt in: Communication relative au mariage de l’empereur, 22 janvier 1853. Le S­ énat, le Corps législatif et le Conseil d’État se réunissent aus Tuileries […], in: Œuvre de Napoléon III. D ­ iscours, proclamations, messages, hg. v. Amyot u. Henri Plon, Bd. 3, Paris 1856 (Napoléon III Discours 1856), S. 357–360.

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honneurs et dignités. » Ihre Tugendhaftigkeit und katholische Frömmigkeit werden beschworen, und er konstatiert: « Douée de toutes les qualités de l’âme, elle sera l’ornement du trône.  » Schließlich erklärt der Kaiser seine Wahl mit Worten, die zeitgenössische Ideal­vorstellungen von ehelichem Zusammenhalt aufgriffen: J’ai préféré une femme que j’aime et que je respecte, à une femme inconnue dont l’alliance eût eu des avantages mêlés de sacrifices. Sans témoigner de dédain pour personne, je cède à mon penchant, mais après avoir consulté ma raison et mes convictions.

Kurzum: Napoléon III. verspricht, dass seine Ehefrau alle Ideale des französischen Volkes verkörpern wird. Ihr Name wechselte über Nacht: aus Eugenia wurde Eugénie. Napoléon III. war sich, wie seine Rede bezeugt, seines und Frankreichs Status als ­Parvenü innerhalb der monarchischen Strukturen Europas wohl bewusst. Seine Entscheidung, Winterhalter zu beauftragen, war eine kalkulierte: Der Deutsche besaß zu diesem Zeitpunkt europaweit einen derart hochkarätigen Ruf, dass der Besitz seiner ­Porträts als Aushängeschild für legitime Monarchie fungierte. Obwohl die Regierung immer wieder andere Maler beauftragte, hielten Eugénie und Napoléon III. an ­Winterhalter fest, vor ­allem Eugénie beschäftigte ihn wiederholt. Sie stieg nach der Hochzeit rasch zu einer populären Person des öffentlichen Lebens auf, und Winterhalters Bildnisse von ihr hatten in der nationalen wie internationalen Außenwirkung großen Einfluss auf die kaiser­liche Imagebildung; sie wurden bis zum Ende des Second Empire im Salon, auf den Weltausstellungen, auch in der Royal Academy, gezeigt und gerieten – in Drucken und abfotografiert im Format der carte de visite – europaweit zum Verkaufsschlager. Im Folgenden sollen Winterhalters Tugendporträts von Eugénie betrachtet werden. Sie war eine gebildete, politisch äußerst interessierte und engagierte Frau. Inwiefern erfüllte ihr Bildnisprogramm jene Anforderungen an eine Kaiserin des Second Empire, wie sie Napoléon III. in seiner Rede formulierte und wie sie gesellschaftlich europaweit an ­eine ideale Frauenrolle gestellt wurden? Feminines Ideal passiver Kontemplation? Als Napoléon III. 1873 starb, wurde eine bisher in diesem Zusammenhang unbeachtete Fotografie seines Sterbebetts in Umlauf gebracht: sein Sohn kniet verzweifelt vor dem Bett, hinter ihm Eugénie verschleiert und trauernd, ein Taschentuch vor ihr Gesicht haltend (Abb. 23). An der Wand hängt eine rechteckige Version des populärsten Porträts der Kaiserin, das Winterhalter 1854 angefertigt hatte (Taf. 15). Das hoch-ovale Hüftstück zeigt Eugénie ungefähr lebensgroß und vor roter Draperie sitzend; sie lehnt sich gegen ein grünes Kissen auf einem vergoldeten Stuhl, Farben des traditionellen höfischen Farbkanons aufrufend. Eugénie meidet Blickkontakt. Lediglich ein Hauch von Sentiment liegt über der milde lächelnden Kaiserin, deren Miene undurchdringlich bleibt. Ihr porzellanhafter Teint scheint kaum geschminkt. Das glänzende, sauber ­gescheitelte und glatt ­gelegte Haar ist zu einem Chignon am Hinterkopf zusammen­

6.  « Ornement du trône »

23  Flamant Emmanuel: Mort de l’empereur Napoléon III, 1873, carte de visite, 5,4 × 7,8 cm, Paris, ­Musée Carnavalet, Histoire de Paris

gebunden.357 Die Arme liegen in entspannter Körperhaltung auf ihrem Schoß. Sie trägt eine weiße Ballrobe mit flieder­farbener Stola, die mutmaßlich aus der französischen Manufaktur in Alençon stammenden Spitzenmassen quellen der Betrachterin förmlich entgegen. Entsprechend der neuesten Mode sind Dekolleté und Frisur mit Kunstblumen ausstaffiert. Sie trägt ­keinen Schmuck. Ein kleiner Ausblick in die Außenwelt zeigt ein Stück Himmel. Minutiöse Feinmalerei bestimmt Haut und Haar der Kaiserin, ein lockerer Pinselstrich charakterisiert Winterhalters Malweise der Stoffe. Erst mit Abstand betrachtet erreicht das Werk seine volle Wirkung: Der Samt der Draperie fällt schwer und matt, die Seide des Kissens changiert glänzend in verschiedenen Grüntönen, der in Falten gelegte Chiffon liegt leicht über der Büste. Die detaillierte Ausarbeitung der vestimentären Materialien pointiert, dass die Kaiserin aktuellste Mode trägt. Ein Vergleich ihrer Physiognomie mit einem von Edouard-Louis Dubufe gefertigten, ein Jahr zuvor im Salon ausgestellten und von der Kritik verrissenen Porträt der frisch verheirateten Kaiserin verrät, dass ihr Konterfei von Winterhalter „entspanifiziert“ wurde (Abb.  24).358 Winterhalter gestaltete ihr Gesicht breiter, die Nase zierlicher, die 357 Eine Frisur, die als à l’Impératrice bekannt werden sollte, vgl. Reisberg 2016, S. 146. 358 Vgl. McQueen 2011, S. 92. Damit ist eine ähnliche Nationalisierung ihrer Figur zu beobachten, wie sie Reisberg für die Duchesse d’Orléans als sozusagen französisiert und für Prince Albert als verenglischt

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24  Édouard-Louis Dubufe: Portrait de ­l’impératrice Eugénie, 1853, Öl auf Leinwand, 148 × 112 cm, ­Compiègne, Musées nationaux du ­Palais de ­Compiègne

Augen blauer und verringerte deren Mandelform. Eugénies nun rosigerer und hellerer Teint wird auch von der Lichtführung betont, Hals, Schultern und Dekolleté sind frei von Schmuck und werden angestrahlt. Obschon Dubufe in einem zweiten Porträt, das er ein paar Monate später malte, ähnliche Veränderungen ihres Antlitzes vorgenommen hatte, bekam er keine zweite Gelegenheit, ein Bildnis von Eugénie im Salon auszustellen.359 ­Alle Folgeaufträge wurden an Winterhalter vergeben. In der einleitend zusammengefassten communication relative au mariage ­kündigte Napoléon III. Eugénie als «  ornement du trône  » an. Damit ist ein aufwertendes und schmückendes Moment benannt, das sowohl äußere Qualitäten im Sinne von Schönheit und deren modischer Ausstaffierung beschreiben kann, als auch innere im Sinne von besonderer Tugendhaftigkeit. Eine Kaiserin als Ornament des Throns zu etikettieren sendete jedoch gleichzeitig die Botschaft, eine aktive Wirkung ihrerseits innerhalb genuin regierungspolitischer Sphäre eingrenzen zu wollen. Ihr ovales Porträt beantwortete diese Erwartungshaltung. Zwar ermöglichten Goldtöne und der zur klassischen Herrscherikonografie zählende, auf göttlich ­legitimierte Herrschaft weisende rote Vorhang eine soziale Einordnung der Kaiserin, jedoch gilt der Schwerpunkt der Darstellung zeitgenössischen Weiblichkeitsidealen. Nicht nur die konstatiert. Vgl. Reisberg 2009, S. 72. 359 Zur Kritik an Dubufes Porträt und seinem erfolglosen zweiten Versuch vgl. McQueen 2011, S. 91 f. Das zweite Bildnis wurde 1854 fertiggestellt und hängt seitdem im Château de Versailles et de Trianon.

6.  « Ornement du trône »

Hervor­hebung von Mode unterstützt das. Die Betrachterin darf die Kaiserin beobachten, während diese kontemplativ und absent an ihr vorbei in die Ferne blickt.360 Der Maler unterstellt ihr ein sentimentales Innenleben, dem sie sich im Moment hinzugeben scheint; auch wenn Winterhalter diesen Eindruck weniger stark markierte als in den sentimentalisierten Porträts von Victoria. Die Komposition ist frei an den Bildtypus der Mariendarstellung angelehnt. Neben dem sanften Lächeln nimmt etwa das Motiv der übereinandergelegten Arme Bezug auf die Ikonografie der Mutter Gottes. Der politische Körper der Kaiserin sollte als reiner weiblicher Körper erscheinen. Zugleich wurde damit auf typolgischer Ebene ihr katholischer Glaube bekräftigt. Aufschluss über die Funktion dieses Porträts gibt dessen öffentliche Präsentation: Es wurde zunächst auf der Pariser Weltausstellung von 1855 gezeigt, und zwar als Pendant zu Winterhalters ganzfigurigem lebensgroßem Regalienporträt des Kaisers von 1854, obwohl ein eigentlich an dessen Seite gehörendes Regalienporträt der Kaiserin existierte.361 Beide Gemälde rahmten an der Stirnseite des grand salon carré eines der b ­ ekanntesten Porträts des Second Empire: das Gruppenbildnis der Kaiserin mit ihren Hofdamen. Damit ist geklärt, dass das ovale Bild keinesfalls ein „intime[s] Gemälde“ darstellt, wie jüngst formuliert.362 Ganz im Gegenteil war es ein offizielles Bildnis von bedeutender politischer Funktion und Botschaft. Es war zu diesem Zeitpunkt für den Hof offenkundig wichtig, das zeitgenössische Idealbild einer Ehefrau zu vermarkten. Diese Vermarktungsstrategie bestätigt eine damals zu erwerbende vue stéréoscopique, die das Porträt von Eugénie an seinem festen Platz im Arbeitszimmer des Kaisers in Saint-Cloud ­zeigte.363 Auch, dass Winterhalters Bild als Kopie in rechteckigem Rahmen über Napoléons Sterbebett hing, offenbart, wie es während des Zweiten Kaiserreichs rezipiert wurde: Genau dort hatte ­seine anteilnehmende und liebende Ehefrau zu hängen. 360 Vgl. zum Bewusstseinszustand der Absenz in einem Monarchinnenporträt auch Kap. I. 7. 361 Hier irrt McQueen, die feststellt, dass das Regalienporträt der Kaiserin das Bildnisprogramm von rechts einschließt, vgl. id. 2011, S. 94. Auf der Weltausstellung wurde aber das ovale Porträt von 1854 als Gegenbild zum offiziellen Regalienporträt des Kaisers ausgestellt, vgl. zu den Beweisen für die Hängung und deren Bedeutung ausführlicher Kap. II. 1. u. vor allem II. 4 sowie Abb. 33. Reisberg wiederholt McQueens Ausführungen unkritisch, vgl. id. 2016, S. 149. Er interpretiert die Bildhängung trotzdem ähnlich wie oben vorgeschlagen, nämlich dass das ovale Tugendporträt (und das Modeporträt) den Blick auf das Regalienporträt mildern sollten in Hinblick auf eventuelles “female involvement in government” (S. 149). Eugénie engagierte sich dafür, das ovale Porträt, das erst kurzfristig fertig wurde, noch in die Ausstellung zu integrieren, vgl. Reisberg 2016, S. 146, der sich auf AMN, P6, 1855 bezieht. 362 Als solches wird es eingeordnet im Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 152. Auch im Kat. Courts of Europe 1987, S. 201 wird vergleichend an das “secret picture” Victorias erinnert (vgl. Kap. I. 7.). Vgl. dagegen Panter 1996, S. 138, der erkennt: „Trotz des intimen Ovals wirkt es vornehm und repräsentativ.“ 363 Cabinet de travail de Napoléon III à Saint-Cloud, vue stéréoscopique, Bibliothèque national de France, département des estampes et de la photographie, Cl. BnF, vgl. Catherine Granger: L’Empereur et les arts. La liste civile de Napoléon III. Mémoires et documents de l’École des chartes, Paris 2005, Abb. 4.

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Kritische Reaktionen auf das Bild sind wegen der 1852 eingeführten strengen Presse­ zensur kaum zu finden. Winterhalter traf offenbar Geschmack und Erwartungen der Öffent­lichkeit: Ein Jahr später, als die Ölgemälde im Kunstverein in Wien ausgestellt wurden, verantworteten die Winterhalterschen Porträts der französischen Kaiserin ­einen derart magnetischen Zulauf, dass es zu Ticket-Engpässen kam.364 Das ovale Porträt der ­Kaiserin geriet zum Beststeller als reproduziertes Souvenir in Form von cartes de visite.365 Die kleinformatigen Fotokarten strukturierten seit den späten 1850er Jahren den Bildnismarkt neu und erweiterten massiv Möglichkeiten monarchischer Repräsentation.366 Warum das ovale Tugendporträt und eben kein Regalienbildnis in der Weltausstellung das Bildnisprogramm komplettierte, erhellt ein Blick auf Eugénies politische Biografie, die keinesfalls mit der Botschaft des ovalen Porträts korreliert.367 Eugénie war von Beginn an interessierte und engagierte Politikerin.368 Sie übernahm während der Ab­ wesen­heit ihres Mannes drei Mal den Regierungsvorsitz.369 In diesen Zeiten oblag ihr die Führung des Kabinetts, außerdem leitete sie die zweiwöchig stattfindende Sitzung der höchsten Berater des Kaisers, an der sie fortan regelmäßig teilnahm. 1856 wurde sie über einen Senatsbeschluss mit in diesem Ausmaß in der französischen Geschichte einmalig profunden Möglichkeiten politischer Teilhabe ausgestattet.370 Das entsprach Mitte des 19. Jahrhunderts kaum dem Idealbild einer consort, wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln herausgearbeitet werden konnte. Presse und Opposition bewerteten ihre Teilnahme am politischen Geschehen negativ und unterstellten ihr, an zahlreichen strategischen und diplomatischen Entscheidungen des Kaisers maßgeblich beteiligt zu sein.371 Lauter wurden die Kritiker zwar erst 364 Vgl. Deutsches Kunstblatt, 10.04.1856, S. 133; vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 202. 365 Vgl. McQueen 2011, S. 98. 366 Vgl. zur carte de visite besonders Kap. III. 367 Vgl. zum Terminus Regalienporträt Kap. II. 1. 368 Vgl. zu Eugénies politischer Biografie jüngst Maxime Michelet: L’impératrice Eugénie. Une vie politique, Paris 2020. Eugénie formulierte von Beginn an ihr politisches Interesse in diversen Briefen, nachdrücklicher in Briefen an ihren Bruder James, weniger intensiv in ihren Briefen an ihre Schwester Paca, vgl. Lettres Familières de l’Impératrice Eugénie, conservées dans les archives du palais de Liria et publiées par les soins du duc d’Albe avec le concours de F. de Llanos y Torriglia et Pierre Josserand, 2 Bde., Bd. 1, ­Paris 1935 (Lettres Familières 1935), S. 53, S. 107–109, S. 133 f. 369 Sie regierte 1859 zwei Monate lang, während Napoléon III. in Italien französische Truppen anführte, 1865 eineinhalb Monate, während ihr Ehemann in Algerien war, und 1870 sechs Wochen während des preußisch-französischen Kriegs. Vgl. McQueen 2011, S. 3; vgl. Michelet 2020, S. 168. 370 Senatssitzung vom 05.07.1856, in: Procès-verbaux des séances du Sénat, gedruckt v. Charles Lahure, Bd. 4, Paris 1856 (Séances du Sénat 1856), S. 45. Zum Senatsbeschluss von 1856 und dem Nachtrag von 1858 sowie zu Eugénies Wirken im politischen Zirkel des Second Empire allgemein vgl. vor allem Kap. II. 5. 371 Vgl. zur Kritik Kap. II. 5.; zur kritischen Presse über Eugénies politisches Engagement, ihre Über­nahme von politischer Verantwortung und ihren politischen Einfluss vgl. Therese Dolan: The Empress’s new

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seit 1856, zeitgleich mit der Geburt des Thronfolgers und den anschließenden Senatsbeschlüssen. Dennoch liegt der Schluss nahe, dass die ersten Negativstimmen bereits die Bildauswahl für die Weltausstellung beeinflussten. Die Vorstellungen der regierungs­ internen Kunst-Verantwortlichen bezüglich des propagierten Bildprogramms korrelierten nicht immer mit denjenigen des Kaiserpaares. Eine Entscheidung Eugénies gleich nach ihrer Hochzeit demonstriert bereits, dass sie keinesfalls nur als « ornement du trône » wahrgenommen werden wollte. Sie lehnte den Schmuck ab, den die Stadt ihr als Hochzeitsgeschenk zugedacht hatte, und gründete mit der Geldsumme stattdessen ihre erste Wohltätigkeits-Institution, die nach der Geburt ihres Sohnes in Fondation Eugène Napoléon umbenannt wurde.372 Mit Frauenund Kinderrechten, Erziehungsmöglichkeiten für arme Mädchen, Gefängnisreformen und Veteranenhilfe sind nur einige Bereiche genannt, in denen sie während ihrer Herrschaft Fortschritte erzielte.373 So sehr ihr politisches Engagement in der Öffentlichkeit moniert wurde, so problemlos akzeptierte man ihre Rolle als Wohltäterin. Jene fokussierte auch die von der Regierung programmatisch beauftragte Kunst. Von Anfang an ­wurde ­Eugénie als Mäzenin in diversen Porträts, Ereignisbildern und Skulpturen vermarktet, verstärkt seit den 1860er Jahren, vielleicht um ihrer politischen Einflussnahme, einer männlich konnotierten Domäne, eine Art feminines Gegengewicht zu geben.374 Eugénie bestellte allerdings nur wenige Porträts oder Darstellungen, die sie als Gönnerin zeigten.375 Sie sorgte für die Verbreitung und mehrfache öffentliche Ausstellungen der Winterhalterschen Porträts. Da sie die Installation eines bestimmten Images von sich selbst in der Öffentlichkeit aktiv mitbestimmte, ist davon auszugehen, dass sie sich auf keinen Fall auf die Rolle der Wohltäterin festlegen lassen wollte. Die Kaiserin als Mutter Im Salon von 1857 hing Winterhalters zweites Tugendporträt der Kaiserin (Taf. 16). ­Eugénie sitzt in einem mit Draperie und Säulenpostament repräsentativ ausgestatteten idealen Raum auf einem vergoldeten Stuhl im Stil Louis XV. Auf dem Schoß hält sie ihren Sohn Louis-Napoléon. Winterhalter positionierte ihren Körper parallel zum Betrachter, um das Kind frontal darbieten zu können. Die Geste ihrer rechten Hand präsentiert den französischen Thronfolger. Eugénies hochgeschlossenes Gewand aus dunkelrotem Samt ist verglichen mit zeitgenössischer Mode ungewöhnlich schlicht. Auch dekorieren die Kaiserin weder Regalien

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clothes: fashion and politics in Second Empire France, in: Womens art journal, 15/1994, S. 22–28; vgl. ­Michelet 2020, S. 242. Vgl. McQueen 2011, S. 10. Vgl. ibid., S. 61. Vgl. ibid., Abb. 1.1, 1.18, 1.19 u. 1.25. Vgl. ibid., S. 57 u. S. 135 f.

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noch Schmuck. Umso intensiver veredelt die feine Ausarbeitung des Zobelpelzbesatzes an Kragen, Ärmeln und Saum des Paletots ihr Kleid.376 Die Draperie im Hintergrund ist, als wolle sie der roten Robe nicht die Schau stehlen, in Braun- statt in Rottönen koloriert. Der Prinz hält sich zwar in kindlicher Attitüde mit bewegten Füßen am Fellkragen der Mutter fest.377 Außerdem ist ihm die rote Schärpe mit dem Kreuz der Ehrenlegion, die ihm über die Schultern gehängt wurde, viel zu groß, was ebenfalls Kindlichkeit evoziert. Er tritt jedoch im Porträt nicht als Kind, sondern als öffentliche politische Figur auf; seine Physiognomie erinnert an diejenige Napoléon-Bonapartes.378 Mit Winterhalters Konzeption setzte sich der französische Hof ab von genrehaften Familiendarstellungen, wie sie in Großbritannien und in Frankreich seit der Aufklärung en vogue waren. Eugénies Porträt bezog sich explizit auf eine höfische Familienbild­ tradition. Die ruhige Szene birgt ein sakrales Moment, auch dieses Porträt erinnert an Madonnendarstellungen. Sich ikonografisch in solche Tradition zu stellen, war in Frankreich nicht unüblich. Vor allem im Ancien Régime, als das portrait historié seine Blütezeit erlebte, war die Kostümierung als Madonna mit Jesuskind beliebt.379 Winterhalters Bildnis spielt aber ganz speziell auf französische Porträtgeschichte an: Sein Bildnis ähnelt ­Elisabeth Vigée-Lebruns Darstellung von Marie-Antoinette mit ihren Kindern.380 Vigée-Lebruns Bildnis war ein politisches Statement gewesen (Abb. 25). Sie bildete Marie-Antoinette als fürsorgliche Mutter im Kreis ihrer Kinder ab, mit nur wenigen an den Rand gerückten Herrschaftszeichen. Das Bildnis sollte den Ruf der Königin als Frau von extravagantem Auftreten in ein tugendhafteres Licht rücken.381 Verhältnismäßig bescheidene Mode und die simple Ausstaffierung des Raumes rahmen deshalb die familiäre Szene. Die älteste Tochter schmiegt sich liebevoll an ihre Mutter. Die direkt neben der Herrscherin stehende Wiege konnte als Hinweis darauf verstanden werden, dass MarieAntoinette sich selbst, ohne die Hilfe von Bediensteten, um ihr jüngstes Kind kümmerte und sich damit zeitgenössischen Erziehungstrends anschloss. Eugénie verehrte Marie-Antoinette sehr. Ihr Porträt ähnelt in Schlichtheit und Zurückhaltung ihrem Vorbild, allerdings nicht, was die emotionale Beziehung zwischen M ­ utter 376 Zum Paletot als zeitgenössische Mode vgl. Kap. III. 2. 377 Die Darstellung des Kindes ermöglichte es, die Figur leicht zu extrahieren und einzeln zu vervielfältigen, wie z. B. in einer Lithografie von Alphonse Leon Noël (Imp. Lemercier, publié Goupil et Cie). 378 Vgl. McQueen 2011, S. 99. 379 Vgl. Marlen Schneider: Bildnis – Maske – Galanterie: das „portrait historié“ zwischen Grand Siècle und Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2019, S. 123. 380 Eugénie erhielt, während ihr Porträt als Mutter ausgeführt wurde, eine Tapisserie mit dem Motiv des Porträts von Marie-Antoinette als Mutter. Vgl. McQueen 2011, S. 99. Die Referenz auf Vigée-Lebrun nennt auch Kat. Courts of Europe 1987, S. 206. Vigée-Lebrun bezog sich wahrscheinlich ihrerseits auf ein Vorbild von Rubens, der seine Ehefrau Hélène Fourment mit Sohn Frans in gleicher Pose porträtierte (1638, Alte Pinakothek, München). Für diesen Hinweis sei Hendrik Ziegler gedankt. 381 Vgl. Schama 1986, S. 178 f.

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25  Elizabeth Vigée-LeBrun: Marie-Antoinette, Reine de France et ses enfants, 1787, Öl auf Leinwand, 275,2 × 216,5 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

und Kind betrifft. Das hat einen Grund: Da Eugénies Gesundheitszustand ­keine weitere Schwangerschaft erlaubte, kam dem französischen Thronfolger ein besonderer Stellenwert zu. Nicht die liebevolle Beziehung zwischen Mutter und Kind wurde deshalb von Winterhalter fokussiert, vielmehr präsentiert hier eine Kaiserin den Thronfolger.382 Im Vergleich mit der entspannten Atmophäre in The Royal Family wird die hier ge­legte Fokus auf das dynastische Moment noch klarer. Jüngst wiederholten Bildbeschreibungen, die ­Eugénie als „besorgt“, „mütterlich“ und „nahbar“ charakterisieren, ist kaum zuzustimmen.383

382 Winterhalter bedankte sich, zeitgenössisches Sentiment an den Tag legend, für den Auftrag in einem Brief an den Duc Tascher de Lapagerie: „Mein lieber Freund, es hat mich sehr gefreut, daß Ihre hohe Gebieterin sich meiner in Gnade erinnert, und mir die Ausführung eines Bildes anvertraute, welches für das ganze Volk erwünscht kommen wird.“ BSB, Winterhalter N. 84, Brief an den Duc Tascher de la Pagerie 29.04.1856. Brief zitiert auch bei Panter 1996, S. 145 u. McQueen 2011, S. 99. 383 Mirja Straub: Franz Xaver Winterhalter. Maler der Frauen, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 50–57, S. 54 bestätigt Aussagen von Ormond in Kat. Courts of Europe 1987, S. 50. Schon Panter 1996

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26  Paul Gavarni: Les ­Étudiants de ­Paris (Titel des Ensembles), ­1839–1841, ­Lithografie, 35,8 × 37,1 cm, ­Paris, ­Musée Carnavalet

Dass die Kaiserin sich derart auf Marie-Antoinette beziehen konnte, auch in Hinblick auf eine vorbildliche Mutterrolle, lag an der Rezeption Marie-Antoinettes im 19. Jahrhun­ onarchin dert. Zu deren Lebzeiten in Karikaturen bisweilen als sexhungrige egoistische M kritisiert, avancierte die Königin in der Geschichtsschreibung seit der Französischen Revolution zur posthum gefeierten Heldin.384 Regina Schulte kommt zu dem Ergebnis, dass die Stilisierung Marie-Antoinettes zu einer vorbildlichen Ehefrau und Mutter seit ihrer Verurteilung und Hinrichtung die „Verschmelzung zweier Konzepte“ zur Folge hatte, nämlich das der „bürgerlichen Familie mit demjenigen der Monarchie“.385 hatte diese Formulierungen kritisiert, vgl. id. 1996, S. 145. 384 Vgl. zu Karikaturen Marie-Antoinettes Lynn Hunt: Pornography and the French Revolution, in: id. (Hg.): The Invention of Pornography: Obscenity and the Origins of Modernity, 1500–1800, New York 1993, S. 301–340 (Hunt 1993a). 385 „Marie Antoinette wird über Mitleid und Identifikation in die Sitten- und Gefühlswelt des Volkes […] integriert und kann so vom Inneren der bürgerlichen Familie her als Königin restituiert werden.“ Schulte 1998, S. 89.

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Die diskursive Aufwertung der Mutterrolle wirkte allerdings geradezu paradox, da sie weder politisch noch rechtlich gestützt war oder gesellschaftlich praktiziert wurde. Zeitgenössische Karikaturen entlarvten die Diskrepanz zwischen theoretischer Heroisierung der Mutterrolle und gleichzeitig fehlender Anerkennung jener in der Praxis. Eine Lithografie von Gavarni illustriert eine alltägliche Szene in einem bürgerlich eingerichteten Wohnzimmer (Abb. 26). Der soeben nach Hause gekommene Mann, den Zylinder hat er bereits abgelegt, lehnt sich zurück und bittet seine Ehefrau: « Ô Femme ! chefd’œuvre de la création ! Reine de l’humanité ! mère du genre humain … tire mes bottes. » Eugénie war sich dieses Zustandes durchaus bewusst. Sie engagierte sich äußerst aktiv in den Bereichen Kinderrechte und Mutterschutz, beispielsweise saß sie der Société de charité maternelle vor, die arbeitenden Müttern aus armen Verhältnissen finanzielle Unter­stützung in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt zukommen ließ.386 Derart bekundet ein Bildnis mit ihrem Sohn auch ihre persönlichen politischen Ziele. Veränderungen des öffentlichen Lebens im Second Empire 1857 entstand ein weiteres ovales und lebensgroßes Porträt der Kaiserin: Als Sonntagsausflüglerin scheint sie in freier Landschaft zu sitzen, umgeben von Rasenflächen und hohen Bäumen (Taf. 17).387 Eugénie trägt neueste Mode. Blaue Satinbänder, die jeweils in Schleifen enden, durchziehen mehrere Lagen des weißen leichten Stoffes ihres Kleides. Der Freiluft-Situation entsprechend schützt sie ein breitkrempiger Strohhut vor der ­Sonne.388 Blumen liegen wie frisch gepflückt in ihrem Schoß, einige sind bereits zusammengebunden, andere schmücken ihr Haar. Diesem situativen Sujet widerspricht die Robe, deren kurze Ärmel und weites Dekolleté sie als repräsentatives Abendkleid ausweisen, das seinerzeit kaum als Ausflugskleid getragen worden ist. Das Pendantporträt vom Kaiser animiert noch stärker dazu, Verbindungen zum öffent­lichen Leben in Paris herzustellen (Taf. 18). Gekleidet in einen schwarzen Gehrock über grauem Gilet und grauen Hosen mit weißem Hemd und schwarzer Fliege, personifiziert Napoléon III. vor einer Naturkulisse den Typus des großbürgerlichen Spazier-

386 Vgl. McQueen 2011, S. 34. 387 Die Figur ist derjenigen aus Winterhalters monumentalem Gruppenporträt Kaiserin Eugénie im Kreis ihrer Hofdamen von 1855 nachempfunden. Laure Chabanne erklärt überzeugend, warum das ovale Bildnis mit Hut zeitlich nach dem Gruppenporträtt entstanden sein muss, vgl. Kat. Franz Xaver Winter­ halter 2015, S. 170. 388 Ob das Porträt ikonografisch tatsächlich in der Tradition von Vigée-Lebruns Porträt Marie-­Antoinette mit Strohhut (1783, Schloss Wolfsgarten) oder Rubens’ Porträt von Hélène Fourment Le Chapeau de paille (1620–25, National Gallery, London) zu verorten ist, wie es McQueen 2011, S. 101, vorschlägt, ist zu hinterfragen, da der Strohhut, nachdem er zum Outfit der Barrikadenkämpferinnen von 1848 gehörte, zum It-Piece der Modeszene wurde und damit zeitgenössichen Bezug hatte, vgl. Kap. III. 2.

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gängers.389 Seine Miene zeugt nicht von repräsentativer geistiger Aktivität, sondern zeigt ihn im Gegenteil etwas müde. Auch die Pose mit dem Griff an die Taschenuhrkette wirkt alltäglich. Die goldene Uhrenkette war zwar zum Zeitpunkt der Porträtentstehung noch ein monetäres Statussymbol, deren industrielle Produktion und damit eine Vergünstigung frühestens 1860 startete. Sie war aber bereits Zeichen von als bürgerlich geltenden Tugenden wie Pünktlichkeit und Verlässlichkeit.390 Beide Porträts visualisieren kaum eine moralisierende Naturnähe, wie sie Gemälde des 18. Jahrhunderts anklingen lassen.391 Vielmehr sollte die Einbettung in die Natur hier eine realere Situation evozieren. Daran lassen vor allem Kleidung und Miene des Kaisers keinen Zweifel. Das öffentliche Leben in Paris, das Bild der Straßen und Parks, begann sich Mitte des 19. Jahrhunderts unter seiner Führung zu verändern. Maßgeblich Anteil daran hatten die 1853 einsetzenden Umbaumaßnahmen der Stadt unter dem Präfekten Napoléons III., Georges Eugène Haussmann. Dazu gehörte auch die Umgestaltung und Schaffung diverser weitläufiger Grünanlagen, die der Kaiser in Erinnerung an Parks, die er in London gesehen hatte, anlegen ließ.392 Als Winterhalter 1857 die ovalen Porträts vor parkähnlichem Hintergrund malte, war beispielweise gerade die Umgestaltung des Bois de Bologne beendet worden. Dass sich das soziale Leben im Second Empire wandelte, und welche Auswirkungen dieser Wandel auf den Tugendkanon der Gesellschaft ­hatte, kommentierten die Brüder Goncourt 1860 wie folgt: Mon Paris, le Paris où je suis né, le Paris des mœurs de 1830 à 1848 s’en va. Il s’en va par le matériel, il s’en va par le moral. La vie sociale y fait une grande évolution qui commence. Je vois des femmes, des enfants, des ménages, des familles dans ce café. L’intérieur va mourir. La vie menace de devenir publique.393

Sie setzten den beobachteten Umbruch des öffentlichen Lebens gleich mit einer Verschiebung der sittlichen Grundlage der Gesellschaft und konstatierten eine Öffnung der privaten Sphäre, damit einhergehend auch eine Feminisierung der Öffentlichkeit.394 Damit erhielt das bis dato geltende ideale Tugendkonzept, die Zuordnung der Frau als passives, häusliches, auf den Mann bezogenes Element auch auf ideal-theoretischer Ebene 389 Außerdem existiert eine Fotografie vom Kaiser in gleicher Kleidung, auf der deutlich zu erkennen ist, dass an der Uhrenkette ein goldener Ring hängt. Vgl. Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 171; vgl. Panter 1996, S. 140. 390 Zur Taschenuhr als Statussymbol vgl. Brändli 1998, S. 237 f. 391 Vgl. auch Kap. I. 2. 392 Choay analysiert, dass in den 20 Jahren von 1850–1870 überdimensional viele und großflächige Grünanlagen in Paris geschaffen wurden, und zwar 39 % aller in den 120 Jahren zwischen 1850–1970 in ­Paris entstandenen Grünanlagen. Vgl. Françoise Choay: Haussmann et le système des espaces verts parisiens, in: Revue de l’art 29/1975, S. 83–99, S. 88. 393 Edmond u. Jules de Goncourt: Journal des Goncourt: Mémoires de la vie littéraire, Bd. 1: 1851–1861, ­Paris 1887, S. 346. 394 Vgl. Witmann 2004, S. 48 ff.

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eine entscheidende Erweiterung, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert europaweit sukzessiv fortsetzte: Die Frau war selbstverständlicher und aktiver Teil des öffentlichen Lebens.395 Öffentlich zur Schau gestellter Müßiggang in Form von Flanieren in kostspieligen Moden ging nicht mehr konform mit der Propagierung bürgerlicher Tugenden wie Fleiß oder Mäßigkeit.396 Die gesellschaftlichen Ideale während des Second Empire entsprachen tendenziell nicht mehr den gleichen Werten, die während der Aufklärung oder der Juli­ revolution gegen Luxus und Müßiggang des Adels im 18. Jahrhundert angetreten ­waren.397 Diese Veränderung des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens wirkte sich auf die Porträtlandschaft aus. Neue Sujets wurden bildwürdig. Winterhalter ging Ende der 1850er Jahre noch nicht so weit, Eugénie deutlich als städtische Flâneuse abzubilden, ­einen Typus, der seit den 1860er Jahren besonders von Vertretern der nouvelle peinture genutzt wurde.398 Auch platzierte Winterhalter Napoléon III. nicht sichtbar auf einer Straße. Doch sind die kaiserlichen Konterfeis als Sonntagsausflügler ein frühes Indiz für diese Entwicklungen: Beide Porträts könnten ebenso gut von einem großbürgerlichen Paar in Auftrag gegeben worden sein.399

395 Zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem englischsprachigen Forschungsstand zum Thema Gender, public space, and visual culture im 19. Jahrhundert vgl. den Sammelband D’Souza/­McDonough 2006, S. 2–11. Veralteten populären Forschungsansätzen wie Janet Wolffs The invisible Flâneuse. ­Women and the Literature of Modernity (1985) oder Griselda Pollocks Modernity and the Spaces of F ­ emininity (1988), die besonders auf dem als überholt geltenden Konzept der geschlechtlich in öffentlich und privat getrennten Sphären basieren (vgl. Kap. I. 1.), wird viel Raum gegeben, obwohl neue Forschungsansätze in dem Sammelband zu anderen Ergebnissen kommen. So z. B. Thomas, der in seinem Beitrag Women in public: the display of femininity in the parks of Paris konstatiert, dass Frauen den Männern gleichrangig in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten, und zwar ohne sofort Gefahr zu laufen “being categorized as fallen and sexualized”, was die älteren gender-Ansätze besonders für die Kunst des Impressionismus und im Zusammenhang mit dem männlichen Blick auf das weibliche Objekt feststellen und mit der Präsenz der Figur der Prostituierten in Bild und Wort begründen. Thomas belegt dies mit Hilfe von Kunstwerken u. Fotografien, die Familien, Kindermädchen, Freundinnen beim Flanieren durch die Parks zeigen. Vgl. id. 2006, S. 34 ff., hier: S. 34. 396 Vgl. Kap. III. Die Modeporträts. 397 Vgl. Hahn/Hein 2005, S. 25. 398 Ein Typus, der auch Winterhalters hybrides Bildnis der Elisabeth von Österreich von 1865 maßgeblich beeinflussen sollte; vgl. Kap. III. 5. 399 Die soziale Elite des Second Empire hatte sich bereits unter Louis-Philippe gebildet. Léon de Laborde formuliert unter der Überschrift Maintien du goût public par la représentation et les fêtes: « L’aristocratie chez qui l’on dîne, chez qui l’on danse, qui réunit autour d’elle les magnificences du luxe et les productions des arts, c’est l’industrie financière. », in: Exposition universelle de 1851. Travaux de la commission française sur l’industrie des nations, publiés par ordre de l’Empereur, Bd. 8, Paris 1856, S. 1033.

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27   André-Adolphe-Eugène ­Disdéri: ­Napoleon III, Empress Eugénie and ­Napoléon, Prince Imperial, 1859, carte de visite, 8,5 × 5,2 cm, London, Royal Collection

Es gibt keine Quellen, die dokumentieren, dass die Originale öffentlich ausgestellt wurden.400 Allerdings zirkulierte während des Zweiten Kaiserreichs das Porträt von ­Eugénie mit Strohhut als carte de visite.401 Offenbar eignete sich für die Kommunika­tion eines derartigen zeitgenössischen Images des Kaiserpaares als Teil des öfentlichen Lebens besser das moderne Medium der Fotografie, auch als Abbild eines Ölgemäldes.402 Über diese kleinformatigen, von jedermann zu konsumierenden Fotokarten suchte das Kaiserpaar sein Image zeitgemäß anzupassen. Nicht nur Gemälde wurden reproduziert in Umlauf gebracht. Die französische Herrscherfamilie posierte in Fotografenateliers in steifen Körperhaltungen, bürgerlich-ziviler Kleidung und mit unbewegten Gesichtern

400 Vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 205. Für das Porträt bezahlte Eugénie privat und schenkte es einem Freund, vgl. McQueen 2011, S. 101. 401 Fotoalbum met 123 cartes-de-visite van leden van Europese vorstenhuizen, politici en bekende personen, Besitz von L. J. Hartkamp, diverse Künstler, zwischen ca. 1860 u. 1900, Albumindruck, 305 mm × 550 mm, Amsterdam, Rijksmuseum (Objekt-Nr. RP-F-F00674). 402 Vgl. zum Medium der Fotografie und Winterhalters Porträts Kap. III. 4. u. 5.

7.  “Secret pictures” der Geliebten?

wie Tausende andere Bürger in ganz Europa (Abb. 27). Nicht nur die Motive, sondern auch der Medien-Mix verdeutlichen, wie sorgfältig ein facettenreiches Bildnisprogramm produziert wurde. * Vergleicht man Winterhalters Tugendporträts von Kaiserin Eugénie mit denen von Großherzogin Sophie, Königin Marie-Amélie oder Queen Victoria, ist ein anderer Schwerpunkt auszumachen: Weibliche Schönheit und Tugendhaftigkeit wird hier repräsentativer und weniger sentimental transportiert, oft in Bezugnahme auf Mode. Nur bedingt inszeniert Winterhalter ein sensitives Innenleben, die Beziehung zwischen Mutter und Kind oder emotionale Liebe zwischen Ehepartnern.403 So sind die besprochenen Bild­nisse von Eugénie eher als modische Tugendporträts, denn als Tugendporträts im bieder­meierlichen oder viktorianischen Sinne einzuordnen. Eugénie avancierte auch zum ­Modevorbild, anstatt nur ein Musterbild an Tugendhaftigkeit zu sein, und wurde auf diesem Wege zu einem « ornement du trône ». Versiertheit und Kompetenz in Mode­ fragen zu zeigen, entwickelte sich spätestens in den 1850er Jahren zu einem genuinen Handlungsfeld für Frauen. Wie die Kaiserin dieses Sujet in ihren öffentlich verbreiteten Porträts thematisierte, wird in den Kapiteln II. 5. und III. 2. analysiert.

7. “Secret pictures” der Geliebten? Zur Inszenierung von Privatheit als Tugendversprechen bei Königin Victoria und Kaiserin Elisabeth Am 4. April 1875 regte eine Ausgabe des Illustrirten Wiener Extrablattes mit dem Titel Die Reise des Kaisers nach Dalmatien – Der Abschied auf dem Bahnhof mit einem großformatigen Stich auf dem Cover zum Kaufen und Weiterlesen an. Das Titelblatt bot einen intimen Einblick in den Alltag des österreichisch-ungarischen Herrscherpaares (Abb. 28): Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) gibt Kaiserin Elisabeth (1837–1898) ­einen innigen Abschiedskuss, während der Kronprinz Rudolf (1858–1889) den Vater per Handkuss verabschiedet. Der Text erklärt die „ergreifende Szene“:404

403 Weshalb die französischen Porträts wesentlich weniger Einblick in die Gefühlswelt der Dargestellten inszenieren, arbeitet Rainer Schoch heraus; in der programmatischen Schrift zur offiziellen Kunstpolitik des Second Empire findet er eine Erklärung: Der den Staatsporträts gewidmete Absatz kritisiert die Porträts der Julimonarchie unter Louis-Philippe, fordert wesentlich repräsentativere Darstellungen des Kaiserpaares und missbilligt allzu private Herrscherbildnisse. Vgl. Schoch 1975, S. 147. 404 Illustrirtes Wiener Extrablatt, 04.04.1875, S. 1.

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28 ­ Illustrirtes ­Wiener ­Extrablatt, 4. April 1875, ­Titelblatt

7.  “Secret pictures” der Geliebten? […] die schöne gemüthvolle Menschlichkeit, in dem Momente der Trennung des Familienvaters von ­seinen Lieben zu Tage tretend, machte einen um so rührenderen Eindruck, als uns die Fürsten für gewöhnlich nur in klüglich ausgerechneten etiquettemäßig abgezirkelten Staatsaktionen vor die Augen ­treten. Die Trennung berührte die gemütstiefe Kaiserin sowohl wie den Kronprinzen sichtlich sehr schmerzlich […].405

Die Boulevardpresse, in Österreich vom Hof zensiert, inszenierte systematisch einen Blick hinter die Kulissen: Das Kaiserpaar liebt sich, der Abschied fällt schwer. Der Kaiser wird hier strategisch als liebevoller Ehemann und Vater vermarktet, als Herrscher, dessen Gefühlswelt und Tugendkanon dem seines Volkes ähnelt. Solche vermeintlichen Einblicke in reales Privatleben zementierten einen Tugend-Mythos, der die Institution Monarchie in Österreich bis ins 20. Jahrhundert politisch stabil hielt. Was die Presse dem Volk hier vorenthielt, war die Tatsache, dass die Darstellung der intimen Familienszene kaum der Realität entsprach. Elisabeth verließ Stadt und Land viel öfter als der Kaiser, reiste monatelang durch Südeuropa und verschaffte ihrem Gatten 1885 sogar eine Mätresse.406 Das Titelblatt offenbart sich verändernde Erwartungen einer Nation an ihren Herrscher, eine Entwicklung, die im 19. Jahrhundert ganz Europa betraf. Neben der offiziellen „klüglich ausgerechneten […] Staatsaktion[]“ erwartete das Volk selbstverständlicher auch Einsicht in die private Sphäre der Höfe. Die Imageproduktion spiegelte diese Entwicklung. Neben traditionellen Porträttypen wurden zunehmend Inhalte und Themen instrumentalisiert, die die Erfahrungen und Werte des Volkes berührten. In welcher Form die politische Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert Teil haben sollte, wurde in den vergangenen Kapiteln anhand diverser Arten von Tugendporträts austariert. Winterhalters Werk birgt über diese hinaus Herrscherinnenporträts, deren Auf­ machung und Funktion Neuland betraten und die Monarchin im Typus der Geliebten abbilden. Von der Forschung werden diese mit Hinweisen auf Sinnlichkeit und Erotik versehenen Gemälde häufig unkritisch als „privat“, „intim“ oder „geheim“ bezeichnet, meist damit begründet, dass sie zu Lebzeiten der Dargestellten einer breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich und unbekannt waren; das bedeutete, sie als politisch irrelevant einzuordnen.407 Doch an dieser Kategorisierung wecken ihre Rezeptionsgeschichten Zweifel. Im Folgenden soll aufzeigt werden, dass solche sinnlichen Porträts populärer und da405 Ibid. 406 Vgl. Christian Maryška: ,Ihr Sie innigst liebender Franz Joseph‘. Der Kaiser und Katharina Schratt, in: Kat. Der ewige Kaiser 2016, S. 185–191. Um die Abwesenheit der Kaiserin zu vertuschen wurde ihre ­Figur gar per Fotomontage in cartes de visite von Familiendarstellungen eingefügt, vgl. Olivia ­Gruber Florek: The Absent Empress. Photomontage, Monarchy, and Celebrity in the Nineteenth Century, in: ­Werner Telesko (Hg.): Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur 1618–1918, Wien, Köln u. Weimar 2017, S. 80–94, S. 84. 407 Panter 1996, S. 147; Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 53 u. S. 123; Schoch 1975, S. 141; Kat. Courts of Europe 1987, S.191 u. S. 217; Urbach 2011, S. 82.

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mit politisch relevanter waren, als bisher angenommen. Die folgende Analyse konzentriert sich auf ein Porträt von Königin Victoria und zwei Porträts der Kaiserin Elisabeth von Österreich.408 Authentizität als Tugendversprechen: Öffentliche Einblicke in private Sphären Im 19. Jahrhundert hatten HerrscherInnen ihre Existenz ständig auszubalancieren zwischen Mythos und Menschsein. Außer genuin regierungspolitischen Inhalten ihrer ­Posten war auch das öffentliche Interesse an ihren Lebensumständen ein wesentlicher Faktor für das Fortbestehen der Institution Monarchie. Statt nur soziale Distanz mit traditionellen Porträts zu demonstrieren, geriet eine authentische Inszenierung von Nahbarkeit, „als ‚Mensch wie Du und ich‘“, zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeitsarbeit.409 Das Privatleben wurde instrumentalisiert, um das Volk emotional an die Krone zu binden. Bereits im 18. Jahrhundert kristallisierte sich die Idee von Privatleben im heutigen Sinne heraus. Privatheit avancierte zu einem „soziale[n] Orientierungsbegriff “, der erlaubte „gesellschaftliche Handlungsräume“ zu separieren.410 Solche Grenzen wurden zunächst verstärkt im bürgerlichen Umfeld gezogen, beeinflussten bald auch die höfische Mentalität. Mit der bewussten Spaltung des höfischen Alltags in einen öffentlichen und einen privaten Bereich wurde im 19. Jahrhundert die Privatsphäre populärer Herrscher für die Gesellschaft umso interessanter. Ute Daniel kann paradoxerweise konstatieren: „Neu war […], daß ihr ‚Privatleben‘ jetzt gewissermaßen ‚öffentlicher‘ wurde; man könnte auch sagen, daß es politischer wurde, je mehr man es öffentlichkeitswirksam werden ließ.“411 Jürgen Habermas umschreibt dieses Verhalten mit dem Begriff „Scheinwerferprivatheit“.412 Alles, was der „Scheinwerfer“, sprich der Blick der Öffentlichkeit, erfasst, wird zu öffentlichem Gut und ist eben nicht mehr privat. Einen glaubwürdigen Blick hinter die

408 Die Inhalte und Ergebnisse dieses Unterkapitels I.7. wurden 2018 auf der 7. Konferenz “Kings and Queens” des Royal Studies Network zum Thema “Ruling Sexualities: Sexuality, Gender and the Crown” an der University of Winchester vorgestellt und 2021 in englischer Sprache publiziert: Titia Hensel: ‘­Secret Pictures’? Staging Privacy in Franz Xaver Winterhalter’s Portraits of Female Monarchs, in: M ­ arion Romberg (Hg.): Empresses and Queens in the Courtly Public Sphere from the 17th to the 20th Century, Leiden u. Boston 2021, S. 189–215. 409 Braungart 2012, S. 162. 410 Opitz-Belakhal 2010, S. 100. 411 Daniel 1995, S. 125. Zu unterscheiden waren intime Sphäre, geheime Sphäre, private Sphäre, soziale Sphäre, öffentliche Sphäre, vgl. Heike Singer: Die Sichtbarkeit des Privatlebens. Zur Darstellung der Persönlichkeitssphäre von Politikern in den Massenmedien, in: Hofmann 1999, S. 249–261, hier: S. 252–253. 412 „Das Freizeitverhalten gibt den Schlüssel für die Scheinwerferprivatheit der neuen Sphäre, für die Entinnerlichung deklarierter Innerlichkeit.“ Jürgen Habermas prägte den Begriff „Scheinwerferprivatheit“ für die zunehmende Interaktion von öffentlicher und privater Sphäre. Habermas 1990, S. 247.

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Kulissen zu liefern, erfordert also genaues Austarieren, um ihn auch authentisch wirken zu lassen. Denn Authentizität komme folgendermaßen zustande, wie Manfred Hattendorf erläutert: Die Rezeption von Authentizität sei das Ergebnis eines positiven Evalua­ tionsprozesses, nach dem der Absender einer Botschaft vom Empfänger Zustimmung erfahre. Diese Bestätigung lasse sich als „Wahrnehmungsvertrag“ bezeichnen.413 Dieser kann nur zustande kommen, wenn beide Seiten ähnlichen Wahrnehmungsmustern folgen und über vergleichbare Erfahrungen verfügen. Ein solcher Vertrag bedeutet, übertragen auf den politischen Kommunikationsraum, dass eine glaubhafte Vermittlung privater Tugenden auch die Beurteilung des politischen Images beeinflusst. Wer als Privatmann überzeugt, wird auch politisch glaubwürdig sein und integer handeln. Deshalb wurden im 19. Jahrhundert Einblicke in die privaten Wohnräume der Herrscher gezielt vermarktet. Es gab nicht nur Postkarten oder Stiche mit Abbildungen könig­ licher Wohn- oder Arbeitszimmer zu kaufen. Seit den 1860er Jahren waren zusätzlich sogenannte stereoscopic photographs zu erwerben, die eine dreidimensionale Führung, ­eine “virtual reality tour”, durch Gebäude wie Windsor Castle, den Buckingham Palace, ­Osborne House oder Balmoral Castle ermöglichten.414 Diese ergänzten jene Imageträger von Winterhalter und anderen Künstlern, die, zeitgenössische Gesellschaftsideale einbeziehend, glückliche Familien, fürsorgliche Mütter, sich sentimental zugetane Ehe­paare und fleißige gebildete Herrscher auf Leinwand oder Fotopapier festhielten. Diese Darstellungen hatten (noch) keinen dokumentarischen Charakter, aber der Prozess, das Bild als authentisch zu erkennen, war für diese Art der Öffentlichkeitsarbeit enorm wichtig. Königin Victoria als Alberts Geliebte Im Jahr 1843 fand Prince Albert ein fast lebensgroßes ovales Bruststück seiner Ehefrau auf seinem Geburtstagstisch vor (Taf. 19).415 Winterhalter hatte die Königin in mehreren Sitzungen in Öl auf Leinwand gebannt, und zwar in einer Art und Weise, wie Albert seine Gattin auf keinem Porträt zuvor gesehen haben dürfte. Victoria lehnt sich an ein rotes Samtkissen und blickt mit großen glänzenden Augen rechts aus dem Bild heraus. Das rote Kissen bildet den einzigen subtilen Hinweis auf ihren königlichen Status. Ihr sinnlich gerötetes Gesicht ist geschönt; doch nicht verleugnet werden ihre charakteristischen Nasenlöcher und Vorderzähne. Eine Strähne hat sich aus ihrem wie immer zu einer akkuraten Frisur gekämmten Haar gelöst, die nun über die Schulter der Königin und über ihr Dekolleté fällt. D ­ erart

413 Manfred Hattendorf: Dokumentarfilm und Authentizität. Ästhetik und Pragmatik einer Gattung, ­Konstanz 1999, S. 75–80. 414 Plunkett 2003, S. 168. 415 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 288. S. 69. Manja Wilkens: Liebesgaben für den Prinz-­ gemahl. Gemälde Franz Xaver Winterhalters als Geburtstags-, Hochzeits- und Weihnachtsgeschenke von Victoria an Albert und von Albert an Victoria, in: Bosbach/Büttner 2011, S. 121–128, S. 98.

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erhält das Bildnis ein geradezu narratives und vor allem intimes Moment: Verführerisch soll die sich aus dem Scheitel stehlende Locke wirken, deren Präsentation in einem fast lebensgroßen Herscherinnenporträt ein Novum darstellt. Victoria trägt nur wenig Schmuck, darunter einen wertvoll glitzernden, kleinen Ohrring. Dazu trägt sie ein dünnes, auf ihren Busen fallendes Goldkettchen, an dem jenes Amulett hängt, das eine Haarlocke ihres Gatten birgt; es ist derselbe Anhänger, den sie auf dem „sentimentalisierten“ Porträt zur Schau stellt (Taf. 8).416 In diesem Rahmen entfaltet sich dessen nostalgische Aufladung als Erinnerungs- und Beweisstück ihrer ehelichen Liebe vollends. Die Kette ist leicht verrutscht, was dem Porträt zusammen mit der gelösten Haarsträhne einen situativen Charakter verleiht. Victorias Kleidung weist auf eine inoffizielle Situation. Eine große blaue Stoffblüte ziert die breiten weißen Volants am Ausschnitt des die Schultern freilegenden Déshabillés.417 Die Lichtführung setzt Gesicht und Büste der Königin in Szene, im Schatten des Hintergrunds verschwindet das Polster. Auf jenes hat Winterhalter über der rechten Schulter der Königin mit weißem Pinselstrich seine Signatur gesetzt, wie so oft mitten ins Bild. Derart nimmt er dem ohnehin nur angedeuteten Kissen etwas von seiner Gegenständlichkeit, was der Farbgebung noch größere Wirkkraft zukommen lässt. Winterhalter beabsichtigte, für die Betrachterin einen Einblick in Victorias Gefühlswelt in Bezug auf ihren Mann zu inszenieren. Dies gelingt dem Künstler, indem er die Königin so darstellt, als nähme sie die Betrachterin nicht wahr, den Ergebnissen zeitgenössischer wissenschaftlicher Diskurse folgend, die der Absenz und der Aufmerksamkeit des menschlichen Geistes besonderes Interesse widmeten. Physiologische Charakteristika einer Absenz wurden seinerzeit wissenschaftlich erforscht und katalogisiert: ge­senkte Augen, ein leerer, nicht fixierender Blick oder ein leicht geöffneter Mund.418 Winter­halter folgte solchen Regeln. Victoria scheint abwesend, ihr verträumter Blick geht ins L ­ eere und der ihrer Schönheit nicht zum Vorteil gereichende, halbgeöffnete Mund soll Selbstvergessenheit beglaubigen. Der deutsche Arzt Theodor Piderit (1826–1912) aller­dings schloss 1886 genauere wissenschaftliche Untersuchungsmöglichkeiten ­eines ab­wesenden Bewusstseins-zustandes in seiner Schrift Mimik und Physio­ gnomik aus, „weil bei e­ inem Menschen, der sich beobachtet weiß, der Ausdruck ‚vollständiger Versunken­heit‘ sofort verschwinden wird.“419 Betrachtet weiß sich ein Modell während des ­Malaktes ­automatisch. Einen echten abwesenden Bewusstseinszustand m ­ alen

416 Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 67. 417 Vor dem 19. Jahrhundert sind solche Kleidungsstücke nur in portraits historiés zu sehen, vgl. ­Marlen Schneider: Ovids Pomona-Mythos im „portrait historié“ des frühen 18. Jahrhunderts, in: Fleckner/­Hensel 2016, S. 245–264. Vgl. Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 123, in dem auf den durch die blaue Stoffblume zustande kommenden farblichen „Dreiklang der britischen Flagge“ hingewiesen wird. 418 Vgl. Wittmann 2004, S. 39 u. S. 42. 419 Theodor Piderit: Mimik und Physiognomik, Detmold 1886, S. 47, zitiert nach Wittmann 2004, S. 45.

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zu k­ önnen, ­verhindert also die Ateliersituation an sich. Folgerichtig sollte die Porträt­ abwesenheit Queen Victorias als Inszenierung Winterhalters verstanden werden. Neben den sinnlich-narrativen Bildelementen verantwortet dieser Bewusstseinszustand den von der Literatur oft postulierten intimen Anschein des Porträts. Das ovale Format, historisch oft genutzt für Miniaturen, verstärkt diesen Eindruck. Aus konventioneller Perspektive erfordern öffentliche Darstellungen einer politischen Amtierenden ­einen wachen Blick, der bereit ist, mit Untertanen zu kommunizieren. Das Entblößen ihrer Zähne im Bilnis war übrigens spektakulär. Victoria war die ­erste Monarchin, die derart auf Leinwand gebannt wurde.420 Wie der Kulturhistoriker Colin Jones in The Smile Revolution überzeugend darlegt, wurde das Präsentieren e­ ines breiten Lächelns genauso wie Weinen oder Lachen als Ausdruck individuellen Fühlens erst während der Aufklärung öffentlich gesellschaftsfähig.421 Ein Gesichtsausdruck mit offenem Mund sollte Natürlichkeit und damit Authentizität vermitteln. 1786 verur­sachte Elisabeth Vigée-Lebrun (1755–1842) im Salon einen Skandal, als sie ein Selbstbildnis zusammen mit ihrer Tochter vorlegte, das der Betrachterin ein offenes, Zähne zeigendes Lächeln schenkte, welches soziale Distanz verringerte.422 Die Malerin Vigée-Lebrun brach hier mit vor allem im höfischen Umfeld geltenden Darstellungskonventionen. Der französische Hof gab seinerzeit noch immer vor, Gefühle strategisch hinter einer mimischen Maske zu verbergen; ein Verhalten, das Norbert Elias als „höfische ‚Rationalität‘“ bezeichnet.423 Der Grund für Victorias Mimik ist zwar kein Lächeln, sondern ein selbstvergessener und gedankenverlorener Bewusstseinszustand; das Aufblitzen ihrer markanten Frontzähne erbringt jedoch den gleichen Authentizitätsbeweis wie Vigée-Lebruns Lächeln. Victorias entblößte Schultern, die Haltung des Halses und ihre geöffneten Lippen erweckten im zeitgenössischen Betrachter den Eindruck von sinnlicher Erotik. Die Summe der narrativen Elemente verband sich mit dem glaubhaft inszenierten abwesenden Blick. Winterhalters Komposition provozierte die Frage: Was war kurz zuvor geschehen, dass sich eine Haarsträhne gelöst hat und der Anhänger der Halskette in Unordnung geraten ist? Victoria selbst gab den Anstoß für die fortan geltende geheime Identität und damit private Aura des ovalen Porträts: In ihrem zu Lebzeiten schon in Teilen veröffentlichten

420 Vgl. auch Abb. 37. Vgl. Colin Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris, Oxford 2014, S. 178. 421 Vgl. ibid., S. 10. 422 Vgl. ibid., S. 1. Das Gemälde ist im Musée du Louvre in Paris ausgestellt, 1786, 1,05 × 0,84 cm, Inv.Nr. 3069. 423 Elias 2002, S. 160.

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Tagebuch betitelte sie es als “secret picture”.424 Warum sie das Bildnis als geheim ausgeben musste, erklären die seinerzeit propagierten Idealvorstellungen bezüglich der Aufgabenfelder einer Ehefrau. Den öffentlichen Umgang mit Sexualität in Großbritannien im 19. Jahrhundert spiegeln zahlreiche Schriften des seinerzeit populären Arztes William Acton (1813–1875). Seine Werke behandeln Themen wie eheliche Sexualität, aber auch Prostitution, und können „als repräsentativ für die offiziellen Ansichten der viktorianischen Gesellschaft von Sexualität gelten oder, genauer, als repräsentativ für die offizielle Kultur.“425 In seinem bekanntesten Werk The Functions and Disorders of the ­Reproductive Organs von 1857 heißt es: The best mothers, wives, and managers of households, know little or nothing of sexual indulgences. Love of home, children, and domestic duties are the only passions they feel. As a general rule, a modest woman seldom desires any sexual gratification for herself. She submits to her husband, but only to please him; and, but for the desire of maternity, would far rather be relieved from his attentions. […] The married woman has no wish to be treated on the footing of a mistress.426

Eine solche Idealvorstellung demontierte das auf Sinnlichkeit zielende ovale Porträt, ­Victoria schenkte sich ihrem Ehemann sozusagen als seine Geliebte.427 Derart entglitt sie den streng propagierten Sittenvorstellungen, wie William Acton sie in seinen ­Texten postu­lierte. Folgende Frage stellt sich: Konterkariert oder ergänzt die Botschaft des ­Porträts diejenigen Aussagen der in den vorangegangenen Kapiteln analysierten Tugend­ bildnisse, die die Königin als genau jene oben zitierte sittsame Ehefrau und ­Mutter schlechthin charakterisieren? Es gibt genügend Hinweise, dass weder das Alltagsleben des Herrscherpaares noch des durchschnittlichen bürgerlichen Vorzeigeehepaares den einseitigen moralisieren-

424 Victoria’s Journals, Bd. 15, S. 241 (13.07.1843): “Sat again for the secret picture, which to my joy is succeeding very well.” schreibt Victoria, während Winterhalter am Hof zu Besuch ist, um die Porträts im Hosenbandorden anzufertigen. 425 Steven Marcus: Umkehrung der Moral. Sexualität und Pornographie im viktorianischen England, Frankfurt 1979, S. 16. 426 William Acton: The Functions and Disorders of the Reproductive Organs in Childhood, Youth, Adult Age, and Advanced Life Considered in their Physiological, Social and Moral Relations, London 1862, S. 102. 427 Nina Trauth verweist in ihren Studien zum Mätressenporträt auf die Bildform der bella donna von ­Tizian und Leonardo da Vinci als Vorläufer und auf die Forschungsergebnisse von Anne Junkermann (Id.: Belissima Donna. An interdiciplinary Study of Venetian Study of the sensuous female half-length ­Portrait, Diss. Phil. Berkeley 1988), die für jene Porträts folgende typische Darstellungsmerkmale ­herausarbeitet: in ein Déshabillé gekleidet zu sein, leicht am Betrachter vorbei zu blicken und in e­ iner ambivalenten Gestik begriffen zu sein. Nina Trauth: Die Interessen der Mätressenforschung. Methodische Überlegungen zur Analyse des Mätressenporträts, in: Andreas Tacke (Hg.): „…wir wollen der ­Liebe Raum geben“ Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, Göttingen 2006, S. 127–156, S. 135 f. u. Anm. 27.

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den Texten Actons entsprach.428 Steven Marcus zeichnet nach, wie die in Großbritannien öffent­lich zelebrierte Prüderie eine Gegenwelt provozierte, die er „Pornotopia“ tauft.429 Im viktorianischen Zeitalter ist ein Boom von pornographischer Literatur und Druckgraphik zu verzeichnen.430 Das Abdriften in stark moralorientierte Gesellschaftsideale hatte das Aufkommen eines Extrems zur Folge: Auf jede Warnung von Medizinern vor den schädlichen Folgen sexueller Exzesse antwortete die Porno­ graphie mit Kopulationsszenen in excelsis, mit der Verherrlichung permanenter Orgien. Der Propagierung von Zartgefühl und Frigidität ‚anständiger Frauen‘ durch die offizielle Kultur stellte die Porno­ graphie Legionen von Mänaden und rasenden Weibern entgegen.431

Zwischen den Extrempolen Sittenreligion und Pornotopia wird sich auch die Alltagsrealität des durchschnittlichen Ehelebens in Großbritannien bewegt haben. Es ginge natürlich zu weit, in diesem vergleichsweise harmlosen Porträt der sinnlich-geröteten Queen ein Fingerzeig auf Pornografie auszumachen. Gleichwohl betonte die Existenz dieses Bildnisses, dass die sexuelle Beziehung innerhalb der Ehe von Victoria und Albert mehr als nur ein Mittel zur Dynastiesicherung war. Alberts privater Blick auf seine sinnliche Ehefrau wirkt offenbar bis heute derart gewagt, dass die Forschung sich dazu aufgerufen fühlt, die “secretness” wie eine Glorie um das Bild zu spinnen. Dass das fast einhellig unreflektiert als „privat“, „intim“ oder „kühn[]“ etikettierte Porträt zu Lebzeiten der Dargestellten nicht an die Öffentlichkeit gelangte, scheint jedoch äußerst fragwürdig angesichts seiner bisher nicht aufgearbeiteten Hängung und medialen Vervielfältigung.432 428 Es gibt Hinweise auf den Bau eines schalldichten Schlafzimmers, dessen Tür vom Bett aus zu verriegeln war, vgl. Tetzeli/Mersmann 2000, S. 287. Auch sammelten Victoria und Albert leidenschaftlich Aktdarstellungen. Vgl. auch Valerie Steele, die auf “disparities between the prescriptive ideal of femininity and women’s actual lives” hinweist. Id.: Fashion and Eroticism. Ideals of feminine Beauty from the Victorian Era to the Jazz Age, New York u. Oxford 1985, S. 99. 429 Marcus 1979, S. 229. 430 „Die Darstellung der menschlichen Sexualität in der Subkultur der Pornographie und die Ansichten über Sexualität in der offiziellen Kultur bildeten ein System kommunizierender Röhren. […] In beiden Einstellungen lässt sich dieselbe Kette von Ängsten entdecken, in beiden können dieselben Zwangsvorstellungen ausgemacht werden, und in beiden bekundeten sich unerträglich gewordene Wider­ sprüche.“ Marcus 1979, S. 240. 431 Ibid., S. 229. 432 Karina Urbach interpretiert das ovale Victoria-Porträt als so gewagt, dass es ihrer Meinung nach deshalb unveröffentlicht blieb, vgl. Urbach 2011, S. 82; Schoch 1975, S. 141, der jedoch bereits feststellt, dass das Private im monarchischen Umfeld immer auf das Öffentliche bezogen ist. Gabriela Christen behauptet, dass das Porträt der Öffentlichkeit nicht gezeigt wurde, id.: Die Bildnisse der Kaiserin Elisabeth, in Juliane Vogel: Elisabeth von Österreich. Momente aus dem Leben einer Kunstfigur, Frankfurt am Main 1998, S. 164–190, S. 168 u. S. 175; Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 53, S. 123 u. S. 191; Kat. Art and Love 2010, S. 67; vgl. Wilkens 2011: „unzugänglich“ (S. 126), „privates“ (S. 128).

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29  John Wesley Livingston (zugeschrieben): The Prince Consort’s Writing Room – looking west, zwischen 1867 u. 1880, carte de visite, 22,2 × 28,2 cm, London, Royal Collection

Das Porträt wurde in einem politischen Umfeld präsentiert und reproduziert: Das ovale Porträt hing in Prince Alberts Writing Room in Windsor, das ständig von Angestellten sowie wichtigen Politikern betreten wurde. Victoria blickte sozusagen aus dem ovalen Rahmen über einer Anrichte links von Alberts Schreibtisch. Diese Hängung lässt sich mit einer Fotografie von 1867 belegen, die John Wesley Livingston (1835–1897) zugeschrieben wird (Abb. 29).433 Das Foto wurde zwar sechs Jahre nach Alberts Tod aufgenommen, aber die Art und Weise wie Victoria ihre extreme Trauer auslebte, lässt die Vermutung zu, dass sein Arbeitszimmer so belassen wurde, wie es zu seinen Lebzeiten eingerichtet war.434 Kopiert wurde Winterhalters Porträt mindestens ein Mal in Öl, außerdem sind mehrere Miniaturen sowie ein Stich von Francis Holl (1815–1884) katalogisiert, der auch im Nekrolog von Franz Wild aufgelistet ist.435 Zusätzlich wurde es zu Lebzeiten abfotografiert.436 Reproduktionen zielten auf Verbreitung. Die Präsentation und Schenkung von 433 Vgl. RCIN 2402853. 434 Vgl. RCIN 2100607. 435 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 288; zu den Miniaturen vgl. beispw. RCIN 422340 oder RCIN 422065; vgl. auch Kat. Art and Love 2010, S. 67, in dem von mehreren Miniaturen die Rede ist. 436 Vgl. RCIN 2800631.

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30  William Essex: Queen Victoria, 1843, Emaille auf Gold, 9,0 × 7,8 cm, London, Royal Collection

Miniaturen war eine wesentliche kulturelle Praxis im Umfeld Königin Victorias. Albert empfing in seinem Arbeitszimmer viel Besuch. Wenigstens eine politische Teil-Öffentlichkeit muss Notiz von dem Bildnis Victorias genommen haben. Die Miniatur von William Essex (1784–1869) von 1843 sei hier beispielhaft besprochen: Sie transportiert weniger Sinnlichkeit als das Ölgemälde, machte diese zugleich öffentlichkeitswirksamer (Abb. 30).437 Victorias gerötetes Gesicht weicht porzellanartig wächsernem Teint; ihr Blick ist nicht mehr glasig, sondern klar, ihr Mund etwas weiter geschlossen. Die Kette liegt nun ordentlich auf ihrem Dekolleté. Klassische Porträttradition hat die Erotik verdrängt. Da Victoria diese Miniatur 1845 Albert schenkte, scheint sie ihren Zweck trotz dieser Modifikationen erfüllt zu haben. In Anbetracht jener oben skizzierten Verfügbarkeit und medialen Vervielfältigung, scheint es logischer, die in Winterhalters Bildnis transportierte sentimentale Intimität zwischen den Eheleuten als wohltemperierte Inszenierung einzuordnen, deren ­mindestens semi-öffentliche Zurschaustellung von Anfang an eingeplant und Teil ­ihrer Strategie war, schichtenübergreifende Gesellschaftsideale zu spiegeln, wie es bereits für

437 Vgl. RCIN 422065.

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die sentimentalisierten Porträts herausgearbeitet werden konnte.438 Victorias Porträtprogramm wurde um den Typus der Liebhaberin erweitert, der im Porträtkanon einer ­Herrscherin bis dahin so nicht existierte. Das um Authentizität bemühte Winterhalter­ sche ­Porträt offe­rierte dem Betrachter eine Königin, die auch die Rolle der sinnlich-­ sentimentalen Ehefrau souverän ausfüllte.439 Dass genau diese Rollenvielfalt Victorias Auffassung von der Aufgabe ihres Bildnisprogramms entsprach, illustriert die in der Einleitung der vorliegenden Arbeit vorgestellte Seite ihres Fotoalbums (Abb. 1). Das ovale Porträt ist einer der sieben angeordneten Imageträger. Gegen das Dekorum? Porträts der Kaiserin Elisabeth mit offenem Haar Die erotisierte Bildstimmung, die Winterhalter im ovalen Bildnis von Victoria nur andeutete, wurde in zwei ungefähr 20 Jahre später entstandenen Porträts der Kaiserin ­Elisabeth von Österreich forcierter ausgearbeitet. Winterhalter verbrachte 1864 mehrere Wochen am österreichischen Hof. Jetzt malt er [Winterhalter] Therese, und dann soll er bald nach Stuttgart, um die dortigen Majestäten zu malen, so daß Sie, liebe Mama, sehr bald kommen müßten, wenn Sie sich noch von ihm wollen malen lassen. Er ist nämlich ein sehr sonderbarer und unabhängiger Mann, mit dem man nicht mehr disponieren kann, und der eigentlich nur tut, was er will.440

Mit diesen Worten informierte Kaiser Franz Joseph I. seine Mutter Erzherzogin S­ ophie über Winterhalters Aufenthalt am Wiener Hof. Der Künstler malte ein Porträt vom Kaiser und drei von Elisabeth, neben seinem berühmtesten der Kaiserin in Ball­toilette zwei Bildnisse, deren Aufmachung die Forschung erneut zum Etikett „privat“ oder „intim“ motiviert.441 Im Gegensatz zu Königin Victoria war Kaiserin Elisabeth im Umgang mit Künstlern weniger professionell und ausgesprochen medienscheu. Sie mochte es nicht, Modell zu sitzen, und lehnte solche Sitzungen nach 1865 ganz ab, so dass die meisten ihrer Bilder Kopien oder Fotomontagen früherer Darstellungen sind, in denen ihre Jugend und 438 Dass Victoria in ihren Tagebüchern die Existenz und Identität des Porträts preisgab, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass das Porträt lediglich zeitgenössischen Idealvorstellungen entsprechend als “secret” gelabelt wurde, nicht aber tatsächlich geheim war. Ihre Tagebücher wurden noch zu ihren Lebzeiten veröffentlicht. 439 Vgl. hierzu auch die Analyse von Homans 1998. 440 Mayer 1998, S. 16. 441 Kat. Courts of Europe 1987, S. 217; Panter 1996, S. 147; Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 53, S. 123, S. 197 u. S. 217; Schoch 1975, S. 141; Brigitte Hamann (Hg.): Elisabeth. Bilder einer Kaiserin, Wien 1982, S. 46; Ilsebill Barta Fliedl u. Peter Parenzan: Mythos Sisi. „Das Bild Kaiserin Elisabeths von Österreich“, in: Sehnsucht nach Glück. Wiens Aufbruch in die Moderne: Klimt, Kokoschka, Schiele, hg. v. ­Ilsebill Barta-Fliedl u. Sabine Schulze, Ausstellungskatalog, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Ostfildern 1995 (Kat. Sehnsucht nach Glück 1995), S. 18–23.

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Schönheit konserviert wurde. Elisabeth ließ sich lediglich bis 1868 fotografieren und saß insgesamt nur vier Malern Modell.442 Der letzte Maler, der sie während langer Sitzungen 1864 porträtieren durfte, war Winterhalter. Winterhalters erstes Gemälde der Kaiserin von Österreich zeigt sie lebensgroß und, wie Victoria, in ovalem Rahmen (Taf. 20). Elisabeth schaut den Betrachter direkt an. Sie posiert mit verschränkten Armen vor einer parkartigen Kulisse mit hohem Baumbestand, der nur einen kleinen Ausblick auf blauen Himmel erlaubt. Die Kaiserin trägt ein weißes Déshabillé. Die Anordnung ihres hüftlangen dunkelbraunen Haars erregt Aufmerksamkeit. Es ist eigenwillig in zwei vor ihrer Brust ineinander verschlungene Bahnen geteilt. Diese kreative Komposition erlaubt der Betrachterin, Locken und Gesicht gleichzeitig zu sehen. Sowohl ihre Kleidung als auch die verspielte Anordnung ihrer Haare müssen im zeitgenössischen Betrachter erotische Vorstellungen geweckt haben; im 19. Jahrhundert galt langes und volles Haar als ein Frauen vorbehaltenes Schönheitssymbol, doch keine ­Dame der Gesellschaft hätte seinerzeit unfrisiert und kaum bekleidet in der Öffentlichkeit auftreten können.443 Die sinnliche Aufmachung der Kaiserin wird von ihrem ernsten und direkten Blick kontrastiert. Damit ist ein wesentlicher Unterschied gegeben zum P ­ orträt der gedankenverlorenen Königin Victoria. Elisabeths Gesicht liegt im Schatten, keine Spur von sinnlicher Rötung oder Absenz mildern ihre Züge. Sie kommuniziert mit dem Betrachter auf eine klare, ja konfrontative Weise. Winterhalters zweites lebensgroßes Hüftstück der österreichischen Kaiserin entspricht eher der Botschaft des ovalen Porträts von Victoria (Taf. 21). Der Künstler verwandte eine Standardpose, die dem Betrachter im 19. Jahrhundert aus zeitgenössischen cartes de visite vertraut war. Das Gesicht Elisabeths erscheint im erweiterten Profil, während ihr Körper von hinten zu sehen ist. Elisabeth wendet sich vom Betrachter ab, der in eine voyeuristische Perspektive gezwungen wird. Diese Haltung gewährt erneut einen Blick auf die beeindruckende offene Haarpracht der Kaiserin, deren längste Strähnen bis zu den Beinen reichen. Wieder trägt sie ein Déshabillé, das mit einer Rüschen­banderole verziert ist, und das leicht verrutscht ihre rechte Schulter freilegt. Der Silhouette nach liegt es über einer Krinoline. In diesem Bildnis ist Elisabeths Mimik emotional aufgeladen, ein sanftes Lächeln angedeutet; rosa Wangen unterstreichen die Weichheit und Lieblichkeit ihrer Gesichtszüge. Auch ist die Porträtsituation klarer gefasst als im ovalen Porträt: Eine Balkonbalustrade trennt die Herrscherin von einer Parkansicht mit Mondsichel – ein tradiertes Motiv zur Evokation von Sehnsucht. Das offene Haar sowie die inoffizielle Kleidung werden sinnhaft: Elisabeth könnte auf einem Balkon vor ihrem Schlaf-

442 Einige Künstler, wie Georg Raab, durften sie nur aus der Ferne beobachten, vgl. Hamann 1982, S. 7. 443 Zum Tragen eines Déshabillés in der Öffentlichkeit vgl. Marie Simon: Mode et Peinture. Le Second Empire et l’impressionnisme, Paris 1995, S. 22.

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zimmer stehen.444 Zusammengefasst visualisiert dieses Porträt mit traditionellen Mitteln ein zeitgenössisches klassenübergreifendes Sentimentalitätsideal. In beiden Porträts verkörpert Elisabeth den Typus der Geliebten und ähnelt hierin Victoria. Die prominenten, erotisch aufgeladenen Schönheitsattribute – offenes Haar und Morgenkleid – verantworten, dass beide Porträts von der Forschungsliteratur vorschnell als „privat“ klassifiziert werden. Tatsächlich steht die Darstellung der Kaiserin auf diesen beiden Porträts in scharfem Kontrast zu Winterhalters ganzfigurigem Staats­ porträt, welches zur gleichen Zeit entstand (Taf. 43). In diesem hybriden Bildnis, das zwischen Mode- und Regalienporträt changiert, ist ihre Taille eng geschnürt, ihr Haar in ­einer aufwendig geflochtenen Krone gebändigt, die seit 1865 alle offiziellen Porträts und Fotos ziert.445 Die beiden Gemälde mit offenem Haar aber als privat zu bezeichnen, ist dennoch nicht korrekt. Denn das stufte sie als für die politische und öffentliche S­ phäre ungeeignet ein. Das Gegenteil jedoch war der Fall. Dies soll anhand von bisher unberücksichtigtem Bildmaterial belegt werden: Beide Porträts wurden in einem politischen Umfeld präsentiert, nämlich im Arbeitszimmer Kaiser Franz Josephs I. Er beschreibt sie in einem Brief an seine Mutter als die „ersten ähnlichen Porträts von ihr“.446 Das ovale stand auf einer Staffelei gegenüber seinem Schreibtisch, das andere hing an der Wand, ebenfalls in seinem Blickfeld. Beide ­waren seinerzeit dem Volk so bekannt, dass der Autor der 1898 erscheinenden Bio­grafie Viribus Unitis. Das Buch vom Kaiser den Leser informieren konnte: „Der Schreibtisch des Kaisers steht unmittelbar beim Fenster des Arbeitszimmers. Hebt der Kaiser den Blick, so sieht er geradeaus in das wunderliebliche Antlitz der Kaiserin, deren ­berühmtes ­Porträt von Winterhalter auf einer Staffelei vor dem Tische steht.“447 Wenige Seiten später illustriert eine Autotypie von Theodor Zasch aus dem Jahr 1897, wie präsent Winterhalters ovales Elisabeth-Porträt hinter dem Schreibtisch des Kaisers für die Anwesenheit der Kaiserin in seinem beruflichen Umfeld warb (Abb. 31). Die Zeichnung erfasst eine Situation, in der der Kaiser vor dem Bildnis der Elisabeth im Gespräch mit seinem 1. Obersthofmeister FMI. Rudolf Fürst Liechtenstein ist.448 Auch aus dem an das Arbeitszimmer anschließenden Audienzzimmer war das ovale Porträt zu sehen. Jenes war oft voller Wartender; die Tatsache, dass Franz Joseph Audienzen für alle Interessenten gab, war essentieller Part seines populären Images. Auch aus anderen Quellen geht hervor, dass die Porträts von politischer Funk­ tion waren: Das Bildnis mit offenem, über den Rücken fallendem Haar wurde 1874 für

444 Panter erkennt Ähnliches: „[…] nach ihrer abendlichen Toilette auf den Balkon getreten […]“, id. 1996, S. 147. 445 Für eine detaillierte Analyse des Porträts vgl. Hensel 2016; vgl. Kap. III. 5. 446 Mayer 1998, S. 16. 447 Max Herzig (Hg.): Viribus Unitis. Das Buch vom Kaiser, Budapest et al. 1898, S. 10. 448 Vgl. ibid., S. 28.

7.  “Secret pictures” der Geliebten?

31  Theodor Zasch: Kaiser Franz Joseph I. in seinem Arbeitszimmer, 1897, ­Autotypie, abgedruckt in: Max Herzig (Hg.): Viribus unitis – Das Buch vom Kaiser, Budapest, Wien u. Leipzig 1898, S. 28

­ önigin Victoria von Ludwig Minnigerode (1847–1930) in Öl kopiert. Die Kopie war K ein Geschenk des Kaisers Franz Joseph I. zum Weihnachtsfest, das Victoria sich als Erinnerung an einen Besuch in Wien gewünscht hatte.449 Allein ihr Anliegen verrät, dass ihr das Bildnis der Kaiserin im Original gezeigt wurde. Und auch das Medienpublikum war eingeplant worden: Eine Postkarte mit einem Foto von Winterhalters ovalem Porträt der ­Kaiserin auf der Vorderseite gab es zu kaufen. Die undatierte Karte stammt aus dem 449 Das Porträt war zunächst Teil der königlichen Sammlung, RCIN 400989; später hing es im Audienzzimmer des Königs im Schloss Windsor, RCIN 2101008.

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Atelier des Fotografen G. Schmidbauer, der bereits in den 1860er Jahren in Süddeutschland tätig war. Großformatige, leider undatierte Fotografien, die in der Bildarchiv- und Grafik­abteilung der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt sind, zeigen das ovale Ölgemälde noch ungerahmt auf einer Staffelei stehend. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das Bild kurz nach Winterhalters Fertigstellung fotografiert wurde. Diese Annahme bestätigt Winterhalters Dankesbrief an den österreichischen Oberst von Friedl: „Die Photographien sind zu mir gekommen, und ich bin sehr erfreut darüber, und möchte S. M. dem Kaiser recht sehr für diese Gnade wieder danken.“450 Wie bekannt die Gemälde aus dem Arbeitszimmer des Kaisers gewesen sein müssen, dokumentiert auch das Titelblatt der Zeitschrift Das Interessante Blatt von 1889, die anlässlich des Todes der Kaiserin Bericht erstattet (Abb. 32).451 Die Hofdame der Kaiserin, Gräfin Sztáray, erzählt dem Kaiser während ihrer Audienz von den letzten Stunden mit Elisabeth vor deren Ermordung. An der Wand im Hintergrund und vor dem Schreibtisch auf der Staffelei sind die Porträts zu erkennen. Mit beiden wird an die Kaiserin erinnert und ihre Bedeutung für den Kaiser markiert. Angesichts der medialen Reproduktion kann eine private Funktion der Porträts widerlegt werden. Spätestens seit den 1870er Jahren wusste die Öffentlichkeit von der ­Existenz dieser Bilder. Sie fungierten als höfisches Geschenk und waren sogar käuflich als Alltagsgegenstand in Form einer Postkarte.452 Um aber die wichtigste politische ­Funktion der Porträts vor der Öffentlichkeit und im Kontext medialer K ­ ommunikation zu e­ rfassen, ist der Ort der Hängung wesentlich. Der tägliche Blick des Kaisers auf seine Frau an seinem Arbeitsplatz symbolisierte den liebenden Ehemann, den Privatmann. Damit trugen die Porträts zu dem kaiserlichen Mythos bei, der die österreichische M ­ onarchie bis ins 20. Jahrhundert hinein stabilisierte. Wesentliche Elemente dieses Mythos’ waren die moralischen, ja bürgerlichen Eigenschaften und Tugendmaßstäbe Franz Josephs, zu denen auch eine tiefe emotionale Beziehung zu seiner Frau gehörte. Der Einblick in das Leben des Kaisers wurde hier über die Figur der Kaiserin ermöglicht. Die Porträts Elisabeths besaßen eine repräsentative Stellvertreterfunktion, die die häufige Abwesenheit der Kaiserin verschleierten und mögliche Spekulationen über ein schlechtes Verhältnis zwischen Kaiser und Kaiserin verhinderten. Dass Elisabeth 1885 ­erfolgreich ein Treffen zwischen dem Kaiser und der berühmten Schauspielerin K ­ atharina 450 Brief vom 01.01.1865, abgedruckt in: Panter 1996, Anh. 8, S. 202, der die Quelle diesbezüglich nicht nutzt. 451 Das Interessante Blatt, 29.09.1898, S. 1. 452 Beide Porträts Elisabeths wurden kurz nach ihrem Tod in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und in Katalogen abgedruckt. So z. B. zwei Fotografien „nach Winterhalter“, Nr. 10 u. 11, in: Kaiserin ­Elisabeth Album. Spitzen- und Portraitausstellung, Ausstellungskatalog, K. K. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie, Wien 1906 (Kat. Kaiserin Elisabeth Album 1906), S. 122; die Porträts werden ebenfalls aufgeführt in: Gemälde und Zeichnungen im Privatbesitze Seiner K.u.K. Apostolischen Majestät Franz ­Joseph I., verfasst von Alfred Windt, Sammlungskatalog, Wien 1905 (Kat. Franz Joseph I. 1905), S. 273 f.

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32  Das Interessante Blatt, 29. September 1898, Titelblatt

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Schratt organisiert hatte und jene jahrelang seine Gefährtin und Geliebte war, wurde ­äußerst geheim gehalten, da sie nicht zum Image des tugendhaften Kaisers passte.453 Winter­halters Porträts unterstützten somit inhaltlich die strategische Öffentlichkeitsarbeit des Hofes, die den Kaiser, wie bereits in der oben erwähnten Zeitung, als arbeitsam, gefühlvoll und bürgernah inszenierte. Elisabeth hingegen war zu ihren Lebzeiten nicht besonders populär. Ihre öffent­ lichen Aufgaben und Pflichten und fehlende Unabhängigkeit hatten die junge Frau, die im Alter von 15 Jahren Kaiserin wurde, überfordert. Krank und vom Tod ihrer ­ältesten Tochter 1857 gezeichnet, versuchte sie seit 1860 im südlichen Klima wieder zu Kräften zu kommen. Sie genoss die Abwesenheit vom Hof, die neue Unabhängigkeit, so sehr, dass sie trotz einer raschen Genesung erst nach fast drei Jahren nach Wien und damit an die Öffentlichkeit zurückkehrte. Im Februar 1863 erschien Elisabeth zum ersten Mal wieder auf einem Ball, nach welchem die Gäste von ihrer Schönheit und ihrem Charme schwärmten.454 Ihr Ruf als schönste Frau Europas festigte sich.455 Winterhalter ­machte diese Schönheit zum zentralen Thema seiner Porträts, indem er ihr be­rühm­testes Attri­but zur Schau stellte. Ihr langes Haar, das sie täglich stundenlang von A ­ ngestellten ­bürsten ließ, war Gegenstand zahlreicher Anekdoten.456 Die geflochtene Haarkrone, die sie seit den 1860er Jahren auf fast allen Bildnissen trug, wurde zu ihrem Marken­ zeichen.457 Warum aber ließ Elisabeth auf beiden Porträts von 1864 ihr Haar offen malen? Das Motiv des offenen Haares wurde Mitte des 19. Jahrhunderts en vogue.458 In ­Märchen und Mythen war üppiges, langes und kräftiges Haar Zeichen von Stärke und Macht, man denke an das Schlangenhaar Medusas oder den rettenden Zopf ­Rapunzels. In beiden Fällen wird eine starke sexuelle Verbindung zu langem Haar hergestellt. ­Solche 453 Vgl. Alexandra Smetana: Viribus Unitis. Das Buch vom Kaiser. Ein Prachtband zum Kaiserjubiläum 1898, in: Kat. Der ewige Kaiser 2016, S. 111–117, hier: S. 111. 454 Vgl. Egon Conte Corti: Elisabeth. Die seltsame Frau, Salzburg 1934, S. 108. Conte Corti, als wissenschaftliche Quelle zunächst wenig ernst genommen, wurde von Brigitte Hamann rehabilitiert, da der Autor Einsicht in Originalquellen hatte, die mittlerweile verschollen oder nicht einsehbar sind, vgl. ­Brigitte Hamann (Hg.): Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, Wien 2008, S. 16 u. S. 25. 455 Vgl. Susanne Walther: Schönheit, in: Elisabeth von Österreich. Einsamkeit, Macht und Freiheit, hg. v. ­Susanne Walther, Ausstellungskatalog, Museen der Stadt Wien: Hermesvilla, Wien 1987 (Kat. Einsamkeit, Macht und Freiheit 1987), S. 219–231, S. 224–225. 456 Vgl. Olivia Gruber Florek: ‘I Am a Slave To My Hair’: Empress Elisabeth of Austria, Fetishism, and Nineteenth-Century Austrian Sexuality, in: Modern Austrian Literature 42, 2/2009, S. 1–15, S. 4. Die Autorin interpretiert die Porträts aus psychoanalytischer Perspektive und schlägt eine Brücke zu Sexualität, Weiblichkeit, Fetischismus und der Manier des Fin de siècle in Wien. 457  Kat. Einsamkeit, Macht und Freiheit 1987, S. 223–225. 458 Auch in den Porträts der nouvelle peinture zusammen mit Morgengewändern zahlreich zu sehen, vgl. Justine de Young: La Mode en portraits intime, in: L’impressionnisme et la mode, hg. v. Gloria Groom et al., Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, Metropolitan Museum of Art New York u. Art Institute of Chicago, Paris 2012 (Kat. L’impressionnisme et la mode 2012), S. 146–161.

