Controlling [vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage] 9783486599909, 9783486586312

Der Begriff Controlling ist in der letzten Zeit in Verbindung mit Begriffen wie Risikomanagement, Basel II und Rating wi

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Controlling [vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage]
 9783486599909, 9783486586312

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Managementwissen für Studium und Praxis Herausgegeben von Professor Dr. Dietmar Dorn und Professor Dr. Rainer Fischbach Lieferbare Titel: Anderegg, Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Arrenberg · Kiy · Knobloch · Lange, Vorkurs in Mathematik, 2. Auflage Barth · Barth, Controlling, 2. Auflage Behrens · Kirspel, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage Behrens · Hilligweg · Kirspel, Übungsbuch zur Volkswirtschaftslehre Behrens, Makroökonomie – Wirtschaftspolitik, 2. Auflage Blum, Grundzüge anwendungsorientierter Organisationslehre Bontrup,Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage Bontrup, Lohn und Gewinn, 2. Auflage Bontrup · Pulte, Handbuch Ausbildung Bradtke, Mathematische Grundlagen für Ökonomen, 2. Auflage Bradtke, Übungen und Klausuren in Mathematik für Ökonomen Bradtke, Statistische Grundlagen für Ökonomen, 2. Auflage Bradtke, Grundlagen im Operations Research für Ökonomen Breitschuh, Versandhandelsmarketing Busse, Betriebliche Finanzwirtschaft, 5. Auflage Camphausen, Strategisches Management, 2. Auflage Dinauer, Grundzüge des Finanzdienstleistungsmarkts, 2. Aufalge Dorn · Fischbach, Operations Research, 3. Auflage Dorn · Fischbach, Volkswirtschaftslehre II, 4. Auflage Dorsch, Abenteuer Wirtschaft ·75 Fallstudien mit Lösungen Drees-Behrens · Kirspel · Schmidt · Schwanke, Aufgaben und Fälle zur Finanzmathematik, Investition und Finanzierung, 2. Auflage Drees-Behrens · Schmidt, Aufgaben und Fälle zur Kostenrechnung, 2. Auflage Fiedler, Einführung in das Controlling, 2. Auflage Fischbach · Wollenberg, Volkswirtschaftslehre 1, 13. Auflage Götze, Techniken des Business-Forecasting Götze, Mathematik für Wirtschaftsinformatiker Götze · Deutschmann · Link, Statistik Gohout, Operations Research, 3. Auflage Haas, Kosten, Investition, Finanzierung – Planung und Kontrolle, 3. Auflage Haas, Marketing mit EXCEL, 2. Auflage Haas, Access und Excel im Betrieb Haas, Excel im Betrieb, Gesamtplan

Hans, Grundlagen der Kostenrechnung Hardt, Kostenmanagement, 2. Auflage Heine · Herr,Volkswirtschaftslehre, 3. Auflage Hildebrand · Rebstock, Betriebswirtschaftliche Einführung in SAP® R /3® Hoppen, Vertriebsmanagement Koch, Marktforschung, 4. Auflage Koch, Betriebswirtschaftliches Kosten- und Leistungscontrolling in Krankenhaus und Pflege, 2. Auflage Laser, Basiswissen Volkswirtschaftslehre Martens, Statistische Datenanalyse mit SPSS für Windows, 2. Auflage Martin · Bär, Grundzüge des Risikomanagements nach KonTraG Peto, Grundlagen der Makroökonomik, 13. Auflage Piontek, Controlling, 3. Auflage Piontek,Beschaffungscontrolling,3. Aufl. Plümer, Logistik und Produktion Posluschny, Controlling für das Handwerk Posluschny, Kostenrechnung für die Gastronomie, 2. Auflage Rau, Planung,Statistik und Entscheidung – Betriebswirtschaftliche Instrumente für die Kommunalverwaltung Rothlauf, Total Quality Management in Theorie und Praxis, 2. Auflage Rudolph, Tourismus-Betriebswirtschaftslehre, 2. Auflage Rüth, Kostenrechnung, Band I, 2. Auflage Sauerbier, Statistik für Wirtschaftswissenschaftler, 2. Auflage Scharnbacher · Kiefer, Kundenzufriedenheit, 3.Auflage Schuster, Kommunale Kosten- und Leistungsrechnung, 2. Auflage Schuster, Doppelte Buchführung für Städte, Kreise und Gemeinden, 2. Auflage Stahl, Internationaler Einsatz von Führungskräften Stender-Monhemius, Marketing – Grundlagen mit Fallstudien Strunz · Dorsch, Management Strunz · Dorsch, Internationale Märkte Weeber, Internationale Wirtschaft Wilde,Plan- und Prozesskostenrechnung Wilhelm,Prozessorganisation, 2. Auflage Wörner,Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht, 8. Auflage Zwerenz, Statistik, 3. Auflage Zwerenz, Statistik verstehen mit Excel – Buch mit Excel-Downloads, 2. Auflage

Controlling von

Prof. Dr.Thomas Barth und

Dr. Daniela Barth

2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2008 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D -81671 München Telefon: (089) 4 50 51- 0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 978-3-486-58631-2

Vorwort Vorwort zur 2. Auflage Die Neuauflage des Lehrbuches umfasst neben einer Korrektur von Druckfehlern und der Aktualisierung der verarbeiteten Literatur vor allem die Überarbeitung der Kapitel 5 „Harmonisierung des Rechnungswesens“ und 10 „Target Costing“. Wir haben die zahlreichen Vorschläge und Anmerkungen der aufmerksamen Leser in allen Kapiteln berücksichtigt. Der Entwurf zum Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde aufgrund der noch ausstehenden gesetzlichen Verankerung nicht berücksichtigt. Insbesondere die Ausführungen in Kapitel 5 basieren auf dem gegenwärtig gültigen Stand des Handelsgesetzbuchs. Danken möchten wir insbesondere dem Cheflektor, Herrn Dr. Jürgen Schechler vom R. Oldenbourg Verlag, für die sehr gute Zusammenarbeit bei der Neuauflage des Lehrbuchs. Stuttgart

Daniela Barth, Thomas Barth

Vorwort zur 1. Auflage Der Begriff des Controlling ist aus der heutigen Betriebswirtschaftslehre nicht mehr weg zu denken. Allerdings unterliegt kaum ein wissenschaftlicher Bereich einer solch kontinuierlichen Veränderung wie das Controlling. Das vorliegende Buch zeigt in den Kapiteln 1 bis 4 die wesentlichen Inhalte des Controlling auf. In den Kapiteln 0 bis 10 wird das entscheidungsorientierte Rechnungswesen als Instrument zur Erfüllung der Informationsversorgungsfunktion des Controlling vorgestellt. In Kapitel 1 wird zunächst die Funktion des Controlling dargestellt. Hierzu wird, basierend auf den zahlreichen bereits existierenden Controllingkonzeptionen, eine Controllingdefinition erarbeitet. Anschließend wird das Controlling aus institutionaler Sicht beleuchtet (Kapitel 2). Hierbei wird zwischen der Einordnung in die Unternehmensorganisation einerseits und der Organisation innerhalb des Controllingbereichs andererseits differenziert. Anschließend wird die Aufgabe der Koordination des Planungs- und Kontrollsystems durch das Controlling betrachtet (Kapitel 3). Neben den verschiedenen allgemeinen Koordinationsfunktionen wird die Budgetierung als wesentliche Controllingaufgabe dargestellt. Die Informationsfunktion des

VI

Vorwort

Controlling ist Gegenstand von Kapitel 4. Hier werden die verschiedenen Phasen des Informationsversorgungsprozesses erörtert. Das Kapitel leitet über auf die nachfolgenden Kapitel, die sich mit einem Teil des Informationsversorgungssystems, dem entscheidungsorientierten Rechnungswesen, näher befassen. In Kapitel 0 wird zunächst untersucht, ob vor dem Hintergrund der Einführung der internationalen Rechnungslegung nach IFRS durch eine Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen eine ausreichende Informationsgrundlage zur Erfüllung der oben beschriebenen Controllingfunktionen zur Verfügung gestellt werden kann. Anschließend werden in Kapitel 6 die Prinzipien und Grundlagen des entscheidungsorientierten Rechnungswesens vorgestellt. Hierbei werden insbesondere das Relevanzprinzip und der entscheidungsorientierte Kostenbegriff erarbeitet. Die produktions- und kostentheoretischen Grundlagen in Kapitel 0 stellen die Basis für die in Kapitel 0 vorgestellte Grenzplankostenrechnung dar. Da die Grenzplankostenrechnung vorwiegend für den industriellen Bereich entwickelt wurde und hauptsächlich im direkten Leistungsbereich eines Unternehmens Anwendung findet, wird in Kapitel 9 die Prozesskostenrechnung als Kostenrechnungssystem für den indirekten Gemeinkostenbereich vorgestellt. Das Target Costing als Kostenmanagementsystem, das vorwiegend auf die Entstehungsphase eines Produktes gerichtet ist, wird schließlich in Kapitel 10 erläutert. Abbildung 1 stellt die Zusammenhänge nochmals graphisch dar. Durch das Studium des Buches soll der Leser in die Lage versetzt werden, Controllingprobleme der Praxis zu lösen. Zielgruppe sind Studierende höherer Semester, die sich für das Controlling sowie den Inhalt und die Ausgestaltung des entscheidungsorientierten Rechnungswesens interessieren. Ferner richtet sich das Buch an Controller aus der Praxis. Danken möchten wir Herrn Peter Hiller und Herrn Paul Schlenker für die vielen konstruktiven Anregungen. Darüber hinaus möchte ich meinen Herren Kollegen Professor Dr. Fritz Matthäus, Professor Dr. Konrad Scorl und Herrn Professor Dr. Herbert Sperber für das mir entgegengebrachte Vertrauen danken. Ebenso danken wir Herrn Dipl.-Volkswirt Martin Weigert vom Oldenbourg Verlag für die harmonische Zusammenarbeit.

Abbildung 1: Aufbau des Lehrbuches

4

IV

• Institutionale Sicht des Controlling (Kapitel 2)

• Planung und Kontrollfunktion des Controlling (Kapitel 3)

• Informationsversorgungsfunktion des Controlling (Kapitel 4)

3

4

• Funktionale Sicht des Controlling (Kapitel 1)

Ausführungssystem

PK

1

Controlling

2

1

3

2

Führungssystem

Entscheidungsrelevante Informationen

Unternehmen

F&E

Produktion

Verwaltung

Vertrieb

• Target Costing (Kapitel 10)

• Prozesskostenrechnung (Kapitel 9)

• Grenzplankostenrechnung (Kapitel 8)

• Produktions- und kostentheoretische Grundlagen (Kapitel 7)

• Prinzipien und Begriff des entscheidungsorientierten Rechnungswesens (Kapitel 6)

• Harmonisierung von externem und internem Rechnungswesen (Kapitel 5)

Beschaffung

Unternehmen

Vorwort VII

Inhalt Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V XII

1

Controlling aus funktionaler Sicht

1

1.1

Ausgangspunkt und Entwicklung des Controlling..........................................1

1.2 1.2.1 1.2.1.1 1.2.1.2 1.2.2 1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.2.3 1.2.2.4 1.2.3

Konzeptionelle Grundlegung des Controlling.................................................9 Aus der Praxis resultierendes Controllingverständnis ....................................9 Controllertypen ...............................................................................................9 Controlling- Leitbild des Internationalen Controller- Vereins e.V. und der International Group of Controlling ...............................................................11 Ganzheitlich theoretische Controlling- Konzeptionen ..................................16 Informationsorientierte Controllingkonzeptionen.........................................19 Führungszielorientierte Controllingkonzeptionen.........................................24 Koordinationsorientierte Controllingkonzeptionen.......................................27 Kritische Würdigung der theoretischen Controllingkonzeptionen................37 Controllingverständnis ..................................................................................43

2

Controlling aus institutionaler Sicht

2.1

Einflussgrößen der Organisation des Controlling .........................................45

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Einordnung von Controllingstellen in die Unternehmensorganisation .........47 Hierarchische Eingliederung des Controlling ...............................................48 Kompetenzausstattung von Controllerstellen................................................50 Abgrenzung von Controlleraufgaben gegenüber Aufgaben anderer Bereiche ........................................................................................................52

2.3 2.3.1 2.3.2

Organisation innerhalb des Controllingbereichs ...........................................58 Gliederungsprinzipien der internen Controllingorganisation........................58 Zentralisation oder Dezentralisation der internen Controllingorganisation ..62

2.4

Selbstcontrolling ...........................................................................................67

2.5 2.5.1

Anforderungen an Controller ........................................................................69 Fachliche Anforderungen an Controller........................................................71

45

X

Inhaltsverzeichnis

2.5.2

Persönliche Anforderungen an Controller.....................................................73

3

Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

3.1

Das Planungs- und Kontrollsystem im Unternehmen ...................................75

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Aufgaben des Controlling im Zusammenhang mit dem Planungs- und Kontrollsystem ..............................................................................................78 Sachliche Koordination des Planungssystems ..............................................83 Zeitliche Koordination des Planungssystems................................................87 Planhierarchische Koordination ....................................................................88 Unternehmenshierarchische Koordination des Planungssystems .................95 Koordination der Planung im Zeitablauf.......................................................99

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2

Budgetierung...............................................................................................104 Traditionelle Budgetierung .........................................................................104 Gemeinkostenplanung und -kontrolle .........................................................109 Moderne Budgetierungsverfahren...............................................................118 Better Budgeting .........................................................................................119 Beyond Budgeting.......................................................................................121

4

Informationsversorgungsfunktion des Controlling

4.1

Informationsbedarfsanalyse ........................................................................126

4.2 4.2.1 4.2.2

Informationsbeschaffung und -aufbereitung ...............................................133 Unternehmensrechnung...............................................................................133 Kennzahlen und Kennzahlensysteme..........................................................136

4.3

Informationsübermittlung ...........................................................................150

5 5.1

Harmonisierung des Rechnungswesens 155 Zielkonvergenz von internem und externem Rechnungswesen auf Basis der IFRS ......................................................................................................156

5.2

Überschneidungsbereiche ...........................................................................164

5.3

Harmonisierung der Datenbasis ..................................................................174

5.4

Vollständige versus teilweise Integration des Rechnungswesens...............184

6

Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

6.1 6.1.1 6.1.2

Das Relevanzprinzip und der entscheidungsorientierte Kostenbegriff .......187 Das Relevanzprinzip ...................................................................................187 Entscheidungsorientierter Kostenbegriff nach Riebel.................................190

6.2

Entscheidungsorientierte Bewertung ..........................................................196

75

125

187

Inhaltsverzeichnis

XI

7

Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

203

7.1

Kostenrechnung und Kostentheorie ............................................................203

7.2

Kostenfunktionen auf der Basis von Produktionsfunktionen......................208

8

Grenzplankostenrechnung

8.1

Entwicklung der Kostenrechnung zur Grenzplan- und Deckungsbeitragsrechnung .........................................................................217

8.2 8.2.1 8.2.2

Grundlagen der Grenzplankostenrechnung nach Kilger .............................225 Zugrundeliegende Kostenhypothesen .........................................................225 Abgebildete Kostenabhängigkeiten.............................................................228

8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.3.6

Planung und Kontrolle der Gemeinkosten in Fertigungsstellen..................231 Einteilung der Kostenstellen .......................................................................233 Bezugsgrößenwahl ......................................................................................234 Bestimmung der Planbezugsgröße ..............................................................250 Bestimmung der Kostenfunktion ................................................................252 Planung einzelner Gemeinkostenarten ........................................................263 Kontrolle der Gemeinkosten .......................................................................270

8.4

Planung der Gemeinkosten für Kostenstellen außerhalb der Fertigung......274

8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3

Planung und Kontrolle der Einzelkosten, Leistungen und Preise ...............277 Planung und Kontrolle von Materialeinzelkosten .......................................279 Planung und Kontrolle von Fertigungseinzelkosten ...................................283 Planung und Kontrolle von Sondereinzelkosten .........................................289

8.6

Der Grenzkostenbegriff in der Grenzplankostenrechnung..........................290

8.7

Kostenträgerrechnung in der Grenzplankostenrechnung ............................294

8.8

Die Grenzplankostenrechnung bei unterschiedlichen Betrachtungszeiträumen ..............................................................................305

8.9

Kritische Würdigung der Grenzplankostenrechnung ..................................309

9

Prozesskostenrechnung

9.1

Ansatzpunkte der Prozesskostenrechnung ..................................................313

9.2

Ziele und Aufgaben der Prozesskostenrechnung ........................................314

9.3 9.3.1 9.3.2

Typische Anwendungen von Prozesskostenrechnungen.............................316 Das Activity-based Costing.........................................................................316 Die Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a............................................322

9.4

Gemeinkostenplanung und -kontrolle mit Hilfe der Prozesskostenrechnung ...............................................................................337

217

313

XII

Inhaltsverzeichnis

9.5

Produktkalkulation im System der Prozesskostenrechnung........................343

9.6

Kritische Würdigung der Prozesskostenrechnung ......................................351

10

Target Costing

10.1

Grundkonzept..............................................................................................355

10.2

Zielkostenfindung .......................................................................................358

10.3

Target Profit ................................................................................................362

10.4

Target Costs ................................................................................................366

10.5

Kritische Würdigung des Target Costing....................................................376

355

Literaturverzeichnis

381

Stichwortverzeichnis

389

Abkürzungsverzeichnis ABC AktG BFH BAB BFuP CIA cm DB DBW et al. etc. EStG f. ff. F&E ggf. gem. GoB HGB HP HPK HPKS Hrsg. HWB HWK IAS IASB IASC

Activity-based costing Aktiengesetz Bundesfinanzhof Betriebsabrechnungsbogen Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Controller´s Institute of America Controller Magazin (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) et alia/ alii/ aliae (und andere) et cetera (und so weiter) Einkommensteuergesetz folgende fortfolgende Forschung und Entwicklung gegebenenfalls gemäß Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Handelsgesetzbuch Hauptprozess Hauptprozesskosten Hauptprozesskostensatz Herausgeber Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Handwörterbuch Kostenrechnung International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee

XIV

i. d. R. IFRIC IFRS IGC ITPK IV IVC Jg. KonTraG KPM krp kWh lmi lmn ME MIS PKAKO PKR PPM PTPK PuK, PK REFA

ReWe ROI Sp. Std. STPK TP TPK TPKS UPK US-GAAP verr.

Abkürzungsverzeichnis

in der Regel International Financial Reporting Interpretations Committee International Financial Reporting Standards International Group of Controlling Ist-Teilprozesskosten Informationsversorgung(s-) Internationaler Controller Verein e.V. Jahrgang Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kapazitätsprozessmenge Kostenrechnungspraxis Kilowattstunde leistungsmengeninduziert leistungsmengenneutral Mengeneinheiten Management- Informationssystem Prozesskalkulationskoeffizient Plankostenrechnung Planprozessmenge Plan-Teilprozesskosten Planung- und Kontrolle Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung (seit 1924), Reichsausschuss für Arbeitsstudien (seit 1936), heute (seit 1948) Verband für Arbeitsstudien Rechnungswesen Return on Investment Spalte Stunde Soll-Teilprozesskosten Teilprozess Teilprozesskosten Teilprozesskostensatz Umlageprozesskosten United States-Generally Accepted Accounting Principles verrechnete

Abkürzungsverzeichnis

Vol. VTPK WiSt WISU ZE ZP ZfB ZfbF ZfO ZVEI

Volume verrechnungsbezogene Plan-Teilprozesskosten Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift) Zeiteinheiten Zeitschrift für Planung Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Organisation Zentralverband der elektrotechnischen Industrie

XV

1 Controlling aus funktionaler Sicht 1.1 Ausgangspunkt und Entwicklung des Controlling Die Wurzeln des Controlling liegen im anglo-amerikanischen Bereich. Die ersten Controller fanden sich bereits im 15. Jahrhundert in öffentlichen Institutionen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund überraschend, dass erst in der jüngeren Vergangenheit wieder mit der Implementierung von Controlling in öffentlichen Verwaltungen begonnen wurde. Im 15. Jahrhundert zeichnete ein „Countroller“ die ein- und ausgehenden Gelder und Güter am englischen Königshof auf. Ähnliche Aufgaben nahm ab 1778 in den USA ein „Comptroller1“ wahr. Er hatte das Gleichgewicht zwischen dem Staatsbudget und den Staatsausgaben zu überwachen. Ebenfalls finanzwirtschaftliche Aufgaben, insbesondere Kontrollaufgaben, hatten ab 1863 der Leiter der staatlichen Bankenaufsicht „Controller of the Currency“ sowie der Leiter der obersten Rechnungsprüfungsbehörde, der „Comptroller General“, in den USA zu erfüllen. In privatwirtschaftlichen Institutionen gehen die Wurzeln des Controlling bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Hier waren vor allem die zunehmenden Aufgaben im Rechnungswesen, die wachsenden steuerlichen Belastungen und die steigenden Anforderungen bei der Finanzierung für die Institutionalisierung des Controlling verantwortlich. Im Jahr 1880 wurde erstmals die Stelle eines „Comptroller“ bei der Eisenbahngesellschaft Atchison, Topeka & Santa Fe Railway System eingerichtet. Gemäß deren Satzung hatte der “Comptroller” überwiegend finanzwirtschaftliche Aufgabenstellungen wahrzunehmen: “The duties of the Comptroller are largely financial and relate to the bonds, stocks and securities owned by the company [...]“2.

