Untersuchungen zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch [Aufl ed.] 3110067315, 9783110067316

In der Reihe Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft (BZAW) erscheinen Arbeiten zu sämtlichen Ge

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Untersuchungen zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch [Aufl ed.]
 3110067315, 9783110067316

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einführung
Kapitel I: Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau
Kapitel II: Zwischenbilanz
Kapitel III: Die vorpriesterliche Urgeschichte
Kapitel IV: Ergebnisse und Folgerungen
Literaturverzeichnis
Register der Bibelstellen

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Peter Weimar Untersuchungen zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch

Peter Weimar

Untersuchungen zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch

w DE

G

Walter de Gruyter • Berlin • New York

1977

Beiheft zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von Georg Fohrer 146

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CI P-Kurztitelaufnähme

der Deutschen

Bibliothek

Weimar , Peter Untersuchungen zur Redaktionsgeschichte des Pentateuch. — 1. Aufl. — Berlin, New York : de Gruyter, 1977. (Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft : Beih. ; 146) ISBN 3-11-006731-5

© 1977 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung—J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Ubersetzung, der Herstellung von Mikrofilmen und Photokopien, auch auszugsweise, vorbehalten. Printed in Germany Satz: IBM-Composer, Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin 61

Für Gertrud

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 1975 vom Fachbereich Katholische Theologie der Universität Würzburg als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig bearbeitet. Das Manuskript der Arbeit war im Frühjahr 1975 abgeschlossen. Seither erschienene Literatur konnte nur zum Teil berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. J. Schreiner für alle sachliche und persönliche Förderung, die ich von ihm erfahren durfte, sowie Herrn Prof. Dr. E. Zenger für manchen kritischen Hinweis während der Entstehung der Arbeit. Mein Dank gilt ferner Herrn Prof. D. Dr. G. Fohrer, D. D. für die bereitwillige Aufnahme der Untersuchung in die «Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft», der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung eines namhaften Druckkostenzuschusses und dem Verlag Walter de Gruyter für die sorgfältige Drucklegung. Vor allem aber habe ich meiner Frau zu danken. Sie hat mit viel Geduld die ganze Arbeit mitgetragen. Ihr sei dieses Buch deshalb gewidmet. Münster, im März 1977

Peter Weimar

Inhalt Einführung

1

Kapitel I: Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

5

I. Genesis 12, 1 0 - 2 0 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Abgrenzung der Texteinheit Die Gestalt der Geschichte Die Absicht der Geschichte Der Texttyp Der geistesgeschichtliche Horizont Der zeitgeschichtliche Kontext Der Textzusammenhang

II. Genesis 20 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 4. 5. 5.1 5.2

Abgrenzung der Texteinheiten Die Gestalt der Geschichte Die ältere Geschichte Die jüngere Geschichte Die Absicht der Geschichte Die ältere Geschichte Die jüngere Geschichte Der Texttyp Der Textzusammenhang Die ältere Geschichte Die jüngere Geschichte

III. Genesis 26,1-11 1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 4. 4.1 4.2 5. 5.1 5.2 5.3 5.4

Abgrenzung der Texteinheiten . Die Gestalt der Geschichte Die Grundschicht Die erste Redaktion Die Absicht der Geschichte Die Grundschicht Die erste Redaktion Der Texttyp Die Grundschicht Die erste Redaktion Der Textzusammenhang Die Grundschicht Die erste Redaktion Die zweite Redaktion Die dritte Redaktion

IV. Die drei Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

5 5 14 17 22 22 40 43

55 55 67 67 70 72 72 74 75 75 75 78

79 79 89 89 91 93 93 94 94 94 95 95 95 97 99 102

102

X

Inhalt

Kapitel II: Zwischenbilanz

108

Kapitel III: Die vorpriesterliche Urgeschichte

112

I. Genesis 2 , 4 b - 4 , 2 6 1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 3.

Genesis 2 , 4 b - 3 , 2 4 Analyse des Textes Ergebnis der Analyse Genesis 4 , 1 - 2 6 Analyse des Textes Ergebnis der Analyse Zusammenfassung

II. Genesis 6 , 1 - 1 1 , 9 * 1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 4.

III. IV. V. VI.

Genesis 6 , 1 - 9 , 1 9 * Analyse des Textes Ergebnis der Analyse Genesis 9 , 2 0 - 1 0 , 3 0 * Analyse des Textes Ergebnis der Analyse Genesis 1 1 , 1 - 9 Analyse des Textes Ergebnis der Analyse Zusammenfassung

Eine vorjahwistische Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte Die jahwistische Urgeschichte Eine Sammlung ätiologisierender Geschichten Die jehowistische Urgeschichte

112 112 113 130 131 131 137 137

138 138 138 145 146 146 149 150 150 152 152

153 154 158 161

Kapitel IV: Ergebnisse und Folgerungen

162

Literaturverzeichnis

173

Register der Bibelstellen

181

Einführung In der letzten Auflage seines Genesis-Kommentars hat G. von Rad am Schluß einen Absatz angefügt, in dem er — angesichts der Probleme, vor die die Josefsgeschichte die klassische Pentateuchquellentheorie stellt — nichts Geringeres als eine umfassende »Neuanalyse des pentateuchischen Erzählungsgutes« f o r d e r t 1 . Mit dieser Bemerkung signalisiert G. von Rad den gerade in jüngster Zeit wachsenden Eindruck, daß das von der klassischen Quellentheorie vorgelegte Modell der Entstehung der pentateuchischen Schriften nur bedingt praktikabel ist. Die moderne Pentateuchforschung ist ohne J. Wellhausen nicht zu verstehen. Mit seiner 1876/77 erschienenen Aufsatzfolge »Die Composition des Hexateuchs« 2 , in der die Ergebnisse der literarkritischen Forschung des vergangenen Jahrhunderts zusammengefaßt und weiterentwickelt sind, wurden die Grundlagen der modernen Pentateuchforschung gelegt und der These, wonach der Pentateuch aus vier Quellen (Jahwist, Elohist, Deuteronomium, Priesterschrift) zusammengesetzt sei, zu allgemeiner Anerkennung verholfen. Trotz des weitreichenden Einflusses, den Julius Wellhausen auf die ganze Pentateuchforschung unseres Jahrhunderts ausgeübt hat, gibt es bis heute kein allgemein anerkanntes Modell der Entstehungsgeschichte des Pentateuch 3 . Vor allem in der Frage der Entstehung der vorpriesterlichen Pentateucherzählungen scheiden sich die Geister. Schon in der grundlegenden Frage nach der Anzahl der Geschichtswerke innerhalb des Pentateuch besteht keine Übereinstimmung. Umstritten ist sowohl die Existenz einer eigenständigen elohistischen Geschichtsdarstellung 4 als auch die Frage, ob das jahwistische Werk eine in sich geschlossene literarische Komposition bildet 5 oder ob es in zwei ursprünglich einmal selbständige und erst sekun1 2

3

4 5

G. von Rad, Das erste Buch Mose. Genesis, ATD 2/4, 1972 9 , 362. J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs, Jahrbücher für deutsche Theologie 21 (1876), 3 9 2 - 4 5 0 . 5 3 1 - 6 0 2 ; 22 (1877), 4 0 7 - 4 7 9 . Als selbständige Buchveröffentlichung erschien die Aufsatzfolge erstmals Berlin 1885; seit der 2. Auflage (1889) trägt das Buch den Titel »Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments« ( 1 8 9 9 3 ; 1963 4 ). Zur Geschichte der Pentateuchforschung und zum aktuellen Problemstand vgl. neben den Darstellungen in den bekannten Einleitungen in das Alte Testament vor allem die neueren Übersichten von H. Cazelles, Pentateuque, DBS VII, 1966 2 , 6 8 7 - 8 5 8 ; ders., Positions actuelles dans l'exégèse du Pentateuque, ETL 44 (1968), 5 5 - 7 8 = De Mari à Qumrân. FS J. Coppens, BETL 24, 1969, 3 4 - 5 7 ; ders., Theological Bulletin on the Pentateuch, BThB 2 ( 1 9 7 2 ) , 3 - 2 4 . Vgl. hierzu die Literaturhinweise in Kap. I. Anm. 219. Vgl. dazu jüngst R. Rendtorff, Der »Jahwist« als Theologe? Zum Dilemma der Pentateuchkritik, in: Congress Volume Edinburgh 1974 = VTS 28, 1975, 1 5 8 - 1 6 6 .

2

Einführung

där miteinander verknüpfte jahwistische Geschichtsdarstellungen aufzuspalten ist 6 . Keine Übereinstimmung besteht auch über den Umfang der einzelnen Geschichtswerke. Kontrovers ist vor allem das Problem der Existenz einer Landnahmegeschichte sowie der Weiterführung des jahwistischen und elohistischen Werkes bis in die Königsbücher hinein. Umstritten ist weiterhin die Frage der zeitlichen Ansetzung der einzelnen Geschichtsdarstellungen, obschon sich hier gewisse Konventionen ausgebildet haben. So werden in jüngster Zeit verstärkt Bedenken gegen die heute übliche Frühdatierung des Jahwisten in die Epoche der davidisch-salomonischen Aufklärung zugunsten einer Spätdatierung angemeldet, indem man das jahwistische Werk als ein relativ junges literarisches Produkt aus der Zeit zwischen Jesaja und dem Deuteronomium zu verstehen s u c h t 7 . Aber auch in der Frage der Redaktionen, vor allem in der Frage der sog. »deuteronomistischen« Redaktionen, besteht keine Übereinstimmung. Der Katalog offener und umstrittener Fragen hinsichtlich der Entstehung des Pentateuch betrifft dabei vor allem die vorpriesterlichen Pentateucherzählungen. Ihnen soll deshalb im Folgenden das besondere Augenmerk gelten. Wie sind die Spannungen innerhalb der traditionell dem Jahwisten oder Elohisten zugeschriebenen Erzählungen zu erklären? Resultieren sie aus der Vorgeschichte der beiden Geschichtswerke oder sind sie Zeichen redaktioneller Bearbeitungsvorgänge? Lassen sich von hierher neue Einsichten in die Entstehung des Pentateuch gewinnen? Wieviele Geschichtsdarstellungen hat es im Pentateuch überhaupt gegeben? Welches ist ihr Umfang? Wann sind sie entstanden? Wie ist die Redaktionsgeschichte des Pentateuch vor sich gegangen? In diesen Fragen erstrebt sich die vorliegende Untersuchung Antworten. Um vorschnelle Konstruktionen zu vermeiden, setzt sie methodisch bei der Analyse von Texten ein. Da sich die Anfragen vor allem an die vorpriesterlichen Pentateucherzählungen richten, werden sich die Textanalysen auch in erster Linie an diesen orientieren. Angesichts der Stoffülle kann die vorliegende Untersuchung dabei, will sie nicht ausufern, nur exemplarisch vorgehen. Gewählt werden hierzu die dreifach überlieferte Geschichte von der »Gefährdung der Ahnfrau« sowie der Komplex der vorpriesterlichen Urgeschichte. Für die Frage der Redaktionsgeschichte des Pentateuch k o m m t beiden Textgruppen Modellcharakter zu. Nicht umsonst wurden »Urgeschichte« und »Ahnfraugeschichte« immer wieder als Modellfälle quellenkritischer und redaktionskritischer Arbeit am Pentateuch herangezogen. 6

7

Die Terminologie ist dabei uneinheitlich. R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch auf ihre Quellen untersucht, 1912 unterscheidet zwischen einer älteren Darstellung J 1 und einer jüngeren Darstellung J 2 ; O. Eissfeldt, Hexateuch-Synopse. Die Erzählung der fünf Bücher Mose und des Buches Josua mit dem Anfange des Richterbuches, 1922 = 1962 2 sowie Einleitung in das Alte Testament, 1964 3 , 2 5 8 - 2 6 4 bezeichnet die Quelle J1 als »Laienquelle« (L), während G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus. Eine Analyse von Ex 1 - 1 5 , BZAW 91, 1964 sowie Einleitung in das Alte Testament, 1965 1 0 , 1 2 2 . 1 7 3 - 1 7 9 darin eine »nomadische Quellenschicht« (N) sieht. So etwa F. Stolz, Jahwes und Israels Kriege. Kriegstheorien und Kriegserfahrungen im Glaubendes alten Israel, AThANT 60, 1972; J. Becker, ThPh 48 (1973), 1 1 5 - 1 2 1 (119) sowie jüngst H. H. Schmid, Der sogenannte Jahwist. Beobachtungen und Fragen zur Pentateuchforschung, 1976.

Einführung

3

Die Untersuchung wendet sich zunächst der dreifach überlieferten Geschichte von der »Gefährdung der Ahnfrau« zu, wobei eine Reihe von Texten, die in ihrem Horizont liegen, mit in die Analyse einbezogen werden (Kapitel I). Die hierbei gewonnenen Ergebnisse und Fragestellungen werden in Form einer Zwischenbilanz zusammengefaßt (Kapitel II). Sodann werden die Untersuchungen zur Ahnfraugeschichte durch eine — im ganzen flächiger gehaltene und weniger technisch angelegte — Analyse der vorpriesterlichen Urgeschichte ergänzt (Kapitel III). Den Abschluß bilden einige Folgerungen im Blick auf eine noch ausstehende Redaktionsgeschichte des Pentateuch (Kapitel IV).

KAPITEL I

Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau Es ist nicht verwunderlich, daß die Geschichte von der Gefährdung der Ahnfrau immer wieder das Interesse der Forschung beansprucht hat, liegt hier doch der nicht sehr häufige »Glücksfall« 1 im AT vor, daß eine Geschichte gleich dreimal erzählt ist (Gen 12/20/26). Ihre drei Gestalten wurden miteinander verglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet, eine zugrundeliegende, nicht mehr erhaltene Grundtradition postuliert, das Verhältnis der Geschichten zueinander untersucht, Folgerungen gezogen für den Prozeß des Überliefems von Erzählungen und seiner Gesetzmäßigkeiten auf der mündlichen Stufe, aber auch für das Werden und die Ausbildung der pentateuchischen Geschichtsdarstellungen. Dabei trat die Analyse der Einzelgeschichten stark zurück, was nicht ohne Einfluß auf das Ergebnis selbst bleiben konnte. Bei einer stärkeren Beachtung und sorgfältigen Analyse der Einzelgeschichten hätte nicht nur der Vergleich der Ahnfraugeschichte viel differenzierter ausfallen müssen, sondern wäre auch weit weniger von Vor-Urteilen belastet gewesen. Mit dem bloßen Konstatieren dieses Mangels ist auch zugleich das methodische Vorgehen der folgenden Untersuchung der Ahnfraugeschichten angegeben. Sie hat auszugehen von einer Analyse der Einzeltexte (I—III). Erst hierdurch wird eine hinreichend breite Basis für einen Vergleich gewonnen (IV).

I. GENESIS 1 2 , 1 0 - 2 0

1. Abgrenzung der

Texteinheit

In der Geschichte vom Abzug Abrahams nach Ägypten und seines Aufenthaltes dort liegt offenkundig eine ursprünglich einmal sebständig überlieferte Einzelerzählung v o r 2 . Mit ihrem Textzusammenhang ist sie nur locker verbunden, ja sie nimmt sich im Rahmen des zuvor und nachher Berichteten, das sich zu einer fortlaufenden Darstellung zusammenschließt, wie ein Fremdkörper a u s 3 . Mit dem 1 2

3

K. Koch, Was ist Formgeschichte? Methoden der Bibelexegese, 1974 3 , 136. Vgl. R. Kilian, Die vorpriesterlichen Abrahamsiiberlieferungen literarkritisch und traditionsgeschichtlich untersucht, BBB 24, 1966, 1 2 - 1 4 . J. Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, 1898 3 = 1963 4 , 23; H. Gunkel, Genesis, HK 1/1, 1 9 1 0 3 , 168f.; R. Smend, Die Erzählung des Hexateuch auf ihre Quellen untersucht, 1912, 53; J. Skinner, A critical and exegetical Commentary on Genesis, ICC, 1930 2 = Nachdruck 1969, 243; O. Eissfeldt, Hexateuchsynopse, 1922 = 1962 2 , 10; G. von Rad, Das erste Buch Mose. Genesis, ATD 2/4, 1 9 7 2 9 , 1 2 8 ; J. de Fraine, Genesis, BOT 1/1, 1963, 121; R. Kilian, BBB 24, 1966, 12.

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

5

vorgegebenen Erzählzusammenhang ist sie vor allem d u r c h die Verse 12,9 und 13,1 verknüpft, wo jeweils der K o n t a k t zwischen Bet-El und Ägypten über die Zwischenstation Negeb hergestellt w i r d 4 . Jedoch nicht allein die lose Einbindung in den größeren Erzählzusammenhang erweist 12,10—20 als eine gegenüber dem Voraufgehenden und Nachfolgenden abzugrenzende Texteinheit. Auch der Abschnitt 12,10—20 selbst gibt sich als eine in sich geschlossene Erzähleinheit zu erkennen und hebt sich damit deutlich vom T e x t z u s a m m e n h a n g ab. Gegenüber dem zuvor Erzählten setzt mit 12,10 eine neue Thematik ein, die in 12,20 zu einem befriedigenden, die Spannung auflösenden Erzählschluß gebracht wird. Der T e x t a n f a n g wird in v. 10 durch das als Erzählungseröffnung beliebte wä/'eIü markiert, wobei wäjehi hier nicht in eigentlich verbaler F u n k t i o n , sondern als Kopula steht, die den folgenden Nominalsatz auf eine bestimmte Zeitstufe hin festlegt 5 . Der die Erzählung einleitende Nominalsatz gibt die Situation an, aus der heraus sich das weitere Geschehen entwickelt, wobei die Situationsangabe selbst äußerst k n a p p ist und nur aus zwei Worten (ra'ab ba'araes) besteht. Die der T e x t e r ö f f n u n g dienende Angabe wäjehira'ab baaraes begegnet in gleicher F u n k t i o n neben Gen 12,10 nur noch Gen 26,1 (Beginn der dritten Gestalt der Ahnfraugeschichte) und R u t h 1,1 ( T e x t a n f a n g der Ruthnovelle) (vgl. auch Gen 4 1 , 5 4 ; II Sam 21,1; 11 Kön 6,25). In allen drei Fällen initiiert dieser Erzähleingang den gleichen Geschehensvorgang: Anläßlich einer Hungersnot im Lande Kanaan entweicht ein Israelit dieser lebensbedrohenden Situation mit seiner Familie durch Auswandern in das benachbarte Ausland (Ägypten/Gerar/Moab). Damit geben sich diese drei Stellen als verwandt und eng zusammengehörig zu erkennen. Nachdem mit der einleitenden nominalen Situationsangabe das alles weitere Geschehen auslösende F a k t u m angegeben ist, nennt ihre verbale Weiterführung eine der Hauptpersonen und gibt den Ort des weiteren Geschehens an: Abraham geht hinab nach Ägypten (jrd + misräjmä, vgl. Gen 26,2; 4 3 , 1 5 ; 4 6 , 3 . 4 ; Num 20,15; Dtn 10,22; 26,5; Jos 24,4; Jes 30,2; 31,1; 52,4; außerdem Gen 37,25; 39,1). Im Anschluß an diese konstatierende Notiz ist der Zweck des Unternehmens mit Infinitivkonstruktion angegeben: dort, in Ägypten, als Fremdling zu leben (lagi'ir sam), wobei die hier begegnende K o n s t r u k t i o n : Verb des Gehens + lagür sam sich häufiger, besonders in jüngeren T e x t e n , findet und als Verben des Gehens verschiedene Basen verwendet sein können ( b w ' Gen 19,9; 47,4; Jer 4 2 , 1 5 . 1 7 . 2 2 ; 4 3 , 2 ; 4 4 , 8 . 1 2 . 2 8 ; hlk Ri 17,8.9; R u t h l , l ; / m ' G e n 12,10; Jes 52,4). Gefolgt wird die erzählende Notiz v. 1 2 b a von einem A/-Satz, der die e r ö f f n e n d e Situationsangabe a u f n i m m t . Durcli dieses Stilmittel wird der T e x t a n f a n g inkludierend g e r a h m t 6 und damit gegenüber d e m weiteren Text der Geschichte abgegrenzt und zugleich herausgehoben. J e d o c h wiederholt der Schlußsatz nicht einfach die Eingangsworte, sondern führt steigernd über diese hinaus, indem ausdrücklich gesagt wird, daß die Hungersnot im Lande schwer (kabcd) war (vgl. Gen 4 1 , 3 1 ; 4 2 , 5 ; 4 3 , 1 ; 47,4.13). 4 5

6

Zu diesen beiden Versen vgl. die Untersuchung des Textzusammenhangs. Vgl. K. Oberhuber, Zur Syntax des Richterbuches. Der einfache Nominalsatz und die sog. nominale Apposition, VT 3 ( 1 9 5 3 ) , 2 - 4 3 ( 1 4 - 1 6 ) . Vgl. U. Cassuto, A Commentary o n the Book o f Genesis 11, 1964, 346.

6

Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

In v. 11 zeigt wäfhi + Zeitbestimmung einen Neueinsatz an, wobei die Zeitbestimmung durch einen mit kaüsaer eingeleiteten Satz gebildet i s t 7 , der inhaltlich wie stilistisch (Verb + Infinitiv) auf die erzählende Notiz des ersten Satzes (v. 1 0 b a ) zurückgreift und sie nachahmt. Gegenüber der allgemeinen Situationsangabe am Textanfang (v. 10a), die sich auf die ganze Geschichte erstreckt, bringt die neue Situationsangabe in v. I I a eine Eingrenzung des Blickfeldes. Sie bezieht sich nur auf die Rede Abrahams v. 11 b—13 und gibt an, wann und wo sie gesprochen ist: noch außerhalb Ägyptens, kurz vor dem Grenzübertritt (hiqrib labö' misrajmäf. In der Redeeinleitungsformel v. 11 b a wird eine weitere Person genannt, Sarai, die zwar keine aktiv in das Geschehen eingreifende Gestalt ist, wohl aber eine Handlung tragende Figur, insofern durch sie die einzelnen Szenen miteinander verbunden und zusammengehalten werden. Wichtig ist sie nur als Frau Abrahams. Auf diese Rolle wird sie denn auch sogleich bei ihrer Einführung durch die dem Namen beigefügte Apposition 'isto angesprochen. Die Rede Abrahams v. 11 b—13 ist vom Erzähler dreiteilig angelegt. Ihr erster Teil u m f a ß t v. 11 bß, eine Feststellung, die eingeleitet wird durch den um die Partikel na' verstärkten Präsentativ hinne. Die Floskel hinne na' begegnet noch häufiger (Gen 16,2; 18,27.31; 19,2.8.19.20; 27,2; Ri 13,3; 19,9; I Sam 9,6; 16,15; II Sam 13,24; 14,21; I Kön 22,13; II Kön 2,16.19; 4,9; 5,15; 6,1; Hi 13,18; 33,2; 40,15 f.) und ist nominal wie verbal (mit Suffixkonjugation) weitergeführt. Mit Ausnahme allein von Gen 19,2 leitet hinne na' immer die Feststellung eines Tatbestandes ein, wobei in der Mehrzahl der Fälle ein Wunsch oder eine Aufforderung (manchmal um ein weiteres Glied erweitert, das die Erwartung eines sicher oder möglicherweise eintretenden Geschehens zum Ausdruck bringt) folgt, der/ die durch die voraufgehende Feststellung begründet wird 9 . Hier betrifft die Feststellung ein Wissen Abrahams (hinne na' jadati, vgl. II Kön 4,9; 5 , 1 5 ) ' 0 u m die Schönheit Sarais. Dieses ist mitgeteilt in einem von jd' abhängigen ki-Satz, in dem das prädikative 'issä jepät mär'äe an die Tonstelle gerückt ist, u m diese Aussage nachdrücklich hervorzuheben. Die Schönheit Sarais ist mit der Floskel jepät mär'äe umschrieben, die noch mehrfach, vor allem in Texten, die am Hof spielen, vorkommt (Gen 29,17; 39,6; 41,2.4.18; I Sam 17,42; II Sam 14,27; vgl. auch die Floskel tobät mär'ce Gen 24,16; 26,7; II Sam 11,2; Est 1,11; 2,2.3.7; Dan 1,4). Auf das von der Basis r'h abgeleitete Wort mär'äe nimmt die Geschichte in ihrem weiteren Verlauf noch mehrfach Bezug (v. 12 a. 14 b. 15 a ) u .