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sagenhaften Erzählungen erlangten im 19. Jahrhundert neue Popularität, da sie von den Gebrüdern Grimm niedergeschrieben und veröffentlicht wurden. Andererseits bot das weibliche Haar, thematisiert auch in religiösen Schriften oder Verhaltensbüchern, der Trägerin die Möglichkeit, die eigenen Tugendvorstellungen zu chiffrieren. Ordentlich frisierte oder versteckte Haare konnten Moral oder Keuschheit demonstrieren.459 Das Haarmotiv blieb nicht nur Symbol weiblicher Schönheit, sondern verriet moralische Haltung oder Charaktereigenschaften. Nicht zuletzt können deshalb Elisabeths P ­ orträts auch als Ausdruck ihres Selbstbewusstseins und ihrer persönlichen, manchmal anti­ monarchischen Freiheitsvorstellungen gelesen werden, es sei an ihren direkten Blick im ovalen Porträt erinnert.460 Nach diesen Analysen ist deutlich, dass den Porträts der Elisabeth von Österreich keineswegs eine rein private Funktion zuzuschreiben ist. Die Porträts mit offenem Haar modellierten die Grenzen zwischen ihrer öffentlichen Funktion als Kaisergemahlin, ­ihrem Prestige als sinnlich-schöne Frau und ihren individuellen Zügen. Beide Porträts infiltrierten die politische Sphäre und beeinflussten ganz konkret das öffentliche Image vom Kaiserpaar. Intimität als Authentizitätsversprechen im Konzept des Liebespaares „[K]eine Mätresse und keine Gemahlin, sondern eine Frau“ sollte die potentielle Gattin des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kassel (1802–1875) verkörpern.461 Eine „Frau“ schien für ihn idealerweise gleichsam die Aufgaben einer Geliebten und einer Lebensgefährtin zu übernehmen; als Grundlage einer idealen Beziehung galt ihm offensichtlich sexuelle Anziehungskraft in Kombination mit wahrer Liebe und partner459 Inge Stephan: Das Haar der Frau. Motiv des Begehrens, Verschlingens und der Rettung, in: Claudia ­Benthien u. Christoph Wulf (Hg.): Körperteile. Eine kulturelle Anatomie, Reinbek 2001, S. 27–48, S. 31. 460 Vgl. zu Elisabeths unangepasstem Verhalten bei Hofe Kap. III. 5. Vgl. auch die Fotografien der Künstlerin Julia Margaret Cameron, die offenes Haar, absente Mienen und reformatorische Kleidung, welche den Körper nicht einschnürte, gezielt zur Gesellschaftskritik nutzte. Ihre Bildkonzeptionen zielten auf eine „Liberalisierung von sozialen und kulturellen Codes“, Dogramaci 2011, S. 92. Mindestens zwei weitere Damen der elitären Oberschicht malte Winterhalter mit offenem Haar: zunächst 1860 ­Wienczyslawa Barczewska, Madame de Jurjewicz (Museum of Fine Arts, Boston), 1864 folgte das Künstlermodell Dimitrievna Varvara Rimsky-Korsakov (Musée d’Orsay, Paris). Der wesentliche Unter­ schied zu den Porträts der österreichischen Kaiserin liegt in deren Kleidung: Beide Frauen tragen unverkennbar Abendkleider. Wie die österreichische Kaiserin werden sie in ihren Biografien als nonkonformistische Frauen identifiziert. 461 Zitiert in: Reinhold Steig u. Herman Grimm (Hg.): Achim v. Arnim und die ihm nahestanden, Bd. 3, Stuttgart 1904, S. 618. So wird es in einem Brief von Wilhelm Grimm an Achim von Arnim überliefert. Beide gehörten dem intellektuellen Kreis um das Kurfürstenpaar an. Der Kurfürst hatte die bürgerliche und geschiedene Emilie von Reichenbach-Lessonitz (geb. Ortlepp) in morganatischer Ehe geheiratet, für die sie in den Rang einer Gräfin erhoben wurde. Er hatte damit in mehrfacher Hinsicht gegen die Tugenden seiner Familie und seiner Untertanen verstoßen.

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schaftlichem Verständnis auf politischer Ebene. Eine solche Definition von Ehe kam derjenigen des so genannten „Liebespaares“ nahe, das im 19. Jahrhundert im bürgerlichen Umfeld die Idee vom „Arbeitspaar“ zunehmend ablöste.462 Die Idee des Liebespaares fußte auf aufkommenden romantischen bürgerlichen Idealen, die wahre Liebe über eine rein rationale Partnerwahl stellten. Als Kurfürst definierte Friedrich Wilhelm I. mit seiner Kategorisierung Rollen, die auch eine Herrscherin seiner Meinung nach im 19. Jahrhundert zu besetzen h ­ atte. Dass Königin Victoria und Kaiserin Elisabeth ähnlichem Gedankengut folgten und sich als Geliebte ihrer Gatten inszenieren ließen, konnte oben aufgezeigt werden. Ein ­neues „Handlungsfeld“ für Herrscherinnen entstand.463 Das Eindringen von Attraktivität und Erotik in weibliche monarchische Porträts war progressiv und verdeutlicht, wie sich die Anforderungen an ein Herrscherinnenbild veränderten. Sinnliche Schönheit und körper­ liche Vorzüge wurden traditionell eher von Mätressen oder jungen Adeligen auf dem Heiratsmarkt in portraits historiés demonstriert, deren mythologische Rollen Anmut und Sex-Appeal transportierten. Die weiblichen Rollenbilder von Mätresse und Ehefrau verschmolzen im 19. Jahrhundert zu einem nun vollständigen Frauenbild. Das widersprach dem traditionellen Körperbild der Königin, welches mit der Aufgabe rechtmäßige Thronfolger zu zeugen, selten im erotischen Sinne anziehend gestaltet war.464 ­Allerdings entsprach eine Mätresse kaum noch jenen tugendhaften Vorstellungen, die die Gesellschaft und ihr Familienbild klassenübergreifend prägten. Deshalb wurde die außerehe­ liche Beziehung des österreichischen Kaisers geheim gehalten. Im 19. Jahrhundert waren es vor allem Frauen, die eine „Scheinwerfer-Privatheit“ (Jürgen Habermas) visuell transportierten und praktizierten. Vergleichbare ­Porträts von männlichen Herrschern gab es nicht. Die Frauenbildnisse zeigen eine größere Flexibilität als die männlichen, sowohl in der Bildrhetorik, als auch im Umgang mit den ­Medien. Offen­sichtlich konnten sie gesellschaftlich relevantere Themen glaubwürdiger ansprechen, ohne mit den traditionellen männlichen Konnotationen der monarchischen Bildpolitik brechen zu müssen. Interessanterweise gilt dies im Prinzip sowohl für ­Victoria als auch für Elisabeth, obwohl sie unterschiedliche politische Positionen innehatten: ­Victoria war regierende Königin, während Elisabeth Kaisergemahlin war. Das

462 Vgl. Deinhardt/Frindte 2005, S. 261. 463  Keller 2016, S. 18 u. S. 21. 464 Im 18. Jahrhundert konnte der Regierungskörper noch vom biologischen Körper getrennt diskutiert werden, vgl. Stollberg-Rilinger 2020, S. 27. Zu Schönheit als weiblicher Tugend im Herrscherdiskurs am Beispiel Maria Theresias vgl. Hertel 2020. Auch war die politische Funktion der Figur der ­Mätresse im 19. Jahrhundert nicht mehr gefragt. Einem Staatsoberhaupt konnte innerhalb der moderneren ­politischen Gefüge keine Position wie die der maitresse en titre mehr helfen, um beispielsweise „das politische Gleichgewicht[] zwischen den Hofparteien“ auszubalancieren. Caroline Hanken: Vom König geküsst. Das Leben der großen Mätressen, Berlin, 2. Auflage 1997, S. 226.

7.  “Secret pictures” der Geliebten?

Geschlecht hatte also einen stärkeren Einfluss auf die Inhalte der Öffentlichkeitsarbeit als die politische Position.465 * Wie gezeigt werden konnte, erliegen jene Betrachter, die die oben analysierten Porträts als privat und damit politisch irrelevant einordnen, der künstlerischen Inszenierung. ­Helen Watanabe-O’Kelly kommentiert die Praxis des Zurschaustellens privater Inhalte von politischen Protagonisten: „Die Möchte-Gern-[…]-Nähe zur Bevölkerung, die bei Herrschern des 19. […] Jahrhunderts zu beobachten [ist], [ist] lediglich eine andere Art der Repräsentation, die genauso künstlich und konstruiert ist, als wenn der Monarch sich als Apollo kostümiert.“466 Diese Inszeniertheit jedoch mit künstlerischen Mitteln zu verbergen war Winterhalters Aufgabe. Die Aufrechterhaltung und Pflege des Interesses am Monarchen und seinen Lebensumständen mit authentischen Inszenierungen von intim-privaten Inhalten, die Sympathie generierten und den Erfahrungshorizont des Volkes berührten, konnten das politische System stabilisieren. Es scheint als habe gegolten: je intimer die Perspektive auf die Monarchin, desto größer der Authentizitätsgehalt. Winterhalters Bilder von der sinnlichen Herrscherin erweiterten den höfischen Porträtkanon. Der Typus der Geliebten legte ein neues Verständnis und eine moderne Wahrnehmung von Monarchinnen und ihren Aufgaben frei. Die erfolgreiche weibliche Monarchin wurde zum Identifikationssymbol für alle Schichten. Das Motiv treibt auf die Spitze, was das Ziel aller Tugendporträts ist: nämlich die Vermenschlichung der ­Monarchin mit dem Angebot der Identifikation. Die Verschmelzung vom natürlichen und politischen, vom privaten und öffentlichen Körper der Herrscherin erreichte hier ­eine neue Dimension.

465 Vgl. auch Kap. II. 3. 466 Helen Watanabe-O’Kelly: Kommentar zu Ute Daniel: „Stadt und Hof: wann erfolgte die Wende?“, in: Hirschbiegel/Paravicini/Wettlaufer 2012, S. 281–286, S. 281.

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II.  Die Regalienporträts

“The monarchy has thrived on magic and mystery. Strip them away and people may think the royal family is just like us.” “Would that be so wrong?” “Well, only if they want to stay at Buckingham Palace.”1 Dialog der Serie Downton Abbey

1. Porträts unter dem Baldachin: zur Relevanz des königlichen Mythos für Akzeptanz von Monarchie im 19. Jahrhundert Im Jahr 1855 öffnete die zweite große Weltausstellung ihre Pforten in Paris. Im grand ­salon carré hingen an seiner Stirnseite diejenigen Porträts, die den Besuchern aus aller Welt das Kaiserpaar vorstellten. Für diese prominente Stelle waren drei Porträts des Hofmalers Franz Xaver Winterhalter ausgewählt worden. Neben einem erwartungsgemäß alle klassischen Hoheitszeichen aufrufenden Herrscherporträt Kaiser Napoléons III. präsentierten zwei Gemälde die Kaiserin (Taf. 30, 36 u. 15). Sie trägt jeweils aktuelle Mode – herrschaftliche Insignien und zeremonieller Pomp fehlen.2 Wie ist es zu erklären, dass an solch exponiertem Ort nicht ihr durchaus existierendes klassisches Pendantbildnis zum Kaiser gezeigt wurde, sondern je ein Mode- und ein Tugendporträt? Ein Stich in The Illustrated London News verbreitete die Bildhängung über französische Grenzen hinaus (Abb.  33). Der Illustrator begleitete 1855 den groß angelegten

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Dialog zwischen der konservativen Figur der Lady Grantham und der politisch liberalen Lady Isobel über das Verhalten des britischen Königspaares im Jahre 1924. Serie Downton Abbey, Carnival Films, Staffel 5, Episode 2, Erstaustrahlung UK 2014. In der Mitte hängt das Gruppenbildnis von Kaiserin Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen und rechts ihr ovales Tugendporträt von 1854, vgl. speziell zum Tugendporträt Kap. I. 6., zum Modeporträt Kap. III. 1. u. 2. Vgl. als Bildbeweis auch das Foto von André-Adolphe-Eugène Disdéri von 1855 des Grand Salon carré (Abb. 46). Zum in der Winterhalterliteratur beharrlich reproduzierten Irrtum, dass das Regalienbildnis der Kaiserin Teil der zentralen Hängung war, vgl. Kap. I. 6.

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II.  Die Regalienporträts

33  Anonym: Besuch der Queen in Paris, 1855, abgedruckt in: The Illustrated London News, 1. ­September 1855, Nr. 787, S. 253

Besuch Queen Victorias und Prince Alberts in Paris. Zum publikumswirksam angelegten Programm gehörten mehrere Aufenthalte in der Weltausstellung.3 Das Zeitungsbild schildert Kaiser Napoléon III. und Königin Victoria im Gespräch vor besagten drei Winterhalterschen Gemälden. Eine Reihe hinter ihnen wartet Prince Albert; Kaiserin ­Eugénie begleitete ihre Gäste an diesem Tag nicht. Queen Victorias Blick lenkt die Aufmerksamkeit des Zeitungslesers auf die Gemälde, deren besonders genaue Ausarbeitung sie vom Spiel der benachbarten Kunstwerke abhebt. Der Betrachterstandpunkt liegt auf Augenhöhe mit den Monarchen. Rückenfiguren vereinfachen den Bildeinstieg. Im Leser entsteht das Gefühl, der Szene live beizuwohnen und zur Masse der ihre Zylinder lüftenden Ausstellungsbesucher zu gehören.

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Der Katalogtext in L’art en France sous le Second Empire, hg. v. Arnould Reynold et al., Ausstellungskatalog, Philadelphia Museum of Art, Detroit Institute of Arts, Grand Palais Paris, Paris 1979 (Kat. L’art en France 1979), S. 294, informiert, dass Winterhalter neben Delacroix und Ingres in der Jury saß, damit alle aktuellen Kunstströmungen vertreten waren (ohne Quellenangabe). Winterhalter ist aber nicht als Mitglied der Jury aufgeführt, vgl. Rapport sur l’Exposition Universelle de 1855, présenté à l’Empereur par S.A.I. Le Prince Napoléon Président de la commission, Paris 1857 (Rapport 1857), S. 216 ff.

1.  Porträts unter dem Baldachin

Die Monarchen Napoléon III. und Victoria sind durch ihre Position oder Kleidung nicht von den Umstehenden zu unterscheiden. Nur die sie umgebende Leere und die Schneise, die den Blick des Betrachters durch den Saal auf das Herrscher-Duo lenkt, charakterisieren ihre Außergewöhnlichkeit. Damit umreißt der Zeitungskünstler jenes Paradoxon, welches die monarchische Bildnisproduktion im 19. Jahrhundert stets begleitete.4 Der Regent war integrierter und akzeptierter Part des politischen Gefüges, doch ­hatte sich seine Legitimationsbasis verändert; das Gottesgnadentum bot ihm in vielen europäischen Staaten keine stabile Grundlage mehr. Der Herrscher war als Amtsinhaber eingeführt, sollte als Gleicher unter Gleichen zu erkennen sein, den Tugendkanon seines Volkes teilen und sich als Erster Diener des Staates verstehen. Gleichzeitig hatte der Monarch als Symbolfigur eines Personenkults jedoch charismatischen Herrschervorstellungen gerecht zu werden und sollte seine Rolle als Außergewöhnlicher eben doch souverän ausfüllen. Diesen diplomatischen Balanceakt versinnbildlicht die doppelte Anwesenheit Napoléons III. im Zeitungsbild: im Saal als Besucher und in dem alle Hoheitszeichen aufrufenden traditionellen Herrscherporträt auf Bildebene. Derselbe Spagat wird innerhalb des Werkprogramms an der Wand geübt: Das Bildnis Napoléons III. steht in der Repräsentationshierarchie auf gleicher Stufe wie das ovale Tugendporträt der Kaiserin. Im Folgenden soll untersucht werden, wie in die im vorangegangenen Kapitel konturierte Gesellschaft Bildnisse passten, deren Funktion, Botschaft und Interaktion ganz andere Mechanismen aktivierten als höfische Tugendporträts, nämlich Gemälde, in denen Macht mehr demonstriert als verborgen wird, die das Volk und seinen Tugendkanon ausschließen und sich in monarchische Bildtradition stellen; Bildnisse, die mithilfe allgemeingültiger ikonografischer Zeichen verbindliche Aussagen treffen, in denen Macht­ zeichen zum Betrachter von auf Gottesgnaden basierender Herrschaft sprechen und damit auf ein an vielen Orten bekämpftes politisches System rekurrieren. Kurz: Wie sind Regalienporträts in der monarchischen Bilderlandschaft des 19. Jahrhunderts zu ver­ orten? Klassische Herrscherikonografie Seit dem Spätmittelalter verbreitete sich, „vom Kult der Heiligenbilder inspiriert“, die Praxis, individuelle Porträts von Herrschern in der Öffentlichkeit zu platzieren.5 ­Diese sorgten an strategisch ausgewählten Hängungsorten für die Anwesenheit des R ­ egenten. Über mehrere Jahrhunderte hinweg fungierte das Bildnis des Monarchen als dessen Stellvertreter, so dass vor ihm in effigie juristische Fragen geklärt oder Urteile ­gefällt 4

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Soeffner/Tänzler formulieren es so: „Paradox: Politik ist einerseits das Gegenteil jeden Anflugs […] zu ‚menscheln‘, und andererseits soll Politik, folgt man Aristoteles, das Menschenwesen zum Ausdruck bringen und verwirklichen.“ Soeffner/Tänzler 2002, S. 28; vgl. Schoch 1975, S. 144. Zur Geschichte des Herrscherporträts Burke 2003, S. 67; vgl. Warnke 1985, S. 270 ff.; vorher bereits in Form von Buchmalerei, Münzen und Medaillen, Reiterstandbildern.

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­werden konnten.6 Ein ikonografisches Programm zur Repräsentation des politischen Ranghöchsten führte national zwar zu differenzierten Ausführungen, galt aber grundsätzlich universal. Zweck war die Erhöhung und Nobilitierung des Modells. Ein Zeichen­ apparat sollte die Komplexität des politischen Systems und die darin positionierte F ­ igur des Monarchen auf ein möglichst kleines, symbolisch schnell fassbares Moment konzentrieren.7 Wie in der frühen Heiligen- oder Mariendarstellung wurden im traditionellen Herrscherporträt psychologisierende oder emotionale Momente nur spärlich genutzt. Überzeitlichkeit sollte generiert werden. Wichtigstes Mittel war die Hervorhebung dessen, was die Herrschaft begründete: die Legitimation von Gottes Gnaden.8 Entsprechendes ikonografisches Bildvokabular gliederte die Komposition und reflektierte höfisch-­kirchliche Rituale wie die Krönungszeremonie. Ein prächtiger Baldachin oder eine Draperie sowie eine voluminöse Säule bestimmten meist den Bildhintergrund.9 Die bewegten Stoffmengen sollten Pneuma, den göttlichen Hauch, ansichtig werden lassen und dienten als Epiphaniesymbol.10 Die Säule spiegelte die Machtbefugnis auf weltlicher Ebene und symbolisierte die Eigenschaft des Monarchen, als verlässliche Stütze seines

  6 Vgl. zum Stellvertretungscharakter eines Porträts HPI 2011, s. v. „Herrscherbildnis“ (Martin Warnke), S. 482 f. Vgl. auch Warnke 1985, S. 272 f.    7 Forschungen zur bildlichen Repräsentation von Demokratie beziehen sich auf ein solches traditionelles Zeichensystem, wenn sie konstatieren, dass es Monarchien wesentlich leichter haben, „verbind­liche ikonographische Repräsentation in der Öffentlichkeit darzustellen“. Uwe Fleckner: Der Künstler als Seismograph. Zur Gegenwart der Kunst und zur Kunst der Gegenwart, Hamburg 2012, S. 489. Vgl. dazu auch Philip Manow: Im Schatten des Königs. Die politische Anatomie demokratischer Repräsenta­tion, Frankfurt am Main 2008. Vgl. auch André Félibien, der 1663 über die Undarstellbarkeit des Königs­ körpers schrieb: « […] il a néanmoins un sujet qu’il est obligé d’imiter, mais un sujet si ­excellent, qu’il n’y a point d’ornemens qui le puissent enrichir, n’y de traits qui le puissent dignement exprimer. » ­André ­Félibien: Le Portrait du Roy (1663), zitiert nach Hannah Baader: André Félibien: Das Porträt eines ­Porträts. Le Portrait du Roy (1663), in: Rudolf Preimesberger, Hannah Baader u. Nicola Suthor (Hg.): Porträt. Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren, Bd. 2, ­Berlin 1999, S. 356–368, S. 357.   8 In der „grundsätzlichen Legitimation jeder Herrschaft durch Gott“ waren sich Königtum und Kirche seit dem Spätmittelalter einig. Die päpstliche Herrschaft war aus kirchlicher Sicht eine „von oben nach unten legitimierte“, während die königliche „korporationsrechtlich, also innerweltlich“ zu verstehen war, also einer „von unten nach oben“ gerichteten, „durch Konsens begründeten Herrschaft“ entsprach. Vgl. Kristin Marek: Körperförmiges Rechtsdenken und bildförmige Politik. Repräsentation und Körperbild des Königs in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Wolfenbütteler Barock-Nachrichten 32/2005, S. 39–56, S. 40 f.   9 Ein Baldachin wurde in vielen Zeremonien während der Salbung über den Herrscher gehalten. 10 „Das Zeremoniell verlangte dabei, daß die Vorhänge, die zunächst den Kaiser verhüllten, […] plötzlich zurückgezogen wurden, um den Blick auf den Kaiser freigebend gleichsam seine, und zugleich die göttliche Epiphanie zu symbolisieren.“ Ernst H. Kantorowicz: Kaiser Friedrich und das Königsbild des Hellenismus, in: Varia Variorum. Festgabe für Karl Reinhardt, dargebracht v. Freunden u. Schülern, M ­ ünster u. Köln 1952, S. 167–193, S. 179.

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34  Atelier von Antoon van Dyck: Queen ­Henrietta Maria, ca. 1636, Öl auf Leinwand, 210,1 × 133,6 cm, London, Royal Collection

35  Hyacinthe Rigaud: Louis XIV, roi de France, 1701, Öl auf Leinwand, 277 × 194 cm, Paris, Musée du ­Louvre

Volkes für politische Stabilität zu sorgen. Ein schräg hinter der Figur platzierter Thronstuhl verwies auf sein besonderes Recht, zu sitzen. Typisch für das klassische Herrscherporträt war außerdem eine lebensgroße und ganzfigurige Darstellung der Person. An exponierter Stelle ins Bild gesetzte Insignien zeigten die Machtprivilegien des Dargestellten an; meistens waren jene, die während der Krönungszeremonie in Gebrauch gewesen waren, auf einem Tisch neben dem Herrscher angeordnet.11 Das florierende Geschäft mit der Anfertigung von HerrscherInnenporträts adaptierte diese Ikonografie national und je nach Epoche durchaus unterschiedlich.12 P ­ auschal sind zwei wesentliche Strömungen zu unterscheiden: Mit Künstlern wie ­Tizian (um  1488– 1576) oder wie dem an dessen Konzept anknüpfenden Antoon van Dyck (1599–1641) etablierte sich ein eher karges Bildschema mit schlichter Pose der D ­ argestellten, ­welches 11 Zum spanischen Hofzeremoniell und dem Recht des Königs, zu sitzen sowie der Bedeutung des Tisches während Audienzen vgl. Kirsten Ahrens: Hyacinthe Rigauds Staatsporträt Ludwigs XIV. Typologische und ikonologische Untersuchung zur politischen Aussage des Bildnisses von 1701, Hemsbach 1990, S. 42. 12 Dies im Einzelnen aufzufächern sprengte den Rahmen der vorliegenden Arbeit.

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in England kontinuierlich fortgeführt wurde (Abb. 34).13 Auf dem europäischen Kontinent verdichtete sich der ikonografische Apparat und gipfelte in prunkvoller Komposition (Abb. 35). Spätestens mit der Aufklärung gerieten höfisch konnotierte Symbolik und zu deutlich visualisierter Machtanspruch in ganz Europa in die Kritik, im 18. Jahrhundert entledigten sich nicht wenige Fürstenbilder des gesamten ikonografischen Apparats.14 Dass im 19. Jahrhundert mit Winterhalter ein Hofkünstler für nahezu ­alle ­europäischen Länder arbeitete, ist angesichts jener nationalen Entwicklungsverschiedenartigkeit bemerkenswert und erweist sich im Vergleich der Höfe als spannungsreiches Kriterium für die Analyse seiner Porträts. Wie die Missbilligung von zu offensichtlichem Herrschaftsanspruch während Winter­halters Schaffenszeit öffentlich Ausdruck fand, veranschaulicht eine populäre Karikatur von 1840 (Abb. 36). Am Beispiel eines der bekanntesten Herrscherporträts der Kunstgeschichte entwirft der Autor William Thackeray mögliche Perspektiven auf die Differenz von Mensch und Königsamtsträger. Hyacinthe Rigauds Bildnis ­Ludwigs XIV. von 1701 wird in seine Einzelteile zerlegt. Einer mathematischen Gleichung ähnlich werden dem Betrachter drei Figuren und Bildszenen dargeboten. Links ist die könig­ liche Hülle – Perücke, Krönungsmantel und Kleidung – über eine Kleiderpuppe drapiert. Holzbein- und Holzarmhaltung sind an die Pose im berühmten Porträt angepasst. Mittig füllt ein kleiner glatzköpfiger alter Mann mit krummem Rücken und rundem Bauch in schlichter Kleidung das zweite Bild. Seine Pose ist unprätentiös, die eine Hand steckt in der Hosentasche, die andere stützt den gebrechlichen Körper auf einen Spazierstock. Im dritten Bild schließlich werden die vorangegangenen Zeichnungen addiert: Sich dem Original nähernd, trägt der Mann, nun durch edle Schnallenschuhe mit hohem Absatz und eine Allongeperücke deutlich gelängt, aristokratische culottes unter einem voluminösen Krönungsmantel. Seine Beinstellung verharrt in spannungsreicher Tanzmeisterpose, die Arme sind tatkräftig in die Hüfte und auf sein Zepter gestemmt. Hinter der nun eindeutig als König zu identifizierenden Person steht ein Thron. Alle drei Studien sind auf e­ iner von geöffneten Vorhangbahnen eingerahmten Bühne angeordnet. ­Thakeray verwandelte das ursprüngliche Hoheitsmotiv des gebauschten Vorhangs in

13 Vgl. The Swagger Portrait. Grand Manner Portraiture in Britain from van Dyck to Augustus John 1630– 1930, hg. v. Andrew Wilton, Ausstellungskatalog, Tate Gallery, London, London 1992 (Kat. Swagger Portrait 1992), S. 11 in Bezug auf die Darstellung der menschlichen Gestalt: “That is to say, it is rooted in a protestant code of values which has interacted with the prevalent character of the islanders to produce a system of thought from which frivolity was rigorously excluded.” 14 Das Handwörterbuch der Seelenmahlerey von 1804 lehrte folgendes: „Ein Portraitmahler soll einen vor sich habenden Menschen mit allen Eigenheiten, sowohl des Körpers als auch der Seele, darstellen, so, daß man in den äußeren Theilen und Zügen des Gesichts, in den Stellungen der Haltung und Bewegungen des Körpers, die ganze Denk- und Sinnesart des Menschen, seine Neigungen und Empfindungen erkennt.“ Zitiert nach Kanz 1998, S. 226.

1.  Porträts unter dem Baldachin

36  William Makepeace Thackeray: Rex. Ludovicus. Ludovicus Rex. An historical study, in: William ­Makepeace Thackeray: Paris Sketches, London 1840, o. S.

­ eaterinterieur. Er entlarvte den pompösen Aufzug als Verkleidung und den rituellen Th Auftritt des Monarchen als Schauspiel.15 Stollberg-Rilinger erläutert, dass Ritual und Theater neben der symbolischen Grundlage, „der Anwesenheit von Akteuren und Zuschauern“, der Inszenierung nach Vorgabe, auch „den Handlungs-, Aufführungs- und Kommunikationscharakter“ gemein haben.16 Der große Unterschied bestehe jedoch darin, dass im Theater zwischen Aufführung und Realität, zwischen Person und Rolle getrennt werde, hingegen „[i]m Ritual ist man, was man spielt.“17 Mit der Anprangerung höfischen Zeremoniells als Theater suchte ­Thakeray dessen Authentizitätsgrad und auch dessen Auswirkungen auf die politische Realität in

15 Im zur Zeichnung gehörenden Text heißt es übersetzt: „Man sieht sofort, daß die Majestät aus der ­Perücke gemacht ist, den hochhackigen Schuhen und dem Mantel […] So stellen Barbiere und Flickschuster die Götter her, die wir anbeten.“ (Übersetzung in Peter Burke: Ludwig XIV. Die Inszenierung des Sonnenkönigs, Berlin 1993, S. 2). 16 Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt am Main 2013, S. 208 f. 17 Ibid., S. 209. Zur Unterscheidung zwischen Theater und Wirklichkeit im Mittelalter vgl. ibid., S. 209 ff.

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Frage zu stellen.18 Seine Argumentation war allerdings nur logisch aus der Perspek­tive des 19. Jahrhunderts; die enge Verbindung von Theater und Herrscherrepräsentation war unter Ludwig XIV. relevanter Teil der höfischen Repräsentationskultur gewesen. Im 19. Jahrhundert konkurrierten viele Konzepte vom monarchischen Körper miteinander. Besonders in der Kritik war die Vorstellung des von Gottes Gnaden legiti­ mierten Herrschers, die die Lehre von den zwei Körpern des Königs mit der Existenz ­eines unsterblichen body politic und eines leiblichen body natural zu erklären ver­suchte. Die Besonderheit dieser Körperlehre besteht „in der Fiktion einer Ewigkeit selbst des sterb­lichen body natural, und zwar durch dynastische Kontinuität.“19 Thakeray enttarnte in seiner Karikatur den von Pomp umgebenen Körper des Königs als mensch­ lichen, gebrechlichen, dem Betrachter grundsätzlich gleichenden Körper, dessen pointiert kompromittierende Zurschaustellung den Zweifel des aufgeklärten Betrachters an der ­Existenz eines unsterblichen ewigen body politic potenziert haben wird. Der König ist überdies von ihm nicht nur als ein eine Rolle spielender Mensch gekennzeichnet, augen­ scheinlich fehlt diesem Mann jedes natürliche Charisma. Wenn solche Ikonografie eines klassischen Herrscherporträts in der Öffentlichkeit nicht mehr die gleiche Wirksamkeit und Eindrücklichkeit einer von Gottes Gnaden legitimierten Herrschaft evozieren konnte wie in den vorherigen Jahrhunderten, welche Aufgabe kam diesen Porträts im 19. Jahrhundert dann zu, die von allen europäischen ­Höfen nach wie vor in Auftrag gegeben und zur offiziellen Repräsentation genutzt w ­ urden? Der politische Körper zwischen Mythos und Menschsein Was Thakeray außen vor ließ, erläutert Ernst Kantorowicz in seiner populären Schrift zur Lehre der zwei Körper des Königs von 1957. Die „mystische Dimension“ des königlichen Körpers sei eben „gerade mehr […] als die Summe seiner Elemente.“20 Dieser Mythos besaß im 19. Jahrhundert nach wie vor große Wirkkraft, obgleich die göttliche Legitimation der königlichen Herrschaft in vielen Ländern nicht mehr recht funktionieren mochte oder verfassungsrechtlich abgeschafft war.21 Zahlreiche Kommentare aus ­verschiedenen 18 Zusammenfassend lässt sich für das 19. Jahrhundert konstatieren: Alles, was „Geltung auch jenseits des Rituals“ hat, ist kein Theater, ibid., S. 211. 19 HPI 2011, s. v. „Zwei Körper des Königs“ (Ulrich Pfisterer), S. 561. 20 So fasst Eva Horn zusammen, vgl. id.: Vom Porträt des Königs zum Antlitz des Führers. Zur Struktur des modernen Herrscherbildes, in: Alexander Honold u. Ralf Simon (Hg.): Das erzählende und das erzählte Bild, München 2010, S. 129–159, S. 136. 21 Otto Brunner zeichnet Hans Sedlmayr nach: „In dieser modernen Welt seit 1760, seit der Aufklärung, erscheint das Gottesgnadentum als ‚Mythos‘, der jedenfalls buchstäblich nicht mehr geglaubt wird, sondern höchstens noch Symbol ist. In den älteren Jahrhunderten war es ohne Zweifel ‚Wirklichkeit‘, echter Königsglaube.“ Otto Brunner: Vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip. Der Weg der europäischen Monarchie seit dem hohen Mittelalter, in: Theodor Mayer (Hg.): Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen, Sigmaringen 1956, S. 279–305, S. 293.

1.  Porträts unter dem Baldachin

Schriftquellen belegen, wie unverzichtbar die Verbindung von Königsherrschaft und ­Magie auch nach der Aufklärung schien. Novalis hatte bereits 1802 den Herrscher als „Symbol [des] mystische[n] Souverän[s]“ begriffen, als eine Möglichkeit „den rationalen Definitionen der Aufklärung als Regent, Oberhaupt etc. eine Alternative entgegen“ zu ­setzen.22 Der frühe Theodor Fontane schrieb 1860 an seine Mutter: „Wer den Adel abschaffen ­wollte, schaffte den letzten Rest von Poësie aus der Welt.“23 Walter Bagehot forderte in Bezug auf die Berichterstattung über die britische Königsfamilie “We must not let in daylight upon magic.”24 Die Beispiele aus zeitgenössischen Texten sind mannigfaltig. Parallel zu der zunehmenden Verwissenschaftlichung und Intellektualisierung – ­einer „Entzauberung der Welt“ (Max Weber) – war seit dem 18. Jahrhundert eine starke Hinwendung der Gesellschaft zum Mystischen zu beobachten.25 Der „politische ­Mythos“ besaß eine relevante „Wirkmächtigkeit“.26 Mythen bieten jeder Gesellschaft Sicherheit. Sie ermöglichen eine Verbindung von der Gegenwart zu einer idealisierten Vergangenheit und können derart „eine bestimmte Herrschaftsform und Gesellschaftsordnung“ legitimieren.27 Ein Mythos besitzt „das Potential […] verändernd auf die Gesellschaft einzuwirken – indem er ihr etwa neue Leitbilder und Ziele vorgibt.“28 Auch deshalb gibt es in jedem politischen System den Drang nach Personenkult, eine charismatische oder ­mystisch überhöhte Person „trägt zur Stabilität jeder (auch einer dezidiert ‚­atheistischen‘) Ordnung bei.“29 Starke politische Führung wird gerade in unruhigen Zeiten besonders

22 Wienfort 1993, S. 174. 23 Vgl. zu Fontanes Adels-Verständnis Jochen Strobel: „… den letzten Rest von Poësie“ – Historische und literarische Semantik eines kulturellen Schemas am Beispiel von ‚Adel‘ in der Moderne, in: KulturPoetik, Bd. 12, 2/2012, S. 187–207. 24 Bagehot 1974, S. 243. 25 Mythos und Wissenschaft, Magie und rationales Denken werden von den philosophischen, psychologischen, anthropologischen oder historischen Wissenschaften lange nicht mehr getrennt voneinander erforscht, vgl. Ernst Cassirer: Vom Mythos des Staates, Hamburg 2002; zum Dualismus „Mythos – L ­ ogos“ bzw. „Mythos – Wissenschaft“ vgl. Anette Völker-Rasor: Mythos. Vom neuen Arbeiten mit einem alten Begriff, in: id. u. Wolfgang Schmale (Hg.): Mythenmächte – Mythen als Argument, ­Berlin 1998, S. 9–32, S. 17 ff. Im Gegensatz zu der von Max Weber konstatierten „Entzauberung der Welt“, mit der er 1917 die Folgen der „zunehmenden Intellektualisierung und Rationalisierung“ auf die Welt zusammen­ fasste, nämlich, dass man keine „magischen Mittel“ mehr benötige, „um die Geister zu beherrschen oder zu erbitten, sondern technische Mittel und Berechnung leisten das.“ Vortrag Wissenschaft als Beruf von 1917, Max Weber: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund, ­Erster Vortrag, München 1919, S. 16. 26 Frank Becker: Begriff und Bedeutung des politischen Mythos, in: Stollberg-Rilinger 2005, S. 129–148, S. 130. 27 Ibid., S. 140. 28 Ibid., S. 135. 29 Ronald Hitzler: Inszenierung und Repräsentation. Bemerkungen zur Politikdarstellung in der Gegenwart, in: Soeffner/Tänzler (Hg.) 2002, S. 35–49, S. 42.

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leidenschaftlich gefordert und nach dem Prinzip der „Personifikation eines kollektiven Wunsches“ umgesetzt.30 Max Weber unterscheidet in Wirtschaft und Gesellschaft zwischen drei reinen Typen legitimer Herrschaft: rationale, traditionale und charismatische Herrschaftsausübung.31 Zwar gebe es aufgrund einer zwangsläufigen „Veralltäglichung von Charisma“ meistens eher eine „Vermischung der verschiedenen Herrschaftstypen“, doch fest steht für ihn:32 Wer solche Ausstrahlungskraft besitzt, wird „mit übernatürlichen oder übermensch­ lichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern zugänglichen Kräften oder Eigenschaften oder als gottgesendet oder als vorbildlich und deshalb als ‚Führer‘ gewertet“.33 Damit schließt er an die Geschichte des „großen Mannes“ im Sinne Edmund Burkes, Georg Friedrich Wilhelm Hegels und Jacob Burckhardts, an das Prinzip der Heldenverehrung von Thomas Carlyle und an Ralph Waldo Emersons “representative men” an.34 Ähnliche Argumente für das Herausstellen des Besonderen, des Pompösen und Mystischen in Hinblick auf Anerkennung und Rezeption von Herrschaft formulierte bereits 1719/20 Johann Christian Lünig in seiner Schrift Theatrum Ceremoniale HistoricoPoliticum: Denn die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher Beschaffenheit, daß bey ihnen die sinnliche Empfindung und Einbildung mehr, als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die Sinne kützeln und in die Augen fallen, mehr, als durch die bündig- und deutlichsten Motiven commoviret werden. Wenn man dem gemeinen Volck hundert und aber hundert mahl mit auserlesensten Worten und Gründen vorstellete, daß es seinem Regenten deswegen gehorchen sollte, weil es dem göttlichen Befehl und der gesunden Vernunft gemäß wäre, dieser aber sich in Kleidung und sonsten in allem so schlecht, als ein gemeiner Bürger aufführete, so würde man wenig damit ausrichten. Allein man stelle demselben einen Fürsten vor, der prächtig gekleidet, mit vielen Hofleuten umgeben, von verschiedenen auswärtigen Prinzen und Gesandtenschafften verehret, auch von einer ansehnlichen Guarde bedeckt ist, so wird es anfangen, sich über dessen Hoheit zu verwundern, ­diese Verwunderung aber bringet Hochachtung und Ehrfurcht zuwege, von welchen Unterthänigkeit und Gehorsam herkommen. […] Und aus dieser Raison haben sich die frömsten Könige unter dem Volcke Gottes nicht enthalten, ihren Hofhaltungen durch angeordnete Ceremonien und prächtige Solennitäten ein Ansehen zu machen.35

30 Cassirer 2002, S. 365. 31 Max Weber: Grundriss der Sozialökonomik. III. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 3. Auflage 1947, S. 124. 32 Ibid., S. 142 u. S. 153. 33 Ibid., S. 140. 34 Vgl. zusammenfassend Michael Gamper: Ausstrahlung und Einbildung. Der ‚große Mann‘ im 19. Jahrhundert, in: Jesko Reiling u. Carsten Rohde (Hg.): Das 19. Jahrhundert und seine Helden. Literarische Figurationen des (Post-)Heroischen, Bielefeld 2011, S. 173–198, hier S. 180 f. 35 Johann Christian Lünig: theatrum ceremoniale historico-politicum, Erster Theil, Leipzig 1719, S. 5.

1.  Porträts unter dem Baldachin

„Verwunderung“ und daran anschließend „Hochachtung und Ehrfurcht“ folgten der Hervorhebung der übernatürlichen Dimension des Herrscherkörpers. Erst wenn der Herrscher vom Bürger als Außergewöhnlicher anerkannt wurde, war „Unterthänigkeit“ und damit Legitimation zu erreichen. Der Politikwissenschaftler Philip Manow fasst den von allen Monarchen im 19. Jahrhundert zu praktizierenden Balanceakt in seinem Buch Im Schatten des Königs zusammen: „[D]er Eindruck von der dignitas des Amtes [soll] nicht durch Hinweise auf die ­humanitas der Person gestört [werden]“.36 An diesem Punkt setzte Thakeray seine kritische Feder an. Genauso wie die mystische Belegung des politischen Körpers diesen erhöht, stört umgekehrt die Offenbarung körperlicher Schwächen die charismatische ­Aura eines Staatsoberhauptes.37 Nicht zuletzt deshalb konnte die Wahl eines fähigen Hof­ porträtisten zur Stabilität eines politischen Postens entscheidend beitragen. Das Regalienporträt als neuer Fachterminus Wenn von einem mit klassischer Herrscherikonografie argumentierenden Porträt in wissen­schaftlichen Texten die Rede ist, wird gern der allgemeine Terminus Herrscher­ porträt genutzt, auch politisches Bildnis, Staats- oder Repräsentativporträt ist oft zu ­lesen.38 Diese Termini spezifizieren jedoch nicht den Darstellungsmodus, sie beziehen auch höfische Tugend- oder Modeporträts ein. Differenzierter ist das portrait ­d’apparat zu ver­stehen. 1856 erschien in der Revue universelle des arts ein Text des seinerzeit bereits verstorbenen Kunsthistorikers und Politikers Toussaint-Bernard Émeric-David (1755–1839) mit dem Titel Tableaux d’apparat, der für neue Popularität des Terminus’ ­portrait d’apparat sorgte.39 Émeric-David leitete seine Begriffsbestimmung vom lateinischen apparatus ab, zu übersetzen mit Prachtaufwand. Hauptziel eines solchen Gemäldes sei die Evokation von « étonnement » und « respect » mit Hilfe von Pomp und Größe.40 Dabei helfe eine prachtvolle Farbgebung und Komposition sowie eine ganzfigurige und lebensgroße Darstellung.41 Erhellend ist Émeric-Davids Vergleich mit für ihn gegensätzlichen Bildern, sogenannten « tableaux dramatique » oder « tableaux d’expression », die « spontanée, vive, 36 Manow 2008, S. 141, sich auf heutige Politiker beziehend. 37 Vgl. Manow 2008, S. 140 f. Immerhin speist sich der Begriff Charisma von „Chrisma, dem heiligen Öl, mit dem die Könige gesalbt wurden.“ Manow 2008, S. 144. 38 Vgl. auch jüngste Versuche solche Porträts zu definieren: „Gemälde[], auf denen explizit Herrscher­ insignien wie Krone oder hermelingefütterter Mantel dargestellt sind“, Pietsch 2020, S. 204. 39 Toussaint-Bernard Émeric-David: Tableaux d’apparat, in: Revue universelle des arts, Bd. 3, 1856, S. 289– 298. 40 Émeric-David 1856, S. 293. In diese Richtung zielen auch Begriffe wie Zeremonial- oder Majestasporträt, in majestatis bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt: „in Zier und Würde sitzen“. Stollberg-­ Rilinger 2013, S. 107. 41 Émeric-David 1856, S. 294.

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II.  Die Regalienporträts

touchante, pathétique » seien.42 Zu welchem Genre ein Bild gehöre, hänge nicht von den Protagonisten oder Attributen ab, die immer beide Ausformungen bedienen könnten, sondern von der Art der Inszenierung. Erst wenn sich die Bildwirkung auf das Äußere konzentriere, « en représentation extérieure », die Inszenierung keine Emotionen oder « passions » wecken wolle, sei von einem tableau oder portrait d’apparat zu sprechen.43 Émeric-David definiert überzeugend den Charakter eines solchen Porträttypus, der sich klar vom höfischen Tugendporträt unterscheidet, dessen Hauptziel ja gerade die Evokation von Emotion mit Hilfe von narrativen und psychologisierenden Inhalten ist. Jedoch ist an seinem Terminus zu kritisieren, dass dieser nach rein quantitativem Vorhandensein von Zeichen, einem Apparat, kategorisiert und damit auf deskriptiver Ebene bleibt. Da nahezu alle höfischen oder aristokratischen Porträts Elemente eines solchen ikonografischen Apparats präsentieren, ohne zwingend Émeric-Davids andere Charakteristika aufzuweisen, bleibt auch dieser Begriff vage. Daher soll an dieser Stelle ein differenzierender Terminus vorgeschlagen werden, der die Funktion dieser Porträts in den Fokus rückt: das Regalienporträt. Der im deutschen gebräuchliche Terminus Regalien, von lateinisch iura regalia, umfasst nicht nur die Herrschaftsinsignien, sondern alle Hoheits- und Sonderrechte eines Souveräns. Und genau auf diesen Sonderrechten und Sonderrollen von HerrscherInnen, deren einzigartiger Position innerhalb der Gesellschaft, basieren die hier gruppierten Porträts. Bezogen auf den Bereich der visuellen Kommunikation gebührt allein dem Herrscher beziehungsweise der Herrscherin das Recht, Machtlegitimation, Machtanspruch und Machtstatus zu repräsentieren und zu adressieren. Der Anspruch auf den von Émeric-David propagierten Apparat ist implizit.44 Nur in einem Regalienporträt können Herrscher oder Herrscherin ihre politisch einzigartige Position demonstrieren. Heutige Marketingforschung hat für ein solches Vorgehen den Begriff des UPS (unique selling proposition) definiert. Über das Alleinstellungsmerkmal verkauft sich ein Produkt meist am besten; das Alleinstellungsmerkmal des Monarchen ist seine einmalige politische und traditionsreiche Position. Der rituelle Charakter von Regalienporträts zielt primär auf die Offenlegung des Machtanspruchs des Dargestellten. Deshalb besetzen sie eine besondere Rolle innerhalb von Herrschaftsanerkennungsprozessen. Klassische HerrscherInnenikonografie legt Zeugnis ab von Gegenständen und Handlungsmomenten eines höfischen Rituals.

42 Ibid., S. 294 u. S. 290. 43 Ibid., S. 293. Ein portrait d’apparat definiert er als « portrait en pied et grand comme nature, d’un personnage sans action, et qui est supposé n’avoir d’autre pensée que celle de se montrer sous un aspect ­favorable. » 44 Im Englischen wird der Terminus regalia portrait genutzt, was übersetzt eher Insignienporträt hieße. Lateinisch Regalia insignia wird meist mit Reichskleinodien oder Insignien übersetzt, genauer wäre: die Insignien der Rechte. Zum Begriff Insigne vgl. auch Philipp Zitzlsperger: Dürers Pelz und das Recht im Bild. Kleiderkunde als Methode der Kunstgeschichte, Berlin 2008, S. 144.

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Das Regalienbildnis kann als kompakte, statische Visualisierung einer Krönung oder anderer Einsetzungs- und Übergangsriten verstanden werden. Diese symbolisieren einen „Status­wandel“, der neue Herrschaft legitimieren soll.45 Das Regalienporträt bleibt der einzige monarchische Bildtypus, der nicht vollständig von anderen Personen oder Schichten kopiert werden konnte; hingegen gibt es reichlich aristokratische oder bürgerliche Tugend- und Modeporträts. Selbst als einzelne Teile dieses Typus’ adaptiert wurden – wie die lebensgroße und ganzfigurige Darstellung oder die zahlreiche cartes de visite schmückende Pappmaché-Säule nebst Vorhang im Fotoatelier des 19. und 20. Jahrhunderts46 – und damit ihre Bedeutung teilweise trivialisiert wurde, blieb das Anfertigenlassen eines veritablen Regalienporträts den Monarchen vorbehalten. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts sind rückläufige Bestellzahlen zu verzeichnen, offenbar besaß es im 19. Jahrhundert nach wie vor Macht konservierenden Charakter. Politische Akzeptanz über Rituale Ein Ritual ist eine symbolische Handlung, deren Aufführung charakterisiert ist von standardisierter Wiederholung „und [die] eine elementare sozial strukturbildende Wirkung besitzt.“47 Dieser grundsätzlich besondere, nicht alltägliche Anlass ist geprägt von materieller Pracht. Die Definitionen von Zeremoniell und Ritual greifen ineinander. B ­ eide sind an Regeln gebundene Handlungen, die vor einer repräsentativen, nicht aktiven Öffent­lichkeit aufgeführt werden.48 Rituale und Zeremonien waren für die Stabilität der Institution Monarchie auch im 19. Jahrhundert noch extrem wichtig: [I]nstitutionelle Ordnungen kennzeichnet auch, dass sie die Tendenz haben, sich selbst immer weiter zu stabilisieren. Es ist wesentlich leichter, sie aufrecht zu erhalten, als sie zu ändern. Denn Institutionen erzeugen normative Erwartungen: Das sind Erwartungen, die auch dann aufrechterhalten werden, wenn in Einzelfällen gegen sie verstoßen wird. […] Die grundlegenden Begriffe und Klassifikationen einer Ordnung […] sind in Symbolisierungen aller Art allgegenwärtig. […] Durch ihre materielle Handgreiflichkeit, ihre sinnliche Wahrnehmbarkeit machen diese Symbolisierungen die institutionelle Ordnung, die sie verkörpern, zu einer objektiven Wirklichkeit.49

45 Vgl. Stollberg-Rilinger 2013, S. 13 f., hier: S. 14. 46 Vgl. Henrike Holsing: Die carte de visite – Porträtfotografie im kleinen Format, in: Monet und Camille. Frauenporträts im Impressionismus, hg. v. Dorothee Hansen u. Wolf Herzogenrath, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen, München 2005 (Kat. Monet und Camille 2005), S. 238–247, S. 245. 47 Ibid., S. 8. 48 Paulmann 2000, S. 17. Für ihn belegen Monarchenbegegnungen „das Fortwirken einer repräsentativen Öffentlichkeit im staatlichen Zeremoniell des bürgerlichen Zeitalters.“ Der ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu verzeichnende – im Vergleich zu den vorigen Jahrhunderten deutliche – Anstieg von Monarchen­ begegnungen und vor allem deren öffentliche Zelebration demonstrieren, wie gern die euro­päischen Höfe diese Treffen als facettenreiches Vermarktungsinstrument nutzten. Ibid., S. 21. 49 Stollberg-Rilinger 2008, S. 10. Stollberg-Rilinger geht von der Prämisse aus: „Soziale Ordnung funktio­ niert auf der Basis von ‚Erwartungserwartungen‘: Jeder Einzelne richtet sein Handeln an der Erwartung aus, dass die anderen ihr Handeln ebenfalls an der Ordnung ausrichten.“ Ibid., S. 9.

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Der Begriff des „kollektiven [oder kulturellen] Gedächtnisses“ (Maurice Halbwachs) weist auf „die zentrale Rolle hin […], welche die gemeinsam geteilte Erinnerung für die emotionale Bindung des Einzelnen an eine Gemeinschaft spielt.“50 Diese Idee spiegelt der Umgang mit Ritualen und Zeremoniell im 19. Jahrhundert. Jüngere historische Forschung stellte im Zuge des performative turn fest, dass die Monarchen im ­Laufe des 19. Jahrhunderts „zunehmend wieder auf prunkendes höfisches Zeremoniell zurück[griffen], um sich und ihre Herrschaft zu repräsentieren.“51 Die Institution ­Monarchie vermarktete sich sozusagen mithilfe von öffentlichen Ritualen und Zeremonien und nicht zuletzt mit den diese visuell konservierenden Porträts. Für den öffentlichen politischen Auftritt und dessen Inszenierung sind zwei Entwicklungsphasen zu beobachten: Bis um 1850 beeinflussten Revolutionsängste das Repräsentationsklima. Bereits während der Aufklärung wurde höfischen Ritualen und Zeremonien mit Skepsis begegnet. Fehlende Dynamik und Authentizität sorgten für ihre Ablehnung und schließlich für ihre Abschaffung; ein Procedere, das während der Französischen Revolution seinen Höhepunkt fand.52 Ähnliches Vorgehen war an nahezu allen europäischen Höfen zu beobachten. Die „Entmystifizierung des alten Regimes“ erwies sich aber als problematisch.53 Zeremonien und Rituale als wichtige politische Instrumente, um Akzeptanz für politische Handlungen zu gewinnen, trugen „[z]ur Konkretisierung des im Mythos enthaltenen umfassenden Sinnzusammenhanges“ bei.54 Demzu­folge erfanden politische Akteure in Frankreich nach 1789 Traditionen, Feiertage und Feste. Dabei waren an das Nationalgefühl appellierende und auf die Landesgeschichte rekurrierende Thematiken besonders ergiebig.55 50 Etienne François, Hannes Siegrist u. Jakob Vogel: Die Nation. Vorstellungen, Inszenierungen, ­Emotionen, in: id. (Hg.): Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich 19. und 20. Jahrhundert, ­Göttingen 1995, S. 13–35, S. 23. 51 Matthias Schwengelbeck: Monarchische Herrschaftsrepräsentationen zwischen Konsens und Konflikt: Zum Wandel des Huldigungs- und Inthronisationszeremoniells im 19. Jahrhundert, in: Andres/Geisthövel/­ Schwengelbeck (Hg.) 2005, S. 123–162, S. 123. 52 Vgl. Peter Burke: Historiker, Anthropologen und Symbole, in: Rebekka Habermas u. Niels Minkmar (Hg.): Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur Historischen Anthropologie, Berlin 1992, S. 21– 41, S. 32. Während der Restaurationszeit hatten die Bourbonen Rituale und Symbole wiederbelebt. „Die Uhr des Zeremoniells wurde zurückgestellt. Dasselbe galt für Mythos und Symbol.“ Burke 1992, S. 36. Die Julimonarchie unter König Louis-Philippe nahm erneut Abstand vom Pomp. Zu antihöfischer Kritik durch Miss- und „Verachtung höfischer Etikette“ vgl. Peter Johanek: Spätes Nachleben oder neue Kraft? Hof, Bürgertum und Stadt im langen 19. Jahrhundert, in: Hirschbiegel/Paravicini/Wettlaufer 2012, S. 287–312, S. 292 ff. 53 Burke 1992, S. 35. 54 Voigt 1989, S. 11. 55 Als einen wesentlichen Punkt höfischer Legitimationsstrategien macht Kroll den Aufstieg der ­Monarchen zu „kollektive[n] Nationalsymbole[n]“ aus, id. 2007, S. 353. Deshalb feierte König Louis-­Philippe in ­öffentlichem Rahmen die Zurückholung von Napoléon-Bonapartes Leichnam, der mittlerweile zu

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Nach den Revolutionen und Krisen um 1848/49 war für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa eine andere Art des Umgangs mit Zeremoniell und Ritual in der Öffentlichkeit zu erkennen.56 Schien die Verbindung von Pomp und Politik am Ende des Ancien Régime nahezu gelöst, so wurde sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu den Hauptmitteln politischer Inszenierung.57 Maßgeblich verantwortlich für solche Entwicklung waren neue Möglichkeiten der massenmedialen Berichterstattung. Diesen Ausführungen folgend erhält die einleitend vorgestellte Monarchenbegeg­nung ­ lbert noch in Paris politisch exemplarische Bedeutung. Weigerten sich Victoria und A in den 1840er Jahren die Hauptstadt Paris zu betreten und eine populäre Monarchen­ begegnung mit König Louis-Philippe zu feiern, verhalfen sie Napoléon III. 1855 mit ihrem Besuch zu einem triumphalen Fest anlässlich der Weltausstellung.58 Für Frankreich war das vor einer breiten Öffentlichkeit zur Schau gestellte Wohlwollen des britischen Herrscherpaares wichtig, um seine Stellung als rechtmäßige europäische Monarchie zu markieren. Der einleitend vorgestellte Stich in der Illustrated London News präsentiert lehrbuchartig typische Mechanismen und Prozesse von Herrschaftsanerkennung auf verschiedenen Rezeptionsebenen im 19. Jahrhundert. Alle Programmpunkte der Monarchenbegegnung mit Königin Victoria und Prinz Albert hatten die Beteiligung der « grande ­masse » und der Vertreter der Massenmedien zum Ziel.59 Auf dem Stich nehmen Victoria und Napoléon III. ein „Bad in der Menge“ mit dem Vorsatz, „die Begegnung von Volk und Regierung symbolisch [zu verdichten]“.60 Die Berührung mit dem Volk findet hier nicht körperlich statt, sondern über codifizierte Kleidung, die soziale Gleichheit suggeriert. Die Monarchen offenbarten in diesem Fall einen sehr modernen Umgang mit politischen Marketinginstrumenten, die Begegnung mit der Volksmasse wurde für Politiker erst ab den 1880er Jahren zum Typicum.61 Der im Stich evozierte Betrachterstandpunkt

e­ inem gefeierten nationalen Helden aufgestiegen war, unterlies aber pompöse, auf die eigene Person bezogene Auftritte. Kern solcher Öffentlichkeitsarbeit war sogenannte „Erinnerungspolitik“, Ziel die Legitimation seiner Herrschaft durch „Vergegenwärtigung [und Instrumentalisierung] der Vergangenheit“. Paulmann 2000, S. 309 f. 56 Vgl. Kroll 2007, S. 353. 57 Vgl. Paulmann 2000, S. 398. 58 Louis-Philippes plante erfolglos eine Monarchenbegegnung zwischen ihm und Queen Victoria im Jahr 1844 in Paris. Es kam nur zu informellen Treffen außerhalb von Paris. Paulmann 2000, S. 261. 59 Ibid. 60 „Ein zentrales Spannungsmoment des Rituals ist die vermeintlich ungeschützte Begegnung eines prominenten Funktionsträgers mit einer größeren Menschenansammlung und das entsprechende Oszillieren zwischen Staatsakt und Volkstümlichkeit, Nähe und Distanz.“ HPI, s. v. „Bad in der Menge“ (Matthias Bruhn), S. 112. 61 Für eine Analyse von William Ewart Gladstones Inszenierungen als modernem Politiker vor der begeisterten Volksmasse vgl. Detlev Mares: Die visuelle Inszenierung des modernen Politikers William

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II.  Die Regalienporträts

ermöglichte dem Zeitungsleser sich der Masse zugehörig zu fühlen. Rückenfiguren und die Individualisierung des Publikums durch dem Betrachter zugewandte Gesichter vereinfachten diesen Prozess. Der dokumentarische Charakter des Zeitungsbildes sollte die Authentizität der ­Szene garantieren. Die London Illustrated London News warb explizit für die visuell dominierende Berichterstattung ihrer Zeitung, der Fokus auf Bilder böte einen Wahrheitsgehalt, der die „Grundlage für die soziale und politische Urteilsbildung verantwortungsvoller Bürger“ liefern sollte.62 Doch Queen Victoria verweilte mit Sicherheit nicht zufällig besonders lange vor Winterhalters drei Gemälden, sondern um das Augenmerk gezielt auf den gemeinsamen Hofkünstler und die Bedeutung seiner Herrscherporträts zu lenken.63 Dass ihre Strategie aufging und dieser Moment zum Aufhänger der minutiösen Berichterstattung über die populäre Monarchenbegegnung wurde, offenbart ihre Kompetenz in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. In dem zum Stich gehörenden Artikel hieß es: “Winter­ halter’s court group – of which the Empress Eugenie is the central figure, and the most beautiful woman, seemed to wear new charm after the Queen had sat for a few minutes bevor it.”64 Wie stark inszeniert und zielgruppenorientiert vorbereitet der gesamte Auftritt war, verrät auch die Tatsache, dass während des monarchischen Besuchs der Weltausstellung nur Bürger mit teurer Dauerkarte eingelassen worden waren.65 Das höfische Porträtprogramm innerhalb des Zeitungsbildes erweiterte e­ tablierte Interaktions- und Medienebenen. Die Herrscher selbst blickten ihre Porträts an und

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Gladstone, in: Ute Schneider u. Lutz Raphael (Hg.): Dimensionen der Moderne: Festschrift für Christof Dipper, Frankfurt am Main 2008, S. 309–330. Mares 2008, S. 311. Die Illustrated London News gehörte zu den kostspieligeren Zeitungen, deren Publikum sich aus wirtschaftlich erfolgreichen Bevölkerungsschichten zusammensetzte. Das im restlichen Raum anzuschauende Bildnisprogramm sollte auf das Publikum offenbar lehrhaft einwirken. Neben mehreren Porträts in den unteren Reihen wurden hauptsächlich Messias-, Verkündigungs- oder Segnungsszenen gezeigt, auch klassische Herrschertugenden sind im Bild über Eugénies Gruppenporträt präsentiert. The Illustrated London News, Nr. 759, 01.09.1855, S. 258, Abb. S. 253. Aus diversen Berichten und Zeitungsartikeln war zu erfahren, dass beide Staatsoberhäupter einen fröhlichen Eindruck machten, dass Prince Albert wie ein “business-man” die Ausstellungsräume durchschritt und sich besonders die Hallen der Technik und Industrie ansah, wohingegen seine Frau vor ­allem die Künste und das Kunsthandwerk bewunderte und als großzügige Konsumentin auffiel. Damit spiegelte ihr Verhalten während des Rundgangs geradezu idealtypisch in ganz Europa vorherrschende bürgerliche, geschlechtsspezifische Ideale. Offenbar war das Verhalten der beiden ebenso bewusst wie das gesamte Besuchsprogramm inszeniert und sollte die Monarchie gezielt in der bürgerlich-industriellen Welt verankern. Vgl. Johannes Paulmann: „Napoleon hat sich im Grabe umdrehen müssen…“. Vergegenwärtigung von Vergangenheit und Geschlechterkonstruktion in der performativen Politik der monarchischen Nationalstaaten, in: Jürgen Martschukat u. Steffen Patzold (Hg.): Geschichtswissenschaft und „performative turn“: Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Köln 2003, S. 185–206, S. 200 u. S. 204 f.

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waren damit ihrem Volk Vorbild, dessen bewundernder Blick auf die Herrscherporträts wiederum die Grundlage monarchischer Legitimation bildete.66 Der Stich bricht auf mehreren Ebenen mit herkömmlicher Herrscherrepräsentation. Auf ist-zeitlicher Ebene der Darstellung steht Napoléon III. in Zivilkleidung auf gleicher Stufe mit seinen Untertanen. Die Repräsentationsebene innerhalb der Darstellung hingegen stellte den Kaiser in überzeitlichen Rahmen; sein Regalienporträt illustrierte eine fiktive Kaiserkrönung, rief einen Herrschermythos auf und schaffte Distanz zu seinem Volk. Das Tugendporträt der Herrscherin schließlich appellierte an ein allgemeingültiges zeitgenössisches Frauenideal des Second Empire und erleichterte den direkten Vergleich von Dargestellter und Betrachterin.67 Der britische Hof konnte mit seinem offiziellen Besuch für die Institution Monarchie werben und internationale Beziehungen fördern. Solche Begegnung musste Frieden nicht nur voraussetzen, sondern konnte diesen gezielt herbeiführen und stabilisieren. Die Monarchenbegegnung in Paris erwies sich als voller Erfolg.68 Verantwortlich dafür war die professionelle und medienwirksame Durchführung des Zeremoniells; die ­höfischen Protagonisten meisterten den Balanceakt, ihre Positionen zwischen Mythos und Menschsein authentisch zu platzieren. * Regalienporträts rekurrieren in erster Linie auf die außergewöhnliche, göttlich legitimierte und im Ritual ansichtige politische Machtposition des Monarchen. Sie schematisieren das Bild von Herrschertum schlechthin. Solchen Porträttypus mit seinem seit Jahrhunderten grundlegenden Vokabular höfischer Kommunikationsstrukturen zu nutzen, war ein Schachzug, der die Position des Monarchen im politischen Gefüge des 19. Jahrhunderts weiterhin fest verankern helfen sollte. Der königliche Körper bot aufgrund seiner göttlich legitimierten Historie noch immer eine besonders glaubhafte Projektionsfläche für Herrschermythos und Personenkult.69 Walter Bagehots Aufteilung der englischen Regierenden in “dignified” und “efficient parts” setzt genau hier an; für ihn allerdings hatte die Krone ihre politische Machthabe zugunsten einer sie ebenfalls legitimierenden symbolischen Aufgabe überwunden.70 66 Vgl. Paulmann 2000, S. 321. 67 Zur Funktion des mittig gehängten Modegruppenporträts sei auf Kap. III. 2., zum Porträt des Kaisers auf Kap. II. 4. verwiesen. 68 Paulmann 2000, S. 307 f. Auch Prinz Albert verbuchte den Besuch in Paris von 1855 als diplomatisch in vollem Umfang gelungen. 69 „Jede politische Macht, also auch die Demokratie, benötigt und produziert ihre eigene politische Mythologie. […] Jede Form der politischen Herrschaft steht im Kontext einer symbolischen Ordnung, die sie legitimiert.“ Manow 2008, S. 13. 70 Bagehot 1974, S. 206. Wie erwähnt, war Walter Bagehot Herausgeber des Economist, seine vielfach zitierten Texte sind keinesfalls verfassungsrechtlich geprüfte, sondern Niederschriften eines politisch interessierten Royalisten, der sich an ein politisch interessiertes und gebildetes Publikum richtete.

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Höfische Rituale und Zeremonien waren seit Jahrhunderten wesentliche Pfeiler innerhalb der Stabilisierungs- und Legitimationsstrategien der Institution Monarchie. Die kollektive Teilnahme des Volkes an diesen war als Zustimmung zur bestehenden politischen Ordnung zu werten. Dieser Mechanismus der Herrschaftsanerkennung lässt sich auf den Prozess der Bildbetrachtung übertragen und ist in Bezug auf Regalienporträts besonders informativ, da jene Macht und Herrschaft besonders prägnant thematisieren und nicht verschleiern. Dass das Volk scharenweise auch vor Winterhalters höfischen Regalienporträts verweilte, bedeutete eine verbindliche Anerkennung der Macht­posi­tion der Dargestellten und der von ihnen verkörperten Institution. Innerhalb der Winterhalterschen Bildnisprogramme machen die Regalienporträts den kleinsten Teil aus. Gleichwohl wurden sie nicht am seltensten in der Öffentlichkeit präsentiert oder für jene reproduziert. In den folgenden Kapiteln ist zu untersuchen, ob sie in Wettbewerb zu den Tugend- und Modeporträts traten, oder ob sie vielmehr die Grundlage für jedes Repräsentationsprogramm lieferten. Es wird ebenso zu prüfen sein, inwiefern Winterhalters Regalienporträts bloße Kopien tradierter Bildschemata sind und Formeln perpetuieren, oder ob RegentInnen und Künstler innovative Lösungsansätze boten.

2. Monumentalisierung der Monarchin: die Regalienporträts von Königin Victoria Die Krönung von Queen Victoria im Jahr 1838 war der Auftakt zu einem umfassenden Image-Erneuerungsprogramm der britischen Monarchie. Die Whig-Regierung organisierte einen großen Freudentag mit dem Plan, die Öffentlichkeit teilnehmen zu lassen.71 Mehrere Tage lang glich ganz London einem Volksfest. In seinem amüsanten Reisebericht stellt der Amerikaner Peter Parley bei seiner Ankunft in der britischen Hauptstadt fest: “Nothing was talked of but the Coronation.”72 Zahlreiche Texte und Bilder dokumentieren das für das Bestehenbleiben der Institution Monarchie so wichtige Ereignis, der kirchliche Krönungsakt konnte nicht nur die Massen emotionalisieren, gleichzeitig lieferte er die Grundlage legitimer Amtsausübung. Im Jahr nach der Krönung fertigte John Martin (1789–1854) ein Ölgemälde des zeremoniellen Aktes an (Taf. 22). Das 2,40 m × 1,85 m messende Hochformat präsentiert die eindrucksvolle Höhe des Westminster Abbey, durch dessen bunte Kirchenfenster warmes Sonnenlicht bricht. Massen anlassgerecht gekleideter Frauen und Männer 71 Die Torys und die Chartristen kritisierten die Planung und Vorbereitungen der Whig-Regierung für die Krönungszeremonie. Vgl. Plunkett 2003, S. 22. 72 Peter Parley [Samuel Griswold Goodrich]: Peter Parley’s visit to London, during the coronation of Queen Victoria, London 1838, S. 5.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

­ licken gemeinsam mit der Betrachterin auf die zentrale Szene, in deren Mitte ­Königin b ­Victoria – so lässt zumindest die von Raumgestaltung, Farbgebung und Lichtspiel evozierte ehrwürdige Atmosphäre erwarten – die Krone empfängt. Stattdessen sieht die Betrachterin eine erschrocken aufspringende Königin, welche, anstatt seine Ehrung zu empfangen, dem die gerade erklommenen Stufen wieder heruntergefallenen Lord Rush aufhelfen möchte. Der 82-jährige liegt am Boden, seine vom Kopf gefallene coronet ist, wie ausgedient, auf die vorletzte Stufe gerollt – ein drastisches politisches Statement des Künstlers angesichts dessen, dass gerade eine Krönung vollzogen wird. Die als Zeugen anwesende Aristokratie blickt tuschelnd auf die Bühne, jene feierliche Atmosphäre gerät ins Wanken. Tatsächlich berichteten zahlreiche Augenzeugen, sowie die Königin selbst, von diversen Zwischenfällen während der fünf Stunden dauernden Krönungszeremonie, die einer unprofessionellen Vorbereitung geschuldet waren.73 Es hatte keine Probe gegeben, sodass die Protagonisten sich nur mithilfe des vorab gedruckten Krönungsordos hatten vorbereiten können.74 Neben dem Sturz von Lord Rush, zeugten weitere Missgeschicke von jener unfreiwilligen Komik, die der Krönung angehaftet haben muss: Die Chöre disharmonierten, im Gottesdienstes wurden Textstellen nicht gefunden und während der Investiture per Annulum & Baculum verwechselte der Erzbischof den Finger, obgleich das Krönungsordo detailliert vorgab, den Ring “on the Fourth Finger of Her Majesty’s Right Hand” zu stecken.75 Die Königin erinnert sich an diesen schmerzhaften Vorfall ausführlich in ihrem Tagebuch.76 Und als der Schatzmeister des Hofes nach der Krönung wie geplant Gold- und Silbermedaillen als Zeichen der Großzügigkeit und Dankbarkeit der Herrscherin in die zuschauende Menschenmenge warf, drohte die Ehrwürdigkeit des Zeremoniells endgültig verloren zu gehen: Die Umstehenden stürzten sich drängelnd auf die Andenken.77 Der Reisende Peter Parley “was highly amused at the scene which was enacted behind the throne […] Peers, Peeresses, Aldermen, and Military officers engaging warmly in the scramble and eagerly clutching at the coveted memorials.”78

73 David Cannadine (id.: Die Erfindung der britischen Monarchie 1820–1994, Berlin 1994) behauptet S. 23 ff., dass die Briten erst ab 1870 zu Meistern des Zeremoniells wurden. 74 The Form and Order of the Service that is to be performed, and of the Ceremonies that are to be observed, in the Coronation of Her Majesty Queen Victoria, in the Abbey Church of St. Peter, Westminster, on Thursday, the 28th of June 1838 (Form and Order 1838). 75 Form and Order 1838, S. 37. 76 “The Archbishop had (most awkwardly) put the ring on the wrong finger, and the consequence was that I had the greatest difficulty to take it off again, – which I at last did with great pain.” Victoria’s Journals, Bd. 6, S. 92 (28.06.1838); vgl. Cannadine 1994, S. 20. Peter Parleys Meinung lautete: “At the conclusion of this chaunt, which, though not the most harmonious, […].” Parley 1838, S. 69. 77 “The Treasurer of the Household throws among the People Medalls of Gold and Silver as the Queen’s Princely Largess or Donative.” Form and Order 1838, S. 47. 78 Parley 1838, S. 89.

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Dennoch urteilte Parley, wie die meisten Berichterstatter, positiv über den Verlauf des Krönungstages. Enormer Zustrom und große Begeisterung von Seiten des Volkes sind überliefert. Das Vorhaben, die Monarchie mithilfe der jungen und mädchenhaften Victoria zu rehabilitieren, lief also grundsätzlich gut an.79 Der Professionalitätsgrad, mit dem die Öffentlichkeitsarbeit betrieben wurde, stieg allerdings rapide an, als Prinz ­Albert zunehmend die Verantwortung übernahm.80 Einen gewissen Dilettantismus verraten auch die frühen höfischen Bildnisaufträge, von denen viele sowohl bei der Königin, als auch in der Presse durchfielen.81 Erst Winter­ halter blieb als Porträtist von seinem ersten Aufenthalt an für Victoria und Albert unersetzbar. In seinem zweiten Jahr, 1843, bekam der Künstler den Auftrag ein Regalien­ porträt anzufertigen. Wie im vorangegangenen Kapitel dargelegt, bezeugt ein solches Bildnis performative Akte wie den des Krönungszeremoniells. Hatte die Aufführung des Rituals 1838 Schwächen offenbart, konnte ein statisches Bild die Botschaft des legitimen Machtbesitzes makellos konservieren. Im Mittelpunkt des folgenden Kapitels stehen Winterhalters Regalienporträts von Queen Victoria. Der Künstler konzipierte zwei sehr unterschiedliche Versionen, zwischen denen sechzehn Jahre liegen, und die als Meilensteine in Victorias Ikonografie zu bezeichnen sind. Besonderes Augenmerk wird den Fragen gewidmet, inwiefern die Porträts das Krönungszeremoniell dokumentieren, welche politischen, sozialen und geschlechteridealen Phänomene der Zeit die Porträtkonzeption beeinflussten, und ob Winter­halters Lösungsansätze mit dem politischen Einfluss der Königin auf die Regierungsgeschäfte korrespondierten. Winterhalters Regalienporträt von 1843 Das Regalienporträt der Königin wurde für den Thronraum im Windsor Castle konzipiert, in dem es seit seiner Anfertigung hängt, eingefasst in einen vergoldeten Trophäenrahmen. Vor einer voluminösen purpurroten Draperie steht die Königin in der traditionellen Tracht des Hosenbandordens dem Betrachter gegenüber (Taf. 23). Sie blickt 79 Angesichts dessen ist David Cannadines These fragwürdig, die britische Monarchie habe vor den 1870er Jahren „fast durchweg Gleichgültigkeit und Ablehnung“ von Seiten des Volkes erfahren, da sie erst spät begonnen habe, Zeremonien professionell und massenmedienwirksam zu gestalten oder gar zu erfinden. Cannadine 1994, S. 13. Auch seine These, dass bis 1877 „die königliche Familie so unpopulär und das höfische Zeremoniell so wenig attraktiv [war], daß eine kommerzielle Verwertung in größerem Umfang als nicht lohnend erschien“, steht im Gegensatz zu den Erkenntnissen der vorliegenden Arbeit sowie auch den Ergebnissen Funnells in Bezug auf die kommerzielle Verbreitung königlicher Porträts in Stichen und Drucken. Vgl. hierzu auch Funnell 2011 u. Paulmann 2003. 80 Vgl. Urbach 2011, S. 80 ff. 81 Für eine Zusammenfassung des in der Forschungslandschaft viel zitierten humoristischen Artikels des Bentley’s Miscellany über die Porträts der Königin aus dem Jahr 1838 vgl. Svetlik 1997, S. 45; vgl. zu den frühen Bildnisaufträgen und Verfehlungen auch Reisberg 2009, S. 31 ff.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

jenen direkt an, ihre Körpergröße von nur 1,52 m ist geschickt kaschiert. Auf dem Haupt der Herrscherin ruht das Diamond Diadem; rechts hinter ihr weist ein von aufwendigem Handwerk zeugender vergoldeter, mit rotem Samt bezogener Thronsessel auf ihre Machtposition. Beide Arme einsetzend präsentiert sie die auf samtenem Insignien­kissen gebettete Imperial State Crown und das ihr während der Krönung übergebene Zepter. Ihr in Richtung Betrachter eingedrehter rechter Arm macht den von Frauen traditionell am Oberarm getragenen Hosenbandorden sichtbar. Victoria war als Königin gleich­zeitig Oberhaupt dieses ältesten und höchsten Ordens Englands und eines der be­deutendsten ­ uasten, in Europa.82 Über einer weißen Galarobe liegt, gehalten von goldener Kordel mit Q die Ordenskulane des Hosenbandordens. Hinter der linken Schulter wurde das Symbol des Ordens in den Mantel gestickt, auf das Ordensband das Motto « Honi soit qui mal y pense ».83 Über dem Kleid ist die rote Samtschärpe drapiert, den dunkelblauen, mit heller Seide ausgekleideten Samtmantel schmückt die goldene Ordenskette mit dem Anhänger des heiligen Georgs zu Pferde. Die unbewegten Gesichtszüge der Königin sind leicht idealisiert wiedergegeben, ihr Konterfei ist klar zu identifizieren. Charakteristisch für Queen Victoria waren ­große ­etwas hervorstehende Augen, volle Wangen und dominante Vorderzähne, welche in Winter­ halters Bildnis hinter leicht geöffneten Lippen angedeutet werden.84 Die glänzenden dunkel­braunen Haare sind zu jenen zwei geflochtenen Schlaufen um die Ohren gelegt, welche die Königin seinerzeit meistens in der Öffentlichkeit trug und die dem aktuellen Frisurentrend entsprachen. Auch ihr Kleid passt sich mit parallel aufgesetzter golddurchwirkter Spitze und freier Schulterpartie aktueller Mode an. Winterhalters Regalienporträt ist kein reines Abbild des Krönungszeremoniells, es weist lediglich mit einigen Komponenten auf das Ritual hin. Krönungsgewandung und Ordenstracht werden in diesem Porträt verwoben. Das Kleid gleicht jenem, welches sie während der Krönung getragen hatte, zu ihrer Ordenstracht gehörte eigentlich ein schlichteres weißes. Die Krone ersetzt den weiß ­befederten

82 Erst im Jahre 1987 änderte Queen Elizabeth II. die Statuten dahingehend, dass Frauen als vollwertige Mitglieder zugelassen werden konnten. Bis dahin war ihre Mitgliedschaft eine Besonderheit und in der Regel Königinnen und weiblichen consorts vorbehalten. Vgl. Raymond B. Waddington: Elizabeth I and the Order of the Garter, in: The Sixteenth Century Journal, Bd. 24, 1/1993, S. 97–113, S. 97. 83 Die männlichen Mitglieder trugen das Ordensband unter dem linken Knie. 84 Ein offizielles Porträt, in dem eine Königin Zähne zeigt, war seinerzeit unüblich. Colin Jones behauptet in The Smile Revolution gar, dass seinerzeit Victoria nur im “intimate portrait” ihre Zähne hat zeigen können, vgl. Kap. I. 7. Hingegen: “Empress Eugénie kept her mouth as firmly shut in public as did Queen Victoria.”, vgl. Jones 2014, S. 178. Das Regalienbildnis von 1843 bezeugt das Gegenteil. Hier fungiert das Präsentieren sozusagen echter uninszenierter Physiognomie trotz des Verstoßes gegen das gängige Schönheitsideal als Authentizitätsbeweis.

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II.  Die Regalienporträts

Ordenshut. Der purpurfarbene Krönungsmantel ist der Ordenskulane ­gewichen.85 Winter­ halters differenzierte Oberflächenbearbeitung der verschiedenen Stoffe – glänzendes Haar, schimmernde Seide, rauer Samt, aus Fäden kunstvoll gearbeitete Quasten und Kordelbänder – ermöglichen der Betrachterin, sich das Bild und damit die Dargestellte und ­ihren Status über haptische Sinne anzueignen. Victoria steht auf nicht genau definiertem Terrain zwischen Innen- und Außenraum. Das Rot des Vorhangs dehnt sich vier Kopflängen über ihr aus. Zwei goldene Quasten verweisen auf das traditionelle Motiv von der Enthüllung der Königin im Sinne einer göttlichen Erscheinung. Die Raffung des Stoffes erlaubt die Sicht auf ein sandsteinernes sonnenbeschienenes Gebäude im Hintergrund, den damaligen Wohn- und Regierungssitz Queen Victorias, den Buckingham Palace. Der Gebäudeausschnitt lässt eine genauere Verortung zu: Ein Blick auf die süd-östliche Ecke ist dem Betrachter gewährt, so, als schaue er aus dem green drawing room, der an den Thronraum angeschlossen ist.86 Die Farbgestaltung lässt zwei Welten aufeinandertreffen: Victoria ist umgeben von warmen Rottönen, welche ein diffuses Lichtspiel bewirken und derart eine ähnliche rituelle Atmosphäre forcieren, wie es John Martin im einleitend erwähntem Krönungsbild mithilfe des durch die Kirchenfenster brechenden Lichtes modellierte. Angeleuchtet wird die Herrscherin hingegen von kühlem weißlichen Licht, sodass ihre Silhouette sich klar konturiert vom roten Raum abhebt. Das die Königin anstrahlende Schlaglicht lässt diese wach und aktiv, geradezu kommunikationsbereit wirken. Diese Kommunikationsbereitschaft wird kompositorisch forciert: Bildnerische Grundordnung gewährleistet die auf der Mittelsenkrechten positionierte Dreiecksfigur; Thronsessel und Säulen gewinnen durch ihre strenge Vertikalität stabilisierende Wirkung. Diese Stabilität erlaubt dem Künstler ein leichtes kompositorisches Ungleichgewicht in Richtung links zu erzeugen, durch die Wiederholung von einigen schrägen Kompositionslinien wie der des Zepters, der Faltenwürfe des Tischtuchsaums und des die Stufe herunterwallenden Ordensmantels. Victorias unnatürlich gedrehte Armhaltung trägt ebenfalls zu diesem Eindruck bei. Ziel dieser leichten Kippung nach links ist eine Ansprache des Betrachters. Diesem läuft eine schräge Stufe mit in den Betrachter­ raum hineinwallendem Mantelsaum entgegen. Durch diese kompositorischen Kniffe wird die Stufe als fallende wahrgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Königin eine grundsätzliche Bereitschaft des Entgegenkommens zeigt.87 Ihr direkter Blick und auch

85 Vgl. zu den Orden auch Peter Berghaus: Herrschaftszeichen und Orden, in: Porträt 1. Der Herrscher. Graphische Bildnisse des 16.–19. Jahrhunderts aus dem Porträtarchiv Diepenbroick, hg v. id. et al., Ausstellungskatalog, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster, Münster 1977, S. 225–228 (Kat. Der Herrscher 1977), S. 227. 86 Vgl. RCIN 404388; vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 287. 87 Reisberg macht ebenfalls auf eine Kommunikationsbreitschaft aufmerksam, begründet diese aber lediglich mit ihren geöffneten Lippen, vgl. id. 2016, S. 105

2.  Monumentalisierung der Monarchin

die unter dem Kleidersaum hervorblitzende, auf den Betrachter weisende Schuhspitze signalisieren eine ähnliche Kommunikationswilligkeit und verringern traditionelle Distanz zum Betrachter. Die von Victoria getragenen Insignien, Orden und ihr Schmuck sind von Winter­ halter ausgesprochen feinmalerisch und akkurat ausgearbeitet. Ihnen gebührt damit besondere Aussagekraft hinsichtlich der zentralen Bildbotschaft. Victoria trägt das sogenannte Diamond Diadem, auch George IV State Diadem genannt, auf dem Insignien­ kissen liegt die State Imperial Crown. Beide Kronen wurden während ihrer Krönungs­ zeremonie genutzt. Zwei Kronen in einem Regalienporträt zu malen, war in der britischen Herrscherporträtgeschichte nicht üblich, allerdings entsprach solche Häufung der zeremoniellen Praxis.88 Das zierliche Diamond Diadem wurde 1820 anlässlich der Krönung Georges IV. angefertigt, der es indes nie getragen hatte. Mit Victoria avancierte es zu einem weib­ lichen Kroninsigne, das seither sowohl die regierenden Königinnen, als auch die Queens Consort trugen. Dieses Diadem erlangte einen besonderen Status innerhalb der Ikonografie Victorias und krönte sie auf Siegeln, Münzen und Geldscheinen. Vier Pflanzenbouquets besetzen den Kronenbogen, bestehend aus einer Rose, einer Distel und einem Kleeblatt, welche den Zusammenschluss von England, Schottland und Irland unter einer Krone symbolisieren. Das heraldische Motiv der drei verbundenen Blumen ist an zahlreichen symbolträchtigen Orten und Schriften zu finden. Die floralen Ornamente sind abwechselnd aufgesetzt mit dem cross pattée, das jede Krone Englands schmückt. Das ­Diadem transportiert somit eine starke politische Botschaft: Es würdigt die Bedeutung der einzelnen Länder und ihre individuellen Facetten deutlicher als die Fleur-delys.89 Das Design des Diadems nimmt damit den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ansteigenden Trend, Nationalbewusstsein und Patriotismus großen Raum zu geben, vorweg. Trotzdem wird die symbolische Blumensprache innerhalb des gesamten Porträts von der Rose Englands dominiert. Eine doppelgliedrige, goldene, diamantbesetzte Halskette und Ohrringe, in die große stilisierte Blumenblüten nach Art der TudorRose eingearbeitet sind, ergänzen Victorias Insignien- und Schmuck-Ensemble. Selbst im ­Teppich ist die Blume sich rhythmisch wiederholend eingewebt. Die auf dem Kissen liegende Imperial State Crown zählt seit dem 15. Jahrhundert zu den britischen Kronjuwelen. Seither existierten von ihr mindestens zehn Versionen. Die heutige basiert auf derjenigen, die 1838 von Rundell, Bridge & Rundell für Queen

88 13 Kronen sind allein im Tower of London aufbewahrt, es gibt kein unumstößliches zeremonielles Regel­werk. Queen Elizabeth II. trägt sowohl das Diamond Diadem als auch die Imperial State Crown zur Parlamentseröffnung. 89 Reisberg interpretiert die Existenz von Disteln und Kleeblättern anders: Für ihn sind sie im Bildnis “to symbolise her [Victoria] authority over the British Isles.” Reisberg 2016, S. 100.

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II.  Die Regalienporträts

­ ictoria angefertigt wurde.90 Je eine von vier Fleurs-de-lys folgt auf je eines von vier V ­crosses patée. Große und berühmte Diamanten schmücken die Krone, unter anderem der seiner­zeit zweitgrößte Diamant der Welt, der Cullinan II. Gefüttert ist sie mit purpur­ farbenem von einer Hermelinborte gesäumtem Samt. Die Imperial State Crown wurde vom König traditionell während des Auszugs aus der Westminster Abbey getragen, während für den Akt der Krönung eigentlich eine dritte Krone, die St. Edwards Crown, verwendet wurde. Die Krönung Victorias erfolgte indessen aufgrund ihres geringeren Gewichtes mit der Imperial State Crown.91 Diese Krone wurde von Victoria fortan jährlich zur Parlamentseröffnung getragen.92 Damit symbolisiert die Imperial State Crown den vor Gott vollzogenen Akt der Krönung und die Legitimation seiner Herrschaftsausübung schlechthin. Zu Recht liegt sie an exponierter Stelle im Regalienbildnis von Winterhalter. Die Ordenstracht sendet noch eine ergänzende Botschaft: Queen Victoria legte ­ihren Krönungseid ab auf: “to govern the people […] according to the Statutes in Parliament agreed on, and the respective Laws and Customs of the same.”93 Im Regalienbildnis fehlt ein Verweis auf das Parlament, anders als beispielsweise im Bildnis ­König Louis-­Philippes. Es mag an der Struktur von Oberhaus und Unterhaus gelegen haben, ­welche den weitreichenden politischen Einfluss der Aristokratie offenbarte, dass die Präsentation eines allgemeingültigen ehrenhaften Tugendkanons, der die Handlungen der ­Monarchin leiten sollte, authentischeres Identifikationspotential hergab. Der Hosenbandorden ist ein alter Ritterorden. Rittertugenden basieren auf den Kardinaltugenden und fordern ideale Eigenschaften wie Klugheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit und Mäßigung. Damit sind gleichzeitig traditionelle Herrschertugenden benannt.94 Solcher Tugendkatalog war im Gedächtnis des britischen Volkes durch Sagen, wie die der Ritter der Tafelrunde, seit Jahrhunderten fest verankert. Orden konnten das Volk an die Krone binden und Nationalbewusstsein fördern. Unter Queen Victoria entstanden der Royal Victorian Order, der Order of the Star of I­ndia und das Victoria Cross. Die Monarchin avancierte zu einer von ihren Soldaten gefeier­ ten Patriotin, denen sie die Orden persönlich in feierlichem Rahmen verlieh.95 Dass 90 Vgl. RCIN 31701. 91 Wie unprofessionell die Krönung vorbereitet worden war, beweist auch der Text des Krönungsordos. Offenbar wurde der Teil The Putting on of the Crown einfach aus einem älteren Text kopiert, da in diesem als Krönungskrone „K. Edward’s crown“ steht. Form and Order 1838, S. 39. Da Victoria auf allen Bildern mit der Imperial State Crown abgebildet ist, muss das ein Fehler sein. 92 Königin Victoria ist auf Stichen und Fotografien ab 1870 auch mit der sogenannten Queen Victoria’s Small Diamond Crown zu sehen. 93 Form and Order 1838, S. 27. 94 „Seit der Antike forderte man vom König, weise, milde, tapfer und gerecht zu sein. Für den mittelalterlichen christlichen König ergaben sich Eigenschaften aus der Frömmigkeit.“ Wienfort 1993, S. 25. 95 Vgl. Urbach 2015, S. 114. Victoria übergab den rückkehrenden Helden aus dem Krimkrieg persönlich die Medaillen.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

das R ­ egalienbildnis von 1843 in solche Richtung zielte, signalisiert überdies seine Farbgebung: Das traditionelle königliche Rot komponiert gemeinsam mit den Ordensfarben Dunkelblau und Weiß die britische Flagge. Unter Victoria erhielt das Wappen des Ver­einigten Königreichs ein neues Design, das blaue Band des Hosenbandordens umschließt es. Ein Zurschaustellen monarchischen Pomps hatte „zwischen 1815 und 1848 keine Konjunktur.“96 Das revolutionäre Klima in ganz Europa, die Julirevolution und die Aufstände des Vormärz hielten die meisten Monarchen von pompösen Auftritten ab.97 Wohl deshalb nutzte Winterhalter einen althergebrachten zeitlosen Porträttypus für Queen Victoria, traditionell im Hosenbandorden hatten sich nahezu alle Herrscher auch vor ihr abbilden lassen. Mit der subtilen Überblendung höfischen Pomps durch ritterliche Tugenden, welche immer Konjunktur hatten, trafen Winterhalter und das britische Königspaar den Zeitgeist. Queen Victoria war von dem Ergebnis sehr angetan.98 Das Bildnis wurde oft kopiert und verbreitete das Image eines seriösen Staatsoberhauptes, zusammen mit dem Pendantbildnis von Prince Albert.99 Seit 1843 hingen beide im Thronraum des ­Windsor Castle. Lebensgroße Kopien erhielten die großen europäischen Herrscherhäuser und weltweit die britischen Botschaften. Die Porträts wurden außerdem in Miniatur und auf Porzellan vertrieben.100 Winterhalter war daran gelegen, Königin Victoria in eine Reihe mit respektierten Herrschern zu stellen, deren meist gender-spezifisch männlich charakterisierte Kompetenz auf die junge Herrscherin übertragen werden sollte.101 Mit einem politisch relevante Kompetenzen und Machtbefugnisse fokussierenden Porträt, das die Mädchenhaftigkeit der britischen Königin eher verbarg und stärker auf traditionell männlich konnotierte Bildkonzeption konzentriert war, betrat Winterhalter innerhalb der Ikonografie ­Victorias Neuland.