1

2

Etymologisch stammt die Bezeichnung „Comptroller“ aus dem lateinischen „contra rolatus“ (Gegenrolle), die Bezeichnung für eine zweite Aufzeichnung über ein- und ausgehende Güter und Gelder. aus der Satzung der Unternehmung, zitiert nach Jackson, Comptroller, 1949, S. 8.

2

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Von einer breiten Front der Einführung von Controllerstellen kann allerdings erst ab den 20iger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gesprochen werden, als Folge der weiter gestiegenen Herausforderungen an das Rechnungswesen und die Planung. Diese gestiegenen Anforderungen rührten insbesondere von den zunehmenden internen Kommunikations- und Koordinationsproblemen sowie dem durch die Steigerung der Leistungsfähigkeit von Produktionsanlagen bedingten Anstieg der Fixkostenintensität und die damit einhergehende Begrenzung der unternehmerischen Flexibilität her. In einer von Jackson im Jahr 1948 durchgeführten empirischen Erhebung gaben 143 amerikanische Großunternehmen das Durchschnittsalter ihrer Controllerstellen mit ca. 20 Jahren an3. Bereits in den 40iger Jahren gingen die Funktionen des Controllers über das reine Rechnungswesen hinaus. Dies zeigt eine empirische Untersuchung in 25 führenden amerikanischen Großunternehmen Anfang der vierziger Jahre4. Hier wird deutlich, dass neben der Rechnungswesenfunktion auch die Revisionsfunktion, die Zusammenarbeit mit der externen Revision, die Steuerfunktion und die Interpretationsfunktion von Controllern wahrgenommen wurden. Im Jahr 1931 wurde das „Controller Institute of America“ gegründet, welches 1962 in „Financial Executive Institute“ umbenannt wurde. Dieses Institut versuchte, einen Konsens zu den Aufgabenfeldern des Controllers herbeizuführen. Hierzu wurde 1946 unter dem Titel „The Place of the Controller´s Office“ die erste offizielle Zusammenstellung von Controllingaufgaben veröffentlicht. Sie umfasste die folgenden Einzelaufgaben, welche in allgemeine und spezielle Funktionen unterteilt wurden. a.) „Allgemeine Funktionen: 1. Einen Gesamtplan zur Kontrolle des Betriebsablaufes durch das zuständige leitende Personal aufzustellen, die Einzelpläne zu koordinieren und laufend zu ergänzen. Ein solcher Plan umfaßt entsprechend den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen Kostenstandards, Ausgabenbudgets, Absatzplanung, Gewinnplanung, Investitions- und Finanzplanung sowie die dazugehörigen Durchführungsmaßnahmen. 2. Die tatsächliche Entwicklung des Betriebsablaufes mit jener, die in den Betriebsplänen vorgesehen war, zu vergleichen und über die Ergebnisse der Betriebstätigkeit allen Stufen der Betriebsführung zu berichten und die Ergebnisse zu interpretieren. Diese Funktion schließt den Entwurf der Systeme ein, nach denen die Aufzeichnungen durchgeführt, zusammengestellt und aufgezeigt werden. 3 4

Vgl. Jackson, Comptroller, 1949, S. 7. Vgl. Voorhies, Comptroller, 1944, S. 30.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

3

3. Die Gültigkeit des Betriebszieles festzustellen und den Erfolg der Maßnahmen und Verfahren zur Erreichung dieser Ziele zu messen und darüber zu berichten. Dies schließt die ständige Beratung aller betrieblichen Stellen ein, die an der Verwirklichung der gesetzten Ziele beteiligt sind. 4. Die erforderlichen Berichte an die Behörden abzufassen und alle Steuerangelegenheiten zu überwachen. 5. Die Auswirkungen der Außeneinflüsse auf die Unternehmung, insbesondere auf die Erreichung der Geschäftsziele, auszulegen und darüber zu berichten. 6. Für die ausreichende Sicherung des Betriebsvermögens Sorge zu tragen durch Innenrevision und Überprüfung der Versicherungsdeckung. b.) Spezielle Funktionen: 1. Einrichtung und Überwachung aller buchhalterischen Aufzeichnungen des Unternehmens. 2. Erstellung und Auswertung der finanziellen Aufstellungen und Berichte des Unternehmens. 3. Laufende Überprüfung aller Konten und Aufzeichnungen des Unternehmens. 4. Erfassung und Zusammenstellung der Produktionskosten. 5. Erfassung und Zusammenstellung der Vertriebskosten. 6. Bestandsaufnahme und Bewertung des Gesamtinventars. 7. Erstellung und Einreichung der Steuererklärungen und Überwachung aller Steuerangelegenheiten. 8. Erstellung und Auswertung aller statistischen Unterlagen und Berichte des Unternehmens. 9. Erstellung des jährlichen Budgets, welches alle Tätigkeiten des Unternehmens umfaßt. 10. Laufende Überprüfung, ob sämtliche Eigentumswerte des Unternehmens ordnungsgemäß und in entsprechender Höhe versichert sind. 11. Erstellung, Festsetzung und Bekanntmachung von Grundsätzen in allen buchhalterischen Angelegenheiten und Verfahren einschließlich der Koordination der einzelnen Systeme innerhalb des gesamten Unternehmens.

4

1 Controlling aus funktionaler Sicht

12. Führung entsprechender Aufzeichnungen über genehmigte Geldbeträge und der Nachweis, daß über die ausgegebenen Summen ordnungsgemäß Rechnung gelegt wurde. 13. Führung entsprechender Aufzeichnungen über alle Kontrakte, Miet- und Pachtverträge. 14. Zustimmung zur Zahlung und Gegenzeichnung aller Schecks, Wechsel und anderer Zahlungsmittel des Unternehmens, die von den Bevollmächtigten des Unternehmens unterzeichnet sind. 15. Prüfung aller Vollmachten zur Entnahme von Wertpapieren aus dem Depot des Unternehmens und Überprüfung, ob solche Transaktionen mit den Bestimmungen der Geschäftsleitung in Einklang stehen. 16. Erstellung oder Genehmigung von Bestimmungen oder Grundsätzen, die erforderlich sind, um eine Übereinstimmung mit den Verfügungen oder Erlässen staatlicher oder öffentlicher Stellen zu gewährleisten. 17. Der Controller hält den Kontakt mit dem Abschlußprüfer und ist für alle aufkommenden Fragen dessen Gesprächspartner.“ 5 Die insgesamt relativ unsystematische Zusammenstellung der speziellen Funktionen wurde 1949 zu sechs Funktionsgruppen zusammengefasst. Auf Basis dieser Funktionsgruppen entstand die im Jahr 1962 veröffentlichte Begriffsbestimmung. Hierbei wurde unter dem Oberbegriff „Financial Management“ eine Unterscheidung der Aufgaben zwischen „Controllership“ und „Treasurership“ vorgenommen (vgl. Abbildung 2). Unter dem Begriff „Controllership“ wurden dabei Erfolgsgrößen und unter den Begriff „Treasurership“ Liquiditätsgrößen subsumiert. Die folgenden Erkenntnisse lassen sich aus der Zusammenstellung in Abbildung 2 für das „Controllership“ ableiten: 1.

Die Planungsaufgabe stellt den Kern des „Controllership“ dar.

2.

Neben dem Aufbau der Planung und damit konsistenter Pläne ist eine Implementierung entsprechender Kontrollen notwendig (Berichterstattung und Interpretation).

3.

Aus den beiden ersten Aufgaben resultieren unmittelbar die Bewertungs- und Beratungsaufgaben.

4.

Die restlichen vier genannten Bereiche (Steuerangelegenheiten, Berichterstattung an staatliche Stellen, Sicherung des Vermögens, volkswirtschaftliche Un-

5

Übersetzung der Aufgaben nach dem Controller´s Institute of America durch Scharpff, Stellung, 1961, S. 223 ff.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

5

tersuchungen) berücksichtigen die Gegebenheiten des amerikanischen Marktes, wie z.B. - fehlende Trennung zwischen Finanz- und Betriebsbuchhaltung - direkterer Zugang zum Kapitalmarkt. Insgesamt handelt es sich dabei immer noch um eine relativ unsystematische, bruchstückhafte Aufstellung wichtiger Aufgaben. Aufgrund der genannten Spezifika des amerikanischen Marktes sowie der enorm gestiegenen Komplexität, z.B. im nationalen Steuerbereich, sind die Aufgaben nicht ohne weiteres auf den deutschen Markt übertragbar. In Deutschland war die Controllingdiskussion anfangs nur durch Reiseerfahrungen aus den USA bekannt. Insgesamt bestand insbesondere von wissenschaftlicher Seite eine abweisende Haltung. Diese wird durch das folgende Zitat aus dem Jahr 1959 deutlich: “Der Controller ist also ein Mann, der seine eigenen Pläne aufstellt, koordiniert und auch noch überwacht! Damit nicht genug, hat er ... außerdem noch die gesamte Organisation und Revision, die Fertigungskontrolle, Betriebsabrechnung, Buchhaltung, Bilanz und Steuer in seiner Hand. Damit wird der Controller praktisch zum Chef des Unternehmens, ohne allerdings nach außen hin als Chef in Erscheinung zu treten und auch die damit verbundene Gesamtverantwortung zu übernehmen.“6 Anfangs waren es nur wenige deutschsprachige Hochschullehrer, die auf die Bedeutung der Controllingfunktion hinwiesen. Aber bereits Anfang der siebziger Jahre wurde das Controlling wissenschaftlich diskutiert7. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre setzten sich viele Wissenschaftler mit dem Begriff des Controlling auseinander. Im Gegensatz zur amerikanischen Literatur versuchte man, sich dem Thema theoretisch zu nähern. Anfangs erarbeitete man eine deutsche Version des Controller- Verständnisses auf Basis der amerikanischen Erfahrungen. Die Unterschiede wurden dabei auf Abweichungen in der Organisation zurückgeführt8.

6 7 8

Goosen, Controller, 1959, S. 75 f. Vgl. Hahn, Planungs- und Kontrollrechnung, 1974 und Zünd, Treasurer, 1973. Vgl. hierzu z.B. Hahn, Controllers, 1978, S. 127 f.; Hoffman, Controller, 1968, S. 2182.

6

1 Controlling aus funktionaler Sicht Financial Management Controllership

Treasurership

Planung

Kapitalbeschaffung

Aufstellung, Koordinierung und Durchführung von Unternehmensplänen als integrierter Teil des Managements zur Kontrolle des Geschäftsablaufs. Die Planung umfaßt Gewinnpläne, Programme für Kapitalinvestitionen und Finanzierungen, Absatzpläne, Gemeinkostenbudgets und Kostenstandards

Aufstellung und Ausführung von Programmen für die Kapitalbeschaffung einschließlich der Verhandlungen zur Kapitalbeschaffung und der Erhaltung der notwendigen finanziellen Verbindungen

Berichterstattung und Interpretation Vergleich der Ausführung mit den Plänen und Standards und Berichterstattung sowie Interpretation der Resultate des Geschäftsablaufs an alle Bereiche des Managements und die Kapitaleigner. Diese Funktion schließt die Formulierung von Buchhaltungsund Bilanzrichtlinien ein, die Koordinierung der Systeme und Vorgabe sowie die Vorbereitung von zu bearbeitenden Daten und Sonderberichten

Bewertung und Beratung Beratung mit allen Teilen des Managements, die für die Richtlinien und Ausführungen in den verschiedenen Unternehmensbereichen verantwortlich sind, wenn es sich um die Erreichung der und die Wirksamkeit der Richtlinien sowie der Organisationsstruktur und -abläufe handelt

Steuerangelegenheiten Aufstellung und Anwendung von Richtlinien und Verfahren für die Bearbeitung von Steuerangelegenheiten

Berichterstattung an staatliche Stellen Kontrolle und Koordinierung der Abfassung von Berichten an staatliche Stellen

Sicherung des Vermögens Durch innerbetriebliche Kontrollen und Revision sowie durch Überwachung des Versicherungsschutzes ist die Sicherheit des Vermögens zu gewährleisten

Volkswirtschaftliche Untersuchungen Ständige Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Kräfte und Einflüsse von staatlichen Stellen sowie Beurteilung möglicher Auswirkungen auf das Unternehmen

Verbindung zu Investoren Schaffung und Pflege eines Marktes für die Wertpapiere des Unternehmens und in Verbindung damit Unterhaltung von entsprechenden Kontakten zu Investitionsbanken, Finanzexperten und Aktionären

Kurzfristige Finanzierung Beschaffung und Erhaltung von Quellen für den laufenden kurzfristigen Kreditbedarf des Unternehmens, wie Wirtschaftsbanken und andere Kreditinstitute

Bankenverbindung und Aufsicht Die Bankverbindungen aufrechterhalten, die Aufsicht über die Firmengelder und Wertpapiere ausüben und diese auch günstig anlegen sowie die Verantwortung für die finanziellen Aspekte im Immobiliengeschäft übernehmen

Kredite und Forderungseinzug Überwachung der Gewährung von Kundenkrediten und des Einzugs der fälligen Forderungen einschließlich der Kontrolle von Sondervereinbarungen für Verkaufsfinanzierungen, wie Ratenzahlungen und Mietpläne

Kapitalanlage Zweckmäßige Anlage von Kapitalfonds des Unternehmens sowie Ausarbeitung und Koordinierung von Richtlinien für die Anlage von Kapital in Pensionsrückstellungen oder ähnlichen Verwendungsarten

Versicherungen Sorge für einen notwendigen und ausreichenden Versicherungsschutz

Abbildung 2: Abgrenzung von Controller- und Treasurership gemäß Financial Executives Institute9

9

Abbildung entnommen aus Agthe, Controller, 1969, Sp. 353-355.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

7

Die Existenz erster Controllerstellen ist in Deutschland erst seit den sechziger Jahren in Töchtern amerikanischer Unternehmen bekannt. Ein überaus starker Anstieg der Controllerstellen in Deutschland lässt sich anhand der stichprobenartigen Auswertung von insgesamt 73.901 Stellenanzeigen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus den Jahren 1949 bis 1989 ersehen10. Die erste Controller- Anzeige stammte hiernach aus dem Jahr 1954. Gut nachvollziehbar ist auch der Aufgabenwandel im Zeitablauf. Während anfangs entsprechend dem amerikanischen Aufgabenbild die Buchhaltung, Bilanzierung und das Steuerwesen dominierten, bestimmen heute Aufgaben wie Budgetierung, Berichtswesen und Abweichungsanalysen die Controller- Stellenanzeigen. Die wesentlichen Erkenntnisse aus der Erhebung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Die Zahl der ausgeschriebenen Controllerstellen verlief im Zeitablauf stark progressiv, sie überstieg aber erst in den 80er Jahren die Zahl der Controllerähnlichen Stellen11. 2. Controllerstellen wurden vorwiegend von Tochtergesellschaften amerikanischer Konzernmütter offeriert. 3. Um 1970 wurden erstmals strategische Aufgabenfelder dem Controlling zugeordnet. Die Aussagefähigkeit solcher empirischer Erhebungen auf der Grundlage von Stellenangeboten in Zeitungen ist aufgrund der Anzahl der einbezogenen Stellenanzeigen begrenzt, sie zeigt jedoch gut nachvollziehbar den Wandel der praktischen Aufgaben. In Abbildung 3 ist eine Längsschnittanalyse der Entwicklung der Aufgaben des Controllers im Zeitablauf dargestellt. Diese verdeutlicht noch einmal die oben beschriebenen Erkenntnisse.

10 11

Vgl. Weber, Kosmide, Controlling- Entwicklung, 1991. In die Untersuchung wurden neben den explizit beschriebenen Controller- Stellen auch Controller- ähnliche Stellenangebote einbezogen. Hiermit waren Anzeigen mit den Funktionsbeschreibungen Betriebswirtschaft, Rechnungswesen und Planung gemeint.

8

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Betrachtungszeitraum 1949- 1960- 1965- 1970- 1975- 1980- 1985- 1990Aufgabengebiet 1959 1964 1969 1974 1979 1984 1989 1994 Berichtswesen 14,3 6,5 4,7 8,4 8,5 11,4 13,2 • Kurz-/jahresbezogene/ operative Planung 6,5 6,2 9,6 12,0 9,2 11,6 • • Strategische Planung 1,6 4,0 7,1 3,6 3,6 • • • Betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung 25,0 4,8 4,8 2,3 3,2 3,7 4,8 4,7 Investitions-/Wirtschaftlichkeitsrechnungen 4,8 3,2 2,3 4,0 2,9 4,4 6,5 • Budgetierung und Budgetkontrolle 4,8 12,9 9,3 11,9 8,8 10,1 7,9 • Soll-Ist-Vergleiche/ Abweichungsanalysen/ Kostenüberwachung 9,5 8,1 7,0 11,1 6,8 12,4 10,7 • Finanzplanung, Beobachtung der Liquidität, Finanzierungsfragen 4,8 8,1 9,3 6,8 6,3 4,2 3,4 • Mitgestaltung der Unternehmenspolitik und –ziele 2,0 1,5 1,7 0,8 • • • • Steuerung/ Führungsaufgaben 1,6 0,8 2,8 2,2 1,6 3,1 • • EDV-Organisation 4,8 8,1 3,8 7,2 8,0 5,5 3,3 • Projektkoordination/ Sonderuntersuchungen 4,7 3,2 3,4 3,4 5,1 • • • Bilanzierung/Konzernbilanzierung 14,3 3,2 6,9 2,4 2,7 2,7 4,2 • Buchhaltung 9,5 4,8 7,8 3,2 3,4 2,1 2,5 • Kostenrechnung/ Kalkulation 50,0 18,9 14,5 11,6 5,5 9,5 7,7 6,4 Steuerwesen 25,0 9,5 4,8 5,4 3,6 2,0 1,2 0,8 Sonstiges 12,9 16,3 11,1 11,2 14,0 12,1 • • Angabe jeweils in Prozent der Gesamtaufgaben innerhalb eines Betrachtungszeitraums Abbildung 3: Wandel der Aufgaben der Controller im Erhebungszeitraum der Längsschnittanalyse12

12

Abbildung entnommen aus Weber, Schäffer, Controlling-Entwicklung, 1998, S. 229.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

9

1.2 Konzeptionelle Grundlegung des Controlling Auch heute wird die Controllingfunktion in der betriebswirtschaftlichen Theorie sehr kontrovers diskutiert. Dies zeigt sich allein bei einem Blick in die betriebswirtschaftliche Controllingliteratur. Im Gegensatz zu anderen wissenschaftlichen Bereichen existiert im Bereich Controlling keine einheitliche Controllingauffassung bzw. -definition. Daher werden zunächst aus der Praxis resultierende Systematisierungs- und Definitionsversuche vorgestellt und anschließend verschiedene ganzheitliche theoretische Konzeptionen des Controlling untersucht. Ziel ist es nicht, eine gänzlich neue, eigene Controllingauffassung zu entwickeln, sondern es sollen für sinnvoll erachtete Elemente bestehender Konzeptionen für die eigene Begriffsdefinition herangezogen werden.