7

8 9 10

11

Die Konstruktion wäfhi + kä'asaer + qatal begegnet im Pentateuch neben Gen 12,11 noch Gen 20,13; 24,22.52; 27,30; 29,10; 30,25; 37,23; 41,13; 43,2; Ex 32,19; Dtn 2,16. Zur Konstruktion vgl. Jes 26,17. Vgl. B. Jacob, Das erste Buch der Tora. Genesis, 1934, 347f. Gegen die zuweilen ausgesprochene Vermutung, daß jadati hier eine archaische Form der 2. pers. sg. f. sei (vgl. A. B. Ehrlich, Randglossen zur hebräischen Bibel. Textkritisches, Sprachliches und Sachliches. I. Genesis und Exodus, 1908 = Nachdruck 1968, 49; E. A. Speiser, Genesis, AB I, 1964, 90; U. Cassuto II, 348), spricht nicht nur ein Vergleich von Gen 12,llb(3 mit den übrigen Stellen, wo eine Feststellung mit hinne na' eingeleitet ist, sondern auch vor allem der unmittelbare Textzusammenhang, wo die einleitende Feststellung ja gerade den zum Schluß ausgesprochenen Wunsch Abrahams begründen will. Vgl. B. Jacob 348 und U. Cassuto II, 348.

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

7

Der zweite Teil der Rede Abrahams, der v. 12 u m f a ß t u n d mit wehajä eingeleitet ist, spricht schon vorgreifend aus, was Abraham und seiner Frau in Ägypten geschehen wird, wobei die sichere Gewißheit des erwarteten Geschehens gerade durch das am Anfang der Periode gesetzte Signal wort wehajä markiert ist' Der zweigliedrigen Protasis, die durch k'i eingeführt wird, steht die ebenfalls aus zwei Gliedern bestehende Apodosis gegenüber, die mit weharegü e i n s e t z t 1 1 . Im Vordersatz sind »sehen« (r'h) und »sprechen« ('mr) die tragenden Verben, die beide d e m Bereich der Wahrnehmung, wenn auch u n t e r verschiedenem Blickwinkel, zuzuordnen sind. Wie der Erzähler in der voraufgehenden Feststellung v. 11 bß darauf a b h e b t , daß Sarai »eine Frau schön von Ansehen« ist, richtet er auch im Vordersatz der Periode v. 12 den Blick ganz auf die Frau Abrahams. Im ersten Glied wird durch die Wortstellung Prädikat-Objekt-Subjekt das Objekt 'otak hervorgehoben 1 4 ; indem hier das Prädikat jir'ü das Wort mär'äe aus v. 11 bß aufgreift, wird damit auch für die k n a p p e u n d prägnante Aussage von v. 1 2 a a der dort angezielte Gedanke der Schönheit der Frau sinngemäß eingetragen 1 5 . Bezieht sich das Wahrnehmen der Ägypter im ersten Glied auf das Sehen der Schönheit der Frau, so im zweiten Glied, d e m angeführten Ausspruch der Ägypter, darauf, d a ß die Frau, deren Schönheit man wahrgenommen hat, niemand anderes ist als die Frau Abrahams, wobei sich gerade in der Wortstellung 'istö zo't das Überraschungsmoment a u s s p r i c h t 1 6 . Die sicher erwartete Folge wird mit zwei in der Aussage gegensätzlichen, chiastisch gefügten Kurzsätzen (w-qatal-x [mich] //x [dich]-yiqtol) a n g e g e b e n 1 7 : als Umbringen (hrg) für Abraham, für seine Frau als am Leben lassen Qi/h). Als sachlicher Hintergrund für diesen Satz bietet sich die Geschichte von der Ermordung des Hethiters Urija wegen seiner Frau Batseba durch David an (II Sam 11.12). Als Abschluß der Rede Abrahams folgt der nach der einleitenden Feststellung v. 11 b/3 erwartete Wunsch Abrahams an seine Frau (v. 13), der durch die eingeschobene Periode v. 12 noch besonders hervorgehoben ist. Daß der Wunsch v. 13 unmittelbar an v. 11 bß anschließt und v. 12 den unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen beiden Versen unterbricht und als Zwischensatz zu verstehen ist, wird durch die Partikel na' unterstrichen, die Feststellung u n d Wunsch stilistisch mit-r,inander verbindet (vgl. auch Gen 16,2; 19,2.8.20; 2 7 , 2 f . ; Ri 13,3f.; 19,9; I Sam 16,15f.; II Sam 13,24; I Kön 22,13; II Kon 2,16; 4 , 9 f . ; 5,15; 6,1 f.). Das von Sarai zu Sagende ist asyndetisch an 'imri na' in F o r m eines Nominal-

I2 II

14 15 16 17

Vgl. B. Jacob 348. Beachtet man die stilistische Fügung der Periode, in der Protasis und Apodosis jeweils zweigliedrig gebaut sind, sich ihrerseits aber deutlich voneinander abheben, sowie die im Folgenden mitgeteilten Beobachtungen, dann besteht die weithin übliche Auffassung des Satzes, wonach der Nachsatz schon mit we'amerU einsetzt (vgl. etwa H. L. Strack, Die Genesis, KKANT I, 1 9 0 5 2 , 51; H. Holzinger, Das erste Buch Mose oder die Genesis, HSAT I, 1 9 2 2 4 = Nachdruck 1971, 29; K. Koch, F'ormgeschichte, 137; E. A. Speiser 89), kaum zu Recht (vgl. schon A. B. Ehrlich 49; B. Jacob 348). Vgl. L. Köhler, Syntactica IV, VT 3 ( 1 9 5 3 ) , 2 9 9 - 3 0 5 (301). U. Cassuto II, 348. B. Jacob 348. H. Gunkel 170; R. Kilian, BBB 24, 1966, 6.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

satzes angeschlossen und als indirekte Rede zu verstehen, wobei sich die auffällige Formulierung '"hoti 'att, die eine genaue Parallele nur in Prov 7,4 hat, von Abraham und nicht von Sarai her gestaltet ist und somit im Zusammenhang steht mit der passiven Rolle, die Sarai in der Geschichte 12,10—20 zugewiesen ist. Motiviert wird der Wunsch Abrahams in v. 13b durch einen zweigliedrigen, mit f m a ä n eingeführten Finalsatz, dessen beide, parallel gefügten Glieder durch die bedeutungsverwandten Stichwörter baabürek und biglalek abgeschlossen werden, von denen nur das erste Stichwort baabür breiter verwendet ist, während bigläl nicht sehr häufig belegt ist (Gen 12,3; 30,27; 39,5; Dtn 1,37; 15,10; 18,12; I Kön 14,16; Jer 11,17; 15,4; Mi 3,12) und hierbei vor allem in deuteronomisch beeinflußten Texten begegnet. Thematisch nimmt der Finalsatz, und zwar in seinen beiden Gliedern, das Grundproblem des Folgesatzes der Periode v. 12 wieder auf, auf den in v. I3bß mit dem Stichwort hjh auch ausdrücklich Bezug genommen wird. Von der Hoffnung, am Leben zu bleiben und nicht zu sterben, ist schon die Aussage von v. 13 b a bestimmt. Die hier gebrauchte Wendung jtb f bezieht sich nämlich nicht, wie häufig angenommen, auf die Erwartung großen Besitzes und steht damit nicht im Zusammenhang mit v. 1 6 b 1 8 , sondern meint, wie gerade das Vorkommen der Wendung an den anderen Belegstellen zeigt (Gen 40,14; Dtn 4,40; 5,16.29; 6,3.18; 12,25.28; 22,7; II Kön 25,24; Jer 7,23; 38,20; 40,9; 42,6; Ruth 3,1; mit Ausnahme von Gen 40,14; Dtn 4,40; 6,3; II Kön 25,24; Jer 38,20; 40,9; Ruth 3,1 immer mit l e mä'än eingeleitet), das gesicherte und ungestörte Leben. Die zweite Hälfte des Finalsatzes in v. 13bj3 wiederholt nur mit anderen Worten den in v. 1 3 b a ausgesprochenen Gedanken 1 9 und verdeutlicht ihn mit Hilfe einer Wendung, in der hjh und ncepaes konsoziiert sind (Gen 19,20; I Kön 20,32; Jes 55,3; Jer 38,17.20; Ez 13,19; 47,9; Ps 119,175; vgl. auch die mit D/H-Stamm gebildeten Redewendungen in Gen 19,19; I Kön 20,31; Ez 13, 18.19; 18,27; Ps 22,30) und die mit Ausnahme von Jes 55,3 (vgl. auch die mit rüah gebildeten Wendungen Gen 45,27; Jes 57,15) immer die Bedeutung »am Leben bleiben« hat. Eine genaue Parallele zur Verkopplung beider Wendungen in v. 13b findet sich nur in Jer 38,20. In v. 14a wird durch wäjehi + Zeitbestimmung ( k e + Infinitiv) ein weiterer Neueinsatz markiert. Die vorliegende Situationsangabe nimmt dabei deutlich auf die voraufgehende Szeneneinleitung in v. I I a Bezug, schränkt damit aber zugleich den Blickwinkel weiter ein. Das im Folgenden erzählte Geschehen spielt sich ab, als Abraham nach Ägypten kam. Nach der Exposition wird hier erstmals wieder der Name der in v. 1 0 b a genannten Hauptperson Abraham eingeführt. Mit der erzählenden Notiz v. 14b wird das Eintreten des in v. 12 als sicher erwarteten Geschehens berichtet. In dem Halbvers sind die Aussagen von v. 11 bj3 und v. 12a kontaminiert, wobei in dem von wäjjir'ü abhängigen kl-Satz wohl wegen des Verbs des Hauptsatzes das Nomen mär'x entfallen ist, dafür aber gegenüber der Rede Abrahams steigernd me'od eingetreten ist, das in verwandtem Zusam18

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Vgl. schon B. Jacob 3 4 9 f . und U. Cassuto II, 3 4 9 f . Damit erledigt sich auch die von R. Kilian, BBB 24, 1966, 6 f . gezogene Folgerung, wonach v. 1 3 b ein sekundärer Zusatz ist, der in Zusammenhang mit v. 16 b steht. Vgl. U. Cassuto II, 3 5 1 , der zu Recht daraufhinweist, daß der Finalsatz »after the manner of poetic parallelism« gestaltet ist.

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menhang noch Gen 24,16 und II Sam 11,2 begegnet. Die hier gebrauchte Konstruktion r'h + ki findet sich in vergleichbarem Kontext (Sehen der Schönheit eines Menschen) nur noch Gen 6,2 und Ex 2,2 (beide Stellen Je; vgl. auch Dtn 21,11 ohne ki). Vom Ziel der Geschichte 12,10—20 her (s. u.) wird die im Blick auf v. 12.13 aussparende Erzählweise nach v. 14 verständlich. In v. 15 wird in drei kurzen Sätzen die Aufnahme der Frau Abrahams ins Haus des Pharao berichtet, wobei der erste Satz mit dem vorangehenden Vers durch die Wiederaufnahme des Verbs wäjjir'ü verbunden ist. Stilistisch ist jeder der drei Sätze mit der Nennung des Pharao abgeschlossen 2 0 , wobei im ersten und im letzten Satz (v. 1 5 a a / 1 5 b ) das Wort »Pharao« jeweils als nomen rectum erscheint. Die dreifache Nennung des Pharao führt diesen betont als zweite Hauptfigur der Geschichte und als Gegenspieler Abrahams ein. Mit Inversion schließt v. 16a an v. 15 an, wodurch Abraham an die Tonstelle rückt. Durch dieses Stilmittel soll der Abschluß der Szene markiert w e r d e n 2 ' ; die ausdrückliche Nennung Abrahams verbindet dabei Anfang und Ende der Szene. V. 16 a greift auf v. 1 3 b « zurück; ebensowenig wie jtb le hat die mit dem H-Stamm gebildete Wendung hetib le das Erhalten großen Besitzes im Blick, wie gerade ein Blick auf den sonstigen Gebrauch der Wendung zeigen kann (vgl. Ex 1,20; Num 10,29.32; Jos 24,20; Ri 17,13; I Sam 25,31; Ps 49,19; 125,4), die vor allem in jüngeren Texten begegnet und meist Jahwe zum Subjekt hat. Während v. 16 a als ursprünglicher Bestandteil der Erzählung verstanden werden muß, wird v. 16b ein späterer Zusatz sein 2 2 . Der Halbvers ist durch wäjehi nur locker an das Vorangehende angeschlossen; die volle Floskel wäjehi 16 dient nur dazu, die Aufzählung des Herdenreichtums Abrahams einzuführen (vgl. Gen 26,14; 30,43; 32,6). Jedoch kommt diese Aufzählung des Viehbesitzes Abrahams innerhalb der Erzählung 12,10—20 nicht zum Tragen und hat in ihr keinerlei Funktion, sondern weist über sich hinaus und steht in Zusammenhang mit Gen 13 (13,2), wo das Moment des reichen Viehbesitzes von Bedeutung ist. Außerdem ist nach dem inversionsbetonten Abschluß der Szene mit v. 16a der »Nachtrag« v. 16b auffällig. Er zerreißt nicht nur den Zusammenhang zwischen v. 16a und v. 17a und zerstört den durch das harte Nebeneinander beider Aussagen beabsichtigten Kontrasteffekt, sondern hebt sich auch stilistisch durch seine Breite von dem knappen Erzählstil der übrigen Geschichte ab. All dies spricht dafür, daß in v. 16b ein redaktioneller Einschub vorliegt, mit dem die Erzählung 12,10—20 in einen größeren Erzählzusammenhang eingespannt werden soll. Der beste Ort, innerhalb der vorgegebenen Erzählung ein Verklammerungselement dieser Art anzubringen, war nach v. 16 a gegeben. Durch diesen Zusatz erhielt dann aber auch die Wendung jatäb/hetib le (v. 13b«/16a), bei der im ursprünglichen Erzählzusammenhang der Aspekt des ungestörten Lebens und am Leben Bleibens (im Gegensatz zum Sterben/Totsein) im Vordergrund steht, eine 20 21

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Vgl. schon U. Cassuto II, 354. Aufgrund der Inversionsbetonung v. 16a für einen sekundären Zusatz zu halten, der überdies noch im Zusammenhang mit v. 1 6 b stehen soll (so R. Kilian, BBB 24, 1966, 7), ist nicht möglich; der Halbvers gehört dem ursprünglichen Bestand der Erzählung zu. Vgl. auch R. Kilian, BBB 24, 1966, 7 f . , der aber den ganzen v. 16 für einen späteren Zusatz hält.

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neue Bedeutung unterlegt; sie bezieht sich jetzt auf die Erlangung von reichem Besitz an Herden. Bedenken hat in v. 16b die auffällige Stellung von »Knechte und Mägde« (wä' a badtm ü"sepahot) zwischen »Eseln« (wahamorim) und »Eselinnen« (wä'atonot) hervorgerufen, wes"13 halb man das Wortpaar »Knechte und Mägde« entweder als sekundären Zusatz verstand oder wie Sam (»Knechte und Mägde, Esel und Eselinnen«) versetzte 2 4 , während andere wiederum die beiden Schlußworte »Eselinnen und Kamele« als jüngeren Zusatz betrachteten 2 5 . Jedoch sticht die hierbei vorgetragene Argumentation nicht ganz. Im Gegensatz zu den Wortpaaren »Knechte und Mägde« 2 6 sowie »Kleinvieh und Rinder« (so'n übaqar)27 sind »Esel« und »Eselinnen« nicht sehr häufig miteinander verbunden 2 8 . Aber auch sonst, wenn das Wort »Eselinnen« in längeren Aufzählungen begegnet, kommt es mit Ausnahme von Gen 12,16 nie im Zusammenhang mit »Eseln« vor, wohl aber mit »Kamelen« 2 9 . Somit kann für die Annahme, daß »Knechte und Mägde« ein späterer Einschub sei, der den unmittelbaren Zusammenhang zwischen »Esel« und »Eselinnen« zerreißt, keinesfalls auf festen Sprachgebrauch für diese Verbindung rekurriert werden. Im einzelnen sind derartige listenartige Aufzählungen des (Vieh) Besitzes stark variabel. Dennoch läßt sich als deren Grundstock eine mehr oder minder feste dreigliedrige Reihe »Kleinvieh-Rinder-Esel« feststellen, in der hamör zwar häufiger das Schlußglied bildet 3 0 , die aber sonst keine bestimmte Abfolge der Einzelglieder erkennen l ä ß t 3 1 . Diese Dreierreihe kann um weitere Glieder erweitert sein. Mehrfach begegnet in diesem Zusammenhang auch das Wortpaar »Knechte und Mägde«, das der Aufzählung des Viehbesitzes voraufgehen 3 2 wie nachfolgen k a n n 3 3 . Dabei ist nach dem Wortpaar »Knechte und Mägde« dreimal (Gen 12,16; 24,35; 30,43) die Aufzählung des Viehbesitzes wieder aufgenommen; genannt sind bezeichnenderweise jeweils nur Kamele und Esel/ Eselinnen. Beachtet man die hier gemachten Beobachtungen als auch den nachklappenden Charakter von wä'atonot ügemällim in v. 16b, dann wird man die beiden letzten Worte des Satzes nur als einen späteren Nachtrag betrachten können. Die Verwandtschaft von Gen 12,16 mit 24,35 und 30,43 (vgl. auch die Aufzählungen Gen 32,8.15f.; Ex 9,3) läßt vermuten, daß in diesen beiden Worten keine punktuelle Bearbeitung vorliegt, sondern daß die Hinzufügung von wä'atonot ügemS!lim im Zusammenhang steht mit einer weiterreichenden 23 24

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28 29 30 31 32 33

Vgl. H. Gunkel 170. Vgl. E. König, Die Genesis, 1919, 453. - Nach O. Procksch, Die Genesis, KAT 1, 1924 2 3 , 101 wäre die Stellung des Wortpaares »Knechte und Mägde« vor dem Wortpaar »Kleinvieh und Rinder« (so'n ibaqar) noch besser. Vgl. A. Dillmann, Die Genesis, KeH 11, 1892 6 , 228; J. Skinner 2 4 9 f . ; 0 . Eissfeldt, HS 20*.257*; R. Kilian, BBB 24, 1966, 8. Außerhalb größerer Reihen findet sich das Wortpaar »Knechte und Mägde« Jes 14,2; Jer 34,9.10.11 (2mal). 16ab; Joel 3,2; Ps 123,2; Est 7,4, II Chr 28,10. Außerhalb größerer Reihen findet sich das Wortpaar »Kleinvieh und Rinder« Gen 13,5; 21,27; 26,14; 33,13; 45,10; 46,32; 47,1; 50,8; Ex 10,9.24; 12,38; 20,24; 34,3; Num 11,22; I Sam 14,32; 15,21; 30,20; II Sam 12,2.4; I Kön 1,9; 8,5; Jes 65,10; Jer 3,24; 5,17; 31,12; Hos 5,6; Hab 3,17; II Chr 5,6; 18,2; 32,29; mit umgekehrter Wortfolge Lev 1,2; 27,32; Num 15,3; 22,40; Dtn 8,13; 12,6.17.21; 14,23.26; 15,19; I Kön 8,63; Jes 22,13; Ez 43,23.25; Joel 1,18; Jon 3,7; II Chr 7,5; 15,11; 29,33; 31,6. Gen 45,23 sowie Gen 49,11 und Sach 9,9. Vgl. Gen 32,15.16; Hi 1,3.14; 42,12; I Chr 2 7 , 2 9 - 3 1 . Gen 12,16; 34,28; 47,17; Num 31,32/34.37/39.43/46. Vgl. Gen 32,6; Ex 22,9; Num 31,28.30; Jos 6,21; 7,24; Ri 6,4; I Sam 15,3; 22,19; 27,9. Vgl. Ex 20,17; Dtn 5,14.21; I Sam 8,16; Koh 2,7. Gen 12,16; 32,6; vgl. Gen 20,14; 24,35; 30,40; II Kön 5,26.

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(wohl ziemlich jungen) Redaktion, ohne daß diese Frage hier jedoch schon entschieden werden könnte.

