Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch [Aufl ed.] 3110067609, 9783110067606

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch [Aufl ed.]
 3110067609, 9783110067606

Table of contents :
1. Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese
1.1 Gerhard von Rads Neuansatz
1.2 Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes
1.3 Das Festhalten an der Urkundenhypothese
1.4 Die Frage nach den „größeren Einheiten“
2. Die Vätergeschichten als Beispiel einer „größeren Einheit“ im Rahmen des Pentateuch
2.1 Die Geschichten von Joseph, Jakob und Isaak
2.2 Die Abrahamgeschichte
2.21 Die Vielschichtigkeit der Abrahamüberlieferungen
2.22 Die Verheißungen in den Gottesreden in der Abrahamgeschichte
2.3 Die Verheißungen an die Erzväter
2.31 Die Landverheißung
2.32 Die Verheißung von Nachkommenschaft
2.33 Der Segen
2.34 Die Führung
2.35 Verbindung der einzelnen Verheißungsthemen
2.4 Die Funktion der Verheißungsreden für die Komposition der Vätergeschichten
2.5 Das Fehlen der festgestellten Bearbeitung im Buch Exodus
2.6 Die „größeren Einheiten“ in den Büchern Exodus bis Numeri
2.7 Spuren einer übergreifenden Bearbeitung
3. Kritik der Pentateuchkritik
3.1 Der gegenwärtige Stand der Pentateuchkritik
3.2 Das Problem des Jahwisten
3.21 Die literarische Analyse des Jahwisten
3.22 Kennzeichen der Arbeit des Jahwisten
3.23 Die Theologie des Jahwisten
3.24 Gründe gegen die Annahme eines jahwistischen Werkes
3.3 Das Problem einer priesterschriftlichen Erzählung in den Vätergeschichten
3.31 Die Geschichten von Joseph und Isaak
3.32 Die Jakobgeschichte
3.33 Die Abrahamgeschichte
3.34 Genesis 23
3.4 Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten
3.41 Chronologische Notizen
3.42 „Theologische“ Stücke
3.43 Die Funktion der priesterlichen Schicht
3.44 Keine priesterschriftliche Erzählung, sondern eine priesterliche Bearbeitungsschicht
3.5 Zusammenfassung
4. Ergebnisse und Folgerungen
4.1 Abkehr von der Urkundenhypothese
4.2 Die „größeren Einheiten“ im Pentateuch
4.21 Die Vätergeschichten
4.22 Die übrigen „größeren Einheiten“
4.3 Das Problem der zusammenfassenden und abschließenden Gestaltung des Pentateuch

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Rolf Rendtorff Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch

Rolf Rendtorff

Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch

w

G_ DE

Walter de Gruyter • Berlin • New York 1977

Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Georg Fohrer 147

CIP-Kurztitelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Rendtorff, Rolf Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch. — 1. Aufl. — Berlin, New York : de Gruyter, 1976. (Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft : Beih. ; 147) ISBN 3-11-006760-9

1976 by Walter de Gruyter & Co., vormals G.J. Göschen'sche Verlagshandlung—J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Ubersetzung, der Herstellung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Vorwort Dieses Buch stellt den vorläufigen Endpunkt einer langjährigen Auseinandersetzung mit den methodischen Grundfragen der Pentateuchkritik dar. Wesentliche Anstöße zu einer intensiveren Beschäftigung mit diesen Fragen erwuchsen aus Gesprächen mit ausländischen Fachkollegen. Es ist deshalb nicht zufällig, daß verschiedene frühere Äußerungen zu diesem Fragenkomplex diese Gespräche widerspiegeln: In dem Vortrag „Literarkritik und Traditionsgeschichte" in Uppsala 1965 (EvTh 27, 1967, 138—153) habe ich noch die Auffassung vertreten, daß die bisherige Lösung der Pentateuchprobleme trotz aller kritischen Reduzierung ihrer Ergebnisse immer noch die einleuchtendste sei; in meinem Beitrag „Traditio-Historical Method and the Documentary Hypothesis" in Jerusalem 1969 (Proceedings of the Fifth World Congress of Jewish Studies 5—11) habe ich dann zu zeigen versucht, daß sich von einem konsequent überlieferungsgeschichtlichen Ansatz aus die Urkundenhypothese nicht aufrechterhalten läßt; in Edinburgh 1974 habe ich schließlich die Existenz des Hauptpfeilers der Urkundenhypothese, des „Jahwisten", in Frage gestellt („Der .Jahwist' als Theologe? Zum Dilemma der Pentateuchkritik", VTSupp 28, 1975, 158—166). Hier soll nun auf einer breiteren Basis ein Neuansatz in der Pentateuchforschung skizziert werden. Ich habe vielen zu danken, mit denen ich im Laufe der Jahre diese Fragen erörtern konnte: Zunächst den Heidelberger Kollegen, mit denen das Gespräch auf vielfältige Weise geführt wurde und auch weiter geführt wird. Dann vor allem den Kollegen und Freunden in Jerusalem, die mir nach zahlreichen früheren Begegnungen und Gesprächen die Möglichkeit gaben, mich im Wintersemester 1973/74 als Gast der Hebräischen Universität ganz auf diese Fragen zu konzentrieren und sie in intensivem Austausch mit ihnen weiter zu klären. Schließlich Konrad Rupprecht, ohne dessen ständige Beratung und Mitarbeit das Buch nicht zustandegekommen wäre, und Erhard Blum, der an der Herstellung des Manuskripts und den Korrekturen mitgewirkt und das Register hergestellt hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich dafür, daß sie mir im Jahre 1966 einen ersten Studienaufenthalt in Jerusalem ermöglicht hat. Schriesheim b. Heidelberg, Juli 1975

Rolf Rendtorff

Inhaltsverzeichnis 1.

Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

1

1.1 1.2 1.8 1.4

Gerhard von Rads Neuansatz Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes Das Festhalten an der Urkundenhypothese Die Frage nach den „größeren Einheiten"

2.

Die Vätergeschichten als Beispiel einer „größeren Einheit" im Rahmen des Pentateuch 29

2.1 2.2 2.21 2.22 2.3 2.31 2.32 2.33 2.34 2.36 2.4 2.6 2.6 2.7

Die Geschichten von Joseph, Jakob und Isaak Die Abrahamgeschichte Die Vielschichtigkeit der Abrahamaberlieferungen Die Verheißungen in den Gottesreden in der Abrahamgeschichte Die Verheißungen an die Erzväter Die Landverheißung Die Verheißung von Nachkommenschaft Der Segen Die Führung Verbindung der einzelnen Verheißungsthemen Die Funktion der Verheißungsreden für die Komposition derVätergeschichten Das Fehlen der festgestellten Bearbeitung im Buch Exodus Die „größeren Einheiten" in den Büchern Exodus bis Numeri Spuren einer übergreifenden Bearbeitung

29 34 34 37 40 42 46 48 49 61 67 66 70 76

3.

Kritik der Pentateuchkritik

80

3.1 3.2 3.21 3.22 3.23 3.24 3.3 3.31 3.32 3.33 3.34 3.4 3.41 3.42 3.43

Der gegenwärtige Stand der Pentateuchkritik 80 Das Problem des Jahwisten 86 Die literarische Analyse des Jahwisten 86 Kennzeichen der Arbeit des Jahwisten 96 Die Theologie des Jahwisten 103 Gründe gegen die Annahme eines jahwistischen Werkes 109 Das Problem einer priesterschriftlichen Erzählung in den Vätergeschichten 112 Die Geschichten von Joseph und Isaak 113 Die Jakobgeschichte 116 Die Abrahamgeschichte 120 Genesis 23 128 Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten 130 Chronologische Notizen 131 „Theologische" Stücke 136 Die Funktion der priesterlichen Schicht 13S

2 6 12 19

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.44 Keine priesterschriftliche Erzählung, sondern eine priesterliche Bearbeitungsschicht 141 3.6 Zusammenfassung 142

4.

Ergebnisse und Folgerungen

147

4.1 4.2 4.21 4.22 4.3

Abkehr von der Urkundenhypothese 148 Die „größeren Einheiten" im Pentateuch 151 Die Vätergeschichten 151 Die übrigen „größeren Einheiten" 164 Das Problem der zusammenfassenden und abschließenden Gestaltung des Pentateuch 168

1. Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese In der gegenwärtigen Pentateuchforschung stehen zwei methodische Ansätze nebeneinander: auf der einen Seite die literarkritische Methode, die in ihrer seit J. Wellhausen klassisch gewordenen Ausprägung mehrere durchlaufende literarische »Quellen« innerhalb des Pentateuch voneinander scheidet; auf der anderen Seite die form- und überlieferungsgeschichtliche Methode, die seit H. Gunkel nicht von der literarischen Endgestalt des Pentateuchtextes ausgeht, sondern von den einzelnen, ursprünglich selbständigen »kleinsten Einheiten«, und die den weiteren Gang der Überlieferungsbildung bis hin zu ihrem literarischen Endstadium verfolgt. Die beiden Methoden sind also in ihrem Ansatzpunkt und in der Richtung ihrer Fragestellung einander entgegengesetzt. Dies muß nun keineswegs bedeuten, daß sie auch zu entgegengesetzten Ergebnissen kommen. Gleichwohl ist es überraschend, daß über das Verhältnis dieser beiden grundverschiedenen methodischen Ansätze zueinander bisher kaum Überlegungen angestellt worden sind. Das hat seinen entscheidenden Grund offenbar darin, daß auch diejenigen Forscher, die die formgeschichtliche und die überlieferungsgeschichtliche Methode entwickelt haben oder sich ihrer bedienen, fast durchweg an der literarkritischen Quellenscheidung festhalten. So konnte man geradezu von einer »Erweiterung der Methoden durch die Formgeschichte«1 sprechen, ohne deutlich zu erkennen oder zum Ausdruck zu bringen, daß es sich in Wirklichkeit nicht um eine Erweiterung, sondern um eine grundlegende Veränderung der Fragestellung handelt2. Vielfach wurde so verfahren, wie Westermann kritisch das methodische Vorgehen Noths charakterisiert: »die beiden Methoden nur mechanisch zu addieren, so etwa, daß man den Text zunächst nach der einen und dann nach der anderen Methode behandelt«3. Dieses Verfahren hat aber zur Folge, daß der methodische Ansatz der Formgeschichte in ihrer Weiterführung durch die Überlieferungsgeschichte bisher nicht voll zur Entfaltung gekommen ist. Die hier vorgelegte Arbeit versucht, die Gründe dafür aufzuzeigen und in Richtung auf eine solche Entfaltung einen Schritt weiterzuführen. Es ist dabei zugleich ihre Absicht, das kritische Element gegenüber der 1 K. Koch, Was ist Formgeschichte ?, 1964, 1974», 89. K. Koch (a. a. O. 94) bezeichnet die Literarkritik geradezu ab einen »Teil der Formgeschichte«. 3 C. Westermann, Genesis, 1966—1974, 763. 2

R e n d t o r f f , Pentateuch

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

literarkritischen Quellenscheidung, das in dem veränderten methodischen Ansatz angelegt ist, stärker zur Geltung zu bringen, als es bisher geschehen ist. Ich greife deshalb bewußt die Titel von zwei Studien auf, die die Arbeit am Pentateuch nach H. Gunkel besonders nachhaltig beeinflußt haben und deren Ansätze hier aufgenommen und, wenn auch teilweise kritisch, weitergeführt werden sollen: »Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs« von G. von Rad (1938)4 und die »Überlieferungsgeschichte des Pentateuch« von M. Noth (1948)5. Auf der Basis dieser beiden Arbeiten und in kritischer Auseinandersetzung mit ihnen soll im folgenden »das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch« entfaltet werden.

1.1 GERHARD VON RADS NEUANSATZ

G. von Rad wollte mit seiner Arbeit den Stillstand überwinden, der in der Erforschung des Pentateuch bzw. Hexateuch eingetreten war. Er sah den Grund für die allgemeine »Forschungsmüdigkeit« darin, daß mit der Analyse der Pentateuchquellen einerseits und mit der Untersuchung der Einzelstoffe andererseits »ein Auflösungsprozeß großen Stiles« eingesetzt hatte und daß »das dumpfe oder klare Wissen von seiner Nichtumkehrbarkeit« viele Forscher lähmte. Dieser Auflösungsprozeß betraf nach von Rads Einsicht besonders die Endgestalt des Hexateuch, die selbst gar keiner besonderen Diskussion mehr für wert gehalten wurde, sondern nur noch als Ausgangspunkt diente, »von dem die Erörterung möglichst schnell wegzukommen habe, um an die eigentlichen dahinterliegenden Probleme zu gelangen«. Deshalb fragte von Rad wieder nach dieser Endgestalt. Er unternahm dies mit den Mitteln der Formgeschichte, indem er versuchte, den ganzen Hexateuch als »Gattung« zu verstehen, »von der anzunehmen ist, daß . . . ihr 'Sitz im Leben' und ihr weiterer Ausbau bis hin zu der Zerdehnung, in der sie uns heute vorliegt, einigermaßen erkennbar sind«1. Von Rad hat mit diesem methodischen Neuansatz der Hexateuchbzw. Pentateuchforschung 2 wesentliche neue Impulse gegeben. Auch über den Bereich des Pentateuch hinaus haben seine Anstöße weit1

6 1 2

G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs, 1938 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1958, 19714, 9—86; Seitenangaben im folgenden nur nach dem Neudruck. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948. G. von Rad a. a. O. (s. o. Anm. 4) 9 ff. Im folgenden wird vom PentatevLch gesprochen, auch wenn die herangezogenen Autoren ihrerseits vom Hexateuch sprechen. Nur dort, wo es sachlich geboten ist, wird der Terminus Hexateuch benutzt.

3

Gerhard von Rads Neuansatz

reichende Wirkungen entfaltet. So hat seine These von dem »kleinen geschichtlichen Credo« vielerlei form- und überlieferungsgeschichtliche Arbeiten angeregt, und die Frage nach dem kultischen Sitz im Leben der verschiedenen grundlegenden Themen der Pentateuchüberlieferung hat einen ganz neuen Zweig von kultgeschichtlicher Forschung zur Folge gehabt. Und schließlich hatte seine Auffassung von den ursprünglich selbständigen großen Traditionskomplexen, in denen die Pentateuchtraditionen gesammelt und weitergegeben wurden, weitreichende Bedeutung für die alttestamentliche Theologie. Für den Pentateuch selbst sind es vor allem zwei Aspekte, unter denen von Rads Arbeit weitergewirkt hat: Einerseits die Aufgliederung der Pentateuchtradition in mehrere selbständige Traditionskomplexe und andererseits die Bedeutung, die er dem »Jahwisten« für die abschließende Gestaltung des Pentateuch zuschreibt 3 . Die Erkenntnis von dem Vorhandensein verschiedener ursprünglich selbständiger Traditionskomplexe hat zwar noch nicht, wie es von Rads Absicht war, die Endgestalt des Pentateuch wieder deutlicher in Blick kommen lassen. Sie hat aber weggeführt von der einseitigen Betonung der literarischen Analyse und hat über die Behandlung der Einzelstoffe, wie sie besonders in den Arbeiten von H. Gunkel und H. Greßmann im Mittelpunkt des Interesses standen, hinausgeführt zur Beschäftigung mit größeren Zusammenhängen und damit zu einem neuen Zweig überlieferungsgeschichtlicher Arbeit 4 . Von Rad erkennt im Pentateuch mehrere größere Traditionskomplexe, die sich deutlich voneinander abheben. Dies gilt zunächst ganz besonders für die Sinaitradition, und zwar vor allem für ihren eigentlichen Kern, die Kapitel Ex 19—24. Hier liegt ein in sich geschlossener Überlieferungskomplex vor, der mit der vorhergehenden Überlieferung vom Auszug aus Ägypten und der Wüstenwanderung in keinem ursprünglichen Zusammenhang steht. Dabei betont von Rad, daß dieser Überlieferungskomplex »in allen wesentlichen Zügen feststand«, bevor diese Tradition in den »hexateuchischen Quellen JE«, also beim Jahwisten und Elohisten, ihren literarischen Niederschlag fand; dies letztere ist »als ein später Vorgang . . ., ja vielleicht als ein Endstadium anzusehen«6. Einen weiteren Traditionskomplex, dessen innere Geschlossenheit deutlich erkennbar ist, sieht von Rad im Anschluß an Pedersen 6 in 3

Dazu s. unten S. 14 f. Als Überlieferungsgeschichte bezeichne ich mit M. Noth a. a. O. (s. o. S. 2 Anm. 5) 1 den gesamten Prozeß der Überlieferungsbildung, der sich von der Entstehung der kleinsten Einheiten über deren Weiterbildung und Einfügung in kleinere und größere Sammlungen bis zu dem uns vorliegenden Uberlieferungsganzen erstreckt. 4 G. von Rad a. a. O. (s. o. S. 2 Anm. 4) 26f. « J. Pedersen, Passahfest und Passahlegende, ZAW 52 (1934), 161—175. 4

1*

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Ex 1—14. »Wir haben hier. . . eine eigentliche Auszugstradition, die sich von der Landnahmetradition deutlich unterscheidet«7. Auch diesen Traditionskomplex hat der Jahwist schon vorgefunden. Hinsichtlich der eigentlichen Landnahmetradition entsteht die Frage, ob man den »Sammler« der Gilgalsagen, dessen Arbeitsweise Noth. in seinem Josuakommentar8 herausgearbeitet hat, mit einer der Pentateuchquellen identifizieren kann oder ihn, wie Noth es getan hat, ganz davon trennen muß. Von Rad betont hier den inneren Zusammenhang mit den pentateuchischen Überlieferungen durch die Orientierung auf die Landnahme hin, weshalb es für ihn bei »J und E eben nicht nur um eine literarische, sondern auch ebensosehr um eine Gattungsfrage« geht9. Allerdings bleibt diese Frage hier letztlich unentschieden. Im Blick auf die Vätergeschichte erkennt von Rad im Anschluß an Gunkel verschiedene Sagenkompositionen von sehr unterschiedlicher Art. Bei den Abrahamsagen vermutet er, daß »die Vereinigung des Abraham- und Lotkreises dem Jahwisten als gegeben vorgelegen« habe, während er sonst vielfach »die theologisch ordnende Hand des Jahwisten am Werk« sieht10. Bei den Jakobsagen war »die Vereinigung des Jakob-Esaukreises mit dem Jakob-Labankreis . . . gewiß schon vollzogen«, wie es »hier überhaupt wohl kaum möglich (ist), den Anteil des Jahwisten an der Komposition anders als vermutungsweise aufzuzeigen«11. Am ehesten glaubt von Rad ihn noch in der Einsetzung der Kultsagen von Bethel (Gen 2810-22) und Pnuel (Gen 32 23-3312) erkennen zu können. Schließlich heißt es: »Daß der Jahwist in der Josephsgeschichte eine in allem Wesentlichen fertige und in sich abgeschlossene Novelle seinem Werk eingegliedert hat, wird allgemein angenommen13.« Auch die Urgeschichte bildet eine selbständige Komposition, deren Gestaltung »aus einer Reihe ursprünglich selbständiger Stoffkreise« allerdings »allein das Werk des Jahwisten ist«14, ebenso wie die »Verklammerung von Urgeschichte und Heilsgeschichte« in Gen 12 1-315. Mit diesen Untersuchungen von Rads hat die Pentateuchforschung ein neues Thema bekommen. Zu der älteren, vom Endstadium des Textes ausgehenden Quellenanalyse war seit Gunkel die Beschäftigung mit den kleinsten ursprünglich selbständigen Einheiten getreten. Von Rad wirft nun die Frage nach einem Stadium auf, das zwischen den G. von Rad a. a. O. 60. M. Noth, Das Buch Josua, 1938, 19532. » G. von Rad a. a. O. 84. 10 A. a. O. 66. 11 Ebd. 12 G. von Rad sieht den Anfang der Pnuel-Sage offenbar erst in v. 25 (a. a. O. 67). 13 A. a. O. 67. 14 A. a. O. 71. 15 A. a. O. 73. 7 8

Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes

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kleinsten Einheiten und der abschließenden Gestaltung des ganzen Erzählungszusammenhanges liegt und für das offenbar ganz eigene Gestaltungsprinzipien gelten. Das hervorstechendste Merkmal ist die jeweilige thematische Zusammengehörigkeit innerhalb der einzelnen Überlieferungskomplexe. Sie verbindet einerseits in vielen Fällen Texte miteinander, die unter formgeschichtlichem Gesichtspunkt ganz verschiedenartig sind, und fügt sie zu neuen größeren Einheiten zusammen ; andererseits kommt dabei die Selbständigkeit dieser größeren Einheiten und ihre je verschiedene und voneinander unabhängige Weiterentwicklung deutlich zum Ausdruck. Diese Unterscheidung größerer, thematisch bestimmter Überlieferungskomplexe hat die weitere Forschung sehr stark beschäftigt.

1.2 MARTIN NOTHS VERÄNDERUNG DIESES ANSATZES

Der grundlegende Beitrag, den M. Noth zum weiteren Gang der Pentateuchforschung geleistet hat, kommt schon rein äußerlich darin zum Ausdruck, daß er den Begriff der »Überlieferungsgeschichte« in die Diskussion eingeführt hat, der seither zu einem der bestimmenden Leitbegriffe der alttestamentlichen Forschung geworden ist, weit über den Rahmen der Pentateuchforschung hinaus1. Es ist deshalb zweckmäßig, zunächst das erste der beiden großen Werke Noths, die unter diesem thematischen Stichwort stehen, ins Auge zu fassen. Es ist im Jahre 1943 unter dem Titel »Überlieferungsgeschichtliche Studien« erschienen und wird als »Erster Teil« einer geplanten Reihe von Arbeiten bezeichnet, der »Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament« zum Gegenstand hat2. Diese Studie stellt Noth in den einleitenden Bemerkungen ausdrücklich in einen engen forschungsgeschichtlichen Zusammenhang mit der Arbeit von Rads zum Hexateuch. Die Gemeinsamkeit besteht vor allem darin, daß Noth sich hier ebenfalls mit demjenigen Stadium der Überlieferungsbildung befaßt, in dem aus verschiedenen Überlieferungselementen die Endgestalt des uns vorliegenden Werkes entstanden ist — in diesem Fall des deuteronomistischen und des chronistischen Geschichtswerks. Dabei zeigen sich im Blick auf das deuteronomistische Geschichtswerk auffallende Gemeinsamkeiten mit den Sachverhalten, die von Rad für 1

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Zumindest soweit sie sich den von Hermann Gunkel ausgegangenen Impulsen verpflichtet sieht. Eine etwas andere Ausprägung hat der Begriff in der »UppsalaSchule« erhalten; vgl. dazu H. Ringgren, Literarkritik, Formgeschichte, Uberlieferungsgeschichte, ThLZ 91 (1966), 641—650, und R. Rendtorff, Literarkritik und Traditionsgeschichte, EvTh 27 (1967), 138—153. M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, 1943, 19572.

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

den Pentateuch herausgearbeitet hat. Auch der »Deuteronomist« (Dtr) fand nach Noths Auffassung in einer ganzen Reihe von Fällen bereits größere Überlieferungskomplexe vor, die sogar teilweise schon vor ihm miteinander verbunden worden waren. Dies gilt insbesondere für die Anfänge des Königtums, über die Noth sagt: »Für die Geschichte Sauls und Davids stand Dtr der umfangreiche Komplex der SaulDavid-Überlieferungen zur Verfügung, der schon längst vor Dtr aus verschiedenen Elementen, außer der alten Saul-Überlieferung vor allem der Geschichte vom Aufstieg Davids und der Geschichte der Frage der Thronnachfolge Davids, zusammengewachsen war.«3 In anderen Fällen konnte und mußte der Deuteronomist selbst stärker gestaltend eingreifen, weil das ihm zur Verfügung stehende Material noch wenig oder gar nicht in der Weise geordnet vorlag, wie er es für seine Gesamtdarstellung verwenden konnte und wollte4. Noth hat hier also unter dem Stichwort »Überlieferungsgeschichte« das Endstadium der Überlieferungsbildung behandelt, in dem aus mehr oder weniger vorgeformten größeren Überlieferungskomplexen das Gesamtwerk in seiner jetzt vorliegenden Gestalt entstanden ist. Fragestellung und Intention stimmen, trotz des unterschiedlichen Ansatzpunktes, im wesentlichen mit dem überein, was von Rad für den Pentateuch unternommen hat. Dabei wird in beiden Fällen mit größeren Überlieferungskomplexen gerechnet, bei denen vorausgesetzt wird, daß sie ihrerseits aus Einzelüberlieferungen zusammengewachsen oder zusammengefügt worden sind. Der Weg von diesen Einzelüberlieferungen zu den größeren Überlieferungskomplexen wird aber in beiden Fällen nicht zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Diese letzte Feststellung ist insofern von Bedeutung, als sich beide Forscher in sehr grundlegender Weise von der formgeschichtlichen Arbeit H. Gunkels bestimmt wissen. Gunkel hat bekanntlich sein Hauptaugenmerk den ursprüngüchen Einzelüberlieferungen gewidmet, die häufig als »kleinste literarische Einheiten« bezeichnet worden sind5. Sie bilden den eigentlichen Gegenstand der formgeschichtlichen Untersuchung. Demgegenüber stellt die Verbindung von mehreren ursprünglich selbständigen Einheiten schon ein zweites Stadium der Überlieferungsbildung dar. Gunkel hat dieses Stadium auch schon 3 4

5

A. a. o . 61 f. M. Noth vergleicht die Arbeit des Deuteronomisten ausdrücklich mit derjenigen,die G. von Rad dem Jahwisten zuschreibt, und er bezeichnet diesen Jahwisten als »Vorläufer« seines Deuteronomisten (a. a. O. 2 Anm. 2). Vgl. schon: O. Eißfeldt, Die kleinste literarische Einheit in den Erzählungsbüchern des AT, ThBl 6 (1927), 333—337 = Kleine Schriften, 1 1962, 123—149, und später ders., Einleitung in das Alte Testament, 19643, 5; dabei kann man sich wohl mit Recht auf Gunkel selbst berufen: H. Gunkel, Die israelitische Literatur, 1925 = 1963. 3 f.

Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes

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ins Auge gefaßt und in einigen Fällen von »Sagenkränzen« gesprochen. Allerdings hat er für die Beurteilung derartiger Kompositionen noch keine methodischen Kriterien entwickelt, sondern nur seine Beobachtungen dazu in einer sehr lockeren und mehr beiläufigen Weise mitgeteilt 6 ; es liegt für ihn kein eigenständiges Gewicht auf dieser Frage. Das gleiche gilt für H. Greßmanns wichtiges Werk »Mose und seine Zeit« (1913). Dies ist umso auffallender, als Greßmanns Fragestellung im ganzen schon sehr deutlich in die Richtung der späteren überlieferungsgeschichtlichen Arbeit weist. Gleichwohl kommt Greßmann bei der Angabe von Kriterien für die Sagenkränze über sehr allgemeine Formulierungen nicht hinaus 7 . Es besteht also eine offenkundige Lücke zwischen der Untersuchung der ursprünglichen kleinsten Einheiten und der Frage nach der abschließenden Gestaltung der uns jetzt vorliegenden Werke aus größeren Überlieferungskomplexen. Der Weg von den kleinsten Einheiten zu den größeren Überlieferungskomplexen, die man auch als »größere literarische Einheiten« bezeichnen könnte 8 , ist bisher noch nicht methodisch begangen und untersucht worden. Diese Lücke erscheint aber als grundlegender Mangel, wenn man von der Aufgabenstellung der Überlieferungsgeschichte ausgeht, wie Noth sie in seiner »Überlieferungsgeschichte des Pentateuch« formuliert hat. Er skizziert das »Wachsen und Gestaltgewinnen der großen Überlieferungsmasse, die uns heute in dem umfangreichen und komplizierten literarischen Gebilde des Pentateuch vorliegt«, als einen langen Prozeß, der von der mündlichen Traditionsbildung über die schriftliche Aufzeichnung bis zur Zusammenfassung in großen literarischen Werken und schließlich zur rein literarischen Redaktion führt, und fährt dann fort: »Eine 'Überlieferungsgeschichte des Pentateuch' hat die Aufgabe, diesem Prozeß von seinen Anfängen bis zu seinem Ende nachzugehen.«9 6

Vgl. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 19667, LH u. ö. Ähnlich auch ders., Die israelitische Literatur (s. o. Anm. 5), 4. 7 H. Greßmann, Mose und seine Zeit. Ein Kommentar zu den Mose-Sagen, 1913, 386: i>Die Sagenkränze können kleinere und größere Einheiten umfassen. Sie liegen überall da vor, wo mehrere Einzelsagen zu einer losen Komposition an einander gereiht worden sind. Sagen, die dasselbe oder ein verwandtes Thema behandeln, brauchen durchaus nicht notwendig zu einer Gruppe verbunden gewesen zu sein. Vielmehr muß bei aller Brüchigkeit im einzelnen, die durch die ursprüngliche Selbständigkeit der Erzählung verschuldet ist, doch ein irgendwie fortlaufender Faden gesponnen sein, der von der einen Sage zur anderen hinüberführt.« 8 Von »größeren Einheiten« spricht bereits H. Gunkel, Die israelitische Literatur (s. o. Anm. 5), 4; vgl. auch O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19643, 5. Eißfeldt spricht auch von »literarischen Einheiten mittlerer Größe« (a. a. O. 8); vgl. auch A. Bentzen, Introduction to the Old Testament, I 1952 2 = 19595, 252ff: »From the Smallest Literary Units to the Great Literary Complexes«. 9 M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 1.

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Noth selbst erklärt es allerdings als seine Absicht, sein Hauptinteresse nicht so sehr »den späteren, mehr und mehr rein literarischen Vorgängen . . . als vielmehr den für das Werden des Ganzen entscheidenden Anfängen und ersten Stadien des Wachstums« zuzuwenden10. Er äußert sich dann aber auch ausführlich und detailliert zu den Fragen der literarischen Endgestalt 11 , nicht jedoch zu den dazwischenliegenden Stadien der Überlieferungsbildung. Dadurch entsteht eine auffallende Uneiriheitlichkeit seines Werkes. Der größte Teil der Darstellung behandelt »die zwrliterarische Geschichte der Bildung und des Wachstums der Überlieferung zu einer schließlich in allem Wesentlichen festgeprägten Gestalt«12, hat es also »im wesentlichen mit der noch mündlichen Überlieferungsbildung und Überlieferungsgestaltung zu tun«13. Dann, nach einigen Überlegungen über »Verklammerungen«, »Genealogien« und »Itinerare«14, springt die Darstellung an das Ende des Überlieferungsprozesses und wendet sich den traditionellen »Pentateuchquellen«15 zu, ohne daß die dazwischenliegende literarische Gestaltwerdung der Überlieferung in ihren verschiedenen Stadien in Blick gefaßt worden wäre16. Von Noths eigenem methodischen Ansatz her hätte es nahegelegen, daß er wie beim deuteronomistischen Geschichtswerk die letzte Phase der literarischen Gestaltung genauer untersucht hätte, d. h. also ähnlich wie von Rad dem Schritt von den größeren literarischen Überlieferungskomplexen zur zusammenfassenden Gestaltung in den »Pentateuchquellen« nachgegangen wäre. Andererseits wäre von der exegetischen Tradition her, in der Noth steht, auch die Behandlung der kleinsten erzählerischen Einheiten, in denen die Überlieferungsstoffe Gestalt gewonnen haben, zu erwarten gewesen. Und schließlich hätte dann Noths eigenes Programm, dem Prozeß der Überlieferungsbildung »von seinen Anfängen bis zu seinem Ende nachzugehen«17, auch die Behandlung des Weges von den kleinsten Einheiten zu den größeren Überlieferungskomplexen nahegelegt, um auf diese Weise ein zusammenhängendes Bild des ganzen Überlieferungsprozesses zu gewinnen. Noth hat selbst begründet, warum er die Durchführung seines Programms nicht so in Angriff genommen hat, wie sie eben skizziert 10 12 13 14 15 M

17

11 Ebd. A. a. O. §§ 15 u. 16. A. a. O. 47. A. a. O. 216. So die Uberschriften der §§ 11, 13 u. 14. A. a. O. § 15. Das »zweite Stück« der »Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch« trägt eine Überschrift, deren Anspruch nicht eingelöst wird: »Das Zusammenwachsen der Themen und Einzelüberlieferungen« (a. a. O. VIII u. 216). Vgl. oben bei Anm. 9.

Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes

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wurde. Er ist im Anschluß an von Rad von dem Versuch ausgegangen, vor Eintritt in die Analyse des Überlieferungsmaterials die leitenden Grundgedanken des Gesamtentwurfs des Pentateuch zu ermitteln. Er hat dabei von Rads These vom »geschichtlichen Credo« als dem grundlegenden Gestaltungsprinzip des Pentateuch bzw. Hexateuch aufgenommen, hat sie aber zugleich in einer entscheidenden und folgenreichen Weise uminterpretiert. Während es sich bei von Rad um bestimmte Überlieferungskomplexe handelt, also um konkrete literarische Gestaltungen, die unter den leitenden Gesichtspunkten der Credo-Formulierungen zusammengeordnet und durch »Einbau«, »Ausbau« und »Umbau«18 weiter ausgestaltet wurden, spricht Noth von »Themen«, die die Gestaltung des Pentateuch bestimmt haben. Er sieht »die Hauptaufgabe . . . darin, jene grundlegenden Themen zu ermitteln, aus denen heraus das größere Ganze des überlieferten Pentateuch gewachsen ist, ihre Wurzeln aufzudecken, ihrer Anfüllung mit Einzelüberlieferungsstoffen nachzugehen, ihre Verbindung miteinander zu verfolgen und in ihrer Bedeutung zu würdigen«19. Mit der Bezeichnung der Elemente des Credo, das von Rad herausgearbeitet hat, als »Themen« haben diese eine entscheidende Abstraktion erfahren. Sie erscheinen von nun an in erster Linie als Gedanken und Vorstellungen, die in vielfältiger Weise ausgestaltet und untereinander sowie mit allen möglichen anderen Gedanken und Vorstellungen verknüpft werden können. Ihr konkreter Bezug zu einem bestimmten Sitz im Leben oder gar ihre konkrete erzählerische oder literarische Ausgestaltung kommen kaum in Blick. Im Gegenteil wird gerade bei dem grundlegenden Thema der »Herausführung aus Ägypten« die Frage nach dem Sitz im Leben ausdrücklich abgewiesen; »denn dieses Bekenntnis war von zu allgemeinem Belang, als daß es nicht bei jeder kultischen Gelegenheit, die überhaupt einen Hymnus zuließ, hätte gesprochen werden können und müssen«20. Aber auch bei den anderen Themen hat diese Frage, sofern sie überhaupt gestellt wird, keine konstitutive Bedeutung. Noch in einem anderen Sinne muß hier von einer Abstraktion geredet werden. Noth unterscheidet zwischen den »grundlegenden Themen«21, oder wie es später heißt, den »Hauptthemen der Überlieferung«22 einerseits und der »Anfüllung mit Einzelüberlieferungsstoffen«23 oder der »Auffüllung des thematisch gegebenen Rahmens 18

19 20 21 22

Vgl. die entsprechenden Uberschriften der Unterabschnitte des Kapitels über den Jahwisten bei G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 60. 62. 71. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 3. A. a. O. 52. A. a. O. 3 u. ö. 23 So in der Überschrift des § 7. A. a. O. 3 u. ö.

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

mit Erzählungsstoffen« 24 andererseits. Danach wird also alles, was nicht zu den Hauptthemen gehört, als »Auffüllung« betrachtet und dadurch in seiner Bedeutung wesentlich eingeschränkt. Noths Interesse gilt aber auch in diesem eingeschränkten Rahmen nicht der konkreten erzählerischen Ausgestaltung, sondern der »Anreicherung der grundlegenden Hauptthemen mit weiteren Überlieferungsstoffen, während die Einzelausführung mit den Mitteln der Erzählungskunst nur mehr nebenbei mit in das Auge zu fassen sein wird« 28 . Hier wird deutlich, daß und warum die Arbeit Noths nicht unmittelbar an die Arbeit Gunkels anknüpfen konnte. Denn gerade diese »Einzelausführung mit den Mitteln der Erzählungskunst« war es ja, der Gunkels entscheidendes Interesse galt 26 . Es soll an dieser Stelle ausdrücklich betont werden, daß es hier nicht darum gehen kann, den Wert und die Bedeutung des Nothschen Werkes überhaupt in Zweifel zu ziehen. Es muß im Gegenteil nachdrücklich hervorgehoben werden, daß Noths Untersuchungen zahlreiche wichtige Gesichtspunkte für die Entstehungsgeschichte des Pentateuch erbracht und der alttestamentlichen Forschung vielfältige Impulse gegeben haben. Aber es müssen doch die Grenzen aufgezeigt werden, die durch den methodischen Ansatz Noths gegeben sind. Seine Arbeit geht gleichsam an den konkreten Texten vorbei. Deshalb ist es nicht möglich, von seinem Ansatz her zu einer Überlieferungsgeschichte des Pentateuch zu gelangen, die von der konkreten Gestalt der Texte ausgeht, wie sie Gunkel und nach ihm vor allem von Rad und andere zum Gegenstand der Untersuchung und Auslegung gemacht haben, und die dann weiterführt zu der Herausbildung größerer Überlieferungskomplexe und schließlich zum literarischen Endstadium27. Dafür muß gleichsam noch einmal bei Gunkel angesetzt werden. Dabei wäre vieles von dem, was sich bei Noth an wichtigen überlieferungsgeschichtlichen Beobachtungen findet, durchaus in der Weise aufzunehmen, daß es in den Zusammenhang der vorliterarischen 24 26 28

27

So die Uberschrift des § 8. A. a. O. 70. Vgl. auch C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis, Forschung am Alten Testament, 1964, 9—91: »Die Einzelerzählung . . . und das, was in ihr geschieht, tritt (seil, in Noths Darstellung) in auffälliger Weise zurück.« (A. a. O. 35). Noth lehnt es explizit ab, sich den Werdegang des Pentateuch in dieser Weise vorzustellen, wenn er behauptet, daß seine »Gestalt. . . überhaupt nicht aus der sachlichen Zusammenordnung und Aneinanderreihung von £i«zeiüberlieferungen und einzelnen Uberlieferungskomplexen als deren nachträgliches Ergebnis abschließend erwachsen, sondern . . . bereits im Anfang der Uberlieferungsgeschichte in einer kleinen Reihe für den Glauben der israelitischen Stämme wesentlicher Themen gegeben« gewesen sei (a. a. O. 2).

Martin Noths Veränderung dieses Ansatzes

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Geschichte der jetzt in bestimmten konkreten Texten festgehaltenen Überlieferungen gestellt würde. Denn in vieler Hinsicht behandelt Noth tatsächlich die Vorgeschichte konkreter Erzählungen des Pentateuch, so daß eine methodische Verbindung zwischen der von Gunkel entwickelten Auslegung der Texte und der Frage nach der Vorgeschichte der in ihnen enthaltenen Überlieferungen durchaus möglich ist. Dies wäre sozusagen die erste Phase der Überlieferungsgeschichte. Methodisch wäre dabei in aller Regel so vorzugehen, daß die formgeschichtliche Bestimmung des Einzeltextes als der kleinsten, konkret greifbaren Überlieferungseinheit den Ausgangspunkt bildet, von der aus dann zurückzufragen wäre nach der Vorgeschichte des Textes und der in ihm enthaltenen Überlieferungen. In dieser Weise sind im übrigen Gunkel, Greßmann, von Rad und andere schon verfahren, ohne daß dabei jedoch ein umfassendes Verständnis der Aufgabe überlieferungsgeschichtlicher Forschung entwickelt worden wäre. Ein weiterer kritischer Einwand gegen die Durchführung des überlieferungsgeschichtlichen Programms bei Noth, der schon angedeutet wurde, muß jetzt wieder aufgenommen werden: die Tatsache, daß Noth ohne Berücksichtigung des literarischen Wachsens der Überlieferung die Existenz der »Pentateuchquellen« im traditionellen Sinne der Literarkritik voraussetzt und sie in seine überlieferungsgeschichtliche Darstellung einbezieht28. Hier sind einige grundsätzliche Bemerkungen nötig: Die formgeschichtliche Methode bedeutet bei konsequenter Handhabung einen grundlegenden Neuansatz in der Frage des methodischen Zugangs zu den Texten des Pentateuch. Die Annahme verschiedener »Quellen« des Pentateuch war die Antwort auf eine bestimmte Frage, nämlich: ob der jetzt in der Endgestalt vorliegende Text des Pentateuch einheitlich sei oder nicht. Nur als Antwort auf diese Frage hat die bisher geübte Quellenscheidung einen Sinn, indem sie darlegt, daß der jetzt vorliegende Gesamttext aus mehreren ursprünglich selbständigen Gesamtdarstellungen des Pentateuchstoffes besteht, die in einer »Redaktion« zusammengefügt worden sind. Vor allem die »Urkundenhypothese« ist nur als Antwort auf diese Frage sinnvoll; und nur mit dieser haben wir es heute, wenn auch in verschiedenen Ausprägungen, zu tun 29 . In dem Augenblick, in dem der Zugang zu den Pentateuchtexten konsequent im Sinne der formgeschichtlichen Methode gesucht wird, 28 29

Vgl. die §§ 2—5 u. 1B, 16. Hierzu und zu den anderen im Laufe der Geschichte der Pentateuchkritik entwickelten Hypothesen, insbesondere der »Ergänzungshypothese« und der »Fragmentenhypothese«, vgl. außer den einschlägigen Abschnitten in den »Einleitungen in das Alte Testament« auch die Artikel »Pentateuch« in EKL, n i 1959, 109—114 (R. Rendtorff) und in RGG3, V 1961, 211—217 (O. Plöger) sowie den Artikel »Pentateuchkritik« in BHHW, Iir 1966, 1413—1419 (R. Smend).

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Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

verändert sich die Fragestellung grundsätzlich. Nicht mehr der jetzige Gesamtzusammenhang des Pentateuch bildet den Ausgangspunkt, sondern der konkrete Einzeltext, die »kleinste literarische Einheit«. Die Arbeit setzt sozusagen am entgegengesetzten Ende an. In welchen großen und größeren Zusammenhängen der jeweilige Einzeltext steht, kann von diesem Ansatz aus noch gar nicht in Blick kommen, muß den Ausleger zunächst aber auch noch gar nicht beschäftigen. Das bedeutet nicht, daß nicht auch hier literarkritische Fragestellungen ihren Platz haben. Es muß aber grundsätzlich unterschieden werden zwischen der literarkritischen Analyse einerseits, die am konkreten Einzeltext die Frage nach der Einheitlichkeit stellt, Spannungen und Widersprüche zu erkennen und zu erklären versucht und nach dem Zusammenhang mit dem Kontext fragt, und der traditionellen Quellenscheidung andererseits. In vielen Fällen wird sich eine zutreffende formgeschichtliche Bestimmung eines Textes erst ermöglichen lassen, nachdem bestimmte literarkritische Fragen gestellt und beantwortet worden sind, weil oft erst dadurch die Abgrenzung der ursprünglichen kleinsten Einheit möglich ist. Dies alles hat aber noch nichts zu tun mit der Frage nach der Zugehörigkeit der einzelnen literarkritisch voneinander geschiedenen Elemente zu bestimmten »Quellen« im Sinne durchlaufender »Urkunden«. Es ist ein grundlegender Fehler, daß heute weithin literarkritische Arbeit am Pentateuch mit Quellenscheidung im traditionellen Sinne gleichgesetzt wird.

1.3 DAS FESTHALTEN AN D E R URKUNDENHYPOTHESE

Die auf der formgeschichtlichen Fragestellung aufbauende Überlieferungsgeschichte hat die Aufgabe, im Sinne des von Noth formulierten Programms dem ganzen Prozeß der Überlieferungsbildung bis hin zu seinem jetzigen literarischen Endstadium nachzugehen. Dabei werden in allen Phasen der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung immer auch literarkritische Fragen gestellt werden müssen. Aber sie müssen jeweils auf die gerade behandelte Stufe der Überlieferungsbildung bezogen und dadurch eingeschränkt werden. Erst am Ende der Untersuchung des überlieferungsgeschichtlichen Prozesses kann dann auch die Frage nach der literarkritischen Beurteilung der Endgestalt stehen. Die Annahme durchlaufender »Quellen« im Pentateuch ist von einem überlieferungsgeschichtlichen Ansatzpunkt her nur dann gerechtfertigt, wenn sich am Ende des Weges der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung die Quellentheorie als die einleuchtendste Antwort auf die Fragen anbietet, die sich durch die Endgestalt des Textes stellen.

Das Festhalten an der Urkundenhypothese

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Die neuere Forschung am Pentateuch zeigt jedoch, daß fast nirgends so verfahren wird. Es soll deshalb versucht werden, die Gründe dafür aufzuzeigen, warum noch weithin Überlieferungsgeschichte und Quellenscheidung nebeneinander gehandhabt werden. Ich sehe dafür vor allem zwei Gründe. Der eine liegt in der Tatsache, daß Gunkel selbst, ebenso wie sein Schüler Greßmann, an der Quellenscheidung festgehalten hat. Dadurch konnte der Eindruck entstehen, als gehörten die beiden Methoden zusammen oder ließen sich jedenfalls ohne Schwierigkeiten miteinander verbinden 1 . Dazu ist aber zunächst zu sagen, daß häufig in der Forschungsgeschichte die Konsequenzen eines methodischen Neuansatzes erst allmählich ins Bewußtsein treten, so daß diese Tatsache als solche von unserer heutigen Einsicht her betrachtet nichts über ihre methodische Berechtigung aussagen kann. Zum anderen ist deutlich, daß Gunkel und vor allem Greßmann die Unterscheidung der Quellen in einem sehr viel weniger definitiven Sinne gehandhabt haben, als es heute weithin üblich ist. Vor allem haben sie sich nicht in der Lage gesehen, die »Persönlichkeiten« der Verfasser der Quellenschriften zu erkennen. Gunkel hat betont, »daß es sich hier (seil, beim 'Jahwisten' und 'Elohisten') nicht um einheitliche Werke oder auch nur um Zusammenstellungen von einheitlichen Werken handelt, sondern um Sammlungen, die nicht aus einem Gusse sind und nicht mit einem Male fertig gewesen sein können, sondern die im Laufe einer Geschichte entstanden sind«2. Deshalb folgert er: »'J* und 'E' sind also nicht Einzelschriftsteller, sondern Erzählerschulen. Was die einzelnen Hände zum Ganzen beigetragen haben, ist dabei verhältnismäßig gleichgültig, weil sie sehr wenig individuell verschieden sind, und wird sich auch niemals mit Sicherheit erkennen lassen.«3 Greßmann geht noch einen Schritt weiter; seiner Ansicht nach »läßt sich die Unterscheidung des J vom E nur selten mit annähernder Sicherheit durchführen«*, und er fügt hinzu: »In vielen Fällen sind J E weiter nichts als Etiketten, die man beliebig vertauschen darf. Trotzdem muß man versuchen, einstweilen mit der Hypothese eines J E auszukommen, nur soll man nie vergessen, daß es eine Hypothese ist. Schon um sich zu verständigen und in der Fülle der Varianten zurechtzufinden, sind die Sigla J E unentbehrlich, wenn sie auch nur relative Gültigkeit beanspruchen können.«6 Es geht hier also letzten Endes nur darum, literarkritisch voneinander gesonderte Stücke mit 1

2 3 4 5

So auch R. Rendtorff, Literarkritik und Traditionsgeschichte, EvTh 27 (1967), 138—163, bes. 148ff. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19225 = 1966', L X X X I V . A. a. O. L X X X V . H. Greßmann, Mose und seine Zeit. Ein Kommentar zu den Mose-Sagen, 1913, 368. Ebd.

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Bezeichnungen zu versehen, über die man sich untereinander verständigen kann. Die Quellen haben kein eigenes Profil. Der andere Grund für das Festhalten an der Quellenscheidung im überlieferungsgeschichtlichen Kontext liegt nun aber gerade darin, daß von Rad dem Jahwisten ein neues Profil verliehen hat. Er hat ihm bei der abschließenden Gestaltung des Hexateuch die zentrale Rolle zugewiesen. In einer sehr eindringlichen Darstellung hat er die große kompositorische und gestalterische Leistung des Jahwisten geschildert. Er hat betont, daß es sich hier nicht um ein anonymes Wachstum handeln könne, sondern daß »hier . . . ein Plan (walte)«8, und er hat besonders nachdrücklich herausgestellt, daß darin vor allem eine theologische Leistung zu sehen sei7. Der Jahwist ist nach von Rads Auffassung derjenige, der in einer gewaltigen theologischen Arbeit »die sich vom Kultus lösenden Stoffe aufgefangen und in der strengen Klammer seiner literarischen Komposition gehalten«8 hat. So ist ein »Riesenwerk«9 entstanden, und »es ist erstaunlich, wie stark die verwirrende Fülle der herangezogenen Überlieferungen . . . an die tragende Grundüberlieferung gebunden werden konnte«10. Warum hat von Rad diese Rolle gerade dem Jahwisten zugewiesen ? Es ist überraschend zu sehen, daß von Rad diese Frage nicht gestellt hat, weil er in ihr offenbar gar kein Problem sah11. Er beginnt ganz unvermittelt: »Der Jahwist bezeichnet für Israel den Einschnitt, den wir in der Geistesgeschichte vieler Völker immer wiederkehren sehen: Alte, oft weit verstreute Überlieferungen werden in gewaltiger Kompositionsarbeit um einen übergeordneten Gedanken gesammelt und werden zur Literatur.«12 Daß diese Rolle dem Jahwisten zukommt, ergibt sich anscheinend, ohne daß es gesagt würde, aus dem allgemein anerkannten Bild der Quellenscheidung, in welchem dem Jahwisten der Hauptanteil des erzählerischen Überlieferungsstoffes zugeschrieben wird. Von Rad erörtert nur die Frage, »ob wir uns die Arbeit des Jahwisten als die 6

G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 69. ' A. a. O. 75 f. 8 A. a. O. 57. 9 A. a. O. 59. 10 A. a. O. 58. 11 Nur die andere, grundsätzlichere Frage, ob nicht statt mit einem »großen Sammler und Gestalter« besser »mit einem langsamen anonymen Wachstumsprozeß zu rechnen« sei, wird von ihm gestreift (a. a. O. 59); jedoch sind an dieser Stelle bereits die Weichen anders gestellt. 12 A. a. O. 55. In den vorhergehenden Ausführungen von Rads war vom Jahwisten nur mehr beiläufig auf der gleichen literarischen Ebene mit den anderen Quellen die Rede, ohne daß dabei eine herausgehobene Stellung sichtbar geworden wäre; vgl. a. a. O. 23 u. 24 Anm. 17, 27, 29, 35, 53.

Das Festhalten an der Urkundenhypothese

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eines Sammlers oder eines Schriftstellers vorzustellen haben«13; aber die Möglichkeit, daß ein anderer als der Jahwist diese »gewaltige Kompositionsarbeit« vollbracht haben könnte, wird gar nicht erwogen. Daran zeigt sich, daß von Rad hier einfach etwas Vorgegebenes übernommen hat. Zugleich wird aber auch deutlich, wie weit sich von Rad damit von der ursprünglichen Konzeption der Quellenscheidung entfernt hat, nach der es sich bei den Quellen um parallele und jedenfalls grundsätzlich gleichwertige Bestandteile der jetzigen Endgestalt des Textes handelt. Von Rad weist ihnen eine nachgeordnete Stellung zu und räumt zugleich ein, daß ihre Beziehungen untereinander letzten Endes ungeklärt bleiben: »Nicht, daß das Dazukommen von E und P zu J ein für uns durchsichtiger, ja überhaupt befriedigend erklärbarer Vorgang wäre! Die Frage nach dem Woher und Wozu dieser beiden Werke, nach ihrer Entstehungsart und ihren Lesern ist nach wie vor offen und wird es vermutlich bleiben. Aber diese Probleme sind anderer Art als das von uns hier Behandelte. Die Auflagerung von E und P auf J und ihre Verbindung untereinander ist ein rein literarischer Vorgang und bringt also in formgeschichtlicher Hinsicht über das Erörterte hinaus nichts grundsätzlich Neues. Die Form des Hexateuchs liegt schon beim Jahwisten endgültig vor.«14 Das Bild hat sich also grundlegend gewandelt: Es gibt nicht eine Anzahl mehr oder weniger gleichberechtigter Pentateuch- bzw. Hexateuchquellen, die durch eine Redaktion miteinander verbunden worden sind, sondern es gibt die eine grundlegende Gestaltung durch den Jahwisten, bei dem »die Form des Hexateuchs . . . schon . . . endgültig vor (liegt)«, und die im Grunde undurchsichtig bleibende »Auflagerung« der beiden anderen Quellen auf dieses Werk. Dieses selbst ist aber als theologisches zu verstehen und kann im Grunde nur als solches verstanden werden. Dieses neue Verständnis des Jahwisten bedeutet auch einen grundlegenden Wandel gegenüber Gunkel und Greßmann, die ja gerade die Möglichkeit verneinten, einzelne Schriftstellerpersönlichkeiten in den Verfassern der Pentateuchquellen zu erkennen. Es kommt hier sozusagen zu einer Wiederentdeckung der Persönlichkeit des Quellenautors — aber eben nur des einen, des Jahwisten, und zwar in erster Linie als eines große Zusammenhänge gestaltenden Theologen. Auch bei Noth heißt es am Beginn des Abschnitts über die Pentateuchquellen in der »Überlieferungsgeschichte des Pentateuch«: »Mit den zu dem jetzt vorliegenden Gesamtbestand zusammengesetzten literarischen sogenannten Pentateuch-'Quellen' ist die Pentateuch13

A. a. O. 58. " A. a. O. 81 f.

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Uberiieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

erzählung aus dem Bereich des für die Themenbildung wesentlichen Kultischen und aus dem Bereich des in der erzählerischen Ausgestaltung der Themen hervortretenden Volkstümlichen in den Bereich des Theologischen, der Reflexion und der zusammenfassenden Gesamtbetrachtung, eingetreten«18. Und auch für Noth kommt dem Jahwisten dabei eine Sonderstellung zu: In seiner Theologie ist »das theologisch Belangreichste enthalten, das in der Pentateucherzählung überhaupt ausgesagt wird«18. Aber bei näherem Zusehen zeigt sich doch, daß Noths Bild vom Jahwisten mit dem bei von Rad entworfenen in den entscheidenden Punkten nicht übereinstimmt. Noth bestreitet gerade die grundlegenden Aussagen von Rads über die Kompositionsarbeit des Jahwisten. Zwar geht der »Vorbau der Urgeschichte . . . in der Tat offenbar auf den Jahwisten zurück . . . . Die beiden anderen (d. h. der 'Einbau der Sinaitradition' und der 'Ausbau der Vätertradition') aber stammen aus G (seil, der von Noth angenommenen 'gemeinsamen Grundlage' für J und E) und gehören damit zu dem von J schon übernommenen Gut . . . . Das Werden des Pentateuch ist eben doch nicht so ruckweise erfolgt, wie es v. Rad mit der Zuweisung einer so vielfältigen epochemachenden überlieferungsgeschichtlichen Rolle an den Jahwisten glauben machen will. Es handelt sich vielmehr um ein Schritt für Schritt erfolgtes Wachsen.«17 Der Jahwist ist eben »doch nicht allein der Autor der meisten entscheidenden Weiterbildungen im Prozeß der Pentateuchentstehung gewesen. . ., sondern nur einer von vielen . . . . Viele andere haben vor ihm und neben ihm und nach ihm auch ihren Anteil daran gehabt. Die literarkritische Ermittlung der für J und E gemeinsamen Grundlage G hat neben ihrer literarkritischen auch die allgemeine überlieferungsgeschichtliche Bedeutung, auf eben diesen Sachverhalt konkret und deutlich hinzuweisen.«18 Konkreter und deutlicher kann in der Tat von Rads grundlegende Auffassung von dem Jahwisten kaum bestritten werden. Bei von Rad hängt aber an eben dieser von Noth bestrittenen Auffassung von der Kompositionsarbeit des Jahwisten auch seine Beurteilung als Theologe. Wie steht es damit bei Noth ? Bei der »Frage nach den Grundgedanken . . ., die in den Pentateuchquellen bei der literarischen Formulierung des Überlieferungsstoffes maßgebend waren . . . muß von der Größe G ganz abgesehen werden, da wir von ihrem Wortlaut... gar nichts mehr fassen können«19. Die grundlegende Komposition, die ja nach Noth »G« zuzuschreiben ist, muß also ohne theolo15

M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 247. A. a. O. 256. 17 A. a. O. 43. 18 A. a. O. 44. « A. a. O. 255. 19

17

Das Festhalten an der Urkundenhypothese

gische Beurteilung bleiben. Damit wird der konstitutive Zusammenhang zwischen der Kompositionsarbeit und der Theologie, an dem bei von Rad alles hängt, aufgehoben. Nachdem aber auch E »nach der Lage der Dinge fast ganz außerhalb der Betrachtung bleiben« muß20, heißt es: »Sehr viel deutlicher steht uns die Theologie von J vor Augen.«21 Sie kommt vor allem in der Voranstellung der Urgeschichte und ihrer »Verknüpfung mit der anschließenden überkommenen Pentateucherzählung« zum Ausdruck22, wobei Noth sich weitgehend von Rad anschließt in seiner Deutung der jahwistischen Urgeschichte und dem Verständnis von Gen 12 1-3 als Bindeglied zwischen Urgeschichte und Vätergeschichte. »So liegt das ganze Gewicht der Theologie von J auf dem Anfang seiner Erzählung. Im folgenden hat er sich dann fast ausschließlich an das überkommene Gut der Pentateucherzählung gehalten, ohne ändernd oder erweiternd in dessen Substanz einzugreifen. Es genügte ihm, im Eingang eindeutig gesagt zu haben, wie er alles Weitere verstanden wissen wollte.«23 Dies ist offenbar ein ganz anderer Jahwist, als von Rad ihn dargestellt hatte. Denn für diesen genügte es gewiß nicht, »im Eingang eindeutig gesagt zu haben, wie er alles Weitere verstanden wissen wollte.« Im Gegenteil: gerade die das ganze durchdringende Gestaltung der riesigen Überlieferungsmassen war es ja, an der seine Wirksamkeit erkennbar wurde. Und es muß noch einmal hervorgehoben werden, daß eben daran von Rads Urteil hängt, daß es sich hier um eine theologische Arbeit handelt. Noth hat dem mit seiner Reduzierung des Beitrags des Jahwisten zur Gestaltung des Pentateuch den Boden entzogen. Gleichwohl hat er an der Auffassung des Jahwisten als Theologen festgehalten, ja überhaupt das Stadium der Pentateuchquellen als das Stadium »des Theologischen, der Reflexion und der zusammenfassenden Gesamtbetrachtung«24 bezeichnet. Viele andere sind ihm darin gefolgt. Es hat sich geradezu ein eigener Zweig von Literatur entwickelt, der es mit der Theologie der Pentateuchquellen zu tun hat. Dabei ist bemerkenswert, daß dem Vorherrschen des theologischen Interesses an den Pentateuchquellen in der neueren Forschung das weitgehende Fehlen von Versuchen eines literarischen Nachweises der Existenz der Quellen korrespondiert. Dieses gilt insbesondere für den »Jahwisten«. Im allgemeinen wird sein literarischer Bestand via negationis ermittelt. Der Bestand der »Priesterschrift« ist nach allgemeiner 20 21 22 23

21

Ebd. A. a. O. 256. Ebd. A. a. O. 258. Außerhalb der Urgeschichte sieht Noth (ebd.) nur noch in Gen 18 22ff. ein Stück theologischer Arbeit des Jahwisten. A. a. O. 247.

Rendtorff, Peatatcuch

2

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Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Auffassung leicht abzugrenzen. Über den »Elohisten« sind die Meinungen geteilt; deshalb bedarf seine Existenz des literarischen Nachweises. Dabei herrscht eine Auffassung vor, die auf dem Wege der literarkritischen Analyse zu der Annahme der Existenz einer elohistischen Quelle kommt, die jedoch nur unvollständig erhalten ist. Was übrig bleibt, gehört zum »Jahwisten«, sofern nicht zwingende Gründe (wie z. B. Kennzeichen einer deuteronomistischen Bearbeitung o. ä.) dagegen sprechen. Aber der Nachweis eines literarischen Zusammenhangs zwischen den Stücken, die dem Jahwisten zugeschrieben werden, wird kaum versucht. Im allgemeinen wendet man sich gleich der Darstellung seiner Theologie oder doch jedenfalls der übergreifenden Gedanken und Kompositionsgesichtspunkte zu. Dabei zeigt sich aber, daß in vielen Fällen die theologischen Gedanken und Kompositionsgesichtspunkte in verschiedenen Bereichen des Pentateuch ganz verschieden sind. Hier muß dann wieder die (nicht nachgewiesene) Behauptung der literarischen Zusammengehörigkeit dieser Stücke die Beweislast dafür tragen, daß es sich trotzdem um die Theologie eines Autors handelt26. Demgegenüber muß noch einmal mit Nachdruck festgestellt werden, daß von einem überlieferungsgeschichtlichen Ansatzpunkt her die Annahme durchlaufender »Quellen« nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich durch eine Untersuchung der Geschichte der Überlieferungen von den kleinsten Einheiten über die größeren literarischen Zusammenhänge bis hin zum jetzigen Endstadium des Textes ergibt. Wenn die überlieferungsgeschichtliche Fragestellung ernstgenommen wird, scheidet aus methodischen Gründen die Annahme von »Quellen« aufgrund einer beim Endstadium ansetzenden Analyse ohne ihre Verifizierung durch die Untersuchung der Überlieferungsbildung aus. Selbstverständlich wird sich die überlieferungsgeschichtliche Untersuchung die vielfältigen Erfahrungen und Ergebnisse der literarkritischen Arbeit zunutze machen, um die Schichtung und das Wachstum der Texte zu ermitteln. Ja, sie wird selbst mit literarkritischen Mitteln arbeiten müssen, und sie wird auf die Fragen, die in der literarkritischen Arbeit aufgeworfen worden sind, ihrerseits Antworten geben müssen. Insofern wird sie nicht weniger »kritisch« und eben durchaus auch literarkritisch verfahren müssen. Aber sie kann nicht von vornherein die literarkritische Arbeitsweise mit den überkommenen Ergebnissen der Quellentheorie gleichsetzen, wie es heute weithin geschieht; denn dabei wird ja eine bestimmte Forschungsmethode fast ausschließlich mit einem ihrer denkbaren Ergebnisse identifiziert, während von einem methodischen Gesichtspunkt aus auch die literarkritische Fragestellung immer für andere Ergebnisse als das der tradi26

Vgl. zum ganzen ausführlicher unten: Ziffer 3. (S. 80ff.).

Die Frage nach den »größeren Einheiten«

19

tionellen Quellenscheidung offen sein müßte, und dies um so mehr, wenn sie als Hilfsmittel der überlieferungsgeschichtlichen Methode dienen soll.