 96 Wienfort konstatiert dies für Deutschland in Bezug auf „[t]raditionelle Herrschertugenden wie Mut, Kühnheit und Tapferkeit“. Id. 1993, S. 178.  97 Zum Beispiel verweigerten Victoria und Albert König Louis-Philippe seinen Wunsch eine große Monarchenbegegnung in Paris zu feiern, vgl. Paulmann 2000, S. 261.  98 Zu ihren Aufzeichnungen der Sitzungen von ihr und Albert vgl. Victoria’s Journals, Bd. 13, z. B. S. 246 (25.06.1843): “I then gave him my last sitting. The likeness is perfect & the picture very fine; only my gown & the background have still to be finished.”  99 Vgl. zu den Regalienporträts von Prinz Albert Kap. II. 3. 100 Kopien erhielten innerhalb Großbritanniens u.  a. der Kensington Palace, außerhalb das Belgische Königs­haus, die Fürstentümer Hohenlohe-Langenburg, Mecklenburg-Strelitz u. Sachsen-Weimar, die britischen Botschaften in Paris u. Lissabon, Regierungsgebäude in Tasmanien, Bermuda u. Madras. Vgl. für eine vollständige Auflistung aller Kopien Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 287 f. 101 Reisberg erwähnt Ähnliches: “Winterhalter endows Victoria with the masculine symbolism of monarchical power.” Reisberg 2016, S. 101.

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II.  Die Regalienporträts

Victorias frühe Regalienbildnisse Um die Bedeutung von Winterhalters Regalienporträt aus dem Jahr 1843 vollends auszuloten, sei ein Blick auf Victorias frühe offizielle Werke geworfen. Bereits 1837, demnach noch vor ihrer Krönung, fertigte Alfred Chalon das erste Regalienbildnis der Königin an (Abb. 37). Victoria steht in märchenhafter Szenerie auf einer stilisierten Terrasse, zwei voluminöse Säulenpostamente und eine gebauschte Draperie rahmen die in schummriges Sonnenlicht getauchte und von Wald umgebene Kulisse. Zur Monarchin führen zwei Stufen, auf denen einzelne Rosen verstreut liegen. Mit großen Augen und geöffnetem Mund schaut sie nahezu überrascht aus dem linken Bildrand hinaus. Obwohl sie das Diamond Diadem und den Krönungsmantel trägt, und trotz des klassischen Bildschemas, weist ihr Auftritt sie nicht als ernst zu nehmende Staatslenkerin aus, sondern enttarnt die Königin als junges Mädchen. Solches unpolitische Image war beabsichtigt; wie bereits erwähnt, sollte ihr Renommee von jenem ihrer verrufenen Vorgänger abgesetzt werden.102 Das kleinformatige Aquarell fand als Stich und auf Geldscheinen Verbreitung.103 Die Königin gab 1838 zwei weitere Regalienporträts in Auftrag. George Hayter konterfeite Victoria im realen Umfeld des Thronraums im Buckingham Palast unter rotem Baldachin (Abb.  38). Die junge Herrscherin sitzt auf ihrem Thronsessel in derjenigen “Dalmatic Robe”, die sie während der Krönung trug.104 Auf dem Haupt die Imperial State Crown, hält sie das lange Zepter spannungsvoll auf ihr Knie gestützt, wobei ihre Körperhaltung erneut jugendliche Unbeholfenheit verrät. Die goldenen und roten Verzierungen der sie umschmeichelnden Krönungsrobe sind besonders schillernd herausgearbeitet. Komposition und Malstil trachten nach ideal-weiblicher Bildwirkung. Wieder schaut die Königin den Betrachter nicht an, sondern blickt nach oben und begegnet damit dem politisch gesinnten Betrachter nicht auf Augenhöhe. Hayters Darstellung verbindet Mädchenhaftigkeit mit Solidität und betont damit diejenigen Eigenschaften, die Victoria von ihren Vorgängern unterscheiden. Seine symbolisch kompakte Inszenierung transportiert glaubhaft das Image einer jungen zuverlässigen Königin.105 Die Regierung ließ das Bildnis vervielfältigen, verschenkte es an viele europäische Höfe und bestellte bis in die frühen 1860er Jahre hinein für britische Botschaften Kopien.106 Einzig Winterhalters Regalienporträt von 1843 wurde noch öfter genutzt. Der seinerzeit in Amerika lebende Künstler Thomas Sully porträtierte die zwanzig Jahre junge Königin ebenfalls im Jahr 1838 (Abb. 39). Er malte die Königin auf dem Weg

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Vgl. Kap. I. 4. Vgl. Schoch 1975, S. 137. Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 104. Hayter hatte ebenfalls den Auftrag für die großformatige Darstellung der Krönung erhalten, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 98 ff. 106 Vgl. ibid., S. 106.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

37  Alfred Edward Chalon: Queen Victoria, 1837, Öl auf Leinwand, 82 × 60 cm, Wien, ­British Embassy

38  George Hayter: Queen Victoria, 1838–40, Öl auf Leinwand, 128 × 103 cm, London, Royal Collection

zu ihrem Thron und komponierte jenen Moment, in dem sie die letzte von drei zum Thron führenden Stufen erreicht und – eine Hand bereits auf der Thronlehne – kurz i­ nne hält, um über die Schulter zurück und dem Betrachter direkt in die Augen zu blicken. Die Queen ist von jugendlichem Aussehen und mit herzförmigem Gesicht und kirsch­ rotem Mund stark geschönt wiedergegeben. Der Hermelinumhang legt ihre Schultern frei, und die von der Modegrafik inspirierte gedrehte Pose lässt die Betrachterin einen weiten Rückenausschnitt bewundern. Queen Victoria trägt das Diamond Diadem, die Imperial State Crown liegt auf dem Insignientischchen neben dem Thron. In den zeitgenössischen Künstlerkreisen Londons, und vor allem in den USA, genoss Sullys dynamisches Porträt großen Erfolg. Auch Victoria selbst mochte das Bild, das sie in ­erster ­Linie als attraktive junge Frau und erst in zweiter als Königin zeigt.107 Der viktorianische Königshof aber veröffentlichte konservativere Porträts zur Vermarktung der britischen Herrschaft.108 Sullys Bildnis erreicht kaum angemessene Distanz zum Betrachter. Francis Grant fertigte 1843 ein die Grenzen von Tugend- und Regalienporträt verschleierndes Porträt an (Abb.  40). Victoria sitzt, vom Diamond Diadem bekrönt, vor 107 Vgl. Barrat 2000, S. 53 ff. 108 Eine Version des Sully-Porträts als Kniestück wurde dennoch in der Royal Academy 1840 ausgestellt, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 240.

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39  Thomas Sully: Queen Victoria, 1838, Öl auf Leinwand, 238,8 × 147,4 cm, New York, ­Metropolitan Museum of Art, Leihgabe der ­Collection of Mrs. Arthur A. Houghton Jr.

40  Francis Grant: Queen Victoria, 1843, Öl auf Leinwand, 243,8 × 147,3 cm, London, ­Royal Collection

dem traditionellen Hintergrund eines Regalienporträts auf einem Thronsessel. Auf dem Tischchen neben ihr sind frische Schnittblumen statt Krone arrangiert. Ihre weiße Galarobe, Handschuhe und Fächer verweisen eher auf eine Abendveranstaltung, als auf einen regierungspolitisch relevanten Kontext. Vor der Vase liegt ein geöffneter Brief, dessen Inhalt die Königin kontemplativ zu reflektieren scheint. Grant knüpft mit der absenten Mimik der Königin an Darstellungen sentimentaler Frauen an, wie sie seinerzeit in Mode waren. Er konstruiert das zeitgenössische Idealbild einer jungen Dame. Jedoch verflüchtigt sich dergestalt die Botschaft von einem souverän politisch denkenden und handelnden Staatsoberhaupt. Die Porträts von Sully und Grant sind modischer und dynamischer als jene von ­Chalon oder Hayter; dafür gelingt es ihnen kaum, die britische Königin als seriöse Politikschaffende darzustellen. Einzig Hayter malte, wie Winterhalter, ein klassisches Regalienporträt. Wohl deshalb zog man Hayters und Winterhalters Porträts während der 1840er und 1850er Jahre im genuin regierungspolitischen Umfeld den anderen vor.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

Victorias frühe Regalienbildnisse offenbaren einen anderen Modus, stets fokussieren sie Jugendlichkeit, Mädchenhaftigkeit und damit verbundene, speziell weibliche ideale Eigenschaften.109 Winterhalter bildete die britische Königin erstmalig im klassischen Schema eines Regalienporträts ab, ohne auf jene weiblich-mädchenhaften Vorzüge zu rekurrieren. Im Gegenteil: Er markiert geradezu traditionell männlich konnotierte Tugenden und Fähigkeiten, ohne die Sehgewohnheiten des Betrachters zu strapazieren. Victorias politischer Einfluss Benjamin Disraeli (1804–1881), 1868 und 1874–1880 britischer Premierminister, propagierte: “The House of Commons is the house of a few; the Sovereign is the sovereign of all. The proper leader of the people is the individual who sits upon the throne.”110 Führende Politiker wie auch die Premierminister Melbourne, Peel und Palmerston waren sich einig: Je wohlwollender die politische Figur der Monarchin vom Volk wahrgenommen wurde, desto unkritischer stand die Öffentlichkeit dem gesamten politischen System Großbritanniens gegenüber. Königin Victoria sollte als politische Führungskraft wahrgenommen werden, nicht nur als Zierde der Monarchie oder Tugendvorbild. Tatsächlich hatte die Königin wesentlich mehr politische Macht, als oft angenommen; auch die Aristokratie agierte nach wie vor sehr einflussreich und politikbestimmend in Groß­ britannien. Der Reform Act von 1832, von dessen neuer Einteilung der Wahl­kreise das House of Commons profitieren sollte, hatte den Machtbesitz des Adels und der ­Krone zwar gemindert. Der politische Einfluss des Landadels aber blieb groß, und erst der Second Reform Act von 1867 hatte einschneidendere Effekte auf die parlamentarische Machtverteilung.111 Königin Victoria besaß die gleichen Prärogative wie ihre Vorgänger. Der Prime Minister musste seine Entscheidungen der Königin gegenüber erklären. Sie ernannte die höchsten Staatsdiener und führende Richter, außerdem nahm sie Ehrungen vor und konnte der Liste ihre Favoriten hinzufügen, ihnen auf diese Weise einen Sitz im House of Lords verschaffen, wo sie wiederum an der Gesetzgebung beteiligt waren. Ebenfalls konnte die Herrscherin dem Parlament Gesetze vorschlagen.112 Victoria wählte, in Absprache mit der Regierung, die Bischöfe und Erzbischöfe aus und war Oberhaupt der 109 Vgl. zu Vorbildern weiblicher Herrscherinnen Großbritanniens Kap. I. 4. 110 Benjamin Disraeli: Coningsby or, the New Generation, London 1844, S. 329; St. Pauls. A Monthly Magazine, Bd. 3, 10/1868–3/1869, S. 31. 111 Es waren die Konservativen, die sich für diesen weitgreifend in das bestehende Wahlrecht eingreifenden Akt einsetzten und damit Disraelis Ambitionen möglich machten. Andreas Rödder analysiert überzeugend die Gründe dafür: „Lieber Revolution machen als erleiden: Wahlrechtsreform als gesellschaftspolitische Vorwärtsverteidigung“, Andreas Rödder: Die radikale Herausforderung. Die politische Kultur der englischen Konservativen zwischen ländlicher Tradition und insdustrieller Moderne (1846– 1868), München 2002, S. 329. 112 Vgl. Urbach 2011, S. 34 f.

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Anglikanischen Kirche. Durch ihre diplomatischen verwandtschaftlichen Beziehungen in ganz Europa hatte sie immensen Einfluss auf die britische Außenpolitik. Sie durfte als oberste Heerführerin der Armee und der Marine theoretisch Kriege erklären und Friedensverträge aushandeln. Zwar oblagen in der Praxis die meisten Entscheidungen der Regierung, die den Handlungsspielraum der Königin begrenzte.113 Jedoch beeinflussten zahlreiche per definitionem unpolitische Handlungen der Königin massiv die Machtverhältnisse im Parlament. Urbach kommt zu dem Schluss: Victoria stellte „nur in wenigen Fällen offen die Machtfrage […]. Aber wenn sie es tat, war sie überraschend erfolgreich.“114 Ein Beispiel: Die Queen wiederholte einen Fauxpas ihrer Vorgänger, indem sie sich den beiden großen politischen Parteien gegenüber nicht neutral verhielt, sondern die Whigs den Tories vorzog. Dies enthüllte die sogenannte “Bedchamber-crisis”: Victoria weigerte sich 1839, auch auf die Bitte des Tory-Kandidaten Robert Peel hin, auf die Wahlergebnisse zu reagieren und ihre Hofdamen parteibalanciert auszutauschen. Die Presse kritisierte das Verhalten der Monarchin und propagierte, dass „die Umgebung einer regierenden Königin anders als bei einer ‘queen consort’ durchaus eine öffentliche und staatliche Institution und keinesfalls eine private darstellte.“115 Die Königin blieb bei ihrer Entscheidung und verhinderte damit tatsächlich die Übernahme der Regierung durch die Konservativen; Peel schlug die Möglichkeit aus, eine Regierung zu bilden, Victorias Vertrauter, der Premierminister Melbourne, blieb zwei Jahre länger an der Macht. Solche und zahlreiche andere Beispiele offenbaren, dass Victorias Handlungen keinesfalls nur symbolischen Wert hatten, sondern von großer politischer Brisanz sein konnten.116 Heute wird auf den Einfluss von Prince Albert zurückgeführt, dass Victoria sich für den Rest ihrer Regentschaft neutral und parteilos verhielt; Historiker sind sich einig, dass er damit das Fortbestehen der britischen Monarchie sicherte.117 Die britische Krone trat im Laufe des 19. Jahrhunderts sukzessiv immer weniger als Abbild des politischen Systems in Erscheinung, sondern avancierte zu einem nationalen Identifikationssymbol. Mit dem zweiten Reform Act 1862, als große Teile der männlichen Arbeiterschaft Wahlberechtigung erhielten, traten zunehmend Politiker ins Rampenlicht und ­kämpften

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Vgl. ibid., S. 35. Ibid., S. 35. Kohlrausch 2005, S. 117. Beispielsweise hatten sie und Albert Anteil an der Entlassung Palmerstons als Außenminister 1851, vgl. Urbach 2011, S. 79. 117 Vgl. Hans-Joachim Netzer: Albert – Ein deutscher Prinz in England, in: Kat. Vicky and The Kaiser 1997, S. 67–85, S. 70; vgl. Urbach 2015, S. 23 ff.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

um Stimmen.118 Wegen ihres neutralen Wesenskerns konnte die Krone „divergierende Positionen und Interessen wie hinter einer Konsensfassade verschwinden lassen.“119 Die Monumentalisierung der Königin Den Kurs weg von Mädchenhaftigkeit, hin zur politisch verlässlichen und versierten Führungskraft, den Winterhalters erstes Regalienporträt der Queen eingeschlagen ­hatte, ­führte er 1859 in seinem zweiten lebensgroßen Regalienbildnis von der Königin fort (Taf. 24). Die sichtbar älter gewordene Herrscherin thront im Zentrum des 241 × 157 cm messenden Ölbildes. Victoria blickt den unmissverständlich eine Stufe unter ihr stehenden Betrachter aufmerksam an. Ihr Sitzmöbel ist unter der meterlangen voluminösen Schleppe ihres purpurnen, mit Hermelin gefütterten Krönungsmantels verborgen. Schwer und fest liegt Victorias rechte Hand auf der Armlehne. Mit der linken fasst sie einen Stapel großformatiger Papiere, die insigniengleich an der Stelle neben der Imperial State Crown auf dem Samtkissen liegen, an welcher 1843 das Zepter der Königin ruhte.120 Victoria trägt das Diamond Diadem und einige wertvolle diamantenbesetzte Schmuckstücke.121 Über einer raumgreifenden Krinoline liegt ihre üppig mit goldener Spitze veredelte Robe. Der Maler bedient sich streng des klassischen Regalienporträt-Schemas. Die Königin posiert in einem fiktiven Innenraum; zwei schwere Säulenpostamente und eine gebauschte rote Draperie rahmen eine Fensteröffnung, die dem Betrachter einen Blick auf die Silhouette Londons ermöglicht, genauer gesagt auf den Palace of Westminster, über dem sich ein bewölkter Abendhimmel spannt. Winterhalters Inszenierung setzt den Pomp per se in Szene. Üppigkeit und be­ein­ drucken­de Volumina charakterisieren alle Bildkomposita. Selbst die Imperial State Crown scheint größer als im Porträt von 1843. Wie zu den meisten öffentlichen Anlässen trägt die Queen reichlich Schmuck “to uphold the dignity and splendour of the Crown”.122 Für ein Regalienbildnis wählte sie andere Schmuckensembles aus als für ein Tugend­ porträt.123 Die diamantene Halskette samt passenden Ohrringen schmückte sie auch während der Krönung. Das verschwenderische Ausmaß der Stoffmassen und die überbordende Menge an Hermelinfell rufen tradierte Symbolsprache auf, nach der der Krönungsmantel das „Universum“ des Herrschers bedeckt.124 Solche Botschaft wiederholt der 168 Karat schwere und in eine Brosche gefasste Koh-i-noor-Diamant am Ausschnitt 118 Vgl. zu Gladstones Aufstieg zum volkseinnehmenden Wahlkämpfer während der Wahl von 1880 ­Mares 2008. 119 Stollberg-Rilinger 2005, S. 20 in Bezug auf „Symbole, Mythen und Rituale“. 120 Vor dem Original stehend wirken die Papiere überdimensional groß. 121 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 296. 122 Kat. Art and Love 2010, S. 310. 123 Vgl. Kap. II. 4. 124 Der Mantel ist auch ein symbolischer Hinweis auf das Begnadigungsrecht des Herrschers. Er konnte ein Verbrechen „bemänteln“, den Rechtsbrecher begnadigen, indem er den Mantel über ihn warf. Vgl.

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der königlichen Robe.125 Er symbolisiert das Weltreich, dem Queen Victoria 1859 bereits vorstand. Der hier ausgestellte Pomp verstärkt die ohnehin beeindruckende körperliche Präsenz der Königin. Ihre sitzende Pose intensiviert den komponierten Eindruck von Statik. Die Königin gleicht einer Statue, die politische Zuverlässigkeit und gesellschaft­ liche Stabilität verspricht.126 Deutliche Augenränder bezeugen Victorias Rolle als arbeitende Frau. Die gewichtigen Papiere auf dem Tisch weisen auf den Typus des Schreibtischporträts, das Ende des 18. Jahrhunderts zum etablierten Bildniskanon aufgeklärter Herrscher gehörte. Dieser Bildtypus wurde traditionell für männliche Politiker genutzt, dann allerdings ohne Blumen­gesteck, wie es auf Winterhalters Porträt der Königin neben dem Insignienkissen steht.127 Dass Winterhalter die gefüllte Vase nutzt, die trotz Verweis auf die Tudor-­Rose die (männlich-)politische Aussagekraft des Porträts schwächt, ist ein Kontinuitätsversprechen im Rahmen von Victorias einst ihre Mädchenhaftigkeit betonende Ikonografie. Der Blick auf den Palace of Westminster, in dem seit dem 13. Jahrhundert das House of Lords und seit dem 16. Jahrhundert das House of Commons untergebracht war, wird kaum als Hinweis Winterhalters auf die politischen Befugnisse des Parlaments, und damit die eingeschränkte Macht Queen Victorias, zu deuten sein.128 Die Wahl dieses Motivs kann nur einen Grund haben: Nachdem große Teile des Palastes 1834 abgebrannt waren, legte Königin Victoria 1843 den Grundstein zu dem Turm. Er wurde eröffnet, kurz nachdem Winterhalter dieses Regalienporträt fertig gemalt hatte. Mit 98 Metern Höhe war er im Jahr 1860 der höchste viereckige Turm der Welt und erhielt den Namen V ­ ictoria ­Tower.129 Dieses monumentale Wahrzeichen vermittelte nicht nur den Eindruck von allgemeiner Wichtigkeit der Herrscherin. Als Teil des Regierungsgebäudes versinnbildlichte der Turm auch Victorias Teilhabe am politischen System Londons.

Bildgattungen. I. Das Herrscherbild, hg. v. Karin Stempel, Bestandskatalog, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Oldenburg 1982 (Kat. Bildgattungen 1982), S. 8 f. 125 Der nach Bearbeitung 105 Karat schwere Diamant ist einer der größten der Welt und wurde Königin Victoria als “trophy of the glory and strength of Your Majesty’s Empire in the East” geschenkt. So steht es in einem Brief des Govenor-Generals von Indien, Marquess of Dalhousie. Vgl. RA VIC/ MAIN/N/14/62, zitiert nach Kat. Art and Love 2010, S. 312. Der Stein wurde vom Hofjuwelier ­Sebastian Garrard in die im Porträt sichtbare Brosche eingearbeitet, vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 313. 126 Victoria verbot, zu ihren Lebzeiten im Vereinigten Königreich Statuen von ihr aufzustellen. 127 Zum Blumenarrangement als feminisierendem Bildaccessoire in Regalienbildnissen vgl. als Beispiel Carle van Loo: Marie Leszczinska, Königin von Frankreich, 1747, Öl/LW, 274 × 193 cm, Musée du ­Château de Versailles, in welchem eine Blumenvase zwischen ihr und der auf einem Insignienkissen liegenden Krone steht. 128 Solche Auslegung propagiert Reisberg: Die Anwesenheit des Westminsterpalastes sei ein “visual reminder of her contemporary role as a constitutional monarch.” Reisberg 2009, S. 85. 129 Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Victoria_Tower (22.11.2020).

2.  Monumentalisierung der Monarchin

Die Bedeutung des Ortes, an dem dieses Porträt zu sehen war, ist von der Forschung bisher nicht erfasst worden. Das Bildnis löste nicht etwa Winterhalters Porträts von 1843 im Thronraum im Buckingham Palace ab, sondern es wurde zusammen mit dem Pendant­porträt von Prince Albert dort “on the Minister’s Stairs” gehängt.130 Sie präsentierten damit das Herrscherpaar an jener räumlichen Schnittstelle, an der die privat und die offiziell genutzten repräsentativeren Räume der Königin aufeinandertrafen. Dieses Treppenhaus nutzten die alltäglichen Besucher der Königin. Sie empfing in den oben anschließenden Räumen unter anderen den Prime Minister. Über das populäre Grand Staircase hingegen wurde der Palast nur während repräsentativer Zeremonien und Anlässe betreten. Die Porträts repräsentierten die Monarchen in reich ornamentierten und bekrönten Rahmen demnach auf dem Weg zu denjenigen Räumen, in denen tatsächlich Politik betrieben wurde und die Königin politisch Einfluss nehmen konnte. Ihre Machtposition sollte den Besuchern auf dem Weg zu ihr visuell verdeutlicht werden. Winterhalters Porträts gestalteten das neue Image des Königshauses. Sie wurden zahlreich in Öl kopiert, abfotografiert und in Stichen vervielfältigt in Umlauf gebracht.131 Aus der Retrospektive wählte Queen Victoria dieses monumentale Porträt für die in der Einleitung analysierte Albumseite, um ihre vielfältigen Rollen zu visualisieren (Abb. 1). Es ist der großformatigste Abzug auf der Seite und als erstes Bild oben links angebracht. Offenbar transportierte es für sie nicht nur das ideale Image der Herrscherin eines Weltreiches, sondern bildete gleichzeitig die Grundlage für alle von ihr auszufüllenden R ­ ollen. Die Geschichte der englischen Porträtmalerei bekundet, dass im Vereinigten König­ reich traditionell weniger pompöse und statische Herrscherdarstellungen bevorzugt wurden als auf dem Kontinent.132 Winterhalters ausladendes Porträt von 1859 legt Zeugnis ab von jenem allgemeinen Anstieg des Interesses an Pomp und Zeremoniell in ganz Europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Kein spezifisches Ritual ist nachgezeichnet, kein Hinweis auf das jugendliche tugendhafte Mädchen gegeben. Erwachsen, zeitlos und unvergänglich ist Victoria erstarrt zu einer monumentalen Matriarchin. Die Königin wird zum Emblem. Diese präsente dominierende Körperlichkeit der Herrscherin wurde fortan zu ihrem individuellen Markenzeichen.133 Alle späten Porträts der Königin, etwa von Winterhalters Nachfolger Heinrich von Angeli, basieren auf dieser Monumentalisierung

130 Das Minister’s Landing and Staircase befindet sich im “ground floor of the north-facing Garden Wing”. https://en.wikipedia.org/wiki/Buckingham_Palace (22.11.2020); Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 296. 131 Vgl. ibid. 132 Vgl. Schoch 1975, S. 39; vgl. Kat. Swagger Portrait 1992, S. 11; vgl. Kap. II. 1. 133 Dieser neue Prototyp wurde von der über ein Jahrzehnt dauernden Abwesenheit der um ihren Ehemann trauernden Königin in der Öffentlichkeit unterbrochen und fand zu voller Ausformung seit 1876, als Victoria Kaiserin von Indien wurde.

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II.  Die Regalienporträts

41  Heinrich von Angeli: Queen Victoria, 1885, Öl auf Leinwand, 250 × 167 cm, London, Royal ­Collection

des Körpers der Königin (Abb. 41).134 Winterhalter leitete mit dem Regalienbildnis von 1859 wieder eine neue Stufe in ihrer Ikonografie ein. * Zu Beginn von Victorias Amtszeit fokussierten alle höfischen Bildnistypen jene Vorzüge wie Tugendhaftigkeit und Mädchenhaftigkeit, die die junge Queen von ihren Vorgängern abhob. Winterhalters Porträt von 1843 war das erste, das eine souveräne Herrscherin proklamierte und ihren Machtansprach klar formulierte. Es stellte Victoria in eine dynastische Linie mit ruhmreichen Herrschern, ohne mit ihrem weiblichen Image zu ­brechen. 15 Jahre später erhärtete das Regalienporträt von 1859 ihren Herrschaftsanspruch. Vom britischen Hof wurden Regalienporträts, das sollte hier deutlich werden, in e­ rster Linie innerhalb der politischen Entscheidungs- und Regierungs-Sphäre genutzt. Erster Bildadressat war der politische Amtsinhaber. Deshalb hingen diese Bilder in Regierungs134 Auch in der Karikatur wurde die physische Dominanz der Herrscherin vielfältig eingesetzt, z. B. in Beziehung zur aggressiven britischen imperialen Außenpolitik: The English World Kingdom, or Bloody Cartography (Lustige Blätter), abgedruckt in: Arthur Bartlett Maurice u. Frederic Taber Cooper (Hg.): The History of the Nineteenth Century in Caricature, New York 1970, S. 344.

2.  Monumentalisierung der Monarchin

gebäuden und Botschaften an prominenten Stellen. Innerhalb dieses Feldes waren Regalienporträts konkurrenzlos. Hinsichtlich der Verbreitung eines monarchischen Images in der breiten Öffentlichkeit jedoch – durch Ausstellungspräsenz, Zeitungsbilder oder käufliche Reproduktionen – sind Queen Victorias Regalienbildnisse innerhalb ihres Bildnisprogramms gleichwertig neben ihren Tugendporträts zu verorten. Die Mixtur aus königlichem Mythos und dem Menschen dahinter füllt den Prozess von Herrschaftsrepräsentation und -anerkennung. Die Beliebtheit des pompösen Porträts von 1859 disharmoniert mit Hypothesen, welche für das 19. Jahrhundert eine „Krise“ des Herrscherporträts oder einen „Abgesang auf einen uralten Darstellungstypus“ konstatieren.135 Dass das Betreiben einer florierenden Bildnispolitik eine permanente Aufgabe der Königin war, zeigte die Welle an massiver monarchiefeindlicher Kritik, die der nach ­Alberts Tod 1861 jahrelang öffentlich abwesenden Queen entgegenschlug. Die individuelle Persönlichkeit Königin Victoria war längst zu einem „Symbol der sozialen Ordnung“ geworden.136 Die Herrscherin hatte sich „Anerkennung und Vertrauen“ verschafft und Kultstatus erlangt.137 In den 1860ern entstand ein Repräsentationsvakuum. Dass sie sich von der Öffentlichkeit abschirmte, sich allenfalls als Trauernde ablichten ließ, schien ihr die Legitimationsgrundlage ihrer Position zu entziehen. Denn “visibility” (Walter ­Bagehot) war die Basis für die Anerkennung und Akzeptanz der Institution Monarchie. Solche Sichtbarkeit war jedoch das Ergebnis eines permanenten Prozesses. Die Öffentlichkeit war an immer wieder neue Porträts gewöhnt, an Medienberichte und Dokumentationen öffentlicher Auftritte der Königin. Deshalb ersuchten Minister und Familien­ mitglieder Queen Victoria während dieser Zeit um öffentliche Auftritte. 1869 bat ihr Sohn, der Thronfolger Prince Eduard of Wales, die Königin mit sehr reflektierten ­Worten: If you sometimes came to London from Windsor – say for luncheon – and then drove for an hour in the Park (when there is no noise) and then returned to Windsor, the people would be overjoyed – beyond measure. It is very well for Alix and me to drive in the Park – it does not have the same effect as when

135 Chabanne 2015, S. 48; HPI 2011, s. v. „Monarchie“ (Franz Matsche), S. 164. In diesem Fall bezieht sich Franz Matsche auf Friedrich von Amerlings Thronbildnis Kaiser Franz’ I. von Österreich von 1832. Allein die Anzahl der bestellten Regalienporträts beweist, dass Victoria nicht nur mit Tugendporträts und der Absenz der Krone Öffentlichkeitsarbeit betreiben wollte, wie es beispielsweise von Homans immer wieder akzentuiert wird: “For state occasions she preferred wearing a bonnet to wearing a crown, and she preferred her wedding lace and veil to the robes of state. […] in Victoria’s case, the crown is visible by its absence.” Homans 1998, S. 5. Damit blendet sie nicht nur die Existenz, sondern auch die Funk­ tion und Botschaft der Regalienporträts aus. 136 Wienfort 1993, S. 18. 137 Sich „Anerkennung und Vertrauen“ («  la considération et la confiance  ») des Volkes zu verdienen, als etwas, „was das Gesetz nicht verleihe“, hatte bereits 1791 Joseph Barnave Louis XVI. und Marie-­ Antoinette geraten. Dies gelänge nur, wenn sich der Monarch mit der Verfassung identifizierte. Vgl. Sellin 2011, S. 174.

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II.  Die Regalienporträts you do it; and I say thank God that is the case. We live in radical times, and the more the People see the Souvereign, the better it is for the People and the Country.138

Doch erst in den 1870er Jahren kehrte die Monarchin voll und ganz in die Öffentlichkeit zurück. Victoria wurde 1877 zur Kaiserin von Indien ausgerufen, was eine wahre Flut an neuen Porträts und öffentlichen Auftritten auslöste. Fortan erreichte die Monarchie unter Victoria noch größere Popularität. Zeremonien wurden mit beträchtlichem Aufwand in der Öffentlichkeit gefeiert und mit wachsenden Auflagen von den Medien verbreitet. Die Monumentalität der Königin symbolisierte und garantierte Stabilität der britischen Nation für die nächsten 30 Jahre. Dieses Image hatte Winterhalter in seinem Regalienbildnis von 1859 erstmals verdichtet.

3. Ausnahmefall Albert: die politischen Handlungs- und ­Herrschaftsfelder des Prinzgemahls Prinz Albert war seit frühester Jugend mit dem Plan, einmal Victoria zu heiraten, erzogen worden.139 Seine ersten Jahre in Großbritannien wurden von der britischen Öffentlichkeit und der parlamentarischen Opposition jedoch mit Skepsis begleitet.140 Zeitungen brachten seit der Hochzeit 1840 hämische Karikaturen, die Regierung kürzte seine jährliche Zuwendung von 5000 auf 3000 Pfund und verweigerte ihm bis 1857 den Rang und Titel eines Prince Consort.141 Selbst seine Ehefrau Victoria beschränkte seine Handlungsräume in den ersten Jahren, indem sie über sein Personal entschied und seinen Privatsekretär aus dem Umfeld des Prime Ministers Lord Melbourne auswählte.142 Der deutsche Prinz hatte in den ersten Jahren wenig Möglichkeiten, seine umfangreiche und

138 Brief 26.02.1869, abgedruckt in: Philip Magnus: King Edward VII., London 1964, S. 101 f. 139 Seine Mentoren waren vor allem König Leopold von Belgien und Christian Friedrich Baron Stockmar. 140 Albert resümierte Jahre später in einem Brief an Stockmar 1854: “When I first came over here, I was met by this want of knowledge and unwillingness to give a thought to the position of this luckless personage. Peel cut down my income, Wellington refused my rank, the Royal Family cried out against the Foreign interloper, the Whigs in office were only inclined to concede to me just as much space as I could stand upon.” Brief abgedruckt in: Theodore Martin: The Life of His Royal Highness, London 1876, Bd. II, S. 559 f.; vgl. auch Hermione Hobhouse: The Monarchy and the Middle Classes: The Role of Prince Albert, in: Adolf M. Birke u. Lothar Kettenacker (Hg.): Middle Classes, Aristocracy and Monarchy. Patterns of Change and Adaption in the Age of Modern Nationalism, München et al. 1989, S. 53–69, S. 54. 141 Prinz Alberts Position war ein Präzedenzfall; einer „Gemahlin eines regierenden Königs [war] ohne weiteres der höchste Rang nach ihrem Gatten gesetzlich zugesichert“. Kraus 2004, S. 113. Alle früheren Ehepartner der Monarchen hatten 5000 Pfund erhalten, vgl. Edgar Feuchtwanger: Englands deutsches Königshaus. Von Coburg nach Windsor, Berlin 2010, S. 44. 142 Albert hätte gern aus beiden politischen Lagern ausgewählt, vgl. Urbach 2011, S. 53 f.

3.  Ausnahmefall Albert

hochkarätige Ausbildung, die er als Erbe Sachsen-Coburgs und Gothas genossen hatte, gewinnbringend einzusetzen. Indessen, als er im Dezember 1861 überraschend starb, sprachen namhafte Politiker und Zeitungen von einem unersetzbaren Verlust für Großbritannien. The Times formulierte am 16. Dezember 1861: The nation has just sustained the greatest loss that could possibly have fallen upon it. […] this man, the centre of our social system, the pillar of our State, is suddenly snatched from us […] the loss of a public man whose services to this country, though rendered neither on the field of battle nor in the arena of crowded assemblies, have yet been of inestimable value to this nation.143

Der Politiker und spätere Premierminister Benjamin Disraeli konstatierte: “With Prince Albert we have buried our sovereign. […] This German Prince has gouverned England for twenty-one years with a wisdom and energy such as none of our Kings have ever shown.”144 Die Trauer seiner Ehefrau sollte bis zu ihrem Tod 1901 in ungeheurem Ausmaß anhalten und sie antreiben, auf geradezu manische Weise Alberts Pläne, im Londoner Stadtteil South Kensington eine Hochburg wissenschaftlicher und kultureller Bildungsinstitutionen zu errichten, zu verwirklichen. Innerhalb weniger Jahre nach seiner Heirat hatte Albert sich zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Männer der britischen Gesellschaft emporgearbeitet. Er war zum engsten Vertrauten und Berater der Queen avanciert, neueste Forschungen ­sprechen von einer nach außen hin verschleierten „Doppelmonarchie“.145 Sein Engagement und Erfolg veranlassten Biografen zu Betitelungen wie „der heimliche Herrscher“ oder “Uncrowned King”.146 Wie bereits herausgearbeitet, war die Identität eines Staatsoberhauptes im 19. Jahrhundert eng mit seinem Geschlecht verknüpft. Dass dies auch in England so war, obschon weibliche Vorgängerinnen seit Elizabeth I. existierten, konnte gezeigt werden. ­Albert besetzte als Mann und consort eine Ausnahmeposition. Diverse Schriftwechsel dokumentieren, dass er von Beginn an detailliert über seine besondere Rolle und deren Konturierung in der Öffentlichkeit nachdachte. Er notierte am 9. März 1845 in einem Brief an seinen Berater Baron von Stockmar:

143 The Times, 16.12.1861, zitiert nach Hobhouse 1989, S. 54. 144 Benjamin Disraeli im Dezember 1861, zitiert nach Stanley Weintraub: Uncrowned King. The Life of Prince Albert, London 2000, S. 437. 145 Urbach 2011, S. 54. 146 Titel des zweiten Buches in Hans-Joachim Netzer: Albert von Sachsen-Gotha und Coburg: ein deutscher Prinz in England, München 1988; Titel von Weintraub 2000.

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II.  Die Regalienporträts P. [Peel, T. H.] findet meine Stellung sehr gut und glaubt nicht, daß all in all das Königthum je so gut gestanden habe; er sagt, trotz der überhandnehmenden Demokratie there was something (considering the Sex of the Sovereign the private character of the family & c.) in the position that worked strongly on the feeling of the nation147

Fünf Jahre später schilderte er dem Duke of Wellington, wie er die Position eines Prinzgemahls in Bezug auf die Königin interpretiere: Whilst a female sovereign has a great many disadvantages in comparison with a king, yet, if she is married, and her husband understands and does his duty, her position, on the other hand, has many compensating advantages, and, in the long run, will be found even to be stronger than that of a male sovereign. But this requires that the husband should […] fill up every gap which, as a woman, she would naturally leave in the exercise of her regal functions. […] As the natural head of her family, superintendent of her household, manager of her private affairs, sole confidential adviser in politics, and only assistant in her communications with the officers of the Government, he is, besides, the husband of the Queen, the tutor of the royal children, the private secretary of the sovereign, and her permanent minister.148

Albert schraffiert seine höfischen Aufgaben in erster Linie als beratende Tätigkeiten. Gleichzeitig sind seine Ambitionen, politisch Einfluss nehmen zu wollen, klar benannt. Auffällig ist die wiederholte Betonung naturgegebener Geschlechtereigenschaften, die seine Aufgaben und diejenigen der Königin vorschreiben: Das Geschlecht der Königin verantworte viele politische Lücken, die nur ein Mann zu füllen verstehe. Zeitgenössische Schriften zum englischen Verfassungssystem oder auch Briefe politischer Berater be­legen, dass Alberts politische Teilhabe als Selbstverständlichkeit angesehen wurde. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Rollenverständnis weiblicher consorts, die von politischen Regierungsgeschäften tendenziell ferngehalten worden sind. Wie streng also waren politische Handlungsmöglichkeiten im 19. Jahrhundert an das Geschlecht gebunden? Hofmaler Winterhalter und Prinz Albert arbeiteten zwei Jahrzehnte lang eng zusammen. Im Folgenden interessiert, wo Alberts Ikonografie mit denjenigen von Ehefrauen regierender Herrscher korrespondiert oder diesen zuwiderläuft. Martin Wrede zählt Möglichkeiten von Legitimation für Monarchien im 19. Jahrhundert auf: Neben der Legitimation von Gottes Gnaden gebe es die heroische Tradition, in der dem Tapfersten der Thron gebühre, außerdem das „Königtum […] der Tat“.149 Solche ­Möglichkeiten

147 Paulmann 2000, Anm. 214; RA, Y 147/101. 148 Albert an den Duke of Wellington, 06.04.1850, Brief abgedruckt in: Martin 1876, Bd. II, S. 259 f. ­Viele dieser Formulierungen für seine einzelnen Aufgaben und zu besetzenden Positionen wurden in den nächsten Jahren zu Stereotypen, die in Briefen, Berichten oder Memoranda von ihm wiederholt wurden. Die Formulierungen, die sich auf seine Rolle als Ehemann und Vater beziehen, entsprechen in vieler­lei Hinsicht auch denen, die in zeitgenössischen Texten als ideale Familienform verbreitet ­wurden. 149 Wrede 2014, S. 8–39, S. 36: „[…] für die Legitimation dieser Monarchien [war] das sakrale Moment doch vergleichsweise deutlich zurückgetreten und Königtum nur möglich als eines der Tat […].“

3.  Ausnahmefall Albert

r­eflektierend, sollen Alberts Porträts untersucht werden. Im Laufe der 1840er Jahre kristalli­sierten sich zunehmend neue Handlungsfelder für den Prinzen heraus, die sowohl seine Position legitimieren, als auch sein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Engagement kommunizieren und würdigen sollten. Aufwertung durch Ordensverleihungen Winterhalters erstes Regalienporträt von Albert wurde 1843 als Pendant zu Queen ­Victorias angefertigt; zusammen repräsentierten sie nach der Hochzeit 1840 das neue Image der britischen Monarchie im politischen Umfeld (Taf. 25).150 Wie seine Ehefrau trägt Prinz Albert das dunkelblaue Ornat des höchsten Ordens Großbritanniens, des Hosen­band­ordens. Den rechten Fuß in spannungsvollem Ausfallschritt auf eine Stufe gesetzt, steht er in aufrechter Haltung mit hervorgestreckter Brust im typischen Umraum eines Regalienporträts. Im Hintergrund ist vor dunkelblauem, leicht bewölktem Himmel eine gebauschte rotgrundige Stofflage um eine wuchtige Säule auf einem Doppel-­ Postament drapiert. Obschon er auf gleicher Ebene mit dem Betrachter steht, blickt er auf diesen leicht herab. Oberlippen- und Backenbart sowie sein sorgfältig zum Seitenscheitel gelegtes dunkelbraunes, glänzendes Haar beschreiben aktuelle Mode. Den linken Arm stemmt Albert in die Hüfte, sein rechter drückt einen Feldmarschallstab tatkräftig auf den Oberschenkel. Unter der dunkelblauen Ordenskulane trägt der Prinz ein weißes historisierendes, aufwendig verziertes Wams, dazu Schnallenschuhe und Handschuhe im gleichen Weißton. Die Ordenskette, das traditionell um das linke Knie gebundene Ordensband sowie die unter seinem Gewand hervorblitzende Schwertspitze vervollständigen das ­Habit ­eines Ehrenmannes des Hosenbandordens. Für Stabilität in der Komposition sorgen die klassisch als Dreieck angelegte Figur und die beiden schweren Säulen. Alberts ­linker Fuß berührt ein überdimensionales, mit Goldfaden in den Teppich gesticktes Wappen des Hosen­bandordens, von dem der Betrachter ein knappes Viertel sieht, und das sein Ordens­mantel überwallt.151 Vor der ruhigen Glätte der steinernen Säulen entspinnt sich von Schulter bis Fuß in detailreicher Unruhe ein Apparat aus Schleifen, Knüpfungen, ­Ketten und Bestickungen. Zusätzlich mit kühlem Licht beschienen, erhalten die Zeichen der Ordenszugehörigkeit besondere Strahlkraft. Die Bildaussage ist darauf konzentriert, Prinz Alberts Zugehörigkeit zum höchsten Adelsstand zu markieren. Seine physischen Eigenschaften unterstreichen diesen Status: Ein leicht in die Länge gezogener Körper sowie ein bleicher, von kühlem Schlaglicht 150 Vgl. die Analyse des Pendantporträts von Victoria, Kap. II. 2. 151 Reisberg begründet mit der Komposition seine These einer bewussten Vermännlichung Alberts: eine durch das Wappen hervorgerufene “vulvic outline”, in die Alberts Bein ragt und derart “with the symbols of phallic dominance” eine Balance schafft zwischen der politisch untergeordneten und geschlechtlich übergeordneten Position Alberts. Reisberg 2009, S. 75 f.

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II.  Die Regalienporträts

beschienener Teint galten seinerzeit noch immer als typisch aristokratisch. Die Beinstellung zitiert spiegelverkehrt jenen berühmten, von Hyacinthe Rigaud im Porträt König Ludwigs XIV. verewigten Tanzmeisterschritt, und zwar samt rotbesohltem Schuhwerk, was die Aufmerksamkeit des Betrachters auf Alberts am Knie drapiertes Hosenband lenkt. Die überdeutlichen Hinweise auf das eigentlich Selbstverständliche – die Zugehörigkeit des Prinzen zur höfischen Elite – haben einen Grund: Albert wurde nie gekrönt, er trug lange Zeit den niedrigst möglichen Titel Prince.152 Erst 1857 wurde ihm, nach langen Kämpfen der Königin mit der Regierung, der Titel des Prince Consort verliehen, von Albert selbst mit folgenden Worten kommentiert: “Now I have a legal status in the English hierarchy.”153 Alberts vorher verhältnismäßig niedriger Rang wurde von Beginn an öffentlich diskutiert, zum Beispiel, ob er mit der Queen in der Staatskutsche fahren oder während der Parlamentseröffnung neben ihr im Oberhaus sitzen dürfe?154 Während einiger Auslandsbesuche kam es zu peinlichen Zwischenfällen, da Albert seinem deutschen Titel gemäß in die protokollarische Rangordnung eingegliedert wurde und nicht nach seiner Ehefrau, sondern erst nach etlichen weiteren Anwesenden bei zeremoniellen Anlässen auftreten durfte.155 Einen standesgemäßen Platz innerhalb der höfischen Rangordnung zu besetzen, war jedoch nicht nur um theoretischer Eitelkeit willen wichtig, sondern in der Praxis von großer Brisanz in Hinblick auf die politische und gesellschaftliche Akzeptanz eines derart populären Mitglieds des Hofes. Queen Victorias einzige Möglichkeit, die Position ­ihres Ehemanns innerhalb der höfischen Rangordnung zu erhöhen, war die Verleihung zahlreicher Orden an ihn.156 Entsprechend substantiell war die visuelle Manifestierung und öffentliche Bekanntmachung der Verleihung des höchsten und exklusivsten Ordens

152 Ein Attentat auf Victoria sorgte dafür, dass das Parlament 1840 ein Regentschaftsgesetz verabschiedete, das vorsah, dass Prinz Albert im Falle von Victorias Tod ihren Platz einnehmen würde bis zur Volljährigkeit des Thronfolgers, vgl. Urbach 2011, S. 62. Vgl. zum Status von Prinz Albert in der höfischen Gesellschaft Reisberg 2009, S. 68 ff. 153 1857 in einem Brief an Baron Stockmar, abgedruckt in: Theodore Martin: The Life of His Royal High­ness, London 1879, Bd. IV, S. 60. 154 Vgl. Netzer 1988, S. 187. 155 Sein Titel vor der Hochzeit lautete: Seine Durchlaucht Prinz Franz Albert August Karl Emanuel von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Herzog zu Sachsen. 156 Wie stark sie ihre Möglichkeiten nutzte, seine Position aufzuwerten, dokumentieren die unzähligen Ordensverleihungen während seiner ersten Jahre am britischen Hof. Einige, wie 1841 den Orden vom goldenen Vlies, konnte Albert sogar anstelle von Victoria annehmen, da dieser nur Männern verliehen wurde. Vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 329. Reisberg macht zu Recht darauf aufmerksam, dass Albert die traditionellen Anforderungen an ein potentielles Ordensmitglied, wie Zugehörigkeit zum höchsten britischen Adel oder besondere Verdienste für das Land erlangt zu haben, 1839 nicht erfüllte. Vgl. Reisberg 2009, S. 71. Umso stärker war wohl die Wirkung des exklusiven Hosenbandordens im Porträt.

3.  Ausnahmefall Albert

Großbritanniens an den Prinzen in den fortan das offizielle regierungspolitische Image des königlichen Paares kreierenden Winterhalterschen Porträts. Die Wahl des Motivs des Hosenbandordens für das offizielle Porträtpaar barg einen bisher von der Forschung nicht erwähnten weiteren Vorteil: So konnte vermieden werden, auf bild-konzeptioneller Ebene Alberts niederen Rang thematisieren zu müssen. In einem traditionellen Regalienporträt, streng angelehnt an das Krönungsritual, wäre die Königin in einem Krönungsmantel dargestellt worden. Der Kontrast zu Prince ­Albert in der dunkelblauen Kulane des Hosenbandordens hätte das Fehlen ihm eigener Insignien mehr betont als verschleiert. Die Annahme liegt nahe, dass der Hof aus diesem Grund keine traditionellen Regalienporträts, sondern diejenigen im Hosenbandorden als offi­zielle Porträts des britischen Königshauses verbreiten ließ. In die lange Porträt­ historie, die die Darstellung des Souveräns im Hosenbandorden in England hatte, ­konnte sich ­Albert mühelos einreihen. Als klassisches auf das Krönungsritual weisendes Bildnis ­wurde parallel das frühe Porträt der Königin im Krönungsmantel von George Hayter verbreitet, das die jugendliche Königin vor der Hochzeit mit Albert präsentiert, sodass kein Pendant vermisst werden konnte (Abb. 38). Der Fokus auf ritterliche Tugenden im Albert-Porträt konnte gleichsam ein drittes Problem beheben. Dessen deutsche Herkunft und mit ihr verknüpfte Eigenschaften thematisierte die Presse dauerhaft zu seinen Ungunsten. Den Prinzen mit populären britischen Orden auszuzeichnen, half ihn zu beheimaten.157 Er absorbierte durch das Tragen der Orden nationale Verhaltensnormen und -regeln, die in Großbritannien permanent Konjunktur hatten. Winterhalters erstes Regalienporträt des Prinzen ist als repräsentatives Integrationsporträt zu bezeichnen, bezüglich Alberts Integration sowohl in den höchsten Adelsstand als auch in die britische Mentalität.158 Das in diesen Porträts perpetuierte Image wurde Prinz Alberts Talenten und seinen gesellschaftspolitischen Ambitionen jedoch kaum gerecht. Seine Ausbildung war wissenschaftlich wesentlich fundierter und liberaler als seiner­zeit für Angehörige des Hochadels üblich.159 Forderungen nach Sozialreformen prägten das politische Klima der 1840er Jahre in Großbritannien. Albert wählte zwar die Rolle eines parteilosen und über dem Parlament stehenden Politikers, arbeitete jedoch sehr eng mit dem liberalen Prime Minister Robert Peel zusammen. Seine politische Gesinnung und damit verbundene Vorstellungen von moderner Sozialpolitik trennten ihn von Anfang an ideologisch vom alten britischen Landadel, der im House of Lords die Politik bis zum ein- und beschneidenden Reformakt von 1832 dominierte, und der bis zum zweiten Reformakt von 1867 – Kritiker meinen bis heute – noch immer bedeutsame

157 Reisbergs Überlegungen zielen in ähnliche Richtung, vgl. id. 2009, S. 72. 158 Vgl. zu Hängungsort, Verbreitung und Kopien der Pendantporträts Kap. II. 2. 159 Vgl. Urbach 2011, S. 58 f.

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II.  Die Regalienporträts

Macht und Einfluss hatte. Mit Alberts Politikstil gewann der britische Hof neue Anhänger und verlor gleichzeitig Unterstützung aus den traditionell eigenen Reihen.160 Albert war Präsident der Society for Improving the Condition of the Labouring ­Classes, engagierte sich gegen Sklavenhandel, initiierte Bildungsprogramme und setzte sich für die Verbesserung hygienischer Verhältnisse ein.161 Er verantwortete große Veränderungen im Bildungswesen und in der Landwirtschaft. Außerdem widmete er sich Projekten wie dem sozialen Wohnungsbau.162 „Seine“ erfolgreiche Weltausstellung von 1851 markierte einen Wendepunkt in internationaler Zusammenarbeit und internationalem Wettbewerb. Er stieß an, vom Gewinn der Weltausstellung Grund in South Kensington zu kaufen, um dort jene Hochburg naturwissenschaftlicher und kultureller Bildungsinstitutionen zu gründen, deren Fertigstellung Victoria nach seinem Tod verwirklichte.163 Auch die wirtschaftlichen Strukturen des Hofes, speziell des Buckingham ­Palastes, reformierte Albert. Bis dahin durchlässige Kommunikationsnetzwerke wurden von ihm streng kontrolliert. Um der Herausgabe unerwünschter Information durch An­gestellte vorzu­ beugen, wurde der Official Daily Court Circular institutionalisiert.164 Alberts tugend­hafte Regalienporträts der 1840er Jahre bauten in erster Linie auf Störunanfälligkeit; in den 1850er Jahren sollte seine Ikonografie zunehmend dieses gesellschaftspolitische Engagement reflektieren. Prince Albert als Visionär in Winterhalters The First of May Das Ereignisporträt The First of May von 1851 prononciert die von Albert sich selbst zugedachte Rolle innerhalb des Hofes (Taf. 26). An der Bildkonzeption hatte der Prinz maßgeblich Anteil. Victoria schrieb 1871 an ihren Sohn Arthur: “Dear Papa & Winterhalter wished it to represent an Event, like Rubens – & Paul Veronese did, periods of ­History, – without any exact fact […].”165

160 Zum Beispiel unterstützte Albert das Freihandelsgesetz von 1846, das dem Land aus der Wirtschaftskrise half. Der Landadel war gegen das Gesetz, da mit diesem eine Herabsetzung der Getreidezölle einherging. Vgl. Netzer 1988, S. 206. 161 Vgl. Urbach 2011, S. 91. 162 Vgl. diverse Reden und Briefe des Prinzen, die seine Ziele und sein Engagement wiedergeben, beispielsweise seine Rede auf der First Conference of National Education, welche in The Times veröffentlicht wurde, abgedruckt in: Martin 1879, Bd. IV, S. 60 ff. 163 Von Kritikern “Albertropolis” genannt: Imperial College London, Natural History Museum, Royal ­Albert Hall, Royal College of Art, Royal College of Music, Royal Geographical Society, Royal Institute of Navigation, Science Museum und das heutige Victoria & Albert Museum. 164 Vgl. Netzer 1988, S. 201. 165 “[…] it only shows how wrong in fact it is not to paint things as they really are” setzte sie nach, um die Frage des Prinzen zu beantworten, ob das Gerücht stimme, dass er jene geschenkte Schatulle an seinem 21. Geburtstag öffnen dürfe (RA VIC/ADD A15/1728). Der Duke schenkte eigentlich “a gold cup and toys”, vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 88.

3.  Ausnahmefall Albert

Der Prinz dominiert im Hintergrund das Bildgeschehen. Im Vordergrund empfängt sein siebentes Kind, Prinz Arthur, ein Geschenk seines Patenonkels, des berühmten Duke of Wellington – beide hatten am 1. Mai Geburtstag. Der Herzog kniet vor der Königin und bietet ein goldenes Kästchen dar, auf das begehrliche Blicke von Mutter und Sohn gerichtet sind. Der mit ungeduldig strampelnden Beinchen kindlich gezeichnete Junge, gekleidet in eine weiße Tauf-Draperie, reicht seinem Patenonkel im Gegenzug ein Sträußchen Schneeglöckchen als Glücksbringer, wie es am 1. Mai traditionell üblich war. Die Königin bekleidet in diesem Porträt keine Führungsrolle, sondern präsentiert sich als Ehefrau und vor allem als Mutter. Dies unterstreicht ihr Armband, in das eine Miniatur ihres Mannes eingearbeitet ist. Auch trägt sie keine Staatskleidung, sondern ein luftiges rosafarbenes Tüllkleid; einzig der sogenannte Lesser George mit dem drachen­ tötenden Heiligen Georg, umrahmt vom Wahlspruch des Hosenbandordens, ist an der untersten Spitze ihrer Schärpe für den Betrachter sichtbar angeheftet und weist sie als wichtiges Mitglied des Hofes aus. Prinz Albert überragt die Schenkungsszene. Seine Feldmarschalluniform spiegelt diejenige des Herzogs. Er trägt über dem Halsorden des Golden Fleece denjenigen des Order of the Bath sowie den Stern des Hosenbandordens – die drei einflussreichsten Orden Großbritanniens, die zusammen seine höchstmögliche Position innerhalb der höfischen Rangordnung kundtun.166 Unkonventionell setzt Winterhalter hier die typischen Bildelemente eines Regalienbildes ein: Sie hinterfangen nicht nur die Szene, sondern kooperieren mit der Figur des Prinzen. Dessen ausgestreckter Arm stützt die volumi­nöse, rot marmorierte Säule, an die seine Hand die wie eine Flagge wehende rote ­Draperie presst. Das hat zur Folge, dass nicht die symbolträchtige Architektur, sondern Albert selbst den stabilsten Bildpart verkörpert. Seine aufrechte souveräne Pose bietet allen Porträt­elementen Halt. Dieser Führungsrolle gerecht werdend weist sein Auge dem Betrachter die finale Blickrichtung an: nach links, auf den in der Ferne im Hyde Park sichtbaren Crystal ­Palace, in dem die erste Weltausstellung am 1. Mai 1851 eröffnet wurde, und als deren visionäre Initiatoren Prinz Albert und der Staatsbeamte und Erfinder Henry Cole (1808– 1882) gelten.167 Auf Alberts spezielles Verdienst weist der von ihm gehaltene, q ­ uadrierte 166 Vgl. Kat. Art and Love 2010, Abb. 240 zeigt den Badge of the Order of the Bath. Im Katalogtext zum ­Porträt The First of May werden fälschlicherweise nur der Hosenbandorden und der Orden vom Goldenen Vlies benannt, vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 88. Die Verleihung des Order of the Bath im Jahr 1845 war aber besonders wichtig, da Albert zum Acting Grand Master dieses Ordens berufen wurde, sodass er fortan in der höfischen Rangordnung weiter vorne angesiedelt war. Die Verleihung wurde in The Spectator, 05.07.1845, S. 629, bekannt gegeben. 167 Joseph Paxton (1803–1865) hatte die Idee für das Gebäude, den Kristallpalast, der möglichst viel Platz schaffen und Licht hineinlassen, schnell auf- und abgebaut und wiederverwendbar sein sollte. Vgl. Utz Haltern: Die Londoner Weltausstellung von 1851. Ein Beitrag zur Geschichte der bürgerlich-industriellen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Münster 1971, S. 69 ff.

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II.  Die Regalienporträts

architektonische Plan, der dem wertvollen Kästchen und den Glück bringenden Blumen im Zentrum der Bildkomposition begegnet. Die Beflaggung des Palastes markiert, dass die Ausstellung geöffnet ist. Durch die Wolken brechende Sonnstrahlen reflektieren den politischen Glanz des die innovative Ausstellung beherbergenden Kristallpalastes. Als Präsident der Society of Arts stand Albert seit 1843 demjenigen Kreis vor, der 1849 die ersten Ideen zu der internationalen Weltausstellung vorstellte. Auch wenn ­Albert nicht die alleinige Urheberschaft der Gesamtidee zugesprochen werden kann, gilt er als Hauptverantwortlicher für den Grundgedanken der Internationalität und die schnelle und professionelle Planung und Ausführung.168 Der Vorsitzende der für die ­Planung verantwortlichen Royal Commission verbuchte einen enormen Erfolg mit der Great Exhibition, die während ihrer sechsmonatigen Laufzeit von etwa sechs Millionen Gästen aus dem In- und Ausland besucht wurde. Ohne Pannen oder größere Zwischenfälle hatte sie die ihr zugedachte Aufgabe als modernes Friedensfest erfüllt und London und Großbritannien zu ungeahnter Popularität verholfen.169 Gemeinsam mit Cole w ­ urde 170 Albert als Visionär gefeiert. Die Öffentlichkeit hatte insbesondere die Idee der „sozialen Integrationsfunktion“ der Ausstellung schon während der Vorbereitungen verfolgt.171 Vertreter aus dem Politik-, Wirtschafts- und Finanzsektor und aus den Bereichen Wissenschaft, Technik und Kunst waren in der Royal Comission zusammengekommen. Während der Ausstellungslaufzeit gab es sogenannte „Schilling-Tage“, damit sich alle den Eintritt leisten konnten.172 Hinsichtlich der Exponate ging es Prinz Albert um “fair competition” und Vergleichbarkeit von wissenschaftlichem und technischem Fortschritt.173 Inhaltlicher Schwerpunkt war das moderne „Feld der Transport- und Kommunikationsmittel“, wie Eisenbahn, Flugmaschinen, Telegrafie und Fotografie.174 Großbritannien markierte mit der Ausstellung, die britischen Nationalstolz förderte, seinen Führungsanspruch in Bezug auf industriellen Fortschritt. Um die eigene Institution populär zu machen, ­instrumentalisierte

168 Wenn er sich nicht für das Projekt engagiert hätte, wäre es sicher nicht so professionell und so schnell realisiert worden. Wie groß sein strategischer und organisatorischer Anteil am großen Erfolg der Weltausstellung von 1851 gewesen sein muss, lässt sich daraus schließen, dass die folgende Londoner Ausstellung 1862 fast eine Pleite gewesen wäre. Als Hauptverantwortliche 1851 sind außerdem John Scott Russel, Francis Fuller und Thomas Cubitt zu nennen, vgl. Haltern 1971, S. 44 f. 169 Vgl. ibid., S. 53. Die Weltausstellung förderte einen „allgemeinen Souvenirbetrieb“ und Anfänge von „Weltausstellungstouristik“, ibid., S. 173. Zu Befürchtungen und Vorhersagen von Katastrophen, ­welche die Weltausstellung auslösen würde, vgl. Hermione Hobhouse: Prinz Albert und die Weltausstellung von 1851, in: Kat. Vicky and The Kaiser 1997, S. 87–98, S. 87. 170 Vgl. Urbach 2011, S. 94. 171 Vgl. Haltern 1971, S. 58. 172 Vgl. ibid., S. 160. 173 Ibid., S. 46. 174 Ibid., S. 182.

3.  Ausnahmefall Albert

das Königshaus die Great Exhibition. Deren Eröffnungsfeierlichkeiten glichen einem höfischen Akt mit hohem kirchlich-religiösen Anteil; Vokabeln wie „[z]auberisch[]“ oder “fairy scene” dominieren die Impressionen der während der Eröffnungszeremonie Anwesenden.175 Der innovative gläserne Bau des Kristallpalastes des Architekten Joseph Paxton mit Springbrunnen und Bepflanzungen in seinem Zentrum unterstützte eine ­solche Stimmung (Taf. 27). Königlicher Mythos wurde aufgerufen und nährte „ein elementares, romantisch-sentimentales Erlebnisbedürfnis in einer beinahe historisch zu nennenden Art und Weise“.176 Jene die Massen emotionalisierende und mit dem Königshaus eng verbundene Atmo­sphäre verstand Winterhalter in seinem Ereignisbild The First of May zu konservieren. Seine Komposition ruft die Ikonografie der Heiligen Familie auf, angebetet und beschenkt von einem der Heiligen Drei Könige.177 Victoria hält wie Maria ihren Sohn im Arm, ihre strahlenförmige diamantenbesetzte Krone zitiert einen Heiligenschein. Diese trug sie – wie auch das im Bild verewigte rosafarbene Kleid – während der Eröffnungszeremonie der Weltausstellung. Das Kind hält die Maiglöckchen, die in der christlichen Ikonografie als Marienblume gelten und Reinheit und Unschuld symbolisieren. Prince Albert wacht, wie einst Joseph, im Hintergrund, bietet Stabilität und hat, in der Rolle des Versorgers (der Nation), die erfolgversprechende Zukunft fest im Blick. Dem Herzog kommt im Bildnis eine strategische Rolle zu. Der Duke of W ­ ellington genoss seinerzeit große Popularität und wurde als einstiger Napoléon-Bezwinger bei ­Waterloo als Volksheld gefeiert. Als Patenonkel an die königliche Familie gebunden, wurde seine Popularität zugunsten der Monarchie instrumentalisiert.178 In Winterhalters Ereignisbild kniet er gar vor ihr nieder. Der Betrachter wird an seinen Status als militärischer Held erinnert durch das runde, ihn als Colonel-in-Chief jener gegen Napoléon-­ Bonaparte kämpfenden Rifle Brigade ausweisende Abzeichen, welches gut sichtbar in Hüfthöhe das Ordensband schmückt. Sein Handeln, in diesem Fall die Verehrung der königlichen Familie, sollte dem Betrachter Vorbild sein. Winterhalter visualisiert Alberts Vorstellungen von dessen Rolle als im Hintergrund wichtige Fäden ziehender, Stabilität bietender, souveräner Staatsmann. Alberts I­ nteressen 175 Ibid., S. 164 u. S. 167. 176 Vgl. zur Rezeption des „Kristallpalast-Erlebnis[ses]“ in Berichten, Gedichten, Theateraufführungen ibid., S. 167 ff. 177 Für Überlegungen zur königlichen als Heilige Familie vgl. ebenfalls Kat. Art and Love 2010, S. 88; vgl. Thomas Blisniewski: Rezension von: Ingeborg Eismann: Franz Xaver Winterhalter (1805–1873). Der Fürstenmaler Europas, Petersberg 2007, in: Kunstform 10/2009, https://www.arthistoricum.net/en/ kunstform/rezension/ausgabe/2009/10/14155/ (letzter Aufruf: 30.11.2022). 178 Dass Albert sich dessen bewusst war, schrieb er dem Duke of Wellington in einem Brief von 1850, als Wellington noch Command-in-Chief war: “[…] the crown may be said to receive support from the unexampled strength of your position in public opinion.” Brief abgedruckt in: Martin 1876, Bd. II, S. 259 ff., hier: S. 261.

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II.  Die Regalienporträts

erinnern an jene von Kaiser Franz I., zugleich Kaiser und Ehemann von Maria ­Theresia, der sich den Naturwissenschaften und der Landwirtschaft gewidmet, mit großem Geschick in Finanzgeschäften privates Vermögen angehäuft hatte, das dem Staatsbudget zugutekam, und als Mäzen zahlreiche Wissenschaftler unterstützt hatte. Franz’ I. Interessen hatten ebenfalls in sein Porträtprogramm Eingang gefunden, das sowohl aus klassischen Regalienporträts bestand, als auch seine Rolle als aufgeklärter und wissenschaftlich versierter Herrscher propagierte.179 Da der Einfluss Prinz Alberts auf die Porträtkonzeption in diesem Fall mit Hilfe von Victorias Tagebucheinträgen und Briefen nachzuweisen ist, wird die visuell manifestierte Hierarchie seiner Person hinter der Königin als bewusste Strategie erkennbar.180 Ähnliches fixierte der Prinz schriftlich: In einem Brief an Baron Stockmar, reagierend auf anfeindende Zeitungsartikel, die ihm nach dem Rücktritt Palmerstons und kurz vor dem Krimkrieg 1854 heimliche und russlandfreundliche Korrespondenz mit anderen Höfen unterstellt hatten, umriss Albert sein bis dahin wirksames Handeln im Hintergrund: The Constitution is silent as to the Consort of the Queen; – even Blackstone ignores him, and yet there he was, and not to be done without. As I have kept quiet and caused no scandal, and all went well, no one has troubled himself about me and my doings; and anyone who wished to pay me a compliment at a public dinner or meeting, extolled my ‘wise abstinence from interfering in political matters’. Now when the present journalistic controversies have brought to light the fact, that I have for years taken an active interest in all political matters, the public, instead of feeling surprise at my reserve, and the tact with which I have avoided thrusting myself forward, fancied itself betrayed, because it felt it had been self-deceived.181

Seine aus dem Brief sprechende Entrüstung ist nachvollziehbar, da er bildlich seit 1851 durchaus sein Befassen mit “political matters” hatte durchscheinen lassen. Als Alberts Unschuld bewiesen war, erhielt er nicht nur Reputation im spezifischen Fall der Vorwürfe. Vielmehr würdigten Unter- und Oberhaus sein gesamtes positives Engagement der vergangenen Jahre öffentlich, ebenso wie seine Verdienste und seinen Charakter.182 Die offizielle Debatte zog seine Ernennung zum Prince Consort nach sich. Zwar kam es zu keinem parlamentarischen Beschluss, doch Königin Victoria nahm sich des Problems 179 Vgl. Braun 2016, S. 226. 180 Victoria schrieb in ihr Tagebuch zur Porträtgenese: “[…] Winterhalter did not seem to know how to carry it out, so dear Albert with his wonderful knowledge & taste, gave W. the idea.” Victoria’s Journals, Bd. 31, S. 257 (21.05.1851). Netzer kommt nach umfassender Analyse von Prinz Alberts Schriftverkehr überzeugend zu dem Ergebnis, dass Albert, wie dieser selbst anmerkt, „stets […] im Namen der Königin [handelte].“ Schriftlich formulierte Anweisungen, Memoranda, Darstellungen des Standpunktes des Hofes zu bestimmten Fragen sind grundsätzlich in ihrem Namen formuliert. Vgl. Netzer 1988, S. 200. 181 Brief abgedruckt in: Martin 1876, Bd. II, S. 560. 182 Für eine Spezifikation der verfassungstheoretischen Einordnung von Prinz Alberts Rolle und Texte der Debatten vgl. Kraus 2004, S. 121 ff.

3.  Ausnahmefall Albert

an. Sie informierte 1857 ihren Onkel über ihren Entschluss: “You know that people call Albert ‘Prince Consort’, but it never had been given him as a title, so I intend to confer it to him merely by Letters Patent.”183 Das Ölbildnis The First of May hing, für jeden Besucher des Windsor Castle gut sichtbar, in dessen Corridor. Für das Volk käuflich zu erwerben waren seit 1852 ­Drucke bei Paul & Dominic Colnaghi in London, welche der Hof in Auftrag gegeben hatte.184 Mit der Verbindung der Institution Monarchie mit der erfolgreichen Weltausstellung und dem nationalen Volkshelden von Waterloo – das dem Bild seinen Titel schenkende Datum bildet hier ein Scharnier – in dem fiktiven Ereignisbild The First of May wird bildpropagandistisch ein emotionales Band zwischen Volk und Krone beschworen; eine Strategie, die bereits für die Tugendporträts des britischen Hofes herausgearbeitet werden konnte.185 Alberts Wirkungskreise: Ein Prinzgemahl der Tat 1859 sollten zwei neue Porträts das Image des britischen Hofes auffrischen. Zum monumentalen Porträt der sitzenden Queen im Krönungsmantel konzipierte Winterhalter ein lebensgroßes Pendant des Prinzen, dessen Botschaft bis jetzt von der Forschung nicht hinlänglich entschlüsselt wurde (Taf. 24 u. Taf. 28).186 Das Porträt beziffert Alberts Einflussnahmen und die Relevanz seiner Position als Prince Consort für die britische Gesellschaft deutlicher als alle bisherigen Ölporträts: Albert steht in einem fiktiven Innenraum, eine geraffte rote Draperie schlingt sich um eine voluminöse Säule und überfängt baldachinartig die Szene. Im Gegensatz zur klaren Verortung Victorias in London, lässt sich Alberts Standort nicht eindeutig benennen; der Ausblick zeigt eine Wasserbucht.187

183 Weiter heißt es: “I should have preferred its being done by Act of Parliament, and so it may still be at some future period; but it was thought better upon the whole to do it now in this simple way.” Brief vom 23.06.1857, abgedruckt in: Martin 1879, Bd. IV, S. 63 f. 184 London published Novr. 6th. 1852 by Paul & Dominic Colnaghi & Co. 13 & 14 Pall Mall East (RCIN 605780). Außerdem existiert ein Foto, das Albert in einem seiner Fotoalben archivierte (RCIN 2800632). 185 Vgl. Kap. I. 3. u. 4. Paulmann konstatiert, dass „die internationalen Weltausstellungen […] in den ­ersten Jahrzehnten ihrer Existenz […] nicht nur nationalstaatlich, sondern auch, was von der Forschung bisher wenig beachtet worden ist, monarchisch geprägt [waren].“ Id. 2000, S. 332. 186 Vgl. zum Porträt der Königin Kap. II. 2.; vgl. zum Porträt des Prinzen Reisberg 2009: “[d]irect refer­ ences to Prince Albert’s contentious involvement with politics and the government are carefully avoided in this painting.” Reisberg 2009, S. 88 ff., hier: S. 89. Dem widersprechen die oben folgenden Forschungsergebnisse. 187 Der “Boulle Table” neben Albert stand zu diesem Zeitpunkt, laut Recherchen von Oliver Millar, im ­Buckingham Palace, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 296 f. Reisberg schlägt vor, dass es sich um einen Blick auf den Hyde Park handelt, dorthin, wo einst der Kristallpalast stand, vgl. id. 2009, S. 90.

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II.  Die Regalienporträts

Der sichtlich gereifte 39-jährige forciert Blickkontakt mit dem Betrachter. Mit hervorgestreckter Brust in diszipliniert-militärischer Haltung steht der Prince Consort im Bildraum, den mit idealisierter Wespentaille versehenen Körper im Profil präsentierend.188 Die linke Hand stützt er auf seinen Säbel, den rechten Daumen hat er in seinen Gürtel gehakt. Seine versetzte Beinstellung wird von dem sanften Schwung der Waffe nachgezeichnet und zeugt von aristokratischer Eleganz. Zwei vergoldete Möbelstücke im Régence-Stil – ein Höckerchen und ein Tischchen – flankieren ihn. Diverse Zeichen konturieren Alberts militärische, politische und nicht zuletzt s­ eine gesellschaftliche Position: Der Prinzgemahl trägt die dunkelgrüne Uniform der Rifle ­Brigade, deren Colonel-in-Chief er seit dem Tod des Duke of Wellington 1852 war. Sein Gehrock ist reich dekoriert mit dem Halsorden des Golden Fleece, dem Bruststern des Hosenbandordens und dessen schwarzblauem Ordensband, an welches das runde Ab­ zeichen der Rifle Brigade geheftet ist. Links auf dem mit grünem Samt bezogenen goldenen Höckerchen liegt Alberts Shako, die traditionelle Kopfbedeckung zur Uniform, die aufgrund ihres Gewichts und ihrer Größe in erster Linie Repräsentationszwecken ­diente.189 Prinz Alberts Baton, Insigne seines hochrangigen militärischen Postens, liegt rechts im Bild auf einem roten Ordensmantel: Der Marschallstab ist als ehemaliger Besitz des Duke of Wellington zu identifizieren, das Baton von 1813 ist geschmückt von ­einer goldgefassten Statue des Heiligen St. Georg zu Pferde mit im Kampf gegen den ­Drachen gezücktem Schwert. Abbildungen der berühmten Baton-Sammlung des Duke of ­Wellington waren in dessen Todesjahr in Zeitschriften wie The Illustrated London News abgedruckt.190 Somit wird der Betrachter den im Bild expliziten Hinweis auf die Nachfolgesituation von Prinz Albert verstanden haben. Der Glanz des populären Volkshelden Wellington wurden erneut, wie in The First of May, auf den Prinzen übertragen. Albert hatte die Tatsache, dass die Königin als Frau die traditionelle Rolle des Oberbefehlshabers über die Armee nicht ausführen konnte, schon lange als “source of great weakness to the Crown” empfunden.191 Als er 1850 das Angebot abgelehnt hatte, den Oberbefehl über die Armee zu übernehmen, hatte er dem Duke of Wellington diesbezüglich dennoch seine Unterstützung zugesichert: 188 Die Militäruniform symbolisierte seinerzeit eine Gegenbewegung zur schlichten Kleidung des Mannes. Noch gehörte die geschnürte Wespentaille zum Idealbild des militärisch bekleideten Körpers, im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde solche Silhouette als „Militärkrinoline“ angeprangert. Brändli 1998, S. 210. Vgl. dazu auch Winterhalters Regalienporträt von Napoléon III., Kap. II. 4. 189 Dass der Shako im Bildnis präsentiert wird, entbehrt nicht eines gewissen selbstironischen Humors, da Alberts Design-Vorschläge, den unpraktischen Shako zugunsten einer leichteren und funktionaleren Kopfbedeckung verändern zu wollen, seit Jahren in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht wurden. Punch zeichnete Albert grundsätzlich mit dieser Kopfbedeckung. Vgl. Kat. Vicky and The Kaiser 1997, S. 209. 190 The Illustrated London News, 11.12.1852. 191 Martin 1876, Bd. II, S. 261.

3.  Ausnahmefall Albert [T]he Sovereign, being a lady, cannot exercise that command as she ought, and give the Commander-inChief that support which he requires under ordinary circumstances, and that consequently it becomes my additional and special duty to supply the wants in this respect, and to bestow particular care and attention on the affairs of the army.192

Alberts Übernahme der Position des Colonel-in-Chief der Rifle Brigade 1852 entfachte enormes Marketing-Potential. Die Brigade war besonders populär und galt als außerordentlich mutig. Unter der Führung des Duke of Wellington hatte sie großen Anteil am Sieg von Waterloo 1815 gehabt. Die Truppeneinheit bestand aus Präzisionsschützen, die im Verborgenen kämpften und den Gegner gezielt vor der eigentlichen Kampflinie zu schwächen versuchten. Das psychologische Profil der Soldaten erforderte besondere Kühnheit sowie ausgezeichnete strategische Fähigkeiten. Der Tarnung wegen waren ihre Uniformen dunkelgrün, im Kontrast zu den anderen, meist roten britischen Uniformen. Im Porträt indizieren grün eingebundene, vergoldete Bücher auf dem Beistelltischchen unter den Quasten der Ordenskulane Alberts strategische Tätigkeiten als Colonel-inChief. Auch das dunkelgrüne Höckerchen trägt die Brigadenfarbe. Durch den mit dem Pariser Frieden 1856 beendeten Krimkrieg genoss die Rifle Brigade in den 1850er J­ ahren große Popularität. Ihre Soldaten wurden als Helden gefeiert und einige öffentlich mit dem Victoria Cross ausgezeichnet; erstmals konnten diesen Orden auch Soldaten ohne aristokratischen Titel erhalten. Die Rifle Brigade symbolisierte den Nationalstolz der Mittel­klasse und bildete eine wichtige Brücke zwischen Krone und Volk. Winterhalters Porträt von Albert in der Rolle des Brigade-Chefs sollte das Volk einmal mehr emotional an die Monarchie binden. Nach Alberts Tod erhielt die Brigade die ihn ehrende Zusatzbezeichnung The Prince Consorts Own. Neben dem militärischen Rang des Prinzen fokussiert Winterhalters Regalienporträt Alberts Position als Great Master des Order of the Bath. Über einem nur durch einen vergoldeten Löwenfuß sichtbar gemachten Thronsessel quillt der voluminöse, mit dem Ordensstern bestickte, purpurfarbene und weiß gefütterte Mantel des Most Honourable Order of the Bath ins Bild. Auf dem Mantel liegt Alberts Ordenskette. Die Königin hatte 1843, als ein neuer Großmeister für diesen vierthöchsten Ritterorden Groß­britanniens berufen werden musste, die Chance ergriffen und Albert ausgewählt. Die Position eines Great Master hebt den Inhaber über jedes normale Mitglied jedes anderen Ordens. Somit standen in der Rangfolge vor Prinz Albert einzig die drei anderen Großmeister. Dieser Umstand wird bis 1857, als Albert den königlichen Titel Prince Consort erhielt, ­eine wichtige Rolle für die höfische Rangordnung eingenommen haben.193 Da Albert im Bildnis weder die Ordenskulane noch die Ordenskette trägt, sondern beide Insignien im Bildhintergrund positioniert sind, liegt der Schluss nahe, dass die Präsentation seiner 192 Ibid. 193 Schon Elizabeth I. sicherte sich mit der Rolle der Großmeisterin des Hosenbandordens Macht innerhalb der männlich geprägten Machtverhältnisse am Hof, vgl. Waddington 1993, S. 97 ff.

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Ordenszeichen in erster Linie der Möglichkeit geschuldet war, den Krönungsmantel der Queen adäquat in Bezug auf Rang, Pomp und Komposition spiegeln zu können. Die rote Ordensfarbe bot den immensen Vorteil, dass sie mit den Farben der königlichen Insignien korrespondierte. Militär und Ordensarbeit bekunden die höfisch-repräsentativen Seiten von Alberts Aufgaben. Dessen Arbeitsalltag und gesellschaftspolitische Interessen dokumentierte Winterhalter ebenfalls detailliert. Neben den grünen Büchern ragen zwei in Seiden­papier geschlagene, aufgerollte großformatige Pläne über den Tischrand. Sie mögen als ein Hinweis auf Alberts zur Zeit der Werkgenese bereits angelaufenes städtebauliches Projekt zu verstehen sein, auf dem von dem Gewinn der Weltausstellung gekauften Grund in South Kensington wissenschaftliche Institutionen zu etablieren. Zusätzlich lehnen unter dem Tischchen drei großformatige, üppig gefüllte Ledermappen und Portfolios, deren Inhalt teilweise bereits gebunden ist, teilweise noch bearbeitet zu werden verlangt. Jene ­Papiere sind Indizien für Alberts praktischen Arbeitsalltag und damit auch für sein sozialpolitisches Engagement. Die inhaltsschweren Unterlagen wurden von Winterhalter für den Betrachter zum Greifen nah kompositorisch hervorgehoben: Scheinbar über die ­Grenze des Bildträgers hinaus ragen sie in den Betrachterraum und erhalten derart zentralen Stellenwert für die Bildbotschaft. Ihre unrepräsentative Unordnung leistet das Authentizitätsversprechen, dass die Arbeitsutensilien nicht nur dekorativen Charakter haben. Im Gegensatz dazu verschwindet übrigens der die rein repräsentativen Aufgaben des Prinzgemahls betonende Shako fast im Dunkel. Das großformatige Ölbildnis zeigt einen Darstellungsmodus, den Albert im ­Medium der Fotografie konkretisiert hatte (Abb. 42). Auf käuflich zu erwerbenden cartes de v­ isite erschien der Prinz grundsätzlich in Zivilkleidung abgelichtet. In einer Serie des Foto­ grafen Camille Silvy fanden neben dem stehenden oder sitzenden Albert auf einem Tisch, einem Stuhl oder auf dem Boden jene Bücher- und Papierstapel und Folianten Platz, die auch im Regalienbildnis von 1859 auf seinen Arbeitsalltag verweisen. Die in der Fotoserie zu beobachtende Standardisierung dieses Modus’ legt offen, wie nach und nach eine individuelle Ikonografie entwickelt wurde, die Winterhalter schließlich in eine höfische Porträtform eingliederte. Das Bildnis entstand eineinhalb Jahre vor Alberts frühem Tod. Es hing gemeinsam ­ ieser Ort ­hatte mit dem der Queen “on the Minister’s staircase” im Buckingham Palace.194 D in erster Linie eine praktisch-politische und weniger eine repräsentative B ­ edeutung.195

194 Später wurde es laut einem Inventar-Katalogeintrag von 1909 in die “Marble Hall or Grand ­Entrance Corridor” gehängt, vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 297. Eine Kopie für die National ­Portrait Gallery in London wurde 1867 bei Winterhalter bestellt; sie hängt bis heute dort. Es gab auch eine Miniatur nur des Kopfes von William Charles Bell, die Albert weitaus jünger zeigt, in der Alberts blaue Augen mit den royalblauen Rändern des Ordensbandes korrespondieren (RCIN 422107). 195 Vgl. Kap. II. 2.

3.  Ausnahmefall Albert

42  Camille Silvy: Prince Albert, Prince Consort, 1861, carte de visite, 8,5 × 5 cm, London, Royal Collection

Prinz Albert erhebt Anspruch auf politische Machtteilhabe und d ­ emonstriert hier die ihn legitimierenden Gründe: Winterhalter verband traditionelles Regalienbildschema und klassische Repräsentationsaufgaben mit zeitgemäßen modernen Tätigkeitsfeldern eines engagierten Prince Consort. Die 1850er waren innen- wie außenpolitisch erfolgreiche Jahre gewesen. Groß­britannien stieg, nicht zuletzt der Weltausstellung von 1851 wegen, zur führenden Industrie­nation auf. Winterhalters Porträt von 1859 dokumentiert Prinz Alberts Anteil an dieser Entwicklung. Seine Erfolge wurden für die Institution Monarchie fruchtbar gemacht. ­Alberts ­Legitimationsgrundlage war seine Arbeitsleistung. Demnach hat Winterhalter Albert – Martin Wredes erwähnter These entsprechend – als „Prinzgemahl der Tat“ konturiert. * Albert, als britischer Prince Consort und Ehemann einer regierenden Königin ­eines mächtigen Reiches, stellt eine Ausnahme innerhalb Winterhalters Werk dar. Ohne auf

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konkrete Vorbilder Bezug zu nehmen, entwickelten der Herrscher und Winterhalter in mehreren Stufen eine Alberts politische Ambitionen spiegelnde, individuelle Ikono­ grafie.196 Das ritterliche heroische Image, das unter anderem das erste offizielle Porträt im Hosenbandorden transportierte, wurde nicht langfristig verfolgt. Alberts politisches Engagement lockerte „die Identifikation der Krone mit dem Hochadel“ und gab ihr ein neues Profil, das „mehr Verständnis für das Bürgertum und die Arbeiter beinhaltete“.197 In den 1850er Jahren wurde der Fokus in seinen Porträts auf militärisches und vor allem sozialpolitisches Engagement verlegt und sein aktiver Einfluss auf die britische Politik und Gesellschaft thematisiert. Albert ist kaum nur über seine außergewöhnliche Stellung oder Titel zu definieren, sondern über seine Arbeit. Insofern stellen seine späten Porträts eher hybride Bildformen zwischen Tugend- und Regalienporträt. Prinz Alberts Wirken verband geschlechtsspezifische Herrschaftsfelder. Die von ­Katrin Keller als weiblich identifizierten Handlungsfelder von Herrscherinnen der ­Frühen Neuzeit, wie „Familienpolitik“ und „Repräsentation“ im Sinne von „Kommunikation von Herrschaft“ sowie Rollen wie der „Ratgeberin“ oder Netzwerkerin, werden in der Ikonografie von Albert akzentuiert.198 In den vergangenen Kapiteln konnte aufgezeigt werden, dass während Alberts erster Jahre am britischen Hof seine Wirkungskreise als Kindererzieher und politisch ratgebender Partner der Königin in der Öffentlichkeit mit Hilfe von Tugendporträts kommuniziert wurden. Seine Tätigkeitsbereiche paarten somit herkömmlich weibliche mit männlichen Rollenbildern und Handlungsfeldern, wie sie die Weltausstellung oder das Militär boten. All diese sind von Winterhalter sorgfältig aufbereitet. Im Vergleich mit Porträts von Ehefrauen Herrschender fällt auf, dass eine regierungspolitische Teilhabe für angeheiratete Männer weitaus unproblematischer und selbstverständlicher zu gestalten war. Ein anderes imagebildendes Wirkungsfeld fand somit indirekt Eingang in das Werk des deutschen Künstlers: das Mäzenatentum, das seit der Frühen Neuzeit als traditionelles H ­ andlungsfeld von HerrscherInnen gilt. Prinz Albert legte mit seinem Engagement auf ­sozial- und bildungspolitischen Gebieten das Fundament für weitreichende Wohl­tätig­keit des britischen Hofes. Victoria wurde im Laufe ihres Lebens Schirm­herrin von über 50 Ver­einen. Sie und Albert waren großzügige Mäzene und „[g]emeinsame[] ­soziale[] ­Verantwortung [einte die Nation]“; die Königin wurde „zum Symbol für Gemeingeist und des sozialen ­Fortschritts.“199 Volker Sellin identifiziert die „­Philanthropie“ von ­Albert und ­Victoria als dominanten Faktor für den erfolgreichen Fortbestand der Britischen ­Monarchie.200

196 Zum Porträtprogramm von Queen Annes Ehemann Georg von Dänemark, und warum es sich nicht als Vorbild eignete, vgl. Reisberg 2009, S. 67 f. 197 Netzer 1988, S. 211. 198 Vgl. Keller 2016, S. 22. 199 Sellin 2011, S. 252. 200 Ibid., S. 250.

4.  Konstruierte Tradition

Albert gilt der heutigen Forschung als „Meister der Inszenierung“.201 Zusammen mit Victoria leistete er Pionierarbeit in höfischer Öffentlichkeitsarbeit. Er verbesserte nachhaltig und fortwährend das Image des Hofes, stets in enger Zusammenarbeit mit seinen Hofmalern, allen voran Winterhalter. Wendepunkt innerhalb seiner Entwicklung zum wichtigen und einflussreichen Staatsmann war die Weltausstellung von 1851, w ­ elche wohl auch Victoria als seinen größten Coup ansah: Das von ihr in Auftrag gegebene, 54 Meter hohe Albert Memorial in South Kensington bildet ihren Ehemann sitzend unter einem Baldachin ab, dessen Säulen von Allegorien des Ingenieurwesens, der Landwirtschaft, der Industrie und des Handels umgeben sind – in der Hand hält Prinz Albert den Katalog der Great Exhibition von 1851. Gekleidet ist er übrigens in den Habit des Hosen­ bandordens. Jenes Image hatte Winterhalter bereits zu Alberts Lebzeiten für das Volk konsumierbar gemacht.

4. Konstruierte Tradition: Winterhalters offizielle Regalien­ porträts des französischen Kaiserpaares Napoléon III. und Eugénie von 1854 « Napoléon, par la grâce de Dieu et la volonté nationale, empereur des Français. »202 Mit diesen Worten endeten die Feierlichkeiten um die Investitur Napoléons III. am Abend des 2. Dezember 1852 im Thronsaal der Tuilerien. Napoléon III. war am 7. November 1852 bereits per Senatsbeschluss zum Kaiser ernannt worden und ließ dies im Nachhinein mit einem Plebiszit von über 7,5 Millionen Ja-Stimmen legitimieren.203 Dieses Ergebnis wurde an jenem Dezemberabend öffentlich verkündet. Anstelle einer Krönung ­hatte man sich mit einer kleinen religiösen Zeremonie begnügt.204 Die Struktur der neuen Verfassung entzog dem Parlament weitgehend seinen Einfluss, der Kaiser bildete ­Frankreichs Machtzentrum; Rechenschaft zollte er dem Volk, nicht der Regierung – so die strategisch vermarktete Bindung der französischen Nation an das Kaisertum. Napoléon III. hatte damit denselben Balanceakt zu vollführen wie schon Napoléon I., nämlich die Legitimation von Gottes Gnaden, die auf dem Wohlwollen des ­Volkes ­fußte. Dieser Spagat spiegelt sich in den Inhalten, mit denen der politische Kommunikationsraum bespielt wurde.