Nachdem der Abschluß der vorangehenden Szene in v. 16 a durch Inversion markiert ist, bleibt der Beginn der neuen Szene in v. 17, die mit einfachem Narrativ einsetzt, ohne besonderes syntaktisches Kennzeichen. Die Notiz v. 17 führt unvermittelt Jahwe in die Erzählung ein. Jedoch bleibt diese Nachricht isoliert; auf sie wird im weiteren Verlauf der Erzählung nicht mehr zurückgegriffen, in der auch Jahwe nicht mehr erwähnt wird und nicht mehr handelnd auftritt. Dennoch hat v. 17 im Ablauf der Geschichte eine genau bestimmbare Funktion und kann somit nicht aus dem Erzählzusammenhang ausgeschieden werden. Die Mitteilung von Jahwes Eingreifen stellt den Auslösefaktor dar für die folgende Rede des Pharao v. 18.19 und damit für die Lösung der ganzen Geschichte. Das läßt vermuten, daß v. 17 im Sinne der Erzählung als eine zu v. I I a und v. 14a parallele Szeneneinleitung zu verstehen ist, durch die eine weitere Einengung des Erzählhorizontes angezeigt wird. In dem Abweichen von den beiden anderen Szeneneinleitungen deutet sich ihr Gewicht im Erzählablauf an, das zudem noch durch die paronomastische Konstruktion wäje nägga . . . nega'im und durch die Verstärkung des Objektes durch gedolim unterstrichen wird. Die Aussage, daß Jahwe den Pharao schlug, hat ihre nächste Parallele in II Kön 15,5 (II Chr 26,20), wo der König Asarja (Usija) von Jahwe »geschlagen« wird. Das Nomen naßga begegnet in gleicher Bedeutung im Pentateuch nur noch Ex 11,1 (Je; ebenfalls jehowistisch sind die Stellen Gen 32,26.33; Ex 4,25; 19,12 (2mal).13, wo sich der G-Stamm von ng' findet). Auffällig ist das Nachhinken von we'aet betö, das als spätere Hinzufügung angesehen werden muß, die im Zusammenhang steht mit Gen 20,17 (vgl. BHS). Aber auch v. 17b kann nur als sekundärer Zusatz verstanden werden, der zugleich mit we'cet betö zugefügt wurde. Hätte nämlich v. 17b zum ursprünglichen Textbestand gehört, dann wäre nur schwer verständlich, warum ein Bearbeiter we'aet betö nach nega'im gedolim eingefügt hat, und nicht besser nach ' aet pür'ö, was sich aber dann unschwer erklärt, wenn we'aet beto zusammen mit v. 17b dem vorgegebenen Text in v. 17a* angefügt wurde. Außerdem paßt der den Grund der Plage angebende Hinweis auf Sarai in v. 17b nicht in den Zusammenhang der ursprünglichen Erzählung, in der Sarai keine tragende Rolle spielt und nicht im Mittelpunkt steht und auch deshalb nur beim ersten Mal mit Namen (v. 11) genannt wird, sonst aber immer nur als »Frau« bezeichnet wird. Zudem begegnet v. 17b wörtlich ebenfalls in Gen 20,18b und verweist demnach auf den gleichen Textzusammenhang wie we'ast betö, was nochmals unterstreicht, daß v. 17 b zusammen mit we'azt betö dem ursprünglichen Text von v. 17 a* angefügt wurde. Durch diese Erweiterung von v. 17 a* verliert der Satz auch seinen Charakter als Szeneneinleitung und wird zu einer eigengewichtigen, selbständigen Aussage. Auf v. 17a* folgt unmittelbar die Rede des Pharao v. 18.19, eingeleitet durch qr' le + 'mr in v. 18aa. Wie der Pharao seine in ihr ausgesprochenen Kenntnisse erlangt hat, ist, da für den Gesamtablauf der Erzählung ohne Bedeutung, ausgespart. Erzählerisch begegnet hier somit die gleiche Technik, die schon beim Übergang von v. 14 zu v. 15 zu beobachten war. Wird dies beachtet, dann kann aus dem Fehlen dieser Angaben auch nicht auf eine Lücke im Text geschlossen

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

w e r d e n 3 4 . Die Rede des Pharao selbst gliedert sich — wie die Rede Abrahams in v. 11 b— 13 — in drei Teile. Ihr erster Teil u m f a ß t die beiden mit mäh/lammä eingeleiteten Sätze v. 18a/3 + v. 18b, deren Zusammengehörigkeit dadurch herausgestellt und unterstrichen wird, daß sie jeweils mit Ii enden. Eröffnet wird die Rede des Pharao mit der formelhaften Wendung mäh-zzo't 'asita Iii, die im Pentateuch noch Gen 26,10; 29,15; 42,28 und Ex 14,11 (an allen Stellen wohl Je) vorkommt 35 und nicht eigentlich als Frage, sondern als ein Vorwurf zu verstehen i s t 3 6 . Der mit v. 18aß angeschlagene Ton wird in v. 18b weitergeführt, wo das einleitende lammä eine vorwurfsvolle Frage intoniert 3 7 . Der zum Vorwurf gemachte Tatbestand liegt darin, daß Abraham dem Pharao nicht mitgeteilt hat, daß Sarai seine Frau ist, wobei der Inhalt des von Abraham Mitzuteilenden, den Abschluß des ersten Teils der Rede noch unterstreichend, in einem subordinierten nominalen A i-Satz wiedergegeben ist (ki 'isteka hiw'). Mit dem ersten Teil der Pharaorede ist ihr zweiter Teil, der v. 19 a umfaßt, durch die Aufnahme des Stichwortes lamä verbunden. Die vorwurfsvolle Frage v. 1 9 a a wendet dabei den in v. 18b negativ ausgedrückten Gedanken ins Positive. Der Inhalt des von Abraham Gesagten ist mit 'alioti hiw'** angegeben, womit auf v. 13 a zurückgegriffen wird. Durch diesen Rückgriff werden die beiden Reden Abrahams und des Pharao miteinander verklammert 3 9 . Mit der erneuten, wenn auch mit anderem Vorzeichen versehenen Frage in v. 1 9 a a soll jedoch nicht etwa der in ihr vorgetragene Vorwurf selbst intensiviert werden, sondern der nachfolgende, mit wäw angeschlossene Folgesatz v. 19aj3 eingeführt werden, der auf den zurückliegenden Eheschluß des Pharao mit Sarai (Iqh + l e + l e ) rekurriert. Frage- wie Folgesatz v . l 9 a tragen nachholend bislang ausgespartes Geschehen nach, das aber für ein Verständnis der Geschichte von Bedeutung ist. Daß diese Angaben erst jetzt und an dieser Stelle gemacht werden, ist allem Anschein nach stilistisch bedacht und wohlüberlegt geschehen, nicht etwa nur um der Korrespondenz zur Rede Abrahams in v. 11 b—13 willen, sondern vor allem zur betonten Hervorhebung der abschließenden Aussage der Rede des Pharao. Der Schlußteil der Pharaorede in v. 19b ist vom Mittelstück durch die besonders in jungen Texten belegte Floskel we'ättä

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So H. Holzinger, HSAT I, 1922 4 , 29; H. Gunkel 172; J. Skinner 250; dagegen schon richtig R. Kilian, BBB 24, 1966, 9. Außerhalb des Pentateuch begegnet die Formel nur noch Ri 15,11; vgl. auch Gen 20,9 und Num 23,11; ohne Angabe eines Objektes nach l e findet sie sich noch Gen 3,13; Ex 14,5; Ri 2,2; Jon 1,10. Zur Bedeutung der Formel vgl. I. Lande, Formelhafte Wendungen der Umgangssprache im Alten Testament, 1949, 9 9 - 1 0 1 und H. J. Boecker, Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament, WMANT 14, 1970 2 , 2 6 - 3 1 , jeweils mit Anführung weiterer verwandter Wendungen. Zu lammä vgl. A. Jepsen, Warum? Eine lexikalische und theologische Studie, in: Das ferne und das nahe Wort. FS L. Rost = BZAW 105, 1967, 1 0 6 - 1 1 3 . Die Floskel '"hotihiw' begegnet als Inhalt einer Rede Abrahams auch Gen 20,2.5 (vgl. 20,12) und Gen 26,7.9. Auch von hier wird nochmals unterstrichen, daß Sarai in der Geschichte Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 nur eine passive Rolle spielt und daß die Erzählung ganz von Abraham und vom Pharao her aufgebaut ist.

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

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hinne40 abgesetzt. D u r c h sie wird ein einpoliger Nominalsatz ( ' i s f k a ) eingeführt, w o m i t Sarai d e m A b r a h a m d u r c h d e n P h a r a o präsentiert u n d zurückgegeben wird. F o r m a l k n ü p f t dabei diese Aussage u n m i t t e l b a r an den ersten Teil der Rede (v. 18 a ß b ) an, der eine in die F o r m einer vorwurfsvollen Frage gekleidete Feststellung darstellt, u n d greift d a m i t über d e n als Zwischensatz zu verstehenden v. 19a zurück. Die Rede e n d e t in v. 19bj3 m i t d e m A u f t r a g an A b r a h a m qäh walek, der seine nächste Parallele in d e m A u f t r a g Labans an den K n e c h t Abrah a m s , R e b e k k a zu n e h m e n u n d zu gehen, in Gen 24,51 h a t (vgl. auch Gen 4 2 , 3 3 ; Ex 12,32; J o s 9 , 1 1 ; II Kön 4 , 2 9 ; 8,8; 9 , 1 ; Jer 3 6 , 1 4 ) u n d w o m i t »eine fürsorgliche Beauftragung u n d Verabschiedung, die u n t e r U m s t ä n d e n mit Bedauern vorg e n o m m e n w i r d « 4 1 , gemeint ist. Nach der Rede des Pharao v. 18.19 k o m m t die Geschichte mit einer kurzen, zweigliedrigen Notiz in v. 2 0 rasch zu Ende. Wie in der Exposition v. 10 A b r a h a m als H a u p t h a n d e l n d e r a u f t r i t t , so am Schluß der Erzählung der Pharao, der für A b r a h a m eine »Eskorte« e n t b i e t e t , die ihn und seine Frau - f r e u n d l i c h , nicht feindlich (vgl. Gen 18,16; 3 1 , 2 7 ) 4 2 — geleiten sollen. Zu dieser Angabe will nun aber allein 'otö we'cet-'istö als O b j e k t passen, nicht j e d o c h wewt-käl-'asair-lö in v. 2 0 b ß 4 ' \ was überdies im Z u s a m m e n h a n g steht mit d e m als redaktionell erk a n n t e n v. 1 6 b und deshalb wohl ebenfalls sekundär sein wird. Die Angabe des Besitzes in v. 2 0 b ß scheint a u f g r u n d der gleichen Angabe in 13,1 geschehen zu .

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sein

. Mit v. 2 0 k o m m t die Geschichte an ihren Scliluß; die S p a n n u n g ist aufgelöst. Dagegen gehört 13,1 - entgegen einer weithin verbreiteten A n n a h m e 4 5 nicht m e h r zur ursprünglichen Erzählung. Zwar entspricht das in 13,1 gebrauchte Verb 7/i d e m jril in 12,10. J e d o c h reicht das nicht hin, u m 13,1 für den ursprünglichen A b s c h l u ß der Geschichte zu halten, da diese E n t s p r e c h u n g ja auch sekundäre K o n s t r u k t i o n sein k ö n n t e . Gegen eine Zugehörigkeit zur ursprünglichen Erzählung und für eine A b g r e n z u n g des Verses von ihr spricht allein schon der Sub40

Gen 12,19; Ex 3,9; N u m 2 4 , 1 4 ; D t n 2 6 , 1 0 ; Jos 9 , 1 2 . 2 5 ; 14,10.12; 22,4; I S a m 12,2.13; 2 4 , 2 1 ; I K ö n 1,18; 2 2 , 2 3 ; Jer 4 0 , 4 ; II Chr 18,22; 2 0 , 1 0 ; vgl. auch II Kön 18,21 und Hi

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B. J a c o b 353. Auf diese beiden Stellen, w o slh in gleicher Bedeutung wie in Gen 12,20 begegnet, weisen e t w a hin A. Knobcl, Die Genesis, KeH 11, 1 8 6 0 2 , 138; C. I r. Keil, Biblischer C o m m e n tar über die Bücher Mose's. I. Genesis und E x o d u s , BC 1/1, 1878, 168; J. S k i n n e r 2 5 0 f . Damit ist das w e i t h i n verbreitete negative Verständnis dieser A k t i o n (vgl. e t w a A. B. Ehrlich I, 4 9 ) ebensowenig möglich wie die A n n a h m e eines direkten Z u s a m m e n h a n g s zwischen der V e r w e n d u n g des Wortes slh in Gen 12,20 und in der E x o d u s g e s c h i c h t e (so e t w a U. Cassuto II, 3 3 5 f . 3 6 1 ) , da das Wort hier wie d o r t in anderer B e d e u t u n g verwendet ist.

16,19, wo attä hinne begegnet.

4

' ' Vgl. auch B. J a c o b 3 5 4 .

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o

In Sam und L X X ist die T e n d e n z , G e n 12,20 und 13,1 einander anzugleichen, weitergeführt, indem in G e n 12,20 aus 13,1 auch noch das bei MT nur hier v o r k o m m e n d e welöt

immö eingefügt ist. 45

Vgl. e t w a H. G u n k e l 172; J. S k i n n e r 2 5 1 ; H. Holzinger, HSAT I, 1 9 2 2 4 , 29; P. Heinisch, Das Buch Genesis, H S c h A T I, 1930, 2 1 1 ; G . von Rad 127; C. A. S i m p s o n , T h e b o o k of Genesis, IB I, 1952, 5 7 9 . 5 8 3 .

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D i e G e s c h i c h t e n v o n der G e f ä h r d u n g der A h n f r a u

jektwechsel von Pharao zu Abraham, da mit Beginn der dritten Szene der Pharao als der Haupthandelnde in den Vordergrund getreten ist. Aber auch die Gesamtaussage von 13,1 enthält einige Daten, die von der voraufgehenden Geschichte selbst nicht gedeckt und nicht vorbereitet sind und über sie hinaus reichen, so daß der Vers sinnvollerweise nicht der Abschluß der Geschichte 12,10—20* gewesen sein kann. Als solcher wären allenfalls — trotz des dagegen sprechenden Subjektwechsels — die Anfangsworte des Verses wäjjaäl 'äbram mimmisräjim anzusprechen. Jedoch ist die Angabe des Ausgangspunktes mimmisräjim nicht von der am Schluß des Verses stehenden Zielangabe hännaegbä abzutrennen. Das Auseinanderziehen beider Angaben ist stilistisch bedingt und dient der Rahmung der mit Abraham Heraufziehenden. Die Zielangabe steht dabei deutlich in Zusammenhang mit der gleichlautenden Angabe in 12,9, weist also hinter die mit 12,10 einsetzende Geschichte zurück. Die Notiz 13,1, die in Verbindung steht mit den redaktionellen Angaben 12,16b und 12,20b/3, dient offensichtlich dazu, die Erzählung nach der Ägyptenexkursion auf den in 12,9 genannten Negeb zurückzuführen und zugleich durch die Angabe welöt 'immo die folgende Geschichte vorzubereiten. 13,1 kann somit nur als eine gegenüber der ursprünglichen Geschichte in 12,10—20* sekundäre Angabe verstanden werden, jedoch keinesfalls als deren ursprünglicher Abschluß. Die Untersuchung ließ folgende Textabgrenzungen erkennen: 1. Eine ursprünglich einmal selbständig überlieferte Einzelgeschichte liegt vor in Gen 12,10—16a.17a (ohne we'a't betö). 1 8 - 1 9 . 2 0 a b a . 2. Einer jüngeren, die Einzelerzählung in einen größeren Zusammenhang einordnenden Redaktion gehören die Verse 12,16b (ohne wa"tonot ügemällim), e 17a (nur w 'cvt betö), 17b, 20bj3und 13,1 zu. 3. Eine noch spätere, wahrscheinlich sehr junge Stufe redaktioneller Bearbeitung des Textes wird greifbar in den beiden Schlußworten von 12,16b waatonot üge mällim. 2. Die Gestalt der

Geschichte

Die in 12,10—20* abgegrenzte Einzelgeschichte — nur diese ist im Folgenden Gegenstand weiterer Überlegungen — läßt einen klaren dreiteiligen Aufbau erkennen 4 6 . Ihr Beginn ist in v. 10 durch wäjehi markiert. Der so eröffnete Vers gibt die Exposition der Geschichte ab, in der das weitere Geschehen inszenatorisch vorbereitet wird: Abraham zieht wegen einer Hungersnot nach Ägypten, um dort als Fremdling zu leben. Stilistisch verklammert der Verfasser die Exposition durch eine rahmende Stichwortentsprechung (ra'ab ba'araes). Die erste Szene (12,11 — 13) setzt ebenfalls mit wäjehi (+ Zeitbestimmung) ein. Wie die Szeneneinleitung v. 11 a angibt, spielt sie kurz vor dem Grenzübertritt nach Ägypten. Als handelnde Person ist nur Abraham eingeführt, dessen (dreiteilige) Rede die ganze Szene einnimmt. Neben ihm ist zwar noch Sarai, seine Frau, 4 6

Erste H i n w e i s e hierzu f i n d e n sich s c h o n in m e i n e r U n t e r s u c h u n g : F o r m e n frühjüdischer Literatur. E i n e S k i z z e , in: J. Maier - J. Schreiner, Literatur und R e l i g i o n d e s Frühjudent u m s . E i n e Einführung, 1 9 7 3 , 1 2 3 - 1 6 2 ( 1 5 0 ) .

Genesis 12,10-20

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genannt. Jedoch greift sie nicht handelnd in das Geschehen ein. Sie dient nur als Adressat der Rede Abrahams. Eine eigentliche Konfrontation der genannten Personen findet entsprechend der Stilisierung der Szene als Abraham-Rede nicht statt. Die zweite Szene (12,14—16a), deren Einsatz wiederum durch wäfhi (+ Zeitbestimmung) angezeigt ist, hat schon Ägypten - kurz nach der Ankunft dort — zum Schauplatz. Hier wird das nach der Ankunft in Ägypten sich ereignende Geschehen geschildert, wobei eine Rede fehlt. Das von Abraham Erwartete (v. 11—13) tritt auch unmittelbar ein. Hierauf spielen Eingangs- (v. 14 b) und Schlußsatz (v. 16 a) der Szene an, ohne das Geschehen aber in voller Breite darzustellen. In dem von diesen beiden Sätzen eingerahmten Mittelstück wird die Aufnahme der Frau Abrahams ins Haus des Pharao berichtet. Präzis im Zentrum der Szene hat der Verfasser den Pharao als Gegenspieler Abrahams eingeführt, der selbst zu Anfang und Ende der Szene (v. 14a/16a) ausdrücklich erwähnt wird und dessen Name die Szene auch rhetorisch zusammenbindet. Jedoch werden hier beide Gestalten noch nicht zusammengebracht. Die um die tragenden Figuren Abraham und den Pharao gruppierten Personen (Ägypter/Höflinge des Pharao/ Sarai) sind nur von untergeordneter Bedeutung. Die dritte Szene (12,17a*.18.19) setzt nach dem inversionsbetonten Abschluß der zweiten Szene in v. 16a mit Narrativ ein. In ihr erreicht die Geschichte ihren Höhepunkt, was stilistisch vielfach herausgestellt ist. Die in den beiden vorangehenden Szenen gebrauchte Form der Szeneneinleitung mit wäfhi + Zeitbestimmung (v. 11 a/14a) ist durch einen einfachen Aussagesatz ersetzt, in dem überdies Jahwe, der in dem ganzen Text nur an dieser Stelle genannt wird, als Subjekt steht. Die beiden Hauptakteure treten in dieser Szene einander gegenüber. Jedoch bleibt auch hier der Vorgang wiederum durchaus einseitig. Der Pharao richtet eine Rede an Abraham — wie dessen Rede in der ersten Szene ebenfalls aus drei Teilen bestehend und die ganze Szene einnehmend —, ein eigentliches Gespräch aber findet nicht statt. Ein kurzer Schluß ( 1 2 , 2 0 a b a ) bringt die Lösung (Entbieten einer Eskorte durch den Pharao und Geleit für Abraham und seine Frau). Der Erzählstil ist äußerst knapp und gerafft. Nur das für den Zusammenhang unbedingt Notwendige wird mitgeteilt. Deutlich überwiegen die Redeteile, die die ganze erste und dritte Szene einnehmen. Ihr Übergewicht im Rahmen der Geschichte wird noch eklatanter, wenn man beachtet, daß gerade in den Reden Abrahams und des Pharao vorgreifend bzw. nachholend einiges berichtet wird, was in der Erzählung ausgespart, aber für ein Verständnis der Geschichte wichtig ist. Deshalb kann sich auch die Darstellung des Geschehens in der zweiten Szene auf das Notwendige beschränken. Die beiden ausladenden Reden Abrahams und des Pharao in der ersten und dritten Szene (v. 11 b—13/18—19) sind genau parallel gestaltet und bestehen jeweils aus drei Teilen (v. 1 l b ß / 1 2 / 1 3 / / v . 18aßb/19a/ 19b). Die Rede Abrahams (v. 11 b—13) setzt sich zusammen aus einer einleitenden Feststellung, einer abschließenden, mit der Feststellung zu Beginn eng verbundenen Aufforderung und dem dazwischen eingeschobenen, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Feststellung und Aufforderung unterbrechenden Vorblick auf das als sicher eintretend erwartete Geschehen in Ägypten, der vor allem dazu dient, die nachfolgende Aufforderung zu motivieren und hervorzuheben.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

Einen entsprechenden Aufbau zeigt auch die Rede des Pharao, die eröffnet wird mit einer in die Form einer vorwurfsvollen Frage gekleideten Feststellung und abschließt mit einer über das Mittelstück auf den Anfang der Rede zurückgreifenden Präsentation Sarais durch den Pharao und einen Auftrag an Abraham, während der eingeschobene Zwischenteil, als vorwurfsvolle Frage stilisiert, nachholend bislang ausgespartes Geschehen nachträgt, um auf diese Weise nachdrücklich die abschließende Aussage der Rede herauszuheben. Die deutlich parallele Struktur der Rede Abrahams und des Pharao (Feststellung-vorgreifender/nachholender Bericht des Geschehens-Aufforderung) dient dazu, beide Reden aufeinander hin zu parallelisieren und damit die beiden Hauptakteure miteinander zu konfrontieren. Besonders durch das vorgreifende/nachholende Mittelstück sind die Reden mit der mittleren Szene verbunden, die im Gegensatz zu den beiden Randszenen keine Reden enthält, sondern nur Handlung mitteilt und gleichsam als Drehscheibe der Geschichte dient. Nicht umsonst wird gerade hier, genau im Zentrum der mittleren Szene, die Figur des Pharao in die Erzählung eingeführt und auf diese Weise dem im Anfangs- und Schlußsatz der Szene genannten Abraham gegenübergestellt. Wie die Mittelszene enthalten auch die Exposition (v. 10) und der Schluß (v. 2 0 a b a ) der Geschichte Handlung. Auch sie sind durch das Gegenüber von Abraham und Pharao bestimmt. Während in der Exposition Abraham als Satzsubjekt steht, ist es im Schluß der Pharao. All diese Beobachtungen zeigen, daß die abgegrenzte Geschichte in 12, 10—20* sorgsam und bedacht konzipiert und gefügt ist. Der Charakter der Geschichte ist mehr oder weniger statisch. Ihre Anlage ist ganz offenkundig symmetrisch. Schematisch stellt sich dabei die Struktur der Geschichte folgendermaßen dar: A B C

Exposition 1. Szene 2. Szene

12,10 1 2 , 1 1 - 13 12,14— 16a

B' A'

3. Szene Schluß

1 2 , 1 7 - 19 12,20*

Handlung (Abraham) Rede Abrahams (Sarai als Adressat) Handlung (Ägypter/Höflinge des Pharao/ Pharao) Rede des Pharao (Abraham als Adressat) Handlung (Pharao)

Wie an der szenischen Gliederung und dem Aufbau der Erzählung erkennbar, strebt sie zielbewußt, ohne jede Umschweife, auf ihren Höhepunkt (in der dritten Szene) zu. Die Erzählung ist einsträngig angelegt; jede episodenhafte Auffächerung ist vermieden. Mit der Einlinigkeit der Erzählung steht im Zusammenhang, daß ihr Aufbau der Sukzession des dargestellten Geschehens folgt, eine Abfolge wie eine zeitliche Umstellung also nicht vorgenommen ist. Um zu gliedern und bestimmte Akzente zu setzen, bedient sich der Verfasser eines anderen Mittels, des Zeitfaktors. In der zweiten, mittleren Szene wird stark gerafft; »Erzählzeit« und »erzählte Zeit« 4 7 klaffen hier stark auseinander. Dagegen erzählt der 47

Vgl. dazu besonders G. Müller, Erzählzeit und erzählte Zeit, in: FS P. Kluckhohn und H. Schneider, 1948, 1 9 5 - 2 1 2 ; ders., Über das Zeitgerüst des Erzählens, DVjs 24 (1950), 1 - 3 2 ; ders., Aufbauformen des Romans, Neophilologus 37 (1953), 1 - 1 4 ; J. Vogt, Bauelemente erzählender Texte, in: H. L. Arnold und V. Sinemus (Hrsg.), Grundzüge der Literatur- und Sprachwissenschaft. I. Literaturwissenschaft (dtv WR 4226), 1973, 227-242 (234-236).

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

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Verfasser in der ersten und dritten Szene zeitdeckend, so daß »Erzählzeit« und »erzählte Zeit« zusammenfallen. Durch das unterschiedliche Maß der Raffung wird — bei Wahrung der Einlinigkeit des zeitlichen Ablaufs — die vorgestellte Geschehensfolge perspektivisch verzerrt. Das Zeitgerüst der Erzählung läßt so die beiden zeitdeckenden Personenreden in der ersten und dritten Szene nachdrücklich aus dem Erzählfluß heraustreten. Diese Akzentuierung der Reden Abrahams und des Pharao wird noch durch eine weitere Beobachtung unterstrichen. Im Gegensatz zum »Erzählerbericht« 4 8 , der nur das Handlungsgerippe bietet, wird in den beiden Personenreden das dort nur gerafft Berichtete aus zwei einander entgegengesetzten Perspektiven nochmals erzählt und damit zugleich gedeutet und gewertet: prospektivisch aus der Sicht Abrahams unter Verwendung des Stilmittels der »zukunftsgewissen Vorausdeutung« 4 9 , retrospektivisch aus der Sicht des Pharao mit Hilfe des Stilmittels des nachholenden Rückbezugs. Auf jede nur mögliche Weise sind so die Reden Abrahams und des Pharao im Erzählablauf hervorgehoben. Ihre Bedeutung für ein Verständnis der Geschichte ist offenkundig.