1.4 DIE FRAGE NACH DEN »GRÖSSEREN EINHEITEN«

Es war schon davon die Rede, daß ein besonderer Mangel in der bisherigen Pentateuchforschung darin besteht, daß zwischen der Untersuchung der kleinsten Einheiten und der Beschäftigung mit der literarischen Endgestalt eine Lücke klafft, weil es an Untersuchungen der größeren Einheiten fehlt, zu denen die ursprünglich selbständigen Texte zusammengefügt worden sind, bevor diese in einem späteren Stadium zum Ganzen des Pentateuch zusammengeschlossen wurden 1 . Dabei ist in der Literatur auf die Existenz solcher größeren Einheiten häufig hingewiesen worden 2 ; aber sie wurden kaum zum Gegenstand selbständiger Untersuchungen gemacht, und es gibt kaum Überlegungen über ihre Funktion im Prozeß der Entstehung des Pentateuch. Vor allem fehlen aber Untersuchungen über die Frage, wie sich das Zusammenwachsen oder Zusammenfügen der Texte zu größeren Einheiten zu der Abfassung zusammenhängender »Quellenschriften verhält, deren Existenz allgemein angenommen wird. Die Eigenart dieser größeren Einheiten wurde bei der Darstellung der Untersuchung von Rads schon kurz skizziert3. In ihnen werden Texte, die in formgeschichtlicher Hinsicht und nach ihrer Herkunft oft höchst unterschiedlich zu beurteilen sind, zu einer neuen Einheit zusammengefügt. Die so entstandenen größeren Einheiten heben sich deutlich gegenüber anderen ab, in denen in entsprechender Weise die Überlieferungen zu anderen Themenkreisen zusammengestellt worden sind. In vielen Fällen ist auch mehr oder weniger klar erkennbar, mit welchen gestalterischen Mitteln die Sammler oder Verfasser die ursprünglich selbständigen und häufig recht disparaten Stoffe zu einer Einheit zusammengefügt haben. Dieser Vorgang müßte im einzelnen näher untersucht werden, um die hier bestehende Lücke in der Erforschung der Entstehungsgeschichte des Pentateuch zu schließen. Diese Arbeit kann hier nicht für den gesamten Pentateuch geleistet werden. Sie erfordert sehr eingehende Spezialstudien für die einzelnen Überüeferungskomplexe bzw. größeren Einheiten, und vor 1 2

3

Siehe oben S. 7f. Vgl. etwa O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19643, bes. 180ff. und G. Fohrer in Sellin-Fohrer, Einleitung in das Alte Testament,1969 11 , U l f . Siehe oben S. 3f. 2»

20

Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

allem müssen dazu weitgehend erst noch die methodischen Voraussetzungen geschaffen und entwickelt werden. Die Absicht ist deshalb im folgenden eine doppelte: Einerseits sollen in Kürze die größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch, soweit sie bisher herausgearbeitet worden sind, dargestellt werden, um einen Überblick über das im Pentateuch gesammelte Material unter diesem Gesichtspunkt zu gewinnen. Andererseits soll an einem Beispiel die Entstehung und Bearbeitung einer solchen größeren Einheit untersucht werden, um daraus Kriterien für unsere Fragestellung zu gewinnen. Als Beispiel sollen die Vätergeschichten der Genesis gewählt werden. An ihnen lassen sich deutlich die verschiedenen Stadien der Überlieferungsbildung erkennen: die selbständigen Einzelerzählungen, die Gestaltung einzelner »Sagenkränze« und die schrittweise Sammlung der Erzählungen über die einzelnen Väter, und schließlich die Zusammenfügung der Vätergeschichten insgesamt zu einer größeren Einheit. Es läßt sich auch zeigen, mit welchen gestalterischen Mitteln und mit welchen theologischen Intentionen die Zusammenfügung und Bearbeitung der einzelnen Vätergeschichten und der umfassenden größeren Einheit vorgenommen worden ist. Und schließlich lassen sich daran Überlegungen über das Verhältnis dieser so gestalteten größeren Einheit zu anderen Einheiten anknüpfen, die wieder auf die grundsätzliche Fragestellung dieser Arbeit zurückführen. Zunächst soll von den einzelnen größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch die Rede sein. Ihre Abgrenzung ergibt sich in den meisten Fällen fast von selbst und wird auch in der Literatur weithin einheitlich vorgenommen. Die erste größere Einheit bildet die Urgeschichte. Sie umfaßt die Kapitel Gen 1—11. Im jetzigen Stadium zeigt sich eine deutliche Verknüpfung der Urgeschichte mit den Vätergeschichten am Beginn der Abrahamgeschichte; man kann deshalb den Einschnitt zwischen beiden nach Gen 12 3 ansetzen (so von Rad4) oder schon nach Gen 11 26 (so Westermann 8 ), in beiden Fällen pflegt man in Gen 12 1-3 »eine Klammer zwischen Urgeschehen und Vätergeschichte« zu sehen6. Was aber nun die Stoffe der Urgeschichte im einzelnen angeht, so herrscht weitgehend Einigkeit darüber, daß sie im wesentlichen unverbunden nebeneinander stehen. Gunkel schreibt: »Die Stücke selbst beginnen fast durchweg ganz abrupt, sie sind spröde gegen einander oder widersprechen einander gar«7. Von Rad unterscheidet im An4

G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 72ff. C. Westermann, Genesis, 1966—1974, 751. 4 Vgl. auch O. H. Steck, Genesis 12 1-3 und die Urgeschichte des Jahwisten, Probleme biblischer Theologie, FS von Rad, 1971, 625—554. ' H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 19667, 2. 5

Die Frage nach den »größeren Einheiten«

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Schluß an Gunkel eine »Reihe ursprünglich selbständiger Stoffkreise«8. Westermann versucht die Texte in drei Erzählungsgruppen zu ordnen: »Erzählungen von der Schöpfung, von Errungenschaften und von Freveln und deren Ahndung«9. Aber auch er spricht von den »scheinbar verbindungslos aufeinandergetürmten Blöcke (n) der Urgeschichte«10. Gleichwohl versuchen alle Ausleger, den inneren Zusammenhang zwischen diesen Erzählungen im Rahmen der jetzigen Komposition herauszufinden. Gunkel spricht von einem »Faden, wie ihn der letzte Sammler sich gedacht haben wird«11; von Rad sieht in der Komposition »die Ausrichtung der einzelnen Stoffe auf ein Telos hin«12; und Westermann stellt die Frage, ob diese scheinbar unzusammenhängenden Texte »etwa . . . miteinander in einem viel tieferen Zusammenhang stehen, als es sich auf den ersten Blick erkennen läßt, und deshalb nur eine Auslegung den Texten gerecht wird, die vom Ganzen der Urgeschichte ausgeht und dieses Ganze ständig im Blick behält«13. So wird an dieser ersten größeren Einheit zweierlei deutlich: Die einzelnen Stoffe und ihre erzählerische Ausgestaltung haben ein großes Maß von Selbständigkeit gegeneinander bewahrt; sie erscheinen jedoch als von einem einheitlichen Gestaltungswillen zusammengefügt, so daß trotz dieser Disparatheit im einzelnen das Ganze wie eine geschlossene Einheit wirkt. Die Ausleger suchen nun die Intentionen der Komposition und die Gestaltungsmittel, mit denen diese realisiert wurden, herauszuarbeiten. Dabei zeigt sich, daß sich beides keineswegs ohne weiteres erkennen läßt, so daß es zu durchaus unterschiedlichen Antworten kommt. Es muß aber noch auf einen weiteren Sachverhalt hingewiesen werden, den vor allem Westermann betont hat: Die Zusammenfassung der Erzählungen in der Urgeschichte und in den Vätergeschichten unter dem Sammelbegriff »Sage« wird den tiefgreifenden Unterschieden in der Art der Darstellung nicht gerecht; es muß vielmehr gesagt werden, »daß die Art der Erzählungen in Gen 1—11 eine fundamental andere ist als die in Gen 12—50, daß beide Typen zwei in der Wurzel verschiedenen Traditionsarten und Traditionslinien angehören«14. Daraus wären einerseits formgeschichtliche Folgerungen zu ziehen im Blick auf die Bestimmung der verschiedenen Ausprägungen der »Sage«. Andererseits stellt sich aber die Frage, ob und 8

G. von Rad a. a. O. (s. o. S. 2 Anm. 4) 71. • C. Westermann, Genesis, 25. In der Tabelle auf der gleichen Seite trägt die Rubrik für die letzte Gruppe die Uberschrift »Schuld und Strafe«. A. a. O. 26. 11 H. Gunkel, Genesis, 1. 12 G. von Rad a. a. O. 71. 13 C. Westermann, Genesis, 26. " Ebd.

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Uberlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

auf welcher Stufe der Überlieferungsbildung diese so unterschiedlichen Traditionskomplexe miteinander verbunden worden sind und inwieweit sich eine gemeinsame, übergreifende Bearbeitung erkennen läßt. Die Väter geschickten (Gen 12—50) bilden die nächste größere Einheit; sie sollen im zweiten Kapitel ausführlich behandelt werden. Hier sei nur zusammenfassend festgestellt, daß sich in ihnen die gleichen Phänomene zeigen:, einerseits eine weitgehende Selbständigkeit eines Teils der Einzelerzählungen, andererseits eine deutlich erkennbare, zusammenfassende Gestaltung der Erzählungsstoffe zu größeren Zusammenhängen. Dabei läßt jede der Vätergeschichten schon für sich eine solche zusammenfassende Bearbeitung erkennen: Abraham-, Isaak-, Jakob- und Josephgeschichte bilden je für sich durchaus eigene Erzählungszusammenhänge oder -Sammlungen. Außerdem sind die drei ersten auch noch miteinander zu einer größeren Einheit verbunden worden. Die dabei herrschenden Intentionen und die verwendeten Gestaltungsmittel lassen sich deutlich erkennen. Sie finden sich aber in dieser Form nur in den Vätergeschichten selbst15. Für die Abgrenzung von größeren Einheiten in den folgenden Büchern des Pentateuch sind unterschiedliche Vorschläge gemacht worden. Den größten Zusammenhang versucht Greßmann herzustellen, wenn er schreibt: »Der größte Sagenkranz, der auf den ersten Bück erkennbar ist, reicht von Moses Geburt und dem Aufenthalt Israels in Ägypten bis zu Moses Tod und der Ankunft Israels an der Grenze des gelobten Landes.«18 Allerdings hat Greßmann selbst diesen großen Erzählungszusammenhang noch weiter untergliedert. Abgesehen von einigen kleineren Sagenkränzen, die sich innerhalb dieses größeren Rahmens finden, »klafft« auch die Sagengruppe der Moseerzählungen »selbst in zwei lose Hälften auseinander. Eine innere Einheit bilden bis zu einem gewissen Grade die Sagen von der Geburt Moses bis zur Ankunft Israels am Sinai«.11 »Die zweite Hälfte der Mosesagen schildert als gemeinsames Thema den Aufbruch Israels vom Sinai ins gelobte Land,«18 Wenden wir uns zunächst dem ersten Teil der Mosesagen zu: Greßmann schreibt dazu: »Der Sagenkranz läßt sich von Ex 11 —15 21 deutlich verfolgen, dann aber werden die Konturen unscharf.«19 Die Betrachtung von E x 1—15 als zusammengehörige größere Einheit hat dann durch Pedersen einen ganz neuen Aspekt bekommen20. Er versteht den ganzen Erzählungskomplex als Festlegende des Passa16 18 17 18 18 20

Vgl. dazu ausführlicher unten Ziffer 2.5 (S. 65ff.). H. Greßmann, Mose und seine Zeit. Ein Kommentar zu den Mose-Sagen, 1913, 386. A. a. O. 387. A. a. O. 388. A. a. O. 387 f. J . Pedersen, Passahfest und Passahlegende, ZAW 52 (1934), 161—175.

Die Frage nach den »größeren Einheiten«

23

festes, die der dramatischen Gestaltung des Festes zugrundeliegt. »Trotz allen Unebenheiten und sekundären Zusätzen bildet die Legende vom Anfang bis zum Ende (Ex 1—15) ein wohlgefügtes Ganzes, nach einem bestimmten Plane aufgebaut.«21 Hier taucht also eine ganz neue Fragestellung auf, die die Entstehungsgeschichte größerer Einheiten innerhalb des Pentateuch nicht nur unter erzählerischem Gesichtspunkt betrachtet, sondern einen kultgeschichtlichen, liturgischen Aspekt hinzufügt. Es ist deutlich, daß sich die Frage der Entstehung, des Wachstums und der Gestaltung größerer Einheiten unter solchen Voraussetzungen wesentlich verändert darstellt; insbesondere müssen die Intentionen und die Gestaltungsmittel, die bei der Zusammenfügung der Einzelstoffe wirksam geworden sind, ganz anders beurteilt werden als bei einer rein erzählerischen Betrachtungsweise. Von Rad hat Pedersens »Hinweis auf die innere Geschlossenheit der Erzählung von Ex 1—14 (sie!) und ihre Herkunft aus dem Kult des Passahfestes« aufgegriffen22. Ihn interessiert dabei aber weniger das liturgische Element als vielmehr die Tatsache, daß diese Kapitel »einen in sich abgerundeten Traditionszusammenhang dar (stellen)«, in dem wir »eine eigentliche Auszugstradition« vor uns haben 23 . Auch Noth läßt die These Pedersens gelten, allerdings »in einem etwas enger gezogenen Rahmen, nämlich beschränkt auf die Erzählung von den ägyptischen Plagen«24. Das bedeutet, daß er insbesondere die Erzählung von der Vernichtung der Ägypter im Meer (Ex 14) nicht mehr diesem Zusammenhang zurechnen will; auch die Überlieferungen von Geburt und Berufung des Mose, wie sie sich in Ex 1—4 niedergeschlagen haben, werden bei Noth an ganz anderer Stelle behandelt 28 . Bei der Gliederung des Buches Exodus in seinem Kommentar faßt er dann aber wieder die Kapitel 1—15 unter der Überschrift »Die Herausführung aus Ägypten« zusammen26. Auch Fohrer hat die Kapitel Ex 1—15 einer zusammenhängenden Analyse unterzogen. Dabei hat er die Kritik anderer Exegeten an der Konzeption Pedersens27 bereits in seinen Ansatz mit einbezogen. Er gliedert einerseits das Material in sehr viel kleinere Erzählungs»elemente«, kommt aber andererseits zu dem Ergebnis, »daß die Exodusüberlieferung nicht ein in sich geschlossener Komplex und der 21 22 23 24 25 26 27

A. a. O. 167. G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem, 59. A. a. O. 69f. M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 72. A. a. O. 172ff. u. 219ff. M. Noth, Das zweite Buch Mose, 1959 = 19684, in der Überschrift auf S. 9. Besonders zu nennen ist S. Mowinckel, Die vermeintliche »Passahlegende« Ex 1—15 in Bezug auf die Frage: Literarkritik und Traditionskritik,STL 5 (1952), 66—88.

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Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Exodus selbst nicht ein isolierter und für sich allein zu wertender Vorgang ist«28. Er weist »die Fiktion eines tiefen Einschnitts, der die Annahme einer isoHerten Exodusüberlieferung ermöglicht hat«, ab und fährt fort: »In Wirklichkeit ist Ex 1—15 eindeutig auf eine Fortsetzung hin angelegt und bildet einen Teil einer umfassenderen Geschichtserzählung . . . . Jenes größere Ganze aber war die Landnahmeerzählung der Moseschar, die die Überlieferung von der Ausgangssituation über den Exodus, den engen Zusammenschluß mit Jahwe am Sinai und die weitere Wanderung bis zum Eintreffen im Ostjordanland, den dort erfolgten Tod des charismatischen Führers Mose und ursprünglich wohl auch vom Heimisch werden im ostjordanischen Kulturland umfaßt hat.«29 Es ist deutlich, wie in dieser Diskussion über Ex 1—15 die verschiedensten methodischen Fragestellungen aufeinandertreffen. Neben der schon genannten Differenz zwischen einer überwiegend erzählerischen und einer kultgeschichtlichen Betrachtung kommen auch historische Fragen ins Spiel (der Exodus ist »nicht ein isolierter und für sich allein zu wertender Vorgang«30); sie hängen wiederum mit der traditionsgeschichtlichen Frage zusammen, ob die Exodustradition für sich allein existiert hat und überliefert worden ist; und schließlich ist klar erkennbar, daß das Interesse an großen Erzählungszusammenhängen eng verbunden ist mit der Vorstellung von der Existenz durchlaufender Erzählungsquellen, die das gesamte Material des Pentateuch umfassen. Demgegenüber ist bisher noch kaum der Versuch unternommen worden, innerhalb von Ex 1—15 — wie auch in anderen Teilen des Buches Exodus — nach Hinweisen auf eine bewußte Gestaltung größerer Erzählungseinheiten zu suchen. Hier wäre im Rahmen unserer Fragestellung ganz neu anzusetzen31. Die Selbständigkeit der Sinaiperikope, und zwar zunächst vor allem von Ex 19—24, hat besonders von Rad betont. Er sieht in ihr im Anschluß an Mowinckel eine »Festlegende«, d. h. er stellt wieder die kultische, liturgische Funktion dieser Textsammlung heraus. Damit hängt bei ihm die These zusammen, daß die Sinaitradition zunächst von der Auszugs- und Landnahmetradition getrennt überliefert und erst in einem relativ späten Stadium mit diesen verbunden worden sei. Diese Auffassung ist häufig kritisiert worden32; dabei ging es aber in erster Linie um die Frage der Zusammengehörigkeit der ver28

24 80 81 82

G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus. Eine Analyse von Ex 1—15, 1964, 121. A. a. 0 . 1 2 2 . Vgl. Anm. 28. Siehe dazu unten S. 70f. So etwa von A. Weiser, Einleitung in das Alte Testament, 19492, 68ff., 19635, 81ff. und W. Beyerlin, Herkunft und Geschichte der ältesten Sinaitraditionen, 1961.

Die Frage nach den »größeren Einheiten«

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schiedenen eben genannten Traditionskomplexe. Die relative Geschlossenheit und Selbständigkeit der Sinaiperikope ist kaum bestritten worden und läßt sich auch kaum bestreiten, weil sie zu offenkundig ist. Jedoch hat diese Diskussion verhindert, daß Aufbau und Struktur der Sinaiperikope weiter untersucht worden wären. So sind auch noch kaum Überlegungen über die Frage angestellt worden, wie das Zusammenwachsen der höchst unterschiedlichen Elemente innerhalb der Sinaiperikope im einzelnen vor sich gegangen sein könnte33. Sie liegt uns jetzt in einer breit ausgewucherten Form vor, in der in den Kapiteln Ex 19 bis Num 10 vielfältiges und verschiedenartigstes erzählerisches, kultisches und gesetzliches Material miteinander verbunden worden ist. Die Forschung hat wohl einige Bestandteile herausgesondert, insbesondere verschiedene Gesetzeskorpora; wie das Ganze aber zusammengekommen ist und ob dabei bestimmte erkennbare Intentionen und Gestaltungsprinzipien am Werk gewesen sind, danach ist noch kaum gefragt worden. Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit der Sinaiperikope liegt in der Tatsache, daß sich vor ihr und hinter ihr Erzählungen vom Aufenthalt

der Israeliten

in der Wüste finden (Ex 16—18 Num

11—2034). Greßmann hat als Grundlage für alle diese Erzählungen eine Sammlung von Sagen angenommen, die mit dem Heiligtum von Kadesch in Verbindung stehen. Sie sind nach seiner Auffassung erst im Laufe der überlieferungsgeschichtlichen Entwicklung durch die dazwischengetretenen Sinaisagen voneinander getrennt worden35. Diese Frage ist wieder mit historischen, religionsgeschichtlichen und überlieferungsgeschichtlichen Fragen verknüpft, insbesondere mit der Frage, ob Kadesch einmal kultisches Zentrum eines Teils oder gar der Gesamtheit der israelitischen Stämme gewesen ist. Noth hat diese These energisch bestritten36, während andere sie aufgegriffen und weitergeführt haben37. Über dieser Diskussion blieb wiederum die 33

34

36 38 37

Weiterführende Ansätze in dieser Richtung finden sich bei L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament, 1969, 156—238. Hinsichtlich der Abgrenzung dieses Uberlieferungskomplexes nach hinten hin bestehen Differenzen. Noth sieht in Num 20 14-21 die Uberleitung zum Thema »Hineinführung in das Kulturland« (Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 226) und gliedert dementsprechend in seinem Numeri-Kommentar »Der weitere Wüstenaufenthalt, 4. Mose 11 1-20 13« und »Vorbereitung und Beginn der Landnahme, 4. Mose 20 14-36 18« (Das 4. Buch Mose, 1966, 73. 130). Dagegen rechnet V. Fritz (Israel in der Wüste. Traditionsgeschichtliche Untersuchung der Wüstenüberlieferung des Jahwisten, 1970) die Kapitel 20 und 21 zu den Wüstenüberlieferungen. H. Greßmann, Mose und seine Zeit (s. o. S. 22 Anm. 16), 386f. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 181. Z. B. W. Beyerlin a. a. O. (s. o. S. 24 Anm. 32) bes. 166 ff.

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Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

Frage unerörtert, wie die Erzählungen in ihrer jetzigen Anordnung zusammengewachsen sind, d. h. im Sinne unserer Fragestellung: ob es eine (oder mehrere) größere Einheit (en) mit dem Thema »Israel in der Wüste« gibt, deren Entstehen aus Einzelerzählungen oder sonstigen kleineren Einheiten nachgezeichnet werden kann38. Besonders interessant ist schließlich die Diskussion über die Überlieferungen von der Landnahme der Israeliten. Zu Beginn dieses Jahrhunderts war es in der alttestamentlichen Wissenschaft allgemein üblich geworden, die Landnahmeüberlieferungen des Buches Josua als unmittelbare Fortsetzung der Darstellung des Pentateuch zu betrachten, und zwar auf Grund der Annahme, daß die Texte des Buches Josua Bestandteile der verschiedenen Pentateuch»quellen« seien; man sprach deshalb vom »Hexateuch«. Noth ist in seiner Analyse des Buches Josua zu dem Ergebnis gekommen, »daß die vor allem an der Genesis erprobten literarkritischen Thesen am JosuaBuche sich nicht in derselben einleuchtenden Weise bewähren wie dort, vor allem deswegen, weil es nicht gelingen will, für die angenommenen durchlaufenden Erzählungsfäden je in sich geschlossene Zusammenhänge zu gewinnen«39. Er sah statt durchlaufender »Quellen« in den erzählenden Teilen des Buches Josua einen »Sammler« am Werk, der ältere Überlieferungen, die teilweise schon vorher miteinander verknüpft waren, gesammelt und zu einer »ältesten Gesamtgestaltung« geformt hat40. Das bedeutet nichts anderes, als daß Noth hier die Landnahmeüberheferungen des Buches Josua als selbständige größere Einheit in den Blick bekommen hat. Es ist gewiß kein Zufall, daß dies in der Arbeit an einem Kommentar zu einem einzelnen Buche des Alten Testaments geschah, die dazu nötigte, die Probleme dieser größeren Einheit genauer ins Auge zu fassen, ohne sie sogleich im Rahmen der herkömmlichen Probleme der Pentateuch- bzw. Hexateuchforschung zu sehen. Noth hat denn auch die Konsequenz daraus gezogen, das Buch Josua wieder vom Pentateuch zu trennen und die These von den über den Pentateuch hinausreichenden »Quellen« und damit die Rede vom »Hexateuch« aufzugeben. Allerdings ergab sich für Noth dadurch eine neue Schwierigkeit. Es erschien ihm sicher, daß die alten Pentateuchquellen ursprünglich auf eine Erzählung von der Landnahme hinausgelaufen seien. Einer der Hauptgründe für diese Vermutung sind die »in der Vätergeschichte so geflissentlich wiederholten Verheißungen, daß die Nachkommen einst das palästinische Kulturland besitzen sollten«41; dazu kommt 38 39 40 41

Vgl. dazu jetzt aber: V. Fritz, Israel in der Wüste (s. o. S. 26 Anm. 34). M. Noth, Das Buch Josua, 1953 2 , 8. A. a. O. 12. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 16.

Die Frage nach den »größeren Einheiten«

27

die Tatsache, daß im Buch Numeri mit dem Bericht über die Landnahme im Ostjordanland begonnen wird, der nach Noths Meinung eine Fortsetzung in dem Bericht über die westjordanische Landnahme verlangt. Noth meint, daß diese ursprüngliche Darstellung der Landnahme in den älteren Pentateuchquellen »verlorengegangen« sei, und zwar auf Grund der Tatsache, daß die Priesterschrift »sich für das Thema Landnahme nicht interessiert« und deshalb »ihre Darstellung mit den Nachrichten über den Tod Mirjams, Aarons und Moses abgeschlossen« habe; der Redaktor habe dann »die Erzählung der alten Quellen auf den literarischen Rahmen der P-Erzählung zugeschnitten und daher das über den Tod Moses hinausreichende Ende jener Erzählung einfach weggelassen«42. Man wird sagen müssen, daß dies eine höchst prekäre Argumentation ist. Einerseits kann Noth die These von den durchlaufenden Quellen, die auf die Darstellung der Landnahme hinauslaufen, auf Grund seiner Analyse des Buches Josua nicht aufrechterhalten; andererseits kann oder will er daraus nicht die Konsequenz ziehen, die Quellentheorie selbst einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Infolgedessen bemüht er einen Redaktor, der die postuüerten, aber nicht vorhandenen Texte »einfach weggelassen« hat. Auch in der Folgezeit ist Noths These lebhaft diskutiert und von verschiedenen Forschern aufgenommen worden, ohne daß daraus Folgerungen für die Quellentheorie im ganzen gezogen worden wären. Für unseren Zusammenhang ist festzustellen, daß im Josuabuch deutlich eine größere Einheit von Landnahmeüberlieferungen erkannt worden ist. Unter überlieferungsgeschichtlichem Gesichtspunkt spielt die Frage der Zugehörigkeit zu einer Pentateuch»quelle« zunächst keine Rolle, und es besteht kein Anlaß, diese größere Einheit grundsätzlich anders zu betrachten als die selbständigen Überlieferungskomplexe innerhalb des Pentateuch. Erst auf einer späteren Stufe muß dann auch die Frage nach der Zugehörigkeit zu einem größeren Zusammenhang gestellt werden. Für den Pentateuch selbst wäre aber noch zu fragen, ob die Erzählungen über die Landnahme im Ostjordanland tatsächlich nur als Beginn einer umfassenderen Darstellung der Landnahme insgesamt verstanden werden können, oder ob die Landnahmeüberlieferungen im Buch Numeri als eine selbständige größere Einheit betrachtet werden können, die ihre eigene Überlieferungsgeschichte gehabt hat. Die Durchsicht des Pentateuch nach erkennbaren größeren Einheiten mit einer gemeinsamen Thematik hat gezeigt, daß fast der gesamte Pentateuchstoff in solche größeren Einheiten gegliedert ist: Urgeschichte, Vätergeschichten, Mose und Exodus, Sinai, Aufenthalt 12

Ebd.

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Überlieferungsgeschichte und Urkundenhypothese

in der Wüste, Landnahme. Jede dieser Einheiten hat ihr ganz eigenes Profil; jede ist aus verschiedenartigen Überlieferungselementen zusammengefügt und bietet sich jetzt als mehr oder weniger geschlossene Einheit dar. Bei den meisten Einheiten ist in der bisherigen Forschung ihr selbständiger Charakter schon erkannt worden, und es liegen bereits manche Einzeluntersuchungen vor. Allerdings versuchen diese Arbeiten durchweg, die jeweilige Einheit als Bestandteil eines größeren Zusammenhanges, nämlich der Pentateuch»quellen«, zu erweisen. Das hat zur Folge, daß die Frage der Eigenständigkeit nicht konsequent behandelt wird, sondern daß bestimmte Merkmale der planmäßigen Gestaltung meist sehr rasch — oder schon im vorhinein — auf die Verfasser der »Quellen« zurückgeführt werden. Dabei ist auffallend, daß kaum je ein gründlicher Vergleich der Arbeitsweise der vermuteten »Quellen«-autoren in verschiedenen größeren Einheiten durchgeführt worden ist. So ist bisher kein überzeugender Nachweis dafür erbracht worden, daß die erkennbare Bearbeitung der Überlieferungen in verschiedenen Teilen des Pentateuch tatsächlich auf denselben Bearbeiter oder Autor zurückgeht. Oft begnügt man sich damit, eine Bearbeitung als »theologisch« zu kennzeichnen, um sie dann zusammen mit anderen »theologischen« Bearbeitungen etwa dem »Jahwisten« zuzuschreiben. Hier muß deshalb neu angesetzt werden mit einer gründlichen Untersuchung der Gestaltung und Bearbeitung der einzelnen größeren Einheiten, wobei jede zunächst für sich betrachtet werden muß, ohne Vorentscheidung über ihre Zugehörigkeit zu einem größeren Zusammenhang, etwa dem einer oder mehrerer »Quellen«. Erst in einem nächsten Schritt kann dann im Vergleich die Frage nach den größeren Zusammenhängen gestellt werden.

2. Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Rahmen des Pentateuch 2.1 DIE GESCHICHTEN VON JOSEPH, JAKOB UND ISAAK

Innerhalb der Vätergeschichten zeichnen sich deutlich mehrere selbständige Erzählungszusammenhänge ab. Am klarsten tritt die Sonderstellung der Josephgeschichte (Gen 37—50) hervor. Gunkel hat ihren besonderen Charakter bereits treffend beschrieben; allerdings zeigt sich bei ihm an diesem Punkt eine auffallende Unsicherheit in der formgeschichtlichen Terminologie. Zunächst schreibt er: »Die Josephgeschichte ist ein 'Sagenkranz'.« Er fährt jedoch fort: »Sie zeichnet sich aber . . . vor den übrigen Sagenkränzen durch eine besonders straffe Komposition aus«, und er bezeichnet sie deshalb als »ein wohl organisiertes Ganze«. Die Einzelsagen lassen sich kaum mehr voneinander scheiden; vielmehr »sind die Grenzen der Stücke gegen einander ganz fließend«1. Nachdem er die Besonderheiten des Stils und der Darstellungsmittel noch eingehender beschrieben hat, sagt er schließlich: »Nach diesem allem dürfen wir diese Erzählung kaum mehr eine Sage, sondern müssen sie eine Novelle nennen.«2 Konsequenterweise müßte man jetzt fortfahren und sagen: also ist die Josephgeschichte kein Sagenkranz. Es zeigt sich hier, wie auch an anderen Stellen, daß Gunkel den Begriff »Sagenkranz« in einem manchmal recht unspezifischen Sinne verwendet, nämlich nicht nur zur Bezeichnung einer Sammlung ursprünglich selbständiger Sagen, sondern auch für literarische Kompositionen, deren Bestandteile mit der Bezeichnung »Sage« nicht zutreffend charakterisiert sind. Der Begriff »Novelle« hat sich für die Josephgeschichte weitgehend durchgesetzt. Ihr Sondercharakter innerhalb der Vätergeschichten wird allgemein anerkannt. Einen weiteren Aspekt hat von Rad hinzugefügt mit seiner These: »die Josephsgeschichte ist eine weisheitlich-didaktische Erzählung, die hinsichtlich ihres Bildungsideals ebenso wie hinsichtlich ihres theologischen Grundgedankens von starken Anregungen abhängig ist, die von Ägypten ausgegangen waren.«3 Mit dieser Einordnung in die von ägyptischer Weisheit beeinflußten 1 2 3

H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 1922 6 = 19667, 396. A. a. O. 397. G. von Rad, Josephsgeschichte und ältere Chokma, VTSuppl 1 (1953), 120—127, 127 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1958, 19714, 272—280, 280.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

Traditionen wird die Josephgeschichte noch weiter von der übrigen Sagenüberlieferung der Vätergeschichten abgerückt. Auch zur Jakobgeschichte hat Gunkel schon die wichtigsten Beobachtungen gemacht. Er hat gezeigt, daß sie im wesentlichen aus zwei großen Erzählungszusammenhängen besteht: den JakobEsau-Geschichten (Gen 2519-34 27f. 32 — 364) und den Jakob-LabanGeschichten (Gen 29—31). Beide sind kunstvoll miteinander verbunden worden: »aus den Jaqob-Esau-Sagen ist ein 'Rahmen' gebildet worden, in den die Jaqob-Laban-Geschichten eingestellt worden sind«. Er charakterisiert die so entstandene Komposition folgendermaßen: »Dieser Jaqob-Esau-Laban-Sagenkranz ist demnach nicht eine lose Zusammenstellung von Redaktorenhand, sondern eine künstlerische Komposition: eine Reihe von (Vor- und) Rückverweisungen . . . und besonders der Schluß, der zum Anfang zurückkehrt, binden das Ganze zur Einheit zusammen.«5 Außer diesen beiden größeren Erzählungszusammenhängen nennt Gunkel noch als selbständiges Element (neben den »Geschichten von den Kindern Jaqobs, ihrer Geburt und ihren späteren Schicksalen«6, die er nicht für Bestandteile der alten Sagenkompositionen hält) die »Sagen von Kultusorten, die Jaqob gestiftet hat«7. Es handelt sich dabei um die Kultsagen von Bethel, Machanaim, Pnuel und Sichern; sie »sind auf den Faden der Wanderungen Jaqobs aufgezogen«8. Von Rad hat vor allem an diesem Punkt die Beobachtungen Gunkels weitergeführt, indem er gezeigt hat, daß besonders den beiden Kultsagen von Bethel (Gen 2810-22) und Pnuel (32 23-33) eine wichtige Funktion in der Gesamtkomposition zukommt. Sie stehen an den beiden Wendepunkten des Weges Jakobs: der Flucht vor Esau und der Rückkehr von Laban. So ist die Jakobgeschichte von diesen beiden Erzählungen »innerlich getragen wie eine Brücke von zwei Pfeilern . . . Offenbar wollen diese beiden markanten Erzählungsblöcke die theologischen Leitgedanken andeuten«9. Auch Westermann ist im wesentlichen zu der gleichen Gliederung und Charakterisierung der Bestandteile der Jakoberzählung gekommen. Er spricht im Blick auf die Hauptmasse des Jakob-Esau-LabanSagenkreises von einer »das Ganze beherrschenden Gruppe zusammenhängender Erzählungen, die man auch eine Groß-Erzählung nennen könnte«10. Von dieser Gruppe zusammenhängender Erzählungen sagt 4

6 6 9 10

Allerdings behandelt Gunkel die Stücke ab 33 17 unter der Überschrift »Jaqob in Kanaan«: a. a. O. (s. o. Anm. 1) 368. A. a. O. (s. o. Anm. 1) 292. 7 8 A. a. O. 291. Ebd. A. a. O. 292. G. von Rad, Das erste Buch Mose, 19729, 22. C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis, Forschung am Alten Testament, 1964, 9—91, 87.

Die Geschichten von Joseph, Jakob und Isaak

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er, daß sie »im Charakter ihrer Komposition etwa in der Mitte stehen zwischen dem Typ der kurzen, in sich geschlossenen AbrahamErzählungen und der eine noch weit größere und kompliziertere Einheit bildenden Joseph-Erzählung«11. In Gen 26 liegt eine selbständige Isaakgeschichte vor. In der Literatur wird dieses Kapitel meistens nicht als selbständiger Abschnitt gewertet, sondern im Rahmen der Jakobgeschichten betrachtet. So erscheint es bei Gunkel unter der Überschrift »Übersicht über die Komposition der Jaqobgeschichten von JE«, wird dort allerdings in Klammern gesetzt und mit dem Zusatz versehen, es sei »von späterer Hand . . . eingesetzt«12. Von Rad schreibt: »Von Isaak handeln nur zwei Sagen (Gen 26 6-11.12-33), die aber jetzt der großen Komposition der Jakobssagen eingegliedert sind.«13 In seinem Genesis-Kommentar klingt es dann allerdings anders. Dort wird einerseits eine stärkere Untergliederung in »Überlieferungseinheiten« vorgenommen; andererseits heißt es: »Diese Isaak-Überlieferungen sind im wesentlichen in ihrer alten Fassung und ohne auf die spätere große Komposition der Vätergeschichten abgestimmt zu sein, in die Literatur eingegangen.«14 Auch Gunkel hat empfunden, daß die Isaakgeschichte einen eigenständigen Charakter gegenüber den anderen Vätergeschichten hat, und hat deshalb vermutet, daß das Kapitel »aus einem anderen, verwandten Sagenbuche hierher eingesetzt worden ist«16. Die Selbständigkeit von Gen 26 gegenüber dem Kontext wird also durchaus betont. Das Kapitel wird als »Mosaik«16 bezeichnet, als ein Stück, das »keine völlig geschlossene Komposition geworden« ist 17 . »Andererseits ist der Versuch deutlich zu erkennen, diese kleinen Überlieferungseinheiten nachträglich einigermaßen zu einem geschlossenen Ereigniszusammenhang zusammenzuschmieden.«18 Kessler kommt schließlich auf Grund seiner Untersuchung der Querverweise innerhalb des Kapitels zu dem Ergebnis: »Gen 26 stellt eine Erzählungsgruppe dar, die als 'Isaaks-Gruppe' bezeichnet werden kann«19. 11

Ebd. Vgl. auch M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 108ff. A. a. O. (s. o. Anm. 1) 291: In der Gliederung Ziffer l c . 13 G. von Rad, Das formgeschichtlichtliche Problem des Hexteuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 64. 14 A. a. O. (s. o. Anm. 9) 216. 15 A. a. O. (s. o. Anm. 1) 299. 16 Franz Delitzsch, Neuer Commentar über die Genesis, 1887, 360. 17 H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 1), 300. 18 G. von Rad, Das erste Buch Mose (s. o. Anm. 9), 216. 19 R. Kessler, Die Querverweise im Pentateuch. Uberlieferungsgeschichtliche Untersuchung der expliziten Querverbindungen innerhalb des vorpriesterlichen Pentateuchs, Diss. theol., Heidelberg 1972, 108. 12

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

Wir müssen dieser Frage noch etwas genauer nachgehen. Noth hat festgestellt, daß der Verfasser (für ihn »J«) »hier kompendiumartig mit Hilfe eines durchgehenden Erzählungsfadens alles das zusammengefaßt (hat), was die ihm bekannte erzählende Überlieferung von Isaak zu sagen wußte«, und bezeichnet das Kapitel als eine »Aufreihung von allerlei teilweise nur mehr angedeuteten und in sich nicht recht geschlossenen Überlieferungseinheiten«20. In der Tat liegt eines der entscheidenden Probleme für das Verständnis und die Beurteilung der Isaakgeschichten darin, daß sie teilweise erzählerisch nicht in der sonst gewohnten Weise ausgeführt sind. Das Kapitel Gen 26 enthält nur zwei ausgeführte Erzählungen: vom »Verrat der Ahnfrau« (v. 7-11) und vom Vertragsschluß mit Abimelech von Gerar (v. 26-31). Beide haben ihre Parallelen in den Abrahamgeschichten (Gen 12 10-20 und 201-I8 21 22-32). Noth hat m. E. überzeugende Gründe dafür angeführt, daß die Isaak-Varianten überlieferungsgeschichtlich jeweils die älteren sind21. Beide sind durch den Rückverweis in v. 29 erzählerisch miteinander verbunden. Die übrigen Bestandteile des Kapitels sind von recht verschiedener Art. Deutlich heben sich zwei Gottesreden heraus, die keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem erzählerischen Kontext haben (vv. 2-5. 24) 2 2 . In v. 12-14 werden recht allgemein gehaltene Angaben über Isaaks Reichtum, der als Folge göttlichen Segens dargestellt wird, und über den daraus resultierenden Neid der Philister gemacht. Sie haben die deutlich erkennbare Funktion, die Voraussetzungen für die folgenden »Brunnenstreit-Erzählungen«23 aufzuzeigen. (In v. 28 wird ausdrücklich darauf zurückverwiesen.) V. I6f berichten sehr undramatisch von der »Ausweisung« Isaaks aus dem Gebiet der Leute von Gerar; auch darauf findet sich ein Rückverweis in v. 27. Das Bemühen um eine einheitliche Gestaltung des Ganzen ist hier also deutlich erkennbar. Was übrig bleibt, hat es durchweg mit Brunnen zu tun; und zwar handelt es sich hier nun um die erzählerisch nicht ausgeführten Stücke. Wie sind sie zu beurteilen ? V. 15 und 18 berichten, daß die Philister die früher von Abraham gegrabenen Brunnen zugeschüttet hätten und daß Isaak sie wieder habe aufgraben und mit den alten Namen benennen lassen. Es ist seit Wellhausen üblich, diese Verse einem Redaktor (Gunkel: RJ) oder einer »späteren Hand« (von Rad) zuzuschreiben. Es ist erstaunlich, wie unscharf dabei argumentiert wird. Nach Gunkel »verrät« sich der »Einsatz« dadurch, »daß er auf 20 21 22

23

M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 114. A. a. O. 113 ff. Jedoch ist die erste Gottesrede durch die Verse l u. 6, die zweite durch die Verse 23 u. 25 auf den Kontext bezogen. C. Westermann a. a. O. (s. o. Anm. 10) 66 ff.

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Die Geschichten von Joseph, Jakob und Isaak

eine frühere Geschichte Bezug nimmt«24. Aber eine Geschichte vom Zuschütten der von Abraham gegrabenen Brunnen durch die Philister existiert nicht; vielmehr steht an der Stelle, auf die man sich zu berufen pflegt (Gen 21 25), daß die Knechte Abimelechs sich die Brunnen mit Gewalt angeeignet hätten, was sachlich auf das Gegenteil hinausläuft, da sie die Brunnen nach dieser Version offenbar selbst benutzen wollten. Insofern war Wellhausen konsequenter: »Nach alle dem ist der 18. Vers ein auf 2122s. bezugnehmender harmonistischer Einsatz, der auf eine ziemlich kindliche Weise die Brunnen Abrahams durch Zuschütten aus der Welt schaffen will, damit sie Isaak noch einmal graben kann.«25 Wellhausen räumt also ein, daß hier neue Aussagen gemacht werden, die nicht anderen Erzählungen entnommen sind. Warum sollen die Verse dann aber von »späterer Hand« sein? Sie bringen eigene Informationen und sie sind aus sich heraus völlig verständlich. Was ihnen fehlt, ist nur die gewohnte erzählerische Ausgestaltung. Es kann vielleicht weiterführen, wenn wir darauf hinweisen, daß sich ähnliche kurze Mitteilungen, die nicht erzählerisch ausgestaltet sind, auch an anderen Stellen des Alten Testaments finden. So gibt es etwa in der Geschichte vom Aufstieg Davids (I Sam 16— II Sam 5) zahlreiche kurze Textstücke, die eine selbständige Information enthalten, aber nicht zu Erzählungen ausgestaltet worden sind26. Man wird sich vorzustellen haben, daß der Sammler oder Verfasser eines bestimmten Zusammenhangs neben ausgeführten Erzählungen auch Sachverhalte in Erfahrung brachte, die nicht erzählerisch ausgestaltet waren, die er aber trotzdem in sein Werk aufnehmen wollte; so beließ er es bei kurzen Mitteilungen, die den betreffenden Sachverhalt wiedergaben. Für die Isaakgeschichten würde das bedeuten, daß der Sammler oder Verfasser allerlei Überlieferungen über Brunnen im nördlichen Negev kennenlernte, die mit der Gestalt Isaaks (und Abrahams) verbunden waren, die aber nicht in der Form von ausgeführten Erzählungen weitergegeben wurden: vom Wiederaufgraben und Wiederbenennen der alten Abrahamsbrunnen durch Isaak ( w . 15.18); vom Streit um die neugegrabenen Brunnen Esek (v. i9f.) und Sitna (v. 21) und von der ungehinderten Benutzung des Brunnens Rechovoth (v. 22) und der jeweils entsprechenden Namengebung; und schließlich von der Namengebung des neugegrabenen Brunnens in Beer-Scheva im Anschluß an den Vertragsschluß zwischen Isaak und Abimelech 24 25

26

H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 1), 302. J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 1899 3 , 21. Vgl. dazu R. Rendtorff, Beobachtungen zur altisraelitischen Geschichtsschreibung anhand der Geschichte vom Aufstieg Davids, Probleme biblischer Theologie, FS von Rad, 1971, 428—439, bes. 432 ff. R e n d t o r f f , Pentateuch

3

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

(vv. 25b. 32f). Es besteht kein Anlaß, die Überlieferung von vv. 15. 18 anders zu betrachten als die anderen hier genannten. Im übrigen ist es formgeschichtlich abwegig, angesichts dieser kurzen Mitteilungen zu sagen, aus den Namen der Brunnen sei »eine etymologische Sage entsponnen« worden 27 . Das Charakteristische dieser kurzen Mitteilungen ist es ja gerade, daß sie nicht zur Sage ausgesponnen worden sind. Diese kurzen Mitteilungen sind in den Rahmen der anderen Isaaküberlieferungen so eingefügt, daß der ganze Zusammenhang jetzt trotz der Verschiedenartigkeit des Materials einen relativ geschlossenen Eindruck macht.

2.2 DIE ABRAHAMGESCHICHTE

Der Ausleger der Abrahamüberlieferungen steht vor einem eigenartigen Sachverhalt. Einerseits finden sich in den Abrahamgeschichten viele selbständige Überlieferungseinheiten, die keine ausdrücklichen Beziehungen zu ihrem Kontext haben; es gibt kaum einen anderen Bereich im Pentateuch, in dem die Selbständigkeit und literarische Unabhängigkeit von Einzelerzählungen so deutlich hervortritt 1 . Andererseits gewinnt der Leser den Eindruck eines inneren Zusammenhanges, der die ganze Abrahamüberlieferung durchzieht und als relativ geschlossene Einheit erscheinen läßt. Die überlieferungsgeschichtliche Frage muß deshalb lauten: Handelt es sich hier tatsächlich um eine nach einem bestimmten Plan konzipierte größere Einheit? Wenn ja, welches sind die Kennzeichen dieser größeren Einheit und mit welchen Mitteln ist die Gestaltung der ursprünglich selbständigen kleineren Einheiten, deren Selbständigkeit noch heute erkennbar ist, zu einer größeren Einheit durchgeführt worden ? 2.21 Die Vielschichtigkeit der Abrahamüberlieferungen Ein erster Schritt zur Beantwortung dieser Frage wird darin liegen, daß die schon bisher in der Literatur herausgestellten Zusammenhänge zwischen einzelnen kleineren Einheiten näher ins Auge gefaßt werden. Gunkel hat von einem Abraham-Lot-Sagenkranz gesprochen, dem er folgende Texte zurechnet: Gen 12 1-8 13 18i-i6aa 191-28 19 30-38la. Gunkel hat allerdings selbst schon gesehen, daß der Ausdruck »Sagenkranz« hier nicht ganz zutreffend ist. Als formgeschichtlicher Terminus bezeichnet er eine zu einer gewissen Einheit 27 1 13

So Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 1) 302. Vgl. dazu unten S. 36 bei Anm. 10. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19225 = 19667, 159.

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Die Abrahamgeschichte

verflochtene Sammlung ursprünglich selbständiger Einzelsage»2. Der Terminus 'Sage' trifft jedoch, wie Gunkel selbst ausgeführt hat, nur für einen Teil der hier genannten Texte zu. Offenkundig nicht anwendbar ist dieser Begriff auf den Abschnitt 12 1-8, über den Gunkel zusammenfassend schreibt: »Die Erzählung ist sehr wenig konkret und kaum eine 'Geschichte' zu nennen, daher in dieser Form für jung zu halten. Vorgefunden hat der Erzähler wohl nur die 'Notizen', daß Abraham aus Aram-Nah a raim gekommen, und daß er die Altäre von Sichern und Bethel gestiftet habe. Diese 'Notizen' hat er zu einer Art 'Geschichte' ausgeführt, die er wie ein Motto vor die Abrahamgeschichten gesetzt hat. So sollen wir Abraham beurteilen: er ist der Gläubige, Gehorsame und darum Gesegnete.«3 Es handelt sich hier also nach Gunkel um ein Element der Sammlung und Bearbeitung, nicht um eine ursprüngliche Sage oder Erzählung. Ähnliches gilt nach Gunkel auch für Gen 13. Diese Erzählung hat ihren Scopus gar nicht in sich selbst, sondern bereitet die beiden Erzählungen von Abraham und Lot in Mamre bzw. Sodom vor. »Diese Erzählung unterscheidet sich charakteristisch von alten Sagen dadurch, daß sie nicht auf sich selbst steht, sondern die Sodomgeschichte so sehr voraussetzt, daß sie ohne diese gar nicht gedacht werden kann . . . die Erzählung ist daher für eine spätere Neubildung, für ein Pfropfreis auf älterem Stamm zu halten«4. Danach wäre also Gen 13 den beiden Erzählungen von Mamre (18 l-ie) und Sodom (191-28) erst vorangestellt worden, nachdem diese sich gegenseitig »angezogen« hatten. Sie sind ihrerseits durch das Zwischenstück 18 17-33 und insbesondere durch die Situationshinweise in 18 16. 22 19 27f. miteinander verbunden, so daß sie jetzt zusammen mit Gen 13 (und mit 19 30-38) eine größere Einheit 5 bilden, deren Intention deutlich erkennbar ist, ebenso wie die Gestaltungsmittel, mit denen die einzelnen Elemente miteinander verbunden worden sind. Für 12 1-8 hat Gunkel selbst schon die Zugehörigkeit zu dieser Sammlung eingeschränkt, wenn er sie als »Motto« für die Abrahamgeschichten insgesamt bezeichnet 6 . Dieser von Gunkel festgestellte größere Zusammenhang umfaßt aber nur einen kleinen Teil der Abrahamüberlieferung. Daneben ist deutlich eine weitere Gruppe von zusammengehörigen Erzählungen erkennbar in Gen 20—22. Kessler hat sie als »Negev-Gruppe« be2

Wie es z. B. bei den Jakob-Esau- und Jakob-Laban-Sagen der Fall ist; vgl. o. S. 29f. A. a. O. (s. o. Anm. 1) 167. Was Gunkel hier über die »Notizen« ausführt, berührt sich stark mit dem, was wir vorhin an einigen Stücken der Isaak-Überlieferung beobachten konnten; vgl. oben S. 33. 4 Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 1) 176. 6 R. Kessler, Die Querverweise im Pentateuch (s. o. S. 31 Anm. 19), bezeichnet die Kapitel 13, 18 u. 19 als »Erzählungsgruppe« (69ff.). • Vgl. oben das Zitat bei Anm. 3. 3

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

zeichnet wegen ihres gemeinsamen Schauplatzes im Negev. Besonders wichtig ist dabei Kesslers Nachweis, daß die vier »Szenen« in Gen 20 f. (20 21 1 - 7 . 8 - 2 1 . 2 2 - 3 4 ) durch Querverweise miteinander verbunden sind 7 : So verweist die Bemerkung über das Heranwachsen Isaaks in 21 8 auf den vorhergehenden Abschnitt 211-7 zurück, der von der Geburt Isaaks berichtet, während der Abschnitt 2 1 2 2 - 3 4 über den Bundesschluß zwischen Abraham und Abimelech in Beerseba »in seinem Anfang (v. 22f.) nicht zu verstehen (ist) ohne die Kenntnis von Gen 20.«8 Wir haben es hier also mit einer Sammlung von Erzählungen zu tun, die sowohl durch den gemeinsamen Schauplatz als auch (mit Ausnahme von Gen 229) durch Querverweise untereinander verbunden sind. In einem bestimmten Stadium der Bearbeitung sind offenkundig auch diese beiden Sammlungen schon miteinander verbunden worden, wie sich besonders in dem ausdrücklichen Anschluß des Anfangs in 201 (»Da brach Abraham von dort auf«) an die vorhergehende (n) Erzählung (en) zeigt. Dies ist um so auffallender, als die überwiegende Zahl der Abrahamerzählungen mit Eingangsformeln beginnt, die keinerlei ausdrücklichen Verweis auf den Kontext enthalten 10 . Gegenüber diesen Sammlungen von Erzählungen oder Erzählungsgruppen hebt sich deutlich eine Anzahl von Erzählungen ab, die keinerlei Zusammenhang mit dem Kontext erkennen lassen außer der Tatsache, daß die handelnden Personen die gleichen sind. Dies gilt für Gen 14 1611 1712 und 23. Auch die Erzählung 12 10-20 ist in sich abgeschlossen und enthält keine ausdrücklichen Verweise auf die übrigen Abrahamüberlieferungen. Sie ist allerdings in 12 9 13i.3f. mit auffallender Umständlichkeit durch die »Wiederaufnahme« der Ortsangaben mit dem Kontext verbunden worden; dies Verfahren ist jedoch innerhalb der Vätergeschichten ohne Parallele, so daß es für sich genommen nicht als charakteristisches Kennzeichen einer bestimmten Bearbeitungsschicht gelten kann 13 . 7

Kessler a. a. O. (s. o. S. 31 Anm. 19) 80—87. A. a. O. 87. • Zum Verhältnis von Gen 22 zur »Negev-Gruppe« vgl. Kessler a. a. O. 92 Anm. 6. 10 Gen 12 10 14 1 16 l 17 1 23 1, vgl. auch 18 1 24 l. Dagegen Beispiele für Kontextbezug: 13 lf. 16 l 20 l 21 1. 8. 22 22 l. 11 Die Erwähnung der Unfruchtbarkeit Saras in Gen 11 30 läßt sich nicht dagegen anführen. 12 Hier ist allerdings die Geburt Ismaels vorausgesetzt. 13 Deshalb entbehrt die Inanspruchnahme dieser »Wiederaufnahme« für den Jahwisten jeder Grundlage: gegen M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 122. 239 Anm. 590. 252 Anm. 611; vgl. auch G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem (s. o. S. 2 Anm. 4), 66 und ders., Das erste Buch Mose, 1972® (jeweils zur Stelle). 8

Die Abrahamgeschichte

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Daneben finden sich einige weitere Erzählungen, die zwar ebenfalls in sich selbständig sind, jedoch den Kontext der Abrahamüberlieferungen so weitgehend voraussetzen, daß sie ohne ihn kaum existiert haben können. Dies gilt besonders für Gen 24, die Erzählung von der Brautwerbung für Isaak. Sie setzt die ganze Lebensgeschichte Abrahams voraus14, ist also offensichtlich erst in einem Stadium der Überlieferungsbildung formuliert worden, in dem die verschiedenen Elemente dieser Überlieferung sich schon weitgehend zusammengefunden hatten. Schwieriger liegen die Dinge bei Gen 15. Das Kapitel setzt in seinen beiden Teilen (v. i-6 und 7-21) auf verschiedene Weise die Thematik der Abrahamüberlieferung im ganzen voraus: das Problem der ausbleibenden Geburt eines Sohnes und die damit verbundene Verheißung zahlreicher Nachkommenschaft (v. 1-6) sowie den Auszug aus der ursprünglichen Heimat (hier Ur-Kasdim) und die Verheißung des Landbesitzes (v. 7-21). Andererseits steht das Kapitel jetzt mitten in einem Kontext, mit dem es nicht nur nicht verbunden ist, sondern gegenüber dem es deutliche Spannungen aufweist15; es kann also, anders als Gen 24, nicht im Blick auf diesen Kontext formuliert worden sein. Es stellt deshalb eine eigenartig selbständige Entfaltung der Grundthemen der Abrahamüberlieferung dar. Schließlich wurde schon darauf hingewiesen, daß der Abschnitt 12 1-8 auf den Gesamtzusammenhang der Abrahamüberlieferung in ihrer jetzigen Form hin gestaltet worden ist. Er gehört also, wiederum anders als die beiden vorher genannten Kapitel, in die Phase der zusammenfassenden Bearbeitung der Abrahamüberlieferung. 2.22 Die Verheißungen in den Gottesreden in der Abrahamgeschichte Die Abrahamüberlieferungen stellen sich somit literarisch als ein sehr uneinheitliches und vielschichtiges Gebilde dar. Fragt man nun, worin denn das übergreifende Element besteht, das trotzdem den Eindruck der Einheit und Geschlossenheit entstehen läßt, von dem oben die Rede war, so muß die Antwort zweifellos lauten: die göttlichen Verheißungen an Abraham. Allerdings zeigt sich bei näherem Hinsehen, daß dieses Element der Verheißung in einer verwirrenden Vielfalt der Erscheinungsformen begegnet, sowohl was den Inhalt als auch was die Formulierungen betrifft, so daß es zunächst kaum möglich erscheint, daraus Kriterien für die Sammlung und Gestaltung der Abrahamüberlieferungen zu gewinnen1. Trotzdem muß der Versuch dazu unternommen werden, weil sich möglicherweise von hier « Vgl. dazu Kessler a. a. O. (s. o. S. 31, Anm. 19) 92ff. 15 Vgl. dazu auch L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament, 1969, 69ff. 1 Vgl. die Zusammenstellung bei C. Westermann a. a. O. (s. o. S. 30 Anm. 10) 32.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

aus ein Zugang zu den Problemen der Komposition der Abrahamüberlieferungen ergibt. Einen wichtigen Schritt in dieser Richtung hat Westermann getan. Er hat das Thema der Verheißungen an die Erzväter in seiner Arbeit über »Arten der Erzählung in der Genesis« an erster Stelle behandelt2. Seine Fragestellung soll hier aufgegriffen und weitergeführt werden. Zunächst hat Westermann die Frage gestellt, wie sich das Element der Verheißung zu den Einzelerzählungen in den Väterüberlieferungen verhält. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß nur sehr wenige Einzelerzählungen als »Verheißungserzählungen« bezeichnet werden können3. Ein besonders deutliches Beispiel einer Verheißungserzählung ist Gen 18. Hier ist die Verheißung des Sohnes das zentrale Erzählungselement, das keinesfalls herausgelöst werden kann. Ähnliches gilt für Gen 16, wo die Verheißung der Geburt Ismaels an Hagar ebenfalls zum Grundbestand der Erzählung gehört4. In 15 1-6 ist die Verheißung des Sohnes mit der Verheißung zahlreicher Nachkommenschaft eng verbunden; der ganze Abschnitt zeigt eine sehr vielschichtige und überlieferungsgeschichtlich schwer durchschaubare Struktur6. In 15 7-21 schließlich ist die Verheißung des Landbesitzes zum grundlegenden Bestand der Erzählung zu rechnen; allerdings vermutet Westermann, daß die Erzählung nicht in ihrer ursprünglichen Form vorliegt6. In allen übrigen Fällen gehört nach Westermanns Analyse das Element der Verheißung nicht zum ältesten Bestand der Erzählung. Vielmehr gilt: »Das Verheißungsmotiv gehört ganz überwiegend dem Stadium des Zusammenfügens der alten Erzählungen zu größeren Einheiten an.«7 An dieser Stelle muß die Untersuchung fortfahren. Allerdings sind zunächst noch verschiedene Vorarbeiten zu leisten, bevor dieses »Stadium des Zusammenfügens der alten Erzählungen zu größeren Einheiten« deutlicher in Blick gefaßt werden kann; denn der komplizierte Sachverhalt, auf den schon hingewiesen wurde, läßt eine unmittelbare Auswertung der Texte nicht zu. Die Verheißungselemente begegnen fast ausschließlich in Gottesreden bzw. in Zitaten von Gottesreden. Es empfiehlt sich daher, die Untersuchung etwas auszuweiten und nach der Funktion der Gottesreden in den Abrahamgeschichten zu fragen. Dabei ergibt sich als erstes eine negative Feststellung: So bedeutsam die Rolle der Gottes2 3 4

5 6

A. a. 0.11—34. A. a. O. 33. A. a. O. 19 f. Es ist auffallend, daß beide Erzählungen zugleich auch Elemente einer Ortsätiologie enthalten. Westennann a. a. O. 21ff. A. a. O. 29. ' A. a. O. 33.

Die Abrahamgeschichte

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rede an vielen Stellen ist, so erscheint sie doch keineswegs in allen Abrahamerzählungen. Es gibt vielmehr eine auffallend große Zahl von Erzählungen, in denen keine Gottesrede vorkommt: 1210-20 14 19 30-38 2122-34 23 24®. Das bedeutet also, daß weder bei der ursprünglichen Formulierung noch bei der späteren Bearbeitung die Gottesrede durchgehend als Gestaltungsmittel verwendet worden ist. In einer zweiten Gruppe von Erzählungen hingegen bildet die Gottesrede ein konstitutives Element der Erzählung. Dies gilt besonders dort, wo die Gottheit selbst anwesend ist, wenn auch zunächst unerkannt, und unmittelbar zu den Menschen spricht, wie in Gen 18 und 19. Hier ist die Gottesrede ein unmittelbarer Bestandteil der Erzählung; dabei tritt in Gen 18 das Element der Verheißung in den Vordergrund 9 . In den übrigen Fällen redet Jahwe nur, ohne selbst handelnd aufzutreten. Auch die Formel »Da erschien Jahwe« bleibt unanschaulich 10 . Die Gottesrede kann aber auch in der Weise zu einem integrierenden Bestandteil der Erzählung werden, daß sie ein bestimmtes Geschehen auslöst. So steht am Anfang von Gen 22 ein göttlicher Befehl, dem Abraham Folge leistet, der aber keine ausdrückliche Verheißung enthält (v. 2) 11 . Auch in Gen 15 9 findet sich ein Befehl Jahwes an Abraham zu einer bestimmten Handlung, ebenso in 2112. Demgegenüber vollzieht sich das Geschehen in Gen 16 ohne Gottesrede an Abraham; erst in einer späteren Phase ergeht die Verheißungsrede an Hagar. Sie hat aber keinen Einfluß auf das Handeln Abrahams; dies gilt auch für Gen 20, wo die Gottesrede nur an Abimelech ergeht. Diese Beispiele zeigen, daß die Gottesrede in verschiedener Weise als erzählerisches Mittel eingesetzt werden kann, wobei sie keineswegs immer einen Zusammenhang mit dem Verheißungselement haben muß. In einigen Fällen dominiert die Gottesrede so stark, daß kaum noch von einer Erzählung gesprochen werden kann. Dies gilt insbesondere für Gen 17, wo sich nur ein ganz spärlicher erzählerischer Rahmen findet (abgesehen von der Ausführung des göttlichen Befehls in v. 23ff.): die Gottesrede ist überwiegend Verheißungsrede, hier verbunden mit der Bundesverpflichtung. Auch in 15 1-6 tritt die Handlung ganz zurück hinter der Verheißungsrede. Ebenso hat die Verheißungsrede in 121-3 ein starkes Eigengewicht gegenüber dem Kontext. Schließlich begegnet die Gottesrede als deutlich in sich abgegrenztes selbständiges Redestück, das dem Kontext an- oder eingefügt ist, 8 9

10 11

Zu Gen 24 vgl. unten Anm. 12. Möglicherweise gehörte die Ankündigung der Geburt eines Sohnes schon zum Bestand der vorisraelitischen Heiligtumslegende; vgl H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 19667, 200; vgl. auch oben Anm. 4. Trotz VST! in Gen 17 22. Zu dem Element der Führung in den Verheißungsreden vgl. unten Ziffer 2.34 (S. 49 ff.)-

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

in 1314-17 1513-16 und 22i5-i8. Hier handelt es sich in allen Fällen um reine Verheißungsreden. Es zeigt sich also, daß die Gottesrede dort, wo sie dem erzählerischen Kontext gegenüber dominiert oder ihm gegenüber ganz selbständig ist, mehr und mehr zur ausschließlichen Verheißungsrede wird. Darin liegt ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Verheißung vor allem in den überlieferungsgeschichtlich späteren Stadien stärker hervortritt 12 . 2.3 DIE VERHEISSUNGEN AN DIE ERZVÄTER

Damit kehren wir wieder zu den Verheißungsreden im engeren Sinne zurück. Es war schon von den Schwierigkeiten die Rede, die sich bei ihrer Untersuchung ergeben. Sie liegen einerseits darin, daß in den Verheißungsreden eine ganze Anzahl verschiedener Verheißungsthemen begegnet, die in den vielfältigsten Formulierungen auftreten können und deren Verhältnis zueinander schwer zu bestimmen ist. Andererseits gehen diese einzelnen Verheißungsreden die verschiedensten Verbindungen miteinander ein, ohne daß dabei auf den ersten Blick ein bestimmtes Prinzip erkennbar wäre. Dabei erweist es sich allerdings als notwendig, die Untersuchung auf die Vätergeschichten insgesamt auszudehnen. Denn wenn auch die Verheißungsreden in der Abrahamgeschichte ungleich häufiger vorkommen, so begegnen sie doch auch in der Isaak- und Jakobgeschichte in gleicher oder ähnlicher Form 1 ; in der Josephgeschichte hingegen fehlen sie ganz. Westermann hat sowohl die einzelnen Verheißungselemente als auch die Verbindungen zwischen ihnen untersucht und dabei wichtige 12

1

Interessant ist demgegenüber, daß die erzählerisch späte Form in Gen 24 keine direkte Gottesrede enthält, ebenso wie auch die ganze Josephgeschichte, die ja ein weit fortgeschrittenes Stadium der Erzählkunst darstellt. Es besteht also offenbar ein grundlegender Unterschied zwischen der Entwicklung der erzählerischen Mittel einerseits, bei denen die direkte Gottesrede mehr und mehr zugunsten eines indirekten Handelns Gottes zurücktritt — dabei ist Gen 24 eine ausgesprochen »fromme« Erzählung! •— und der zunehmenden Verwendung der göttlichen Verheißungsrede als Element der Bearbeitung der Texte andererseits. In der Isaakgeschichte kommen Gottesreden nur in zwei selbständigen Verheißungsreden ohne unmittelbare Verbindung mit dem Kontext vor (26 2-5.24). In der Jakobgeschichte ist der Gebrauch etwas vielfältiger: Neben dem in 25 28 aufgenommenen poetischen Stück begegnet die Gottesrede auch im Erzählungszusammenhang, so in 31 3 (s. dazu weiter unten!) und 31 24 sowie in dem Referat einer Gottesrede in 3111-13, ferner im Rahmen von zweifellos älteren Erzählungsstücken in 2818-15 (Rückverweis darauf in 351) und 32 27-30, schließlich in selbständigen Verheißungsreden in 35 9-12 und 46 2-4 und in dem Referat einer Verheißungsrede in 48 8f.

Die Verheißungen an die Erzväter

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Erkenntnisse gewonnen2. Die Zusammenfassung seiner Ergebnisse endet aber mit einer offenen Frage. Bei der Zusammenstellung der verschiedenen Möglichkeiten, in denen die Verheißungselemente auftreten können, schreibt Westermann: »Am Ende steht die addierende Kombination vieler Verheißungsinhalte, vor allem bei P und in nachträglichen Erweiterungen der alten Erzählungen.«3 Diese »Kombination vieler Verheißungsinhalte« stellt das schwierigste Problem der Analyse der Verheißungsreden und ihrer überlieferungsgeschichtlichen Entwicklung dar, weil dabei, wie es scheint, jedes Verheißungselement mit jedem anderen in beliebiger Reihenfolge verbunden werden kann; auch Westermann ist über diese Feststellung nicht wesentlich hinausgelangt. Er schreibt dazu: »die Kombination oder Addition vieler Verheißungsinhalte kann mit voller Sicherheit als ein Spätstadium angesehen werden«4. Allerdings fügt er hinzu: »Dieses Spätstadium zeigt sich aber auch schon bei J in Stellen wie 28 13-15 und bei E in dem Zusatz in Kap. 22.«5 Es handelt sich also offensichtlich um ein relatives Spätstadium, d. h. um ein Stadium, das überlieferungsgeschichtlich dem Auftreten der einzelnen Verheißungselemente nachzuordnen ist, ohne daß damit über sein absolutes Alter etwas gesagt wäre. Besonders wichtig ist deshalb die von Westermann aufgestellte methodische Forderung: »Es muß von den viele Verheißungen enthaltenden späten Kombinationen zurückgefragt werden nach den Einzelelementen der Verheißungen und ihrer besonderen Traditionsgeschichte.«6 Dieser Versuch soll im folgenden unternommen werden. Da der Sachverhalt offenbar recht kompliziert ist, müssen wir versuchen, ihn durch eine sorgfältige Analyse der einzelnen Verheißungselemente besser durchschaubar zu machen. Es läßt sich dabei nicht vermeiden, daß diese Analyse einen verhältnismäßig breiten Raum einnehmen wird. Entsprechend der eben genannten methodischen Forderung werden wir mit einer Analyse der Einzelelemente beginnen und dabei die Frage nach ihrer Verbindung oder Kombination zunächst zurückstellen. Das bedeutet aber, daß wir auch dort, wo uns Verbindungen verschiedener Verheißungselemente vorliegen, diese zunächst isoliert voneinander behandeln und sie mit den übrigen Texten vergleichen, die denselben Verheißungsinhalt haben. 2

A. a. O. (s. o. S. 30 Anm. 10) 11—34. A. a. O. 33; vgl. auch die Zusammenstellung auf S. 32. * A. a. O. 32. 6 Ebd. • Ebd. 3

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

2.31 Die Landverheißung Wir beginnen mit der Landverheißung. Sie liegt in verschiedenen Formulierungen vor. Wir versuchen, die Traditionsgeschichte dieser Formulierungen aufzuhellen. Dazu soll die folgende Tabelle1 dienen. nmnV dkw f i s n - n s nnV nmiKiV'o IsntVi nur« "f? oVis-n» isntVi nun» iV pn^rVi nmas1? TIU imn f i s n - n « p s n - n « ]DK -p-inN -jsntVi niinx "p Vsn ns-)«n-VD-iis jxis ^sniVi •f?_,o • p » f i s «k Tin« -js7-itVi -f? "-nnn amax HD-DTK •j1? fir-i —rm TU» p-ix-nx insnV -jnN I^-itVI •J"? (omas1? dtiVK iru riKtn p s r r n s ins ism1? (nKtn p x r r n x {riN i^rV nstn p « n - n x ^ni isnt1? Vxn nxiKn-bo n« in« *isntVi (oVis ntns - p n s int"? rxrn p s n - m t m i

157 1317 2813 1315 3512 263 17 s 284) 127 24 7) 1518 26 4 48 4)

15 7: 1317: 2813: 13 15: 3012:

»zu geben dir dieses Land, um es in Besitz zu nehmen« »denn dir werde ich es geben« »dir werde ich es geben und deinem Samern ))dir werde ich es geben und deinem Samen für immer« »das Land, das ich gegeben habe dem Abraham und dem Isaak, dir werde ich es geben und deinem Samen nach dir werde ich das Land geben« 263: »denn dir und deinem Samen werde ich alle diese Länder geben« 17 8: »ich werde dir und deinem Samen nach dir das Land deiner Fremdlingschaft geben« (28 4: »er gebe dir den Segen Abrahams, dir und deinem Samen mit dir, daß du in Besitz nehmest das Land deiner Fremdlingschaft, das Gott dem Abraham gegeben hat«) 12 7: »deinem Samen werde ich dieses Land geben« (247: »deinem Samen werde ich dieses Land geben«) 1518: »deinem Samen gebe ich dieses Land« 26 4: »ich werde deinem Samen alle diese Länder geben« (48 4: »ich werde dieses Land deinem Samen nach dir zum immerwährenden Erbbesitz geben«) 1

In dieser und den folgenden Tabellen werden Texte, die nicht in direkten Gottesreden stehen, in runde Klammern gesetzt.