201 Urbach 2011, S. 95. 202 So heißt es in der Promulgation vom 02.12.1852. 203 Von insgesamt circa 9,5 Millionen Wahlberechtigten, vgl. Klaus Deinet: Napoleon III.: Frankreichs Weg in die Moderne, Stuttgart 2019, S. 112. 204 Papst Pius weigerte sich eine Krönung in Frankreich abzuhalten und verlangte Auflagen, die Napoléon III. nicht erfüllen wollte, vgl. Pierre-Guillaume Kopp: Die Bonapartes. Französische Cäsaren in Politik und Kunst, München 2013, S. 165.

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II.  Die Regalienporträts

43  Anonym: Louis-Napoléon ­Bonaparte, ­Représentant du Peuple, Président de la ­République française, um 1848, 58,1 × 36,1 cm, verlegt von Pellerin (Épinal), Paris, Bibliothèque nationale de France

Während seiner vierjährigen Landesführung als Prince-Président hatte Louis-Napoléon ein individuelles Image als Sozialpolitiker aufgebaut; seine Publikationen hatten ihn „als fachlich versierte[n] Staatslenker“ ausgewiesen, „dessen ökonomische und militärische Kenntnisse Wohlfahrt und Sicherheit der französischen Nation garantierten“.205 Das Image des charismatischen Herrschers vor der emotionalisierten Masse hatte der ­Kaiser bereits während seiner Präsidentschaftszeit in Stichen in Umlauf gebrachter Porträts perpetuiert, in denen er sich autoplausibel in die Nachfolge Napoléon-Bonapartes stellte (Abb. 43).206 Doch konnte dieses sozialgewichtige Image Pate stehen für ein Bildnisprogramm des Zweiten Kaiserreichs? Léon de Laborde, Präsident der Sektion für die Schönen Künste der Weltausstellung von 1855, bewertete die möglichen Richtungen, in die sich der offizielle Kunstgeschmack bewegen konnte: « La liberté dans les arts, c’est l’inspiration, l’invention, l’originalité; c’est 205 Knauer 2011, S. 47. 206 Einige umfangreiche Reisen in französische Provinzen, in denen der Kaiser Fabriken, Katastrophengebiete oder Wohltätigkeitsinstitutionen besuchte, festigten diesen Ruf, vgl. Deinet 2019, S. 104; zur Visualisierung des Images als Volksrepräsentant vgl. Knauer 2011, S. 59 ff.

4.  Konstruierte Tradition

aussi l’instabilité. La règle, c’est la mesure, la tradition, l’autorité des maîtres, c’est-à-dire la stabilité. »207 Da auch in Zeiten gewollten politischen Umbruchs eine gewisse Kontinuität dem Volk Sicherheit und Stabilität suggeriert, war Erfindungsreichtum in Sachen Neugestaltung und Anpassung eines traditionellen Bildnisprogramms gefragt. Den Auftrag für die ersten Regalienporträts des Kaiserpaares erhielt Winterhalter, gleichwohl er für das vorangegangene Régime gearbeitet hatte. Sein hochkarätiger Ruf als Monarchenmaler wird das französische Kaiserpaar veranlasst haben, sich von demselben Künstler abbilden lassen zu wollen, wie alt eingesessene Monarchien es taten.208 Winterhalters Regalienporträts waren die mit Abstand teuersten des gesamten Second Empire. Sie transportierten fortan in über 500 Kopien das Antlitz des Kaiserpaares in alle Welt. An welchen Traditionen und Vorbildern sich Winterhalter orientierte und welche Veränderungen und Brüche er wagte, soll im Folgenden untersucht werden. Traditionswahrung Johannes Paulmann erklärt, dass „der mehrfache Regimewechsel seit der Französischen Revolution […] die Traditionswahrung erheblich [erschwerte]“ und wie die Verantwortlichen des Second Empire diesen „Wissensverlust“ zu kompensieren suchten.209 Der Großteil des alteingesessenen Adels mied den Hof, Napoléon III. selbst war nicht bei Hofe aufgewachsen. Jener zeremonielle Kenntnisverlust verantwortete zahlreiche Diskontinuitäten in der Ausführung von Zeremonien oder Empfängen, welche aristokratischen, oft ausländischen Gästen auch auffielen, zum Beispiel 1853 dem ehemaligen britischen Außenminister, dem 3. Earl of Malmesburry. Er beschreibt die von ihm besuchte Feier zwar als “splendid”, aber: “I observed that the members of the household appeared not to have perfectly learned their parts […] but when each actor becomes acclimatized by time it will be a magnificient Court […].”210 Mit dem Ziel, diese Mängel möglichst rasch zu beheben, sammelten die Verantwortlichen bei anderen Höfen zeremonielle Informationen. In Vorbereitung auf den Besuch des britischen Königspaares ließ Napoléon III. beispielsweise in Wien anfragen, wie das klassische Zeremoniell der Inszenierung großartiger Feste bei Hofe auszusehen habe und 207 Léon de Laborde: Quelques idees sur la direction des arts et sur le maintien du gout public, Paris 1856, S. 2 (Laborde 1856 a). 208 Die Bemühungen des französischen Kaiserpaares öffentliche Anerkennung beispielsweise des britischen Königshauses zu erlangen, sind gut dokumentiert. Diverse Schriftwechsel belegen, dass Napoléon III. den Krimkrieg nutzte, um das britische Königspaar auf diplomatischem Weg zu einem groß angelegten Treffen in London und jenen Gegenbesuch in Paris 1855 zu zwingen. Auch die Verleihung des Hosenbandordens von der Queen war für ihn ein wichtiges Ereignis, um in den Kreis der alteingesessenen Monarchien zu gelangen. 209 Paulmann 2000, S. 296 ff. 210 Lord Malmesbury: Memoirs of an ex-minister. An autobiography, 2 Bde., Bd. 1, London, 3. Auflage 1884, S. 394, zitiert nach Paulmann 2000, S. 297 f.

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II.  Die Regalienporträts

erhielt einen zwanzigseitigen „Aufsatz über das Zeremoniell […], welches von Seite des kaiserlichen Hofes bei dem Empfange fremder Souverains und Prinzen beobachtet zu werden pflegt“.211 Eric Hobsbawm und Terence Ranger formulieren, basierend darauf, dass R ­ ituale und Zeremonien wesentliche Pfeiler monarchischer Legitimationsstrategien sind, die Grundlagen ihres Konzeptes in The Invention of Tradition: ‘Invented tradition’ is taken to mean a set of practices, normally governed by overtly or tacitly accepted rules and of a ritual or symbolic nature, which seek to inculate certain values and norms of behavior by repetition, which automatically implies continuity with the past. In fact, where possible, they normally attempt to establish continuity with a suitable historic past.212

Weiter erklärt Hobsbawm typische Charakteristika: “[…] the pecularity of ‘invented’ traditions is that the continuity with it is largeley factitious.”213 Das Konzept der konstruierten oder erfundenen Tradition lässt sich auf die Legitimationspolitik des Second Empire übertragen: Nicht nur wurde künstlich eine Dynastie erschaffen; sich überzeugend in das Erbe napoleonischer Herrschaft zu stellen, bedeutete einen Umweg über den unpopulären Napoléon François Bonaparte zu gehen, welcher titularisch zwei Wochen als Napoléon II. regiert hatte.214 Sondern auch über diesen Coup hinaus suchten die Verantwortlichen gesellschaftliche Stabilität zu generieren, indem über etablierte höfische Traditionen und Referenzen auf die Vergangenheit eine soziale Identität für das Second Empire kreiert wurde.215 Das beinhaltete auch Rituale und Zeremonien zu erfinden. Mit Hilfe monarchisch konnotierter Zeichen wurde entsprechend jeder performative Akt, jeder gesellschaftliche Anlass, jedes Bild und jeder politische Auftritt sorgfältig in ­Beziehung gesetzt zu allgemeinen Monarchievorstellungen oder speziell napoleonischen Assoziationen. Die Konturierung einer Dynastie war oberstes Gebot der Öffentlichkeitsarbeit. Folge­richtig zielte das Second Empire auf die Konstitution eines traditionellen b ­ ewährten

211 Dieser wird skizziert bei Paulmann 2000, S. 299 f., der Einsicht in das Originalmanuskript hatte: HHSTA, NZA 324, R. XV (1855) Nr. 170. 212 Eric Hobsbawm: Introduction. Inventing Traditions, in: id. u. Terence Ranger (Hg.): The Invention of Tradition, Cambridge 1984, S. 1–14, S. 1. Die vorliegende Arbeit folgt hier lediglich der Idee von einer erfundenen Tradition als legitimierendes Herrschaftselement im 19. Jahrhundert. Den Ausführungen Hobsbawms zur britischen Monarchie und deren linear verlaufender, immer stärker werdender öffentlicher Beliebtheit im Verlauf des 19. Jahrhunderts aufgrund erfundener Traditionen ist so nicht zuzustimmen, wie an entsprechenden Stellen in dieser Arbeit diskutiert wird. 213 Hobsbawm 1984, S. 2. 214 Historisch wird meistens erst ab der dritten Generation eines Geschlechts von einer Dynastie ge­ sprochen. 215 Vgl. die Überlegungen von Matthew Truesdell: Spectacular Politics. Louis–Napoleon Bonaparte and the Fête Impériale, 1849–1870, Oxford 1997, S. 55–80.

4.  Konstruierte Tradition

Herrscherbildes, das dem Volk vertraut war. Dafür war ein Hofmaler, der zu diesem Zeitpunkt zu einem der produktivsten und populärsten Europas aufgestiegen war, zweifelsfrei eine effektive Wahl. Kaiserin par excellence Zwei Regalienbildnisse gab das französische Kaiserpaar 1853 bei Winterhalter in Auftrag. Das lebensgroße Porträt der Kaiserin ruft klassische Herrscherikonografie auf und referenziert kontinuierlich das Erste Kaiserreich (Taf. 29). Vor raumgreifender, goldbesetzter, roter Draperie und Säulenpostament sowie einem reich verzierten Thronstuhl posiert Eugénie. Ihre ernste Miene beantwortet den Betrachterblick. Eugénies für ihre Schönheit bekannte Physiognomie ist hier sehr stilisiert wiedergegeben. Die auf­rechte Figur präsentiert im Profil eine modische, über einer Krinoline liegende Robe aus weißer französischer Spitze; besonders aufwendig arbeitete Winterhalter die mehrlagige Spitzen­partie über der Büste heraus. Die Pose ermöglicht den Blick auf ein zeremonielles Kleidungsstück, das während des Ersten Kaiserreichs eingeführt wurde: ein auf der ­Hüfte ansetzender manteau de cour, hier aus grünem mit goldener Brokatborte gesäumtem Samt, dessen Stofffülle erst außerhalb des Bildraums zu enden scheint.216 Unklar wirkt auf den ersten Blick die Geste ihrer rechten Hand, die über der Krone schwebt; der ausgestreckte Zeigefinger weist weder genau auf die Krone noch eindeutig in den Hintergrund. Erst der Vergleich mit dem Pendantporträt wird diesbezüglich Aufschluss geben. Ein Programm bedeutsamer Insignien, Orden und Schmuckstücke dekoriert die Kaiserin. Die napoleonische Dynastie wird angerufen, gleichzeitig werden die traditio­ nellen politischen Handlungsfelder der Herrscherin wie das geschlechtsspezifische Tugend­ideal der Wohltätigkeit abgesteckt. Im Haar trägt Eugénie ein individuell für sie aus altem Insignienmaterial von Alexandre-Gabriel Lemmonier angefertigtes Diadem, bestehend aus 212 Perlen. Es heißt, die krönende Perle entstammt dem Besitz Napoléon-­ Bonapartes.217 Auf einem Insignienkissen liegt eine mit rotem Samt gefütterte Krone, die zum Zeitpunkt der Werkentstehung noch nicht fertig gestellt war, weshalb ­Winter­halter sie ­anhand von Skizzen Lemmoniers ausgeführt haben wird.218 Deren niedriges, in ­engem Winkel rund gebogenes Design knüpft an die Form derjenigen Krone an, mit der 216 Vgl. Lex. Mode und Kostüm 2011, s. v. „Courschleppe“ (Ingrid Loschek), S. 159. Grün war keine offi­zielle heraldische Farbe des Empire, aber Eugénies Lieblingsfarbe, wie schon diejenige Napoléon-­Bonapartes. Reisberg 2016, S. 144 vermutet, dass ein grünes Samtbanner über Napoléon-Bonapartes sacre für die Farbauswahl verantwortlich sein könnte. 217 Vgl. OA 11369, Documentation, Musée du Louvre. Der Archiveintrag informiert, dass das verwendete Material ursprünglich zu einer Parure von Napoléon-Bonapartes zweiter Ehefrau Marie-Louise ­gehörte. 218 Winterhalters Krone weicht vom im Musée du Louvre ausgestellten Original ab: Das Original ist mit Rubinen besetzt, außerdem weisen die Lorbeerblätter eine andere Form auf, vgl. AN O/5/2319; vgl. auch McQueen 2011, S. 138, Anm. 28; vgl. OA 11160, Documentation, Musée du Louvre. Ähnliche Überlegung bei Reisberg 2016, S. 142.

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II.  Die Regalienporträts

Napoléon-­Bonaparte Joséphine gekrönt hatte, wie Jacques-Louis Davids großformatigem Bild Le sacre de L’Empereur Napoléon von 1807 (Musée du Louvre, Paris) zu entnehmen ist. Diesen Stil aufgreifend alternieren diamantene Lorbeerblätter acht goldene Adler, deren Flügel die Bögen der Krone formen. Oben schließt die Krone mit einem diamantbestückten Reichsapfel ab. Smaragde setzen grüne Akzente. Die Krone symbolisiert den legitimierten Anschluss des Second Empire an das erste Kaiserreich. Als wichtigstes Würde- und Machtzeichen politischer Herrschaft, als Zeichen für ­ ynastie. Monarchie schlechthin, visualisiert eine Krone Fortführung von Tradition und D Im Fall von Napoléon III. und Eugénie war dieses Insigne umso wichtiger, als eine Krönung, wie erwähnt, nie stattgefunden hatte. Die Regalienporträts von Napoléon III. und Eugénie evozieren zwar Vorstellungen eines Krönungsrituals. Jedoch konnte sich Winter­halter an keinen Originalvorlagen orientieren, wie er es für Queen Victoria getan hatte, deren zwei porträtierte Kronen und Kleidung dem protokollarischen Krönungsordo und Berichten zu entnehmen waren. Winterhalter musste improvisieren, Traditionen konstruieren.219 Quer über Eugénies Büste liegt ein violett abgesetztes Ordensband, an dem der h ­ öchste spanische Frauenorden, der Marien-Luisen-Orden, hängt, welchen Königin I­ sabella von Spanien der Kaiserin 1853 verliehen hatte. Jede Trägerin verpflichtete sich, mindestens einmal monatlich öffentliche Wohltätigkeitseinrichtungen zu besuchen.220 Da der Orden seinerzeit Mitgliedern der spanischen Königsfamilie vorbehalten war, erhöhte er den Status der Kaiserin, die nicht dem höchsten spanischen Adel angehörte. Nicht zuletzt ergänzt das Schmuckprogramm die politische Botschaft: Winterhalter deutet zwei tropfenförmige Smaragde an, die verraten, dass die Kaiserin eine von Jules Fossin gearbeitete dreiblättrige Kleeblattbrosche trägt, das trèfle de Compiègne, das Verlobungsgeschenk des Kaisers.221 Eugénies sorgfältig ausgearbeiteter Ehering sowie die seinerzeit populäre Brosche am Dekolleté dokumentieren ihre Rolle als liebende Ehefrau. Einen letzten Hinweis auf den allgemein als angemessen betrachteten politischen Wirkungskreis der Kaiserin bietet ihre Verortung in einem der Nebenschlösser und damit einem regierungspolitischen Nebenschauplatz.222 Zwei goldene Quasten raffen den 219 Truesdell 1997, S. 80: “[…] it was not divine authority that sacralized the regime in these ceremonies, it was history.” Trotz fiktiven Anteils wurden beide Kopfbedeckungen des Kaiserpaares 1855 auf der Weltausstellung in Paris dargeboten, so, wie das britische Königshaus in London auf der Weltausstellung 1851 ebenfalls die Kronjuwelen ausgestellt hatte. 220 Der Orden erlaubte zeitgleich nur 30 Mitglieder, vgl. McQueen 2011, S. 66, Anm. 53. 221 Das einzige Schmuckstück, das sie auch im Exil bis zu ihrem Tod trug. Vgl. dazu Reisberg 2016, S. 143 f., der sorgfältig nachzeichnet, wie die Legenden um diese Brosche in zeitgenössischen Bio­grafien thematisiert werden. 222 Claire Constans behauptet, es handele sich um St. Cloud. Vgl. id.: Musée National Château de Versailles: Les Peintures, 2 Bde., Bd. 2, Paris 1995, S. 962.

4.  Konstruierte Tradition

Baldachin-Stoff nach oben links und erlauben einen Blick in eine mit strahlend blauem Himmel für sich werbende Parklandschaft. Ein Paterre d’Eau, an das ein Skulpturen­ garten anschließt, bietet dort Platz zum Verweilen. Gefärbte Laubbäume umschließen das Boskett in der Ferne. Die Landsitze unterlagen politisch weicheren Kriterien und waren in erster Linie Aufenthaltsort für informelle Anlässe.223 Winterhalter nutzt für dieses Bildnis das gesamte Vokabular eines traditionellen Regalienporträts. Er orientierte sich dabei unverkennbar am Porträt der Queen im Hosen­ band­orden (Taf. 23). Offensichtlich suchte das Kaiserpaar ähnliche Traditionen zu ­ raperie konsti­tuieren und zu fixieren. Die Fiktivität des Thronraums, die Art, wie die D den Hintergrund bildet, die Anordnung von Ausblick, Säule, rotem Teppich sowie die Ausrichtung des Thronstuhls hinter der Herrscherin, ja, sogar die doppelte Anwesenheit einer Krone, die in England rechtlich-formalen Grund hatte, sowie deren Zierlichkeitsgrade werden variiert wiederholt. Der größte Unterschied zum Victoria-Porträt besteht in der Positionierung der Figur. Die französische Kaiserin ist in eleganterer Pose näher an den Betrachter herangerückt; es scheint als stünde dieser mit ihr auf gleicher ­Stufe. Solche Betrachternähe intensiviert die diesem entgegenwallende Schleppe. Auch Ordensband und Courschleppe kopieren nicht einfach die rituelle und damit distanzierende Wirkung des Victoria-Porträts, sondern sind modischer und ermöglichen damit einen zeitgenössischen Bildzugang. Der Ausblick zementiert die Differenz der politischen Rangordnung beider Monarchinnen. Victoria posiert vor ihrem Regierungssitz, dem Buckingham Palace, während die Verortung der französischen Kaiserin in einem Nebenschloss eine politisch defensive Rollenzuteilung proklamiert. Eugénies Regalienporträt von 1854 harmonierte mit ihrer gesellschaftlich akzeptierten Rolle als regierungspolitisch inaktive Kaisergemahlin. Dem salischen Recht, das Frauen in Frankreich von der Teilhabe an Regierung ausschließt, wird hier visuell entsprochen. Dies ist umso interessanter, als Winterhalter acht Jahre später ein Regalienporträt der Kaiserin anfertigen wird, das Eugénies Anspruch auf politische Teilhabe deutlich artikuliert.224 Der Pomp des Kaisers Die Komposition des Pendant-Porträts Napoléons III. korrespondiert mit demjenigen seiner Ehefrau (Taf. 30). Hingen die Porträts entsprechend nebeneinander, wirkte es so,

223 Der Palais du Tuileries beherbergte den Regierungs- und Wohnsitz. Jeder Empfang war regierungspolitisch relevant, es gab eine große Anzahl repräsentativer Empfangsräume. Saint Cloud, Compiègne, Fontainebleau hingegen waren inoffizielleren Zusammentreffen oder Besuchen vorbehalten. Dies spiegelte deren Möblierung und Modernisierungsmaßnahmen; die privaten Räume und Residenzen waren allesamt moderner und persönlicher eingerichtet. Vgl. Samoyault-Verlet 1985, S. 135; vgl. auch Reisberg 2016, S. 142. 224 Vgl. Kap. II. 5.

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II.  Die Regalienporträts

als wende der Kaiser sich Eugénie leicht zu. Seine Aufmerksamkeit gehört indes dem Betrachter. Er steht mit jenem auf gleicher Ebene, wenngleich etwas weiter vom Bildrand entfernt als Eugénie. Die gleiche Draperie mit Goldbesatz umfängt ihn, die Säule ist kaum zu erkennen. Rechts verortet der Ausblick auf den Palais du Tuileries den in eine Offiziersuniform gekleideten Herrscher innerhalb des Palais du Louvre, seines Wohnund Regierungssitzes in Paris. Den militärisch aufrecht posierenden Monarchen charakterisieren sein Trend setzen­ der Schnur- und Spitzbart und sein gescheiteltes Haar. Seine Körperproportionen überziehen das Gardemaß des athletischen griechischen Ideals, wie es unter Napoléon-­ Bonaparte verfochten wurde: Die zur Wespentaille geschnürte Körpermitte wird durch eine goldene Borte in Szene gesetzt. Epauletten sorgen für ein breit wirkendes Kreuz. Die hautenge grellweiße Hose endet in kniehohen schwarzen Lackstiefeln, deren besonderen Glanz Winterhalter mit mehreren rehauts akzentuiert. Das rote Ordensband der Legion d’honneur, die 1802 von Napoléon-Bonaparte instituiert wurde, dekoriert den Kaiser; die Ordenskette mit dem großen Kreuz der Ehrenlegion weist ihn als Grand Maître aus. Von seinem voluminösen rotsamtenen Krönungsmantel sieht der Betrachter hauptsächlich das reich mit Hermelin ausstaffierte Innenfutter. Bestickt ist der Mantel mit goldenen Bienen. Auch in diesem Porträt verknüpfen zahlreiche Hinweise den Kaiser mit der Dynastie des Ersten Kaiserreichs.225 Napoléon III. steht vor einem von den Maßen her als Schreibtisch zu identifizierenden Tisch; eine Annahme, die eine Stuhllehne hinter diesem bestätigt. Doch dieses Symbol des für sein Volk arbeitenden Herrschers ist zum mit rotem Samt bedeckten Insignien­ tisch umfunktioniert worden. Auf einem Kissen liegen Krone und ­Zepter, Falten des Krönungsmantels wallen über den Tisch. Aufgespannte Flügel von acht ­Adlern bilden die mit Edelsteinen und einem Kreuz besetzte Krone.226 Die linke Hand des K ­ aisers ruht am Schwert, mit seiner rechten umgreift er die main de justice. Dabei liegt sein Handgelenk auf dem Insignienkissen, so dass der richtende Gestus der elfenbeinernen Hand der Justiz auf ihn weist. Mit diesem symbolgeladenen Moment ­markiert Winter­halter ikonografisch Naopoléons III. Machtanspruch als Personifikation des Zweiten Kaiserreichs, als Machtzentrum schlechthin. Hier lässt sich der Grund für Eugénies vage Gestik im Pendantporträt finden. Sie wiederholt nämlich nicht die zum Zepter greifende Handhaltung Victorias, sondern sie zeigt und zitiert damit den richtenden Gestus der das französische Zepter bekrönenden elfenbeinernen Hand, dem die ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger Gestalt

225 Vgl. zur Ikonografie Napoléon-Bonapartes Uwe Fleckner: Napoléon I. als thronender Jupiter. Eine ikonographische Rechtfertigung kaiserlicher Herrschaft, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle VIII/1989, S. 121–134, hier: S. 129 f. 226 Auch diese hatte Winterhalter nicht im Original sehen können.

4.  Konstruierte Tradition

­verleihen.227 Die Richtung der Finger ergibt erst im Zusammenspiel mit dem Pendantbildnis einen Sinn: Eugénie zeigt auf den Kaiser. Ziel der frühen kaiserlichen Öffentlichkeitsarbeit war offenkundig Kontinuitätswahrung. Winterhalter realisierte die Komposition des Regalienporträts auf der Grund­lage eines klassischen Schemas mit Tisch, wie er sie bereits 1839 für Louis-Philippe gewählt hatte (Taf. 7). Dieses Vorgehen entbehrt nicht einer gewissen Ironie, hatte Napoléon III. den Sturz Louis-Philippes immerhin mitverantwortet. Doch nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Differenzen sind es, welche die Betrachterin über die autoritäre Herrschaftsauslegung des französischen Kaisers informieren, und – vor allem in Bezug auf sein sorgfältig gepflegtes Image als Sozialpolitiker – Fragen aufwerfen. Die nun auf den Kaiser als Machtzentrum weisende elfenbeinerne Hand der main de justice, welche Napoléon III. fest umfasst, weist im Bildnis Louis-Philippes auf dessen auf der Charte von 1830 ruhende Hand. Obwohl beide Herrscher mit der Betrachterin auf einer Stufe zu stehen scheinen, verhilft Winterhalters Komposition Napoléon III. zu dominierender Betrachterdistanz und Überhöhung, indem die Aufsicht auf den Tisch größer und der Raum perspektivisch tiefer als im Porträt des Bürgerkönigs gestaltet sind.228 Die Körperformen und Kleidung der Herrscher bildeten Instrumente politisch-programmatischer Strategie. Louis-Philippe hatte sich, seinem Image als Bürgerkönig nachkommend, vom aristokratischen Ideal des gelängten Körpers mit Wespentaille verabschiedet und eine stattlichere, man könnte sagen „authentischere“ Körperform bevorzugt. Dass seine Porträt-Uniformen im Laufe seiner Regierungszeit zunehmend r­ eicher dekoriert waren, war seinerzeit öffentlich missbilligt worden. „Militärflitter“ geriet seiner­zeit allgemein in die Kritik, die monarchische Uniform sollte in erster Linie den militärischen Dienst am Vaterland symbolisieren.229 Dies übertrug sich auf die Alltagskleidung. Männermode sollte zweckmäßig sein, die Leistung des Mannes in den Vordergrund rücken, Hilfsmittel sollten nicht mehr zu sehen sein.230 „Das männliche Kleid soll überhaupt nicht für sich schon etwas sagen, nur der Mann selbst, der darin steckt, mag

227 McQueen 2011, S. 93 f. und Reisberg 2016, S. 142 f. beschreiben hingegen, dass Eugénie auf ihre Krone weist. 228 Reisberg sieht das anders, er meint, beide Porträts böten die gleiche Nähe, den gleichen leichten Zugang zum Dargestellten, vgl. id. 2016, S. 137. 229 Auch als „Militärkrinolinen“ kritisiert, Karl Bürkli: Der monarchische Paradiesapfel oder der Sündenfall des schweizerischen Wehrwesens. Offenes Wort an die Herren Militärdirektoren Obersten Ziegler und Stämpfli. Ein Beitrag zur Militärbekleidungsfrage, Zürich 1865, zitiert nach Brändli 1998, S. 210. Männer-­Korsetts wurden offiziell ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr im Alltags-Outfit, sondern nur noch unter Uniformen oder von Dandys getragen. Obschon zahlreiche Anekdoten heim­liches Schnüren auch noch nach Mitte des 19. Jahrhunderts beobachteten und verspotteten, vgl. Brändli 1998, S. 208 ff. 230 Allerdings wurde auch bei schlichteren Uniformen nach wie vor durch versteckte Schulterpolster künstlich „eine natürlich erscheinende Breitschultrigkeit“ geschaffen. Brändli 1998, S. 209.

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II.  Die Regalienporträts

durch seine Züge, Haltung, Gestalt, Worte und Thaten seine Persönlichkeit geltend machen“, formulierte Friedrich Theodor von Vischer 1879 den idealen männlichen Umgang mit Mode.231 Dieser Trend wurde am Hof des Second Empire mit der Wiedereinführung zahl­ reicher Livréen und Uniformen für Hofbedienstete und Höflinge gewendet. Explizit auch über Kleidung wurden Tradition und Vergangenheit beschworen, ein Vorgehen, das von Zeitgenossen durchaus kritisch wahrgenommen wurde. So kommentierte der Gast ­Bayle St. John: “The emperor […], reverts sometimes to the costume of the last century, and shames his court into magnificence by wearing fine frills and pendant wristbands of ­Malines lace.”232 Winterhalter präsentiert Kaiser Napoléon III. derart ausstaffiert, wie er es in keinem anderen Männer-Porträt je tat. Der Körper des Kaisers ist massiv gelängt, seine Taille eng geschnürt, die Schultern sind gestrafft, die Lackstiefel blendend – der Kaiser trägt jenen, von Zeitgenossen kritisierten „männlichen Krinolinen-Rock“ zur Schau.233 Napoléon III. konterkariert hier die zeitgenössische schlichte Männermode. Tradierte Idealvorstellungen vom aristokratischen Körper werden nicht nur umgesetzt, sondern absichtlich überbetont. Die allumfassende Idealisierung und Glattpoliertheit wird nicht vertuscht, sondern explizit in den Vordergrund gerückt. Damit provoziert Winterhalter einen gegenteiligen Eindruck solcher Charakteristika, die Martin Wrede für die Monarchieform des „Königtums der Tat“ herausarbeitet, ja, jener, die Napoléon III. selbst als Sozialpolitiker säte.234 Ein Vergleich des Winterhalter-Porträts mit seinerzeit kursierenden Flugblättern, präzisiert diese Diskrepanz (Abb. 43): Wo in der Zeichnung der lang ausgerollte Verfassungstext liegt, auf den der Präsident Louis-Napoléon sich stützt, während er das Volk aufrechtstehend anblickt, versammelt sich im Winterhalterschen Bildnis monarchischer Pomp schlechthin. Warum präsentiert Napoléon III. nun diese glänzende MonarchenSilhouette, die sein stabiles Image als volksnahem Sozialreformator geradezu obstruiert? 500 Mal Winterhalter: Inkarnation des Second Empire Weder Winterhalters Regalienporträt des Kaisers noch das der Kaiserin präsentieren sie als diejenigen „Herrscher der Tat“, welche sie als Sozialpolitiker und Wohltäterin durch-

231 Friedrich Theodor von Vischer: Mode und Cynismus. Beiträge zur Kenntnis unserer Kulturformen und Sittenbegriffe, Stuttgart 1879, S. 31. 232 Bayle St. John: Purple Tints of Paris. Character and Manners in the Empire, Bd. I, London 1854, S. 119 f., zitiert nach Truesdell 1997, S. 70. 233 Vischer 1879, S. 25. Karikaturen, die die Outfits des direkten Umfelds des Kaisers verspotten, in: A ­ lison Matthews David: Decorated Men: Fashioning the French Soldier, 1852–1914, in: Fashion Theory, Bd. 7, 1/2003, S. 3–38, hier: Abb. 3. 234 Vgl. Kap. II. 3.

4.  Konstruierte Tradition

aus waren. Die auf diese Handlungsfelder hinweisenden Orden verlieren sich innerhalb des Prunks. Zeitlose Musterbilder von Monarchie stehen jenem modernen Politiker-­ Image gegenüber. Winterhalters Porträts offenbarten dem Betrachter Ideale; die Herrscher wurden entindividualisiert.235 Hier wird der hohe Idealisierungs- und Stilisierungsgrad der Physiognomien der Dargestellten begründet liegen. Die Menschen traten hinter ihrer Kaiserrolle zurück. Dass der Hofmaler damit die zeitgenössische Sicht auf den franzö­sischen Kaiserhof traf, ja mitprägte, offenbart ein Statement Walter Bagehots von 1867: The Queen is the head of our society. If she did not exist the Prime Minister would be the first person in the country. […] It would be a very serious matter to us to change every four or five years the visible head of our world. […] Refined and original observers have of late objected to English royalty that it is not splendid enough. They have compared it with the French Court, which is better in show, which comes to the surface everywhere so that you cannot help seeing it, which is infinitely and beyond question the most splendid thing in France. They have said, that in old times the English Court took too much of the nation’s money, and spent it ill; but now, when it could be trusted to spend well, it does not take enough of the nation’s money. […] But no comparison must ever be made between it and the French Court. The Emperor represents a different idea from the Queen. He is not the head of the State; he is the State.236

Als solcher Inbegriff des Staates, mehr noch: als Inbegriff von Monarchie, als Inkarnation des Second Empire, repräsentierte Winterhalter Napoléon III. und Eugénie in seinen ganzfigurigen und lebensgroßen Regalienporträts von 1854. Die von Bagehot postulierte “show” unterstellt jene konstruierte Tradition, deren Kern nicht in der historischen Tatsache, sondern in der Erfindung liegt. Dieses Image wurde mannigfaltig in Umlauf gebracht. 530 Kopien in Öl, Teppichen, Stichen und cartes de visite wurden nach den Vorlagen des deutschen Künstlers angefertigt.237 Winterhalters Regalienbildnisse waren die teuersten des Second Empire.238 Der

235 Die Originale stehen zum Vergleich leider nicht mehr zur Verfügung, da sie bei einem Brand 1871 zerstört worden sind. Reisberg spekuliert zu Recht, dass der hohe Idealisierungsgrad ebenso der Tatsache geschuldet sein könnte, dass es sich bei den Porträts nur um Kopien handelt. Allerdings zitiert er gleichzeitig aus den Erinnerungen einer Hofdame Eugénies, die das Original mit Sicherheit gesehen hatte und die “a higher than usual degree of idealisation” konstatiert, Reisberg 2016, S. 144. Panter schreibt: „Napoléon III. ist völlig unpersönlich als Kaiser dargestellt“, begründet dies aber lediglich mit einer Kulissenhaftigkeit des Hintergrunds und seiner „starren Miene“, Panter 1996, S. 130. 236 Bagehot 1974, S. 234–238. 237 Vgl. AN O/5/40/513 (31.12.1853) u. Archives du Louvre, INV. N. III 2DD20, Nr. 33 und 34; Aufträge für Kopien sind zu finden in den Archives Nationales: F/21/0079/dossier 23 u. 24; F/21/0135/dossier 5; F/21/0139/dossier 2, 3 u. 6; F/21/0401/dossier 17; F/21/0418/dossier 47. Vgl. Panter 1996, S. 131 f., der berechnete: „Die Kopien nach den Staatsporträts verschlangen während der kommenden zehn Jahre über 15% der stattlichen Ausgaben für Kunst.“ Vgl. auch McQueen 2011, S. 93 f. und zu allen Kopisten und deren Bezahlung vgl. ibid., S. 139, Anm. 55. 238 12000 Francs je Porträt, vgl. Granger 2005, S. 188; vgl. McQueen 2011, S. 93.

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II.  Die Regalienporträts

44  Jean-Baptiste Fortuné de Fourniers: Salle du conseil des ministres aux Tuileries, um 1860, Aquarell, ­kolorierte Zeichnung, 31 × 45 cm, Compiègne, Musées nationaux du Palais de Compiègne

­ ohe Preis ist damit zu erklären, dass Winterhalter die Bildrechte ausnahmsweise mitverh kaufte. Daher kann auch nicht abschließend entschieden werden, ob die heute noch existierenden Kopien von ihm abgesegnet worden waren. Dies und die ungeheure Anzahl der Kopien dokumentiert, wie sehr Winterhalters Porträts dem Kaiserpaar gefallen haben müssen. Die Regalienporträts ernteten trotz der Betonung ihres Herrschaftsanspruchs offiziell wenig Kritik, was an der 1852 eingeführten strengen Zensur gelegen haben wird.239 Der Kaiserhof verteilte die Porträts innerhalb und außerhalb Frankreichs an politisch ­relevante Orte. Reproduktionen hingen in Botschaften, Rathäusern, Regierungssitzen. Ein paar Beispiele sollen an dieser Stelle erhellen, auf welchen Wegen das kaiserliche Image verbreitet wurde: 239 Deshalb wurde in erster Linie Winterhalters Staatsangehörigkeit angegriffen. Vgl. Reisberg 2016, S. 144 f., der das magere Pressefeedback zusammenfasst.

4.  Konstruierte Tradition

45  Jules Arnout: Salle du congrès de Paris au ministère des affaires étrangères, 1856, Lithografie, 22,4 × 32,1 cm, Paris, Bibliothèque nationale de France

Eine von Jean-Baptiste Fortuné de Fourniers kolorierte Zeichnung illustriert, wie die in den Tuilerien Anwesenden mit lebensgroßen Ganzkörperporträts der napoleonischen Großfamilie beeindruckt werden sollten (Abb. 44). In der salle du conseil des m ­ inistres aux Tuileries hingen die Regalienporträts, von denen hier nur das der Kaiserin zu sehen ist, neben zwei Porträts der Eltern Napoléons III., gemalt von François ­Gérard. Darunter stand eine Büste von Napoléon III., im Profil zu sehen, am linken Bildrand der Illustra­ tion eine lorbeerumkränzte Büste Napoléon-Bonapartes. Im anschließenden salon des chambellans erkennt die Betrachterin Jacques-Louis Davids Bildnis von Napoléon-­ Bonaparte an seinem Schreibtisch von 1812 (National Gallery of Art, ­Washington D.C.). Programmatisch und konsequent wurde innenarchitektonisch die napoleonische Dy­ nastie visualisiert. Beide Regalienporträts wachten auch in der salle du congrès de Paris au ministère des affaires étrangères über die dort getroffenen Entscheidungen (Abb. 45). Die Bild­nisse wurden darüber hinaus an andere Höfe verschenkt, das Regalienporträt von ­Eugénie hing beispielsweise in Originalgröße im Buckingham Palace.240 Auch wurden die ­Porträts

240 Vgl. RCIN 2101776.

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II.  Die Regalienporträts

abfotografiert und waren im Visitenkartenformat zu sammeln.241 Für die breite Öffentlichkeit boten Kunsthändler wie Goupil & Cie Stiche der Porträts in ihren Filialen von Paris bis nach New York an. Monatelang stand das Angebot auf der ersten Seite von The ­Crayon, dass “two beautiful lithographs (full lengths portraits)” vom französischen Kaiser­paar nach Winterhalter für $ 3,25 zu erwerben seien.242 Die ganze Welt sollte jene Idealbilder vom französischen Kaisertum konsumieren. Auf der Weltausstellung von 1855 Beide Porträts hingen in der Weltausstellung von 1855 und erreichten große Popularität. Erstmals fand eine Weltausstellung in Paris statt und sollte wohl vor allem die 1851 von Prince Albert in London ins Leben gerufene Great Exhibition überbieten. Dafür ließ der Kaiser den Palais de l’Industrie als permanentes Gebäude erbauen. Und die französischen Kataloge verdeutlichten dem Leser, dass Frankreich der eigentliche Erfinder der Weltausstellung sei, da die Ausstellungsfläche für Kunst erstmals derjenigen für i­ndustrielle Güter gleichrangig war.243 1855 passierten fast 900.000 Besucher die erstmalig aufgestellten und mechanisch zählenden Drehkreuze.244 Die internationalen Ausstellungen waren Ausdruck von Nationalgefühl und bürgerlich-industriellem Fortschritt und dienten gleicher­maßen der Volksbildung wie der Unterhaltung. Diese öffentliche Plattform ­nutzte auch der Hof, um die eigene Herrschaft wirksam in Form von Kunst und Technik zu demonstrieren. Winterhalter erhielt auf der Weltausstellung 1855 eine Medaille Erster Klasse. Diese gewann er, wie Patricia Mainardi aufzeigen konnte, jedoch nur aufgrund eines massiven Eingriffs der kaiserlichen Familie in die Wahl und Entscheidung der Jury. Denn der deutsche Künstler hatte vorerst nicht genug Stimmen erhalten. Laut Mainardi war in den Unter­lagen zur Abstimmung notiert: “M. de Morny decided that the first nine names who received from 20 to 17 votes inclusive would be added to the list of First Class ­Medals.”245 Der neunte Name war derjenige Winterhalters.246 Offensichtlich wollte das

241 Ein gutes Beispiel für ein Album, für deren Sammelkartensätze Porträts von Winterhalter abfotografiert wurden, bietet: Fotoalbum met 123 cartes-de-visite van leden van Europese vorstenhuizen, politici en bekende personen, Besitz von L. J. Hartkamp, diverse Künstler, zwischen ca. 1860 und 1900, Albumindruck, 305  mm × 550 mm, Amsterdam, Rijksmuseum (Objektnr. RP-F-F00674). Hierin u.  a. die Regalien­ porträts von Napoléon III. und Eugénie. 242 The Crayon, z. B. durchgehend im Juli 1855. 243 Vgl. Paulmann 2003, S. 198. 244 Es waren 891.682 Besucher, vgl. Sfeir-Semler 1992, S. 50. 245 Archives du Louvre X: Salon de 1855, dossier 4, zitiert nach Patricia Mainardi: Art and Politics of the Second Empire. The Universal Expositions of 1855 and 1867, New Haven u. London 1987, S. 211, Anm. 10. 246 Mainardi 1987, S. 111, kommentiert: “Winterhalter, disliked by practically everyone except the im­ perial couple, did not obtain enough votes to receive even a First Class Medal. He didn’t even come close.” Zeitgenössische Pressekommentare zu diesem Vorfall: L’Artiste, 11.11.1855, S. 152–53 u. Revue

4.  Konstruierte Tradition

Kaiser­paar dringend seinen Hofmaler öffentlich auszeichnen, für den es sich entgegen Nieuwerkerkes Rat entschieden hatte. Nieuwerkerke verantwortete zu diesem Zeitpunkt alle wichtigen Kunst-Anschaffungen und hatte Flandrin favorisiert.247 Der Vorfall enthüllt, welch großes Interesse das Kaiserpaar an seiner Außendarstellung hatte und auch, wieviel Spielraum und Macht es besaß, seine Vorstellungen umzusetzen. Wie einleitend in Kap. III.  1. dargelegt, schmückten während der Weltausstellung drei Winterhaltersche Gemälde die prominente Stirnseite des grand salon carée. Fälsch­ licherweise wird in der Winterhalter-Literatur beharrlich die Annahme reproduziert, dass das Regalienbildnis der Kaiserin Teil der zentralen Hängung des das Kaiserpaar in der Ausstellung repräsentierenden Bildnisprogramms war.248 Das ist ein Irrtum. Zwar werden beide Porträts im Katalog der Weltausstellung von 1855 aufgeführt. Doch Bildquellen wie der Stich in The Illustrated London News oder ein Foto von André ­Disdéri enthüllen, dass das Regalienbildnis von Eugénie an dieser wichtigen Stelle nicht genutzt wurde, um das Kaiserpaar personell aller Welt vorzustellen (Abb.  33  u.  Abb. 46). Das ovale Tugendporträt von 1854 und das populäre Modeporträt der Kaiserin im Kreise ­ihrer Hofdamen von 1855 hingen neben dem Regalienporträt des Kaisers. Dieses Porträtprogramm informiert, wie sorgfältig und differenziert die Öffentlichkeitarbeit mit verschiedenen Porträttypen gehandhabt wurde, mit differenziertem Blick auf den zu erwartenden Betrachter in der Weltausstellung. Dem immensen Einfluss von Napoléon III. und Eugénie auf die Vorgänge und besonders auf die Behandlung ihres favorisierten Künstlers zufolge muss davon ausgegangen werden, dass diese Hängung vom Kaiserpaar abgesegnet war.249 Dass an dieser Stelle die Kaiserin nicht als politisches des Beaux-Arts 6/1855, S. 431. Dass so gut wie jeder Winterhalter nicht mochte, scheint angesichts der medialen Vervielfältigung seiner Werke und ihrer Konsumier- und Kaufbarkeit fraglich. Offenbar übte die in den 1980er Jahren innerhalb der Forschungslandschaft verpönte Salonkunst des 19. Jahrhunderts ihrerseits hier Einfluss auf die Analyse Mainardis aus. Die ältere Forschung ließ sich des Öfteren von zeitgenössischen Kommentaren beeinflussen und verlor bisweilen an Objektivität. So erkennt Rainer Schoch in Winterhalters Napoléon III. einen „reichdekorierte[n] Operettenheld[en]“ und zitiert, dass das Porträt der Kaiserin „,einen leisen Beigeschmack von demi-monde‘ nicht verleugnen kann“, Schoch 1975, S. 146, Pecht 1873, S. 516 zitierend und diesem zustimmend. 247 Es ist dokumentiert, dass der Kaiser bisweilen in die Belange des Kunstankaufs und die Strategie eingriff, zum Missfallen seiner Angestellten. Der politische Kunstmarkt war in den 1850er Jahren fest in den Händen der kaiserlichen Familie. Charles de Morny, der Halbbruder von Napoléon III., saß in der Kommission. Prince Napoléon, Cousin Napoléons III., wurde Präsident der Weltausstellung von 1855. Vgl. Granger 2005, S. 180; vgl. Kat. L’art en France 1979, S. 357; vgl. Mainardi 1987, S. 111. 248 Nur auf der Existenz einer Katalognummer basierend schreiben dies McQueen 2011, S. 94; Paulmann 2000, S. 321; Reisberg 2016, S. 149, sich meistens aufeinander oder auf AN O/5/40/513 (31.12.1853) beziehend. 249 Es ist davon auszugehen, dass die Porträts zielgruppenorientiert für Presse- oder Monarchenbesuche umgehängt wurden, und zwar im Sinne der kaiserlichen Familie. Es existiert ein Gemälde, auf dem das ovale Porträt der Kaiserin an anderer Stelle hängt: Jean-Baptiste Fortuné de Fournier: Vue d’un des

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II.  Die Regalienporträts

46  André-Adolphe-Eugène Disdéri (zugeschrieben): Grand Salon carré, 1855, Albumindruck, 28 × 60 cm, Paris, Bibliothèque nationale de France

­ endant auf Augenhöhe mit dem Kaiser gezeigt wurde, verdeutlicht, welch starke politiP sche Suggestionskraft ein Regalienporträt im 19. Jahrhundert noch gehabt haben muss. Im Saal der Weltausstellung sollte Eugénie in erster Linie als Modeikone und tugend­ hafte Ehefrau anwesend sein. Die aktive Teilnahme einer Frau an der Regierungspolitik ge­hörte nicht zu den Themen, mit denen die Folie der politischen Berichterstattung 1855 belegt werden sollte. * Schlagworte wie Tradition, Dynastie oder Zeremonie prägten die Konstruktion einer glaubhaften Außendarstellung des Zweiten Kaiserreichs. Allgemeine Erwartungshaltungen und gemeinsame Erinnerungen zu schaffen konnte eine neue Monarchie im ­Europa des 19. Jahrhunderts etablieren und glaubhaft machen. Der Historiker Johannes Paulmann umschreibt das Handeln des französischen Kaisertums als „­Vergegenwärtigung von Vergangenheit“; „historische[s] Zitieren[]“ festige die Legitimation der eigenen s­ alons du palais des Beaux-Arts en 1855, Aquarell, 94 × 145 cm, abgedruckt in: Kat. Napoléon III. 2008, S. 105, Fig. 1.

5. Imagewechsel?

Herrschaft.250 Winterhalters Regalienporträts illustrieren ein solches Vorgehen, und zwar sogar mit der Darstellung von Regalien, die nicht existierten und der Inszenierung einer Krönung, die nie stattgefunden hatte. Das Beispiel der Hängung in der Weltausstellung von 1855 macht zudem deutlich, dass die Bildnisse von Winterhalter nicht vereinzelt interpretiert werden dürfen, sondern innerhalb des gesamten Bildprogramms platziert werden müssen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Imageträgern, die die Kaiserin als Modeikone oder Tugendideal, den Kaiser als charismatischen volksnahen Sozialpolitiker zeigen, wurde das zeitgenössische Idealbild von französischem Kaisertum schlechthin, welches die großformatigen farbigen Ölbilder Winterhalters präsentieren, akzeptiert und konsumiert. Alle durch Winterhalter bildgewordenen Images waren als Stich oder carte de visite zu erwerben und als farbige Ölbilder in diversen Ausstellungen zu betrachten. Regalienporträts treten damit in einen Wettbewerb zu Tugend- und Modeporträts, und dominieren nicht länger – wie es in den vorherigen Jahrhunderten meistens der Fall war – jedes Repräsentationsprogramm. Solche Erkenntnisse haben eine Neubewertung der Funktion des Herrscherinnenporträts zur Folge. Dessen Mannigfaltigkeit und Präsenz indiziert seine Relevanz für Botschaften im politischen Kommunikationsraum des Second Empire.

5. Imagewechsel? Neue Regalienporträts für das französische Kaiserpaar Eine Salonbesprechung in La vie parisienne eröffnete 1863 mit halbseitigen Karikaturen neuer Regalienporträts des französischen Kaiserpaares, die die Winterhalterschen von 1854 ersetzen sollten (Abb. 47 u. 48). Eugénie vergab erneut an Winterhalter, der Kaiser hingegen an Hippolyte Flandrin den Auftrag. Ironisch lobte der Karikaturist das Können der Künstler, Gegenstände zum Leben erwecken zu können: In reich dekorierten Trophäenrahmen bilden die menschlichen Körper eine Lücke, stattdessen symbolisieren eine voluminöse Krinoline sowie glänzende schwarze Militärstiefel das Kaiserpaar.251 Die Bildunterschriften lauten: « Une robe au pied d’un mur – Il n’en faut pas d ­ avantage à Winter­halter pour faire un chef-d’-œuvre.  » und «  Les accessoires du ­tableau de ­Flandrin – La perfection même: Ce rideau respire, ce fauteuil vit, ces bottes ­pensent. »252 Ähnlich Thakerays Anprangerung des höfischen Zeremoniells als Theater, suchen auch

250 Paulmann 2003, S. 187. 251 Napoléon III. wurde oft durch seine glänzenden Militärstiefel in Karikaturen personifiziert. Vgl. Dolan 1994, S. 23. 252 La vie parisienne, 20.06.1863, S. 244 u. S. 245.

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II.  Die Regalienporträts

47  La Vie parisienne, 20. Juni 1863, S. 244

48  La Vie parisienne, 20. Juni 1863, S. 245

5. Imagewechsel?

diese gezeichneten Kommentare die politischen Körper zu splitten.253 Der Zeichner ging gar darüber hinaus, indem er keine Körper mehr abbildete. Dargestellt sind nunmehr nur noch die Hüllen zweier bodies politic, deren inhaltliche Leere mithilfe physischer Leere desavouiert wird. Solch scharfe Kritik am kaiserlichen Bildnisprogramm ermöglichte eine seit 1860 ­stufenweise vollzogene Liberalisierung des politischen Systems auf mehreren Ebenen, die auch eine Lockerung der Pressefreiheit beinhaltete. Größter Motor für die Veränderungen waren stetig steigende Stimmenanteile der Opposition in den Wahlergebnissen. Diesen Trend verstärkten die Wahlen von 1863 und 1867.254 Die phase autoritaire ging um 1860 über in das l’Empire libéral. Am 24. November 1960 wurde ein neues Dekret verabschiedet. Es beinhaltete erhebliche Konzessionen an die Presse- und Versammlungs­freiheit und ermöglichte freie Rede und Aussprache beider Kammern, deren Inhalte seiner­zeit sogar in den Zeitungen abgedruckt wurden.255 Die Tatsache, dass die neuen Regalienporträts gleich nach deren Fertigstellung auf der Londoner Weltausstellung von 1862 und im darauffolgenden jährlichen salon jeweils an prominenter Stelle ausgestellt wurden, demonstriert das Vorhaben des Kaiserpaares, zu diesem Zeitpunkt einen Imagewandel einzuleiten und diesen bildlich zu manifestieren. Dass die Kaiserin ebenso scharf von der Presse angegriffen wurde wie der K ­ aiser, lag an profunden Erweiterungen ihrer regierungspolitischen Macht aufgrund eines Senats­beschlusses von 1856. Welche Auswirkungen sowohl die Liberalisierung als auch die Machtstärkung der Kaiserin auf die monarchische Bildnisproduktion hatten, wie die Regalien­ikonografie von 1854 verändert wurde, inwiefern diese gender-­spezifische Unter­schiede aufweist und innovative Lösungsansätze der Künstler zum Tragen kommen, soll im Folgenden anhand der neuen Regalienporträts analysiert werden. Eugénies Wirkung im regierenden Zirkel des Second Empire Von Anbeginn ihrer Herrschaft formulierte Eugénie politisches Interesse und zeigte Ambitionen, an wesentlichen Entscheidungen teilhaben zu wollen.256 Wie in den voran­ gegangenen Kapiteln I.  6. und II.  4. herausgearbeitet werden konnte, hatten Kritiker und Opposition diese während ihrer ersten Jahre als Kaiserin allerdings ausgebremst; ihr Bildnisprogamm kommunizierte deshalb jenes passiv-dekorative Frauenideal der Zeit. Eugénies Möglichkeiten politischer Teilhabe änderten sich 1856, im Geburtsjahr

253 Vgl. Kap. II. 1. 254 Vgl. Deinet 2019, S. 193. 255 Vgl. Francis Choisel: La presse française face aux réformes de 1860, in: Revue d’Histoire moderne et ­contemporaine, Bd. 27, Juli/September 1980, S. 374–390, S. 374 f. 256 Dies ist vor allem in Briefen an ihren Bruder, seltener in denen an ihre Schwester zu beobachten. Vgl. Auswahl an Beispielen in Lettres Familières 1935, S. 107–109, S. 113 f., S. 133 f. Vgl. auch Reisberg 2016, S.  149 f.

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II.  Die Regalienporträts

des Thronfolgers. Napoléon III. sicherte die Herrschaft der Dynastie über seine Person hinaus ab mit einem Senatsbeschluss « sur la régence de l’Empire », der für Aufmerksamkeit sorgte. Dieser legte nämlich fest, dass und wie die Kaiserin im Falle eines Ausfalls des Kaisers die Regentschaft übernehmen durfte. Es heißt im Sénatus-consulte du 17 juillet 1856, sur la régence de l’Empire: […] Article 2. – Si l’empereur monte sur le trône sans que l’empereur son père ait disposé, par acte rendu public avant son décès, de la régence de l’Empire, l’impératrice mère est régente et à la garde de son fils mineur. […] Article  9. – Jusqu’à la majorité de l’empereur, l’impératrice–régente ou le régent exerce pour l’empereur mineur l’autorité impériale dans toute sa plénitude, sauf les droits attribués au Conseil de régence. – Toutes dispositions législatives qui protègent la personne de l’empereur sont applicables à l’impératrice–régente et au régent. […]257

In mehreren Schreiben begründete der Senat, warum Eugénie die Regentschaft antreten dürfe, wobei die Argumentstruktur einen Täuschungsversuch offenbart. Zwischen langen Absätzen über die politisch nicht brisante, ehrenvolle Aufgabe die naturgegebene Rolle als Mutter auszufüllen und den Thronfolger zu begleiten, wird ganz konkret auf ihre politische Rolle verwiesen: Mais ce n’est pas seulement comme mère que l’Impératrice est appelée à la Régence, c’est encore comme épouse. Elle est la compagne de l’Empereur, elle est associée à son règne: assise auprès de lui sur le trône, une communauté de pensées et de sentiments a dû s’établir entre eux; elle est censée avoir les traditions confidentielles de sa politique.258

Explizit wird Eugénie als Ratgeberin und Mitarbeiterin des Kaisers, als diejenige, die ihn am besten ersetzen kann, in den politischen Entscheidungszirkel des Second Empire aufgenommen. Zwei Jahre später, 1858, reagierte Napoléon III. auf ein auf ihn verübtes Attentat und stärkte die Ausführungen mit einem Nachtrag, der die Rechte der Kaiserin auf eine Regentschaft noch ausführlicher sicherte. Er kommentiert hierin seine Entscheidung: « Je crois satisfaire au vœu public, en même temps que j’obéis à mes sentiments de haute confiance pour l’Impératrice, en la désignant comme Régente. »259 Dass eine consort in Frankreich mit solchen profunden Möglichkeiten politischer Teilhabe ausgestattet wurde, machte die Realisierung von Eugénies politischen Ambitionen ab 1856 rechtlich möglich. Der Senatsbeschluss von 1856 und der Nachtrag von 1858 hatten zur Folge, dass die politische Öffentlichkeit die Kaiserin als politisch äußerst einflussreich wahrnahm, obwohl in diesen Jahren tatsächlich noch keine überproportional große politische Aktivität von ihr ausging. Erst 1859 griff der Senatsbeschluss zum ersten Mal, und sie ­übernahm 257 Vgl. www.verfassungen.eu (letzter Aufruf: 30.11.2022). 258 Senatssitzung vom 05.07.1856, Séances du Sénat 1856, S. 45. 259 Message de l’Empéreur aux Sénateurs et décret du 1er février 1858 sur la régence, abgedruckt in: ­Michelet 2020, S. 325.

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als l’imperatrice-regnante den Regierungsvorsitz für 67 Tage, während der K ­ aiser in 260 ­Italien Truppen führte. Dies kommentierte sie in einem Brief an ihre Schwester: L’Empereur part dès que l’armée sera réunie et moi je reste ici comme Régente. […] La responsabilité est bien grande pour moi, car tu sais que les Parisiens ne sont pas toujours très commodes à mener: mais Dieu me donnera, je l’espère, toutes les connaissances qui me manquent, car je n’ai que la volonté de bien faire et de ne point souffrir de moindre désordre. […] Je puis, par ma présence, rassurer les esprits en France.261

Die Illustrated London News brachte einen sich über eine ganze Seite erstreckenden Stich von der arbeitenden Kaiserin (Abb. 49).262 Auf der nächsten Seite heißt es: The Nord of Brussels affirms that the empress Eugénie has received an autograph letter from Queen ­Victoria, in which the sovereign of Great Britain gives expression to the sympathetic feelings she entertains towards her majesty as a Regent charged by the Emperor with high and responsible functions, and as a wife whose husband is running the risks of battle.263

Als Kaiserin-Regentin besaß Eugénie das Recht, Begnadigungen, Strafumwandlungen und Aussetzungen der Urteilsvollstreckung zu entscheiden; ihre Hauptaufgabe bestand allerdings in Verwaltungsangelegenheiten und formalen Aufgaben, immer in Rück­sprache mit Rat und Ministern.264 Die Interimsregentschaft im Jahr 1859 war formal mit großer Macht ausgestattet, letztlich aber entschied das Wichtigste Napoléon III. über den Postweg.265 Erst 1865 und 1870 beeinflusste Eugénie als l’impératrice-régente das politische Geschehen in den Tuilerien messbar.266 Sie saß allerdings bereits seit Ende der 50er ­Jahre regelmäßig im Senat und engagierte sich in zahlreichen gesellschaftlichen Belangen, auch wenn ihr Ehemann anwesend war.267 An ihrer Präsenz im politischen Kernraum entzündete sich Kritik, welche sowohl Senatsmitglieder und Opposition, aber auch die nationale Presse äußerte. Man schrieb ihr wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen des Kaisers zu. In der öffentlichen Wahrnehmung konturierten zahlreiche Artikel und Karikaturen ihre politische Teil­habe als Katholikin und Spanierin, die angeblich Ende der 50er Jahre mit großem Engagement eine Expansionspolitik vorantrieb, mit dem Ziel einer Ausweitung der Macht des 260 261 262 263 264 265 266

Vgl. McQueen 2011, S. 3; vgl. Michelet 2020, S. 168. Lettres Familières 1935, S. 163 f. Vgl. zur Kleidung auf dem Stich Kap. III. 2. The Illustrated London News, 11.06.1859, S. 574. Vgl. Michelet 2020, S. 170. Vgl. ibid., S. 170 f. Zahlreiche Ego-Dokumente beweisen, dass sie sich während dieser Zeit permanent im Gespräch mit wichtigen Entscheidungsträgern befand. Z. B. lud sie Émile Ollivier das erste Mal an den Hof ein, der von 1869 bis 1870 Ministerpräsident wurde. Vgl. Michelet 2020, S. 228 f. (Lettres-patentes de régence du 26 avril 1865; AN 400AP/59). 267 Vgl. Michelet 2020, S. 235–238.

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II.  Die Regalienporträts

49  The Illustrated London News, 11. Juni 1859, S. 574

­ irchenstaats oder die, zu Beginn der 60er Jahre, das Vorhaben unterstützte, Mexiko zu K einer von Frankreich abhängigen Monarchie zu machen.268 Der Duc de Persigny, bis 1863 Innenminister, danach Senator und Mitglied des geheimen Rats, schickte Napoléon III. 1867 einen Teil seiner Memoiren, in denen er gegen die Anwesenheit der Kaiserin im Ministerrat argumentierte, mit der Begründung, dass die Öffentlichkeit eine institutionelle Dualität in der Regierungsführung wahrnähme, welche die Einheit der politischen Autorität schädige.269 Solche Kritik an politischer Mitwirkung von Frauen war in Frankreich nicht neu. Nach der Französischen Revolution waren Frauen 1793 politische Aktivitäten verboten worden. Eine Rede des Abgeordneten André Amars vor dem Sicherheitsausschuss vom 30.  Oktober 1793 zur Frage, ob Frauen politische Rechte ausüben und sich in Regierungsangelegenheiten einmischen dürften, hatte vorangetrieben, dass „politisch interessierte Frauen stigmatisiert, politisch aktive der Konterrevolution verdächtigt“ wurden.270 268 Zu Eugénie in Karikaturen vgl. auch Dolan 1994. 269 Vgl. Michelet 2020, S. 242. 270 Angela Taeger: „Das weibliche Veto“ und das Ende absolutistischer Herrschaft in Frankreich – oder: Was verbindet Marie Antoinette mit Messalina, Brunhilde, Fredegunde und Katharina?, in: Karl-Heinz ­Ziessow (Hg.): Frühe Neuzeit. Festschrift für Ernst Hinrichs, Bielefeld 2004, S. 323–338, S. 325.

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Die Ansprache propagierte Argumente wie naturgegebene Aufgaben von Mutterrolle, tugendhafte Sittsamkeit und Sanftmut als Gegenstück zum männlichen rationalen Charakter.271 Am Kommentar der Illustrated London News von 1859 ist hingegen abzulesen, dass eine regierende Kaiserin für ein Land, in dem wiederholt Frauen geherrscht hatten und herrschten, normal war und nicht kritisch gesehen wurde. Die lauten Reaktionen innerhalb und außerhalb der eigenen Reihen an Eugénies politischer Teilhabe zeugen davon, wieviel Einfluss sie der Kaiserin unterstellten und wie massiv sie diesen kritisierten. Jüngste Forschungsergebnisse weisen zwar darauf hin, dass Eugénies politisches Gewicht nicht so schwer wog, wie seinerzeit angenommen.272 Doch inmitten dieser Entwicklungen gab Eugénie ein Porträt in Auftrag, das ihren Anspruch auf politische Machtteilhabe deutlicher denn je artikulierte. Politische Emanzipation Sieben Jahre nach der Pariser Exposition universelle öffnete im Jahr 1862 die nächste g­ roße Weltausstellung ihre Türen, dieses Mal wieder in London. Im französischen Pavillon war, wie es sich gehörte, das französische Herrscherpaar bildlich anwesend. Mit großem Aufwand hatte Eugénie dafür gesorgt, dass ein neues, soeben von Winterhalter fertig gestelltes, lebensgroßes und ganzfiguriges Porträt von ihr in letzter Sekunde nach London überführt worden war. Ihr nachdrückliches Engagement, das in diversen Briefen und Notizen nachzuvollziehen ist, offenbart, wie wichtig es ihr war, das aktuelle Gemälde möglichst rasch publik zu machen. Es sollte ihr Regalienbildnis von 1854 ablösen und fortan ein neues Image der französischen Kaiserin verbreiten.273 Das 229 × 146 cm messende Bildnis mag die Betrachterin überrascht haben (Taf. 31): Weder ein klassisches Regalienporträt noch eines der farbenfrohen Modeporträts hing neben demjenigen des Kaisers. Im Gegenteil entpuppt sich dieses Bildnis als Regalienporträt, dessen politischer Appell forderte, die Kaiserin als politische Machthaberin anzuerkennen, weshalb politische Kritiker es als Modeporträt karikierten. Eugénie sitzt vor unspezifischem Hintergrund auf einem wuchtigen hölzernen Thronsessel, dessen lederbezogene Rückenlehne eine hochkarätige Schnitzkunst im wahrsten Sinne des Wortes krönt. Die Herrscherin ist hell ausgeleuchtet: Sie blickt mit wachen Augen links aus dem Bild, ihre Miene ist konzentriert. Der unspezifisch ­gehaltene 271 Vgl. zu weiblichen Tugendidealen im 19. Jahrhundert Kap. I. 1. 272 Stets war sie auf die Unterstützung aus den eigenen Reihen angewiesen, nie hatte sie eine Situation entgegen aller Stimmen drehen können. Vgl. Michelet 2020, S. 234 ff. 273 Eugénie bezahlte alle sieben Porträts nach dem Regalienporträt von 1853 privat, sie sind zumindest auf keiner liste civil zu finden. Vgl. Reisberg 2016, S. 146, der auf Granger 2005 verweist. Reisberg schließt daraus, dass Eugénie größeren Einfluss auf die Bildnismachung haben wollte (S. 146). Aber vgl. Granger 2005, S. 702, die belegt, dass z. B. das Winterhalter-Porträt von Eugénie mit dem Prinzen auf dem Schoß « payés sur le crédit des ouvrages d’art et décoration des édifices publics ». Dies hing in den Tuilerien in der Bibliothek des « second cabinet de l’empereur ».

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II.  Die Regalienporträts

­ intergrund psychologisiert die Figur. Ihre linke Hand stützt in Denkerpose die KinnH kontur: Ein erster Hinweis darauf, dass Eugénie die Sphäre jenes geschlechts­spezifisch eingegrenzten Handlungsraumes verlässt, der 1855 auf der Weltausstellung noch in zweifacher Ausfertigung ihr Image stärkte – einmal als passiv-dekoratives Weiblichkeits­ideal, einmal als Modeikone –, und sich stattdessen einen Platz als politisch aktive und mitdenkende Frau im eng definierten politischen Gefüge einräumt.274 Diese Botschaft wird über einen differenzierten Umgang mit Kleidung und ­Mode codiert, welcher bisher von der Winterhalter-Forschung kaum beachtet wurde: Bildfüllend ist die Robe der Kaiserin, sie nimmt nahezu die gesamte untere Bildhälfte ein. Schwarze, von Winterhalter glänzend in Szene gesetzte Seide fällt über eine volumi­nöse Krinoline. Schwarze französische Spitze säumt das Dekolleté und kurze Ärmel. Eine perlenbestickte Schneppentaille zeugt von aufwendiger Schneiderkunst. Spitzen­besetzte Volants unterteilen den Rock. Eugénie trägt zwar aktuelle Mode zur Schau, Schwarz und Weiß waren seinerzeit die Trendfarben der Damenmode schlechthin, allerdings galt Schwarz als besonders seriös, distinguiert und würdevoll und hatte seinerzeit auch Konjunktur bei Politikern und Geschäftsmännern.275 Dass eine solche rational-seriöse Ausstrahlung ­Eugénies Ziel war, beglaubigt der Tüllschal, der ihr weit ausgeschnittenes Dekolleté, und damit weibliche Reize, explizit kaschiert.276 Jene sollten offensichtlich nicht den Bild­ inhalt bestimmen. Die modische Robe wird um ein Kleidungsstück ergänzt, das die Grenze zwischen den Begriffen Mode, Kleidung und Insigne strapaziert:277 Ein dunkelblauer voluminöser Mantel umhüllt die im Sessel sitzende Kaiserin. Dessen Ränder säumt edler Hermelin. Der Mantel berührt den symbolischen Gehalt eines Krönungsmantels, gleichzeitig ergänzt er die Robe als kostbares Accessoire. Die detailgetreue Ausarbeitung der Mate­ ria­lien betont deren komplexe Bedeutung. Eugénie befühlt den Hermelinpelz zwischen

274 Vgl. McQueen 2011, S. 106, die für das neue Porträt ähnliches erkennt: “Eugénie in her political persona as a considered and serious decision-maker”. 275 Vgl. Birgit Haase: „Une toilette vaut un tableau“ – Impressionismus und Mode, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 228–237, S. 232 f. Bekannte Beispiele für zeitgenössische Porträts in schwarzer Kleidung liefern Jean-Auguste-Dominique Ingres: Madame Moitessier (1851, National Gallery of Art, Washington); Carolus-Duran: Madame Durant (1869, Musée d’Orsay, Paris); James Tissot: Portrait de Mlle L. L. (1864, Musée d’Orsay, Paris); Edouard Manet: La Parisienne (1875, Nationalmuseum, Stockholm). Es handelt sich im Porträt von Winterhalter nicht um Trauerkleidung wie u. a. McQueen 2011, S. 107 vorschlägt. Diese wäre seinerzeit hochgeschlossen, langärmelig und mit Handschuhen getragen worden (Abb. 50). 276 Vgl. zum zeitgenössischen Geschlechterdiskurs Kap. I.1. und zum männlichen Herrenanzug seit Mitte des 19. Jahrhunderts Kap. III. 1. 277 Der Terminus Mode wird hier bezogen auf textile Bekleidung „als soziale Erscheinung, die ein auf bestimmte Zeit favorisiertes Verhalten benennt“, Veronika Haberler: Mode(n) als Zeitindikator. Die Kreation von textilen Modeprodukten, Wiesbaden 2012, S. 24; vgl. vor allem Kap. III. 1.

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50  Detail aus The Illustrated London News, 8. September 1888, Anzeige des The London ­General Mourning Warehouse

i­ hren Fingern und lenkt damit besonderes Augenmerk auf ihn und seinen symbolischen Ursprung. Es ist diese Geste, die den Mantel zu herrschaftlichem Ornat gewichtet. Der Krönungsmantel mit Hermelinborte diente seit jeher der sozialen Abgrenzung. Das Fell war seit dem frühen Mittelalter hohem Adel und Geistlichen vorbehalten und gehörte in zahlreichen Ländern zum Krönungsornat, oft wurden Kronen damit gefüttert.278 Mit dem Tragen von königlichem Material unterstrich Eugénie ihren einmaligen politischen Machtstatus als Kaiserin und distanzierte sich von ihrem in Modeporträts forcierten Anspruch, Trends zu folgen.279 Machtstatus signalisiert auch Eugénies goldenes Diadem. Es wurde kurz vor der Bildentstehung nach ihren Vorgaben gefertigt. Der frontal eingearbeitete Diamant gehörte zu den seinerzeit größten und populärsten Edelsteinen Europas, und es war all­ gemein bekannt, dass er die französischen Kronen seit Ludwig XV. dekoriert hatte, in ­deren ­dynastische Linie sich Eugénie offensichtlich einreihen wollte.280 Auf klassische Regalienporträt-Ikonografie weist das rote Kissen – man möchte sagen: Insignien­kissen –, 278 Vgl. zu Kleiderordnungen Kap. III. 1. 279 Vgl. Kap. III. 2. 280 Vgl. Edwin Streeter: Great Diamonds of the Earth, London 1982, S. 169–83, zitiert nach McQueen 2011, S. 142, Anm. 97.

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auf das die Kaiserin ihren rechten Fuß setzt. Sollte der Betrachter die Botschaft des Bildes nicht über die Hinweise von Gestik, Kleidung und Accessoires wie Thronsessel und ­Krone dechiffriert haben, informiert die lateinische Inschrift in der linken oberen Bildecke über Eugénies Machtanspruch: MARIA EUGENIA GUZMAN / ­COMITISSA / ­TEBA / ­GALLORUM / IMPERATRIX / MDCCCLXII. Nicht nur den politischen Status einer Kaiserin akzentuiert diese Inschrift, sondern auch die spanischen Wurzeln Eugénies. Die lateinische Schriftsprache bot ihr die Möglichkeit, die französische Schreibweise ihres spanischen Vornamens zu umgehen. Neben der Schreibweise ihres Vornamens ist in die Rückenlehne das Wappen der Albas, einer verwandten spanischen Familie, eingearbeitet. Diese Betonung ihrer spanischen Herkunft ist insofern erwähnenswert, als dass anhand ihrer ersten Porträts als französische Kaiserin eine systematische Entspanifizierung ihrer Physiognomie nachverfolgt werden kann.281 Dass sie ihre Wurzeln nun explizit in einem offiziellen Regalienporträt pointierte, demonstriert ihr politisches und persönliches Selbstbewusstsein und ihr Verlangen nach einem neuen Identitätskonzept. Mit diesem Porträt sabotierte Eugénie jenes sorgfältig aufgebaute Image als politisch inaktive dekorative Gemahlin des Kaisers und übertrat jene Grenzen, die in Frankreich seinerzeit den weiblichen Handlungsfeldern gesteckt waren. Sie präsentiert sich als politisch aktive Kaiserin, als eigene Regentschaftskandidatin, ohne auf ihren sechs­ jährigen Sohn zu verweisen. Ein Brief von Winterhalter an Charles Tascher de La ­Pagerie, ­Premier Chambellan der Kaiserin, enthüllt, dass Eugénie Inschrift und Wappen ­wünschte.282 E ­ inen ersten Vorschlag skizzierte Winterhalter in dem Brief, darunter steht noch ­EUGENIE GUSMAN (Abb. 51). Offenbar kam erst von Eugénie die Idee, ihren spanischen Namen zu verwenden.

51  Detail aus dem Brief von Winterhalter an Charles Tascher de la Pagerie vom 15.02.1862, Bayerische Staatsbibliothek ­München, Cgm 7324.89.

281 Dieser Prozess kann nachverfolgt werden am Beispiel der Porträts von Édouard Dubufe, vgl. dazu McQueen 2011, S. 90–93 u. S. 106 f. 282 Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 7324.89. Brief datiert auf den 15.02.1862.

5. Imagewechsel?

Das Porträt wurde ein Jahr nach der Weltausstellung im Pariser salon von 1863 ausgestellt. Während der Ausstellungszeit veranlasste das Kaiserpaar die neuen Regalienporträts aus dem salon carré in die Eingangshalle der Ausstellungsgebäude umzuhängen.283 Wie im vorherigen Kapitel gezeigt, nahmen Kaiserpaar und die kaiserliche Familie massiv Einfluss auf die Geschehnisse im Salon. Die Entscheidung der Umhängung bestätigt, dass die neuen Porträts strategisch genutzt wurden, um das neue Image visuell zu verankern. Doch trotz Eugénies Engagement, ihr neuartiges Porträt im Bildnis­ programm europaweit zu etablieren, und trotz der durchaus auch positiven Kritik, gibt es einige Hinweise, die darauf deuten, dass es sich nicht durchsetzte – oder sich nicht durchsetzen durfte:284 An prominenten Stellen hingen weiterhin Originale oder Kopien der Regalien­porträts von 1854. Noch 1864/65 beispielsweise stellte die Manufaktur in Sèvres zwei Vasen mit den alten Porträts von 1854 her (Abb. 52).285 In Archiven sind keine Postkarten, Fotos oder ­Stiche von dem neuen Gemälde zu finden, weshalb davon auszugehen ist, dass nicht ­viele Reproduktionen hergestellt wurden. Im Vergleich mit dem ovalen Tugendporträt oder den Regalienporträts von 1854 fällt dies besonders auf, da von diesen eine Fülle von Reproduktionen auszumachen ist.286 1866 wurde das Porträt von 1862 schließlich, von ­Eugénie initiiert, im hôtel de l’impératrice platziert; in diesem privaten Refugium empfing die Kaiserin auch ihre spanische Verwandtschaft.287 Kein Kritiker erwähnte seinerzeit explizit den im Porträt klar formulierten politischen Machtanspruch. Wie so oft zuvor wurde dieser über Eugénies Modekörper und damit ihren weiblichen Körper kommentiert. Die Zeichnung des einleitend bereits erwähnten Karikaturisten in La vie parisienne erweckt ein leeres Kleid in einem Trophäenrahmen zum Leben (Abb. 48). Eingegliedert in die Masse an Eugénie-Karikaturen, kann der Schwung der Krinoline in den Betrachterraum hinein als Kritik an dem aus­ufernden

283 Vgl. McQueen 2011, S. 107. 284 Vgl. zur Kritik am Porträt McQueen 2011, S. 107. McQueen vermutet aufgrund des Nachdrucks, mit dem Eugénie das Bildnis zunächst öffentlich ausstellte, “that it was government officials who responded negatively to the painting and resisted the transgressive depiction of Eugénie as an authoritative public figure.” McQueen 2011, S. 108. Dafür stehen jedoch keine Beweise zur Verfügung. 285 Datiert auf 1864–1865, Château de Compiègne, Inventar-Nr. MMPO929. 286 Das ovale Tugendporträt von 1854 sowie das Regalienporträt von 1853 existieren in derart vielen verschiedensten Versionen als Miniatur, Stich oder Fotokarte aus den 1850er und vor allem auch 1860er Jahren, dass sie offensichtlich Verkaufsschlager waren. Zwei Beispiele: Kaiserin Eugénie (Oval, von Winterhalter), carte de visite aus dem Atelier Mayer & Pierson, die zwischen 1855 u. 1873 arbeiteten, 65 × 55 mm, Ajaccio, Palais Fesch, Musee des Beaux-Arts, Inventar-Nr. MNA 2012.2.54. Ab 1860 ­Populärkunst in Form von kitschigen Flugblättern, die das Regalienporträt von 1854 zur Grund­ lage ­haben: Kaiserin Eugénie, kolorierter Druck aus der Druckerei Charles Pinot Sagaire, Marseille, ­MuCEM, Inventar-Nr. 53.86.720C. 287 Vgl. McQueen 2011, S. 108.

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II.  Die Regalienporträts

52  Vasenpaar aus der Manufacture de Sèvres, 1864–65, Porzellan, 21 × 65 cm, Compiègne, ­Musées ­nationaux du Palais de Compiègne

Machtanspruch der Kaiserin gelesen werden. Dass das Kleid die Kaiserin personifiziert, zeigt die Übernahme des Terminus portrait en pied in der Bildunterschrift als « robe en pied » an. Der Krönungsmantel hingegen wurde ignoriert. Dem Karikaturisten gelang es, indem er nur die modische Hülle darstellte, den Bildinhalt auf Mode zu reduzieren, somit Eugénie in ein seinerzeit weibliches Handlungsfeld zu pressen und gleichzeitig Winter­halter zum Kleidermaler zu degradieren.288 Ähnlich diskreditierten die meisten Karikaturen Eugénies möglichen politischen Einfluss.289 Stets wurde die Kritik an ihrem angeblich ausladenden Machtwillen über raumeinnehmende Krinolinenröcke geübt.290 Betitelt mit The modern governess ver­ öffent­lichte beispielsweise Punch 1861 einen Blick in ein Klassenzimmer (Abb.  53). ­Umringt von Kindern gibt eine Lehrerin, deren Physiognomie auffällig der Eugénies ­ähnelt, Geografie-Unterricht. Ihr voluminöser Krinolinenrock bildet eine Landkarte ab,

288 Zur mit Modekompetenz einhergehenden Herabsetzung von weiblichen rationalen Fähigkeiten und zur sozialen Konstruktion weiblicher Modeaffinität Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Kap. III. 1. 289 Vgl. Dolan 1994, insgesamt u. bes. S. 28. 290 Wie politisch brisant die Modeerscheinung der Krinoline war, thematisieren zahlreiche zeitgenössische Karikaturen, vor allem in der meinungsfreieren britischen Presse wie Punch, die Eugénie zur « Comtesse de la Crinoline » und « Impératrice de la mode » stilisierten und damit deren politische Einmischung kritisierten, vgl. Dolan 1994, S. 23. Vgl. zu anderen politischen Karikaturen Eugénies McQueen 2011, S. 271–287.

5. Imagewechsel?

53  Anonym: The Modern Governess, ­abgedruckt in: The Punch, or the London Charivari, 2. ­Februar 1861, S. 52

auf der die Kaiserin mit einem Zeigestock auf Spanien weist. Eine andere Karikatur reklamiert ­Eugénies Einfluss auf die Kirchenstaatsfrage über eine Krinoline in Form einer ­Tiara. In einem Flugblatt, das 1870 im deutschsprachigen Raum kursierte, schwingen ­Chignon und Krinoline an einer Fahnenstange, die Eugénie als Volksführerin und, wie es unter dem Text heißt, „Erfinderin der Krinoline“, hält.291 Die Überschrift „THEATRE ­IMPERIAL auf allgemeines Verlangen IHR letzter Versuch“ rekurriert auf ihren letzten Regierungsvorsitz und ihre Proclamation de l’Impératrice-Régente aux Français, kurz bevor das Second Empire endete.292 Es wird bereits deutlich, was im nächsten Hauptkapitel Die Modeporträts näher erläutert wird: Mode als weibliches Handlungsfeld war Mitte des 19. Jahrhunderts politisch und gesellschaftlich etabliert, wohingegen das Verlassen dieser Sphäre in Richtung politischer Entscheidungshabe im engeren Sinne keinesfalls akzeptiert wurde. Zwischen Regalien- und Modeporträt Trotz der andauernden negativen Kritik an Eugénies politischen Ambitionen, die auch das Winterhaltersche Porträt von 1862 traf, war es ein kluger Schachzug, das Thema nicht auszuschließen. Denn: Modekompetenz zu beweisen avancierte ab Mitte des 19.  Jahrhunderts zu einem wichtigen Handlungsfeld von Frauen und damit auch von 291 Anonym: Théatre impérial, um 1870, Flugblatt, ohne Maße, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek. 292 Proklamation vom 07.08.1870, abgedruckt in: Michelet 2020, S. 327.

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II.  Die Regalienporträts

­ errscherinnen. Die Idee kam allerdings nicht von der Kaiserin, wie bisher in der ForH schung nicht aufgefallen ist, sondern Winterhalter bat in seinem Brief an Tascher de La Pagerie explizit um eine Abendrobe: „falls sie [Eugènie, T. H.] aber sogleich die Sitzung haben will, so bitte ich um ein Kleid, welches so genäht ist daß ich Ihre Arme sehen kann.“293 Dies ist insofern erwähnenswert, als dass Eugénie, während sie regierungspolitische Arbeit erledigte, normalerweise Tageskleidung trug, wie auf dem oben gezeigten Stich aus The Illustrated London News zu sehen (Abb. 49).294 Das vestimentäre Spiel mit Stoffen und Schnitten in diesem großformatigen Herrscherporträt verrät einen differenzierten Umgang mit dem Thema Kleidung und Mode. Eugénies Ruf als Modeikone reichte zu diesem Zeitpunkt bereits über ganz Europa.295 Im Folgenden soll anhand zweier Bildquellen erläutert werden, dass und inwiefern die Kaiserin auch mit monarchisch konnotiertem Material neue Mode-Trends setzte. Das ursprünglich Macht anzeigende Material des Hermelinpelzes avancierte nämlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sukzessiv zu einem modisch, und damit schichtenübergreifend genutzten Werkstoff. Bisher in diesem Zusammenhang un­berücksich­tigte Bildquellen lassen darauf schließen, dass Eugénies Porträts daran wesentlich beteiligt waren. In einer Modeillustration der seinerzeit populären französischen Modezeichnerin Héloïse Leloir von 1863 findet sich der Hermelinmantel als Accessoire über ­einer schwarzen voluminösen Robe wieder und ähnelt augenfällig Eugénies vestimentärer Ausstattung im Winterhalterschen Porträt, welches in demselben Jahr im Pariser ­Salon ausgestellt worden war (Taf. 32). Die Modezeitschrift La Corbeille veröffent­lichte die ­Illustration am 1. Januar 1864, also nur wenige Monate, nachdem Winterhalters Öl­ porträt im salon zu sehen gewesen war. Die Datierung erlaubt die Annahme, dass die Künstlerin sich vom Modeverhalten der Kaiserin hatte beeinflussen lassen. Die These, dass Winterhalter und Eugénie mithilfe höfischen Materials Trends setzten, stützt ein anderes Porträt Winterhalters (Abb. 54). 1864 ließ die Kaiserin ein Bruststück anfertigen, das erneut Hermelin mit aktueller Mode verbindet. Sie blickt den Betrachter ernst an. Dicke Perlen an Ohren und Hals wie auch das großzügig dekolle­tierte Seidenkleid zeugen zwar von einem öffentlichen Auftritt, doch ist der einzig mögliche Hinweis auf ihren Rang eine um ihre Oberarme liegende Stola aus üppigem Hermelin. Dieser sendet jedoch, auch weil das Bild nur einen Ausschnitt zeigt, keine insignien­hafte Botschaft. Drei schwarze Tupfen in dem weißen Fell sind so sorgfältig und detailliert, wie zum Anfassen, von Winterhalter herausgearbeitet, dass sie, wie die Perlen, die Blicke der Betrachterin auf sich ziehen. Explizit wird der Hermelin hier als modisches H ­ ighlight und Accessoire feilgeboten. Das Werk wurde im Salon von 1864 öffentlich ausgestellt 293 Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 7324.89. Brief datiert auf den 15.02.1862. 294 Vgl. hierzu vor allem Kap. III. 2. 295 Vgl. zu Eugénie als Modehandelnde Kap. II. 2.

5. Imagewechsel?

54  Franz Xaver Winterhalter: Eugénie de ­Montijo de Guzman, impératrice des Français, 1864, Öl auf Leinwand, 60,7 × 50,2 cm, Compiègne, Musées ­nationaux du Palais de Compiègne

und kam offenbar so gut an, dass der Hof es auf der Weltausstellung von 1867 noch einmal präsentierte.296 Hierfür gibt es Vorläufer. Jean-Étienne Liotard malte bereits im 18. Jahrhundert ­Damen der monarchischen Elite, in deren Porträts Hermelin eher Accessoire-Charakter hatte, als dass er als Insigne fungierte. So beispielsweise in einem Brustbild von ­Maria Theresia aus dem Jahr 1747 zu sehen (Abb. 55). Ihr Blick ist erhaben, die Physio­ gnomie idealisiert, zwei Schmuckstücke sorgen für den nötigen Pomp. Doch ist in ihre ­Brosche eine Miniatur ihres Ehemannes eingearbeitet, das Kleid als Hauskleid zu identifizieren.297 Um Maria Theresias Schultern schmiegt sich ein lilafarbener Seidenmantel, ­welcher mit Hermelin gefüttert ist, und dessen Tupfen von Liotard so detailliert, geradezu drei­dimensional wirkend, ausgearbeitet sind, dass die Materialien und deren Dekorativität in den Vordergrund rücken. Das Porträt reüssierte; es wurde als Grundlage für diverse Flugblätter genutzt und existiert in mehreren Versionen.298 Wie und warum sich während des Second Empire monarchisches Material in öffent­ liches Gut umwandeln konnte, erklärt ein Blick auf den strategischen Umgang mit aristo­ kratischen Idealvorstellungen.299 Ein Modell aristokratischen Lebens sollte zur Nach­ 296 Vgl. McQueen 2011, S. 108. 297 Johannes Pietsch 2020, S. 197–204, S. 199. 298 Vgl. Hertel 2020, S. 280 f. 299 Nicht nur in Modeillustrationen erscheint der kostbare Pelz als beliebtes Accessoire, auch auf gesellschaftlicher Ebene avancierte er zu einem sozial elevierenden Material. So ließ sich die Gräfin di

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II.  Die Regalienporträts

55  Jean-Étienne Liotard: Maria Theresia im pelzbesetzten Kleid, 1747, 62 × 51 cm, Emaille auf Kupfer, Amsterdam, Rijksmuseum

ahmung aufrufen.300 Der Hof nutzte von Beginn an allumfassend jede Möglichkeit, öffent­lich publikumswirksam zu handeln und dies medial aufbereiten zu lassen. Presse und Öffentlichkeit sollten weitestmöglich auch an familiären Feiern, Bällen, Jagden oder Empfängen teilhaben. Eugénies Experimentieren mit monarchisch konnotierten Stoffen in ihren Porträts hatte deren neue Kontextualisierung zur Folge. In dem Augenblick, in dem der ursprünglich dem Herrscher vorbehaltene wertvolle Pelz zum trag­baren Mode-­ Accessoire avancierte, war auch dieser Teil jenes Modells, das zur Nach­ahmung eines aristokratischen Lifestyles animierte. Damit kristallisierte sich sogar im Umfeld von ­Regalienporträts ein Mechanismus von Herrschaftsanerkennung durch Nachahmung heraus.301 Winterhalters Regalienporträt der französischen Kaiserin von 1862 besitzt hybriden Gattungscharakter und changiert zwischen Regalien- und Modeporträt. Thron­sessel, ­Krone und Hermelin rufen tradierte Formensprache auf, Abstand zur klassischen Herrscher­

­ astiglione z. B. in einer ihrer zahlreichen Fotoserien im Hermelinumhang abbilden: angesichts desC sen, dass sie zwei Jahre lang die Mätresse von Napoléon III. war, ein politisches Statement. Vgl. Foto von Pierre-Louis Pierson: Castiglione im Hermelinmantel, abgedruckt in: La Comtesse de Castiglione par elle-meme, hg. v. Pierre Apraxine, Xavier Demange u. Françoise Heilbrun, Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, Paris 1999, S. 67 (Kat. La Comtesse de Castiglione 1999). 300 Vgl. Truesdell 1997, S. 72 ff., der diverse Beispiele analysiert, hier: S. 73. Dies wurde ebenfalls in Kap. II. 6. herausgearbeitet. 301 Vgl. zur Herrschaftsanerkennung durch Nachahmung vor allem Kap. III. 2.