3. Die Absicht der

Geschichte

Was die vorliegende Erzählung eigentlich will, erschließt sich dem Leser nicht unmittelbar. In ihr ist geradezu ein Musterbeispiel für die Interpretation der Vätergeschichten überhaupt zu sehen 5 0 . Dabei m u ß nach der Absicht der Erzählung entsprechend ihrem zweischichtigen Charakter auf mehreren Ebenen gefragt werden. Auf einer ersten Stufe m u ß die Aussageintention der in Gen 12,10—20 ausgegrenzten Einzelgeschichte untersucht werden, erst dann kann nach der Absicht der Erzählung im größeren Textzusammenhang gefragt werden. Es wird hierbei vor allem auf das richtige Erfassen der Höhenlage ankommen, von der aus der Text ausgelegt sein will. Ein auch nur flüchtiger Blick in die Kommentare illustriert am besten das Schwanken und die Unsicherheit im Erfassen der Höhenlage des Textes, wobei es hier nicht auf Einzelheiten, sondern auf die Herausarbeitung von Haupttypen ankommt. Einig ist man sich nur in der mehr oder minder stark negativen sittlichen Wertung der Handlungsweise Abrahams 5 . Als Eingeständnis seiner Schuld wird vor allem das Schweigen Abrahams auf die vorwurfsvolle Frage des Pharao g e w e r t e t 5 2 . Jedoch bewegt sich eine solche Deutung schwerlich auf der Ebene des vom Erzähler Intendierten. Das merkwürdige Schweigen Abrahams auf die Rede des Pharao verliert sofort an Gewicht, w e n n die symmetrische Anlage der Erzählung beachtet wird, aufgrund deren sich eine solche Antwort Abrahams sogar verbietet. Sicherlich

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Zu diesem Begriff vgl. J. Vogt, Bauelemente, 2 3 9 f . Vgl. E. Lämmert, Bauformen des Erzählens, 1 9 6 8 3 , 1 4 3 - 1 7 5 ; J. Vogt, Bauelemente, 23 8 f. Vgl. d a z u G . von Rad 129. Vgl. das Urteil von B. Jacob 354: »Ob dieser Geschichte sind die meisten christlichen, besonders die protestantischen Kommentare voll Entrüstung, von mehr oder minder starkem Verweis bis zu selbstgerechter Verdammung und heftiger sittlicher Empörung, zu schweigen von der vulgären antisemitischen Literatur.« Vgl. F. Delitzsch, Neuer Commentar über die Genesis, 1887, 256; C. Fr. Keil 169; H. Gunkel 172; O. Procksch 102; J. Skinner 250.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

ist die Geschichte nicht an der Frage von Schuld oder Nicht-Schuld interessiert. Vielmehr liegt ihr an einer Kontrastierung der beiden Gestalten Abraham und Pharao sowie ihres Verhaltens, wie sie gerade durch die Gegenüberstellung ihrer großen Reden in der ersten und dritten Szene erreicht wird. Betrifft das Schweigen Abrahams nur einen, wenn auch für das Verständnis der Geschichte nicht unbedeutenden Einzelzug, so ist im Folgenden doch die Erzählung als ganze in Blick zu nehmen. Dabei heben sich vor allem zwei Grundtypen des Verständnisses der Geschichte ab, die sich mit den beiden Schlagworten »national-religiös« und »theologisch« etikettieren lassen. Der eine, national-religiös zu bezeichnende Auslegungstyp hebt den anspruchslosen Charakter der Erzählung wie ihre heiter-ausgelassene Stimmung hervor. »Daß Abraham aber so außerordentlich gut gelogen und aus der Not noch eine Tugend gemacht hat, darüber frohlockt der Erzähler im stillen und erkennt in den klugen Praktiken seines Vorfahren in heller Freude sich selbst wieder . . . Die Erzählung verherrlicht die Klugheit des Vaters, die Schönheit und Selbstaufopferung der Mutter und besonders die treue Hilfe Jahwes« 5 3 . Jedenfalls ist danach die Erzählung nicht als eigentlich theologisch, vielmehr als national-religiös anzusprechen, indem ihr eigentliches Interesse an der Stärkung des eigenen Selbstwertgefühls liegt. Diese Deutung kann jedoch kaum für die vorliegende Einzelgeschichte in Anspruch genommen werden. Allenfalls kann sie für eine ältere Fassung der Geschichte, die aber nicht mehr greifbar ist und deshalb auch methodisch nicht erfaßt werden kann, reklamiert werd e n 5 4 . Hierbei wird nämlich ein bestimmtes Verständnis des geschichtlichen Kontextes, aus dem heraus die Geschichte erzählt wurde (Nomadenzeit), vorausgesetzt, ohne daß sich dieses aus der Geschichte selbst unmittelbar ergäbe. Die abgesehen vom erzählerischen Kolorit allein dafür in Anspruch genommene »heitere, ja geradezu schwankhafte Stimmung« ist der Geschichte nicht erst durch ihre »Verbindung mit weiteren Geschichten, besonders mit der frommen Auszugssage« ausgeblasen w o r d e n 5 5 . Eine solche war ihr von Anfang an nicht eigen. Für eine volkstümliche, das Unterhaltungsbedürfnis von Nomaden befriedigende Erzählung ist ihr Erzählstil viel zu knapp und unanschaulich, als daß sie den Hörer fesseln könnte. Zudem zeigt die Geschichte selbst, daß hier nicht aus purer Freude am Erzählen erzählt wird, sondern daß gerade, wie vor allem das Übergewicht der Redepartien deutlich macht, das deutende Moment im Vordergrund steht. Vor allem aber dürften die mit der Exodusgeschichte verwandten Züge innerhalb der Erzählung, die sich aus ihr nicht isolieren lassen, ohne die Erzählung selbst zu zertrümmern, einer national-religiösen und nicht-theologischen Deutung der Geschichte entgegenstehen. Gerade die Beobachtungen der Affinität der ursprünglichen Einzelgeschichte in Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 zur Exodusgeschichte führt zu dem anderen, mit dem Etikett »theologisch« zu versehenden Auslegungstyp, wonach das in Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * dargestellte Geschehen einen zur Geschichte von der Bedrängnis der Israeliten in Ägypten und ihrer Befreiung durch Jahwe parallelen Vorgang schildert 5 6 . Die vorliegende Geschichte sei nichts anderes als eine in die Zeit Abrahams transponierte Exodusgeschichte, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, 53

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H. Gunkel 170.173; vgl. auch E. Osswald, Beobachtungen zur Erzählung von Abrahams Aufenthalt in Ägypten im »Genesis-Apokryphon«, ZAW 72 (1960), 7 - 2 5 ( 9 ) sowie J. de Fraine 121 und K. Koch, Formgeschichte, 156. Vgl. G. von Rad 129 und O. Keel - M. Küchler, Synoptische Texte aus der Genesis, BB 8/2, 1971, 127. H. Gunkel 173 und G. von Rad 129. D a r a u f h a b e n in neuerer Zeit vor allem U. Cassuto II, 3 3 4 - 3 3 7 und C. A. Simpson 580f. hingewiesen, vgl. aber auch schon H. Gunkel 173. Gegen eine Parallelisierung der »Ahnfraugeschichte« mit dem Exodusgeschehen hat sich vor allem R. Kilian, BBB 24, 1966, 212 f. ausgesprochen.

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daß der Aufenthalt der Israeliten in Ägypten nicht ein mehr zufälliges Ereignis war, sondern auf einen göttlichen Plan zurückgeht und daß Jahwe bereit ist, diejenigen, die auf ihn vertrauen, zu beschützen und vor Unheil zu bewahren 5 7 . Eine Stilisierung von Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * nach dem Modell der Exodusgeschichte ist nicht zu verkennen. Doch läßt sich die Geschichte vom Aufenthalt Abrahams in Ägypten als ganze nicht aufgrund der Exodusparailele deuten. Eine wörtliche Berührung von Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * mit der Exodusgeschichte beschränkt sich nur auf einige wenige Punkte, während die anderen Kontaktpunkte nur einzelne und dabei nicht einmal die entscheidenden Erzählzüge betreffen 5 8 . Das Ziel der ganzen Geschichte kann so nicht in der Abbildung eines dem Exodusgeschehen parallelen Vorgangs in der Zeit Abrahams liegen. Wohl aber liefert die Exodusgeschichte für eine Deutung von Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * wichtige Aspekte. Stilisierung nach dem Modell des Exodus und Ziel der Erzählung fallen damit nicht zusammen. Unter Außerachtlassung der Parallelisierung des dargestellten Geschehens mit der Exodusgeschichte wird Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * vor allem in älteren Auslegungen als ein Paradigma des mangelnden Glaubens Abrahams betrachtet, an dem gezeigt werden soll, daß menschliche Klugheit nichts nutzt, sondern allein Vertrauen auf Jahwe, der helfend und rettend eingreift . Auch diese Deutung der Geschichte befriedigt nicht ganz, da sie zu stark im Allgemeinen verbleibt und nicht alle für die Geschichte relevanten Züge auswertet.

Das Schwanken der Ausleger im richtigen Erfassen der Höhenlage, von der aus der Text ausgelegt sein will, liegt offensichtlich darin begründet, daß die Geschichte selbst zu wenige, die Auslegung eindeutig festlegende Hinweise zu enthalten scheint. Um den für eine Deutung der Geschichte angemessenen Maßstab zu gewinnen, ist aber auch ein Ausweichen auf den größeren Textzusammenhang nicht möglich 6 0 , da Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * eine ursprünglich einmal selbständig überlieferte Einzelgeschichte war, die erst sekundär in einen umfassenden Erzählrahmen eingebunden wurde. Dann muß die Geschichte eine in ihr selbst liegende Absicht verfolgt haben, die als solche auch erkennbar sein muß. Dieser Frage ist im Folgenden nachzugehen, wobei alle bei der Untersuchung der Gestalt der Geschichte hervorgetretenen Einzelzüge zu berücksichtigen sind. Für die Bestimmung des Zieles der Geschichte ist die Gestalt Sarais (und ihre Schönheit) ohne Belang. Sie ist für die Erzählung nur insofern von Bedeutung, als ihre Schönheit das die Geschichte zusammenhaltende und bewegende Moment darstellt, während sie sonst ganz im Hintergrund bleibt und nur als Objekt des Geschehens in Erscheinung tritt. Wesentlich für die Absicht der Geschichte ist das Gegenüber von Abraham und Pharao, das die ganze Erzählung als bestimmendes Element durchzieht, wobei beide Gestalten hier weniger als konkrete Persönlichkeiten vorgestellt, sondern als Typen zu verstehen sind. Zu beachten ist auch die aus dem üblichen Schema der Szeneneinleitungen (wäj e hi + Zeitbestimmung)

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So U. Cassuto II, 3 3 6 f . Eine derart weitgehende Parallelisierung von »Ahnfrau-« und Exodusgeschichte, wie U. Cassuto II, 3 3 4 - 3 3 6 sie annimmt, läßt sich schwerlich aufrechterhalten, zumal die dafür angeführten Belege aus der Exodusgeschichte (unter Einschluß der Josephsgeschichte) ganz unterschiedlicher Herkunft sind und somit nicht unmittelbar zum Vergleich herangezogen werden können. Vgl. C. Fr. Keil 167 f., A. Dillmann 226 und H. L. Strack 52, aber auch noch U. Cassuto II, 351 f. So etwas vorschnell G. von Rad 129.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

herausfallende Form des Szeneneingangs der dritten Szene mit einem einfachen Aussagesatz, in dem unvermittelt Jahwe als Subjekt genannt ist. Außerdem ist von Bedeutung, daß gerade Ägypten als Schauplatz des Geschehens eingeführt ist. Die Versetzung des Geschehens nach Ägypten ist vorab im Blick auf die beiden Parallelgeschichten in Gen 20 und 26, die jeweils in Gerar spielen, auffällig. Dadurch erhält die Geschichte ein bei weitem grundsätzlicheres Gewicht. Die Einführung Ägyptens als Handlungsort dient ganz offensichtlich der Parallelisierung des Herabziehens Abrahams nach Ägypten mit dem Exodusgeschehen. Die verwandten Züge (Zug nach Ägypten, um dort alsger zu wohnen — Bedrängnis — Entlassung aus Ägypten durch den Pharao) betreffen bezeichnenderweise aber nur das hinter der Erzählung liegende Handlungsgerippe, nicht jedoch die Erzählstruktur selbst und sind damit von der Erzählung ablösbar, so daß die Absicht der Geschichte in Gen 12,10-20* nicht in der Darstellung eines dem Exodus parallel verlaufenden Geschehens liegen kann. Zudem weicht Gen 12,10—20* gerade im entscheidenden Punkt von der Exodusgeschichte ab, insofern in ihr der Akzent im Unterschied zu dieser nicht auf dem Befreiungshandeln Jahwes für Abraham und seine Frau liegt, indem nämlich dem »Schlagen« des Pharao durch Jahwe nur die Funktion einer Szeneneinleitung zukommt, es vielmehr ganz auf die Reaktion des Pharao auf das »Schlagen« Jahwes ankommt. Jedoch gewinnt die Geschichte vom Aufenthalt Abrahams in Ägypten gerade dadurch, daß sie erzählerisch weithin von der Exodusgeschichte her lebt, eine Dimension, die der erzählten Episode aus dem Leben Abrahams von sich aus nicht zukäme. Die Stilisierung der Geschichte in Gen 12,10—20* nach dem Modell der Exodusgeschichte eröffnet demnach eine Grundperspektive zu deren Verständnis. Ihre eigentliche Aussageabsicht wird aber in der Gegenüberstellung der beiden Hauptgestalten, Abraham und Pharao, liegen, wovon die ganze Erzählung bestimmt ist, was vor allem durch die beiden großen, Abraham und dem Pharao in den Mund gelegten Reden (12,11 — 13/18—19) zum Ausdruck gebracht wird. In ihnen liegt der Ton jeweils auf der abschließenden Aufforderung (12,13/19b), die mit der einleitenden, die Situation erhebenden Feststellung korrespondiert und durch den unmittelbar vorausgehenden vorgreifenden/nachholenden Bericht noch besonders herausgehoben ist. Gerade in den Aufforderungen (12,13/19b) wird die unterschiedliche Handlungsweise der beiden Hauptgestalten deutlich. Als Abraham wegen einer schweren Hungersnot im Lande Kanaan nach Ägypten ausweichen muß, fürchtet er wegen der Schönheit seiner Frau um sein Leben und ergreift aus diesem Grund, kurz vor dem Grenzübertritt nach Ägypten, Vorsorgemaßnahmen, indem er seine Frau auffordert, sich als seine Schwester auszugeben, um so ihretwegen am Leben zu bleiben und ein gesichertes und ungestörtes Leben führen zu können (12,13). Dieses Ziel wird, wie 12,16a knapp konstatiert, auch erreicht, jedoch um den Preis, daß Abrahams Frau in das Haus des Pharao aufgenommen wird. Dem Verhalten Abrahams genau entgegengesetzt wird das Handeln des Pharao gekennzeichnet. Als Jahwe den Pharao, wie nachholend in 12,19a festgestellt wird, wegen seiner Heirat mit Abrahams Frau »schlägt«, da reagiert der Pharao sofort, indem er Abraham rufen läßt und ihm seine Frau präsentiert und beide freundlich entläßt (12,19b.20), worin allem Anschein nach eine Anerkennung der überlegenen Macht Jahwes durch den Pharao liegt.

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

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Nehmen sich allein schon die ganz unterschiedlichen Handlungsweisen Abrahams und des Pharao nebeneinander recht merkwürdig aus, so wird dieser Eindruck noch verstärkt, wenn man das in der Einleitung der dritten Szene (12,17a*) konstatierte »Schlagen« des Pharao durch Jahwe, der nur hier innerhalb der Erzählung genannt wird, in die Betrachtung miteinbezieht. Diese Angabe wirkt umso überraschender, als unmittelbar zuvor, am Ende der zweiten Szene, ausdrücklich festgestellt ist, daß die von Abraham ergriffenen Vorsorgemaßnahmen Erfolg gehabt haben (12,16a). Gerade an der im ganzen Erzählablauf isoliert stehenden Nachricht in 12,17a*, daß Jahwe den Pharao mit schweren »Schlägen« geschlagen habe, wird sich die Feststellung der Absicht, die der Erzähler mit der vorliegenden Geschichte verfolgt, zu entscheiden haben. Indem sich die beiden Aussagen, daß die Vorsorgemaßnahmen Abrahams zum Erfolg geführt haben (12,16a) und daß Jahwe dennoch den Pharao »schlägt« (12,17a*), hart reiben, soll wohl zum Ausdruck gebracht sein, daß sich in dem Bemühen Abrahams um die Sicherung seines Lebens mangelndes Vertrauen auf Jahwe dokumentiert und daß diese Sicherungsmaßnahmen im letzten nicht tragen können. Als positives Gegenbild steht Abraham gleichsam der Pharao gegenüber, der, sobald Jahwe ihn wegen der Frau Abrahams »schlägt«, richtig reagiert, indem er Abraham und seine Frau entläßt, und darin sein »Vertrauen« auf Jahwes Macht bezeugt. Damit erklärt sich dann auch das die ganze Geschichte bestimmende Gegenüber von Abraham und dem Pharao. Beide sind hier als Antitypen vorgeführt. Dabei gewinnt die positive Zeichnung des Pharao ihre besondere Brisanz dadurch, daß aufgrund der Stilisierung der Erzählung Gen 12,10—20* nach dem Modell der Exodusgeschichte eigentlich eine negative Auslegung der Gestalt des Pharao zu erwarten gewesen wäre. Offensichtlich arbeitet der Verfasser der Geschichte bewußt mit diesem Überraschungseffekt. Daß gerade der Repräsentant des Erzfeindes Ägypten dem Ahnherr des Volkes Israel als positives Gegenbild des rechten Handelns im Vertrauen auf Jahwe gegenübergestellt wird, muß die Hörer/Leser befremdet und getroffen haben. Die Geschichte Gen 12,10—20* will zeigen, daß Abraham durch sein Planen ein gesichertes und ungestörtes Leben nicht gewinnen kann. Durch Vertrauen auf die eigene Klugheit ist Sicherheit nicht zu gewinnen. Das kann allein von Jahwe her geschehen. Gefordert ist Vertrauen auf Jahwe und sein Handeln, was am Beispiel des Verhaltens des Pharao auf das »Schlagen« Jahwes hin paradigmatisch gezeigt wird. Daß hier der Pharao genannt wird, muß als eine bewußte Herausforderung verstanden werden. Die Ausgestaltung der Geschichte nach dem bestimmenden Vorbild des Exodus verleiht ihr Grundlagencharakter, indem damit eine Rückbesinnung auf das »Urdatum« Israels gefordert ist. Die auffällige Verhaltenheit der Darstellung, in der die Aussageabsicht der Erzählung nicht offen zutage tritt, sondern gleichsam in der Schwebe gehalten wird, hat wohl zeitgeschichtliche Gründe, die eine offene Polemik in einer Frage auf Leben und Tod nicht duldet 6 1 .

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Die Aussageabsicht der Geschichte Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 auf der Stufe der Redaktion(en) wird im Rahmen der Untersuchung des Textzusammenhangs zu behandeln sein.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

4. Der

Texttyp62

Die Erzählung bietet kaum konkrete Informationen, ausmalende Erzählzüge und betuliche Beschreibungen fehlen ganz. Bestimmend sind die Redeteile innerhalb der Geschichte, in denen das außerhalb der Reden Berichtete nicht nur nochmals, wenn auch aus zwei einander entgegengesetzten Perspektiven erzählt, sondern vor allem gedeutet und gewertet wird. Es wird hier also nicht einfach erzählt um des Erzählens willen. Dafür sind die deutenden Elemente innerhalb der Geschichte zu stark. Doch kann sie auch nicht einfach als eine »theologische Lehrerzählung« mit dem Thema »Vertrauen auf Jahwe« bezeichnet werden, die das gestellte Thema an einem Modellfall exemplifizieren will. Die Tatsache, daß die Geschichte mit Überraschungseffekten arbeitet und den Hörer/Leser aufmerken lassen will, zeigt an, daß der Text nicht etwa als Lehrstück für den Gebrauch im »Schulbetrieb« anzusehen ist, sondern als ein Stück »Auseinandersetzungsliteratur« verstanden sein will. Dabei sind Hörer/Leser vorausgesetzt, die die mehr hintergründig angebrachten Akzente auch verstehen können, so daß man an eine gebildete Hörer-/Leserschaft wird denken müssen. Von ihrem Einsatz hier gibt sich die Geschichte zwar so, als ob hier so etwas wie ein Märchen 6 3 erzählt werden soll oder zumindest doch eine Geschichte, die das Unterhaltungsbedürfnis ihrer Hörer/Leser befriedigen will. In der letzten Szene jedoch schlägt die Stimmung um, womit zugleich auch der Erwartungshorizont der Empfänger enttäuscht und so Betroffenheit hervorgerufen wird. Es handelt sich hier also um einen Text, der mit den Mitteln literarischer Verfremdung den Hörer/Leser zu einer Entscheidung bringen will, die im Sinn der Erzählung selbst eine Grundsatzentscheidung zu sein hat. Danach wird man die Geschichte Gen 12,10—20* am ehesten dem Typ der (weisheitlichen) »Lehrerzählung« zuzurechnen haben, deren Funktion in der aktuellen geistig-politischen Auseinandersetzung liegt und die die Adressaten an einem paradigmatischen Geschehen aus ihrer Selbstsicherheit aufwecken und dadurch eine Entscheidung herbeiführen will.

5. Der geistesgeschichtliche

Horizont

Der lehrhaft-aufgeklärte Ton der Darstellung, die überlegen angewandte literarische Technik, die zurückhaltende Art, wie hier Auseinandersetzung und Polemik getrieben wird, aber auch die Sparsamkeit in der Verwendung direkt

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Anstelle von »Gattung« wird hier mit der Textlinguistik lieber von »Texttyp/Textsorte« gesprochen, vgl. dazu E. Gülich - W. Raible, Textsorten. Differenzierungskriterien aus linguistischer Sicht, Athenäum-Skripten. Linguistik 5, 1 9 7 2 sowie den Überblick bei W. Dressier, Einführung in die Textlinguistik, Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 13, 1972, 14f. Zum »Märchen« vgl. die Überblicke bei M. Lüthi, Märchen, Sammlung Metzler 16, 1 9 6 8 3 und F. Karlinger (Hrsg.), Wege der Märchenforschung, Wege der Forschung 255, 1973, jeweils mit ausführlichen Literaturhinweisen.