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Die Verheißungen an die Erzväter

Die Tabelle versucht, eine bestimmte Entwicklungslinie in den formelhaften Wendungen innerhalb der Landverheißungen aufzuzeigen. In einigen Fällen heißt es in der Gottesrede an Abraham: »dir will ich es (seil, das Land) geben« (13 17; die Formulierung in 15 7 fällt deutüch aus dem Rahmen); in einer Anzahl weiterer Fälle, die sich in Reden an alle drei Erzväter finden, ist zu dem »dir« hinzugefügt mnd deinem Samen«. Daß es sich dabei um eine Hinzufügung handelt, wird schon daraus erkennbar, daß »und deinem Samen« in einigen Fällen erst hinter dem Verbum eingefügt worden ist (28 13 13 15); in einem Fall ist das Verbum danach sogar noch einmal wiederholt worden, wodurch der zusammengesetzte Charakter der Wendung besonders deutlich wird (35 12). In weiteren Fällen, die man als das nächste überlieferungsgeschichtliche Stadium betrachten darf, sind dann die Worte »dir und deinem Samen« unmittelbar zusammengezogen worden, und das Verbum steht jeweils hinter oder vor der ganzen Wendung (26 3 17 8 28 4). Schließlich ist dann das individuelle Element ganz zurückgetreten, so daß nur noch der »Same« als Verheißungsempfänger erscheint (12? 24 7 15i8 2610» r r n 3 1 5; vgl. 2 8 20 3 5 3; ähnlich 'V r r n 3 1 42); schließlich in der Ankündigung Jakobs gegenüber Joseph und seinen Söhnen: »Gott wird mit euch sein (DDö» t r n V N ¡ T m 4 8 2 1 ) 1 . Auch die Aussage: »ich will dir Gutes tun« (~f»S7 n a , B , K l 3 2 1 0 ; " j a » T t r x a ^ v t 3 2 13) wird man hierher zu stellen haben. Häufig steht diese Verheißung in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Aufbruch zu einem bevorstehenden Weg, für den die Führung zugesagt wird. So heißt es in 46 4: »ich will mit dir hinabziehen 3

1

So die richtigen Stellenangaben. 32 13 gehört nicht hierher, da weder in v. 12 noch 4 in v. 13 das Stichwort 1*13 auftaucht. Vgl. auch Westermann a. a. O. 25f. Vgl. zu dieser Formel: H. D. Preuß, ». . . . ich will mit dir sein!«, ZAW 80 (1968), 139—173, und D. Vetter, Jahwes Mit-Sein — ein Ausdruck des Segens, 1971. Ein Problem eigener Art stellt im Zusammenhang mit der Formel die Rede vom Cir3N(. . .rnVN in 26 24 31 5. 42 dar; vgl. dazu unter Ziffer 2.5, bes. S. 69f. R e n d t o r f f , Pentateuch

4

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

nach Ägypten und will dich auch wieder heraufführen.« Auch die schon genannten knappen Formulierungen stehen fast durchweg in einem entsprechenden Kontext: »Ich will dich bewahren überall, wohin du gehst, und will dich zurückbringen in dieses Land . . .« (28 15; vgl. auch 50 24); »Kehre zurück in das Land deiner Väter und deiner Verwandtschaft« (313; vgl. 3113 32 10); oder in einer Art Umkehrung: »Ziehe nicht hinab nach Ägypten, bleibe in dem Lande, das ich dir sagen werde« (26 2). Es ist auffallend, daß sich diese formelhaft geprägten Verheißungen der Führung in der Isaak- und Jakobgeschichte, nicht aber in der Abrahamgeschichte finden. Allerdings begegnen hier Aussagen, die inhaltlich in die unmittelbare Nähe dieser Verheißung führen. So heißt es in 12 1: »Gehe weg aus deinem Lande und von deiner Verwandtschaft und von deinem Vaterhause in das Land, das ich dir zeigen will.« Die Nähe dieser Formulierungen zu 31 3 ist offenkundig, auch wenn die ausdrückliche Aussage »ich bin mit dir« fehlt. Ein weiteres Element, in dem sich Beziehungen zu den Führungsverheißungen finden, ist der Hinweis auf »das Land, das ich dir zeigen will«; er erinnert an die Aufforderung an Isaak, »in dem Lande, das ich dir sagen werde«, zu bleiben (26 2). Dann zeigt sich aber auch eine deutliche Verwandtschaft mit den Aussagen in 22 2: »Gehe hin in das Land Moria und opfere ihn (d. h. Isaak) dort auf einem von den Bergen, den ich dir sagen werde.« Die Aufforderung zu gehen hat die gleiche sprachliche Form wie in 12 1 ("7V—fV), und der Hinweis auf den »Berg, den ich dir sagen werde«, erinnert sowohl an 12 1 als auch an 26 2. Weiter ist in diesem Zusammenhang die Aufforderung Gottes an Abraham zu nennen: »Auf, ziehe umher in dem Land in seiner Länge und Breite« (13 17), die wiederum einen göttlichen Befehl enthält, der Abraham veranlaßt, im Vertrauen darauf einen bestimmten Weg zu gehen. Es zeigt sich also, daß sich ausdrückliche Zusagen der Führung in geprägten Formulierungen in der Abrahamgeschichte nicht finden, wohl aber Aussagen, die zeigen, daß nach der Äuffassung der Erzähler Abraham auf Grund göttlicher Weisungen aufgebrochen und bestimmte Wege gezogen ist. Man könnte deshalb erwägen, ob die formelhafte Aussage »ich bin mit dir« gleichsam den Extrakt aus dieser Vorstellung zieht und auf die anderen Erzväter überträgt. Wenn das zutrifft, wäre das der Führungsverheißung zugrunde liegende Element ursprünglich in der Abrahamüberlieferung beheimatet, aus der es dann in formelhaft geprägter Fassung auch in die anderen Vätergeschichten Eingang gefunden hätte. Zum Abschluß dieser Bestandsaufnahme sei noch darauf hingewiesen, daß eine Anzahl von Verheißungsreden mit göttlichen Selbstvorstellungsformeln eingeleitet wird. Sie seien hier zusammengestellt:

51

Die Verheißungen an die Erzväter

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26 24 2813 46 3 3113) 15 7 171 3511 151]

»Ich bin der Gott Abrahams, deines Vaters« »Ich bin Jahwe, der Gott Abrahams, deines Vaters, und der Gott Isaaks« »Ich bin Ha-El, der Gott deines Vaters« »Ich bin Ha-El von Beth-EI«) »Ich bin Jahwe, der dich aus Ur-Kasdim geführt hat« »Ich bin El Saddaj« »Ich bin El Saddaj« »Ich bin dein Schild«]

Diese Zusammenstellung zeigt, daß solche Formeln keineswegs regelmäßig verwendet werden und daß sie auch im einzelnen in der Verwendung göttlicher Selbstprädikationen sehr unterschiedlich formuliert sind. 2.35 Verbindung der einzelnen Verheißungsthemen Von den einzelnen Verheißungsthemen, denen wir in ihren unterschiedlichen Formulierungen nachgegangen sind und deren Wandlungen wir beobachtet haben, begegnet nur die Verheißung des Segens — wie schon festgestellt (vgl. oben S. 48f.) — stets in Verbindung mit anderen Verheißungsthemen, und zwar überwiegend mit dem der zahlreichen Nachkommenschaft (Mehrungsverheißung), während die übrigen Verheißungsthemen jeweils auch für sich allein innerhalb einer Gottesrede auftreten. Verhältnismäßig selten findet sich die Landverheißung isoliert, nämlich nur in der überlieferungsgeschichtlich zusammengehörigen Gruppe 12 7 15 18 24 7 (vgl. oben S. 45) sowie in 15 7. Öfter begegnet die Mehrungsverheißung ohne andere Verheißungen: l ö s 1610 17 2 21 12.13.18. Das Thema der Führung schließlich steht — gemessen an der Häufigkeit seines Vorkommens überhaupt — meistens allein: 313.13 (vgl. 2820 31 5.42 32 10 353 48 21). Bei der Frage nach den Verbindungen verschiedener selbständiger Verheißungsthemen beginnen wir wieder mit der Landverheißung. Hier begegnet in einigen Fällen eine charakteristische Verbindung von Landverheißung und Mehrungsverheißung. In 13 i5f. folgt auf die Landverheißung »dir werde ich es geben und deinem Samen für alle Zeiten« 4*

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

unmittelbar die Mehrungsverheißung »und ich werde deinen Samen machen wie den Staub der Erde«1. In beiden Sätzen findet sich hier das Stichwort »Same«. Wir sahen schon, daß es in der Landverheißung eine Erweiterung der ursprünglichen Formel darstellt, die nur auf den Erzvater selbst zielte. Dadurch steht nun das Wort »Same« betont am Schluß der Landverheißung; es wird unmittelbar aufgenommen durch den Beginn der Mehrungsverheißung. Noch ausgeprägter ist dieser Sachverhalt in 28 i3f. Auch hier steht das Stichwort »Same« betont am Ende der Landverheißung: »Das Land, auf dem du liegst, dir werde ich es geben und deinem Samen.« Daran schließt sich unmittelbar die Mehrungsverheißung an, bei der das Wort »Same« wiederum betont am Anfang steht: »Und es wird sein dein Same wie der Staub der Erde«2. Hier erscheint der Anschluß noch deutlicher als ausdrückliche Wiederaufnahme des Stichworts »Same«, eine Art von assoziativer Anknüpfung. Man könnte den Sachverhalt so formulieren: Die Erweiterung der Landverheißung durch Hinzufügung des »Samens« hat die Anfügung einer auf diesen »Samen« bezogenen Mehrungsverheißung nach sich gezogen. Man kann hier also von einer schrittweisen Erweiterung der Verheißung reden. Zu erwähnen ist noch die Tatsache, daß in beiden Fällen die Mehrungsverheißung mit dem Bild vom »Staub der Erde« formuliert worden ist, das sich nur an diesen beiden Stellen findet; die Parallelität ist also auch darin deutlich erkennbar. Es gibt nun aber auch die umgekehrte Verbindung, bei der die Mehrungsverheißung vor der Landverheißung steht. Allerdings zeigt sich sofort, daß dabei die Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht andere sind. In 35 11 steht zunächst die Mehrungsverheißung in einer ausführlichen Formulierung: »Sei fruchtbar und mehre dich! Ein Volk und eine Versammlung von Völkern wird von dir kommen, und Könige werden aus deinen Lenden hervorgehen«. Es handelt sich also um diejenigen Formulierungen der Mehrungsverheißung, bei denen das Stichwort »Same« nicht verwendet wird, dafür aber die Begriffe »Volk« und »Versammlung«, ferner die Verben »fruchtbar sein« und »sich mehren«. Insofern besteht also von den Formulierungen dieser Mehrungsverheißung her keine unmittelbare Verbindung mit der Landverheißung. Sie folgt ohne ausdrückliche Anknüpfung in v. 12; das Wort »Same« steht ganz am Ende ohne Bezug zur Mehrungsverheißung. Die Reihenfolge und die Thematik der Aussagen sind in 48 3f., wo ausdrücklich auf die Verheißung in 35 lif. Bezug genommen wird, entsprechend. Der Text ist im ganzen etwas knapper und weist zudem noch eine interessante Verschiebung auf: anstelle des doppelten »dir . . . und deinem Samen« heißt es jetzt nur noch »deinem Samen«. Er er1 2

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Die Verheißungen an die Erzväter

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scheint also im ganzen als ein weiterentwickeltes Stadium der Kombination von Mehrungs- und Landverheißung. Schließlich steht auch in 28 3f. die Mehrungsverheißung mit der gleichen Terminologie voran; die Landverheißung folgt am Ende, wobei das Stichwort »Segen« beides verbindet. In diesen Fällen handelt es sich also nicht um eine schrittweise Erweiterung der Verheißung, vor allem nicht um ein assoziatives Aufnehmen eines bestimmten Elements, sondern vielmehr um die Zusammenfügung zweier durchaus selbständiger und voneinander unabhängiger Elemente. Man könnte diesen Sachverhalt im Unterschied zu dem vorigen so beschreiben, daß hier zur Vervollständigung dem einen Verheißungselement ein anderes hinzugefügt worden ist, ohne daß die Formulierungen selbst dazu Anlaß gegeben hätten. Der Grund liegt also eher darin, daß man jetzt diese beiden Verheißungsthemen als zusammengehörig betrachtete. In diesen Zusammenhang gehört auch Gen 173: Das eigentliche Thema dieser breit ausladenden Verheißungsrede ist die Mehrungsverheißung. In mehrfachen Ansätzen wird dieses Thema entfaltet: zunächst als Gegenstand des göttlichen »Bundes« mit Abraham (v. 2), dann als Entfaltung der Namensänderung (v. 5f.)4; sodann wird das Stichwort »Bund« erneut aufgegriffen und unter ausdrücklicher Einbeziehung des »Samens« entfaltet (v. 7); der »Same« bietet dann schließlich auch das Stichwort für die Anfügung der Landverheißung (v. 8), bei der es im Unterschied zu 13 15 und 2813 ganz am Anfang der (ausführlicheren) Formulierung steht. Damit endet die lange Gottesrede mit der Kombination verschiedener Verheißungsthemen. Man gewinnt den Eindruck, daß die Landverheißung hier zur Vervollständigung als nötig empfunden wurde, obwohl das eigentliche Thema die Mehrungsverheißung ist. Wir finden also zwei deutlich voneinander unterschiedene Weisen der Verbindung von Landverheißung und Mehrungsverheißung: im einen Fall steht die Landverheißung in engerem Zusammenhang mit dem Kontext und zieht durch das erweiternd hinzugefügte Stichwort »Same« die Mehrungsverheißung nach sich; im anderen Fall handelt es sich um kontextunabhängige Verheißungsreden, in denen die Mehrungsverheißung zunächst das eigentliche Thema bildet, zu dem dann ohne unmittelbaren sprachlichen Anschluß die Landverheißung hinzugefügt wird. Hier haben wir es offenbar mit einem späteren Stadium einer bloßen Addition der Verheißungsthemen zu tun, im 3

4

Vgl. zu Gen 17: G. Ch. Macholz, Israel und das Land. Vorarbeiten zu einem Vergleich zwischen Priesterschrift und deuteronomistischem Geschichtswerk, Habil.Schrift Heidelberg, 1969, 42ff. Vgl. auch Gen 35 9ff., wo ebenfalls in einer Gottesrede die Namensänderung von Jakob zu Israel vollzogen wird, auch dort verbunden mit einer Mehrungsverheißung.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

Unterschied zu der aus der Überlieferungsgeschichte des Kontextes herausgewachsenen Entfaltung der Themen. Wir müssen nun noch einmal zu der ersten Gruppe von Texten zurückkehren. In beiden Fällen, in Gen 13 und 28, ist die Verheißungsrede mit der bisher behandelten Verbindung von Landverheißung und Mehrungsverheißung noch nicht zu Ende. Beginnen wir mit Kap. 28: Hier findet sich in v. 15 ein Satz, der offensichtlich noch unmittelbarer kontextbezogen ist als die vorhergehenden: die Zusage der göttlichen Führung und der Begleitung Jakobs auf seinem bevorstehenden Weg. Damit wird die Erzählung von der Traumoffenbarung in Bethel unmittelbar in die Gesamtkomposition der Jakobgeschichte einbezogen. Gegenüber dieser Führungszusage wirken die beiden Elemente der Landverheißung und der Mehrungsverheißung wie eine spätere Stufe des Wachstums oder der Bearbeitung dieses Textes. Wenn aber die oben entfaltete Auffassung zutrifft, nach der die Landverheißung erst die Mehrungsverheißung nach sich gezogen hat, dann müssen wir annehmen, daß die Führungszusage (v. 15) am frühesten zum jetzigen Kontext gehört hat, daß dann im Zuge der Bearbeitung und mit einem deutlichen Kontextbezug (»das Land, auf dem du liegst«) die Landverheißung hinzugefügt worden ist (v. 13), daß diese um das Stichwort »Same« erweitert wurde und dann die Mehrungsverheißung nach sich zog. Die Hinzufügung dieser beiden Verheißungsthemen werden wir gewiß schon einer übergreifenden theologischen Bearbeitung der Vätergeschichten zuzuschreiben haben. Ganz ähnlich ist der Sachverhalt in Gen 13. Auch hier findet sich im jetzigen Text nach der Verbindung von Landverheißung und Mehrungsverheißung (v. i5f.) noch ein weiteres Stück der Gottesrede (v. 17); hier handelt es sich allerdings noch einmal um die Landverheißung. Wenn wir jedoch von den in Gen 28 gewonnenen Einsichten her an den Text herangehen, dann zeigt sich auch hier, daß der Kontextbezug von v. 17 noch enger ist als der der übrigen Verse: das Durchziehen des Landes ist die Voraussetzung dafür, daß Abraham schließlich nach Mamre gelangt (v. 18), wohin er um des weiteren Erzählungsfortgangs willen ja kommen muß. Zudem ist das Durchziehen auch eine sehr viel unmittelbarere und konkretere Form der Inbesitznahme als das Sehen (v. 15). Und schließlich stellt v. 17 die überlieferungsgeschichtlich früheste Stufe der Landverheißung dar, in der das Stichwort »Same« noch nicht hinzugefügt worden ist: »dir werde ich es geben«. Wenn der Sachverhalt hier auch nicht ganz so klar erkennbar ist wie in Gen 28, so können wir doch auch für 13 14-17 ein ähnliches Wachstum annehmen wie für 28 13-15. Schließlich muß nun noch ein Text genannt werden, der sich in die bisher angestellten Überlegungen zur Verbindung verschiedener Verheißungsthemen nur schwer einfügen läßt: 26 2-5. Die Verheißungs-

Die Verheißungen an die Erzväter

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rede beginnt mit der Führungszusage, an die sich die Segensverheißung anschließt (v. 2. 3a). Jetzt folgt eine Landverheißung (v. 3b), und zwar in der Form, daß »dir und deinem Samen« unmittelbar zusammengezogen und nicht durch das Verbum getrennt sind, also ein mittleres Stadium der überlieferungsgeschichtlichen Entwicklung. Auffallend ist dabei, daß sich die Verheißung auf »alle diese Länder« richtet, also in pluralischer Form ausgesprochen wird, was innerhalb der Landverheißung der Vätergeschichten nur hier und in v. 4 begegnet. Ferner ist ganz ungewöhnlich, daß die Landverheißung hier auf einen »Schwur« Gottes an Abraham zurückgeführt wird, eine Formulierung, die sich sonst ganz überwiegend im deuteronomistischen Sprachgebrauch findet 5 . Es folgt eine Mehrungsverheißung (v. 4aa), nach der der »Same« wie die »Sterne des Himmels« werden soll; daran schließt sich eine nochmalige Landverheißung an (v. 4aß), wieder mit dem pluralischen Bezug auf »alle diese Länder«, aber diesmal nur als Verheißung an »deinen Samen«. Schließlich bildet die Verheißung des Segens für andere mit einer ausführlichen Begründung im Verhalten Abrahams den Abschluß (v. 4b. 5). Der Abschnitt enthält also eine Reihe von ungewöhnlichen Elementen. Auffallend ist die doppelte Landverheißung; man könnte dies so erklären, daß hier zunächst die Mehrungsverheißung als Folgerung der Landverheißung verstanden wurde, daß aber eine spätere Bearbeitung die Landverheißung nach der Mehrungsverheißung vermißte, wo sie sich in einem späteren überlieferungsgeschichtlichen Stadium sonst oft findet, und sie deshalb noch einmal folgen ließ. Dafür spräche auch, daß die Fassung in v. 4, in der nur der »Same« als Verheißungsempfänger erscheint, nach unseren Beobachtungen ein späteres überlieferungsgeschichtliches Stadium darstellt als die von v. 3, wo die Verheißung »dir und deinem Samen« gilt. Auf jeden Fall ist der Vorgang mehrstufig vorzustellen. Ferner weisen die ungewöhnlichen Formulierungen auf ein Bearbeitungsstadium hin, das mit dem der Mehrzahl der übrigen Verheißungsreden nicht identisch ist. Wir werden darauf noch zurückkommen. Schließlich noch einige Bemerkungen zu den Verbindungen, in denen die Verheißung der Führung begegnet: Auch sie verbindet sich mit verschiedenen anderen Verheißungsthemen. In einigen Fällen besteht eine deutliche Verbindung mit der Mehrungsverheißung: die Gottesrede in 26 24 enthält nur diese beiden Verheißungselemente, und in 46 3 ist die Mehrungsverheißung in die Führungszusage einbezogen: »denn zum großen Volk will ich dich dort machen«. In 26 3 folgt auf die Führungszusage zunächst die Verheißung des Segens, an die sich unmittelbar und mit einem betonten »denn« (,D) 5

Zu den Schwurformeln vgl. unten: Ziffer 2.7 (S. 76ff.).

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

die Landverheißung anschließt. Auch in 28i3-i5 ist nach unseren früheren Beobachtungen die Hinzufügung der Landverheißung (v. 13 b) zur Führungszusage (v. 15) der erste Schritt der Ausweitung der Verheißungsrede. In den Berichten Jakobs über die göttliche Führung bzw. das göttliche Mit-Sein mit Jakob ist der »Segen« in der Gestalt des Herdenreichtums die Folge dieses Mit-Seins (315.42), ebenso im Gebet 31 iof., wo vom »Gutes Tun« Gottes gegenüber Jakob die Rede ist, das in der Vermehrung des Besitzes seinen sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Wenn wir schließlich die nicht formelhaften Aussagen der Abrahamgeschichte mit einbeziehen, so folgt in 12 2 wiederum die Mehrungsverheißung auf die Führungszusage, in 1317 die Landverheißung. Auch bei der Führungszusage gibt es also verschiedene Möglichkeiten der Kombination. Allerdings zeigt sich gerade hier recht deutlich, daß die Kombination von Verheißungselementen häufig auch etwas mit der Funktion der Verheißungsreden für einen bestimmten Erzählungszusammenhang zu tun hat. Davon wird noch genauer die Rede sein müssen. Fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung über die Verbindung verschiedener Verheißungselemente zusammen, so zeigt sich, daß bei aller Vielfalt doch bestimmte Konturen erkennbar sind: Die Verheißung des Segens ist kein selbständiges Verheißungselement, wie schon Westermann gezeigt hat; in seiner Tabelle der Möglichkeiten von Verheißungs-Sätzen kommt der Segen allein nicht vor6. Die Landverheißung kann allein begegnen, vor allem in knappen formelhaften Wendungen wie in 12 7: »deinem Samen werde ich dieses Land geben«, vgl. 1518 24 7. Hier ist jeweils der Kontext ganz ausschließlich auf die Landverheißung bezogen. Es ist wohl kaum ein Zufall, daß es sich dabei gerade um diese knappen, überlieferungsgeschichtlich relativ späten Formulierungen handelt, die nur vom »Samen« als Empfänger der Verheißung reden. Ebenfalls in 15 7 ist die Landverheißung nicht mit anderen Verheißungselementen verknüpft; sie steht hier in einem von deuteronomistischer Sprache geprägten Kontext. Im übrigen zeigt sich bei der Landverheißung einerseits eine Verbindung mit der Mehrungsverheißung, bei der diese durch das Stichwort »Same« assoziiert aus ihr herauswächst; in diesen Fällen ist die Landverheißung überlieferungsgeschichtlich das ältere Element. Andererseits wird die Landverheißung umgekehrt an anders formulierte Mehrungsverheißungen zur Vervollständigung der Verheißungsthematik angefügt; in diesen Fällen ist die Mehrungsverheißung • Westermann a. a. O. (s. o. S. 30 Anm. 10) 32.

Die Funktion der Verheißungsreden für die Vätergeschichten

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überlieferungsgeschichtlich f r ü h e r als die L a n d v e r h e i ß u n g . Schließlich geht die L a n d v e r h e i ß u n g in einigen F ä l l e n eine charakteristische Verb i n d u n g m i t d e r F ü h r u n g s z u s a g e ein. D i e Mehrungsverheißung s t e h t häufiger ohne das H i n z u t r e t e n anderer Verheißungselemente. A u c h wo sie m i t der Segensverheißung v e r b u n d e n ist, wird ihr i m G r u n d e n i c h t s hinzugefügt. Bei d e r Verb i n d u n g m i t der L a n d v e r h e i ß u n g e r g a b sich einerseits die Möglichkeit, d a ß die Mehrungsverheißung a u s d e r L a n d v e r h e i ß u n g h e r a u s wächst, andererseits d a ß sie selbst d a s überlieferungsgeschichtlich f r ü h e r e E l e m e n t darstellt, dem die L a n d v e r h e i ß u n g h i n z u g e f ü g t worden ist. A u c h m i t der F ü h r u n g s z u s a g e g e h t die Mehrungsverheißung b e s t i m m t e V e r b i n d u n g e n ein.

2.4 DIE FUNKTION DER VERHEISSUNGSREDEN FÜR DIE KOMPOSITION DER VÄTERGESCHICHTEN

E s stellt sich n u n die Frage, o b ü b e r die Beziehungen der Verh e i ß u n g s t h e m e n u n d -formulierungen u n t e r e i n a n d e r h i n a u s n o c h weitere Aussagen ü b e r die F u n k t i o n der Verheißungsreden in d e n Vätergeschichten möglich sind. W i r k o m m e n d a m i t zur F r a g e n a c h dem A u f b a u u n d der K o m p o s i t i o n der Vätergeschichten u n d n a c h ihrer übergreifenden B e a r b e i t u n g . Beginnen wir m i t einer B e o b a c h t u n g a n der Isaakgeschichte. In ihr f i n d e n sich n u r zwei Gottesreden, eine a m A n f a n g (262-5), die andere gegen E n d e der S a m m l u n g v o n I s a a k ü b e r l i e f e r u n g e n (2624). Beide h a b e n keinen u n m i t t e l b a r e n Z u s a m m e n h a n g m i t d e m erzählerischen K o n t e x t , k ö n n e n also als E l e m e n t e der theologischen B e a r b e i t u n g der T e x t s a m m l u n g gelten. Beide G o t t e s r e d e n beginnen m i t d e r W e n d u n g »es erschien i h m Jahwe«. Beide e n t h a l t e n das E l e m e n t d e r F ü h r u n g s z u s a g e »ich b i n m i t dir« 1 , w e n n a u c h in sprachlich e t w a s verschiedener F o r m . Blicken wir auf d e n I n h a l t d e r b e i d e n Verheißungsreden, so stellen sich v . 2-5, wie schon a u s g e f ü h r t , als sehr komplexes, m e h r f a c h geschichtetes Gebilde dar. Deutlich ist allerdings, d a ß n e b e n d e r F ü h r u n g v o r allem die L a n d v e r h e i ß u n g b e t o n t im M i t t e l p u n k t s t e h t . D e m g e g e n ü b e r zeigt sich bei der abschließenden Gottesrede in v. 24, d a ß d o r t n e b e n der F ü h r u n g n u r die M e h r u n g s v e r h e i ß u n g s t e h t . Sie bildet hier also den b e t o n t e n E n d p u n k t der theologischen I n t e r p r e t a t i o n der Isaakgeschichte. A u c h in d e r Jakobgeschichte spielt d a s E l e m e n t der F ü h r u n g eine gewichtige Rolle 2 . E s s t e h t breit u n d gewichtig in der ersten G o t t e s 1 2

Das ,TflK in 26 3 könnte auch futurisch verstanden werden. Vgl. R. Kessler, Die Querverweise im Pentateuch (s. o. S. 31 Anm. 19) 140.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

rede an Jakob in 28 15; hier markiert es den ersten entscheidenden Einschnitt in der Lebensgeschichte Jakobs, die Flucht nach Haran. Ein zweites Mal taucht dieses Moment betont auf an dem nächsten Wendepunkt: in 313 empfängt Jakob den göttlichen Befehl, zurückzukehren in sein Vaterland3. Hier ist besonders auffallend, daß die Gottesrede (v. 3) den Erzählungszusammenhang unterbricht; in v. 4f. werden unmittelbar die Aussagen von v. 2 wieder aufgegriffen, und erst am Schluß der Rede Jakobs an seine Frauen wird ganz unvermittelt der göttliche Aufbruchsbefehl erwähnt (v. 13). Offensichtlich ist also hier die Gottesrede mit dem Thema »Führung« nicht Bestandteil der Erzählung, sondern dient der theologischen Interpretation der Jakobgeschichte im Zusammenhang. Ein weiteres Mal taucht dieses Thema ganz am Schluß der Jakobgeschichte auf: In 46 2-4 ergeht eine Gottesrede an Jakob vor seinem Aufbruch nach Ägypten, deren zentraler Inhalt die Zusage der Führung auf diesem Wege ist. So ist die Jakobgeschichte durch diese drei Führungszusagen gerahmt: Anfang, Wendepunkt und Ende seines »Weges« sind dadurch bezeichnet, jedesmal markiert durch eine göttliche Verheißungsrede. Im Blick auf den Inhalt zeigt sich, daß nach unserer Analyse in der ersten der Gottesreden die Landverheißung (28 13) im Vordergrund steht und zuerst aus der Führungsverheißung heraus entfaltet worden war. Am Schluß ist in die Führungszusage nur noch die Mehrungsverheißung eingeflochten (46 3); auch darin besteht also eine Parallele zur Isaakgeschichte. Allerdings hat die Jakobgeschichte in ihrer Rahmung durch Gottesreden einen doppelten Schluß. Vor der breit entfalteten Josephgeschichte steht jetzt noch eine ausführliche Gottesrede in 35 9-12. Genauer gesagt, sind es zwei Gottesreden: die erste enthält eine Umbenennung Jakobs und steht darin in deutlicher Parallele zur Umbenennung Abrahams in Gen 17; die zweite beginnt mit der breit entfalteten Mehrungsverheißung, der allerdings noch eine Landverheißung angefügt worden ist 4 ; auch hier bestehen deutliche sprachliche Beziehungen zu Gen 17®. Die Rahmung und damit die theologische Interpretation der Jakobgeschichte ist also offenbar nicht in einem Zuge erfolgt, sondern weist verschiedene Stadien oder Schichten auf. Wenden wir uns schließlich der Abrahamgeschichte zu! Hier ist das Thema »Führung«, wie wir schon sahen, nicht so formelhaft ausgeprägt wie bei Isaak und Jakob. Jedoch beginnt auch die Abrahamgeschichte 3

4

5

Es fällt auf, daß der Terminus n V i a in Gen 31 3 nicht auf das gleiche Land angewendet wird wie in Gen 12 l und Gen 24 4. 7. Ist r n V i a dort Ausgangspunkt der Wanderung Abrahams, so hier Ziel der Rückkehr Jakobs aus eben der n V i a Abrahams. In v. 1 2 .

vgl. z. b. T n n s i s n i V (3512) mit m n x unt 1 ? (1719).

Die Funktion der Verheißungsreden für die Vätergeschichten

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mit einer Führungserzählung, oder genauer: mit einer Gottesrede, in der das Element der Führung einen zentralen Platz einnimmt: »Gehe weg aus deinem Lande . . . in das Land, das ich dir zeigen will« (12 1). Es ist nun nach unseren bisherigen Beobachtungen gewiß kein Zufall, daß auch am Schluß der Abrahamgeschichte eine Führungserzählung steht mit der Aufforderung, auf göttliche Weisung einen bestimmten Weg zu gehen (Gen 22). Die göttliche Weisung, die durch Abrahams Gehorsam zur göttlichen Führung wird, steht am Anfang und am Schluß der Abrahamerzählung. Von den Verheißungselementen findet sich die Landverheißung ganz am Beginn, wenn auch nicht in der formelhaft geprägten Weise, wenn Abraham »in das Land, das ich dir zeigen will« (12 l) ziehen soll. Im übrigen findet sich die Landverheißung vor allem in den ersten Kapiteln der Abrahamerzählung in unterschiedlichen Ausprägungen (12 7 13 15.17 15 7.18 17 8), später dann nicht mehr. Die Mehrungsverheißung begegnet auch bereits ganz am Anfang in 12 2: »ich will dich zum großen Volk machen«, und dann weiterhin durch die ganze Abrahamerzählung: 13 16 15 5; Kap. 17 passim; 2112; ferner auf Ismael bezogen 16 10 17 20 2113.18. Wichtig für unseren Zusammenhang ist nun vor allem der Abschnitt 22 15-18. Dieser »Zusatz«, der deutlich den Rahmen der Erzählung von Isaaks Opferung überschreitet, gehört ganz offenkundig zu den Rahmungsstücken, die wir bereits in der Isaak- und der Jakobgeschichte angetroffen haben. Diese Verse bilden den betonten Abschluß der Abrahamgeschichte 6 . Wie in den anderen Sammlungen steht auch hier die Mehrungsverheißung noch einmal mit Nachdruck am Schluß; sie ist breit entfaltet als »Schwur« Jahwes — mit Formulierungen, die in dem Einleitungsstück der Isaakgeschichte wieder aufgenommen worden sind (26 2 ff.). Hier muß nun noch ein weiteres Element dieser Abschlußrede genannt werden: die Verheißung des Segens für andere (22 18). An diesem Verheißungselement wird die rahmende und interpretierende Funktion der Gottesreden noch einmal ganz deutlich erkennbar. Es steht zunächst einleitend in der Abrahamgeschichte (12 3); es wird in 18 18 im Zitat wiederholt und steht dann noch einmal am Schluß der Abrahamgeschichte (22 18). In der Isaakgeschichte und in der Jakobgeschichte begegnet es jeweils einmal, und zwar am Anfang in der ersten Gottesrede an jeden der Erzväter (26 4 28 14). Mit dieser Verheißung, daß sie Segen für die ganze Menschheit sein sollen, sind also die Überlieferungen von den drei Erzvätern zu einer großen Einheit zusammengeschlossen. 8

Die Kapitel Gen 23 und 24 bilden demnach eine Art Anhang oder Nachtrag zu der schon weitgehend als Einheit ausgestalteten Abrahamgeschichte. Zu Gen 24 vgl. auch oben S. 37, zu Gen 23 unten S. 128ff.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer «größeren Einheit« im Pentateuch

Dieser Vorgang der Zusammenfassung der drei Vätergeschichten läßt sich nun überlieferungsgeschichtlich noch etwas genauer differenzieren. Es war schon früher von den unterschiedlichen sprachlichen Ausprägungen der Verheißung des Segens für andere die Rede. Nun zeigt sich, daß sich die Niphalform am Anfang der Abrahamgeschichte (12 3) und in der Jakobgeschichte (28 14) findet, die Hitpaelform dagegen am Schluß der Abrahamgeschichte (22 is) und in der Isaakgeschichte (26 4). Dementsprechend ist in 12 3 und 28 14 von »allen Geschlechtern der Erde«, in 22 18 und 26 4 von »allen Völkern der Welt« die Rede. Aber die Gemeinsamkeiten, vor allem zwischen dem Schluß der Abrahamgeschichte und der Isaakgeschichte, gehen noch weiter: Die ganze Gottesrede an Abraham wird 22 ie mit einer feierlichen Schwurformel eingeleitet; in 26 3 wird dieser Schwur ausdrücklich wieder aufgenommen und die Verheißung als Erfüllung (»Aufrichten«) des Schwures bezeichnet. In beiden Fällen umfaßt die Verheißungsrede dann die Mehrungsverheißung — in weithin übereinstimmender Terminologie7 — und die Verheißung des Segens für andere. In beiden Fällen folgt eine Begründung, die mit einer Wendung eingeleitet wird, die man etwa mit »darum, daß« wiedergeben könnte (IVX und die im Alten Testament selten, in der Genesis nur an diesen beiden Stellen begegnet. Inhalt der Begründung ist, daß Abraham auf die Stimme Gottes gehört hat 8 ; in 26 5 ist diese Aussage noch im deuteronomistischen Stil erweitert. Der sehr enge sprachliche und inhaltliche Zusammenhang zwischen 2216-18 und 26 3-5 ist also ganz deutlich. Überlieferungsgeschichtlich betrachtet ergibt sich daraus folgendes: In einer ersten Phase wurden durch die Verheißung des Segens für andere die Abrahamgeschichte und die Jakobgeschichte miteinander verbunden: die Formulierungen in 12 3 und 28 14 sind nach unseren Beobachtungen die überlieferungsgeschichtlich älteren gegenüber denen von 22 18 und 26 4. In einer zweiten Phase wurde dann das gleiche Verheißungselement des Segens für andere dazu verwendet, auch die Isaakgeschichte mit der Abrahamgeschichte zu verbinden, wobei überlieferungsgeschichtlich jüngere Formulierungen verwendet wurden und noch eine Begründung hinzutrat, die der Sprache und dem Denken des Deuteronomiums nahesteht. Demnach ist also die Zusammenfügung der Vätergeschichten zu einer größeren Einheit in verschiedenen Etappen vor sich gegangen. Jede der Vätergeschichten hat ihre eigene Vorgeschichte. Zunächst sind dann die stärker erzählerisch ausgestalteten Sammlungen der Abrahamgeschichte und der Jakobgeschichte miteinander verbunden ' Die Rede vom »Besetzen des Tores der Feinde« in 22 17 findet sich in 26 4 allerdings nicht; dort wird die Gabe »aller dieser Länder« zugesagt. 8 Vgl. auch die Wendung »wegen Abrahams meines Knechtes« in 26 24.

Die Funktion der Verheißungsreden für die Vätergeschichten

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worden. Später wurde die Isaakgeschichte als eigene Sammlung hinzugefügt. Dabei wurden die göttlichen Verheißungsreden im Unterschied zu den beiden anderen Erzählungssammlungen nicht mehr in den erzählerischen Kontext eingefügt, sondern blieben als selbständige Redestücke für sich stehen. In diesen Redestücken wurden die verschiedenen Verheißungselemente aufgenommen, wobei besonders das Element der Führung, das in der Jakobgeschichte eine wichtige Rolle spielt, einen herausgehobenen Platz erhielt. Diese Phase der Einbeziehung der Isaakgeschichte fällt zusammen mit der abschließenden Rahmung der Abrahamgeschichte durch die Verheißungsrede am Schluß der Gruppe der Negev-Erzählungen. In der Isaakgeschichte begegnen Verheißungsreden nur in der dargestellten rahmenden Funktion. Auch in der Jakobgeschichte ist ihre Verwendung im wesentlichen in diesem Sinne zu verstehen, wenn auch teilweise eine etwas weitergehende Einbeziehung in den erzählerischen Kontext stattgefunden hat. In der Abrahamgeschichte liegen die Dinge etwas anders. Hier begegnen in größerem Umfang Verheißungsreden, die nicht nur rahmende Funktion haben; allerdings sind auch bei ihnen immer wieder charakteristische Beziehungen zu den anderen Vätergeschichten erkennbar. Dem soll noch im einzelnen weiter nachgegangen werden. Wir beginnen diesmal mit der Verheißung von Nachkommenschaft, weil dabei bestimmte Schichtungen der Überlieferung und Bearbeitung besonders deutlich erkennbar sind. Zunächst ist eine schon früher erwähnte Beobachtung wieder aufzugreifen: In erzählerischer Form begegnet zunächst die Verheißung des Sohnes. Hier fällt nun auf, daß kaum Verbindungslinien zwischen der Sohnesverheißung und der Mehrungsverheißung in ihrer ausgeführten Form vorhanden sind. In Gen 18, der Erzählung von der Verheißung der Geburt eines Sohnes an Abraham und Sara, fehlt jeder Hinweis auf eine Mehrungsverheißung im Sinne der zahlreichen Nachkommenschaft; es ist nur von dem einen Sohn die Rede. Das bedeutet also, daß im Zuge der weiteren Ausgestaltung der Nachkommenverheißung in der Form der Mehrungsverheißung die Erzählung von der Sohnesverheißung nicht mit einbezogen worden ist. Im Blick auf Isaak taucht dann in 2112 nur die kurze Bemerkung auf: »denn nach Isaak soll dein Same genannt werden«. Hier wird zwar das Stichwort »Same« verwendet; es geht dabei aber primär um die Betonung der legitimen Linie der Nachkommenschaft durch Isaak im Gegensatz zu Ismael, während von zahlreicher Nachkommenschaft auch hier nicht die Rede ist. Auch in die erzählerische Ausgestaltung der Überlieferung von der Geburt Ismaels hat die Mehrungsverheißung erst in einer späteren Phase der Bearbeitung Eingang gefunden: So ist in 16 10 in einer ganz isoliert stehenden Gottesrede von

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der Mehrung des Samens die Rede, während es in 2113.18 heißt, daß Ismael zum (großen) Volk werden soll (s. u.). Im ganzen bleiben also Sohnesverheißung und Mehrungsverheißung deutlich getrennt. Etwas anders liegen die Dinge in 151-6. Auch dieser Text beginnt zunächst mit der Sohnesverheißung als Antwort auf die zweifelnden Fragen Abrahams (v. 2-4). Er schreitet dann aber zu einer Aussage über die große Menge der Nachkommenschaft fort und verwendet dafür das Bild von den Sternen. Hier ist also die Sohnesverheißung zur Mehrungsverheißung weiterentwickelt, so daß darin die Intention der jetzt vorliegen Erzählung 15 1-6 gesehen werden muß. Das Bild von den Sternen findet sich dann in der Abrahamgeschichte nur noch in dem abschließenden Abschnitt 22 isff. (v. 17), im übrigen in der Isaakgeschichte in 26 4. Eine weitere Ausprägung der Mehrungsverheißung zeigt sich in 1316. Dort ist im Rahmen der Ausweitung der Landverheißung zur Mehrungsverheißung die Vermehrung des »Samens« wie Staub der Erde verheißen; diese Formulierung findet sich in der übrigen Abrahamgeschichte nicht mehr, wohl aber in der Jakobgeschichte in dem überlieferungsgeschichtlich parallelen Text in 28 u®. Schließlich begegnet häufiger die Aussage, daß die Nachkommenschaft zum Volk, zum großen Volk oder zu Völkern werden soll, wobei das Wort »Same« fehlt10. Hier zeigen sich wieder deutlich verschiedene Gruppierungen. Zunächst begegnet die singularische Aussage vom großen Volk in 12 2 und (erweitert) in 18 18. Hier ist nach dem Zusammenhang der Abrahamgeschichte zweifellos an Isaak gedacht. Aber auch von Ismael wird wiederholt gesagt, daß er zum (großen) Volk werden soll, so in 2113.18 und in einem ganz anders gearteten Kontext in 17 20. Bemerkenswert ist, daß diese singularische Formulierung sich außerdem noch am Schluß der Jakobgeschichte in 46 3 findet. Daneben steht eine Gruppe von Texten, in denen die Mehrung zu »Völkern« verheißen wird. Diese Aussage wird sehr betont gemacht im Rahmen der Namensänderung von »Abram« in »Abraham«, wobei letzteres in einem Wortspiel als »Vater einer Menge (von Völkern)« erklärt wird (17 4.5); es erscheint denkbar, daß die pluralische Verwendung des Wortes »Volk« in diesem Wortspiel ihren Ursprung hat. Sie taucht außerhalb des Wortspiels noch zweimal in Gen 17 auf (v. e. 16) und außerdem in dem Rahmungsstück der Jakobgeschichte 35 9ff., wo es in einer Häufung der Begriffe »ein Volk und eine Versammlung von Völkern« heißt (v. 11) 1 1 . 9 10 11

Siehe oben S. 64. Siehe oben S. 46 ff. 52 f. Gen 17 16: Neben D,Ul noch Q^SS; so außerhalb der Gottesrede in der Form Vnp a , » S in 28 3 48 4.

Die Funktion der Verheißungsreden für die Vätergeschichten

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So zeigt sich bei der Mehrungsverheißung, daß sie keineswegs in einem Zuge der Bearbeitung in der Abrahamgeschichte entfaltet worden ist, sondern daß dies in verschiedenen Stadien vor sich gegangen ist, die teilweise kaum miteinander in Verbindung stehen. Wir werden hier also mit einem allmählichen Wachsen der Überlieferung zu rechnen haben. Ähnlich ist der Sachverhalt bei der Landverheißung. Wir müssen wieder mit dem Text einsetzen, bei dem die Verheißung am unmittelbarsten Bestandteil des Kontextes ist, in diesem Falle 15 7ff. Dabei muß zunächst die Beobachtung festgehalten werden, daß die Formulierung dieses Verses in einer ganz offenkundigen Parallele zu 1131 steht: nsiK mV? c-raD -nsa an« 12K2n p K n - n s Y7 ^ m w tinö -prumn -wx nrnn1? xisrn 11 31: 15 7:

1131 15 7

»er (Terach) führte sie heraus aus Ur-Kasdim, um in das Land Kanaan zu gehen« »der ich dich herausgeführt habe aus Ur-Kasdim, um dir dieses Land zu geben, es in Besitz zu nehmen«.

Hier ist also die Landgabe mit dem Weg in das Land eng verknüpft. In diesen Zusammenhang fügt sich auch 12 1 gut ein, wo Abraham aufgefordert wird, in das Land zu ziehen, das Jahwe ihm zeigen will. Anders ist der Akzent der Landverheißung in 13 14-17. Hier geht es um die Zusage des Landbesitzes nach der Trennung von Lot; es ist die eigentliche Ankündigung der Inbesitznahme des Landes, in dem Abraham sich bereits befindet. Wieder muß auf die Parallelität dieses Textes zu 28 13-15 verwiesen werden, wo eine entsprechende Zusage an Jakob ergeht13. In einer Reihe weiterer Texte ist die Landverheißung gleichsam die Folgerung aus der Mehrungsverheißung, indem dem »Samen« auch der Besitz des Landes zugesagt wird. Wir haben auf diese Verbindung von Mehrungsverheißung und Landverheißung schon hingewiesen. Es handelt sich dabei um 17 s und außerhalb der Abrahamgeschichte um 28 4 35 12 48 4; vgl. auch 26 3. Hier ist die Landverheißung selbst nicht das eigentliche Thema. Wir können also mit einem überlieferungsgeschichtlichen Stadium rechnen, in dem an einer Reihe von Stellen, deren eigentliches Interesse die Mehrungsverheißung ist, die Landverheißung hinzugefügt wurde. Schließlich findet sich die Landverheißung in knappen formelhaften Sätzen ohne Verbindung mit anderen Verheißungselementen; 12 ls

So mit Sam. u. L X X ; vgl. BHS. Vgl. bei Anm. 9 und oben S. 54.

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sie sind dadurch charakterisiert, daß in ihnen die Verheißung nur an den »Samen« ergeht. So wird die kultische Inbesitznahme Sichems durch Abraham mit diesem knappen »deinem Samen will ich dieses Land geben« unterstrichen (12 7). Die gleiche Formel bestätigt abschließend den vollzogenen Bundesschluß in 15 18; sie weicht in ihrer Formulierung auffallend von 15 7 ab und gehört zweifellos einem ganz anderen überlieferungsgeschichtlichen Stadium an. Hierher gehört auch das Zitat einer Gottesrede in 24 7 mit dem gleichen Wortlaut ; dabei ist bemerkenswert, daß für den Verfasser von Gen 24 offenbar die Landverheißung im Mittelpunkt steht, so daß er in ihr die entscheidende Zusage Jahwes sieht, auf die er den Knecht Abrahams sich berufen läßt. Von hier aus könnte man auch sagen, daß die Landverheißung in 12 7 eine ähnlich herausgehobene Stellung innehat. Aber es muß noch einmal daran erinnert werden, daß es sich dabei um ein spätes überlieferungsgeschichtliches Stadium handelt. Abschließend noch einige Bemerkungen zur Verheißung des Segens: Wir hatten festgestellt, daß sie stets in Verbindung mit anderen Verheißungselementen begegnet. Gleichwohl ist nicht ohne Bedeutung, wo sie vorkommt. In der Abrahamgeschichte begegnet sie gewiß nicht zufällig am Anfang (12 2) und am Schluß (22 17) — übrigens genauso in der Isaakgeschichte (26 3. 24), während in der Jakobgeschichte vor und nach der Reise nach Haran (28 3 35 9) und ganz am Schluß (48 3) vom Segen die Rede ist. Im übrigen findet sie sich in der Abrahamgeschichte noch zweimal im Zusammenhang mit der Mehrungsverheißung, und zwar parallel für Sara (1716) und Ismael (17 20). Auch hier läßt sich also deutlich eine bewußte Absicht in der Einsetzung dieses Verheißungselements erkennen. Fassen wir zusammen: Es hat sich gezeigt, daß die Verheißungsreden einerseits eine vielfältige und vielschichtige überlieferungsgeschichtliche Entwicklung durchlaufen haben, daß sie andererseits aber sehr bewußt und planmäßig zur Bearbeitung und theologischen Interpretation der Vätergeschichten eingesetzt worden sind. Auch diese Bearbeitung ist keineswegs in einem Zuge erfolgt, sondern es lassen sich verschiedene Stadien und Schichten erkennen. Gleichwohl sind die bewußte Absicht und der planende Wille, die dabei leitend gewesen sind, in vielen Fällen deutlich zu erkennen. Besonders wichtig erscheint die Beobachtung, daß die Verheißungsreden zur Rahmung der einzelnen Vätergeschichten und zu ihrer Verbindung untereinander verwendet worden sind. Dabei treten einige Verheißungselemente besonders hervor. In der Isaakgeschichte steht in den beiden Gottesreden, die ihren Rahmen bilden, das Element der Führung betont am Anfang (26 2f. 24). Es durchzieht und prägt auch die ganze Jakobgeschichte; hier sind außer den Gottesreden (28 15 31 3 46 3f.) auch noch weitere Stellen zu nennen, an denen die

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göttliche Führung als bestimmendes Element der Jakobgeschichte erscheint (28 20 31 5. 42 32 iof.). Auch die Abrahamgeschichte wird davon bestimmt; vor allem steht hier am Anfang (12 iff.) und am Schluß (Gen 22) jeweils eine ausgeprägte Führungserzählung 14 . Als zweites Verheißungselement, das alle drei Vätergeschichten verbindet, stellt sich der Segen für andere dar. In der Abrahamgeschichte steht die Verheißung, daß durch Abraham der ganzen Menschheit Segen zuteil werden soll, am Anfang (12 3) und am Schluß (22 18), in der Isaakgeschichte und Jakobgeschichte jeweils am Anfang (26 4 28 14). An den beiden letztgenannten Stellen besteht eine enge Verbindung zwischen der Führung und dem Segen für andere. Offenbar waren dies die beiden Elemente, die sich als die Vätergeschichten umfassend prägend herausgestellt hatten, allerdings in vielfältiger Verbindung mit den anderen Verheißungsthemen: Land, Nachkommenschaft und Segen. Es kann also kein Zweifel daran bestehen, daß die Vätergeschichten eine selbständige größere Einheit darstellen, die im Laufe ihrer Überlieferungsgeschichte in verschiedenen Stadien bearbeitet und mit theologischen Interpretationen versehen worden ist; das beherrschende Mittel der Bearbeitung und Interpretation sind dabei die göttlichen Verheißungsreden. Es ist auch erkennbar, daß diese Bearbeitung in den einzelnen Teilsammlungen der Vätergeschichten in unterschiedlicher Weise wirksam gewesen ist: In der Abrahamgeschichte ist sie am tiefsten in die Erzählungen selbst eingedrungen, in der Jakobgeschichte erweist sie sich als Element der Komposition, während sie in der Isaakgeschichte nur in zwei Gottesreden ohne Bezug zum Kontext in Erscheinung tritt. Vor allem zeigt sich dann aber, daß die Bearbeitung diese drei Teilsammlungen zu einer Gesamtkomposition zusammengefügt hat, und zwar wiederum mit dem Mittel der Verheißungsrede; am deutlichsten kommt dies in der an alle drei Erzväter ergehenden Verheißung zum Ausdruck, daß sie ein Segen für die ganze Menschheit sein sollen: Gen 12 3 22 18 (Abraham); 26 4 (Isaak); 28 14 (Jakob). Damit wird zugleich erkennbar, daß diese Verheißung, die wie ein Motto am Anfang der Abrahamgeschichte steht, für die Vätergeschichten insgesamt gilt. 2.5 DAS FEHLEN DER FESTGESTELLTEN BEARBEITUNG IM BUCH EXODUS

Es hat sich gezeigt, daß die Vätergeschichten eine in sich geschlossene größere Einheit darstellen, die in ihren einzelnen Teilen 14

Wobei der Terminus »Erzählung« für Gen 12 iff. nicht ganz zutrifft. Vgl. dazu oben S. 35, bei Anm. 3. Rendtorff, Pentateuch

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und als Ganzes intensive Bearbeitung und theologische Interpretation erfahren hat. Es stellt sich nun die Frage, ob sich eine von den gleichen Intentionen bestimmte und die gleichen Mittel anwendende Bearbeitung auch im übrigen Pentateuch nachweisen läßt. Es legt sich nahe, diese Frage zunächst an die Fortsetzung der Vätergeschichten im Buch Exodus zu richten. Dabei ergibt sich als erstes eine negative Feststellung: Die Verheißungsreden als bestimmendes und prägendes Element finden sich in den Überlieferungen des Buches Exodus nicht. Die direkte Gottesrede wird viel seltener verwendet als in den Vätergeschichten; vor allem begegnen aber die Inhalte der Verheißungsreden der Genesis hier kaum und stehen keineswegs im Mittelpunkt. Das zeigt sich sofort an den Stellen, an denen Themen vorkommen, die in den Vätergeschichten zum Inhalt der Verheißungsreden gehören. Gleich in den ersten Versen des Buches Exodus wird die starke Vermehrung der Israeliten erwähnt (I7), aber es wird dabei mit keinem Wort 1 auf die immer wiederholte Mehrungsverheißung an die Väter Bezug genommen 2 ; offenbar ist dieser Zusammenhang dem Verfasser nicht bewußt. Noch auffallender ist dieser Sachverhalt bei der ersten Erwähnung des Landes, in das die Israeliten nach der angekündigten Rettung aus der ägyptischen Knechtschaft ziehen sollen. Es heißt dort: »Ich will euch führen in ein gutes und weites Land, in ein Land, das von Milch und Honig überfließt, an die Stätte der Kanaanäer, der Hethiter, der Amoriter, der Peresiter, der Hewiter und der Jebusiter« (3 s). Das Land wird hier als unbekanntes Land eingeführt, zudem als ein Land, das die Wohnstätte fremder Völker ist; mit keinem Wort wird erwähnt, daß die Väter schon lange in diesem Land gelebt haben und daß Gott es ihnen als ständigen Besitz für sie und ihre Nachkommen verheißen hat 3 . Nach der Terminologie der Landverheißung in der Genesis wären die hier Angeredeten der »Same«, dem die Verheißung gilt. Aber sie werden nicht als solcher angesprochen. Das Fehlen dieser Verbindung wird noch deutlicher sichtbar in der Gegenüberstellung zu einigen Stellen in der Vätergeschichte, in denen diese Verbindung von Landverheißung an die Väter und Herausführung aus Ägypten ausdrücklich hergestellt wird. In Gen 50 24 1

2

3

In dem hinsichtlich der Mehrung der Israeliten in Ägypten sehr redundant formulierten Vers Ex 1 7 begegnen nur zwei wenig spezifische Termini, die auch schon in den Mehrungszusagen im Buche Genesis vorkamen: die Verben m S und ¡13"), vgl. dazu oben: Ziffer 2.32 (S. 45ff.). Vgl. auch C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis (s. o. S. 30 Anm. 10), 27. Vgl. auch G. Fohrer in : Sellin-Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 136.

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sagt Joseph vor seinem Tode zu seinen Brüdern: »Gott wird sich euch zuwenden und wird euch aus diesem Lande (d. h. Ägypten) herausführen in das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat.« Man würde in Ex 3 eine Wiederaufnahme dieser Verheißung erwarten; sie fehlt aber, und stattdessen wird das Land völlig neu eingeführt. In Gen 1513-16 findet sich eine geschichtstheologische Reflexion darüber, daß die Israeliten zunächst noch eine Zeit der Knechtschaft in einem fremden Lande durchmachen müssen, bevor sie zu einem von Gott bestimmten Zeitpunkt in das ihnen zugesagte Land zurückkehren werden. Dieser Text steht zwar auch innerhalb der Vätergeschichten recht isoliert da, zeigt jedoch, welche Art von Überlegungen über das Verhältnis der Landverheißung an die Väter und der Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten angestellt werden konnte; um so auffallender ist das Schweigen über diese Zusammenhänge in Ex 3. Allerdings fehlen Hinweise auf die Vätergeschichte nicht völlig. In Ex 2 23-25 findet sich ein Überleitungsstück zwischen der Jugendgeschichte des Mose und den folgenden Überlieferungen über seine Berufung und die Herausführung aus Ägypten. Dort heißt es: »da gedachte Gott des Bundes mit Abraham, mit Isaak und mit Jakob« (v. 24). Hier wird also auf die Vätergeschichten zurückgegriffen, aber nicht durch Aufnahme eines der Verheißungselemente, sondern durch Erwähnung des »Bundes«, den Gott mit den Vätern geschlossen hatte. Von diesem »Bund« ist in den Vätergeschichten nur in Gen 15 und 17 die Rede. Im ersteren Fall wird als Inhalt der göttlichen Bundesverpflichtung die Landverheißung genannt (15 18); im zweiten Fall ist das Thema »Bund« breit entfaltet, wobei die ganze Skala der Verheißungsthemen anklingt, dazu noch die Zusage »Gott zu sein für dich und für deinen Samen nach dir« (17 7). In Ex 2 24 wird über den Inhalt der Bundesverpflichtung nichts gesagt; vielleicht darf man daraus schließen, daß der Verfasser eher eine allgemeine Aussage, etwa im Sinne von Gen 17 7, im Auge hatte als eine konkrete Verheißung. In Ex 6 2-9 findet sich eine breit angelegte Gottesrede ohne unmittelbaren Zusammenhang mit dem erzählerischen Kontext, in der ebenfalls auf die Väterverheißungen zurückgegriffen wird. Auch hier findet sich das Wort »Bund«, nun aber mit ausdrücklicher Beziehung auf die Landverheißung. Die Formulierung entspricht der von Gen 17 8: das Land wird als »Land Kanaan« bezeichnet und als »Land der Fremdlingschaft« 4 (Ex 64); am Ende der Gottesrede wird noch 4

Zur vorläufig ungelösten Problematik der Verständnisses von f l X und der Übersetzung dieses Terminus vgl. G. Ch. Macholz, Israel und das Land. Vorarbeiten zu einem Vergleich zwischen Priesterschrift und deuteronomistischem Geschichtswerk, Habil.schrift Heidelberg 1969, Anm. 141a. 5»

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einmal ausdrücklich gesagt, daß Gott die Israeliten in das Land bringen wird, das er Abraham, Isaak und Jakob feierlich zu geben versprochen hat (v. 8). Im übrigen wird auch die Zusage des GottSeins aus 17 7 in etwas abgewandelter Formulierung aufgenommen (v. 7). Der Rückbezug auf die Vätergeschichten ist deutlich. Allerdings steht er außerhalb des erzählerischen Kontextes in einer selbständigen Gottesrede; und zudem handelt es sich um eine Wiederaufnahme solcher Formulierungen, die innerhalb der Vätergeschichten überlieferungsgeschichtlich zu den jüngsten gehören. Das bedeutet also, daß diese Verbindung erst in einem relativ späten überlieferungsgeschichtlichen Stadium hergestellt worden ist. Noch an einigen weiteren Stellen finden sich, wenn auch recht vereinzelt, Hinweise auf die Väterverheißungen, und zwar vor allem auf die Landverheißung. Ex 13 enthält kultgesetzliche Bestimmungen über das Essen von Mazzoth und das Darbringen der Erstgeburt. In beiden Fällen sind die Bestimmungen bezogen auf die Zeit, nachdem Jahwe die Israeliten in das Land gebracht haben wird; von dem Land heißt es jeweils, mit gewissen Unterschieden in der Formulierung, daß Jahwe den Vätern geschworen habe, es den Israeliten zu geben (v. 5.11). Hier begegnet die Rede vom Schwören, die sich in den Vätergeschichten in Gen 22 ie und 26 3 findet 5 ; allerdings ist sie dort nicht auf die Landverheißung, sondern auf die Mehrungsverheißung bezogen, während sie in Verbindung mit der Landverheißung nur zweimal außerhalb der Gottesrede begegnet (Gen 24 7 50 24)6. Es zeigt sich also auch hier ein Rückbezug auf eine relativ späte und keineswegs zentrale Schicht der Überlieferung in den Vätergeschichten. In dem Gebet des Mose nach der Versündigung des Volkes durch die Anfertigung des goldenen Stierbildes wird breit ausladend auf die Väterverheißungen Bezug genommen: »Gedenke an Abraham, an Isaak und an Israel, deine Knechte, denen du bei dir geschworen und zu denen du geredet hat: ich werde euren Samen mehren wie die Sterne des Himmels, und dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, werde ich eurem Samen geben, und sie werden es für immer in Besitz nehmen« (32 13). Hier ist der Anklang an Gen 22 ief. deutlich in dem Schwören Jahwes bei sich selbst und in der Mehrungsverheißung mit dem Bild von den Sternen; hinzugefügt ist die Landverheißung, die in Gen 22 fehlt. In Ex 33 1 heißt es in der Jahwerede an Mose: »Auf, ziehe von hier weg, du und das Volk, das du aus dem Land Ägypten herausgeführt hast, in das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: deinem Samen werde ich es geben.« Die Rede entspricht fast wörtlich der des Joseph in Gen 50 24, das Zitat der Gottesrede dem in Gen 24 7. Es handelt sich dabei also um die 6 8

Zur Verbindung mit der Tradition von E x 3 8 vgl. unten S. 77. Vgl. dazu ausführlicher unten: Ziffer 2.7, bes. S. 75ff.

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beiden Stellen, an denen in den Vätergeschichten das Schwören Gottes mit der Landverheißung verbunden ist. So lassen sich durch die verschiedenen Abschnitte des Buches Exodus hindurch immer wieder vereinzelte Rückbezüge auf die Vätergeschichten erkennen. Es hat offenbar eine Bearbeitungsschicht gegeben, die beide Überlieferungskomplexe miteinander verbunden hat. Aber die Bearbeitung ist bei beiden nicht in die erzählerische Substanz eingedrungen, sondern erweist sich als eine überlieferungsgeschichtlich relativ späte Schicht. Allerdings zeigt sich daneben nun noch eine andere Gruppe von ausdrücklichen Rückbezügen auf die Vätergeschichten, in denen der »Gott der Väter« genannt wird. Sie treten gehäuft auf in Ex 3f. Schon bei der ersten Anrede Jahwes an Mose heißt es: »Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs« (3 e). Es geht dann im weiteren um die Frage der Legitimation Moses, wenn er zu den Israeliten sagt: »der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt« (v. 13). Er soll auf die Frage nach dem Namen dieses Gottes antworten: »Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt« (v. 15); und er soll das Überbringen der Botschaft Jahwes an die Israeliten einleiten mit den Worten: »Jahwe, der Gott eurer Väter, ist mir erschienen, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs« (v. ie). Und schließlich heißt es noch einmal im Zusammenhang mit der Legitimation Moses durch Zeichen: »damit sie glauben, daß dir Jahwe, der Gott ihrer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, erschienen ist« (4 s). Darum also geht es hier: um die Legitimation Moses und um den Nachweis, daß der Gott, der ihm erschienen ist und ihn zu den Israeliten gesandt hat, um sie aus Ägypten herauszuführen, Jahwe und zugleich kein anderer als der Gott der Väter Abraham, Isaak und Jakob ist. Die Identität Jahwes mit dem Gott der Väter ist hier die zentrale Frage. Damit ergibt sich ein ganz neuer Bezug zwischen der Moseüberlieferung und der Väterüberlieferung. Beide werden hier auf eine neue Weise und mit einer neuen Fragestellung zueinander in Beziehung gesetzt. Von den Vätern wird jetzt nicht als von den Verheißungsempfängern geredet, und die Inhalte der Verheißungen werden nicht erwähnt. Stattdessen steht die Frage nach dem Gott der Väter im Mittelpunkt, genauer: die Frage nach der Identität des dem Mose erschienenen Gottes mit dem Gott der Väter. Es geht hier also durchaus um Kontinuität; aber es ist nicht eine Kontinuität der Verheißungsinhalte, wie sie von den Vätergeschichten her zu erwarten wäre, sondern eine Kontinuität der Gottesoffenbarung. Diese letztere Frage spielt in den Vätergeschichten keine ausdrückliche Rolle. Die Selbstvorstellung Gottes als des Gottes des

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

Vaters bzw. der Väter begegnet einmal im Zusammenhang mit der Landverheißung an Jakob (Gen 28 13)7 und zweimal im Zusammenhang mit der Formel »Fürchte dich nicht!« und einer Führungszusage (2624 an Isaak; 46 3 an Jakob); ferner ist in der Jakobgeschichte noch außerhalb der Gottesrede vom Gott der Väter die Rede, und zwar ebenfalls fast durchweg im Zusammenhang mit Aussagen über die Führung Jakobs durch Jahwe (315. 29.42 3210) 8 . Diese Belege zeigen, daß diese Gottesbezeichnung nur in einem verhältnismäßig schmalen Ausschnitt der Väterüberlieferungen begegnet und daß sie dort nirgends dazu dient, die Kontinuität der Gottesoffenbarung zum Ausdruck zu bringen. In Ex 3f. hat also die Rede vom Gott der Väter eine neue Funktion bekommen, die sie in den Vätergeschichten nicht hatte. Dieser Rückverweis auf die Vätergeschichten ist demnach nicht aus diesen selbst erwachsen und greift nicht eine dort bereits vorhandene Thematik auf, sondern er blickt mit einer veränderten Fragestellung auf die Vätergeschichten zurück9. Die Feststellung, daß hier andere Fragen bestimmend sind als in den Vätergeschichten, ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich in Ex 3f. um einen zentralen und theologisch gewichtigen Text am Anfang der Moseüberlieferung handelt, in dem man grundlegende Hinweise auf das Gesamtverständnis erwarten kann, unter dem der Verfasser oder Bearbeiter diese verstanden wissen will. Sie verbindet sich mit der Beobachtung, daß bei der Mitteilung über die Vermehrung des Volkes (Ex 17) und bei der ersten Erwähnung des Landes, in das Jahwe die Israeliten führen will (3 8), jeglicher Hinweis auf die entsprechenden Verheißungsthemen in den Vätergeschichten fehlt 10 . Deshalb ist der Schluß unabweisbar, daß die Moseüberlieferung unter ganz anderen Gesichtspunkten und Intentionen bearbeitet und interpretiert worden ist als die Vätergeschichten. Beide haben offenbar in dem Stadium ihrer jeweiligen grundlegenden Formung und Bearbeitung nicht zusammengehört. 2.6 DIE »GRÖSSEREN EINHEITEN« IN DEN BÜCHERN EXODUS BIS NUMERI

Es würde den Rahmen dieser Studie sprengen, wollten wir jetzt auch für die Moseüberlieferung den Nachweis ihrer durchgängigen 7

8

9 10

Nur hier begegnet in der Selbstvorstellung an einen der Erzväter der Gottesname »Jahwe«; dementsprechend sagt Jakob in Gen 3210 hierauf bezugnehmend: . . . *1ÖX«1 m n \ In 46 3 stellt sich der Gott des Vaters (Jakobs) als VXil vor. Außerdem noch in 31 58, wo der Gott Abrahams und der Gott Nahors von Laban als Garanten eines Grenzvertrages angerufen werden. Vgl. noch Ex 15 2 18 i. Siehe oben S. 66 f.