5. Imagewechsel?

darstellung nehmen hingegen zeitgenössische Zeichen: Gestik und aktuelle Mode stiften zeitlich und topografisch Nähe und ermöglichen dem Betrachter Zugang zur Dargestellten.302 Die Kritiker suchten den politischen Appell des Porträts zu entschärfen, indem ihre spitze Feder nur die Mode und damit ein seinerzeit passendes weibliches Handlungsfeld kommentierte; letztlich dominieren jedoch die Hinweise auf den einzigartigen machtpolitischen Status der Kaiserin, welcher dieses Porträt trotz des fehlenden Apparats zu einem Regalienporträt macht. Die neuen Regalienporträts des Kaisers Inwiefern sich in das männliche Herrscherporträt und in den Körper des Kaisers gesellschaftliche und modische Veränderungen einschrieben, dokumentiert der Auftrag an Hippolyte Flandrin, ein neues Regalienporträt zu schaffen (Abb. 56).303 Es hing 1862 auf der Londoner Weltausstellung und ebenfalls im Salon von 1863 neben dem neuen der Kaiserin. Zahlreiche ikonografische Anspielungen stellen den in eine Generalsuniform gekleideten Kaiser in die dynastisch legitimierte Nachfolge Napoléon-Bonapartes. Auf dem Tisch liegen nun keine Regalien mehr, sondern eine Landkarte Frankreichs und die Commentarii Caesars, die den Monarchen als militärischen Strategen ausweisen.304 Die Ikonografie des am Schreibtisch arbeitenden Staatsoberhauptes, die auch Napoléon-­ Bonaparte des Öfteren nutzte, wird aufgerufen. Von links blickt eine Büste Napoléons I. auf den Herrscher, die Kaminarchitektur birgt Adlerdekor. Auffällig verändert hat sich die Statur Napoléons III. Seine bisher eng geschnürte Wespentaille gleicht nun eher jener stattlichen Körperform Louis-Philippes von 1839 (Taf. 7).305 Welche Botschaft beim Betrachter ankommen sollte, beeinflusste Theophile Gautiers Kommentar im staatlich gelenkten Moniteur Universelle. Er leitet den Leser an, im Bildnis einen « souverain moderne » zu erblicken.306 Das Bild von Flandrin erhielt überwiegend positive Kritik.307 Es wurde noch 1865 in der École des Beaux-Arts und auf der Weltausstellung 1867 ausgestellt, in der Zwischenzeit hing es im Musée du Luxembourg. Es folgten immerhin 200 Kopien, aber da der

302 Der Stuhl ist auf diversen cartes de visite zu sehen, z. B. Abb. 2.26 und Abb. 2.27 bei McQueen 2011. Vgl. zur Interaktion zwischen Künstler, Modell und Betrachterin über zeitgenössische Mode Kap. III. 1. 303 Obgleich der Auftrag erst 1862 offiziell gegeben wurde, arbeitete Flandrin von 1860–1861 an diesem Porträt, vgl. Kat. L’art en France 1979, S. 357. 304 Vgl. Kopp 2013, S. 206; vgl. zu den Porträts von Napoléon III. auch Paul Perrin: Intentions et ambitions du portrait peint sous le Second Empire, in: Kat. Spectaculaire Second Empire 2016, S. 84–103, S. 91. 305 Vgl. Kap. II. 2. 306 Le Moniteur Universelle, 23.05.1863, S. 801, zitiert nach Kopp 2013, S. 206. Weiter heißt es: « nulle emphase dans l’apparat dans la composition du portrait, mais une majesté simple et tranquille qui s’impose sans effort et ne permet pas un instant de doute sur l’auguste nature de la personne représentée. » 307 Vgl. für einen Überblick der Kritiken Kat. L’art en France 1979, S. 357 f.; vgl. McQueen 2011, S. 108.

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II.  Die Regalienporträts

56  Hippolyte Flandrin: Napoléon III, en uniforme de général de Division, dans son Grand Cabinet aux Tuileries, en 1862, 1862, Öl auf Leinwand, 212 × 146 cm, Versailles, Musée du ­Château de Versailles

Kaiser das Original 1866 dem Handelsgericht schenkte, ist davon auszugehen, dass er es nicht als tonangebendes Zugpferd eines neuen Bildnisprogramms sah.308 Wohl deshalb wurde 1865 Alexandre Cabanel beauftragt, ein neues Regalienporträt von Napoléon III. zu schaffen (Abb. 57). Der Körper des Kaisers bleibt stattlich geformt. Seine einfarbig schwarze Kleidung unterwirft sich vordergründig dem seinerzeit für Männer geltenden Modediktat.309 Allerdings betonen zum Frack getragene Kniebundhosen und Lackschuhe den Status des Kaisers. Das Ordensband verschwindet nun fast unter dem Frack, die Bruststerne des Hosenbandordens und der Légion d’Honneur, die den Herrscher in Winterhalters Porträt noch reich dekorieren und ihn als w ­ ichtigsten Ehrenmann des Landes ausweisen, sind kaum noch zu identifizieren. Im Hintergrund 308 Der Kaiser fragte, den Erinnerungen Philippe de Chennevières (1820–1899) zufolge, kritisch: « Ne trouvez-­ vous pas qu’il m’a donné un air bien mélancolique? » vgl. id.: Souvenirs d’un Directeur des ­Beaux-Arts, Teil II, Paris 1883, S. 8. 309 Vgl. zur Entwicklung des Herrenanzugs Kap. III. 1.

5. Imagewechsel?

57  Alexandre Cabanel: Portrait de ­Napoléon III, 1865, Öl auf Leinwand, 230 × 171 cm, Compiègne, Musées ­nationaux du Palais de Compiègne

bricht Sonne durch die Scheiben in der Galerie, ein Fingerzeig auf die Sonnenmetapher, welche auch Napoléon-Bonaparte für sich und seinen Herrschaftsanspruch geltend gemacht hatte.310 Unübersehbar hat der einstige Winterhaltersche Pomp zurück ins Bild gefunden. Krönungsmantel, Zepter und Krone sind vom Monarchen zwar auf dem Tisch hinter ihm abgelegt worden, bevor er im Vordergrund zu posieren begann. Eine kompositio­ nelle Verbindung zwischen Kaiser und Apparat besteht jedoch nur noch in seinem leichten Abstützen auf dem Tisch in nonchalanter Pose. Das Porträt fand speziell wegen d ­ ieser sorgfältigen Trennung vom Pomp und Person einige Kritiker. In der Gazette des BeauxArts kommentiert Paul Mantz:

310 Vgl. HPI 2011, s. v. „Sonne“ (Hendrik Ziegler), S. 361 f.

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II.  Die Regalienporträts […] si l’Empereur est en habit noir, comme un simple mortel, pourquoi cette couronne qui a l’air d’un objet d’art, d’une curiosité pure apportée du musée des souverains? Si les insignes de la dignité impériale doivent être pris au sérieux, pourquoi le manteau semé d’hermine est-il jeté au hasard sur un fauteuil comme un pardessus dont on se débarrasse en rentrant chez soi? Il n’y a dans ce portrait, qui n’est ni tout à fait familier ni tout à fait solennel, aucun lien entre la réalité et le symbole, entre l’homme et le souverain. – L’effigie définitive de l’Empereur reste donc encore à tenter.311

Einen Monat später heißt es in der regierungskritischen Revue du monde: A quoi bon cette table si fastueusement chargée de tous les attributs de la dignité impériale, puisque le souverain, vêtu d’un habit noir et d’une culotte de soie, semble avoir voulu poser comme un simple bourgeois? – Plaçons mentalement sur sa tête la grosse couronne d’or qui est à portée de sa main: – quelle cacophonie éclaterait dans la conception!312

Angeprangert wird der Versuch Napoléons III., sich über vestimentäre Zeichen der bürgerlichen Mitte anzunähern, allerdings ohne dabei auf den kaiserlichen Apparat zu verzichten. Was den Kritiker ärgerte, war indes von Beginn an Grundlage des sozialpolitischen „Volkskaisertums“.313 Die unklar zwischen Regalien- und Modeporträt changierende Bildaussage macht auch dieses Bildnis zu einem hybriden und scheint nicht für Erfolg gesorgt zu haben. Offenbar waren unmissverständliche Botschaften leichter durch reine Porträttypen zu vermitteln. Vielleicht wurde Cabanels Bildnis deshalb nur 20 Mal kopiert.314 Wie bereits für Winterhalters Porträt der Kaiserin von 1862 herausgearbeitet, säen auch die Rezeptionsgeschichten der Porträts Napoléons III. Zweifel an einem tatsächlich existenten, bildlich manifestierten Imagewechsel. Zahlreiche Quellen belegen, dass Winter­halters erste Regalienporträts von 1854 auch in den 1860er Jahren noch immer Konjunktur hatten. * Die Bestellung und Ausstellungspraxis der neuen Regalienporträts verrät, dass die politischen Veränderungen ab 1860 in den Augen des Kaiserpaares nach einem Image­wandel und damit nach neuen Regalienporträts verlangten. Doch auch während des Empire ­libéral war der grundsätzliche Appell eines Regalienporträts noch zweifelsohne nötig, und es galt nach wie vor, die „mystische Dimension“ des königlichen Körpers und seine Wirkkraft zu instrumentalisieren.315

311 Salon de 1865, in: Gazette des Beaux-Arts 6/1865, S. 516. 312 Salon de 1865, in: Revue du monde 7/1865, S. 134. 313 Vgl. zur neuesten Forschung zum „sozialen Königtum“ und speziell des Second Empire als „Volkskaisertum“ Kroll 2015, S. 131 ff., hier: S. 131. 314 Vgl. Kopp 2013, S. 206. 315 Horn 2010, S. 136.

5. Imagewechsel?

In den neuen Regalienporträts ist eine deutliche Veränderung im Umgang mit jenem Apparat zu beobachten, welcher diejenigen höfischen Rituale und Zeremonien fixierte, die seit Jahrhunderten wesentliche Pfeiler der Stabilisierungs- und Legitimationsstrategien der Institution Monarchie waren. Winterhalters, Flandrins und Cabanels Regalienporträts der 1860er Jahre perpetuierten nicht nur tradierte Bildschemata, sondern entschlackten diese zugunsten einer Individualisierung der Dargestellten. Eugénie s­uchte ihr außergewöhnliches Recht auf politische Teilhabe mit ihrem Status als Modeikone zu addieren; der Kaiser visierte eine Modernisierung über Körperform und Kleidung an. Die Veränderung klassischer Apparat-Ikonografie stellt ihre Körper in einen anderen Kontext. Die Herrschaftslegitimation aufrufende Bildsprache konnte vom Betrachter nun stärker unter ästhetisch bewertenden Gesichtspunkten aufgenommen werden. Mit dieser Personalisierung fuhr das Herrscherpaar die exakt gegenteilige Strategie der ersten Winterhalterschen Regalienporträts von 1853, welche ein idealisiertes Herrscherideal propagierten und auf zu individuelle Darstellung absichtlich verzichteten, mit dem Ziel, auf den dynastischen Aspekt ihrer Herrschaftslegitimation hinzuweisen. Innerhalb der Regierungszeit des französischen Kaiserpaares vollzog ihr Bildnisprogramm eine viel stärkere Wendung als beispielsweise das von Königin Victoria und Prinz Albert. Jene ließen sich, wie in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt werden k­ onnte, zur gleichen Zeit eher prunkvoller porträtieren. Das Urteil, das Second Empire „be­durfte, um sich am Leben zu erhalten, der künstlerischen Prachtentfaltung in weit größerem Maß als etwa die victorianische Monarchie“, das die kunsthistorische Forschung für das 19.  Jahrhundert wiederholt konstatiert, ist also nicht nur überholt;316 umgekehrt setzten andere Monarchien in den 1860er Jahren sogar stärker auf Pomp als das französische Kaiserpaar.

316 Schoch 1975, S. 148.

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III.  Die Modeporträts

“[T]here is now a class who dress after pictures, and ask, when they buy a new gown, not, like Mrs. Siddons, ‘Will it wash?’ or, ‘Will it wear?’ with Mrs. Primrose; but ‘Will it paint?’”1 Mrs. Oliphant

1. Die Diktatur der Mode: Modehandeln als Distinktionspraxis Mitte des 19. Jahrhunderts „Lieber Winterhalter! […] Befehlen Sie, wann das Modell zu kommen hat! […] Ich werde sodann mit gewünschter Coiffure und mehreren Kleinigkeiten und Blumen erscheinen; ich überlasse ihnen meinen Kopf und werde meinerseits nur so gut als möglich posieren.“2 Mit diesen Worten plante Pauline Fürstin von Metternich ihren Termin im Winterhalter­ schen Atelier in Paris. Der Künstler porträtierte die gesellschaftlich einflussreiche Frau des österreichischen Botschafters 1860, ihrem ersten Jahr in Paris (Taf. 33). Das im Brief selbsternannte „Modell“ präsentiert im Profil posierend ein seidenes weißes Ballkleid, den Blick auf den Maler gerichtet, mit der rechten Hand die Krinoline anhebend. Blickfang ist der hochmodische tulle etoilé.3 Die Wiedergabe der verschiedenen mehrlagigen Tüllschichten erforderte höchstes handwerkliches Talent: Über den Rock aus weißer ­Seide fällt in mehreren Lagen dichter Tüll, die Rüschen an Dekolleté und an den über den 1 2 3

Margaret Oliphant: Dress, London 1878, S. 4. Pauline Metternich an Winterhalter, o. O. u. D., vermutl. 1860, Privatbesitz, abgedruckt in: Panter 1996, S. 28. Vgl. Ribeiro 1987, S. 70. Metternich trug im Porträt den neuesten Trend, vgl. The Ladies’ Treasury 4/1860, S. 26: “[…] nothing is more elegant […] than a white tarlatan, with numerous flounces; and these, to have a truly elegant effect, should be trimmed with ruches of tulle illusion.” Alison Matthews David verweist auf die Gefährlichkeit des neuen Tülls, der schnell Feuer fing und wegen seiner Beliebtheit viele Frauen das Leben kostete. Vgl. id.: Fashion Victims. The Dangers of Dress Past and Present, London 2015, S. 152.

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III.  Die Modeporträts

58  Revue des Modes et de l’Industrie de Paris 27/1862, Titelblatt

59  Wenceslaus Hollar: Spring, 1643, Radierung, 27 × 19,2 cm, London, Royal Collection

Rücken verbundenen Flügelärmeln lassen den Seidenstoff der korsettgeformten Taille und die Haut des Arms durchschimmern. Schließlich schlingt sich nur eine einzelne transparente Bahn wie ein Schal um den Torso, eine Tüllwolke, die sich vor dunklem Parkhintergrund umso raffinierter abhebt. Die spotlightartige Lichtführung von oben setzt nicht nur den modischen Stoff, sondern auch den brandneuen weitdekolletierten Schnitt der Robe mit nackter Schulterund Rückenpartie exponiert in Szene. Erst die Tatsache jedoch, dass das Gesicht der Dargestellten vollständig im Schatten liegt, instruierte den Betrachter, das Bild nicht über akademisches Kanon-Wissen zu entschlüsseln, sondern über zeitgenössisches Mode-­ Know-how. Der Betrachter wird die modeofferierende Geste aus zeitgenössischen Mode­ illustrationen gekannt haben (Abb. 58). Schon in Kostümbüchern des 17. Jahrhunderts gehörte der Griff an die Robe zum Gestenrepertoire der Modelle (Abb. 59). ­Pauline von Metternichs auffordernder Blick und der aktive Griff an die Krinoline lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Mode. Dass nicht das ganze Kleid en pied gezeigt wird, erhärtet die Vermutung, dass hier nicht das Modeobjekt, sondern der Akt des Mode­präsentierens den wesentlichen Bildinhalt ausmacht.4 4

In der Forschungsliteratur wird das Porträt zwar fast immer mit der Mode-Biografie der Dargestellten in Verbindung gebracht, es wird beispielsweise bei Panter als „à la mode“ eingeordnet (id. 1996, S. 155),

1.  Die Diktatur der Mode

Künstler und Modell apostrophierten Metternichs Anspruch auf eine Rolle als einflussreiche Akteurin innerhalb der Pariser Modeszene.5 Die Fürstin galt als ­absolute Mode­ insiderin, die maßgeblich den Erfolg des berühmten Modedesigners Charles ­Frederick Worth verantwortete, die nicht nur die Kaiserin in Modefragen beriet, sondern selbst immer wieder Trends setzte, welche als Confection genre Metternich gar nach ihr benannt wurden.6 Dass die Österreicherin dieses Image in Paris visuell stimulieren wollte, klingt bereits in besagtem Brief an: Winterhalter, der Porträt-Spezialist, dem sie ihren „Kopf überläss[t]“, hatte ihr Metier, nämlich Pose und Ausstaffierung, zu respektieren. Der Plan ging auf. Nicht nur sie selbst war begeistert von dem Bildnis, sondern es machte die ­Runde in den Tuilerien, wo das Kaiserpaar es nicht nur bewunderte, sondern kaufen wollte, und es schließlich im Visitenkartenformat kursierte.7 Die Fürstin verbreitete in Paris gezielt ein Image von sich als Modebotschafterin. So zirkulierte zum Beispiel zeitgleich eine Fotokarte der Fürstin vor seinerzeit typischer jedoch argumentiert niemand mit der konkreten Bildbotschaft aus Geste, Lichtführung und historischen Modeabbildungen. Vgl. Kat. Courts d’Europe 1987, S. 209; Kat. Winterhalter 2016, S. 189; Birgit Haase: „Les toilettes politiques“ Mode und Staatsräson im Second Empire, in: Philipp Zitzlsperger (Hg.): Kleidung im Bild. Zur Ikonologie dargestellter Gewandung, Emsdetten u. Berlin 2010, S. 181–193, S. 189. 5 Im Zusammenhang mit der Winterhalter-Ausstellung 2015/16 wurde das im Schatten liegende Gesicht hingegen mehrfach mit der biografisch dokumentierten Tatsache in Verbindung gebracht, dass die Prinzessin nicht dem Schönheitsideal entsprach („häßlich wie ein Affe“ überliefert beispielsweise Metternich-Biographin Theophila Wassilko: Fürstin Pauline Metternich, München 1959, S. 124 f.): Im Katalogtext von Helga Kessler Aurisch, eine der Kuratorinnen der Winterhalter-Ausstellung 2015/16, nur angedeutet: „Von links fällt das Licht sanft auf ihre Gestalt, trifft jedoch nur ihre Wange und lässt so ihre harten Gesichtszüge weicher erscheinen.“ In der Radiosendung Sisi, Zar und Queen – Die Wieder­ entdeckung des Hofmalers Franz Xaver Winterhalter, SWR2 Forum, 27.11.2015, formulierte Kessler ­Aurisch es deutlicher; sie erklärt, das Gesicht liege im Schatten, weil das nicht die „Schokoladenseite“ der Prinzessin war. Weiterhin wurde während einer offiziellen Führung durch die Ausstellung im Freiburger Augustinermuseum im Dezember 2015 aufgeklärt, dass Metternichs Gesicht nicht im Mittel­ punkt des Porträts stehe, weil sie so hässlich gewesen sei. Dies ist kaum in Betracht zu ziehen: Da Winter­halter sich auf eine unauffällige Schönung der Physiognomie verstand, hätte er lichtkompositorisch keinesfalls derart auffällig auf Metternichs Defizite aufmerksam machen müssen. 6 Vgl. Le Moniteur de la Mode, Journal du Grand Monde, Nr. 3, März 1872, S. 128: « Confection ­genre Metternich », oder in The Ladies’ Monthly Magazine, The World of Fashion. A Journal of Fashion, Literature, Music, the Opera and the Theatres, Nr. 533, Bd. 55, Mai 1868, S. 2: “Dress of Metternich”. Sie setzte gezielt Modephänomene durch, beispielsweise einen bestimmten Hut von Worth, vgl. Wassilko 1959, S. 117. Vgl. zur Werbung Worth’ um Metternich und der Erfolgsgeschichte zu Eugénie: Chantal Trubert-­Tollu et al.: The House of Worth 1858–1954. The Birth of Haute Couture, London 2017, S. 33 f. 7 Brief von Pauline Metternich an Winterhalter, ohne Ort u. Datum, vermutlich 1860, Privatbesitz, abgedruckt in: Panter 1996, S. 156: „Lieber Winterhalter, Erlauben Sie ihrem Modelle sich Ihnen in das Gedächtniß zurückzurufen […]? Die Kaiserin war in der That so entzückt darüber, daß sie es selbst kaufen wollte! Die kleine Photographie des Bildes hat ihre Majestät verlangt, u. ich ihr dieselbe übergeben. – Das große Bild wurde auf allerhöchsten Wunsch neulich in die Tuilerien gebracht, u. entzückte beide Majestäten; […].“

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60  Augustin-Aimé-Joseph Le Jeune: Pauline, Fürstin von Metternich, ca. 1860, carte de visite, Privatbesitz

Foto­atelier-Kulisse mit Naturprint-Tapete und Pappsäule (Abb.  60). Solchen Hintergrund und auch das hochovale Format reflektiert das Winterhaltersche Bildnis. Die R ­ olle der Botschafterin war in Metternichs Fall eine zweifache: Das österreichische Paar war mit dem politischen Ziel nach Paris gesandt worden, freundschaftliche Beziehungen zwischen beiden Ländern wiederherzustellen.8 Diverse Kritiker verliehen Winterhalter seit den 1850er Jahren den Titel peintre à la mode.9 Seine Strategie, den Fokus in seinen meist zur öffentlichen Repräsentation 8 9

Das österreichische Botschafterehepaar pflegte bereits vor der Aussendung 1859 nach Paris einen freundschaftlichen Umgang mit dem französischen Kaiserpaar. Vgl. Wassilko 1959, S. 72 ff. Beispielsweise schrieb Alphonse de Calonne in der Revue Contemporaine et Athenaeum Français zur jährlichen Salonausstellung 1857 über Winterhalter und Dubufe: « Ces messieurs sont des peintres à la mode, je le veux bien, ils ont le privilège heureux d’habiller et de coiffer et jolies femmes, de plisser les soieries, d’ajuster les nouveautés, de lisser les cheveux, de polir le visages, de perfectionner les coins de la bouche, de ciseler les natines et de régulariser le sorcil; mais il faut leur laisser cette gloire difficile peutêtre, et ne pas exiger de leur talent ce qu’il ne peut donner, une peinture durable et des portraits pour l’avenir. », Paris 1857, S. 600; Théophile Thoré alias W. Bürger äußerte sich zum salon de 1864: « Des têtes expressives et qui représentent vraiment l’homme ou la femme qui ont posé, je ne crois pas qu’il y en ait une seule à l’exposition. Nous avons là cependant tous les portraitistes à la mode: MM. Winterhalter, ­Hébert, Chaplin, Dubufe et autres. » Théophile Thoré: Salons de W. Bürger 1861–1868, 2 Bde., Bd. 2,

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g­ enutzten Porträts auf die Kleidung zu lenken, sorgte für durchschlagenden Erfolg bei Auftraggebern und Salonpublikum und gleichzeitig für verheerende Kommentare von Seiten der Kunstkritik. Ihn abwertend als peintre á la mode warf ihm die zeitgenössische Kritikerszene, bisweilen auch die heutige Forschung, wiederholt vor, die Individua­ lität der Dargestellten zugunsten von Mode und dekorativen Beiwerks zurück­stehen zu ­lassen.10 Winterhalter aber war Zeitzeuge des enormen technischen Fortschritts und schnellen gesellschaftlichen Wandels, welche ab Mitte des 19. Jahrhunderts in der Mode­ welt einen Paradigmenwechsel einleiteten. Es wird keinesfalls Inkompetenz gewesen sein, wie etliche Werke des Künstlers bezeugen, dass Winterhalter aktueller Mode erlaubte, seine Modelle zu dominieren. Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt, kann Kleidung im Bildnis Tugendkataloge transportieren oder als Insigne argumentieren. Im Folgenden soll ein bildrheto­ ri­sches Muster aufgezeigt werden, das eine gattungstheoretische Einordnung von ­Porträts ermöglicht, deren Botschaft maßgeblich über den Einsatz zeitgenössischer Kleidung gesendet wird, und deren Entschlüsselung von aktuellem Modewissen abhängt. Es interessiert, wie aus Kleidung Mode wird, welche Bedeutung Mode Mitte des 19. Jahrhunderts zukam und welche Distinktionsmöglichkeiten sie bot, als Zeichen von Weiblichkeit, als Zeichen für Moderne, als vestimentärer Code im Porträt, den es zu dechiffrieren galt, und nicht zuletzt als Möglichkeit einer Herrscherin, den Nimbus ihrer Handlungsfelder zu erweitern. Mode: Phänomen, Prozess, Akteure Kleidung wird in der Forschungslandschaft meistens mehr als nur die Funktion von „Schutz, Scham und Schmuck“ zugewiesen, nämlich als Objekt mit Botschaft behandelt.11 Als „soziales Totalphänomen“ (René König)12, als „kulturelle Technik und Strategie am Körper“13, als „Zeichensystem“ (Roland Barthes), als „visuelle[s] Kommunikations­

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­ aris 1870 (Thoré 1870), S. 107. 1845 schätzte er Winterhalters Talent noch h P ­ öher ein: « Le Salon de 1845 sera donc fort amusant pour les artistes pour les critiques et pour le public. Il nous manque, à la vérité, […] quelques talents originaux qui offrent encore des qualités supérieures et particulières: Ary S­ cheffer, M. Ingres, M. Delaroche, M. Winterhalter, Camille Roqueplan, Lehmann, Th ­ éodore Rousseau […]. » ­Théophile Thoré: Salons de T. Thoré 1844–1848, Paris 1870 (Thoré 1870a), S. 115. Vgl. die Fallbeispiele in den Kap. III. 2.–5. Martin Dinges: Der „Feine Unterschied“: Die soziale Funktion der Kleidung in der höfischen Gesellschaft, in: Zeitschrift für historische Forschung, Bd. 19, 1/1992, S. 49–76, S. 49. Hier bezogen auf Mode, René König: Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode im Zivilisationsprozeß, ­Opladen 1999, S. 230, zitiert nach Gudrun M. König, Gabriele Mentges u. Michael R. Müller: Die Mode und die Wissenschaften, in: id. (Hg.): Die Wissenschaften der Mode, Bielefeld 2015, S. 7–26, S. 13. Gabriele Mentges: Kleidung als Technik und Strategie am Körper. Eine Kulturanthropologie von ­Körper, Geschlecht und Kleidung, in: André Holenstein et al. (Hg.): Zweite Haut. Zur Kulturgeschichte der ­Kleidung, Bern, Stuttgart u. Wien 2010, S. 15–42, S. 15.

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medium“14, als „Kommunikationsmaschine“ (Umberto Eco)15, als „Spiegel“ oder als „Motor“ sozialer, kultureller, gesellschaftlicher, historischer Ideale, Entwicklungen, Phänomene und Veränderungen wird Kleidung reflektiert.16 Die Forschenden sind sich einig, dass Kleidung unzählige Informationen über Trägerin oder Träger liefert und darüber hinaus deren Umwelt chiffriert. Die Wahl von Kleidung ist immer eine Repräsentationsentscheidung. Dabei ist Kleidung (k)ein bildungselitärer Zeichenapparat: Sie ist ein im Alltag für jeden sicht- und lesbares Statement, zugleich gesellschaftlicher Code und wesentlicher Part des „Habitus“ (Pierre Bourdieu) eines Menschen. Doch wie wird aus Kleidung Mode?17 Wie entsteht ein Modephänomen? Für die Zeit vor dem und im 19. Jahrhundert dominiert in der Forschung die klassische TrickleDown-Theorie, nach der ein Modephänomen von oben nach unten durch die Gesellschaft diffundiert, sprich die soziale Elite die Modephänomene verantwortet. Mode wird als klassenspezifische Distinktionsmöglichkeit begriffen und damit als „soziale[r] Stabilisator“.18 Warum gerade Kleidung ein besonders aussagekräftiges Distinktionsmerkmal ist, erklärt Martin Dinges: „Während jedes andere Distinktionsobjekt in gewisse räum­ liche oder zeitliche Distanzen zum Träger tritt, befindet sich Kleidung jederzeit unmittel­ bar an der Person.“19 Der Soziologe Georg Simmel (1858–1918) legte zum Prozess eines Modephänomens 1905 sein dualistisches Konzept von Distinktion und Nachahmung vor: Innova­tive ­Mode diene in erster Linie der sozialen Abgrenzung. Erst die Nachahmung durch weniger privilegierte Schichten erschaffe ein Modephänomen.20 Wenn Adoption und Diffusion in der breiteren Gesellschaft den Distinktionsgewinn schmälere, setze ein neuer Innovations­turnus ein. Simmel erwähnt auch das Paradoxe und zugleich M ­ ovens eines jeden Modephänomens: die kollektive und uniforme Imitation jener, die für „einzig­artig

14 Haberler 2012, S. 84. 15 Umberto Eco: Das Lendendenken (1976) in: id.: Über Gott und die Welt, Essays und Glossen, München 1985, S. 220–224, S. 224. 16 Vgl. zu Kleidung als Motor auch Herbert Blumers Theorie der collective sellection kritisch aufgearbeitet bei Haberler 2012, S. 33 ff. u. S. 66 ff. 17 Der Terminus Mode wird hier bezogen auf textile Bekleidung „als soziale Erscheinung, die ein auf bestimmte Zeit favorisiertes Verhalten benennt.“ Haberler 2012, S. 24. Mode als Synonym für Kleidung wird erstmals im Modediskurs des 18. Jahrhunderts genutzt, vgl. Christian Garve: Über die Moden (1792), abgedruckt u. kommentiert in Gertrud Lehnert, Alicia Kühl u. Katja Weise (Hg): Modetheorie. Klassische Texte aus vier Jahrhunderten, Bielefeld 2014, S. 57–65. 18 Dinges 1992, S. 59 in Bezug auf Kleiderordnungen: „Der Wunsch nach der ‚Lesbarkeit der Welt‘ scheint so stark gewesen zu sein, dass er zu einer ganz absurden Bewertung der Kleidung als sozialem Stabilisator verführt hat.“ 19 Dinges 1992, S. 51. 20 Vgl. Georg Simmel: Philosophie der Mode (1905), abgedruckt u. kommentiert in Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 101–112, S. 106 f.; vgl. Haberler 2012, S. 31.

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und originell“ gehalten werden, mit dem Ziel der Individuation.21 Er macht überzeugend den Prozess von Mode deutlich: „Das Wesen der Mode besteht darin, daß immer nur ein Teil der Gruppe sie übt, die Gesamtheit sich aber erst auf dem Wege zu ihr befindet.“22 Die Annahme jedoch, die soziale Elite verantworte Modephänomene, muss – auch für die Zeit vor dem 19. Jahrhundert – modifiziert werden. Ein Modephänomen gilt nach heutigem Forschungstand als kaum prognostizierbar. Die Kommunikationssoziologin und Systemtheoretikerin Elena Esposito konkretisiert: „Niemand weiß, wie Mode eigentlich funktioniert, und niemand kann sie beherrschen […] Mode entsteht und verbreitet sich von selbst. DesignerInnen und Unternehmen können nur Anreize geben und abwarten, wie sie akzeptiert werden.“23 An dieser Unberechenbarkeit konnte auch schon der Erlass diverser Kleiderordnungen in ganz Europa seit dem 13. Jahrhundert nichts ändern.24 Luxus- und Kleiderordnungen gewährten den herrschenden Ständen Privilegien, elitäre Stoffe und Schnitte, besondere Stücke, die sie von anderen Schichten absetzen sollten.25 Doch zahlreiche Untersuchungen zeigen, wie „nutzlos“ Kleiderordnungen waren, um sich „der Mode in den Weg zu stellen“.26 Die Aufweichung beziehungsweise Abschaffung solcher Gesetze seit dem 17. Jahrhundert waren Zeichen eines Reflexionsprozesses

21 Vgl. zu den Paradoxien von Mode Elena Esposito: Originalität durch Nachahmung (2011), abgedruckt u. kommentiert in Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 195–210, hier: S. 207. Lehnert stellt ebenfalls das Moment der Individuation heraus: „Von ‚Mode‘ kann man erst sprechen, seitdem Aristokraten im hohen Mittelalter und wenig später auch Mitglieder des entsprechenden Bürgertums sich mit Hilfe ihrer Kleidung nicht mehr nur, wie es bislang üblich gewesen war, ständisch abzugrenzen suchten, sondern sich als Individuen kenntlich machten.“ Gertrud Lehnert: Mode, Weiblichkeit und Modernität, in: id. (Hg): Mode, Weiblichkeit und Modernität, Dortmund 1998, S. 7–19, S. 7. 22 Simmel 1905, S. 107. 23 Esposito 2011, S. 210. 24 Lieselotte Constanze Eisenbart: Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums, Göttingen 1962, S. 6 f. 25 Die frühen Kleiderordnungen im Mittelalter zielten in erster Linie auf die „Erhaltung von Anstand und Sittenreinheit […]. In der Zeit des Fürstenstaates dagegen liegt der wichtigste Zweck der Kleiderordnungen in der Abgrenzung der verschiedenen Stände […]. Ibid., S. 103. 26 Eisenbart rekonstruiert dies anhand unzähliger geahndeter Verstöße, vgl. ibid., S. 102. Zusätzlich lässt sich beobachten, dass Kleiderordnungen auch einen ungewollten gegenteiligen Effekt hatten, nämlich die nach sozialem Aufstieg Strebenden zu informieren, mit welchen „Distinktionszeichen“ dies am ­besten gelänge. Dinges 1992, S. 61.

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mit der Erkenntnis, dass sich Mode kaum von oben diktieren lässt.27 Dinges konstatiert für diese Zeit eine „[semantische] Entlastung der Kleidung“.28 Wenn der soziale Status aber nicht automatisch Modeverantwortung birgt, wer hat dann Anteil an neuen Modephänomenen? Die Trickle-Down-Theorie misst dem innovativen Modeobjekt selbst keinerlei Bedeutung bei. Grund für Modewandel können jedoch auch „Sättigung mit Altem, Neugier und Spieltrieb“ sein.29 In ähnliche Richtung zielt das Modell der collective sellection.30 Herbert Blumer identifiziert nicht eine spezifische Gesellschaftsschicht als Motor des dynamischen und zeitlichen Modeprozesses. Zunächst müsse das Modeobjekt selbst genügend Tauglichkeitspotential mitbringen.31 Blumer gesteht innerhalb dieses Interaktionsprozesses sogenannten prestige figures zwar Einfluss zu, diese können aber nur erfolgreich sein, wenn sie den sich aktuell ausbildenden kollektiven Geschmack zu antizipieren verstehen.32 Wesentlicher Mechanismus für die Annahme neuer Moden sei der kollektive Wunsch die soziale Ordnung mitzugestalten.33 Blumers Konzept zur Enstehung von Modephänomenen ist damit unabhängiger von der sozialen Klasse. Dagmar Venohrs Ansatz reicht darüber hinaus: Sie macht Mode weder nur am Objekt noch an einer sozialen Elite fest; davon ausgehend, dass Mode nicht „ist“, sondern sich vollzieht, formuliert sie: „Mode ist ein transmediales Phänomen, das sich im Mode­ handeln konstituiert.“34 Für sie sind Modemedien daher wichtige Konstituenten von Mode­phänomenen.

27 Vgl. Dinges 1992, S. 75. Das höfische Zeremoniell verlor an Bedeutung, die Aufklärung rief zu Einfachheit auf, der Second-Hand-Modemarkt boomte und vereinfachte die Möglichkeit an Kleidung zu kommen, die beispielsweise der Adel abgelegt hatte; die Modezeitschriften begannen bürgerliche Kleidung zu fokussieren. Es gab daher eine „Verlagerung der Distinktionsstrategien von Kleidung“ auf andere Bereiche, wie Interieur, ibid., S. 71. 28 Ibid., S. 75. Kleidungswandel wurde nicht mehr „als Wandel der Machtverhältnisse“ gefürchtet. Ibid., S. 72. 29 Carlo Michael Sommer: Der soziale Sinn der Mode. Kleidung und Mode aus sozialpsychologischer Sicht, in: Holenstein 2010, S. 241–254, S. 247. 30 Herbert Blumer: Fashion: From Class Differentiation to Collective Selection, in: The Sociological Quarterly 3/1969, S. 275–291, kritisch aufgearbeitet bei Haberler 2012, S. 33 ff. u. S. 66 ff. 31 Blumer 1969, S. 280: “the suitability or potential fashionableness of the design”. 32 Vgl. ibid., S. 282. 33 Ibid., S. 287; vgl. Haberler 2012, S. 33 f. u. S. 70. 34 Dagmar Venohr: ModeMedien – Transmedialität und Modehandeln, in: Rainer Wenrich (Hg.): Die Medialität der Mode. Kleidung als kulturelle Praxis. Perspektiven für eine Modewissenschaft, Bielefeld 2015, S. 109–126, S. 109 u. S. 125. Vgl. auch Susan Sontag, die 1978 für die Vogue den Artikel Looking with Avedon schrieb: „Was die Menschen heute unter Mode verstehen, legen überwiegend Fotos fest. In zunehmendem Maße ist Mode Modefotografie.“ Abgedruckt in: Norberto Angeletti u. Alberto ­Oliva (Hg.): Vogue. Die illustrierte Geschichte des berühmtesten Modemagazins der Welt, München 2006, S. 208–211, S. 211.

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Diese Ansätze sollen für die vorliegende Arbeit fruchtbar gemacht werden. B ­ lumers prestige figures und Venohrs Modehandelnde erweitern entscheidend Everett Rogers’ Adopter­typologie, die er im Zusammenhang mit seiner klassischen Diffusionstheorie entwickelte.35 Dieser unterscheidet zwischen Innovatoren, Frühadoptern, einer frühen und einer späten Mehrheit und schließlich Nachzüglern, um Innovationsprozesse in der Konsumforschung erklären zu können. Ohne „innovatives Verhalten“ habe eine neue Mode keine Chance auf Adoption und Diffusion.36 Blumer und Venohr sensibilisieren dafür, dass Innovatoren aber selten willkürlich handeln konnten.37 Mode zum Distinktionsgewinn zu nutzen reicht also über die rein materielle Komponente hinaus und konstituiert sich erst über die aktive Teilhabe am Modephänomen: mindestens als Modehandelnde, stärker noch über Einflussnahme als prestige figure über das Kollektiv hinaus. Hiermit kristallisiert sich der modetheoretische Ansatz heraus, welcher der vorliegenden Untersuchung zugrunde liegt: Mode referiert hier nicht nur das Objekt, den materiellen Konsum, sondern den gesamten kommunikativen oder performativen Prozess eines Modephänomens. Mode als Zeichen des modernen Lebens: Produktion, Distribution, Konsum Mode, als wichtiges Indiz für gesellschaftliche Veränderungen, avancierte wegen seiner speziellen Eigenschaften für Zeitgenossen Mitte des 19. Jahrhunderts zum Zeichen für den Anbruch der Moderne schlechthin. 1863 entwickelt Baudelaire einen mit dem Wesen von Mode korrespondierenden Modernitätsbegriff: « La modernité, c’est le transitoire, le fugitif, le contingent, la moitié de l’art, dont l’autre moitié est l’éternel et l’immuable. »38 Er rekurriert auf den per se destabilen Modeprozess. Mode und Moderne sind durch ­einen bewusst positiven Umgang mit Wandel, Veränderungen und Neuem charakterisiert – in vorsätzlicher Absetzung zum Alten, Traditionellen, Beständigen. Mode bietet

35 Rogers kategorisiert Adopter-Idealtypen und teilt ihnen bestimmte Eigenschaften zu: “innovators (venturesome), early adopters (respect), early majority (deliberate), late adopters (skeptical), laggards (traditional)”. Everett Rogers: Diffusion of Innovations, New York 2003, S. 282–285. 36 Haberler 2012, S. 43, ohne Venohrs Thesen zu referieren oder den Terminus „Modehandeln“ zu nutzen. 37 Vgl. hierzu schon Max von Boehn: Die Mode im 19. Jahrhundert, 3 Bde., Bd. 3, München 1908, S. 38 f. (zitiert nach Brändli 1998, S. 127): „Man kann überhaupt sagen, dass niemals ein einzelner Mensch, er stehe sozial so hoch wie er wolle, die Tracht seiner Zeit bestimmt hat.“, bezugnehmend auf Behauptungen, Eugénie habe die Vergrößerung der Krinoline vorangetrieben, um ihre Schwangerschaft zu ver­ decken. 38 Charles Baudelaire: Le peintre de la vie moderne, Paris 1863, Kap. IV, La modernité. Ein Essay, der 1859– 1860 geschrieben wurde, erstmals abgedruckt in: Le Figaro am 26., 28.11. u. 3.12.1863. Baudelaire veröffentlichte seit 1845 in seinen Salonbesprechungen Gedanken zu einem an zeitgenössischer Kleidung orientierten Modernitätsdiskurs.

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also eine „Stabilität des Vorübergehenden“, ist als „Institutionalisierung des Ephemeren“ oder „eingeplante Vergänglichkeit“ (Niklas Luhmann) zu bezeichnen.39 In den 1860er Jahren wählten deshalb Künstlerkreise der nouvelle peinture ak­ tuelle Mode zur wichtigsten Ingrediens ganzfiguriger Porträts vor allem von Frauen. Baudelaire forderte, dass man die Frau und ihre Kleider als unteilbares Ganzes sehen ­müsse, als «  une harmonie générale, non-seulement dans son allure et le mouvement des ses membres, mais aussi dans les mousselines, les gazes, les vastes et chatoyantes nuées d’étoffes dont elle s’enveloppe. »40 Diese und ähnliche Forderungen zielten auf die Wieder­gabe von Kleidung nicht im Sinne eines Trompe-l’œil, eines bloßen Zuschneidens der Leinwand à la mode, sondern als Ausdruck und Bestärkung der Dargestellten, Teil des modernen Lebens zu sein – als Verankerung der Dargestellten in der Realität. Baude­ laire und viele andere Künstler, Literaten, Kritiker wandten sich explizit gegen historisierende Kostümmalerei.41 Zola unterscheidet zwischen zwei Arten von Malern, die aktuelle Mode im Porträt nutzten und verurteilt diejenigen, die seiner Meinung nach prinzipienlos oder aus rein ökonomischen Gründen die Wünsche der Kundinnen befriedigten: Il y a une tendance certaine vers les sujets modernes. […] Nos artistes sont des femmes qui veulent plaire. Ils coquettent avec la foule. Ils se sont aperçus que la peinture classique faisait bâiller le public, et ils ont vite lâché la peinture classique. Quelques-uns ont risqué l’habit noir; la plupart s’en sont tenus aux toilettes riches des petites et des grandes dames. Pas le moindre désir d’être vrai dans tout cela, pas la plus mince envie de renouveler l’art et de l’agrandir en étudiant le temps présent. […] Ils coupent leurs toiles à la moderne, voilà tout. Ce sont des tailleurs qui ont l’unique souci de satisfaire leurs clients.42

Zwar nennt Zola nicht seinen Namen, jedoch lässt sich Winterhalter aufgrund diverser ähnlicher auf ihn gemünzter Seitenhiebe und wegen seiner meist aristokratischen ­Klientel hier einordnen. Was aber von konservativen Kritikern bisweilen als künstlerisch und inhaltlich zu banal, von fortschrittlich orientierten Zeitgenossen wie Zola als zu angepasst oder kommerziell abgewertet wurde, nämlich eine detaillierte Darstellung aktueller Mode im Porträt und dessen Nutzung als Modemedium, entsprach den Wünschen 39 Esposito 2011, S. 204 u. S. 206. 40 Baudelaire 1863, Kapitel X, La Femme. 41 Der konservative Kritiker Théophile Gautier schrieb über zeitgenössische Mode im Porträt 1858: « Sans les admirables restes de la statuaire antique, la tradition de la forme humaine serait entièrement perdue. […] Quel rapport existe-t-il entre ces figures abstraites et les spectateurs habillés qui les regardent? Les croirait-on de la même race? En aucune manière. » Ibid.: De la mode, in: L’Artiste, Nouvelle Série, Bd. 3, Paris 1858, S. 169–171, hier: S. 169. Vgl. zur konservativen Kritik an zeitgenössischer Mode im ­Porträt Mitte des 19. Jahrhunderts auch Birgit Haase: Fiktion und Realität. Untersuchungen zur Kleidung und i­hrer Darstellung in der Malerei am Beispiel von Claude Monets Femmes au jardin, Weimar 2002, ­S. ­33–36. 42 Émile Zola: Mon Salon (1868), in: Henri Mitterand (Hg.): Émile Zola, Œuvres complètes, 20 Bde., P ­ aris 2002–2009, Bd. 3, 2003, S. 641–679, S. 652.

1.  Die Diktatur der Mode

und Vorstellungen von Kundinnen und Publikum. Eine auf allen Ebenen stattfindende Beschäftigung mit Mode war Mitte des 19. Jahrhunderts elementarer Bestandteil des alltäglichen Lebens in ganz Europa. Technische Innovationen revolutionierten die Produktionsmöglichkeiten und konsolidierten eine neue Effizienz und Reichweite der Bekleidungsindustrie. Besonders die Erfindung des mechanischen Webstuhls, der seit Beginn des Jahrhunderts immer stärker expandierte, und die seit den 1850er Jahren einsetzbare Zweifadenstichmaschine veränderten die industrielle Fertigung von Stoffen und Kleidung vollkommen.43 Leich­tere Stoffe wie Tüll konnten maschinell hergestellt werden und beworben ein neues ätherisches Erscheinungsbild. Die serielle Massenherstellung von Konfektionskleidung begann. Zeitgenössische Mode der 1850er und 1860er Jahre wurde als Zeichen dieses industriellen Fortschritts gleichsam Metapher für die Moderne.44 Neue Medientechnik – wie leistungsfähigere Druckmöglichkeiten, die Erfindung der Fotografie und der Telegrafie – optimierte das Informations- und Pressewesen. Printmedien boomten: Zahlreich gegründete Modemagazine, Modeillustrationen, carte-de-­visite-­ Fotografien und Schnittmuster animierten schichtenübergreifend zum Mode­handeln, sei es durch Anschauen, Konsumieren, Nachschneidern oder Sammeln.45 Der rasante Ausbau des Verkehrsnetzes mit Eisenbahn, Dampfschifffahrt, Schnellpoststrecken und städtischen Verkehrsbetrieben ermöglichte einen schnelleren Waren- und Wissenstransfer.46 43 Die Veränderungen waren auch negativ konnotiert, wie die sogenannten Maschinenstürme während der Frühindustrialisierung deutlich machten. Systematisch wurden neue Maschinen zerstört, aus Angst, Anstellungen zu verlieren oder durch günstigere, schlechter ausgebildete Arbeitskräfte ersetzt zu werden. Deshalb setzte sich zum Beispiel der bereits 1785 erfundene mechanische Webstuhl nur schwer durch und wurde erst im Laufe des 19. Jahrhunderts flächendeckend eingesetzt. 1830 wurde die erste Nähmaschine patentiert. Die Zweifadenstichmaschine aber revolutionierte erst die industrielle Herstellung. Als ihr Erfinder gilt der Amerikaner Elias Howe, der sie 1846 patentieren ließ. Vgl. zum mechanischen Webstuhl Stefan Mecheels, Herbert Vogler u. Josef Kurz: Kultur- und Industrie­geschichte der Textilien, Bönnigheim 2009, S. 306 f.; vgl. zur Nähmaschine ibid., S. 329 f. 44 Besonders die Krinolinenmode versinnbildlichte die aktuelle „Ingenieurskunst“, weil die Röcke über neuesten Stahlreifenkonstruktionen lagen. Birgit Haase: Farben der vie moderne. Zu Verwendung und Wahrnehmung erster synthetischer Textilfarbstoffe in der Damenmode, in: Burcu Dogramaci (Hg.): Textile Moderne / Textile Modernism, Köln 2019, S. 33–43, S. 38. Vgl. zur modernen Krinolinenmode Kap. III. 2. 45 Vgl. zum Medienboom und Visualisierungsschub im 19. Jahrhundert Kap. I. 1. Vgl. zur „goldene[n] Zeit der Modeillustration“ und der Gründung von über hundert illustrierten Modejournals Mitte des 19. Jahrhunderts Andrea Mayerhofer-Llanes: Modeillustrationen im 19. Jahrhundert, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 214–227, S. 215. 46 Ralf Roth schreibt von einer „Mobilitätsrevolution“, id.: Das Jahrhundert der Eisenbahn. Die Herrschaft über Raum und Zeit 1800–1914, Ostfildern 2005, S. 10. Bessere Straßen und bessere Maschinen sorgten seit um 1820 für mehr Verkehr: Es gab Schnellpoststrecken, die Dampfschifffahrt nahm Güter- und Personentransport auf, die Eisenbahn begann seit 1840, Europa zu vernetzen, vgl. Geisthövel 2008, S. 118 f.; vgl. Roth 2005, S. 21 f., S. 40 ff.

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Völlig neue Dimensionen nahm also die Verbreitung von aktuellen Modetrends und -neuigkeiten an, welche ganz Europa fortan binnen weniger Tage erreichten.47 Vielfältige Konsummöglichkeiten erhöhten die Nachfrage. Die Stahl- und Glasindustrie gestattete ab Mitte des 19. Jahrhunderts das Produzieren großformatiger Schaufenster. Kaufhäuser wurden in ganz Europa gebaut.48 Konfektionsware war zu Fest­preisen käuflich.49 Konsum wurde explizit gefördert; in vielen europäischen Ländern warben Industrielle und Politiker für einen patriotischen Umgang mit Mode, um die heimische Industrie anzukurbeln.50 Die moralische Beurteilung von Luxus als Laster avancierte im Laufe des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts europaweit zunehmend auch zu einer positiveren Bewertung von Konsum im Sinne von Luxus als Glücksfaktor.51 Solche Eruptionen in der Modewelt brachten nicht nur ökonomische Umwälzungen mit sich, sondern hatten immense gesellschaftspolitische und sozio-kulturelle Folgen. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Entwicklung eines schichtenübergreifenden „gemeinsame[n] Referenzsystem[s|“ von Mode in vollem Gange.52 Angehörige aller Schichten hatten Anteil an der Produktion, am Konsum und an der Konsolidierung von Mode; Geschmack, Kleidung und Konsumverhalten waren vergleichbar geworden.53 Die technischen Innovationen gestatteten eine enorme Preissenkung. Auch günstigere gröbere Stoffe konnten durch die 1856 erfundenen synthetischen Anilinfarben gleichmäßig koloriert werden; Schnittmuster ermöglichten das Selbstschneidern angesagter Kreationen.54 Nicht nur glich das Aussehen des Finanzbürgertums dem Adel, sondern auch die

47 Vgl. zur Geschichte von Mode und Konsum Dogramaci 2011, S. 8 f.; vgl. Haase 2010, S. 185. 48 Beispielsweise 1834 Harrods in London oder 1838 Le Bon Marché in Paris. 49 Industrielle Hut- und Schuhfertigung wurde im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts möglich. Die frühe Konfektionsware zu Winterhalters Zeiten beschränkte sich auf Mäntel, Capes und Unter­ wäsche, die Damenoberbekleidung wurde noch individuell hergestellt. 50 Paris dominierte die Modewelt. „Modische Individualität“ der örtlichen Schneider wich der Nachahmung der aus Paris kommenden Trends, Lex. Mode und Kostüm 2011, S. 63. Zu Unterstützung der nationalen Industrie durch politisch motivierten Konsum vgl. Isabella Belting: Mode und Revolution. Deutschland 1848/49, Hildesheim et al. 1997, S. 48 ff. 51 Vgl. Ulrich Wyrwa: Luxus und Konsum. Begriffsgeschichtliche Aspekte, in: Reinhold Reith u. Torsten Meyer (Hg.): „Luxus und Konsum“ – eine historische Annäherung, Münster et al. 2003, S. 47–60. 52 Esposito 2011, S. 207. 53 Die Höfe beriefen zahlreich Hoflieferanten und propagierten die nationale Industrie. Das Bürgertum war nicht nur mächtiger Konsument begehrenswerter Modeprodukte, sondern selbst wichtigster Produzent jener Waren. Vgl. zu Farbenlehren des 19. Jahrhunderts und deren Rezeption in schichtenübergreifend gelesener Ratgeberliteratur in Bezug auf Garderobe, Wohnungseinrichtung und Garten­ anlagen Heide Nixdorff u. Heidi Müller: Weiße Westen – Rote Roben. Von den Farbordnungen des Mittelalters zum individuellen Farbgeschmack, Berlin 1983, S. 64–68. 54 Vgl. Susanne Breuss: „Die Farbe ist die Seele jeder Toilette“ Symbolik, Ästhetik und modischer Wandel der Kleiderfarben, in: Kleider und Leute, hg. v. Susanne Breuss et. al., Ausstellungskatalog, Vorarlberger Landesausstellung 1991, Renaissance-Palast Hohenems, Bregenz 1991 (Kat. Kleider und Leute 1991),

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Sonntagskleidung der Arbeiterklasse war von jener mancher Bürgerschichten kaum zu unter­scheiden.55 Trotz deutlicher demokratisierender Tendenzen war dies keinesfalls ein transparenter egalisierender Prozess: Im Gegenteil wurde weiterhin über Kleidung massiv Distinktion betrieben, die feinen Unterschiede (Pierre Bordieu) wurden mithilfe ­neuer Kleidungscodes sorgfältig chiffriert.56 Mit Charles Frederick Worth betrat 1858 ein neuer Akteur die europäische Modeszene. Der Modedesigner veränderte die Branche maßgeblich. Nicht nur als Impulsgeber innovativer Modekreationen, sondern auch als Kreateur eines neuen Konsumerlebnisses machte er sich einen Namen. Er stellte Kleidungsstücke wie Kunstwerke in den Verkaufsräumen einzeln aus, ließ Stoffe in speziellen farblich abgestimmten Räumen auswählen und ermöglichte die Anprobe bei verschiedenen Lichtverhältnissen, zum Beispiel bei Tages­licht, bei Kerzen- oder Gaslicht, welches seinerzeit die Ballsäle erhellte.57 Außerdem nutzte der Designer für die Vorführung neuester Kreationen lebende ­Modelle und gilt somit als Erfinder des Mannequins.58 Worth fungierte wie ein Scharnier zwischen nahezu allen Schichten. Er fertigte nicht nur für die soziale Elite und seit 1860 als Hoflieferant des französischen Kaiserhauses, sondern darüber hinaus für zahlreiche Bühnenkünstlerinnen, eine breite Schicht von US-Amerikanerinnen und Damen der demi-monde.59 Indem er in seine Kleidung

S. 89–106, S. 92 (Breuss 1991a). Zur Erfindung der Anilinfarben und ihrer modischen Auswirkung vgl. auch Haase 2019, S. 33–43. 55 Höfische, aristokratische wie bürgerliche Haushalte gaben deshalb ihren Bediensteten detailliert vor, was diese zu tragen hatten. Mikrohistorische Forschungsergebnisse offenbaren, dass es dabei derart strikt zuging und auch auf die Freizeit der Angestellten übergriff, dass durchaus noch von Bekleidungsordnungen zu sprechen ist, vgl. Brändli 1998, S. 229 f. Beispielsweise durfte die Hausfrau ihren Dienstmädchen „als unangemessen erachteten Kleideraufwand“ verbieten. So z. B. festgehalten in der sächsischen Gesindeordnung 1835–1892, ibid., S. 226. Inkognito-Reportagen von Bürgerlichen, die sich in die Arbeiterklasse mischten, bestätigen, dass sonntags die Kleidung der Proletarier hochmodisch und schick war und oft nicht vom Bürgertum zu unterscheiden, und dass viel Geld und Zeit in die Herstellung und Pflege von Sonntagskleidung gesteckt wurde, vgl. ibid., S. 224 f. 56 Ein Beispiel für die feinen Unterschiede: Blütenweiße saubere Hemden galten als Statussymbol. So­zial schwächere Schichten, welche sich kein Personal zur aufwendigen Reinigung weißer Wäsche leisten konnten, simulierten deshalb die sichtbaren Hemdteile mithilfe von Pappe. In den 1850er Jahren gab es einen ganzen Industriezweig nur für Papier- oder Karton-Nachahmungen von Vorhemden, Kragen und Manschetten zum Anknöpfen. Vgl. Brändli 1998, S. 246 f. 57 Vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 156; vgl. The Berg Companion to Fashion, hg. v. Valerie Steele, Oxford 2010 (Lex. The Berg Companion 2010), s. v. „Worth, Charles Frederick“ (Elizabeth Coleman), S. 738. Vgl. zu anderen innovativen Verkaufstechniken von Worth Kap. III. 2. 58 Zur „Worth Method“ vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 156 ff. 59 Lex. Mode und Kostüm 2011, Kap. 19. Jahrhundert, S. 63; vgl. Lex. The Berg Companion 2010, s. v. „Worth, Charles Frederick“ (Elizabeth Coleman), S. 738, namentlich erwähnt werden zahlreiche Kundinnen auf S. 739.

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­ tiketten mit seinem Namen einnähte, etablierte er sich als Marke.60 Sein Hauptklientel E bildete die modeaffine Frau. Weibliche Modeaffinität als soziale Konstruktion des 19. Jahrhunderts Mitte des 19. Jahrhunderts setzte ein in der Modegeschichte bis dato erst- und einmaliger Paradigmenwechsel ein.61 Wie Birgit Haase es für die Jahrhundertmitte formuliert, galten „Frivolität und Luxus in dieser Zeit doch zunehmend als die Domäne des sogenannten schwachen Geschlechts.“62 Die Damenwelt sollte sich dem immer schneller werdenden Modediktat unterwerfen. Die Konsumentin, in Abgrenzung zum Konsumenten, rückte als wichtigste Akteurin in den Fokus der Modewelt.63 Zeitschriften und Bücher rund um das Thema hatten ebenfalls hauptsächlich einen Adressaten: die Frau. Auf deren Professionalisierung in Sachen Mode wiederum folgte, dass immer mehr Frauen auch beruflich an der Modebranche teilhatten. Über das Zeigen von Modekompetenz konnte jede Frau zu gesellschaftlicher Anerkennung gelangen.64 Die genderstereotype Zuschreibung von Modeaffinität mit Weiblichkeit, wie sie bis heute nachwirkt, wurde im 19. Jahrhundert zementiert.65 Die geschlechtsspezifische Segregation hatte auf drei voneinander abhängigen Ebenen Auswirkungen, die im Folgenden unter den Schlagwörtern Modeform, Modekörper und Modepolitik herausgearbeitet werden: Modeform: Während die Frau zum Inbegriff von Mode schlechthin avancierte, „versachlichte und vereinheitlichte sich“ ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Männermode.66

60 Er professionalisierte, was SchneiderInnen wie Louis Hippolyte LeRoy (1763–1829) für Kaiserin Josephine oder Rose Bertin (1747–1813) für Königin Marie-Antoinette als wichtige AkteurInnen der Mode­ szene bereits begonnen hatten. 61 Vgl. Brändli 1998, S. 158. 62 Haase 2010, S. 181. Sie fügt hinzu: „wenngleich die 1930 von John Carl Flügel geprägte, nach wie vor gängige Formel ‚vom großen männlichen Verzicht‘ auf die Teilnahme am Modegeschehen im 19. Jahrhundert zu relativieren ist“. 63 Die neuere Konsumforschung behandelt Konsumenten und Konsumentinnen gleichrangig mit Produzenten und Verteilern. Veraltet ist die Perspektive der „vermeintlich passiven und manipulierbaren“ Konsumentin (Geisthövel 2008, S. 91), die auch Émile Zola seinem Roman Au Bonheur des Dames von 1883 unterlegt. 64 Vgl. Dogramaci 2011, S. 34. 65 Weibliche Modeaffinität gilt der heutigen Forschung als soziale Konstruktion. Vgl. Simon 1995, S. 18; vgl. Viola Hofmann: Das Kostüm der Macht. Das Erscheinungsbild von Politikern und Politikerinnen von 1949 bis 2013 im Magazin Der Spiegel, Berlin 2014, bes. S. 226 u. S. 242; vgl. Brändli 1998, S. 263; vgl. Aileen Ribeiro: Dress and morality, New York, neue Auflage 2003, S. 119 ff.; vgl. Haase 2002, S. 133 ff.; vgl. Haase 2019; vgl. Gertrud Lehnert: Der modische Körper als Raumskulptur (2001), abgedruckt u. kommentiert in Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 151–164. 66 Lex. Mode und Kostüm 2011, Kap. 19. Jahrhundert, S. 61. Auch zeigt beispielsweise Octave Uzanne für die Zeit von 1797 bis Mitte der 1840er fast die gleiche Anzahl von Illustrationen und Besprechungen

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61  Anonym: Encore un dégré de perfection – Modes de 1830, 1830, ­Lithografie, 32,1 × 23,2 cm, Berlin, Lipperheidesche Kostümbibliothek

Erstmals glichen sich Kleidungsstile formal nicht mehr, sondern entwickelten sich oppositär: die bunte dreidimensionale Damenmode stand dem eher zweidimensionalen schlichten und monochromen Herrenanzug gegenüber.67 In den vorhergehenden Jahrhunderten war es ebenso Männer- wie Frauensache gewesen, den Körper gängigen Körper­idealen entsprechend mit Hilfsmitteln zu formen und zu schmücken. Nur die Dimensionalität der Silhouetten, die Modelinien, wechselten in einem bestimmten Turnus und betrafen stets beide Geschlechtermoden, wie die Radierung L’Ancien et le ­Nouveau veranschaulicht (Taf. 34). Hier wird auch deutlich wie die Modeform grundsätzlich das Gestenvokabular, ja den gesamten Habitus veränderte. Eine andere Lithografie illustriert, wie noch 1830 beide Geschlechter gleichermaßen Opfer satirischer Federspitzen werden (Abb. 61). Ihr modisches Invest in ausufernden Silhouetten wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Nach der Mode des Biedermeier schnürte sich der zierliche Mann mit­ von Männer- und Frauenmoden, danach jedoch dominieren Frauen deutlich, Männer sind nur noch Beiwerk. Octave Uzanne: Fashion in Paris: the various phases of feminine taste and aesthetics from 1797 to 1897, New York 1898. Vgl. auch Kap. II. 5. Cabanels Napoléon III. im Frack. 67 Zur Dimensionalität von Mode vgl. Gertrud Lehnert: Zur Räumlichkeit von Mode – Vestimentäre räumliche Praktiken, in: Wenrich 2015, S. 233–250, S. 235 f.

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hilfe eines Korsetts eine schmale Wespentaille und trat in bunter, oft üppig ornamentierter Weste auf. Stehende Krägen, Schulterpolster und Schlaghosen formten eine ebenso charakteristische Silhouette wie die Damenmode mit weiten Röcken und voluminösen Gigotärmeln. Schlagartig stellten Mitte des 19. Jahrhunderts gezeichnete Kommentare die Frau in Opposition zum Mann dar. Sie prangerten nicht nur die Auswüchse der Modeformen an, sondern auch den von der Frau eingenommenen Raum. Beispielhaft sei die Präsenz der Frau im öffentlichen Raum an einer Lithografie der Serie modes pour rire demonstriert (Taf. 35). Zwei Damen mit umfangreichen Krinolinen, von soeben erfundenen Anilinfarben bunt eingefärbt, versperren in einer geräumigen Kutsche den Durchgang in der ersten Klasse, während eine dritte, ohne eine Miene zu verziehen, mit elegantem Ausfallschritt ihren Platz im öffentlichen Verkehrsmittel aufsucht. Sie muss aufpassen, dass sich ihre Fesseln nicht im nächsten Augenblick im modernen Stahlreifen einer der Krinolinen verfangen. Der einzige männliche Mitfahrer, ein gut angezogener schmaler Herr mit Zylinder, wird von der weiblichen Mode im doppelten Sinne an den Rand gedrückt und verdeckt. Sein Mund stößt überrascht Luft aus. Die Lächerlichkeit der distinktionsgeschwängerten Situation zeigt sich im Grinsen des Kutschenführers. Aufgrund der besonderen Repräsentationsfläche der Mode Mitte des 19. Jahrhunderts für neueste technische Errungenschaften industrieller Fertigungsmöglichkeiten, wie der Stahlreifenkrinoline oder der chemischen Herstellung von Farben, erwuchs die modisch gekleidete Frau zu einem Statussymbol der anbrechenden Moderne und prägte das städtische Straßenbild in ganz Europa.68 Modekörper:69 Mit der Fokussierung des weiblichen Körpers als Modefläche wurde dieser gleichzeitig zur Projektionsfläche für Schönheit. Schönheit, seit Jahrhunderten ein spezifisch weibliches Bewertungskriterium, verlor im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend ihre moralische Konnotation und entwickelte sich zu einem ästhetischen Urteil über Attraktivität. Im Zentrum zeitgenössischer Schönheitsdiskurse stand nun die Anziehungskraft des modisch geformten Frauenkörpers. Zeitgenossen wie Baudelaire forderten, den Frauenkörper durch Mode zu einem Kunstwerk, einem „Götzenbild“ zu formen, welches jegliche Hinweise auf ihren reproduktiven natürlichen Körper verbirgt.70 Im direkten Vergleich mit dem männlichen avancierte der weibliche Modekörper zum erotischen Kernobjekt der Gesellschaft: Die Krinolinenmode, später der cul de Paris, modellierten, ja überformten die sekundären Geschlechtsmerkmale, die weiteren H ­ osen

68 Vgl. Haase 2019, S. 38; vgl. zur Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum im 19. Jahrhundert Thomas 2006. 69 Modekörper ist ein von Lehnert eingeführter Begriff, welcher den Mehrwert umfasst, den die Wechselbeziehung von Körper und Kleid produziert. Der Modekörper ist für sie eine „historisch variable Fiktion[].“ Id. 2001, S. 152. 70 Vgl. Haase 2002, S. 136.

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und dunklen Farben des klassischen Herrenanzugs kaschierten hingegen die physischen Aspekte des männlichen Körpers.71 Dies war ein wesentlicher Unterschied zu den vor­ herigen Jahrhunderten; in Sachen Reklame für fleischliche Qualitäten standen Männer den Frauen bis dato in nichts nach. Im 16. Jahrhundert waren gepolsterte Oberschenkel und eine ausgestopfte ver­zierte Schamkapsel üblich. Im 18. Jahrhundert konnte der Bein zeigende Mann mit falschen Waden, « faux mollets », der Ideallinie seiner Beine nachhelfen; enge Kniebundhosen betonten beides.72 Weiße Hosen zu vorne taillenhoch geschnittenem schwarzem Frack akzentuierten im 17. und 18. Jahrhundert den sich hell abhebenden Genital­bereich.73 Glänzende Uniformen mit durch Korsetts eng geschnürten Wespentaillen setzten den männlichen Körper nach griechischem Ideal in Szene. Solche Hervorhebung erotischer männlicher Körperteile geriet Mitte des 19. Jahrhunderts zum Tabu. Die ursprüng­liche Tragart des Fracks wurde zunehmend als aristokratisch schamlos kritisiert und in Kombina­ tion mit schwarzen Hosen erneuert; Uniformen waren als „eitle Militärkrinolinen“ verschrien.74 Kopisten alter Gemälde sparten bisweilen die Schamkapsel aus.75 Männ­liche Ausnahme war der Dandy, der bis in das 20. Jahrhundert die schlichte Herrenmode ­obstruierte.76 Der sexualisierte Frauenkörper war also kein neuartiges Konstrukt des 19. Jahrhunderts, doch erstmalig beherrschte nahezu allein die Frau die körperliche Repräsen­ta­ tionsebene. Die voluminöse Mode in knalligen Farben bescherte ihr eine neue dominierende Präsenz im öffentlichen Raum.77 Diese Präsenz wurde sogleich Inhalt zeitgenössischer Kritiken. Die Krinoline galt als „impertinent“ (Friederich Theodor von V ­ ischer), die dreidimensionale Garderobe als „Sinnbild für Statusdenken beziehungsweise Macht­willen der Frau“; ein Urteil, wie es auch schon in der oben gezeigten Karikatur der Kutschen­szene aufscheint.78

71 Vgl. zur „Resexualisierung des Männerkörpers“ über den militärischen Habitus Brändli 1998, S. 189 ff., bes. S. 194. 72 Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte die falsche Wade noch einmal einen kurzen Aufschwung, als enge Röhrenhosen Mode wurden. Vgl. Ridikül! Mode in der Karikatur: Mode von 1600–1900, Ausstellungskatalog, hg. v. Adelheid Rasche u. Gundula Wolter, Gemäldegalerie Berlin, Berlin u. Köln 2003 (Kat. ­Ridikül! 2003), S. 269 f. 73 Vgl. Brändli 1998, S. 179, Abb. 14 u. 15. 74 Ibid., S. 210. 75 Vgl. Lex. Mode und Kostüm 2011, s. v. „Schamkapsel“ (Ingrid Loschek), S. 438. 76 Vgl. zur Darstellung des Dandys in Karikaturen Kat. Ridikül! 2003, S. 291–309. 77 Haase 2019, S. 41 schreibt, dass die Anilinfarben als Zeichen von Moderne in weiblicher Mode „emanzipatorische […] Tendenzen“ bereits Mitte des 19. Jahrhunderts anzeigen. 78 Haase 2002, S. 152. Zum modischen Frauenbild als Bedrohung männlichen Terrains in der Kritik ­Vischers vgl. Haase 2002, S. 152 f.

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Gleichzeitig entzündete sich an eben dieser Mode Kritik von Frauenrechtlerinnen. Die Abhängigkeit der Frau vom Mann wurde über den weiblichen Modekörper argumentiert und angeprangert. Debatten thematisierten die den Bewegungsraum einschränkenden Krinolinen, die gesundheitsschädlichen Schnürungen, die gefährlichen Stoffe und Materialien, die Zurschaustellung des erotischen Körpers und nicht zuletzt die moralische und ökonomische Unfreiheit der Frau.79 Die Frauenrechtlerin Elizabeth Cady Stanton formuliert 1857 eine direkte Verbindung von weiblicher Mode zu rechtlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit: […] Hence our laws makes her a mere dependent. She has no rights to houses or lands, to silver and gold, not even to the wages she earnes. She is given to marriage like an article of merchandise. […] Our manners and dress are in perfect harmony with our laws and our religion. […] Her dress […], how perfectly it describes her condition. Everything she wears has some object external to herself. The comfort and convenience of the woman is never considered. […] Her tight waist and long, trailing skirts deprive her of all freedom of breath and motion. No wonder man prescribes her sphere. She needs his aid at every turn. […] and thus teach her the poetry of dependence. […]80

Modisches Symbol der Frauenbewegung wurde daher die sogenannte Bloomerhose, ­welche ihren Trägerinnen viel Spott in zeitgenössischen Karikaturen bescherte.81 Für Stanton bedeutete das Tragen der Frauenhose aber “self-reliant, dignified and independent” zu sein und sich die “outward symbols of virtue, nobility and strength” zu eigen zu machen.82 Modepolitik: Mode, betrachtet als „zeitgebundenes Phänomen“, weist stets einen „starken Bezug zu aktuellem und auch historischem Zeitgeschehen“ auf.83 Sabina Brändli konstatiert für das 19. Jahrhundert ein „System des verweiblichten demonstrativen Müssig­ 79 Vgl. für von Mode ausgehenden Gesundheitsgefahren Alison Matthews Davids außerordentlich informative Analyse, id. 2015. Vgl. Valerie Steele, die die einseitige Auslegung von Erotik als Teil des weib­ lichen Schönheitsideals als “sexual repression” und damit als Stilisierung von Frauen zu Sexobjekten kritisiert und eine aktive und selbstständige Handlungsfreiheit von Frauen und ihrer Schönheitstoilette erörtert, auch auf die Differenz zwischen Idealdiskurs und Realität hinweisend, beispielsweise id. 1985, S. 3 u. S. 99. 80 Elizabeth Cady Stanton schrieb den offenen Brief mit der Überschrift Women’s Servility to ­Marriage and Fashion für die Dress Reform Convention im Januar 1857, zusätzlich druckte ihn die Zeitschrift The ­Sibyl. Brief abgedruckt in: Ann Russo u. Cherise Kramarae (Hg.): The Radical Women’s Press of the 1850s, London u. New York 2001, S. 236–238. 81 Vgl. Ribeiro 2003, S. 132. Vgl. Mentges, die zwischen Mode und Kleidkörperbildern unterscheidet und „zwei unterschiedliche, ja fast dichotomisch zu nennende Kleidkörperbilder der Geschlechter“ bereits für das 12. Jahrhundert konstatiert, welche „zu der geschlechtsspezifischen Gewandeinteilung in Rock und Hose geführt hat.“ Seitdem symbolisiere der Kampf um die Hose den Machtkampf der Geschlechter. Id. 2010, S. 23 f., hier S. 24. Nachfolgend zeichnet sie nach, wie Mode im 12. Jahrhundert „zuerst zu einer Angelegenheit des Mannes“ wurde. 82 Russo/Kramarae 2001, S. 238. 83 Haberler 2012, S. 65.

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ganges und Konsums und des vermännlichten demonstrativen Understatements“.84 Damit rekurriert sie auf ein Bonmot des US-amerikanischen Soziologen Thorstein Veblen, der mit The theory of the leisure class von 1899 eine ökonomische Untersuchung prestige­ produzierenden Konsums der US-amerikanischen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert vorlegte, die bis heute zum klassischen Kanon der Trickle-Down-Theorie zählt und Pierre Bourdieus Die feinen Unterschiede inspirierte.85 Laut Thorstein Veblen zielt die Anhäufung von Besitz, der „demonstrative Konsum“, auf dessen Zurschaustellung, den „demonstrative[n] Müßiggang“.86 „Müßiggang“ ist für Veblen eine „nicht produktive Verwendung der Zeit“.87 Ein Beweis für müßig verbrachte Zeit sei „Mode“.88 Veblens idealtypische Deskription meist weiblichen Handelns lässt sich für die vorliegende Arbeit nutzen, insofern, als sie noch einmal verdeutlicht, dass sich Mode auf doppelte Art und Weise sichtbar machen lässt: Zum einen durch den Konsum und damit den Besitz wertvoller Stoffe und Accessoires in exquisiten Schnitten, zum anderen durch kompetenten Umgang mit dem Thema Mode. Veblens Theorie, dessen Text sich vor allem auf eine neureiche Oberschicht Ende des 19. Jahrhunderts in den USA bezieht, fehlt jedoch, welcher wichtige Stellenwert Arbeit in Europa seit dem 18. Jahrhundert zukam, und zwar nicht nur als Erwerbsmöglichkeit für den Lebensunterhalt, sondern als Dienst an der Gesellschaft, als Möglichkeit gesellschaftlicher Anerkennung und Machtfaktor.89 Wenn der weibliche Mode­körper den sozial-­ökonomischen Status des Mannes „demonstrativ“ codierte, wie es von der Forschung für diese Zeit grundsätzlich betont wird, dann symbolisierte doch aber diesen Prozess weniger die weibliche Mode, der weibliche Konsum, wie meistens von der Forschung konstatiert, sondern vielmehr der schlichte Herrenanzug. Mitte des 19.  Jahrhunderts war dieser ideologisch aufgeladen. Resultierend aus einer antiaristokratischen aufklärerischen Geistes­haltung mutierte er zum Zeichen finanzieller gesellschaftlicher Macht und intellektueller Teilhabe der arbeitenden, meist männlichen bürger­lichen ­Mitte.90 Diese beschäftigte sich explizit nicht mit Mode. Erst dadurch erfuhr Mode im

84 Brändli 1998, S. 209. 85 Vgl. den einleitenden Kommentar zu Thorstein B. Veblen: Theorie der feinen Leute (1899), abgedruckt u. kommentiert in Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 89–104 (Veblen 1899), S. 91. 86 Thorstein Veblen: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main, 3. Auflage 2015, Überschriften Kap. III. u. IV. 87 Ibid., S. 58. 88 Ibid., S. 59. 89 Hier ist innerhalb des höfischen Porträtkanons die Entwicklung von Uniform- und Schreibtischpor­ träts einzuordnen. 90 Vgl. Nina Gorgus: „Der liebe Gott steckt im Detail“ Von der Macht der Nuancen. Bürgerliche Kleidungszeichen im 19. Jahrhundert und heute, in: Kat. Kleider und Leute 1991, S. 221–243, S. 224; vgl. Susanne Breuss: „… Formt man uns in einem Jahr zur Kugel, im nächsten zur Spindel“ Körperideale und Kleidersilhouetten im 19. und 20. Jahrhundert, in: Kat. Kleider und Leute 1991, S. 41–62, S. 46 f. Die Frage nach

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zeitgenössischen konservativen und politischen Diskurs eine Abwertung als unvernünftige Beschäftigung.91 Diesen Umkehrschluss zieht übrigens bereits Simmel: Darum betont die emanzipierte Frau der Gegenwart, die sich dem männlichen Wesen, seiner Differenziertheit, Personalität, Bewegtheit anzunähern sucht, auch gerade ihre Gleichgültigkeit gegen die Mode. Auch bildet die Mode für Frauen in gewissem Sinne einen Ersatz für die Stellung innerhalb eines Berufsstandes.92

Auch die Frauenrechtlerin Stanton identifiziert Arbeit als Gegenpol von Mode als möglichen treibenden Motor von Emanzipation: Women will never hold her true position until, by a firm muscle and a steady nerve, she can maintain the rights she claims. By exercise she must be able to enter with pleasure all kinds of sport and labor, but she cannot make the first move in her physical education, until she casts away her swaddling clothes.93

dem Ursprung des dunklen Herrenanzugs wird kontrovers diskutiert. Sicher ist er kein neues Produkt des 19. Jahrhunderts. Hosen tragen Männer seit dem 12. Jahrhundert. Dunkle, asketisch schlichte Anzüge sind seit dem 15. Jahrhundert in höfischem Zusammenhang nachzuweisen, vgl. die Höfe des Burgund (Porträt nach Rogier von der Weyden: Johann Ohnefurcht, um 1500, Hofburg, Wien) oder die Kleidung des spanischen Hofzeremoniells; vgl. auch das Porträt von Tizian: Karl V., 1548 (Alte Pinakothek, München). Gleichzeitig war Schwarz aber auch die vestimentäre Farbe des italienischen Städte­ bürgertums der Renaissance oder des niederländischen Bürgertums des Goldenen Zeitalters. Vgl. zu schwarzer Kleidung in diversen Zeiträumen und sozialen Schichten Victor Willi: Kulturgeschichte der Mode, S. 9–102, S. 86, u. Réné König: Die Mode in der menschlichen Gesellschaft, S. 103–224, im Sinne eines „männliche[n] Puritanismus“ S. 194 ff., hier: S. 194; beide in: id. u. Peter Schupisser: Die Mode in der menschlichen Gesellschaft, Zürich 1961; zur Geschichte von schwarzen Ordenstrachten, Schwarz als Farbe bürgerlicher und aristokratischer Kleidung seit dem 15. Jahrhundert bis „weit über die Blütezeit der eigentlichen spanischen [..] Mode hinaus“ vgl. Nixdorff/Müller 1983, S. 160 ff., hier: S. 163; vgl. dagegen Barbara Schmelzer-Ziringer: The History of Fashion as the History of Power in Images, in: Sabine de Günther u. Philipp Zitzlsperger (Hg.): Signs and symbols. Dress at the intersection between Image and Regalia, Berlin u. Boston 2018, S. 221–243, die seinem aristokratischen Ursprung nachgeht; vgl. zum schwarzen Anzug vor, während und nach der Frz. Revolution Marita Bombek: Kleider der Vernunft. Die Vorgeschichte bürgerlicher Präsentation und Repräsentation in der Kleidung, Münster 2005, S. 391–393; vgl. auch Ribeiro 2003, S. 119. Für die Krinolinenmode im 19. Jahrhundert wird hingegen in der Forschung klar eine Ableitung aus der höfischen Kleidermode des 17. und 18. Jahrhunderts nachgewiesen, vgl. u. a. Haase 2002, S. 149. 91 Zum Vergleich: Zu Beginn des Jahrhunderts war Mode noch Inhalt intellektueller Diskurse. Nun ergänzen oft Rätsel und Klatschspalten das inhaltliche Angebot von Modezeitschriften, vgl. Brändli 1998, S. 162. Eine Analyse der Zeitschriften im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt eine Entwicklung hin zum „Gegenstück zu ernsthaften, ‚männlicheren‘ Themen wie Politik und anspruchs­voller Literatur“ erkennen, ibid., S. 162. Wenn Baudelaire oder andere Kritiker sich zeitgenössischer Mode im intellektuellen Diskurs widmen, erfahren die geistigen Fähigkeiten der Frau tendenziell eine Ab­ wertung. Zur misogynen Haltung Baudelaires vgl. Haase 2002, S. 136 f. 92 Simmel 1905, S. 110. 93 Russo/Kramarae 2001, S. 238.

1.  Die Diktatur der Mode

Nicht der Konsum, sondern die fehlende Zeit für Konsum definierte folglich die Systemrelevanz jedes Einzelnen. Deshalb darf die in der Forschung so oft konstatierte Aufwertung der Frau als wichtige Akteurin der Konsumgesellschaft und Modehandelnde auch kaum als Aufwertung im emanzipatorischen Sinne gedeutet werden.94 Erinnert sei an das Regalienporträt von Eugénie von 1862, anhand dessen die Kritiker suchten, ­Eugénies Status als Politikerin zu schmälern und sie als Modeikone zu kategorisieren. Vor allem aber zeigen die oben zitierten Aussagen, dass es sich auch bei der paradigmatischen Vorstellung von der modeaffinen Frau lediglich um ein sozial konstruiertes Ideal handelt, welchem keineswegs unabwendbar zu folgen war.95 Der weibliche Modekörper wurde also Mitte des 19. Jahrhunderts als Zeichen weiblicher Emanzipationsbestrebungen und zugleich als Symbol physischer, gesellschaft­licher und ökonomischer Beschränkung von Frauen diametral rezipiert.96 Eine Veränderung politischer Rechte oder die Steigerung politischer und wirtschaftlicher Teilhabe von F ­ rauen im Allgemeinen ist allerdings kaum messbar.97 Quantifizierbar hingegen ist ­eine Zu­nahme der visuellen Präsenz der Frau im öffentlichen Leben und in den Medien. Die Konsolidierung weiblicher Modeaffinität war prägend für das öffentliche (Stadt-)Bild und erhöhte die Sichtbarkeit der Frau, die damit zur „wandelnde[n] Visitenkarte“ ihrer F ­ amilie 98 ­wurde. Mode als Feld herrscherlichen Handelns In den Hauptkapiteln I. und II. der vorliegenden Untersuchung konnte nachgezeichnet werden, wie Monarchien auf verschiedenen Wegen Herrschaftsverwaltung und -verstärkung durch visuelle Mittel betrieben: sowohl durch gesellschaftliche Teil­habe über normbildendes Verhalten und Anschluss an vorherrschende Tugendideale (Tugend­porträts), als auch durch soziale Abgrenzung, indem sie die Einzigartigkeit ihrer ­politischen

94 Die Frau traf die „alltäglichen Konsumentscheidungen“, musste eigenen Geschmack beweisen und wirtschaften können. Geisthövel 2008, S. 91. Auch dafür gab es eine Fülle an Ratgeber-Literatur. 95 Deshalb ist es zweifelhaft, gerade Damen der höheren Gesellschaft oder des Hofes zu unterstellen, sie hätten keine andere Möglichkeit sich auszudrücken, als „ihr Äußeres“ zur Schau zu stellen, wie es ­Mirja Straub im jüngsten Winterhalter-Katalog konstatiert. Straub 2015, S. 50. 96 Eine umfassende Analyse zum Forschungsstand bis 2002 zu Reformkleidung, zu Frauenrechten M ­ itte des 19. Jahrhunderts und der Auslegung weiblicher Mode als Emanzipationsbestrebung oder Unter­ drückung bietet Lisa Strange: Dress reform and the feminine ideal: Elizabeth Cady Stanton and the “coming girl”, in: Southern Journal of Communication, Bd. 68, 1/2002, S. 1–13, S. 1–3; vgl. zu diesem Paradoxon auch Haase 2002, S. 149 ff. 97 Vgl. Kocka 2001, S. 113. 98 Budde 2009, S. 87. Diese Entwicklungen fügen der Diskussion um die Theorie der Sphärentrennung von Mann und Frau im 19. Jahrhundert ein weiteres Argument hinzu: Keineswegs war es in der Praxis so, dass die Frau nur den privaten, häuslichen Bereich ausfüllte und am öffentlichen Leben nicht teilnahm, vgl. Kap. I. 6.

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III.  Die Modeporträts

­ osition herausstellten (Regalienporträts). Im Folgenden soll nun eine dritte herrschaftsP konstituierende Strategie herausgearbeitet werden, die gezielt über Personenkult und dessen Identifikationskapital zur Interaktion animiert: Mode als Feld herrscherlichen Handelns. Die Verbindung von Mode und Monarchie eröffnet ein enormes Spannungsfeld. Wandelbarkeit und Zeitlichkeit, wie Mode sie mit sich bringt, korrumpiert das Konzept von Monarchie an sich, welche der Bedeutung und Geschichte nach auf Beständigkeit und Tradition gründet. Die Existenz zahlreicher Kleiderordnungen bis ins 18. Jahrhundert hinein indizieren, dass die sozialen Eliten über Kleidung in erster Linie soziale Abgrenzung erzwingen wollten. Es gab jedoch immer wieder Höfe oder einzelne Herrscher und Herrscherinnen, die Mode nicht nur „mitmachten“, sondern Trends setzten und jene traditional inhibierte Nachahmung aktiv forcierten.99 Dies konnte ökonomische Gründe haben, abhängig sein vom nationalen Luxusdiskurs, der individuellen Persönlichkeit oder der politischen Stabilität des Regimes. Birgit Haase konstatiert treffend: „Gleichviel durch welches Verhalten – im Verlauf des 19. Jahrhunderts hieß es allenthalben, Stellung zu beziehen gegenüber der Mode als einem die moderne Gesellschaft grundlegend prägenden Phänomen.“100 Dies galt auch für die Höfe. Die oben skizzierten Entwicklungen veränderten die Parameter politischen Modehandelns. Man denke an die Thakeraysche Kleiderpuppensatire, deren kritische Körpersplittung mit zeitgemäßer Mode kaum funktionierte. Ein einheitliches Mode­ referenz­system vereinfachte schichtenübergreifendes Modehandeln. Aus höfischer Perspektive konnte der soziale Distinktionsgewinn weiterhin über Mode erfolgen, jedoch mit verändertem Appell: nicht über Abgrenzung, sondern über sozial verbindendes Modehandeln. Die Nachahmung bescheinigte somit erst den Distinktionsgewinn. Die Verankerung von Modeaffinität als speziell und allein weiblicher Eigenschaft in der Gesellschaft forderte die Herrscherinnen, nicht die Herrscher, zu einer Entscheidung heraus. „Stellung zu beziehen“ bedeutete nicht automatisch, sich als Innovatorin zu positionieren. Ob man als prestige figure auftrat oder als Teil der nachahmenden Mehrheit Mode weniger Bedeutung beimaß, war eine bewusste und keine zwangsläufige Entscheidung. Die ihrer Stellung selbstverständlich eingeschriebene Popularität und Sichtbarkeit waren sicher ein Vorteil für Herrscherinnen; dass der Modekörper Mitte des 19. Jahrhunderts physische Anziehungskraft in den Vordergrund stellte, war eher ein Hindernis. Dies nämlich widersprach dem traditionellen Körperbild der Königin, welches wegen der Aufgabe, rechtmäßige Thronfolger zu zeugen, selten im erotischen Sinne anziehend gestaltet war.101 Beide Perspektiven auf den weiblichen Modekörper des 19. Jahrhunderts  99 Es sei auf die Fallbeispiele Kap. III. 2.–5. verwiesen. 100 Haase 2002, S. 32. 101 Modeikonen sind deshalb oft Mätressen oder Sängerinnen gewesen. Im 18. Jahrhundert konnte der Regierungskörper noch vom biologischen Körper getrennt diskutiert werden, vgl. Stollberg-Rilinger

1.  Die Diktatur der Mode

sollten deren Entscheidung, sich als Modehandelnde zu profilieren, beeinflussen. Wie die Herrscherinnen, die sich von Winterhalter malen ließen, sich solchen Herausforderungen stellten, wird in den folgenden Kapiteln analysiert. * Das einleitend vorgestellte Porträt der Fürstin Pauline von Metternich exemplifiziert gattungstheoretisch das idealtypische Modeporträt (Taf. 33).102 Geltende Porträtkonventionen modifizierend prononcierte Winterhalter nicht den sozialen Status der Fürstin, ihre Beziehung zum Hof oder eine physiognomische Ähnlichkeit beziehungsweise Charakterzüge. Stattdessen, es wurde oben dargelegt, bildete der Maler Pauline von Metternich als Modebotschafterin ab. Der Fokus liegt nicht allein auf dem angestrahlten, modisch bekleideten Körper, zusätzlich zeichnen die Narration ihres direkten Blickes und ihrer aktiven Gestik die Fürstin als Akteurin aus. Ihr Status als prestige figure wurde zum wichtigsten Momentum und reichte über das Atelier hinaus: Idealtypisch animierten die Modemedien Ölporträt und carte de visite zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Mode. Der Umgang mit dem Bildnis und der bei Hofe kursierenden Fotokarte vervollständigte erst Metternichs Modehandeln. So wurde jede Betrachterin im Moment des Bildkonsumierens selbst zur Modehandelnden, zur potentiellen Mode-Konsumentin. Ein Porträt ist also sinnvollerweise erst dann als Modeporträt zu bezeichnen, wenn die Bildbotschaft entscheidend über zeitgenössische aktuelle Mode transportiert wird. Diese sollte Künstler, Modell und Betrachterin verbindlich geografisch verorten und zeitlich datieren. Deshalb birgt Mode immer soziokulturelles Potential. Ein Indiz für eine Veränderung des Modeporträts Mitte des 19. Jahrhunderts ist die doppelte disparate Bewertung Winterhalters als peintre à la mode von Modellen, Publikum und Kunstkritik. Die Modewelt wurde zum Belastungsmoment neuer Gesellschaftsstrukturen. Mit der Explosion technischer Neuerungen in den Bereichen Produktion, Waren- und Informationstransfer, welche Mobilität in neuem Ausmaß ermöglichten, enorme Preissenkungen zur Folge hatten und damit ein einheitliches schichtenübergreifendes Referenzsystem schufen, formierte sich – und hier ist eine Zäsur um 1855 zu setzen – ein europaweit einheitlicher Modekosmos, dessen Zentrum Paris und damit Winterhalters Wohn- und Arbeitsort bildete. Eingeordnet in die jeweilige politische, gesellschaftliche und individuelle Umwelt der Herrscherin wird nun an Fallbeispielen untersucht werden, inwiefern sich Modeporträts in die Bildnisprogramme eingliedern. Inwieweit konnte Modehandeln legitimations­ stärkend wirken und die Präsenz der Herrscherin im öffentlichen Raum vergrößern oder aufgrund der abwertenden Konnotationen deren politische Teilhabe und Glaubwürdig2020, S. 27. Zu Schönheit als weibliche Tugend im Herrscherdiskurs am Beispiel Maria Theresias vgl. Hertel 2020. 102 Einige Forschende schreiben von Porträts à la mode oder vom „modischen Porträt[]“, jedoch wird dieser Begriff dort nicht näher definiert. Vgl. Panter 1996, S. 147; vgl. Chabanne 2015, S. 45.