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theologischer Aussagen lassen an eine Herkunft der Geschichte aus »weisheitlichen« Kreisen denken, in denen man auch den angezielten Empfängerkreis vermuten darf. Dieser Frage ist im Folgenden weiter nachzugehen. Dabei wird sich der Versuch, den geistesgeschichtlichen Standort des Verfassers der Geschichte zu orten, neben den eben genannten allgemeinen Kriterien vor allem auf die in ihr gebrauchten Sprachklischees und Vorstellungszusammenhänge zu stützen haben, die über die vorliegende Texteinheit hinausweisen und ihr vorgegebene (außerliterarische) Zusammenhänge erkennen lassen. Auf die geistige Herkunft der Geschichte Gen 12,10—20* aus dem Raum der »Weisheit« deuten vor allem die zu beobachtenden Berührungen mit der Josefs- und Rutnovelle. Sie betreffen zwar unmittelbar nur einige wenige Erzählzüge (Hungersnot/Schönheit/Wohlergehen/Antithetik von Leben und Tod), sind aber dennoch in ihrer Auswahl und Verknüpfung miteinander für die Erkenntnis des geistesgeschichtlichen Horizonts des Verfassers von Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * bezeichnend. Wenn auch die Berührungen der »Ahnfraugeschichte« mit der Josefs- und Rutnovelle nicht unbedingt auf literarische Abhängigkeiten schließen lassen, so vermögen sie doch zu zeigen, daß hier aus ein und demselben geistig-literarischen Raum heraus gestaltet wird. Wie in der Geschichte Gen 12,10-20* bildet auch in der Rutnovelle eine Hungersnot im Lande den Auslösefaktor für das weitere Geschehen, wobei die Eingänge beider Geschichten gleich gestaltet sind (wäfhi ra'ab ba'araes + wäjjeraed/wäjjelaek + lagür (Gen 12,10/Rut 1,1). Eine zweite Stelle, an der sich Gen 12,10-20* und die Rutnovelle berühren, betrifft wiederum einen für den Handlungsfortschritt wichtigen Punkt. In seiner an Sarai gerichteten Rede Gen 12,11-13 entwickelt Abraham, da erwegen der Schönheit seiner Frau um sein Leben furchtet, einen Plan zu dem Zweck, daß es ihm im fremden Land wohlergehe (jtb f ) und er so ein gesichertes und ungestörtes Leben fuhren könne, woraus sich alle weiteren Verwicklungen ergeben. Genau auf dem Scheitelpunkt der Rutnovelle 6 4 ergreift auch Noomi, die Schwiegermutter Ruts, (erneut) die Initiative und tut dieser ihren Plan kund, wie sie ihr einen Ruheplatz verschaffen will, damit es ihr wohlergehe (Jtb le), wobei sie Rut eigens auffordert, sich schön zu machen, damit sie dem Boaz gefalle (Rut 3,1-4). Von dieser Rede Noomis ist der Erzählbogen bis zum Schluß der Geschichte gespannt, der auch die Lösung bringt. In beiden Fällen stellen die Motive einer »Hungersnot« im Land wie des »Wohlergehens« auslösende und bestimmende Faktoren für das Handlungsgeschehen dar und sind dementsprechend an entscheidender Stelle innerhalb der Erzählung plaziert. Die Verknüpfung beider Motive, die in dieser Form nur in der Geschichte vom Aufenthalt Abrahams in Ägypten und in der Rutnovelle begegnet, erklärt sich am ehesten, will man nicht an literarische Abhängigkeit denken, aufgrund der Herkunft aus dem gleichen geistigliterarischen Raum. Dabei ist die Perspektive, aus der die Rutnovelle erzählt ist, die des Südreiches, genauerhin Jerusalems. Das in ihr sichtbar werdende aufgeklärte Klima, aus dem heraus sie gestaltet ist, sowie die überlegte Handhabung der literarischen Erzählform der Novelle deuten auf eine Herkunft aus Kreisen der »Weisen« am Jerusalemer Hof hin, wobei

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Zur literarischen Struktur vgl. vor allem S. Bertram, Symmetrical Design in the Book of Ruth, JBL 84 (1965), 1 6 5 - 1 6 8 sowie J. M. Myers, The Linguistic and Literary Form of the Book of Ruth, Leiden 1955 und W. Dommershausen, Leitwortstil in der Ruthrolle, in: Theologie im Wandel. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Tübingen 1817-1967 = Tübinger Theologische Reihe 1, 1967, 394-407.

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als Entstehungszeit der Rutnovelle, wie Anspielungen auf andere Texte sowie Querverweise zu erkennen geben, die Zeit um 700 v. Chr. die größte Wahrscheinlichkeit für sich h a t 6 5 . Beschränken sich die unmittelbaren Berührungspunkte von Gen 12,10-20* mit der Rutnovelle in erster Linie auf die handlungsauslösenden Einleitungen der beiden Novellenteile, so ist das Beziehungsgeflecht zur Josefsnovelle im ganzen viel komplexer. Mit Gen 12,10-20* verbindet die Josefsnovelle vor allem die Antithetik von Leben und Tod, die in diesen beiden Geschichten - im Unterschied zur Rutnovelle - ein herausragendes, die Erzählungen in ihrem inneren Ablauf prägendes Element der Darstellung ist. Hinzu kommt als weiteres, die beiden Erzählungen verbindendes Moment, daß in der Josefsnovelle - ähnlich wie in Gen 12,10-20* das »Vertrauen auf Jahwe« - die »Gottesfurcht« als Weg zum Leben akzentuiert erscheint. Schlüsselstelle zum Verständnis der ursprünglich einmal selbständig überlieferten und erst sekundär in den Rahmen der jehowistischen Geschichtsdarstellung eingespannten Josefsnovelle 66 ist die Rede Josefs in Gen 4 5 , 5 b - 1 3 , die der Erzähler im Rahmen der Er65

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Die gelegentlich auch sonst angenommene Entstehung der Rutnovelle in der Hiskijazeit scheint für deren ursprüngliche Fassung am wahrscheinlichsten, ohne daß sich diese Auffassung hier aber weiter begründen ließe (vgl. etwa W. W. Cannon, The Book of Ruth, Theology 16, 1928, 3 1 0 - 3 1 9 [314f. ] sowie jüngst H. H. Witzenrath, Das Buch Rut. Eine literaturwissenschaftliche Untersuchung, StANT 40, 1975, 359-362; zu anderen Ansetzungen vgl. die Übersicht bei H. H. Rowley, The Marriage of Ruth, HThR 40 [1947], 7 7 - 9 9 = The Servant of the Lord and other Essays on the Old Testament, 1965 , 169-194 [172 Anm. 1]). Da es hinsichtlich der Entstehung der vorpriesterschriftlichen Josefserzählung bis heute keinen Konsens gibt, ist es sinnvoll, die eigene Auffassung kurz zu umreißen. Gemeinhin wird die Josefserzählung nach Abzug der nicht sehr umfangreichen priesterschriftlichen Darstellung (zur Abgrenzung vgl. P. Weimar, Aufbau und Struktur der priesterschriftlichen Jakobsgeschichte, ZAW 86, 1974, 174-203 [194-198]) und der nachpriesterschriftlichen Redaktionen (P s /R p ) sowie der literarisch sekundären Abschnitte Gen 38 und 48/49 innerhalb der vorpriesterschriftlichen Josefsgeschichte (dazu vgl. zuletzt G. W. Coats, Redactional Unity in Genesis 3 7 - 5 0 , JBL 93, 1974, 15-21) nach dem traditionellen Modell der klassischen Pentateuchquellentheorie als aus der Verbindung einer jahwistischen und elohistischen Josefsgeschichte entstanden erklärt (vgl. vor allem G. von Rad 2 8 3 - 3 6 2 und L. Ruppert, Die Josephserzählung der Genesis. Ein Beitrag zur Theologie der Pentateuchquellen, StANT 11, 1965). Nachdem jedoch schon W. Rudolph (P. VolzW. Rudolph, Der Elohist als Erzähler. Ein Irrweg der Pentateuchkritik? An der Genesis erläutert, BZAW 63, 1933, 145-148) gegen die Anwendung der Quellentheorie auf die vorpriesterschriftliche Josefserzählung votiert hatte und stattdessen mit einer literarisch einheitlichen Geschichte rechnete, die nachträglich Bearbeitungen und Ergänzungen erfahren hat, mehren sich heute die Stimmen, die das Modell der klassischen Pentateuchquellentheorie für die vorpriesterschriftliche Josefserzählung für nicht anwendbar halten (vgl. R. N. Whybray, The Joseph Story and Pentateucal Criticism, VT 18, 1968, 5 2 2 - 5 2 8 ; D. B. Redford, A Study of the Biblical Story of Joseph (Genesis 37-50), VTS 20, 1970; O. H. Steck, Die Paradieserzählung. Eine Auslegung von Genesis 2,4b-3,24, BSt 60, 1970, 120-124 Anm. 1; vgl. jetzt auch die vorsichtig abwägende Haltung bei G. von Rad 362). In diese Richtung weisen nicht nur ihre gegenüber den Vätergeschichten grundlegend andere Art und literarische Technik (Beobachtungen hierzu finden sich bei G. von Rad, Josephsgeschichte und ältere Chokma, VTS 1, 1953, 120-127 = Gesammelte Studien zum Alten Testament, ThB 8, 1965 3 , 2 7 2 - 2 8 0 [272f.]; ders., Die Josephsgeschichte, BSt 5, 1954 = Gottes Wirken in Israel. Vorträge zum Alten Testament. Hrsg. von O. H. Steck, 1974, 2 2 - 4 1 [23f.]; ders., ATD 2/4, 356f.; D. B. Redford, VTS 20, 1970, 246f.)

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kennungsszene gesprochen sein läßt. Im ersten Teil dieser Rede (Gen 45,4b—8), der formal konzentrisch angelegt und inhaltlich als eine programmatische Erklärung zu verstehen ist, eröffnet Josef seinen Brüdern einen Zugang zum Verstehen des dunklen Geschehens. Der Verkauf Josefs durch seine Brüder sowie die von Elohim her geschehene Einsetzung zum Herrscher über Ägypten (Gen 45,4b.5a/8) ist, wie nachdrücklich in den beiden einander entsprechenden Aussagen in Gen 4 5 , 5 b und 7 gesagt ist, zur »Lebenserhaltung« in der gegenwärtigen Hungersnot (Gen 45,6) geschehen 6 7 . Das in dieser Rede Josefs anklingende antithetische Gegenüber von Leben und Tod durchzieht in unterschiedlicher Färbung leitmotivartig die ganze Josefsnovelle. In der ersten Hälfte der Erzählung (Gen 37* + 4 0 - 4 1 * ) geschieht dies mehr indirekt, insofern das Gegenüber von Leben und Tod sowohl in der einleitenden Szene Gen 37* als auch in den beiden Traumdeuteszenen in Gen 40* und 41* die Darstellung des Geschehensablaufs nur hintergründig bestimmt, während in der zweiten Hälfte der Novelle (Gen 4 2 - 4 7 * ) die Problematik der Bewahrung vor dem Tode und der Erhaltung des Lebens zum eigentlichen Leitfaden der Erzählung wird. Ausgelöst durch eine schwere Hungersnot (vgl. Gen 4 1 , 5 3 - 5 7 ) , gibt Jakob seinen Söhnen den Befehl, nach Ägypten hinabzuziehen und dort Getreide zu kaufen, wobei Jakob seine Initiative ausdrücklich damit motiviert, daß »wir am Leben bleiben und nicht sterben« ( w e n i h e j ä e welo' namüt) (Gen 42,2). Mehrfach innerhalb der zweiten Novellenhälfte greift der Erzähler auf diese Aussage Jakobs in Gen 42,2bß zurück. Ein erstes Mal geschieht dies in der bei Gelegenheit des ersten wie ihre einheitlich-weisheitliche Prägung (dazu Anm. 69), sondern vor allem auch die genau disponierte Gesamtanlage der Geschichte, was alles nicht dafür spricht, daß die vorpriesterschriftliche Josefserzählung erst aus zwei älteren Geschichten, einer jahwistischen und elohistischen Josefsgeschichte, kunstvoll zusammengebaut wurde. Wir haben demnach mit einer in sich geschlossenen höfisch-weisheitlich geprägten Josefsnovelle zu rechnen, die ursprünglich einmal selbständig überliefert und erst sekundär mit Hilfe von Redaktionsfugen in die vorpriesterschriftliche pentateuchische Geschichtsdarstellung als Verbindungsstück zwischen der Väter- und der Exodusgeschichte eingefügt wurde. Die ausgefeilte Technik literarischer Gestaltung wie sprachliche Berührungen mit anderen Geschichten, aber auch die in ihr sichtbar werdende theologische Problematik wie ihr historischer Hintergrund lassen für die Ausbildung der Josefsnovelle am ehesten, ohne daß dies hier eingehend begründet werden könnte, an die hiskijanische Epoche denken (nach D. B. Redford, VTS 20, 1970, 242.251 f. liegt die Zeit der Entstehung der Josefserzählung zwischen 650 und 425), nicht jedoch schon an die Zeit der salomonischen Aufklärung (so vor allem die o. g. Arbeiten von G. von Rad sowie O. H. Steck, BSt 60, 1970, 120f.). Das bedeutet aber, daß nicht J die vorgegebene Josefsnovelle in seine Geschichtsdarstellung aufgenommen hat (so W. Rudolph, BZAW 63, 1933, 1 8 0 - 1 8 3 und O. H. Steck, BSt 60, 1970, 121), sondern erst Je. Da jedoch der Auftakt der jahwistischen Exodusgeschichte in Ex 1,6+8 an Josef anknüpft (dazu vgl. vor allem Th. C. Vriezen, Exodusstudien. Exodus I, VT 17, 1967, 3 3 4 - 3 5 3 | 3 3 4 - 3 4 4 ] und W. H. Schmidt, Exodus, BK I I / l , 1974, 10.12f.31 f.), wird auch J, wenn schon nicht in einer eigenen Josefserzählung, so doch wie bei P6 (dazu P. Weimar, ZAW 86, 1974, 1 9 4 - 1 9 8 ) innerhalb der Jakobsgeschichte, vom Verkauf Josefs durch seine Brüder nach Ägypten und seinem Aufstieg am Hof des Pharao berichtet haben, während E wohl überhaupt keine Josefsgeschichte enthalten, sondern mit Hilfe des aus dem Rahmen der Josefsgeschichte deutlich herausfallenden Abschnitts 46,1 a/3-5 a (G. von Rad 361) die Verbindung von Väter- und Exodusgeschichte hergestellt haben wird (vgl. auch O. H. Steck, BSt 60, 1970, 121). 7

In abgewandelter Form ist der Grundgedanke von Gen 4 5 , 4 b - 8 von der jehowistischen Redaktion in der ebenfalls programmatisch gedachten Anrede Josefs an seine Brüder nach dem Tode Jakobs in Gen 5 0 , 1 9 - 2 1 a aufgenommen worden.

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Zusammentreffens mit den Brüdern an sie gerichteten Rede Josefs Gen 42,18-20. In diesem Zusammenhang ist die aus Gen 42,2bß aufgenommene Wendung wenihejäe welo' namüt aufgespalten und dabei planvoll auf den Eingangs- und Schlußsatz der Josefrede verteilt worden (wihejü Gen 42,18a(3 / welo' tamütü Gen 42,20a(3), um auf diese Weise nachdrücklich zu unterstreichen, daß die Brüder nur dann am Leben bleiben und nicht sterben müssen, wenn sich ihre Worte in der ihnen von Josef auferlegten »Prüfüng« als wahr erweisen. Bezeichnenderweise ist die »Lebensrettung« ausdrücklich mit einem Hinweis auf die »Gottesfurcht« Josefs verbunden. In Anknüpfung an die Rede Josefs in Gen 42,18-20 und bei wörtlicher Wiederaufnahme von Gen 42,2bß begegnet die Wendung wenihejäe welo' namüt erneut in Gen 43,8ba, jetzt im Munde Judas, um damit das Mitgehen Benjamins zu motivieren, als Jakob seine Söhne ein zweites Mal nach Ägypten zum Getreidekauf schicken will 68 . Der Antithetik von Leben und Tod sind in der Josefsnovelle alle anderen Erzählzüge, die sich mit der »Ahnfraugeschichte« in Gen 12,10-20* berühren, unter- und zugeordnet. Das gilt für das Herabziehen nach Ägypten ebenso wie für das Motiv der Schwere der Hungersnot. Wie die Rutnovelle wird auch die Josefsnovelle aufgrund der in ihr zutage tretenden aufgeklärt-weisheitlichen Theologie in weisheitlich geschulten höfischen Kreisen in Jerusalem entstanden sein 69 . Als Entstehungszeit kommt kaum - wie meist angenommen - das Zeitalter der salomonischen Aufklärung in Frage, sondern allem Anschein nach erst - wie auch für die Rutnovelle - die Zeit um 700 v. Chr. 70 Neben diesen großräumig angelegten Geschichten, wie sie die Rut- und Josefsnovelle verkörpern, fuhren die in Gen 12,10—20* gebrauchten formelhaften Wendungen noch auf drei kleinräumig disponierte Geschichten innerhalb des Pentateuch, die nicht allein zur Erhellung des geistesgeschichtlichen Horizonts von Bedeutung sind, sondern vor allem auch Einblicke in die hier angewandte literarische Technik bieten. Im Gegensatz zur Rut- und Josefsnovelle, die neben dem theologischen Interesse, das sie verfolgen, nicht zuletzt das Unterhaltungsbedürfnis ihrer Zuhörer befriedigen wollen, steht bei den im Horizont von Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * liegenden »Kurzgeschichten« ein solches Interesse nicht im Vordergrund. Zwar geben auch sie sich von ihrem Anfang her so, als wollten sie ein Unterhaltungsbedürfnis befriedigen, enttäuschen jedoch sogleich wieder die geweckten Erwartungen. Im ganzen tragen diese Geschichten vielmehr einen stark polemischen Charakter. Der erste der drei Texte, auf den Gen 12,10-20* führt, ist die »Hebammengeschichte« in Ex 1,15-20. Im Textzusammenhang der Exodusgeschichte sitzt die »Hebammenge68

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Als sekundäre Aufnahme durch die jehowistische Redaktion ist der Gebrauch der Wendung wenihejae welo' namüt in Gen 47,19 zu verstehen, wo sie im Munde der Ägypter begegnet (vgl. auch die Anklänge an diese Wendung in Gen 47.15a.19a.25a). Vgl. vor allem die Anm. 66 genannten Arbeiten G. von Rads sowie R. de Vaux, La Genèse, SBJ I, 1962 2 , 167; O. H. Steck, BSt 60, 123 und jüngst G. W. Coats, The Joseph Story and Ancient Wisdom: A Reappraisal, CBO 35 (1973), 285-297, der sich kritisch mit der Ablehnung eines weisheitlichen Einflusses auf die Josefsgeschichte durch J. L. Crenshaw, Method in Determining Wisdom Influence upon »Historical« Literature, JBL 88 (1969), 129-142 (135-137) und D. B. Redford, VTS 20, 1970, 100-105 (dort 101 Anm. 1 weitere Autoren, die die Josefsgeschichte der Weisheitsschule zurechnen) auseinandersetzt. Eher zurückhaltend in dieser Frage verhält sich L. Ruppert, StANT 11, 1965, 23.57—59.196 f. 217.230. Vgl. dazu schon Anm. 66.

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schichte« nur locker und läßt sich leicht aus diesem isolieren 71 . Sie stellt eine ursprünglich einmal selbständig überlieferte Einzelgeschichte dar, deren Umfang sich auf 1,15 a. 16 a* (ohne wä//o'mtfer). 16b. 17-19.20a eingrenzen läßt 7 2 und die erst sekundär mit Hilfe der als 71

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Die »Hebammengeschichte« Ex 1,15-20* zeigt in ihrer ursprünglichen Form keinen unmittelbaren Kontakt zur Exodusgeschichte, in deren Rahmen sie überliefert ist (vgl. auch W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 22). Eine solche Beziehung ist erst sekundär hergestellt worden, wodurch die Geschichte zu einer Etappe in den sich steigernden Bedrückungsmaßnahmen des Pharao wird, die aber dennoch zu keinem Erfolg fuhren. Die hier vorgenommene Abgrenzung der »Hebammengeschichte« sei kurz begründet, ohne daß dabei auf Einzelfragen näher eingegangen werden könnte (vgl. dazu zuletzt W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 16-21). Auffällig ist schon die doppelte Verwendung des die Rede des Königs von Ägypten einführenden wäjjo'maer in Ex 1,15a und 1,16a, was aber noch nicht unbedingt als Spur einer redaktionellen Bearbeitung zu werten sein muß (vgl. dazu zuletzt W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 22 mit Hinweis auf die allerdings nicht ganz gleich gelagerten Beispiele in Gen 22,7 und 46,2), hier aber im Zusammenhang mit 1,15b als Indiz einer solchen Bearbeitung des Textes angesehen werden kann. Die Mitteilung der Namen der »Hebammen der Hebräer« in dem nominalen Relativsatz 1,15b bleibt innerhalb der Geschichte 1,15-20* ohne Funktion, da diese sich nicht an konkreten Gestalten, sondern einzig an der Schilderung von Typen (König von Ägypten/Hebammen) interessiert zeigt. Sie wird aber sogleich verständlich, wenn sie als für den größeren Zusammenhang konzipierter Einschub erkannt wird. In diesem Rahmen wird dann nicht nur das Interesse an kulturhistorisch interessanten Notizen (vgl. den entsprechenden Hinweis auf die beiden Vorratsstädte Pithom und Ramses in 1,11b) verständlich, sondern auch das Bemühen, die »Hebammen der Hebräer« zu »hebräischen Hebammen« umzustilisieren (dazu auch Anm. 74), womit in der Darstellung der Bedrückungsmaßnahmen ein deutlicher Steigerungseffekt erzielt wird. So wird man 1,15b + wäjjo'maer in 1,16a als redaktionellen Einsatz zu betrachten haben (vgl. schon C. A. Simpson, The early Traditions of Israel. A critical Analysis of the Predeuteronomic Narrative of the Hexateuch, 1948, 158). Anzeichen redaktioneller Bearbeitung finden sich sodann erst wieder nach Abschluß der Geschichte in Ex 1,21 + 22. Die ursprüngliche Form der »Hebammengeschichte« hat mit 1,20a einen sinnvollen Abschluß erreicht. Eine Parallelaussage zu 1,20a stellt 1,21 dar. Sie fällt allein schon dadurch aus dem Erzählfluß heraus, daß sie mit wäjehi und folgendem A:i-Satz, der das Motiv der Gottesfurcht aus l,17aa wieder aufnimmt, neu eingeleitet und damit zugleich als Zusatz zu erkennen ist. In diesem Zusatz wird das in 1,20a bewußt nicht näher umschriebene Gutsein Elohims in dem Sinne interpretiert, daß Elohim den (hebräischen) Hebammen aufgrund ihrer Gottesfurcht Häuser macht, womit diese Aussage zugleich zu dem in 1,20b konstatierten Wachstum des Volkes in Beziehung gesetzt wird, ohne daß aber 1,20b von der gleichen Hand stammte, auf die 1,21 zurückgeht (vgl. dazu Anm. 73). Im Zusammenhang mit 1,21 ist auch 1,22 der »Hebammengeschichte« angefügt worden. Dabei ist der in 1,22 mitgeteilte Befehl des Pharao - vergleichbar dem 1,17 aa wieder aufnehmenden Vers 1,21 - dem Befehl des Königs von Ägypten an die Hebammen in 1,16 nachgebildet, während die Redeeinleitung (1,22a) selbst mit der entsprechenden Redeeinleitung in 1,9a verwandt ist, was zeigt, daß ebenso wie 1,21 auch 1,22 nicht als freie, sondern nur als redaktionelle Bildung verstanden werden kann. Ex 1,21 + 22 sind demnach als interpretierende Zusätze zur ursprünglichen Form der Erzählung zu verstehen. Sie verfolgen den Zweck, die »Hebammengeschichte« in den größeren Rahmen der Exodusgeschichte einzugliedern. Dabei zeigen sowohl der Neueinsatz in 1,21 durch wäjeht+ Wals auch der zu 1,16 parallel laufende Befehl des Pharao in