Die »größeren Einheiten« in den Büchern Exodus bis Numeri

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interpretierenden Bearbeitung führen. Dazu müßten auch erst noch die methodischen Kriterien erarbeitet werden, wie wir es für die Vätergeschichten zu tun versucht haben. Diese Kriterien müßten ganz andere sein als bei den Vätergeschichten, da sich ja, wie wir gesehen haben, das für diese grundlegende Element der göttlichen Verheißungsreden in der Moseüberlieferung nicht findet. Auch sonst sind die Voraussetzungen wesentlich andere. Von Rad hat kürzlich 1 darauf hingewiesen, daß sich Sagen im eigentlichen Sinne in der Moseüberlieferung kaum feststellen lassen, sondern daß wir es allenfalls mit »Sagenmotiven«2 zu tun haben. Dem entspricht das weitgehende Fehlen »gewachsener Erzählungseinheiten«3. Im Gegensatz dazu fällt »der straffe innere Zusammenhang des in Ex 1—14 Erzählten«4 auf 6 . Zur Komposition der Moseerzählungen seien jetzt nur einige Bemerkungen gemacht: Es zeigt sich deutlich, daß Ex 1—4 als relativ geschlossene Einheit komponiert worden sind. Dabei bezeichnen die Verse 2 23-25 die entscheidende Wende: Gott hört das Klagen der unterdrückten Israeliten und wendet sich ihnen zu. Der Abschluß in 4 31 hat deutlich mehrfache Funktionen: Zunächst bringt er die Frage, ob die Israeliten Mose »glauben« werden (pötwi: 41. 5. 8. 9), zum Abschluß: »das Volk glaubte«. Sodann greift er die Aussage, daß Gott die Israeliten und ihre Not »sah« (2 25), wieder auf: Jetzt erfahren sie es selbst. Sie verneigen sich anbetend; dieser Zug kehrt später wieder, als den Israeliten ihre endgültige Rettung durch die Tötung der Erstgeburt und ihre eigene Bewahrung angekündigt wird (12 27 b). Und schließlich wird die Aussage vom »Glauben« der Israeliten in 14 31 abschließend aufgenommen: Jetzt geschieht das Glauben nicht mehr nur auf Grund der Ankündigung der Rettung durch Mose, sondern weil die Israeliten »sehen«, was Jahwe getan hat. So ist also hier ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Komposition von Ex 1—4 und der Gesamtkomposition von Ex 1—14 erkennbar 6 . — Diesen Fragen müßte aber weiter nachgegangen werden. Daß die Sinaiferikope eine selbständige größere Einheit bildet, bedarf keines besonderen Nachweises. Ausdrückliche Rückverweise auf die vorhergehenden Überlieferungskomplexe finden sich nur vereinzelt7. So heißt es in der einleitenden Gottesrede: »Ihr habt gesehen, 1

G. von Rad, Beobachtungen an der Moseerzählung Exodus 1—14, EvTh 31 (1971), 579—588 = Gesammelte Studien zum Alten Testament 2, 1973, 189—198. 2 3 A. a. O. 582 = 192. A. a. O. 582f. = 192f. 4 A. a. O. 583 = 193. 5 Vgl. auch S. Herrmann, Mose, EvTh 28 (1968), 301—328, der ebenfalls im Blick auf E x l f f . von einer »strafferen Gestaltung der Vorgänge« (a. a. O. 326) spricht. • Vgl. dazu auch G. von Rad a. a. O. (s. o. Anm. 1) 588 = 198. 7 Unberücksichtigt bleiben hier die Rückverweise, die innerhalb des gesetzlichen Materials und der unbestreitbar priesterlichen Schicht der Sinaiperikope auftauchen.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

was ich an Ägypten getan habe und daß ich euch auf Adlersflügeln getragen und zu mir gebracht habe« (Ex 19 4). Hier wird also nur sehr allgemein auf das Auszugsgeschehen Bezug genommen. Konkreter sind die Bezüge in E x 32. Die Israeliten sagen: »dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land Ägypten herausgeführt hat« (32 l. 23); Jahwe sagt zu Mose: »dein Volk, das du aus dem Land Ägypten herausgeführt hast« (v. 7), und Mose gebraucht die gleiche Formulierung gegenüber Jahwe (v. 11)8; vom goldenen Stierbild heißt es: »Dies sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten herausgeführt haben« (v. i. s). Hier handelt es sich also durchweg um fest geprägte, formelhaft klingende Sätze, die jeweils als Relativsätze mit "HPK zur näheren Bestimmung angefügt sind. Nur in v. 12 wird dieser Rückverweis auf die Herausführung aus Ägypten auch als Argument verwendet: »Warum sollen die Ägypter sagen: In böser Absicht hat er sie herausgeführt, um sie auf den Bergen zu töten und sie von der Erdoberfläche zu vernichten?« Hier schließt dann auch der breit angelegte Rückverweis auf die Verheißungen an die Erzväter an (v. 13)9. Interessant ist schließlich noch der Sachverhalt in E x 331-3. Jahwe fordert Mose zum Aufbruch auf mit den Worten: »Auf, zieh von hier weg, du und das Volk, das du aus dem Land Ägypten herausgeführt hast«10. An diesen Rückverweis auf den Auszug aus Ägypten schließt sich unmittelbar der Bezug auf die Väterverheißungen an: »in das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: deinem Samen werde ich es geben.«11 Dann wird aber weiter von dem Land, in das Mose die Israeliten führen soll, geredet in der Weise, die wir aus dem Beginn der Moseerzählungen kennen und bei der gerade der fehlende Zusammenhang mit den Vätergeschichten auffiel: Das Land wird bezeichnet als »das Land, das von Milch und Honig überfließt« (v. 3), und Jahwe kündigt die Vertreibung der dort wohnenden Völker an, die fast gleichlautend mit E x 3 s aufgezählt werden12. Der Abschnitt ist also durch eine auffallende Traditionsmischung gekennzeichnet. Im ganzen wird man sagen müssen, daß der Bezug auf die Auszugsüberlieferung in der Sinaiperikope nur vereinzelt auftaucht und daß er in den zentralen Stücken dieser größeren Einheit keine Rolle spielt; das gleiche gilt für die Rückverweise auf die Vätergeschichten. 8

9 10 11 12

Hier und in v. 12 ist als Verbum NU"1 (hi) statt ¡iVS? (hi) benutzt. Zum Problem des Unterschiedes dieser beiden Verben in der »Herausführungsformel« vgl. jetzt: W. Groß, Die Herausführungsformel — Zum Verhältnis von Formel und Syntax, ZAW 86 (1974), 425—453. Siehe oben S. 68. Vgl. E x 32 7. Siehe oben S. 68. V. 2; nur die Reihenfolge »Amoriter, Hethiter« ist eine Umstellung gegenüber E x 3 8.

Die »größeren Einheiten« in den Büchern Exodus bis Numeri

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In den Erzählungen vom Aufenthalt Israels in der Wüste wird die Herausführung aus Ägypten häufig im Zusammenhang mit dem »Murren« des Volkes erwähnt. Sie hat hier vor allem die Funktion, den Gegensatz zwischen der jetzigen gefahrvollen Situation in der Wüste und der im Vergleich dazu viel besseren Lage in Ägypten herauszustellen und daraus Vorwürfe gegen Mose (und Aaron) herzuleiten (Ex 16 3 [vgl. v. 6. 32] 17 3 Num I i s . 18.20 14 2-4 16 13 204f. 21 513). Hier handelt es sich offenkundig um mehr als um gelegentliche und nachträgliche Rückverweise. Es entsteht vielmehr der Eindruck, daß die Überlieferung vom »Murren« der Israeliten von Anfang an dieses Element enthalten hat. Das bedeutet nun allerdings keineswegs, daß die beiden Überlieferungskomplexe in einer ursprünglichen Beziehung zueinander stehen müßten; denn außer dem bloßen Rückverweis auf die bessere Situation in Ägypten enthalten diese Texte keine weiteren inhaltlichen Beziehungen zu den Überlieferungen von der Herausführung aus Ägypten. Man wird deshalb nur sagen können, daß das Wissen von der Tatsache der Herausführung aus dem fruchtbaren Land Ägypten zu den Voraussetzungen für die Entstehung dieses Überlieferungselementes vom »Murren« der Israeliten gehört, daß also in diesem begrenzten Sinne eine überlieferungsgeschichtliche Abhängigkeit besteht. Dabei hat sich aber zugleich eine wesentliche Akzentverschiebung ergeben. Der Hinweis auf die Herausführung aus Ägypten dient hier nur als Kontrast zu der jetzigen Situation, während ihre eigentliche Bedeutung als geschichtliche Heilstat Jahwes an Israel kaum erwähnt wird. Und es ist auffallend, daß der Komplex der Erzählungen vom Aufenthalt Israels in der Wüste auch keine übergreifende Bearbeitung erkennen läßt, die ihn positiv mit den Erzählungen von der Herausführung verbindet; daß die Herausführung eine Heilstat Jahwes an Israel war, ist aus diesen Texten kaum zu entnehmen 14 . Nur an zwei Stellen finden sich in diesem Überlieferungskomplex Hinweise auf die Vätergeschichten. In beiden Fällen wird auf den »Schwur« Jahwes an die Väter zurückverwiesen, daß er ihnen das Land geben wolle: Num 1112 14 23. Im ersten Fall steht dieser Hinweis scheinbar unvermittelt innerhalb einer Rede Moses an Jahwe. Im zweiten Fall zeigt sich eine Verbindung der Traditionen: Unmittelbar vorher werden in der Jahwerede die »Zeichen« genannt, die Jahwe in Ägypten und in der Wüste (!) getan hat (Num 14 22). Aber gerade diese seltene Erwähnung der Väter läßt wiederum erkennen, daß eine tiefergreifende Verbindung der verschiedenen Überlieferungskomplexe nicht stattgefunden hat. 13

14

Zur Frage, ob Kapitel 21 zur Wüsten- oder zur Landnahmetradition zu rechnen sei, vgl. oben S. 25 Anm. 34. Vgl. dagegen vor allem Ex 18, aber auch Ex 16 6 Num 14 13. 19. 22.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

So zeigt sich insgesamt, daß die Erzählungen vom Aufenthalt Israels in der Wüste nicht in einen inneren Zusammenhang mit den ihnen voraufgehenden Überlieferungen gebracht worden sind. In den Landnahmeerzählungen des Buches Numeri findet sich gleich am Anfang eine Botschaft Moses an den König von Edom, in der ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Israeliten gegeben wird; er erinnert an die »Credo«-Formulierungen, die wir an anderen Stellen finden: »Unsere Väter zogen nach Ägypten hinab und wir wohnten lange Zeit in Ägypten. Aber Ägypten behandelte uns schlecht und unsere Väter. Da schrien wir zu Jahwe, und er hörte unsere Stimme und schickte einen Engel und führte uns aus Ägypten heraus« (Num 2015.16a)16. Hier wird also die Herausführung aus Ägypten gemeinsam mit ihrer Vorgeschichte erwähnt, allerdings ist nicht genauer gesagt, wer mit den »Vätern«, die nach Ägypten zogen, gemeint ist; auffallend ist auch, daß im Zusammenhang der Herausführung von einem Engel und nicht von Mose die Rede ist. In Num 32 8.14 wird die Wüstengeneration als »Väter« bezeichnet im Unterschied zu der Landnahmegeneration, die an dieser Stelle angeredet wird. Hier hat sich der Begriff »Väter« deutlich verschoben; er erweckt keinerlei Assoziationen mehr an die Erzväter, von denen die Genesis berichtet. Diese werden jedoch innerhalb des gleichen Kontextes ausdrücklich erwähnt, allerdings mit ihren Namen: »Die Männer, die aus Ägypten heraufgezogen sind . . . sollen das Land sehen, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe« (v. n). An dieser Stelle sind also die Überlieferungen von der Landverheißung an die Erzväter und von der Herausführung aus Ägypten miteinander verbunden. Es zeigt sich aber deutlich, wie uneinheitlich das Verhältnis zu den verschiedenen Überlieferungen innerhalb dieses Kapitels ist. Zweimal wird schließlich noch die Herausführung aus Ägypten in der Einleitung von Listen erwähnt: in Num 26 4 wird die Liste der Stämme und Sippen eingeleitet: »Die Israeliten, die aus dem Lande Ägypten auszogen«; und das Stationenverzeichnis der Wüstenwanderung beginnt in Num 33 l: »Dies sind die Lagerplätze der Israeliten, die aus dem Lande Ägypten auszogen, (geordnet) nach ihren Heerscharen.« In beiden Fällen handelt es sich um eine formelhafte Näherbestimmung, die zwar die Überlieferung von der Herausführung aus Ägypten als allgemeinen Traditionshintergrund erkennen läßt, ohne jedoch eine konkrete erzählerische Verbindung herzustellen. Es sind also nur vereinzelte Hinweise auf die Auszugsüberlieferung und auf die Vätergeschichten, die in diesem Zusammenhang be15

Die Botschaft des Mose wird in v. 14 damit eröffnet, daß von der »Mühsal« die Rede ist, welche die Israeliten »betroffen« hat. Damit wird eine Formulierung aufgegriffen, die schon in Ex 18 8 benutzt wurde.

Spuren einer übergreifenden Bearbeitung

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gegnen; von einer wirklichen Verbindung mit den vorhergehenden größeren Überlieferungseinheiten kann jedoch auch hier keine Rede sein.

2.7 S P U R E N EINER ÜBERGREIFENDEN BEARBEITUNG

Unsere Durchsicht der größeren Überlieferungseinheiten innerhalb des Pentateuch hat gezeigt, daß jede dieser Einheiten ein hohes Maß an Selbständigkeit und Abgeschlossenheit gegenüber den anderen Einheiten aufweist. Die Vor- und Rückverweise, die sich überall finden, gehören in aller Regel nicht zur eigentlichen erzählerischen Substanz der einzelnen Einheiten. Aber auch eine umfassende, das Ganze zu einer Einheit formende Bearbeitung ist nicht ohne weiteres erkennbar. Dies ist um so auffallender, als die von uns als Beispiel näher untersuchten Vätergeschichten eine sehr eindringende Bearbeitung erkennen lassen, in der offenbar ein theologischer Gestaltungswille am Werk war. Es zeigt sich nun, daß dieser formende Gestaltungswille nicht in der gleichen Weise für den Pentateuch im ganzen erkennbar ist. Mit anderen Worten: Die theologische Gestaltung der Väter geschickten ist nicht gleichzusetzen mit der theologischen Gestaltung des Pentateuch. Vielmehr haben die Vätergeschichten eine theologische Bearbeitung und Interpretation erfahren, die sie gerade zu einem in sich geschlossenen Stück geformter Überlieferung machen, das sich innerhalb des Pentateuch in seiner Eigenständigkeit sehr deutlich heraushebt. Die Bearbeitung und Gestaltung der übrigen Einheiten bedarf noch genauerer Untersuchung; aber es ist schon jetzt eindeutig erkennbar geworden, daß sie von anderer Art sein dürften als die der Vätergeschichten. So wird sich auch bei weiteren Untersuchungen in der eingeschlagenen Richtung schwerlich etwas an dem Urteil ändern, daß die theologische Gestaltung der einzelnen größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch nicht mit der Gestaltung des Pentateuch im ganzen gleichgesetzt werden kann. Dies bedeutet nun allerdings nicht, daß eine übergreifende Bearbeitung des Pentateuch, welche die verschiedenen größeren Einheiten umfaßt, überhaupt nicht erkennbar wäre. Unter den genannten Vor- und Rückverweisen hebt sich besonders eine Gruppe von Texten heraus, die wir noch etwas genauer ins Auge fassen müssen; sie handeln alle davon, daß Jahwe den Vätern geschworen habe, ihnen das Land zu geben. In Gen 50 24 findet sich ein Vorverweis auf die Auszugsgeschichte: Joseph sagt zu seinen Brüdern: »Gott wird sich euch zuwenden 1 und wird euch aus diesem Lande herausführen in 1

Zu "7j?B vgl. auch E x 3 16 4 31.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

das Land, das er Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen hat.« Die Rede vom Schwören Jahwes ist in den Vätergeschichten nicht sehr tief verankert. Sie erscheint aber in zwei für die Gesamtkomposition der Vätergeschichten wichtigen Texten: Gen 22 16 und 26 3. In Gen 22 16 ist bemerkenswert, daß die Erwähnung des Schwörens Jahwes nicht in einer geprägten Formel erscheint, wie in der Mehrzahl der übrigen Belege 2 ; vielmehr wird hier eine Rede Jahwes (bzw. des mal'ak jhwh) eingeleitet mit der Wendung: »Ich schwöre bei mir selbst«3. Es folgt als Begründung der Verweis auf Abrahams Verhalten in der vorangehenden Geschichte von der Opferung Isaaks und dann als Inhalt des Schwurs die Verheißung von Segen und Mehrung des Samens und schließlich die Zusage: »dein Same wird das Tor seiner Feinde in Besitz nehmen.« Hierin kann man kaum einen Zusammenhang mit der Landverheißung sehen, bei der sich ganz andere Formulierungen finden. So läßt sich nur feststellen, daß an dieser für die Gesamtkomposition der Abrahamgeschichte wichtigen Stelle vom Schwören Jahwes die Rede ist, aber ohne Zusammenhang mit der Landverheißung. Nicht ganz eindeutig liegen die Dinge in Gen 26 3. Es ist offenkundig, daß diese Stelle überlieferungsgeschichtlich mit 2216 zusammenhängt 4 . Der Satz »Ich werde den Schwur in Kraft treten lassen, den ich deinem Vater Abraham geschworen habe«, kann sich wohl nur auf 2216 beziehen; so folgt denn auch zunächst die Mehrungsverheißung mit dem Bild von den Sternen des Himmels, das sich in dieser Formulierung nur noch in 22 17 findet. Allerdings ist dieser Passus umrahmt von der doppelt auftretenden Landverheißung (v. 3bot. 4aß). So könnte man hier einen Schritt in Richtung auf die Formulierung von Gen 50 24 sehen. Schließlich ist als vierte Stelle Gen 24 7 zu nennen. Hier besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Schwören Jahwes und der Landverheißung: »Jahwe, der Gott des Himmels . . der zu mir geredet und der mir geschworen hat: deinem Samen werde ich dieses Land geben.« Diese Formulierung steht der von Gen 50 24 nahe; sie findet sich innerhalb des erzählenden Kontextes in einer relativ späten Erzählung, die offenbar erst nachträglich an das Korpus der Abrahamerzählungen angefügt worden ist. Es zeigt sich also, daß die Formulierung von Gen 50 24 nicht unmittelbar aus der uns vorliegenden Abrahamgeschichte heraus2 s

4

Siehe unten; vgl. auch N. Lohfink, Die Landverheißung als Eid, 1967, 15. ?TirP DK1 T5731M "O; so außerdem nur noch Jer 22 5. Gen 22 16 ist der einzige Beleg für die Formel niiV OKI im Buche Genesis; sie fehlt völlig in E x u. Lev und tritt erst wieder in Num 14 28 auf in der Verbindung mit (wie Jes 49 18 Jer 22 24 u. l l m a l bei Hes). Vgl. oben S. 60.

Spuren einer übergreifenden Bearbeitung

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gewachsen ist. Sie steht offenbar in einem anderen Traditionszusammenhang, in dem die Überlieferung von dem Schwur, mit dem Jahwe die Landverheißung gegenüber den Erzvätern bekräftigt hat, zu Hause ist. Wichtig ist aber vor allem, daß sie an der Stelle, an der sie steht, eine Überleitungsfunktion hat: Sie verbindet die Vätergeschichten mit den nachfolgenden Überlieferungen, insbesondere mit der Erzählung von der Herausführung aus Ägypten. Sie stellt also eine Verbindung her, die, wie wir gesehen haben, in den beiden Überlieferungseinheiten selbst nicht besteht. Bei dem nächsten Beleg scheint auf den ersten Blick eine entsprechende Funktion für die übergreifende Komposition kaum in Betracht zu kommen: In Ex 13 wird innerhalb der MazzothVorschriften zweimal der Schwur Jahwes an die Erzväter erwähnt (v. 5.11), beide Male mit der ausdrücklichen Nennung der Landverheißung. Dabei hat sich in v. 5 die formelhafte Bezeichnung des Landes, »von dem er (Jahwe) deinen Vätern geschworen hat, es dir zu geben«, mit der zuerst in Ex 3 8 begegnenden Aufzählung der fremden Völker, die das Land jetzt bewohnen, und seiner Bezeichnung als »Land, das von Milch und Honig überfließt«, verbunden. Die Formulierung setzt also beide Traditionen voraus. Zur Frage ihrer Funktion muß man nun bedenken, daß unmittelbar vorher der Auszug der Israeliten aus Ägypten mitgeteilt wird (12 51). Was in Kap. 13 folgt, ist zwar inhaltlich auf die Mazzothvorschriften abgestellt; jedoch ist in dem Abschnitt v. 3-10 breit ausladend von der Herausführung aus Ägypten und von der bevorstehenden Hineinführung in das von Jahwe verheißene Land die Rede, so daß diese Aussagen umfangmäßig die Ritualbestimmungen weit überwiegen. Es könnte sich deshalb sehr wohl nahelegen, in der ausdrücklichen Erwähnung der Landverheißung gerade an dieser Stelle wiederum eine kompositorische Absicht zu sehen: Die Ankündigung von Gen 50 24 beginnt sich zu erfüllen. Diese Vermutung wird noch bestärkt durch die Tatsache, daß wenig später im gleichen Kapitel von der Mitnahme der Gebeine Josephs gesprochen wird (13 19) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Gen 50 255. Offenbar war dies also die Stelle, an der die Verbindung zu den letzten Worten Josephs hergestellt werden konnte und mußte. Von hier aus gesehen ist es nun kaum verwunderlich, daß der nächste wichtige Einschnitt, an dem die von Jahwe beschworene Landverheißung an die Väter erwähnt wird, der Aufbruch der Israeliten vom Sinai ist. In Ex 33 1-3 a ergeht der Befehl zum Aufbruch an Mose: »Da redete Jahwe zu Mose: Auf, zieh hinauf von hier, du und das Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, in das Land, von dem ich Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe: 6

Zu "Tj?S siehe oben Anm. 1.

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Die Vätergeschichten als Beispiel einer »größeren Einheit« im Pentateuch

deinem Samen werde ich es geben. Und ich werde einen Engel vor dir her senden 6 , und ich werde vertreiben die Kanaanäer, die Amoriter, die Hethiter, die Peresiter, die Hewiter und die Jebusiter — in ein Land, das von Milch und Honig überfließt.« Wir finden hier wieder die gleiche Verbindung der Traditionen wie in E x 13 5. Vor allem aber zeigt sich, daß nach der Unterbrechung des Zuges durch den Aufenthalt am Sinai nun beim erneuten Aufbruch die Landverheißung wiederum zitiert und bekräftigt wird, worin zugleich zum Ausdruck kommt, daß dieser Zug in das Land die Verwirklichung dieser Verheißung darstellt. Auch der Verweis auf die Landverheißung in dem Gebet Moses in E x 32 13 ist wohl in diesem Zusammenhang zu sehen; hier sind wiederu m die Beziehungen zu dem Schwur in Gen 22 i6f. deutlich 7 . Die Funktion dieses Rückverweises an dieser Stelle könnte darin hegen, daß mit dem in E x 32 10 ausgesprochenen Beschluß Jahwes, das Volk zu vernichten, die Verwirklichung der Väterverheißungen unmöglich geworden wäre; deshalb interveniert Mose und hält dabei Jahwe ausdrücklich seine eigenen Verheißungen vor. So ergänzen sich diese beiden Stellen gegenseitig: Nach der Intervention Moses in E x 32 uff. nimmt Jahwe selbst in seinem Aufbruchsbefehl in 33 iff. die Landverheißung an die Erzväter wieder auf. Noch an einigen weiteren Stellen findet sich die ausdrückliche Erwähnung der von Jahwe durch Eid bekräftigten Landverheißung an die Erzväter in Situationen, in denen ihre Verwirklichung gefährdet erscheint: In dem Gebet Num 1111-15 kommt die Verzweiflung Moses zum Ausdruck, der glaubt, den ihm von Jahwe erteilten Auftrag, das Volk in das verheißene Land zu bringen, nicht ausführen zu können (besonders v. i4f.); in diesem Zusammenhang wird, wenn auch in sehr knapper Form (»in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast«), der Schwur Jahwes erwähnt. Auch in der Kundschaftergeschichte in Num 13 f. wird die Verwirklichung der Verheißung in Frage gestellt: Jahwe erklärt, daß kein Angehöriger der Wüstengeneration das verheißene Land sehen soll — mit Ausnahme von Kaleb (14 22-24); hier wird wiederum in der gleichen knappen Form der Schwur Jahwes in Erinnerung gerufen (v. 23). (Hier sei noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Kundschaftergeschichte im übrigen keinerlei Beziehung zur Überlieferung von der Verheißung des Landes an die Erzväter erkennen läßt: Das Land wird als ein ganz unbekanntes, fremdes und gefährliches Land dargestellt, das erst ausgekundschaftet werden m u ß ; mit keinem Wort wird erwähnt, daß die Väter 8

7

Vgl. dazu Gen 24 7; dort erbittet Abraham für Elieser, daß Jahwe, den er u. a. als den Gott der Landverheißung bezeichnet, seinen Engel vor Elieser hersenden möge. Zu "J3 Dn1? nvatM vgl. Tiya&a ^ (Gen 22 ie); außerdem ist im Zusammenhang der Mehrungsverheißung hier wie Gen 22 von den »Sternen des Himmels« die Rede.

Spuren einer übergreifenden Bearbeitung

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dort bereits lange Zeit gelebt haben und ihnen der Besitz des Landes von Jahwe zugesagt worden ist — außer in Num 14 23!). Schließlich wird dieses Wort Jahwes noch einmal in Num 32 n zitiert (mit gewissen Abweichungen im Wortlaut), als Mose die endgültige Verwirklichung der Landverheißung gefährdet sieht durch den Wunsch der Stämme Rüben und Gad, sich im Ostjordanland anzusiedeln. Überblickt man die vorgeführten Belege im Zusammenhang, so kann man sich kaum dem Eindruck entziehen, daß sie eine sehr bewußte Absicht der Komposition und Interpretation des Pentateuch im ganzen erkennen lassen. Sie erscheinen durchweg in ihrem jetzigen Zusammenhang als »Zusätze«, d. h. sie gehören einer Bearbeitungsschicht an, die nicht in die Substanz der Erzählungen selbst eingegriffen, sondern nur an einigen entscheidenden Stellen deutlich gemacht hat, unter welchem leitenden Gesichtspunkt das Ganze verstanden werden soll. Dabei kommt zwei Stellen besonderes Gewicht für die Gesamtkomposition zu: der Ankündigung Josephs in Gen 50 24, daß Jahwe die Israeliten in das den Vätern verheißene Land zurückbringen wird, und dem Aufbruchsbefehl Jahwes an Mose in Ex 33 i-3a, mit dem der eigentliche Zug in das verheißene Land beginnt. Diese beiden Stellen verbinden die Vätergeschichten mit den Überlieferungen, die vom Weg der Israeliten von Ägypten zurück in das verheißene Land berichten 8 , und verklammern damit zugleich alle Überlieferungen des Pentateuch durch dieses eine, umfassende Thema: daß Jahwe den Israeliten das Land gegeben hat. Die Bearbeitungsschicht, von der hier die Rede ist, pflegt man als »deuteronomistisch« oder neuerdings auch als »frühdeuteronomisch«9 oder »protodeuteronomisch«10 zu bezeichnen. Jedenfalls handelt es sich um eine Bearbeitung, die in ihren Vorstellungen und ihrer Sprache dem Deuteronomium nahe verwandt ist. Es hat sich gezeigt, daß diese Bearbeitung die vorliegenden Texte im wesentlichen unverändert gelassen und ihre interpretierenden Zusätze an bestimmten Stellen eingefügt hat. Sie setzt also in etwa die uns vorliegende Gestalt des Textes voraus. 8

9 10

Diese Funktion stellt für Gen 60 24f. auch K. Rupprecht heraus: f l X H n 1 ?» (Ex 110 Hos 2 2): »Sich des Landes bemächtigen«?, ZAW82(1970), 442—446, bes. 445. N. Lohfink a. a. O. (s. o. Anm. 2) 17 f. mit Anm. 30. J. G. Plöger, Literarkritische, formgeschichtliche und stilkritische Untersuchungen zum Deuteronomium, 1967, 78.

3. Kritik der Pentateuchkritik Es erhebt sich nun die Frage, ob außer durch diese deuteronomisch geprägte Bearbeitung, und d. h. insbesondere in einem früheren überlieferungsgeschichtlichen Stadium, die einzelnen größeren Überlieferungseinheiten schon zu einem Ganzen zusammengefügt waren. Innerhalb der neueren Pentateuchforschung ist damit zugleich die Frage nach den »Quellen« im Sinne der Urkundenhypothese gestellt. Stehen zwischen der Gestaltung der einzelnen größeren Überlieferungseinheiten und der sie zusammenfassenden Bearbeitung im deuteronomischen Stil die Pentateuch«quellen« als Gesamtdarstellungen des pentateuchischen Stoffes ? Nach den früher aufgestellten methodischen Kriterien müßte sich die Berechtigung der Annahme solcher »Quellen« im Zuge der Untersuchung des überlieferungsgeschichtlichen Werdegangs des Textes von den kleinsten Einheiten über die größeren literarischen Zusammenhänge bis hin zum jetzigen Endstadium des Textes ergeben1. Deshalb ist hier jetzt der Ort, nach der Berechtigung dieser Annahme zu fragen. Die heutige internationale Pentateuchforschung bietet auf den ersten Bück das Bild großer Geschlossenheit. Für die überwältigende Mehrheit der Forscher in fast allen Ländern der Welt, in denen alttestamentliche Wissenschaft betrieben wird, scheint die Urkundenhypothese den mehr oder weniger unbestrittenen Ausgangspunkt ihrer Arbeit zu bilden, und das Interesse an der möglichst genauen Erfassung des Charakters und der theologischen Intentionen der einzelnen Quellenschriften scheint ungebrochen. Es empfiehlt sich daher, den gegenwärtigen Stand der Pentateuchforschung zunächst etwas genauer ins Auge zu fassen, um das tatsächliche Ausmaß der Übereinstimmung festzustellen und die Überzeugungskraft der Argumente zu überprüfen. 3.1 DER GEGENWÄRTIGE STAND DER PENTATEUCHKRITIK

In der neuesten deutschsprachigen »Einleitung in das Alte Testament« von 0. Kaiser steht der Satz: »Die Quellen sind . . . im großen und ganzen gültig geschieden1».« Dies klingt wie ein abschließendes Fazit einer langen Entwicklung und ist vom Verfasser offenbar auch so gemeint. Allerdings enthält der eben zitierte Satz noch eine Paren1 la

Vgl. oben S. 17. O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 19702, 48.

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Der gegenwärtige Stand der Pentateuchkritik

these. Er lautet vollständig: »Die Quellen sind, von dem noch nicht abschließend geklärten Problem eines ersten und zweiten Jahwisten abgesehen, im großen und ganzen gültig geschieden.«2 Hier muß der Leser stutzen: Ist die Frage, ob die von Kaiser und vielen anderen angenommene Hauptquelle des Pentateuch, der »Jahwist«, tatsächlich existiert oder ob an seiner Stelle in Wirklichkeit zwei Quellen angenommen werden müssen, so nebensächlich, daß man von ihr »absehen« kann, ohne das Urteil, die Quellen seien »gültig« geschieden, in Frage zu stellen ? Muß nicht vielmehr die ganze früher erörterte Frage der theologischen Bedeutung des Jahwisten daran hängen ? Und immerhin vertritt die auf dem deutschen Markt mit dem Buch von Kaiser konkurrierende »Einleitung« von G. Fohrer 3 den in der Parenthese angedeuteten Standpunkt, daß die von Kaiser und anderen für den »Jahwisten« in Anspruch genommenen Texte auf zwei Quellen zu verteilen seien, deren andere Fohrer »Nomadenquelle« nennt; und daneben gibt es immer noch das voluminöse Standardwerk der »Einleitung« von O. Eißfeldt, dessen dritte Auflage4 nicht viel älter ist als die beiden anderen genannten Werke und in dem sich ebenfalls diese Aufteilung des »Jahwisten« findet, nur daß hier die andere Quelle »Laienquelle« heißt. Man kann zwar mit Recht einwenden, daß der durch diese mehr zufällige Situation auf dem deutschen Büchermarkt erweckte Eindruck nicht der tatsächlichen Lage in der alttestamentlichen Forschung entspricht, d. h. daß die Zahl der Forscher, die nur mit einem »Jahwisten« rechnen, wesentlich größer zu sein scheint als die derjenigen, die der Zweiteilung zustimmen. Aber man kann mit diesem Hinweis nicht die Tatsache aus der Welt schaffen, daß seit der Zeit, in der die Urkundenhypothese durch J. Wellhausen ihre heute weithin akzeptierte Gestalt erhielt, die These von der Aufteilung dieser ältesten Hauptquelle ständig und von namhaften Forschern vertreten worden ist. Diese Feststellung wiegt umso schwerer, als die Vertreter dieser Auffassung durchweg besonders konsequente und überzeugte Verfechter der Prinzipien der Quellenscheidung im Sinne der »neueren Urkundenhypothese« — oder, wie Eißfeldt will: der »neuesten Urkundenhypothese«6 — sind6. Man wird also sagen müssen, daß in einer entscheidenden Grundfrage die Quellenscheidung nicht zu einem abschließenden Ergebnis geführt hat. Dies hat aber seinen Grund offenbar darin, daß die von allen Forschern mehr oder weniger anerkannten 2 3 4 6 6

Hervorhebung von mir; vgl. aber auch unten S. 86 bei Anm. 26. E. Sellin—G. Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911. O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19648. A. a. O. § 23.9 auf S. 223f. Zu ihnen gehört auch G. Fohrer, obwohl er statt von »Quellen« von »Quellenschichten« reden will: E. Sellin—G. Fohrer, Einleitung, (s. o. Anm. 3) 124f. R c n d t o r f f , Pentateuch

6

82

Kritik der Pentateuchkritik

Methoden eben doch nicht dazu geeignet sind, die durch die Texte des Pentateuch aufgeworfenen Fragen abschließend zu beantworten. Dasselbe gilt mutatis mutandis für den »Elohisten«. Die Lage ist hier insofern noch komplexer, als von nicht wenigen Forschern die Existenz einer selbständigen »elohistischen« Quelle bestritten wird, andere hingegen annehmen, daß sie einmal als selbständiges Werk existiert habe, aber nur bruchstückhaft erhalten sei (so daß man besser von »elohistischen Fragmenten«7 redet), während wieder andere meinen, daß man den »Elohisten« »als eine ursprünglich selbständige und zum größten Teil erhaltene Quellenschicht zu betrachten«8 habe. Auch hier zeigt sich also, daß das methodische Instrumentarium offenbar nicht ausreicht, um zu einer abschließenden Klärung zu gelangen. Demzufolge herrscht natürlich bei der Abgrenzung zwischen diesen zwei oder drei Quellen vielfach große Unsicherheit. Als Beispiel sei der neueste Kommentar zum Buch Exodus von W. H. Schmidt genannt, dessen erste Lieferung 1974 erschienen ist9. Schmidt zitiert im Bück auf die erste Hälfte des Buches Exodus C. Steuernagel, der in seinem »Lehrbuch der Einleitung in das Alte Testament« im Jahre 1912 schrieb: »In der Ausscheidung des P ist völlige Sicherheit erreicht. Dagegen besteht bezüglich der Scheidung von J und E vielfach große Unsicherheit. Die im folgenden gegebene Übersicht beansprucht daher oft nur einen gewissen Wahrscheinlichkeitswert, und mehrfach ist auf die Scheidung von J und E als zu unsicher ganz verzichtet.«10 Schmidt konstatiert, daß dies »den im Grunde bis heute unveränderten Stand der Forschung am Exodusbuch« charakterisiert 11 . Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat sich also an dieser Unsicherheit nichts Wesentliches geändert, so daß die Aussagen »oft nur einen gewissen Wahrscheinlichkeitswert« haben oder daß man besser auf Entscheidungen »als zu unsicher ganz verzichtet«! Kann man dann wirklich sagen, daß die Quellen »gültig geschieden« seien ? Angesichts der tatsächlichen Situation kann eine solche Aussage wohl nur als Wunschdenken bezeichnet werden12. 7

8

10 11 12

So H. W. Wolff, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 29 (1969), 59—72 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 19732, 402—417. Auch G. von Rad spricht von »elohistischen Fragmenten«, sagt dazu aber ausdrücklich: »was sich uns als elohistisches Material anbietet, kann man nicht als ein dem Jahwisten wirklich parallelgehendes Werk bezeichnen«: Beobachtungen an der Moseerzählung (s. oben S. 71 Anm. 1) 580 = 190. G. Fohrer a. a. O. (s. o. Anm. 3) 169; vgl. auch O. Kaiser a. a. O. (s. o. Anm. 1) 82ff., 9 bes. 86. W. H. Schmidt, Exodus, 1974. C. Steuernagel, Lehrbuch der Einleitung in das Alte Testament, 1912, 146. W. H. Schmidt a. a. O. (s. o. Anm. 9) 8. Wie diese Situation zu beurteilen ist, hat T. Engnell mit dürren Worten ausgedrückt: »In reality, the development of the literary-critical approach in the period following

Der gegenwärtige Stand der Pentateuchkritik

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Aber auch die von Schmidt zitierte Aussage Steuernagels über die »völlige Sicherheit«, die in der Ausscheidung der »Priesterschrift« erreicht sei, gilt nur mit erheblichen Einschränkungen. Es trifft zweifellos zu, daß weitgehende Einigkeit in der Herausarbeitung einer Überlieferungsschicht innerhalb des Pentateuch besteht, die man nach Inhalt und Stil als »priesterlich« bezeichnen kann. Dies wird sogar von einem so leidenschaftlichen Gegner der klassischen Quellenscheidung wie I. Engneil anerkannt 13 . Aber bei der näheren Bestimmung des Charakters dieser Schicht und bei der Feststellung ihrer Intention herrschen grundlegende Meinungsverschiedenheiten. So faßt etwa Fohrer alles als priesterlich zu bezeichnende Material im Pentateuch zusammen und versteht es als eine zusammengehörige Quellenschicht, die er als »literarische Komposition«14 bezeichnet. Er schreibt: »Zu den inhaltlichen Kennzeichnen von P gehört zunächst die enge Verbindung von Geschichtserzählung und Gesetz. Beides ist unauflöslich miteinander verknüpft.« 15 Demgegenüber vertritt Noth eine extreme Gegenposition. Er will die gesetzlichen Bestandteile völlig von den erzählerischen trennen. Ja, er geht sogar so weit, daß er für die gesetzlichen Partien die Bezeichnung »P«, auch mit irgendeiner Näherbestimmung, überhaupt ablehnt, denn nach seiner Auffassung »bedeutet es zum mindesten eine irreführende Unterstellung, wenn man sie mit in den Begriff P einschließt und etwa mit P s etikettiert. Man sollte sie mit irgendeiner neutralen Bezeichnung versehen. Bei der Behandlung der P-Erzählung ist von diesen Stücken jedenfalls völlig abzusehen.«16 Das heißt nichts anderes, als daß von Noth die Zugehörigkeit eines erheblichen Teils des Materials, das nach Fohrers Behauptung »in weitgehender Einmütigkeit« P zugewiesen17 wird, zu dieser Quelle oder Quellenschicht bestritten wird. Das bedeutet aber zugleich, daß grundlegende Meinungsverschiedenheiten in der Frage bestehen, wie sich für P Geschichtserzählung und Gesetz zueinander verhalten. Man kann angesichts dieses Gegensatzes kaum behaupten, daß das Siglum »P« in beiden Fällen tatsächlich dasselbe meint. Zwischen diesen beiden extremen Positionen steht eine Fülle von Versuchen, innerhalb des P-Materials zu differenzieren. Die geläufigste Auffassung unterscheidet eine »Grunderzählung« o. ä. (Ps) von später hinzugekommenen Bestandteilen (P s ; s = »sekundär«). Allerdings wird

13 14 15 19 17

Wellhausen's classical formulation . . . amounts to a complete dissolution of the entire system by the very scholars who defend it.« (Critical Essays on the Old Testament, translated from the Swedish and edited by J. T. Willis, 1970. 53). A. a. O. 59. G. Fohrer a. a. O. (s. o. Anm. 3) 198. A. a. O. 199. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 9. Fohrer a. a. O. 194ff. 6»

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Kritik der Pentateuchkritik

die Frage, was unter »Ps« verstanden werden soll, höchst unterschiedlich beantwortet. So will z. B. Noth die Bezeichnung nur für Zusätze zur P-Erzählung gelten lassen18, während Kaiser damit »legislative Materialien« bezeichnen will, die sekundär zur Grunderzählung hinzugefügt worden sind19. Für diese gesetzlichen Bestandteile findet sich im übrigen in der Literatur eine kaum zu überschauende Fülle von Bezeichnungen mit weiteren Indexbuchstaben zu dem Siglum »P«. Sie lassen eine Vielfalt von Auffassungen über die Frage erkennen, welche gesetzlichen Texte als ursprüngliche Bestandteile der »Priesterschrift« zu betrachten sind — und damit notwendigerweise auch eine Vielfalt der Auffassungen über den Charakter und die Intention dieser Quelle oder Quellenschicht. Von einer einheitlichen Auffassung kann hier also keineswegs die Rede sein. Überschaut man die gegenwärtige Lage der Pentateuchforschung, so muß man feststellen, daß von den Anhängern der Urkundenhypothese lediglich zwei Dinge allgemein anerkannt werden: 1. es gibt im Pentateuch eine priesterliche Schicht; über ihre genauere Absicht und darüber, welche Texte zu ihrem Grundbestand zu rechnen sind, besteht jedoch keine Einigkeit; 2. es gibt außerdem noch eine oder mehrere weitere Quellen oder Quellenschichten; über ihre Zahl, ihre Abgrenzung und ihr Verhältnis zueinander besteht jedoch keine Einigkeit. An den Argumenten und Gegenargumenten für die Abgrenzung der einzelnen Quellen hat sich nicht nur seit 1912, wie W. H. Schmidt meint 20 , sondern seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts nichts Wesentliches geändert. Die meisten der von H. Holzinger 1893 in seiner »Einleitung in den Hexateuch« zusammengestellten Positionen 21 werden auch heute noch von einzelnen Exegeten vertreten. Gewiß sind neue Positionen hinzugekommen, und es haben sich bei einzelnen Forschern oder Forschergruppen Verschiebungen in der Fragestellung ergeben; auf die ganze Breite der heutigen alttestamentlichen Wissenschaft gesehen bleibt die Vielfalt der divergierenden Meinungen jedoch bestehen. Die Pentateuchforschung stellt sich also viel weniger einheitlich dar, als oft behauptet wird. Sie war auch, wie ein Blick auf ihre Geschichte zeigt, nie einheitlicher. Was oft als »Siegeszug« der Urkundenhypothese seit Wellhausen dargestellt wird, ist im Grunde nur zweierlei: Erstens wird seither fast ausschließlich die »Urkundenhypothese« 18 w 21

A. a. O. (s. o. Anm. 16) 9, Anm. 15. 20 A. a. O. (s. o. Anm. 1) 91. Vgl. oben S. 82 Anm. 9 u. 11. H. Holzinger, Einleitung in den Hexateuch, 1893; vgl. auch die von H. Cazelles mitgeteilte Äußerung von von Hügel aus dem Jahre 1897 über die 'Einmütigkeit im Großen und im Detail' bei der Quellenscheidung: H. Cazelles, Artikel: Pentateuque, DBS, V n , 1966, 791.

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vertreten, d. h. es wird angenommen, daß der Pentateuch aus mehreren durchlaufenden »Urkunden« oder »Quellen« zusammengesetzt ist. Demgegenüber sind die anderen im Lauf des 19. Jahrhunderts aufgestellten Hypothesen zurückgetreten: die »Fragmentenhypothese«, die überhaupt nicht mit von Anfang bis zum Ende des Pentateuch reichenden Quellen rechnet, sondern nur mit einzelnen mehr oder weniger umfangreichen Fragmenten; und die »Ergänzungshypothese«, nach der eine Grundschrift durch allerlei anderes Material ergänzt worden ist. Allerdings muß man hinzufügen, daß diese beiden Hypothesen schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, also lange vor Wellhausen, so gut wie nicht mehr vertreten worden sind. Zweitens wird seit Wellhausen die »Priesterschrift« in der Regel als die jüngste der Pentateuchquellen betrachtet; in der Tat hat sich diese »Reuß-Graf-Kuenen-Wellhausensche Hypothese« allgemein durchgesetzt und wird seither fast nur von Außenseitern bestritten 22 — allerdings mit den schon genannten Einschränkungen im Blick auf den Umfang und die Intention der Priesterschrift. Im übrigen mehren sich heute die Stimmen, die den scheinbar bestehenden Konsens in Frage stellen oder bezweifeln, ob er überhaupt noch besteht. So ist von vielen Kritikern geäußert worden, daß die Konzeption von Noth auf eine neue Ergänzungshypothese hinausläuft, da er nicht mit einer mehr oder weniger gleichberechtigten Aufnahme der ursprünglich selbständigen Quellen durch den »Redaktor« rechnet, sondern annimmt, daß dieser die Priesterschrift als Rahmen benutzt, das Erzählungsmaterial im wesentlichen dem Jahwisten entnommen und nur in begrenztem Umfang den Elohisten zur Ergänzung herangezogen hat; in der Tat hat Noth damit weitgehend auf die vollständige Rekonstruktion der ursprünglichen Quellen verzichtet, deren Ganzheit nur noch in der Theorie seines Systems existiert. Andere gehen weiter. So sei nur ein so glänzender Interpret der bisherigen Pentateuchforschung wie H. Cazelles23 zitiert, der kürzlich über die gegenwärtige Pentateuchforschung schrieb: »The present state would justify the title under which N. E. Wagner presented his views: 'Pentateuchal Criticism: No Clear Future'«. 24 Cazelles spricht dann von der »present malaise in pentateuchal criticism . . . which necessarily has repercussions on the theological analysis«26. Auch O. Kaiser 22

23

So z. B. Y. Kaufmann, The Religion of Israel from the Beginnings to the Babylonian Exile, translated and abridged by M. Greenberg, 1960, 153ff.; I. Engnell, Critical Essays (s. o. Anm. 12), 50ff. und M. U. Cassuto, The Documentary Hypothesis and the Composition of the Pentateuch, 1961. Vgl. H. Cazelles, Artikel: Pentateuque, bes. Abschnitt III, IV u. Conclusion, DBS,

v n 1966, 728—868. 24 25

H. Cazelles, Theological Bulletin on the Pentateuch, BibTB 2 (1972), 3—24.9. Ebd.

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stellt jetzt fest, daß die Pentateuchforschung wieder in Bewegung geraten ist. Dabei sieht er vor allem, daß die von ihm selbst offenbar als zentral empfundene Frage nach dem Jahwisten nach wie vor offen ist: »Die in den zurückliegenden zehn Jahren vorgelegten Arbeiten zu (den Pentateuchquellen) selbst haben mindestens mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß das Problem der Einheit und Eigenart des Jahwisten nicht als gelöst betrachtet werden kann.«26 Von jüngeren deutschen Alttestamentlern seien hier als Beispiel noch die Äußerungen von F. Stolz zitiert, die wohl eine verbreitete Auffassung widerspiegeln. Nach einem Abwägen der Schwierigkeiten, mit denen die Hypothese vom »Jahwisten« heute belastet ist, schreibt er: »Man muß bei dieser Konzeption freilich mit einem Jahwisten rechnen, der in seiner Charakteristik so komplex wie nur irgend denkbar ist . . . Jedenfalls ergibt sich in keiner Weise ein geschlossenes Bild.«27

3.2 DAS PROBLEM DES JAHWISTEN

Es ist gewiß kein Zufall, daß in den bisher zitierten Äußerungen vor allem vom Jahwisten die Rede ist und daß die Unklarheiten im Blick auf diese Quelle als besonders beunruhigend empfunden werden. Denn in der Tat stellt die Beurteilung des Jahwisten so etwas wie den Schlüssel zum ganzen Problem der Urkundenhypothese dar, und zwar aus zwei Gründen: Einerseits ist der Jahwist die einzige von allen Vertretern der Urkundenhypothese akzeptierte ältere Quelle; aus ihr sollen wesentliche Teile des Erzählungsmaterials stammen. Wenn es nicht gelingt, diese Hauptquelle überzeugend darzustellen, läßt sich die ganze Hypothese kaum halten. Andererseits ist in neuerer Zeit die theologische Deutung des Pentateuch weitgehend auf der Interpretation des Jahwisten aufgebaut; die anderen Quellen werden überwiegend im Vergleich mit ihm behandelt und charakterisiert. Wenn diese Quelle nicht mehr klar erkennbar ist, gerät die heute weit verbreitete Methode der theologischen Deutung des Pentateuch in Gefahr1. 3.21 Die literarische Analyse des Jahwisten Hat die heutige Pentateuchforschung ein klares Bild vom »Jahwisten« ? Stellen wir zunächst die Frage nach der literarischen Analyse. Wie weit sieht sich die Pentateuchforschung heute in der Lage, die 26

27 1

O. Kaiser, Die alttestamentliche Wissenschaft, Wissenschaftliche Theologie im Überblick, ed. W. Lohff/F. Hahn, 1974, 13—19. 15. F. Stolz, Das Alte Testament, 1974, 36. Vgl. dazu oben S. 14 f. (zu von Rads Auffassung vom Jahwisten) sowie das Zitat von H. Cazelles auf S. 85 bei Anm. 25.

Das Problem des Jahwisten

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zum Jahwisten zu rechnenden Texte deutlich abzugrenzen ? Dabei ist klar, daß mindestens an den Jahwisten die Anforderungen gestellt werden müssen, die nach den Grundsätzen der Urkundenhypothese eigentlich für alle Quellen gelten: daß er sich vollständig von Anfang bis zum Ende, d. h. von der Schöpfung bis zur Landnahme, nachweisen läßt und daß die ihm zugerechneten Texte einen klar erkennbaren Zusammenhang darstellen. Nur dann kann der Jahwist als »Quelle« im Sinne der Urkundenhypothese gelten. Es sei dazu noch einmal an einen schon früher erwähnten methodischen Grundsatz1 erinnert: Die Urkundenhypothese ist entstanden als Antwort auf die Frage nach der literarischen Einheitlichkeit des jetzt vorliegenden Pentateuchtextes, und nur als Antwort auf diese Frage hat sie einen Sinn. Dazu genügt es aber nicht, die Uneinheitlichkeit des Textes aufzuzeigen, denn dafür könnten sich ja die verschiedensten Erklärungen anbieten. Vielmehr nimmt die Urkundenhypothese für sich in Anspruch, die beste und überzeugendste (und d. h. nach der Meinung ihrer konsequenten Verfechter: die richtige) Erklärung für das Entstehen der jetzigen Textgestalt zu sein, indem sie die früheren Bestandteile herausarbeitet — nämlich die »Quellen« — und auch den Weg von ihnen zur heutigen Endgestalt nachzeichnet — nämlich die »Redaktion«. Wie steht es also mit dem »Jahwisten« als durch den ganzen Pentateuch (bzw. Hexateuch) durchlaufende Quelle im Sinne der Urkundenhypothese? Beginnen wir mit dem Buch Genesis! Hier scheinen sich für die Analyse auf den ersten Blick keine besonderen Probleme zu ergeben. Die Mehrzahl der Exegeten rechnet für die Urgeschichte nur mit zwei Quellen: J und P (bzw. mit drei: L/N, J und P), d. h. der »Elohist« ist nach der herrschenden Auffassung an der Urgeschichte nicht beteiligt. Der Rest der Genesis wird nach der jeweiligen Theorie unter zwei, drei oder vier Quellen aufgeteilt. Nun haben sich aber in jüngster Zeit die Stimmen gemehrt, die bezweifeln, daß die Quellentheorie auf die Josephgeschichte (Gen 37—50) anwendbar sei. G. von Rad hat in der letzten Auflage seines Genesis-Kommentars (1972) ein Nachwort hinzugefügt, in dem er diesen Zweifeln Raum gegeben hat 2 . Einige Exegeten zweifeln nur daran, daß in diesem Komplex mehrere der erzählenden Pentateuchquellen gefunden werden können, und führen Argumente dafür an, daß hier nur der »Jahwist« am Werke sei; immerhin bedeutet schon dies eine erhebliche Infragestellung der Urkundenhypothese als derjenigen Methode, mit der der ganze Penta1 2

Vgl. oben S. 11. G. von Rad, Das erste Buch Mose, 1972®, 362. Vgl. auch D. B. Redford, A Study of the Biblical Story of Joseph (Genesis 37—50), VTSuppl 20 (1970); O. H. Steck, Die Paradieserzählung, 1970, 120ff. Anm. 291 und M. Weippert, Die Landnahme der israelitischen Stämme in der neueren wissenschaftlichen Diskussion. Ein kritischer Bericht, 1967, 92 Anm. 3.

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Kritik der Pentateuchkritik

teuch erklärt werden soll, wenn in einem umfangreichen Überlieferungsstück die vorhandenen Spannungen und Unebenheiten im Text anders erklärt werden müssen3. Andere Exegeten wollen weiter gehen und das Vorhandensein der Pentateuchquellen im Sinne der Urkundenhypothese in der Josephgeschichte überhaupt bestreiten 4 . Es ist klar, daß dies einen noch tieferen Einbruch in die Gültigkeit der Urkundenhypothese bedeutet, weil dann dieses große Textstück ganz aus dem herkömmlichen Erklärungsrahmen herausfällt 5 . Die Schwierigkeiten der Abgrenzung der Quellen in der ersten Hälfte des Buches Exodus wurden bereits erwähnt 6 . Dazu noch ein weiteres Zitat aus dem Kommentar von W. H. Schmidt: »Häufig besteht zwar Übereinstimmung in der Erfassung der Spannungen, Risse und Lücken im T e x t ; in der Erklärung dieser Unebenheiten sind sich die Ausleger jedoch mehr oder weniger uneins. Verhältnismäßig leicht ist noch die Aufgabe zu lösen, die jeweils sachlich zusammengehörigen Abschnitte im groben voneinander abzuheben. Problematisch ist oft zweierlei: einerseits die Zuordnung dieser Größen zueinander, d. h. ihre Einfügung in ihren ursprünglichen Kontext, und andererseits schon die exakte Abgrenzung der Einheiten. Wo setzt eine Quelle wirklich ein, wo bricht sie ab ? Sind Überleitungsverse, die verschiedene Einheiten miteinander verklammern, einer Quellenschrift oder der Redaktion zuzuschreiben ? So fällt es oft schwer, sekundäre Zusätze einigermaßen sicher auszumachen.«7 Man sieht an diesem Zitat, daß zwar die Uneinheitlichkeit des Textes festgestellt werden kann 8 , daß es aber offenbar trotz generationenlanger Arbeit nicht gelungen ist, die Zugehörigkeit der einzelnen Stücke zu den verschiedenen Quellen eindeutig zu bestimmen. Dementsprechend bleibt die Zuweisung der Texte höchst zweifelhaft. Schmidt schreibt zu E x 2 1-10 nach eingehendem Abwägen aller Argumente: »So bleiben die konkreten Anhaltspunkte für eine üterarische Zuordnung des Textes gering, doch sprechen sie eher für den Elo3 4

5

6 7 8

So Steck a. a. O. So Redford a . a . O . und Weippert a . a . O . (vgl. zu beiden Anm. 2); vgl. auch: R. N. Whybray, The Joseph-Story and Pentateuchal Criticism, VT 18 (1968), 522—528. Wellhausen hat übrigens schon scharfsichtig erkannt, was ein Herausbrechen der Josephgeschichte für die Quellentheorie insgesamt bedeuten würde: »Die Hauptquelle ist auch für diesen letzten Abschnitt der Genesis J E . Es ist zu vermuten, daß dies Werk hier wie sonst aus J und E zusammengesetzt sei; unsere früheren Ergebnisse drängen auf diese Annahme und würden erschüttert werden, wäre sie nicht erweisbar.« (Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 1899 3 , 52). Siehe oben S. 82 f. W. H. Schmidt, Exodus, 1974, 8. Vgl. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 20.

Das Problem des Jahwisten

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histen, dem man (. . .) früher durchweg den Hauptanteil zuschrieb. Neuerdings bevorzugt man ( . . . . ) aufgrund allgemeiner Überlegungen den Jahwisten . . . Trotzdem bleibt die Zuordnung zu J fraglich; schon J. Wellhausen hat über Ex 2 mit Recht zurückhaltend geurteilt, daß 'die Scheidung nicht durchzuführen' sei.«9 Es besteht also eine große Unsicherheit der Methode zur Abgrenzung der Quellen. Das Entscheidende ist dabei, daß es offenbar an tragfähigen Kriterien dafür fehlt, welche Stücke welchen Quellen zugewiesen werden sollen. Die vorhandenen Anhaltspunkte »sprechen eher« für die eine Quelle, doch »bevorzugt man« die andere. An derartigen Äußerungen zeigt sich deutlich, daß sich der Exeget auf Grund der vorgegebenen Quellenhypothese genötigt sieht, die Texte einer der angenommenen Quellen zuzuweisen, obwohl er keine Kriterien dafür hat. Es gelingt deshalb trotz intensiver Bemühungen nicht, genaue Angaben über den Verlauf des jahwistischen Erzählungsfadens zu machen. Fohrer löst die Probleme anders. Er meint über Kriterien für die Zugehörigkeit von Texten oder Textteilen zu den einzelnen Quellen zu verfügen, mit deren Hilfe er oft noch Elemente der Quellen erkennen kann, auch wenn die Redaktion den ursprünglichen Text fast völlig verändert hat. So ergibt sich für Fohrer z. B., daß Ex 2 11-22 »eine Erzählung darstellt, die aus Elementen der Quellenschichten J, E und N fast bis zur völligen Einheitlichkeit verschmolzen ist«10. So können also auch einheitliche Textstücke, die an sich keinen Anlaß zu literarkritischen Eingriffen bieten, mehreren Quellen — und zwar mehreren Quellen gleichzeitig! — zugewiesen werden! Es ist klar, daß es auf diese Weise sehr viel leichter ist, die Kontinuität der Darstellung in den einzelnen Quellen aufzuzeigen11. Ist für Schmidt und andere Exeget en der Aufweis einer jahwistischen Erzählung in den ersten beiden Kapiteln des Buches Exodus schwierig, so sieht Noth in Ex 3f. Probleme. Er betrachtet den ganzen Abschnitt, der über die Gottesbegegnung Moses und über seine Beauftragung mit der Herausführung der Israeliten aus Ägypten handelt (Ex 3 1-417), soweit er ihn nicht für elohistisch hält, als »ein sekundäres Element«12, das »erst nachträglich in (das) Werk (des Jahwisten) ein> A. a. O. 64. G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus. Eine Analyse von Ex 1—1B, 1964, 26. 11 Gleichzeitig wird bei einem derartigen Verfahren deutlich, daß man die Ausgangsfrage der klassischen Pentateuchkritik, nämlich die Frage nach einer Erklärung für die am vorliegenden Text festzustellenden Brüche und Wiederholungen, verlassen hat und nur noch systemimmanent die früher einmal angebotene Lösungshypothese verifiziert. 12 M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 31 f. Anm. 103. 10

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Kritik der Pentateuchkritik

geschaltet worden zu sein« scheint13. Demnach hätte also der Jahwist von alledem nichts berichtet! Im weiteren Verlauf der Darstellung ergeben sich weitere und größere Schwierigkeiten. Noth stellt fest, »daß die Erzählung vom Sinaiereignis schon innerhalb des alten Pentateuchgutes (Ex 19—24; 32—34) durch Erweiterungen und Einschaltungen eine so komplizierte literarische Zusammensetzung erhalten hat, daß eine einleuchtende Analyse heute nicht mehr gelingt«14. Man könnte diesen Sachverhalt auch anders beschreiben, indem man feststellt, daß die Kriterien der Quellenscheidung sich als ungeeignet erweisen, die literarischen Probleme der Sinaiperikope zu erklären! Im einzelnen vollzieht Noth dann noch einige negative Abgrenzungen: Die Geschichte vom Goldenen Kalb ist »nicht nur überlieferungsgeschichtlich, sondern auch literarisch ein sekundäres Element innerhalb von J«15. »Auf eine literarkritische Analyse von Ex 33 muß man wohl verzichten. Es handelt sich hier anscheinend um ein Konglomerat von sekundären Wucherungen«16. Und der Abschnitt Ex 24 3-8, der von der Zeremonie mit dem »Blut des Bundes« handelt, ist in die Tabelle gar nicht erst aufgenommen worden, da es Noth »sehr zweifelhaft scheint, ob dieses Stück überhaupt quellenhaft und nicht vielmehr ein sekundärer Anhang etwa zum Bundesbuch ist«17. Es bleibt also immer weniger für den Jahwisten übrig — und immer mehr Texte entziehen sich überhaupt der Erfassung durch die Methoden der Quellenscheidung! Im weiteren Verlauf werden die Probleme aber nicht einfacher, sondern schwieriger. Gleich nach der Behandlung der Sinaiperikope, wo nach der herrschenden Auffassung die alten Pentateuchquellen wieder einsetzen, schreibt Noth: »Das in sich sehr brüchige Kapitel Num 12 gehört mit zu den verzweifelten Fällen der Pentateuchanalyse; ich verzichte daher auch nur auf einen Versuch der Zergliederung.«18 Und wenig später: »In der zweiten Hälfte des Buches Numeri ist durch allerlei gegen Ende der Moseüberlieferung in den verschiedenen literarischen Stadien eingefügte Nachträge sowie durch die sehr weitgreifenden Folgen der literarischen Zusammenarbeitung des Pentateuch mit dem deuteronomistischen Geschichtswerk der überlieferte Bestand so kompliziert geworden, daß über die ursprüngliche Gestalt des alten Pentateuchgutes in diesem Bereich nur noch sehr schwer etwas Sicheres auszumachen ist.«19 So scheint nach Noths 13 14

15 16 17 18

A. a. O. 221 Anm. 549. A. a. O. 33 Anm. 115; vgl. auch L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament, 1969, 156ff. Noth, ebd. A. a. O. 33 Anm. 114. A. a. O. 33 Anm. 115. 18 A. a. O. 34 Anm. 120. A. a. O. 35 Anm. 126.

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Meinung auch keine Mitteilung der alten Quellen über den Tod des Mose mehr erhalten zu sein20! Kaiser urteilt ähnlich. In seiner Nacherzählung des jahwistischen Werkes heißt es: »Wir tasten uns durch die Fragmente der j ahwistischen Erzählung: In den letzten greifbaren Stücken in Num 32* erscheint Mose nicht mehr.«21 Und Noth selbst hat später sein Urteil über die Möglichkeiten der Quellenscheidung im Buch Numeri noch verschärft: »Nimmt man das 4. Mosebuch für sich, so käme man nicht leicht auf den Gedanken an 'durchlaufende Quellen', sondern eher auf den Gedanken an eine unsystematische Zusammenstellung von zahllosen Überlieferungsstücken sehr verschiedenen Inhalts, Alters und Charakters ('Fragmentenhypothese').«22 Allerdings meint Noth, daß man das Buch Numeri nicht isolieren dürfe, und hält es daher für »gerechtfertigt, mit den anderwärts gewonnenen Ergebnissen der Pentateuchanalyse (. . .) an das 4. Mosebuch heranzutreten und die durchlaufenden Pentateuch-'Quellen' auch in diesem Buche zu erwarten, selbst wenn, wie gesagt, der Sachverhalt im 4. Mosebuch von sich aus nicht gerade auf diese Ergebnisse hinführt«23. Was die »anderwärts gewonnenen Ergebnisse der Pentateuchanalyse« betrifft, so sei noch einmal in Erinnerung gerufen, daß bereits für die erste Hälfte des Buches Exodus von C. Steuernagel bis W. H. Schmidt »große Unsicherheit« in der Quellenscheidung herrscht und die Ergebnisse »oft nur einen gewissen Wahrscheinlichkeitswert« haben, wenn man nicht auf eine Zuweisung der Texte an bestimmte Quellen »als zu unsicher ganz verzichtet«24. Es muß zweifelhaft erscheinen, ob dies eine Basis ist, von der aus man im Buch Numeri die »Quellen« erwarten darf, obwohl man sie dort nicht erkennen kann. Es sei nicht verschwiegen, daß es auch Exegeten gibt, die mehr Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Quellenanalysen setzen. Aber die hier gegebenen Zitate kennzeichnen auf jeden Fall eine verbreitete Unsicherheit, und die Analysen von Noth müssen zudem zu den heute als repräsentativ geltenden gezählt werden. Man kann deshalb keineswegs sagen, daß es heute unter den Vertretern der Urkundenhypothese einen breiten und gut fundierten Konsens über den genauen Verlauf des jahwistischen Werkes gäbe. Die Problematik, die sich daraus für das Verständnis des ganzen Werkes ergibt, sei noch an zwei Punkten verdeutlicht. Zunächst an der Frage nach dem Schluß des jahwistischen Werkes: Von Rad rechnet mit dem »Hexateuch«, weil er ja das Ganze als auf die Land20 21 22 23 24

Ebd. O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 1970 3 , 80. M. Noth, Das vierte Buch Mose, 1966, 8. Ebd. Siehe oben S. 82 mit Anm. lOf.