1.2.1 Aus der Praxis resultierendes Controllingverständnis 1.2.1.1 Controllertypen Schon relativ früh zeigte sich - trotz der oben beschriebenen Verbreitung der Controlleraufgaben in Deutschland - dass es keine unternehmensübergreifende Ausprägung des Controllers gibt. Die Unterschiede werden in der Literatur unter dem Stichwort „Controllertypen“ diskutiert. Bereits 1974 wurde von Henzler eine kontextbezogene Unterscheidung von Controllertypen vorgenommen (vgl. Abbildung 4). Er unterscheidet zwischen den folgenden drei, in der Praxis vorkommenden Erscheinungstypen: 1. Historisch- buchhaltungsorientierter Controller: Der Controller ist hier lediglich für die Informationsbereitstellung durch das Rechnungswesen verantwortlich, im Mittelpunkt stehen dabei zahlenmäßige, vergangenheitsbezogene Informationen. 2. Zukunfts- und aktionsorientierter Controller Die Aufgaben des Controllers werden für diesen Typ auf die Zusammenfassung entscheidungsorientierter Rechnungen mit Aufgaben der operativen Planung, Kontrolle und Steuerung, der Untersuchung von Betriebsabläufen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, dem Aufdecken von Schwachstellen sowie der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ausgeweitet. Eine zielbezogene Steuerung soll durch die Analyse von Abweichungen erreicht werden.

10

1 Controlling aus funktionaler Sicht

3. Managementsystemorientierter Controller Bei diesem Typ werden die Gedanken des zukunfts- und aktionsorientierten Controllers auch auf den Bereich der strategischen Planung übertragen. Daneben wird die Informationsbereitstellungsfunktion sowie die Bereitstellung methodischer Planungs- und Kontrollhilfsmittel betont. Abbildung 4 gibt noch einmal einen Überblick über die verschiedenen ControllerTypen. Controller- Typen HistorischZukunfts- und Managementbuchhaltungsaktionsorientierter systemorientierter orientierter Controller Controller Controller DokumentationsArgumentations- und zusätzlich zu den charakter, Vergangen- Entscheidungsunter- vom zukunfts- und heitsbezug, Ordstützungscharakter, aktionsorientierten nungsmäßigkeit, (peZukunftsbezug, Controller bereitgenible) Genauigkeit Schnelligkeit vor stellten InformatioGenauigkeit nen starke Bedeutung weitergegebenen Managementwissens Systemorientierter, nicht vorhanden nur ansatzweise Kernpunkt des funktionsübergreivorhanden Selbstverständnisses fender Ansatz des Controllers Verhältnis zu anderen kein Servicedenken Controller als stark ausgeprägtes Stellen des Unter„Spürhund“, Auftre- Servicedenken, Hilnehmens ten erheblicher dysfestellung anstelle funktionaler Konvon Kontrolle, Kritik flikte und Sanktionen Traditionelle, dem Leiter des (traditionell Leiter des internen als Antwort auf die Controller entspreverstandenen) RechRechnungswesens, gestiegene Komplexichende Stellen nungswesens dazu Leiter der Be- tät und Dynamik neu triebswirtschaft geschaffene Stelle Charakterisierende Merkmale der Controller-Typen Bereitgestellte Informationen

Abbildung 4: Unterschiedliche Controller- Typen nach Henzler13

Eine ähnliche Einteilung von Controller- Typen geht auf Zünd zurück. Im Gegensatz zu Henzler versucht Zünd seine Einteilung mit Hilfe einer These zu begründen. Hierbei lehnt er sich an empirische Studien aus den USA an. Zünd vertritt die These,

13

Vgl. Weber, Controlling, 2002, S. 11.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

11

dass die Umwelt- und Systembedingungen Einfluss auf die Unternehmensstrategie haben und diese wiederum unterschiedliche Controller- Typen hervorruft.14 „In einer relativ stabilen Umwelt wirkt der Controller als Registrator, der als Buchhalter jene Berufsbezeichnung zu Unrecht trägt. In einer begrenzt dynamischen Umwelt tritt der Controller als Navigator auf, dessen wichtigstes Steuerungsinstrument die Integration von Planung und Kontrolle darstellt. In einer extrem dynamischen Umwelt schließlich erscheint der Controller als Innovator, der an Problemlösungsprozessen teilnimmt und für die Einrichtung von Frühwarnsystemen verantwortlich ist“15. Die Unterteilungen der Controller- Typen nach Henzler und Zünd lassen sich problemlos miteinander kombinieren. So lässt sich sagen, dass •

der historisch- buchhaltungsorientierte Controller als Registrator in einer stabilen Umwelt agiert,



der zukunfts- und aktionsorientierte Controller als Navigator in einer gemäßigt dynamischen Umwelt tätig ist und



der managementsystemorientierte Controller als Innovator in einer stark dynamischen und diskontinuierlichen Umwelt arbeitet.

Die Relevanz beider Unterteilungsansätze wird nach wie vor durch die Praxis bestätigt. So müssen Controller von beispielsweise Biotechnik- oder Softwareunternehmen verstärkt innovativere Aufgaben bei der Planung und der Frühwarnung wahrnehmen als Controller langfristiger Auftragsfertiger im Maschinen- und Anlagenbau. Insgesamt kann hier nur der Auffassung von Zünd gefolgt werden, dass es nicht einen allgemein richtigen Controllertyp gibt.16

1.2.1.2 Controlling- Leitbild des Internationalen Controller- Vereins e.V. und der International Group of Controlling Die oben dargestellten Typisierungen haben die in der Praxis vorherrschende Vielfältigkeit an Controller- Typen dargestellt. Es hat sich gezeigt, dass in der Praxis grundsätzlich unterschiedliche Ausprägungen des Controlling existieren. Im Folgenden soll die Sichtweise des Controlling, die Controller für sich selbst formuliert haben, dargestellt werden.

14 15 16

Vgl. Zünd, Begriffsinhalte, 1996, S. 1 ff. zitiert nach Weber, Controlling, 1995, S. 11 f. Die Gültigkeit der Aussagen wird durch empirische Studien bestätigt, so z.B. bei Amshoff, Controlling, 1994, S. 362-368.

12

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Die Controllingauffassungen von Praktikern aus dem deutschsprachigen Raum werden durch das Controllerleitbild des 1975 gegründeten „Internationalen Controller Verein e.V. (ICV)“ (vormals „Controller Verein e.V.“) ausgedrückt. Diese Ausführungen decken sich mit dem Leitbild der übergeordneten „International Group of Controlling (IGC)“. Hiernach wird die Controller- Philosophie wie folgt dargestellt: „Controller leisten begleitenden betriebswirtschaftlichen Service für das Management zur zielorientierten Planung und Steuerung. Das heißt: •

Controller sorgen für Ergebnis-, Finanz-, Prozess- und Strategietransparenz und tragen somit zu höherer Wirtschaftlichkeit bei.



Controller koordinieren Teilziele und Teilpläne ganzheitlich und organisieren unternehmensübergreifend zukunftsorientiertes Berichtswesen.



Controller moderieren den Controlling- Prozess so, dass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handeln kann.



Controller sichern die dazu erforderliche Daten- und Informationsversorgung.



Controller gestalten und pflegen die Controllingsysteme.

Controller sind interne betriebswirtschaftliche Berater aller Entscheidungsträger und wirken als Navigator zur Zielerreichung.“17 Weiter sieht der ICV die Aufgabe und Rolle des Controllers wie folgt18: •

Ingangsetzer und Inganghalter des betriebswirtschaftlichen Steuerungsprozesses.



Ökonomischer Navigator und Begleiter betriebswirtschaftlicher Ziele.



Unterstützer bei der Ziel- und Entscheidungsfindung des Managements.



Initiator und Moderator von betriebswirtschaftlichen Prozessen, wie z.B. - Strategieentwicklung, - Schaffung von Kompetenz- und Marktpotenzialen, - Entwicklung der Mitarbeiter.

17

18

Grundsatzformulierung der IGC - International Group of Controlling-. Formulierung des Controller- Leitbilds durch den Geschäftsführenden Ausschuss der IGC. Überarbeitete Version, Parma 14.09.2002, http://www.controllerverein.de/wasistct/leitbild/leitbild.html (03.03.2003), S. 2. Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata/_file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 4.

1 Controlling aus funktionaler Sicht



13

Sicherstellung der Ergebnis- und Wertoptimierung sowie Sicherstellung finanzieller Stabilität.

Zusammenfassend stellt der ICV das Controlling wie folgt dar: „Controlling im Unternehmen ist mehr als Planen, Analysieren, Berichte erhalten. Controlling ist eine Denkweise und Verpflichtung, betrifft Zusammenarbeitsregeln, Transparenzverantwortlichkeit, sich an Vereinbartes halten, Abweichungen beizeiten von sich aus anzukündigen und vernetzt im Verbund mit anderen zu arbeiten“.19 Der ICV verdeutlicht das „Leitbild Controller“ anhand von vier Merkbildern20. Das erste Merkbild stellt die Controllerfunktion als Lotsen für das Unternehmen dar. Der Controller als Lotse muss für die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens im Hinblick auf den Kunden das Wachstum, die Entwicklung und den Gewinn berücksichtigen. Hierfür wird die Abkürzung „WEG“ verwendet. Hinsichtlich des Wachstums muss ständig überwacht werden, ob das Unternehmen wächst, schrumpft oder konstant bleibt. Bei der Entwicklung stellt sich die Frage, wie die Probleme der Kunden der Gegenwart und der Zukunft besser oder attraktiver gelöst werden können. Neben Wachstum und Entwicklung muss Gewinn erwirtschaftet werden. Das zweite Merkbild für den Controller stellt die Beziehung zwischen Manager und Controller dar (vgl. Abbildung 5).

19

20

http://www.controllerverein.com/_cmsdata/_file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 11. Vgl. http://www.controllerverein.com/_cmsdata/_file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 5-11.

14

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Manager -

Ergebnisverantwortung

-

Projektverantwortung

-

Produktverantwortung

-

Bereichsverantwortung

Controller

Controlling Controlling

-

Methodenverantwortung

-

Transparenzverantwortung

Abbildung 5: Manager und Controller im Team21

Das dritte Merkbild zeigt die Interaktion zwischen operativem und strategischem Controlling auf. Bei strategischen Fragen muss sich der Controller damit auseinander setzen, ob die richtigen Dinge getan wurden bzw. werden22, wohingegen das Hauptaugenmerk bei operativen Fragen auf der Effizienz23 der Dinge liegt. In Abbildung 6 wird sehr anschaulich der Zusammenhang zwischen operativen und strategischen Aufgaben dargestellt.

21

22 23

Abbildung modifiziert entnommen aus http://www.controllerverein.com/_cmsdata/ _file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 8. Hierfür kann auch der Begriff Effektivität herangezogen werden. Entsprechend kann hier die Frage gestellt werden: „Tun wir die Dinge richtig?“.

1 Controlling aus funktionaler Sicht Bezugsrahmen strategischer Planung und Steuerung (die richtigen Dinge tun)

Bezugsrahmen operativer Planung und Steuerung (die Dinge richtig tun)

Strategische Zielposition

Controlling

Untern.kultur Philosophie Strukturen Abläufe Instrumente Mensch t(-) Erfahrungshorizont

15

Szenariotrichter t(0)

Szenarien Visionen Strategien Ziele Maßnahmen t(+) Planungs- und Entscheidungshorizont

Abbildung 6: Interaktion zwischen operativen und strategischen Fragestellungen des Controlling24

Das vierte Merkbild zeigt den „roten Teppich“ für den Controllingstoff auf. Hierbei werden mit Hilfe einer Matrix (als Metapher wird das textile Gebilde Teppich aus Ketten und Schuss verwendet) die Werkzeuge des Controlling mit den sie anwendenden Personen (Managern) verknüpft (vgl. Abbildung 7). Als Werkzeugsysteme werden die Management- Rechnung, die Unternehmensplanung und die Führung durch Ziele herangezogen. Die Controlling- anwendenden Manager werden nach Funktionsbereichen unterschieden. Hierdurch wird letztlich der Zusammenhang zwischen Informationsbedarf und Informationsversorgung dargestellt.

24

Abbildung entnommen aus http://www.controllerverein.com/_cmsdata/_file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 9.

16

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Controller’s „DenkSystem der zeuge“

System der

System der

Unternehmensplanung

Führung durch Ziele

ControllingAnwendungen der Manager

ManagementRechnung

Vertrieb

z.B. stufenweise z.B. Sortimentspri- z.B. Ziele & KomDeckungsbeitrags- oritäten bei Planung petenzen von Prorechnung Auftragseingang fit Center-Chefs

Produktion

z.B. flexible Plankostenrechnung

z.B. Aufgaben- und z.B. ZuständigkeiMaßnahmenplaten des Kostenstelnung im Mitarbei- lenleiters tereinsatz

Forschung und Entwicklung

z.B. Projektkalkulation

z.B. Projekt- Ziele z.B. ProjektBearbeitungsstände neben Periodenu. Cost to Comple- Zielen tion-Maßnahmen

Abbildung 7: Controller’s Themen-Teppich25

Das oben beschriebene Controllingverständnis der Praxis ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich das Controlling aus der Praxis heraus entwickelt hat, für eine anwendungsorientierte Vorstellung des Begriffs Controlling wesentlich. Allerdings bedarf es vor allem für eine mögliche Weiterentwicklung des Controlling einer theoretischen Fundierung. Hierbei soll keine Abkopplung des Controlling von der Praxis erfolgen, sondern die Möglichkeit zur betriebswirtschaftlichen Forschung geschaffen werden.

1.2.2 Ganzheitlich theoretische Controllingkonzeptionen Entgegen dem Praxisverständnis des Controlling existieren in der deutschsprachigen Literatur keine einheitlichen Controllingbilder entsprechend dem ICV bzw. IGC. Vielmehr existiert eine vielfältige Auswahl an theoretischen Definitionen und Aufgabenlistungen zum Thema Controlling. Insbesondere in den neunziger Jahren ist

25

Abbildung entnommen aus http://www.controllerverein.com/_cmsdata/_file/file_81.pdf (Nachdruck vom August 2001, Abruf im August 2007), S. 10.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

17

die Anzahl an theoretischen Controllingkonzeptionen stark angestiegen. Eine Konzeption soll dabei theoretisch fundiert die Funktion des Controlling darstellen. Die Herleitung einer Controllingkonzeption ausgehend von der praktischen Ausgestaltung des Controlling (induktive Vorgehensweise) kann höchstens Anhaltspunkte für Aufgabenschwerpunkte liefern. Sie ist für die theoretisch fundierte Ableitung einer Konzeption ungeeignet. Dies liegt darin begründet, dass es bei der Konzeption des Controlling um die Funktion des Controlling und nicht um seine organisatorische Ausgestaltung geht. Die beschriebene Funktion des Controlling muss in der praktischen Ausgestaltung nicht von einem organisatorischen Funktionsbereich Controlling wahrgenommen werden. Aus diesem Grund erscheint eine deduktive Vorgehensweise bei der Herleitung einer Controllingkonzeption sinnvoll. Hierzu werden theoretische Untersuchungen zum Begriff und Gegenstand des Controlling angestellt. In der Literatur wird häufig versucht, anhand verschiedener Kriterien eine Systematisierung der Controllingkonzeptionen zu erreichen. So trennt z.B. Küpper die Konzeptionen wie folgt: 1. 2. 3. 4.

gewinnorientierte Controllingkonzeptionen, informationsorientierte Controllingkonzeptionen, planungs- und kontrollorientierte Controllingkonzeptionen, koordinationsorientierte Controllingkonzeptionen.

Hierbei basieren die drei letztgenannten Konzeptionsarten auf der Koordination als grundlegender Zwecksetzung des Controlling. Eine andere Systematisierung funktional orientierter Controllingkonzepte nimmt Zenz vor. Die Unterteilung von Zenz basiert auf den drei unterschiedlichen Merkmalen Unternehmenszielbezug, Funktionsbreite und Funktionstiefe. Anhand der Ausprägungen dieser Merkmale wurden die in der Literatur bestehenden Controllingkonzeptionen differenziert. Hinsichtlich des Unternehmenszielbezugs stellt sich die Frage, auf welche Ziele sich das Controlling konzentriert. Hierbei kann zwischen Erfolgszielen, Finanzzielen und sonstigen Unternehmenszielen unterschieden werden. Mit dem Merkmal Funktionsbreite wird die Verschiedenartigkeit der Aufgaben des Controlling gekennzeichnet. Hier stellt sich somit die Frage, auf welche Führungsteilsysteme das Controlling einwirkt bzw. in welchen Führungsteilsystemen es Aufgaben übernimmt. Als Führungsteilsysteme kommen das Planungs-, Kontroll-, Informationsversorgungs- und Personalführungssystem sowie die Organisation in Frage. Hinsichtlich des Merkmals Funktionstiefe differenziert Zenz nach dem Ausmaß des Controllingeinflusses auf das jeweilige Führungsteilsystem. Hierbei unterscheidet er schematisch zwischen der partiellen und vollständigen Über-

18

1 Controlling aus funktionaler Sicht

nahme von Führungsfunktionen. Anhand der beschriebenen Merkmale differenziert Zenz in sechs Gruppen von Controllingansätzen:26 •

Informationsorientierter Ansatz: Controlling nimmt nur den Betrieb des Informationsversorgungssystems wahr.



Regelungsorientierter Ansatz: Controlling nimmt die Funktion des Betriebs des Planungs-, Kontroll- und Informationsversorgungssystems wahr.



Führungsorientierter Ansatz: Controlling wird als eine spezielle Form der Führung angesehen. Die Controllingfunktion nimmt den Betrieb aller Führungsteilsysteme wahr.



Begrenzt führungsgestaltender Koordinationsansatz: Controlling übernimmt die Funktion der Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung.



Umfassender Koordinationsansatz: Controlling nimmt hier die Koordination aller Führungsteilsysteme wahr.



Metaführungsorientierter Ansatz: Die Controllingfunktion besteht in der Struktur- und Ablaufgestaltung aller Führungsteilsysteme.

Die ersten drei Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, dass hier das Controlling den Betrieb von Führungssystemen wahrnimmt. Zenz bezeichnet dies als (partielle) Führungssubstitution. Die restlichen Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, dass das Controlling nicht den Betrieb von Führungssystemen wahrnimmt, sondern die Führungsteilsysteme nur Objekte der Controllingaktivitäten darstellen. Zenz fasst das Controlling bei diesen Ansätzen als (partielle) Einwirkung auf Führungsgestalt und -ablauf auf. Im Folgenden wird versucht, die wesentlichen Konzeptionen aus der Literatur nach • informationsorientierten, • führungszielorientierten und • koordinationsorientierten Controllingkonzeptionen zu systematisieren. Die Unterscheidung basiert im Wesentlichen auf den Merkmalen Unternehmenszielbezug und Funktionsbreite der Controllingkonzeptionen. Die Funktionstiefe, also die Frage, ob das Controlling (partiell) die Führung übernimmt oder nur auf Führungsgestalt und -ablauf einwirkt, wird hier noch nicht berücksichtigt. Hierauf wird in der kritischen Würdigung eingegangen. Die hier vorgenomme26

Vgl. Zenz, Controlling, 1998, S. 34 ff.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

19

ne Unterteilung ist nicht überschneidungsfrei. Die Zuweisung zu einer Klasse basiert auf dem wesentlichen Fokus der jeweiligen Konzeptionen. Zum besseren Verständnis werden beispielhaft Konzeptionen kurz vorgestellt. Hierbei wurden insbesondere Konzeptionen von Vertretern der jeweiligen Klasse ausgewählt, welche eine große Verbreitung haben und allgemein als Standardwerke gelten27. Die Auswahl der Konzeptionen orientiert sich dabei zum einen an deren wissenschaftlicher Beachtung und zum anderen an der Aktualität der Veröffentlichung. Anschließend wird eine Kritik der vorgestellten Konzeptionen vorgenommen und darauf aufbauend das theoretische Controllingverständnis für die weiteren Ausführungen erarbeitet.