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III.  Die Modeporträts

keit angreifen? Basierend auf der Annahme, dass Kleidung in Porträts maßgeblich zu deren Entschlüsselung beiträgt – im Sinne von Honoré de Balzacs Idee einer «  vesti­ gnomie » –, sollen im Folgenden Winterhalters Modeporträts aus neuer Perspek­tive diskutiert werden.103

2. Konjunkturimpuls: zur Bedeutung von Kaiserin Eugénies Modekompetenz für ihr Porträtprogramm Die französische Hauptstadt verstetigte Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Rolle als europäisches Modezentrum. In Paris bildeten sich neueste Trends, die über frisch gegründete Modezeitschriften und jungfräuliche Verkehrsnetze in die interessierten Haushalte ­Europas gelangten. Schneidereien vor Ort erfüllten am französischen Vorbild ausgerichtete Wünsche.104 Diese Diktatur der französischen Mode veranlasste zu spöttischen Bemerkungen in Wort und Bild. Emile Olivier notierte in seinem Journal am 3. Juni 1855: « Il y a des expositions publiques de fleurs, de tableaux, etc. Les bals sont des expositions publiques de femmes.  »105 Die Modenwelt formulierte: „Was man auch dagegen sagen mag, Paris ist nun einmal der unbestrittene Thronsitz der Mode, von wo aus die Herrscherin ihre Befehle über den Erdenkreis hin entsendet.“106 Letztere Bemerkung bedenkt jene Rolle, die Kaiserin Eugénie inmitten der frankophilen Modeszene zukam: Die französische Konsum- und Luxusindustrie war traditionell eng mit Hofkultur und Staatsführung verbunden, und hiervon sollte die öffentliche Präsenz der Kaiserin Zeugnis ablegen – vor allem, seitdem Mitte des 19. Jahrhunderts die Frau zum Schmelzpunkt modedynamischer Interessen avancierte. Eugénies Beschäftigung mit Mode barg hohe politische Relevanz. Kritiker und Regierungsverantwort­liche unterstellten der Kaiserin eine entsprechende Modeaffinität, dies konnte anhand des 1862 in Auftrag gegebenen hybriden Porträts dargelegt werden, mit welchem Eugénie hingegen in erster Linie regierungspolitischen Machtanspruch stellen wollte (Taf. 31).107 Die Herrscherin orderte 1855 bei Winterhalter das Modeporträt des Zweiten Kaiser­ reichs schlechthin: Kaiserin Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen, mit dem nicht nur ­Eugénie ihren Ruf als Modekaiserin, sondern auch Winterhalter seinen als Modemaler

103 W. Fred [Alfred Wechsler] (Hg.): Physiologie des eleganten Lebens. Unveröffentlichte Aufsätze von ­Honoré de Balzac, München 1912, S. 110. König, Mentges u. Müller interpretieren Balzacs Ansatz als „eine Kleider­lesekunst kultureller Physiognomie, die sozial und politisch zu buchstabieren ist.“ Id. 2015, S. 13. 104 Vgl. Haase 2002, S. 17. 105 Theodore Zeldin u. Anne Troisier de Diaz (Hg.): Emile Olivier. Journal, 2 Bde., Bd. 1: 1846–1869, Paris 1961, S. 218. 106 Die Modenwelt 1/1865, S. 1. 107 Vgl. Kap. II. 5.

2. Konjunkturimpuls

­entscheidend ausrichtete.108 Das Gemälde war eines der großformatigsten auf der Weltausstellung von 1855 in Paris und sendete dieses Image – es sei an den Stich in der Illustrated London News erinnert (Abb. 33) – um die ganze Welt. Wie ging Eugénie als eine dem Zeitgeschmack zugewandte und gleichzeitig regierungspolitisch interessierte Herrscherin mit den an sie gestellten Erwartungen strategisch um? Davon ausgehend, dass Kleidung in Porträts entscheidend zu deren Decodierung beiträgt, sollen im Folgenden zwei Winterhaltersche Gemälde von der französischen Kaiserin, die die Forschung bisher zu wenig differenziert unter der Rubrik à la mode fasst, aus neuer Perspektive diskutiert werden.109 Ein veritables Modeporträt: Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen Winterhalters 295 × 420 cm messendes Gruppenporträt der Kaiserin Eugénie mit acht ihrer Hofdamen stellte zusammen mit jenem bereits erörterten ovalen Tugendporträt das Gegenstück zum Regalienporträt des Kaisers auf der Pariser Weltausstellung von 1855. Neun lebensgroß abgebildete Frauen in verschiedenfarbigen über voluminöse Krinolinen fallenden Roben haben auf einer idyllischen Lichtung Platz genommen (Taf. 36). An höchster Stelle sitzt die französische Kaiserin, vom Betrachter in erster Linie durch das Kennen und damit Erkennen ihrer individuellen Physiognomie erfasst, denn k­ lare Hinweise klassischer Herrscherikonografie fehlen.110 Allerdings markiert Eugénie mit der Vorstellung ihres Hofstaates deutlich ihren Rang.111 Der informierte Betrachter erkannte die Kaiserin außerdem an den Blumen in ihren Händen, violets waren ihre Lieblingsblumen.112 Die Atmosphäre und das Sitzen in freier Natur animierte Zeitgenossen zu einem Vergleich mit Genredarstellungen.113 Das Porträt böte eine « parodie de watteau », wütete Gustave Planche in der Revue des Deux Mondes.114 Die Natur gibt sich durch fehlende Tiefen­ wirkung als Kulisse zu erkennen, außerdem ist auffallend, dass in diesem Gruppen­bildnis

108 Einige seiner Briefe und auch Tagebucheintragungen seiner Modelle verraten, dass er für die Auswahl von Kleidern und Accessoires mitverantwortlich war, vgl. z. B. Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 7324.89. (15.02.1862). 109 Vgl. für die methodische Herangehensweise Zitzlsperger 2008. 110 Aufgezählt werden die Dargestellten in: Kat. Courts of Europe 1987, S. 203; Reisberg 2016, S. 150 f.; Panter 1996, S. 141; Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 162. 111 Vgl. zum Bildnis auch Panter 1996, S. 140 ff. Wer zu diesem Zeitpunkt zum Zirkel ihrer Hofdamen gehörte, und wer nicht dargestellt wurde, erläutert Laure Chabanne:  L’Impératrice Eugénie entourée de ses dames d’honneur par Franz Xaver Winterhalter, in: La revue des musées de France, Revue du Louvre 5/2012, S. 85–91, S. 85 f.; vgl. Reisberg 2016, S. 150–153 u. S. 159 f. 112 Vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 40. 113 Auch die Sekundärliteratur bemüht den Vergleich mit Winterhalters eigenen Genredarstellungen wie Decamarone von 1837, vgl. Chabanne 2012, S. 85–87. 114 Gustave Planche: Exposition des Beaux-Arts, in: Revue des Deux Mondes, 1855, Bd. 12, S. 403.

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III.  Die Modeporträts

kaum Interaktion herrscht. Eugénie wird zwar von ihren Sitznachbarinnen angeschaut, und auch drei andere Damen lenken den Blick der Betrachterin vage durch das Bild, doch dominiert Kommunikationsarmut. Die Gesichter tragen sich ähnelnde unbewegte Mienen zur Schau.115 Die Betrachterin wird von keiner der Frauen direkt adressiert. Offenbar soll diese nicht über Emotionen Zugang zum Bild erhalten, wie es seiner­zeit charakteristisch für sentimental-idyllische Genrebilder war. Das Gruppen­porträt informiert ebenfalls nicht über zwischenmenschliche Beziehungen oder indivi­duelle Charakter­züge. Vielmehr laden die farbenfrohen Kleider, differenzierten Posen und adrett gescheitelten Frisuren dazu ein, eben diese sorgfältig zu begutachten: Stehend, im Profil, aus der Rückenansicht und en face werden der Betrachterin neueste Schnittmuster, Farbund Accessoire-Kombinationen der Saison präsentiert, stets über voluminöser Krinoline, welche die Grundform jedes Designs bildet. Neun verschiedene Modelle mit individuellen Details wie Spitzenborten, Schleifen oder Kunstblumen sind ausgestellt. Winterhalter bewies, dass er die stofflichen Statussymbole Seide, Taft, Spitze oder Tüll in jeder Tönung besonders plastisch in Szene zu setzen verstand.116 Das Gruppenporträt Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen wurde vielfach kommentiert; nationale Kritiker warfen Winterhalter charakter- und inhaltslose Malerei vor. Der oben bereits zitierte Gustave Planche fügte seiner Kritik hinzu: « Ces robes si coquettement étalées ne contiennent absolument rien.  »117 Winterhalter idealisierte Körper und Gesichter der Damen stilistisch tatsächlich stärker als in anderen Porträts, ja er typisierte sie. Warum, erklärte er im Bildnis selbst: Er legte der weiß gekleideten Dame rechts ein illustriertes Heft in die Hände, auf das ihre Nachbarinnen blicken. Dieses Heft ist ein von der Forschung bisher übersehener innerbildlicher Fingerzeig auf zeitgenössische Modemedien. Bezeichnenderweise ähnelt bereits die obige Bildbeschreibung des Gruppen­porträts Mayerhofer-Llanes Charakterisierung von Modeillustrationen Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie formuliert: Modefigurinen waren „eher beziehungslos beieinander“, „stets idea­ lisiert“, „stark typisiert“; die Mode war „so vorzuführen, dass Details, die den modischen Charakter eines Modells ausmachten, wie Schnittführung, Verzierungen, Verschlüsse und Materialien, deutlich zu erkennen sind.“118 Damit sind die oben zusammengefassten Argumente der Kunstkritik zugunsten Winterhalters entkräftet. Das Gruppenporträt nämlich folgt absichtlich in seiner Offerte und Zurschaustellung aktueller Trends s­ olchen

115 Reisberg 2016 argumentiert hingegen mit Hilfe zeitgenössischer Quellen, dass Winterhalter physio­ gnomische Ähnlichkeit erreichte (S. 161). Die von ihm genannten Quellen sind allerdings entweder subjektive Ego-Dokumente oder verraten lediglich eine allgemeine Begeisterung für das Bild. 116 Vgl. auch Ribeiro 1987, S. 67. 117 Gustave Planche: Exposition des Beaux-Arts, in: Revue des Deux Mondes, 1855, Bd. 12, S. 404. Für eine Zusammenstellung der zeitgenössischen Kritik am Bild vgl. McQueen 2011, S. 97 f. 118 Mayerhofer-Llanes 2005, S. 216.

2. Konjunkturimpuls

Modeillustrationen, wie sie seinerzeit zahlreich erscheinende Modemagazine und Stichsammlungen in alle Gesellschaftsschichten hinein verbreiteten (Taf. 37).119 Ein Vergleich des Porträts mit einer Gouache von Leloir, einer seinerzeit äußerst erfolgreichen Mode­ illustratorin, macht die Ähnlichkeit deutlich: Sie preist fünf verschiedene Modelle an und variiert, indem sie fünf Figurinen, jede aus einer anderen Perspektive, ihre Robe präsentieren lässt. Winterhalters Komposition greift solchen Modus auf. Der in der Literatur bisher unbeachtete innerbildliche Hinweis auf die gegenseitige Beeinflussung von Modeillustration und Modemalerei ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass Eugénie und Winterhalter das Porträt ganz bewusst in stilistischer Nähe zu seiner­ zeit überall kursierenden Modemedien komponierten.120 Ein aktiver und vorbildhafter Umgang mit aktueller Mode bildet demnach das wesentliche Bildthema.121 In diesem materialisiert sich Dagmar Venohrs methodischer Ansatz: „Erst im performativen Vollzug der medialen Wahrnehmung zeigt sich das Transmedium Mode.“122 Der Diskurs um die moralische Belegung von Schönheit und der Beschäftigung mit dem eigenen Äußeren veränderte sich im 19. Jahrhundert: Noch im Umfeld Maria ­Theresias beispielsweise war Schönheit zwar eine zu pflegende Eigenschaft, „[ü]bertrie­ bene Sorge um das eigene Aussehen galt jedoch als Eitelkeit und war somit ein L ­ aster.“123 Eugénie und ihre Hofdamen glorifizieren die rein äußerliche Beschäftigung mit der Ausstaffierung des eigenen Körpers. Winterhalters Gruppenbildnis weist Kaiserin ­Eugénie also als wichtiges Mitglied der Pariser Modeszene aus und beweist ihre Stilkompetenz. Doch nicht die einzelne Falte, Rüsche, das Schnittmuster und deren realitätsgetreue Wieder­gabe sind Ziel der Darstellung. Das Bildnis visualisierte auf der Weltausstellung von 1855 in seinem auffallenden Format ein Ideal von Umgang mit Mode während des Second Empire und definierte ein Modesystem, an dessen Spitze, so die Bildbotschaft, 119 Bereits Zeitgenossen registrierten eine Nähe zwischen Winterhalters Porträts und Modestichen, zusammengefasst in Kat. Courts of Europe 1987, S. 203 f.; vgl. auch, die Informationen des Katalogs aufgreifend, Haase 2010, S. 182. 120 Lediglich Chabanne und Reisberg erwähnen das Album, und zwar nur nebenbei, ohne ihm Bedeutung zuzusprechen: Chabanne 2012, S. 87: « album »; Reisberg 2016, S. 151: “holding a print album”. ­Panter wertet die Mode im Bild lediglich als „Geschmack der Hofdamen“, den Winterhalter „berücksich­tigte“, vgl. Panter 1996, S. 142. Zu diesem Bildnis existieren unüblicherweise vier Vorstudien, Winter­halter begann normalerweise direkt auf der Leinwand zu malen. Reisberg verfolgt die Werkgenese und schließt aus den vorgenommenen Veränderungen, dass Eugénie an der Werkentstehung mitgearbeitet hat, vgl. id. 2016, S. 154. 121 Reisberg 2016 folgt dem Kat. Courts of Europe 1987, S. 48, und konzentriert sich auf eine allegorische Interpretation des Gruppenbildnisses mit der Begründung, dass es stilistisch eine kompositorische Nähe zu Winterhalters Genrebildnissen und Rubens Historienzyklen aufweist, S. 155 f. u. S. 164 f. Mit dem stilistischen Anschluss an Historiendarstellungen werde die Wichtigkeit des Gruppenbildnisses erhöht (S. 155). 122 Venohr 2015, S. 119. 123 Hertel 2020, S. 278.

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III.  Die Modeporträts

Kaiserin Eugénie ihren Platz einnahm. Obwohl sie in Pose und Mimik, ähnlich dem ovalen Porträt, tendenziell passiv dargestellt ist, wechselt ihr Modus damit in einen führenden, aktiven.124 Nicht als prestige figure im Blumerschen Sinne präsentiert sich die Kaiserin hier, aber als Modehandelnde. Dies war ganz in ihrem Sinne. Der Modedesigner Charles Worth, der seit 1860 als Hoflieferant für sie tätig war, erinnert sich, wie Eugénie 1861 eine seiner neuesten Kreationen ablehnte: “But Monsieur Worth, I would not wish to be seen in public in a costume that is so new. I must wait until it has been worn by someone else. In my position, I must not set fashions, I must be content to follow them.”125 Eugénie reflektierte ihren Umgang mit Mode und balancierte ihr Modehandeln sorgfältig aus. Das Gruppenporträt der Kaiserin im Kreise ihrer Hofdamen ruft die Betrachterin auf, am Modesystem teilzunehmen, Mode zu studieren, Mode zu kaufen, Mode zu tragen. Derart forcieren und entfesseln die Bild-Protagonistinnen dezidiert jenen in feudalem Gesellschaftssystem jahrhundertelang streng begrenzten Prozess der vestimentären Nachahmung.126 Solcher Aufruf kam im Volk an, der Nachdruck des Porträts war sehr begehrt und wurde vielfach gekauft.127 Ein Jahr später, als es im Kunstverein in Wien gezeigt wurde, wiederholte sich der große Erfolg.128 Eugénies politischer Körper und die französische Modeindustrie Winterhalters Porträt appelliert nicht zuletzt an allgemeine Vorstellungen vom aristokratischen und monarchischen Körper und seinem Umgang mit Kleidung, Stoffen, Mode, kurz: mit Luxus. Eine Allianz von Hof und Luxus hatte in Frankreich lange Tradition. ­Napoléon III. und Eugénie förderten entsprechend die französische Konsum- und Luxus­güterindustrie und banden die Finanzelite an den Hof.129 Eine Verschränkung von Politik und Modeindustrie in Frankreich wird ganz konkret durch die Benennung der neu erfundenen Anilinfarben nach militärischen Siegen deutlich: Stoffe waren beispielsweise in Magenta oder Solferino zu erwerben.130 Im Gruppenbildnis ist es vor allem die

124 McQueen 2011 hingegen schlussfolgert, dass das Gruppenbildnis ein Image einer “largely passive and decorative role” verkörpere, S. 97. Reisberg 2016 beachtet zwar mithilfe biografischer Daten Eugénies Rolle innerhalb des Modesystems, “leader of fashion” (S. 158), verweist aber auf die dargestellte Mode nur rein deskriptiv. 125 Erinnerungen von Worth 1861, zitiert nach Trubert-Tollu 2017, S. 37. 126 Vgl. zu diesem Prozess Zitzlsperger 2008, S. 121 f. 127 Vgl. McQueen 2011, S. 98. Sowohl Colnaghi’s als auch Goupil & Cie verkauften Nachdrucke. Auch die internationale Presse reagierte zum Großteil begeistert, vgl. Reisberg 2016, S. 163 f. Eugénie im Kreise ihrer Hofdamen hing seit 1865 an prominenter Stelle in Fontainebleau, McQueen 2011, S. 98. 128 Vgl. Chabanne 2012, S. 85. 129 Napoléon III. konnte mit einem modernen Finanz- und Kreditwesen für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen, was ihm im Wahlkampf zugutekam. Vgl. Erbe 1994a, S. 432. 130 Vgl. Dolan 1994, S. 26; vgl. auch Haase 2002, S. 146.

2. Konjunkturimpuls

Krinoline, die, als essentielles Sinnbild des Zweiten Kaiserreichs, durch Ausmaß und Farbeffekt zur politischen Botschafterin geriet. Diverse Strategiepapiere formulierten deutlich die Taktik der französischen Regierung des Second Empire, mithilfe einer blühenden Luxusindustrie für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen zu wollen.131 De Laborde schilderte es so: En résumé, le maintien du goût public est un devoir de l’État, une mission facile, et, loin d’être la ruine des finances, ce sera une des sources les plus fécondes de la prospérité commerciale du pays. C’est un peu avec l’argent, c’est beaucoup avec son initiative, c’est surtout avec ses conseils et ses encouragements que l’État obtiendra ces résultats considérables.132

Gemäß den seinerzeit umlaufenden Parolen « l’Empire s’amuse » oder « la Fête impériale » wird hier die Verantwortung von der Regierung angenommen; Geld und entsprechend der Geldadel bildeten maßgebliche Säulen eines funktionierenden Zweiten Kaiserreichs. Solches Vorgehen wurde im Ausland auch Jahre später noch bissig kommentiert: Als vor Jahresfrist die schlimme Lage der arbeitenden Classen in der zweiten Hauptstadt Frankreichs zu bedrohlicher Höhe gelangt war, verkündete der Staatschef, man werde von oben herab dem Handel und Verkehr neue Impulse geben. Kaiserin Eugenie bestellte mit einem Male vierundzwanzig façonnirte Seidenkleider in Lyon und sprach ihren Hofdamen den Wunsch aus, sie künftig nicht zu selten in den­ selben Stoff gekleidet zu sehen. Aber es war wie ein Tropfen Wasser auf glühendem Stein im Augenblick verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen. Aehnliches war schon 1852 geschehen. Das Kaiserreich begünstigte das Börsenspiel, reizte zu großartigen, aber ungesunden Handelsunternehmungen, schuf Eisenbahnen, die durch kein Bedürfniß gefordert waren, und spitzte den Stachel, der ohnedies in jedem Franzosen steckt, nämlich die Sucht schnell reich zu werden und den Reichthum durch äußeren Glanz zu zeigen.133

Diese Polemik war ein Messen mit zweierlei Maß, denn seinerzeit wurde überall, auch im deutschsprachigen Raum, öffentlich zu einem patriotischen Umgang mit Modegütern aufgerufen: Ausländische Stoffe und andere Modeprodukte waren zu boykottieren und einheimische Ware zu kaufen.134 Im 19. Jahrhundert war es für Kaiserin Eugénie ohne Probleme möglich ihren Körper als Modeplattform einzusetzen. Wie Barbara Vinken für das 18. Jahrhundert am „Körper der Königin“ Marie-Antoinettes dargelegt, kann diese als Vorreiterin gelten, den weib­ lichen Körper als Modefläche profanisiert und derart das Geschlecht über ihren Rang gestellt zu haben.135 Auch zu ihrer Zeit waren in Frankreich Hofführung und ­Wirtschaft

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Vgl. beispielsweise Laborde 1856a. Ibid., S. 101. Eugen Laur: Wie werden Moden gemacht?, in: Die Gartenlaube 50/1867, S. 794–796, S. 795. Vgl. Belting 1997, S. 48 ff. Barbara Vinken: Marie-Antoinette: Kultkörper, verworfen und heilig, in: Zeitschrift für Semiotik, Bd. 27, 3/2005, S. 269–283, S. 270. Es sei ebenfalls daran erinnert, dass Maria Theresia noch als König gekrönt wurde und ihr politischer Körper Zeitgenossen durchaus als männlich galt.

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III.  Die Modeporträts

eng miteinander verknüpft. Marie-Antoinette entfachte einen Skandal als sie sich – der Mode folgend – in einem im Salon ausgestellten Porträt en chemise in Baumwolle darstellen ließ und damit offenkundig die heimische Seidenindustrie im Stich ließ.136 Schon das französische Übergabezeremoniell, wie es zukünftige Königinnen bei ihrer Einreise als Braut erlebten, illustrierte die Bedeutung, die nationaler Kleidung zukam. Diese wurden neu eingekleidet, damit nur französische Spitze ihre Körper berührte und ihnen e­ ine französische Identität verlieh.137 Eugénies Umgang mit Mode und Kleidung war ebenso wenig wie der von Marie-­ Antoinette nur Ergebnis individueller Kompetenz oder Vorlieben, sondern von politischer Relevanz.138 Für die Kaiserin war Modehandeln aus ökonomischen wie aus gesellschaftlichen Gründen unabdingbar. Sie sah sich verantwortlich, der nationalen Seidenund Spitzenindustrie genügend Aufträge zu verschaffen und mit stetig neuen Trends für eine prosperierende Wirtschaft und zufriedene Gesellschaft zu sorgen. Dass Eugénie mit vollem Einsatz dabei war, formulierte sie 1858 in einem Brief an ihre Schwester: Que diraient le commerce, les femmes, les jeunes filles, si je m’enfermais sans donner des bals, et quand on en donne il faut y paraître. Pâle ou rouge, qu’importe? L’hiver doit être gai, c’est tout ce qu’il faut. Je suis comme les soldats un jour de bataille : on ne peut être malade, et pour moi c’est le monde qui est mon champ de bataille.139

Sich auszustaffieren, gehörte für Eugénie zu ihren alltäglichen Arbeitsaufgaben. Deshalb konnte das Gruppenporträt an prominenter Stelle auf der Weltausstellung hängen und sogar ihr Regalienporträt ersetzen.140 Wie sehr Eugénies Porträts verwoben waren mit dem öffentlichen Leben des Second Empire verraten auch die Kunstkritiken:

136 Vgl. Bombek 2005, S. 295–301. Sie sollte weder ausländische noch bürgerliche Mode tragen. 137 Vgl. Schulte 2002a, S. 15 f. 138 Vgl. Laure Chabanne, die nachvollzieht, dass Eugénie vor allem während ihrer ersten Jahre im Amt als Modekaiserin gefeiert und rezipiert wurde, zwischen 1860 und 1870 zunehmend weniger bunte und aktuelle Mode präsentierte und sich die Modepresse entsprechend weniger für sie interessierte. Laure Chabanne: Eugénie, impératrice de la mode?, in: Sous l’Empire des crinolines 1852–1870, hg. v. Catherine Join-Diéterle et al., Ausstellungskatalog, Musée Galliera Paris, Paris 2008 (Kat. Sous l’Empire des crinolines 2008), S. 38–51. Wie brisant die Modeerscheinung der Krinoline war, thematisierten zahlreiche zeitgenössische Karikaturen, die Eugénie zwar sprachlich zur « Comtesse de la Crinoline » und « Impératrice de la mode » stilisierten, aber bildlich ihre politische Einmischung kritisierten, vgl. Dolan 1994, S. 23. Zur wirtschaftlichen Relevanz Eugénies für die Stoffindustrie und ihre Fabrikreisen nach Nancy (Mousseline), Lyon (Seide), Reims (Wollgarn für Kaschmirschals), vgl. Michelet 2020, S. 109. 139 Lettres Familières 1935, S. 144–146, S. 145. 140 Vgl. Kap. II. 1. u. 4., in denen die sich in der Winterhalter-Literatur bisher fälschlicherweise haltende Annahme, das Regalienporträt schlösse die Bildgruppe von rechts ein, korrigiert wird. Vgl. Reisberg 2016, S. 160, der diese Annahme auch in seiner Analyse des Gruppenbildnisses wiederholt.

2. Konjunkturimpuls MM. Winterhalter et Dubufe sont, comme on le sait, les coryphées de ce public spécial qui ne fraye que de loin avec les artistes. Grâce à eux, le Salon est un terrain neutre sur lequel se rencontrent une fois l’an les toilettes plus ou moins tapageuses de la Chaussée-d’Antin, des bals officiels et du Faubourg SaintGermain.141

Was bisher von der Forschung übersehen wurde, ist, dass Eugénie auf vestimentärer Ebene sorgfältig zwischen öffentlichen Anlässen differenzierte, die auf reine Repräsentation zielten, und solchen, die Kopfarbeit verlangten.142 Sie wählte jeweils eine andersgeartete Toilette: für regierungspolitische Arbeit nämlich grundsätzlich schlichte und hochgeschlossene Tageskleidung. Roben oder dreiteilige Kostüme für den Tag waren langärmlig und hochgeschlossen üblich, erst am Abend oder zu formellen Anlässen entblößten die Oberteile nackte Arme und zeigten ein weites Dekolleté.143 Zwei Bildbeispiele sollen dies illustrieren: Während ihrer ersten Amtsübernahme als Impératrice Regente im Jahr 1859 bot The Illustrated London News Einblick in Eugénies Tagesgeschäft: Die Herrscherin sitzt mit konzentrierter Miene arbeitsam an einem großen Tisch voller Dokumente, die von ihr unterschrieben werden (Abb. 49). Die öffentliche Erwartungshaltung antizipierend arrangierte der Illustrator zur Schreibtischarbeit Tageskleidung. Diese Haltung teilte das Kaiserpaar offenbar. 1865 ließ es von Jean-Baptiste-Ange Tissier eine Szenerie visuell umsetzen, in der der Architekt Louis Visconti seine Entwürfe für den neuen Louvre vorstellt.144 Napoléon III. und Eugénie sind im Bild als Arbeitspaar gekennzeichnet: Die Herrscherin sitzt neben ihrem Ehegatten, ebenso konzentriert auf die Pläne schauend und damit diesem gleichgestellt. Auch diese Arbeit verrichtet sie in farblich zurückhaltender und hochgeschlossener Tageskleidung. Eugénie jonglierte mit zwei Garderoben: Repräsentation als Modehandelnde erfolgte in edelster Form; Stoffe, wie glänzende Seide oder transparenter Tüll in neuester Kolo­ ration, werden in farbigen Ölporträts bestmöglich in Szene gesetzt, mit dem Ziel die Wirtschaft anzuregen und die Gesellschaft zu unterhalten. Wenn Eugénie allerdings

141 Charles Perrier: Salon de 1859, in: La revue contemporaine, Bd. 9, 2/1859, S. 289 f. 142 In der Forschung wird hingegen lediglich unterschieden zwischen öffentlichem und privatem Kleidungsmodus der Kaiserin. Sich auf die 1889 herausgekommenen Memoiren Madame Amélie Carettes, die seit 1866 Lectrice von Eugénie war, beziehend, zitieren Haase 2010 (im Titel), Chabanne 2008, S. 42 und Michelet 2020, S. 109 die angeblich von Eugénie stammende Beschreibung « toilettes politiques », die diese für diejenigen pomphaften Kleider genutzt habe, die sie öffentlich tragen sollte. Ergänzend fügt Madame Carette hinzu, dass Eugénie sich „privat“ lieber schlicht und einfach in schwarze Leinenstoffe gekleidet habe. 143 Beispiele für Tageskleider abgebildet in: Miki Iwagami: 19. Jahrhundert, in: Akiko Fukai: Fashion. Eine Modegeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, die Sammlung des Kyoto Costume Institute, 2  Bde., Bd. 1: 18. und 19. Jahrhundert, Köln 2006, S. 147–319, S. 212–232. 144 Jean-Baptiste-Ange Tissier: Visconti présente le projet d’achèvement du Louvre à Napoléon III et Eugénie, 1853, 1865, Öl auf Leinwand, 178 × 231 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles.

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III.  Die Modeporträts

regierungs­politisch agierte, als Regente oder Beraterin des Kaisers, bevorzugte sie – auch in der Außendarstellung – schlichte Tageskleidung; ihre Aufmerksamkeit und Energie sollten dann offenkundig entsprechenden Denk- und Entscheidungsprozessen gelten. Dieses Vorgehen enthüllt die Vorstellung von naturgegebener Modeaffinität von Frauen als sozial konstruiertes Ideal, welches Eugénie nur manchmal und sehr reflektiert er­ füllte.145 In diesem Zusammenhang sei in Erinnerung gerufen, dass es Winterhalter war, der die Kaiserin zu einer Festrobe für das Porträt von 1862 gedrängt hatte (Taf. 31).146 Seine konkret formulierte Bitte lässt vermuten, dass er Eugénie zugetraut hätte, für die Manifestation ihres bildlich ausgedrückten Anspruchs auf regierungspolitische Teilhabe ein weniger effektvolles Tageskleid auszuwählen. Rollenspiel: Eugénie à la Marie-Antoinette Ein Porträt, das Eugénie 1854 privat bei Winterhalter bestellte und auch privat bezahlte, soll offenlegen, wie die französische Kaiserin in informellem Umfeld ihre Auseinandersetzung mit Kleidung und Mode kommunizierte.147 In zierlichem Format von 93 × 74 cm steht Eugénie en pied im Profil auf einer sonnenbeschienenen Lichtung (Abb. 62). Ihre gepuderte Frisur ist von einem über den Rücken fallenden Band durchflochten. Eugénies nachdenkliche Miene und die ruhige Pose unterwerfen sich der Wirkung einer pompösen glänzenden Robe. Diese liest sich als zeitgenössische Interpretation derjenigen Kleider, die im 18. Jahrhundert unter Marie-Antoinette getragen wurden: Gelbe Seide fällt über eine raumgreifende Krinoline, den Rock schmückt eine blau abgesetzte gelbe Borte. Schwarze Stoffblüten raffen den Saum und legen weißen Stoff frei. Der Blick des Betrachters wandert in den hügeligen Hintergrund bis zum Horizont, den Weg durch die pastellfarbene Parklandschaft säumen roséfarbene Rosenbüsche.148 Armin Panter notiert, dieses gehöre zu den „intimsten Bildnissen der Kaiserin“ und identifiziert ihre Ohrringe als ehemaligen Besitz von Marie-Antoinette.149 Eugénies Verehrung der französischen Königin lässt ihn darauf schließen, dass die Kaiserin sich in diesem Bildnis als Marie-Antoinette darstellen ließ. Als diese zeige sie sich „in der Rolle, die ihre Ängste, aber auch ihren Stolz versinnbildlichte“.150 McQueen folgert Ähnliches in Bezug auf einige Fotografien, die Eugénie in den 1860ern anfertigen ließ. Diese präsentieren die Kaiserin in verschiedenen Kostümen, beispielsweise in rumänischer Landestracht, in einem Kleid im Stil Ludwig XVI. oder als Odaliske: Eugénie nutze die Kostüme

145 Vgl. auch Hertel, die bereits für Maria Theresia feststellt, dass die Vermarktung von Schönheit „jedoch auch Risiken bei der Durchsetzung von Autorität“ barg. Hertel 2020, S. 278. 146 Vgl. Kap. II. 5.; Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 7324.89. (15.02.1862). 147 Vgl. zur Bezahlung McQueen 2011, S. 123. 148 Angeblich als Park in Saint-Cloud zu identifizieren, vgl. Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 158. 149 Vgl. Panter 1996, S. 139. 150 Panter 1996, S. 140.

2. Konjunkturimpuls

62  Franz Xaver ­Winterhalter: L’impératrice Eugénie, 1854, Öl auf Leinwand, 93 × 74 cm, New York, The Metropolitan Museum

“for staging photographs that removed her from her own reality into a world of fantasy and make-believe”; McQueen konstatiert weiter, der Betrachter könne “with these works […] move beyond the surface appearence of the subject and access the playful, sensual, and melancholic aspects of her personality”.151 Diese Schlussfolgerungen lesen die Kleidung im Bildnis hauptsächlich unter dem psychologischen Aspekt der Kostümierung. Sich im Fotografenatelier in verschiedensten Kostümen ablichten zu lassen oder auf Maskenbälle zu gehen, gehörte in der bürger­ lichen und aristokratischen Oberschicht Mitte des 19. Jahrhunderts aber zum guten Ton.152 Modedesigner Worth fertigte Unmengen von Kostümen, die imposante Hof­

151 McQueen 2011, S. 125 ff. u. S. 131. Für ausführliche Analysen der Kostümfotos vgl. ibid., S. 125 ff. Von den Fotos im Kostüm existierten nur wenige Abzüge, sodass davon auszugehen ist, dass die Abbildungen nur in privatem kleinem Kreis zirkulierten. Deren erste Veröffentlichung kann im 20. Jahrhundert nachgewiesen werden, vgl. ibid., S. 135. 152 Z. B. die russische Malerin Marie Bashkirtseff oder die Gräfin Castiglione, vgl. dazu Peter Bürger: Mode und Moderne im Zweiten Kaiserreich, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 52–57, S. 53.

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III.  Die Modeporträts

kleidung des 18. Jahrhunderts gehörte zu den beliebtesten. Le Monde Illustré publizierte diese im Stil von Modeillustrationen mit den dazugehörigen Namen der Verkleideten.153 Worth fertigte auch mindestens ein Kostüm im Stil Marie-Antoinettes für Eugénie an, in welchem sie einen Ball besuchte.154 Die Ausstaffierung Eugénies in Winterhalters Porträt war also per se nichts Ungewöhnliches. Eugénie adaptierte im kleinen Format weder eine galante Inkognito-Maskierung, noch suchte sie nach Art eines portrait historié äußere oder innere Eigenschaften auf i­ hre Persönlichkeit zu projizieren. Sie ließ sich auch nicht so eindeutig in ikonografischer ­Nähe zu einer Modefigurine darstellen wie im Gruppenbildnis, Winterhalter nahm die detaillierte Ausarbeitung ihrer individuellen Physiognomie samt Mimik sehr ernst. Es ist ein Porträt, in dem sich Eugénie ausführlich mit zeitgenössischer Mode auseinandersetzt: Ihr Gewand ist nämlich keine exakte Kopie eines Rokoko-Modells, sondern mit Details zeitgenössischer Mode aus den 1850er Jahren überblendet: So fällt das Kleid eindeutig über eine im 19. Jahrhundert hergestellte Krinoline.155 Auch Eugénies ge­puderte ­Frisur erinnert lediglich an Haardesigns des 18. Jahrhunderts. Vor allem aber stellt die Pose ­eine Relation zur zeitgenössischen Modedarstellung her. Den Körper im ­Profil oder gar von hinten zu zeigen und damit einen Blick auf einen solchen Rückenausschnitt zu gewähren, war sehr viel typischer für Modedarstellungen Mitte des 19. Jahrhunderts als für die Zeit Marie-Antoinettes (Taf. 32 u. 37).156 An zeitgenössische Mode-Repräsentations­ medien erinnert auch das gewählte Bildformat. Dieses Bildnis bietet weit mehr, als nur ein Zeugnis zu sein von „Eugénies anhaltende[r] Begeisterung für Kostümbälle“, wie im jüngsten Winterhalter-Katalog formuliert.157 Kaiserin Eugénie verbindet den Stellenwert von Mode während des Second Empire mit der Welt Marie-Antoinettes, die ebenfalls einen fachkundigen und über die rein ästhetische Ebene hinausgehenden politischen Umgang mit dem Thema Mode gepflegt hatte. Das Porträt ist zwar kleinformatig und wurde nie in den großen Ausstellungen platziert. Jedoch wurde es in einem oft frequentierten Raum eines viel besuchten Palastes ausgestellt, im salon des dames in Saint-Cloud, einem eher informell genutzten Zimmer, in dem sich hauptsächlich Eugénie, ihre Hofdamen und weibliche Gäste aufhielten.158

153 Vgl. Le Monde illustré, 28.02.1863, S. 137. 154 Vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 45. 155 Vgl. Haase 2010, S. 187. 156 Worth veränderte die Mode, beispielsweise arrangierte er Hüte statt Hauben zum Kleid, um Nacken und Rücken zur Geltung zu bringen, vgl. Dogramaci 2011, S. 71. 157 Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 158; Schoch 1975 erkennt zunächst die Nähe zur Modeillustration, findet dann aber, dass die Darstellung „ins Triviale, ja Vulgäre“ umschlage, S. 148 f., hier: S. 149. 158 Vgl. McQueen 2011, S. 125.

2. Konjunkturimpuls

Winterhalters Bildnis stellt kein Modeporträt im hier definierten Sinne dar.159 Die Kleidung ist fiktiver Art und ruft auch kaum dezidiert zur Nachahmung auf. Dennoch verbreitet Eugénie mit diesem Gemälde in informellem Rahmen Lust darauf, sich mit Stoffen, Kleidung und Mode zu beschäftigen. Das Porträt ist Zeugnis ihrer Auseinandersetzung mit Möglichkeiten vestimentärer Veränderung von Körperbildern und dem Spiel mit differierenden Rollenbildern – ein Prisma, wie es ihr gesamtes Porträt­programm und auch ihre politischen Aktivitäten spiegelt. * In Winterhalters Herrscherinnenporträts von Eugénie liegt der Fokus auf Zeichen, die innerhalb einer demokratisierten Modewelt Gewicht hatten: Versiertheit in Mode- und Stilfragen zu beweisen wurde für die moderne Herrscherin eine wegweisende politische Aufgabe. Eugénie wählte für öffentliche Auftritte verschiedene Rollen und konturierte diese über ihre Kleidung: Im großformatigen Gruppenbildnis posierten die Dargestellten nach Art von Modefigurinen und animierten die Betrachterinnen, ebenfalls am Modesystem teilzuhaben. Eugénie stellte teure Stoffe, Schnitte und Accessoires zur Schau, für deren Herstellung französische Manufakturen berühmt waren – die Krinoline fungierte als das Signet des Second Empire schlechthin. Die Kleider zeigen großzügig Haut und erinnern an das bunte müßige Treiben in Ballsälen, sie animieren ihr Volk zum Modehandeln, um die französische Industrie anzufachen. In Tagespolitik illustrierenden Bildern hingegen trägt die Kaiserin schlichtere Mode, hochgeschlossen; Eugénie lässt den Luxusaspekt von Mode in den Hintergrund treten, wenn sie regierungspolitische Kopfarbeit leistet. Die hier erbrachte Analyse offenbart, wie wertvoll die Entschlüsselung von Kleidungs­ codes für die Bildaussage sein kann. Abschließend lohnt daher aus modewissenschaft­ licher Perspektive ein Blick auf Winterhalters Tugend- und Regalienporträts der K ­ aiserin. In allen sind deutliche Hinweise auf das französische Modemonopol und Eugénie als dessen Botschafterin evident: Mit variierendem Duktus in Szene gesetzte Stoffarten und Spitzenmassen im ovalen Tugendporträt weisen auf die französische Textilindustrie als Exportschlager Nummer Eins (Taf. 15). Im Porträt als Mutter mit Thronfolger kopiert die Kaiserin nicht einfach Marie-Antoinettes Kleidung, sondern kombiniert einen zeitgenössischen Paletot zur ­Robe (Taf. 16). Als Sonntagsausflüglerin – die Vorlage für jenes Einzelporträt ­bildete Eugénies Figur aus dem Gruppenbildnis mit ihren Hofdamen – trägt die Kaiserin ­einen Strohhut, der über die Trachtenmode der Landbevölkerung in das Outfit der Barrikadenfrauen der 1848er Jahre Eingang gefunden hatte und kurze Zeit später in den Mode­ journalen zu dem Accessoire schlechthin avanciert war (Taf. 17).160 Selbst als Eugénie

159 Vgl. Kap. III. 1. 160 Vgl. Belting 1997, S. 59.

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III.  Die Modeporträts

diese Strategie mit dem Porträt von 1862 aufbrach und eigentlich sozial abgrenzendes Material wie Hermelin trug, hatte dies Auswirkungen auf die Modewelt (Taf. 31). Mit ihrem Porträtprogramm appellierte Eugénie an den Betrachter, einen lebendigen Umgang mit dem Thema Mode zu pflegen. Winterhalters Stil entsprach solcher Zielvorgabe. Die gesellschaftliche Rolle der Kaiserin ist nicht allein über die Wahl bestimmter oder symbolträchtiger Kleidung zu definieren. Die Konzeption, Ausführung und Verbreitung ihrer Porträts verraten ihre modische und damit auch eine politische Kompetenz. Die Roben, die Posen, die Bildkonzepte transportieren eine übergreifende Bewertung des vorherrschenden Modesystems. Das öffentliche Demonstrieren von Mode­ sachverstand geriet zu einer von vielen neuen Legitimationsstrategien für die Institu­tion Monarchie.

3.  Simplicity? Königin Victoria und die Lücke des Modeporträts als strategisches politisches Statement Am 8. August 1863 druckte das Satiremagazin Punch eine Nachricht von Königin ­Victoria To the Ladies of England, die Charles Beaumont Phipps in ihrem Namen kundtat: The Queen has commanded me to express the pain with which Her Majesty reads the account of daily accidents arising from the wearing of the indelicate, expensive, dangerous, and hideous article called Crinoline. Her Majesty cannot refrain from making known to you her extreme displeasure that educated women should by example encourage the wearing a dress which can be pleasing only to demoralised taste.161

Diese Nachricht fügte sich nahtlos ein in die permanenten Sticheleien des Magazins bezüglich weiblicher Modeexzesse Mitte des Jahrhunderts. Victorias Briefe und Tagebucheinträge wiederholen ähnliche Mahnungen an Familienmitglieder, sich in der Öffentlichkeit nicht zu offensichtlich mit Mode zu beschäftigen. So riet sie beispielsweise ihrer Schwiegertochter in einem Brief an ihren Sohn, den Thronfolger: I hope dear Alix will not spend much on dress at Paris. There is besides, a very strong feeling against the luxuriousness, extravagance and frivolity of society; and everyone points to my simplicity. I am most anxious that every possible discouragement should be given to what, in these radical days, […] reminds me of the Aristocracy before the French Revolution […].162

Victorias Bitte offenbart, dass vom britischen Hof jede öffentliche Handlung und damit auch jede Bekleidung mit Blick auf ein kritisches Publikum geplant wurde. Ihre Gründe, auf simplicity zu setzen, basierten auf jenem Tugendgerüst, das die victorianische Gesell161 Punch, 08.08.1863, S. 59. Charles Beaumont Phipps war zu diesem Zeitpunkt einer der engsten Berater der Königin und ihres ältesten Sohnes. 162 Brief zitiert nach Magnus 1964, S. 104 f.

3.  Simplicity?

schaft seinerzeit zusammenhielt, und das mit französischer Extravaganz wenig gemein haben sollte. Doch weder bei Hofe noch auf Londons Straßen hielt man sich an ein solches C ­ redo – bei genauem Hinsehen nicht einmal die Königin selbst. Im Gegensatz zu Paris als Kreativ­mekka galt London zwar eher „als Zentrum einer technisch, industriell und kommerziell prosperierenden Textilbranche“.163 Das Treiben auf öffentlichen Plätzen jedoch ähnelte durchaus dem von Paris oder anderer großer europäischer Städte: Diese waren voll von Damen nahezu aller Gesellschaftsschichten, gehüllt in Mode, welche sämtliche brandneuen Möglichkeiten an Farben und Formen ausschöpfte. Auch die Bälle am britischen Hof standen denen anderer Monarchien in nichts nach. Im Gegenteil zog Mitte des 19. Jahrhunderts der Prachtaufwand noch an. Als der neue Ballsaal des Buckingham Palace 1856 eröffnet wurde, notierte Disraeli: “It seemed to me that I had never seen before, in England, anything which realized my idea of a splendid court.”164 Warum also propagierte Victoria in der Öffentlichkeit einen zurückhaltenden Umgang mit aktueller Mode und inwiefern spiegeln diesen Standpunkt ihre Porträts, die Winterhalter für die britische Königin anfertigte? Der Status im Fokus vestimentärer Kommunikation 1845 sollten Winterhalters Regalienporträts im Hosenbandorden von ihm kopiert und kurzfristig in Modeporträts umgewandelt werden.165 Victoria kommentierte in ihrem Tagebuch: “After luncheon we went to Winterhalter, whose friend Koblitz (who helps him in copying) was correcting the full length copies of the pictures in the Robes, which have been altered to evening dress & uniform.”166 Victoria steht in weißem Spitzenkleid vor dem Betrachter (Abb. 63). Diesen beeindruckt sie ganzfigurig vor raumhohem Vorhang, den Victoria lüftet, um einen klassischen Ausblick hinter üppigem Blumengesteck freizugeben. Die Lichtführung setzt weniger die Robe, als vielmehr den diese aufwertenden berühmten Koh-i-noor-Diamanten und ihre glänzende blaue Schärpe des Hosenbandordens in Szene. Alberts Pendantbild präsentiert ihn in reich dekorierter Uniform eines Feldmarschalls (Abb. 64). Seinen Bildraum bestimmen ein klassischer Landschaftsausblick und eine hohe Säule, von der aus eine prächtige goldene Draperie Albert hinterfängt.

163 Haase 2019, S. 33. Vgl. auch Steele 1985, S. 7: “French, English, and Americans […] differed (at least in degree)”. 164 Brief von Disraeli an Mrs Brydges Willyams, 07.07.1856, in: Andrew Roberts (Hg.): The ­Correspondance between Mr Disraeli and Mrs Brydges Willyams, London 2006, S. 57 f., zitiert nach: Kat. Art and Love 2010, S. 29. 165 Vgl. Kap. II. 2. u. 3. 166 Victoria’s Journals, Bd. 19, S. 34 (23.01.1845).

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III.  Die Modeporträts

63  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1845, Öl auf Leinwand, 221,6 × 126,4 cm, London, Royal Collection

3.  Simplicity?

64  Franz Xaver Winterhalter: Prince Albert, 1845, Öl auf Leinwand, 229,9 × 141,9 cm, London, Royal Collection

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III.  Die Modeporträts

Victorias schlichte Formulierung, “have been altered to evening dress & uniform”, enthüllt, dass es sich in ihren Augen lediglich um einen Kleiderwechsel handelt. Kaum wurde hier ein Modeporträt konzipiert mit dem Ziel über aktuelle Mode Botschaften zu senden. Die Aufmerksamkeit der Betrachterin erliegt in beiden Porträts den höfischen Bildzeichen; der Status der Dargestellten steht im Fokus. Warum Victoria sich ohne Regalien im Ballkleid und mit speziellem, leicht wiederzuerkennenden Blumenkopfschmuck darstellen ließ, erklärt die Bildnisnutzung. Winterhalter dokumentierte Victorias Toilette, die sie anlässlich eines Monarchenbesuchs von ­ iese König Louis-Philippe und seiner Familie in Windsor getragen hatte. Victoria hatte d Porträts dem französischen Hof als Erinnerung geschenkt. Winterhalter malte sogar ein Gruppenporträt, das den Gegenbesuch im Château d’Eu schildert. In diesem hängen die Kopien der Porträts in “dress & uniform” im Hintergrund.167 Die Kleidung adressiert hier einen speziellen Betrachter und vergegenwärtigt ein gemeinsames Treffen; Modell und Betrachter sollen konkret verortet werden können. Die Porträts besaßen somit eine vorwiegend diplomatische Funktion. Da der höfi­ sche Status der Dargestellten über Orden und Regalienporträtschemata die Bildbotschaften dominiert, sind die Porträts kaum als Modeporträts einzuordnen. Sie bieten weder Identifikationspotential noch ein Vergleichbarkeitsmoment, auch belebt die Mode das Bild kaum als Zeichen eines Bezugs zum öffentlichen Leben. Die Originale hingen seit 1845 im Blue Drawing Room des Buckingham Palace, zu diesem Zeitpunkt der Baalsaal.168 1846 wurden zwei Porträts als Geschenk für Sir Robert Peel in Auftrag gegeben, die stärker den Charakteristika von Modeporträts entsprechen. Victoria posiert zusammen mit ihrem ältesten Sohn (Taf. 38). Sie trägt eine raffiniert mit schwarzer Spitze überzogene Abendrobe aus lilafarbener glänzender Seide mit obligatorischem Rosenbesatz am Dekolleté. Ihr Griff an die Robe vermittelt Modeaffinität. Wie nah die Darstellung am zeitgenössischen Modestich konzipiert war, bezeugt eine Illustration, die nur wenige Jahre später in Paris publiziert wurde (Taf. 39). Doch die dominierende Rahmung eines klassischen Regalienporträts von leuchtend roter Draperie und schwerem Säulenpostament entfernt das Bildnis konzeptionell sorgfältig von Modestichen. Peel hatte als ehemaliger Premierminister eine vertraute und gute Beziehung zum Königspaar gepflegt, vor allem mit Prinz Albert eng zusammengearbeitet. Die Porträts wurden auf Peels Wunsch hin angefertigt, den er bereits wenige Tage, nachdem er ­hatte

167 Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria and Prince Albert with the Family of the King Louis-Philippe in the Château d’Eu, 1845, Royal Collection, London. Vgl. zum Bildnis Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 291 f. 168 Vgl. RCIN 2101726.

3.  Simplicity?

zurücktreten müssen, formuliert hatte.169 Der Politiker hatte Einfluss auf die Gestaltung genommen, darauf gedrängt, dass der Thronfolger und damit ein dynastisches Element aufgenommen wurde.170 Außerdem hatte er explizit erbeten, dass die Dargestellten in simpler Kleidung auftreten: “in that simple attire in which, when he [Peel, T.  H.] has had the frequent happiness of being admitted to your Private Society, he has seen your ­Majesty and the Prince.”171 Diesem Anliegen kam auch Albert im Pendantbildnis nach (Abb. 65). Er trägt Frack zur schwarzen Hose. Seine dynamische Körperhaltung soll offenbar den Eindruck er­ wecken, er habe sich gerade erhoben, als wolle er den Betrachter, in diesem Fall Peel, begrüßen. Papierstapel auf dem Schreibtisch bezeugen soeben getane Arbeit.172 Erst ­Alberts anlassgerechte zeitgenössische Kleidung ermöglicht ein solches narratives Element. Gleichwohl rahmen auch ihn eindeutig höfische Bildzeichen und der Hosenbandorden adelt ­seine Garderobe. Die Bilder waren bestimmt für Peels Drawing Room und hingen an dessen Stirn­seite. Sie komplettierten dessen “Peelite cabinet in exile”.173 Die hier hängenden Porträts populärer Persönlichkeiten aus Peels Umfeld ähnelten sich in der Schlichtheit und modernen Tageskleidung der Modelle und wiesen alle nur wenig zusätzliche Bildelemente auf. Es war Peel, der sich für zeitgenössische Kleidung in den Winterhalterschen Porträts des Königspaares eingesetzt hatte. Offenbar wusste er um die mögliche Wirkung aktueller Mode im Bildnis; keine Regalienporträts, sondern Modeporträts hatte er sich gewünscht. Porträtinhaber und Modell sollten gemeinsam verortetet werden können. Vor wichtigen Besuchern aus dem politischen Milieu konnte Peel enge Verbundenheit mit dem Hof auf gesellschaftlichem Parkett demonstrieren. Hierfür war das hinterlegte Regalien­porträt­ schema sogar hilfreich, markierte es doch eine Freundschaft mit den Ranghöchsten des Landes. Am Samstag, den 24. April 1847, hatte Peel zu einem großen ­Empfang ein­ge­ laden. Ein Kommentar zu den Porträts des Königspaares in The Times bereits am darauffolgenden Montag beweist, dass Peels Galerie so öffentlichkeitswirksam war, wie es offen­bar seinem Ziel entsprochen hatte.174

169 Vgl. zu diesem Porträtpaar ausführlich und grundlegend Funnel 2011, S. 114 ff., weshalb hier nur auf den dort nicht fokussierten Modeaspekt eingegangen wird. 170 Vgl. ibid., S. 115 f. 171 Brief von Robert Peel an Victoria, 02.07.1846, British Library, Add. MSS 40,441, f. 305, zitiert nach ­Funnel 2011, S. 115. Vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 193. 172 Vgl. Kat. Swagger Portrait 1992, S. 180. 173 Funnel 2011, S. 115. 174 Die Porträts gefielen dem Kritiker allerdings nicht besonders gut, er bezeichnete sie als “general ­effect is harsh, if not coarse”, The Times, 26.04.1847, S. 6, zitiert nach Funnell 2011, S. 116. Funnell nennt als regel­mäßige Besucher von Peel eine politische Elite, aber auch Literaten und Künstler wie Dickens, Thackeray, Turner, Landseer oder Wissenschaftler wie Michael Faraday oder Lyon Playfair.

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III.  Die Modeporträts

65  Franz Xaver Winterhalter: Prince Albert, 1846, Öl auf Leinwand, 236,2 × 146,1 cm, ­Liverpool, Lady Lever Art Gallery

3.  Simplicity?

Victoria ließ sich in diesem Bildnis zwar stärker als jemals sonst von Winterhalter als Modehandelnde darstellen, doch sorgt erneut ein dominantes höfisches Bildumfeld für unmissverständliche Charakterisierung der Dargestellten als einzigartige Machtinhaberin. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zu Modeporträts wie jenen von Kaiserin Eugénie oder Pauline von Metternich. Eine ähnliche Strategie verfolgte Victoria in Porträts ohne dazugehöriges P ­ endant, in 175 denen sie auffällige Roben nach aktuellem Schnitt präsentiert. So zum Beispiel in e­ inem ovalen Hüftstück von 1856 (Taf. 40). Sie trägt ein leuchtend rotes Kleid, dessen ­dicker, matt-glänzender Samt sich in Falten über ihre Büste legt und über eine Schneppen­taille in eine Krinoline übergeht. Eine weiße Spitzenberthe blitzt am Dekolleté hervor, und schwarze Spitzenvolants durchbrechen rhythmisch das Rot der Robe. Farbe, Stofflichkeit und Schnitt stimulieren hochmodisches Prestige. Doch der Mode­appel wird abrupt durchbrochen von der Victorias Aufmachung kreuzenden Schärpe des Hosenband­ ordens, zusätzlich von prachtvollen einzigartigen Schmuckstücken wie dem Regal ­Circlet, einer diamantenen Kette aus dem Besitz Queen Charlottes und erneut dem populären, in eine Brosche gefassten Koh-i-noor-Diamanten.176 Diese politischen Zeichen verhindern, dass das Porträt eine Wirkung entfalten könnte, die einem Modeporträt zu dieser Zeit entspräche, nämlich zur Identifikation und Nachahmung zu animieren. Der Verzicht auf Modeporträts als politisches Statement In allen potentiellen Modeporträts überblendet, ja maskiert Victoria ihren Modekörper mit dem Ordensband und entzieht dem Bild so die Modewirkung; auch der wieder­holte Rückgriff auf Regalienporträtschemata erschwert Vergleichbarkeit – wesentliche Voraussetzungen für ein Modeporträt im 19. Jahrhundert.177 In diesen Bildnissen dominiert nicht Gegenwartsbezogenheit, nicht der Zauber des Wandels oder neuester Kreation, sondern Victorias einzigartige Position als Herrscherin. Aktuelle Mode wird lediglich als Erkennungszeichen zwischenmenschlicher Interaktionsprozesse im höfischen Umfeld eingesetzt. Kaum hätte sich der durchschnittliche Besucher öffentlicher Ausstellungen oder Käufer von Reproduktionen zur Nachahmung aufgerufen gefühlt, an demselben Modesystem teilzunehmen. 175 Beispielweise existiert ein Aquarell von Victoria, in dem Winterhalter sie 1855 (Royal Collection, ­London) in grüner Krinolinenrobe zeigt, wie sie aktueller kaum sein könnte. Die Farbe Grün war in diesem Jahr der neueste Schrei, eine frisch erfundene Anilinfarbe, die Modefigurinen seitenlang vorstellten, und die vor allem Schlagzeilen machte wegen ihrer Gesundheitsschädlichkeit, was die Damen­ welt jedoch nicht davon abhielt, die Farbe wider besseres Wissen zu tragen. Vgl. zur Farbe Grün ­Matthews David 2015, S. 86 f. 176 Das Regal Circlet wurde angefertigt nach einem Vorbild aus dem Besitz von Königin Adelaide und enthält Diamanten aus dem Besitz Königin Charlottes, vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 310. 177 Hier lässt sich auch Winterhalters The First of May einreihen, in dem Victorias prachtvolle Robe von Orden und Kind verdeckt und von anderen Botschaften übertüncht wird (Taf. 26).

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III.  Die Modeporträts

66  Queen Victoria: Studies of Eugénie de ­Montijo, Empress of the French, 1855, ­Bleistift, Aquarell u. Tinte auf Papier, 17,6 × 11,2 cm, London, Royal Collection

Diese Leerstelle von Modeporträts innerhalb der Winterhalterschen Victoria-Gemälde entpuppt sich allerdings als strategische Handlung, die nicht Victorias Neigung entsprach. Im Gegenteil hatte sie durchaus Interesse an Mode. Victorias Körperbau entsprach zwar nicht dem geltenden Schönheitsideal, noch war sie für besonders sicheres Stilempfinden bekannt.178 Doch sie informierte sich vor öffentlichen Auftritten sorgfältig darüber, welche Kleidung ihre Töchter zu tragen gedachten.179 In ihren Tagebüchern beschreibt sie das Äußere der sie besuchenden Damenwelt ausführlich.180 Außerdem fertigte sie selbst zahlreiche Zeichnungen von Besucherinnen an, von neuesten Kreationen und Modeposen, darunter mehrfach auch von Eugénie (Abb. 66).181 In diesen differenzierte Victoria kundig zwischen Tages- und Abendgarderobe und identifizierte m ­ odische

178 Nach öffentlichen Auftritten beispielsweise 1855 in Paris wurde an ihrer Aufmachung Kritik geübt, vgl. Adrienne Munich: Queen Victoria’s Secrets, New York 1996, S. 67 f. Albert organisierte ihre Toilette, womit Victoria einverstanden war: “I have no taste, I depend entirely on him”, zitiert nach Munich 1996, S. 68. 179 Vgl. ibid., S. 65 f. 180 Vgl. auch Victoria’s Journals, Bd. 39, S. 222 (18.04.1855) u. Bd. 39, S. 209 f. (16.04.1855). 181 Vgl. ebenfalls RCIN 980056.r, RCIN 980056.q, o. RCIN 980608.

3.  Simplicity?

Muster und Accessoires. Durchaus eröffneten sich auch Victoria Dynamik und gesellschaftliche Relevanz von Mode. Warum also verstand die Königin Modeinteresse als Freizeitbeschäftigung und negierte es in der Öffentlichkeit? Victorias Verzicht auf Extravaganz und ihr Einsatz für einen vernünftigen Umgang mit Luxus und Mode wird auch moralische Gründe gehabt haben, wie sie es in ihren Mahnungen oft selbst formuliert hatte.182 Und wie es auch die Forschung wiederholt betont.183 Doch dies allein griffe zu kurz. Immerhin zeugt auch das Geschmeide in ihren Regalienporträts von Pomp und Reichtum. Obgleich diese Pracht traditionell-dynastisch gründet und keinesfalls Ergebnis ökonomischen Konsums ist: Verzicht und Simplizität senden Winterhalters Porträts kaum. Vielmehr wird, wie bei Eugénie, auch bei Victoria die identitätsbildende Kraft von genderausgelegter Modeaffinität eine Rolle gespielt haben. Victoria war nicht „nur“ ­Gattin, sondern regierende Herrscherin. Vor dem Hintergrund, dass eine allzu offensichtliche Beschäftigung mit Mode Mitte des 19. Jahrhunderts auch als Zeichen von regierungspolitischer Abkehr gewertet worden wäre, ist die Lücke des Modeporträts im Werk Victorias nicht nur als eine moralische, sondern auch als eine politisch strategische zu lesen. Victoria unterlag als regierende Herrscherin eben nicht den gleichen Regeln wie Eugénie. Indem sie ihren Modekörper stets von ihrem politischen regalienbehafteten Körper überblenden ließ, pointierte Victoria ihre selbstständige, von ihrem Ehemann unabhängige machtpolitische Stellung. Vestimentäre Tugendtrends: Hochzeitskleid und Matrosenanzug Gleichwohl Victoria in Winterhalters Porträts Abstand nahm von einer Zurschaustellung modischer Aktualität, setzte sie auf vestimentärer Ebene trotzdem Trends. Sieben Jahre nach ihrer Hochzeit, 1847, ließ Victoria von Winterhalter ein Porträt von sich im Hochzeitskleid anfertigen (Abb. 67). Im Profil schaut Victoria selbstvergessen aus dem Bild. Hier trägt sie wenig Schmuck, die Brosche war ein Hochzeitsgeschenk Alberts.

182 Bereits über Maria Theresia wurde positiv geäußert: „Die Kaiserin wendet nicht die Sorgfalt anderer Frauen auf ihren Putz; ihre Kammerfrauen entscheiden über ihren Anzug.“ Leopold Ranke: M ­ aria ­Theresia, ihr Staat und ihr Hof im Jahre 1755. Aus den Papieren des Großkanzlers von Fürst, in: Histo­ risch-­politische Zeitschrift, Bd. 2, hg. v. id., Berlin 1833–1836, S. 667–740, zitiert nach Hertel 2020, S. 278. Zeitgenössische Mode kehrte Mitte des 19. Jahrhunderts moralische Tugendgrundlagen und klassenbedingte Vorstellungen um. In Frankreich wurde von einkommenstarken Schichten bewusst vestimentäre Nähe zur demi-monde gesucht. 183 Vgl. zum Tugendkatalog und damit verbundener “domestification” von Victoria und Albert Kap. I. 4. u. 5. Vgl. dagegen Plunkett 2003, S. 79 ff., hier: S. 88: “publications like the Books of Beauty created a ­style of monarchy that downplayed Victoria’s sovereign position.” Zu Beginn ihrer Herrschaft in den 1830 Jahren waren die Books of Beauty ein mediales Phänomen. Für den weiblichen Sammel- und Kunstmarkt entworfen, zeigten die Blätter die Königin als Inbegriff idealer Weiblichkeit: attraktiv, schön, jung, modebewusst.

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III.  Die Modeporträts

67  Franz Xaver Winterhalter: Queen ­Victoria im Hochzeitskleid, 1847, Öl auf Leinwand, 53,4 × 43,2 cm, London, Royal Collection

Interessanter­weise bevorzugte sie das schmale collar of the garter, das sich wesentlich unauffälliger in ihre Garderobe einfügt als jene blaue Schärpe mit großem Orden. Dieses Vorgehen ist ein weiteres Indiz dafür, wie bewusst Victoria ihren Modekörper in den oben analysierten Porträts politisierte. Zum weißen Hochzeitskleid aus einheimischer Honitonspitze und Seide aus Spitalfields liegt ein Orangenblütenkranz auf dem Haupt der Königin, zusätzlich ist ein Schleier in ihre Frisur eingezogen.184 Laut Edwina Ehrmann, Kuratorin des Victoria & Albert Museums, war Victorias Aufmachung ein “defining moment in the history of the white wedding dress in Britain”.185 Traditionell üblich wäre gewesen, als Königin Staatsrobe zu wählen, sprich einen roten Samtmantel mit Hermelinbesatz über dem Kleid. Ihre Aufmachung war demnach ein politisches Statement: “the twenty-year-old Queen decided to make her marriage vows […] as his future wife rather than as the monarch.”186

184 Eines der ersten Geschenke von Albert an Victoria nach ihrer Verlobung war eine aus Porzellan, Gold und Emaille bestehende orange blossom parure, vgl. Kat. Art and Love 2010, S. 335. Dies wird Vicorias Wahl des Kopfschmucks beeinflusst haben. Den Schleier trägt sie noch auf Heinrich von Angelis Bild als Verbindung zum verstorbenen Albert (Abb. 41). 185 The Wedding Dress. 300 Years of Bridal Fashions, hg. v. Edwina Ehrmann, Ausstellungskatalog, Victoria & Albert Museum, London 2011 (Kat. Wedding Dress 2011), S. 56. 186 Kat. Wedding Dress 2011, S. 56.

3.  Simplicity?

Victorias Aufzug als Braut legte einen Grundstein für bis heute geltende Traditionen.187 Ein weißes Kleid während der Trauung zu tragen, war vorher nur sporadisch üblich gewesen; noch Mitte des 19. Jahrhunderts war Weiß eine der Trendfarben schlechthin und keineswegs als Hochzeitskleidfarbe festgelegt. Weiße Kleidung war seinerzeit noch immer Zeichen eines exklusiven Lebensstils, auch, da die Reinigung arbeitsintensiv und kostspielig war.188 Wohlwollend kommentiert wurde von Presse und Öffentlichkeit Victorias Wahl einheimischer Stoffe.189 Die Stoffindustrie avancierte auch hier zum nationalen Identitätsstifter. Das öffentliche Interesse an Queen Victorias Hochzeitskleid war enorm. In Modezeitschriften war nachzulesen, wie es genau aussah, sogar, wieviel allein die Spitze ge­ kostet haben soll. Das Kleid wurde oft nachgeschneidert.190 Ebenso entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten in britischen Kreisen der Kranz aus Orangenblüten zum traditionellen Brautschmuck.191 Obschon das Bildnis erst sieben Jahre nach der Hochzeit von Victoria und Albert angefertigt wurde, und damit das Ereignis nicht mehr aktuell war, zirkulierten von dem Porträt bereits kurze Zeit später in allen gesellschaftlichen Kreisen Londons cartes de visite. Noch 1851 wurde eine Miniatur des Winterhalterschen ­Porträts auf der Weltausstellung präsentiert.192 Victoria hatte einen vestimentären Tugend­trend gesetzt. Ähnlich populär wurde kurze Zeit später ein Bildnis des Thronfolgers im Matrosen­ anzug von 1848, ein Weihnachtsgeschenk von Albert an Victoria (Abb.  68). Deren ältester Sohn steht in kindlich ungezwungener Haltung, die Hände in den Hosentaschen des extra für ihn angefertigten Kleidungsstückes und blickt den Betrachter vorurteilsfrei an.193 Winter­halter gelingt es erneut, unbefangene Kindlichkeit malerisch einzu­ fangen.194 Das Porträt wurde im Empfangszimmer in Osbourne House aufgehängt, dessen ­nahe ge­legene Küste wahrscheinlich den Hintergrund bestimmt.195 ­Etliche Male

187 Weiß gehörte zum christlichen Farbenkanon des Mittelalters, stand für göttliches Licht und die Summe aller Farben, aus der Marienverehrung heraus für Reinheit und Unschuld, sie war an wichtigen Fest­ tagen dem Papst als liturgische Farbe vorbehalten. Vgl. Bloh 2010, S. 23. 188 Nicolas Leblanc entwickelte um 1790 erstmals eine Art Chlorbleiche, die es ermöglichte, einfacher und schneller weiße Stoffe zu fertigen, was den Erwerb günstiger machte. Vgl. Haase 2001. S. 116. 189 Kat. Jewellery 2010, S. 26 f. 190 Vgl. In Royal Fashion. The Clothes of Princess Charlotte of Wales and Queen Victoria 1796–1901, hg. v. Kay Staniland, Ausstellungskatalog, Museum of London, London 1997 (Kat. Royal Fashion 1997), S. 121. 191 Kat. Wedding Dress 2011, S. 58. 192 Vgl. Kat. Art and Love 2010, Appendix I, S. 451. 193 Der Anzug befindet sich in der Sammlung des National Maritime Museum, Greenwich, London (Objekt ID: UNI0293). 194 Vgl. Wilkens 2011, S. 123; vgl. Urbach 2011, S. 83. Vgl. auch Kap. I. 4. 195 Vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 192.

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III.  Die Modeporträts

68  Franz Xaver Winterhalter: Albert Edward, Prince of Wales, 1846, Öl auf Leinwand, 127,1 × 88 cm, London, Royal Collection

­ urde das B w ­ ildnis ­kopiert, gestochen und als Foto reproduziert; der Patenonkel, ­Friedrich ­Wilhelm IV., K ­ önig von Preußen, erhielt beispielsweise 1847 eine Kopie in Öl und m ­ achte das ­Porträt in Berlin publik.196 Der Matrosenanzug für Kinder erlangte Mitte des 19. Jahrhundert neue und h ­ öhere Popularität denn je.197 Als britische Kindermode erreichte er in den 1860er Jahren das euro­päische Festland.198 Aus königlicher, maritimes Militär betonender „Uniform der 196 Vgl. Kat. The Victorian Pictures 1992, Text, S. 307 f. Vgl. Aquarell von Carl Graeb, das das Bildnis im Vortragszimmer des Königs im Schloss Charlottenburg hängend wiedergibt, abgedruckt in: Helmut Börsch-Supan: Wohnungen preußischer Könige im 19. Jahrhundert, in: Werner (Hg.) 1985, S. 99–120, S. 112. Vgl. RCIN 2923264, ein Albumindruck des Porträts kursierte seit ca. 1865. Samuel Cousins stach das Bild 1848, vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 192. 197 Bereits während der Französischen Revolution war der Matrosenanzug für Kinder kurze Zeit Mode gewesen. 198 Die drei weißen Streifen standen für die drei großen Seeschlachten des Admirals Nelson, vgl. Ingeborg Weber-Kellermann: Der Kinder neue Kleider. Zweihundert Jahre deutsche Kindermoden in ihrer sozialen Zeichensetzung, Frankfurt am Main 1985, S. 106.

3.  Simplicity?

Kindheit“ wurde ein schichtenübergreifender Modetrend, der bis in die 1950er Jahre anhalten ­sollte und seine ursprünglich politische Konnotation zunehmend verlor.199 Die Zahl der Reproduktionen von Winterhalters unkonventionellem Thronfolgerporträt, das auf Herrschaftszeichen verzichtete und Kindlichkeit betonte, bezeigen, dass es den Modeboom dieses unwandelbaren Kleidungsstückes angetrieben hat. Populär werdende vestimentäre Strategien verfolgte Victoria nicht mit wandelbarer Mode, sondern mit traditioneller oder Traditionen ausbildender Kleidung, neben ihrem Hochzeitskleid oder dem Matrosenanzug durch öffentlichkeitswirksame Ausstaffierung der königlichen Familie mit dem schottischen Highland dress. Schließlich trug Victoria seit Alberts Tod nur noch Witwentracht, die jene von Victoria selbst propagierte Tugendhaftigkeit und Simplizität auf die Spitze trieb. * Stärker noch als es bei Eugénie der Fall war, stellen auch Victorias Modeporträts hybride Bildnisformen dar. Zwischen Regalien- und Modeporträt changierend sind sie kaum als Modeporträts in dem hier definierten Sinne zu bezeichnen. Sie übernehmen stringent klassische Regalienporträtschemata, in denen Victoria ihren einzigartigen Status mit Insignien und außergewöhnlichen Schmuckstücken fokussierte. Eine soziale Verbindung zwischen Dargestellter und Betrachterin über den Modeaspekt wird nur teilweise hergestellt, und wenn, dann zur individuell adressierten Betrachterin. Zeugnis vom modernen öffentlichen Leben legen die Porträts so gut wie nicht ab. Dass die Königin auch in solchen Porträts von Winterhalter, auf denen sie aktuelle Mode trägt, stets deutlich ihre politische Position hervorhob, ist umso erstaunlicher, als Victoria und Albert seit den späten 1850er Jahren die Fotografie als Repräsenta­tions­ medium ausgiebig nutzten und in diesen besonders ihr Umgang mit Mode auffällt. Die Fotos präsentieren sie grundsätzlich in aktueller, schichtenübergreifend getragener Kleidung. Hier nutzte das Paar genau jene soziale Brücke von Vergleichbarkeit zwischen Modellen und Betrachtern, die zeitgenössische Mode bot, auch um Authentizität zu generieren. Die Königin steht auf diesen Aufnahmen vor Gipsarchitektur stets in schlichter Tages­kleidung neben ihrem Ehemann, wie es für Paare in Fotoateliers seiner­zeit üblich war (Abb. 69). Victoria and Albert vermarkteten ihr Image als Gleiche ­unter ­Gleichen ebenso professionell, wie sie Winterhalters großformatige Ölporträts aus­stellten. Beispielsweise ließen sie ein Sammelalbum mit 14 Fotos der königlichen ­Familie von John Mayall herstellen, zu dem die gezeigte Fotokarte gehört, das 1860 publiziert und ­sofort

199 Weber-Kellermann 1985, S. 116. Klassenunterschiede waren lediglich an der Qualität der Stoffe auszumachen, vgl. ibid., S. 109. Der Matrosenanzug wurde auch wegen des Aufbaus einer deutschen Flotte populär, Weber-Kellermann 1985, S. 105–119, bes. S. 109–110.

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III.  Die Modeporträts

69  John Jabez Edwin Mayall: Queen Victoria and Prince Albert C ­ onsort, 1860–61, carte de visite, 9,7 × 6,3 cm, ­London, Royal Collection

über 100.000 Mal verkauft wurde.200 Der britische Hof versuchte nie, die Magie des Königs­körpers über das Medium Fotografie zu verbreiten.201 Die cartes de visite sorgten also für eine Entmystifizierung, wie sie Victoria in ­ihren hybriden Modeporträts nicht zulassen wollte. Der Umgang mit Mode auf einem groß­ formatigen farbigen Ölgemälde vermochte weibliche Modeaffinität wohl stärker in den Vordergrund zu rücken, als eine kleinformatige schwarz-weiße Fotokarte. Mit e­iner ostenta­tiven Lücke von Modeporträts in ihrem Bildnisprogramm schützte V ­ ictoria ­ihren politischen Körper. Dies ist umso interessanter, als dass die russische Zarin M ­ aria ­Alexandrovna eine gegenläufige Strategie mit Winterhalters Porträt verfolgte, wie im folgen­den Kapitel erläutert werden wird. 200 Vgl. Helmut Gernsheim: The Rise of Photography 1850–1880, The Age of Collodion, London 1988, S. 193. 201 Vgl. Gernot Böhme: Theorie des Bildes, München 1999, S. 85 f. Vgl. auch Plunkett 2003, S. 170: “­Victoria was willing to demythologize herself before the camera.”

4. Porträtkonfektion

4. Porträtkonfektion: Zarin Maria Alexandrovna von Russland    und die weibliche High Society im Atelier des peintre à la mode Im Jahre 1868 veröffentlichte André Gill in Le Salon pour Rire eine Illustration, die einen bestimmten Modeporträttypus Winterhalters verunglimpfte (Taf. 41): In einem proportional viel zu breiten, vergoldeten und reich verzierten Trophäenrahmen ist das Kniestück einer modisch in weißen Tüll gekleideten Dame auf ein lächerlich schmales ovales Format zusammengeschrumpft, als sei für die Darstellung ihrer Persönlichkeit nur noch wenig Platz übrig. Ihr Dekolleté, übertrieben weit, entblößt ihre Büste, pinkfarbene Blumen setzen einen Farbakzent, und ihre Hand bietet dem Betrachter die Ausstellungsnummer des Bildes im Salon dar.202 Der Kommentar zur Karikatur lautet: « Un bien beau cadre, par le doreur Winterhalter. » Die Zeichnung fasst jene Kritik zusammen, wie sie den deutschen Künstler jahrzehntelang kontinuierlich traf: einen zu großen Stellenwert auf dekorative Repräsentativität zu legen und darüber zu wenig Inhalt und Charakter zu bieten. Für den Illustrator manifestiert sich dies offenbar besonders deutlich in Winterhalters Modekniestücken, in denen stets eine opulente Robe den Großteil der Bildwirkung verantwortet. Der Künstler wird zum Vergolder abgewertet. Winterhalter war seit Ende der 1830er als Damen- und Modemaler bekannt. ­L’­Artiste lästerte 1839: « le peintre des femmes, le Titien des robes de soie, le Raphaël des châles de chachemire, le van Dyck de la gâze et du velours. »203 Wieviel Wartezeit die Damen auf sich nahmen, um ein Porträt von seiner Hand zu ergattern, verriet Alexandre Dumas anlässlich des salon de 1859: Les dames font queue pendant des mois à la porte des ateliers de MM. Winterhalter et Dubuffe; elles s’inscrivent, elles ont leurs numéros d’ordre, l’une à un an, l’autre à dix-huit mois, l’autre à deux ans. Les princesses ont des tours de faveur.204

Seite Mitte der 1850er Jahre wurde das Atelier des peintre à la mode zunehmend stärker belagert. Ein stetig besser ausgebautes Straßen- und Eisenbahnnetz erhöhte die all­ gemeine Mobilität innerhalb Europas, und das Ende des Krimkrieges ließ den Porträttourismus mit neuer Klientel aus Osteuropa zusätzlich ansteigen. HerrscherInnen und AristokratInnen reisten nach Paris oder in beliebte Kurorte, in denen auch Winterhalter und sein Bruder Station machten. Diese Kundinnen bestellten vorrangig jene standardisierten Porträts, die im Folgenden als Modekniestück terminiert werden. Ein solches 202 Im Katalog aufgeführt ist das Portrait de Mlle F… Vgl. auch Panter, der die Karikatur zwar erwähnt, aber lediglich die allgemeine Bedeutung des Rahmens in Bezug zur seinerzeit üblichen Porträt- und Rahmungspraxis setzt, id. 1996, S. 152. 203 L’Artiste, Bd. 1839, S. 256 f. 204 Alexandre Dumas: L’art et les artistes contemporains au Salon de 1859, Paris 1859, S. 98.

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III.  Die Modeporträts

wählte 1857 auch die russische Zarin Maria Alexandrovna (1824–1880), Winterhalter sollte sie ohne jegliche Herrschaftsattribute konterfeien. Inwiefern diese Porträtform identitätsstiftende Funktion hatte – auch im Sinne e­ ines Konzeptes von Mode als gesellschaftliche Maske (Georg Simmel) – soll im Folgenden ebenso untersucht werden wie deren daraus resultierende politisch-diplomatische Relevanz. Porträt in Perlmutt: Zarin Maria Alexandrovna von Russland Während eines Aufenthaltes des russischen Zarenpaares Alexander II. und Maria Alexan­ drovna im Kurort Bad Brückenau fertigte Winterhalter 1857 Porträts von beiden an. Die Bildnisse sorgten für große Begeisterung, sowohl beim Herrscherpaar als auch in der Öffentlichkeit, und wurden äußerst populär. Das Gemälde des Zaren ist verschollen; von dem Porträt der Zarin hingegen existieren noch mindestens vier Versionen in Öl. Lebensgroß füllt die Herrscherin, komponiert als Dreiecksfigur, das 130 × 95 cm messende Kniestück (Taf. 42). Aus wachen Augen blickt sie die Betrachterin direkt an. Mit feinem Duktus ist ihre Physiognomie detailliert ausgearbeitet, bis zu ihrem Schönheitsmal über der Lippe und dem Muskelspiel an ihrem Hals. Die Zarin steht aufrecht, ­ihre Handgelenke sind in einer Mode präsentierenden Standardpose elegant übereinander­ gelegt. Blickfang sind mehrere die Zarin großzügig schmückende Perlenketten. Ihr dunkel­ braunes Haar ist zu einem Kunstwerk geformt: In vom Mittelscheitel aus eingedrehte Lockenbahnen ist eine doppelreihige Perlenschnur eingeflochten; sie fällt in Schlaufen über die Büste und rahmt eine mit tropfenförmigen Perlen veredelte Brosche am Dekolleté. Weitere Perlen schlingen sich um ihr Handgelenk, deren Enden in einer Quaste auslaufen, welche wiederum mehrere Miniaturperlenstränge formieren. In den Händen schließlich hält die Herrscherin einen mit Perlen besetzten Fächer. Das Porträt besticht durch die konsequent monochromatische Farbpalette in ­Cremeund Graunuancen – Perlmuttfarben, die die Perlendominanz im Gemälde unter­streichen. Der Farbverlauf des indefiniten Hintergrunds produziert eine Tiefenwirkung, die eine augen­fällige Plastizität von Figur und Kleid hervorruft. Maria Alexandrovna war treue Kundin von Charles Frederick Worth.205 Ihr Kleid, das sie in diesem Porträt trägt, zeigt seinerzeit hochmodische Pagodenärmel. Kaskaden von Rüschen bedecken Schultern, Oberarme und einen Großteil des Dekolletés, womit sie weniger Haut zeigt als am französischen Hof seinerzeit üblich. Die Front des Oberteils zieren übereinandergesetzte Schleifen, deren letzte sich in zwei langen über den Krinolinenrock gleitenden Seidenbändern öffnet. Ein Kontrast besteht in der handwerklichen Bearbeitung von Modell und Accessoires. Kopf und Hände sind mit feinstem Pinsel präzise erfasst. Das Kleid und

205 Vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 52. Ob das Kleid im Porträt von Worth stammt, ist nicht nachzuweisen.

4. Porträtkonfektion

e­ inige Perlenketten hingegen wurden mit schnellem gröberem Duktus entworfen, was den Rüschen und Faltenwürfen des Kleides, aus gegebener Entfernung betrachtet, ein irisierendes Flirren verleiht, wie es für Perlen charakteristisch ist. Weder der derart offensichtlichen Präsenz des Perlenthemas im Bildnis, noch dem Grund dafür ist die Forschung bisher nachgegangen.206 Perlen sind über europäische Grenzen hinaus behaftet mit symbolträchtigen Eigenschaften wie Reinheit, Eleganz oder Reichtum.207 Zwar sind sie in ganz Europa seit spätestens um 1500 beliebte Schmuck­ teile, als die kontinuierliche Erforschung Amerikas und neue Handelsrouten Perlen in neuem Ausmaß verfügbar machten; doch in Russland kommt ihnen, verglichen mit anderen europäischen Ländern, eine besondere, eine nationale Identität bildende Bedeutung zu.208 Jahrhundertelang sorgten dort über 150 perlenführende Gewässer für Perlen­ reichtum.209 Nicht nur Geistliche und Angehörige des Hofes trugen traditionell Gewänder mit opulenten Perlenstickereien, sondern ein florierender Perlenhandel ermöglichte in vielen Provinzen, dass auch Trachten und Sonntagskleidung einfacherer Leute aufwendig geschmückt waren.210 Um die Perle als “national ornament” rankten sich in Russland zahllose Mythen; perfekt gerundete Perlen galten als besonders wertvoll und als Glücksbringer.211 Baronin Eveline von Massenbach, Hofdame der Königin Olga von Württemberg, verrät in ihrem Tagebuch zur Werkgenese: „Gestern ist mein Freund Winterhalter angekommen, um ein Porträt Ihrer Majestät zu fertigen.“212 Vier Tage später berichtet sie vom Ergebnis: Winterhalter hat ein bezauberndes Porträt gemalt – die Kaiserin ist in voller Schönheit wiedergegeben; ich hatte das Privileg, Perlen für ihre Frisur zu liefern. Die echten Perlen waren zu schwer, weshalb man künstliche suchte und ich hatte römische. Als Belohnung erhielt ich die erste Lithographie.213

In Winterhalters Porträt der russischen Zarin ist das Perlen-Thema modisch und farbkompositorisch pointiert. Jene Betonung ist in seinem Werk einzigartig. Und auch ein

206 Vgl. Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 174; vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 214. 207 Vgl. Pearls. A Natural History, hg. v. Neil Landman et al., Ausstellungskatalog, The American Museum of Natural History, New York 2001 (Kat. Pearls 2001), S. 10. 208 Vgl. ibid., S. 75 u. S. 85 f.; vgl. George Frederick Kunz u. Charles Hugh Stevenson: The Book of the Pearl. The History, Art, Science and Industry of the Queen of the Gems, New York, Dover Edition [1908] 1993, S.  181 f. 209 Vgl. ibid. 210 Ibid., S. 182. 211 Ibid., S. 184. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Gewässer derart ausgebeutet, dass heute nur noch wenige Vorkommen in Russland bestehen. 212 24.07.1857. Das Tagebuch der Baronin Eveline von Massenbach, Hofdame der Königin Olga von Württem­ berg, hg. v. Robert Uhland, Stuttgart 1987, S. 109 (Massenbach 1987). 213 28.07.1857. Massenbach 1987, S. 109.

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III.  Die Modeporträts

70  Christina Robertson: Zukünftige ­Zarin Maria Alexandrovna, 1849, Öl auf Leinwand, 248 × 157 cm, St. Petersburg, Hermitage

Vergleich mit frühen oder späteren Bildnissen der Dargestellten offenbart, dass die gebürtige Prinzessin Marie von Hessen und bei Rhein zwar schon als Mädchen die un­ ortho­doxe in Lockenbahnen geordnete Frisur trug – jedoch weder in jungen Jahren, noch als Zarin derart auffällig und viele Perlen präsentiert.214 Vor dem oben geschilderten historischen Hintergrund und mit Blick auf ihre hessischen Wurzeln bot das augen214 Vergleichsbeispiele: 1849 posierte die Zarin für die amerikanische Künstlerin Christina Robertson mit gleicher Frisur und cremefarbenem Kleid; um den Hals und ihr Handgelenk sind mehrere Perlenschnüre geschlungen, jedoch rücken eher das detailliert ausgearbeitete Umfeld mit Waldkulisse, Säule, Vorhang und Hund in das Zentrum des Betrachterblicks (Abb. 70). Ein Lubok zeigt das Herrscherpaar mit allen Regalien, Maria Alexandrovna trägt zu diesen zwar Perlenketten und Perlenohrringe, doch auch diese sind kaum als Blickfang inszeniert (1857, Hermitage, St. Petersburg). Alois Gustav Rockstuhl fertigte eine Miniatur nach Winterhalter an; Maria Alexandrovna trägt in diesem Bruststück zusätzlich die Krone und andere Kleidung mit Ordensschärpe, wodurch die Farbkomposition, welche die Perlen in den Mittelpunkt der Winterhalterschen Inszenierung stellt, verloren geht (nach 1857, Hermitage, St. Petersburg).

4. Porträtkonfektion

fällige Perlen-Dekor Maria Alexandrovna eine Möglichkeit, ihre Zugehörigkeit zum russischen Hof individuell zu veranschaulichen. Das Zarenpaar zeichnete Winterhalter für seine Porträts mit dem St.-Annen-Orden Dritter Klasse aus.215 Besonders das Bildnis der Herrscherin wurde sehr populär und kursierte als Fotokarte und als Lithografie an europäischen Höfen.216 1856/57 malte Winterhalter zusammen mit seinem Bruder mehrere nahezu identische Fassungen für verschiedene deutsche Höfe und den griechischen Hof. Trotz der individuellen Ausstaffierung der Zarin reiht sich das Porträt nahtlos ein in jenes Schema von Modekniestücken, wie es in den 1850er und 1860er Jahren standard­ mäßig bei Winterhalter bestellt wurde. Ihr besonderer Satus wurde nicht herausgestellt. In Winterhalterschen Modeporträts von anderen Herrscherinnen sind hingegen stets Hinweise auf den Rang des Modells zu finden: wie im Gruppenporträt von Eugénie, in dem sie ihren Hofstaat vorstellt (Taf. 36); Orden und Insignien schmücken im ovalen Modeporträt Queen Victoria (Taf. 40); Elisabeth von Österreich, es wird im nachfolgenden Kapitel dargelegt, rekurriert auf traditionelles Regalienporträtschema (Taf. 43). Um die Strategie Maria Alexandrovnas offenzulegen, soll im Folgenden zunächst das Bildphänomen des Modekniestücks näher betrachtet werden. „Marzipan und Reispuder“: Porträtkonfektion aus dem Atelier Winterhalters Paris war seinerzeit die Modemetropole und damit auch das Zentrum der Moderne schlechthin. Mitte der 1850er Jahre erreichte der Porträttourismus in Winterhalters Atelier eine neue Stufe. Es schien, als gehörte für eine Dame von bestimmtem Stand die Parisreise zum guten Ton, um sich von Charles Frederick Worth einkleiden und von Winterhalter malen zu lassen. Der Bildtypus der Modekniestücks war sehr begehrt.217 „Winterhalter nun malte die Herrschaften, wenn sie absolut wollten, in drei Sitzungen fertig.“, hieß es in eingeweihten Kreisen.218 Die Gunst einer Sitzung erhielt bevorzugt die Aristokratie. Modekniestücke fertigte Winterhalter hauptsächlich für Aristokratinnen an, aber auch Bürgerliche und Herrscherinnen, Europäerinnen wie Amerikanerinnen tätigten solche Bestellungen. Zu Winterhalters Kundinnen gehörte beispielsweise ­Alexandra, Prinzessin von Wales, Ehefrau des britischen Thronfolgers (Abb.  71). Ihr Bildnis ruft 215 Vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 214. 216 Ein Stich ist in der Royal Collection, London, archiviert, vgl. RCIN 614627, eine Fotokarte in der NPG, London, vgl. NPG x134669. 217 Vgl. Ribeiro 1987, S. 69. Vgl. Panter 1996, der in Winterhalters Werk unter der Überschrift „à la mode“ ebenfalls Damenporträts „nach ähnlichem Muster“, „nur wenig variierend“, ausmacht, allerdings ohne dieses Genre genauer zu definieren, sondern sich auf eine Erläuterung von Alexandre Dumas beziehend, die eher die Modelle charakterisiert als die Gattung zu spezifizieren, id., S. 152 f. 218 So berichtet Winterhalters Biograf Friedrich Pecht, der den Künstler in seinem Atelier mehrmals besucht hatte, Pecht 1873, S. 511.