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Kritik der Pentateuchkritik

nähme hin angelegt versteht. Noth stimmt dem grundsätzlich zu, nimmt jedoch an, daß der Schluß im Zuge der Redaktion »verlorengegangen« sei26. Wolff hingegen hat diese Schwierigkeiten nicht, da für ihn beim Jahwisten das einstmals so wichtige Thema der Landverheißung schon in den Vätergeschichten »zu einem erzählerischen Nebenzug geschrumpft« ist26. »Deshalb wird man sich nicht wundern dürfen, wenn das Landnahmethema am Ende des jahwistischen Werkes nicht mit der ihm eigenen Bedeutung und in der erwarteten Breite erscheint«27. So genügt es für Wolff, wenn das jahwistische Werk mit der Bileamerzählung Num 22—24 endet 28 . Vom Tod Moses ist nicht mehr die Rede. Andere Exegeten behelfen sich, indem sie — über die Bücher Deuteronomium und Josua hinweg! — die Landnahmeüberlieferungen im ersten Kapitel des Richterbuches als den Schluß des jahwistischen Werkes betrachten. Sie erkennen damit Noths Abtrennung des Buches Josua vom Pentateuch an, ziehen aber nicht seine Konsequenzen, sondern möchten ein kleines Stückchen »Hexateuch« festhalten 29 . Aber auch für sie bleibt die Schwierigkeit bestehen, daß im jahwistischen Werk eine Mitteilung über den Tod des Mose fehlt. Manche möchten sie in Dtn 34 finden; doch herrscht auch hierüber große Unsicherheit30. Alles in allem bleibt die Frage nach dem Ende des jahwistischen Werkes in der Diskussion unentschieden, und viele Exegeten lassen sie auch für sich selbst offen. Kann man dann aber im Ernst etwas Zuverlässiges über die Intention und Zielsetzung dieses Werkes sagen wollen ? Ein weiterer kontroverser Punkt, der noch als Beispiel genannt werden soll, ist der Anteil des Jahwisten an der Sinaiperikope und die Frage, welche Bedeutung die Sinaiereignisse für ihn haben. Noth hat festgestellt, daß die Darstellung der Sinaiereignisse »eine so komplizierte literarische Zusammensetzung erhalten hat, daß eine einleuchtende Analyse heute nicht mehr gelingt«31. Er meint, daß dies »angesichts der Wichtigkeit des hier Erzählten durchaus begreiflich« sei32. 25 26

27 28 28

30

31

Siehe oben S. 26 f. H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, EvTh 24 (1964), 73—98 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1964, 346—373. 355. Ebd. Anm. 37. A. a. O. 347 u. 368. So z. B. O. Kaiser, Einleitung (s. o. Anm. 21), 73f. u. 121 sowie R. Smend, Biblische Zeugnisse. Literatur des alten Israel, 1967, 86 f. Gegen diese Auffassung hat sich M. Noth bereits selbst gewandt: Überlieferungsgeschichte des Pentateuch (s. o. Anm. 12), 35 Anm. 127. H. Cazelles findet den Gedanken, Dtn 34lb-6 dem Jahwisten zuzuschreiben, »tenant«; vgl. Artikel: Pentateuque, DBS, VII 1966, 791. M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 33 Anm. 115 (s. auch oben: 82 Anm. 14). Ebd.

Das Problem des Jahwisten

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Er erklärt den Vorgang so, daß durch die Einfügung verschiedener »Gesetzes«-Korpora »das feste Gefüge der drei Erzählungsquellen nicht unerheblich gestört worden« sei, und »daß das so zentrale Geschehen von Gotteserscheinung, Bundesschluß und 'Gesetz'-Gebung offenbar zu allerlei nachträglichen Ergänzungen und Ausführungen Anlaß gegeben hat«33. Noth ist also offenbar der Meinung, daß ursprünglich auch der Jahwist einen deutlicher erkennbaren Anteil an diesem zentralen Stück gehabt habe. Anders Wolff: Er stellt fest, daß der Jahwist beim Sinaithema »wortkarg« sei. Das ist aber nicht das Ergebnis redaktioneller Veränderungen des Textes, sondern: »Wie kann das von der Erkenntnis des Kerygmas (seil, des Jahwisten) aus anders sein? Die Völker, die ihn in der Urgeschichte beschäftigt haben, derentwegen das Väterthema für ihn so fruchtbar war und die er in der Josephsgeschichte und dann in der Exodustradition besonders fesselnd in der Gestalt der Großmacht Ägypten vor sich sah, haben im Sinaithema ganz und gar keinen Platz. Natürlich kann er es nicht übergehen, da es schon vor ihm mit den übrigen Themen zusammengewachsen war.«34 Für Wolff kommt also von der Konzeption des jahwistischen Werkes her dem Sinaithema keine nennenswerte Bedeutung zu. Dem seien einige andere Urteile gegenübergestellt, die nur eine mehr oder weniger zufällige Auswahl darstellen. Von Rad hat betont, daß der »Einbau der Sinaiüberlieferung« eine der entscheidenden theologischen Leistungen des Jahwisten gewesen sei. Sie war »das freie Wagnis des Jahwisten« und bedeutet theologisch »eine gewaltige Bereicherung«35. »Die Landnahmeüberlieferung bezeugt Jahwes Gnadenwillen; im Mittelpunkt der Sinaitradition hingegen steht Jahwes fordernder Rechtswille. Durch die Hereinnahme der Sinaiüberlieferung bekam also der einfache soteriologische Grundgedanke der Landnahmetradition eine kräftige und heilsame Unterbauung.«36 Für von Rad stehen also gerade die beiden Themen im Zentrum der theologischen Konzeption des Jahwisten, die nach Wolff keine eigenständige Bedeutung mehr für ihn haben. Zum Sinaithema sagt Cazelles: Der Jahwist »kennt den Sinai und interessiert sich mehr dafür, als man sagt«37. In verschiedenen Monographien zur Theologie des Jahwisten finden sich noch weitergehende Urteile. Nach Marie-Louise Henry »macht der Jahwist das Ereignis am Sinai zum Kulminationspunkt 33 31 36 36 37

M. Noth, Das zweite Buch Mose, 19653, 4f. H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten (s. o. Anm. 26), 367f. G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 61. A. a. O. 61 f. H. Cazelles, Positions Actuelles dans l'Exégèse du Pentateuque, De Mari à Qumrân. L'Ancien Testament, FS J. Coppens, I 1969, 34—57.50.

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seiner Darstellung«38. Und P. F. Ellis schreibt: »The Sinai covenant may rightly be termed the climax of the Yahwist's saga«39. Die angeführten Beispiele sollen nur zeigen, wie weit die Meinungen schon darüber auseinandergehen, welche Überlieferungsthemen als spezifisch und charakteristisch für das Werk des Jahwisten anzusehen seien. Die Unsicherheit wird noch größer, wenn es um die Frage nach den Kennzeichen und Merkmalen der Darstellungsweise und des Stils des Jahwisten geht. Ältere Generationen haben viel Scharfsinn darauf verwendet, die sprachlichen Besonderheiten der einzelnen Pentateuch- bzw. Hexateuchquellen herauszuarbeiten. Klassisches Beispiel dafür sind die umfangreichen Tabellen der »sprachlichen Eigentümlichkeiten« der Quellen in Holzingers »Einleitung in den Hexateuch« (1893). Dort heißt es: »Man darf von einem besonderen Lexikon von J reden.«40 Darauf folgen nicht weniger als 14 Seiten jahwistisches Vokabular, dazu weitere Seiten über Grammatik und Stil. Entsprechend wird das »Lexikon« von E aufgeführt (9 Seiten)41, wieder mit weiteren Ausführungen zu Grammatik und Stil, ebenso für (»D« und) P 42 . Die Argumentation mit den Unterschieden im Sprachgebrauch ist seither aber ganz in den Hintergrund getreten. Es wird zwar allgemein betont, daß der Sprachgebrauch der Priesterschrift klar erkennbar sei. Im übrigen herrscht aber große Zurückhaltung. So schreibt etwa Eißfeldt 1922: »Auch bei J und E sind eine ganze Reihe bleibender Feststellungen gemacht worden. Aber sobald man hier auf Feinheiten kommt, beginnt die Verwirrung. Die gleiche Erzählung wird nicht selten von dem einen J, von dem anderen E zugewiesen, und zwar von beiden aus Gründen des Sprachgebrauchs.«43 Er will deshalb dem Argument des mehrfachen Vorkommens von Erzählungen, Erzählungsmotiven und Notizen Vorrang einräumen und versucht, »in vorläufiger Vernachlässigung der anderen Argumente dies eine allein zur Lösung des hexateuchischen Problems nutzbar zu machen«44. In seiner »Einleitung« hat er dann zwar das Argument des Sprachgebrauchs wieder herangezogen; aber von den umfangreichen Listen Holzingers ist wenig übriggebheben: außer dem Unterschied »Kanaanäer/Amoriter« und »Sinai/Horeb« bleibt schließlich nur übrig, daß die Sklavin in der Jahwe-Schicht nnDW, bei E HöK heißt, was noch dadurch in seiner 38

39 40 41 42 43 44

M.-L.Henry, Jahwist und Priesterschrift. Zwei Glaubenszeugnisse des Alten Testaments, 1960, 19. P. F. Ellis, The Yahwist. The Bible's First Theologian, 1969, 181. H. Holzinger, Einleitung in den Hexateuch, 1893, 93 (Hervorhebung im Original). A. a. O. 181—189. A. a. O. 283—290 u. 339—348. O. Eißfeldt, Hexteuch-Synopse, 1922 = 19622, 5. A. a. O. 6.

Das Problem des Jahwisten

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Beweiskraft eingeschränkt wird, daß »die dem Manne als Nebenfrau dienende Sklavin« (und nur um solche handelt es sich in den angeführten Belegen!) in der Jahwe-Schicht daneben auch als »Kebsweib« (twVs) bezeichnet wird45. Hier ist also das Argument des unterschiedlichen Sprachgebrauchs auf einen winzigen Rest zusammengeschrumpft. Fohrer gibt sich zuversichtlicher: »Der Sprachgebrauch ist in den einzelnen Quellenschichten verschieden. Der Wechsel in der Bezeichnung von Orten, Personen, Gegenständen usw. erweist sich bei näherer Untersuchung nicht als zufällig, sondern trifft mit anderen Unterscheidungsmerkmalen zusammen.«46 Allerdings führt er keine Beispiele an, sondern verweist nur auf die Tabellen bei Driver (1891, letzte Neuauflage 1913) und Steuernagel (1912)47. Kaiser verweist auf Holzinger (1893) und nennt einige wenige Beispiele, ähnlich wie Eißfeldt48. Noth bezweifelt allerdings die Tragfähigkeit dieser Argumentation überhaupt: »Selbst die Untersuchung von Sprache und Stil bringt bei der Analyse des alten Pentateuchgutes kaum eine entscheidende Hilfe . . . Es gibt bei genauem Zusehen nur verschwindend wenige Synonyma und synonyme Wendungen, deren wechselnder Gebrauch mit einiger Wahrscheinlichkeit auf eine Verschiedenheit von Schriftstellern zurückgeführt werden kann, die den Stoffen ihre überlieferte Formulierung gegeben haben, und diese Worte und Wendungen kommen viel zu selten vor, als daß sie wirklich zur Ordnung des gesamten Stoffes dienen könnten.«49 An diesem Beispiel wird eines sehr deutlich: In der gegenwärtigen Pentateuchforschung werden auf der Grundlage eines allgemeinen, jedoch eher diffusen60 Konsensus über die Anerkennung der Urkundenhypothese vielfach Argumente übernommen und wiederholt, die kaum noch Aussagekraft haben und die von dem einzelnen Exegeten auch kaum noch mit konkretem Inhalt gefüllt werden können. Denn wenn sich die Behauptung, daß sich die Quellen J und E im Sprachgebrauch voneinander unterschieden, letzten Endes auf die Feststellung redu48

O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 1964 3 , 243. Vgl. auch A. Bentzen, Introduction to the Old Testament, H 1959 6 , 29 u. 47 sowie H. W. Wolff, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 29 (1969), 59—72

=

Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1973 2 , 402—417 . 403f. 46 47

48 49 50

E . Sellin—G. Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 1969 11 , 126. Ob die summarischen Angaben bei Steuernagel, Lehrbuch der Einleitung in das Alte Testament, 1912, 203. 214f. u. 233f., angesichts der Holzingerschen (s. o. bei Anm. 40—42) allerdings als »ausführlich« (so Fohrer ebd.) zu bezeichnen sind, muß fraglich erscheinen. O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 1970 2 , 84 mit Anm. 3. M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 21. Das Wort »diffus« ist hier nicht polemisch benutzt, sondern soll zum Ausdruck bringen, daß der Konsensus nur in einer Grundüberzeugung besteht, im einzelnen aber nicht mehr scharf abgrenzbar ist.

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ziert, daß es zwei (oder drei!) verschiedene Bezeichnungen für die Sklavin gebe61, kann es wohl nur mit dem Gesetz der Trägheit zusammenhängen, daß dieses Argument überhaupt noch verwendet wird62. Der Verweis auf die Tabellen in der älteren Literatur ohne konkrete Angaben darüber, was davon noch als gültig betrachtet wird, hat dabei auch kaum mehr als Alibifunktion. 3.22 Kennzeichen der Arbeit des Jahwisten Aber das eigentliche Problem liegt noch tiefer: In welchem Sinne ist es überhaupt möglich, nach besonderen Merkmalen des »jahwistischen Stils« oder der »jahwistischen Sprache« zu fragen? Diese Frage hängt mit der anderen eng zusammen: In welchem Sinne ist der Jahwist als »Erzähler« oder »Schriftsteller« zu betrachten ? Versucht man auf diese Frage in der neueren Literatur Auskunft zu bekommen, so ist das Ergebnis äußerst zwiespältig. Es wird heute fast allgemein betont, daß das Werk des Jahwisten eine längere Vorgeschichte hat. Seit Gunkel wird angenommen, daß die Einzelerzählungen zunächst vielfach selbständig existierten, bevor sie zu Bestandteilen größerer Kompositionen — und dann irgendwann auch des jahwistischen Werkes — wurden. Seither sind dann weitere Zwischenstufen in die Diskussion eingeführt worden. Besonders Noth hat mit seiner These, daß es vor dem Jahwisten und dem Elohisten bereits eine »gemeinsame Grundlage« (G) gegeben habe1, weithin Gefolgschaft gefunden. Fohrer hat diese These dahin erweitert, »daß G in verschiedener Weise ausgestaltet worden ist«2, so »daß mit zwei Grunderzählungen zu rechnen ist: einer älteren ersten (G1) und einer jüngeren zweiten Grunderzählung (G2)«3. Damit stellt sich aber die Frage noch dringlicher, welchen Anteil denn der Jahwist und auch die anderen älteren Quellenautoren an der Gestaltung der ihnen zugeschriebenen Texte gehabt haben. Diese Frage hat verschiedene Aspekte. Zunächst hat sie etwas mit der Frage von mündlicher und schriftlicher Überlieferung zu tun4. Für Gunkel war die Sache ziemlich klar: Die Entstehung der Quellenschriften bezeichnet zugleich den Ubergang von der mündlichen zur 61 52

1 2 3 4

Vgl. auch F. Stolz, Das Alte Testament, 1974, 31. Dies vor allem angesichts der Ausführungen von A. Jepsen, Ama h und Schiphcha h , VT 8 (1958), 293—297; vgl. bes. 297: »Es dürfte wohl besser sein, die beiden Worte Î1SX und iiriDtP aus den Argumenten für die Quellenscheidung auszuschalten.« M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 41 f. E. Sellin—G. Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 141. A. a. O. 142. Es geht dabei nicht um die Alternativen, wie sie die Gegner der Urkundenhypothese unter dem Stichwort »oral tradition« entwickelt haben.

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schriftlichen Überlieferung. »Die Sammlung der Sagen hat bereits in mündlicher Überlieferung begonnen«. Ihre Niederschrift wird dann »in einer Zeit erfolgt sein, die überhaupt zum Schriftstellern neigte«. »Die schriftliche Sammlung der Sagen ist . . . in einem langen Prozeß« vor sich gegangen, in dem man »zwei Zeitalter« unterscheiden kann, wobei wir dem älteren »die Sammlungen des Jahvisten (J) und Elohisten (E) verdanken«5. Dies war zugleich das Ende der mündlichen Überlieferung, denn »die schriftliche Fixierung wird dann ihrerseits mit dazu beigetragen haben, die noch vorhandenen Reste mündlicher Überlieferung zu töten«6. Ähnlich urteilt Fohrer: »Entsprechend den von Israel vorgefundenen literarischen Voraussetzungen (. . .) hat es sich in der mündlichen Überlieferung überwiegend um Einzelstücke gehandelt, während die Quellenschichten des Pentateuchs zweifellos schriftlich festgehalten waren.«7 K. Koch hat in seiner Erörterung dieses ganzen Fragenkomplexes8 betont, daß man die Frage des Übergangs von der mündlichen zur schriftlichen Überlieferung »bei jeder Literaturart, ja im Grunde bei jeder literarischen Einheit neu zu stellen« und unterschiedlich zu beantworten habe®. Er vermutet, daß »die volkstümlichen Erzählungen, wie sie von Genesis bis Samuel zu finden sind, erst verhältnismäßig spät niedergeschrieben worden (sind), und mit der Niederschrift hat die lebendige mündliche Weitergabe keineswegs aufgehört«10. Leider sagt er nicht, was er unter »verhältnismäßig spät« versteht und welche Folgerungen daraus für die Pentateuchquellen zu ziehen sind. An anderer Stelle bezeichnet er dann den Jahwisten wiederholt als »Schriftsteller« (ebenso wie den Elohisten)11 und spricht z. B. von »schriftstellerische(n) Klammern«12, die der Jahwist verwendet. So besteht also wohl nur ein scheinbarer Widerspruch zu den zitierten Äußerungen von Gunkel und Fohrer. Die Quellenschriften bzw. -schichten werden also im wesentlichen übereinstimmend als schriftliche Werke vorgestellt. Was ging ihnen voran ? Für Gunkel bedeutete, wie gesagt, die Entstehung der Quellenschriften zugleich den Übergang von der mündlichen zur schriftlichen Überlieferung. Wie steht es nun mit der angenommenen Größe »G« ? Noth läßt die Frage offen und hält sie auch für unentscheidbar. Er betont, »daß diese ihnen (seil. J und E) gemeinsame Grundlage bereits H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 1922 5 = 19667, L X X X . • Ebd. 7 G. Fohrer a. a. O. 40. 8 K. Koch, Was ist Formgeschichte ? 1974 3 , § 7. 8 A. a. O. 106. 10 A. a. O. 104f. 11 A. a. O. 168—162 passim. 12 A. a. O. 160. 6

R e n d t o r f f , Pmtatcuch

7

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eine feste Gestalt gehabt haben muß«, fährt aber fort: »sei es nun, daß sie schriftlich fixiert war, oder sei es, daß sie in mündlicher Weitergabe bereits nach Aufbau und Inhalt sehr ausgeprägt geformt war«13. Ganz ähnlich spricht Kaiser von einer »sei es noch mündlich, sei es schon schriftlich geformten Überlieferung (G)«, aus der »der Jahwist den Grundaufriß für seine Erzählung . . . übernommen hat«14. Fohrer ist hier anderer Meinung: »Es ist wohl anzunehmen, daß G 1 lediglich in mündlicher Überlieferung umgelaufen ist, während G2 bei der Reichsteilung nach dem Tode Salomos wahrscheinlich in schriftlicher Fassung vorgelegen hat.«15 Kaiser verweist im übrigen auf die Vermutungen von Kilian und Fritz, nach denen der Jahwist ebenfalls für bestimmte Überlieferungskomplexe bereits eine schriftliche Vorlage vorgefunden und benutzt hat 16 . In der Frage, ob der Jahwist bereits schriftliche Vorlagen benutzt hat, besteht also keine volle Übereinstimmung; jedoch scheint eine Tendenz erkennbar, diese Frage zu bejahen 17 . Im übrigen zeigt sich, daß in jedem Falle die weitgehende Vorgeprägtheit der Stoffe betont wird18, sei es mündlich oder schriftlich. Häufig wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß man sich die Freiheit eines antiken Schriftstellers wie des Jahwisten keinesfalls annähernd so groß vorstellen dürfe wie die eines modernen, sondern daß er viel stärker an seine Vorlagen gebunden gewesen sei. Gunkel hatte schon betont, daß die Sagen »von den Sammlern im wesentlichen so übernommen worden sind, wie sie sie vorgefunden haben«19, wobei er hier mit den »Sammlern« ausdrücklich J und E meint. Noth schreibt: »die alten Quellen haben sich offenbar auch im wesentlichen einfach im ganzen und einzelnen an die ihnen gegebene Erzählungstradition gehalten«20; ganz ähnlich Fohrer: »Ungeachtet ihrer individuellen Eigenart haben die Verfasser der älteren Quellenschichten sich im ganzen und einzelnen doch an die von ihnen benutzte Überlieferung gehalten.«21 Gibt es dann also so etwas wie einen »jahwistischen Stil« oder eine »jahwistische Sprache«? Gunkel bejaht diese Frage: »Andererseits sind solche Sammler weit davon entfernt, die überlieferten Stoffe ohne jede 13 u 16 16 17 18 19 20

21

M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 1) 41, vgl. auch 248. O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 19702, 76. G. Fohrer, Einleitung (s. o. Anm. 2), 142. Kaiser a. a. O. 76f. Anders H. Schulte, Die Entstehung der Geschichtsschreibung im Alten Israel, 1972,74. Vgl. auch z. B. G. von Rads Auffassung (s. oben S. 3f.). H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 5), LXXXIII. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 1) 248. Trotz dieser Ubereinstimmung mit der Sicht Gunkels lehnt Noth dessen Auffassung der »Quellen« als »Erzähler-Schulen« ausdrücklich ab (a. a. O. 247 Anm. 601). Fohrer a. a. O. (s. o. Anm. 2) 157.

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Das Problem des Jahwisten

Änderung wiederzugeben. Sie haben die Sagen durch ihren Geist hindurchgehen lassen: der einheitliche Sprachgebrauch ist ein deutliches Kennzeichen dafür, daß eine solche Umgießung der Sagenstoffe stattgefunden hat.«22 Hier stoßen wir also wieder auf das Argument des Sprachgebrauchs. Ähnlich bei Fohrer: »In jedem Falle beruhen die Quellenschichten auf der Tätigkeit einzelner Verfasser, die unterschiedliche Sprach- und Stilformen aufweisen.«23 Die Vorgeformtheit der Stoffe war aber bereits soweit gediehen, »daß die endgültige literarische Fassung meist nur sprachlicher und stilistischer Bearbeitung unterlag«24. Noth urteilt zurückhaltender: »So bestand die Arbeit von J und E weithin nur in der Formulierung der überkommenen Erzählungen, wobei freilich zu bedenken ist, daß mit der älteren Tradition auch bereits allerlei Ausdrucksweisen und stilistische Besonderheiten gegeben waren, so daß die alten Quellen nicht zu formal streng geschlossenen Einheiten werden konnten.«26 Noth weist dabei ausdrücklich darauf hin, daß »der knappe bzw. ausgeführte Erzählungsstil ohne den Versuch eines Ausgleichs bei den einzelnen Erzählungen je nach der überkommenen Art in den schriftlichen Fixierungen konserviert worden« sei26. Damit hat er im Grunde genommen das Vorhandensein eines eigenen jahwistischen Stils verneint; denn man kann wohl nicht ernsthaft Texte im »knappen« Erzählungsstil wie etwa Gen 12 10-20 und solche im »ausgeführten« Stil wie Gen 24 unter der gemeinsamen Bezeichnung »jahwistischer Stil« zusammenfassen wollen — ganz zu schweigen von dem »novellistischen« Stil der Josephgeschichte! In jedem anderen Bereich des Alten Testaments würde man es als schweren methodischen Fehler bezeichnen, wenn ein Exeget so grundverschiedene Texte einem gemeinsamen Verfasser oder Autor zuschreiben wollte; vielmehr würde gerade die Verschiedenheit des Stils als Indiz gegen eine gemeinsame Verfasserschaft solcher Texte gewertet werden. Sollen für den Pentateuch andere Maßstäbe gelten ? Oder lassen sich überzeugende gemeinsame Stilmerkmale finden, die trotz dieser grundlegenden Unterschiede die Annahme eines gemeinsamen Verfassers nahelegen ? Von Rad hat sich zu dieser Frage anders geäußert: »Über ein gewisses Behauen der archaischen Profile und über die Setzung ganz bestimmter feiner Akzente ist der Jahwist bei der Gestaltung der Einzelerzählung vielleicht nicht hinausgegangen.«27 Auch Wolff betont, daß »der Jahwist weithin ein getreuer Sammler ist, der die ihm über22 23 24 25 26 27

Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 6) L X X X V . Fohrer a. a. O. (s. o. Anm. 2) 156. A. a. O. 157. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 1) 248. Ebd. Anm. 603. G. von Rad, Das erste Buch Mose, 1972», 21. 7»

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kommenen Stoffe selbst nur wenig redigiert«28. Smend schreibt zu dieser Frage: »Den. Jahwisten müssen wir uns zunächst einfach als pietätvollen Sammler volkstümlicher Überlieferung denken . . . (Er) hat sich großenteils damit begnügt, das Vorhandene wiederzugeben«29. Und nach einem kurzen Überblick über den Gang der Darstellung in der jahwistischen Erzählung heißt es: »Das alles stellt der Jahwist dar, indem er möglichst getreu seine Quellen sprechen läßt«30. Also auch in dieser Frage herrscht keineswegs Einigkeit: Hat der Jahwist die überlieferten Texte selbst noch einmal formuliert oder umgeformt oder in eine andere Form »umgegossen« oder sprachlich und stilistisch bearbeitet, so daß sie jetzt sein charakteristisches Gepräge tragen? Wenn ja, worin liegt dies Charakteristische angesichts der grundlegenden Unterschiede zwischen den einzelnen Erzählungen in Form und Stil? Wenn nein, woher können wir dann wissen, welche Texte vom Jahwisten stammen oder ihm zuzuschreiben sind ? Es ist klar, daß diese Frage erst dann zum Problem wird, wenn man nicht von der als gesichert betrachteten Voraussetzung ausgeht, daß die Urkundenhypothese feststeht und daß demzufolge alles, was nicht der Priesterschrift oder gegebenenfalls dem Elohisten zuzurechnen ist, als jahwistisch betrachtet werden muß31. Wir haben schon früher davon gesprochen, daß heute weithin eine Art Subtraktionsmethode angewendet wird, nach der alles, was nicht aus bestimmten Gründen einer anderen Quelle oder Bearbeitungsschicht zuzurechnen ist, dem Jahwisten zugeschrieben wird32. Wenn man diese Annahme für gesichert hält, kann man natürlich argumentieren, daß sich beim Jahwisten auf Grund der Vielgestaltigkeit der von ihm verwendeten Überlieferungen eben auch eine Vielfalt von Stilformen fände. Man fragt dann nicht: Woran erkennt man die Arbeit des Jahwisten?, sondern: Was kommt alles an Stilformen beim Jahwisten vor — dessen literarischer Bestand schon vorher und unabhängig davon feststeht ? Wer aber doch die erste Frage stellen möchte, weil er die eben beschriebenen Voraussetzungen nicht für gar so sicher hält, bleibt ohne konkrete Antwort. Und was ihm hie und da an Darstellungen der vielfältigen Stilmittel des Jahwisten angeboten wird, ist im Grunde nichts anderes, als eine Beschreibung der »Kunstform der Sagen«, wie 28

29 30 31

32

H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, EvTh 24 (1964), 73—98 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1964, 345—373. 350. R. Smend, Biblische Zeugnisse. Literatur des alten Israel, 1967, 26. A. a. O. 27. Dabei sehe ich hier von der Frage der Aufteilung des Jahwisten auf zwei Quellen und von der Frage nach dem Anteil der Arbeit der »Redaktoren« ab. Siehe oben S. 17 f.; vgl. auch die Argumentation bei W.H.Schmidt, Exodus, 1974, 64.

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sie schon Gunkel für die Genesis geliefert hat. Als Beispiele aus neuerer Zeit mögen die Darstellungen von Cazelles33 und Ellis34 gelten. Grundsätzliche Übereinstimmung scheint hingegen darin zu bestehen, daß ein ganz entscheidendes Charakteristikum des Jahwisten in seiner Anordnung der überkommenen und übernommenen Stoffe liegt. Dies war ja der grundlegende Gedanke in von Rads Entwurf. Allerdings sahen wir schon, daß durch Noths Einschränkungen der tatsächliche Anteil der kompositorischen Leistung des Jahwisten ganz erheblich reduziert worden ist. Daher ist es verständlich, daß die Aussagen zu diesem Punkt in der Literatur meist recht vage bleiben. So heißt es etwa bei Wolff: »Viel deutlicher wird (die Eigenaussage des Jahwisten) in seiner Komposition des tradierten Materials, in seinem Aufriß, in dem er die großen Traditionsblöcke der vorliterarischen Überlieferung teilweise reichlich — wie die Vätertradition —, teilweise kärglich — wie die Sinaitradition — zu Worte kommen läßt. Allerdings liegt darin kein verläßliches Indiz vor, weil wir nicht übersehen, was der Zusammenarbeitung mit dem Elohisten und später mit der Priesterschrift zum Opfer fiel. Davon unabhängig aber ist der Aufriß im ganzen und dabei vor allem der Befund des großen Vorbaus der sogenannten Urgeschichte, die allgemein als seine literarische Leistung angesehen wird.«36 Hier wird m. E. ganz deutlich, wie ein Argument festgehalten wird, obwohl es seine wesentliche Basis und damit seine Überzeugungskraft verloren hat: Für von Rad war die Komposition der »großen Traditionsblöcke« die entscheidende Leistung des Jahwisten. Dieser Gedanke wird von Wolff festgehalten, ja er wird stark betont, indem gerade in dieser »Komposition des tradierten Materials« die »Eigenaussage« des Jahwisten besonders deutlich sein soll. Wolff muß dann aber sofort einschränken und schon im nächsten Satz sagen, daß darin »kein verläßliches Indiz vor (liegt)«, und von der Komposition der großen Traditionsblöcke bleibt als einziges, was »allgemein als seine (d. h. des Jahwisten) literarische Leistung angesehen wird«, der »Befund des großen Vorbaus der sogenannten Urgeschichte«. Man kann also offenbar nach Wolfis Meinung angesichts des gegenwärtigen Textbefundes — und einen anderen haben wir nicht! — nicht konkret angeben, worin die kompositorische Leistung des Jahwisten liegt! Ähnlich ist das Bild bei Fohrer. Nach seiner Auffassung »ist zu beachten, in welchem Maße das einzelne Geschehen in große Zusammenhänge und unter übergreifende Gesichtspunkte gerückt und wie aus den einzelnen Geschichten in weitem Ausblick 'Geschichte' 33 31 36

H. Cazelles, Artikel: Pentateuque, DBS VII 1966, 792f. P. F. Ellis, The Yahwist. The Bible's First Theologian, 1969, 113ff. H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten (s. o. Anm. 28), 350. Vgl. auch R. Smend a. a. O. (s. o. Anm. 29) 26.

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gestaltet wird. Das zeigen sowohl der um die Urgeschichte erweiterte Aufbau des Ganzen als auch die besondere Akzentsetzung von J«36. Weiter heißt es: »Auffällig ist dabei die Mischung der schon erwähnten nationalen mit universalen Gedanken.«37 Als Belege werden angeführt: Gen 8 21 und (ohne ausdrückliche Zitierung) Gen 12 3 (»Die anderen Völker können und dürfen sodann an seinem Segen teilhaben«38). Hier zeigt sich ein weiteres charakteristisches Merkmal der gegenwärtigen Diskussion: Die Argumente für die Kennzeichnung des Jahwisten (auch für seine »Theologie«, s. sofort) werden ganz überwiegend, ja oft fast ausschließlich aus der Genesis entnommen! Ob sich die »besondere Akzentsetzung« von J auch noch an anderen Stellen nachweisen läßt, bleibt unerwähnt. Nach Kaiser hat der Jahwist »in den ihm vorliegenden Traditionen zweifellos das Handeln Jahwes stärker in den Vordergrund gerückt«39. Es wird nicht gesagt, mit welchen Mitteln das geschieht und wo etwa in den vom Jahwisten übernommenen Fassungen das Handeln Jahwes ursprünglich weniger deutlich zum Ausdruck gekommen wäre. »Mittels der Ausgestaltung überkommener Verheißungsmotive und der Art der Verknüpfung der alten Traditionen hat er weiterhin eine Theologisierung erzielt.«40 Es bleibt auch hier bei der unbelegten Behauptung über die »Verknüpfung der alten Traditionen« und die darin liegende Intention41. Zudem heißt es zwei Sätze vorher, »daß (dem Jahwisten) außer dem die verschiedenen Themenkreise miteinander verbindenden Grundaufriß bereits größere Überlieferungskomplexe vorlagen«. Was konnte er da noch »verknüpfen«? Es zeigt sich auch hier wieder jener allgemeine, jedoch diffuse Konsens, den wir schon früher beobachtet haben42: Die eigentliche Leistung des Jahwisten liegt nicht in der sprachlichen und stilistischen Gestaltung der überkommenen Überlieferungen (obwohl es eine solche möglicherweise gegeben hat, wenn man sie auch nicht genau nachweisen kann), sondern in der Komposition der Traditionen (obwohl ihm allerdings weitgehend die Überlieferungszusammenhänge schon vorgegeben waren) und in der Setzung gewisser Akzente (die man allerdings nur an einigen wenigen Stellen43 deutlich erkennen kann). Man kann hier m. E. wieder sehr deutlich erkennen, wie die Gesamt36 37 39 41

42 43

G. Fohrer, Einleitung (s. o. Anm. 2), 163 (mit Berufung auf Weiser). 38 A. a. O. 163f. Ebd. 40 Ebd. O. Kaiser, Einleitung (s. o. Anm. 14), 77. Daß von dem Jahwisten »überkommene (n) Verheißungsmotive (n)« nicht die Rede sein kann, wurde oben gezeigt; vgl. Ziffer 2.3—2.4. Vgl. oben S. 95. H. W. Wolff a. a. O. (s. o. Anm. 28) nennt auf S. 351 dafür fünf höchst »beredte(.) Brückenstücke«, allerdings ausschließlich aus dem Buche Genesis: 6 5-8 8 2lf. 12 1-4 a 18 17-18. 22b-33 (so die richtigen Angaben in EvTh 24, 78).

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konzeption festgehalten worden ist, obwohl immer mehr von den einzelnen Elementen, aus denen das Gebäude einmal bestand, fragwürdig geworden sind oder preisgegeben werden mußten. Das Gebäude wird bei kritischer Betrachtung eigentlich nur noch durch die gemeinsame Überzeugung derer zusammengehalten, für die auf Grund der Forschungstradition, in der sie stehen, die Urkundenhypothese eine feste Gegebenheit ist, an der zu zweifeln ihnen nicht in den Sinn kommt, wenn auch noch so viele Einzelargumente sich als nicht mehr tragfähig erwiesen haben 44 . 3.23 Die Theologie des Jahwisten Aber wir haben ein entscheidendes Argument noch nicht genannt, das heute die Literatur weithin beherrscht: die Theologie des Jahwisten. In den meisten der zuletzt zitierten Beiträge eilt die Darstellung von den wenig konkreten und oft recht summarischen Aussagen über die Komposition weiter zur Behandlung der Theologie des Jahwisten. Es war schon früher davon die Rede, daß von Rad die theologische Leistung des Jahwisten in allererster Linie in der theologischen Komposition gesehen hat, d. h. im Zusammenfügen der bis dahin selbständigen großen Überlieferungskomplexe des Pentateuch bzw. Hexateuch. Es wurde auch schon auf die grundlegende Verschiebung hingewiesen, welche die Beurteilung des Jahwisten als Theologen durch Noth erfahren hat, indem sein Anteil an der Komposition viel geringer eingeschätzt wird und sich seine theologische Arbeit vor allem in einigen wenigen programmatischen Sätzen aussprechen soll. Diese Auffassung Noths hat sich allgemein durchgesetzt. In fast stereotyper Regelmäßigkeit wird von zahlreichen Autoren gesagt, daß man den Jahwisten am besten dort erkennen könne, wo er selbst formuliert, und daß dies eben in jenen programmatischen Aussagen der Fall sei. Auch die Auswahl der Texte ist weithin gleichbleibend: Neben einigen Sätzen in der Urgeschichte (vor allem Gen 6 5 und 8 2if.) sind es vor allem zwei Stellen: Gen 121-3 und 18 22b-33. Die erste der beiden Stellen war schon bei von Rad in ihrer Bedeutung ausführlich herausgearbeitet worden: als Verbindungsglied zwischen der in der Urgeschichte sich darstellenden Menschheitsgeschichte und der mit Abraham beginnenden Geschichte Israels, als »Verklammerung von Urgeschichte und Heilsgeschichte« und als »die Ätiologie aller Ätiologien Israels«1. Dieser Text ist seither oft und ausführlich interpretiert 44

1

So früher auch R. Rendtorff, Literarkritik und Traditionsgeschichte, EvTh 27 (1967), 138—153. G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 72f., Zitate: 73.

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worden; am stärksten hat ihn wohl Wolff in den Mittelpunkt der Theologie des Jahwisten gestellt2. Der zweite Text hingegen, Gen 18 22b-33, spielt in von Rads Darstellung der Theologie des Jahwisten keine Rolle. In seinem Buch »Das formgeschichtliche Problem des Hexateuchs« hat er ihn gar nicht erwähnt; in seinem Genesiskommentar heißt es dann für die beiden genannten Stücke: »Wenn sie nicht geradezu aus seiner (d. h. des Jahwisten) Feder stammen, so stehen sie doch in ihrer ganzen gedanklichen Prägung ihm ungleich näher als die eigentlichen alten Erzählungen.«3 In der Theologie des Alten Testaments findet sich über das zweite Stück (Gen 18 20ff.) jedoch das Urteil: »Der Abschnitt steht ganz isoliert und ist für uns theologiegeschichtlich kaum einzuordnen.«4 Er hat also für von Rad nie konstitutive Funktion für das Verständnis des Jahwisten gehabt, sondern nahm eine isolierte Sonderstellung ein. Anders bei Noth: Für ihn ist dieses Stück »ein selbständiger Beitrag von J«6 und »verdient bei der Analyse der Theologie von J besondere und starke Beachtung«6. Nach Kaiser »dürfen wir (dieses Stück) ganz als sein Eigentum ansehen«, so daß »wir den Jahwisten an dieser Stelle vielleicht am deutlichsten als Theologen erkennen (lernen)«7. Bei Smend heißt es: »Nur einmal, so scheint es, können wir in allen diesen Partien ein längeres Stück fassen, das er ganz selbst geschrieben hat: Abrahams Zwiegespräch mit Jahwe vor der Zerstörung Sodoms«8. Auch bei Fohrer ist dies die einzige Stelle außerhalb der Urgeschichte, die bei der Darstellung der Theologie des Jahwisten ausdrücklich zitiert wird9. Worin liegt nun die Begründung dafür, daß wir es hier mit einem besonders charakteristischen und wichtigen Stück der Theologie des Jahwisten zu tun haben sollen ? Ein erster Grund ist leicht erkennbar: Es handelt sich hier offensichtlich nicht um ein Stück der alten Sagenüberlieferung, sondern um eine theologische Reflexion, die zweifellos erst einem bearbeitenden und interpretierenden Stadium der 2

3 4

6 6 7 8 9

H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, EvTh 24 (1964), 73—98 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1964, 345—373. 351ff. Auffälligerweise fehlt dieser Text bei den Darstellungen des Jahwisten in den Einleitungen in das Alte Testament von Fohrer und Kaiser. G. von Had, Das erste Buch Mose, 19729, 169. G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, I 19624, 408. Der Text fehlt in der neuesten Theologie des Alten Testaments von W. Zimmerli (Grundriß der alttestamentlichen Theologie, 1972). M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 258. A. a. O. 259. O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 19702, 77. R. Smend, Biblische Zeugnisse. Literatur des alten Tsrael, 1967, 27. E. Sellin—G. Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 164.

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Überlieferung zuzurechnen ist. Da dieser Sachverhalt wohl kaum bestreitbar ist, legt sich für viele Exegeten ganz von selbst der Gedanke nahe, daß dieses Stück dem Jahwisten zuzuschreiben sei. Anscheinend spricht nichts für eine der anderen Quellen; deuteronomistisch ist nur der »Zusatz« 18 1910; einem »Redaktor« sind solche differenzierten theologischen Überlegungen nicht zuzutrauen — also bleibt nur der Jahwist, zumal man ein so ausgeprägt theologisches Stück ohnehin am ehesten diesem großen Theologen zuschreiben möchte. Aber worin liegt nun das charakteristisch »Jahwistische« dieses Stücks ? Kaiser zitiert zustimmend einen Satz von Noth, den er sogar »auf die ganze vom Jahwisten erzählte Geschichte« ausdehnen möchte: ». . . es wird deutlich, daß die Menschen in dieser Welt nur durch freies Handeln Gottes selbst gerettet werden können, nicht durch irgendeine eigene Gerechtigkeit, mit der sie sich selbst und andere vor dem göttlichen Gericht bewahren könnten« 11 . Noth verweist darauf, »daß in Sodom . . . sich nicht einmal die 'zehn Gerechten' von v. 32 finden; wahrscheinlich würde sich nicht einmal ein einziger finden«, und er meint, daß damit »der Mensch der jahwistischen Urgeschichte vor uns (steht), wo er eindeutiger und konsequenter als sonst irgendwo im Alten Testament dargestellt wird«12. Ähnlich Smend: »Um das Problem ging es schon in der Urgeschichte, geht es aber auch in anderen Teilen des jahwistischen Werkes: Jahwes, des 'Richters aller Welt', Verhalten gegenüber einer Welt, in der die Gerechtigkeit fehlt oder hoffnungslos unterlegen scheint.«13 Aber wird man damit dem Text gerecht ? Handelt er wirklich von diesem allgemeinen Problem, wie es hier beschrieben wird ? Und ist die Parallelisierung von Sodom und den »Menschen in der Welt überhaupt« 14 wirklich gerechtfertigt ? Noth beschreibt vorher das Problem ganz anders: Es ist »das Bemerkenswerte an dieser Erörterung . . ., daß das 'Rechttun' des 'Richters der ganzen Erde' (v. 25) nach der implicite von Jahwe bestätigten Meinung Abrahams darin bestehen würde, daß er nicht etwa die 'Gerechten' und die 'Gottlosen' gegeneinander auszählt, sondern daß für ihn selbst ganz wenige 'Gerechte' so viel Gewicht haben, daß um ihretwillen die große Menge der 'Gottlosen' ungestraft bliebe, statt daß umgekehrt auch nur vereinzelte 'Gerechte' in ein die 'Gottlosen' treffendes Gericht mit hineingezogen würden« 16 . Um dieses Problem geht es aber in der Urgeschichte gerade nicht! Dort wird nirgends der Gedanke erkennbar, daß die Gerechtigkeit Noahs einen Einfluß 10 11 12 13 14 16

Vgl. z. B. M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 5) 259 Anm. 627. M. Noth a. a. O. 269, bei O. Kaiser zitiert: a. a. O. (s. o. Anm. 7) 81. M. Noth ebd. R. Smend a. a. O. (s. o. Anm. 8) 27. So M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 6) 259. A. a. O. 258f.

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auf den Vernichtungsbeschluß Jahwes haben könnte. Und auch »in anderen Teilen des jahwistischen Werkes« (Smend) tauchen solche Überlegungen nicht auf. Für die von Noth (und Kaiser) gemachte Aussage, daß der Mensch »nicht durch irgendeine Gerechtigkeit« gerettet werden könne, würde sich als Parallele aus dem Pentateuch am ehesten Dtn 9 4f. anbieten, wo es ausdrücklich heißt: »nicht um deiner Gerechtigkeit willen«. Wolff möchte in unserem Abschnitt eine erstmalige Entfaltung des jahwistischen Themas von Gen 12 3 sehen, »wie denn in AbrahamIsrael der Segen zu den vom Tode Bedrohten kommen kann. Seine Antwort lautet: im unermüdlichen, fürsprechenden Einsatz AbrahamIsraels für die, die dem Tode verfallen sind.«16 Aber die genaueste Parallele zu dieser Vorstellung von Abraham als Fürbitter wäre doch wohl die »elohistische« Stelle Gen 20 7.1717! Die Fürbitte des »jahwistischen« Mose für die Ägypter hingegen geschieht, damit Pharao das alleinige Gottsein und die Macht Jahwes erkennt (Ex 8 6 9 29); dem gleichen Zweck können aber auch gerade die Plagen dienen (818 914 117); und als die ägyptische Erstgeburt schließlich dem Tode verfallen ist, bleibt die Fürbitte aus. So fällt es schwer, in Gen 18 22b-33 das Zeugnis einer Theologie zu finden, die für das Werk des Jahwisten charakteristisch ist. Klar ist hingegen, daß dieser Abschnitt im Zusammenhang mit den Erörterungen über das Verhältnis von kollektiver (oder korporativer) zu individueller Gerechtigkeit gesehen werden muß, wie sie besonders bei Hesekiel geführt werden. Man mag es dahingestellt sein lassen, ob die Auffassung dieses Textes »noch fern von der späteren, vielfach doktrinären individualistischen Lösung« dieser Frage18 steht oder sich schon »auf dem Wege von der korporativen zur individuellen Verantwortung und Haftung befindet, wie Ez 18 sie formuliert«19. Für von Rad ist es »ein einsamer Durchstoß, der an die Stelle des alten Kollektivdenkens ein neues gesetzt hat, das von der stellvertretend bewahrenden Funktion der D^TS ausging«. Er sieht ihn »über viele Generationen hinweg« in einem Zusammenhang mit den Aussagen über den »Gottesknecht, der 'für die Vielen' Rettung schafft (Jes 53 5.10)«20. Aber ist diese Stelle wirklich so »einsam«? Mir scheint, daß die wesentliche Beziehung weniger die zu der Erörterung über die indi16 17

18 19 20

H. W. Wolff a. a. O. (s. o. Anm. 2) 362. Zur Inanspruchnahme von Gen 20 7 für den »Elohisten« vgl. H. W. Wolff, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 29 (1969), 59—72 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 19732, 402—417. 416. So M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 258. So G. Fohrer, Einleitung (s. o. Anm. 9), 164. G. von Rad, Theologie I (s. o. Anm. 4), 408.

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viduelle Verantwortung als solche in Ez 18 ist als vielmehr die zu Ez 1412ff., über die von Rad m. E. zu schnell hinweggeht. Denn dort steht offenbar genau diese Frage dahinter: Können wenige Gerechte bewirken, daß eine ganze Gemeinschaft vor dem Gericht Gottes bewahrt wird ? Die negative Antwort, die in Ez 14 gegeben wird, ist doch nur verständlich, wenn die Hörer des Propheten mit dieser Möglichkeit rechnen. Man könnte etwas überspitzt sagen: Die Zeitgenossen Hesekiels kennen das auch in Gen 18 verhandelte Problem, ob wenige Gerechte eine ganze Gemeinschaft retten können. Aber Hesekiel verneint dies: Selbst so exemplarische Gerechte wie Noah, Daniel und Hiob könnten das nicht vollbringen; sie würden nur selbst gerettet werden (Ez 1414.16.18. 20). Es muß hier offen bleiben, ob Hesekiel diese These überhaupt theologisch für falsch hält, oder ob er nur der Meinung ist, daß jetzt die Zeit gekommen ist, wo selbst das Eintreten solcher exemplarischer Gerechter das Gericht nicht mehr abwenden kann 21 ; deutlich ist jedenfalls, daß die theologischen Reflexionen von Gen 18 22bff. und die von Ez 14 i2ff. in einen gemeinsamen überlieferungsgeschichtlichen Zusammenhang hineingehören22. Was bleibt von der »Theologie des Jahwisten« ? Hier muß zunächst noch eine Bemerkung eingefügt werden: Häufig findet man paraphrasierende Darstellungen der theologischen Gesamtkonzeption des Pentateuch bzw. Hexateuch, die als die Theologie des Jahwisten ausgegeben werden. Darin zeigt sich, daß sich für viele Autoren — nicht zuletzt dort, wo für einen weiteren Leserkreis geschrieben wird — die Vorstellung vom Jahwisten als dem großen Theologen, der dem Pentateuch das entscheidende Gepräge gegeben hat, schon weitgehend von den literarkritischen Problemen der Urkundenhypothese gelöst und verselbständigt hat. Deshalb sei hier ausdrücklich gesagt, daß keineswegs die Möglichkeit bestritten werden soll, zusammenfassende theologische Aussagen über den Pentateuch im ganzen zu machen. Vielmehr ist hier auch bei der Frage der »Theologie« zunächst im methodisch strengen Sinne vom Jahwisten als einer »Quelle« oder »Quellenschicht« die Rede, wie die Urkundenhypothese sie versteht. Was gegebenenfalls an seine Stelle treten könnte, ist eine spätere Frage. Was bleibt also von der »Theologie des Jahwisten«? Die große Kompositionsleistung, in der von Rad seine theologischen Intentionen erkennen zu können meinte, wird ihm nicht mehr zugestanden. Auch 21 22

V . 22 M Vgl. dazu schon J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 18993, 25f., der Gen 18 22bir. für einen »Einsatz« hält und als »Motiv« dafür eine »Stimmung« sieht, die »das jüdische Volk in der Zeit (beherrschte), als Jeremias und Ezechiel weissagten und das Buch Tob entstand« (26). G. von Rad, Theologie I (s. o. Anm. 4), 408 stellt die Nähe zu Jes 63 5. 10 heraus.

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im einzelnen war das meiste vorgeformt. Sprache und Stil hat er weitgehend von seinen Vorlagen übernommen. Und die einzelnen programmatischen Äußerungen können nur in einem sehr begrenzten Umfang für ihn in Anspruch genommen werden — und dies auch nur ganz am Beginn seines Werkes. So entspricht es durchaus der gegenwärtigen Forschungslage, wenn die Theologie des Jahwisten aus dem einen programmatischen Stück Gen 12 1-3 heraus entwickelt 23 oder fast völlig auf die Urgeschichte beschränkt wird 24 . Eine theologische Konzeption, die den ganzen Pentateuch umfaßt und überzeugend als die des Jahwisten ausgewiesen werden kann, läßt sich offenbar nicht darstellen. Hier muß nun noch auf einen eigenartigen Sachverhalt aufmerksam gemacht werden: Obwohl die Versuche, eine Theologie des Jahwisten darzustellen, ganz überwiegend von der Genesis ausgehen, spielt in ihnen das Element der göttlichen Verheißungsreden an die Erzväter eine erstaunlich geringe Rolle. Dabei hegt es doch ganz offen zutage, daß gerade in ihnen in einer besonders konzentrierten Form theologisch reflektiert und geredet wird. Aber offenbar eignen sie sich nicht dazu, aus ihnen eine Theologie des Jahwisten zu entwickeln. Im Gegenteil: sie stellen fast eine Verlegenheit dar. So muß etwa Wolff bei seinem Ansatz von Gen 12 1-3 her erklären, die Landverheißung, die doch so offenkundig die ganze Väterüberlieferung durchzieht, sei »zu einem erzählerischen Nebenzug geschrumpft« und gehöre »nicht in den Bereich seines besonderen Interesses«25. Und zu der Abraham-Lot-Erzählung in Gen 13, bei der es in ihrem jetzigen erzählerischen Bestand ganz zentral um die Landzusage an Abraham geht, schreibt Wolff: »Der Gesegnete wird zum Segen, indem er dem anderen in Freiheit gutes Land läßt.«26 Er wechselt also das in dem Text ausdrücklich genannte Thema der Landverheißung gegen das in ihm nicht enthaltene, sondern aus 12 1-3 entnommene »jahwistische« Thema des Segens aus, um den Text im Rahmen der jahwistischen Theologie, wie er sie sieht, interpretieren zu können. 23 24

25

So z. B. bei H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten (s. o. Anm. 2). So z. B. bei W. Zimmerli, Grundriß der alttestamentlichen Theologie, 1972, 147—152 (vgl. auch das Register); bei O. H. Steck, Genesis 12 1-3 und die Urgeschichte des Jahwisten, Probleme biblischer Theologie, FS von Rad, 1971, 625—554 oder bei L. Rost, Zum geschichtlichen Ort der Pentateuchquellen, ZThK 53 (1956), 1—10 = Das kleine Credo und andere Studien zum Alten Testament, 1965, 25—35.

H. W. Wolff a. a. O. (s. o. Anm. 2) 355 mit Anm. 37. Wenn er 12 7 als »Traditionsgut« (ebd.) bezeichnet, so befindet er sich zwar in Übereinstimmung mit M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 252, nicht jedoch mit G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. o. S. 2 Anm. 4), 68 mit Anm. 85. 2 « A. a. O. 363.

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Aber auch bei anderen Autoren ist in diesem Zusammenhang von den Verheißungen kaum die Rede. Und wo diese selbst zum Thema gemacht werden, wie etwa bei Westermann, spielen umgekehrt die »Quellen« keine Rolle; diese Frage wird »nur gelegentlich berührt«27. Es gibt also offensichtlich in der Genesis einen großen Bereich sehr ausdrücklicher theologischer Aussagen, die nicht oder kaum in Betracht gezogen werden können, wenn man nach der »Theologie« der »Quellen« fragt, während umgekehrt diese Theologie oft aus sehr indirekten Hinweisen erschlossen werden muß28. 3.24 Gründe gegen die Annahme eines jahwistischen Werkes Damit kehren wir an den Ausgangspunkt der Überlegungen dieses Kapitels zurück. Wir hatten die Frage gestellt, ob sich Hinweise auf eine vordeuteronomische Bearbeitung oder Gestaltung des Pentateuch im ganzen erkennen lassen. Da in der heutigen Pentateuchforschung diese Funktion allgemein den Pentateuch»quellen« zugeschrieben wird, mußte an dieser Stelle gefragt werden, wie sich unsere bisherigen Beobachtungen zur Konzeption der »Urkundenhypothese« verhalten. Wir hatten dem die allgemeinere Frage nach dem gegenwärtigen Stand der Pentateuchforschung im Blick auf die Quellenfrage vorangestellt und waren dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Übereinstimmung in den wesentlichen Grundfragen sehr viel geringer ist, als allgemein behauptet wird, und daß sich in den zutage tretenden Unsicherheiten eine ganz offenkundige Schwäche der ganzen Theorie zeigt, die vielfach wohl nur auf Grund des Schwergewichts der Tradition noch nicht in das Bewußtsein gedrungen ist. Dies gilt zunächst insbesondere für den Jahwisten. Gerade im Blick auf ihn zeigt sich, daß einige allgemeine Grundvoraussetzungen als durchweg anerkannt gelten, daß sich dann aber bei der konkreten Ausfüllung dieses allgemeinen Rahmens unvereinbare Gegensätze ergeben, die deutlich machen, daß die behauptete Übereinstimmung im Grundsätzlichen in Wirklichkeit weithin nicht mehr besteht. Davon werden nicht zuletzt auch die Versuche betroffen, die »Theologie des Jahwisten« herauszuarbeiten. Diese Frage ist insofern für unser Thema von besonderer Bedeutung, als die Frage nach der »Theologie« des Jahwisten in aller Regel zugleich verstanden wird als die Frage nach seiner Gesamtkonzeption, 27

28

C. Westermann, Arten der Erzählung in der Genesis, Forschung am Alten Testament, 1964, 9—91. 12 mit Anm. 1 auf S. 13. Vgl. H. W. Wolff a. a. O. (s. o. Anm. 2) 363 zu Gen 22 I6f.: »Das ist eine Anleitung dazu, Stücke, in denen das Thema (seil. Segen) nicht direkt anklingt, im Sinne des Jahwisten zu verstehen.«

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nach den das Ganze des Pentateuch umspannenden theologischen Leitgedanken. So könnte und müßte also genau hier der Punkt sein, an dem sich unsere Fragestellung mit den Thesen der bisherigen Pentateuchforschung berührt. Nun hatten wir schon festgestellt, daß bei den verschiedenen Versuchen, die Theologie des Jahwisten zu erheben, die Verheißungsreden der Vätergeschichten eine auffallend geringe Rolle spielen. Wenn unsere Beobachtungen zutreffen, daß sich gerade in ihnen eine sehr intensive theologische Bearbeitung und Interpretation der Vätergeschichten erkennen läßt, die zudem nicht in einem Zuge erfolgt ist, sondern verschiedene Stadien und Schichten aufweist, muß sich die Frage stellen, wie sich eine etwaige theologische Arbeit des Jahwisten dazu verhält. Dabei fällt auf, daß der Abschnitt Gen 12 1-3, der allgemein als zentrale Aussage der Theologie des Jahwisten gilt, keines der selbständigen Themen der Verheißungsreden an die Erzväter enthält; denn das Element des Segens ist ja, wie schon Westermann gezeigt hat, kein selbständiges Verheißungsthema. V.3 gehört, wie wir sahen, einem Überlieferungsstadium an, das die einzelnen Vätergeschichten miteinander verknüpft: Abraham (Gen 12 3) und Jakob (28 14) sollen zum Segen für alle Geschlechter der Erde werden. Dies ist aber noch nicht das Endstadium des Überlieferungsvorgangs, denn in der Verknüpfung der Abrahamgeschichte mit der Isaakgeschichte zeigt sich die weiterentwickelte Form dieser Verheißung, in der nicht der Erzvater selbst, sondern sein »Same« Segensmittler für die Völker sein soll (Gen 22 18 264). Gen 12 3 repräsentiert also ein Stadium innerhalb der Geschichte der theologischen Bearbeitung und Interpretation der Vätergeschichten, aber nicht das abschließende. Andere Texte, die dem Jahwisten zugeschrieben werden, gehören anderen Überlieferungsstadien an. So weist z. B. Gen 12 7 die spätere Form der Landverheißung auf, bei der der »Same« Verheißungsträger ist; die wörtlich gleiche Formulierung findet sich in Gen 15 18, einem Vers, der in seiner Quellenzugehörigkeit durchweg ganz anders beurteilt wird. Andere Verheißungsreden sind in sich mehrschichtig, so z. B. Gen 13 14-17 und 2813-15 — wobei es wenig einleuchtet, wenn diese beiden Texte, die vielfältige Gemeinsamkeiten aufweisen1, verschiedenen Quellen zugewiesen werden2. Dies letztere zeigt sich auch an anderen Stellen: So werden z. B. die Führungszusagen an Jakob in 1 2

Vgl. oben S. 51f. u. 54. O. Eißfeldt und G. Fohrer weisen Gen 13 14-17 der Quelle L (bzw. N) und Gen 28 13-15 der Quelle J zu: O. Eißfeldt, Hexateuch-Synopse, 1922 = 19622, 21* u. Ö2*f; G. Fohrer in Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 175 u. 160. Vgl. auch M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 29 f., wo er auf S. 29 Gen 13 14-17 dem Jahwisten nur in Klammern zuspricht.

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Gen 28 15 31 3 und 46 2-4, die offensichtlich zusammengehören3, verschiedenen Quellen zugewiesen4. Diese Beispiele sollten zunächst nur zeigen, daß sich unsere Beobachtungen zur theologischen Bearbeitung der Vätergeschichten kaum mit der Annahme einer »Theologie des Jahwisten«, wie sie heute vielfach vertreten wird, in Einklang bringen lassen. Die Unvereinbarkeit zeigt sich noch deutlicher, wenn wir jetzt noch einmal die Frage aufgreifen, welchen Beitrag zum Verständnis der zusammenfassenden Bearbeitung und Interpretation des Pentateuch im ganzen die Annahme einer jahwistischen Theologie leisten kann. Wir haben schon früher auf die auffallende Tatsache aufmerksam gemacht, daß keine erkennbaren Beziehungen zwischen den Vätergeschichten und den nachfolgenden Überlieferungskomplexen des Pentateuch bestehen und daß erst in einer deuteronomisch geprägten Bearbeitungsschicht ausdrückliche Querverbindungen hergestellt worden sind. Besonders auffallend ist dabei die Tatsache, daß in Ex 3 8 das Land, in das Jahwe die Israeliten nach ihrer Herausführung aus Ägypten bringen will, als ein unbekanntes und von fremden Völkern bewohntes Land beschrieben wird, ohne daß dabei mit einem Wort erwähnt wird, daß die Väter schon lange in diesem Land gewohnt haben und daß es ihnen in immer wiederholten Verheißungen als Besitz für sie selbst und ihre Nachkommen zugesagt worden ist. Selbst wenn man, wie Noth es tut, bei diesem Textzusammenhang einer eindeutigen Quellenzuweisung ausweicht8, so bleibt doch in jedem Fall die Tatsache bestehen, daß auch im gesamten übrigen Pentateuch die Väter und die an sie ergangenen Verheißungen in keinem einzigen Text erwähnt werden, der von der herrschenden Pentateuchkritik dem Jahwisten (oder überhaupt einer der »alten« Quellen!) zugeschrieben wird. Es ist aber schlechterdings nicht vorstellbar, daß der Jahwist all die theologischen Bemühungen, die er mit den göttlichen Verheißungen an die Erzväter in ihren vielfältigen Formen unternommen hat, nun plötzlich vergessen oder bewußt verschwiegen haben sollte. Der Sachverhalt läßt sich m. E. überhaupt nicht anders deuten, als daß es einen »Jahwisten«, der sowohl die Vätergeschichten als auch die nachfolgenden Überlieferungskomplexe gestaltet und überliefert hat, nicht gibt. Diese Feststellung ergänzt die oben ausführlich dargelegten Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten der gegenwärtigen Auffassungen vom »Jahwisten« aufs beste. Denn es zeigt sich nun, daß es nicht 3 4

5

Vgl. oben S. ò l i . : auch 3111.13 gehören dazu. Gen 28 15: J (Eißfeldt a. a. O. 63*; Fohrer a. a. O. 160; Noth a. a. O. 30); Gen 31 3: L bzw. N (Eißfeldt 60*; Fohrer 175), J (Noth 30); Gen 46 2-4: E / J (Eißfeldt 94*), J (Noth 38), E (Fohrer 167). M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 2) 31 f. mit Anm. 103.

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nur heute schwierig oder fast unmöglich ist, sich darüber zu einigen, was man im einzelnen dem Jahwisten zuweisen, wie man sein Werk abgrenzen und wie man Arbeitsweise und Intention dieses Werkes bestimmen will, sondern daß es schwerwiegende, ja m. E. zwingende Gründe gegen die Annahme eines jahwistischen Werkes im Sinne der Urkundenhypothese, d. h. eines den ganzen Pentateuch umfassenden, zusammenhängenden Erzählungswerkes überhaupt gibt. 3.3 DAS PROBLEM E I N E R PRIESTERSCHRIFTLICHEN ERZÄHLUNG IN DEN VÄTERGESCHICHTEN

Bevor wir die abschließenden Folgerungen aus den Überlegungen zum »Jahwisten« ziehen, wollen wir uns zunächst noch der Frage zuwenden, wie es mit der anderen Hauptquelle des Pentateuch steht, in deren Ausgrenzung scheinbar Einigkeit herrscht, der »Priesterschrift«. Es war schon davon die Rede, daß es unter den Exegeten diametral entgegengesetzte Auffassungen über die Frage gibt, ob und in welchem Umfang kultgesetzliche Bestandteile mit den erzählenden zusammengefaßt werden sollen. Noth vertritt hier den extremsten Standpunkt, indem er überhaupt nur die erzählenden Bestandteile mit dem Siglum P versehen will. Er fordert, daß von all den nicht erzählerischen Stücken mit kultisch-rituellem Interesse »bei der Behandlung der P-Erzählung. . . jedenfalls völlig abzusehen« sei1. Er fährt dann fort: »Diese letztere erweist sich damit viel entschiedener und eindeutiger als eine Erzählung, als es nach der herkömmlichen Anwendung des Siglums P erscheinen könnte.«2 Ein erstaunlicher Zirkelschluß! Wenn man alles nicht erzählerische Material ausscheidet, »erweist« sich der Rest »viel entschiedener und eindeutiger« als Erzählung. Was »erweist« sich hier? Doch nur dies, daß Noth seine Auffassung konsequent durchführt, indem er alle Texte, die ihr entgegenstehen, ausscheidet. Aber wie dem auch sei, die Auffassung, daß die Priesterschrift ein Erzählungswerk sei, wird heute fast allgemein geteilt. Das schließt die Auffassung ein, daß P eine ursprünglich selbständige, zusammenhängende Darstellung der Ereignisse von der Schöpfung an biete; nur die Frage des Abschlusses ist umstritten: ob das Werk mit dem Tod des Mose in Dtn 34 endet, oder ob ihm noch Bestandteile der Landnahmeüberlieferungen im Buch Josua zuzurechnen sind. Für unsere Fragestellung ist wichtig, daß mit einer zusammenhängenden, mehr oder weniger lückenlosen P-Erzählung gerechnet wird. 1 2

M. Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 9. Ebd.