1.2.2.1 Informationsorientierte Controllingkonzeptionen Viele Definitionsversuche des Controlling stellen im Kern auf die Informationsversorgungsfunktion des Controlling ab. Den Bezugspunkt bildet dabei zumeist das Rechnungswesen (in seinen verschiedenen Ausprägungen). Die informationsorientierte Sicht des Controlling wird durch die Gegenüberstellung des „historischen“ Rechnungswesenleiters mit dem zukunftsbezogenen Controller verdeutlicht (vgl. Abbildung 8). Die primäre Zwecksetzung wird häufig in der Koordination des Informationsbedarfs, der Informationserzeugung und -weitergabe gesehen. Häufig wird bei derartigen Konzeptionen der Versuch unternommen, das Spezifische des Rechnungswesens als Controlling herzuleiten.

27

Als Indikator für die Verbreitung und den Standardcharakter wurde die Auflagenanzahl herangezogen. Es wurden nur solche Konzeptionen herangezogen, welche mindestens in der zweiten Auflage erschienen sind.

20

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Leiter Rechnungswesen Rechenschaftsleger und Prüfer

Zukunftsorientierter Controller Empfänger- und zugleich zielorientierter Dienstleister Zahlenbezogenes Arbeiten Eingehen auf „Kunden-“ Anforderungen und Wünsche Vergangenheitsorientiertes Auswerten Erarbeiten zukunftsbezogener Steuerungsinformationen Bereichs- und Funktionsorientierung Ganzheitliche Orientierung am Leistungserstellungsprozess Kontrolle von Abweichungen Steuerung marktkritischer Erfolgsfaktoren Regel- und richtlinienbezogenes Gestaltung und stetige Entwicklung der Arbeiten Controllingsysteme Beseitigung von Abweichungen Initiieren und Moderieren von Lernprozessen Zahlen(„-Friedhöfe“) werden abgeliefert Informationen werden überzeugend verkauft Nackte Zahlenaufstellung Berichte mit Analysen, Resümées, Vorschau und Maßnahmenvorschlägen Rechnungswesen dominierend Zielsetzung, Planung, Kontrolle und Steuerungsunterstützung dominierend Abbildung 8: Rechenschaftsleger und Controller im Vergleich28

Im Folgenden wird exemplarisch für die informationsorientierten Ansätze der Ansatz von Reichmann kurz vorgestellt. Controllingansatz nach Reichmann29 Reichmann nimmt eine Strukturierung des Controlling mit Hilfe der Komponenten Ziele, Aufgaben, Konzeption, System und Institution vor. Die Controllingziele leitet Reichmann aus den jeweiligen Oberzielen, d.h. in der Regel Wirtschaftlichkeit, Rentabilität oder Produktivität und Liquidität der Unternehmen ab. Konkret sieht er die wesentlichen Ziele des Controlling in der Unterstützung der Planung, der Koordination einzelner Teilbereiche sowie der Kontrolle der wirtschaftlichen Ergebnisse.

28

29

Abbildung modifiziert entnommen aus Steinle, Bruch, Controlling, 2007, S. 8 in Anlehnung an Becker, Controller, 1984, S. 22. Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Reichmann, Controlling, 2006, S. 3 ff.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

21

Controllingaufgaben dienen nach Reichmann dazu, die Controllingziele zu erfüllen. Konkret nennt er Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Controlling, die den Kommunikations- und Informationsverarbeitungsprozess betreffen. Reichmann plädiert allerdings auch dafür, die deduktiv aus den Controllingzielen abgeleiteten Controllingaufgaben mit den empirisch- induktiv ermittelten Aufgaben aus dem betriebswirtschaftlichen Erfahrungsbereich abzustimmen. Hierbei sollen insbesondere induktiv ermittelte Aufgaben, die für zweckadäquat gehalten werden, aber nicht mit der deduktiven Ableitung übereinstimmen, ebenfalls zum Aufgabenbereich des Controlling gezählt werden. Unter einer Controllingkonzeption versteht Reichmann einen methodischen Ansatz, der den Bezugsrahmen für die konkrete Ausgestaltung in einem Controllingsystem vorgibt. Grundsätzlich wird zwischen entscheidungs- und informationsbezogenen Elementen der Controllingkonzeption unterschieden. Die Informationsprozesse in seiner Controllingkonzeption laufen dreidimensional ab (vgl. Abbildung 9). •

Die erste Dimension basiert auf der funktionalen Einteilung von Industrieunternehmen (Beschaffung, Logistik, Produktion, Marketing, Forschung und Entwicklung),



die zweite Dimension unterscheidet die verschiedenen Kategorien von Informationen (Kosten- und Leistungsgrößen, Erträge und Aufwendungen, Zahlungsgrößen, Mengen- und Zeitgrößen) und



die dritte Dimension bildet die zeitliche Komponente (strategisch, operativ) ab.

Als wesentlicher Bestandteil der Controllingkonzeption wurde die Information genannt. Reichmann sieht hierbei einen fünfstufigen Informationsprozess. Auf der untersten Ebene stehen die technischen Erfassungs- und Steuerungssysteme, wie z.B. die Betriebsdatenerfassung oder die Zeitdatenerfassung, darüber die Administrations- und Dispositionssysteme, die Abrechnungssysteme, die Analyse- und Berichtssysteme und auf der obersten Stufe die Führungsinformationssysteme. Das Controlling bezieht sich hierbei nur auf die beiden obersten Stufen (vgl. Abbildung 9). Der zweite wesentliche Bestandteil der Controllingkonzeption nach Reichmann ist der Entscheidungsbezug. Entsprechend den Phasen des Entscheidungsprozesses30 (Planung – Steuerung – Kontrolle) richtet sich die Konzeption auf die Planungs- und Kontrollprozesse aus. Des Weiteren sieht Reichmann das primäre Einsatzfeld des Controlling bei schlecht strukturierten Entscheidungsproblemen. Reichmann definiert seine Controllingkonzeption basierend auf beiden Elementen wie folgt: „Controlling ist die zielbezogene Unterstützung von Führungsaufgaben, 30

Vgl. hierzu Hahn; Hungenberg, PuK, 2001, S. 32 ff.

22

1 Controlling aus funktionaler Sicht

die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle dient; es ist eine rechnungswesen- und vorsystemgestützte Systematik zur Verbesserung der Entscheidungsqualität auf allen Führungsstufen der Unternehmung“31. Die Aufgaben eines Controllingsystems sieht Reichmann dabei in der Konkretisierung der allgemeinen oder spezifischen Controllingkonzeption durch die branchenund unternehmensbezogene Festlegung bestimmter Konzeptionsparameter (z.B. operatives Logistik- Controlling). Grundsätzlich ist der Controllingansatz nach Reichmann stark auf die Aktivitäten im Zusammenhang mit Kommunikations- und Informationsverarbeitungsaufgaben fokussiert. Daneben spielt der Entscheidungsbezug des Controlling eine wesentliche Rolle. Funktionen wie die Planung und Koordination werden bei Reichmann zwar genannt, sind aber von untergeordneter Bedeutung. Da die Informationsversorgungsfunktion ganz unbestritten eine wesentliche Controllingaufgabe darstellt, lässt sich der Ansatz relativ einfach in der betriebswirtschaftlichen Praxis wiederfinden. Allerdings werden die vor allem in jüngerer Zeit immer stärker in den Fokus des Controllers getretenen Aufgaben der Koordination und der Gestaltung von Planungssystemen zu wenig berücksichtigt. Die Fokussierung auf die Informationsverarbeitung deckt daher nur ungenügend die betriebswirtschaftliche Realität ab. Des Weiteren scheint der dreidimensionale Ansatz mit der klassischen Funktionseinteilung stark auf industrielle Produktionsunternehmen ausgerichtet, nicht aber ohne weiteres auf andere Branchen übertragbar zu sein.

31

Reichmann, Controlling, 2006, S. 13.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Führungsinformationssysteme (Controlling)

FIS ch gis e t stra

v rati e p o Analyse- und Berichtssysteme (Controlling)

JA-C B-C

KuE-C P-C

F-C

L-C

I-C

M-C

Finanz- Kosten- Anlagen- Personalbuchhalrechbuchhal- abrechtung nung tung nung

Technische Erfassungsund Steuerungssysteme

Einkaufs- Produkwesen tionssteuerung

Lagerwirtschaft

tiv era

Auftragsabwicklung

op BDE

ZDE

CAQ

h eic ber

lu ick ntw E und fung f ng chu escha ktion s r B du k Fo o r P ogisti L t i ng rke Ma

ng

lu ick ntw E g nd g u fun hun eschaf tion c s B duk k For Pro ogisti L t ing rke Ma

ng

lu ick ntw E g nd g u fun hun eschaf tion c s B duk k For Pro ogisti L ting rke Ma

ng

ch gis e t stra

op Administrations- und Dispositionssysteme

gs run Füh

IV-C

v rati ope Abrechnungssysteme

23

tiv era

DNC

Abbildung 9: Die mehrdimensionale Controllingkonzeption nach Reichmann32

32

Abbildung entnommen aus Reichmann, Controlling, 2006, S. 7.

24

1 Controlling aus funktionaler Sicht

1.2.2.2 Führungszielorientierte Controllingkonzeptionen Die führungszielorientierten Konzeptionen stellen das Controlling als einen Teilbereich der Unternehmensführung heraus. Die Hauptaufgabe wird in der konsequenten Zielausrichtung des Unternehmens gesehen. Die Controllingfunktion leitet sich aus den Führungszielen ab. Gegenstand der Controllingdefinition sind meist Begriffe wie Gewinnsteuerung oder Zielorientierung. Sie zielen damit auf eine rationale Steuerung des Unternehmens ab. Ausgangspunkt derartiger Konzeptionen sind die Größe und Komplexität der Unternehmung und der Umwelt. Die damit einhergehenden Merkmale wie Arbeitsteilung und Dynamik machen den Aufbau eines Koordinationsmechanismuses zur Erhöhung der Koordinationsfähigkeit im Führungssystem notwendig. Daneben wird eine verbesserte Kontrolle des Unternehmensgeschehens mit dem Ziel einer besseren Reaktionsfähigkeit sowie eine Adaption und Antizipation von Umwelteinflüssen notwendig. Als Beispiel für einen führungszielorientierten Ansatz sollen die Ansätze von Hahn, Hungenberg und Weber kurz vorgestellt werden. Controllingansatz nach Hahn/ Hungenberg33 Hahn/ Hungenberg definieren die Controllingfunktion als „[...] informationelle Sicherung ergebnisorientierter Unternehmensführung [...]“34. In ihrem Konzept wird die Ergebnisorientierung des Controlling explizit betont. Weiter sehen sie die generelle Aufgabe des Controlling „[...] in der informationellen Sicherung bzw. Sicherstellung ergebnisorientierter Planung, Steuerung und auch Überwachung des gesamten Unternehmensgeschehens – vielfach verbunden mit einer Integrations- bzw. Systemgestaltungsfunktion, grundsätzlich verbunden mit einer Koordinationsfunktion“35 (vgl. Abbildung 10). Weiter werden im Rahmen dieser Konzeption die Controllingaufgaben in Nutzungsund Gestaltungsaufgaben unterschieden. Unter den Gestaltungsaufgaben wird die Konzipierung des Planungs- und Kontrollsystems verstanden. Nutzungsaufgaben umfassen die Durchführung von Planungs- und Kontrollaufgaben des Controlling, wobei explizit darauf hingewiesen wird, dass die inhaltlich- materielle Planung und Kontrolle den jeweiligen Führungskräften obliegt. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls die Führungsunterstützungsfunktion des Controlling in bezug auf eine ergebnisorientierte Unternehmensführung betont. Allerdings sehen Hahn/ Hungenberg die Durchführung der gesamtunternehmensbezogenen Ergebnis- und Finanzplanung und die damit verbundene Koordination der Teilplanungen, die Durchführung des Rechnungswesens als Dokumentationsrechnung sowie die daraus resultie33 34 35

Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Hahn, Hungenberg, PuK, 2001, S. 265 ff. Hahn, Hungenberg, PuK, 2001, S. 265. Hahn, Hungenberg, PuK, 2001, S. 272.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

25

renden Informationen und hierfür erforderlichen Systeme, Verfahren und Organisationsstrukturen als alleinverantwortliche Aufgabe des Controlling an.36 Controllingansatz nach Weber37 Erst der in den jüngeren Auflagen des Standardwerks „Einführung in das Controlling“ von Weber dargestellte Ansatz lässt sich den führungszielorientierten Konzeptionen zuordnen38. Weber begründet seine neue Auffassung mit dem Hinweis auf den Ursprung der Entwicklung des Controlling. Diesen sieht er in der gestiegenen Dynamik und Komplexität und den damit einhergehenden Führungsproblemen. Die Rolle des Controlling wird in Analogie zur Qualitätssicherung in der industriellen Produktion als Rationalitätssicherung der Führung bzw. Sicherstellung von Effizienz und Effektivität der Führung verstanden.39 Der Controller trägt durch eine Kombination aus Entlastungs-40, Ergänzungs-41 und Begrenzungsaufgaben42 zu einer optimalen Allokation der Aufmerksamkeit des Managements bei.43

36 37 38

39 40

41

42

43

Vgl. Hahn, Hungenberg, PuK, 2001, S. 265 f. Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Weber, Schäffer, Controlling, 2006, S. 40 ff. Ab der 7. Auflage (1997) hat sich die Controllingauffassung von Weber wesentlich verändert. Vorherige Auflagen haben sich relativ eng an die Definitionen von Küpper (vgl. Kapitel 1.2.2.3) und Schmidt (vgl. Schmidt, Controlling, 1986) angelehnt und waren eindeutig den koordinationsorientierten Konzeptionen zuzurechnen. So bei Weber, Schäffer, Controlling, 2006, S. 40 ff. Unter Entlastung verstehen Weber, Schäffer die effiziente Versorgung mit Inputdaten und den effizienten Betrieb von Führungshandlungen. Das Management kann durch diese Entlastung den Fokus auf Rationalitätsengpässe richten (vgl. Weber, Schäffer, Thesen, 2002, S. 93). Aufgrund des unterschiedlichen Fach- und Methodenwissens oder der anderen Perspektive können Controller die vom Management eingesetzten Mittel überprüfen oder geeignete Mittel anregen und durchsetzen. Hier ergänzt das Controlling das Management (vgl. Weber, Schäffer, Thesen, 2002, S. 94). Durch die Ergänzungsaufgaben des Controlling kann opportunistischem Verhalten von Seiten des Managements vorgebeugt werden (vgl. Weber, Schäffer, Thesen, 2002, S. 94). Vgl. Weber, Schäffer, Thesen, 2002, S. 92.

26

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Umweltanalysen und -prognosen

Unternehmungskultur Unternehmungsphilosophie Unternehmungspolitik/ Generelle Zielplanung Strategische Planung Operative Planung

Controlling mit Ergebnisund Finanzplanung und Dokumentationsrechnung

Projektplanung

Steuerung und Kontrolle

Durchführung Unternehmensanalysen und -prognosen Abbildung 10: Controlling im Rahmen der Führungsaufgaben der Unternehmung nach Hahn/ Hungenberg44

Die Aufgabe des Controlling zielt auf die Unterstützung bei der Sicherstellung einer rationalen Unternehmensführung ab. Rationalität wird hierbei als die herrschende Meinung von Fachleuten hinsichtlich einer bestimmten Zweck- Mittel- Situation verstanden.45 Entsprechend dieser Zweck- Mittel- Situation werden die drei Rationalitätsebenen Ergebnis-, Prozess- und Inputrationalität unterschieden (vgl. Abbildung

44 45

Abbildung entnommen aus Hahn, Hungenberg, PuK, 2001, S. 266. Vgl. Weber, Schäffer, Controlling, 2006, S. 43.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

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11). Die Rationalitätssicherungsfunktion des Controlling sieht Weber in Abhängigkeit von Umfang und Ausprägung der Rationalitätsdefizite der Führung, welche sich in Könnens- und Wollensdefiziten äußern können. Weber sieht die Aufgabe des Controlling im Vergleich zu anderen internen Dienstleistern, welche ebenfalls eine rationale Unternehmensführung sicherstellen, wie z.B. interne Revision, in der unmittelbaren Ausrichtung auf das Ziel der Ergebnisorientierung. Diese stellt traditionell die Kernkompetenz dar46. Aufgrund der Situationsabhängigkeit von Rationalitätsengpässen sieht Weber auch das Potenzial, verschiedene Sichtweisen des Controlling in diese Sichtweise zu integrieren. Die Aufgaben des Controlling als Rationalitätssicherungsinstrument der Führung macht Abbildung 11 deutlich.

1.2.2.3 Koordinationsorientierte Controllingkonzeptionen Die koordinationsorientierten Controllingkonzeptionen repräsentieren die weiteste Entwicklungsstufe und umfassen die beiden vorgenannten Konzeptionstypen. Den Kernpunkt derartiger Konzeptionen bildet die Koordination als wesentliche Controllingfunktion47. Der ausschließliche Bezug des Controlling auf die Koordinationsfunktion geht auf Horváth zurück48. Die koordinationsorientierten Ansätze basieren im Wesentlichen auf einem systemtheoretischen Analyserahmen und sehen die grundlegende Funktion des Controlling in der Koordination der Führungsteilsysteme. Die auf der Koordinationsfunktion beruhenden Konzeptionen sind sehr breit anwendbar. Dies hat auch dazu geführt, dass diese Konzeptionen als zu weitgehend und unpräzise kritisiert wurden49.Entsprechend den oben genannten Differenzierungsmerkmalen können auch die koordinationsorientierten Konzeptionen nach Unternehmenszielbezug und Funktionsbreite differenziert werden. Die Bandbreite der koordinationsbezogenen Konzeptionen wird am Beispiel der Konzeptionen nach Horváth und Küpper deutlich.

46 47

48

49

Vgl. Weber, Schäffer, Thesen, 2002, S. 94 f. Die Koordination wird in fast allen Konzeptionen genannt. Hier sollen jedoch nur solche Konzeptionen zusammengefasst werden, welche die Koordination als Hauptfunktion des Controlling verstehen. Der erste Ansatz, bei dem die Koordinationsfunktion den Kern des Controlling bildet, findet sich bei Horváth, Konzeption, 1978, S. 194 ff. Vgl. Schneider, Controlling, 1991, S. 765 ff.

28

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Prüfung des Modells vor seiner Anwendung (d.h. der Inputrationalität) Vermeidung einer mangelnden Modelleignung Modell für das zu lösende Problem grundsätzlich adäquat?

Intervention

Anwendungsprämissen für das Modell hinreichend gegeben?

Vermeidung von Könnensdefiziten Modell den beteiligten Akteuren hinreichend bekannt?

Rationalitätsdefizite erkannt

Vermeidung von Wollensdefiziten

Anwendungsprämissen des Modells den beteiligten Akteuren hinreichend bekannt?

Modell hinreichend vor Opportunismus der beteiligten Akteure geschützt?

Anwendungsprämissen des Modells hinreichend vor Opportunismus der beteiligten Akteure geschützt?

Rationalität gesichert

Prüfung des Modells in seiner Anwendung (d.h. der Prozessrationalität) Ausreichendes Wissen (Basiswissen und Information generierbar)?

Intervention

Rationalitätsdefizite erkannt

Wissen und Information richtig im Modell verarbeitet?

Modellanwendungsprozess entspricht dem Sollablauf?

Rationalität gesichert

Prüfung des Modellergebnisses (d.h. der Outputrationalität) Modellergebnis entspricht methodisch den Soll-Anforderungen (z.B. hinsichtlich Genauigkeit)?

Intervention

Modellergebnis entspricht inhaltlich den SollAnforderungen (z.B. oberhalb einer hurdlerate)?

Modellergebnis hält Plausibilitätschecks stand?