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(zugleich interpretierende) Redaktionsfugen dienenden Verse 1,15b + 16a* (wäjjo'maer) und 1,21 + 22 (als Exposition der Geschichte von der Rettung Moses) in den größeren Textzusammenhang eingefugt wurde 73 . Die Geschichte in ihrer ursprünglichen Gestalt zeigt einen klaren Aufbau. Ohne eigentliche Exposition setzt sie unmittelbar mit der ersten Szene (1,15 a.16*) ein, die ganz von einer Rede des Königs von Ägypten an die »Hebammen der Hebräer« eingenommen wird, womit im vorliegenden Zusammenhang nur ägyptische Heb74

ammen für die Hebräer gemeint sein können . Die sorgfältig zu parallelen Aussagen geformte Rede des Königs von Ägypten hat zum Inhalt den Befehl, daß die Hebammen, wenn sie den Hebräerinnen Geburtshilfe leisten, im Falle eines Sohnes diesen töten, eine Tochter aber am Leben lassen sollen (1,16). Damit ist auch hier im Mund des ägyptischen Königs die Thematik von »Leben« und »Tod« im Blick auf die Israeliten angesprochen. Die zweite Szene (1,17), die im Gegensatz zur ersten Szene ausschließlich Handlung enthält, konstatiert unter Verwendung des Wortspiels r'h - jr' (l,16a/3/17aa) 7 s , daß die Hebammen Gott furchten, was sich darin äußert, daß sie dem Befehl des Königs nicht gehorchen (1,17 aß), sondern die Knaben am Leben lassen (1,17 b), wobei das hier anstelle von banim gebrauchte jeladim offensichtlich wegen mejälledöt in l , 1 7 a a steht, um so die Szene literarisch zu verklammern. Das Stichwort hijjä in 1,17b nimmt das Schlußwort der Rede des Königs von Ägypten in l,16b|3 (hajä) wieder auf und stellt zugleich die Verbindung her zur abschließenden dritten, aus einem Gespräch zwischen dem ägyptischen König und den Hebammen bestehenden Szene (1,18.19.20a), wo der König an die Hebammen die vorwurfsvolle Frage »warum habt ihr dies getan!« (mäddua '"sitaen haddabar häzzäe) (l,18a(3) richtet 7 6 und diese in ihrer zweiten Hälfte (1,18b) sofort im Sinne des am Leben-Lassens der Knaben interpretiert. In der Antwort der Hebammen darauf (1,19) werden nochmals die Wurzeln hjh und jld umspielt. Der Schlußsatz der Geschichte in 1,20 a stellt knapp, ohne daß eine Reaktion des Königs auf die Antwort der Hebammen mitgeteilt ist, fest, daß Elohim den Hebammen Gutes erweist (hetib le), womit entsprechend dem eigentlichen Sinn der hier gebrauchten Wendung allgemein die Ermöglichung eines gesicherten und ungestörten Lebens

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1,22 an, daß diese beiden Verse nicht als neuer Abschluß der »Hebammengeschichte« zu verstehen sind, sondern als redaktionelle Exposition der nachfolgenden Geschichte von der Rettung des Mose in Ex 2 , 1 - 1 0 dienen. Der Halbvers Ex 1,20b ist zwar von der Redaktion, auf die 1,15 b sowie wäjjo'maer in 1,16 a und 1,21 + 22 zurückgehen, an die jetzige Stelle zwischen 1,20a und 1,21 versetzt, nicht aber von ihr gebildet worden. Die Feststellung des großen Wachstums des Volkes in 1,20b (wäjjiraeb hat am wäjjaäsmu me'od), die mit Hilfe der »Überlegenheitsformel« (dazu vgl. P. Weimar, Untersuchungen zur priesterschriftlichen Exodusgeschichte, fzb 9, 1973, 3 0 - 3 3 ) gebildet ist, steht im Zusammenhang mit der entsprechenden nominalen Aussage in 1,9b 0 a m bene jisra'el räb we'asüm mimmaennü) und gehört wie diese zu J (nicht überzeugend sind die von W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 18f. angestellten Überlegungen). - Entgegen der landläufigen quellenkritischen Zuordnung ist der Anteil von J an Ex 1 nur sehr gering. Der jahwistischen Geschichtsdarstellung, die sich in diesem Kapitel nur auf das dürre Handlungsgerippe beschränkt, gehören nur die Verse 1,6.8.9.10b* IIa. 20 b an, die einen glatten und störungsfreien Erzählzusammenhang abgeben, während alle anderen Bestandteile in Ex 1 jünger als J sind. Das Verständnis von hamejalfdot ha'ibrijjot im Sinne von »hebräischen Hebammen« ist in die »Hebammengeschichte« erst durch die sekundären Zusätze Ex 1,15b und 1,21 eingetragen worden (vgl. dazu auch H. W. Schmidt, BK II/l, 1974, 19f.). Vgl. auch W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 43. In diesem Sinne wird die Frage in Ex 1,18b auch von W. H. Schmidt, BK I I / l , 1974, 44 verstanden.

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durch Elohim gemeint ist, ohne daß dieses in der ursprünglichen Fassung der Geschichte näher festgelegt würde 7 7 . Die »Hebammengeschichte« in Ex 1 , 1 5 - 2 0 * ist straff auf ihr Ziel hin ausgerichtet und vermeidet in diesem Sinne alles, was davon ablenken könnte. Wichtig für die Bestimmung des Zieles der Geschichte sind dabei die Leben-Tod-Thematik mit besonderer Akzentuierung des Am-Leben-Lassens der Israeliten, die darin sich dokumentierende Gottesfurcht der ägyptischen Hebammen und als Reaktion darauf die Sicherung eines ungestörten und gesicherten Lebens der Hebammen von Elohim her. In der Art, wie diese drei Aussagen miteinander verbunden sind, läßt sich die Intention der Erzählung ablesen. Eine Sicherung des Lebens in einer Situation auf Leben und Tod läßt sich nur durch »Furcht G o t t e s « 7 8 erreichen, wobei »Gottesfurcht« hier nahezu im Sinne von »Vertrauen auf Elohim« verstanden ist. Diese Thematik wird in der vorliegenden Erzählung bezeichnenderweise nun nicht an einer Gestalt aus der israelitischen Geschichte, sondern gerade am Beispiel von ägyptischen Hebammen exemplifiziert. 79

Das nicht zu verkennende weisheitliche Gepräge der Geschichte , aber auch die deutlichen Berührungen mit der Josefsnovelle (vor allem die Antithetik von Leben und Tod sowie die Akzentuierung der »Gottesfurcht« als Weg zum Leben) und die erst im Zusammenhang mit der jehowistischen Redaktion geschehene Einfügung der Geschichte in den größeren Erzählzusammenhang 8 0 lassen hinsichtlich der Entstehung der »Hebammengcschichte« an die Zeit um 700 v. Chr. denken, zumal in ihr gerade eines der Hauptprobleme jener Epoche der Geschichte Israels angesichts der assyrischen Bedrohung thematisiert erscheint. Keinesfalls aber kann die »Hebammengeschichte« als jahwistisch 8 1 , auch nicht - trotz der Akzentuierung der Gottesfurcht — als elohistisch 8 2 angesprochen werden. 77

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Vgl. Gen 12,16a, wo gleichfalls die allgemeine Wendung hêtib Ie erst sekundär durch 12, 16b eine konkrete Interpretation, hier auf den großen Viehbesitz Abrahams hin, erfahren hat. Zur »Gottesfurcht« sind zu vergleichen S. Plath, Furcht Gottes. Zum Begriff jare' im Alten Testament, AzTh II/2, 1963; J. Becker, Gottesfurcht im Alten Testament, AnBib 25, 1965; J. Haspecker, Gottesfurcht bei Jesus Sirach. Ihre religiöse Struktur und ihre literarische und doktrinäre Bedeutung, AnBib 30, 1967; L. Derousseaux, La crainte de Dieu dans l'Ancien Testament. Royauté, Alliance, Sagesse dans les royaumes d'Israël et de Juda. Recherches d'exégèse et d'histoire sur la racine yâré', Lectio Divina 63, 1970 sowie H. J. Stähli, Art. fr\ THAT I (1971), 7 6 5 - 7 7 8 ( 7 6 9 - 7 7 8 ) . Vgl. B. S. Childs, The Birth of Moses, JBL 84 (1965), 1 0 9 - 1 2 2 ( 1 1 9 - 1 2 1 ) , ders., The Book of Exodus. A Critical, Theological Commentary (OTL), 1974, 13 und W. H. Schmidt, BK I I / l , 1974, 25f., aber auch J. Becker, AnBib 25, 1965, 193. Der jehowistischen Geschichtsdarstellung gehören in Ex 1 die Verse 1 0 * . l l b . l 2 . 1 5 - 2 0 a . 21.22 an, wobei 1,15 a. 1 6 * - 2 0 a als eine von Je rezipierte Einzelgeschichte zu verstehen ist. Das zeigt deutlich, daß die konkrete Gestalt des vorpriesterschriftlichen Bestandes von Ex 1 (zu P vgl. P. Weimar, fzb 9, 1973, 1 5 - 5 1 ) fast ausschließlich durch die jehowistische Darstellung bestimmt ist, während J (vgl. Anm. 73) sich darauf beschränkt, zu konstatieren, daß Israel ein »großes und starkes Volk« geworden ist, E hingegen an der Darstellung überhaupt nicht beteiligt ist. Zu den quellenkritischen Zuweisungen von Ex 1 , 1 5 - 2 0 ( 2 2 ) vgl. die Übersicht bei G. Fohrer, Überlieferung und Geschichte des Exodus. Eine Analyse von Ex 1 - 1 5 , BZAW 91, 1964, 12 Anm. 7. Für diese Zuweisung vgl. zuletzt wiederum W. H. Schmidt, BK I I / l , 1974, 2 2 f . - Auf die »Gottesfurcht« als zentrales Thema des Elohisten haben besonders J. Becker, AnBib 26, 1965, 1 9 3 - 1 9 8 und H. W. Wolff, Zur Thematik der elohistischen Fragmente im Pentateuch, EvTh 27 (1969), 5 9 - 7 2 ( 6 2 - 6 7 ) = Gesammelte Studien zum Alten Testament,

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

Die Berührungen der »Hebammengeschichte« Ex 1,15—20* mit der »Ahnfraugeschichte« Gen 12,10—20* sind offenkundig. Allein schon die äußere Anlage beider Geschichten mit der ihnen gemeinsamen charakteristischen Szenenabfolge (Rede-Handlung-Rede/Gespräch) läßt einen solchen Zusammenhang erkennen. Hinzu kommen eine Reihe verbaler und thematischer Entsprechungen zwischen beiden Geschichten. So wird die Rede des Pharao/Königs von Ägypten im Schlußteil beider Erzählungen jeweils mit einer vorwurfsvollen Frage (mäh-zzo't'asita-lli/mäddu" sitaen häddabar häzzx) eröffnet. Vor allem aber ist sowohl in Gen 12,10—20* als auch in Ex 1,15—20* die Antithetik von Leben und Tod das beherrschende Thema, wobei in beiden Fällen das »Vertrauen zu Jahwe« bzw. die »Gottesfurcht« als der Weg, der zum Leben führt, vorgestellt ist. Auffälligerweise ist am Ende der »Hebammengeschichte« in Ex 1,20a das Handeln Elohims an den Hebammen mit der Wendung (hetib le) festgehalten, mit der in Gen 12,16a der Erweis des »Guten« an Abraham durch den Pharao konstatiert ist; während in der »Ahnfraugeschichte« jedoch der Besitz ungestörten, gesicherten Lebens, der mit der Wendung hetib le umschrieben ist, auf menschliches Planen zurückgeht, ist er in der »Hebammengeschichte« Frucht der »Gottesfurcht«. Weiterhin ist noch bemerkenswert, daß in beiden Geschichten die Ägypter (Pharao/Hebammen) positiv gewertet erscheinen. Diese Beobachtungen aber lassen nun vermuten, daß zwischen diesen beiden Geschichten wahrscheinlich nicht nur ein Zusammenhang aufgrund einer Herkunft aus dem gleichen geistig-literarischen Raum besteht, sondern daß sie enger zusammengehören und unmittelbarer aufeinander bezogen sind. Möglicherweise standen sie, bevor sie vom Verfasser der jehowistischen Geschichtsdarstellung an ihre jetzige Stelle versetzt wurden, einmal (in einem Zyklus thematisch zusammenhängender Geschichten?) nebeneinander, da in ihnen, von verschiedenem Blickwinkel aus, die gleiche Frage verhandelt wird, die in Gen 12,10-20* zwar nur indirekt aus dem Erzählduktus zu erschließen ist, in Ex 1,15—20* aber offenliegt, so daß gerade auch von der »Hebammengeschichte« her ein (klärendes) Licht auf die »Ahnfraugeschichte« fallen kann. Wird so in Ex 1,15—20* am Beispiel der ägyptischen Hebammen positiv gezeigt, daß sich ein gesichertes und ungestörtes Leben nur von Gott her durch »Furcht Gottes« und Vertrauen auf ihn verwirklichen läßt, so wird am Beispiel des Verhaltens Abrahams in Gen 12,10—20* negativ aufgewiesen, daß ein solches Leben nicht aufgrund eigenen Planens zu erreichen ist, eine Lehre, die zusätzlich noch durch das richtige Verhalten des Pharao auf Jahwes Handeln hin in dieser Geschichte unterstrichen wird. Daß Abraham sich falsch verhält, die ägyptischen Hebammen und der Pharao aber richtig, macht deutlich, daß der Verfasser der beiden Geschichten herausfordern und eine Entscheidung beim Hörer/Leser herbeiführen will.

ThB 22, 1973 2 , 4 0 2 - 4 1 7 ( 4 0 5 - 4 1 1 ) hingewiesen. Jedoch kann die »Gottesfurcht« weder als das schlechthin zentrale Thema des Elohisten verstanden werden, wie H. W. Wolff herauszustellen sucht (zur Kritik vgl. schon J. Becker, Bib 53, 1972, 2 8 0 - 2 8 7 [284]), noch kann sie auf die elohistische Geschichtsdarstellung eingeschränkt werden, wie der literarische Befund deutlich macht; außerdem erscheint die »Gottesfurcht« bei E im allgemeinen im Zusammenhang mit den Themen »Erprobung« und »Sünde«, nicht aber wie in Ex 1 , 1 5 - 2 0 * - mit dem Thema »Leben«.

Genesis 12,10-20

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Weniger dicht alszui »Hebammengeschichte« Ex 1,15-20* sind die Berührungen von Gen 12,10-20* mit zwei weiteren »Kurzgeschichten«. Die erste dieser beiden Geschichten ist die im vorliegenden Erzählzusammenhang sich unmittelbar an Ex 1,15-20 anschließende Geschichte Ex 1,21—2,10 von der Rettung des Mose, die ebenso wie Ex 1,15 bis 20 nur eine lockere Einbindung in den größeren Textzusammenhang erkennen läßt und mit der Exodusgeschichte allein durch die redaktionell vorgefügten Verse 1,21 + 22 verbunden erscheint 83 . Wie Ex 1,15—20 stellt auch die hier überlieferte Geschichte eine ursprünglich einmal selbständig überlieferte Einzelgeschichte mit eigenem Aussageziel dar, die erst sekundär durch eine umfangreiche redaktionelle Bearbeitung in den vorliegenden Textzusammenhang eingebunden wurde 8 4 , wobei die Verse 2,4.5 a/3.6a0b/3.7-9.1Oaab, die thematisch von einem einheitlichen Grundgedanken bestimmt sind, der Redaktion zugerechnet werden müssen, während die ursprüngliche Einzelgeschichte in 2,l-3.5aab.6aaba.lOa/3 vorliegt 85 . 83 84

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Vgl. auch W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 62f. Ein Überblick über die bisherigen Lösungsversuche des literarkritischen Problems von Ex 1,21-2,10 findet sich bei W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 51f. Für die Ausgrenzung der ursprünglichen Form der »Rettungsgeschichte« in Ex 2,1 —10 vgl. vor allem die bei W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 5 2 - 6 2 angeführten Gründe, so daß in diesem Zusammenhang auf eine eingehende Begründung der literarkritischen Abgrenzungen verzichtet werden kann. Das soll nur in den Fällen geschehen, in denen das eigene Ergebnis von W. H. Schmidt abweicht. Solche Abweichungen betreffen vor allem die Verse 2,5 und 6, die bei W. H. Schmidt ganz der ältesten Form der Geschichte zugerechnet werden, was jedoch nur schwerlich möglich ist. Ohne Funktion innerhalb der vorgegebenen »Rettungsgeschichte« bleibt die Angabe in 2,5 aß, daß die Dienerinnen der Tochter des Pharao am Nilufer auf und ab gingen, ein Datum, das aber dann sofort verständlich wird, wenn man es im Zusammenhang mit der auf Je zurückgehenden Redaktion sieht, wo diese Nachricht auf der einen Seite ein Gegengewicht schaffen will zu der Aussage von 2,4, wonach sich die Schwester in einiger Entfernung aufgestellt hat, um zu sehen, was dem Kind zustößt, und auf der anderen Seite den mit der deiktischen Partikel wehinne eingeleiteten Nominalsatz nä'är bokäe in 2,6 a/3 vorbereitet, mit dem sie durch Stichwortverknüpfung verbunden ist. Auch dieser Nominalsatz in 2,6 a/3 muß gegenüber der in 2,6 aa gemachten Aussage, die eine Parallelformulierung zu 2,6 aß darstellt, als redaktionell beurteilt werden. Dafür spricht nicht allein die syntaktisch recht lockere Einbindung von 2,6 a/3 in den Textzusammenhang, sondern auch die Bezeichnung des Kindes mit dem Begriff nä'är anstelle von jaelaed, der im Gegensatz zu nä'är in der ursprünglichen Form der Geschichte fest verankert ist (2,2a/3.3ba). Zudem dient die einzige neue Information, die Charakterisierung des Kindes als »weinend« bokäe, die 2,6 a/3 gegenüber 2,6 aa enthält, dem Vorverweis auf den Ausruf der Tochter des Pharao in 2,6 bß. Auch hierin ist eine redaktionelle Erweiterung zu sehen. Der Ausruf der Tochter des Pharao in 2,6 bß ist von der ursprünglichen Fassung der Geschichte, die sich im Gegensatz zur jehowistischen Form der Geschichte zudem völlig wortlos abspielt, nicht gedeckt, da er einerseits mit dem Mordbefehl des Pharao in 1,22 in Verbindung steht, andererseits gerade dazu dient, den redaktionellen Einschub 2 , 7 - 1 0 a a b vorzubereiten (vgl. in 2,7a/3 den Hinweis auf die »stillende Frau der Hebräerinnen«.). Außerdem zeigt dieser Ausruf der Tochter des Pharao eine auffällige strukturelle Verwandtschaft mit der ebenfalls von der Tochter des Pharao vorgenommenen Namengebung in 2,10b (mijjälde ha'ibrim zaejki min-hämmäjim metitihü), wobei überdies beide Reden der Tochter des Pharao in gleicher Funktion stehen, da sie in der jehowistischen Fassung der Geschichte dazu dienen, den Abschluß der zweiten (2,6b) und dritten Szene (2,10b) zu markieren, wogegen die erste Szene durch 2,4b abgeschlossen wird. Indessen wird die in 2,10aß berichtete Annahme des Kindes zum Sohn durch

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

Die in 2 , 1 - 1 0 vorgegebene Geschichte ist durch einen klaren dreiszenigen Aufbau bestimmt. Ohne Exposition setzt sie unmittelbar mit der ersten Szene (2,1.2) ein, die ihrerseits ebenfalls dreiteilig gefügt ist, wobei jeder Teil aus jeweils zwei einander zugeordneten Gliedern besteht (2,l/2a/2b). Aus dem Gefiige der gleichförmigen Aussagesätze hebt sich aufgrund der Satzkonstruktion (Hauptsatz + nominaler ki-Satz) nur 2,2ba (wätterae' 'otö ki-töb hü') ab, wo auf die Schönheit des Sohnes als auslösendes Moment für das weitere Geschehen hingewiesen wird. Unmittelbar an das Ende der ersten Szene knüpft der Beginn der zweiten Szene (2,3) an, indem die Aussage von 2,2bß in 2,3a in negativer Form wiederaufgenommen wird. Auch diese Szene besteht aus drei stilistisch deutlich voneinander abgehobenen Gliedern (2,3 aa/3 aß/3 b), wobei das Mittelglied (2,3 a/3) hier nur aus einem Element besteht, während in den Eckgliedern zwei Aussagen parallel zueinander gefugt sind. Mit dieser Szene, die aus einem gleichmäßigen Gefüge von Aussagesätzen besteht, wird der Übergang hergestellt zur abschließenden dritten Szene (2,5aab.6aaba.l0a/3), in der im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Szenen, wo die »Tochter Levis« (bät-lewi) s 6 die bestimmende Gestalt gewesen ist, die »Tochter des Pharao« (bät-pär'ö) das Geschehen bestimmt. Erneut knüpft der Szeneneingang in 2,5 aa an den Szenenabschluß in 2,3bß an, wobei der Eingangssatz aus der Darstellung insofern herausgehoben ist, als hier die Aussage des Herabsteigens der Tochter des Pharao durch einen Infinitivsatz weitergeführt ist. Durch diese stilistische Herausstellung von 2,5 aa erfährt die ihr folgende Mitteilung, daß die Tochter des Pharao den Kasten sah (2,5 b), gleichfalls einen besonderen Akzent, der ihr sonst nicht zukäme. Wie die erste Szene besteht auch die dritte Szene aus drei parallel gefügten Gliedern (2,5 a a b a / 5 b/3.6aa/6ba. 10a/3), wobei das Mittelstück dadurch eine Herausstellung erfahren hat, daß seine beiden parallel laufenden Glieder in sich zweitaktig strukturiert und einander spiegelbildlich (2 + 1//1 + 2) gegenübergestellt sind. Überdies ist der Abschluß des Mittelstücks noch dadurch besonders akzentuiert, als das Sehen des Knaben durch doppeltes Objekt (pronominales Suffix und nominales Objekt) mitgeteilt ist (wättir'ehü 'aet-häjjaelaed) (2,6 aa) 1 . Am Abschluß der Geschichte wird nur knapp konstatiert, daß die Tochter des Pharao daraufhin Mitleid über den Knaben empfand und dieser ihr zum Sohn wurde (2,6ba.lOa(3). Die vorliegende Geschichte bildet eine in sich geschlossene Einheit. Auffallend ist das gänzliche Fehlen von Reden. Parataktisch ist Aussage an Aussage gereiht. Nur an wenigen Stellen sind Abweichungen zu beobachten, an denen greifbar wird, wo der Erzähler Akzente setzt. Kennzeichnend für die Erzählung ist, daß in ihr Frauengestalten vorherrschen. Die

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die Tochter des Pharao zur ursprünglichen Form der Geschichte gehört haben, wofür aber ein Hinweis auf außerbiblische Parallelen nicht genügt. Einerseits verlangt nämlich die Mitteilung in 2,6ba, daß die Tochter des Pharao Mitleid mit dem Kind empfand, eine Fortsetzung, als welche nach dem umfangreichen Einschub in 2 , 6 b 0 - l O a a b nur 2,10a/} angesprochen werden kann, andererseits nimmt gerade die Nachricht von der Annahme des Kindes zum Sohn die entsprechende Notiz in 2,2aß, wonach die Tochter Levis einen Sohn gebar, wieder auf und schließt damit den sonst offen bleibenden Erzählkreis.