Das Problem einer priesterlichen Erzählung in den Vätergeschichten

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Auch eine weitere These Noths hat vielfach Zustimmung gefunden. Noth nimmt an, daß der Redaktor, der die Pentateuchquellen zusammengefügt hat, P als Grundlage und Rahmen verwendet und das Erzählungsmaterial der älteren Quellen in diesen Rahmen eingefügt hat. Das ist vor allem auch insofern wichtig, als sich daraus die Folgerung ergibt, »daß nur für sie (d. h. die P-Erzählung) . . . das vollständige Erhaltensein des ursprünglichen Bestandes und daher ein lückenloser Zusammenhang der ausgeschiedenen Elemente zu erwarten ist«3. Wie steht es nun mit dem »lückenlosen Zusammenhang« der P-Erzählung? Überprüfen wir die Frage an den Vätergeschichten! Für sie muß Noth selbst mit einem »äußerst mageren P-Bestand«4 rechnen. Und er sieht sich sofort genötigt, seine eigenen Grundsätze in Frage zu stellen. 3.31 Die Geschichten von Joseph und Isaak Beginnen wir mit der Josephgeschichte. Sie ist offenbar nicht »lückenlos« erhalten. Vielmehr haben wir »von der für die P-Erzählung vorauszusetzenden summarischen Zusammenfassung der Josephgeschichte . . . außer der Einführung in Gen 37 l. 2 nur noch die kurze Notiz Gen 4146 a«1. K. Elliger hat sich über den fragmentarischen Charakter dieser Überlieferung großzügig hinweggesetzt: Nach ihm »geht es (hier) über die Mitteilung des Notwendigsten nicht hinaus. Joseph macht sich seinen Brüdern verhaßt, wird nach Ägypten verkauft, durch Pharao erhöht«2. Sucht man in der von Elliger selbst mitgeteilten Tabelle3 des P-Bestandes nach dem Beleg für das »wird nach Ägypten verkauft«, so findet man dort nur eine Lücke! P. Weimar hat sich jüngst auch mit diesen Texten befaßt. Er hat die Lücke festgestellt, wenn sie auch nach seiner Auffassung »nicht allzu umfangreich gewesen sein (dürfte)«4. Er gibt sogar einen eigenen Rekonstruktionsvorschlag für den »durch R p gestrichene (n) Text« und stellt dann befriedigt fest, daß sich dieser von ihm selbst verfaßte Text »bruchlos« in die Lücke einfügt6. Im übrigen ist Weimar der Meinung, 3 4 1

2

3 4

A. a. o . 17. A. a. O. 12. M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 13f. Gen 4146 a ist in Fohrers Zusammenstellung der Quellenschicht P nicht enthalten, vgl. G. Fohrer in: Sellin-—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 195. K. Elliger, Sinn und Ursprung der priesterlichen Geschichtserzählung, ZThK 49 (1952), 121—143.124 = Kleine Schriften zum Alten Testament, 1966, 174—198.177. A. a. O. 121 f. = 174f. P. Weimar, Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte, ZAW 6 A. a. O. 195 Anm. 86. 86 (1974), 174—203. 195. R e n d t o r f f , Pentateuch

8

114

Kritik der Pentateuchkritik

daß von einer eigenständigen Josephgeschichte bei P nicht gesprochen werden könne: »Die Mitteilungen über Josef tragen kein eigenes Gewicht; sie wollen nur erklären, warum Jakob nach Ägypten wegzog.«6 Wir haben hier also den Sachverhalt vor uns, daß nur ganz wenige Bemerkungen zum Thema »Joseph« von den Exegeten zu P gerechnet werden können, daß aber gleichwohl das Vorhandensein eines ursprünglich selbständigen Erzählungszusammenhanges postuliert wird — und sei er noch so spärlich! Es muß diesen Zusammenhang geben — weil ja P eine zusammenhängende, lückenlose Darstellung geboten hat. Hier wird wieder offenkundig im Zirkel gedacht. Die Möglichkeit, daß es diesen Erzählungszusammenhang vielleicht nicht gegeben haben könne, wird gar nicht erwogen, obwohl sie den vorliegenden Sachverhalt mühelos erklären würde. Welches sind die Gründe, die die Zuweisung der Verse Gen 37 2 und 41 46a zu P veranlassen? Einerseits die Altersangaben: in beiden Versen wird das jeweilige Alter Josephs angegeben, und derartige Angaben gelten nach der herrschenden Auffassung als Kennzeichen von P. Aber es werden dann noch andere Gründe genannt. So sieht Holzinger, dem Gunkel darin folgt, in der Hinzufügung der Worte »König von Ägypten« zu »Pharao« in Gen 4146 a einen »unnötige (n) und pedantische (n) Zusatz«, der »charakteristisch« für P sei7. Solche Wertungen — oder besser: Abwertungen — des Schriftstellers P finden sich häufig, ohne daß jemals die Kriterien dafür angegeben würden; sie dienen aber gleichwohl als allgemein akzeptierte Merkmale zur Bestimmung der P-Stücke8. Zu Gen 37 2 wird festgestellt, daß in der Motivierung der Feindschaft der Brüder gegen Joseph ein Unterschied oder Gegensatz zu der in v. 3 beginnenden Erzählung bestünde: Nach v. 3ff. liegt der Grund für die Feindschaft in der Bevorzugung Josephs durch Jakob, nach v. 2 hat er aber selbst dazu Anlaß gegeben. Daß der Vers deswegen zu P gehören muß, läßt sich allerdings schwer begründen. Holzinger kommt nach Feststellung der Spannungen nur zu dem Schluß: »dann bleibt für 2b nur P«; und der ganze v. 2 ist nach Ausscheidung von sekundären Elementen »einheitlich und für P möglich«9. Gunkel hat weniger Skrupel: »37 2 gehört ganz zu P«10. Er erfindet phantasievoll eine ganze Erzählung, deren Anfang • A. a. O. 196; vgl. auch: H. Cazelles, Artikel: Pentateuque, DBS V I I 1966, 831 und E. A. Speiser, Genesis, 1964, 292. Nach G. Fohrer ist in P »die Ur- und Patriarchengeschichte . . . auf eine Einleitung zur Sinaioffenbarung reduziert«: Sellin—Fohrer, Einleitung (s. o. Anm. 1), 197. 7

H. Holzinger, Genesis erklärt, 1898, 219; vgl. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 19667, 492.

8

Siehe dazu unten zu 16 l : S. 124.

• Holzinger a. a. O. (s. o. Anm. 7) 224.

10

Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 7) 492.

Das Problem einer priesterlichen Erzählung in den Vätergeschichten

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hier angeblich vorliegt, und weiß auch die Gründe anzugeben, warum P hier gegenüber den älteren Quellen geändert hat 11 . Nur leider existiert diese Erzählung nicht mehr. Man wird also nüchtern feststellen müssen, daß für den Exegeten, der nicht vorher davon überzeugt ist, daß es eine P-Josephgeschichte geben muß, eine solche nicht existiert. Für Isaak liegen die Dinge scheinbar einfach: »In der Geschichtsdarstellung der Priesterschrift fehlt eine gesonderte Isaaksgeschichte.« 12 Allerdings muß das doch sehr verwundern. Man muß doch als sicher voraussetzen, daß in der vermuteten Entstehungszeit von P die Vätergenealogie Abraham-Isaak-Jakob längst feststand. Wie konnte P dann einfach auf eine Isaakgeschichte verzichten ? Gunkel hat dieses Problem empfunden: »Eigentümlich ist, daß P unter der Überschrift "Stammbaum Isaaqs' im wesentlichen die /ayoögeschichten und dann unter der Überschrift 'Stammbaum Jaqobs' die Josephsagen erzählt. Diese wunderliche Verschiebung ist deshalb eingetreten, weil P über Isaaq nichts Rechtes zu sagen wußte, andererseits aber aus Ordnungsliebe sich verpflichtet fühlte, eine Rubrik für Isaaq anzusetzen und auszufüllen« 13 . Merkwürdig genug, daß P, der doch nach allgemein herrschender Auffassung die älteren Quellen kannte, über Isaak »nichts Rechtes zu sagen wußte«! Daß ihm etwas herablassend wenigstens »Ordnungsliebe« attestiert wird, entspricht dem Bild von P als einem zweitklassigen, aber redlich bemühten Schriftsteller, wie es sich vielfach in der Exegese eingebürgert hat. Aber die Isaakgeschichte fehlt trotzdem 14 . 3.32 Die Jakobgeschichte Wie steht es mit der Jakobgeschichte? Weimar schreibt: »Die Jakobsgeschichte wird mit der (!) Toledot Ismaels Gen 25 12-17 eröffnet.« 1 Ein schwer verständlicher Satz! Wie kann eine Überschrift, die Ismael nennt, Einleitung einer Jakoberzählung sein? Abgesehen davon, daß Weimar selbst wenig später den Abschnitt Gen 2512-17 ausdrücklich als »Ismael-Geschichte« bezeichnet, ohne den Widerspruch aufzulösen, gibt dieser Satz nur das bereits von Gunkel beschriebene 11 12

13 14

1

Ebd. Weimar a. a. O. (s. o. Anm. 4) 175. Vgl. auch W. Groß, Jakob der Mann des Segens. Zur Traditionsgeschichte und Theologie der priesterschriftlichen Jakobsüberlieferungen, Bib. 49 (1968), 321—344. 321f. Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 7) 386. Unverständlich ist mir, wie Weimar a. a. O. (s. o. Anm. 4) 183, davon reden kann, daß die Toledot-Formel in Gen 25 19 »von Pg der ganzen Isaak-Geschichte als Überschrift und Struktursignal (?) vorgefügt« worden sei, obwohl er doch selbst auf S. 175 das Fehlen der Isaak-Geschichte in P konstatiert hatte. P. Weimar, Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte, ZAW 86 (1974), 174—203.176. 8*

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Kritik der Pentateuchkritik

Dilemma wieder2. Wenn man die zu P gerechneten »Toledot«-Überschriften als Gliederungsmerkmale einer zusammenhängenden und kontinuierlichen P-Erzählung verstehen will, kommt man in unauflösliche Schwierigkeiten. Anders ausgedrückt: einen erkennbaren Anfang einer P-Jakoberzählung gibt es nicht. Wie geht es weiter? Früher rechnete man noch manche Textsplitter in der Geschichte von Jakob und Esau zu P 3 , jetzt heißt es aber unter Berufung auf Elliger u. a.: »Unter Aussparung des Aufenthaltes Jakobs in Paddan-Aram setzt Pe erst wieder mit dem Aufbruch Jakobs von dort ein (31 isaß.b)«4. Dies ist nun eine bemerkenswerte Zumutung für den Leser: Nach P hätte Isaak in ungewöhnlich ausführlicher Rede und mit höchst gewichtigen Gründen Jakob veranlaßt, sich keine Frau »aus den Töchtern Kanaans« zu nehmen, sondern zu diesem Zweck nach Paddan-Aram in das Land der Familie seiner Mutter zu ziehen, und hätte ihn mit einem weit ausholenden Segenswunsch entlassen (Gen 27 46—28 5). Dann aber hätte P es nicht für nötig befunden, auch nur die Ankunft Jakobs in Paddan-Aram zu registrieren, geschweige denn den Vollzug des Heiratsauftrags zu berichten, sondern sich mit einer Notiz über den Aufbruch von dort begnügt. Elliger überspielt dieses Dilemma, indem er schreibt: »Jakob gehorcht, indem er sich bei den Verwandten seiner Mutter nach einem Weibe umschaut.«6 Er vertuscht mit dieser Formulierung die Tatsache, daß von der Ausführung eben nichts berichtet wird. Aber wie steht es nun mit dem ganz isoliert stehenden Vers Gen 31 i8aß.b, der jetzt die ganze Last der These von einer kontinuierlichen Jakobgeschichte bei P tragen muß? Offensichtlich ist den Exegeten bei ihm auch nicht recht wohl. Nach Noth haben wir hier »die seltene Erscheinung eines P-Fragments, dem die jetzt fehlende P-Notiz über die Heiraten Jakobs vorausgegangen sein muß«6. Man erinnert sich, daß nach Noth gerade nur für die P-Erzählung »das vollständige Erhaltensein des ursprünglichen Bestandes . . . zu erwarten ist«7. Um so peinlicher ist das Auftreten eines solchen »Fragments«! Auch Weimar muß immerhin zugestehen, daß der »Anfang der Einheit durch R p weggebrochen (ist)«8. Aber warum wird das Stück P zugerechnet ? Hier finden sich nun fast ausschließlich Argumente des Sprachgebrauchs. Zunächst wird 2 Vgl. oben S. 115 bei Anm. 13. »Vgl. die P-Spalte in: O. Eißfeldt, Hexateuch-Synopse, 1922 = 19622, 43* ff. und Fohrers Tabelle in: Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 195. 4 Weimar a. a. O. (s. o. Anm. 1) 183. 5 K. Eiliger, Sinn und Ursprung der priesterlichen Geschichtserzählung, ZThK 49 (1962), 121—143. 123f. = Kleine Schriften zum Alten Testament, 1966, 174—198. 8 M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 13. 177. 7 Siehe oben S. 113 bei Anm. 3 (zu Ziff. 3.3). 8 A. a. O. (s. o. Anm. 1) 184.

Das Problem einer priesterlichen Erzählung in den Vätergeschichten

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das Wort allgemein als charakteristisch für P angesehen 9 . Schlägt man jedoch die Konkordanz auf, so stellt man mit Überraschung fest, daß im Buch Genesis mehr als die Hälfte der Belege in Texten vorkommt, die nicht zu P gerechnet werden: fünfmal begegnet das Wort in Gen 14 (v. 1 1 . 1 2 . 1 6 [2mal], 21), einem Kapitel, das unter den neueren Exegeten, soweit ich sehe, nur Procksch mit einigem Vorbehalt zu P gestellt hat 1 0 ; ein weiterer Beleg findet sich in Gen 15 14 innerhalb der geschichtstheologischen Reflexion v. 13-16, die ebenfalls nicht zu P gerechnet wird. Bei den verbleibenden Belegen zeigt sich wieder der schon mehrfach beobachtete Zirkelschluß: sie werden überwiegend gerade wegen dieses Sprachgebrauchs zu P gerechnet! Und sie stehen fast alle in einem Kontext, der einer anderen Quelle zugerechnet wird und von dem sie vor allem wegen ihres Sprachgebrauchs abgehoben werden. Im Buch Genesis handelt es sich noch um die Stellen 12 5 13 6 36 7 und 46 6, ferner um Num 16 32b (eine Stelle, die ganz überwiegend nicht zu P gerechnet wird!) und 35 3. — Das Verbum braucht hier nicht näher behandelt zu werden, da es nur im mehr oder weniger unmittelbaren Zusammenhang mit dem Nomen begegnet. Als nächster »Beweis« (Gunkel) für P dient das Wort pj? 11 . Es kommt im Buch Genesis dreimal vor, davon einmal (34 23) in einem Text, der von niemandem P zugeschrieben wird; ferner im Pentateuch noch einmal innerhalb des der priesterlichen Pentateuchschicht nahestehenden sog. Heiligkeitsgesetzes (Lev 22 11), jedoch in einem ganz anderen Gebrauch. Man wird deshalb kaum sagen können, daß dieses Wort einen Beitrag zur Quellenscheidung leisten kann. Schließlich bleibt noch die Bezeichnung des Landes, aus dem Jakob aufbricht, als »Paddan-Aram«. Sie gilt wiederum als charakteristisches Kennzeichen von P. Zunächst ist festzustellen, daß der einzige Beleg, der nur die Bezeichnung »Paddan« enthält (Gen 48 7), allgemein nicht zu P gerechnet wird, obwohl unmittelbar vorher ein P zugeschriebenes Textstück steht. In 46 15 steht Paddan-Aram in einer Liste der Söhne Jakobs und ihrer Nachkommen, die heute überwiegend nicht P zugeschrieben oder allenfalls als Zusatz zu P betrachtet wird. Die Liste der Söhne Jakobs in Gen 3Ö22b-26, in der Paddan-Aram in v. 26 vorkommt, wird hingegen zu P gerechnet, wenn damit auch Schwierigkeiten verbunden sind. Weimar versucht zu erklären, warum P die Geburt der Söhne nicht dort berichtet, wo man es erwarten würde, sondern erst »nachholend . . . in Form einer Liste«12. Andere haben hier größere Schwierigkeiten empfunden; seit Gunkel ist es üblich, die P-Textfragmente in der Jakobgeschichte willkürlich 9 10 11 12

Vgl. O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19643, 243. O. Procksch, Die Genesis übersetzt und erklärt, 19242-3, 501. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 19667, 388. A. a. O. (s. o. Anm. 1) 184 Anm. 41.

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umzustellen, um einen erträglichen Textzusammenhang zu schaffen. Dabei wird dann entweder diese Liste vorgezogen, um den fehlenden Bericht über die Geburt der Söhne Jakobs zu ersetzen13, oder sie wandert weiter nach hinten zu den Toledot Jakobs in Gen 37 14 . Obwohl sich hier also offenkundig alle Behauptungen über die Vollständigkeit und Lückenlosigkeit der P-Erzählung selbst widerlegen, wird an dieser These festgehalten. Damit werden aber zugleich Kriterien für die Bestimmung anderer Texte gewonnen; denn durch das Argument des Sprachgebrauchs stützen sich ja die P zugeschriebenen Texte gegenseitig. So wird auch das Textfragment Gen 3318 a wegen des Ausdrucks Paddan-Aram zu P gerechnet16. Die »klassische« Lösung ist allerdings die Heraustrennung von v. 18 aß, so daß die Ankunft Jakobs in Sichern noch zu einer der älteren Quellen gerechnet wird und nur die Worte »im Lande Kanaan, als er aus Paddan-Aram kam« P zugeschrieben werden16. Diese Lösung ist insofern klassisch, als sie ausschließlich mit dem Argument des Sprachgebrauchs wie mit dem Seziermesser einige Wörter aus ihrem Kontext herausschneidet, in dem sie im übrigen keineswegs störend oder anstößig sind. Aber der P-Zusammenhang muß ja hergestellt werden! — Schließlich findet sich der Ausdruck Paddan-Aram noch in der chronologischen Notiz über die Heirat Isaaks in Gen 25 20, in dem Einleitungsstück der großen Gottesrede an Jakob in 35 9 sowie viermal in der Erzählung von der Aussendung Jakobs durch Isaak (28 2. 5. 6. 7). Es sei noch angemerkt, daß es keine mit dem Ausdruck PaddanAram konkurrierende Bezeichnung des damit gemeinten Landes gibt, die man etwa als charakteristischen Sprachgebrauch anderer Quellen dem gegenüberstellen könnte. Vielfach wird nur von der Stadt Haran gesprochen — übrigens auch in Texten, die üblicherweise P zugeschrieben werden, z . B . Gen 1131 1 2 s ! Der letztgenannte Text hat zwar das Wort «TD*l, aber nicht Paddan-Aram, sondern Haran; trotzdem rechnet man ihn mit den anderen Belegen zusammen zu P und verweist dabei auf den »charakteristischen« Sprachgebrauch. Es zeigt sich aber, daß der Ausdruck Paddan-Aram (mit Ausnahme der auf So Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 11) 384; vgl. auch R. Smend, Biblische Zeugnisse. Literatur des alten Israel, 1967, 101. " So Procksch a. a. O. (s. o. Anm. 10) 553. 16 Allerdings nicht von J . Wellhausen I (Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 1899 3 , 45). 18 Vgl. O. Eißfeldt, Hexateuch-Synopse, 1922 = 1962 2 , 69*. Nicht ganz konsequent ist Gunkel, wenn er einmal nur die zitierten Worte, ein anderes Mal auch noch die vorausgehenden Worte »nach der Stadt Sichern« für P in Anspruch nimmt; vgl. Gunkel a. a. O. (s. o. Anm. 11) 368 gegen 388. Vgl. auch G. Fohrer, Einleitung (s. o. Anm. 3), 195 13

Das Problem einer priesterlichen Erzählung in den Vätergeschichten

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Isaak bezogenen Bemerkung in Gen 25 20) nur im Zusammenhang mit Jakob vorkommt. Das ist zweifellos ein Hinweis auf eine bestimmte Schichtung der Überlieferung, hat aber kaum etwas mit »Quellen« im Sinne der Urkundenhypothese zu tun. Das nächste P zugeschriebene Stück ist wieder ein Satzfragment, nämlich Gen 35 6 a17. Man nimmt es in Kauf, daß der zweite Halbsatz »er und alles Volk, das mit ihm war« beziehungslos dasteht. Holzingers Begründung: »Die Ankunft in Bethel oder vielmehr in Lus, das nun den Namen Bethel erhielt, hat P natürlich auch erzählt. Das steckt jetzt in 6 a, wo ein sicheres Zeichen von P ist.«18 Gunkel sagt noch genauer, warum dies ein Zeichen von P ist: »die überflüssig genaue Ortsbestimmung«19. Diese typischen Urteile über P haben wir ja schon früher erwähnt. Wie steht es nun mit diesem »sicheren Zeichen von P« ? Die Konkordanz gibt folgende Auskunft: Rund die Hälfte der Belege für f i x im Buch Genesis entfallen auf Texte der Josephgeschichte, die von niemandem P zugeschrieben werden. Innerhalb der Josephgeschichte wird diese Bezeichnung von allen »Quellen« und sonstigen Schichten gebraucht, z. B. in den Versen Gen 42 5. 7.13, die von den Exegeten unterschiedlich auf J und E verteilt werden wie auch etliche weitere Belege; dann wieder von P (48 3), von sekundären Stücken (48 7 nach Eißfeldt 20 , Noth: E 21 ; 46 12) und in Gen 50 noch einmal friedlich nebeneinander von J (v. 5) und P (v. 13). Ein »sicheres Zeichen von P«? Weiterhin zeigt die Konkordanz, daß es keine andere sozusagen »geographische« Bezeichnung des Landes in den Vätergeschichten gibt; es werden sonst nur Bezeichnungen wie »Land der Fremdlingschaft« (übrigens von »P«!), »Land der Väter« o. ä. verwendet. Die Behauptung, »Land Kanaan« sei ein Kennzeichen für P, würde also die These einschließen, daß die anderen Quellen auf eine exakte Bezeichnung des Landes verzichten. Aber die Behauptung wird durch den Konkordanzbefund ja ohnehin schon deutlich genug widerlegt22. Nach der Gottesrede in Gen 35 9-13 soll dann auch noch v. 15 zu P gehören. Begründung: die Umbenennung von Lus in Bethel sei in den anderen Quellen schon früher erfolgt, nämlich in 28 19. Nur merkwürdig, daß 35 14 zu E gerechnet wird, obwohl (bzw. weil) er die Auf17 18 18 20 21 22

Wiederum wird dieses Fragment (nota bene) nicht von Wellhausen P zugeschrieben. H. Holzinger, Genesis erklärt, 1898, 184. Genesis a. a. O. (s. o. Anm. 11) 387. Vgl. Hexateuch-Synopse (s. o. Anm. 16), 99*f. Überlieferungsgeschichte des Pentateuch (s. o. Anm. 6), 38. Den Konkordanzbefund hatte H. Holzinger, Einleitung in den Hexateuch, 1893, 340, noch zur Kenntnis genommen. Dort steht der Behauptung, das »Vorkommen von (sei) ein fast sicheres Kennzeichen für P«, immerhin die Einschränkung entgegen: »Allerdings kommt J571D auch bei JE vor«.

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richtung u n d Salbung der Mazzebe noch einmal berichtet, die E schon in 2818 berichtet h a t ! Hier ist die Wiederholung anscheinend ein Zeichen f ü r die gleiche Quelle u n d nicht f ü r eine andere. Dabei wird doch offensichtlich m i t zweierlei Maß gemessen. Von den Problemen der Liste der Jakobsöhne in Gen 3Ö22b-26 war schon die Rede. Man rechnet schließlich noch d e n Bericht von der A n k u n f t J a k o b s bei Isaak u n d von dessen T o d in 35 27-29 zu P. F ü r Gunkel sind u. a. charakteristisch f ü r P »die Namen Mamre u n d Qirjath-ha'arba'« 2 3 . Eine sehr kühne Behauptung, denn die Verb i n d u n g der beiden N a m e n begegnet ü b e r h a u p t n u r hier! Die Gleichsetzung von Qirjat-'arba* und Hebron, die in Gen 35 27 vollzogen wird, findet sich noch (ohne die Nennung von Mamre) in 23 2, während Mamre seinerseits in 23 19 mit Hebron gleichgesetzt wird. I n Gen 13 18 wird von A b r a h a m gesagt, d a ß er sich »bei den Elone Mamre, die in (oder: bei) H e b r o n sind«, niedergelassen habe. I m übrigen wird noch mehrfach von dem Feld, auf dem die Höhle lag, die A b r a h a m kaufte, gesagt, d a ß es X i a a nD^ (Gen 2317) bzw. Nlöö •»»-Vs? gelegen habe (23 19 25 9 49 30 50 13). Von einem einheitlichen u n d für eine bestimmte Quelle charakteristischen Sprachgebrauch k a n n hier also keinesfalls die Rede sein. Auffallend ist noch, d a ß in Gen 35 27-29 nicht gesagt wird, d a ß Isaak in der Höhle begraben worden sei, obwohl dies in 49 30f. vorausgesetzt u n d obwohl Entsprechendes von Abraham (25 9) u n d J a k o b (50 13) berichtet wird; »warum nicht, ist nicht deutlich« 24 . Jedenfalls ist auch dies kaum ein Indiz für die überlegte u n d »pedantische« Art, die der Quelle P nachgesagt wird. Überblicken wir die Texte, die zur Jakobgeschichte von P gehören sollen, so bleiben sehr fragmentarische u n d unzusammenhängende Stücke, deren Zuweisung zu P häufig an höchst zweifelhaften Kriterien hängt. Zudem sehen viele Exegeten sich genötigt, die T e x t e nach freiem Ermessen umzustellen, um ü b e r h a u p t einen leidlich kontinuierlichen Zusammenhang konstruieren zu können. Dies alles widerspricht in so hohem Maße dem Bild, das die Verfechter der Urkundenhypothese selbst von der P-Erzählung zu zeichnen pflegen, daß m a n schon v o n ihren eigenen Voraussetzungen her sagen m u ß , d a ß es eine zusammenhängende Jakobgeschichte von P nicht gibt 2 6 . 3.33 Die Abrahamgeschichte W e n d e n wir uns n u n der Abrahamgeschichte zu! Sie scheint den klarsten u n d überzeugendsten Erzählungszusammenhang zu bieten. 23 24 26

Genesis a. a. O. (s. o. Anm. 11) 389. Gunkel ebd. Daran ändert auch Weimars Konstruktion a. a. O. (s. o. Anm. 1) 200 nichts! Vgl. dazu auch unten S. 136 Anm. 11.

Das Problem einer priesterlichen Erzählung in den Vätergeschichten

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Zunächst hebt sich als Größe sui generis das Kapitel Gen 17 heraus. Es ist »the freest composition« innerhalb der ganzen P-Erzählung 1 . Nirgends in den Vätergeschichten findet sich ein ähnlich breit angelegtes Stück, das so in sich geschlossen ist und als ganzes die Kennzeichen der priesterlichen Schicht des Pentateuch trägt. Auch im übrigen Pentateuch begegnen derartig umfangreiche und geschlossene Stücke priesterlichen Charakters nur selten. Die wenigen Beispiele, wie etwa Gen I i — 2 4a oder Gen 9 1-17, sind gewiß keine so freien Kompositionen, wie es hier der Fall zu sein scheint. Diese Überlegungen sind wichtig, weil sie davor warnen müssen, Gen 17 ohne weiteres als Bestandteil einer zusammenhängenden Erzählung zu betrachten; vielmehr muß der Sondercharakter des Kapitels sorgfältig beachtet werden. Im übrigen sind auch die P zugeschriebenen Stücke der Abrahamgeschichte — abgesehen von dem später zu behandelnden Kapitel Gen 23 — wieder kleine und z. T. kleinste Texteinheiten. Zunächst handelt es sich, im Anschluß an den Stammbaum Sems (Gen 1110-27) um Itinerarnotizen: die Wanderung Terachs mit seiner Familie von Ur in Chaldäa nach Haran mit der chronologischen Bemerkung über das Alter Terachs bei seinem Tode (11 3if.) und dann die Wanderung Abrahams von Haran in das Land Kanaan (12 4f.). Bei dem letzteren Text beginnen nun wieder die Fragen. Noth hat festgestellt, daß »dem Passus Gen. 12 4 b. 5 P eine inhaltlich entsprechende Mitteilung aus den alten Quellen weichen (mußte)«. Dies geschieht »im Interesse der möglichst vollständigen Erhaltung« des Bestandes von P. Dies letztere Argument haben wir schon in seiner ganzen Problematik kennengelernt; sie wird bei Noth selbst wenige Sätze später ausgesprochen. Aber während in der Jakob- und Josephgeschichte P-Stücke durch die älteren Quellen verdrängt worden sein sollen, wird hier das Gegenteil angenommen. Warum? Zunächst ist es die chronologische Notiz über das Alter Abrahams beim Auszug in v. 4 b, die P zugeschrieben wird; sie ist allerdings insofern unproblematisch, als sie kaum eine entsprechende Aussage einer anderen Quelle verdrängt haben dürfte. In v. 5 stoßen wir dann wieder auf schon bekannte Argumente: der Sprachgebrauch soll die Zugehörigkeit zu P »beweisen« (Holzinger, Gunkel): BTDT und BDI wie gehabt, ferner nach Holzinger |WD fIK 2 ; außerdem soll die Verbform nj?,1 wie in Gen 11 31 u. a. ein Kennzeichen für P sein3. Wir brauchen die Beobachtungen zu ©"DT und f i x hier nicht erneut darzustellen 4 ; die Behauptung, 1 2 3

4

S. E. McEvenue, The Narrative Style of the Priestly Writer, 1971, 145. Vgl. dazu oben S. 199 Anm. 22. H. Holzinger, Genesis erklärt, 1898, 124; vgl. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19226 = 1966', 262. Siehe dazu oben S. 116f. u. 119.

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daß diese Ausdrücke Kennzeichen für P seien, wird durch ihre Wiederholung nicht beweiskräftiger. Übrigens findet sich die Gegenüberstellung von S?B2 im Sinne von »Menschen« und ttDT zur Bezeichnung des übrigen Besitzes noch in Gen 14 21, also außerhalb der P zugeschriebenen Stücke. Daß np>,l ein Kennzeichen für P sein soll, ist eine unsinnige Behauptung; es ist die natürliche und selbstverständliche Weise, in der ausgedrückt wird, daß jemand aufbricht und dabei jemand anders mitnimmt, vgl. z. B. Gen 22 3 24 10. 61 31 23 32 23 u. ä. Gerade diese Behauptung ist aber nicht untypisch für die Methode, denn durch sie stützen sich verschiedene P-Stücke gegenseitig. Dies hat allerdings auch zur Folge, daß die Widerlegung eines solchen Arguments eine Art Kettenreaktion auslöst und gleich eine ganze Reihe von Texten mit in Frage stellt. — Für Gen 12 4 b. 5 bleibt zu sagen, daß man die chronologische Notiz v. 4 b in Zusammenhang mit anderen ähnlichen Notizen zu sehen hat, während für v. 5 keinerlei Anlaß besteht, ihn aus dem Kontext herauszulösen, geschweige denn anzunehmen, daß wegen dieses angeblichen P-Stücks »eine inhaltlich entsprechende Mitteilung aus den alten Quellen weichen (mußte)«. Im übrigen zeigt der Abschnitt Gen 12 1-9 ohnehin einen sehr zusammengesetzten Charakter 6 . Im folgenden sollen die Verse Gen 13 6.11 b. i2aba zu P gehören. Die Argumente sind zunächst wieder: 5TOT (v. 6), yix (v. 12); ferner wird ein Gegensatz zwischen den Ausdrücken »Jordankreis« (v. lof.) und »Städte des Kreises« (v. 12 a) konstatiert. Eine sehr merkwürdige Behauptung; denn beide Ausdrücke haben doch ganz offenkundig eine verschiedene Funktion: »Jordankreis« ist die Bezeichnung des fruchtbaren Gebietes, das Lot wählt, während die »Städte des Kreises« genannt werden, wo es sich um den künftigen Wohnsitz Lots handelt. Es ist unerfindlich, wieso hierin eine Konkurrenz oder gar ein Gegensatz liegen soll. Aber hier kommen nun noch ganz andere Argumente hinzu. So schreibt Gunkel: »6 ist im Zusammenhang der Geschichte überflüssig: daß der Mangel an Raum schuld an den Zänkereien ist, ist schon aus 2. 5. 7 herauszulesen und wird durch 8. 9 völlig deutlich: die gute Erzählung sagt nicht alles ausdrücklich«6. Hier werden also Zensuren über schriftstellerische Qualität verteilt und es wird den Schriftstellern ein wenig auf die Beine geholfen, indem etwas »Überflüssiges« gestrichen wird, um eine »gute Erzählung« zu bekommen. Holzinger sieht die Dinge aber anders. Ihn stört das Fehlen einer ausdrücklichen Begründung für den Streit zwischen den Hirten Abrahams und Lots; deshalb seziert er noch ein wenig weiter und weist nur v. 6 a b a P zu, 6 4

Siehe oben S. 35. H. Gunkel. Genesis (s. o. Anm. 3), 174.

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während er v. ebß »der anderen Quelle« zurechnen will7. An anderer Stelle sagt er dann aber auch: »Ein Teil von 6 ist für den Zusammenhang entbehrlich«8. Diese Argumentation ist deshalb kennzeichnend, weil an ihr deutlich wird, daß die Nötigung zur Quellenscheidung nicht auf Grund von Widersprüchen oder Spannungen im Text begründet wird. Vielmehr geht man von vornherein davon aus, daß mehrere Quellen vorliegen, und weist in der Haupterzählung »Entbehrliches« der anderen Quelle zu. Dies wird noch deutlicher bei v. 12. Gunkel schreibt: »Auch 12a, das bei J leichter als bei P entbehrt werden kann, und 12 bot (. . .) stammen wohl aus P.«9 Wenn man sich dieser Art der Argumentation, die das Vorhandensein mehrerer Quellen schon voraussetzt und dann Belege dafür sucht, nicht anschließen möchte, findet man kaum Gründe dafür, in Gen 13 irgendetwas zur P-Erzählung zu rechnen. Interessant ist nun noch, wie die so entstehende P-Erzählung beurteilt und bewertet wird. Gunkel hat im ganzen keine gute Meinung von P. So schreibt er: »Auch hier hat P nur die nackten Tatsachen der Sage entnommen; alles Konkrete, besonders der Streit der Hirten und Lots Eigennutz, aber auch Abrahams Friedfertigkeit, fehlt; und von der mitklingenden Stimmung der Sage, der Schadenfreude (. . .), ist nichts mehr zu merken.«10 Holzinger urteilt freundlicher: »Für P ist bemerkenswert die Einfachheit, mit der die Trennung von Abraham und Lot ohne Streit sich vollzieht. Charakteristisch ist auch die Allgemeinheit der Angabe, daß Lot sich in den Ortschaften aufhielt; von einem Wohnen in Sodom wird nichts gesagt (NB: weil v. 12 bß einer anderen Quelle zugerechnet wird! d. Verf.), augenscheinlich damit Lot, der als Vetter und bisheriger Zuggenosse Abrahams ein halber Heiliger ist, vor dem Verdacht frei bleibe, aus Sympathie mit den Leuten von Sodom unter ihnen gewohnt zu haben.«11 Elliger schließlich überhöht gar noch die schriftstellerischen Intentionen von P: »Nüchtern werden die Haupttatsachen mitgeteilt, immer mit genauer Datierung: es ist wirkliche und wahrhaftige Geschichte, um die es hier geht.«12 Heißt das, daß es bei den anderen Erzählern, die anschaulich, aber ohne genaue Datierung berichten, weniger um »wirkliche und wahrhaftige Geschichte« geht ? Oder darf man so nicht fragen ? 7

H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 124, weniger deutlich: 140. A. a. O. 140. • H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 3), 263. 10 Ebd. 11 H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 124. 12 K. Elliger, Sinn und Ursprung der priesterlichen Geschichtserzählung, ZThK 49 (1952), 121—143.123 = Kleine Schriften zum Alten Testament, 1966,174—198.176. 8

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Weiter sollen die Verse Gen 16i(a) 13 . 3. i5f. zur P-Erzählung gehören. Wieder muß Noth feststellen, daß »zugunsten der Angaben Gen 16ia. 3.15.I6 P die alte Hagargeschichte am Anfang und am Ende beschnitten worden (ist)«14. Das bedeutet also, daß die verbleibende »alte Hagargeschichte« ohne diese Stücke unvollständig ist. Nach den Grundsätzen der Quellenscheidung müßten also Spannungen und Widersprüche im Text und/oder eindeutige sprachliche bzw. inhaltliche Indizien zur Ausscheidung der P-Bestandteile führen. Welches sind nun die Argumente ? Nach Holzinger und Gunkel ist in v. 1 a der »pedantische Zusatz« D13H JWK »Abrams Frau« ein Zeichen für P1S. Ein Blick in die Konkordanz lehrt, daß dieser »pedantische Zusatz« sich auch in Gen 12 17, also in einem geradezu klassischen »J«-Stück, und in 20 18, also in einem in aller Regel »E« zugerechneten Stück, findet. Diesen Konkordanzbefund könnte man also eher als sicheres Indiz gegen eine Zugehörigkeit dieses Versteils zu P werten. Da im übrigen dieser Versteil für den Erzählungszusammenhang unentbehrlich ist, verbietet sich nach den Grundsätzen der Quellenscheidung selbst eine Zuweisung an P. V. 3 ist wieder eine chronologische Notiz, die im Zusammenhang mit anderen vergleichbaren Notizen gesehen werden muß, aber hier nicht in irgendeiner Konkurrenz mit den zu erwartenden Aussagen anderer »Quellen« steht. Dasselbe gilt für v. 16. Bleibt noch v. 15! Nach Noth ist die »alte Hagargeschichte« zugunsten von P auch »am Ende beschnitten worden«16. Das ist eine sehr unbefriedigende Auskunft; denn was überhaupt fehlt, ist eine Mitteilung darüber, daß Hagar zu Abraham zurückgekehrt sei. Davon ist aber auch in dem P zugeschriebenen v. 15 keine Rede. Sollte ein Redaktor so blindwütig gearbeitet haben, daß er den unentbehrlichen Abschluß der Erzählung weggeschnitten hätte, nur um einen in der Sache unzureichenden Satz von P dorthin zu stellen ? Die Probleme dieses Kapitels sind bekanntlich etwas komplexer, wie schon Wellhausen ausführlich dargelegt hat 17 . Die Rückkehr Hagars wird durch die Rede des mal'äk jhwh in v. 9 postuliert; diese ist aber gewiß nicht zur gleichen Überlieferungsoder Bearbeitungsschicht zu rechnen wie die beiden anderen Reden des mal'ak in v. 10 und lif. Besonders die letzte Rede setzt eindeutig voraus, daß Ismael in der Wüste aufwachsen wird, d. h. also daß Hagar gerade nicht zu Abraham zurückkehrt. Viele Exegeten haben sich 13

14 16 18 17

Nach Elliger a. a. O. 121 = 174: der ganze Vers 16 1. J. Wellhausen, Die Compositum des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 18993, 15, zählt 16 l überhaupt nicht zu Q ( = P). M. Noth, Überlieferungsgeschichte des Pentateuch, 1948, 13. H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 124; H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 3), 264. Siehe oben bei Anm. 14. J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs a. a. O. (s. o. Anm. 13), 19f.

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dieser Auffassung angeschlossen. Auch für Noth ist v. 9 »ein redaktioneller Zusatz« — allerdings »mit Rücksicht auf Gen 21 8ff.«18, wo die Anwesenheit Ismaels in der Familie Abrahams vorausgesetzt wird. Es bleibt aber auch bei Noth offen, wie denn der ursprüngliche Schluß der »alten Hagargeschichte« ausgesehen haben soll. Vielleicht stand hier ursprünglich nichts anderes als der Stammesspruch über Ismael und die Ortsätiologie in v. 14? Auch v. 15 könnte ja »redaktioneller Zusatz mit Rücksicht auf Gen 21 8ff.« sein. Was weist ihn als Bestandteil einer P-Erzählung aus? Nach Holzinger, abgesehen von dem pauschalen Urteil »die ganze pedantische Umständlichkeit der Verse«, »die Namengebung durch den Vater«19. Nun weiß jeder, der sich damit je beschäftigt hat, wie schwer die Frage zu beantworten ist, wer im alten Israel einem neugeborenen Kind den Namen zu geben pflegte, und wie uneinheitlich die Texte in dieser Beziehung sind. Man braucht nur die Spannungen und Unklarheiten innerhalb des einzigen Kapitels Gen 3820 oder in Gen 25 25f. anzusehen — gar nicht zu reden von den Konjekturen der Exegeten! Daß nur bei P der Vater den Namen gibt, ist eine unhaltbare Behauptung; das bestätigt auch Holzinger selbst zu Gen 4 26: »Hier ist einer der Ausnahmefälle, in denen bei J nicht die Mutter dem Neugeborenen den Namen giebt: vgl. (5 29) 25 25f. Ex 2 22.«21 Die Liste der »Ausnahmefälle« ist aber doch wohl zu lang, als daß man aus dieser Frage ein sicheres Kriterium für die Quellenscheidung ableiten könnte. Daß die Erzählung in Gen 16 an ihrem Ende uneinheitlich ist und Fragen offen läßt, ist unbestreitbar; auch daß v. 15 in Spannung steht zu der offenkundigen Intention der älteren Schicht der Erzählung, nach der Ismael in der Wüste aufwächst und also wohl auch dort geboren wird, ist deutlich sichtbar. Aber dies letztere gilt auch für v. 9, der von niemandem zu P gerechnet wird. Und für die Zugehörigkeit von v. 15 zu einer zusammenhängenden P-Erzählung gibt es kein tragfähiges Argument. Zur P-Erzählung pflegt man auch den Vers Gen 19 29 zu rechnen. Allerdings bedeutet er eine Verlegenheit, denn er soll sich nach herrschender Meinung ursprünglich unmittelbar an Gen 13 6. IIb. i2aba angeschlossen haben; aber bei der Endredaktion war er »nicht wohl anderwärts als im Anschluß an die Erzählung Gen 181—19 28 unterzubringen«22. Zweifellos ist dieser Vers eine »kurze summarische Notiz über die Rettung Lots«23, deren Funktion an dieser Stelle nicht ohne 18 18

20 21 22

M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 14) 29 Anm. 86. H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 124; vgl. auch H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 3), 264: »P nimmt den ganzen Akt wie ein Standesbeamter auf.« V. 8. 4. 5 und 29. 30. H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 57. 23 H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 132. M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 14) 13.

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Kritik der Pentateuchkritik

weiteres erkennbar ist. Aber was spricht für P ? Es sind hier ausschließlich Argumente des Sprachgebrauchs, die im Anschluß an Dillmann von den Kommentatoren angegeben werden. Nach Dillmann, Holzinger, Gunkel u. a. soll die Verwendung des Verbums nntP pi »zerstören« ein Kennzeichen für P sein 24 . Dazu wird auf Gen 617 9 11.15 verwiesen. Man gewinnt allerdings den Eindruck, daß keiner dieser Kommentatoren sich die Mühe gemacht hat, die Konkordanz aufzuschlagen. Das Verbum wird nämlich auch unmittelbar vorher in Gen 19 13 innerhalb der »J«-Erzählung verwendet und außerdem in dem »J«-Text von Gen 1310 im Vorblick auf die Zerstörung von Sodom! Man ist immer wieder überrascht, mit welcher Leichtfertigkeit solche unzutreffenden Behauptungen unkontrolliert von Generation zu Generation weitervererbt werden. Die Argumentation wird noch widersprüchlicher dadurch, daß zwar der »jahwistische« Vers Gen 13 10 ignoriert wird, daß aber der Ausdruck »Städte des Kreises« in dem angeblich priesterschriftlichen Vers Gen 1312 zur Stütze des P-Charakters von Gen 19 29 herhalten muß. Ein weiteres Argument: der Gebrauch des Gottesnamens celohim. Hier sei nur auf einen anderen Text verwiesen: I n Am 411 wird mitten in einer Jahwerede, in der der Gottesname jhwh viele Male gebraucht wird, von der Zerstörung Sodoms in der offensichtlich fest geprägten Wendung DTiVK r o s n a s gesprochen. Damit ist gewiß noch nicht alles zu diesem Thema gesagt; es ist aber doch nötig, derartige Aussagen etwas genauer auf ihren geprägten Sprachgebrauch hin zu untersuchen, statt nur kurzschlüssig nach Argumenten für die Quellenscheidung zu suchen! Schließlich bleibt noch der Hinweis darauf, daß die Wendung »da gedachte ("Dm) Gott an Abraham« in Gen 19 29 zu vergleichen sei mit der scheinbar entsprechenden Wendung in Gen 8 1, die zu P gerechnet wird. Aber dieser Hinweis ist recht problematisch. Zunächst »gedenkt« Gott nach Gen 8 1 unmittelbar dessen, den er retten will — nach Gen 19 29 hingegen gedenkt er an Abraham und rettet um dessentwillen Lot. Dazu wäre viel eher die deuteronomistisch geprägte Aussage in dem Gebet Moses in E x 32 13 zu vergleichen: »Gedenke an Abraham, Isaak und Israel, deine Knechte«, vgl. auch D t n 9 27. Im übrigen wird der Ausdruck in Gen 30 22 auch in bezug auf Rahel verwendet, deren Gebet um Fruchtbarkeit Gott erhört. Ein Argument für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten »Quelle« läßt sich aus dem allen wohl kaum ableiten. Der Bericht über die Geburt Isaaks in Gen 211-5 hat den Exegeten einiges Kopfzerbrechen bereitet, weil die Quellen sich nicht so recht voneinander scheiden lassen wollen. Holzinger bringt das Dilemma 24

Vgl. H. Holzinger ebd.; H. Gunkel, Genesis (s. o. Anm. 3), 268.

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zum Ausdruck: »P muss gehören einiges in 211. 2«26. Es muß, also werden sich auch Argumente dafür finden lassen! Zum Beispiel so: »das farblose n»s? in v. 1 b sieht P gleich, nur dass dann R unter dem Eindruck von mrr in v. 1 a hier in P diesen Gottesnamen eingesetzt hat«26. Das Wort MIT» »tun, machen«, das im Alten Testament 2600mal vorkommt27, wird wegen seiner »Farblosigkeit« zum Indiz für P, auch wenn das zur Konsequenz hat, daß eins der sichersten Kennzeichen für P, der Gebrauch des Gottesnamens celohim, dann nicht mehr stimmt! Aber es ist fast zu einfach, solche Manipulationen zu kritisieren, mit denen manche Exegeten ihre eigene Methode diskreditieren. Im übrigen ist natürlich in v. 2 b und 4 celohim wieder ein Indiz für P! Weiter erfährt der erstaunte Leser, daß lin»1? in v. 2 b ein Zeichen für P sei; dabei wird auf Gen 17 21 verwiesen — aber wird zugleich unterstellt, daß der Leser den gleichen Ausdruck in Gen 18 14 bei »J« überlesen oder schon wieder vergessen hat ? Insgesamt urteilt Holzinger: »211-5 ist einer der Fälle, in denen R die Elemente seiner Quellen nicht einfach nebeneinander gestellt, sondern vermengt hat, wobei, was selten genug der Fall ist, P nicht vollständig zum Wort gekommen und sogar v. 1 a im Wortlaut alteriert worden ist«28. Noth urteilt anders: Nach seiner Auffassung »erfolgt die für den Zusammenhang so wichtige Erwähnung der Geburt Isaaks ausschließlich durch Gen 21 ib-5 P unter Auslassung der entsprechenden Aussage der alten Quellen«29. Welche Kriterien er dafür hat, sich über die Bedenken von Holzinger u. a. hinwegzusetzen, erfährt der Leser nicht. Im ganzen ist auch hier wieder deutlich, daß die Suche nach den Elementen eines vorausgesetzten Zusammenhanges der P-Erzählung die Exegeten dazu veranlaßt, Zuweisungen zu P vorzunehmen, auch wenn dem erhebliche Bedenken entgegenstehen. Die Abrahamgeschichte bei P wird nach allgemein herrschender Auffassung abgeschlossen durch die Nachrichten über Tod und Begräbnis Abrahams in Gen 25 7-10. Hier sind es wieder vor allem die chronologischen Angaben, die »pedantische Ausführlichkeit« (Holzinger) »und besonders die Weitläufigkeit des ganzen Stückes« (Gunkel; NB: war nicht sonst gerade Knappheit, ja Dürftigkeit der Darstellung ein besonderes Kennzeichen von P?). Wir werden darauf noch zurückkommen. H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 132. A. a. O. 133. 27 KBL sub voce. 28 H. Holzinger, Genesis (s. o. Anm. 3), 133. 2» M. Noth a. a. O. (s. o. Anm. 14) 13.

26

28

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3.34 Genesis 23 Zu den eigenartigsten Phänomenen in diesem Zusammenhang gehört die Tatsache, daß von den Exegeten fast übereinstimmend das Kapitel Gen 23 P zugeschrieben wird. Die Argumente dafür werden seit Dillmann, der sich aber schon auf Knobel (1852 bzw. 1860!) beruft, im wesentlichen unverändert weitergegeben. Ein erstes Argument ist die chronologische Angabe in v. l. In vielen anderen Fällen werden derartige Verse gerade wegen ihres angenommenen P-Charakters von ihrem Kontext abgelöst; hier dagegen — und nur hier! — soll eine chronologische Einleitungsnotiz zugleich als Argument für die Quellenzugehörigkeit der ganzen Erzählung gelten. Ein weiteres Argument ist »die juristische Genauigkeit (vgl. besonders 17t.)«1; aber dies gilt eben nur ab v. 17, d. h. nicht für das eigentliche Korpus der Erzählung. Weiter nennt Gunkel »die vielen Wiederholungen der Erzählung« 2 ; er hätte dann mit gleichem Recht auch die weitschweifige Erzählung Gen 24 zu P rechnen können. Wenn Dillmann noch von der »malerischen Ausführlichkeit der Darstellung«3 spricht, so wird es dem Leser schwer gemacht, dies mit dem Bild von P, das sonst von den Vertretern der Urkundenhypothese gezeichnet wird, in Einklang zu bringen4. So wird denn auch heute oft der Sondercharakter von Gen 23 innerhalb der P-Erzählung betont. Schon Procksch schreibt: »Diese Erzählung . . . ist verhältnismäßig von großer Frische, also wohl älteren Ursprungs . . ., ein neues Beispiel dafür, daß P alte Vorlagen benützt.«® Nach Fohrer ist die Erzählung »aus Palästina stammendes Sondergut«6. Speiser sieht in ihr ein auf ältere Traditionen zurückgehendes Stück von J, bei dem nur die Eingangsbemerkung zu P zu rechnen sei7. McEvenue folgt dem zwar nicht ganz8, betont aber auch: »the chatty, colloquial, style of Gen 23 seems untypical of P«, und folgert daraus, daß man deshalb eine ältere Vorlage vermuten müsse9. Nach von Rad hat es »den Anschein, als sei von P hier eine ältere 1

H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 19225 = 19667, 273. Ebd. 3 A. Dillmann, Die Genesis, 18753, 309. 4 Zum Stil von Gen 23 hat G. Ch. Macholz treffend bemerkt, »daß die angeblichen 'P-Eigentümlichkeiten* ihren Grund im Gegenstand des Textes eher als in seinem 'Autor' haben«: Israel und das Land. Vorarbeiten zu einem Vergleich zwischen Priesterschrift und deuteronomistischem Geschichtswerk, Habil.schrift Heidelberg 1969, 51. 5 O. Procksch, Die Genesis übersetzt und erklärt, 19242-3, 626. 6 G. Fohrer, in: Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 197. 7 E. A. Speiser, Genesis, 1964, bes. 173. 8 S. E. McEvenue, The Narrative Style of the Priestly Writer, 1971, 180 Anm. 4. ' A. a. O. 22. 2

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Erzählung gegen den sonstigen Brauch ziemlich unverändert eingebaut worden, denn diese Frische, diese Lebendigkeit von Rede und Gegenrede ist innerhalb dieser Quelle singulär«10. Die Erzählung ist »uns nun auch deswegen in traditionsgeschichtlicher Hinsicht etwas rätselhaftes«11. Hier ist jedenfalls deutlich geworden, daß das Votum Holzingers: »Über die Zugehörigkeit dieses Stückes zu P ist kein Zweifel möglich«12 heute in dieser Form kaum noch aufrechtzuerhalten ist. Aber was veranlaßt denn dazu, das Kapitel trotzdem P zuzurechnen? Man muß sich noch einmal ganz deutlich vor Augen führen, was hier methodisch geschieht: P erkennt man nach allgemeiner Auffassung immer und in erster Linie an seinem Stil. In dieser Hinsicht kann Gen 23 nicht zu P gehören. Ein zweites charakteristisches Kennzeichen ist die starke, oft massiv theologische Aussage der P-Stücke; in Gen 23 findet sich davon keine Spur. Aber warum wird es dann zu P gerechnet ? Zweifellos wirkt die traditionelle Auffassung noch nach, die dieses Urteil schon von der chronologischen Einleitungsnotiz her fällte; »die genaue Chronologie« ist das einzige Kennzeichen für P, das von Rad anführt 13 . Fohrer sagt: »Alles aber ist voll und ganz den einzelnen Tendenzen von P ein- und untergeordnet« 14 ; allerdings sagt er nicht, was dies konkret für Gen 23 bedeutet. Für von Rad stellt sich die Frage: »Aber welches theologische Interesse — und nur um ein solches kann es sich handeln — gab ihr (d. h. der Erzählung) einen so bevorzugten Platz in der Priesterschrift?« Seine Antwort: Das »eigentümlich gebrochene Verhältnis zu dem verheißenen Heilsgut schlechthin, dem Land«, daß nämlich den Vätern der Besitz des Landes zwar verheißen, daß aber diese Verheißung noch nicht erfüllt war, »konnte bei einem so präzisen Theologen wie P begrifflich nicht unformuliert bleiben. So heißt es bei ihm mehrfach: die Väter wohnen 'im Land ihrer Fremdlingschaft' (nniltt f i x Kap. 17 8 28 4 36 7 37 l 47 9). Hier tat sich nun aber eine Frage auf: Sind dann die Väter, die um der Verheißung willen alles hinter sich gelassen hatten, ganz ohne Anteil geblieben? Nein, antwortet unsere Erzählung: im Tod waren sie auch schon Erben und keine 'Fremdlinge* mehr.«16 Diese sehr eindrucksvolle Interpretation hat m. E. nur einen grundlegenden Fehler: Nach allem, was wir sonst von dem »präzisen Theologen« P wissen, hätte er dies gewiß so zum Ausdruck gebracht, daß es für den Leser unmißverständlich gewesen wäre. Mit keinem Wort wird ja hier auf diese theologischen Zusammen10 11

12 13 14

G. von Rad, Das erste Buch Mose, 1972», 198. A. a. O. 196; vgl. zum ganzen von Gen 23 auch G. Ch. Macholz, Israel und das Land (s. o. Anm. 4), 50ff. H. Holzinger, Genesis erklärt, 1898, 133. A. a. O. (s. o. Anm. 10) 196. 16 A. a. O. (s. o. Anm. 6) 197. G. von Rad, Das erste Buch Mose, 19729, 199. R e n d t o r f f , Pentat euch

9

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hänge hingewiesen, nicht einmal andeutend. Dazu kommt ein weiterer, ergänzender Gesichtspunkt: Alle ausführlicheren Texte, die sonst P zugeschrieben werden, bestehen mehr oder weniger vollständig aus Berichten über ein Handeln oder Reden Gottes. In dem ganzen Kapitel Gen 23 wird aber Gott überhaupt nicht erwähnt! Es ist m. E. nicht vorstellbar, daß der Verfasser von Texten wie z. B. Gen 17 oder Ex 6 2-8 sich so weit seiner eigenen Art entäußert haben sollte, daß er diese rein »profane« Geschichte unverändert übernahm (eine eigene Verfasserschaft kommt m. E. überhaupt nicht in Betracht!), ohne ihr auch nur das kleinste theologische Licht aufzusetzen, und daß er es dem Leser ganz und gar selbst überließ zu erkennen, daß hiermit der von P gebrauchte theologische Begriff vom »Land der Fremdlingschaft« an einem entscheidenden Punkt überwunden und außer Kraft gesetzt war. Ich sehe nach dem allen keine tragfähigen Gründe für die Annahme, daß Gen 23 Bestandteil einer P-Erzählung sei, aber zahlreiche Gründe dagegen. 3.4 DIE PRIESTERLICHE SCHICHT IN DEN VÄTERGESCHICHTEN

Es hat sich gezeigt, daß sich eine zusammenhängende P-Erzählung in den Vätergeschichten nicht aufweisen läßt. Ein großer Teil der Texte bzw. Textsplitter, die zur Herstellung eines wenn auch spärlichen kontinuierlichen Erzählungszusammenhanges in Anspruch genommen werden, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand; insbesondere zeigt sich, daß in einer Reihe von Fällen die angegebenen sprachlichen Kriterien durch den Konkordanzbefund klar widerlegt werden. Damit ist die Behauptung einer durch den ganzen Pentateuch durchlaufenden P-Erzählung m. E. faktisch schon widerlegt. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, wenn die entsprechenden Nachweise für die übrigen Teile des Pentateuch hier in der gleichen Ausführlichkeit vorgeführt würden. Es seien jetzt nur noch einige Bemerkungen hinzugefügt über den fragmentarischen Charakter der Erzählung und über die Argumente, mit denen man sich darüber hinwegzusetzen pflegt. Es ist offenkundig, daß sich aus den üblicherweise P zugewiesenen Stücken in den ersten Kapiteln des Buches Exodus keine zusammenhängende Erzählung konstruieren läßt. Vor allem fehlt eine Einführung des Mose: Er ist ganz plötzlich da und empfängt die Zusage der Herausführung der Israeliten aus Ägypten (Ex 62-8). Dazu schreibt Wellhausen: »Die Erwartung, den Mose erst eingeführt zu sehen, ehe er, wie 6 2 geschieht, als bekannte Person auftritt, ist bei Q nicht berechtigt.« 1 Das heißt doch 1

J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 1899», 62; Q bei Wellhausen = P.

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Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

nichts anderes als: bei einem so schlechten Schriftsteller wie P darf man derartige Selbstverständlichkeiten, daß eine handelnde Person zunächst eingeführt wird, nicht erwarten. So dient also wieder das bekannte Vorurteil über P dazu, die faktisch fehlende Kontinuität der Darstellung zu vertuschen. Ein weiteres Beispiel: Es fehlt offenkundig in der angenommenen P-Erzählung ein Bericht über den Auszug aus Ägypten. Dazu Elliger: »NB: der Auszug selbst wird mit einem einzigen Satz Ex 12 41 einfach registriert, so reibungslos und mit nachtwandlerischer Sicherheit geht er vonstatten!« 2 Hier wird also das Fehlen eines unentbehrlichen Erzählungsstückes überhöht zu einer besonders tiefsinnigen theologischen Darstellung. Im übrigen wird dabei einer chronologischen Notiz eine erzählerische Funktion aufgebürdet. Diesen Bemerkungen üeßen sich weitere hinzufügen. Sie sollen hier nicht dazu dienen, gegen einzelne Autoren zu polemisieren; sie sollen vielmehr zeigen, wie fest überall die Voraussetzung ist, es müsse eine zusammenhängende P-Erzählung geben, und wie von dieser Voraussetzung her offenkundige Sachverhalte, die dagegen sprechen, ignoriert oder überspielt werden. Das ist aber kennzeichnend für weite Bereiche der heutigen Pentateuchforschung. Eine neue kritische Überprüfung der Argumente wird deshalb nur möglich sein, wenn diese Voraussetzung dabei mit zur Diskussion gestellt wird. Wenden wir uns nun denjenigen Stücken in den Vätergeschichten zu, deren Zugehörigkeit zur priesterlichen Schicht der Pentateuchüberlieferung mit besseren Gründen aufrechterhalten werden kann. Sie bilden, wie sich gezeigt hat, keinen kontinuierlichen Erzählungszusammenhang; gleichwohl stehen sie untereinander in offenkundiger Verbindung. 3.41 Chronologische Notizen Zunächst hebt sich deutlich eine Gruppe von chronologischen Notizen heraus, die allgemein als charakteristisch für P gelten. Bei näherem Zusehen sind sie jedoch weniger einheitlich, als meist angenommen wird. So zeigt sich schon eine auffallende Uneinheitlichkeit in der sprachlichen Form der zusammengesetzten Zahlen. Bei zweigliedrigen Jahresangaben steht meist das Wort iMW »Jahr« zweibzw. dreimal, und zwar in der üblichen Weise: bei den Einern im Plural, bei den Zehnern und Hundertern im Singular1. Allerdings gibt es Abweichungen davon, in denen das Wort »Jahr« nicht wieder2

1

K. Elliger, Sinn und Ursprung der priesterlichen Geschichtserzählung, ZThK 49 (1952), 121—143. 138 = Kleine Schriften zum Alten Testament, 1966,174—198.193. Vgl. zum ganzen: W. Gesenius—E. Kautzsch, Hebräische Grammatik, 190928 = 1962, § 134e—h. 9*

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Kritik der Pentateuchkritik

holt wird: Gen 17 242 47 9. 28 (nur einmal wiederholt) 50 22. 263. Ferner ist die Reihenfolge unterschiedlich: teilweise steht der Einer voran (Gen 11 32 12 4 47 28), in den übrigen Fällen jedoch am Ende. Bei Zahlen über hundert steht der Hunderter meist voran, jedoch nicht immer (47 9. 28). Im übrigen wird das Zahlwort 100 meist in der status-constructus-Form gebraucht, aber auch davon gibt es Abweichungen (Gen 231 50 22.26). Abgesehen von dieser formalen Uneinheitlichkeit zeichnen sich deutlich verschiedene Gruppen von chronologischen Angaben ab. Eine erste Gruppe gibt das Alter der Person zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses an. Der Aufbau ist ganz gleichmäßig: Am Anfang steht der jeweilige Name mit vorangestelltem l; darauf folgt die Altersangabe, eingeleitet mit ; daran schließt sich die Angabe des Ereignisses an, und zwar stets im Infinitiv mit vorangestelltem 3 und gegebenenfalls mit Suffix: 013X1 p n » WN33 mw trsnin d w wan-p D'M? TOI nw nMntzrp . . . n« u r r m V s D13N1 ani3Ki nip srom n w j : V?öra iVnrn row m w rcVirp 123 "?«sasri . . . r « V? -rVim na© r s a - p ani3«i pnjpi DD« m b a nw n - w - p «pn insno ns1? vrösn m» n ^ V s r p

124 1616 1724 1725 215 2526 4146

12 4: 1616: 17 24: 17 25: 21 5:

Abram war 75 Jahre alt, als er aus Haran auszog Abram war 86 Jahre alt, als Hagar den Ismael dem Abram gebar Abraham war 99 Jahre alt, als er sich beschneiden ließ Ismael, sein Sohn, war 13 Jahre alt, als er sich beschneiden ließ Abraham war 100 Jahre alt, als ihm sein Sohn Isaak geboren wurde 25 26: Isaak war 60 Jahre alt, als sie (Esau und Jakob) geboren wurden 4146: Joseph war 30 Jahre alt, als er vor Pharao, den König von Ägypten, trat. Etwas abweichend von diesem Schema heißt es in 25 20 mit vorangestelltem "»in: np3*rns innpa ns» o ^ s n u r p pna' -rri Isaak war 40 Jahre alt, als er sich Rebekka zur Frau nahm. Stärker vom Schema weicht 26 34 ab: hier ist ebenfalls TPI vorangestellt, und es wird das Ereignis im impf. cons. angegeben: . . . r s ton npn ms? trsn-iK p ws? t t i Esau war 40 Jahre alt, da nahm er sich als Frau Jehudit. 2

3

In 17 25 ist nltPS tP1?© als eine Zahl aufzufassen und deshalb hinter ©V© kein D"W zu erwarten. 60 22. 26 werden im allgemeinen nicht zu P gerechnet; siehe dazu auch unten S. 135 f. mit Anm. 10.

Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

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Die gleiche Abweichung vom Schema zeigt sich in 17 1: ö t i n Vs n w k t i n - w stwvi niw a m p m a x \ t i Abram war 99 Jahre alt, da erschien Jahwe dem Abram. Hier fällt auf, daß der Name Abrahams im Nachsatz wiederholt wird. Das ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sonst in allen Fällen, in denen in den Vätergeschichten eine Gotteserscheinung mit XT1 eingeleitet wird, dieses Verbum am Anfang des Satzes steht (Gen 12 7 18 l 26 2. 24 35 9); nur hier erscheint es im Nachsatz. Deshalb legt sich die Vermutung nahe, daß die Altersangabe in Gen 17 1 a nachträglich hinzugefügt worden ist; dafür spricht auch, daß die gleiche Altersangabe in v. 24 noch einmal erscheint. Die Altersangabe in Gen 37 2 weicht in mehrfacher Hinsicht vom Schema ab: Sie beginnt mit dem Namen, jedoch ohne vorangestelltes 1. Dann folgt ein Umstandssatz mit i P i l und Partizip, wofür es in den übrigen chronologischen Notizen keine Parallele gibt; auffallend ist schließlich, daß sich gleich noch ein weiterer Umstandssatz mit Kim und folgendem Nomen anschließt. Der Satz würde ohne die Altersangabe, d. h. ohne die Wörter na® mtfsrsnarp, keinerlei syntaktische Schwierigkeiten bieten, während er in der jetzt vorliegenden Form sowohl syntaktisch problematisch als auch im Vergleich zu den übrigen chronologischen Angaben in den Vätergeschichten singulär ist. Es legt sich deshalb auch hier nahe, eine spätere Einfügung der Altersangabe anzunehmen. Es sei noch darauf hingewiesen, daß es sich bei den Altersangaben überwiegend um runde Zahlen handelt: Bei Abraham 75 (Gen 12 4) und 100 Jahre (21 5), bei Isaak 40 (25 20) und 60 (25 26), bei Esau 40 (26 84), bei Joseph 30 Jahre (41 46)4. Die 99 Jahre Abrahams bei der Beschneidung 17 24 sind sozusagen Vorspiel zur Geburt Isaaks. Nur die Chronologie Ismaels fällt aus dem Rahmen der runden Zahlen, ist aber wiederum deutlich auf die Beschneidung und damit auf die Geburt Isaaks bezogen. Im übrigen hat das Beschneidungsalter von 13 Jahren vermutlich auch eine besondere Bedeutung6. So handelt es sich hier zweifellos um ein bestimmtes chronologisches System. Nachdem jedoch deutlich geworden ist, daß die chronologischen Notizen nicht durch Zwischenstücke zu einer zusammenhängenden Erzählung verbunden sind, wird man dieses chronologische System nicht einer eigenen Erzählungs»quelle«, sondern eher einer Bearbeitungs- oder Redaktionsschicht zurechnen müssen. 4

5

Vgl. auch E x 7 7, wo nach dem gleichen Prinzip für Mose zum Zeitpunkt seiner Verhandlungen mit Pharao das Alter auf 80 Jahre angesetzt wird; die Zahl 83 für Aaron ergibt sich daraus. H. Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, 1922 5 = 1966', 272 nimmt an, dieses Alter sei für die Beschneidung »bei den ismaelitischen Völkern üblich gewesen«.

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Kritik der Pentateuchkritik

Ähnliches gilt dann wohl auch für die übrigen chronologischen Angaben. Zunächst sind noch einige Texte zu erwähnen, die sich den bisher festgestellten Formen der chronologischen Notizen nicht recht einordnen lassen. I n Gen 16 3 wird in einem etwas umständlichen Satz, der den Erzählungszusammenhang zu unterbrechen scheint, das Datum mitgeteilt, zu dem Sara dem Abraham die Hagar übergeben hat, um durch sie Nachkommen zu erhalten. Die Datumsangabe ist mitten im Satz enthalten und lautet ins Deutsche übersetzt ungefähr: »als Abram 10 Jahre im Lande Kanaan wohnte«. Sie stimmt sachlich durchaus mit der übrigen Chronologie überein: Abraham ist bei der Geburt Ismaels 86 Jahre alt (16 ie), d. h. 11 Jahre älter als bei seinem Auszug aus Haran (12 4). Auffallend ist aber, daß die Zeitangabe nicht in der sonst üblichen Form gemacht wird, sondern innerhalb eines eigenen Satzes. Offenbar lag dem Verfasser hier nicht nur an dieser chronologischen Mitteilung, sondern an dem, was den eigentlichen Hauptbestandteil des Satzes ausmacht: an der Übergabe der Hagar durch Sara. Die formelhaft klingende Wendung JUPN1? "iV findet sich häufig in entsprechenden Zusammenhängen, vgl. Gen 24 67 26 20 28 9 29 28 34 8 38 14 u. ö., ferner 12 19 20 12. Dabei zeigt Gen 34 8 in Verbindung mit v. 2 und 4, daß damit die rechtliche Seite der Sache gemeint ist. Auch in der Jakobgeschichte wird die Übergabe der Mägde an Jakob durch seine beiden Frauen in Gen 30 Zt. 9 fast wörtlich in der gleichen Weise berichtet wie in Gen 16 3; es handelt sich also keineswegs um eine Besonderheit von »P«.