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III.  Die Modeporträts

71  Franz Xaver Winterhalter: ­Alexandra, Princess of Wales, 1964, Öl auf Leinwand, 162,6 × 114,1 cm, London, Royal Collection

das gleiche Figur-Grund-Schema auf wie im Fall der Zarin. Das weit dekolletierte Kleid aus weißer Spitze ist mit blauen Schleifen garniert, und sie trägt üppig Schmuck. Am Arm aller­dings kennzeichnet ihren Status der Familienorden Royal Order of Victoria and ­Albert Zweiter Klasse.219 Winterhalter erlaubte sich zwei Variationen dieses Schemas, zum einen im Hintergrund durch die Wahl einer Naturkulisse, wie sie seinerzeit auch in Fotostudios viel Anklang fand;220 zum anderen in der Pose, stehend en face oder mehr im Profil, seltener an einen Sessel gelehnt.221 Letztere Variante führte Winterhalter 1858 219 Ein ähnliches Bildformat wählten z. B. Herzogin Lise Przeździecka (1857, Palais de Compiègne), Kronprinzessin Victoria (1857, Royal Cellection, London), Baroness Lydia Staël von Holstein (1857/58, Virginia Museum of Fine Arts, Richmond). 220 Hier sind u. a. einzuordnen: das Porträt der Fürstin Elisabeth Trubezkoi (1859, Privatbesitz), Herzogin Sophie von Morny (1863, Palais de Compiègne), Kronprinzessin Olga von Württemberg (Abb. 72), Fürstin Pauline von Metternich (Taf. 33). 221 An ein Sitzmöbel gelehnt posierten außerdem Gräfin Eliza Krasińska (1857, Königliches Schloss, Warschau), Gräfin Marie Branicka von Bialacerkiew (1865, Philadelphia Museum of Art). Zu den Mode­ kniestücken gehörende Pendantbilder der Ehemänner unterlagen ebenso bestimmten Schemata: Kniestücke zeigen die Dargestellten in Uniform vor indefinitem Hintergrund oder stilisierter Land-

4. Porträtkonfektion

72  Franz Xaver Winterhalter: Olga, ­Kronprinzessin von Württemberg, 1856, Öl auf Leinwand, 128,5 × 91 cm, Stuttgart, ­Landesmuseum Württemberg

73  Franz Xaver Winterhalter: Anna, Prinzessin von Hessen, 1858, Öl auf Leinwand, 147 × 115,5 cm, Eichenzell, Museum Schloss Fasanerie

ein mit dem Porträt der Prinzessin Anna von Hessen, welche sich mit selbstbewusst gefalteten Händen gegen die europäische Leserichtung auf die Rückenlehne eines Brokat­ sessels lehnt und den Betrachter fragend von oben anblickt (Abb. 73). Die gelbe Farbe des Sitzmöbels kontrastiert als grelle Farbe das Rosa ihres von weißem Tüll überzogenen Chiffon­kleides sowie das Königsblau des über den Sessel gelegten, mit Pelz gefütterten Umhangs.222 Facettenreiches Farb- und Materialspiel setzte Winterhalter handwerklich brillant um. Die Tüllwolken erinnern an das Modeporträt Pauline Metternichs, das ebenfalls in diese Porträtreihe des Modekniestücks gehört (Taf. 33).

schaftsweite. Winterhalters Porträt des bürgerlichen Édouard André ist von dem des russischen K ­ aisers Alexander II., von dem noch eine Lithografie existiert, oder dem des Prinzen von Wales kaum zu unter­ scheiden, Abzeichen an der Uniform informieren über den Status (Franz Xaver Winterhalter: Albert Edward, Prinz von Wales, 1864, Royal Collection, London; Èdouard André, 1857, Musée JacquemartAndré, Institut de France, Paris). 222 Höchstwahrscheinlich spielt Winterhalter farblich auf ein Porträt von Ingres an. Princesse de B ­ roglie lehnt ebenfalls an einem gelben Sessel, die blauen Farbe ihres Kleides entspricht dem Pelzumhang (1851–1853, The Metropolitan Museum of Art, New York). Vgl. auch Panter 1996, S. 151.

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III.  Die Modeporträts

74  George Healy: Caroline Belmont, um 1855–1860, Öl auf Leinwand, 147,3 × 114,3 cm, New York, Museum of the City of New York

Ein solches Bildschema von Winterhalter zu wählen garantierte seit den späten 1850er Jahren, in der Betrachterin Assoziationen von Aristokratie zu wecken. Gleichwohl hatten auch andere Künstler ähnliche Bildtypen im Angebot, beispielsweise I­ ngres, Dubufe oder George Healy. Healy etwa porträtierte die bürgerliche Amerikanerin ­ ­Caroline Belmont in ausgesucht edler Tageskleidung (Abb.  74). Ein Ausblick und ein angedeuteter roter Vorhang hinter dem vergoldeten Stuhl versuchen jedoch ikonografisch den politischen Status des Modeporträts zu erweitern – hierin manifestiert sich der Unterschied zum Bildnis der Zarin im Umgang mit der Statusdemonstration besonders deutlich. Winterhalter nutzte Anleihen aus einem Porträttypus, dessen Wurzeln im 18. Jahrhundert liegen. Während der Aufklärung verhalf die Positionierung der Figur nah am Bildrand ohne ablenkende Hintergrunddetails zu einem analytischen Blick auf das Individuum. In Winterhalters weiblichen Kniestücken setzte solche Positionierung vielmehr die Robe in Szene, seine detaillierte Darbietung der Stoffe stimulierte die Betrachterin mit optischen Reizen. Derartige Dominanz von Mode in Winterhalters Gemälden war Zielscheibe zeitgenössischer Kritik. Bezüglich eines heute verschollenen Porträts der Prinzessin ­Woronzow monierte Paul Mantz 1859: « La faute est grave assurément d’avoir donné tant d ­ ’importance au costume, et d’avoir fait non le portrait d’une femme, mais celui d’une r­ obe. »223 Auch 223 Paul Mantz: Salon de 1859, in: Gazette des Beaux-Arts 2/1859, S. 276.

4. Porträtkonfektion

Arthur Stevens beanstandete insbesondere die Art der Inszenierung der Mode im Porträt­ werk Winterhalters: « C’est la splendeur des gravures de mode. […] Celui qui les contemple admire la toilette du modèle; il ne cherche point la tête d’abord, c’est-à-dire la partie intelligente. »224 Nicht nur der konstante Reiz von Mode intensivierte den Eindruck eines standardisierten Modekniestücks, sondern auch ein sich stark ähnelnder Farbauftrag. Diesem kam seinerzeit programmatisch-soziologische Bedeutung zu. Im Moniteur de la Mode hieß es: «  Voici les deux Arcadiens du pastel à l’huile, de la peinture à la pâte d’amandes et à la poudre de riz: M. Ed. Dubufe (coté des hommes), et M. Winterhalter, resté fidèle au sexe ­ urde pétri de lis et de roses.  »225 Mit den Eigenschaften von Marzipan und Reispuder w die ideale, mit feinem Pinselstrich vollzogene Behandlung des aristokratischen und vor ­allem des weiblichen Bildkörpers spöttisch assoziiert. Gleichzeitig b ­ rachte ­solche ­Nutzung des Pinsels Malern den Vorwurf ein, durch das blaireau individuelle Merkmale auszulöschen.226 Bürgerlich zu malen bedeute seinerzeit eher eine Tendenz zum Pastosen zu wählen oder wenigstens eine starke Materialität des Körpers herauszuarbeiten.227 Dabei war Winterhalter durchaus bereit sein fini hier und dort zu unter­brechen und mehr Pinselstrich als üblich zu zeigen, um dem Porträt eine gewisse Leben­dig­keit zu ver­leihen. Accessoires wie Schmuck setzte er mit rehauts in Szene, welche seiner­zeit von akademischen Malhandbüchern nur gezielt gesetzt, zur Betonung kleiner Bilddetails, empfohlen wurden.228 Winterhalters Stil war, obschon er den akademischen Vorgaben entsprach, unverkennbar: der Grad der Idealisierung der Gesichtszüge, die handwerklich meisterliche Bearbeitung der verschiedenen Stofflichkeiten garantierten eine Evokation europäischer Noblesse. Im Laufe seiner Karriere ist eine zunehmend freiere und sichtbarere Pinsel­ führung auszumachen, wie im Porträt der Zarin für die Darstellung ihrer Robe, die erst mit Abstand betrachtet ihre volle Wirkung entfaltet. Dass der Künstler ein sich stark ähnelndes Modeporträt-Schema fließbandartig bemühte, stand ausdrücklich in der Kritik. Stevens beklagt in seinem salon de 1863: Que pensera la postérité, quand elle verra que les reines et les princesses de notre époque, d’où qu’elles viennent, sont racontées d’une manière identique par cet artiste à la fois gracieux et affecté? Il est vrai que le caractère disparait par l’uniformité du costume; que nous possédons tous les mêmes idées; que, grâce aux chemins de fer et à la centralisation, il s’est formé une moyenne intellectuelle et morale de laquelle tous nous approchons sensiblement.229

224 Stevens 1866, S. 144. 225 Charles d’Helvey: Le salon de 1868, in: Le Moniteur de la Mode: Journal du Grand Monde: Modes, 2. Ausgabe Juni 1868, S. 198–199, S. 198. 226 Vgl. Matthias Krüger: Das Relief der Farbe. Pastose Malerei in der französischen Kunstkritik 1850–1890, München u. Berlin 2007, S. 12. 227 Vgl. ibid., S. 73 f. u. S. 78. 228 Vgl. ibid., S. 12. 229 Stevens 1866, S. 142 f.

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III.  Die Modeporträts

Am Ende hält Stevens fest: « Dans les portraits de Winterhalter, c’est le catalogue et non l’œuvre qui révèle le rang élevé de la personne traduite par le pinceau. »230 Er konstatiert, dass die Ähnlichkeit und damit Wiedererkennbarkeit des Bildschemas, also der catalogue, für die Herausbildung einer gesellschaftlichen Identität sorge – auch wenn er dies abwertend meint; aber genau hierin, so eine These der vorliegenden Arbeit, grün­ dete die Beliebtheit der Bildform des Modekniestücks. Dies sei näher erläutert: Alexandre Dumas charakterisiert in seiner Salonbesprechung von 1859 die Art von Damen, die sich von Winterhalter porträtieren ließen. Er verbrüdert sich mit dem Leser: « Nous avouons qu’on nous embarrasserait énormément si l’on nous posait cette ­question: Lesquels préférez-vous des portraits de M. Winterhalter ou de ceux de M.  Édouard ­Dubuffe? », offensichtlich auf die Diskrepanz zwischen Mann und Frau aufmerksam machend.231 Er führt aus, dass die Wahl Winterhalters oder Dubuffes zugleich eine Entscheidung der Dargestellten sei eine dame zu sein, im Gegensatz zu femmes, wie K ­ leopatra, Éléonore de Guyenne oder Charlotte Corday – er zählt nur Frauen auf, deren Taten als politisch mächtige in die Geschichte eingegangen sind, und die für ihn « la partie musculaire du sexe féminin » bildeten.232 Wer sich von Winterhalter malen ließe, entscheide sich hingegen dafür, den Eindruck zu erwecken, « blanches, roses et fraîches comme des fleurs » zu sein – für Dumas die einzig richtige Entscheidung: Es seien die dames, die « le plus grand respect et surtout la plus grande admiration » verdienten.233 Dumas’ Ausführungen spezifizieren zum einen die bereits dargelegten, gesellschaftlich kursierenden Idealvorstellungen von weiblicher Tugend- und Modeaffinität, die seinerzeit eine Abkehr von politischen Themen inkludierten; zum anderen, dass Winterhalters Bildnisse auch für ihn die Identität einer europäischen aristokratischen Oberschicht konturierten. Tatsächlich forciert Winterhalter eine Stereotypisierung im Sinne äußerer Z ­ eichen wie Format (Kniestück), Kleidung (Dominanz modischer Krinolinenrobe), Hintergrund (ungegenständlich oder Naturkulisse) und Farbauftrag. Ein Vergleich mit Mode­ porträts aus dem Spätwerk von Ingres verdeutlicht Winterhalters Vorgehen und die ­Wünsche ­seiner Kundinnen: Ingres individualisierte die Roben seiner Modelle viel stärker als Winter­halter, indem er außergewöhnliche Posen oder Stoffe mit Farben oder Mustern von hohem Wiedererkennungswert wählte und auch die Interieurs wesentlich individueller gestaltete (Abb. 75). Seine Kleider dominieren ebenfalls die Bildwirkung, doch ­Ingres entzog sie durch die besondere Inszenierung einem möglichen Vergleich mit stereo­typer Porträtkonfektion, die er, davon legen zahllose Briefe Zeugnis ab,

230 Ibid., S. 145. 231 Dumas 1859, S. 97. 232 Ibid., S. 98. Éléonore de Guyenne (1122–1204) stellte kontinuierlich Ansprüche Macht auszuüben, sie war zunächst Königin von Frankreich, dann von England; Charlotte Corday (1768–1793) tötete während der Französischen Revolution Jean Paul Marat. 233 Dumas 1859, S. 98.

4. Porträtkonfektion

75  Jean-Auguste-Dominique Ingres: Madame Moitessier, 1856, Öl auf Leinwand, 120 × 92,1 cm, London, National Gallery

v­ erachtete.234 In Bezug auf Ingres’ Porträtwerk unterschied Etienne-Jean Delécluze explizit zwischen Historienmalern, die « accidentellement » auch Porträts malten, und « portraitistes ».235 Ge­rade denjenigen Damen, die auf die Präsentation aktueller Mode setzten, wird Ingres nicht die Erste Wahl gewesen sein. Nicht nur hatte man oft Jahre auf sein Porträt zu warten, sondern Ingres unterwarf die „gegenständliche[] Repräsentation“ seinen Vorstellungen von der „Schönheit der Form“.236 Kaum hätte er sich der Vorlage eines Schneider­modells beugen wollen. Bei Winterhalter hingegen überwog, und dies ist als Strategie einzuordnen, die konzeptionelle Kongruenz. Sich nach Winterhalter-Manier in diesem standardisierten Bildtypus malen zu lassen, bedeutete nicht nur modisch Repräsentation zu betreiben, sondern auch, sich dem Pariser Modesystem, der Modekultur, dem Modezirkel zugehörig zu markieren und den einem Modeporträt inhärenten Status des Modehandelns zu adaptieren. Insofern zielt die Perpetuierung des Bildschemas in zweifacher Hinsicht auf ein Dazugehören und birgt doppeltes gesellschaftspolitisches Integrationspotential. 234 Zu Ingres’ Gattungskonflikt zwischen Historien- und Porträtmalerei vgl. Uwe Fleckner: Abbild und Abstraktion. Die Kunst des Porträts im Werk von J.-A.-D. Ingres, Mainz 1995, S. 227 ff. 235 Étienne-Jean Delécluze: Les Beaux-Arts dans les deux mondes en 1855, Paris 1856, S. 275, zitiert nach Fleckner 1995, S. 234. 236 Ibid., S. 233 f.

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III.  Die Modeporträts

Das Modeporträt der Zarin als politische Eintrittskarte Warum wählte Zarin Maria Alexandrovna also diese Form des stereotypen Mode­porträts und verzichtete auf Hinweise bezüglich ihres Status’ als Herrscherin? „Uniformierung“, verstanden als „extremste Form der Sozialisierung“, zielt auf die Herausbildung einer klassenspezifischen Identität.237 Übersetzt in die kulturelle Praxis der Bildnisanfertigung gestaltet die Inanspruchnahme eines sich stilistisch ähnelnden Bildschemas das P ­ orträt zu einem sozial verbindenden Element. Susanne Holschbachs Beobachtungen zum seiner­zeit neuen und florierenden Medium der Visitenkartenfotografie lassen sich hier fruchtbar machen: Die in der Atelierfotografie genutzten stereotypen Posen er­schüfen eine „Fassade gesellschaftlicher Typisierung“.238 Die fertigen Visitenkartenporträts ermöglichten eine „Teilhabe an einer virtuellen Gemeinschaft“.239 Bereits Georg Simmel erkannte die Chance von Mode, „die Zugehörigkeit zu einem eben durch Mode charak­ terisierten, herausgehobenen, für das öffentliche Bewußtsein irgendwie zusammen­ ge­hörenden Kreis“ visuell zu akzentuieren und registrierte, dass bestimmte Schichten „Mode […] als eine Art Maske benutzten“.240 Dieser Prozess lässt sich auf Winterhalters Modekniestücke übertragen. Offensichtlich wählte die Zarin eine solche Bildform, um sich in eine spezifische Gesellschaft, nämlich in die Winterhalters Erfolg verantwortende, westeuropäische hocharistokratische Klientel zu integrieren. Ein Blick auf die politische Situation Russlands zum Zeitpunkt der Porträtentstehung erklärt, weshalb: Zwei Jahre zuvor, während des Krimkriegs, h ­ atte Alexander II. den Thron übernommen und nach verlorenem Krieg 1856 den ­Pariser Frieden unterschrieben. Nun war eine zunehmend westlich orientierte und sukzessiv libe­raler werdende Russlandpolitik unter dem Zaren Alexander II. auszumachen. Der Krimkrieg hatte offengelegt, dass das Land in Bereichen wie Technik, Verwaltung oder Bildung weniger weit entwickelt war als die anderen Großmächte. Die Regentschaft Alexanders II. lief an mit zahlreichen sogenannten Großen Reformen, die sich an westeuropäischen Standards orientierten, die Leibeigenschaft auflösten, eine Wehrpflicht einführten und die Eisenbahnnetzte erheblich ausbauten: dies auch mit dem Ziel, ein leistungsfähigeres russisches Militär zu formieren. Bereits die Krönungszeremonie im Jahr 1856 bekundete, dass während der Herrschaft des neuen Zarenpaares ein l­ iberalerer Wind wehen sollte; eingeladen waren Angehörige des Bauernstandes, berücksichtigt war

237 König 1961, S. 165. 238 Bernd Busch: Belichtete Welt. Eine Wahrnehmungsgeschichte der Fotografie, Frankfurt a. M. 1952, S. 311, zitiert nach Susanne Holschbach: Vom Ausdruck zur Pose. Theatralität und Weiblichkeit in der Foto­ grafie des 19. Jahrhunderts, Berlin 2006, S. 23. 239 Holschbach 2006, S. 25. 240 Vgl. zu Mode als Maske Simmel 1905, S. 110.

4. Porträtkonfektion

die gesamte ethnische Breite der zum russischen Herrschaftsgebiet gehörenden Völker.241 Solche Anstrengungen Alexanders II. entsprachen auch Maria Alexandrovnas politischer Gesinnung.242 Die politisch geschwächte Situation Russlands um 1857, als Winterhalter kurz nach Kriegsende und dem Pariser Frieden das Zarenpaar porträtierte, erforderte diplomatische Nähe zu den anderen Großmächten. Dieser Aufenthalt in Bad Brückenau beispielsweise diente Alexander II. dazu, Napoléon III. auf neutralem Terrain informell treffen zu können.243 In Winterhalters Porträt sind die Perlen zwar als individueller Blickfang und Hinweis auf ihre russische Hofzugehörigkeit zu interpretieren, aber Maria Alexandrovna verzichtete auf jegliche Herrschaftszeichen, die sie von anderen aristokratischen Damen in ähnlichem Schema hätten absetzen könnten. Explizit suchte das Porträt sozialisierende Einheitlichkeit über Gleichförmigkeit zu evozieren und nivellierte Unterschiede. Sie betonte nicht ihre besondere Position als Zarin, und damit eine politische Macht Russlands, sondern visualisierte eine Klassenzugehörigkeit zur hohen europäischen Aristokratie. In Maria Alexandrovnas Fall bedeutete dies, sich einem westeuropäischen Modus anzugleichen. Dafür war Winterhalter als europaweit tätiger Maler die richtige Wahl. Vor allem deshalb birgt sein Porträt der Zarin politische Relevanz. Eine bisher von der Forschung übersehene carte de visite bezeugt die Möglichkeit sozialer Integration über visuelle Stereotypisierung und Kontextualisierung: Vier be­ kannte Porträts der seinerzeit populärsten Herrscherinnen Europas sind zu einer Foto­ collage montiert (Abb.  76).244 Oben ist das Konterfei der Zarin Maria Alexandrovnas, rechts das der Kaiserin Eugénie zu sehen, beide Vorlagen sind populäre Porträts von der Hand Winterhalters (Taf. 42 u. Taf. 15). Unten ist ein Bildnis von Elisabeth von Österreich arrangiert, links neben ihr eines von Königin Victoria.245 Die vier Herrscherinnen

241 Jörn Leonhard u. Ulrike von Hirschhausen: Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, Göttingen 2009, S. 39. Vgl. zur russischen Hin- und Abwendung nach Westen im Laufe seiner Geschichte ­Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917, München 2003 (Schmidt Ch. 2003), S. 31–82. 242 Vgl. Marianna Butenschön: Die Hessin auf dem Zarenthron. Maria, Kaiserin von Russland, Darmstadt 2017, S. 164 f. Die Zarin setzte sich auch für eine liberale Erziehung des Thronfolgers ein (S. 124 f.). Die Reformen trafen vor allem innerhalb der Aristokratie nicht nur auf Unterstützung; auch weisen viele Geschehnisse – beispielsweise Russlands drastische Reaktion auf den Polenaufstand von 1863/64 – auf ein weniger liberales Vorgehen hin, als die Reformen Glauben machen wollten. 243 Vgl. Massenbach 1987, S. 111 f.; vgl. Butenschön 2017, S. 136. 244 Datiert ist die Karte von der ÖNB auf um 1865. Später darf sie kaum datiert werden, andernfalls wäre mit Sicherheit Winterhalters Porträt der österreichischen Kaiserin ausgewählt worden, das 1865 öffentlich bekannt und sofort populär wurde (Taf. 43). 245 Der Frisur und dem Haarschmuck nach muss als Vorlage ein Porträt der jungen Queen Victoria von John Partridge gedient haben; die Physiognomie der Königin ist allerdings untypisch wiedergegeben, evtl. fungierte eine Kopie als Vorlage für die Fotokarte (1840, Royal Collection, London). Elisabeth ist

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III.  Die Modeporträts

76  Anonym: Vier populäre Herrscherinnen à la mode, um 1865, Fotocollage auf carte de ­visite, ohne Maße, Wien, ÖNB

sind gut an ihren typischen Haartrachten und, bis auf Victoria, individuellen Physiognomien zu erkennen. Alle sind jedoch nach ähnlichem Schema ausgerichtet und in Ballroben à la mode mit weiten Dekolletés in Ansicht eines Hüft- beziehungsweise Kniestücks und ohne Regalien ausstaffiert. Victoria, die einzige regierende Herrscherin des Quartetts, unter­scheidet sich nicht von den anderen; das genderideale Modeschema ist hier wichtiger als die politische Position, um (fiktive) Beziehungen zwischen den Dargestellten her­stellen zu können.246 Soziokulturelle Verbindungen innerhalb Europas konnten seinerzeit mühelos über das allumfassende Phänomen Mode hergestellt werden; Paris als Modezentrum Europas, ja als Hauptstadt des 19. Jahrhunderts (Walter Benjamin) bildete hierfür einen geogra-

einem Porträt von Franz Schrotzberg um 1860 nachempfunden, das auch als Fotokarte kursierte (1862, ÖNB, Wien). 246 Fiktive Solidarität insofern, als diese so nicht der Realität entsprach. Beispielsweise verweigerte die ­Zarin 1857 ein Treffen mit der französischen Kaiserin, angeblich, weil sie sie für nicht standesgemäß hielt. Im Tagebuch von Eveline von Massenbach, 06.09.1857, heißt es: „Kaiserin Marie, die, Eugénie mit leeren Versprechungen hinhaltend, ihre Gegenwart bald verhieß, bald versagte, so daß die französische Kaiserin wegblieb und Napoleon es sehr ressentierte.“ Massenbach 1987, S. 111 f.

4. Porträtkonfektion

fischen Brennpunkt.247 Sich der Modeszene zugehörig zu kennzeichnen bedeutete, sich innerhalb einer Gemeinschaft zu positionieren. Vor dem politischen Hintergrund der Friedensverhandlungen von 1856 in Paris nach dem Krimkrieg und dem in den folgenden Jahren zu beobachtenden Kräftemessen der europäischen Großmächte ist die Fotomontage von geradezu diplomatischem Wert. Die visuell harmonisierten Herrscherinnen werden hier zu konsumierbaren Ikonen europäischen Zusammenhalts und illustrieren monarchische Solidarität. * Maria Alexandrovnas Modeporträt markiert im Werk Winterhalters eine doppelte Ausnahme. Die Zarin wählte das Bildschema des Modekniestücks, ohne darin auf ihren ­Status als Herrscherin aufmerksam zu machen – dies mit dem Ziel sozialer Diffusion. In vergleichbaren Winterhalterschen Porträts von Herrscherinnen sind hingegen stets Hinweise auf den Rang des Modells zu finden. Auch die offensichtlichen sozialen Ambitionen der Zarin unterscheiden sich von denen anderer Monarchinnen: Der von Winter­ halter bildlich sichtbar gemachte Umgang mit Mode von Kaiserin Eugénie verfolgte wirtschaftspolitische, Königin Victorias moralische und Kaiserin Elisabeths individuelle Ziele. Maria Alexandrovna hingegen nutzte die Funktion von Mode als gesellschaftspolitisches Bindemittel. Es sei an dieser Stelle noch einmal deutlich gemacht: Modeporträts sind keine Erfindung des 19. Jahrhunderts, zu anderen Zeiten war es ebenso gängig, neueste S­ chnitte und feine Stoffe in bestmöglicher Pose darzubieten und darüber Botschaften über den eigenen Status zu senden. Neu im 19. Jahrhundert waren die harte Geschlechterspezifik, die mediale Intensität und das gesellschaftsdynamisierende Moment, welche Mode­ porträts in der Jahrhundertmitte zu noch stärkeren Ankerpunkten innerhalb sozialer Inter­aktions­prozesse werden ließen. Frank-Lothar Kroll stellt wie Johannes Paulmann einen „Strukturwandel monarchischen Selbst- und Fremdverständnisses“ im 19. Jahrhundert fest.248 In der ersten ­Hälfte sei ein „gesamteuropäische[r] Akzent“ der monarchischen Öffentlichkeitsarbeit und des Selbstverständnisses auszumachen, der sich ab Mitte des Jahrhunderts verlöre und in ­einer „Nationalisierung“ aufginge.249 Winterhalters Modeporträts zeigen, dass jener Trend noch bis weit in die 1860er Jahre hinein stagnierte.250 Als einer der beliebtesten 247 Umgekehrt war unter Zar Paul I. den Untertanen französische Kleidung à la mode verboten worden, um nicht Ideale der Französischen Revolution zu vergegenwärtigen, vgl. Schmidt Ch. 2003, S. 61. 248 Kroll 2007, S. 355; vgl. Paulmann 2000. 249 Kroll 2007, S. 355 f. 250 Vgl. Reisberg 2016, der insbesondere für die 1860er Jahre nachweist, dass sich Winterhalters bürger­ liche Klientel explizit in als aristokratisch bekannten Bildschemata malen ließ, mit dem Ziel, ihren sozialen Aufstieg visuell sichtbar zu machen, ibid., S. 244 ff. Als Beispiel mag das Modekniestück von Mrs.  Sarah Vanderbyl gelten (1866, Privatsammlung). Winterhalter nahm nur wenige Aufträge von ihm lange bekannten, reichen bürgerlichen Familien an, die sich in ähnlichen Gesellschaftsschichten

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III.  Die Modeporträts

Kreateure dieses Schemas, der für nahezu alle europäischen Höfe arbeitete und den Ruf als Monarchenmaler genoss, potenzierte Winterhalter den kollektivierenden Effekt eines Modeporträts innerhalb aristokratischer Kreise über nationale Grenzen hinaus. In den 1870er Jahren schmolzen die Möglichkeiten, sich über Mode gesellschaftlich zu positionieren, immer schneller. Europas Oberschicht, die Künstler der nouvelle peinture genauso wie die New Yorker High Society des Gilded Age, nutzten das Modeporträt geradezu inflationär, um über den Umgang mit Mode und Konsum Botschaften zu senden und i­ hren Idealen Ausdruck zu verleihen.

5. Kaiserin à la mode: zum Einfluss moderner Repräsentationsmedien auf Winterhalters Porträt Elisabeths von Österreich in Balltoilette Im Jahr 1864 reiste Winterhalter an den Wiener Hof. Während seines Aufenthaltes fertigte er außer jenen bereits analysierten Tugendporträts der Elisabeth von Österreich zwei ganzfigurige lebensgroße Bildnisse des Kaiserpaares an, die einen wesentlichen Platz inner­halb ihres politischen Repräsentationsprogramms besetzten.251 Das Porträt der ­Kaiserin birgt innovativen Wert und markiert einen Einschnitt in ihrer Ikonografie. Winterhalter konterfeite Elisabeth, nachdem diese einen persönlichen Wandlungsprozess beendet hatte. Zu Beginn ihrer Herrschaft hatte das österreichische Volk die nur fünfzehn Jahre alte kaiserliche Braut zur Ikone erhoben. Die Politik Franz Josephs war vor der Eheschließung außenpolitisch von diversen Niederlagen geprägt gewesen; nun führte das Volk liberale Reformen auch auf den Einfluss Elisabeths zurück.252 Dem strengen soldatischen Monarchen wurden als Gegenpol genderideale Vorstellungen von e­ iner jungen „mildtätigen“ Elisabeth entgegengesetzt. Elisabeth aber enttäuschte diese Erwartungen. Von Beginn an fühlte sie sich fremd am Hof, formulierte in Briefen und Gedichten ihr Unglück und anti-monarchische Gedanken.253 Ein anhaltender Zwist mit der Schwiegermutter Erzherzogin Sophie erhärtete sich mit dem Tod von Elisabeths jüngster Tochter im Jahr 1857. Schließlich verließ sie krank und schwach Wien für unbestimmte Zeit, um eine Kur in Südeuropa zu machen.254

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bewegten wie die Aristokratie. Im Fall des australischen Ehepaares Vanderbyl bestand beispiels­weise eine enge Verbindung zum britischen Thronfolgerpaar Prinzessin Alexandra und Kronprinz Albert Edward. Für eine Analyse der Porträts als Geliebte vgl. Kap. I. 7. Hier und im Folgenden vgl. Hamann 1990, S. 109; vgl. Peter Gathmann: Elisabeth. Bild und Sein, in: Kat. Einsamkeit, Macht und Freiheit 1987, S. 13–23 u. S. 21. Vgl. Hamann 2008. Vgl. Hamann 1990, S. 120 u. S. 148–151.

5. Kaiserin à la mode

Nach einer fast drei Jahre andauernden Auszeit kehrte die Kaiserin 1862 zurück nach Wien. Einige Handlungen weisen auf ein erstarktes Selbstbewusstsein; sie sicherte sich beispielsweise schriftlich eine freie Wahl des Aufenthaltsortes und Unabhängigkeit in der Kindererziehung, stellte Lehrer ein, die sich offen zu ihrer liberalen Gesinnung bekannten; all das sind Ansprüche, die zu jener Zeit höchst ungewöhnlich waren.255 Elisabeth ­ignorierte dezidiert das Hofzeremoniell: rauchte, hörte Wagner, las Heine, ließ sich sogar tätowieren und attackierte in Briefen und Gedichten weiter den Wiener Hof. Gleich­zeitig eichte sie ihren Körper auf Idealmaße, absolvierte extreme Diäten und Schönheits­kuren, wanderte, ritt, turnte am Reck in der Hofburg und provozierte auch derart das Dekorum.256 Ihr politisches Interesse galt vor allem der Unabhängigkeit Ungarns, ein weiterer Affront gegen die eigenen Reihen.257 Von Beginn an war Elisabeth beim Volk beliebter als bei der Aristokratie und bei Hofe. Seit 1862 erschien die Kaiserin auch wieder bei offiziellen Anlässen. Seinerzeit konzentrierten sich Kommentare innerhalb des monarchischen Netzwerks auf Elisabeths beeindruckenden öffentlichen Auftritt, ihre Freundlichkeit und ihre sagenhafte Schönheit. Aus der Wiener Hofburg zurückkehrende Gäste wurden zu dieser Zeit vor allem über Elisabeths Attraktivität ausgefragt.258 Queen Victorias Tochter, Kronprinzessin V ­ ictoria, etwa befand: […] her beauty though not regular is surpassing – I never saw anything so dazzling or piquant. Her features are not so good as they are represented on most of her pictures – but the ensemble is far more lovely than any reproduction can convey an idea of […] most extraordinary quantity of chestnut hair I ever saw, perfect loads of it.259

Winterhalters Porträts von Elisabeth trugen maßgeblich zur Verbreitung der Legende von ihrer Schönheit bei. Es sei daran erinnert, dass Winterhalter einer der wenigen und auch der letzte Künstler war, der sie malen durfte, und Elisabeth sich nur bis 1868 fotografieren ließ, so dass die meisten ihrer Bilder Kopien oder Fotomontagen früherer ­Darstellungen sind, in denen ihre Jugend konserviert ist.260 Im Folgenden soll untersucht werden, zu welchen Lösungsmöglichkeiten Winterhalter und Kaiserin Elisabeth 1864 griffen, um mit einem neuen Bildnis ihr Image aktuell auszurichten. Besondere Wünsche der Herrscherin ließ Winterhalter dabei sicher nicht außer Acht; beide führten, wie Winterhalter in einem Brief an die französische Kaiserin Eugénie erwähnt, während der Sitzungen

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Vgl. ibid., S. 154, S. 191, S. 183 u. S. 185 f.; vgl. auch Corti 1934, S. 121. Vgl. Hamann 1990, S. 210 f. Vgl. ibid., S. 216 ff. Vgl. zahlreiche Quellen und Berichte bei ibid., S. 198 ff. RCIN 400989. Vgl. Hamann 1982, S. 7.

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III.  Die Modeporträts

lange und „interessante Gespräche“.261 Rüttelte der Künstler am traditionellen Formenkanon eines Regalienporträts, und machte er Elisabeths liberale Gesinnung und unkonforme Handlungen sichtbar? Individuelle Ikonografie Mehr als lebensgroß malte Winterhalter Elisabeth von Österreich, gekleidet in eine edle Abendrobe, in bewegter Pose auf einer Palastterrasse stehend und über die Schultern in Richtung des Betrachters blickend (Taf. 43). Das Gesicht zieren glänzende Augen unter ausdrucksstarken Brauen, zwischen einer geraden Nase und einem energischen Kinn lächelt ein schmaler roter Mund. Lebensnah wirkt der liebliche Gesichtsausdruck unter geröteten Wangen. In aufwendigem Geflecht zu einer Krone gelegt und zu luxuriös geschwungenen Zopfgebilden gewunden, fällt Elisabeths legendäres kastanienbraunes Haar über den Rückenausschnitt des Kleides. Dekoriert ist die Frisur mit Diamantsternen. Dieser der Öffentlichkeit seinerzeit bekannte und einzigartige Schmuck wird ergänzt von schwarzen Samtbändchen, die in Schlaufen enden und die üppige Haartracht optisch über die Taille hinaus verlängern.262 Die proportional leichte Längung des schmalen Körpers und dessen erhöhte Position versetzen die Betrachterin in eine deutliche Untersicht; eine Perspektive, von der die schlanke Figur, die Pose und das Blicke heischende elegante Ballkleid profitieren. Sparsam eingefasst wird die Figur von zwei am rechten Bildrand angeschnittenen Säulen mit taillenhohem Postament und blühendem Oleanderbusch. Bis an den Horizont erstreckt sich die Landschaft zu ihrer Linken. Das sie anstrahlende Licht kommt von oben wie aus einem Fenster der im Bereich des Betrachters liegenden Hofburg. E ­ lisabeths makellose Haut, ihre grazile Gestalt und das Modellkleid werden durch die raffinierte Ausleuchtung bestmöglich in Szene gesetzt. Dabei bleibt die Farbpalette unaufdringlich, sodass nichts von der bildmittig stehenden Herrscherin und ihrer Robe ablenkt. Die Achtundzwanzigjährige wäre damals nicht ohne weiteres als Kaiserin von Öster­ reich zu identifizieren gewesen. Winterhalter greift zwar auf eine traditionelle Kompositionsform zurück, verzichtet aber auf den zeremoniellen Pomp eines die Dargestellte unmissverständlich als Herrscherin ausweisenden Regalienporträts. Der ­Künstler ­platziert Elisabeth in bewegter Pose vor eine weite Landschaft; die als einziges Bilddetail ihren Rang demonstrierenden Palastsäulen lässt sie hinter sich. Die Beständigkeit und Staatsstütze symbolisierenden Säulen schmälerte Winterhalter und minderte durch deren Bildfunktion als reales Architekturelement deren ursprüngliche Zeichenkraft. Das Epiphanie­symbol, der gebauschte Vorhang, fehlt, doch ist das Kleid von derart voluminöser Stofffülle, dass es vom diesbezüglich versierten Betrachter auch als Zitat desselben 261 Corti 1934, S. 116; Panter 1996, S. 134 f. 262 Die Schmucksterne wurden vom K.  u.  K. Hofjuwelier Jakob Heinrich Köchert gefertigt, vgl. Katrin ­Unterreiner: Sisi. Mythos und Wahrheit, Wien 2005, S. 40.

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verstanden werden darf. Die Öffnung hin zur Parklandschaft ist angelehnt an den Ausblick klassischer Regalienporträts. Die Komposition des Modells ist als Dreiecksfigur konzipiert, wie sie HerrscherInnen­ bildern lange zu Grunde lag.263 Die Licht- und Schattenführung kreiert einen rahmenden Hell-Dunkel-Kontrast und hebt insbesondere den Oberkörper der Kaiserin klar vom Hintergrund ab. Schatten auf Kleid, Boden und Säulen sowie bewegte Wolken zeichnen ein Oval, das die Figur auch intern rahmt und zusammen mit den übrigen dominierenden Kompositionslinien Bildruhe und Halt suggeriert. Der jüngst restaurierte originale Trophäenrahmen schiebt das Porträt innerhalb der Gattungshierarchie zwar an die Spitze, Insignien sind jedoch nicht vorhanden.264 Traditionellen Pomp entschlackte Winterhalter und ergänzte ihn um verbindliche weib­ liche Bildzeichen. Elisabeths natürliches Haar ersetzt die Krone. Herrschaftliches schweres Ornat ist modischer und leichter Haute Couture gewichen. In den Händen hält die Kaiserin einen mit pastellfarbenen Blumen ornamentierten Fächer, ein kostbares Acces­ soire, das seit dem 18. Jahrhundert als Instrument der Koketterie beliebt war.265 Zwischen ­Säule und Figur prangt ein Strauch Oleander, eine exotische Pflanze, die seinerzeit fest zum Formenkanon des italienischen Genrebildes gehörte. Für das ganzfigurige Porträt einer Kaiserin wurden diese Blumen hier erstmalig als Insigne sinnlicher Betörung und Extravaganz genutzt und sind Bestandteil der individuell auf die Kaiserin abgestimmten Ikono­grafie. Elisabeths Mienenspiel wirkt wie „der unmittelbare Reflex ­einer ­momentanen Stimmung“ und zeigt keine übliche Amtsmiene.266 Auch ihre Körper­ haltung weicht von traditionell unbewegter Herrscherpositur ab: Elisabeth ist in einer ­situativen Momentaufnahme erfasst und nicht in einer Überzeitlichkeit indizierenden Situation.

263 Zum Bildvokabular in Herrscherdarstellungen vgl. Kat. Bildgattungen 1982, S. 1–32, hier: S. 13 f. 264 2012 wurden beide Gemälde restauriert, Pressemitteilung der Nachrichtenagentur APA, 06.04.2012. Gleichzeitig ließ das Museum die vergoldeten repräsentativen Rahmen restaurieren. Ob Winterhalter die oben mittig mit Wappen und Krone verzierten Rahmen selbst ausgewählt hat, wie er es oft tat, ist in diesem Fall nicht überliefert. Das Kreuz auf dem Rahmen des Elisabeth-Porträts wurde nach der Restau­rierung aufzusetzen vergessen (Auskunft des Sisi-Museums, Hofburg Wien, Dezember 2012). Hatte vorher ein gelbstichiger Firnis die Frische des weißen Kleides und des Himmels überdeckt und für weichere Konturen und Farbschattierungen gesorgt, so erscheinen beide Porträts heute farblich ­klarer und kühler. 265 Vgl. Ingrid Loschek: Geschichte der Accessoires, in: Apropos. Der Charme der Accessoires, hg. v. Ursula Strate, Ausstellungskatalog, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Heidelberg 1999 (Kat. Charme der Accessoires 1999), S. 8–41, S. 16 ff. Die im 18. Jahrhundert gültige Fächersprache wird von Franz Xaver Winterhalter offenbar ignoriert. Der Fächer einer verheirateten Dame hätte im 18. Jahrhundert noch geschlossen sein müssen. 266 Diese Umschreibung sei Schoch entliehen, der sie im Zusammenhang mit Staatsporträts des Absolutismus nutzt, id. 1975, S. 20.

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Diesbezüglich verlangt die für ein Herrscherinnenporträt unübliche Pose besondere Beachtung. Ihren Körper wendet die Kaiserin vom Betrachter ab, das Gesicht ihm jedoch zu. Drehpunkt ihrer Haltung ist die schlanke Taille. Es wirkt, als sei eine ­junge Frau im Tüllkleid soeben zwischen den Säulen hervorgetreten und auf dem Weg in den Park, sich, vom Betrachter gestört, einen Augenblick zu jenem umblickend. Zu solchen oder ähnlichen Überlegungen animiert den Betrachter der narrative Charakter jener bewegten Haltung. Winterhalter stellt Elisabeth im „fruchtbarsten Augenblick“ dar: „­Allein fruchtbar“ sei, so Gotthold Ephraim Lessing, „was der Einbildungskraft freies Spiel lässt.“267 Die zeitlich direkt vor und nach der von Winterhalter festgehaltenen Situation liegenden Momente lassen sich vom Betrachter in Gedanken mühelos ergänzen: Elisabeth hat ge­ rade erst die Terrasse betreten, gleich wird sie sich von ihm abwenden und entfernen. Ihr Inne­halten ist Höhe- und Wendepunkt zugleich. Das durch diese Positur entstehende Bewegungskonzept sperrt den Betrachter nicht aus, sondern lädt ihn ein, an der Körperbewegung und im übertragenden Sinne auch an dem, was die Dargestellte seelisch bewegen mag, teilzunehmen.268 Elisabeth steht nicht in einem Thronraum, sondern auf der Schwelle zwischen der zum Innen gehörenden Terrassenfläche und der Außenlandschaft. Die Positionierung der Figur lenkt die Aufmerksamkeit auf Elisabeths affektive Wesenszüge. Sie entfernt sich räumlich vom Palast und damit, wenn man so will, auch von dessen Etikette und ihrer öffentlichen Rolle; sie wird sich im nächsten Augenblick der Weite der Landschaft zuwenden, die ihr in diesem Fall als „Rückzugs- und Fluchtort“ dienen mag.269 Auch der lebendig-bewölkt ge­staltete Himmel animiert den Betrachter, die Bewegungen, im Rahmen „ästhetischer Reflexion“, auf die Gemütslage der Dargestellten zu übertragen.270 Elisabeths versonnener Gesichtsausdruck erweckt den Eindruck, als sei ein Einblick in das Gefühlsleben der Regentin möglich. Eine durch ihr Amt traditionell im Grunde unnahbare Figur wird vom Künstler damit nahbar gemacht. Begründet liegt dieser Bildeffekt auch darin, dass die Komposition in dem ebenfalls von Winterhalter stammenden Porträt der Kaiserin mit offenem Haar wurzelt. Dieses weist – gespiegelt – bereits grundlegendes Bildvokabular auf (Taf. 21).271 Elisabeth steht, in ähnlicher Pose und hell beleuchtet wie im ganzfigurigen Porträt, vor demselben Park. Ihr Haar ist auch hier augenscheinliches Schönheitsattribut. Der Körper ist von der Be-

267 Vgl. Oskar Bätschmann: Laokoons Augenblick. Lessing installiert den fruchtbaren Betrachter, in: Thomas Kisser (Hg.) 2011, S. 21–48, S. 27. 268 Vgl. Uwe Fleckner: In voller Lebensgröße. Claude Monet und die Kunst des ganzfigurigen Portraits, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 42–51, S. 46. 269 Ibid. 270 Kisser 2011, S. 136. 271 Auch Panter argumentiert, dass die Komposition aus dem Bildnis mit offenem Haar abgeleitet werde, was auf ein neues „Rollenverständnis der Herrscher jener Epoche“ weise. Id. 1996, S. 147.

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trachterin abgewandt, Elisabeths unverkennbares Antlitz nur im Halbprofil zu sehen und die Pose statischer, in ihrer Wirkung kontemplativer gestaltet. Winterhalter entwickelte die Bewegtheit jener Pose im ganzfigurigen Porträt der Kaiserin weiter, modellierte sie aktiver und fügte sie in ein für noble Distanz sorgendes Bildumfeld ein.272 Jene sinnlich-sentimentale Nuance der Halbfigur scheint aber noch durch. Auch dieses künstlerische Vorgehen offenbart das veränderte Selbst- und Fremdverständnis einer Kaiserin im 19. Jahrhundert. Ihr natürlicher Körper wurde gleichsam zu ihrem politischen.273 Hybrider Bildtypus: Neue Modi der Moderepräsentation Ausschlaggebend für die Bildaussage sind die bewegte Pose und die derart in Szene gesetzte, scheinbar noch über den Bildrahmen hinaus fließende Robe. Elisabeths Abendkleid ist à la mode. Das Modell wird Europas seinerzeit begehrtestem Modedesigner zugeschrieben, dem in Paris ansässigen Charles Frederick Worth.274 Die spotlightartig beschienene Toilette und deren minuziöse Malart scheinen fast mehr Aufmerksamkeit zu heischen als die Kaiserin selbst, derart wird die Wertigkeit der teuren Stoffe betont. Locker fallende hauchdünne Tüllbahnen veredeln die über einem Korsett getragene Robe aus schimmernder weißer Seide. Gehalten von einer Krinoline, scheint der Rock über den Bildrand zu reichen. Eine transparente Lage aus Tüll umschlingt die Taille wie eine luftige Stola, mit Silberlahn gestickte Sternchen reflektieren das Licht, verstärken den filigranen Effekt des Textils, den Worth in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts unter dem Namen tulle étoilé entwickelt hatte.275 Geraffte Puffärmel geben die zarten Schultern und Arme frei. Vollends zur Geltung kommt das Kleid durch die Drehung der Figur. Worth hatte die ursprünglich breiter angelegte Krinoline 1864 verschlankt und die ausladenden Stoffbahnen auf die Rückseite beschränkt.276 Elisabeth präsentiert diese neueste Silhouette, keineswegs ein „Staatskleid“, wie einer ihrer Biographen es taufte.277 Die Bildaussage ist darauf fokussiert, dass Elisabeth Pariser Mode trägt und insofern eben kein speziell dem Kaiserhaus vorbehaltenes vestimentäres Zeichen. Mode avancierte Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der Topthemen in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Modezeitschriften füllten die Auslagen, die Presse berichtete, welche Berühmtheit zu welchem Anlass welches Designerstück getragen hatte.278 ­Allein an der Kleidung war die Standeszugehörigkeit einer Person nicht mehr unbedingt ab272 Für das österreichische Herrscherhaus, nämlich für ein Porträt der Erzherzogin Sophie, Mutter des Kaisers, nutzte bereits Winterhalters Lehrer Joseph Stieler eine ähnliche Drehung; von diesem Gemälde existiert eine Zeichnung Winterhalters, abgebildet in Mayer 1998, S. 67. 273 Schulte 2002a, S. 17 f. 274 Vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 54. 275 Vgl. Ribeiro 1987, S. 70. 276 Vgl. Dogramaci 2011, S. 74 f. 277 Corti 1934, S. 116. 278 Vgl. Dogramaci 2011, S. 9.

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77  Albumseite mit bekannten Künstlern, hier: Alexandre Cabanel, Franz Xaver Winterhalter, Eugène Bellange, Jean-Léon Gérôme, 1856, Album, ohne Maße, Washington D. C., Smithsonian Libraries

zulesen. Mit der Demokratisierung der Modewelt war es einzig eine Frage der monetären Mittel, nicht des Titels, sich ein solches Kleid bei Worth kreieren lassen zu können.279 Besonders die Erfindung der carte de visite Fotografie im Jahr 1854 fächerte das ­Thema der Moderepräsentation im 19. Jahrhundert neu auf. Die kleinformatigen Fotokarten animierten zum Anlegen von Alben, es entwickelte sich der Typus des Familien­ albums. Eine besonders beliebte Freizeitbeschäftigung wurde das Sammeln von Be­rühmt­ heiten; cartes de visite von SchauspielerInnen, MonarchInnen oder auch von Künstlern wie Winterhalter waren in den großen Ateliers für wenig Geld zu erwerben (Abb. 77).280 Besonders die Damenwelt nutzte dieses Medium, um in einfallsreichen P ­ osen die aus­ ladende neueste Krinolinenmode in Szene zu setzen. Auch Elisabeth zierte als Berühmtheit derartige Fotografien, auf denen sie ohne Würdezeichen in Krinolinenmode posiert 279 Vgl. Kap. III. 1. 280 Vgl. Holsing 2005, S. 239.

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78  Ludwig Angerer: Kaiserin Elisabeth von ­Österreich im Promenadenkostüm mit ­Paletot, um 1863, carte de visite, ohne Maße, Köln, ­Museum Ludwig

79  Claude Monet: Camille im grünen Kleid, 1866, 231 × 151 cm, Öl auf Leinwand, Bremen, Kunst­halle Bremen

(Abb. 78). Die Kaiserin hatte am Thema Mode und deren Repräsentation offensichtlich Interesse, sie war selbst eine leidenschaftliche Sammlerin von cartes de visite und besaß ein entsprechendes „Schönheiten-Album“.281 Malerei und Fotografie beeinflussten sich seit den 1850er Jahren gerade in Bezug auf Modedarstellungen wechselseitig.282 Einen Schub erhielt die Gattung des ganzfigurigen Modeporträts mit den Künstlern der nouvelle peinture, welche der Mode großen Stellenwert einräumten, mit dem Ziel die Pariserin als einen Menschentypus der Moderne abzubilden. Für diese Darstellungen spielte Bewegung eine besondere Rolle. Die ­städtische Flâneuse, die Passantin, wurde zu einem Synonym für das neue öffentliche Leben. Als Beispiel mag Claude Monets Porträt von Camille von 1866 dienen (Abb.  79). Monet ­porträtierte ein Jahr, nachdem Winterhalter das Porträt für die österreichische ­Kaiserin 281 Corti 1934, S. 104; vgl. auch Hamann 1990, S. 193. 282 Vgl. Solfrid Söderlind: Das verlorene Profil, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 248–253, S. 248 ff.

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geschaffen hatte, seine spätere Ehefrau Camille in ähnlich bewegter Pose und eben­ solcher Ansicht ­einer vorgeblich aus dem Bild fließenden Schleppe. Die sich leicht über ihre Schulter wendende Frau richtet ihren Blick aber gen Boden. Mimik und ­Pose verraten hier eine Abkehr von Repräsentation. Das bildfüllende Kleid samt schwerem fell­ gefüttertem Paletot schützt seine Trägerin mehr, als dass es sie präsentiert, und baut eine psychologische D ­ istanz zum Betrachter ein. Das nachweislich nach einer konkreten Modeillustration angefertigte Gemälde überzeugte nicht als Porträt, sondern als Darstellung eines Typus jene Kritiker, deren Ideal in der Wahrhaftigkeit der Wiedergabe eines zeitgenössischen urbanen Lebensgefühls lag.283 Édouard Manet drückte es so aus: « […] la femme du ­Second Empire, cela n’a pas été fait et cependant elle a été le type d’une époque, comme le père Bertin a été le type de la bourgeoisie de 1825 à 1850. »284 Vergleicht man Darstellungen von modisch angezogenen Frauen auf Fotokarten, Modeillustrationen, wie zum Beispiel der in mauvefarbene Seide gekleideten zweiten Dame von rechts in der Illustration Leloirs (Taf. 37), oder lebensgroßen Ölporträts, wie etwa dem erwähnten von Monet, mit dem ganzfigurigen Porträt der Kaiserin, wird deutlich, dass Winterhalter auf diese Evolution der Repräsentationsformen einging, indem er die modische Aktualität des Kleides in extravaganter Pose bildwürdigte. Die dynamische Fassung der Figur Elisabeths adaptiert damit keinen traditionellen Darstellungs­ modus für eine Herrscherin. Gleichwohl gibt es Vorläufer im 18. Jahrhundert: Ähn­liche Dynamisierung der Figur hatten von Gainsborough und seinen Kollegen porträtierte Adelige als in der Natur Promenierende erfahren. In Frankreich hatte zur gleichen Zeit ein ­Porträt von Königin Marie-Antoinette für Unruhe gesorgt: Der Schwede Adolf Ulrik Wertmüller hatte 1785 Marie-Antoinette gemalt mit zweien ihrer Kinder im Park ihres Trianon spazieren gehend (Abb. 80).285 Alle drei Figuren verharren in Schrittstellung, die fallenden Falten von Marie-Antoinettes Kleid sind derart gestaltet, als schwängen sie im Stehenbleiben nach. Das Porträt war zwar als diplomatisches Geschenk für den schwedischen König Gustav III. konzipiert worden, hatte aber eine ganze Saison im Salon gehangen und somit einen offiziellen Blick auf die Herrscherin geboten. Die französische Kritik hatte es überwiegend negativ kommentiert, die lebensgroße ganzfigurige Darstellung der Königin draußen und in Bewegung, dazu noch ohne Herrschaftszeichen, hatte nicht dem Dekorum entsprochen. Das Bild bezeigt Anfänge solcher in Figur und Robe angelegten Bewegungsagen­zien, wie Winterhalter sie für das Elisabeth-Porträt wählte. Das betonte Kopfwenden samt intensiver Drehung über die Schulter ist aber in einem ganzfigurigen Herrscherinnen­ 283 Vgl. Fleckner 2005, S. 42; vgl. Kat. Monet und Camille 2005, S. 94–99. 284 Antonin Proust: Édouard Manet. Souvenirs, Tusson 1988, S. 50 f. 285 Vgl. für eine ausführliche Analyse des Porträts und seiner Rezeption in Frankreich und Schweden Melissa Hyde: Watching her Step: Marie-Antoinette and the Art of Walking, in: Susanna Caviglia (Hg.): Body Narratives Motion and Emotion in the French Enlightment, Turnhout 2017, S. 119–155.

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80  Adolf Ulrik Wertmüller: ­Marie-Antoinette, Königin von ­Frankreich, mit zweien ihrer Kinder spazieren gehend, 1868, Öl auf Leinwand, 276 × 194 cm, Stockholm, ­Nationalmuseum

porträt im 19. Jahrhundert neu und unbedingt in Zusammenhang mit den n ­ euen Repräsentationsmedien des modernen öffentlichen Lebens zu setzen.286 Damit überschritt der Künstler innerhalb der Gattungen Grenzen: In seinem hybriden Bildnis der E ­ lisabeth von Österreich verband er den Formenkanon eines Regalienporträts mit Bildelementen des Modeporträts. Winterhalter porträtierte die Herrscherin Elisabeth von Öster­reich mit Blick auf deren Interessenlage und verwies zugleich auf einen modernen Frauen­ typus ­ihrer Zeit, ja überbot in dem Porträt Elisabeths Status als Kaiserin mit ihrem ­Prestige als prominente Schönheit, das sich in den 1860er Jahren festigte. 1864 berichtete

286 Wie bis jetzt in der Literatur, z. B. von Petra Kreuder, fälschlicherweise angenommen, war eine solche Pose im Staatsportrait aber keine Innovation Winterhalters. Vgl. Petra Kreuder: Die bewegte Frau. Weibliche Ganzfigurenbildnisse in Bewegung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Weimar 2008, S. 209. Die Kopfdrehung aus der Rückenansicht bewegt erstmalig in jenem Porträt des amerikanischen Malers Thomas Sully die junge Queen Victoria (Abb. 39). Winterhalter hatte dieses 1839 gefertigte Porträt am englischen Hof sicher gesehen.

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Erzherzog Ludwig Victor von einem ihrer öffentlichen Auftritte in einem Kleid und mit Schmuck, deren Beschreibungen ihrer Ausstaffierung im Winterhalterschen Bildnis ähneln: Sie ­wäre „blendend schön, auch waren die Leute wie verrückt hier. Ich habe noch nie so einen Effekt machen sehen.“287 Winterhalters Gemälde hat die Art der Außendarstellung der Kaiserin von Österreich fortan geprägt. Erstmals hielt er die Haarkrone in Öl fest, welche legendär werden s­ ollte und ihr Image bis heute bestimmt. Sie wurde Elisabeths Markenzeichen und erscheint erst ab 1865 auf Fotoserien und Gemälden. Auch eine Fotografie Elisabeths als ­Königin von Ungarn aus dem Jahr 1867 dokumentiert die Relevanz des Winterhalterschen ­Porträts: Auf dem offiziellen Bild der frisch Gekrönten trägt Elisabeth ebenfalls ein Kleid von Worth zu Haarkrone und Fächer, einziges Insigne ist die neue ungarische Krone.288 Zahlreiche Briefe, Tagebucheinträge und Notizen überliefern, wie wenig Elisabeth von Bevorzugung ihrer oder anderer Personen aufgrund eines angeborenen aristokratischen Status’ hielt. Ihr Image als prominente Schönheit hingegen setzte sie gezielt politisch ein. Ihr kaiserlicher Körper wird durch das Tragen von Mode vermenschlicht, danach über ihren Status als prominente Modeikone wiederum verherrlicht.289 Imagesynthese: Vergleich mit dem Pendantbildnis des Kaisers Dass derselbe Künstler zu zwei sehr unterschiedlichen Ergebnissen in einer zusammengehörenden Herrschaftsdarstellung kommen konnte, zeigt ein Vergleich des Gemäldes der Kaiserin mit dem Pendantbildnis ihres Ehegatten (Abb. 81).290 Im gleichen Jahr ­signierte Winterhalter sein Porträt von Franz Joseph von Österreich in mit Orden dekorierter Galauniform eines Feldmarschalls, ein Modus, wie er typisch für dessen Außendarstellung war. Wie die Kaiserin nobilitieren auch Franz Joseph leicht in die Vertikale gezogene Proportionen. Im Ausfallschritt steht er im Bildzentrum; sein braunes Haar sowie Backen- und Oberlippenbart sind nach zeitgenössischer Mode geschnitten. In der rechten Hand, der geballten Faust, hält der Kaiser einen weißen Handschuh, die Linke liegt am Degen. Erhobener Kopf und Amtsmiene prägen Franz Josephs Blick. Insignien wie Krone oder Zepter fehlen auch hier, doch ist die starke Binnenrahmung eine Konzession an das Regalienporträt.

287 Brief in Hamann 1990, S. 198. 288 Vgl. Hamann 1982, Abb. auf S. 86; vgl. Trubert-Tollu 2017, S. 56. Es gab sogar Perücken der „ElisabethFrisur“, auch „Steckbrieffrisur“ genannt, vgl. Walther 1987, S. 224 f. Auch eine Fotografie des Gemäldes zirkulierte (ohne Datum, Wien, ÖNB). 289 Vgl. zur „Archäologie des Starkörpers“ in Bezug auf den königlichen Körper Marie-Antoinettes ­Vinken 2005, S. 269. 290 In der Forschungsliteratur erstmals ausführlich von Hensel 2016, S. 170 ff. vorgenommen. Einzig der Katalogtext deutet einen Vergleich lediglich an, vgl. Kat. Courts of Europe 1987, S. 216 f.

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81  Franz Xaver Winterhalter: Kaiser Franz Joseph I. von Österreich, 1865, Öl auf Leinwand, 255 × 133 cm, Wien, Hofburg, Sisi-Museum

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Technisch sind beide Gemälde von sehr hoher Qualität. Die Figuren ähneln sich in der Lebendigkeit des Augenausdrucks, auch die Bildhintergründe mit Parklandschaft und Himmel evozieren eine vergleichbare Stimmung. Und doch scheint das männ­liche Konterfei ein altmodischeres Persönlichkeitsbild zu zeichnen. Die kompositorische Rahmung lässt den in Uniform ohnehin sein Amt betonenden Kaiser statisch wirken: Säulen­ paare auf beiden Seiten tragen ebenso zu diesem Eindruck bei wie das niedrige Mäuerchen, das ihn hier von der Parklandschaft geradezu abschirmt. Der hinter ihm stehende Polstersessel schafft zusätzlich Distanz zum Außenbereich. Markante Farbkontraste der Uniform, die – anders als die modische Robe der Kaiserin – definitionsgemäß wenig Variation erlaubt, unterstreichen einen Eindruck von Strenge. Im Gegensatz dazu bietet Elisabeths Umfeld ihr wesentlich mehr Freiraum. Nur auf einer Seite wird die Frau von grazilen Säulen begleitet, Natur und Himmel liegen weit vor ihr; die doppelt gedrehte Pose, ihre luftig-helle Designerrobe evozieren ein Gefühl von Leichtigkeit. Der begehbare Park in ihrem Porträt kontrastiert den Hintergrund des Kaiser-­Bildes, der das Überzeitliche eines traditionellen Regalienporträts spiegelt. Momentaneität ergibt sich in seinem Porträt allein aus der peripheren Unordnung des flüchtig über das Möbel geworfenen Kleidungsstücks. Es wirkt, als hätte Winterhalter dergestalt versucht, eine Korrespondenz zwischen beiden Bildern herzustellen. Denn für die Bildstimmung von Elisabeths Porträt ist das Momenthafte essentiell. In dem Portrait der Kaiserin appellieren haptische Reize an die Betrachterin und bestimmen einen fundamentalen Teil der Bildwirkung. Ihre Schulter scheint plastisch, Perlen­kette und Diamantsterne sind wie zum Anfassen ausgearbeitet. Und die – wie der Betrachter weiß, duftenden – Oleanderblüten gewinnen ebenso wie die wogenden Stoffbahnen synästhetische Qualität. Franz Josephs Bildnis erreicht keine ebenbürtige Appell­funktion. Das verhindern die weniger sinnlich konnotierten Bildzutaten und die geschlossene Bildkonstruktion. Winterhalter charakterisiert Elisabeth damit wesentlich aufgeschlossener und individueller als den Kaiser. Erklärbar sind die Unterschiede in der Darstellung mit der ungleichen Alltagsrealität der beiden Partner, die Winterhalter sicher nicht entgangen ist. Elisabeths Gesinnung war sehr liberal, dem entsprachen auch ihr Tagesablauf und die fortschrittliche Einrichtung ihrer Wohnräume. Franz Joseph hingegen war bekannt für eine konservative Lebens­weise und strenge Amtsausübung; technischen Neuerungen gegenüber war er skeptisch.291 Insofern entsprach Winterhalters differenzierte Darstellung der Ehepartner

291 Sobald es möglich war, hatte Elisabeth elektrisches Licht, eine Toilette mit Wasserspülung und fließendes Wasser installieren lassen, der Kaiser hingegen verzichtete auf Elektrizität und ließ sich Waschschüssel und Badewanne in sein Schlafzimmer tragen. Die Einrichtung ist in der Wiener Hofburg erhalten.

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82  Johann Jaunbersin: Audienzsaal in der Wiener Hofburg, um 1920, Öl auf Leinwand, 68 × 105 cm, ­Paris, Musée du Louvre

auch schlicht solchen Tatsachen. Franz Joseph jedenfalls bewertete auch sein Bildnis als „außerordentlich“.292 Elisabeths Rolle als Herrschergattin, der eben nicht die Regierung oblag, ermöglichte eine Variation der Gattungstradition und Reduzierung der Herrschaftszeichen. Der Kaiser als amtierender Regent hingegen musste seinen Stand, und vor allem seinen militärischen Status, auch bildlich eindeutig demonstrieren.293 Derart legitimiert das Uniformbildnis den offeneren Charakter seines Pendants. Die Gemälde hängen im 2004 eröffneten Sisi-Museum innerhalb der Wiener Hofburg.294 Während die Bildnisse heute damit im ehemals hauptsächlich privat genutzten Flügel der Hofburg zugänglich sind, wurden diese Auftragswerke der damaligen aristokratischen Gesellschaft im Leopoldinischen Trakt der Hofburg gezeigt. Das ist ­bedeutsam

292 Brief von Franz Joseph an seine Mutter Erzherzogin Sophie, 01.11.1864, abgedruckt in: Mayer 1998, S. 16. 293 Vgl. Theresia Hauenfels: Visualisierung von Herrschaftsanspruch. Die Habsburger und Habsburg-­ Lothringer in Bildern, Wien 2005, S. 297. 294 Sissi wurde die Kaiserin in Ernst Marischkas berühmten Filmen genannt; historisch belegt ist der Rufname Sisi, vgl. Unterreiner 2005, S. 12.

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83  Postkarte nach aquarelliertem ­Kupferstich von Louis Jacoby nach dem Gemälde von Franz ­Xaver Winterhalter, 1864, Postkarte, 14,5 × 10,7 cm, Wien, ÖNB

für die Funktionsbestimmung der Porträts.295 Ein Gemälde des Interieur­malers ­Johann Jaunbersin dokumentiert die Position der Porträts, die derjenigen zu Lebzeiten des Kaiser­paares entspricht (Abb.  82).296 Dort lagen die Ballsäle und das kaiserliche Zeremonialappartement. Zu jedem öffentlichen Anlass durchschritt ein erlesenes Publikum innerhalb des höfischen Zirkels, vom Ballhausplatz hinaufkommend, die repräsentativen Räume. Als Höhepunkt sahen sich die Gäste im Empfangssaal dann mit den offi­ ziel­len Staatsporträts von Franz Xaver Winterhalter konfrontiert.297 Die modische Robe der ­Kaiserin lässt sich mit dem Ort der Bildaufhängung vereinbaren: Davon ausgehend, dass das Porträt für eines der Zimmer im Leopoldinischen Trakt konzipiert war, tritt sie in dem Kleid auf, in dem sie sich auch unter ihre Gäste mischte. Winterhalters Porträt proble­matisiert mit bildlichen Mitteln subtil jenen Spagat zwischen Repräsentations­nähe und -distanz, der die Kaiserin lebenslang beschäftigte. Das Porträtpaar wurde trotz beziehungsweise gerade wegen der unorthodoxen Darstellungsweise der Kaiserin äußerst populär. Der Ruhm der Gemälde drang bis M ­ exiko vor: Die Originale wurden von Winterhalter und seiner Werkstatt einmalig in Öl k­ opiert

295 Dieses Faktum erstmals berücksichtigt bei Hensel 2016, S. 167. 296 Für diesen Hinweis sei Bernhard Macek, Historiker und Mitarbeiter der Wiener Hofburg, gedankt. 297 Die Bildnisse wurden 1865 im Rahmen einer Neugestaltung des Empfangssaals (Audienzzimmers) dort aufgehängt; vgl. Brief von Margarethe Poch-Kalous (Direktorin der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien) an Veronique Bouton, 25.10.1971, Paris, Musée du Louvre, Service d’étude et de documentation.

5. Kaiserin à la mode

und dem verwandten mexikanischen Kaiserpaar geschenkt.298 Großformatige Foto­ abzüge der Ölporträts waren ebenfalls in Umlauf.299 Außerdem fertigte Louis Jacoby Kupferstiche an. Der Stich der Kaiserin war ab 1864 auch als kolorierte Postkarte zu erwerben und das Winterhaltersche Porträt Elisabeths reüssierte noch 1873 auf der ­Wiener Weltausstellung (Abb. 83).300 Winterhalters Porträts trugen maßgeblich zur Verbreitung der (neuen) kaiserlichen Außendarstellung bei. * Im Pariser Atelier Winterhalters wurde das Bildnis der Elisabeth von Österreich in Balltoilette im Mai 1865 öffentlich ausgestellt.301 Es stimulierte bereits vor seiner Reise nach Wien den Ruhm von Elisabeths Schönheit. Winterhalter verewigte ein den Zeitgeschmack spiegelndes Kaiserinnenideal. Er inszenierte für das neugierige Volk zugleich ein neues Image der Habsburger Monarchie. Elisabeths Leben seit 1868 bildete nahezu einen Gegenentwurf zu der modernen von Winterhalter gewählten Bildnisform. Sie nahm sich gewissermaßen selbst aus der ­Mode, indem sie keine aktuellen Porträts mehr von sich zuließ, schwarze Kleidung trug und ihr Äußeres mit Hilfe von Fächern und Schleiern vor neugierigen Blicken zu schützen wusste.302 Der heterogene Eindruck, den Fotografien und Porträts, die andere Künstler von Elisabeth schufen, vermitteln, ist vor allem dieser gezielten Repräsentationsverweigerung zuzuschreiben. Flaniert man heute durch Wien, hat besonders dieses Bildnis der Kaiserin von der Hand Winterhalters Kultstatus erreicht und ist präsent wie nie zuvor.303 Kaum ein Herrscherinnenporträt ist prominenter, keines wurde etwa im Spielfilm und vor allem in Form

298 Vgl. Angelina Pötschner: Die Porträts Kaiser Franz Josephs und Kaiserin Elisabeths. Anlässlich des hundertfünfzigsten Jahrestages der Thronbesteigung Franz Josephs und des hundertsten Todestages Elisabeths, in: Arx 20-2/1998, S. 15–22, S. 19. 299 RCIN 607145. 300 Friedrich Pecht: Kunst und Kunstindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873, Stuttgart 1873 (Pecht 1873a), S. 44. Es hing dort allerdings neben dem Porträt des Kaisers von Franz von Lenbach (1873, Kunsthistorisches Museum, Wien). 301 Vgl. Panter 1996, S. 135. 302 Vgl. Hamann 1982, S. 6. Es ist nicht zu beweisen, dass Elisabeth für die Veröffentlichung ihrer Bildnisse eine Auswahl getroffen hätte, wie zuweilen behauptet; vgl. Dogramaci 2011, S. 75; vgl. Andreas Honegger: Die Blumen der Frauen. Blumensymbolik in Gemälden aus sieben Jahrhunderten, München 2011, S. 102. Später interessierte Elisabeth sich insofern für ihr Image, als sie in ihrem Testament bestimmte, dass ihre poetischen Tagebücher 60 Jahre nach ihrem Ableben veröffentlicht werden sollten; vgl. zum spektakulären Fund ihres poetischen Tagebuchs Hamann 2008, S. 9–38. 303 Vgl. zur bürgerlich-sentimentalen Rezeption Elisabeths als Kultfigur Schulte 1998, S. 99 ff.

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III.  Die Modeporträts

von Souvenirs stärker vermarktet als dieses Bildnis der als „Sisi“ bekannten Kaiserin.304 Trotz des seinerzeit zeitgemäßen Habitus’ besitzt das Porträt überzeitlichen Charakter.

304 Zur Vermarktung der Kaiserin und besonders des Porträts von Winterhalter in Form von Souvenirs als Restauration eines ganzen Volksimages vgl. Anonym: Sissimania. Si Sissi voyait ça, in: Figaro Madame, 20.08.1994, S. 72–75.

Schlussbetrachtung: das Porträt der ­Herrscherin als gesellschaftlicher Identitätsstifter und ­politischer Legitimationsfaktor “All you really have of the queen is images.”1 Paul Moorhouse

Den politischen Kommunikationsraum bespielten im 19. Jahrhundert umfassend Porträts von Herrschern und Herrscherinnen, die ihren Machtstellungen visuell Ausdruck ver­liehen und den Regierungen ein Gesicht gaben – selten traten einzelne Regierungspolitiker in das Rampenlicht. Konsequent warb während der hier ins Visier genommenen Jahrzehnte die Herrscherin öffentlich für die Institution Monarchie. Als Stimulus für einen gesellschaftlichen „Resonanzboden“ (Gerhard Göhler) hatte das Porträt der ­Monarchin wesentlich Anteil an politischer Legitimation. Anhand von Herrscherinnenporträts des europaweit tätigen und äußerst produktiven Hofmalers Franz Xaver Winterhalter wurden drei herrschaftskonstituierende Strategien herausarbeitet, die in drei hier neu entwickelten und definierten Gattungs­termini – Tugendporträt, Regalienporträt und Modeporträt – sprachlich knapp gefasst werden können und zukünftiger Forschung helfen sollen, klarer argumentieren zu können. Ausführliche Einzelanalysen der Bildnisse, ihrer Ausstellungspraxis und Rezeption in der Öffentlichkeit ermöglichten diese gattungstheoretische Klassifizierung und schließlich eine systematische Einordnung in jeweilige Bildnisprogramme. Die Untersuchung ermittelte, wie Anerkennung von Herrschaft gelenkt zu werden vermag, und de­monstrierte deren Abhängigkeit von Regime, Amt, Geschlecht und Individuum. Der weibliche monarchische Körper bot im 19. Jahrhundert eine fruchtbare ­Fläche für vielfältige Zu- und Einschreibungen verschiedenster Images und Rollen, die die ­Höfe in einem auf die Zielgruppen abgestimmten Medien-Mix stets flexibel auszutarieren wussten. Winterhalter entwickelte in Zusammenarbeit mit den Dargestellten zielbewusst Rollenbilder, welche Hof und Herrscherin eine individuelle Identität verliehen. Das ­Porträt der Herrscherin spiegelte im 19. Jahrhundert nicht nur sozialen Wandel, sondern 1

Kurator Paul Moorhouse in einer Presseerklärung zur Ausstellung The Queen: Art & Image in der National Portrait Gallery London 2012, https://www.artnews.com/art-news/news/addressing-thequeen-506/ (letzter Aufruf: 30.11.2022).

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Schlussbetrachtung

beantwortete ihn und trieb ihn sogar an. Entsprechende Ergebnisse haben eine Neubewertung der Relevanz des Herrscherinnenporträts innerhalb höfischer Bildnisprogramme zur Folge und werden hier auf vier Ebenen reflektiert. Ein Ausblick skizziert abschließend die Auswirkungen auf den weiblichen politischen Körper innerhalb heutiger Repräsentationsprozesse. Bildnisprogramm und Variabilität: Legitimation als Prozess Aufgrund der Prämisse, dass Legitimation grundsätzlich Prozesscharakter besitzt, erhält das monarchische Porträt nicht nur eine unbestreitbar kommunikative, sondern eine elementare herrschaftskonstituierende Funktion. Erst die Verbindung der einzelnen ­Porträts im Rahmen eines Bildnisprogramms lässt belastbare Aussagen über politische Botschaften zu. Das Imageumfeld ignorierende Werkanalysen laufen Gefahr fehler­an­ fällig zu sein; die Solo-Bearbeitung von Tugend- oder Modeporträts haben in der Forschung zu hier kritisch aufgearbeiteten Interpretations(kurz)schlüssen animiert, die beispielsweise für die Bildnispolitik Victorias eine dominierende „Verbürgerlichung“ registrierten oder Eugénie auf eine Rolle als „Modeikone“ festlegten. Das Konzept, Winterhalters Werk zu gruppieren, erweist sich als erfolgreich. Allein, dass Winterhalters Porträts sich im Ganzen sinnvoll kategorisieren ließen, illustriert, wie sorgfältig nach strategisch angelegten Legitimationsmustern Repräsentation betrieben wurde. Die sorgfältige Splittung eines Bildnisprogramms in verschiedene Rollenbilder vermeidet Gattungskonflikte und ermöglicht eine problemlose Rezeption der Bildbotschaften. Mit dem Ziel Modi von Herrschaftssicherung über den Gattungsbegriff herausfiltern zu können und derart vergleichbare Parameter zu schaffen, wurde eine bisher fehlende tragfähige Nomenklatur ausgebildet, welche die bestehende kunsthistorische Terminologie erneuert. Diese Termini machen die sowohl thematische als auch in Hinblick auf die Bildrhetorik und Betrachteransprache bestehende Vielfältigkeit anschaulich. Drei ­ onarchien Mechanismen von Herrschaftsanerkennung nutzten die hier betrachteten M parallel: Dass die politische Bildnisproduktion in einem dialogischen Wechselverhältnis mit gesellschaftlich vorherrschenden Tugendidealen stand, veranschaulichten die Tugendporträts. Jene boten im 19. Jahrhundert ein klassenübergreifendes universales Schema von idealem Menschsein an, auch im aufklärerischen Sinne. Eine emotionale Binnenstruktur verknüpft Modell und Betrachterin. Zu dieser Bildnisgruppe zählen Kategorien, die zwischenmenschliche Beziehungen thematisieren, wie das Familienbildnis, der Porträttypus des liebenden Ehegatten oder die Darstellung der Elternrolle, ebenso wie Bildnisse, die einen Dienst an der Gesellschaft spiegelnden geschlechterstereotypen Werte­ kanon wie Arbeitsethos oder Bildung aufrufen und in diesem Sinne auch als exempla ­virtutis dienten. Einblicke in zahlreiche Ego-Dokumente belegen, dass die Tugend­ porträts sowohl Ergebnis zielgruppenorientierter Werbemaßnahme als auch Ausdruck veränderter Mentalitäten waren. Herrscher und Herrscherinnen besetzten in einem

Schlussbetrachtung

schichtenübergreifenden dialogischen Prozess einen einflussreichen Posten als Werteproduzenten und Wertevermittler. Hauptziel von Tugendporträts ist die Evokation von Emotion im Betrachter mit narrativen und psychologisierenden Inhalten. Mit dem Ziel, Identifikationsanstöße zu platzie­ren, wurden Tugendporträts weitreichend publiziert. Sich verändernde Vorstellungen von Berufs- und Privatleben dosierten die Inhalte, wie beispielsweise der ­Porträttypus der Geliebten offenbarte; öffentlich propagierte Tugendideale fanden hier nicht un­reflektiert Eingang in Hofporträt und Alltag, sondern wurden durchaus individuell abgewandelt. Zu jedem der hier bearbeiteten Bildnisprogramme gehören Regalienporträts. Deren Verbreitung verdeutlicht, dass die Legitimationsbasis der Monarchien, ihr Selbstverständnis als herrschende Elite, sich im 19. Jahrhundert nicht wesentlich verändert ­hatte, dass Volksnähe und Identifikationspotentiale stets begleitet wurden von transparent artikuliertem Führungsanspruch, der die Herrschenden auf den Thron und damit außer soziale Reichweite hob. Dieser Porträttypus kontaktierte die Betrachterin über Bildtradition, die, selbst wenn das Gottesgnadentum an Überzeugungskraft verlor, über die gemeinsame Geschichte und Erinnerung emotional verbinden sollte. Bildargumentativ akquiriert das Regalienporträt Anerkennung von politischer Macht über traditionell männlich konnotierte Eigenschaften wie Stärke oder Größe; Bildelemente und Regalien weisen auf Stabilität, Tapferkeit oder Durchsetzungskraft. Zwischen politischen Positionen wurde sorgfältig differenziert: Deshalb unterscheiden sich die vordergründig ähnlich aussehenden Regalienporträts von Victoria und Eugénie maßgeblich in Bezug auf die Informationen über politische Machtbefugnis: Steht Victoria vor ihrem Regierungssitz, ist Eugénie vor dem Park eines Nebenschlosses verortet. Winterhalter fertigte für diejenigen Höfe, für die er sonst keine oder nur wenige Bildnisse schuf, zumindest Regalienbildnisse an, die monarchische Distinktion kommunizieren.2 Ein Regalienporträt wurde im 19. Jahrhundert am seltensten bestellt, war jedoch sehr oft in der Öffentlichkeit präsent, ja lieferte meistens die Grundlage fast jeder Imagekampagne. Offenbar konturierte es Machtanspruch auf zeitlose Weise und konnte beliebig perpetuiert werden. Boten Tugendporträts Identifikationsoptionen, entfachten Modeporträts integratives Potential. Die Monarchin als Modehandelnde entwickelte oppositär zum Prinzip von Kleiderordnungen den traditionellen aristokratischen Modus des modischen Vorbilds weiter, indem es diesem nun nachzueifern galt. Hier definiert die zeitliche und ört­ liche Verbindung von Modell und Betrachter über Mode die Porträtgattung. Indem das Mode­porträt explizit zur Nachahmung und Teilhabe am Modesystem animiert, stößt es 2

Neben den in der vorliegenden Arbeit analysierten Gemälden fertigte er (teilweise heute verschollene) Regalienporträts an für die Herrscherhäuser der Niederlande, Spaniens, Portugals, Belgiens, Preußens, Württembergs.

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Schlussbetrachtung

einen vertikalen Kulturtransfer an. Mode funktioniert nicht nur als strukturbildendes ­Medium, sondern die Modepraxis zeigt auch Verzerrungen und Destabilitäten sozialer Ordnungen an. Dass Winterhalter besonders mit Modeporträts reüssierte, lag an e­ iner zunehmenden Verschränkung der Bereiche Kunst und Wirtschaft gerade über ­Mode und mit ihr verbundene Konsumprodukte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; eine Verschränkung, welche auch die Weltausstellungen symbolisierten, auf denen Winterhalter stets vertreten war. Trotzdem sind Modeporträts keine Erfindung des 19. Jahrhunderts, zu anderen Zeiten war es ebenso gängig, neueste Schnitte und feine Stoffe in bestmöglicher Pose darzubieten und darüber Botschaften über den eigenen Status zu senden. Neu waren nun die drastische Geschlechterspezifik, die mediale Intensität und das gesellschaftsdynamisierende Moment, welche Modeporträts in der Jahrhundertmitte zu noch stärkeren Anker­punkten innerhalb sozialer Interaktionsprozesse werden ließen. Vor allem mit der Analyse von Modeporträts konnte die vorliegende Studie auch einen kritischen Beitrag ­leisten zur Sphärentheorie und verdeutlichen, dass die Präsenz und die Sichtbarkeit von Frauen in der Öffentlichkeit zu Winterhalters Zeiten politische Relevanz besaß. Diese drei neu definierten Bildnis-Gattungen lassen sich sinnvoll unter dem Aspekt des Legitimationsmechanismus charakterisieren. Anerkennung von Herrschaft wird gestiftet: über moralisches Urteil und sozial verbindende Identifikation (Mensch-wie-Duund-Ich-Gefühl durch Tugendporträts), durch sozial trennende Bewunderung (Personen­ kult durch Regalienporträts) und schließlich über zunächst sozial trennende Bewunderung mit dem integrativen Appell sozial verbindender Nachahmung (Personenkult durch Mode­porträts). Stellen Tugend- und Modeporträts Nähe und Authentizität her, bilden Regalienporträts ein soziales Podest. Regalienporträts regulierten im 19. Jahrhundert folglich die Wirkung von Tugend- oder Modeporträts. Für Nutzung und Inhalt der Winterhalterschen HerrscherInnenporträts sind innerhalb des 19. Jahrhunderts wenig lineare Entwicklungsmuster zu erkennen, weder national noch innerhalb eines Regimes. Zwar zeigten sich männliche Herrscher gern mit den üblichen Regalien und weibliche grundsätzlich facettenreicher, zusätzlich zum Regalienporträt formten öfter Tugend- oder Modeporträts, zu denen keine Pendants existierten, ihr Image. Zwar bestellte die victorianische Monarchie bei Winterhalter hauptsächlich Tugend- und Regalienporträts; und für das Second Empire fertigte Winterhalter eher Regalien- und Modeporträts an – Bezugnahmen zur nationalen Historie, es konnte dargelegt werden, ließen diese Unterschiede nachvollziehen. Jedoch enthüllt der genaue Blick ein weitaus differenzierteres Vorgehen der Höfe: Stieg der Anteil an Pomp während Victorias Regierungszeit an, versuchten im Second Empire gegenteilige Strategien, nämlich Verringerung von Pomp und mehr Individualisierung, die Herrschaft zu legitimieren. Selbst unter einem Herrscher(paar) sind Richtungswechsel auszumachen: Louis-Philippes Porträts wurden im Gegensatz zu denen Marie-Amélies machtgreifender. Eugénie formulierte zunehmend Macht­ansprüche,

Schlussbetrachtung

­ apoléons III. neue Regalienporträts hingegen nahmen Abstand von traditionellen N Machtzeichen und zeigen ihn individueller. Queen Victorias wiederum nahmen an Emblematik zu. Elisabeth von Österreich ließ Winterhalter ein zeitaktuelles Modeimage konterfeien, während ihr Ehemann Kaiser Franz Joseph an konventioneller (Bild-)Tradi­tion festhielt. Sozialstrukturelle Bewegungen „von unten“ wie „von oben“ beeinflussten die Bildnismachung gleichermaßen, die Höfe waren sowohl Vorreiter als auch Nachahmer.3 Dieser Einsatz von Poly-Images ist als bewusste Taktik von Seiten der Höfe zu identifizieren. Oft als charakteristisch für das 19. Jahrhundert genannte Entwicklungen wie „Individualisierung“, „Konstitutionalisierung“, „Mobilitätszunahme“ oder „Durch­setzung der Marktwirtschaft“ infizierten die monarchische Bildnisproduktion zwar, doch bezeugt die vorliegende Studie, dass ebenso oft an etablierten Traditionen festgehalten wurde.4 Kontinuität und Wandel hielten sich die Waage. Für das hier behandelte Material irritiert daher eine klare Zäsur für höfische Kunst um 1800, ja, sie führt zu falschen Schlussfolgerungen. Vielmehr lassen sich nach Art der longue durée für politische Ideologien, klassenspezifische Charakterisierungen und Machtverhältnisse, für Tugendkanones, Geschlechterzuschreibungen oder Konsumverhalten wesentlich längere und übergreifende Entwicklungs- und Diskurszeiträume ausmachen. Veränderungen in der Modewelt fordern bezüglich des Modeporträts eine Zäsur um 1855 zu setzen. Nicht klare Entwicklungslinien, sondern die umfassende Bereitschaft und Möglichkeit, flexibel und variabel zu agieren, charakterisiert die höfische Öffentlichkeitsarbeit mit Winterhalters Bildern. Dass Herrscherinnen und Aristokratinnen ihre Repräsentationsstrategien seit Jahrhunderten nuanciert zu erweitern wussten, konkretisieren seit Längerem Forschungsergebnisse zur Frühen Neuzeit.5 Im 19. Jahrhundert dennoch als neuartig und erstmalig zu bezeichnen ist solche hier herausgearbeitete Vielfalt im Zusammenhang mit dem sich sukzessiv vergrößernden medialen Kommunikationsraum. Nicht nur das Volumen, auch die Typenvielfalt steig an, man denke beispielsweise an das Porträt der Geliebten. Eine neue „visuelle Erwartungshaltung“ (Gottfried Boehm) provozierte diese neue Bildervielfalt. Hybride Imagekörper aggregierten zu differenzierten Bildnisprogrammen. 3

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Dies stellte Martin Warnke bereits für das 16. Jahrhundert fest: „[daß] die herrschaftliche Bildproduktion […] von ‚oben‘, vom Besteller zwar veranlaßt, deshalb aber von diesem noch nicht besetzt und ­determiniert sein muß“. Id. 1992, S. 27. Bereits Kocka 2001, S. 150, „man unterstellt keine lineare Entwicklung und keine scharfen Zäsuren am Anfang und am Ende der Epoche“ (S. 151), man weiß, dass Prozesse zeitversetzt, nicht „zeitgleich“, „mit unterschiedlichen Tempi, aber mit Wechselwirkung zwischen Ökonomie, Verfassung, Sozialstruktur und Kultur“ verliefen (S. 152). „,Partielle Modernisierungen‘ waren die Regel, tiefe Spannungen und Krisen die Folgen.“ (S. 152). Vgl. umfangreich Telesko/Hertel/Linsboth 2020; vgl. Schneider 2019; vgl. Telesko 2016; Paulmann 2000, S. 394 bezüglich Monarchenbegegnungen im 19. Jahrhundert: „Monarchen verkauften sich gut […], weil sie mit verschiedenen Deutungen belegbar waren: als Vertreter nationaler Ehre, als Akteure im internationalen Prestigestreit und als Objekte wie Subjekte demonstrativen Konsums.“

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Schlussbetrachtung

Imageproduzent: Winterhalter als Marke Das Werk des europaweit wirkenden, kulturtransferierenden Malers Franz Xaver Winter­ halter in das Zentrum der vorliegenden Arbeit zu stellen, ermöglichte, Aussagen über biografische oder nationale Grenzen hinaus zu treffen. Der Porträtist erweist sich als ServiceKünstler, dessen künstlerische Selbstentfaltung weniger im Fokus seines Schaffens stand. Winterhalters Talent konzentrierte sich auf die darzustellende Person und trat damit in den Dienst der politischen Repräsentation. Die Diskrepanz zwischen künstlerischem und kommerziellem Erfolg bedeutete für ihn keinen Missstand. Sein Ziel war, Auftraggeber und Publikum zufrieden zu stellen, mehr noch, als die Kunstkritik zu begeistern. Der trotz seiner zahlreichen Titel als Hofmaler selbstständige Winterhalter operierte als ein flexibler und mobiler Partner in Repräsentationsfragen. Er verstand die ­Monarchie zu keinem Zeitpunkt als Institution, die es künstlich am Leben zu halten galt. Seinerzeit (und noch bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges) blieben bis auf Frankreich alle von ihm belieferten Länder Monarchien. Winterhalters Werk fächert die Wünsche seiner Auftraggeber auf und demonstriert seine Kompetenz, für verschiedene politische Systeme, Nationalitäten und Geschlechter passende Images herauszustellen und diese an der Erwartungshaltung der Betrachterin genau auszutarieren. Das politische Gegenüber blickte bisweilen auf andere Porträts oder Formate als die breite Medienöffentlichkeit oder monarchische Netzwerke. Winterhalters Œuvre spiegelt die Vielschichtigkeit des gattungstheoretischen Porträt­ diskurses des 19. Jahrhunderts, der zwischen Schlagworten wie Ähnlichkeit und Identität changiert. Beispielsweise beurteilte Queen Victoria jedes fertiggestellte Werk zuerst auf Ähnlichkeit, ein Wunsch, den Winterhalter offenbar stets zu ihrer Zufriedenheit erfüllte. Jedoch schuf der Künstler zeitgleich stark idealisierte Porträts, besonders deutlich 1854 für das französische Herrscherpaar, um der Idee von Kaisertum ganz allgemein Ausdruck zu verleihen. Ebenfalls fokussierten viele seiner Modeporträts eine mediale Nähe zu Modefigurinen. Die Ausbildung von Klassenidentität und Image dominierte hier die Ausformung individueller Physiognomie. Winterhalters Erfolg verantwortete sein beständiges handwerkliches Talent und sein Sinn für umfangreiches und zuverlässiges Qualitätsmanagement. Sein Atelier kümmerte sich um Rahmung, Vervielfältigung und hielt sich zuverlässig an Terminabsprachen, es wurde an Beispielen dargelegt. Doch nicht die handwerklichen und organisatorischen Aspekte allein waren ausschlaggebend für seinen Erfolg, sondern in erster Linie seine Fähigkeit, die Dargestellten in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Individuum und Epochentypus zu konterfeien. Winterhalter stand meistens im engen Austausch mit den Modellen, welche Anteil und Mitspracherecht an der Bildwerdung hatten. Seinen Modellen verlieh er stets bildliches Selbstbewusstsein und ermöglichte ihnen, wenn man so will, einen starken Auftritt auf politischer Bühne oder gesellschaftlichem Parkett. Der Künstler brachte immer wieder innovative Ansätze ein, band die Bildargumentation aber stets an gewohnte Traditionen.