Da der in Ex 2 , 1 - 1 0 vorgegebenen »Rettungsgeschichte« gerade daran liegt, die Tochter Levis der Tochter des Pharao, womit im Sinne des Erzählers jeweils deren Tochter schlechthin gemeint ist, gegenüberzustellen, ist die häufig vorgenommene Textänderung des masoretischen 'act-bät-lewi in Ex 2,1 nach LXX (mibbenöt-lewi) (vgl. dazu zuletzt 8 7 W. H. Schmidt, BK H/1, 1974, 49f.) nicht möglich. Die syntaktisch auffällige Konstruktion mit doppeltem Objekt ist stilistisch bedingt, berechtigt also nicht zu einer Textänderung oder zur Ausscheidung von 'aet-häjjaelaed als Glosse (dazu vgl. zuletzt W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 50f.). Dagegen muß 2,6aß (wehinne-na'är bokäe) als redaktionelle Einfügung durch Je verstanden werden (dazu Anm. 85).

Genesis 1 2 , 1 0 - 2 0

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Erwähnung des Mannes aus dem Hause Levi (7s mibbet lewi) ist schemabedingt. Der Sohn/ Knabe bleibt als Objekt des Geschehens im Hintergrund. Das Geschehen ist ganz auf die beiden Frauen, die »Tochter Levis« auf der einen Seite und die »Tochter des Pharao« auf der anderen Seite, konzentriert. Beide Frauengestalten bleiben namenlos und sind so als Typen vorgestellt. Auch der Sohn erhält keinen Namen, so daß auch er als typische Gestalt zu verstehen i s t 8 8 . Während die mittlere Szene (2,3) eher die Drehscheibe bildet, die von der ersten zur letzten Szene überleitet, liegt die eigentliche Aussage in den beiden Eckszenen ( 2 , 1 . 2 / 5 a a b . 6 a a b a . l O a 0 ) , in denen sich auch die stilistischen Herausstellungen einzelner Aussagen finden. In diesen beiden Szenen treten sich die beiden Frauengestalten gegenüber. Allem Anschein nach liegt dem Verfasser der Geschichte an dieser Gegenüberstellung der Frauen und der damit erreichten Kontrastierung ihres Verhaltens 8 9 . Dreimal ist innerhalb der kurzen, ganz auf das Aussageziel ausgerichteten Geschichte von einem »Sehen« berichtet, wobei der Erzähler überdies gerade diese Aussagen stilistisch besonders hervorgehoben hat. Beim ersten Mal ( 2 , 2 b a ) ist es das Sehen der Schönheit des Sohnes durch seine Mutter, die »Tochter Levis«, das bei ihr eine Reihe von Maßnahmen (Verstecken und Aussetzen des Sohnes) evoziert, die darauf abzielen, das offensichtlich wegen seiner Schönheit bedrohte Leben des Sohnes - hierin liegt eine der für das Verständnis der Geschichte wichtigen, in ihr selbst aber unausgesprochen bleibenden Voraussetzungen - zu retten. In der Schlußszene wird ein zweimaliges »Sehen« der »Tochter des Pharao« festgehalten (2,5b + 6 a a ) . In 2,5b führt das »Sehen« zur Entdeckung des Kastens im Schilf, womit sich zugleich die von der »Tochter Levis« in Szene gesetzten Maßnahmen als unzureichend erweisen, da sie das Leben des Sohnes letztlich nicht sichern können. Ein letztes Mal führt der Erzähler das Stichwort »Sehen« in 2 , 6 a a ein, als er berichtet, daß die »Tochter des Pharao« den Knaben sieht, wobei der Erzählfluß durch die doppelte Setzung des Objektes deutlich gehemmt erscheint. Dieses »Sehen« entspricht genau dem von der »Tochter Levis« berichteten »Sehen«. Seine Folge ist hier das Mitleid mit dem Knaben ( 2 , 6 b a ) sowie seine Annahme zum Sohn (2,10a/3), womit dann auch der mit 2,2a (wattelaed beri) eröffnete Erzählbogen geschlossen ist. In der an der planvollen Verwendung des Motivs des Sehens sichtbar werdenden Kontrastierung der Handlungsweise der beiden Frauengestalten, die auch in der Art, wie das Motiv des »Nehmens« (Iqh) innerhalb der Geschichte verwendet ist 9 0 , sichtbar wird, zeigt es sich, daß die in 2 , 1 - 1 0 vorgegebene Erzählung nicht einfach als die Geschichte von der wunderbaren Rettung eines (später berühmt gewordenen) Kindes verstanden werden kann. Im Vordergrund steht nicht das Schicksal des Kindes, sondern das Verhalten der Frauen dem Kind gegenüber. Die »Tochter Levis« versteckt ihr Kind und setzt es schließlich aus, wohl aus der Furcht heraus, daß gerade wegen seiner Schönheit Gefahr für sein Leben droht. Dem88

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In der ursprünglichen Fassung der Geschichte war diese also noch nicht mit Mose verbunden. Die Identifizierung des Sohnes mit Mose ist erst im Zusammenhang mit der Einbindung der Einzelgeschichte in die jehowistische Geschichtsdarstellung geschehen. Die kontrastierende Gegenüberstellung der ersten und dritten Szene (Ex 2 , 1 . 2 / 5 a a b . 6aaba.lOa(3) ist allein schon durch die Form der Einleitung dieser beiden Szenen mit einem Verb des Gehens (hlk/jrd) angezeigt, wobei wäjjelaek in 2,1 im übrigen nur das übliche wäjehi vertritt (dazu W. H. Schmidt, BK II/1, 1974, 49), was die Bezugnahme noch unterstreicht. Das Motiv des »Nehmens« findet sich in der »Rettungsgeschichte«, planvoll verteilt über ihre drei Szenen, dreimal, 2,1b von dem Mann aus dem Hause Levi, 2,3 a a von der Tochter Levis und 2,5bß von der Magd der Tochter des Pharao ausgesagt. Dabei steht beim zweiten und dritten Mal jeweils der »Kasten« (teba) als Objekt zu Iqh, womit offenkundig eine Kontrastierung der Handlungsweisen der Tochter Levis und der Tochter des Pharao zum Ausdruck gebracht ist.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

gegenüber ist die Handlungsweise der »Tochter des Pharao« mcnt von einer solchen Furcht bestimmt, sondern aus Mitleid. Die Annahme zum Sohn (2,10a/3), die den denkbar größten Kontrast zur Nachricht von der Geburt des Sohnes (2,2 a) bildet, unterstreicht noch einmal diesen Gedanken. Der »Tochter Levis«, deren von der Furcht bestimmte Maßnahmen das Leben des Kindes nicht eigentlich sichern können, wird die »Tochter des Pharao« gegenübergestellt, die offenbar eine solche Furcht nicht kennt. Mit der Kontrastierung des Verhaltens der beiden Frauen übt der Erzähler Kritik an 91

der »Tochter Levis« , die dadurch zusätzlich an Schärfe gewinnt, daß ihr gerade die »Tochter des Pharao« gegenübertritt. Die Nennung der »Tochter Levis« deutet dabei möglicherweise die Zielgruppe an, gegen deren Verhalten sich die hier geübte Kritik richtet, die offizielle Priesterschaft 92 . Jedenfalls hat man eine gebildete Schicht.als Adressaten der Geschichte anzunehmen, wofür allein schon die verschlüsselte Art spricht, in der hier Akzente gesetzt sind. Die sich betont untheologisch gebende Geschichte, in der Jahwe überhaupt nicht auftritt, auch wenn er hintergründig das Geschehen bestimmt, ihre aufgeklärte Art sowie die Nähe zur Weisheitsliteratur lassen in ihr eine aus weisheitlich geschulten Kreisen stammende Erzählung vermuten, wobei diese Gruppen möglicherweise mit prophetischen Kreisen Berührung gehabt haben oder ihnen sogar nahestanden 93 . Das alles spricht dafür, daß die »Rettungsgeschichte« in 2,1-10* nicht eine alte Geschichte ist. Da auch die Einordnung dieser Erzählung in den größeren Erzählzusammenhang mit Hilfe von 1,21 + 22 (Je) erst jehowistisch ist 94 , wird ihre Entstehungszeit wohl kaum viel früher liegen; am wahrscheinlichsten ist das ausgehende 8. Jh. nach dem Untergang des Nordreiches Israel. Deutlich sind die Berührungen der Geschichte in 2,1 —10* sowohl mit der ihr im vorliegenden Textzusammenhang unmittelbar vorangehenden »Hebammengeschichte« in 1,15—20*, auf die neben dem »ägyptischen« Kolorit vor allem die Akzentuierung der Frauengestalten deutet, wobei hier wie dort die ägyptischen Frauen (Hebammen/Tochter des Pharao) positiv und mit Sympathie gezeichnet sind, als auch besonders mit der »Ahnfraugeschichte« in Gen 12,10—20*. In beiden Erzählungen liegt der Akzent der dreiszenigen Geschichte auf den beiden Eckszenen, in denen »Israel« und »Ägypten« in ihren führenden Vertretern, Abraham/Tochter Levis auf der einen sowie der Pharao/Tochter des Pharao auf der anderen Seite, einander gegenübergestellt sind, wobei Israel an Ägypten ge91

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Bezeichnend für die Arbeit der jehowistischen Redaktion ist die Art, wie die Kritik an der »Tochter Levis« bei ihr durch redaktionelle Hinzufügungen und die Einbindung der Geschichte in den größeren Erzählzusammenhang umgebogen wurde zu einer Darstellung des Glaubens und Vertrauens auf Gottes Sorge (vgl. dazu etwa U. Cassuto, A Commentary on the Book of Exodus, 1967, 18; M. Noth, ATD 5, 1965 3 , 15 und W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 68.70, aber auch unten zum Textzusammenhang).

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die starke Akzentuierung der Gestalt Aarons in der jehowistischen Geschichtsdarstellung. 93 Auf die Nähe der Geschichte zur Weisheitsliteratur haben schon B. S. Childs, JBL 84 (1965), 119-121 und im Anschluß daran W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 58.63 hinge9 4 wiesen. Die Zuordnung der Geschichte Ex 1,21-2,10 zur jehowistischen Geschichtsdarstellung wird dem literarischen und auch sprachlichen Befund am besten gerecht. Keinesfalls ist es jedoch möglich, die Geschichte mit J, der nach 1,20b (vgl. Anm. 73) erst wieder mit 2,11 a* (wäjjigdäl mosae wäjjese". . .) einsetzt, geschweige denn mit E, der an Ex 1/2 überhaupt nicht beteiligt ist (vgl. Anm. 80), zu verbinden. Signifikant für die Schwierigkeiten, die Rettungsgeschichte einer dieser beiden Pentateuchquellen zuzuordnen, sind die bei W. H. Schmidt, BK II/l, 1974, 63f. angestellten Überlegungen.

Genesis 12,10-20

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messen wird. In beiden Fällen ist das konfliktauslösende Motiv das Sehen der Schönheit (der Frau/des Sohnes), das jeweils lebensichernde Maßnahmen in Gang setzt, die sich dabei nur vordergründig als genügend erweisen. Zusammen mit der »Ahnfraugeschichte« Gen 12,10—20* und der »Hebammengeschichte« Ex 1,15—20* scheint die in Ex 2 , 1 - 1 0 * überlieferte »Rettungsgeschichte« einmal zu einem Kranz »ägyptisierender«, thematisch eng zusammenhängender und wohl auch zueinander in Beziehung gesetzter »Kurzgeschichten« gehört zu haben, ohne daß sich die innere Struktur eines solchen »Erzählkranzes« hier schon näher fassen ließe. Die Geschichten sind aufgrund ihrer Anlage als ein Stück »Auseinandersetzungsliteratur« zu verstehen, die die Adressaten aus ihrer Selbstsicherheit heraus zu einer Entscheidung führen wollen. Ihre durchgehend weisheitliche Prägung deutet auf eine Herkunft aus weisheitlich gebildeten Kreisen am Jerusalemer Hof. In gebildeten Kreisen, möglicherweise i m Priesterstand (Levi), werden auch die Adressaten zu suchen sein. Die letzte der im Horizont von Gen 12,10-20* liegenden Geschichten ist die Geschichte von den Göttersöhnen und Menschentöchtern in Gen 6 , 1 - 4 , deren Charakter sich deutlich von den anderen zum Vergleich herangezogenen Erzählungen abhebt. Wie diese muß auch Gen 6 , 1 - 4 als eine ursprünglich einmal selbständig überlieferte Einzelgeschichte verstanden werden, die sich aus dem vorliegenden Textzusammenhang noch leicht als eine eigene, in diesen mit Hilfe redaktioneller Verknüpfungselemente nur locker eingebundene kleine Erzähleinheit isolieren läßt 9 5 . Dabei wird heute allgemein 6,3 als ein solcher redaktioneller Zusatz verstanden, durch den der in 6,1.2. + 4 (zumindest bruchstückhaft) erhaltene Mythos von der Entstehung der »Riesen« in den größeren Erzählzusammenhang eingegliedert worden ist 9 6 . Da sich aber 6,1.2 + 4 nicht zu einem in sich sinnvollen und bruchlosen Er95

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Für die Forschungsgeschichte vgl. C. Westermann, Genesis 1 - 1 1 , Erträge der Forschung 7, 1972, 6 8 - 7 6 (bes. 74). In diesem Punkt scheint sich heute ein Konsens der Forschung abzuzeichnen, vgl. nur B. S. Childs, Myth and Reality in the Old Testament, SBT 27, 1962 2 , 51 ff.; W. H. Schmidt, Mythos im Alten Testament, EvTh 27 (1967), 237-254 (243-246); O. Loretz, Götter und Frauen (Gen 6, 1 - 4 ) . Ein Paradigma zu: Altes Testament - Ugarit, BiLe 8 (1967), 120-127; ders., Schöpfung und Mythos. Mensch und Welt nach den Anfangskapiteln der Genesis, SBS 32, 1968, 3 1 - 4 8 ; W. Schlisske, Gottessöhne und Gottessohn im Alten Testament. Phasen der Entmythisierung im Alten Testament, BWANT V/17, 1973, 2 0 - 3 2 ; C. Westermann, Genesis, BK 1/1, 1974, 494-497.504f. Vgl. C. Westermann, BK 1/1, 1974, 495, aber auch schon H. Gunkel 59. Die beiden Aussagen von Gen 6,3 aßb und 4 a a * (bis '"saer) heben sich von der in Gen 6, 1.2.3 aa.4aa*0b vorliegenden Geschichte deutlich als ein einheitlicher, stilistisch zusammenhängender Interpretationseinschub ab. Von der Straffestsetzung in 6,3 aa ist die in 6,3 aß gegebene Begründung, die auch inhaltlich nicht zum Vorangehenden paßt, allein schon durch die Partikelkombination beSäggäm abgesetzt. Das durch 6,3 a.\%\ 4, (18.) 29a (ohne weäharort). 29b (mit Abänderung von wäjjä'äsepii in wäjjosaep). 3 I b a bestimmen läßt. Hier handelt es sich um eine Beauftragung des Mose zur Rede an die Ältesten Israels, nicht aber um einen Berufungsbericht. - 3. Ein Berufungsbericht liegt dagegen vor innerhalb der elohistischen Geschichtsdarstellung, der in Ex 3/4 die Verse Ex 3,1 bß (ohne horebd).4b* (ohne mittök hässenäe).6a.9.\0; 4 , 2 1 - 2 3 zugehören. - 4. Die jahwistische und elohistische Erzählung hat die jehowistische Redaktion miteinander verbunden und durch redaktionelle Hinzufügungen erweitert, wobei in Ex 3/4 auf die Hand von Je Ex 3,1 bß* (horebä)Ab* (mittök hctssenae).l* (mippene nogesdw).\ 1 - 1 5 . 1 9 . 2 0 ; 4 , 1 - 9 . 1 9 - 2 0 . 2 4 - 2 6 . 2 7 - 2 8 . 29a* (we'äharon).29b* (wäjjaäsepü)3Q.3\ a b ß zurückgeht. Jedoch hat Je hier nicht völlig frei formuliert, sondern zwei vorgegebene »Kurzgeschichten«, Ex 4 , 2 - 4 + 6 - 7 und Ex 4 , 2 4 - 2 6 a, verwendet. - 5. Eine noch jüngere Redaktionsschicht wird greifbar in Ex 3,8a* ('ael-aeraes zabät halab üdebas).8b. 17.21.22, die als deuteronomistisch angesprochen werden muß. - 6. Jüngster Bestandteil in Ex 3/4 ist die theologische Abhandlung 4 , 1 0 - 1 7 , die P8 voraussetzt und wahrscheinlich auf R p zurückgeht.

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Die Geschichten von der Gefährdung der Ahnfrau

Vertrauens des Volkes auf Mose und seine Botschaft geht, wobei hae'aemin le in diesem Abschnitt meist in Parallele zu sm'be/leqol s t e h t 1 5 6 . Auch hier sind die hae'aemin-Aussagen (Ex 4,1 + 5 + 8—9) von der jehowistischen Redaktion als interpretierende Rahmenverse einer vorgegebenen Geschichte (Ex 4,2—4 + 6—7), die von magischen Handlungen des Mose zur Darstellung der Wirksamkeit des Wortes Jahwes berichtet, eingefugt worden. Positiv konstatierend ist das Motiv des Vertrauens — bei absolutem Gebrauch des Verbums hae'aemin — vom Jehowisten erneut am Schluß der »Berufungsgeschichte« in Ex 4,31 a eingeführt worden. Innerhalb der jehowistischen Exodusgeschichte begegnet das Vertrauensmotiv sodann nochmals am Schluß der Meerwundergeschichte in Ex 14,31 b 1 5 7 , wo bezeichnenderweise, unter Verwendung der Konstruktion hae'aemin be, von einem Vertrauen auf Jahwe und Mose, den Knecht Jahwes, gesprochen wird, so daß am Schlußpunkt der Exodusgeschichte des Je die beiden Aussagenreihen des Vertrauens auf Jahwe wie des Vertrauens auf Mose und seine Botschaft miteinander verknüpft erscheinen. Ein letztes Mal innerhalb von J e 1 5 8 begegnet das Motiv des Vertrauens auf Jahwe (hae' a e min beJHWH) in Num 1 4 , 1 1 b 1 5 9 , wo es wie in Ex 4,1—9 mit dem »Zeichen«-Motiv verbunden erscheint. Auch hier geht es — wie in Ex 4,1—9 — um das Problem des Nicht-Vertrauens auf Jahwe. Die Thematik des Glaubens/Vertrauens stellt ein bestimmendes Element innerhalb der jehowistischen Geschichtsdarstellung dar. Nur zweimal ist konstatierend das Vertrauen auf Jahwe (hae' a e min + be) angesprochen, in Gen 15,6a von Abraham auf das Verheißungswort Jahwes hin sowie in Ex 14,31 b vom ganzen Volk als Reaktion auf die Befreiung Israels am Schilfmeer. Ergänzend treten noch zwei Erzählungen zu Beginn der Exodusgeschichte hinzu, Ex 1,15 bis 20 und 1,21—2,10, wo zwar nicht das Stichwort hae'aemin verwendet, jedoch der damit angezielte Sachverhalt angesprochen ist. Ein anderer Aspekt wird in Ex 4,31 a in den Vordergrund gerückt, insofern hier das Vertrauen des Volkes auf Mose und sein Wort auf die von ihm gewirkten Zeichen ('otot) hin konstatiert ist. Der positiven Aussagereihe tritt korrespondierend eine negative gegenüber. Der Mitteilung des Vertrauens auf Jahwe/Mose entspricht jeweils eine negative Aus15 6

15 7

Zum Gebrauch von hae'aemin im Buch Exodus vgl. auch H. Gross, Der Glaube an Mose nach Exodus ( 4 . 1 4 . 1 9 ) , in: Wort-Gebot-Glaube. Beiträge zurTheologie des Alten Testaments. FS W. Eichrodt = A T h A N T 59, 1970, 5 7 - 6 5 .

Zur Analyse von Ex 14 vgl. vorläufig noch die Hinweise bei P. Weimar - E. Zenger, SBS 75, 1975, 4 7 - 7 0 . - Für Ex 1 4 , 3 1 b hat schon R. Smend, Zur Geschichte von hae^emin, in: Hebräische Wortforschung. FS W. Baumgartner = VTS 14, 1 9 6 7 , 15 8 284—290 mit einer jüngeren Herkunft gerechnet. Die Verwendung von hae'aemin + be in Ex 19,9 ist nachjehowistisch (zur Zuordnung vgl. E. Zenger, fzb 3, 1971, 169.208). 159 N u m 14,11 b | 1 2 - 2 1 1 2 2 . 2 3 a ist als ein sekundärer Zusatz zu verstehen, der allem Anschein nach auf Je [Dtr] zurückgeht; zum literarkritischen Problem vgl. auch V. Fritz, Israel in der Wüste. Traditionsgescliichtliche Untersuchung der Wüstenüberlieferung des Jahwisten, MThSt 7, 1970, 23 mit Anm. 17 und S. E. Mc Evenue, The Narrative Style of the Priestly Writer, AnBib 5 0 , 1971, 91 Anm. 4. Jedenfalls ist es nicht möglich, Num 1 4 , 1 1 b für J zu reklamieren, da der größere Beziehungsrahmen, zu dem neben N u m 1 4 , 1 1 b noch Ex 3,20, Ex 3 4 , 1 0 und Jos 3,5 gehören (vgl. hierzu E. Zenger, fzb 3, 1971, 1 2 4 f . 1 3 7 . 1 4 6 ) , in dieser Form erst auf die jehowistischc Redaktion zurückgeht.

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sage, so der knappen Angabe des Vertrauens auf Jahwe in Gen 15,6 die Geschichte vom mangelnden Vertrauen in Gen 12,10-20, dem Vertrauen des Volkes auf Mose und sein Wort in Ex 4,31 a die »Abhandlung« des möglichen NichtVertrauens auf Mose in Ex 4,1—9 sowie dem Vertrauen des Volkes auf Jahwe und Mose in Ex 14,31b die rhetorische Frage Num 14,1 l b . Die kontrastierende Gegenüberstellung von positiven und negativen Aussagen, aber auch die starke Akzentuierung der negativen Aussagereihe machen deutlich, daß es dem Verfasser der jehowistischen Geschichtsdarstellung zwar um die Entwicklung eines positiven Leitbildes geht, daß er dieses aber in Auseinandersetzung mit dem mangelnden Vertrauen des Volkes auf Jahwe und Mose entfaltet. Hierin wird zugleich der aktuelle Bezugspunkt sichtbar. Von Bedeutung ist dabei vor allem, daß neben Jahwe auch Mose, der in Ex 14,31 b als »Knecht Jahwes« ('aebaed JHWH) bezeichnet wird, genannt ist, was wohl daraufhindeutet, daß man den »geistlichen Führern« des Volkes trotz der »Zeichen« nicht Vertrauen schenkte. Auch die starke Akzentuierung der »Zeichen« deutet auf eine zeitgenössische Problematik (vgl. etwa auch Jes 7,1-17). Beachtet man diese Bezüge, dann kommt der »Ahnfraugeschichte« in Gen 12,10—20 eine feste Funktion im Rahmen der jehowistischen »Vertrauens«-Theologie z u 1 6 0 .