Zwei chronologische Angaben zur Lebensgeschichte Jakobs müssen hier jetzt genannt werden. In Gen 47 9 antwortet Jakob auf die Frage des Pharao nach seinem Alter: »Die Zeit der Jahre meiner Fremdlingschaft ist 130 Jahre.« Die Formulierung mit "W •W steht den gleich zu behandelnden Mitteilungen über das Alter beim Tode näher als den vorher behandelten Altersangaben. Im chronologischen System steht diese Angabe in Zusammenhang mit der von Gen 47 28 a, nach der Jakob 17 Jahre in Ägypten lebte, worauf dann sein Gesamtalter mit 147 Jahren angegeben wird (47 28b, s. sofort). I m übrigen fällt auf, daß das am Satzanfang stehende TPl den stereotypen Angaben in der Urgeschichte 6 entspricht, während es in der Vätergeschichte nur hier und in Gen 50 22 vorkommt. Die nächste größere Gruppe von chronologischen Angaben nennt das Gesamtlebensalter in Verbindung mit der Mitteilung über den Tod des Betreffenden. Auch hier zeigt sich wieder deutlich ein bestimmtes Schema, das allerdings mehrfach variiert wird. Die einfachste Form findet sich in Gen 1132: zunächst die Altersangabe, eingeleitet mit ^ v m , dann die Mitteilung über den Tod, ausgedrückt durch n i n mit Wiederholung des Namens und Angabe des Ortes. 6

Vgl.: Gen 5 3-30 passim 9 28 11 11-26 passim.

Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

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Ganz ähnlich ist die Mitteilung über den Tod Saras in Gen 23 lf. aufgebaut; nur steht hier , , n statt "W und es folgt nach der Altersangabe noch einmal m® "n "W. Man könnte erwägen, ob die zuletzt genannte Wendung die Funktion hat, die in sich geschlossene Angabe des Gesamtlebensalters Saras abzuschließen; dann hätte die ursprüngliche Erzählung mit den Worten m® röXll begonnen7. Auch die Mitteilung über den Tod Isaaks in Gen 35 28 beginnt mit den Worten 'W 1\T1 und folgender Altersangabe; der Nachsatz ist jedoch ausführlicher formuliert: »da verschied Isaak und starb und wurde zu seinen Stammesgenossen versammelt, alt und satt an Jahren; und seine Söhne Esau und Jakob begruben ihn«. Die gleiche ausführlichere Formulierung findet sich noch mehrfach. Bei Jakob beginnt sie in der gleichen Weise in Gen 47 28 b8, der Abschluß findet sich allerdings erst in 49 33 b; doch gehören diese beiden Teile nach Ausweis der Parallelen zusammen, d. h. sie sind hier von der Bearbeitung auseinandergenommen worden, um die letzten Worte und Anweisungen Jakobs dazwischen einfügen zu können. Zwei weitere Texte gehören unmittelbar in diesen Zusammenhang: Gen 25 7 (Tod Abrahams) und 25 17 (Tod Ismaels) unterscheiden sich von den beiden zuvor genannten Texten dadurch, daß sie mit den Worten "n "W ('a1') nVlO9 beginnen; der Nachsatz ist bei Abraham etwas ausführlicher, ähnlich wie bei Isaak (35 28), bei Ismael etwas kürzer. Die Formel ist bei Abraham noch um den Hinweis auf den Begräbnisplatz in der »Höhle Makpela« erweitert, der ähnlich umständlich formuliert ist wie die Schlußverse von Gen 23. Es liegt nahe, hier an eine nachträgliche Erweiterung zu denken; denn sonst bliebe es unverständlich, daß dieser Hinweis bei Isaak fehlt, obwohl in Gen 49 30f. vorausgesetzt wird, daß er dort begraben worden ist. Es läßt sich aber leichter erklären, daß nach Einfügung der Erzählung von Gen 23 in der Abrahamgeschichte eine entsprechende Angleichung vorgenommen wurde, in der Isaakgeschichte dagegen nicht. Gen 49 29-32 stellen eine weitere Stufe der Uberlieferungsbildung dar; hier wird nicht nur zusätzlich von der Beisetzung Isaaks in der Höhle berichtet, sondern ebenfalls von der Rebekkas und Leas, die sonst nirgends erwähnt wird. Auch die Ausführung der Anweisung Jakobs in Gen 50 I2f. gehört zu dieser Bearbeitungsschicht.

So zeigt sich deutlich, daß die Mitteilungen über den Tod Abrahams, Ismaels, Isaaks und Jakobs der gleichen Bearbeitungsschicht entstammen. Die übrigen Texte zeigen andere Merkmale. Das gilt auch für Gen 50 22.26. Hier findet sich wieder das einleitende TPI (22), das uns schon in Gen 47 28 a begegnete und im übrigen häufig in der Urgeschichte vorkommt; auch der Nachsatz v. 26 weicht von den übrigen Texten ab, indem er die Altersangabe bei der Mitteilung über den Tod noch einmal wiederholt, und zwar mit vorgesetztem 7 8 8

Vgl.: Gen 11 28 E x 1 6 I Sam 25 l. Hier nur mit TPI statt V m . In 25 7 noch erweitert um ^ " " W X .

136

Kritik der Pentateuchkritik

~p. Hier wird noch einmal eine andere Bearbeitungsschicht erkennbar10. Aufs ganze gesehen wird deutlich, daß die chronologischen Angaben in den Vätergeschichten verschiedenartige Merkmale aufweisen. Der größere Teil von ihnen läßt sich deutlich auf zwei Gruppen verteilen: einerseits Angaben über das Alter einer Person zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses, andererseits Angaben über das Gesamtlebensalter in Zusammenhang mit der Mitteilung über den Tod. Zwischen beiden Gruppen bestehen keine erkennbaren Beziehungen. Es fällt auch auf, daß sich in der ersten Gruppe keine Angabe über Jakob findet — wohl aber über Esau; dagegen fehlt für Esau eine Mitteilung über seinen Tod. In dem allen zeigt sich, daß hier keine ganz einheitliche und konsequente Bearbeitung erfolgt ist. Man muß vielmehr wohl damit rechnen, daß mehrere Bearbeitungen vorgenommen worden sind11. 3. 42 »Theologische« Stücke Als zweite zusammenhängende Gruppe von Texten sind nun die »theologischen« Stücke innerhalb der Vätergeschichten zu nennen, die allgemein P zugerechnet werden. Es handelt sich dabei um Gen 17 10

11

Trotz dieser Abweichungen ist es überraschend, daß diese Verse durchweg zu E gerechnet bzw. auf J und E verteilt werden (Procksch, Fohrer). Hier wäre dann die einzige Stelle, an der die älteren Quellen eine derartige Angabe über das Lebensalter gemacht hätten. Warum dies ausgerechnet hier der Fall sein soll, wird nirgends begründet. Das Problem der toledot-Formehi bleibt nach wie vor undurchsichtig. P. Weimar, Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte, ZAW 86 (1974), 174—203, hat auf diesen Formeln ein imponierendes Gebäude errichtet. Die Hauptschwierigkeit, die ich in seiner Arbeit sehe, ist die Tatsache, daß er mit einem Verständnis der Begriffe »Geschichte«, »Erzählung«, »Bericht« usw. arbeitet, das ich nicht nachvollziehen kann. So ist mir z. B., um ein beliebiges Zitat herauszugreifen, ein Satz wie: »Dabei bildete die Liste der Ismaeliten . . . den ersten Hauptteil der Geschichte Ismaels« (179) unter formgeschichtlichem Gesichtspunkt schlechthin unverständlich. Wie kann eine »Liste« Hauptteil einer »Geschichte« sein ? Wenig später heißt es, daß die Ismaeliten-Liste nur eine »Phase im Leben Ismaels darstellt)«. Ich verstehe nicht, wie eine Liste eine »Phase im Leben« sein kann. — Für »Geschichte« setzt Weimar häufig »Erzählung«, z. B . in der Zusammenfassung S. 183, Ziffer 2. Sein Verständnis von »Erzählung« zeigt sich z. B . in der Tabelle S. 182: Dort werden die beiden chronologischen Notizen Gen 25 17 und 26 34 jeweils aufgeteilt in »Uberschrift« und »Erzählung«. Sind vielleicht diese Begriffe gar nicht als formgeschichtliche Bestimmungen gemeint ? Aber was könnten sie sonst für einen Sinn haben ? — Im übrigen scheinen mir Weimars Konstruktionen, in denen gewiß richtige Beobachtungen enthalten sind, sehr viel eher auf ein bestimmtes System der Bearbeitung einer vorliegenden Erzählung als auf eine selbständige »Geschichte« hinzudeuten.

Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

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27 46—28 51 35 9-13 48 3f. (5f.)2. Daß diese Texte zueinander in Beziehung stehen, ist leicht erkennbar. Als erstes fällt ins Auge, daß sie alle den Gottesnamen »El saddaj« verwenden: in 17 l und 35 n erscheint er in der Form der Selbstvorstellungsformel »Ich bin El saddaj« als Einleitung einer Gottesrede, in 28 3 und 48 3 jeweils im Rückverweis darauf. Hier wird eine paarweise Zusammengehörigkeit der Texte erkennbar: 28 iff. weist auf Kap. 17 zurück, 48 3f. auf 35 nf. Ein weiterer Zusammenhang besteht darin, daß in diesen Texten vom Segen die Rede ist3. 28 l ist als Segenshandlung Isaaks an Jakob eingeleitet; in v. 3 folgt die eigentliche Segensformel und in v. i ein Rückbezug auf den »Segen Abrahams«. Gegenstand des Segens sind in v. 3 Fruchtbarkeit und Mehrung, in v. 4 der Landbesitz. — In 35 9 wird die doppelte Gottesrede wiederum als Segen eingeleitet; allerdings folgt der eigentliche Segensinhalt dann erst in der zweiten Gottesrede v. nf., und zwar wiederum Fruchtbarkeit und Mehrung (v. n) und Landbesitz (v. 12). In 48 3f. wird im Rückverweis hierauf gesagt, daß El saddaj dem Jakob erschienen sei und ihn gesegnet habe; Inhalt sind wiederum Fruchtbarkeit und Mehrung sowie Landbesitz (v. 4). Dabei fällt auf, daß im Rückverweis nicht wörtlich zitiert wird, sondern daß zwar der Duktus der Aussage ganz parallel verläuft, in der Wortwahl aber zahlreiche Abweichungen erkennbar sind; im übrigen besteht eine Beziehung zwischen 48 4 und 17 8 in der Wendung D1?"!!? ntnK, die nur an diesen beiden Stellen in Zusammenhang mit der Landverheißung begegnet. In Gen 17 ist die Verheißungsrede nicht als Segen eingeleitet. Das ist sehr auffällig angesichts der Tatsache, daß der Inhalt der Verheißung in 17 6f. (vgl. auch schon v. 2) genau dem entspricht, was in den übrigen eben genannten Texten als Segen bezeichnet wird; außerdem ist auch die Verheißung von Fruchtbarkeit und Mehrung für Sara (v. ie) und für Ismael (v. 20) ausdrücklich als Segen bezeichnet. Es bieten sich verschiedene Erklärungsmöglichkeiten an: Einerseits wäre es denkbar, daß der Verfasser von Gen 17 die von ihm genannten Verheißungen entsprechend den anderen Texten als Segen verstanden wissen wollte, ohne dies ausdrücklich zu sagen; man könnte argumentieren, daß ja die Zusage »Ich werde dich sehr, sehr fruchtbar machen usw.« in v. 8 nichts anderes als ein Segenswort sei. Andererseits könnte man auch vermuten, daß der Begriff »Segen« erst einer späteren Bearbeitungsschicht angehört und deshalb in Gen 17, das offensichtlich den Ausgangspunkt für diese ganze Gruppe von Texten bildet, zunächst noch fehlte und erst später (in 17 16. 20 sowie in den Rückverweisen) ergänzt worden wäre; dafür 1 2 3

Hierzu gehört noch 26 84f. und 28 6-9; man beachte aber die Wiederholung in 28 6ff.l Für die Zugehörigkeit von 48 St. zu P findet man in der Literatur kaum Argumente. Vgl. dazu oben S. 48f.

138

Kritik der Pentateuchkritik

könnte man auch geltend machen, daß in Gen 35 9 das Wort »segnen« vor den Gesamtkomplex der beiden Gottesreden gestellt worden ist, daß es aber bei der eigentlichen Verheißungsrede in v. nf. fehlt. Eine dritte Möglichkeit könnte schließlich sein, daß ursprünglich auch am Anfang von Gen 17 vom Segen die Rede war, daß dieser Begriff hier aber durch den des »Bundes« (ir~n) überlagert und verdrängt worden ist (v. 2. 4. 7 u. ö.); jedenfalls wird deutlich zwischen dem Segen für Sara und Ismael (v. 16. 20) und dem Bund mit Abraham und Isaak (v. 19b. 21!) unterschieden. — Wie dem auch sei: trotz dieses auffallenden Unterschieds sind doch die Beziehungen zwischen diesen vier Texten ganz deutlich. Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Textgruppe liegt darin, daß in ihnen durchweg die Landverheißung nach der Mehrungsverheißung folgt. Es wurde früher gezeigt, daß hierin eine Besonderheit dieser Texte gegenüber anderen liegt4, bei denen die Reihenfolge umgekehrt ist; die Nachordnung der Landverheißung stellt wohl ein jüngeres Stadium der Überlieferung dar. Zur Stellung dieser Textgruppe innerhalb der übrigen Verheißungsreden in den Vätergeschichten seien noch einige Bemerkungen hinzugefügt. Bei der Landverheißung findet sich in drei Texten die Formulierung »dir (. . .) und deinem Samen«, wobei die beiden Ausdrücke zweimal unmittelbar aufeinander folgen (Gen 17 8 28 4: der letztere Text ist nicht als Gottesrede formuliert und weist einige Besonderheiten auf), während einmal das Verbum dazwischensteht und zudem danach noch einmal wiederholt wird (35 12); einmal steht nur »deinem Samen« (48 4). In dieser Hinsicht heben sich diese Texte also nicht als geschlossene Gruppe aus den übrigen Landverheißungen heraus (vgl. die Tabelle oben S. 42). In drei Fällen ist zu dem Wort »Same« noch hinzugefügt »nach dir« ("^"IIIN 17 8 35 12 48 4); darin liegt eine Besonderheit dieser Textgruppe, ebenso wie in dem schon erwähnten Ausdruck OVlS TWIN in 17 8 und 48 4. — Bei der Mehrungsverheißung gehören diese Texte zu denen, die das Wort »Same« in diesem Zusammenhang nicht verwenden (vgl. oben S. 47 f.). Auffallend ist dabei, daß sich die pluralische Rede von »Völkern« oder »Nationen« nur in dieser Textgruppe findet. — So ist die Sonderstellung erkennbar, jedoch läßt sich diese Textgruppe nicht völlig aus der Uberlieferungsgeschichte der Verheißungsreden aussondern.

Schließlich besteht noch ein Zusammenhang darin, daß die beiden Gottesreden Gen 17 und 35 9ff. jeweils eine Namensänderung des betreffenden Erzvaters enthalten: Abraham 17 5 und Jakob 35 10. Auch diese Parallelität ist offenbar beabsichtigt. Es kann also kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese vier Textstücke zueinander in Beziehung stehen. Sie wollen offenbar bestimmte theologische Akzente setzen. Am gewichtigsten geschieht dies in dem breit angelegten Kapitel Gen 17. Hier sind einerseits die verschiedenen Verheißungselemente, die sich auch sonst vielfältig in den Vätergeschichten finden, in einer charakteristischen Weise zusammen4

Vgl. dazu oben S. 52f. und S. 63.

Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

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gefaßt 5 , andererseits sind neue Elemente hinzugetreten, vor allem der Gedanke des »Bundes« Gottes mit Abraham und der Beschneidung als eines sichtbaren Ausdrucks dieses Bundesverhältnisses. Allerdings ist auffällig, daß dieser letztgenannte Gesichtspunkt nicht weiter durchgeführt worden ist; nach der Mitteilung über den Vollzug der Beschneidung an Abraham, Ismael und den männlichen Angehörigen des »Hauses« Abrahams in Gen 17 23-26 findet sich nur noch die Notiz über die Beschneidung Isaaks in Gen 214, bei der auf Gen 17, insbesondere auf v. 12, zurückverwiesen wird. Von weiteren Beschneidungen verlautet in den Vätergeschichten nichts. Offenbar ging es also dem Verfasser von Gen 17 — oder vielleicht genauer: dieser Teile von Gen 17 — nicht darum, ein zusammenhängendes Stück Vätergeschichte zu berichten, sondern viel eher darum, die Beschneidungsvorschrift in dem Bund Gottes mit Abraham zu verankern. Die übrigen Stücke haben es alle mit Jakob zu tun. Sie zeigen, wie ihn der Segen Gottes (genauer: El saddajs) auf seinem Weg begleitet. Es sind die gleichen Hauptstationen, die in einer anderen Schicht der theologischen Bearbeitung durch das Thema »Führung« gekennzeichnet sind 6 : sein Aufbruch nach Haran (Gen 27 46—28 5), seine Rückkehr von dort (35 9-13) und das Ende des Weges in Ägypten (48 3f.). Im einzelnen liegen hier die Akzente etwas anders als in der »Führungs«schicht. Der Aufbruch nach Haran geschieht selbst schon unter dem Segen; das zweite Segenswort ergeht erst nach der Rückkehr auf den Boden des verheißenen Landes; und auch die letzte rückblickende Erwähnung des Segens setzt den Zug nach Ägypten schon voraus. Es entsteht dadurch der Eindruck einer Ergänzung und neuen Akzentuierung der bereits vorliegenden Erzählung; daß diese Texte nicht Bestandteil einer zusammenhängenden priesterschriftlichen Jakobgeschichte sein können, wurde bereits gezeigt7. Gleichwohl zeigt sich hier ein ganz ausgeprägtes Interesse dieser Bearbeitungsschicht an der Gestalt und dem Weg Jakobs. Eine Frage sei hier noch angedeutet: Besteht ein Zusammenhang zwischen dieser »priesterlichen« Bearbeitungsschicht und den Gottesreden in der Isaakgeschichte (Gen 26 2-5. 24) ? Die letzteren werden in aller Regel nicht zu P gerechnet; aber es fällt auf, daß sie ebenso wie die Gottesreden an Abraham. (Gen 17 l) und Jakob (35 9) mit N * n eingeleitet sind. Auch sonst weisen jedenfalls in Gen 26 2-5 manche Züge auf ein fortgeschrittenes überlieferungsgeschichtliches Stadium hin, das den priesterlichen Texten nahesteht. Aber diese Fragen bedürften noch genauerer Untersuchung.

3.43 Die Funktion der priesterlichen Schicht Mit dieser letzten Feststellung ist zugleich die Frage nach der Funktion berührt, die diese Textgruppe innerhalb der Vätergeschich5 8

Zu Gen 17 vgl. auch oben S. 63. Vgl. dazu oben S. 67f. ' Siehe dazu Ziffer 3.32 (S. 116—120).

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Kritik der Pentateuchkritik

ten im ganzen hat. In der Abrahamgeschichte setzt sie einen gewichtigen Akzent in Gen 17; daneben steht aber unberührt die Vielzahl der Verheißungsreden an Abraham, die anderen Überlieferungsund Bearbeitungsschichten angehören. Der Jakobgeschichte geben diese Texte eine eigene, neue Interpretation, die neben die frühere tritt. Damit ist allerdings ihr Beitrag zur Gestaltung und Interpretation der Vätergeschichten insgesamt schon erschöpft. Insbesondere fällt auf, daß diese Textgruppe an der Rahmung und Gestaltung der Vätergeschichten als einer in sich geschlossenen größeren Einheit keinen Anteil hat. Weder die Zusage der Führung, die alle drei Vätergeschichten durchzieht1, noch die Zusage der Segensmittlerschaft 2 für andere, die sich in besonderer Weise als verbindendes Gestaltungselement erwiesen hat, findet sich in diesen Texten. So heben sich die »priesterlichen« Texte innerhalb der Vätergeschichten deutlich als eine selbständige Gruppe mit einer Reihe von Besonderheiten heraus. Zugleich ist eine bestimmte Interpretationsabsicht dieser Textgruppe als ganzer erkennbar. Aber diese Interpretation ist innerhalb der Vätergeschichten keineswegs die beherrschende, denn sie umfaßt nur einen Teilaspekt (vor allem die Jakobgeschichten) und ist zudem an der Gesamtgestaltung der Vätergeschichten nicht beteiligt. Hier seien gleich noch einige Bemerkungen zur Verbindung der Vätergeschichten mit den nachfolgenden Überlieferungen hinzugefügt. Wir hatten früher schon festgestellt, daß einerseits die Unverbundenheit zwischen den einzelnen Überlieferungskomplexen sehr auffallend ist, daß sich andererseits aber in der Exodusüberlieferung einzelne Rückverweise auf die Vätergeschichten finden 3 . Neben den im deuteronomischen Stil formulierten sind hier nun noch einmal diejenigen Texte zu nennen, die allgemein der Priesterschrift zugerechnet werden: In Ex 2 23-25 wird in einem Verbindungsstück, das im jetzigen Textzusammenhang die Wende zur bevorstehenden Rettung der Israeliten anzeigt4, auf den »Bund« Gottes mit Abraham, Isaak und Jakob zurückverwiesen (v. 24). Wir hatten schon früher die Vermutung geäußert, daß darin ein Zusammenhang mit Gen 17 7 gesehen werden könne. Auch in der Gottesrede in Ex 6 2-96 sind die Anklänge an Gen 17 7f. deutlich erkennbar®. Allerdings zeigt das Stück im übrigen mit seiner breiten Entfaltung der Formel »Ich bin Jahwe« und mit der »Erkenntnisaussage«7 in v. 7 eine ganz eigene Thematik. 1

2 Vgl. dazu oben S. 57 ff. Vgl. dazu oben S. 60. 4 Siehe dazu oben S. 65ff., 68f. u. 75ff. Vgl. dazu oben S. 67. 71. 6 Vgl. dazu oben S. 67 f. « Ebd. 7 Vgl. W. Zimmerli, Erkenntnis Gottes nach dem Buche Ezechiel, 1954 = Gottes Offenbarung. Gesammelte Aufsätze, 1963, 41—119.

3

Die priesterliche Schicht in den Vätergeschichten

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Mit diesen beiden Texten ist also eine bewußte Verknüpfung von Väter- und Exodusüberlieferung vollzogen worden. Allerdings fällt nun sofort auf, daß sich im weiteren Verlauf der Darstellung keine derartigen Rückverweise mehr finden. Das Auszugsgeschehen selbst, die Wüstenwanderung und die Landnahme bleiben ohne Hinweis darauf, daß das Land, das Ziel des Weges, von Jahwe den Vätern zugesagt wurde. In diesen priesterlichen Texten finden wir also keine das Ganze des Pentateuch umfassende Bearbeitung, sondern neben der ausschnitthaften Neuinterpretation der Vätergeschichten nur eine einmalige Verknüpfung von Väter- und Exodusüberlieferung unter dem Aspekt des »Bundes« Jahwes mit den Vätern. 3.44 Keine priesterschriftliche Erzählung, sondern eine priesterliche Bearbeitungsschicht Fassen wir unsere Beobachtungen zur »Priesterschrift« in den Vätergeschichten zusammen: Eine fortlaufende P-Erzählung läßt sich in den Vätergeschichten nicht nachweisen. Die für diesen Erzählungsfaden allgemein in Anspruch genommenen Texte sind vielmehr höchst unterschiedlich zu beurteilen. Zunächst hebt sich eine kleine Gruppe von »theologischen« Texten heraus, von denen der eine die göttlichen Verheißungen an Abraham in einer neuen Weise zusammenfaßt und unter das Stichwort »Bund« stellt (Gen 17), während es die anderen alle mit Jakob zu tun haben (Gen 27 46—28 5 35 9-13 48 3f.); sie sind in bestimmter Weise mit Gen 17 verbunden, verwenden jedoch den Begriff »Bund« nicht. Ferner finden sich mehrere Gruppen von chronologischen Notizen. Sie nennen teilweise das Lebensalter einer Person zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses, teilweise das Gesamtlebensalter in Verbindung mit der Mitteilung über den Tod des Betreffenden. Zwischen diesen verschiedenen Gruppen von chronologischen Notizen bestehen keine erkennbaren Beziehungen, weder stilistisch noch inhaltlich noch im Blick auf ihre Stellung im jetzigen Textzusammenhang. Auch zwischen den chronologischen Notizen einerseits und den theologischen Texten andererseits bestehen kaum Beziehungen; lediglich in Gen 17 werden die Lebensalter Abrahams (v. i. 24) und Ismaels (v. 25) zum Zeitpunkt der Beschneidung genannt. Die These von einer zusammenhängenden P-Erzählung hängt in der bisherigen Forschung weitgehend an der Annahme, daß bestimmte kleine Textstücke zu P zu rechnen seien, die die Verbindung zwischen den eben genannten Texten herstellen, so daß ein fortlaufender Erzählungszusammenhang entsteht. Bei der Untersuchung dieser Textstücke zeigte sich, daß die Argumente für ihre Zuweisung an P (die im übrigen in der neueren Literatur meistens überhaupt fehlen) in

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Kritik der Pentateuchkritik

der Mehrzahl der Fälle der kritischen Überprüfung nicht standhalten, ja daß sich in erheblichem Umfang sogar Behauptungen finden, die durch den bloßen Konkordanzbefund als falsch erwiesen werden. Ich hebe als charakteristische Beispiele noch einmal hervor: der als Beweis für P geltenden Zusatz »Abrams Frau« in Gen 16 1, der sich genauso in dem »J«-Stück 12 17 und in dem »E«-Stück 2018 findet; der als Beweis für P geltende Gebrauch des Verbums nns? pi »zerstören«, in Gen 19 29, der sich auch in der unmittelbar vorhergehenden »J«Erzählung in 19 13 sowie in dem »J«-Text 13 10 findet; die Inanspruchnahme des Ausdrucks isrwV »zu dem Zeitpunkt« in Gen 212 b für P, der sich auch in dem unmittelbaren Bezugstext 18 14 bei »J« findet. Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Durch die Widerlegung derartiger Argumente ergibt sich aber eine Art von Kettenreaktion, da sich die Texte, die für P in Anspruch genommen werden, größtenteils gegenseitig stützen, und zwar auf Grund derartiger Sprachgebrauchs»beweise«. M. E. zeigt die kritische Überprüfung zwingend, daß diese Verbindungsstücke nicht für P in Anspruch genommen werden dürfen. Damit ist aber der Annahme einer zusammenhängenden P-Erzählung der Boden entzogen. Denn selbst wenn man annehmen will, daß die übrigen genannten Textgruppen trotz fehlender erkennbarer Beziehungen zueinander alle zu einer »Quelle« zu rechnen seien, ergeben sie doch keine zusammenhängende Erzählung. Man könnte sie höchstens alle der gleichen Bearbeitungsschicht zurechnen, die einen bereits vorliegenden Textzusammenhang in bestimmter Weise ergänzt und interpretiert hat. Als Bestandteile einer »Quelle« im Sinne der Urkundenhypothese, d. h. also einer fortlaufenden Erzählung, die einmal selbständig für sich existiert hat, lassen sie sich nicht erweisen. 3.5 ZUSAMMENFASSUNG

Der Aufweis je verschiedener zusammenfassender und theologisch deutender Bearbeitungen der Vätergeschichten einerseits und der Mose- und Auszugsgeschichte andererseits sowie die Tatsache, daß sich Spuren einer das Ganze des Pentateuch übergreifenden Bearbeitung erst in einem relativ späten Stadium der Überlieferungsbildung fanden, stellte uns vor die Frage, wie sich diese Beobachtungen zu der herrschenden Annahme durchlaufender »Quellen« oder »Quellenschichten« im Pentateuch verhalten. Von einem überlieferungsgeschichtlichen Ansatz her müßten sich derartige »Quellen« ja folgerichtig als die nächste Stufe der Überlieferungsbildung herausstellen, auf der nun die »größeren Einheiten«, die selbst schon Sammlungen recht verschiedenartigen Materials

Zusammenfassung

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bilden, zu größeren Entwürfen zusammengefaßt werden, welche die Gesamtthematik des Pentateuch umfassen. Da uns unsere bisherigen Untersuchungen nicht auf solche übergreifenden Entwürfe geführt hatten, unternahmen wir gleichsam die «Gegenprobe», d. h. wir unterzogen die derzeitige Pentateuchforschung einer kritischen Befragung auf die »systemimmanente« Stichhaltigkeit ihrer Argumente und die Einheitlichkeit und Überzeugungskraft ihrer Ergebnisse. Bei dem Versuch, diese »Gegenprobe« durchzuführen, ergab sich aber sehr bald eine große Schwierigkeit. Es erwies sich als kaum möglich, aus der gegenwärtigen Pentateuchforschung heraus ein einigermaßen klares Bild von dem allgemein als wichtigste Quelle betrachteten »Jahwisten« zu gewinnen. Wenn auch fast überall thetisch die weitgehende Übereinstimmung in den Grundfragen seiner Abgrenzung und der Bestimmung seines Charakters und seiner Intention behauptet wird, so zeigt sich bei genauerem Hinsehen sehr bald, daß im Grunde in keiner einzigen wesentlichen Frage unter der Mehrzahl der Exegeten Übereinstimmung besteht. Die Überprüfung der Gründe für diese Divergenzen und Meinungsverschiedenheiten ergibt, daß sie nur Ausdruck einer tiefgehenden methodischen Unsicherheit sind. Diese Unsicherheit hat aber wohl ihre entscheidenden Ursachen darin, daß bestimmte Grundthesen festgehalten werden, obwohl ihre Voraussetzungen nicht mehr zutreffen und obwohl die Argumente, mit denen sie einstmals begründet wurden, ihre Stichhaltigkeit verloren haben. Fassen wir noch einmal die wichtigsten Aspekte dieser Problematik ins Auge: Die Urkundenhypothese war zunächst als überzeugende Antwort auf die Frage nach der literarischen Einheitlichkeit des Pentateuch erschienen. Die Annahme einer Mehrzahl von parallelen, ursprünglich selbständigen Quellen und einer sie zusammenfügenden Redaktion schien den größten Teil der literarkritischen Fragen, die der jetzt vorliegende Text des Pentateuch stellt, einleuchtend zu beantworten. Vor allem schien es überzeugend, daß neben einer jüngeren priesterlichen Quelle mehrere ältere Quellen angenommen wurden, so daß man das mehrfache Vorkommen einzelner Erzählungen, Unterschiede im Gebrauch des Gottesnamens und im sonstigen Sprachgebrauch, unterschiedliche religiöse und moralische Vorstellungen, unterschiedliche historische Voraussetzungen usw. auf diese verschiedenen Quellen verteilen konnte. Das Bemühen um möglichst genaue Festlegung dieser Quellen und um die Herausarbeitung ihrer Charakteristika Heß allerdings schon sehr bald die Schwierigkeiten und die Problematik dieses Unterfangens erkennen. Überblickt man die Geschichte der neueren Pentateuchforschung, so zeigt sich, daß sie im Grunde immer vor dem Dilemma gestanden hat, bei Anlegen strengster Kriterien für die Ein-

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Kritik der Pentateuchkritik

heitlichkeit der einzelnen Quellen nie den gesamten Stoff des Pentateuch auf diese Quellen verteilen zu können. Das führte immer wieder zu den Fragen, ob man neue Quellen oder Unterquellen annehmen sollte, ob man einen verhältnismäßig großen Bestand an Texten den Redaktoren zuschreiben oder für »nicht quellenhaft«, als »Zusatz«, »Glosse«, »Wucherung« oder was immer erklären sollte, oder aber ob man notgedrungen die Anforderungen an die Zugehörigkeitskriterien ermäßigen sollte. Die Diskussion über die Fragen der Abgrenzung der Quellen wurde dabei sehr bald zu einem höchst esoterischen Spiel, bei dem die Theorie als solche nie in Frage gestellt wurde — und sie ist es weithin bis heute geblieben. Eine besondere Rolle spielt in diesen Diskussionen die Frage, ob die einzelnen Quellen vollständig erhalten seien. Das wechselnde Geschick des »Elohisten« ist ein deutliches Beispiel für dieses Problem. Es zeigt zugleich, wie bestimmte Vorentscheidungen es weitgehend verhinderten, die Beobachtungen am Text anders auszuwerten, als die Urkundenhypothese es vorzuschreiben schien. Wenn einzelne Textstücke als zusammengehörig erkannt wurden, mußten sie auch zu einer »Quelle« gehören, weil ja seit Wellhausen die »Fragmentenhypothese« überwunden war. Und auch wenn man heute weitgehend darauf verzichtet, den Elohisten vollständig rekonstruieren zu wollen, so werden doch die »elohistischen Fragmente« ausdrücklich als Bestandteile einer »ursprünglich selbständige(n) Quellenschrift mit eigener Kompositionstechnik und selbständiger Verkündigungsabsicht«1 verstanden. Daß Dubletten oder Ergänzungen an verschiedenen Stellen des Pentateuch voneinander unabhängig sein könnten, wird dabei nicht ernsthaft in Rechnung gestellt2. Die Probleme der Quellenscheidung haben sich aber noch wesentlich verschärft seit dem Aufkommen der formgeschichtlichen und der aus ihr herausgewachsenen überlieferungsgeschichtlichen Betrachtungsweise. Wenn dies auch vielen Exegeten offenbar nicht bewußt geworden ist, so haben sich doch die Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht verändert. Die erste grundlegende Veränderung liegt schon darin, daß der Pentateuch nicht mehr in erster Linie als ein literarisches Produkt betrachtet wird. Die Frage der literarischen Einheitlichkeit des jetzt vorliegenden Textes ist längst nicht mehr die Ausgangsfrage, von der aus man an den Pentateuch herangeht. Zunächst wird der Einzelerzählung oder -Überlieferung eine sehr viel größere Eigenständigkeit zugemessen. Dabei wird in aller Regel mit einem Stadium der mündlichen Tradition gerechnet, in dem die Texte mehr 1

2

H. W. Wolff, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 29 (1969), 59—72. 62 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 19732, 402—417. 404. Eine Ausnahme stellen hier nur die Bestreiter des Elohisten dar; vgl. dazu oben S. 82.

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Zusammenfassung

oder weniger weitgehend ihre Gestalt gewonnen haben. Da aber von »Quellen« frühestens von der schriftlichen Fixierung der Texte an geredet werden kann, bedeutet dies, daß die Verfasser der einzelnen Quellenschriften weithin schon vorgeformtes Material verwendet haben. Dadurch ergeben sich ganz neue Fragen, die die klassische Pentateuchkritik in dieser Form nicht kannte: Welchen Anteil haben die Quellenautoren an der Gestaltung dieser Texte? Haben sie sie einfach übernommen ? Oder überarbeitet ? Oder umgeformt ? Oder neu formuliert in ihrer eigenen Sprache ? Sind sie überhaupt Schriftsteller ? Oder nur Sammler ? Es zeigt sich deutlich, daß hier das Verständnis der Quellenautoren in eine grundlegende Krise geraten ist. Daß sie vielen Exegeten nicht bewußt wurde und jedenfalls in der Literatur keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat, läßt sich wohl nur damit erklären, daß zumindest für die deutschsprachige alttestamentliche Wissenschaft Pentateuchforschung und Urkundenhypothese eine so unlösbare Verbindung eingegangen waren, daß Veränderungen der Fragestellung nur als Probleme innerhalb dieser Theorie, nicht aber als Anfrage an diese selbst empfunden wurden 3 . Durch die überlieferungsgeschichtliche Fragestellung sind nun noch weitere Probleme in den Blick gekommen. Nachdem G. von Rad die Selbständigkeit der einzelnen Überlieferungskomplexe innerhalb des Pentateuch und ihre weitgehende Unabhängigkeit voneinander aufgezeigt hatte, stellte sich die Frage, welchen Anteil die Quellenautoren an der Komposition des jetzigen Gesamtzusammenhanges haben. Von Rad selbst hat für alle Überlieferungskomplexe angenommen, daß sie schon vor der Aufnahme durch den Jahwisten im wesentlichen festgestanden haben 4 , worin ihm viele andere Exegeten mehr oder weniger ausdrücklich gefolgt sind6. Das würde bedeuten, daß sich die Frage nach den Kennzeichen des Jahwisten im Grunde auf die abschließende Gesamtkomposition des Pentateuch richten müßte — aber gerade diese wird ja nun von Noth, Fohrer, Kaiser u. a. eben nicht dem Jahwisten, sondern schon »G« zugeschrieben. So müssen doch wieder andere Kriterien zur Erkennung und Kennzeichnung des Jahwisten gesucht werden, und es nimmt angesichts dieser Forschungslage nicht wunder, daß die Aussagen hierüber so unbestimmt und vage bleiben, wie es heute der Fall ist. 3

4

So sagt etwa G. Fohrer in: Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 1969 u , 121: »Keine der genannten Auffassungen (gemeint sind neuere Versuche, die Urkundenhypothese zu bestreiten oder zu modifizieren, d. Verf.) bedeutet mehr als eine Mahnung, sich der Festigkeit und Zuverlässigkeit der Grundlagen, die die neuere Urkundenhypothese für die Scheidung der Pentateuchquellen gelegt hat, erneut zu vergewissern.« Vgl. G. von Rad, Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (s. oben S. 2, 8 Anm. 4), 26f. 60. 66f. 71—73. Siehe oben S. 2ff. R e n d t o r f f , Pentateuch

10

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Kritik der Pentateuchkritik

Übrigens zeigt sich hier auch schon bei von Rad eine auffallende Unausgeglichenheit in der Beurteilung des Jahwisten. E r h a t dem Jahwisten einerseits die abschließende Gesamtkomposition zugeschrieben aus Überlieferungskomplexen, die ihm im wesentlichen schon abgeschlossen vorlagen. Andererseits schreibt er: »Der Jahwist h a t die sich vom Kultus lösenden Stoffe aufgefangen und in der strengen Klammer seiner literarischen Komposition gehalten« (57). Dieser Prozeß des Ubergangs der ehemals kultisch geprägten Stoffe in neue »literarische« Zusammenhänge wird dann ausführlich beschrieben; dabei ist auch häufiger vom Jahwisten die Rede, ohne daß jedoch sein Anteil an dieser Entwicklung deutlich erkennbar würde. So wird z. B. zwar von den beiden Kultsagen von Bethel (Gen 28) und Pnuel (Gen 32) gesagt, daß »der Anteil des Jahwisten an der Komposition« bei ihnen »am wahrscheinlichsten . . . noch« erkennbar wäre (66); von anderen Kultsagen heißt es aber ausdrücklich, daß wir »die Verschmelzung (der) sakralen Traditionen mit dem Jahweglauben« und demzufolge die »Erfüllung und Durchleuchtung jenes alten Sagengutes durch den Jahweglauben nicht erst als das Werk des Jahwisten betrachten (können)« (65), und auch im Blick auf die literarische Gestaltung wird bei der Auslegung z. B. der Abschnitt Gen 18 17-33 als eines von den »Zwischenstücken . . ., die der Jahwist zwischen die alten Erzählungsstücke eingelegt hat« (ATD, 2—4, 9. Aufl., 169) deutlich vom erzählerischen Kontext abgehoben, und im zusammenfassenden »Nachwort« zur vorhergehenden Kultsage von Mamre wird der Jahwist nicht erwähnt (ebd., 163f.). — Hingegen wird er gelegentlich sogar für erzählerische Details in Anspruch genommen. So heißt es zu Gen 18 l : »So h a t uns der Jahwist in einem einzigen Satz aufs anschaulichste über Ort und Zeit ins Bild gesetzt . . .« (ebd., 161).

An dem allen wird m. E. ganz deutlich, daß die neuere Pentateuchforschung mehr und mehr Fragestellungen und Einsichten der formgeschichtlichen und der überlieferungsgeschichtlichen Betrachtungsweise aufgenommen hat, ohne jedoch deren Vereinbarkeit mit den Voraussetzungen und Fragestellungen der »klassischen« Urkundenhypothese ernsthaft zu überprüfen und methodisch zu reflektieren6. Für den Ausleger, der selbst versucht, mit einer konsequenten überlieferungsgeschichtlichen Fragestellung an die Pentateuchtexte heranzugehen, läßt deshalb gegenwärtig die Urkundenhypothese sehr viel mehr Fragen offen, als daß sie Antworten zu geben vermöchte. Einen Beitrag der Urkundenhypothese zur Frage nach der Entstehung des Pentateuch aus den kleinsten Einheiten (und deren Vorgeschichte) über die größeren Einheiten oder Überlieferungskomplexe bis zum jetzigen Gesamtzusammenhang vermag ich derzeit nicht zu erkennen. Hingegen sehe ich zahlreiche gewichtige Gründe, die von einer solchen Fragestellung her gegen die z. Zt. herrschende Auffassung von den Pentateuch»quellen« im Sinne der Urkundenhypothese sprechen. 6

Vgl. auch C. Westermanns kritisches Referat der Forschungsgeschichte: Genesis, 1966—1974, 754ff.

4. Ergebnisse und Folgerungen Es ist die Absicht der vorliegenden Untersuchung, das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch dadurch ein Stück weit zu erhellen, daß das Augenmerk auf das bisher vernachlässigte Stadium der Überlieferungsbildung zwischen den »kleinsten Einheiten« einerseits und der Gesamtdarstellung des Pentateuch andererseits gerichtet wird. Denn solange dieses Zwischenstück nicht gründlich untersucht und bei der Frage nach der Entstehung des Pentateuch angemessen berücksichtigt wird, kann eine zusammenhängende Sicht der Entstehungsgeschichte des Pentateuch kaum gewonnen werden. Eben dies ist aber seit dem Aufkommen der überlieferungsgeschichtlichen Methode deren erklärtes Ziel1. Wir konnten dabei von Beobachtungen ausgehen, die G. von Rad gemacht hat. Er hat gezeigt, daß der Pentateuch aus einer Anzahl von Überlieferungskomplexen besteht, die sich deutlich voneinander abheben und offenkundig je ihre eigene Vorgeschichte gehabt haben. Unsere Untersuchung hat ergeben, daß die Selbständigkeit dieser Überlieferungskomplexe voneinander noch sehr viel größer ist, als bisher allgemein angenommen wurde. Vor allem ergab sich ein weitgehendes Fehlen von Querverbindungen zwischen diesen einzelnen »größeren Einheiten«. Dies ist besonders auffällig auf der Ebene der von der heutigen Pentateuchforschung allgemein angenommenen »älteren Quellen«, denen im wesentlichen die Gestaltung des Pentateuchganzen zugeschrieben wird. Diese »Quellen« werden weithin vor allem als theologische Werke betrachtet; deshalb muß es als besonders auffallend erscheinen, daß sich zwar in den von uns als Beispiel für eine solche größere Einheit gewählten Vätergeschichten eine sehr intensive und vielschichtige theologische Bearbeitung erkennen läßt, daß sich diese aber in den anschließenden größeren Einheiten, die vom Aufenthalt in Ägypten, von Exodus, Sinai und Wüstenwanderung handeln, nicht fortsetzt. Im Gegenteil, es zeigt sich ein ausgeprägter Mangel an Kontinuität der Darstellung und vor allem der übergreifenden interpretierenden Aussage. Diese Beobachtungen mußten notwendig als kritische Anfrage an die heute herrschende »Urkundenhypothese« verstanden werden, nach welcher der Pentateuch aus mehreren parallelen, durchlaufenden »Quellen« mit je eigenem Profil und eigener Konzeption zusammengesetzt ist. Unsere Beobachtungen ließen sich damit kaum in Einklang 1

Siehe oben S. 7 f. 10*

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Ergebnisse und Folgerungen

bringen. Wir versuchten deshalb im Sinne einer »Gegenprobe« von der Urkundenhypothese her festzustellen, ob sich bei dieser Fragerichtung andere und vielleicht bessere Einsichten in die Zusammenhänge zwischen den einzelnen größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch ergäben. Dabei zeigte sich allerdings, daß diese Rückfrage schon dadurch außerordentlich erschwert wird, daß es kaum möglich ist, in der gegenwärtigen Pentateuchforschung einigermaßen übereinstimmende Aussagen über die »Quellen« zu finden, die es ermöglichen würden, auf unsere Frage eine Antwort zu geben. Im Gegenteil, die Urkundenhypothese erwies sich als in sich selbst äußerst widerspruchsvoll, insbesondere was ihre Hauptquelle, den »Jahwisten« anbetrifft. Über ihn besteht heute kaum mehr als ein allgemeiner diffuser Konsens, dem jedoch in keiner einzigen wichtigen konkreten Frage eine Übereinstimmung der Exegeten entspricht. Insbesondere sind die Veränderungen der Fragestellung, die sich seit dem Aufkommen der formgeschichtlichen und der überlieferungsgeschichtlichen Methode fast stillschweigend vollzogen haben, so gut wie überhaupt nicht reflektiert worden, so daß sich für den kritischen Beobachter die Urkundenhypothese und insbesondere das Bild, das sie gegenwärtig vom »Jahwisten« liefert, als ein methodisch höchst problematisches und in vieler Hinsicht geradezu anachronistisches Unterfangen darbieten muß. Daß auch die Kontinuität der »Priesterschrift« weit überbewertet und vielfach mit Argumenten behauptet wird, die der kritischen Überprüfung nicht standhalten, ist ein anderer Teilaspekt desselben Problems.

4.1 ABKEHR VON D E R URKUNDENHYPOTHESE

Damit ist eine erste Antwort auf die in der Einleitung zu dieser Studie aufgeworfene Frage gegeben, wie sich die literarkritische Methode in der heute herrschenden Gestalt der Urkundenhypothese und die form- und überlieferungsgeschichtliche Methode zueinander verhalten: Wenn man ausgehend von den »kleinsten Einheiten« das allmähliche Werden des Pentateuch bis zu seinem heutigen Endstadium zu verfolgen versucht, stößt man dabei nicht auf die »Quellen« im Sinne der Urkundenhypothese; und versucht man, die heute herrschende Vorstellung von den »Quellen« zur Beantwortung der bei der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung aufgeworfenen Fragen heranzuziehen, so bleibt die Antwort aus. Die Annahme von »Quellen« im Sinne der Urkundenhypothese vermag heute keinen Beitrag mehr zum Verständnis des Werdens des Pentateuch zu leisten. Diese Feststellung muß vor einem möglichen Mißverständnis geschützt werden. Es wurde schon früher betont und soll hier noch

Abkehr von der Urkundenhypothese

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einmal wiederholt werden, daß es keinesfalls darum gehen kann, die Berechtigung literarkritischer Fragestellungen überhaupt zu bestreiten. Viele der Beobachtungen, die seit der Entstehung der literarkritischen Methode an den Texten gemacht wurden, behalten weiterhin ihre Berechtigung und erfordern nach wie vor eine Erklärung. Was in Frage gestellt werden soll, ist vielmehr ein bestimmtes Ergebnis literarkritischer Arbeit am Pentateuch, eine bestimmte Hypothese, nämlich die sogenannte »Urkundenhypothese«. Allerdings ist in der neueren Pentateuchforschung diese Hypothese geradezu mit der literarkritischen Methode als solcher identifiziert worden, so daß der Unterschied zwischen beiden erst wieder ausdrücklich ins Bewußtsein gerückt werden muß. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß literarkritische Beobachtungen an verschiedenen Stellen des Pentateuch notwendig dazu führen müssen, die jeweils herausgearbeiteten Textteile nun untereinander zu verbinden und sie als Bestandteile von »Quellen« zu betrachten, die durch den ganzen Pentateuch durchlaufen. Man wird im Gegenteil sagen müssen, daß in zahlreichen Fällen durchaus einleuchtende literarkritische Beobachtungen erst dadurch problematisch werden, daß man versucht, die einzelnen Textelemente bestimmten »Quellen« zuzuweisen1. Allerdings bedeutet die Abkehr von der Urkundenhypothese auch bei Aufrechterhaltung der literarkritischen Fragestellung eine Veränderung des methodischen Ansatzes. Fohrer formuliert treffend die gegenwärtige Situation: »Es ist ein unaufgebbarer Grundsatz der Hexateuchanalyse, daß am Anfang die literarkritische Sonderung der verschiedenen Erzählungsstränge... zu stehen hat.«2 Eben diesen Grundsatz gilt es zu bestreiten. M. E. ist er auch in Wirklichkeit längst nicht mehr in Kraft, weil »am Anfang« vielfach die Beschäftigung mit den Einzelerzählungen und sonstigen »kleinsten Einheiten« steht und die Frage der Zugehörigkeit zu einer der »Quellen« oft erst in einem späteren Stadium der Auslegung gestellt wird. Dabei werden auch vielfältige literarkritische Beobachtungen gemacht und Aussonderungen im Text vorgenommen, ohne daß für den Exegeten schon feststeht, welcher »Quelle« die einzelnen Elemente zugehören könnten 3 . Aber mag der zitierte Grundsatz nun mit der exegetischen Praxis übereinstimmen oder nicht: von einem form- und überlieferungsgeschichtlichen Ansatz her ist er rundheraus abzulehnen. Es muß ihm der schon früher genannte Grundsatz gegenübergestellt werden, daß von einem über1

2

Die Fachterminologie ist signifikant: Man weist den Text einer Quelle zu, und zwar offensichtlich auch dann, wenn keinerlei eindeutige Kriterien für die eine oder andere Quelle sprechen; vgl. dazu als (unfreiwilliges) Beispiel: W. H. Schmidt, Exodus, 1974, 63f.; siehe auch oben S. 88f. G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus. Eine Analyse von E x 1—15, 3 1964, 4. Siehe oben Anm. 1 und W. H. Schmidt a. a. O.

150

Ergebnisse und Folgerungen

lieferungsgeschichtlichen Ansatzpunkt her die Annahme durchlaufender »Quellen« im Pentateuch nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie sich am Ende des Weges der überlieferungsgeschichtlichen Untersuchung als die einleuchtendste Antwort auf die Fragen anbietet, welche die Endgestalt des Textes stellt 4 . Daß dies nicht der Fall ist, hat unsere Untersuchung und insbesondere auch die »Gegenprobe« von der Urkundenhypothese her gezeigt. Dieses erste Teilergebnis unserer Untersuchung könnte dazu beitragen, die Pentateuchforschung von einer Hypothek zu befreien, die sich mehr und mehr als große Belastung herausgestellt hat. Denn nach wie vor wird eine große Menge von exegetischem Scharfsinn auf die Probleme der Quellenscheidung verwendet, obwohl längst deutlich geworden ist, daß ein geschlossenes Bild der »Quellen«, wie es die Urkundenhypothese fordern muß, nicht mehr zu gewinnen ist6. Und selbst wenn man in der Genesis und in der ersten Hälfte des Buches Exodus noch immer hoffen mag, zu überzeugenden Ergebnissen zu kommen, so ist dies doch spätestens von der Sinaiperikope an ganz offensichtlich nicht mehr möglich. Diese Bemühung um die Quellenscheidung verhindert es aber weithin, daß sich die Exegeten anderen Fragen der Auslegung der Texte und des Verständnisses ihrer Geschichte mit der angemessenen Intensität widmen. Auch die neuentfachte Diskussion um die Datierung der Pentateuchquellen, insbesondere des »Jahwisten«6, verlagert diese Bemühungen nur auf eine andere Ebene, jagt aber auch dort m. E. einem Phantom nach. 4 5

8

Siehe oben S. 12. Das hat G. von Rad, Beobachtungen an der Moseerzählung Ex 1—14, EvTh 31 (1971), 579—588 = Gesammelte Studien zum Alten Testament 2, 1973, 189—198, sehr deutlich gesehen: »So wie sich uns die Dinge heute darstellen, sieht es überhaupt nicht darnach aus, als ob wir je wieder zu einer Quellenanalyse kommen, in der wir die ganze Stoffmasse einigermaßen befriedigend auf die Quellenschriften verteilen könnten.« (580 = 190). Ähnlich schon Fohrer: »Gewiß ist es längst klar, daß der Hexateuch mehr nicht-quellenhaftes und die Erzählungsstränge mehr zusammenhangloses Erzählungsgut enthalten, als die sog. Urkundenhypothese in ihrer strengsten Form zugeben wollte, . . .« (Uberlieferung und Geschichte des Exodus a. a. O. [s. o. Anm. 2], 6). Vgl. etwa: J. van Seters, Confessional Reformulation in the Exilic Period, VT 22 (1972), 448—459; N. E. Wagner, Pentateuchal Criticism: No Clear Future, CanJT 13 (1967), 225—232; B. Diebner/H. Schult, Die Ehen der Erzväter, DBAT 8 (1975), 2—10; dies., Edom in alttestamentlichen Texten der Makkabäerzeit, DBAT 8 (1975), 11—17; dies., Argumenta e silentio. Das Große Schweigen als Folge der Frühdatierung der »alten Pentateuchquellen«, in: tp1t5"TJT ISO, Festschrift für R. Rendtorff zum 10. 5. 1975, DBAT Beiheft 1, 23—34. Auch H. H. Schmid hat in noch unveröffentlichten Ausführungen (vorgetragen vor der Fachgruppe Altes Testament in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie im Mai 1975) für eine Spätdatierung des Jahwisten plädiert.

Die »größeren Einheiten« im Pentateuch

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4.2 DIE »GRÖSSEREN EINHEITEN« IM PENTATEUCH

Allerdings liegt auf der Widerlegung der Urkundenhypothese nicht das Hauptgewicht unserer Untersuchung. Vielmehr ging es darum, einen methodischen Zugang zum Verständnis des Werdens des Pentateuch in dem Stadium zwischen den »kleinsten Einheiten« und der Gesamtdarstellung zu gewinnen. Die Ergebnisse sollen jetzt noch einmal kurz skizziert und die Folgerungen daraus überdacht werden. 4.21 Die Vätergeschichten Die Vätergeschichten, die wir als Beispiel einer »größeren Einheit« innerhalb des Pentateuch einer genaueren Analyse unterzogen haben, erwiesen sich als ein komplexes und doch zugleich in sich abgerundetes Ganzes. Zunächst zeigte sich noch einmal deutlich, daß die Abrahamgeschichte, die Isaakgeschichte und die Jakobgeschichte jeweils ihre eigene Entstehungsgeschichte und ihr selbständiges Profil haben. Die gestaltende und interpretierende Arbeit, die sich besonders der göttlichen Verheißungsreden bedient, hat diese relative Selbständigkeit auch durchaus bestehen lassen. Dies zeigt sich z. B. in der Rahmung der Isaakgeschichte durch die beiden göttlichen Verheißungsreden in Gen 26 2-5 und 26 241 und in der Gestaltung der Jakobsgeschichte als »Führungs«erzählung2. In beiden Fällen steht am Anfang betont die Landverheißung, am Schluß die Zusage zahlreicher Nachkommenschaft. In der Jakobgeschichte ist in einer anderen Überlieferungsschicht noch die Zusage des Segens hinzugetreten, die seinen Weg begleitet 3 . In der Abrahamgeschichte spielen die göttlichen Verheißungsreden eine vergleichsweise größere Rolle als in den beiden anderen Vätergeschichten und sind auch tiefer in den erzählerischen Kontext eingedrungen. Aber auch hier ist die rahmende Funktion deutlich erkennbar, vor allem in der abschließenden Verheißungsrede in Gen 22 15-184. Diese gehört nun auch zu den Textstücken, durch welche die drei Vätergeschichten miteinander verbunden und zu einem Ganzen zusammengefügt werden. In ihnen dominiert die Verheißung des Segens für andere. Sie ergeht an Abraham (Gen 12 3 22 ia), an Isaak (26 4) und an Jakob (28 14); dabei zeigen die unterschiedlichen Formulierungen, daß zunächst die Abrahamgeschichte und die Jakobgeschichte miteinander verbunden wurden (12 3 und 28 14) und erst in einem späteren Stadium der Bearbeitung und Gestaltung auch die Abrahamgeschichte und die Isaakgeschichte (22 18 und 26 4). 1 3 4

Siehe oben S. 67. Siehe oben S. 139. Siehe oben S. 69.

2

Siehe oben S. 57 f.

152

Ergebnisse und Folgerungen

Damit sind die überlieferungsgeschichtlichen Probleme der Vätergeschichten keineswegs abschließend gelöst; es ist vielmehr erst ein Weg eröffnet worden, sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen. Denn nachdem die Selbständigkeit und zugleich die Komplexität der Vätergeschichten so deutlich erkennbar geworden sind, kann sich die Untersuchung nun den zahlreichen Einzelfragen zuwenden, ohne dabei ständig auf vermutete Zusammenhänge mit den übrigen Überlieferungskomplexen des Pentateuch reflektieren zu müssen. Es seien hier nur einige Probleme angedeutet, die sich nun von neuem stellen. Zunächst bedarf zweifellos die Gattung der »Sage« einer erneuten und differenzierenden Untersuchung. Dabei ist stärker in Rechnung zu stellen, daß die Sagen in den Vätergeschichten von durchaus anderer Art sind und eine andere Vorgeschichte haben als die Texte der Urgeschichte einerseits und der mit dem Buch Exodus einsetzenden Überlieferungskomplexe andererseits5. Dabei kann sich die Untersuchung jetzt freimachen von der Notwendigkeit, die einzelnen Erzählungen oder Sagen jeweils einem bestimmten »Quellen«autor zuweisen zu müssen, und kann z. B., um ein früher schon genanntes Beispiel aufzugreifen, die tiefgreifenden Unterschiede zwischen Texten wie Gen 12 10-20 und Gen 24 herausarbeiten6, ohne dabei in Beweisnot im Blick auf die Quellenzuweisung zu geraten. Sie kann auch Texte, die bisher schwer einzuordnen waren, wie z. B. Gen 14 und 23, unbefangener in ihrer Eigenart würdigen. Weiterhin kann sich die Untersuchung unter veränderten Voraussetzungen den Fragen des Aufbaus der Vätergeschichten zuwenden. Insbesondere in der Abrahamgeschichte bestand ja bisher die höchst mißliche Situation, daß der Exeget nach Kriterien zu suchen hatte, unter denen die einzelnen Erzählungen gesammelt und zusammengeordnet worden sind, daß er dabei aber genötigt war, um bestimmte Texte einen Bogen zu machen. So mußte er bei der Frage nach der »jahwistischen« Abrahamgeschichte so tun, als stünden die Kapitel Gen 14. 15 und 17 nicht da, und ebenso dann wieder die Kapitel 20—227. Ihre Hinzufügung war dann allenfalls noch Sache eines »Redaktors« und deshalb keiner eingehenderen Überlegung wert. Hier könnte neu angesetzt werden. Dabei wäre dann auch den Beziehungen zwischen den göttlichen Verheißungsreden und ihrem Kontext noch genauer nachzugehen. Die oben dargelegten Beobachtungen lassen in dieser Hinsicht noch viele Fragen offen. Ich habe mich bewußt bemüht, sie von Vorentscheidungen über die Zugehörigkeit der einzelnen Texte zu bestimmten »Quel6 6 7

Vgl. dazu C. Westermann, Genesis, 1966—1974, 777 f. Siehe dazu oben S. 99. G. von Rad hat Gen 22 in die von ihm so bezeichneten »jehovistischen Abrahamserzählungen« miteinbezogen: Theologie des Alten Testaments I, 19624, 184f.

Die »größeren Einheiten« im Pentateuch

153

len«, Schichten o. ä. freizuhalten 8 und dadurch den Weg zu öffnen für eine möglichst unvoreingenommene Analyse; aber ich bin mir dessen bewußt, daß meine eigenen Einsichten erst einen Anfang darstellen. Schließlich müßte dann auch der Sammlung und Gestaltung der Vätergeschichten im einzelnen noch genauer nachgegangen werden, als es im Rahmen dieser Studie möglich war. Dabei könnte u. a. die Untersuchung von R. Kessler über die »Querverweise«9 weiterführende Hinweise und Anregungen bieten. Diese Frage hängt im übrigen mit der vorher genannten zusammen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Wie ist es zu verstehen, daß die Erzählung vom »Verrat der Ahnfrau« in Gen 12 10-20 einerseits ohne jede Gottesrede und damit auch ohne jede Erwähnung der göttlichen Verheißungen an Abraham geblieben, daß sie andererseits aber in einer sehr betonten Weise, für die es in den Vätergeschichten keine Parallele gibt, in ihren Kontext eingefügt worden ist (131. 3f.) ? Kann man sie ohne weiteres neben andere Erzählungen stellen, bei denen in ihrer jetzigen Gestalt den göttlichen Verheißungsreden großes Gewicht zukommt, die aber nicht in vergleichbarer Weise mit ihrem Kontext verknüpft worden sind? Und wie ist es zu beurteilen, daß die Kultätiologie von Bethel (Gen 28 10-22) eine so vielfältige und vielschichtige Interpretation durch göttliche Verheißungsreden erfahren hat, während die von Pnuel (Gen 32 23-33) davon ganz unberührt geblieben ist ? Ist die zunächst sehr einleuchtende Interpretation, die von Rad für die Funktion dieser beiden Kultsagen im Aufbau der Jakobgeschichte gegeben hat 10 , ohne weiteres aufrechtzuerhalten? Wie verhalten sich die Komposition der Vätergeschichten und ihre Interpretation durch die göttlichen Verheißungsreden im einzelnen zueinander ? Es ist deutlich, daß es sich bei den hier angeschnittenen Fragen, denen sich weitere hinzufügen ließen, um spezifische Probleme der Vätergeschichten handelt, die sich nicht in der gleichen Weise für andere größere Einheiten innerhalb des Pentateuch stellen. Ihre Beantwortung würde deshalb zunächst das Verständnis der Vätergeschichten als einer Größe für sich weiter fördern, den Weg von den kleinsten Einheiten zu dieser größeren Einheit schrittweise erhellen und die dabei leitenden Intentionen und Bearbeitungsmethoden erkennbar werden lassen. 8

8

10

So wurde bei der Behandlung der Verheißungsreden in Kapitel 2 noch nicht auf die Zugehörigkeit einer bestimmten Textgruppe zur priesterlichen Schicht hingewiesen; vgl. aber S. 136 ff. R. Kessler, Die Querverweise im Pentateuch. Überlieferungsgeschichtliche Untersuchung der expliziten Querverbindungen innerhalb des vorpriesterlichen Pentateuchs, Diss. theol., Heidelberg 1972. Siehe oben S. 30.

154

Ergebnisse und Folgerungen

4.22 Die übrigen »größeren Einheiten« Entsprechendes gilt für die anderen größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch. Überblickt man nun die neuere Literatur, so zeigt sich, daß es seit langem zahlreiche Veröffentlichungen gibt, die sich mit den besonderen Problemen einzelner dieser größeren Einheiten beschäftigen. Sehr ausgeprägt ist dies bei der Urgeschichte der Fall 1 ; sie war schon immer Gegenstand von Untersuchungen, die sich ganz auf die in diesen Kapiteln enthaltenen Probleme konzentrieren. Hier wird allerdings sogleich ein weiterer Aspekt deutlich: Viele Arbeiten zur Urgeschichte sind zwar ganz auf diese beschränkt, betonen ihre Geschlossenheit und interpretieren sie dementsprechend als eine Einheit für sich2, gehen aber trotzdem wie selbstverständlich davon aus, daß die in der Urgeschichte erkennbar werdenden Überlieferungsschichten als Bestandteile der Pentateuch»quellen« angesehen werden müssen. Dabei wird der ausdrückliche Zusammenhang oft nur durch Bemerkungen über Gen 121-3 hergestellt 3 oder fehlt sogar völlig4. Die Eigenständigkeit der Urgeschichte als einer größeren Einheit ist also längst erkannt und oft betont; über ihren Zusammenhang mit den übrigen Einheiten müßte aber neu nachgedacht werden. Dazu hier nur noch eine Bemerkung: Für die Rückbeziehung der Vätergeschichten auf die Urgeschichte wird vielfach besonders »der universale Horizont der Urgeschichte, den die Abrahamverheißung in (Gen 12) v. 3 erreicht«, geltend gemacht 5 . Wenn das richtig ist, bedeutet es nach unseren Beobachtungen, daß die Urgeschichte hier zwar mit den Vätergeschichten verknüpft worden ist, aber nur mit diesen; denn Gen 12 3 gehört ja zu den Sätzen, die die Vätergeschichten zu einem Ganzen zusammenfügen, die aber keine Entsprechung in den nachfolgenden größeren Einheiten finden 6 . Darin könnte ein Hinweis auf das Zusammen1

2

3 4

6 6

Siehe die Literaturangaben bei C. Westermann, Genesis 1—11, Erträge der Forschung 7, 1972. So z. B. O. H. Steck: »Gen 2—11 ist im Sinne des Jahwisten ein Ganzes, das die typische, durch Lebensmöglichkeit und Lebensminderung zugleich geprägte Lage der Menschheit erfassen soll; . . .«(Genesis 12 1-3 und die Urgeschichte des Jahwisten, in: Probleme biblischer Theologie, FS von Rad, 1971, 525—554. 549). Vgl. auch C. Westermann, Genesis, 1966—1974, 798ff. Vgl. etwa O. H. Steck a. a. O. 549 f. So handelt C. Westermann, Genesis (a. a. O. 789) über »Gottesverständnis und Gottesdienst bei J« ausschließlich auf der Basis von Gen 1—11. O. H. Steck a. a. O. (s. o. Anm. 2) 550. M. E. hat gerade H. W. Wolff, Das Kerygma des Jahwisten, EvTh 24 (1964), 73—98 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1964, 345—373, dies unbeabsichtigt gezeigt: das einzige Vorkommen des Stichworts »Segen« im ganzen Buch Exodus in Ex 12 32 (92 = 367) läßt keinerlei Beziehungen zu Gen 12 3b erkennen und ist in der Sache gerade keine Fortführung der dort gegebenen Verheißung, sondern eher

Die »größeren Einheiten« im Pentateuch

155

wachsen dieser beiden größeren Einheiten unabhängig von ihrer Verbindung mit den nachfolgenden Einheiten liegen. Aber diese Frage bedürfte genauerer Prüfung. Für die übrigen größeren Einheiten können wir jetzt weitgehend an früher Gesagtes anknüpfen7. Für die Kapitel Ex 1—14(15) ist seit Pedersen die Frage nach ihrem Sondercharakter gestellt. Auch wenn die Annahme, daß es sich bei dieser Einheit im wesentlichen um einen liturgischen Text handle, wieder in den Hintergrund getreten ist, so sind doch die literarische Besonderheit und die relative Geschlossenheit dieses Abschnitts immer wieder und unter den verschiedensten Gesichtspunkten hervorgehoben worden8. Hier seien noch einmal die Beobachtungen zu einer bewußten, theologisch interpretierenden Gestaltung dieser Einheit aufgenommen9: Ex 2 23-25 bezeichnet die Wende in dem ersten Abschnitt über die Berufung des Mose: Gott wendet sich den Israeliten zu. In 4 31 »glauben« die Israeliten der Botschaft, die Mose empfangen hat, und verneigen sich — so wie später, als ihnen die endgültige Rettung angekündigt wird (12 27 b) und sie schließlich diese Rettung mit ihren eigenen Augen sehen (14 31). Hier ist offensichtlich ein planvoller, gestaltender und interpretierender Wille am Werk, der diesem Stück sein eigenes Gepräge gegeben hat 10 . Dabei zeigt sich wiederum, daß die hier gemachten Beobachtungen keine Entsprechung in anderen größeren Einheiten finden. Daß die Sinaiperiko-pe eine Größe für sich ist, gehört zu den Selbstverständlichkeiten der Pentateuchforschung. Dies zeigt sich schon darin, daß sich der Ausdruck Sinai»perikope« weithin eingebürgert hat; mit diesem aus dem Bereich der Liturgik entlehnten Begriff wird doch offenkundig — wenn auch vielleicht teilweise unbewußt — zum Ausdruck gebracht, daß dieser Textabschnitt eine für sich zu betrachtende Größe ist und daß er irgendetwas mit dem Gottesdienst zu tun hat. Die Analyse der Sinaiperikope pflegt mit der raschen und einmütigen Ausscheidung der »priesterschriftlichen« Anteile zu beginnen. Der verbleibende auf wenige Kapitel zusammengeschrumpfte das Gegenteil davon. Und das einzige Vorkommen im Buch Numeri innerhalb der Bileamsprüche in Num 24 9 läßt sich zwar — trotz des auffallenden Wechsels der Verben und 1 1 X — zu Gen 12 3 a in Beziehung setzen, aber eben nicht zu der Aussage von 12 3b, von der Wolff hervorhebt, »daß die eigentliche Botschaft des Jahwisten nur in 12 3b gesehen werden darf« (87 = 361). 7 Siehe oben S. 22 ff. 8 Vgl. etwa S. Herrmann, Mose, EvTh 28 (1968), 301—328, bes. 326 und G. von Rad, Beobachtungen an der Moseerzählung Exodus 1—14, EvTh 31 (1971), 579—588 = Gesammelte Studien zum Alten Testament 2, 1973, 189—198. • Siehe oben S. 71. 1 0 Es ist auffallend, daß das in diesen Stellen gebrauchte Verbum ]DX (hi) sonst im Pentateuch nur selten begegnet.