Rationalitätsdefizite erkannt Rationalität gesichert

Abbildung 11: Idealtypische Phasen eines Rationalitätssicherungsprozesses am Beispiel eines Willensbildungsprozesses50

50

Abbildung entnommen aus Weber, Schäffer, Controlling, 2006, S. 46.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

29

Controllingansatz nach Horváth51 Horváth nimmt eine Strukturierung des Controlling anhand der Komponenten Controllingfunktion, Controllingziele, Controllingkonzept, Controllingsystem, Controllingaufgaben, Controllingorganisation und Controllinginstrumente vor. Die Controllingfunktion sieht Horváth in der ergebniszielorientierten Koordination von Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung (vgl. Abbildung 12). Hierbei nimmt er ganz bewusst eine Eingrenzung der Koordinationsfunktion auf die beiden Führungsteilsysteme Planungs- und Kontrollsystem (PuK) und Informationsversorgungssystem (IV- System) vor, da ihm der Bezug der Koordinationsfunktion auf das Führungsgesamtsystem als zu weitreichend erscheint. Horváth weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Begrenzung auf das PuK- und IV- System zum einen eine abgrenzbare und klare Problemanalyse erlaubt und zum anderen im Einklang mit der Realität steht52. Die Planungsfunktion wird dabei funktional als Einheit mit der Kontrollfunktion gesehen. Aus diesem Grund wird das Planungsund Kontrollsystem als ein Führungsteilsystem angesehen53. Der Ansatz unterscheidet weiter zwischen einer systembildenden und einer systemkoppelnden Koordination. Unter systembildender Koordination wird die Gestaltung der Führungsteilsysteme verstanden. Hierzu sollen feste Koordinationsstrukturen geschaffen werden. Die systemkoppelnde Koordination erfolgt einzelfallspezifisch als Reaktion auf Störungen und zur Aufrechterhaltung sowie Anpassung der Koordination zwischen dem PuK- System und dem IV- System. Des Weiteren ist die Funktion des Controlling primär auf die Ergebnisorientierung gerichtet. Als Controllingziele nennt Horváth die „[...] Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung, damit diese die Ergebnisund Sachziele der Unternehmung realisieren kann.“54 Unter dem Controllingkonzept werden die spezifische Definition der Controllingziele und die konkrete Ausgestaltung des Controllingsystems verstanden. Unter dem Begriff Controllingsystem wird das Subsystem der Unternehmung verstanden, das die Controllingfunktion wahrnimmt. Als Subsysteme des Controllingsystems werden die Controllingaufgaben, die Controllingorganisation und die Controllinginstrumente gesehen. Horváth definiert zusammenfassend: „Controlling ist – funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversor51 52 53 54

Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 132 ff. Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 137 f. Siehe hierzu Horváth, Controlling, 2006, S. 150 f. Horváth, Controlling, 2006, S. 132.

30

1 Controlling aus funktionaler Sicht

gung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt“55. Controllingansatz nach Küpper 56 Küpper sieht den Kern der Controllingfunktion ebenfalls in der Koordination des Führungssystems. Diese wird durch den Ausbau bzw. die Verselbständigung der Führungsteilsysteme notwendig. Küpper weist explizit darauf hin, dass das Controlling nicht mit der Unternehmensführung gleichzusetzen ist, sondern die Koordinationsaufgabe des Controlling eine spezifische Aufgabe darstellt und kein Oberbegriff für alle Führungsaufgaben ist. Im Gegensatz zum Ansatz von Horváth sieht Küpper die Koordinationsaufgabe für alle Führungsteilsysteme. Das Führungssystem wird hierbei in fünf Führungsteilsysteme gegliedert (vgl. Abbildung 13). Im Vergleich zum Ansatz von Horváth werden das Personalführungssystem sowie die Organisation ergänzt. Ferner wird das Planungs- und Kontrollsystem getrennt dargestellt. Die Trennung des PuK-Systems wird damit begründet, dass die Kontrolle eine eigenständige Aufgabe neben der Kontrolle der Planung – als Vergleich mit früheren Werten oder Wirtschaftseinheiten – hat57.Des Weiteren bezieht sich die Controllingfunktion bei Küpper auf das gesamte Zielsystem, d.h. sowohl auf Formalziele als auch auf Sachziele. Neben der Koordination des Führungssystems als Kern des Controlling leitet der Ansatz die folgenden Nebenfunktionen ab: • Anpassungs- und Innovationsfunktion, • Zielausrichtungs- und • Servicefunktion

55 56 57

Horváth, Controlling, 2006, S 134. Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 28 ff. Küpper stellt hierbei klar, dass Kontrollen ohne vorherige Planung möglich sind, vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 187 f.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

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Unternehmung Unternehmungsinterne und -externe Einflußfaktoren

Unternehmungsziele

Informationen

Führungssystem Führungsziel: Spezifikation und Umsetzung der Unternehmungsziele Controllingziel: Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktionsund Adaptionsfähigkeit der Führung Controllingsystem: Planungs Planungsund Kontroll-Kontroll system

Ergebnisorientierte Koordination systembildend systemkoppelnd Informationen Ausführungssystem Güter Geld

Abbildung 12: Controllingsystem nach Horváth58

58

Abbildung entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 133.

Informationsversorgungssystem

32

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Die Koordinationsfunktion des Controlling bezieht sich einerseits ausschließlich auf die Koordination im Führungssystem, wohingegen die Koordination des Ausführungssystems dem Management zugeordnet wird. Andererseits erfolgt eine Differenzierung der Koordinationsfunktion in die Koordination innerhalb einzelner Führungsteilsysteme und die Koordination zwischen verschiedenen Führungsteilsystemen. Unter der führungsteilsysteminternen Koordination wird die Koordination einzelner Bereiche und Instrumente innerhalb eines Führungsteilsystems gesehen. Beispielsweise zählt die Koordination der Beziehungen zwischen der Investitions- und der Produktionsplanung oder die Verknüpfung der strategischen mit der taktischen und operativen Planung zu den internen Koordinationsaufgaben. Insbesondere innerhalb des Informationssystems existiert ein hoher Koordinationsbedarf zwischen den verschiedenen Komponenten der Unternehmensrechnung59. Die führungsteilsystemübergreifende Koordination beschreibt die Koordination zwischen den einzelnen Führungsteilsystemen. Hierunter ist z. B. die Ausrichtung des Informationssystems an den Bedürfnissen der Planung und Kontrolle oder die Abstimmung der Planung mit der Kontrolle zu verstehen. Hinsichtlich der Koordinationsinstrumente nimmt Küpper ebenfalls eine Einteilung in isolierte Instrumente (Organisations-, Personalführungs-, Planungs-, Kontroll-, Informationsinstrumente) und übergreifende Koordinationsinstrumente (Budgetierungssysteme, Kennzahlen- und Zielsysteme, Verrechnungspreis- und Lenkungspreissysteme und zentralistische Führungssysteme) vor.

59

Zu den Komponenten der Unternehmensrechnung werden beispielsweise die Investitions-, Finanz-, Kosten- und Bilanzrechnung gezählt.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

33

Führungssystem der Unternehmung Planungssystem

PersonalführungsPersonalführungs system

Kontrollsystem

Controlling

Informationssystem

Organisation

Leistungssystem Abbildung 13: Controllingansatz nach Küpper60

Einen zusammenfassenden Überblick über wesentliche deutschsprachige Controllingkonzeptionen gibt folgende Abbildung.61

60 61

Abbildung entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 30. Die Abbildung gibt nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl der Konzeptionen zum Thema Controlling wieder.

34

Autor, Buch

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Controllingfunktion

Controllingaufgaben

Informationsorientierte Controllingansätze Heigl, A.: Controlling, 1989

Controlling soll als „die Beschaffung, Aufbereitung und Prüfung von Informationen für deren Anwendung zur Steuerung der Betriebswirtschaft auf deren Ziele hin verstanden werden.“ (S. 3)

ƒ Mitwirkung in der Zielbildung ƒ Anregung zur Schaffung von Informationssystemen für die Planung und Kontrolle ƒ Betreuung und Koordination der Informationssysteme ƒ Interpretation und Weitergabe des Informationsinputs (Anregung von Steuerungs- und Korrekturmaßnahmen

Reichmann, T.: Controlling, 2006

Serfling, K.: Controlling, 1992

„Controlling ist die zielbezogene Unterstützung von Führungsaufgaben, die der systemgestützten Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung zur Planerstellung, Koordination und Kontrolle dient; es ist eine rechnungswesen- und vorsystemgestützte Systematik zur Verbesserung der Entscheidungsqualität auf allen Führungsstufen der Unternehmung.“ (S. 13)

ƒ Planung

„Controlling ist als informationsversorgendes System zur Unterstützung der Unternehmensführung durch Planung, Kontrolle und Analyse und Entwicklung von Handlungsalternativen zur Steuerung des Betriebsgeschehens zu verstehen.“ (S. 18)

ƒ Planung

ƒ Steuerung ƒ Koordination ƒ Kontrolle ƒ Informationsversorgung

ƒ Berichterstattung und Integration ƒ Bewertung und Beratung ƒ Steuerangelegenheiten ƒ Berichterstattung an staatliche Stellen ƒ Sicherung des Vermögens ƒ Volkswirtschaftliche Untersuchungen

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Autor, Buch

Controllingfunktion

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Controllingaufgaben

Führungszielorientierte Controllingansätze Deyhle, A.: Controller- Handbuch, 1996

Hahn, D.; Hungenberg, H.: PuK, 2001

Mann, R.: Controlling, 1973

Peemöller, V.: Controlling, 2005

Weber, J. [1]: Controlling, 2004

Welge, M.K.: Unternehmensführung, 1988

Die Controllerfunktion soll „dafür sorgen, dass ein ‚Apparat‘ existiert, der darauf hinwirkt, dass die Unternehmung Gewinn erzielt.“ „Das Controlling besteht im Vergleich zwischen Ist und Soll und im gezielten Reagieren als Folge von Abweichungen. Controlling ist insgesamt der Prozess von Zielsetzung, Planung und Steuerung.“ (S. 157 f., Bd. 1)

ƒ Einrichtung eines Systems der Management- Rechnung

„Die generelle Aufgabe des Controlling besteht danach in der informationellen Sicherung bzw. Sicherstellung ergebnisorientierter Planung, Steuerung und auch Überwachung des gesamten Unternehmensgeschehens, vielfach verbunden mit einer Integrations- bzw. Systemgestaltungsfunktion, grundsätzlich verbunden mit einer Koordinationsfunktion.“ (S. 272)

ƒ Planung

„Controlling als eine Führungs- und Führungsunterstützungsfunktion. Es beinhaltet als generelle Aufgabe die informationelle Sicherung bzw. Sicherstellung ergebniszielorientierter Unernehmensführung. Das gesamte Entscheiden und Handeln in der Unternehmung ist durch eine entsprechende Aufbereitung von Führungsinformationen ergebnisorientiert auszurichten. Da sowohl das Steuern als auch das Überwachen nicht ohne autonom gesetzte oder geplante Ziele sowie geplante Maßnahmen sinnvoll möglich ist, beinhaltet das Controlling Aufgabenkomplexe im Hinblick auf die Planung, Steuerung und Überwachung des Unternehmensgeschehens.“ (S. 265)

ƒ Planungsaufgaben

Die Aufgabe des Controlling besteht in der Unterstützung der Unternehmensführung bei der Planung, Steuerung und Kontrolle durch eine koordinierende Informationsversorgung.“ (S. 36) „Der Controller soll darauf hinwirken, dass das Unternehmen Gewinn erzielt.

ƒ Planung

Aufgabe des Controlling ist die Sicherstellung der Rationalität der Führung. Controlling ist somit nicht losgelöst von der Führung existent, aber dennoch von Führung exakt trennbar. (S. 47 f.)

ƒ Koordination

Umfang und Ausprägung des Controlling werden von Umfang und Ausprägung der Rationalitätsdefizite der Führung bestimmt.

ƒ Organisation

„... legen wir einen instrumentalen Controllingbegriff zugrunde. D.h., wir sehen Controlling als Instrument an, mit dem das Management bstimmte Ziele verfolgt.“ (S. 6)

ƒ Führungsaufgabe

ƒ Aufbau eines Systems der Unternehmensplanung ƒ Verschmelzung des Systems der Unternehmensplanung zu einem System der Führung durch Ziele (S. 158, Bd. 1)

ƒ Steuerung ƒ Überwachung ƒ Koordination ƒ Informationsversorgung

ƒ Informationsaufgaben ƒ Kontrollaufgaben ƒ Steuerungsaufgaben

ƒ Kontrolle ƒ Information ƒ Steuerung

ƒ Planung ƒ Kontrolle ƒ Informationsversorgung ƒ Personalführung

ƒ Informationsaufgabe ƒ Serviceaufgabe

36

Autor, Buch

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Controllingfunktion

Controllingaufgaben

Koordinationsorientierte Controllingansätze Horváth, P.: Controlling, 2001

„Controlling ist – funktional gesehen – dasjenige Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und systemkoppelnd ergebniszielorientiert koordiniert und so die Adaption und Koordination des Gesamtsystems unterstützt.“ (S. 153)

ƒ Differenzierung nach der Verrichtung in systembildende und systemkoppelnde Aufgaben ƒ Differenzierung nach dem Ziel in strategische und operative Aufgaben ƒ Differenzierung nach dem Objekt in Planungs- und Kontrollsystem und Informationssystem betreffende Aufgaben

Küpper, H.-U.: Controlling, 2005

„[...] die Controllingfunktion ... im Kern in der Koordination des Führungsgesamtsystems zur Sicherstellung einer zielgerichteten Lenkung“ (S. 12)

ƒ Koordination innerhalb und zwischen Führungsteilsystemen ƒ Planung ƒ Kontrolle ƒ Information ƒ Organisation ƒ Personalführung

Schmidt, A.: Controlling, 1986

Weber, J. [2]: Controlling, 1995

„Die Koordinationsfunktion des Controlling bezieht sich auf das Führungssystem und auf die Führungsprozessphasen. Seine Aktivitäten bezwecken primär die gesamtunternehmensbezogene interne Abstimmung und integrierte Verknüpfung des Informations-, Ziel-, Planungsund Kontroll- und Organisationssystems.“ (S. 56 f.)

ƒ Koordination

„Controlling bezeichnet eine bestimmte Funktion innerhalb des Führungssystems von solchen Unternehmen, deren Ausführungssystem primär durch Pläne koordiniert wird. Die vom Controlling wahrgenommene Funktion ist Koordination. Sie umfaßt die Strukturgestaltung aller Führungsteilsysteme, die zwischen diesen bestehenden Abstimmungen sowie die führungsteilsysteminterne Koordination.“

ƒ Koordination

ƒ Planung ƒ Kontrolle ƒ Informationsversorgung

ƒ Planung ƒ Kontrolle ƒ Information ƒ Organisation ƒ Personalführung

Abbildung 14: Systematisierung von Controllingkonzepten aus der deutschsprachigen Literatur

1 Controlling aus funktionaler Sicht

37

1.2.2.4 Kritische Würdigung der theoretischen Controllingkonzeptionen Im Folgenden werden die oben vorgestellten drei Konzepttypen kritisch analysiert. Die Kritik steht vor dem Hintergrund, dass Controlling als ein wissenschaftliches Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre nur dann Anerkennung findet, wenn ihm eine eigenständige Aufgabenstellung zukommt. Die Eigenständigkeit verlangt eine eigenständige Problemstellung, eine theoretische Fundierung und eine praktische Bewährung62. Für die nachfolgende Analyse wird der Fokus aufgrund der allgemeinen Uneinigkeit über die Notwendigkeit einer einheitlichen theoretischen Fundierung auf die eigenständige Problemstellung und die praktische Bewährung gelegt63. Bei den informationsorientierten Konzeptionen ist die Informationsversorgungsfunktion der wesentliche Bezugspunkt für die Definition des Controlling. Die Autoren dieser Konzeptionen sehen meist das Spezifische des Rechnungswesens als Aufgabenfeld des Controlling. Allerdings macht es aus der theoretischen Perspektive wenig Sinn, das bereits bekannte Konzept des entscheidungsorientierten Rechnungswesens lediglich mit dem neuen Namen „Controlling“ zu versehen. Hier benennt die Eingrenzung des Controlling auf seine „informationswirtschaftliche Dimension“ letztlich nur ein seit langem behandeltes Problemfeld (Informationssystem, Informationswirtschaft) um und trägt nicht zur Lösung des Definitionsproblems bei.64 Unbestritten ist – insbesondere vor dem Hintergrund der praktischen Ausgestaltung des Controlling, – dass die Informationsversorgungsfunktion ein Kerngebiet des Controlling darstellt. Eine Beschränkung hierauf ist jedoch sowohl von praktischer als auch von theoretischer Seite her unzweckmäßig. Kern der führungszielorientierten Controllingkonzeptionen ist die konsequente Zielausrichtung der Führung. Sowohl bei der praktischen Umsetzung als auch in der Theorie herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Controlling ein Subsystem des Führungssystems darstellt und die Führung unterstützt. Allerdings bergen derartige Konzeptionen die Gefahr, dass sie sich von der eigentlichen Führung nicht eindeutig abgrenzen lassen. Definitorisch hilft diese pauschale Form der Begriffserklärung nicht weiter, da sich die Unterstützung der Führung bei einer konsequenten Zielausrichtung nicht von Stabsaufgaben unterscheidet und somit kein eigenständiges Problemfeld darstellt.

62 63

64

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 3 ff. Eine theoretische Fundierung in Form einer einheitlichen Gesamttheorie liegt nicht vor. Es dominiert Deskriptives und Exploratives. Horváth setzt eine einheitliche Gesamttheorie für die Eigenständigkeit nicht voraus (vgl. Horváth, Ansatz, 2002, S. 64). So auch Weber, Controlling, 1995, S. 24 ff.

38

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Grundsätzlich ist die Controllingfunktion durchaus führungszielorientiert. Auch sind derartige Definitionen mit dem Controllingverständnis der Praxis vereinbar, sie reichen jedoch nicht für die Entwicklung einer eigenen Konzeption aus. Eine konsequente Ausrichtung an der Führung allein rechtfertigt noch keine eigenständige betriebswirtschaftliche Disziplin. Des Weiteren ist die im Rahmen dieser Konzeptionen häufig vorgenommene Einschränkung auf das Gewinnziel unglücklich, da Controlling nicht nur auf marktwirtschaftliche Unternehmen beschränkt ist. Auf den führungszielorientierten Ansatz nach Weber, welcher Controlling als Rationalitätssicherung der Führung definiert, treffen die oben genannten Defizite nicht uneingeschränkt zu. Weber sieht in der Rationalitätssicherungsfunktion des Controlling eine eigenständige Problemstellung, welche sich ebenfalls in der Praxis bewährt. Die Rationalitätssicherung stellt eine wesentliche Prämisse für Controllingkonzepte dar. Allerdings kann dieser Ansatz unter die nachfolgend kritisierten koordinationsorientierten Ansätze subsumiert werden65. Aufgrund der guten Übereinstimmung mit der Praxis wird die Rationalitätssicherung nach Weber bei der Definitionsbildung im folgenden Kapitel Berücksichtigung finden. Der dritten Klasse von Konzeptionen ist die Fokussierung auf die Koordinationsfunktion der Führung gemeinsam. Wie eine Untersuchung aus dem Jahr 1999 gezeigt hat, ist die Sicht des Controlling als Koordination des Führungssystems unter den deutschsprachigen Hochschullehrern die dominierende66. Allerdings hat die Untersuchung auch gezeigt, dass sich bislang noch kein bestimmter Ansatz der koordinationsorientierten Konzeptionen durchsetzen konnte67. Die Praxiskompatibilität dieser Ansätze sowie das Potenzial, eine eigenständige Disziplin zu begründen, werden von manchen Autoren angezweifelt68. Aufgrund der angeführten Mängel der informations- und führungszielorientierten Ansätze für eine Definitionsherleitung und der Annahme, dass letztlich alle Ansätze explizit oder implizit die Koordination beinhalten, wird im Folgenden versucht, die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der koordinationsorientierten Ansätze herauszuarbeiten und kritisch zu beurteilen.69 So stellt z.B. der informati65

66 67 68 69

Horváth sieht hier das „Henne- Ei- Problem“ des Controlling, die Frage, was war zuerst da, „Das Ei der Rationalität oder die Henne der Koordination“? Man kann jedoch unterstellen, dass die zielgerichtete Koordination per definitione der Rationalitätssicherung dient. Vgl. hierzu Horváth, Ansätze, 2002, S: 60. So Ahn, Ansehen, 1999, S. 113. Vgl. Ahn, Ansehen, 1999, S. 114. Vgl. hierzu Weber, Schäffer, Controlling, 2000, S. 115. Hier wird der Hypothese von Horváth gefolgt, nach der allen Controlling- Ansätzen explizit oder implizit die Koordination gemeinsam ist. Siehe hierzu Horváth, Ansatz, 2002, S. 55 f.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

39

onsorientierte Controllingansatz nach Reichmann einen Teilaspekt, nämlich die Koordination der Informationserzeugung und –bereitstellung mit dem Informationsbedarf so dar, dass die Unternehmensführung ausreichend mit entscheidungsrelevanten Informationen versorgt wird. Die führungszielorientierten Ansätze beinhalten ebenfalls alle die Unterstützung des Managements bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben durch Koordination. Sieht man die Koordinationsfunktion als spezifische Führungsaufgabe an, so muss der Anteil des Controlling an dieser Funktion abgegrenzt werden. In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Koordinationsfunktion der Führung sich primär auf das Ausführungssystem bezieht und die des Controlling darin besteht, diese Primärkoordination erst möglich zu machen. Die sogenannte Sekundärkoordination verbindet die Führungsteilsysteme miteinander (vgl. Abbildung 15). Es kann somit festgehalten werden, dass sich die Koordinationsfunktion des Controlling auf die Sekundärkoordination bezieht.70 Weber hat in diesem Zusammenhang darüber hinaus den Begriff der „Tertiärkoordination“ geprägt. Hierunter versteht er die Koordination innerhalb des Controlling selbst (vgl. Abbildung 15).