II. GENESIS 20

1. Abgrenzung der

Texteinheiten

Gen 20 steht mit dem zuvor Erzählten nur in einem lockeren Zusammenhang. Als Verbindungsglied, das die Geschichte in Gen 20 in den größeren Erzählzusammenhang einbindet, dient die Notiz vom Aufbrechen Abrahams in den Negeb (wäjjissä' missam 'äbraham 'ärsä hännaegaeb) in 20,1 aa sowie die damit zusammenhängende Notiz in 20,1 aß, daß er sich zwischen Kadesch und Schur niederließ (wäjjesaeb bên-qades ûbên sûr). Beide Notizen weisen keine innere Verbindung mit der folgenden Geschichte auf. Vielmehr tragen sie in sich alle Kennzeichen einer sekundären Bildung. In diese Richtung deutet allein schon der durch miSsam hergestellte Anschluß nach hinten, wobei der genaue lokale Bezugspunkt - allem Anschein nach bewußt - offengelassen ist 1 6 1 . Aber auch sonst läßt sich die Aufbruchsnotiz 20,1 aa als sekundäres Verknüpfungselement wahrscheinlich 160

Für die nachjehowistischen Erweiterungen Gen 12,16b0; 13,10ba und 1 4 - 1 7 wäre die Frage nach dem Textzusammenhang auf einer anderen Ebene nochmals zu stellen; jedoch ist die Basis hierfür aufgrund der wenigen bisher gemachten Beobachtungen noch zu schmal, als daß dies sinnvoll möglich wäre. Die in der Literatur viel verhandelte Frage, worauf sich missam konkret zurückbezieht, ist wohl müßig, wenn man bedenkt, daß damit nur eine lockere Anknüpfung an das vorangehende Geschehen hergestellt werden soll. Solche sekundär gebildeten, redaktionellen Einleitungen, die nur einen allgemein gehaltenen Rückbezug ohne konkreten Haftpunkt enthalten, finden sich häufiger, um eine Geschichte in einen größeren Textzusammenhang einzuordnen. Hingewiesen sei hier nur auf die beiden sekundär vorgefugten Erzählungseinleitungen in Gen 15,1 a und 22,1 a, wo jeweils mit Hilfe der allgemeinen Wendung (wäjehi) 'ahar häddebarim ha'ellâé eine ursprünglich einmal im Rahmen der elohisti-

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machen. Alle drei mit ns' gebildeten Aufbruchsnotizen, die 2 0 , l a a voraufgehen (11,2; 12,9; 13,11), sind redaktionell und gehen auf Je zurück. Zudem steht 2 0 , l a a aufgrund der Verbindung von ns' mit 'arm hünnaegaeb als Zielangabe in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der entsprechenden Angabe in 12,9 (wüjjissä' 'äbram halök wenasö'" hännaegbä (vgl. auch die 12,9 wiederaufnehmenden Angaben in 13,1 + 3). In beiden Fällen dient die Aufbruchsnotiz dazu, eine Geschichte einzuleiten, die eine verwandte Situation aus dem Leben Abrahams berichtet. Das alles läßt vermuten, daß 12,9 und 20,1 aa von derselben Hand stammen, der aufgrund der Einführung der beiden aufeinander bezogenen Aufbruchsnotizen offensichtlich daran liegt, die beiden nachfolgenden Geschichten zu parallelisieren 162 . Da 12,9 auf Je zurückgeht, wird auch 2 0 , l a a als jehowistisch angesprochen werden müssen 1 6 3 . Für eine jüngere redaktionelle Bildung dieses Satzes spricht auch die Verbindung 'aeraes hannaegaeb, die ausschließlich in literarisch jüngeren Texten begegnet (Gen 24,62; Num 13,29; Jos 15,19; Ri 1,15). Auf die jehowistische Redaktion geht ebenfalls die mit 20,1 aa verbundene Notiz in 20,1 aß zurück. Die hier stehende ben-üben-Angabe, die die weite Ortsangabe 'aeraes hannaegaeb aus 20,1 aa einengt, hat innerhalb des Pentateuch Parallelen in den auf die jehowistische Redaktion zurückgehenden Versen Gen 13,3 und 16,14 (vgl. auch Num 21,13), außerdem noch in den von P/R p stammenden Stellen Gen 10,12, Ex 14,2 und Ex 16,1. Die Verwandtschaft von Gen 20,1 aß mit den jehowistischen ben-üben-Angaben wird zudem dadurch unterstrichen, daß die hier sich findenden Ortsangaben Kadesch und Schur offensichtlich aus dem im ganzen erst nachjahwistischen Kapitel Gen 16 aufgenommen sind (16,7b + 1 4 b ) 1 6 4 . Dadurch lenkt die jehowistische Redaktion die Erzählung zum geographischen Rahmen der Ismael-Geschichte in Gen 16 zurück, was wohl

162

163 164

sehen Geschichtsdarstellung überlieferte Geschichte in einen neuen, umfassenderen Textzusammenhang eingegliedert wurde, wobei offensichtlich bewußt die Angabe eines präzisen Bezugspunktes vermieden ist. Aus diesem Grunde ist möglicherweise auch in Gen 12,9 (vgl. 13,1 + 3) der Negeb als Zwischenstation auf dem Weg Abrahams nach Ägypten eingeführt worden. Vgl. auch R. Kilian, BBB 24, 1966, 190.197.201. Sowohl Kadesch (Gen 14,7; 16,14; 20,1; Num 13,26; 20,1.14.16.22; 32,8; 33,36.37;

34,4; Dtn 1,2.19.46; 2,14; 9,23; vgl. auch me-meribät qadei in Num 27,14 und Dtn 32,

51) als auch Schur (Gen 16,7; 20,1; 25,18; Ex 15,22) begegnen im Pentateuch nur in literarisch jüngeren Zusammenhängen. Die Nennung von Kadesch und Schur in Gen 20, 1 aß ist eine sekundäre Geographie aufgrund von Gen 16,7b + 14b. Keineswegs kann Gen 20,la/3 als jahwistisches Fragment verstanden werden (so auch R. Kilian, BBB 24, 1966, 190; gegen O. Procksch, Das nordhebräische Sagenbuch. Die Elohimquelle, 1906, 9 Anm. 1; ders., KAT I, 113.300; C. A. Simpson 633; M. Noth, ÜP 29 Anm. 87). Beachtet man, daß die geographischen Angaben in Gen 20,1 wohl als »theologische Geographie« zu verstehen sind (vgl. dazu Anm. 165), dann ist es aufgrund der schon immer beobachteten Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen geographischen Daten in Gen 20,1 jedenfalls nicht möglich, auf eine literarische Uneinheitlichkeit des Verses zu schließen. Aus diesem Grunde ist es dann auch nicht nötig, eine redaktionelle Verkürzung von Gen 20,1 durch R , E um die zu Gen 12/26 parallele Angabe, daß Abraham wegen einer Hungersnot das Land verlassen habe, anzunehmen (vgl. H. Holzinger 159; R. Smend, Erzählung, 43; H. Gunkel 220; O. Eissfeldt, HS, 259*; R. Kilian, BBB 24, 1966, 190). Gegen die Annahme der redaktionellen Streichung einer solchen Angabe durch R , E spricht

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nicht zuletzt zu dem Zwecke geschehen ist, um schon in der Einleitung der in Gen 20 überlieferten Geschichte die Thematik der Ismael-Geschichte anklingen zu lassen, die erst in Gen 21,9—21 wieder ausdrücklich aufgenommen w i r d 1 6 5 . Zum anderen soll 20,1 aß an die entsprechende Angabe in 13,3 e r i n n e r n 1 6 6 . Aber auch die mit 20,1 a geographisch nicht ganz kongruente Notiz in 20,1 b, daß Abraham in Gerar als Fremdling weilte (wäjjagär bigrarY61, gehört nicht zur ursprünglichen Gestalt der Geschichte als deren expositioneile Einführung, sondern ist wie 20,1 a redaktionell 1 6 8 . Die Ortsangabe bigrar steht in keinem inneren Zusammenhang mit der folgenden Geschichte, in der sie ohne Bedeutung ist. Auf sie wird nur noch in der bei Abimelek stehenden appositionellen Ergänzung maelaek gerar in 20,2 Bezug genommen; doch steht dieser Vers selbst im Verdacht, sekundär der eigentlichen Geschichte, in der Abimelek ohne jede nähere Kennzeichnung allein mit Namen genannt ist, vorgeschaltet zu sein. Andererseits läßt sich die Notiz 20,1 b jedoch als redaktionelle Bildung verständlich machen. Die Lokalisierung des folgenden Geschehens ist wohl — aufgrund der Nennung von Abimelek als Gegenspieler Abrahams — nach dem Modell der in Gen 26,1 — 11 überlieferten »Ahnfraugeschichte« geschehen, wo sowohl Gerar als Handlungsort (26,6) als auch Abimelek als Gegenspieler Isaaks (26,8.9) schon in der alten Fassung der Geschichte nebeneinander genannt s i n d 1 6 9 . Daß es sich bei der Erwähnung Gerars in 20,1b um eine redaktionelle Übertragung handelt, wird zusätzlich dadurch unterstrichen, daß Gerar hier wortspielartig mit dem Verbum gwr verbunden i s t 1 7 0 , das innerhalb der vorpriesterschriftlichen Pentateuchüberlieferungen ausschließlich in literarisch jüngeren Texten v o r k o m m t 1 7 1 . Zudem

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allein schon die Tatsache, daß das Motiv der Hungersnot, das sich in Gen 1 2 , 1 0 und 26,1 findet, keineswegs alt, sondern frühestens jehowistisch ist. Allem Anschein nach wollen die geographischen Angaben Negcb-Kadesch-Schur in Gen 20,1 a keinen genauen geographischen Vorstellungshintergrund vermitteln, sondern sind wohl zunächst und vorab aus dem Grunde eingeführt, um Geschichten miteinander zu verknüpfen und zueinander in Beziehung zu setzen, weshalb man hier am besten von einer »theologischen Geographie« spricht. So auch B . J a k o b 4 6 7 . Gen 20,1 b ist wohl als temporaler Vordersatz zu 20,2 zu verstehen (vgl. H. L. Strack 74 und E. A. Speiser 148). Gegen R. Kilian, BBB 24, 1966, 1 9 0 . 1 9 7 . 1 9 8 . 2 0 1 , der die ursprüngliche Geschichte mit Gen 20,1 b beginnen läßt, dann aber mit sekundärem Ausfall der Nennung Abrahams bei der Vorschaltung von 20,1 a rechnen muß. Zur Analyse von Gen 26,1 - 1 1 vgl. unten zu III. - V o n den wenigen Stellen, an denen im Pentateuch Gerar genannt ist (Gen 10,19; 20,1; 2 6 , 1 . 6 . 2 6 ) , w o z u noch die mit Gerar gebildeten Wortverbindungen maelaek gerar (Gen 20,2), nähälgerar (Gen 2 6 , 1 7 ) und ro'e gerar (Gen 2 6 , 2 0 ) hinzutreten, können nur die Erwähnungen Gerars in Gen 26 ausgenommen der redaktionelle Verbindungsvers Gen 26,1 - als alt und literarisch ursprünglich angesehen werden. Daß wäjjagär bigrar in Gen 20,1b als eine bewußt hergestellte wortspielartige Verbindung zu verstehen ist (vgl. etwa H. Holzinger 159; H. Gunkel 220; J. Skinner 315; O. Procksch 301; J. de Fraine 164) und nicht einfach auf Zufall beruht (B. Jacob 4 6 8 ) , zeigt ein Vergleich mit Gen 26,6, w o bei Gerar als Verbum nicht gwr, sondern jsb steht ( w ä j j e s a e b jishaq bigrar). Gen 12,10; 19,9; 20,1; 2 1 , 3 3 . 3 4 ; 26,3; 32,5; 47,4; Ex 3,22; Dtn 18,6; 26,5.

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gilt es zu beachten, daß gwr sowohl in der Einleitung der »jehowistischen« Geschichte 1 2 , 1 0 - 2 0 * als auch in 26,3 a in einer von »jehowistischer« Hand vorgeschalteten Aussage begegnet. In Verbindung mit den anderen Beobachtungen läßt dieser Befund wohl den Schluß zu, daß auch 20,1b als redaktionelle, näherliin auf Je zurückgreifende Bildung verstanden werden muß, der wohl daran liegt, die drei »Ahnfraugeschichten« zueinander in Beziehung zu setzen. Warum Abraham sich als ger in Gerar aufhält, wird nicht gesagt. Keinesfalls darf man hier aber an den redaktionellen Ausfall einer Notiz von einer Hungersnot im Lande denken; eine solche Angabe ist allein in 1 2 , 1 0 - 2 0 * ursprünglich mit der »Ahnfraugeschichte« verbunden gewesen 1 1 2 . Als redaktionelle Bildung wird auch 20,2 anzusprechen sein. Dieser Vers wirkt wie eine sekundäre Konstruktion aufgrund vorgegebener Daten aus der folgenden Geschichte, die hier antizipiert sind (20,2a entspricht 20,5a und 20,2b hat sein Gegenüber in 20,3 b). Durch das Vorziehen einiger wichtiger Daten aus der folgenden Geschichte wird zwar eine stilgerechte Exposition hergestellt, zugleich wird dadurch aber auch die erzählerische Spannung aufgehoben, insofern die Hintergründe des Geschehens nicht erst in der Abfolge der Erzählung aufgedeckt, sondern schon an deren Beginn offen genannt werden. Jedenfalls sprechen diese Beobachtungen nicht dafür, daß 20,2 zur ursprünglichen Exposition der Geschichte gehört. Vielmehr wird dieser Vers redaktionell und von der gleichen Hand wie 20,1 vorgefügt sein. 20,3 a markiert durch die breite Form der Einführung mit Situationsangabe einen Neueinsatz, auch wenn eindeutige syntaktische Gliederungsmerkmale fehlen. Als Partner des nachfolgenden Geschehens sind Elohim und Abimelek, der hier ohne nähere Charakterisierung bleibt, gegenübergestellt, wobei der Vorgang zwischen Elohim und Abraham, wie die einleitende Situationsangabe in 20,3a anzeigt (wäjjabo' 'aelohim 'ael 'abimaelaek bähalöm hällajlaf73, als Traumgeschehen vorgestellt ist. Der in 20,3b mitgeteilte »Traum« 1 7 4 hat zum Inhalt die Ankündigung des Todes Abimeleks, der, was die in diesem Zusammenhang vorkommende syntaktische Verbindung hinne + Suffix mit folgendem Partizip (himfka met) signalisiert, als unmittelbar bevorstehend und sicher eintretend gekennzeichnet i s t 1 7 5 . Die Begründung für die Todesankündigung ist in die An17 2

17

In Gen 1 2 , 1 0 - 2 0 * stellt das Motiv der Hungersnot das auslösende Moment für die ganze Geschichte dar und ist als solches fest mit der Erzählung verbunden, während es in Gen 26,1 keine innere Verbindung mit der »Ahnfraugeschichte« aufweist, sondern dieser erst redaktionell vorgeschaltet ist (vgl. unten zu III). Die nächste Parallele zu der in Gen 2 0 , 3 a + b a * vorliegenden Formulierung wäjjabo'

'aelohim 'ael-NN bähalöm hallajla + wäjjo'maer lö findet sich in Gen 31,24, wo das 174

75

Kommen Elohims im Traum Laban zum Empfänger hat (vgl. noch Gen 4 0 , 5 und 4 1 , 1 1 ) . Zum »Traum« vgl. zuletzt W. Richter, Traum und Traumdeutung im AT. Ihre Form und Verwendung, BZ NF 7 ( 1 9 6 3 ) , 2 0 2 - 2 2 0 (ältere Literatur 2 0 2 Anm. 1), w o auch Gen 20,3 besprochen ist ( 2 0 9 ) sowie M. Lichtenstein, Dream-Theophany and the E-Document, ANES 2 ( 1 9 6 9 ) , 4 5 - 5 4 . Erst aufgrund des sekundär hergestellten Zusammenhangs mit der redaktionellen Aussage von Gen 20,7 hat die Todesankündigung hinneka met in 20,3 b a einen neuen Sinn erhalten, insofern hierdurch die Ankündigung des sicheren, unmittelbar bevorstehenden Todes zu einer bloßen Warnung abgeschwächt wurde (vgl. auch B. Jacob 4 6 9 ) .

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kündigung selbst einbezogen ('dl-ha' issä '"saer laqähta), wobei das im Relativsatz stehende absolute Iqh wahrscheinlich als abgekürzte Redeweise des vollen und auch rechtlich präziseren Ausdrucks Iqh + le + le zu verstehen sein wird 1 7 6 . Dieses Verständnis von Iqh legt sich auch aufgrund des angeschlossenen Nominalsatzes wehiw' be'ulät baäl nahe, der eine Feststellung bezüglich der Frau Abrahams enthält, womit zugleich die unbedingte Todesankündigung ihre letzte Begründung erfährt (vgl. Dtn 22,22). Obgleich dieser begründende Nominalsatz syntaktisch nur locker durch w e mit der vorangehenden Ankündigung verbunden ist, wird er dennoch der ursprünglichen Gestalt der Geschichte zugerechnet werden müssen, da sonst die Reaktion Abimeleks in 20,5 nicht verständlich wäre. Dagegen scheint der durch das Stilmittel der Inversion aus dem Erzählablauf herausgehobene Halbvers 20,4a, der im »nachholenden« Stil 177 konstatiert, daß Abimelek sich der Frau Abrahams noch nicht geschlechtlich genaht habe (•wä'"bimaelaek lo' qaräb 'elxha)178, ein späterer Einschub zu sein, da er nicht ganz spannungsfrei im Zusammenhang der Erzählung steht 1 7 9 . Jedenfalls bleibt, falls 20,4a zur ursprünglichen Geschichte gehört haben sollte, die Reaktion Abimeleks in 20,5 unverständlich. Außerdem steht dieser Halbvers mit dem gleichfalls als sekundär anzusetzenden Aussagen in 20,6 aß + b in Verbindung, die durch 20,4a vorbereitet werden. Hinsichtlich der Vorwegnahme von »Hintergrundinformationen«, die innerhalb der Reden erst an späterer Stelle nachgeholt werden, ist 20,4 a mit dem redaktionellen 20,2 verbunden. In der ursprünglichen Form der Geschichte wird sich an die Jahwerede in 20,3 b unmittelbar die Antwort Abimeleks, eingeleitet durch einfaches wäjjo'maer, angeschlossen haben (20,4b + 5). Jedoch kann die Gegenrede Abimeleks nicht als eine ursprüngliche literarische Einheit verstanden werden. Schon der einleitende Fragesatz 20,4b, eröffnet durch das im Pentateuch vorwiegend in jüngeren literarischen Zusammenhängen belegte donaj180, dürfte der nachfolgenden Rede sekundär vorgeführt sein, wofür nicht nur die hier gebrauchte Phraseologie spricht 1 8 1 , sondern vor allem auch die Tatsache, daß jetzt auf ein176 177

178

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Vgl. auch R. Kilian, BBB 24, 1966, 190f. Zum nachholenden Stü in Gen 20 vgl. vor allem H. Gunkel 221.222.224 sowie K. Koch, Formgeschichte, 151.154. Das Verbum qrb im geschlechtlichen Sinn begegnet im Pentateuch außer Gen 20,4 a nur noch in H (Lev 18,6.14.19 und 20,16) sowie in Dtn 22,14, wo überdies qrb mit vorangehendem Iqh im eherechtlichen Sinn verbunden ist. Vgl. auch R. Kilian, BBB 24, 1966, 195.198.200.201. Als Anrede an Jahwe/Elohim findet sich '"donaj im Pentateuch neben Gen 20,4b noch Gen 18,3; Ex 4,10.13; 5,22; 15,17; 34,9 sowie innerhalb einer an Jahwe gerichteten Rede, aber nicht in Form der Anrede außerdem noch Gen 18,27.31 und Num 14,17. Von den genannten Stellen kann nur Gen 18,3 und Ex 34,9, in beiden Fällen in Ver-

bindung mit der Wendung 'im-na' masa'tihen be'enäeka, als jahwistisch angesprochen

werden, während die anderen Belege von '"donaj frühestens jehowistisch sind. Die Anrede Elohims in Gen 20,4 b mit '"donaj erinnert dabei auffällig stark an die Anrede Abra-

hams an Jahwe mit '"donaj JHWH in den auf Je zurückgehenden Versen Gen 15,2 + 8.

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Vgl. in diesem Zusammenhang nur die stark hervorgehobene Charakterisierung des Vol-

kes als säddiq, die in auffälliger Weise der Betonung der Gerechten (säddiqim) in Gen 18,22b-33 a (18,23.24ab.25 a [2mal].26.28) entspricht.

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mal das Volk ins Spiel gebracht wird, das bislang keine Rolle spielte 1 8 2 . Zudem hängt die Charakterisierung des Volkes als säddiq mit dem sekundären Halbvers 20,4 a zusammen und kann von diesem wohl nicht getrennt werden. Auffällig ist auch die Verwandtschaft von 20,4b mit dem wahrscheinlich nachjahwistischen Zusatz 18,22b—33a 1 8 3 , die wohl beide auf ein und dieselbe Hand zurückgehen 1 8 4 . Dem Grundbestand der Abimelekrede gehört die ein Wort Abrahams ('"hoti hiw'), das ebenso in Gen 12 und 26 vorkommt, zitierende rhethorische Frage 20,5 a a an. Diese bezieht sich unmittelbar auf den Schluß der Gottesrede in 20,3 bß zurück. Mit ihr wurde ursprünglich einmal die Rede Abimeleks eröffnet. Dagegen ist die Parallelaussage zu 20,5 a a in 20,5 aß, die einen Ausspruch der Frau {'ahi hu\ vgl. 20,13) mitteilt, wohl eine spätere Einfügung, der daran liegt, einen Parallelismus der Aussagen herzustellen. Bezeichnenderweise ist 20,5 aß auch nicht als Frage, sondern als Aussage formuliert. Zudem findet sich hier ebenfalls - wie in 20,4 b - die herausstellende Partikel gäm, die im Pentateuch häufiger gerade in literarisch jüngeren Zusammenhängen begegnet 1 8 5 . Die abschließende Aussage der Abimelekrede in 20,5 b, die darauf rekurriert, daß er schuldlos gehandelt habe (be tam-Fbabl übeniqjon käppäj "asiti zo't), gehört wiederum zum Grundbestand der Geschichte. Ebenso wie 20,3 bß dazu dient, die Gegenrede Abimeleks in 20,5 aa + b vorzubereiten, hat auch 20,5 b die Funktion, zur erneuten Gottesrede in 20,6.7 überzuleiten. Durch die Redeeinleitung in 20,6 a a ist erneut ein Einschnitt innerhalb der Geschichte markiert, was sich vor allem daran zeigt, daß eigens das die Situation angebende bälflöm aus 20,3 a aufgenommen ist, was aber nicht erforderlich wäre, gehörte die Elohimrede 20,6.7 noch zu der mit 20,3 eröffneten Szene. Wird aber mit 20,6 a a eine neue Szene eingeleitet, dann wird auch die erneute Situationsangabe bähalöm verständlich. Die Gottesrede 20,6.7 wird in 20,6aa eröffnet mit einer Feststellung, ein Wissen Elohims ('anoki jadä'ti) betreffend, dessen Inhalt — in Form eines Aii-Satzes — mit dem geringfügig verkürzten (;übeniqjon käppäj) Zitat von 20,5 b wiedergegeben ist. Aufgrund des unmittel182

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Die häufiger vorgeschlagene Lesart von Gen 20,4 b hagäm-sMdiq täharog (vgl. nur BHS), wobei (h