Schlussbetrachtung

Die Porträts waren Hingucker in jeder Ausstellung. Im Laufes des 19. Jahrhunderts kam dem Farbauftrag eine geradezu programmatische Bedeutung zu; Kunstkritiker ­lasen diesen als aristokratisch oder bürgerlich, weiblich oder männlich.6 Winterhalter war ein Meister des fini, das in der zeitgenössischen Kritik den Gegenpart zum pastosen als bürger­lich geltenden Farbauftrag stellte und rehauts nur gezielt gesetzt als Betonung kleiner Bilddetails zuließ.7 Er setzte derart Schmuck oder Rosen in Szene, sein Duktus verlieh den Bilddetails haptische Qualität. Traditionell für die Darstellung der Aristokratie und seinerzeit besonders von Frauen gehörte sich eher ein glatter Farbauftrag. Winterhalters Malweise allein legte ihn also bereits auf eine bestimmte Klientel fest. Mit seinem wiedererkennbaren Stil gab Winterhalter der Institution Monarchie euro­ pa­weit ein Gesicht; er garantierte seit um 1850 ein bestimmtes Image und avancierte zu ­einer Marke. Trotz der für das späte 19. Jahrhundert oft konstatierten Nationalisierungstendenzen ist seine Tätigkeit noch bis in die späten 1860er Jahre eher als verbindende zu verstehen. Der sich in ihm manifestierende künstlerische Zusammenhalt der Höfe setzte synergetische Effekte frei und legitimierte auch so ihren Anspruch auf Herrschaft. Winterhalters innovative Leistung – dies macht die vorliegende Untersuchung deutlich – liegt im Herrscherinnenporträt. Die Isolierung und Monumentalisierung der Frau, eine neue, auch erotische Körperlichkeit im Porträt der Herrscherin erhöhte ihren Stellen­wert innerhalb höfischer Kommunikationsstrukturen. Mit populären Images der Herrscherin erschuf Winterhalter im öffentlichen Raum eine weitreichende und stabile Repräsentationsrealität. Rezeptionskontext und Medienmix Die von Winterhalter angefertigten Bildnistypen bedienten einen sich aufgrund neuer Abbildungstechnologie stetig ausdifferenzierenden Kommunikationsraum. Anhand vieler bisher nicht mit Winterhalter in Zusammenhang gebrachter Quellen zeichnet die vorliegende Studie nach, auf welchen Wegen sich die verschiedensten Adressaten das Bild der Herrscherin aneigneten. Neueste Verbreitungs- und Konsum-Möglichkeiten nahmen konzeptuell Einfluss auf das HerrscherInnenporträt. Die Bedeutung der unterschiedlichen Bildträger ­wandelte sich und verantwortete transmediale Wechselwirkungen zwischen Modeillustration, carte de visite und höfischem gemalten Modeporträt. Günstiger herzustellende Drucke, Fotografien, illustrierte Zeitschriften und Zeitungen konkurrierten mit großformatigen Ölporträts. Stiche und Fotos ermöglichten es, die Porträts zu sammeln oder zu ­Hause aufzuhängen; Ausstellungsbesucherzahlen beziffern, dass gleichzeitig die Nachfrage, die großformatigen und farbigen Originale zu sehen, hoch war. Das lebensgroße Ölbild besaß wohl eine umso größere Strahlkraft, wenn man es schon kleinformatig reproduziert 6 7

Vgl. zur Soziologie des Farbauftrags in den Kunstkritiken Krüger 2007, bes. S. 67 ff., S. 73, S. 78. Vgl. ibid., S. 12.

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in der Hand gehalten hatte. Erst die monumentale Größe samt Farbigkeit wird den Betrachter auf emotionaler Ebene optimal beeindruckt haben, wie etwa die strategische Ausstellungspraxis von The Royal Family in 1846 exemplifiziert. Der Alltag des Volkes erfuhr eine Monarchisierung; und zugleich fand eine Veralltäglichung und Konsumierung von Monarchie statt. Auf vielen Ebenen indizierte solcher Bilderkonsum politische Legitimation. Das Erscheinen von Winterhalters Herrscherinnen­ porträts in Zeitungen, die massenhafte Begeisterung vor den Originalen oder der Kauf von Reproduktionen sind als Zustimmung der Gesellschaft zum bestehenden politischen Regime zu werten. Und andersherum: Kritik an der stetig mehr Macht betonenden Ikono­grafie Louis-Philippes oder auch das abwertende Urteil bezüglich der neuen Regalienbildnisse von Napoléon III. waren als mögliche Vorboten versagender politischer Regime zu analysieren. Gewinnbringend war der Abgleich von Bildnisintention und tatsächlicher Bildannahme. Denn nicht immer erreichte die beabsichtigte Botschaft auch die Betrachterin. Wie hier erstmals dargelegt, manifestierte Eugénie mit ihrem Regalienbildnis von 1862 zwar bildargumentativ ihren Machtanspruch auf politische Teilhabe, die Kunstkritik jedoch rezipierte das Gemälde als Modeporträt mit dem Ziel, Eugénies Präsenz aus dem entscheidungspolitischen Kommunikationsraum zu stoßen und ihr Image senatsfern in gendergerechte Kanäle zu lenken. In der Folge wurde das Regalienporträt tatsächlich als Modeporträt wahrgenommen und stieß sogar neue Trends an. Die Bildrezeption ­konnte also zu entscheidungspolitischer Schwächung beitragen. Auch an anderer S­ telle erwies sich der Blick auf den Rezeptionskontext als informativ: Porträts von ­Victoria und ­Elisabeth von Österreich, von der Forschung bisher als privat oder intim eingeordnet, trugen maßgeblich zur öffentlichen Imagebildung der monarchischen Familien bei. Die Art der Verwendung eines Porträts konnte mobilisierend auf die Argumentation der Bildrhetorik einwirken. Nicht nur der Inhalt, auch die Häufigkeit der Reproduktion, ja die reine Präsenz von Winterhalters Porträts konnte dynastische Versicherung und Zusammenhalt festigen. Eine Vielzahl an Kopien oder Fotoabzügen, die in anderen monarchischen Haushalten, in Arbeits- und Wohnräumen hingen oder auf (Schreib-)Tischen standen, versicherten jedem Betrachter europäische höfische Solidarität. Wie um die eigene politische Position zu bestätigen, teilte man sich einen Hofmaler und stellte die Verwandten und Bekannten gegenseitig aus.8

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Auch Johannes Paulmann konstatiert bezüglich Monarchenbegegnungen: Mitte des 19. Jahrhunderts überwogen „bezogen auf die monarchische Herrschaft […] die Gemeinsamkeiten. Insbesondere in den Methoden, wie die Monarchen ihre Position zu sichern trachteten, ist eine Verwandtschaft zu erkennen.“ Id. 2000, S. 330 f.

Schlussbetrachtung

Imagedeterminante Geschlecht Die Determinante Geschlecht zur Konstruktion eines Images in der Öffentlichkeit analytisch zu betrachten, ist wesentlicher Inhalt und Fokus der vorliegenden Arbeit. Zahlreiche Beispiele illustrieren, dass weibliche Herrscherporträts eine Fülle von gesellschaftlich relevanten Themen im politischen Kommunikationsraum zu verhandeln hatten und monarchische Repräsentation wesentlich an weibliche Körperbilder gebunden war. In Winterhalters Werk bestimmt das Geschlecht die Vielfalt des Bildnisprogramms. Herrscherinnen beauftragten öfter Tugendporträts als Herrscher; auch Modeporträts forderten spätestens seit der Jahrhundertmitte hauptsächlich Frauen. Regalienporträts wurden grundsätzlich für Herrscherin und Herrscher hergestellt, unabhängig davon, wer von beiden regierte. Winterhalters Programm von der einzigen regierenden Frau, Queen Victoria, ähnelte sehr viel stärker den Bildnisprogrammen weiblicher consorts, als denen männ­licher regierender Herrscher. Geschlechterdifferenzierung ist bereits in der Gestik angelegt: Weibliche ist vor allem anmutig, die Hände halten seltener Gegenstände als männliche Herrscher, wenn sie es tun, dann sind es Blumen, Fächer, Handschuhe, oder sie bieten ­einen modehandelnden Griff an die Robe. Männliche Gestik hingegen ist meist kraftvoll, die Hand ist zur Faust geballt oder greift Machtinsignien, wie Napoléon III. die main de justice oder der Großherzog von Baden die Dokumentenrolle.9 Die genaue Analyse enthüllt, dass zu unterscheiden ist zwischen den breitangelegten und publikumswirksam entworfenen Bildnisprogrammen für den gesamten öffentlichen Raum und einer zielgruppenausgerichteten Auswahl, die speziell auf regierungspolitische Betrachter einwirken sollte. Innerhalb der politischen Entscheidungs- und Regierungssphäre überwogen Regalienporträts. Diese hingen in Regierungsgebäuden und Botschaften an prominenter Stelle. Erster Bildadressat war das regierungspolitische Gegen­über. Deshalb stimulierten die das historische mystische Gewicht aufrufenden Regalienporträts des victorianischen Herrscherpaares alle politischen Besucher auf dem Weg zu ihnen visuell und erinnerten diese an das politische Gewicht der Monarchie. Innerhalb dieses Funktionsfeldes waren Regalienporträts konkurrenzlos. Die dezidierte Demonstration von Machtansprüchen und Entscheidungsgewalt war im 19. Jahrhundert wesentlich an traditionell maskulin konnotierte Attribute gebunden und über jene einfacher und überzeugender zu kommunizieren. Vor Politikern wurden Entscheidungsbefugnis und Machtansprüche klar konturiert, folglich sahen diese beispielsweise vor wichtigen Gesprächen auf männlich konnotierte Machtzeichen wie die Demonstration von Stärke, Größe, Stabilität – auch im weiblichen Herrscherporträt. Die breite Öffentlichkeit sah aber wenig Unterschied in den Bildnisprogrammen. Hinsichtlich der Distribution eines monarchischen Images sind hier Regalienbildnisse 9

Vgl. ähnliche Ergebnisse für die politische Repräsentation im Umfeld Maria Theresias bei Banakas/ Hertel 2020, S. 206.

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Schlussbetrachtung

funktional gleichwertig neben Tugendporträts und Modeporträts einzuordnen. Dies gilt für alle hier analysierten weiblichen Herrscherinnen, unabhängig davon, ob sie regierten oder nicht. Die Geschlechterrolle erfüllte als dominierendes gesellschafts-strukturbildendes Element Erwartungen; ja mehr noch konnte eine permanente Aufführung bestimmter Geschlechterstereotype gerade in weithin sichtbaren politischen Porträts zu ­einer Festigung eben dieser Geschlechtskonstruktionen beitragen. Dass im politischen Rahmen das männliche Geschlecht klar mit aktivem Politik­ machen verflochten war, manifestiert sich auch in den Porträts von Prinz Albert. Dessen Repräsentationsmodus lässt sich weder mit weiblichen consorts noch mit männ­lichen regierenden Herrschern vergleichen: Stets nahmen Winterhalters Porträts Bezug auf ­Alberts sozialpolitisches Engagement und thematisierten dessen aktiven Einfluss auf die britische Politik und Gesellschaft. Nur teilweise überschneiden sich in Alberts Porträts traditionell weibliche und männliche Handlungsfelder. Das Modeporträt des 19. Jahrhunderts symbolisiert am deutlichsten eine Trennung der Geschlechter innerhalb von Repräsentationsprozessen: Hier konnte deutlich gemacht werden, wie stark Kleidung Anteil hat an der sozialen Konstruktion von Identitäten. Weibliche Modeaffinität als Gegenpol zu Politik und Arbeit erweiterte Möglichkeiten geschlechterbasierter Inszenierungsstrategien. Das Modeporträt demonstriert ­eine Erhöhung der Visibilität von Herrscherinnen, und allgemein von Frauen, im öffent­lichen Raum; gleichzeitig stigmatisierte die Botschaft jedes Modeporträts ihr Modell als politisch mitsprachelos. Dies betraf innerhalb des hier bearbeiteten Materials besonders ­Eugénie, deren politische Ambitionen fortwährend geschwächt wurden durch harte Kritik und öffentliche Etikettierung als Modeikone. Kritisch zu sehen sind deshalb solche Schlussfolgerungen von Wissenschaftlern, die am Beispiel Queen Victorias eine Feminisierung von Monarchie im 19. Jahrhundert ausmachen und daraus logisch eine Verringerung ihrer politischen Macht ableiten.10 Anteil an politischer Repräsentation und Anteil an entscheidungspolitischem Machtbesitz ­stehen kaum in Relation und sind auch nicht gleichzusetzen mit politischer Relevanz für Herrschaftskonstitution. Es gilt zwischen politischer Relevanz für Herrschaftskonstitution und politischer Relevanz als Machthaber zu unterscheiden. Der methodische Gender-­Blick war für die entsprechende Analyse förderlich. Das Porträt der Herrscherin im Werk von Franz Xaver Winterhalter markiert einen essentiellen Legitimationsfaktor für Monarchie. Es war konstitutives Element von Herrschaft. Die Herrscherin bot Identifikationsmöglichkeiten als Projektionsfläche gesellschaftlicher Phänomene und war integrativer Bestandteil von vertikalem Kultur­transfer. Popularisierte Images entlasteten politisch komplexe Botschaften. In einem sich stetig vergrößernden und medial auffächernden politischen Kommunikationsraum schemati10 Langewiesche 2013, S. 33; vgl. Kohlrausch 2005, S. 110; vgl. Weisbrod 2002, S. 238; vgl. Campbell Orr 2007.

Schlussbetrachtung

sierte das Porträt der Monarchin Walter Bagehots universal geltendes Credo: “to be invisible is to be forgotten.”11 * Die vorliegende Arbeit möchte Forschende animieren, die hier entwickelte neue Terminologie zu nutzen und zu prüfen, inwieweit sich diese auf andere Künstler, Epochen oder Regierungsformen, auf männliche und weibliche Porträts anwenden und für den kunsthistorisch-politischen Blick auf stets das gesamte Bildnisprogramm und dessen Anteil an der Imageproduktion fruchtbar machen lässt. Die Konzentration auf Winterhalter erwies sich als gewinnbringend, verlangte aber wegen des breiten Forschungszugriffs auf zahlreiche Nationen, Persönlichkeiten und politische Regime auch wissenschaftlichen Verzicht. Das Bild der Herrscherin in der Öffent­ lich­keit wurde aus der Perspektive des Auftragsporträts nachgezeichnet, ein Vergleich mit Gattungen wie Druckgrafik, Fotografie, Karikatur, Skulptur oder Denkmal war nur punktuell möglich. Auch Tagespolitik visualisierende Ereignisbilder, wie Wohltätigkeitsdarstellungen, mussten weitgehend ausgeklammert werden.12 An die vorliegende Arbeit sinnvoll anknüpfendes und vielversprechendes Desiderat bildet daher derjenige Bereich monarchischer Bilder, welcher nicht von Hof oder Regierung beauftragt wurde. Inwiefern lassen sich die neuen Gattungstermini Tugendporträt, Regalienporträt und Modeporträt auch auf populäre Kunst anwenden? Jene im Blick, ließen sich auf porträttheoretischer Ebene von außen – ohne legitimatorische Intention – an die HerrscherInnen herangetragene Erwartungen und Kritik extrahieren. Eine systematische Verfolgung der Geschichte des höfischen Auftragsporträts verspräche weitere Erkenntnisse über die Entwicklung politischer Repräsentationsmodi, besonders von Frauen. An Winterhalter knüpften erfolgreiche High-Society-Künstler an wie Giovanni Boldini und wenig später Philip Alexius de Lázló, der jene Legitimationsmuster weiterentwickelte und bis in die 1930er Jahre mondäne und starke Herrscherinnen darstellte. Vor allem die Erfindung des Films erweiterte das Spektrum höfischer Repräsentation im 20. Jahrhundert maßgeblich. In den 1940er und 50er Jahren reaktivierte Cecil Beaton Inszenierungen à la Winterhalter, dessen Porträts sich, teilweise sogar explizit, in Winterhalters Tradition stellen (Abb. 84 u. Abb. 85). Dieses ist kein Zufall. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten Vorstellungen von Familienidylle und damit einhergehende geschlechterstereotype Zuschreibungen, wie sie im 19. Jahrhundert Bestand hatten, eine Renaissance. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veränderte sich das monarchische Auftragsporträt. Zwar wurden noch Regalienporträts bestellt, jedoch ähnelt das übrige Bildmaterial zunehmend demjenigen demokratischer Politiker. Homestories oder das „Bad 11 Bagehot 1974, S. 419. 12 Vgl. hierzu bereits für Kaiserin Eugénie McQueen 2011, S. 7–75; für Königin Victoria Schoch 1875, S. 154–158.

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Schlussbetrachtung

84  Cecil Beaton: Queen ­Elizabeth II, 1948, C-Print, 48,8 × 38,5 cm, ­National Portrait Gallery, London

in der Menge“ nahmen immer mehr Raum innerhalb politischer Kommunikationsprozesse ein.13 Das zu bewältigende Wechselspiel in den Medien zwischen Mensch und Amt animierte Andy Warhol 1985 zu den Siebdrucken einer Serie mit dem Titel Reigning Queens.14 Der technische Umgang mit dem von Warhol emblemhaft stilisierten Bild der Königin macht auf die Dimension aufmerksam, mit der das Bild der Monarchin weltweit reproduziert wird. Der Künstler stellte vier Porträts der seinerzeit herrschenden Königinnen in jenes Spannungsfeld von Politik, High-Society-Zugehörigkeit, Kunstwerk und Konsumprodukt, in welchem sich politische Repräsentation bis heute zu positionieren hat. Die Auseinandersetzung mit Mechanismen von Herrschaftsanerkennung und politischer Repräsentation zeigt, dass sich während der Aufklärung und im 19. Jahrhundert Prinzipien formierten, die offenbar unabhängig vom politischen Regime bis heute Geltung besitzen. Frauen, die eine wichtige Rolle innerhalb der Prozesse von Herrschaftsanerkennung ihres Mannes spielen, handeln anders als Frauen, die selbst nach politischer Macht streben. Dies mögen abschließend einige Beobachtungen am Beispiel von politischem Umgang mit Kleidung und Mode im 21. Jahrhundert verdeutlichen: Wesentliches Handlungsfeld von Ehefrauen regierender Männer, wie seinerzeit M ­ ichelle Obama, oder Thronfolgern, wie die Duchess of Cambridge, ist ­Repräsentation. Eine aus13 Vgl. Beispiele in Kat. The Queen 2012, S. 38, S. 61 u. S. 79 (Regalienporträts), S. 57 (Modeporträt), S. 141 (Bad in der Menge). 14 RCIN 507013.

Schlussbetrachtung

85  Cecil Beaton: Queen ­Elizabeth II; Prince ­Philip, Duke of Edinburgh, 1953, ­C-Print, 48,4 × 39,7 cm, ­National Portrait Gallery, ­London

führliche und wohlerwogene Beschäftigung mit Mode ist auf den offiziellen Pressefotografien an den Outfits abzulesen, welche sich – aktuell, farbenfroh, sinnlich – deutlich von den dunklen Anzügen ihrer Ehemänner absetzen (Taf. 44). Dezidiert zur Nach­ahmung appelliert die Duchess of Cambridge im Repräsentationsalltag, indem sie für öffentliche Auftritte oft Mode von populären preisgünstigen Handelsketten wie Zara mit Haute Couture mischt. Entsprechende Kleidungsstücke sind binnen kürzester Zeit ausverkauft. Dieses Verhalten bezeichnet die Presse als “Duchess effect” oder “Kate effect”.15 Ehemänner regierender Frauen indessen rücken, wie der mit Angela Merkel verheiratete Joachim

15 Carlene Thomas-Bailey u. Zoe Wood: How the ‘Duchess of Cambridge effect’ is helping British fashion in US, in: The Guardian online, 30.03.2012, https://www.theguardian.com/uk/2012/mar/30/kate-duchessof-cambridge-fashion-lk-bennett (letzter Aufruf: 30.11.2022).

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86  Screenshot von der offiziellen Website Annalena Baerbocks: www.annalena-baerbock.de (­letzter ­Aufruf: 30.11.2022)

Sauer, der „bekannteste Unbekannte Deutschlands“, bezüglich politischer Repräsentationsaspekte eher in den Hintergrund.16 Frauen mit Entscheidungsmacht agieren vorwiegend anders. Einflussreiche F ­ rauen wie Kanzlerin Angela Merkel oder Queen Elizabeth II. hielten sich in regierungspolitischem Umfeld von wandelbarer aktueller Mode fern. Deren zwar meist farbige, aber zeitlose Kostüme fungierten als Arbeitsanzüge, dessen größte Stärke der Wiedererkennungswert war. Über die Kleidung fand hier eine Markenbildung statt. Auf die Frage, ob sie gern Hüte trage, antwortete Queen Elizabeth II. wohl daher einmal: „Sie sind Teil der Uniform.“17 Die seit 2019 das Amt der finnischen Ministerpräsidentin bekleidende Sanna ­Marin trägt auf nahezu allen offiziellen Pressefotografien das nüchterne Schwarz traditionell professioneller Männerkleidung und schwört damit in einem bestimmten Sektor der Medienlandschaft demonstrativ dem als weiblich apostrophierten Modebereich

16 Hajo Schumacher: Der bekannteste Unbekannte Deutschlands, in: Die Welt online, 27.11.2009, https:// www.welt.de/vermischtes/article5346651/Der-bekannteste-Unbekannte-Deutschlands.html (letzter Aufruf: 30.11.2022). 17 Wackerl 2012, S. 7.

Schlussbetrachtung

ab (Taf. 45).18 An diesen Habitus knüpft Annalena Baerbocks Bildsprache für ihre offi­ zielle Homepage an. Auf der sie automatisch als erste präsentierenden Internetseite trägt sie einen zeitlosen schwarzen Blazer (Abb. 86). Lediglich der leicht glänzende Stoff, der Verzicht auf ein Hemd und eine unauffällige Kette machen ein Zugeständnis an ihr Geschlecht. Ähnlich war sie auf Wahlplakaten der Bundestagswahl 2022 gekleidet. Bei offiziellen Auftritten als Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland hingegen sticht ­ihre farbenfrohe Kleidung oft hervor. Ihr offensichtlich strategisch geplanter, sich nämlich wiederholender Stil ist schlicht und zeitlos, insofern kaum à la mode, aber feminin und aufallend. Baerbock forciert jedoch keine Nachahmung, verrät keine Mode­labels. Hier kaschiert sie ihre Weiblichkeit nicht. Dieser diskrepante Umgang mit Kleidung im medialen politischen Raum könnte in den nächsten Jahren ein spannender Unter­suchungs­ gegenstand sein. Der Blick in die Geschichte erweist sich als sinnvoll, um zu begreifen, warum bis heute bestimmte Geschlechterstereotype und damit einhergehende Tugendideale Anforderungen an politische Repräsentation und Legitimation prägen. Ein professioneller Umgang mit dem politischen Körper kann Konfliktpotential bergen und Karrieren schwächen, bestenfalls aber Popularität stärken, Kompetenzen sichtbar machen und Anerkennung von Herrschaft potenzieren.

18 „[D]ie Visualisierung demokratischer Macht [ist] an solide wirkende, sprich männliche Körperbilder gebunden.“ Hofmann 2014, S. 253.

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Literatur- und Quellenverzeichnis

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Literatur- und Quellenverzeichnis Dumas 1859 Alexandre Dumas: L’art et les artistes contemporains au Salon de 1859, Paris 1859 Eco 1985 Umberto Eco: Über Gott und die Welt, Essays und Glossen, München 1985 Eibach 1994 Joachim Eibach: Der Staat vor Ort. Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt am Main u. New York 1994 Eisenbart 1962 Lieselotte Constanze Eisenbart: Kleiderordnungen der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums, Göttingen 1962 Elias 2002 Norbert Elias: Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie, mit einer Einleitung: Soziologie und Geschichtswissenschaft, Baden-Baden 2002 Elias 2004 Norbert Elias: Kitschstil und Kitschzeitalter, Münster 2004 Émeric-David 1856 Toussaint-Bernard Émeric-David: Tableaux d’apparat, in: Revue universelle des arts, Bd. 3, 1856, S. 289– 298 Erbe 1994 Michael Erbe: Louis-Philippe 1830–1848, in: Hartmann 1994, S. 402–421 Erbe 1994a Michael Erbe: Napoleon III. (1848/52–1870), in: Hartmann 1994, S. 422–452 Esposito 2014 Elena Esposito: Originalität durch Nachahmung (2011), abgedruckt u. kommentiert in: Lehnert/Kühl/ Weise 2014, S. 195–210 Ewers 2007 Hans-Heino Ewers: Kinder der Natur, Kinder Gottes, in: Kat. Entdeckung der Kindheit 2007, S. 47–57 Faulstich 2004 Werner Faulstich: Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter (1830–1900), Göttingen 2004 Fehrenbach 1994 Elisabeth Fehrenbach (Hg.): Adel und Bürgertum in Deutschland 1770–1848, München 1994 Feuchtwanger 2010 Edgar Feuchtwanger: Englands deutsches Königshaus. Von Coburg nach Windsor, Berlin 2010 Fischer-Lichte 1998 Erika Fischer-Lichte: Inszenierung und Theatralität, in: Willems/Jurga 1998, S. 81–90 Fleckner 1989 Uwe Fleckner: Napoléon I. als thronender Jupiter. Eine ikonographische Rechtfertigung kaiserlicher Herrschaft, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle VIII/1989, S. 121–134 Fleckner 1995 Uwe Fleckner: Abbild und Abstraktion. Die Kunst des Porträts im Werk von J.-A.-D. Ingres, Mainz 1995 Fleckner 2005 Uwe Fleckner: In voller Lebensgröße. Claude Monet und die Kunst des ganzfigurigen Portraits, in: Kat. ­Monet und Camille 2005, S. 42–51 Fleckner 2012 Uwe Fleckner: Der Künstler als Seismograph. Zur Gegenwart der Kunst und zur Kunst der Gegenwart, Hamburg 2012

Literatur- und Quellenverzeichnis Fleckner/Hensel 2016 Uwe Fleckner u. Titia Hensel (Hg.): Hermeneutik des Gesichts. Das Bildnis im Blick aktueller Forschung, Berlin u. Boston 2016 Flicker/Seidl 2014 Eva Flicker u. Monika Seidl (Hg.): Fashionable Queens: Body – Power – Gender, Frankfurt am Main 2014 Form and Order 1838 The form and order of the service that is to be performed, and of the ceremonies that are to be observed, in the coronation of Her Majesty Queen Victoria, in the Abbey church of St. Peter, Westminster, on Thursday the 28th of June, 1838, London 1838, [printed by George Eyre and Andrew Spottiswoode] François/Siegrist/Vogel (Hg.) 1995 Etienne François, Hannes Siegrist u. Jakob Vogel (Hg.): Nation und Emotion. Deutschland und Frankreich im Vergleich 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1995 François/Siegrist/Vogel 1995 Etienne François, Hannes Siegrist u. Jakob Vogel: Die Nation. Vorstellungen, Inszenierungen, Emotionen, in: François/Siegrist/Vogel (Hg.) 1995, S. 13–35 Fred 1912 W. Fred [Alfred Wechsler] (Hg.): Physiologie des eleganten Lebens. Unveröffentlichte Aufsätze von ­Honoré de Balzac, München 1912 Freund 2014 Amy Freund: Portraiture and Politics in Revolutionary France, University Park, Pennsylvania 2014 Freund 2017 Carola Freund: Orte der Sehnsucht: Franz Xaver Winterhalters Schlüssel zum Erfolg? Eine Untersuchung der Gemälde „Il dolce Farniente“ (1836) und „Decamarone“ (1837), in: Marburger Jahrbuch für Kunst­ wissenschaft 44/2017, S. 169–188 Frie 2005 Ewald Frie: Adel und bürgerliche Werte, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 393–414 Frie 2007 Ewald Frie: Adelsgeschichte des 19. Jahrhunderts? Eine Skizze, in: Geschichte und Gesellschaft; Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft 33/2007, Heft 3 (Adel in der Neuzeit), S. 398–415 Fuhrmann 2004 Manfred Fuhrmann: Der europäische Bildungskanon, Frankfurt am Main, Erweiterte Neuausgabe 2004 Fukai 2006 Akiko Fukai (Hg.): Fashion. Eine Modegeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, die Sammlung des ­Kyoto Costume Institute, 2 Bde., Bd. 1: 18. und 19. Jahrhundert, Köln 2006 Funnell 2011 Peter Funnell: The Iconography of Prince Albert, in: Bosbach/Büttner 2011, S. 109–120 Gall 1979 Lothar Gall: Gründung und politische Entwicklung des Großherzogtums bis 1848, in: Badische Ge­schichte 1979, S. 11–36 Gamper 2011 Michael Gamper: Ausstrahlung und Einbildung. Der ‚große Mann‘ im 19. Jahrhundert, in: Reiling/­Rohde 2011, S. 173–198 Garve 1792 Christian Garve: Über die Moden (1792), abgedruckt u. kommentiert in: Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 57–65

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Literatur- und Quellenverzeichnis Gathmann 1987 Peter Gathmann: Elisabeth. Bild und Sein, in: Kat. Einsamkeit, Macht und Freiheit 1987, S. 13–23 Geisthövel 2005 Alexa Geisthövel: Wilhelm I. am „historischen Eckfenster“: Zur Sichtbarkeit des Monarchen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Andres/Geisthövel/Schwengelbeck (Hg.) 2005, S. 163–186 Geisthövel 2008 Alexa Geisthövel: Restauration und Vormärz 1815–1847, Paderborn 2008 Gerhard 1997 Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, ­München 1997 Gernsheim 1988 Helmut Gernsheim: The Rise of Photography 1850–1880, The Age of Collodion, London 1988 Gestrich 1994 Andreas Gestrich: Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994 Gestrich 2005 Andreas Gestrich: Familiale Werteerziehung im deutschen Bürgertum um 1800, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 121–140 Gestrich 2013 Andreas Gestrich: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, München, 3. Auflage 2013 Göhler 2005 Gerhard Göhler: Symbolische Politik – Symbolische Praxis. Zum Symbolverständnis in der deutschen Politik­ wissenschaft, in: Stollberg-Rilinger 2005, S. 57–69 Goncourt 1887 Edmond u. Jules de Goncourt: Journal des Goncourt: Mémoires de la vie littéraire, Bd. 1: 1851–1861, ­Paris 1887 Gorgus 1991 Nina Gorgus: „Der liebe Gott steckt im Detail“ Von der Macht der Nuancen. Bürgerliche Kleidungszeichen im 19. Jahrhundert und heute, in: Kat. Kleider und Leute 1991, S. 221–243 Granger 2005 Catherine Granger: L’Empereur et les arts. La liste civile de Napoléon III. Mémoires et documents de l’­École des chartes, Paris 2005 Granger 2008 Catherine Granger: Napoléon III et Victoria, visites croisées, in: Kat. Napoléon III 2008, S. 36–58 Greiling 2005 Werner Greiling: Zeitschriften und Verlage bei der Vermittlung bürgerlicher Werte, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 211–224 Gruber Florek 2009 Olivia Gruber Florek: ‘I Am a Slave To My Hair’: Empress Elisabeth of Austria, Fetishism, and NineteenthCentury Austrian Sexuality, in: Modern Austrian Literature 42, 2/2009, S. 1–15 Gruber Florek 2017 Olivia Gruber Florek: The Absent Empress. Photomontage, Monarchy, and Celebrity in the Nineteenth Century, in: Telesko 2017, S. 80–94 Günther/Zitzlsperger 2018 Sabine de Günther u. Philipp Zitzlsperger (Hg.): Signs and symbols. Dress at the intersection between Image and Regalia, Berlin u. Boston 2018

Literatur- und Quellenverzeichnis Guthke 2006 Karl S. Guthke: Das deutsche bürgerliche Trauerspiel, Heidelberg, 6. Auflage 2006 Haase 2002 Birgit Haase: Fiktion und Realität. Untersuchungen zur Kleidung und ihrer Darstellung in der Malerei am Beispiel von Claude Monets Femmes au jardin, Weimar 2002 Haase 2005 Birgit Haase: „Un toilette vaut un tableau“ – Impressionismus und Mode, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 228–237 Haase 2010 Birgit Haase: „Les toilettes politiques“ Mode und Staatsräson im Second Empire, in: Zitzlsperger 2010, S. 181–193 Haase 2019 Birgit Haase: Farben der vie moderne. Zu Verwendung und Wahrnehmung erster synthetischer Textilfarbstoffe in der Damenmode, in: Dogramaci 2019, S. 33–43 Haberler 2012 Veronika Haberler: Mode(n) als Zeitindikator. Die Kreation von textilen Modeprodukten, Wiesbaden 2012 Habermas 1990 Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main, mit einem Vorwort zur Neuauflage 1990 Habermas 2000 Rebekka Habermas: Frauen und Männer des Bürgertums. Eine Familiengeschichte (1750–1850), Göttingen 2000 Habermas 2001 Rebekka Habermas: Bürgerliche Kleinfamilie – Liebesheirat, in: Dülmen 2001, S. 287–309 Habermas/Minkmar 1992 Rebekka Habermas u. Niels Minkmar (Hg.): Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur Historischen Anthropologie, Berlin 1992 Hahn/Hein (Hg.) 2005 Hans-Werner Hahn u. Dieter Hein (Hg.): Bürgerliche Werte um 1800. Entwurf, Vermittlung, Rezeption, Köln 2005 Hahn/Hein 2005 Hans-Werner Hahn u. Dieter Hein: Bürgerliche Werte um 1800. Zur Einführung, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 9–27 Haider 2005 Hilde Haider: Emotionen als Steuerungselemente menschlichen Handelns, in: Aschmann (Hg.) 2005, S. 33–45 Haltern 1971 Utz Haltern: Die Londoner Weltausstellung von 1851. Ein Beitrag zur Geschichte der bürgerlich-industriellen Gesellschaft im 19. Jahrhundert, Münster 1971 Hamann 1982 Brigitte Hamann (Hg.): Elisabeth. Bilder einer Kaiserin, Wien 1982 Hamann 1990 Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen, München, 3. Auflage 1990 Hamann 2008 Brigitte Hamann (Hg.): Kaiserin Elisabeth. Das poetische Tagebuch, Wien 2008

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Literatur- und Quellenverzeichnis Hanken 1997 Caroline Hanken: Vom König geküsst. Das Leben der grossen Mätressen, Berlin, 2. Auflage 1997 Hanley 2006 Sarah Hanley: Configuring the Authority of Queens in the French Monarchy, 1600s–1840s, in: Historical Reflections/Réflexions Historiques, Bd. 32, 2/2006, S. 453–464 Hartmann 1994 Peter Claus Hartmann (Hg.): Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napo­ leon III. 1498–1870, München 1994 Hattendorf 1999 Manfred Hattendorf: Dokumentarfilm und Authentizität. Ästhetik und Pragmatik einer Gattung, Konstanz 1999 Hauenfels 2005 Theresia Hauenfels: Visualisierung von Herrschaftsanspruch. Die Habsburger und Habsburg-Lothringer in Bildern, Wien 2005 Hein 2005 Dieter Hein: Arbeit, Fleiß und Ordnung, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 239–251 Hensel 2016 Titia Hensel: Kaiserin à la mode: Franz Xaver Winterhalters „Bildnis der Elisabeth von Österreich in Balltoilette“, in: Fleckner/Hensel 2016, S. 163–182 Hensel 2021 Titia Hensel: ‘Secret Pictures’? Staging Privacy in Franz Xaver Winterhalter’s Portraits of Female Monarchs, in: Marion Romberg (Hg.): Empresses and Queens in the Courtly Public Sphere from the 17th to the 20th Century, Leiden u. Boston 2021, S. 189–215 Herrlinger 1987 Wolfgang Herrlinger: Sentimentalismus und Postsentimentalismus: Studien zum englischen Roman bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1987 Hertel 2020 Sandra Hertel: Vom Nutzen der Schönheit. Maria Theresia in Text und Bild, in: Braun/Kusber/Schnettger (Hg.) 2020, S. 273–291 Herzig 1898 Max Herzig (Hg.): Viribus Unitis. Das Buch vom Kaiser, Budapest et al. 1898 Hirschauer 2014 Stefan Hirschauer: Wozu gender studies? Ein Forschungsfeld zwischen Feminismus und Kulturwissenschaft, in: Forschung & Lehre, Nr. 11, 21/2014, S. 880–882 Hirschbiegel/Paravicini/Wettlaufer 2012 Jan Hirschbiegel, Werner Paravicini u. Jörg Wettlaufer (Hg.): Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft. Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, Ostfildern 2012 Hitzler 2002 Ronald Hitzler: Inszenierung und Repräsentation. Bemerkungen zur Politikdarstellung in der Gegenwart, in: Soeffner u. Tänzler 2002, S. 35–49 Hobhouse 1989 Hermione Hobhouse: The Monarchy and the Middle Classes: The Role of Prince Albert, in: Birke/­Kettenacker 1989, S. 53–69

Literatur- und Quellenverzeichnis Hobhouse 1997 Hermione Hobhouse: Prinz Albert und die Weltausstellung von 1851, in: Kat. Vicky and The Kaiser 1997, S. 87–98 Hobsbawm 1984 Eric Hobsbawm: Introduction: Inventing Traditions, in: Hobsbawm/Ranger 1984, S. 1–14 Hobsbawm/Ranger 1984 Eric Hobsbawm u. Terence Ranger (Hg.) The Invention of Tradition, Cambridge 1984 Hoff 2020 Ralf von den Hoff: Handlungsporträt und Herrscherbild. Die Heroisierung der Tat in Bildnissen Alexanders des Großen, Göttingen 2020 Hofmann 1999 Wilhelm Hofmann (Hg.): Die Sichtbarkeit der Macht. Theoretische und empirische Untersuchungen zur visuellen Politik, Baden-Baden 1999 Hofmann 2006 Wilhelm Hofmann (Hg.): Bildpolitik – Sprachpolitik. Untersuchungen zur politischen Kommunikation in der entwickelten Demokratie, Berlin 2006 Hofmann 2014 Viola Hofmann: Das Kostüm der Macht. Das Erscheinungsbild von Politikern und Politikerinnen von 1949 bis 2013 im Magazin Der Spiegel, Berlin 2014 Hojer 2011 Gerhard Hojer: Die Schönheitengalerie König Ludwigs I., Regensburg, 7. Auflage 2011 Holenstein 2010 André Holenstein et al. (Hg.): Zweite Haut. Zur Kulturgeschichte der Kleidung, Bern, Stuttgart u. Wien 2010 Holschbach 2006 Susanne Holschbach: Vom Ausdruck zur Pose. Theatralität und Weiblichkeit in der Fotografie des 19. Jahrhunderts, Berlin 2006 Holsing 2005 Henrike Holsing: Die carte de visite – Porträtfotografie im kleinen Format, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 238–247 Homans 1998 Margaret Homans: Royal Representations. Queen Victoria and British Culture, 1837–1876, Chicago 1998 Honegger 2011 Andreas Honegger: Die Blumen der Frauen. Blumensymbolik in Gemälden aus sieben Jahrhunderten, München 2011 Honold/Simon 2010 Alexander Honold u. Ralf Simon (Hg.): Das erzählende und das erzählte Bild, München 2010 Horn 2010 Eva Horn: Vom Porträt des Königs zum Antlitz des Führers. Zur Struktur des modernen Herrscherbildes, in: Honold/Simon 2010, S. 129–159 HPI 2011 Handbuch der politischen Ikonographie, hg. v. Uwe Fleckner, Martin Warnke u. Hendrik Ziegler, 2 Bde., München, 2. Durchgesehene Auflage 2011 Huart 1985 Suzanne d’Huart: La Cour de Louis-Philippe, in: Werner (Hg.) 1985, S. 77–85

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Literatur- und Quellenverzeichnis Huber-Frischeis 2016 Thomas Huber-Frischeis: Der lange Weg zur Demokratie. Verfassung und Parlament im Zeitalter Franz Josephs I., in: Kat. Der ewige Kaiser 2016, S. 171–183 Hug 1998 Wolfgang Hug: Geschichte Badens, Stuttgart, 2. Auflage 1998 Hügel 2007 Hans-Otto Hügel: Lob des Mainstreams. Zu Begriff und Geschichte von Unterhaltung und Populärer Kultur, Köln 2007 Hunt 1993 Lynn Hunt (Hg.): The Invention of Pornography: Obscenity and the Origins of Modernity, 1500–1800, New York 1993 Hunt 1993a Lynn Hunt: Pornography and the French Revolution, in: Hunt 1993, S. 301–340 Hyde 2017 Melissa Hyde: Watching her Step: Marie-Antoinette and the Art of Walking, in: Caviglia 2017, S. 119–155 Iwagami 2006 Miki Iwagami: 19. Jahrhundert, in: Fukai 2006, S. 147–319 Johanek 2012 Peter Johanek: Spätes Nachleben oder neue Kraft? Hof, Bürgertum und Stadt im langen 19. Jahrhundert, in: Hirschbiegel/Paravicini/Wettlaufer 2012, S. 287–312 Jones 2014 Colin Jones: The Smile Revolution in Eighteenth Century Paris, Oxford 2014 Kantorowics 1952 Ernst Kantorowicz: Kaiser Friedrich und das Königsbild des Hellenismus, in: Varia Vaqriorum. Festgabe für Karl Reinhardt, dargebracht v. Freunden u. Schülern, Münster u. Köln 1952, S. 167–193 Kanz 1998 Roland Kanz: Die Einheit des Charakters. Das Seelenhafte, Symbolische und Charakteristische in der Porträt-­Ästhetik der Romantik, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 34, 1/1998, S. 223–267 Kat. Art and Love 2010 Victoria & Albert, Art & Love, hg. v. Jonathan Marsden, Ausstellungskatalog, The Queens Galery ­London, London 2010 Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006 Aufgeklärt bürgerlich. Porträts von Gainsborough bis Waldmüller 1750–1840, Ausstellungskatalog, hg. v. Sabine Grabner u. Michael Krapf, Österreichische Galerie Belvedere, München 2006 Kat. Bildgattungen 1982 Bildgattungen I. Das Herrscherbild, hg. v. Karin Stempel, Bestandskatalog, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Oldenburg 1982 Kat. Cashmere 2000 Cashmere. Der Shawl in der Malerei des Biedermeier, hg. v. Erika Mayr-Oehring, Ausstellungskatalog, Residenzgalerie Salzburg 2000 Kat. Charme der Accessoires 1999 Apropos. Der Charme der Accessoires, hg. v. Ursula Strate, Ausstellungskatalog, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Heidelberg 1999

Literatur- und Quellenverzeichnis Kat. Courts of Europe 1987 Franz Xaver Winterhalter and the Courts of Europe 1830–70, hg. v. Richard Ormond u. Carol BlackettOrd, Ausstellungskatalog, National Portrait Gallery London u. Petit Palais Paris, London 1987 Kat. Der ewige Kaiser 2016 Der ewige Kaiser: Franz Joseph I. 1830–1916, hg. v. Hans Petschar, Ausstellungskatalog, Österreichische Nationalbibliothek Prunksaal Wien, Wien 2016 Kat. Der Herrscher 1977 Porträt 1. Der Herrscher. Graphische Bildnisse des 16.–19. Jahrhunderts aus dem Porträtarchiv Diepen­broick, hg v. Peter Berghaus et al., Ausstellungskatalog, Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kultur­ geschichte Münster, Münster 1977 Kat. Einsamkeit, Macht und Freiheit 1987 Elisabeth von Österreich. Einsamkeit, Macht und Freiheit, hg. v. Susanne Walther, Ausstellungskatalog, Museen der Stadt Wien: Hermesvilla, Wien 1987 Kat. Enlightened Princesses 2017 Enlightened Princesses: Caroline, Augusta, Charlotte and the Shaping of the Modern World, hg. v. J­ oanna Marschner, David Bindman u. Lisa L. Ford, Ausstellungskatalog, Yale Center for British Art, New H ­ aven 2017 Kat. Entdeckung der Kindheit 2007 Die Entdeckung der Kindheit. Das englische Kinderporträt und seine europäische Nachfolge, hg. v. Mirjam Neumeister, Ausstellungskatalog, Städel Museum Frankfurt, Frankfurt am Main 2007 Kat. Franz Joseph I. 1905 Gemälde und Zeichnungen im Privatbesitze Seiner K.u.K. Apostolischen Majestät Franz Joseph I., verfasst von Alfred Windt, Sammlungskatalog, Wien 1905 Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015 Franz Xaver Winterhalter. Maler im Auftrag ihrer Majestät, hg. v. Helga Kessler Aurisch et al., Ausstel­ ompiègne, lungskatalog, Augustinermuseum Freiburg, Museum of Fine Arts Houston/Texas u. Palais de C Stuttgart 2015 Kat. Frauensache 2015 Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde, hg. v. Julia Klein et al., Ausstellungskatalog, Schloss Charlottenburg Berlin, Dresden 2015 Kat. Galerie der starken Frauen 1995 Die Galerie der starken Frauen. Regentinnen, Amazonen, Salondamen, Ausstellungskatalog, hg. v. B ­ ettina Baumgärtel u. Silvia Neysters, Kunstmuseum Düsseldorf im Ehrenhof u. Hessisches Landesmuseum Darmstadt, München 1995 Kat. Großherzog Leopold 1990 Großherzog Leopold von Baden 1790–1852. Regent, Mäzen, Bürger. Versuch eines Porträts, hg. v. Klaus Häfner, Ausstellungskatalog, Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Karlsruhe 1990 Kat. Jewellery 2010 Jewellery in the Age of Queen Victoria. A Mirror to the World, hg. v. Charlotte Gere u. Juday Rudoe, Ausstellungskatalog, The British Museum, London, 2010 Kat. Kaiserin Elisabeth Album 1906 Kaiserin Elisabeth Album. Spitzen- und Portraitausstellung, Ausstellungskatalog, K. K. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie, Wien 1906 Kat. Kleider und Leute 1991 Kleider und Leute, hg. v. Susanne Breuss et. al., Ausstellungskatalog, Vorarlberger Landesausstellung 1991, Renaissance-Palast Hohenems, Bregenz 1991

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Literatur- und Quellenverzeichnis Kat. L’art en France 1979 L’art en France sous le Second Empire, hg. v. Arnould Reynold et al., Ausstellungskatalog, Philadelphia Museum of Art, Detroit Institute of Arts, Grand Palais Paris, Paris 1979 Kat. L’impressionnisme et la mode 2012 L’impressionnisme et la mode, hg. v. Gloria Groom et al., Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, Metro­politan Museum of Art New York u. Art Institute of Chicago, Paris 2012 Kat. La Comtesse de Castiglione 1999 La Comtesse de Castiglione par elle-meme, hg. v. Pierre Apraxine, Xavier Demange u. Françoise Heilbrun, Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, Paris 1999 Kat. Monet und 2005 Monet und Camille. Frauenporträts im Impressionismus, hg. v. Dorothee Hansen u. Wolf Herzogenrath, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Bremen, München 2005 Kat. Napoléon III 2008 Napoléon III et la reine Victoria. Une visite à l’Exposition Universelle de 1855, hg. v. Emmanuel Starcky, Ausstellungskatalog, Musée National du Château de Compiègne, Paris 2008 Kat. Pearls 2001 Pearls. A Natural History, hg. v. Neil Landman et al., Ausstellungskatalog, The American Museum of Natural History, New York 2001 Kat. Ridikül! 2003 Ridikül! Mode in der Karikatur: Mode von 1600–1900, Ausstellungskatalog, hg. v. Adelheid Rasche u. Gundula Wolter, Gemäldegalerie Berlin, Berlin u. Köln 2003 Kat. Royal Fashion 1997 In Royal Fashion. The Clothes of Princess Charlotte of Wales and Queen Victoria 1796–1901, hg. v. Kay ­Staniland, Ausstellungskatalog, Museum of London, London 1997 Kat. Russian Court 2009 At the Russian Court, Palace and Protocol in the 19 Century, hg. v. Bijl Arnoud, Ausstellungskatalog, ­Hermitage Amsterdam, Amsterdam 2009 Kat. Sanft und engelsgleich 1995 Als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren. Die Sicht der Frau in der Zeit der Aufklärung und des Bieder­meier, hg. v. Hildegard Westhoff-Krummacher, Ausstellungskatalog, Westfälisches Landes­museum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1995 Kat. Sehnsucht nach Glück 1995 Sehnsucht nach Glück. Wiens Aufbruch in die Moderne: Klimt, Kokoschka, Schiele, hg.v. Ilsebill BartaFliedl u. Sabine Schulze, Ausstellungskatalog, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Ostfildern 1995 Kat. Sous l’Empire des crinolines 2008 Sous l’Empire des crinolines 1852–1870, hg. v. Catherine Join-Diéterle et al., Ausstellungskatalog, Musée Galliera Paris, Paris 2008 Kat. Spectaculaire Second Empire 2016 Spectaculaire Second Empire, hg. v. Guy Cogeval et al., Ausstellungskatalog, Musée d’Orsay Paris, ­Paris 2016 Kat. Swagger Portrait 1992 The Swagger Portrait. Grand Manner Portraiture in Britain from Van Dyck to Augustus John 1630–1930, hg. v. Andrew Wilton, Ausstellungskatalog, Tate Gallery London, London 1992 Kat. The Queen 2012 The Queen: Art and Image, hg. v. Paul Moorhouse u. David Cannadine, Ausstellungskatalog, National Portrait Gallery London, London 2012

Literatur- und Quellenverzeichnis Kat. The Victorian Pictures 1992 The Victorian Pictures in the Collection of Her Majesty the Queen, hg. v. Oliver Millar, Sammlungskatalog, 2 Bde. (Text u. Plates), Cambridge 1992 Kat. Tizian Dame in Weiß 2010 Tizian. Die Dame in Weiß, hg. v. Andreas Henning u. Günter Ohlhoff, Ausstellungskatalog, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alter Meister, Dresden 2010 Kat. Vicky and The Kaiser 1997 Victoria & Albert, Vicky & The Kaiser. Ein Kapitel deutsch-englischer Familiengeschichte, hg. v. Wilfried Rogasch, Ausstellungskatalog, Deutsches Historisches Museum Berlin, Berlin 1997 Kat. Von Mensch zu Mensch 2010 Von Mensch zu Mensch. Porträtkunst und Porträtkultur der Aufklärung, hg. v. Reimar F. Lacher, Ausstellungskatalog, Gleimhaus Halberstadt, Göttingen 2010 Kat. Wedding Dress 2011 The Wedding Dress. 300 Years of Bridal Fashions, hg. v. Edwina Ehrmann, Ausstellungskatalog, Victoria & Albert Museum, London 2011 Kat. Winterhalter Catalogue The Winterhalter Catalogue, Franz Xaver Winterhalter and Hermann Winterhalter, hg. v. Eugene B ­ arilo von Reisberg, Research-in-Progress Catalogue Raisonné, https://franzxaverwinterhalter.wordpress.com/ (letzter Aufruf: 30.11.2022) Kell 1994 Eva Kell: Bürgertum und Hofgesellschaft. Zur Rolle „bürgerlicher Höflinge“ an kleineren deutschen Fürstenhöfen (1780–1860), in: Fehrenbach 1994, S. 187–202 Keller 2016 Katrin Keller: Frauen und dynastische Herrschaft. Eine Einführung, in: Braun/Keller/Schnettger 2016, S. 13–26 Kernbauer 2011 Eva Kernbauer: Der Platz des Publikums. Modell für Kunstöffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Göttingen 2011 Kernbauer/Zahradnik 2016 Eva Kernbauer u. Aneta Zahradnik (Hg.): Höfische Porträtkultur. Die Bildnissammlung der österreichischen Erzherzogin Maria Anna (1738–1789), Berlin u. Boston 2016 Kessler Aurisch 2015 Helga Kessler Aurisch: Der vollendete Hofmaler, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 14–23 Kielmansegg 1971 Peter Graf von Kielmansegg: Legitimität als analytische Kategorie, in: Politische Vierteljahresschrift 3/1971, S. 367–401 Kirsch 1999 Martin Kirsch: Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, Göttingen 1999 Kisser (Hg.) 2011 Thomas Kisser (Hg.): Bild und Zeit. Temporalität in Kunst und Kunsttheorie seit 1800, München 2011 Kisser 2011 Thomas Kisser: Visualität, Virtualität, Temporalität. Überlegungen zur Zeitlichkeit in Bildkonzepten von Tizian, Rembrandt, Watteau und Friedrich, in: Kisser (Hg.) 2011, S. 87–136 Kleine Wieskamp 2019 Pia Kleine Wieskamp: Visual Storytelling im Business – mit Bildern auf den Punkt kommen, Hannover 2019

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Literatur- und Quellenverzeichnis Lehnert/Kühl/Weise 2014 Gertrud Lehnert, Alicia Kühl u. Katja Weise (Hg): Modetheorie. Klassische Texte aus vier Jahrhunderten, Bielefeld 2014 Lenk 1996 Kurt Lenk: Politik als Theater, in: Zeitschrift für kritische Theorie 2/1996, S. 111–122 Leonhard/Hirschhausen 2009 Jörn Leonhard u. Ulrike von Hirschhausen: Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, Göttingen 2009 Lepsius 1993 Rainer M. Lepsius: Demokratie in Deutschland. Soziologisch-historische Konstellationsanalysen. Ausgewählte Aufsätze, Göttingen 1993 Lettres Familières 1935 Lettres Familières de l’Impératrice Eugénie, conservées dans les archives du palais de Liria et publiées par les soins du duc d’Albe avec le concours de F. de Llanos y Torriglia et Pierre Josserand, 2 Bde., Bd. 1, ­Paris 1935 Leuschner/Wenderholm 2016 Eckhard Leuschner u. Iris Wenderholm (Hg.): Frauen und Päpste. Zur Konstruktion von Weiblichkeit in Kunst und Urbanistik des römischen Seicento, Berlin u. Boston 2016 Lex. Mode u. Kostüm 2011 Reclams Mode- und Kostümlexikon, hg. v. Ingrid Loschek, Stuttgart, 6. erweiterte und aktualisierte Auflage v. Gundula Wolter 2011 Lex. Pariser Lehrjahre 2013 Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, hg. v. France Nerlich u. Bénédicte Savoy, 2 Bde., Bd. 1: 1793–1843, Berlin u. Boston 2013 Lex. Pariser Lehrjahre 2015 Pariser Lehrjahre. Ein Lexikon zur Ausbildung deutscher Maler in der französischen Hauptstadt, hg. v. France Nerlich u. Bénédicte Savoy, 2 Bde., Bd. 2: 1844–1870, Berlin u. Boston 2015 Lex. Real-Encyklopädie 1852 Allgemeine Deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon, hg. v. Brockhaus Leipzig, 15 Bde., Bd. 6, Leipzig, 10. Auflage 1852 Lex. Staats-Lexikon 1838 Staats-Lexikon oder Enzyklopädie der Staatswissenschaften, hg. v. Carl Rotteck u. Carl Theodor Welcker, Bd. 6, Altona 1838 Lex. The Berg Companion 2010 The Berg Companion to Fashion, hg. v. Valerie Steele, Oxford 2010 Linsboth 2020 Stefanie Linsboth: Quantitative Auswertung der Porträts Maria Theresias, in Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 213–215 Lischka/Weibel 2003 Gerhard Johann Lischka u. Peter Weibel (Hg.): Das Regime des Image. Zwischen mimischem Display und Corporate Branding, Bern 2003 Loscheck 1999 Ingrid Loschek: Geschichte der Accessoires, in: Kat. Charme der Accessoires 1999, S. 8–41 Lünig 1719 Johann Christian Lünig: theatrum ceremoniale historico-politicum, Erster Theil, Leipzig 1719

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Literatur- und Quellenverzeichnis Opitz-Belakhal 2010 Claudia Opitz-Belakhal: Geschlechtergeschichte, Frankfurt am Main 2010 Opitz/Weckel/Kleinau 2000 Claudia Opitz, Ulrike Weckel u. Elke Kleinau (Hg.): Tugend, Vernunft und Gefühl. Geschlechterdiskurse der Aufklärung und weibliche Lebenswelten, Münster 2000 Ormond 1987 Richard Ormond: Introduction, in: Kat. Courts of Europe 1987, S. 18–65 Pabst 2007 Esther Suzanne Pabst: Die Erfindung der weiblichen Tugend. Kulturelle Sinngebung und Selbstreflexion im französischen Briefroman des 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007 Paletschek 1994 Sylvia Paletschek: Adelige und bürgerliche Frauen (1770–1870), in: Fehrenbach 1994, S. 159–185 Panter 1996 Armin Panter: Studien zu Franz Xaver Winterhalter (1805–1873), Karlsruhe [Diss. 1988] 1996 Parley 1838 Peter Parley [Samuel Griswold Goodrich]: Peter Parley’s visit to London, during the coronation of Queen Victoria, London 1838 Paulmann 2000 Johannes Paulmann: Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn et al. 2000 Paulmann 2003 Johannes Paulmann: „Napoleon hat sich im Grabe umdrehen müssen …“. Vergegenwärtigung von Vergangenheit und Geschlechterkonstruktion in der performativen Politik der monarchischen Nationalstaaten, in: Martschukat/Patzold 2003, S. 185–206 Paulsson 1955 Gregor Paulsson: Die soziale Dimension der Kunst, Bern 1955 Pecht 1873 Friedrich Pecht: Franz Winterhalter, in: Weesch 1873, S. 510–517 Pecht 1873a Friedrich Pecht: Kunst und Kulturindustrie auf der Wiener Weltausstellung 1873, Stuttgart 1873 Perrin 2016 Paul Perrin: Intentions et ambitions du portrait peint sous le Second Empire, in: Kat. Spectaculaire Second Empire 2016, S. 84–103 Pietsch 2020 Johannes Pietsch: Die Kleidung Maria Theresias im Spiegel der Porträts, in: Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 197–204 Plunkett 2003 John Plunkett: Queen Victoria. First Media Monarch, New York 2003 Ponsonby 1929 Frederick Ponsonby (Hg.): Briefe der Kaiserin Friedrich, Berlin 1929 Pötschner 1998 Angelina Pötschner: Die Porträts Kaiser Franz Josephs und Kaiserin Elisabeths. Anlässlich des hundertfünfzigsten Jahrestages der Thronbesteigung Franz Josephs und des hundertsten Todestages Elisabeths, in: Arx 20-2/1998, S. 15–22

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Literatur- und Quellenverzeichnis Roggendorf/Ruby 2004 Simone Roggendorf u. Sigrid Ruby (Hg.): (En)gendered: Frühneuzeitlicher Kunstdiskurs und weibliche Porträtkultur nördlich der Alpen, Marburg 2004 Romberg 2021 Marion Romberg (Hg.): Empresses and Queens in the Courtly Public Sphere from the 17th to the 20th Century, Leiden u. Boston 2021 Roolfs 2005 Cornelia Roolfs: Der Hannoversche Hof von 1814 bis 1866, Hofstaat und Hofgesellschaft, Hannover 2005 Rotberg/Rabb 1986 Robert I. Rotberg u. Theodore K. Rabb (Hg.): Art and History. Images and Their Meaning, Cambridge 1986 Roth 2005 Ralf Roth: Das Jahrhundert der Eisenbahn. Die Herrschaft über Raum und Zeit 1800–1914, Ostfildern 2005 Roth 2005a Ralf Roth: Wirtschaftsbürger als Werteproduzenten, in: Hahn/Hein (Hg.) 2005, S. 95–118 Ruby 2010 Sigrid Ruby: Mit Macht verbunden. Bilder der Favoritin im Frankreich der Renaissance, Freiburg 2010 Rüschemeyer 1987 Dietrich Rüschemeyer: Bourgeoisie, Staat und Bildungsbürgertum. Idealtypische Modelle für die vergleichende Erforschung von Bürgertum und Bürgerlichkeit, in: Kocka (Hg.) 1987, S. 101–120 Russo/Kramarae 2001 Ann Russo u. Cherise Kramarae (Hg.): The Radical Women’s Press of the 1850s, London u. New York 2001 Sachs-Hombach 2006 Klaus Sachs-Hombach: Illokutionäre Kraft und kommunikative Verbindlichkeit. Anmerkungen zur Differenz sprachlicher und visueller Kommunikation, in: Hofmann 2006, S. 181–196 Samoyault-Verlet 1985 Colombe Samoyault-Verlet: Les Appartements des souverains en France au XIXe siècle, in: Werner (Hg.) 1985, S. 121–138 Schama 1986 Simon Schama: The Domestication of Majesty: Royal Family Portraiture, 1500–1850, in: Rotberg/Rabb 1986, S. 155–183 Schmelzer-Ziringer 2018 Barbara Schmelzer-Ziringer: The History of Fashion as the History of Power in Images, in: Günther/Zitzl­ sperger 2018, S. 221–243 Schmidt 2003 Siegfried Schmidt: Die Wirklichkeiten der Images, in: Lischka/Weibel 2003, S. 43–60 Schmidt Ch. 2003 Christoph Schmidt: Russische Geschichte 1547–1917, München 2003 Schneider 2016 Marlen Schneider: Ovids Pomona-Mythos im „portrait historié“ des frühen 18. Jahrhunderts, in: Fleckner/­ Hensel 2016, S. 245–264 Schneider 2019 Marlen Schneider: Bildnis – Maske – Galanterie: das „portrait historié“ zwischen Grand Siècle und Zeit­ alter der Aufklärung, Berlin 2019

Literatur- und Quellenverzeichnis Schneider/Raphael 2008 Ute Schneider u. Lutz Raphael (Hg.): Dimensionen der Moderne: Festschrift für Christof Dipper, Frankfurt am Main 2008 Schoch 1975 Rainer Schoch: Das Herrscherbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts, München 1975 Schrott 2005 Karin Schrott: Das normative Korsett: Reglementierungen für Frauen in Gesellschaft und Öffentlichkeit in der deutschsprachigen Anstands- und Benimmliteratur zwischen 1871 und 1914, Würzburg 2005 Schulte (Hg.) 2002 Regina Schulte (Hg.): Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, Frankfurt am Main 2002 Schulte 1998 Regina Schulte: Der Aufstieg der konstitutionellen Monarchie und das Gedächtnis der Königin, in: Historische Anthropologie 6/1998, S. 76–103 Schulte 2002 Regina Schulte: „Madame, ma Chère Fille“ – „Dearest Child“ Briefe imperaler Mütter an königliche Töchter, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 162–196 Schulte 2002a Regina Schulte: Der Körper der Königin – konzeptionelle Annäherungen, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 9–26 Schulz 2001 Gerhard Schulz (Hg.): Novalis Werke, München 2001 Schwengelbeck 2005 Matthias Schwengelbeck: Monarchische Herrschaftsrepräsentationen zwischen Konsens und Konflikt: Zum Wandel des Huldigungs- und Inthronisationszeremoniells im 19. Jahrhundert, in: Andres/Geisthövel/­ Schwengelbeck (Hg.) 2005, S. 123–162 Schwineköper 1981 Berent Schwineköper: Der Handschuh im Recht, Ämterwesen, Brauch und Volksglauben, Sigmaringen, 2. Auflage 1981 Séances du Sénat 1856 Procès-verbaux des séances du Sénat, gedruckt v. Charles Lahure, Bd. 4, Paris 1856 Seigel 2012 Jerrold Seigel: Modernity and Bourgeois Life. Society, Politics, and Culture in England, France, and Germany since 1750, Cambridge 2012 Sellin 2011 Volker Sellin: Gewalt und Legitimität. Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, München 2011 Sfeir-Semler 1992 Andrée Sfeir-Semler: Die Maler am Pariser Salon 1791–1880, Frankfurt u. New York 1992 Sigg 2009 Barbara Sigg: Emotionen im Marketing: Neuroökonomische Erkenntnisse, Bern 2009 Simmel 1905 Georg Simmel: Philosophie der Mode (1905), abgedruckt u. kommentiert in: Lehnert/Kühl/Weise 2014, S. 101–112 Simon 1995 Marie Simon: Mode et peinture. Le Second Empire et l’impressionnisme, Paris 1995

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Literatur- und Quellenverzeichnis Singer 1999 Heike Singer: Die Sichtbarkeit des Privatlebens. Zur Darstellung der Persönlichkeitssphäre von Politikern in den Massenmedien, in: Hofmann 1999, S. 249–261 Smetana 2916 Alexandra Smetana: Viribus Unitis. Das Buch vom Kaiser. Ein Prachtband zum Kaiserjubiläum 1898, in: Kat. Der ewige Kaiser 2016, S. 111–117 Söderlind 2005 Solfrid Söderlind: Das verlorene Profil, in: Kat. Monet und Camille 2005, S. 248–253 Soeffner/Tänzler (Hg.) 2002 Hans-Georg Soeffner u. Dirk Tänzler (Hg.): Figurative Politik. Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft, Opladen 2002 Soeffner/Tänzler 2002 Hans-Georg Soeffner u. Dirk Tänzler: Figurative Politik. Prolegomena zu einer Kultursoziologie politischen Handelns, in: Soeffner/Tänzler (Hg.) 2002, S. 17–33 Soeffner/Tänzler 2002a Hans-Georg Soeffner u. Dirk Tänzler: Einleitung, in: Soeffner/Tänzler (Hg.) 2002, S. 7–16 Sommer 2010 Carlo Michael Sommer: Der soziale Sinn der Mode. Kleidung und Mode aus sozialpsychologischer Sicht, in: Holenstein 2010, S. 241–254 Sontag 1978 Susan Sontag [1978]: Looking with Avedon, in: Angeletti/Oliva 2006, S. 208–211 Stanton 1857 Elizabeth Cady Stanton: Women’s Servility to Marriage and Fashion (1857), in: Russo/Kramarae (Hg.) 2001, S. 236–238 Steele 1985 Valerie Steele: Fashion and Eroticism. Ideals of feminine Beauty from the Victorian Era to the Jazz Age, New York u. Oxford 1985 Steig/Grimm 1904 Reinhold Steig u. Herman Grimm (Hg.): Achim v. Arnim und die ihm nahestanden, Bd. 3, Stuttgart 1904 Stephan 2001 Inge Stephan: Das Haar der Frau. Motiv des Begehrens, Verschlingens und der Rettung, in: Benthien/Wulf 2001, S. 27–48 Stevens 1866 Arthur Stevens: Le Salon de 1863, Paris 1866 Stockhausen 2015 Tilmann von Stockhausen: Franz Xaver Winterhalter und der Schwarzwald, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 24–31 Stollberg-Rilinger (Hg.) 2005 Barbara Stolberg-Rilinger (Hg.): Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005 Stollberg-Rilinger 2005 Barbara Stollberg-Rilinger: Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Stollberg-Rillinger (Hg.) 2005, S. 9–24 Stollberg-Rilinger 2008 Barbara Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008

Literatur- und Quellenverzeichnis Stollberg-Rilinger 2013 Barbara Stollberg-Rilinger: Rituale, Frankfurt am Main 2013 Stollberg-Rilinger 2016 Barbara Stollberg-Rilinger: Nur die Frau des Kaisers? Kommentar, in: Braun/Keller/Schnettger 2016, S. 245–251 Stollberg-Rilinger 2017 Barbara Stollberg-Rilinger: Marie Theresia – Die Kaiserin in ihrer Zeit. Eine Biografie, München 2017 Stollberg-Rilinger 2020 Barbara Stollberg-Rilinger: Weibliche Herrschaft als Ausnahme? Maria Theresia und die Geschlechterordnung des 18. Jahrhunderts, in: Braun/Kusber/Schnettger (Hg.) 2020, S. 19–50 Stollberg-Rilinger/Weißbrich 2010 Barbara Stollberg-Rilinger u. Thomas Weißbrich (Hg.): Die Bildlichkeit symbolischer Akte, Münster 2010 Strange 2002 Lisa Strange: Dress reform and the feminine ideal: Elizabeth Cady Stanton and the “coming girl”, in: Southern Journal of Communication, Bd. 68, 1/2002, S. 1–13 Straub 2015 Mirja Straub: Franz Xaver Winterhalter. Maler der Frauen, in: Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015, S. 50– 57 Strobel 2012 Jochen Strobel: „… den letzten Rest von Poësie“ – Historische und literarische Semantik eines kulturellen Schemas am Beispiel von ‚Adel‘ in der Moderne, in: KulturPoetik, Bd. 12, 2/2012, S. 187–207 Svetlik 1997 Claire Svetlik: Von der Schönheitskönigin zur Mutterikone. Zur Entwicklung von Königin Victorias Portrait­ bild, in: Kat. Vicky and The Kaiser 1997, S. 45–55 Tacke 2006 Andreas Tacke (Hg.): „… wir wollen der Liebe Raum geben“ Konkubinate geistlicher und weltlicher ­Fürsten um 1500, Göttingen 2006 Taeger 2004 Angela Taeger: „Das weibliche Veto“ und das Ende absolutistischer Herrschaft in Frankreich – oder: Was verbindet Marie Antoinette mit Messalina, Brunhilde, Fredegunde und Katharina?, in: Ziessow 2004, S. 323–338 Tauche 2016 Sophie Tauche: Elegant, staatstragend, populär: Porträts moderner Majestäten von Franz Xaver Winterhalter und Johann Peter Krafft, in: Kunstchronik 11/2016, S. 543–550 Telesko 2006 Werner Telesko: „Der Mensch steckt nicht im König, der König steckt im Menschen“ Herrschaftspräsentation und bürgerliches Bewusstsein in der habsburgischen Porträtkunst von Joseph II. bis Ferdinand I., in: Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006, S. 70–84 Telesko 2016 Werner Telesko: Herrschaftssicherung mittels visueller Repräsentation. Zur Porträtkultur Maria Theresias, in: Kernbauer/Zahradnik 2016, S. 37–48 Telesko 2017 Werner Telesko (Hg.): Die Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie in Musik, visuellen Medien und Architektur 1618–1918, Wien, Köln u. Weimar 2017

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Literatur- und Quellenverzeichnis Telesko/Hertel/Linsboth 2020 Werner Telesko, Sandra Hertel u. Stefanie Linsboth (Hg.): Die Repräsentation Maria Theresias. Herrschaft und Bildpolitik im Zeitalter der Aufklärung, Wien et al. 2020 Tetzeli/Mersmann 2000 Kurt Tetzeli von Rosador u. Arndt Mersmann (Hg.): Queen Victoria: Ein biographisches Lesebuch, München 2000 Thomas 2006 Greg Thomas: Women in Public: the Display of Femininity in the Parks of Paris, in: D’Souza/McDonough (Hg.) 2006, S. 32–48 Thoré 1870 Théophile Thoré: Salons de W. Bürger 1861–1868, 2 Bde., Bd. 2, Paris 1870 Thoré 1870a Théophile Thoré: Salons de T. Thoré 1844–1848, Paris 1870 Trauth 2006 Nina Trauth: Die Interessen der Mätressenforschung. Methodische Überlegungen zur Analyse des Mätressen­ porträts, in: Tacke 2006, S. 127–156 Trepp 1996 Anne-Charlott Trepp: Sanfte Männlichkeit und selbstständige Weiblichkeit. Frauen und Männer im Hamburger Bürgertum zwischen 1770 und 1840, Göttingen 1996 Trubert-Tollu 2017 Chantal Trubert-Tollu et al.: The House of Worth 1858–1954. The Birth of Haute Couture, London 2017 Truesdell 1997 Matthew Truesdell: Spectacular Politics. Louis-Napoleon Bonaparte and the Fête Impériale, 1849–1870, Oxford 1997 Tulard 1989 Jean Tulard: Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789–1851, Stuttgart 1989 Unterreiner 2005 Katrin Unterreiner: Sisi. Mythos und Wahrheit, Wien 2005 Urbach 2011 Karina Urbach: Queen Victoria. Eine Biografie, München 2011 Urbach 2015 Karina Urbach: Die inszenierte Idylle. Legitimationsstrategien Queen Victorias und Prinz Alberts, in: Kroll/Weiß 2015, S. 23–33 Uzanne 1898 Octave Uzanne: Fashion in Paris: the various phases of feminine taste and aesthetics from 1797 to 1897, New York 1898 Veblen 1899 Thorstein B. Veblen: Theorie der feinen Leute (1899), abgedruckt u. kommentiert in: Lehnert/Kühl/­Weise 2014, S. 89–104 Veblen 2015 Thorstein Veblen: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt am Main, 3. Auflage 2015 Venohr 2015 Dagmar Venohr: ModeMedien – Transmedialität und Modehandeln, in: Wenrich 2015, S. 109–126 Victoria’s Journals Queen Victoria’s Journals (1832–1901), digitalisiert v. Bodleian Libraries u. Royal Archives, 141 Bde., www.queenvictoriasjournals.org (letzter Aufruf: 30.11.2022)

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Literatur- und Quellenverzeichnis Weber 1947 Max Weber: Grundriss der Sozialökonomik. III. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, 3. Auflage 1947 Weber-Kellermann 1985 Ingeborg Weber-Kellermann: Der Kinder neue Kleider. Zweihundert Jahre deutsche Kindermoden in ihrer sozialen Zeichensetzung, Frankfurt am Main 1985 Weckel 1998 Ulrike Weckel: Zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften im späten 18. Jahrhundert und ihr Publikum, Tübingen 1998 Weesch 1873 Friedrich von Weesch (Hg.): Badische Biographien, 2. Teil, Heidelberg 1873 Weintraub 2000 Stanley Weintraub: Uncrowned King. The Life of Prince Albert, London 2000 Weisbrod 2002 Bernd Weisbrod: Die theatralische Monarchie: Victoria als „Family Queen“, in: Schulte (Hg.) 2002, S. 236–253 Wenrich 2015 Rainer Wenrich (Hg.): Die Medialität der Mode. Kleidung als kulturelle Praxis. Perspektiven für eine Mode­wissenschaft, Bielefeld 2015 Werner (Hg.) 1985 Karl Ferdinand Werner (Hg.): Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert. Bonn 1985 Werner 1985 Karl Ferdinand Werner: Fürst und Hof im 19. Jahrhundert: Abgesang oder Spätblüte? In: Werner (Hg.) 1985, S. 1–53 Wien 2001 Bernhard Wien: Politische Feste und Feiern in Baden 1814–1850. Tradition und Transformation: Zur Interdependenz liberaler und revolutionärer Festkultur, Frankfurt am Main 2001 Wien 2007 Iris Wien: Transparenz der Unschuld. Ein Blick auf englische Kinderbildnisse des 18. Jahrhunderts, in: Kat. Entdeckung der Kindheit 2007, S. 35–45 Wienfort 1993 Monika Wienfort: Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft. Deutschland und England von 1640 bis 1848, Göttingen 1993 Wilke 1991 Jürgen Wilke: Auf dem Weg zur „Großmacht“: Die Presse im 19. Jahrhundert, in: Wimmer 1991, S. 73–94 Wilke 2008 Jürgen Wilke: Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Köln et. al, 2. Auflage 2008 Wilkens 2011 Manja Wilkens: Liebesgaben für den Prinzgemahl. Gemälde Franz Xaver Winterhalters als Geburtstags-, Hochzeits- und Weihnachtsgeschenke von Victoria an Albert und von Albert an Victoria, in: Bosbach/­ Büttner 2011, S. 121–128 Willems/Jurga 1998 Herbert Willems u. Martin Jurga (Hg.): Inszenierungsgesellschaft, Opladen u. Wiesbaden 1998 Willi 1961 Victor Willi: Kulturgeschichte der Mode, in: König/Schupisser 1961, S. 9–102

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Internetquellen

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Bildnachweise

Royal Collection Trust/© His Majesty King Charles III 2023: Abb. 1, Taf. 8, Taf. 9, Taf. 10, Taf. 11, Taf. 12, Taf. 13, Abb. 19, Abb. 21, Taf. 14, Abb. 27, Taf. 19, Abb. 29, Abb. 30, Abb. 34, Taf. 23, Taf. 24, Taf. 25, Taf. 26, Taf. 28, Abb. 42, Abb. 59, Taf. 38, Taf. 40, Abb. 66, Abb. 69, Coverabb. 3; © Victoria and Albert Museum, London: Taf. 27, Taf. 39; Kat. Courts of Europe 1987: Taf. 2 (S. 90), Abb. 5 (S. 172), Abb. 6 (S. 173), Taf. 3 (S. 74), Taf. 6 (S. 91), Taf. 7 (S. 89), Taf. 8 (S. 103), Taf. 9 (S. 102), Abb. 15 (S. 76), Abb. 19 (S. 108), Abb. 20 (S. 109), Taf. 15 (S. 126), Taf. 16 (S. 133), Taf. 19 (S. 101), Taf. 33 (S. 136), Taf. 36 (S. 130), Abb. 62 (S. 127), Abb. 65 (S. 106), Abb. 68 (S. 105), Abb. 71 (S. 121), Taf. 43 (S. 153), Abb. 81 (S. 152); Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hg.): Schloss und Hof Karlsruhe. Führer durch die Abteilung zur Schlossgeschichte, Karlsruhe 2008: Taf. 4 (S. 45), Taf. 5 (S. 44); Archiv der Autorin: Abb. 2, Abb. 7, Abb. 47, Abb. 48, Abb. 50, Abb. 53, Abb. 58; Kat. Aufgeklärt bürgerlich 2006, S. 22: The New York Public Library, Digital Collections, CC0, IMAGE ID 803675 (https:// digitalcollections.nypl.org/items/510d47e0-e1c5-a3d9-e040-e00a18064a99); Abb.  11; Benoit 2012: Taf.  1 (S. 102), Abb. 10 (S. 95); Hojer 2011, S. 19: Abb. 3; Kat. Franz Xaver Winterhalter 2015: Abb. 4 (S. 77), Abb. 14 (S. 101), Abb. 22 (S. 20), Abb. 25 (S. 47), Taf. 18 (S. 57), Taf. 20 (S. 54), Taf. 21 (S. 55), Taf. 29 (S. 16), Abb. 54 (S. 207), Abb. 57 (S. 49), Abb. 72 (S. 167), Abb. 73 (S. 185); Dix-Neuf. Journal of the Society of Dix-Neuviémistes, 26/4 (2022), S. 226: Abb. 13; Marrinan 1988: Abb. 8 (ill. 88), Abb. 12 (ill. 1); Anne-Marie de Brem: Louis Hersent 1777–1860. Peintre d’histoire et portraitiste, Paris 1993, S. 85: Abb. 9; Kat. Napoléon III. 2008: Abb. 16 (S. 29), Abb. 33 (S. 45), Abb. 46 (S. 79); Musée Carnavalet, Histoire de Paris, CC0 (https://www.parismusees collections.paris.fr): Taf. 35 (G.35828), Abb. 23 (PH15285), Abb. 26 (G.8155), Taf. 41 (o. Nr.); Palais Galliera, musée de la Mode de la Ville de Paris, CC0 (https://www.parismuseescollections.paris.fr): Taf. 32 (K1559); McQueen 2011: Abb. 24 (color plate 3), Taf. 31 (color plate 8); Romberg 2021: Abb. 28 (S. 190), Abb. 31 (S. 209), Abb. 32 (S. 211); Kat. Sanft und engelsgleich 1995: Abb. 17 (S. 55), Abb. 18 (S. 103); Schoch 1975: Abb.  35 (Taf.  1), Abb.  37 (Taf.  144), Abb.  41 (Taf.  172); Burke 1993: Abb.  36 (S.  2); High Society. Amerikanische Portraits des Gilded Age, hg. v. Ortrud Westheider, Ausstellungskatalog, Bucerius Kunstforum, Hamburg, München 2008, S.  79: Abb.  74; Kat. The Victorian Pictures 1992: Abb.  38 (plate 252), Abb.  63 (­plate 715), Abb. 64 (plate 714), Abb. 67 (plate 724); Barrat 2000, S. II: Abb. 39; Roy Strong: Cecil Beaton. The Royal Portraits, London 1988, S. 115: Abb. 85; Freund 2014, S. 176: Abb. 80; Fleckner/Hensel 2016: Abb. 82 (S. 166), Abb. 83 (S. 172); Trubert-Tollu 2017, S. 32: Abb. 60; Fleckner 1995, S. 132: Abb. 75; Kat. The Queen 2012, S. 32: Abb. 84; Kat. Ridikül! 2003: Taf. 34 (S. 133), Abb. 61 (S. 224); Kat. Spectaculaire Second Empire 2016: Taf. 30; Kat. Russian Court 2009, S. 49: Abb. 70; Kat. Monet und Camille 2005: Abb. 40 (S. 46), Abb. 56 (S. 46), Taf. 37 (S. 217), Abb. 79 (S. 95), Abb. 78 (238); Knauer 2011, S. 52: Abb. 43; bpk/RMN – Grand Palais/­ Daniel Arnaudet: Abb. 44; bpk/RMN – Grand Palais/Thierry Ollivier: Abb. 52; Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, CC0: Taf. 42 u. Coverabb. 2; Tate/Tate Images, Image ID #: N05753: Taf. 22; Source gallica. bnf.fr/BnF: Abb. 45; Hillwood Estate, Museum & Gardens, photographed by Edward Owen, AID: 88883CN: 51.11: Taf. 17; Screenshot (https://annalena-baerbock.de/): Abb. 86; Telesko/Hertel/Linsboth 2020, S. 461: Abb. 55; Smithsonian Libraries, Image ID: SIL-SIL7-343-044, CC0 (https://library.si.edu/): Abb. 77; ÖNB/ Wien, # Pf 6639:E(113/3) (Kaiserin Elisabeth): Abb.  76; Screenshot (https://www.zeit.de/politik/2019-12/

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Bildnachweise gleichstellung-finnland-sanna-marin-emanzipation-deutschland?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww. google.com%2F): Taf.  45; Wien Museum Inv.-Nr. W 4776, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/en/ object/­456583/): Abb. 49; Screenshot (https://www.welt.de/lifestyle/article13393080/200-Euro-Alle-wollendas-neue-Kleid-von-Kate.html): Taf. 44; © KHM-Museumsverband: Coverabb. 1; Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 7324.89: Abb. 51.

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Tafel 1  Franz Xaver Winterhalter: Marie-Clémentine-Caroline d’Orléans, princesse de SaxeCobourg-­Gotha, 1838, Öl auf Leinwand, 218 × 141,5 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

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Tafel 2  Franz Xaver Winterhalter: Hélène-Louise de Mecklembourg-Schwerin, duchesse d’Orléans, et son fils le comte de Paris, 1839, Öl auf Leinwand, 218,5 × 142,5 cm, Versailles, Musée du ­Château de Versailles

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Tafel 3  Franz Xaver Winterhalter: Großherzogin Sophie von Baden, 1831, Öl auf Leinwand, 39,5 × 29 cm, Cleveland, The Cleveland Museum of Art

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Tafel 4  Franz Xaver Winterhalter: Großherzogin Sophie von Baden, 1830, Öl auf Leinwand, 68 × 48 cm, Karlsruhe, Badisches Landesmuseum

Tafel 5  Franz Xaver ­Winterhalter: Großherzog Leopold, 1831, Öl auf ­Leinwand, 68 × 48 cm, Privatbesitz, Karlsruhe, Leihgabe an das Badisches Landesmuseum

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Tafel 6  Franz Xaver Winterhalter: Marie-Amélie de Bourbon, reine des Français, 1842, Öl auf ­Leinwand, 218,5 × 142,5 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

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Tafel 7  Franz Xaver Winterhalter: Louis-Philippe Ier, roi des Français et la Charte de 1830, 1839, Öl auf Leinwand, 263,5 × 189 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

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Tafel 8  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1842, Öl auf Leinwand, 133 × 98 cm, London, Royal Collection

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Tafel 9  Franz Xaver Winterhalter: Prince Albert, 1842, Öl auf Leinwand, 133 × 98 cm, London, Royal ­Collection

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Tafel 10  Franz Xaver Winterhalter: The Linked Hands of Queen Victoria and Prince Albert, ca. 1840–1860, Öl auf Leinwand, 20,1 × 33,5 cm, London, Royal Collection

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Tafel 11  Wilhelm Paetz: mid 19th interior, sitting room, 1844, Aquarell, 22,8 × 22,2 cm, London, Royal Collection

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Tafel 12  Franz Xaver Winterhalter: The Royal Family in 1846, 1846, Öl auf Leinwand, 260 × 316 cm, ­London, Royal Collection

Tafel 13  Queen Victoria: ­Sitting room, window of the new house at Osborne, 1846, ­Bleistift und ­Aquarell auf Papier, 13,7 × 14,8 cm, Portsmouth, Portsmouth ­Museum

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Tafel 14  George Housman Thomas: The Marriage of Princess Alice, 1st July 1862, 1862–63, Öl auf Leinwand, 53,8 × 67 cm, London, Royal Collection

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Tafel 15  Franz Xaver Winterhalter: L’impératrice Eugénie, 1854, Öl auf Leinwand, 125 × 95 cm, ­Privatsammlung

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Tafel 16  Franz Xaver Winterhalter: L’Impératrice Eugénie tenant sur ses genoux le Prince ­Impérial, 1857, Öl auf Leinwand, 243 × 158 cm, Privatbesitz

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Tafel 17  Franz Xaver Winterhalter: Kaiserin Eugénie mit Strohhut, 1857, Öl auf Leinwand, 142 × 111 cm, Washington, Hillwood Museum

Tafel 18  Franz Xaver Winterhalter: ­L’empereur ­Napoléon III, 1857, Öl auf Leinwand, 140 × 110 cm, Compiègne, Musées nationaux du Palais de ­Compiègne

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Tafel 19  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1843, Öl auf Leinwand, 65 × 53 cm, London, Royal Collection

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Tafel 20  Franz Xaver Winterhalter: Kaiserin Elisabeth von Österreich mit verknotetem Haar, 1864, Öl auf Leinwand, 122 × 100 cm, Privatbesitz

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Tafel 21  Franz Xaver Winterhalter: Kaiserin Elisabeth von Österreich mit aufgelöstem Haar, 1864, Öl auf Leinwand, 158 × 117 cm, Wien, Kunsthistorisches Museum

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Tafel 22  John Martin: The Coronation of Queen Victoria, 1839, Öl auf Leinwand, 238 × 185 cm, London, Tate Britain

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Tafel 23  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1843, Öl auf Leinwand, 273 × 162 cm, London, Royal Collection

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Tafel 24  Franz Xaver Winterhalter: Queen Victoria, 1859, Öl auf Leinwand, 241 × 157 cm, ­London, Royal Collection

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Tafel 25  Franz Xaver Winterhalter: Prince Albert, 1843, Öl auf Leinwand, 274 × 161 cm, London, Royal Collection

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Tafel 26  Franz Xaver Winterhalter: The First of May, 1851, Öl auf Leinwand, 106 × 129 cm, London, ­Royal Collection

Tafel 27  Henry Courtney Selous: The Opening of the Great Exhibition by Queen Victoria on 1 May 1851, 1851–1852, Öl auf Leinwand, 170 × 242 cm, London, Victoria & Albert ­Museum

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Tafel 28  Franz Xaver Winterhalter: Prince Albert, 1859, Öl auf Leinwand, 241,9 × 158,1 cm, ­London, Royal Collection

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Tafel 29  Franz Xaver Winterhalter: Eugénie de Montijo de Guzman, impératrice des Français, 1852, Öl auf Leinwand, 208 × 153 cm, Paris, Collection de Mouchy

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Tafel 30  Nach Franz Xaver Winterhalter: Napoléon III, empereur des Français, 1861 [1852], Öl auf Leinwand, 241 × 156 cm, Versailles, Musée du Château de Versailles

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Tafel 31  Franz Xaver Winterhalter: Eugénie de Montijo de Guzman, impératrice des Français, 1862, 229 × 146 cm, Madrid, Fundación Casa de Alba, Palacio de Liria

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Tafel 32  Héloïse Leloir: Quatre toilettes de bal, 1863, 30,8 × 23,5 cm, Bleistift, Gouache und Tinte auf Papierkarton, Paris, Palais Galliera, Musée de la Mode de la Ville de Paris

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Tafel 33  Franz Xaver Winterhalter: Pauline, Fürstin von Metternich, 1860, Öl auf Leinwand, 115 × 87,5 cm, Privatbesitz

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Tafel 34  Anonym: L’Ancien et le Nouveau, um 1800, Radierung, 13,7 × 21,1 cm, Berlin, Lipperheidesche Kostümbibliothek

Tafel 35  Anonym: Modes pour rire/Crinolines en wagon de 1(re) classe, o. D., kolorierte Lithografie, 27,6 × 36 cm, Paris, Musée Carnavalet

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Tafel 36  Franz Xaver Winterhalter: L’impératrice Eugénie entourée de ses dames d’honneur, 1855, Öl auf Leinwand, 295 × 420 cm, Compiègne, Musées nationaux du Palais de Compiègne

Tafel 37  Héloïse Leloir: Quatre dames en toilettes de promenade et une fille, um 1868, Gouache über Bleistift auf weißem Karton, 22,6 × 30,5 cm, Paris, Palais Galliera, Musée de la mode de la ville de Paris

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Tafel 38  Franz Xaver Winterhalter: Queen ­Victoria with the Prince of Wales, 1846, Öl auf Leinwand, 236,2 × 146,1 cm, London, Royal Collection

Tafel 39  François-Claudins Compte-Calix: Modeillustration, ca. 1860, kolorierter Stich, London, Victoria & Albert Museum

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Tafel 40  Franz Xaver Winterhalter: Queen ­Victoria, 1856, Öl auf ­Leinwand, 88,8 × 73,1 cm, London, ­Royal Collection

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Tafel 41  André Gill: Le Salon pour Rire, Lithografie, 1868, 35 × 27,4 cm, Paris, Musée Carnavalet

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Tafel 42  Franz Xaver Winterhalter: Zarin Maria Alexandrovna, 1862, Öl auf Leinwand, 130 × 95 cm, Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

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Tafel 43  Franz Xaver Winterhalter: Kaiserin Elisabeth von Österreich in Balltoilette, 1865, Öl auf Leinwand, 255 × 133 cm, Wien, Hofburg, Sisi-Museum

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Tafel 44  Pete Souza: President Barack Obama and First Lady Michelle Obama talk with the Duke and ­Duchess of Cambridge in the 1844 Room at Buckingham Palace in London, England, May 24, 2011, 2011, ­Fotografie, ohne Maße, offizielles Foto des White House, Screenshot von https://www.welt.de/lifestyle/­ article13393080/200-Euro-Alle-wollen-das-neue-Kleid-von-Kate.html (letzter Aufruf: 30.11.2022)

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Tafel 45  Anonym: Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin (2. v. r.) mit den Ministerinnen Li ­Andersson, Katri Kulmuni und Maria Ohisalo (v. l.), 2019, Fotografie, ohne Maße, Foto der Nachrichtenagentur AFP, Screenshot von https://www.zeit.de/politik/2019-12/gleichstellung-finnland-sanna-marin-emanzipation-­ deutschland?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F (letzter Aufruf: 30.11.2022)