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Ergebnisse und Folgerungen

»Kern« wird dann überwiegend auch wieder auf seine Quellenzugehörigkeit untersucht und damit weiter aufgesplittert 11 . Gerade hier ist aber dieses Verfahren besonders unbefriedigend, weil die Ergebnisse immer unsicherer geworden, aber gleichwohl kaum neue Gesichtspunkte zur Interpretation hinzugetreten sind. Insofern bedeutet die Diskussion über die »Bundestheologie« zweifellos einen Fortschritt, weil sie unter einer thematischen Frage die überlieferungsgeschichtlichen Probleme der Sinaiperikope zu erhellen versucht. Es stellt sich nun die Aufgabe, wieder konkreter von den Texten zu reden, die in der Sinaiperikope vorliegen, und die Frage zu stellen, wie sich das Zusammenkommen dieser Texte erklären läßt, welche Intentionen und Konzeptionen dabei wirksam waren und welche Gestaltungsmittel sich erkennen lassen. Dabei könnte es sich als Vorteil erweisen, daß die Quellenscheidung hier (abgesehen von »P«) so offenkundig an das Ende ihrer Möglichkeiten geraten ist, daß der Verzicht auf sie in diesem Bereich wohl vielen Exegeten nicht allzu schwer fallen wird. Die Probleme der Erzählungen vom Aufenthalt Israels in der Wüste wurden schon skizziert12. Auch hier gibt es Ansätze dazu, diese Gruppe von Texten als eine selbständige größere Einheit zu verstehen 13 . Gegenüber den neueren Versuchen muß aber nachdrücklich betont werden, daß es nötig ist, sie von der Hypothek und den Fesseln der Quellenscheidung zu befreien; denn der Versuch, isoliert eine »jahwistische« Wüstentradition herauszuarbeiten, muß notwendig viele Probleme eher verdecken, als daß er sie lösen könnte. Dies gilt insbesondere für die noch durchaus offene Frage, ob und inwieweit diese Texte zu einer größeren Einheit zusammengehören. Hier muß vor allem ein weiteres methodisches Problem bedacht werden: Die Entscheidung über die Zusammengehörigkeit der Texte vor und hinter der Sinaiperikope läßt sich nicht von der Frage nach der Einsetzung der Sinaiperikope an ihre jetzige Stelle trennen. Insofern ist dabei zugleich ein Teilaspekt der Frage mit im Spiel, wie die größeren Einheiten untereinander und schließlich zum Ganzen des jetzigen Pentateuch zusammengefügt worden sind. Im übrigen darf der Gedanke an »größere Einheiten« auch nicht überzogen werden. Es ist ja keineswegs gesagt, daß alle Texte, die von Ereignissen während des Aufenthalts Israels in der Wüste handeln, einmal untereinander verbunden gewesen sein müssen und dann bei der Zusammenfügung der verschiedenen Bestandteile des Pentateuch wieder auseinandergerissen wurden. Deshalb müssen diese Fragen sehr sorgfältig und ohne vorherige Festlegung geprüft werden. 11 12 13

Vgl. dazu z. B. L. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament, 1969, 157 f. Siehe oben S. 25 f. 73 ff. Z. B.: V. Fritz, Israel in der Wüste. Traditionsgeschichtliche Untersuchung der Wüstenüberlieferung des Jahwisten, 1970.

Die »größeren Einheiten« im Pentateuch

157

Auch die Erzählungen über die Landnahme im Ostjordanland enthalten ein ähnliches doppeltes Problem. Einerseits stellt sich die Frage, ob sie einmal untereinander zu einer selbständigen größeren Einheit verbunden waren, andererseits bedarf das Problem weiterer Erörterung, ob die Erzählungen über die Landnahme im Ostjordanland als Teil einer umfassenden Darstellung der Landnahme konzipiert waren und wo gegebenenfalls die Fortsetzung zu suchen ist. Es ist allerdings methodisch immer sehr mißlich, wenn man mit »ausgefallenen« oder von Redaktoren »weggelassenen« Textstücken rechnen muß, um eine bestimmte Theorie begründen zu können14. Für die Landnahmeüberlieferungen des Josuabuches legt sich der Gedanke jedenfalls nicht nahe, daß sie als Fortsetzung irgendwelcher vorhergehender Texte verstanden werden müßten. Sie sind vielmehr deutlich als selbständige größere Einheit mit einem ganz eigenen Profil erkennbar16. Die Landnahmetexte des Buches Numeri müssen deshalb unabhängig davon auf ihre mögliche Zusammengehörigkeit hin untersucht werden. Es sei aber noch einmal gesagt: Es muß ja nicht so sein, daß alle Texte des Pentateuch vor der abschließenden Gestaltung des Gesamtzusammenhanges Bestandteile einer größeren Einheit gewesen sind. Die Beobachtungen, die für große Teile des Pentateuch diese Annahme nahelegen, dürfen nicht dazu verführen, um jeden Preis auch dort solche größeren Einheiten finden zu wollen, wo nichts in diese Richtung weist. Es muß ja durchaus auch damit gerechnet werden, daß Einzelmaterialien, die nicht solchen größeren Zusammenhängen angehörten, erst in einem der Stadien einer zusammenfassenden Redaktion bzw. bei der abschließenden Pentateuchredaktion aufgenommen worden sind. Für den größten Teil der Texte des Pentateuch ist aber klar erkennbar, daß sie zu »größeren Einheiten« zusammengefaßt waren, bevor diese zum jetzigen Pentateuchganzen zusammengefügt wurden. Die Untersuchung der Vätergeschichten hat gezeigt, daß sie nicht nur eine Sammlung von thematisch zusammengehörigen Texten darstellen, sondern daß diese Sammlung einer intensiven gestaltenden und interpretierenden Arbeit unterzogen wurde, die offenkundig nicht in einem Zuge vor sich ging, sondern mehrere Stadien und Schichten erkennen läßt. Ähnliches ist auch bei anderen größeren Einheiten erkennbar: bei der Urgeschichte, der Sinaiperikope und, wenn auch noch nicht mit der gleichen Deutlichkeit, bei den Mose- und Exoduserzählungen von Ex 1—15. Dabei tritt vor allem deutlich in Erscheinung, daß bei der Gestaltung und Interpretation dieser größeren Einheiten ausgeprägte theologische Absichten wirksam waren. Für die Vätergeschichten wurde es in dieser Studie dargelegt, für die Urgeschichte und die Sinaiperikope 14

Siehe oben S. 27.

15

Siehe oben S. 26.

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Ergebnisse und Folgerungen

bedarf es nicht mehr des Beweises, und auch für Ex 1—15 zeichnet es sich m. E. schon deutlich genug ab, so daß man diese Feststellung auch für diese größere Einheit treffen kann. Das bedeutet aber, daß die theologischen Intentionen der Vorstadien des Gesamtpentateuch am deutlichsten in diesen größeren Einheiten greifbar werden. Es läßt sich eine — jeweils in sich mehrschichtige — »Theologie der Urgeschichte«, »Theologie der Vätergeschichten«, »Theologie der Sinaiperikope« und m. E. auch schon eine »Theologie der Mose- und Exoduserzählungen« nachzeichnen. Dabei ist das Auffallende und Kennzeichnende, daß jeder dieser theologischen Entwürfe, bei aller Komplexität, durchaus in sich geschlossen und zunächst nicht auf eine Verbindung mit einem oder mehreren von den anderen angelegt ist. Es versteht sich von selbst, daß der Versuch, eine »Theologie« der einzelnen Pentateuch»quellen« darzustellen, hiermit nicht vereinbar ist. Vielmehr wird das methodisch berechtigte und notwendige Bemühen, die dem jetzigen Gesamtpentateuch vorausgehenden und zugrundeliegenden theologischen Entwürfe zu erkennen, m. E. seinen sachgemäßen Ausdruck in der Darstellung einer »Theologie« der einzelnen größeren Einheiten finden müssen. Die Arbeit am Pentateuch hat diesen Weg ja schon seit längerer Zeit eingeschlagen, und es würde eine konsequente Fortführung dieses Ansatzes bedeuten, wenn er von der Hypothek der Urkundenhypothese befreit würde. 4.3 DAS PROBLEM DER ZUSAMMENFASSENDEN UND ABSCHLIESSENDEN GESTALTUNG DES PENTATEUCH

Schließlich muß nun auch die Frage der zusammenfassenden und abschließenden Gestaltung des Pentateuch neu in den Bück gefaßt werden. Auch in dieser Hinsicht bedeuten unsere Beobachtungen und Überlegungen eine grundlegende Verschiebung der bisherigen Sicht der Dinge. Dies betrifft zunächst den Begriff der »Redaktion« bzw. des »Redaktors«. Die Urkundenhypothese nimmt an, daß die einzelnen Quellenschriften von Redaktoren miteinander verbunden wurden. Eißfeldt hat seine Sicht der Dinge auch an diesem Punkt konsequent und bis ins Detail zu Ende geführt. Er sah die chronologische Reihenfolge der Bestandteile des Pentateuch so: L(aienquelle), J(ahwist), E(lohist), B(undesbuch), D(euteronomium), H(eüigkeitsgesetz), P(riesterschrift). Er nahm weiter an, daß man sich »den Werdegang des Pentateuchs als ein regelmäßiges Hinzuwachsen der jeweils jüngeren Quelle zu dem älteren Bestand vorzustellen« habe 1 , woraus sich, wenn man den Redaktor jeweils mit dem Indexbuchstaben der von ihm neu 1

O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, 19643, 319 f.

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hinzugefügten Quelle bezeichnet, folgende Reihe von Redaktoren ergab: R J R E R B R D R H R p . Fohrer hält grundsätzlich an dieser Auffassung von der Entstehung der Endgestalt des Pentateuch fest, vermeidet allerdings jede weitere Festlegung: »Freilich ist es einstweilen nicht möglich, die Redaktionsgeschichte des Pentateuch im einzelnen darzustellen. Nicht einmal die Frage, in welcher Reihenfolge die Quellenschichten miteinander vereinigt worden sind, ist mit Sicherheit zu beantworten.«2 Wenn hier auch deutlich ein Verlust an Zutrauen in die Möglichkeit der Klärung der Geschichte der Pentateuchredaktion erkennbar wird, so bleibt doch der Grundgedanke erhalten, daß die einzelnen Quellenschriften jeweils von Redaktoren miteinander verbunden worden sind. Mit dem Verzicht auf die Urkundenhypothese sind die Voraussetzungen dieser Annahme entfallen. Das bedeutet nun aber keineswegs, daß damit auch alle bisherigen literarkritischen Beobachtungen, die zur Annahme der Tätigkeit solcher Redaktoren geführt haben, hinfällig geworden sind. Vielmehr ist gerade an diesem Punkt noch einmal ausdrücklich die frühere Feststellung zu wiederholen, daß die Bestreitung der Urkundenhypothese nicht das Recht und die Notwendigkeit zu literarkritischer Arbeit in Frage stellen soll. Über das Ausmaß dieser Arbeit und über die Berechtigung literarkritischer Urteile im einzelnen wird allerdings neu nachgedacht werden müssen. Die Veränderung der Sicht der Entstehung des Pentateuch hat zur Folge, daß literarkritische Beobachtungen in andere Zusammenhänge eingeordnet werden müssen. So muß ein Teil dieser Beobachtungen seine Antwort innerhalb der Entstehungsgeschichte der einzelnen größeren Einheiten finden. Hier tut sich ein neues Arbeitsfeld auf, weil es jetzt ja nicht mehr darum geht, die einzelnen Texte verschiedenen »Quellen« zuzuweisen, sondern weil das Zusammenwachsen der Einzelerzählungen zu größeren Einheiten genauer nachgezeichnet werden muß. Dabei wird auch die Bezeichnung dieser sammelnden und bearbeitenden Tätigkeit und derer, die sie durchgeführt haben, noch einmal zur Diskussion gestellt werden müssen. Die Begriffe »Redaktion« und »Redaktor« sind in der Pentateuchforschung allzu eng mit der Zusammenfügung der »Quellen« verbunden. Noth hat deshalb innerhalb des Josuabuches, das er ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der Urkundenhypothese herausnehmen wollte, andere Begriffe eingeführt, indem er für die vordeuteronomistische Vorgeschichte des Buches vom »Sammler« von Jos 1—12 und vom »Bearbeiter« von Jos 13—21 sprach 3 . Die Landnahmeerzählungen von Jos 1—12 sind aber ganz 2 3

G. Fohrer in: Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 196911, 207. Allerdings verwendet Noth diese Termini in dem Untertitel zu den »Überlieferungsgeschichtlichen Studien« auf einer anderen Ebene: M. Noth, Überlieferungsgeschicht-

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Ergebnisse und Folgerungen

ähnlich zu beurteilen wie die größeren Einheiten innerhalb des Pentateuch 4 . Es könnte sich deshalb nahelegen, auch bei ihnen ähnliche Ausdrücke zu verwenden. Allerdings wird man dabei dann noch weiter differenzieren müssen; so wird es sich z. B. empfehlen, für die jeweils selbständige Entstehungsgeschichte der Abraham-, Isaak- und Jakobgeschichte einerseits und für ihre Zusammenfügung zu einer größeren Einheit andererseits differenzierende Bezeichnungen zu verwenden. Hier soll nicht schon eine terminologische Festlegung vorgenommen, sondern zunächst nur auf die Notwendigkeit hingewiesen werden, zu einer weiteren Klärung, Differenzierung und, soweit möglich, Vereinheitlichung der Begriffe zu gelangen. Auch für die Zusammenfügung der größeren Einheiten zum Pentateuchganzen müssen neue Kriterien gewonnen werden. Dabei sind nun verschiedene Beobachtungen aus früheren Kapiteln dieser Studie wieder aufzugreifen. Zunächst ist festzuhalten, daß sich als einzige mit den Pentateuch»quellen« vergleichbare Schicht innerhalb des Pentateuch eine zusammengehörige Gruppe »priesterlicher« Texte feststellen ließ. Allerdings hat sich gezeigt, daß die Annahme einer durchlaufenden »priesterlichen« Erzählung der kritischen Überprüfung nicht standhält. Deshalb empfiehlt es sich auch nicht, den Ausdruck »Priesterschrift« beizubehalten, weil er zu fest im Sinne eines solchen Erzählungszusammenhangs geprägt ist. Zudem bedarf auch die Frage der Zusammengehörigkeit der verschiedenartigen »priesterlichen« Textgruppen untereinander, die ohnehin in der gegenwärtigen Pentateuchforschung umstritten ist, erneuter Überprüfung. Es empfiehlt sich deshalb, von »priesterlichen Texten« zu reden 5 . Es zeigte sich, daß die priesterlichen Texte nicht auf eine der größeren Einheiten des Pentateuch beschränkt sind. Wir hatten gesehen, daß die »theologischen« priesterlichen Texte in den Vätergeschichten ihre deutliche Fortsetzung in Ex 2 23-25 und 6 2-9 finden. Ebenso ist die rückwärtige Verbindung dieser Texte zur Urgeschichte hin deutlich: Die Gottesrede in Gen 9 8-17, in deren Mittelpunkt der »Bund« Gottes mit Noah steht, weist vielfältige inhaltliche und sprachliche Beziehungen zu Gen 17 auf, wo vom »Bund« mit Abraham die Rede ist. Der erste Teil der Gottesrede in Gen 9 1-7 ist als Segen eingeleitet und entspricht darin den übrigen »theologischen« priesterlichen Texten in den Vätergeschichten 6 , ebenso in der Terminologie, in der von Fruchtbarkeit und Mehrung als Segensfolgen die Rede ist 7 . liehe Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, 1943, 19572. 4 Siehe oben S. 26. 5 Vgl. dazu: R. Rendtorff, Studien zur Geschichte des Opfers im Alten Israel, 1967, 6f. « Siehe oben S. 136 f.

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Von hier aus bestehen wiederum deutliche Beziehungen zum Schöpfungsbericht in Gen 1. Diese Hinweise können für unseren Zusammenhang genügen, um zu zeigen, daß in dieser Schicht zwischen der Urgeschichte und den Vätergeschichten ein Zusammenhang besteht 8 . Allerdings muß nun sogleich in Erinnerung gerufen werden, daß diese »theologischen« priesterlichen Texte keineswegs im ganzen Pentateuch begegnen. Wir hatten festgestellt, daß mit dem Abschnitt Ex 6 2-9 die priesterlichen Rückverweise auf die Väter aufhören 9 . Überhaupt findet sich von hier an im Pentateuch kein Text mehr, der in ähnlicher Weise theologische Aussagen entfaltet, wie es in dieser Textgruppe in der Urgeschichte, den Vätergeschichten und in Ex 6 der Fall ist. So greifen diese Texte zwar über die Grenzen der größeren Einheiten hinaus, umfassen aber nicht den ganzen Pentateuch. Bei den chronologischen Angaben, die üblicherweise zu den »P«Texten gerechnet werden10, zeigen sich ebenfalls einige Verbindungen zwischen den verschiedenen größeren Einheiten. In den Vätergeschichten hob sich eine Gruppe von chronologischen Notizen heraus, die das Lebensalter einer Person zum Zeitpunkt eines bestimmten Ereignisses nennt, wobei die Texte nach einem feststehenden Schema formuliert sind11. Eine diesem Schema entsprechende Aussage findet sich in den auf die Vätergeschichten folgenden größeren Einheiten nur noch in Ex 7 i mit der Angabe des Alters Moses und Aarons, »als sie zum Pharao redeten«12. Von den übrigen chronologischen Angaben könnte man allenfalls noch Ex 161 und 191 in eine gewisse Beziehung zu Gen 16 3 bringen, einem Text, der seinerseits ganz außerhalb des Schemas steht 13 . Die verbleibenden chronologischen Bemerkungen in Ex 12 40 Num 10 li 20 l weisen keine sprachliche Beziehungen zu den chronologischen Texten der Vätergeschichten auf. In der Urgeschichte findet sich kein Text, der genau dem Schema der oben genannten Gruppe chronologischer Notizen in den Vätergeschichten entspricht. Einige stehen ihm jedoch recht nahe: die Notiz 7

8

9 10 11 12

13

Die hier notwendig werdende Differenzierung innerhalb der priesterlichen Schicht kann in dieser Studie nicht durchgeführt werden. Ein entsprechender Zusammenhang mit der Flutgeschichte ist weniger eindeutig aufweisbar. Siehe oben S. 141. Siehe oben S. 1411 Siehe oben S. 131 f. Eigenartigerweise ist auch die Angabe über den Tod des Mose in Dtn 34 7 so formuliert, wofür es im ganzen übrigen Pentateuch keine Parallele gibt. Eine Beziehung könnte man darin sehen, daß die Zeitangabe jeweils in Relation zu einem anderen Ereignis angegeben wird, nämlich dem Beginn des Wohnens im Lande Kanaan bzw. dem Auszug aus dem Lande Ägypten, und daß dieses andere Ereignis jeweils im Infinitiv mit vorangestelltem ®7 genannt wird. R e n d t o r f f , Pentateuch

11

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Ergebnisse und Folgerungen

über das Alter Sems bei der Zeugung Arpakschads (Gen 1110), über das Alter Noahs bei der Zeugung von Sem, Ham und Japhet (5 32) und beim Eintritt der Flut (7 6). Bei den Texten der zweiten Hauptgruppe, den Angaben über das Gesamtlebensalter in Verbindung mit der Mitteilung über den Tod, wurde schon darauf hingewiesen, daß die Notiz über den Tod Terachs in Gen 1132 dem Grundschema in den Vätergeschichten entspricht 14 . Dies gilt auch für die entsprechenden Angaben in Gen 5 (v. 5. 8.11.14.17. 20. 27. 31) und für die Mitteilung über den Tod Noahs in 9 29, während in Gen 11 loff. Angaben über den Tod außer bei Terach fehlen. So zeigen sich auch im Blick auf die chronologischen Notizen deutliche Beziehungen zwischen den Vätergeschichten einerseits und den vorangehenden und nachfolgenden größeren Einheiten andererseits. Auch hier sind die Beziehungen zur Urgeschichte stärker ausgeprägt, wenn auch keine völlige Übereinstimmung besteht. Bei den nachfolgenden Einheiten zeigt sich das gleiche Bild wie bei den »theologischen« Texten: In der Mosegeschichte findet sich noch eine deutliche Anknüpfung an die Vätergeschichten, danach nicht mehr. Diese Beobachtungen machen deutlich, daß es sich bei den priesterlichen Texten um eine Bearbeitungsschicht handelt, die bestimmte ausgeprägte Schwerpunkte erkennen läßt. In der Urgeschichte kommt sie mit einigen sehr gewichtigen Texten zu Wort, die eine ganz eigene Konzeption von der Schöpfung und vom göttlichen Bundesschluß mit Noah zum Ausdruck bringen. In den Vätergeschichten Hegt zunächst der Hauptakzent auf dem göttlichen Bundesschluß mit Abraham. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aussagen über Jakob, die allerdings teilweise nur in kürzeren Verheißungsreden bestehen; bei ihnen findet sich ein deutlicher Zusammenhang mit den Aussagen des Schöpfungsberichts, der bei Abraham nicht in der gleichen Weise vorhanden ist16. Schließlich wird am Beginn der Mosegeschichte noch einmal ausdrücklich und betont die Verbindung zur Vätergeschichte hergestellt und der Jahwename eingeführt. Danach läßt sich diese priesterliche Schicht im Pentateuch nicht mehr erkennen16. Das bedeutet, daß wir es hier mit einer Bearbeitungsschicht zu tun haben, die zwar über die Grenzen der einzelnen größeren Einheiten hinweggreift, die jedoch nicht den ganzen Pentateuch umfaßt. Die früher gelegentlich geäußerte Vermutung, daß »P« mit der End11 15

w

Siehe oben S. 134. Die charakteristische Formel »Seid fruchtbar und mehret euch!« klingt zwar deutlich an in Gen 28 8 35 l l und 48 4; in Gen 17 erscheinen beide Verben nebeneinander jedoch nur in der Verheißung für Ismael in v. 20. Es bedarf erneuter sorgfältiger Prüfung, ob etwa andere als die hier vorgetragenen Gründe dafür sprechen, noch weitere Texte dieser priesterlichen Schicht zuzurechnen.

Die zusammenfassende und abschließende Gestaltung des Pentateuch

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redaktion des Pentateuch identisch sein könne17, hat sich also nicht bewährt und muß aufgegeben werden. Anders steht es jedoch mit der deuteronomisch geprägten Bearbeitungsschicht, auf die wir schon früher aufmerksam gemacht haben18. Es hatte sich gezeigt, daß in einer ganzen Reihe von Texten die Rückbeziehung der Ereignisse vom Auszug aus Ägypten, vom Sinai und von den Anfängen der Landnahme auf die Vätergeschichten, und zwar insbesondere auf die Verheißung des Landes an die Väter, in einer deuteronomisch geprägten Sprache vorgenommen wird. Den Anfang bildet Gen 50 24, wo am Ende der Vätergeschichten ein Vorverweis auf die Herausführimg aus Ägypten eingefügt worden ist, durch den diese zugleich den Charakter der Rückführung in das Land der Väter erhält — ein Gedanke, der sonst weder in den Vätergeschichten19 noch in der Exodusgeschichte ausgesprochen wird. In E x 13 5. n wird unmittelbar vor dem Aufbruch aus Ägypten auf die Landverheißimg an die Väter Bezug genommen. Dasselbe ist der Fall unmittelbar vor dem nächsten Aufbruch, nämlich dem vom Sinai, als die Verwirklichung der Verheißung an die Väter gefährdet erscheint: Mose bittet Jahwe, der Väter zu »gedenken«, denen er geschworen hat, ihre Nachkommenschaft zahlreich zu machen und ihr das Land zu geben (Ex 32 13), und Jahwe befiehlt dann den Aufbruch in das Land, von dem er den Vätern geschworen hat, es ihren Nachkommen zu geben (331-3 a). Auch in Num 11 ist es wieder eine Krisensituation, in der der Weg Israels in das verheißene Land gefährdet erscheint und in der Mose im Gebet Jahwe an seinen Schwur erinnert (v. 12). Ähnliches gilt für Num 13f., wo Jahwe selbst in der teilweisen Rücknahme seines Vernichtungsbeschlusses über das Volk an seinen Schwur erinnert (1423). Auf dieses Jahwewort wird dann noch einmal zurückgegriffen, als durch den Wunsch der Stämme Rüben und Gad, sich im Ostjordanland anzusiedeln, die Verwirklichung der Landnahme ein letztes Mal gefährdet erscheint (Num 3211). Es ist deutlich, daß sich diese Reihe von Texten über den ganzen Pentateuch erstreckt und daß sie von den Vätergeschichten an in jeder größeren Einheit bzw. in jedem Überlieferungskomplex begegnet: in den Vätergeschichten, beim Exodus, am Sinai, in der Wüste und bei der Landnahme im Ostjordanland. Besonders betont wird dabei der Zusammenhang zwischen der Landverheißung an die 17 18 M

R. Rendtorff, Literarkritik und Traditionsgeschichte, EvTh 27 (1967), 138—153.147. Siehe oben S. 76 ff. Außer in dem isolierten Stück Gen 15 18-16; vgl. dazu R. Kessler, Die Querverweise im Pentateuch. Überlieferungsgeschichtliche Untersuchung der expliziten Querverbindungen innerhalb des vorpriesterlichen Pentateuchs, Diss. theol., Heidelberg 1972, 340. 11*

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Ergebnisse und Folgerungen

Väter und der Herausführung aus Ägypten: In Gen 50 24 und E x 33 i 20 wird in fast gleichlautenden Formulierungen beides nebeneinandergestellt. Damit ist aber zugleich der Gesamtzusammenhang der Pentateucherzählung hergestellt: Verheißung des Landes an die Väter — Herausführung aus Ägypten — (Rück)führung in das verheißene Land, und dies gesprochen beim Aufbruch vom Sinai (Ex 33 l). Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß mit diesen Formulierungen bewußt der Gesamtzusammenhang des Pentateuch (mit Ausnahme der Urgeschichte) umspannt werden soll. Das ist deshalb von Bedeutung, weil sich in unseren bisherigen Untersuchungen kein Text und keine Bearbeitungsschicht fanden, von denen dies gesagt werden könnte. Für die älteren Pentateuch»quellen« ist von ihren eigenen Verfechtern dieser Zusammenhang nicht mehr aufzeigbar, und für die »Priesterschrift« hat sich uns ergeben, daß sie einen solchen Gesamtzusammenhang ebenfalls nicht herstellt. So ist also diese deuteronomisch geprägte Bearbeitungsschicht die erste und nach unserer bisherigen Einsicht einzige, die eindeutig den Pentateuch als ganzen im Blick hat und als einen großen Zusammenhang verstanden wissen will. Damit ist nun gewiß noch nicht das Problem der Endredaktion des Pentateuch gelöst. Es ist auch nicht die Absicht dieser Studie, dieses letzte Stadium der Entstehungsgeschichte des Pentateuch im einzelnen zu untersuchen. Es sollen aber noch in Kürze die weiteren Folgerungen und die sich ergebenden Fragestellungen skizziert werden. Zunächst ist eine einschränkende Feststellung zu machen: Die vorgeführten Texte zeigen zwar eindeutig, daß von der Bearbeitungsschicht, der sie angehören, der Pentateuch als ein großer Zusammenhang gesehen wird. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welchen Anteil diese Schicht an der Gestaltung des Pentateuchganzen hat. Die Frage ist zunächst noch offen, ob es sich hier um eine Bearbeitungsschicht handelt, die selbst an der Zusammenfügung des Pentateuch aus den einzelnen größeren Einheiten und sonstigen Bestandteilen mitgewirkt hat oder gar entscheidend dafür verantwortlich gemacht werden kann, oder ob es sich um eine vorwiegend interpretierende Bearbeitung handelt, die den Pentateuch bereits als Ganzes vorgefunden und mit bestimmten deutenden Akzenten versehen hat. Hier müßten weitere Untersuchungen klären, ob sich eine Redaktionsarbeit erkennen läßt, deren Zusammenhang mit diesen Texten nachweisbar zu machen ist. Eine weitere Frage betrifft die nähere Kennzeichnung dieser Schicht und ihre Zusammengehörigkeit mit Texten in anderen Be20

In E x 33 l ist zu der Formel »das Land, das ich Abraham, Isaak und Jakob zugeschworen habe« hinzugefügt: »deinem Samen werde ich es geben«. Die Formulierung steht der in Gen 12 7 1518 24 7 gebrauchten nahe.

Die zusammenfassende und abschließende Gestaltung des Pentateuch

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reichen. Ich habe diese Texte als »deuteronomisch geprägt« bezeichnet, um eine vorzeitige Festlegung zu vermeiden, wie sie etwa in dem Begriff »deuteronomistisch« liegen könnte. Ich habe schon auf die Diskussion über die Frage hingewiesen, ob man hier eher von »frühdeuteronomisch« oder »protodeuteronomisch« reden sollte21; allerdings läge auch darin wieder eine bestimmte Festlegung, die man besser zunächst vermeiden sollte. Diese Texte enthalten nämlich keineswegs einfach gängige deuteronomische oder deuteronomistische Aussagen. Vielmehr ist gerade die für die beiden zentralen Texte dieser Schicht charakteristische Verbindung der Aussagen über die Herausführung aus Ägypten mit dem Landverheißungsschwur an die Erzväter durchaus ungewöhnlich. Sie begegnet innerhalb des Deuteronomiums nur in dem »Credo«text in Dtn 6 2322, im »deuteronomistischen Geschichtswerk« nur in Jdc 2 l. Es wäre deshalb methodisch nicht zulässig, diese Gruppe von Texten mit anderen »deuteronomistischen« Texten innerhalb der ersten vier Bücher des Pentateuch einfach zu einer »deuteronomistischen« Redaktionsschicht zusammenzufassen, ohne die Zusammengehörigkeit näher zu überprüfen und zu begründen. So fehlt z. B. in dem stark »deuteronomistisch« geprägten Text von Gen 15 23 die Rede vom »Schwören« Jahwes, die sich andererseits häufig im Deuteronomium findet. In Gen 18 19 wiederum — um nur noch ein Beispiel zu nennen — begegnet eine gänzlich andere Thematik; sie gehört zwar auch dem weiten Bereich deuteronomisch-deuteronomistischer Sprache und Theologie an, aber das muß noch nicht besagen, daß dieser Text mit der vorher genannten Textgruppe zu einer Bearbeitungs- oder Redaktionsschicht gehört. Diese Möglichkeit ist zwar keineswegs auszuschließen, bedarf aber sorgfältiger Prüfung. Dies ist auch deshalb notwendig, weil die Kriterien dafür, was als »deuteronomistisch« zu gelten hat bzw. wie in diesem Bereich zu differenzieren ist, noch keineswegs hinreichend geklärt sind. Es wäre methodisch bedenklich, wenn an die Stelle der zu überwindenden Hypothesen vorschnell ungenügend begründete neue Pauschaltheorien gesetzt würden. Unter diesem Vorbehalt sollen nun noch einige weitere Beobachtungen und Überlegungen hinzugefügt werden. Vriezen hat auf die 21 22

Siehe oben S. 79. In Dtn 6 23 wird das Verbum N'Xin verwendet statt des ilVsn von Gen 50 24 und E x 33 l. Im übrigen besteht hier ein grundlegender Unterschied zwischen den »Credodormulierungen von Dtn 6 20-24 und Dtn 26 5-9: In Dtn 26 ist von der Landverheißung an die Väter keine Rede, sondern es wird die auch in E x 3 s u. ö. begegnende Formel von dem »Land, das von Milch und Honig überfließt«, gebraucht. Auch in Jos 24 11-14 (vgl. v. i7f.) wird die Landverheißung an die Väter 23 Siehe oben S. 44 Anm. 2. nicht erwähnt.

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Ergebnisse und Folgerungen

auffallende Parallelität zwischen dem Anfang der Exodusgeschichte und dem Anfang der Richtergeschichten aufmerksam gemacht24. Die Texte in E x 1 6. 8 und Jdc 2 8.10 weisen grundlegende Gemeinsamkeiten im Aufbau und in den Formulierungen auf: »Da starb Joseph/Josua . . . und (auch) jenes ganze Geschlecht . .. und es stand auf ein neuer König/ein anderes Geschlecht . . d e r / d a s Joseph/Jahwe nicht kannte.. .« Vriezen hat m. E. überzeugend nachgewiesen, daß diese beiden Texte »dem gleichen literarischen Schema angehören«26. Er sieht in ihnen »zwei deutliche Beispiele... der gleichen Redewendung . . d i e in der historischen Literatur beim Übergang von einer Epoche zu einer anderen verwendet wird«26. Interessant sind auch Vriezens weitere Überlegungen, »daß der Autor (von E x 16. 8) etwas von einer Lücke zwischen beiden Perioden in der Geschichte seines Volkes gewußt hat« und daß er »sich bewußt (war), daß nach dem Abschluß der Josephsgeschichte eine ganz neue Seite der Geschichte seines Volkes aufzuschlagen war — wenn er auch von der Kontinuität beider Perioden überzeugt gewesen sein mag und in dieser Überzeugimg zu seiner Formulierung gekommen ist«27. Dies fügt sich sehr gut in unser Bild der Entstehungsgeschichte des Pentateuch; auch Vriezen rechnet mit einer weitgehenden Selbständigkeit und Unverbundenheit der Überlieferungskomplexe von den Vätern einerseits und von den Israeliten in Ägypten andererseits. Für unseren Zusammenhang ist vor allem die Feststellung wichtig, daß innerhalb des Pentateuch das gleiche literarische Schema zur Überleitung und Verknüpfung zweier ursprünglich selbständiger Erzählungszusammenhänge verwendet wird wie innerhalb des »deuteronomistischen Geschichtswerks«. Es läßt sich m. E. kaum wahrscheinlich machen, daß es sich hier um eine literarische Form handelt, die unabhängig vom Autor bzw. einem bestimmten Autorenkreis ein Eigenleben geführt hätte; vielmehr wird man annehmen müssen, daß die Bearbeiter, die dieses Schema in E x 1 und Jdc 2 verwendet haben, den gleichen Kreisen angehören. Wir stoßen also auch hier wieder auf den deuteronomisch-deuteronomistischen Kreis. Von hier aus erhält nun die Tatsache neues Gewicht, daß gegen Ende des Buches Numeri, insbesondere in den Kapiteln 32—35, das »deuteronomistische« Element sehr deutlich in Erscheinung tritt. Daß das Buch Deuteronomium vom übrigen »Tetrateuch« nicht streng getrennt werden kann, ist ohnehin klar; schon die Ankündigung des 24 Th. Ch. Vriezen, Exodusstudien Exodus I, VT 17 (1967), 334—353, bes. 334—344. a6 A. a. O. 339. 2 6 Ebd. Vriezen meint unter dem Einfluß der Quellentheorie, daß hier »ein älteres und ein jüngeres« Beispiel für dieses Schema vorlägen, und verweist dafür auf »das dtn. Idiom« in Jdc 2. « A. a. O. 343.

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Todes Moses in Num 27 12-23 und der Bericht über dessen Eintreten in Dtn 34 zeigen, daß der Zusammenhang zwischen beiden beabsichtigt ist. Das Buch Deuteronomium läßt sich wiederum in seiner jetzigen Gestalt nicht von den folgenden Büchern trennen, weil sie zu viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Schließlich ist aber auch deutlich, daß sich die letzten Abschnitte des Buches Numeri nicht losgelöst von diesem Gesamtzusammenhang verstehen lassen. Noth hat sich mit diesem Problem ausführlich befaßt 28 und hat dabei selbst die Erwägung ausgesprochen, daß »man . . . daran denken (könnte), daß diese Verbindung sogleich im Zusammenhang der großen Arbeit der Redaktion des Pentateuch vorgenommen wurde«29. Noth ist von seinen Voraussetzungen her zu einer Ablehnung dieser Vermutung gekommen. Dabei basieren seine Argumente ganz wesentlich auf der Annahme, daß es ein fest umrissenes Erzählungswerk von »P« gegeben habe und daß dieses Werk zur Grundlage der Pentateuchredaktion gemacht worden sei. Deshalb spricht z. B. die Tatsache, daß in dem Bericht über den Tod des Mose in Dtn 34 nicht »P«, sondern »Dtr« dominiert, nach Noths Auffassung dafür, daß es sich hier um ein späteres Stadium der Redaktion handeln müsse. Dieses Argument wird aber gegenstandslos, wenn man nicht mit einer solchen festumrissenen »P«-Erzählung rechnet. Dies gilt genauso für das andere Argument Noths, daß die spätere Existenz des Pentateuch »als der grundlegenden heiligen Schrift der nachexilischen Gemeinde . . . nur dann recht verständlich (wird), wenn er bereits vorher in den durch die P-Erzählung festgelegten Grenzen existiert und sich besonderer Wertschätzung erfreut hatte.«30 Übrigens wäre diese Argumentation schon bei Annahme einer selbständigen »P«-Erzählung wenig überzeugend. Zweifellos stellt die Abgrenzung und Kanonisierung des Pentateuch für unsere heutige Sicht der literarischen Entstehungsgeschichte ein Problem dar; es läßt sich aber kaum durch die Vermutung einer besonderen »Wertschätzung« einer fiktiven literarischen Vorform des Pentateuch erklären, sondern muß sicherlich vom Verständnis des Pentateuch als »Tora« her betrachtet werden. Hier zeigt sich besonders deutlich, wie einseitig die Betrachtung des ganzen Pentateuch als »Erzählung« notwendigerweise ist. Die gesetzlichen Bestandteile werden vielfach nur als Unterbrechung der Erzählung, als Einfügungen u. ä. betrachtet. Daß dies dem gegenwärtigen Bild des Pentateuch nicht gerecht wird, liegt auf der Hand. Es müßten deshalb methodische Kriterien entwickelt werden, mit denen die Beziehungen zwischen den erzählerischen und den gesetzlichen Bestandteilen des Pentateuch besser verstanden werden könnten. Der ganze Vorgang der »Redaktion« wäre m. E. auch unter diesem Aspekt neu zu durchdenken.

Es ist also keineswegs so sicher, daß zunächst der »Pentateuch« ohne das Deuteronomium als selbständige Größe existierte, bevor er 28 29

M. Noth, Uberlieferungsgeschichtliche Studien, 1948, § 26. 30 A. a. O. 212. A. a. O. 213.

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Ergebnisse und Folgerungen

in einem späteren Akt der Redaktion mit dem Deuteronomium und damit womöglich mit dem »deuteronomistischen Geschichtswerk« verbunden wurde. Vielmehr zeigen gerade die Probleme, die sich aus den Wechselbeziehungen zwischen den letzten Kapiteln des Buches Numeri, dem Deuteronomium und der »deuteronomistischen« Landnahmeüberlieferung ergeben, daß das »deuteronomistische« Element offenbar bei der Zusammenfügung der verschiedenen Überlieferungsbestandteile in diesem Bereich eine gewichtige Rolle gespielt hat. Wenn wir diese Überlegungen mit den früheren Beobachtungen über die Bedeutung einer deuteronomisch geprägten Bearbeitungsschicht für die Gesamtkonzeption des Pentateuch zusammennehmen, so ergibt sich, daß insgesamt der Anteil deuteronomisch-deuteronomistischer Kreise an der Gestaltung des Gesamtpentateuch beträchtlich gewesen zu sein scheint. Diese Feststellung gewinnt noch an Gewicht durch die Tatsache, daß bislang keine andere Bearbeitungsschicht erkennbar ist, die eine vergleichbare Bedeutung gehabt haben könnte. Zugleich ist aber noch einmal die methodische Forderung zu wiederholen, daß innerhalb dieser Kreise sorgfältig differenziert werden muß, um einen deutlicheren Einblick in die Schichtung der Überlieferung in diesem Bereich und damit dann auch in die Vorgänge der Pentateuchredaktion zu gewinnen. Schließlich ist hier noch eine weitere Frage zu stellen: Ist es überhaupt berechtigt, den Pentateuch einerseits und das »deuteronomistische Geschichtswerk« andererseits methodisch so völlig verschieden zu behandeln, wie es heute weitgehend geschieht ? Nachdem sich frühere Versuche, die Pentateuch»quellen« bis in die Königsbücher hinein zu verfolgen, nicht durchgesetzt haben, hat sich für die Geschichtsbücher von Josua bis Könige eine ganz andere Betrachtungsweise in den Vordergrund geschoben. Die Aufmerksamkeit richtet sich viel mehr auf größere Zusammenhänge, die den Verfassern oder Redaktoren, die die Endgestalt des Textes hergestellt haben, bereits vorlagen. Dabei handelt es sich aber gerade um solche größeren Einheiten, die das Zwischenstadium zwischen den Einzelerzählungen und der Endgestalt des Textes darstellen, wie wir sie auch im Pentateuch finden. Wir hatten früher schon darauf hingewiesen, daß Noth bei seiner Untersuchung des Buches Josua auf die Landnahmeüberlieferungen als selbständige größere Einheit gestoßen ist31. Entsprechendes gilt z. B. für den Samuel-Saul-Komplex, die Geschichte vom Aufstieg Davids, die Geschichte von der Thronnachfolge Davids usw. Das offenkundige Vorhandensein solcher größeren Einheiten im Pentateuch sollte deshalb m. E. zu einer analogen methodischen Behandlung des Pentateuch Anlaß geben. Ich halte es für sehr gut möglich, daß bei 31

Siehe oben S. 26; vgl. auch S. 169 f.

Die zusammenfassende und abschließende Gestaltung des Pentateuch

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einer Abwendung von der traditionellen Betrachtung des Pentateuch gerade von den Erfahrungen im Umgang mit den Geschichtsbüchern her wichtige Einsichten für einen methodischen Neuansatz gewonnen werden können. Wenn nun aber keine vor»deuteronomistische« Pentateuchredaktion erkennbar ist und wenn sich auch die Existenz der »älteren Pentateuchquellen« nicht nachweisen läßt, so stellen sich notwendigerweise auch die Fragen der Datierung des Pentateuch und seiner einzelnen Bestandteile neu. Es kann dabei nicht darum gehen, die Pentateuch»quellen« auf eine spätere Zeit zu datieren, wie es heute vielfach versucht wird32. Jedoch sind im Rahmen solcher Versuche wie auch unabhängig davon wichtige Beobachtungen gemacht worden, die dazu nötigen, diese Fragen grundlegend zu überprüfen. Insbesondere ist wiederholt auf die Tatsache aufmerksam gemacht worden, daß wesentliche Themen und Namen der Pentateuchüberlieferung außerhalb des Pentateuch in vordeuteronomistischer oder gar vorexilischer Zeit kaum oder überhaupt nicht erwähnt werden. Diese Beobachtung muß zweifellos sehr viel ernster genommen werden, als es bisher geschehen ist. In der Tat ist dieses »Schweigen« in der vorexilischen Literatur ein sicheres Zeichen dafür, daß die Inhalte der Pentateuchüberlieferung in dieser Zeit nicht die zentrale Rolle gespielt haben können, die ihnen heute vielfach zugeschrieben wird. Welche methodischen Folgerungen lassen sich daraus ziehen? Zunächst muß eingeräumt werden, daß wir kaum zuverlässige Kriterien für die Datierung der pentateuchischen Literatur besitzen. Jede Datierung der Pentateuch»quellen« beruht auf rein hypothetischen Annahmen, die letzten Endes nur durch den Konsens der Forscher Bestand haben33. Deshalb muß eine kritische und methodenbewußte Pentateuchforschung grundsätzlich bereit sein, die angenommenen Datierungen wieder zur Diskussion zu stellen. Weiterhin muß zugestanden werden, daß auch unsere traditionsgeschichtlichen Überlegungen weithin auf Hypothesen beruhen, die sich jederzeit eine kritische Überprüfung gefallen lassen müssen. B. Diebner hat kürzlich zutreffend das »Unbehagen« formuliert, »Traditionsgeschichte als Geschichte der Nachwirkungen alter Traditionen zu betreiben, deren Ursprünge man dank altbewährter Forschungsergebnisse zu kennen meint. Sachgemäßer erscheint mir eine Traditionskritik als 'Rezeptionskritik', die ausgehend von der jüngsten, innerhalb der alttestamentlichen Literaturgeschichte mit Wahrscheinlichkeit faßbaren 32 33

Siehe oben S. 160 mit Anm. 6. Ein besonders deutliches Beispiel dafür ist die Datierung des »Jahwisten« in die Zeit des davidisch-salomonischen Großreichcs, für die es keinen einzigen eindeutigen Beleg gibt, die aber gleichwohl von einer großen Anzahl von Alttestamentlern anerkannt wird.

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Ergebnisse und Folgerungen

Gestalt einer bestimmten Tradition vorsichtig nach den Ursprüngen des jeweils Rezipierten (zurückfragt).«84 Dieser methodische Grundsatz ist zweifellos voll zu bejahen, und vielfach wird Traditionsgeschichte auch so betrieben. Allerdings muß bei einer solchen Kritik an den bisherigen Vorstellungen darauf geachtet werden, daß das Pendel nicht allzu weit nach der anderen Seite ausschlägt. Dies gilt insbesondere für die Ersetzung der bisher üblichen Datierungen durch neue. Es besteht heute bei einigen Forschern eine Tendenz, die Hauptmasse des Pentateuchstoffes für exilisch oder nachexilisch zu halten. Die methodischen Kriterien für solche Datierungen müssen jedoch erst noch sorgfältig abgewogen werden. Es genügt nicht, an die Stelle einer allgemein üblichen Frühdatierung eine Spätdatierung zu setzen. Es geht m. E. vielmehr darum, an die Stelle einer umfassenden Theorie, die die Hauptmasse des erzählenden Pentateuchstoffes den »älteren Quellen« und damit einer relativ frühen Epoche der israelitischen Geschichte zuschrieb, eine differenziertere Betrachtung zu setzen, die mit einer längeren Entstehungsgeschichte des Pentateuch rechnet und dabei vor allem die Verbindung der einzelnen größeren Einheiten zu einer Gesamtdarstellung erst als ein Endstadium betrachtet, das relativ spät anzusetzen ist. Konkreter gesprochen heißt dies, daß einerseits erst die deuteronomisch geprägte Bearbeitungsschicht deutlich eine Gesamtsicht des Pentateuch erkennen läßt, daß andererseits dieser Betrachtung eine längere und in sich vielschichtige Entwicklung vorausgegangen sein muß, in der die Texte von den kleinsten Einheiten über kleinere Teilsammlungen zu den größeren Einheiten und schließlich zum jetzigen Endstadium zusammengewachsen sind. Für die Datierung ist wiederum zu beachten, daß auch diejenigen Texte, die man als Orientierungspunkte zu benutzen pflegt, nur relative und keineswegs sichere Anhaltspunkte zu ihrer zeitlichen Ansetzung bieten. Dies gilt für den deuteronomisch-deuteronomistischen Bereich in mehrfacher Hinsicht. Schon die Entstehung des Deuteronomiums selbst läßt sich nicht sicher datieren. Es gibt sehr gewichtige Argumente für die Ansetzung eines Grundbestandes des Deuteronomiums in das 8. Jahrhundert v. Chr.35. Man muß gewiß damit rechnen, daß die Verfasser eines solchen Werkes in ihrer Zeit nicht isolierte Einzelne, sondern eher Repräsentanten bestimmter Kreise waren36. Das würde bedeuten, daß Texte im »deuteronomischen« Stil 81

35 84

B. Diebner, »Isaak« und »Abraham« in der alttestamentlichen Literatur außerhalb Gen 12—60. Eine Sammlung literaturgeschichtlicher Beobachtungen nebst einigen überlieferungsgeschichtlichen Spekulationen, DBAT 7 (1974), 38—50. 48. Vgl. dazu G. Fohrer in: Sellin—Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 1969 11 ,189 f. Vgl. dazu H. W. Wolff, Hoseas geistige Heimat, ThLZ 81 (1956), 83—94 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, 1964, 232—250.

Die zusammenfassende und abschließende Gestaltung des Pentateuch

171

bereits von dieser Zeit an begegnen könnten oder sogar noch früher, wenn man mit »frühdeuteronomischen« Texten rechnet, die nicht vom Deuteronomium abhängig sind, sondern ihm vorauslaufen und »Frühphasen des deuteronomischen Denkens und Sprechens«37 bezeugen. Demgegenüber wird aber immer wieder auch eine Datierung des Deuteronomiums in die Zeit unmittelbar nach dem Exil vertreten 38 . Damit würde sich das Ganze um mehr als zwei Jahrhunderte verschieben. Was der Begriff »deuteronomistisch« in zeitlicher Hinsicht besagt, ist entsprechend unklar. Hier kommt hinzu, daß bei der Annahme einer Abhängigkeit vom Deuteronomium damit noch nichts über den zeitlichen Abstand gesagt ist. Schließlich muß auch gesagt werden, daß die übliche Datierung der »priesterlichen« Bestandteile des Pentateuch, sowohl der erzählenden als auch der gesetzlichen, in die exilische oder nachexilische Zeit ebenfalls nur auf Vermutungen und auf einem Konsens der Forscher, nicht aber auf unzweideutigen Kriterien beruht. So wird die Frage einer absoluten Chronologie für die einzelnen Phasen der Entstehung des Pentateuch zunächst offenbleiben müssen. Es ist auch nicht meine Absicht, die vorliegende Arbeit damit zu belasten, da es mir in erster Linie auf die Vorgänge selbst ankommt, die sich innerhalb der Entstehungsgeschichte des Pentateuch abgespielt haben, also auf eine Art von relativer Chronologie. Dabei bleibt auch die Frage offen, über welchen Zeitraum sich die einzelnen Vorgänge jeweils erstreckt haben. Ich bin mir allerdings dessen bewußt, daß auch diese Fragen eine Antwort erfordern. Es wird nötig sein, erneut den Versuch zu machen, die hinter den einzelnen Phasen der Überlieferungsbildung, der Bearbeitung und Interpretation und schließlich der Sammlung und Zusammenfassung stehenden Kreise, ihre Intentionen und Interessen zu bestimmen, soweit dies bei unseren bruchstückhaften Kenntnissen der israelitischen Sozial-, Kultur- und Geistesgeschichte möglich ist. Schließlich muß noch das Argument wieder aufgenommen werden, daß große Bereiche der vorexilischen Literatur von den Themen und Namen der Pentateuchtraditionen »schweigen«. Der Sachverhalt als solcher ist unbestreitbar. Es stellt sich aber die Frage, was daraus gefolgert werden kann. Zunächst zweifellos dies, daß die Themen des Pentateuch in vorexilischer Zeit nicht im Zentrum des israelitischen Glaubens und Denkens gestanden haben; dies müßte in der Literatur dieser Zeit, insbesondere bei den Propheten, gewiß seinen Ausdruck finden. Mit Recht hat auch van Seters darauf aufmerksam gemacht, M 88

So N. Lohfink, Die Landverheißung als Eid, 1967, 17 f. So etwa O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, 1969, 106—109.

172

Ergebnisse und Folgerungen

daß bei Jeremia und Hesekiel (und wohl auch in den älteren Schichten des Deuteronomiums) das Heilshandeln Jahwes an den »Vätern« sich auf die Exodusgeneration bezieht und nicht auf die »Erzväter« der Genesis39; die verschiedenen Traditionen waren also zu dieser Zeit noch nicht miteinander verbunden. Allerdings ist bemerkenswert, daß bei Hesekiel an anderer Stelle Abraham als derjenige genannt wird, der das Land »in Besitz genommen hat« (Ez 33 24)40. Wichtig ist vor allem, daß dies als ein Argument im Munde der im Lande zurückgebliebenen Judäer erscheint. Das zeigt m. E. eindeutig, daß dies zur damaligen Zeit eine bekannte, volkstümliche Tradition war. Gerade diese letzte Beobachtung macht deutlich, wie zurückhaltend man damit sein muß, aus dem »Schweigen« Schlüsse zu ziehen. Das »Schweigen« der vorexilischen Literatur über die Themen des Pentateuch zeigt, wie gesagt, daß sie zu dieser Zeit wohl kaum zentrale Themen in Israel waren. Ob man daraus aber ohne weiteres folgern darf, daß sie unbekannt waren, erscheint doch recht fraglich. Es müßte genauer gefragt werden, in welchen Bereichen diese Überlieferungen ihren »Sitz im Leben« gehabt haben können. Dann erst ließe sich die Frage beantworten, ob ihr Vorkommen z. B. bei den Propheten erwartet werden müßte, wenn sie zu dieser Zeit bereits vorhanden gewesen wären. Wir dürfen uns das Leben im vorexilischen Israel doch keinesfalls zu einheitlich und in sich geschlossen vorstellen. Vielmehr müssen wir gerade umgekehrt damit rechnen, daß in der alttestamentlichen Literatur vieles literarisch miteinander verbunden worden ist, was im Leben des Alten Israel nie zusammengehört hat. So ist durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, daß einzelne Überlieferungen in bestimmten Kreisen auch über längere Zeiträume hin tradiert wurden, in anderen Kreisen aber unbekannt blieben. Dabei ist nicht nur an die Unterschiede zwischen Nord und Süd zu denken, die zweifellos beträchtlich waren, sondern auch an die zwischen Stadt (vor allem Jerusalem) und Land, an lokale und regionale, kultische und höfische Traditionen, an die Besonderheiten der Überlieferungen in priesterlichen, levitischen und prophetischen Kreisen usw. Wer mit dem »argumentum e silentio« arbeiten will, muß m. E. zunächst nachweisen, daß das von ihm an einer bestimmten Stelle Vermißte dort erscheinen müßte, wenn es zum Zeitpunkt des Entstehens dieses Textes bekannt war. Dies bedeutet nun keineswegs, daß die Beobachtungen über das weitgehende Fehlen der Pentateuchthemen in der vorexilischen Literatur beiseitegeschoben werden sollten. Sie verbinden sich vielmehr 88

10

J. van Seters, Confessional Heformulation in the Exilic Period, VT 22 (1972), 448—459. Wenn van Seters zu diesem Text bemerkt, daß der Begriff »promise« fehle (449), so ist das kein sehr durchschlagendes Argument.

Die zusammenfassende und abschließende Gestaltung des Pentateuch

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mit unseren Beobachtungen insofern, als aus ihnen deutlich wird, daß die vorexilische Literatur nirgends erkennen läßt, daß es zu dieser Zeit den »Pentateuch« in irgendeiner Gestalt als zentrales Zeugnis des Glaubens Israels gegeben hätte. In welcher Form und in welchen Kreisen die einzelnen Überlieferungen tradiert wurden, wie sie zu größeren Einheiten zusammenwuchsen, bearbeitet und interpretiert wurden, dies alles müßte Gegenstand weiterer eingehender und detaillierter Untersuchungen sein. Ein erster Beitrag dazu sollte hier geleistet werden. Es wäre aber m. E. ein methodischer Irrweg, wenn jetzt an die Stelle der »alten« Pentateuchquellen »junge« oder »späte« gesetzt würden, wenn man jetzt versuchen wollte, die globale Interpretation des »Jahwisten« oder anderer »Quellen« mit einer anderen Datierung und auf dem Hintergrund anderer Zeitumstände zu wiederholen. Das hieße neuen Wein in alte Schläuche füllen. Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch liegt tiefer. Es muß in Angriff genommen werden, wie G. von Rad es in einer seiner letzten Äußerungen gefordert hat, »aus einer umfassenden Neuanalyse des pentateuchischen Erzählungsgutes, deren wir dringend bedürfen«41. 41

G. von Rad, Das erste Buch Mose, 1972», 362.

Bibelstellenregister Mehrfaches Vorkommen auf einer Seite einschließlich der Anmerkungen ist nur einmal notiert. Belege, die nur in Anmerkungen genannt werden, sind durch hinzugefügtes »A« gekennzeichnet. 1—11 11—2 4a 1 2—1 1 4 26 5 3-30 5 5. 8. U . 5 29 5 81

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175

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Bibelstellenregister

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3 2 23

72

3 8

66, 6 8 A , 7 0 , 72, 77,

33

90

132f. 3

40 A, 58, 111 64

161

131 77 68, 77

13 5.11 13 s 13 19 14 14 si 15 2 16—18 16 1 16 s 16 6.82 Exodus 16 6 Iff 71A 17 s 1—15 22—24,1571 18 11—15 21 22 18 4

120 135 117, 129 29, 87 118 113 129 114, 133 114

68

133 A, 161 106 106 106 106 106 71, 155 154A

120,135 12 41 120 12 51 135 13

35 9ff 48, 53A, 62,138 35 9-13 . 1 1 9 , 1 3 7 , 1 3 9 , 141 35 9-12 40A, 58 35 9 64,118,133,137—139 35 10 138 35 lif 52, 137i. 35n 47, 51f., 62, 137, 162A 35 12 42f., 45, 52, 58A, 63, 137 f. 35 14 119 3515 119 35 22b-26 117,120 35 26 117 35 27 35 28 36 7 37—50 37 371.2 37 1 37 2

6 s

48 3 64, 119, 137 48 4 421, 45, 47, 62 A, 63, 137f., 162A 48 5f 137 48 7 117, 119 48 i 5 f 48 4816 46f. 48 21 49,51

117 49 sof. 40A 49 30 49, 51 49 33b

69 69, 76 A 71 69 71, 75A, 155 161 67, 140, 160f. 130 130 67 68, 140

313

67 32 18 111, 165 A 33 iff 69 33 1 - 8

72

72, 78,126,163 78 72

Bibelstellenregister 33 1-3 a 33 l 33 a 33 3

77, 79,163 68,164,165 A 72 A 72 Leviticus

22ll 10 11

117 Numeri

11—20 111—20 13 11 lis lln-15 1112

Uuf 1118.20 12 13 f 14 2-4 1418.19. 22 14 22-24 14 22 14 23 14 28 1613 16 32b 20

161

26 25A 163 73 78 73, 163 78 73 90 78, 163 73 73 A 78 73 73, 78f., 163 76 A 73 117 25 A

Rentdorff, Pentateuch

20 l 20 4f 20 14—3618 2014-21 20 14 20 15. 16 a 21 21s 22—24 24 9 26 4 27 12-23 32—35 32 32 8 32 l i 3214 33 i 35 s

161 73 26 A 26 A 74 A 74 25A, 73A 73 92 155 A 74 167 166 91 74 74, 79,163 74 74 117

Deuteronomium

620-24

623 9 4f 9 27 26 26 5-9 34 34 ib-8 34 7

165 A

165 106 126 165 A 165 A 92,112,167 92 A 161A

177 1—12 13—21 24ii-i4 2417í 2 2

Josua

Judicum

1 2 s . 10

169 159 165A 165 A 166 165 166

Samuel 1 19—IISam5 33 25 1 135 A Jesaja 49 18 76 A 53 5 . 1 0 106, 107 A Jeremia 22 5 76 A 22 24 76A Ezechiel 14 107 1412ff 107 14 14. 16. 18. 20 107 14 22f 107 A 18 106, 107 33 24 172 Amos 4 11 126

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kälter de Gruyter Berlin • New rork

THEOLOGISCHE REALENZYKLOPÄDIE In Gemeinschaft mit Horst Robert Balz • Richard P. C. Hanson • Sven S. Hartman • Richard Hetitschke • Wolfgang Müller-Lauter • Carl Heinz Ratschow • Knut Schäferdiek • Martin Schmidt • Henning Schröer • Clemens Thoma • Gustaf Wingren herausgegeben von Gerhard Krause und Gerhard Müller

Einladung %ur Subskription

25 Bände mit Registern ( J e Band 5 Lieferungen = 800 Seiten) Das Abkürzungsverzeichnis (XVII3, 398 S., Halbleder) wird der 1. Lieferung kostenlos mit beigegeben.

Subskriptionspreis je Lieferung: DM 38,— Subskriptionspreis Bandi: Halbhder DM 220,— (Spätere Preisänderung vorbehalten)

Soeben erschienen Band I, Lieferung 1 Band I, Lieferung 2

ersch. Anfang De%. 1976

Die Subskription ermöglicht den Be^ug des Gesamtmrkes ^um Subskriptionspreis

Die THEOLOGISCHE REALENZYKLOPÄDIE (TRE) nimmt die Arbeit der vor 60 Jahren abgeschlossenen Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE S ) auf und führt sie fort. Die tiefgreifenden Veränderungen, die sich im wissenschaftlichen Denken — Methodenbewußtsein wie Inhaltsbewertung — in den vergangenen sechs Jahrzehnten vollzogen, machen eine erneute Repräsentation der theologischen Forschung im ganzen notwendig. Bisher fehlte ein Werk, das in ausreichender Weise den Stand der theologischen Forschung in allen ihren Disziplinen im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts wiedergibt. Mit dem Erscheinen der TRE wird diese Lücke geschlossen.

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\Sfälter de Gruyter Berlin • N e w a r k Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Zuletzt erschienen:

W. R. Watters

Formula Criticism and the Poetry of the Old Testament 1976. Large-octavo. XVI, 227 pages. Cloth DM 92,— ISBN 311005730 1 (Beiheft 138)

L. Markert

R. F. Melugin

Struktur und Bezeichnung des Scheltworts Groß-Oktav. Etwa 352 Seiten. 1977. Ganzleinen etwa DM 124,— ISBN 311005813 8 (Beiheft 140)

The Formation of Isaiah 40—55 1976. Large-octavo. XII, 186 pages. Cloth DM 68,— ISBN 311005820 0 (Beiheft 141)

T. Ishida

The Royal Dynasties in Ancient Israel 1977. Large-octavo. Approx. 256 pages. Cloth approx. DM 94— ISBN 311006519 3 (Beiheft 142)

L. Schmidt

»De Deo«

K. Rupprecht

Der Tempel von Jerusalem

Studien 2ur Literaturkritik und Theologie des Buches Jona, das Gespräch zwischen Abraham und Jahwe in Gen 18 22ff.und von Hi 1 Groß-Oktav. Vm, 198 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 88,— ISBN 311006618 1 (Beiheft 143)

Gründimg Saloms oder jebusitisches Erbe? Groß-Oktav. X, 109 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 48,— ISBN 3 11006619 X (Beiheft 144) A. Strobel

Der spätbronzezeitliche Seevölkersturm Ein Forschungsüberblick mit Folgerungen zur biblischen Exodus thematik Groß-Oktav. XII, 291 Seiten. 1976. Ganzleinen DM 98,— ISBN 3 11006761 7 (Beiheft 145) Pteisfinderungea vorbehalten

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f i l t e r de Gruyter Berlin • N e w a r k THEOLOGISCHE BIBLIOTHEK TÖPELMANN Zuletzt erschienen;

E. Schmalenberg

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Eine theologische Untersuchung Oktav. VIII, 143 Seiten. 1972. Ganzleinen DM 42,— ISBN 311004036 0 (Band 25)

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Oktav. X, 210 Seiten. 1974. Ganzleinen DM 54,— ISBN 311004463 3 (Band 26)

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Die Ontologie in Karl Barths kirchlicher Dogmatik Groß-Oktav. X, 428 Seiten. 1975. Ganzleinen DM 92,— ISBN 311005706 9 (Band 27)

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K. Okayama

J. Ringleben

U. Böschemeyer

Zur Grundlegung christlicher Ethik

Theologische Konzeptionen der Gegenwart im Lichte des Analogie-Problems Oktav. X, 268 Seiten. 1977. Ganzleinen DM 52,— ISBN 311005812 X (Band 30)

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Die Existenzanalyse und Logotherapie Viktor E. Frankls aus theologischer Sicht Oktav. X, 164 Seiten. 1977. Ganzleinen DM 48,— ISBN 311006727 7 (Band 32)

F. Heiler PreisÄndcnmgeii vorbehalten

Die Frau in den Religionen der Menschheit

Herausgegeben von Anne Marie Heiler Oktav. VI, 194 Seiten. 1977. Kartoniert DM 38— ISBN 311006583 5 (Band 33)