70

Vgl. Horváth, Ansatz, 2002, S. 59 f.

40

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Führungssystem Controlling Controllingbezogene Systembildungs- und Systemkopplungshandlungen

Wertesystem

Tertiärkoordination Auf die Teilsysteme des primären Führungssystems bezogene Systembildungs- und Systemkopplungshandlungen

Sekundärkoordination Primäres Führungssystem Planungssystem

Kontrollsystem

Informationssystem

Organisationssystem

Personalführungssystem

Primärkoordination Ausführungssystem Handlungstyp 1 (z.B. einkaufen)

Handlungstyp 2 (z.B. fräsen)

Handlungstyp 3 (z.B. verpacken)

Abbildung 15: Abgrenzung der Koordinationsfunktion71

Die koordinationsorientierten Konzeptionen unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der einbezogenen Führungsteilsysteme, der Zielorientierung und dem Umfang der Koordinationsfunktion. Bei der Frage, welche Führungsteilsysteme durch das Controlling koordiniert werden, gibt es zwei unterschiedliche Vorstellungen. Horváth beschränkt die Koordinationsfunktion des Controlling nur auf das Planungs- und Kontrollsystem und das Informationsversorgungssystem. Die weiterführenden Ansätze sprechen sich dagegen für eine Koordination des gesamten Führungssystems, d.h. aller Führungsteilsysteme aus.72 Hierunter werden das Planungs-, Kontroll-, Informationsversorgungs71 72

Abbildung entnommen aus Weber, Controlling, 1995, S. 300. Diese Auffassung vertreten z.B. Küpper, Controlling, 2005, Schmidt, Controlling, 1986 und Weber, Controlling, 1995.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

41

und Personalführungssystem sowie die Organisation verstanden. Die Ausdehnung der Koordinationsfunktion auf Personalführung und Organisation wird mit der höheren Dynamik der Märkte und den aufkommenden neuen Managementmethoden, wie Shareholder Value- Ansatz und Balanced Scorecard und der damit einhergehenden Notwendigkeit der Ausdehnung der Koordination auf alle Führungsteilsysteme begründet. Eine mangelnde Koordination zur Organisation und zur Personalführung führt demnach zu Ineffizienzen. So bedarf ein Großteil der Controllingaufgaben einer Veränderung der Organisation sowie einer Integration der beteiligten Mitarbeiter, wodurch die Organisation und Personalführung nicht gänzlich ausgeschlossen werden dürfen. Der Schwerpunkt der Controllingfunktion wird jedoch von allen Autoren in der Koordination des Planungs-, Kontroll- und Informationssystems gesehen.73 Die folgende Abbildung zeigt die Einbeziehung der Führungsteilsysteme bei unterschiedlichen Koordinationszyklen. Der Fokus der weiteren Ausführungen liegt jedoch auf der laufenden Koordination.

Personalführungssystem

Planungssystem

Kontrollsystem

n

o

Informationssystem

Organisationssystem

p Wertesystem

n

Laufende Koordination

Abbildung 16:

73 74

o

Koordination in größeren zeitlichen Abständen

in großen p Koordination zeitlichen Abständen

Unterschiedliche Koordinationszyklen als Begründung unterschiedlicher Differenzierungen von Führungsteilsystemen74

Vgl. Küpper, Weber, Zünd, Verständnis, 1990, S. 283. Vgl. Weber, Schäffer, Controlling, 2000, S. 113.

42

1 Controlling aus funktionaler Sicht

Bei der Frage der Zielorientierung des Controlling bezieht sich die Diskussion darauf, ob das gesamte Zielsystem Gegenstand des Controlling ist oder nur Ergebnisziele. Insbesondere Küpper sieht die Koordinationsfunktion des Controlling auf sämtliche Zielkategorien, d.h. Sach- und Wertziele ausgerichtet. Horváth hingegen kritisiert diese Ansicht mit der Begründung, dass bei einer Fokussierung auf sämtliche Zielkategorien keine Unterscheidung zwischen Controlling und allgemeinen Managementaufgaben mehr gegeben ist.75 Er beschränkt deshalb die Koordinationsfunktion des Controlling auf das Ergebnisziel und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei einer Koordination der Ergebnisziele selbstverständlich auch eine Koordination der Sachziele bewirkt wird. Häufig wird die Fokussierung auf das gesamte Zielsystem des Unternehmens als Metaführung kritisiert. Horváth erteilt der Bezeichnung des Controlling als Führung der Führung (Metaführung) eine Absage. Allerdings kann hier der Argumentation von Weber/ Schäffer gefolgt werden, nach der die systembildende und systemkoppelnde Koordination der Führungsteilsysteme aus Sicht der klassischen Organisationstheorie auch mit der Führung der Führung, also der Metaführung gleichgesetzt werden kann76. Zur Vermeidung dieses Verständnisses von Controlling muss die Funktion des Controlling eindeutig von der des Managements getrennt werden. Für die hier verwendete Definition wird die Zielorientierung des Controlling ebenfalls auf Ergebnisziele beschränkt. Dies lässt sich neben den sonst bestehenden erheblichen Abgrenzungsproblemen zum Management auch mit der Ausgestaltung in der Unternehmenspraxis begründen.77 Bezüglich der Frage nach dem Umfang der Koordinationsfunktion besteht in Wissenschaft und Praxis weitgehend Einigkeit darüber, dass neben der Koordination konkreter Koordinationsbedarfe im Führungssystem auch die Schaffung der Koordinationsvoraussetzungen in Form der Ausgestaltung von Führungsteilsystemen zu den Aufgaben des Controlling zählt. Horváth hat hierfür die Begriffe systembildende und systemkoppelnde Koordination verwendet78. Die im Ansatz von Hahn/ Hungenberg benutzten Begriffe der Nutzungsaufgaben und Gestaltungsaufgaben decken sich weitgehend mit denen von Horváth79. Für die weiteren Ausführungen werden hier aufgrund der weitgehenden Verbreitung ebenfalls die Begriffe systembildend und systemkoppelnd verwendet.

75 76 77 78 79

So Horváth, Controlling, 2006, S. 137. Siehe hierzu Weber, Schäffer, Controlling, 2000, S. 112. Vgl. Dehyle, Management & Controlling- Brevier, 1997, S. 37 f. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1.2.2.3. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 1.2.2.2.

1 Controlling aus funktionaler Sicht

43

1.2.3 Controllingverständnis Aufbauend auf den vorgestellten Ansätzen und deren kritischer Würdigung wird im Folgenden eine eigene Definition des Controlling vorgenommen. Im Wesentlichen basiert diese Definition auf dem koordinationsorientierten Ansatz nach Horváth. Das Controlling definiert sich dabei für das vorliegende Buch wie folgt: •

Die Funktion des Controlling besteht in der systembildenden und systemkoppelnden Koordination von Führungsteilsystemen. Controlling hat damit eine Führungsunterstützungsfunktion, die neben der Entlastung auch der Beratung der Führung dient.



Die Koordinationsfunktion des Controlling umfasst grundsätzlich alle Führungsteilsysteme. Allerdings liegt der Schwerpunkt auf der Koordination des Planungs- und Kontrollsystems und des Informationsversorgungssystems (laufende Koordination).



Ziel des Controlling ist damit die Sicherung und Erhaltung der Koordinations-, Reaktions- und Adaptionsfähigkeit der Führung. Dadurch soll die Rationalität der Führung als wesentliches Ziel sichergestellt werden.



Die Koordinationsaufgabe des Controlling bezieht sich in erster Linie auf das Ergebnisziel der Unternehmung. Hierdurch wird auch eine Koordination der Sachziele bewirkt.

2 Controlling aus institutionaler Sicht Im vorangegangenen Kapitel wurde die Funktion des Controlling hergeleitet. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Funktion und die Organisation des Controlling zu trennen sind. Allerdings bedarf die Umsetzung der Funktion einer Zuweisung zu einer Stelle und damit zu Aufgabenträgern. Die Aufgaben des Controlling beschränken sich dabei nicht nur auf das Aufgabenfeld des Controllers. Bestimmte Controllingaufgaben werden von Aufgabenträgern außerhalb des Controllingbereichs wahrgenommen. Wie bereits bei der historischen Entwicklung gezeigt (vgl. Kapitel 1.1), fand das Controlling über die Schaffung von Controllerstellen Eingang in die Unternehmen. Im Folgenden werden zunächst die Einflussgrößen auf die Organisation des Controlling untersucht und anschließend die Einordnung von Controllingstellen in die Unternehmensorganisation diskutiert. Zum Abschluss des Kapitels werden verschiedene Möglichkeiten der Organisation innerhalb des Controllingbereichs analysiert.

2.1 Einflussgrößen der Organisation des Controlling Die Frage, ob und in welchem Umfang eine eigenständige Controllingorganisation eingerichtet werden soll, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Als Anhaltspunkt kann eine größere Anzahl an empirischen Untersuchungen herangezogen werden, welche das Vorkommen und die organisatorische Einordnung von Controllingstellen zum Gegenstand haben80. Als zentrale Einflussgrößen auf die organisatorische Ausgestaltung des Controlling werden die folgenden gesehen: • • • •

80

Unternehmensgröße, Innovationsbedarf, Komplexität, im Unternehmen vorherrschende Organisationsstruktur.

So bei Welge, Controlling 1988, S. 59 ff.

46

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Mit zunehmender Unternehmensgröße nimmt die Einrichtung von Controllerstellen zu. Empirische Erhebungen haben gezeigt, dass sowohl das generelle Vorhandensein von Controllerstellen als auch deren Anzahl mit zunehmender Unternehmensgröße steigt (vgl. Abbildung 17)81. Dies kann mit der wachsenden Komplexität und der stärkeren Arbeitsteilung bei zunehmender Unternehmensgröße begründet werden. Allerdings werden durch die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit, wie z.B. Basel II, verstärkt Controllerstellen auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen eingerichtet. Beschäftigtenzahl

Zahl der Unternehmen

bis 199

99

53

( 53,5 %)

200 – 499

88

64

( 72,7 %)

500 – 999

35

31

( 88,6 %)

1.000 – 4.999

43

36

( 83,7 %)

5.000 – 9.999

12

11

( 91,7 %)

10.000 – 49.999

17

16

( 94,1 %)

50.000 und mehr

6

6

(100,0 %)

300

217

( 72,3 %)

Alle Klassen

Unternehmen mit Controlling- Stellen

Abbildung 17: Einrichtung von Controllerstellen in Abhängigkeit von der Beschäftigtenzahl82

Der Innovationsbedarf als Menge an ungelösten Problemen macht unmittelbar die Notwendigkeit eines Controllers deutlich. Der Innovationsbedarf hängt mit den verwendeten und den benötigten Controllinginstrumenten zusammen. Die Komplexität der zu lösenden Probleme kann in direktem Zusammenhang mit der Unternehmensgröße und dem Innovationsbedarf gesehen werden. Außerdem besteht ein Zusammenhang mit der Unternehmensumwelt. Je dynamischer und komplexer die Unternehmensumwelt ist, desto größer ist die Notwendigkeit von innovativen Controllinginstrumenten und desto komplexer sind die zu lösenden Probleme. Allerdings konnte keine nennenswerte Korrelation zwischen der Komplexität, der Dynamik, der Verschiedenartigkeit der Märkte und der Aggressivität der Konkurrenten nachgewiesen werden. 81 82

Vgl. hierzu Bozem, Entwicklungsstand, 1995, S. 206 ff. Abbildung entnommen aus Küpper, Winckler, Zhang, Planungsverfahren, 1990, S. 439.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

47

Die Organisationsstruktur als Einflussfaktor auf die Einrichtung und Gestaltung des Controlling wurde empirisch bestätigt. So hat Uebele in einer empirischen Untersuchung festgestellt, dass bei divisionaler Organisation mehr Controllerstellen auftraten als bei funktionaler Organisationsstruktur83. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Dezentralisierung von Entscheidungen der Koordinationsbedarf und damit die Notwendigkeit zur Einrichtung von Controllerstellen zunimmt. Daneben zeichnet sich die Tendenz ab, dass in divisionalen Organisationen der Stabscharakter bei Controllingstellen dominiert und bei funktionalen Strukturen eher der Liniencharakter vorherrscht. Als weitere Einflussfaktoren werden in der Literatur die Branche des Unternehmens, die verwendete Fertigungstechnologie sowie die Konzernabhängigkeit des Unternehmens genannt84. Allerdings ist der Einfluss dieser Faktoren eher als gering zu beurteilen. Die einzelnen empirischen Erhebungen geben nur einen Hinweis auf mögliche Einflussfaktoren bei verschiedenen Unternehmen. Die Frage nach der konkreten organisatorischen Ausgestaltung des Controlling kann auf diese Weise nicht beantwortet werden. Im Folgenden sollen daher mögliche alternative Ausgestaltungen betrachtet und erörtert werden.

2.2 Einordnung von Controllingstellen in die Unternehmensorganisation Die Einrichtung eigenständiger Controllingstellen ist dann notwendig, wenn die Controllingaufgaben nicht in ausreichendem Maße von anderen Stellen wahrgenommen werden können. Hierdurch haben die Stelleninhaber die Möglichkeit, sich spezifisches Wissen und spezifische Erfahrungen anzueignen, um die geforderten Aufgaben erfüllen zu können. Andererseits werden Stellen, welche bisher diese Aufgaben wahrgenommen haben, entlastet und haben somit Freiraum für eine bessere Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben.85

83 84 85

Vgl. hierzu Uebele, Verbreitungsgrad, 1981, S. 75 ff. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 514. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 515 ff.

48

2 Controlling aus institutionaler Sicht

2.2.1 Hierarchische Eingliederung des Controlling Das Controlling wurde als ein Subsystem der Führung definiert, das die Funktion der ergebniszielorientierten Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung wahrnimmt. Das Controlling erfüllt damit eine Koordinationsaufgabe im Führungssystem und erbringt somit gegenüber der Führung eine Servicefunktion. Aus diesem Grund ist eine organisatorische Eingliederung des Controlling in der Führungsebene zu erwarten. Für die organisatorische Einordnung existieren in der Theorie und Praxis zahlreiche Alternativen. Im Folgenden werden die beiden Alternativen: • •

Controller gehören der zweiten Führungsebene an Controller gehören der ersten Führungsebene an

diskutiert. Bei einer Anordnung des Controlling auf der zweiten Führungsebene ist der Controller dem Vorstandsressort Finanzen zugeordnet (vgl. Abbildung 18). Vorstandssprecher

Vorstand Beschaffung

Produktion

Absatz

Finanzen

Controller Treasurer

Abbildung 18: Zuordnung des Controllers zur zweiten Führungsebene

Die Einordnung des Controlling auf der zweiten Führungsebene wird in der Theorie mit der notwendigen Distanz zur Geschäftsführung begründet86. In der Unterneh86

So Mann, Praxis, 1973.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

49

menspraxis ist vor allem eine enge organisatorische Beziehung zum Finanzbereich gegeben. In klein- und mittelständischen Unternehmen ist diese Zuordnung weniger stringent. Hier wird die Controllingfunktion häufig von einem Geschäftsführer in Personalunion mit einer anderen Aufgabe wahrgenommen (z.B. Absatz und Controlling oder Beschaffung und Controlling). Grundsätzlich erschwert die organisatorische Verankerung im Finanzressort die Wahrnehmung der Controlleraufgaben. Sie behindert insbesondere eine funktions-, objekt- und ressortneutrale Aufgabenerfüllung des Controlling. Eine gesamtunternehmensbezogene Koordination wird erschwert. Der Finanzvorstand hat in diesem Fall ein Informationsmonopol gegenüber seinen Vorstandskollegen. Er kontrolliert die Weitergabe der Informationen an die anderen Bereiche. Auf der anderen Seite bietet die Einbindung in den Finanzbereich die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen den einzelnen Funktionen innerhalb des Bereichs zu verstärken. So kann es beispielsweise zu einer besseren Integration von Finanzwirtschaft, externem Rechnungswesen und Steuerwesen mit der Planung kommen. Der Einfluss des Controlling hängt unter anderem davon ab, welchen Einfluss das ihm übergeordnete Leitungsorgan im Vorstand besitzt. Entsprechend dem Einfluss des übergeordneten Leitungsorgans hat auch der Controller damit bessere Möglichkeiten, seine Aufgaben wahrzunehmen. Die Einordnung des Controlling auf der höchsten Führungsebene verleiht dem Controller dagegen mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit für die Wahrnehmung seiner Aufgaben (vgl. Abbildung 19). Vorstandssprecher

Vorstand Beschaffung

Produktion

Absatz

Treasuring

Controlling

Abbildung 19: Zuordnung des Controllers zur höchsten Führungsebene

Bei der in Abbildung 19 beschriebenen organisatorischen Ausgestaltung kann es zu Konflikten zwischen dem Treasurer einerseits und dem Controller andererseits kommen. Der Treasurer trägt die Realisierungsverantwortung in finanzieller Hinsicht, wohingegen der Controller die Rechnungsverantwortung trägt. Die betriebs-

50

2 Controlling aus institutionaler Sicht

wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und die finanzielle Realisierbarkeit können unter Umständen nicht übereinstimmen. Daneben kann bemängelt werden, dass bei einer solchen Konstellation die Unabhängigkeit des Controlling von der Geschäftsleitung fehlt. Dies ist insbesondere bei der Zielbildung sowie der Budgetbestimmung problematisch87. Neben den oben diskutierten Möglichkeiten ist auch eine Zuordnung des Controlling zum Vorstandssprecher denkbar. Hier wird der Controller aus der formalen Ressortbindung herausgelöst und kann so seinen Koordinationsaufgaben gegenüber dem gesamten Vorstand in Form einer Stabsposition nachgehen88. Bezüglich der hierarchischen Einordnung des Controlling wird hier der Auffassung von Horváth gefolgt, nach der die Entwicklungsstufe der Controllingaufgabe ihre hierarchische Zuordnung bestimmt. „Der organisatorische Status muss dem Controller die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglichen“89. D.h., befasst sich der Controller mit unternehmensweiten Koordinationsaufgaben, sollte er der ersten Führungsebene zugeordnet werden. Nimmt der Controller hingegen z.B. nur informatorische Aufgaben ohne eigene Entscheidungs- und Weisungsrechte wahr, so ist eine Zuordnung zur zweiten Führungsebene ausreichend. Die Entscheidung, ob die Controllerstellen als Stabs- oder Linienfunktionen ausgestaltet sein sollen, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

2.2.2 Kompetenzausstattung von Controllerstellen Wie bereits oben gezeigt, gibt es neben der Einordnung des Controlling in die Linie auch die Möglichkeit der Zuordnung von Controllingaufgaben zu einer Instanz. Als solche Instanz wurde oben z.B. die Möglichkeit der Einrichtung eines Stabs beim Vorstandssprecher aufgezeigt. Die Frage „Stab oder Linie“ muss gemeinsam mit der Frage nach der gewünschten Kompetenzausstattung des Controllers beantwortet werden. Eine Stabsposition ist im Allgemeinen in der oberen, meist sogar obersten Instanzebene angesiedelt. Sie zeichnet sich durch spezielle Fachkenntnisse aus und hat nur innerhalb des Stabs Entscheidungs- und Anweisungsbefugnisse. Linieninstanzen zeichnen sich durch die Einheit von Auftragserteilung und Verantwortung aus. Hier gilt der Dienstweg von oben nach unten und der Informati-

87 88 89

Vgl. Peemöller, Controlling, 2005, S. 86. Auf die Vor- und Nachteile von Stäben wird in Kapitel 2.2.2 noch näher eingegangen. Horváth, Controlling, 2006, S. 815.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

51

onsweg von unten nach oben. Die Linie hat unmittelbare Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse gegenüber nachgelagerten Instanzen. In der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis werden beide Möglichkeiten diskutiert bzw. praktiziert. Insbesondere in klein- und mittelständischen Unternehmen wird die Controllingfunktion häufig von Stäben wahrgenommen. Gegen die Stabsstellung des Controlling lassen sich die folgenden Gründe anführen90: • Eine Unterstützungs- und Beratungstätigkeit wird zwar ausgeübt, jedoch hat der Controller selbst Entscheidungsaufgaben (z.B. Einschaltung der Geschäftsleitung bei gravierenden Abweichungen). • Stäbe müssen sich bei ihrer Arbeit auf die Unterstützung der vorgesetzten Stelle berufen, dies kann ihre Autorität untergraben. • Die Innovationstätigkeit des Controllers beeinflusst die Zukunft des Unternehmens als Ganzes, hierzu ist ein Anweisungsrecht unerlässlich. Für die Stabsstellenlösung können folgende Gründe angeführt werden91: • Entlastung der Abteilung von direkten Führungsaufgaben. • Größere Objektivität und Neutralität. • Zwang zur Erarbeitung von mehrheitsfähigen Lösungen. Je nachdem, welche Kompetenzausstattung gewählt wird, können entsprechend unterschiedliche Controllingfunktionen auf Controllingstäbe bzw. Controllingabteilungen übertragen werden. Grundsätzlich erfordern Systemgestaltungsaufgaben bzw. systembildende Aufgaben eher Linienkompetenzen, wohingegen systemkoppelnde Aufgaben eher Stabskompetenzen benötigen. Insbesondere die Beratung der Unternehmensführung beim Aufbau bzw. Ausbau des Informationsversorgungssystems, bei Konflikten mit operativen Abteilungen hinsichtlich der Ursachen von Soll- Ist- Abweichungen oder bei der Anregung von Revisionen sind Stabskompetenzen für den Controller ausreichend92. Linienkompetenzen sind bei der Koordination von Teilplänen zu einem Gesamtplan, der Bestimmung von Ober- und Untergrenzen bei der Aufstellung von Alternativplänen, der Entscheidung über die Anwendung von Problemlösungsverfahren, der Korrektur von Planansätzen nach Rücksprache mit den betroffenen Instanzen, der

90 91 92

Vgl. Mann, Controlling, 1973, S. 177 ff. So Bramsemann, Handbuch, 1995, S. 104. Vgl. Hauschildt, Finanzvorstand, 1972, S. 173.

52

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Erklärung nicht tolerierbarer Abweichungen sowie der Anregung formeller und materieller Verbesserungen der Planungstechniken notwendig.93 Neben der reinen Ausgestaltung des Controlling als Stabs- oder Linienstelle werden bestimmte Controllingfunktionen von Querschnittsstellen wahrgenommen. Bereits 1972 wurde von Hauschildt eine Stellenbeschreibung eines Controllers entwickelt, die einen Mix aus Stabs- und Linienfunktionen darstellt.94 Die organisatorische Eingliederung der gesamten Controllingabteilung als Querschnittsbereich erscheint vor dem Hintergrund der Überwindung der genannten Probleme von reinen Stäben bzw. reinen Linienfunktionen als die praktikabelste Lösung. Hierbei sollte der Controller innerhalb der Controllingabteilung sowohl fachliche als auch disziplinarische Anordnungsbefugnisse besitzen und darüber hinaus gegenüber anderen Bereichen der Unternehmung funktionale Anweisungsbefugnisse hinsichtlich controllingspezifischer Fragestellungen haben.95 Wie bereits bei der hierarchischen Einordnung gezeigt, hängt die Kompetenzausstattung des Controlling vom Entwicklungsstand des Controlling ab. Für ein weit entwickeltes Controlling sind somit explizite Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse bei controllingspezifischen Fragen unabdingbar.

2.2.3 Abgrenzung von Controlleraufgaben gegenüber Aufgaben anderer Bereiche Die Koordinationsfunktion des Controlling deutet bereits darauf hin, dass sehr enge Bezüge zu anderen Führungsteilsystemen, insbesondere dem Informationsversorgungssystem, aber auch dem Planungs- und Kontrollsystem bestehen. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wo einzelne Führungsteilsysteme organisatorisch zugeordnet werden. Es kann jedoch bereits vorweggenommen werden, dass eine zweckmässige Zuordnung einzelner Führungsteilsysteme zur Controllingabteilung nicht existiert. So können Funktionen des Controlling von anderen organisatorischen Stellen wahrgenommen werden, oder umgekehrt kann die Controllingabteilung Aufgaben wahrnehmen, welche nicht zu den Kernaufgaben des Controlling zählen. Die folgende Abbildung 20 zeigt zwei verschiedene organisatorische Lösungen der Praxis. Der erste Fall zeigt die Trennung des Rechnungswesens vom Controlling. Im zweiten Beispiel ist das Rechnungswesen des Stammhauses dem Controlling zugeordnet. 93 94 95

Siehe hierzu Peemöller, Controlling, 2005, S. 90 f. Vgl. Hauschildt, Finanzvorstand, 1972, S. 172 f. Ebenso Mann, Controlling, 1973, S. 181 ff.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

53

Darüber hinaus zeigen die beiden Beispiele die mögliche Aufgabentrennung innerhalb der Controllingabteilung. Beim oberen Beispiel ist das Controlling nach wichtigen Funktionen, wie z.B. Forschung und Entwicklung, Beschaffung und Logistik unterteilt. Im unteren Beispiel erfolgt die Gliederung nach Konzerngesellschaften, Funktionsbereichen und Divisionen.96 Die wohl größte Verbindung der Controllingabteilungen besteht – allein aus der historischen Entwicklung heraus – zum Rechnungswesen. Wie bereits am Beispiel der Aufgabenteilung nach dem FEI gezeigt97, erfolgt in den USA eine Trennung von Erfolgs- und Liquiditätsgrößen. Hieraus folgt eine strikte Trennung von Controllingund Treasury- (Finanz-)abteilung. In Deutschland ist der Finanzbereich dagegen häufig mit dem externen Rechnungswesen zusammengefasst und als Folge dessen das interne Rechnungswesen aus dem externen Rechnungswesen ausgegliedert. Die organisatorische Trennung von externem und internem Rechnungswesen und damit die Abgrenzung des externen Rechnungswesens vom Controllingbereich sind mit den gesetzlichen Bestimmungen des Handels- und Steuerrechts und den damit verbundenen Informationsdefiziten durch die externen Daten zu begründen. Durch die evtl. stattfindende Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen im Zuge der Einführung von internationalen Rechnungslegungsstandards kann es allerdings wieder zu einer engeren Verknüpfung des externen Rechnungswesens mit dem Controlling kommen98. Die Abgrenzung des Controlling vom Finanzbereich liegt nicht nur in der unterschiedlichen Ausrichtung von Ergebnis- bzw. Liquiditätszielen begründet, sondern ist darüber hinaus mit der differierenden Ausrichtung der Aufgaben zu erklären. Während die vom Controlling wahrgenommenen Aufgaben dem Führungssystem zuzuordnen sind, gehören die Aufgaben des Finanzbereichs zum Vollzugssystem. Die finanziellen Ziele, wie die Sicherung der Liquidität, haben ein derart hohes Gewicht, dass zur Sicherstellung deren Erreichung ein eigenständiger Bereich sinnvoll ist. Des Weiteren sind für den Finanzbereich aufgrund der Vielfältigkeit der Finanzierungs- und Risikobegrenzungsinstrumente spezialisierte Kenntnisse notwendig. Die Eingliederung des internen Rechnungswesens in die Controllingabteilung ist in deutschen Unternehmen weitgehend üblich. Dies ist auf die Bedeutung der Kosten- und Leistungsrechnung als Informationslieferant für Planung und Kontrolle zurückzuführen. Hierdurch wird die Informationsversorgungsfunktion des Control-

96 97 98

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 518. Vgl. hierzu Abbildung 2. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 5.

54

2 Controlling aus institutionaler Sicht

ling sichergestellt. Hier sind durch die Harmonisierungsbestrebungen im Rechnungswesen ebenfalls Veränderungen zu erwarten99.

Controlling und Finanzen Vorstandsreferent

Finanz- und Kapitalverkehr

Controlling

Auditprogramme

FinanzOrganisation/ Personal

Controller Leistungserstellung

Controller Leistungsverwertung

Steuer- und Zollwesen

Controller Gewinnanalyse

Controller F&E

Controller Werke

Rechnungswesen

Controller Nutzfahrzeuge

Controller Beschaffung, Logisitk, Einkaufspreisanalysen

Controlling und Management Services

Management Services

Rechnungswesen Stammhaus und FunktionsControlling

Controlling

Controlling Konzerngesellschaften

Zentrales DivisionsControlling

Organisationsberatung

Entwicklung Berichterstattungsund Abrechnungssysteme

Konzernberichterstattung

Abbildung 20: Beispiele für die Organisation der Controllingabteilung100

99 100

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 5. Abbildung modifiziert entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 519.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

55

Im Gegensatz zur eher kurzfristig ausgerichteten Kosten- und Leistungsrechnung ist die längerfristige Investitionsrechnung aufgrund der Orientierung an Zahlungsströmen meist dem Finanzbereich zugeordnet. Gegen eine solche Zuordnung spricht, dass es sich bei der Investitionsrechnung ebenfalls um ein Informationsversorgungsinstrument handelt und diese als solches dem Controlling zugeordnet werden müsste. Die Eigenschaft eines Informationsversorgungsinstruments allein ist jedoch keine hinreichende Begründung für eine Zuordnung zum Controlling, da auch andere Informationsversorgungssysteme wie z.B. Marktforschung, volkswirtschaftliche Analysen, Betriebsdatenerfassung ebenfalls nicht dem Controlling zugeordnet sind. Dies kann wiederum mit der Unterschiedlichkeit der Systeme und der damit einhergehenden Aufgabenfülle begründet werden.101 Küpper sieht bei der Unterstellung des internen Rechnungswesens und anderer Informationsversorgungssysteme unter das Controlling das Problem, dass der Fokus z.B. auf technische Probleme gelegt und dadurch die Ausrichtung auf die Entscheidungsprobleme eingeschränkt wird.102 Als nächstes ist die Abgrenzung des Controlling zum Planungssystem zu betrachten. Insbesondere vor dem Hintergrund einer ergebniszielorientierten Koordination zwischen dem Planungs- und dem Informationsversorgungssystem ist die Übertragung von Planungsaufgaben auf den Controllingbereich zu überprüfen. Entgegen dem Rechnungswesen ist die Planung nur unter Berücksichtigung der einzelnen Funktionsbereiche, wie z.B. Absatz, Beschaffung, Fertigung möglich. Eine sinnvolle Durchführung der Planung kann nur mit Hilfe der Kompetenzen in den jeweiligen Bereichen erfolgen. Des Weiteren müssen die Bereichsinstanzen in die Planung eingebunden werden, damit sie später das Ergebnis verantworten können. Aus diesem Grund bleibt ein Großteil der Planungsaufgaben Bestandteil der jeweiligen Bereiche. Eine Übertragung von Planungstätigkeiten auf die Controllingabteilung ist vor allem bei den systembildenden Tätigkeiten möglich. Aufgaben wie die Ausarbeitung von Planungssystemen, die Analyse, Entwicklung und der Einsatz von Planungstechniken, die Überprüfung von Plänen sowie ihre Konsolidierung können hierzu gezählt werden (vgl. Abbildung 21).

101 102

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 520. Vgl. ebenda.

56

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Linienmanager Problemanalyse

Controller Bereitstellung und Pflege der planungsbezogenen Infrastruktur

Problemidentifikation

Gestaltung des Planungssystems

Informationsbedarfsermittlung

Entwicklung/ Auswahl von Planungstechniken

Informationsbeschaffung/ -erzeugung

Sicherstellung der EDV- Unterstützung

Informationsauswertung

Motivation und Schulung der Planungsanfänger

Entscheidungsvorbereitung

Wahrnehmung der Koordinationsfunktion

Erarbeitung von Zielentwürfen

Überprüfung von Plänen

Ermittlung von Handlungsalternativen

Konsolidierung von Einzelplänen

Festlegung von Planprämissen

Ausübung von Kontrollfunktionen

Bewertung von Handlungsalternativen

Planüberprüfung

Konzeption der Planentwürfe

Prämissenkontrolle

Genehmigung von Plänen

Planfortschrittskontrolle

Plananpassung/ -modifikation

Realisationskontrolle Systemkontrolle

Abbildung 21: Beispiel für die Aufgabenteilung zwischen Linienmanager und Controller103

Die Übertragung der in Abbildung 21 dargestellten Planungsaufgaben auf die Controllingabteilung hängt von der Größe des Unternehmens und der Unternehmensdynamik ab. Je größer diese sind, desto eher wird sich das Controlling auf die Koordinationsfunktion beschränken und die restlichen Aufgaben auf eine separate Planungsabteilung übertragen werden. Insbesondere die gesamtzielorientierte Koordination der Einzelpläne erfordert eine Organisation, in der der Controller nicht zu weit von den Handlungsbereichen und deren Wissen entfernt angesiedelt ist. Hinsichtlich des Führungsteilsystems Kontrolle muss zum einen eine Abgrenzung der Kontrollaufgaben des Controlling von denen der Linienabteilung und zum anderen von den spezifischen Prüfaufgaben der internen Revision erfolgen. Die Kontrollaufgabe der Linienabteilung umfasst die laufende Kontrolle der operativen Tätigkeiten innerhalb der Linienabteilung. Hierbei handelt es sich größtenteils

103

Abbildung entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 521.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

57

um Abweichungsanalysen. Die Wahrnehmung der Kontrollaufgabe hängt in der Regel von der konkreten organisatorischen Umsetzung ab. Zum Teil übernehmen Controller bestimmte Kontrollfunktionen bzw. wirken an bestimmten Kontrollprozessen mit. Die maßgebliche Kontrollkompetenz verbleibt hinsichtlich der Beurteilung der kontrollierten Objekte und der Entscheidung über Konsequenzen beim Linienverantwortlichen. Die interne Revision umfasst alle nachträglichen, von der Unternehmensleitung veranlassten, von internen, prozessunabhängigen und neutralen Personen ausgeführten Überwachungstätigkeiten. Als Maßstäbe werden von der internen Revision die Zuverlässigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Richtigkeit und Wirtschaftlichkeit von Handlungen, Ergebnissen und Systemen herangezogen. Als wesentlicher Unterschied zwischen der internen Revision und den Kontrollfunktionen des Controlling kann die abweichende Zielsetzung herangezogen werden. Während die interne Revision darauf abzielt, Fehler aufzudecken bzw. deren Entstehung durch Kontrollandrohungen zu vermeiden, ist das Ziel des Controlling darin zu sehen, eine verbesserte Koordination zu bewirken. Für das Controlling existieren im Gegensatz zur internen Revision keine eindeutigen Kriterien der Kontrolle. Der Schwerpunkt liegt vielmehr in der Ex-ante-Betrachtung, im Gegensatz zur Ex-post-Betrachtung der internen Revision. Des Weiteren sind die Kontrollaktivitäten von Controllern beispielsweise in Planungs- und Kontrollprozessen laufend, während Prüfungen der Revision eher sporadisch und fallweise erfolgen. Neben diesen Unterschieden existieren zwischen den beiden Funktionen aber auch Überschneidungen. Insbesondere bei einer Weiterentwicklung der Aufgaben der internen Revision hin zu einer Beurteilung unternehmerischer Entscheidungen, der Durchführung von Ursachen- und Schwachstellenanalysen, der Beratung der Unternehmensleitung und der Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen (sog. Management Auditing) werden die Überschneidungen größer. Auch die im Rahmen eines Operational Auditing durchgeführten Überprüfungen des internen Kontrollsystems, der Einhaltung von Anweisungen und Richtlinien sowie der Ordnungsmäßigkeit von Systemen, Verfahren und Organisationsabläufen, haben eine weitreichende Überschneidung mit den Kontrollfunktionen des Controlling. Diese Unterschiede und Überschneidungen (vgl. Abbildung 22) haben dazu geführt, dass in der Praxis verschiedenartige organisatorische Zuordnungen und Abgrenzungen existieren. Grundsätzlich benötigen Revisoren aufgrund der geforderten Objektivität eine gewisse Unabhängigkeit und Autorität. Dagegen sollen Controller viel stärker in die jeweiligen Prozesse eingebunden werden, was einer Unabhängigkeit entgegensteht.

58

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Interne Revision Ex-post-Betrachtung Unabhängigkeit Überprüfungsaufgaben

Operational Auditing

Sporadische Kontrolle

Ex-ante-Prüfung

Fehlersuche

Beratungsfunktion

Controlling Mitwirkung bei Planung und Kontrolle Steuerung Stärkerer Ex-anteEx-ante-Charakter Zusammenarbeit mit Linie Laufende Kontrolle

Abbildung 22: Unterschiede und Überschneidungen von interner Revision und Controlling104

2.3 Organisation innerhalb des Controllingbereichs 2.3.1 Gliederungsprinzipien der internen Controllingorganisation Den folgenden Ausführungen liegt die Annahme zugrunde, dass ein organisatorischer Controllingbereich existiert und dieser aus mehreren Controllern besteht. Aus diesem Grund beziehen sich die Aussagen primär auf mittelständische und große Unternehmen. Zur Gliederung der internen Controllingorganisation können grundsätzlich die folgenden zwei Gliederungsprinzipien herangezogen werden: • •

Gliederung nach Aufgabenkomplexen, Gliederung nach Anwendungsbereichen.

Beide Gliederungsprinzipien sind in der Praxis üblich, aber nicht miteinander kompatibel. Grundsätzlich ist keines der Gliederungsprinzipien dem anderen überlegen.

104

Abbildung entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 523.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

59

Bei der Gliederung nach den unterschiedlichen Aufgaben des Controlling steht die Frage „was ist methodisch zu tun?“ im Vordergrund. Gliedert man Controlling intern nach den Aufgabenbereichen, z.B. nach Planung und Kontrolle, Informationsversorgung, sind einzelne Stellen für die Erfüllung einer methodischen Aufgabe über alle Unternehmensbereiche zuständig, d.h., dass z.B. die Controllingstelle oder der – bereich, der für das Berichtswesen verantwortlich ist, für das Berichtswesen in allen Funktionsbereichen oder Produktbereichen zuständig ist. Es ergibt sich keine zwangsläufige Aufteilung, sondern eher eine kasuistische. Die Gliederung kann sehr flexibel gehandhabt werden, weil prinzipiell keine feste Struktur und logische Ableitung besteht. Für eine Gliederung nach Aufgabenkomplexen spricht, dass gleichartige Aufgaben zusammengefasst und mit typischen Methoden erfüllt werden. Hierdurch entwickeln sich Spezialisten auf den jeweiligen Gebieten. Ein weiterer Vorteil ist in der Einheitlichkeit der Methoden bei der Lösung von gleichartigen Problemen in allen Unternehmensbereichen zu sehen. Gegen eine solche Gliederung spricht, dass die Aufteilung innerhalb des Controllingbereichs zu kasuistisch ist und damit unter Umständen wichtige Aufgaben nicht erfasst werden. Insbesondere bei Querschnittsaufgaben entstehen damit Probleme. Daneben geht der Koordinationsgedanke des Controlling verloren bzw. ist nur schwer umsetzbar. Wenn sich beispielsweise ein Controller mit der Systemgestaltung des Planungssystems befasst, muss seine Tätigkeit mit der des Mitarbeiters, welcher für das Informationsversorgungssystem zuständig ist, koordiniert werden. Gerade hier ist die in Abbildung 15 dargestellte Tertiärkoordination notwendig. Die Gliederung nach Aufgabenkomplexen ist häufig in mittelständischen Unternehmen mit bis zu 20 Controllerstellen zu finden.

Leiter Controlling

Controller Berichtswesen

Controller Internes ReWe

Controller Planung

Controller Kontrollen

Abbildung 23: Beispiel für eine Gliederung nach Aufgabenkomplexen

60

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Bei der Gliederung nach verschiedenen Anwendungsbereichen steht die Frage, „wo etwas oder für wen etwas gemacht wird“, im Vordergrund. Die Anwendungsbereiche können nach verschiedenen Kriterien eingeteilt werden. Hierbei erfolgt eine gedankliche Organisation des Betriebs unter Beantwortung der Frage, wo das Controlling angehängt werden soll. Die Anwendungsbereiche müssen hierbei nicht mit der Organisationsstruktur übereinstimmen. Mögliche Einteilungskriterien sind: 1. nach Verrichtungen/ Funktionen (vgl. Abbildung 24) (Beschaffungs-, Fertigungs-, Logistik-, Marketing-, Finanz-, PersonalControlling). Dabei muss jede Person (als Generalist) alle in einem bestimmten Bereich anfallenden Controlling- Aufgaben erledigen. Damit ist die Erfüllung der Koordinationsaufgabe innerhalb eines Funktionsbereichs gewährleistet. Für verrichtungsorientierte Organisationsstrukturen ist kennzeichnend, dass wegen der starken Interdependenz der Abteilungen der Koordinationsbedarf und damit die Koordinationskosten hoch sind. 2. nach Produktbereichen/ Objekten (vgl. Abbildung 24) (Divisions- bzw. Sparten- Controlling). Hierbei muss eine Person alle dem Controlling zugeordneten Aufgabenkomplexe für eine bestimmte divisionale Organisationseinheit bewältigen. Für objektorientierte Organisationsstrukturen ist die Unabhängigkeit der Bereiche typisch, was eine Verringerung des Koordinationsbedarfs und der Koordinationskosten bedeutet. 3. nach Regionen (z.B. Inlandscontroller, Exportcontroller) Hierdurch können unterschiedliche Gesetze, Kundenansprüche, Deckungsbeiträge etc. berücksichtigt werden. 4. nach Kundengruppen Es können Spezifika verschiedener Kundengruppen, wie z.B. Stammkunden, Laufkunden, öffentliche Kunden, Privatkunden, gewerbliche Kunden berücksichtigt werden. 5. nach Projekten (Projektcontroller) Das Projekt- Controlling koordiniert Informationsbereitstellung und projektspezifische Planungsmaßnahmen und stellt selbst periodenunabhängige, projektbezogene Informationen bereit. Der Controller ist Mitglied eines interdisziplinären Projektteams.

2 Controlling aus institutionaler Sicht funktional

Controller Beschaffung

61

Leiter Controlling

Controller Logistik

Controller F&E

Controller Produktion

Controller Finanzen

Controller Absatz

Controller Investitionen

objektbezogen

Leiter Controlling

Controller Produktgruppe A

Controller Produktgruppe B

Controller Produktgruppe C

Abbildung 24: Funktionale und divisionale Gliederung des Controllingbereichs

Der Vorteil einer Gliederung nach Anwendungsbereichen ist vor allem in der guten Realisierung des Koordinationsgedankens zu sehen. Außerdem werden spezifische Probleme der einzelnen Anwendungsbereiche auch spezifisch behandelt, d.h. es werden die für den jeweiligen Bereich geeigneten Instrumente angewendet. Insgesamt kann damit das Problemlösungsverhalten der jeweiligen Führungskräfte besser berücksichtigt werden. Als Nachteil einer solchen Gliederung des Controllerbereichs kann der Verlust der Einheitlichkeit von Methoden und Instrumenten gesehen werden. Des Weiteren sind spezifisch ausgebildete Mitarbeiter unter Umständen nur sehr schwierig zu bekom-

62

2 Controlling aus institutionaler Sicht

men. Dies kann als eine Hauptaufgabe der theoretischen Ausbildung für die Zukunft gesehen werden. Eine Gliederung nach Anwendungsbereichen ist in der Praxis meist in Großunternehmen mit vielen Controllern zu finden. Grundsätzlich kann keines der beiden Gliederungsprinzipien als dem anderen insgesamt überlegen gelten. Da sie aber nicht kompatibel miteinander sind, bedarf es einer vorzeitigen Festlegung.

2.3.2 Zentralisation oder Dezentralisation der internen Controllingorganisation Das Controlling wurde als Führungsteilsystem definiert, das die Servicefunktion zur Lösung der Koordinationsprobleme der Führung wahrnimmt. Aufgrund der großen Komplexität der Führungsaufgaben und den Vorteilen der Spezialisierung und Entlastung kommt es zu einer Dezentralisation von Führungsaufgaben. Um die Servicefunktion für eine dezentrale Führung wahrnehmen zu können, bedarf es ebenfalls einer Dezentralisation der Servicefunktion. Die Praxis zeigt, dass die Controllingfunktion in Großunternehmen ebenfalls einer derartigen Dezentralisation unterliegt. Hierfür lassen sich die folgenden Gründe anführen: • „Eine Verpflichtung gegenüber dem Plan kann von einer Führungsebene nur erwartet werden, wenn sie ihren Plan selbst erarbeitet hat. • Einen gleichzeitig realistischen und anspruchsvollen Plan kann nur der erarbeiten, der das Geschäft wie seine Westentasche kennt, d.h. die jeweilige Führungsebene. • Eine realistische und zeitnahe Ist- Verfolgung ist nur dem möglich, der selbst im Geschäft steht, d.h. der jeweiligen Führungsebene.“105 Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten der Organisation des Controlling im Vergleich zur Unternehmensorganisation denkbar: 1

Bewusst anderes Organisationsprinzip: organisatorische Gliederung des Controlling aus einem anderen Blickwinkel als die Unternehmensorganisation. Dies ist sinnvoll, wenn eine Ausrichtung an Schwachstellen, d.h. dort, wo der Abstimmungsbedarf am größten ist (nach Kundengruppen, funktional etc.) erfolgt.

2

Gleiches Prinzip: Bei dem sog. begleitenden Controlling ist die Controllingabteilung entsprechend der Unternehmensorganisation strukturiert.

105

ZVEI, Unternehmenscontrolling, 1993, S. 88.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

63

Im Folgenden wird von dem in der Praxis am weitesten verbreiteten Prinzip des begleitenden Controlling ausgegangen. Voraussetzung hierfür ist eine Gliederung des Controllingbereichs nach Anwendungsbereichen (vgl. Abbildung 25). Die Controlling-Abteilung ist so strukturiert wie das Unternehmen selbst, d.h. die Kriterien der jeweiligen Dezentralisation folgen denen der Führungsorganisation. Hierfür müssen ein zentrales und ein dezentrales Controlling eingerichtet werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Aufgaben dem zentralen und welche dem dezentralen Controlling zugeordnet werden. Daneben ist das Unterstellungsverhältnis des dezentralen Controllers zu regeln.

Geschäftsführung ZC

Forschung u. Entwicklung

Beschaffung

C(FE)

A

B

C

Produktion

C(B)

A

B

C

Absatz

C(P)

A

B

C

Finanzen u. Verwaltung

C(A)

A

B

C

C(F)

A

B

C

ZC= Zentrales Controlling C( )= Controlling der einzelnen Funktionsbereiche

Geschäftsführung ZC

Sparte Produktgruppe A

Sparte Produktgruppe B

Sparte Produktgruppe C

SC(A)

SC(B)

SC(C)

ZC= Zentrales Controlling SC= Spartencontrolling

Abbildung 25:

106

Dezentrale Controller in einer divisional und einer funktional strukturierten Unternehmung106

Abbildung entnommen aus ZVEI, Unternehmenscontrolling, 1993, S. 88.

64

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Die Aufgabe des zentralen Controlling ist in der Koordination aller Unternehmens- und Controllingbereiche zu sehen. Es hat für eine ergebniszielorientierte Ausrichtung der dezentralen Controllingbereiche auf das Gesamtziel des Unternehmens Sorge zu tragen. Daneben obliegen dem zentralen Controlling die das Gesamtunternehmen betreffenden systembildenden Koordinationsaufgaben. Zu den Aufgaben des zentralen Controlling zählen: •

Die Aufstellung, Pflege und Weiterentwicklung einer Controlling- Methodenbank („Werkzeugkasten“).



Die Konzeption, Implementierung und der Betrieb eines controllingrelevante Daten bereitstellenden Informationssystems (Controlling- Datenbank).



Die fachliche und personelle Koordination der dezentralen Controller (z.B. durch die Institutionalisierung periodischer Controller- Konferenzen).



Die Übernahme der Funktion einer zentralen Ansprechstelle für die dezentralen Controller.



Die Bearbeitung fallweise auftretender, grundsätzlicher Problemstellungen (bereichsübergreifende betriebswirtschaftliche Sonderuntersuchungen, wie z.B. Neustrukturierung von Unternehmensteilen).

Die laufenden Teilaufgaben, die Nähe zum Geschehen erfordern, werden vom dezentralen Controlling wahrgenommen. Angesichts der Vielfalt dezentraler Controlleraufgaben sollte sich das Zentralcontrolling auf seine Richtlinienkompetenz und die Vorgabe von Eckwerten der Systemgestaltung beschränken und alle übrigen Controllingaufgaben an die dezentralen Controller vor Ort delegieren. Der jährliche Planungsprozess stellt hierfür ein gutes Beispiel dar.107 Neben der Aufgabenverteilung muss auch die hierarchische Beziehung zwischen Zentralcontroller und dezentralem Controller geregelt sein. Einerseits ist das dezentrale Controlling auf das Ergebnisziel des Gesamtunternehmens auszurichten. Hierfür wäre eine Unterstellung des dezentralen Controllers unter das Zentralcontrolling sinnvoll. Andererseits sollten die dezentralen Controller in die jeweiligen Fachbereiche eingebunden werden. Eine fehlende Einbindung kann dazu führen, dass das dezentrale Controlling auf Widerstand der Fachbereiche stößt. Nur durch Einbindung in die Fachbereiche werden die dezentralen Controller dort akzeptiert und mit relevanten Informationen versorgt. Dies wiederum scheint am besten gewährleistet, wenn das dezentrale Controlling in die hierarchische Struktur des Fachbereichs eingefügt wird.

107

Siehe Küpper, Controlling, 2005, S. 498.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

65

Die beiden Extremlösungen einer reinen Unterordnung des dezentralen unter das Zentralcontrolling bzw. die Unterordnung der dezentralen Controller unter den Leiter des dezentralen Fachbereichs bergen erhebliche Nachteile (vgl. Abbildung 27). Zur Vermeidung der genannten Nachteile werden in der Praxis meist Zwischenlösungen gewählt, welche sich durch die Aufspaltung der Weisungsrechte auszeichnen. Hierbei wird zwischen der fachlichen und der disziplinarischen Unterstellung differenziert. Die fachliche Unterstellung beinhaltet die Kompetenz für die Methodik und Aufgabenwahrnehmung. Die disziplinarische Unterstellung bezieht sich auf Fragen der Arbeits- und Zeitregelung, Personalbeurteilung, Entlohnung etc. Das sogenannte „dotted-line-Prinzip“ bedeutet die doppelte Einbindung des dezentralen Controllers. In der Regel erfolgt die disziplinarische Unterstellung des dezentralen Controllers unter den Bereichsleiter, während er fachlich dem Zentralcontroller unterstellt ist. In Abbildung 26 ist ein Beispiel für das dotted-line-Prinzip dargestellt.

Zentrale

Vorstand/ “President”

Zentralabteilungen

Divisionen

Stammhaus

Unternehmensleitung

Recht/ Steuern

Personal

Produktdivision Produkt A

Marketing

Finanzen

Produktdivision Produkt B

ZentralControlling

Produktdivision Produkt C

Produktdivision Produkt D

DC Tochtergesellschaften

DC

Europa TGC

Inland

Nordamerika

TGC

Ausland TGC

TGC DC = Divisions- Controlling TGC = Tochtergesellschafts- Controlling - - - = funktionale Weisungsbefugnisse

Abbildung 26:

108

etc.

etc.

Beispiel für ein “dotted- line-Prinzip“ in einem internationalen Konzern108

Abbildung entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 817.

109

• Berichterstattung an Zentralcontroller wird vernachlässigt • mangelnde Distanz und Objektivität zu Linienaktivitäten

• guter Zugang zu formellen wie informellen Quellen

• Möglichkeit, Linieninstanz bei Entscheidungen zu unterstützen

• starkes Eingehen auf Linienbedürfnisse

• Verstärkung des Partikularismus

• hohe Akzeptanz in der Linie

• flexible Einflußnahme auf Spezialcontroller

• Spezialcontroller wird isoliert

• wird nicht zur Entscheidungsunt erstützung herangezogen • linienspezifische Besonderheiten werden wenig beachtet

• schnelle Information der Zentrale

• geringe Akzeptanz

• Möglichkeit, Linienerfordernisse mit Controllingnotwendigkeiten zu verbinden

• Informationsblockade der Linie

• Unabhängigkeit gegenüber Linieninstanz

• schnelle Durchsetzung neuer Konzepte

• starke Betonung des integrativen Koordinationsaspektes

• Gegengewicht bei Beteiligung an Entscheidungen der Linieninstanz

• Kompromiß zwischen zwei Extremen

positiv

• Objektivität und Neutralität nicht gewährleistet

• wird weder von der Linie noch vom Zentralcontroller akzeptiert

• Doppelunterstellung Dauerkonflikt

negativ

„dotted- line- Prinzip“

• Spezialcontroller = Spion der Zentrale

negativ

• einheitliche Durchführung des Controllingkonzeptes

positiv

negativ • Controllinggesamtkonzept wird vernachlässigt

• gute und vertrauliche Zusammenarbeit

positiv

Unterstellung Zentralcontroller

Unterstellung Linieninstanz

66 2 Controlling aus institutionaler Sicht

Abbildung 27: Vor- und Nachteile alternativer Unterstellungsmöglichkeiten dezentraler Controller109

Abbildung entnommen aus Schüller, Organisation, 1984, S. 210.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

67

2.4 Selbstcontrolling Die oben dargestellte Organisation des Controlling geht davon aus, dass die Controllingfunktion vom Aufgabenbereich des Managements ausgelagert und der Institution Controlling übertragen wird. Betrachtet man die Auslagerung der Controllingfunktion auf das institutionalisierte Controlling als Arbeitsteilung auf der Ebene der Unternehmensführung, so lässt sich in Analogie zur weitgehenden Arbeitsteilung auf der Ausführungsebene im Taylorismus der Übergang zum Self-Controlling mit den Bestrebungen zur Reduzierung der Arbeitsteilung im Unternehmen gleichsetzen. Hierdurch wird auch im Bereich der Unternehmensführung eine Reduzierung angestrebt. 110 Selbstcontrolling bedeutet die teilweise bis vollständige Übernahme der Controllingfunktion durch die jeweilige Führungskraft und die eigenverantwortliche Ausübung innerhalb des jeweiligen Verantwortungsbereichs unter Einhaltung der für die Unternehmung gültigen organisatorischen und ökonomischen Richtlinien111. Peemöller sieht im Self-Controlling den Ausfluss der Grundgedanken des LeanManagement bezüglich der Arbeitsorganisation verwirklicht112. Die Dezentralisierung als wesentlicher Grundgedanke im Lean-Management-Ansatz führt zu einer höheren Kompetenz und Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter. Des Weiteren führt das Self-Controlling zu einer Minimierung der Schnittstellen im Vergleich zum institutionalisierten Controlling. Zusammenfassend umfasst das Self-Controlling somit eine Reintegration von Controlleraufgaben ins Management sowie eine Verlagerung der Steuerungs- und Koordinationsaufgaben auf die dezentrale Ebene.113 Als Vorteile eines vollständigen Self-Controlling können die folgenden angeführt werden114: • Controlling-Verständnis und –Denken sind auf mehrere Personen verteilt. Es existieren somit keine „controllingfreien Bereiche“. Hierdurch wird erreicht, dass das Controlling in die Köpfe der Mitarbeiter verlagert wird.

110

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 839. Vgl. Gruber, Controlling, 1995, S. 103. 112 Vgl. Peemöller, Controlling, 2005, S. 105. 113 Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 840. 114 Vgl. Peemöller, Controlling, 2005, S. 106 f. 111

68

2 Controlling aus institutionaler Sicht

• Die Controllingaufgabe wird von Mitarbeitern ausgeübt, die direkt im Wertschöpfungsprozess tätig sind. Hierdurch wird die Organisation von unnötigen Abteilungen und Stellen bereinigt. • Für das Self-Controlling sind keine umfassenden und komplexen Erfassungssowie Informationssysteme notwendig. Der jeweilige Entscheidungsträger muss nur über die für ihn relevanten Daten verfügen. Eine zentrale Aufbereitung von Daten durch ein institutionalisiertes Controlling ist damit überflüssig. • Das Self-Controlling bietet durch die Dezentralisierung hohe Potenziale für die Weiterentwicklung des Controlling sowie eine große Flexibilität bei der Anpassung an neue bzw. veränderte Anforderungen. In diesem Zusammenhang lassen sich auch Einsparungen durch den Verzicht auf die institutionalisierte Controllingabteilung realisieren. Dennoch wird eine Übernahme aller Controllingaufgaben durch die Entscheidungsträger weder als möglich noch als wünschenswert angesehen. Dies ist auf die folgenden Nachteile des Self-Controlling zurückzuführen115: • Es besteht die Gefahr, dass sich die Kontroll- und Steuerungsprozesse bei einer vollständigen Aufgabe der Fremdgestaltung verselbständigen. Durch die individuellen und subjektiven Vorstellungen können die Unterschiede zwischen den jeweiligen Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen zu groß werden. Dies würde die Fokussierung auf übergeordnete Zielsetzungen behindern und somit die Neutralität und Objektivität beeinflussen. • Des Weiteren liegt der Fokus der einzelnen Mitarbeiter auf den operativen Problemstellungen. Es fehlt an einer ganzheitlichen strategischen Betrachtungsweise. So könnten z.B. die operative und strategische Planung nur sehr ungenügend miteinander verzahnt werden. • Probleme der Gesamtsteuerung werden aufgrund der dezentralen Informationserfassung, -verarbeitung und -weitergabe unter Umständen nicht mehr erkannt. • Es bestehen erhöhte Konfliktpotenziale und Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Subsystemen. Es besteht die Gefahr von opportunistischem Verhalten der einzelnen Mitarbeiter, wodurch das Gesamtunternehmensziel unter Umständen nicht erreicht wird. • Nicht jeder Mitarbeiter ist gleichermaßen für die Selbststeuerung qualifiziert. Bei der Besetzung der Stelle dominiert die fachliche Anforderung und nicht die mögliche Eignung für das Controlling. Die obige Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile eines Self-Controlling macht deutlich, dass das Self-Controlling nicht das institutionalisierte Controlling ablöst, 115

Vgl. Peemöller, Controlling, 2005, S. 107 f.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

69

sondern dass nach dem richtigen Verhältnis zwischen Fremd- und Self-Controlling zu fragen ist. In Abbildung 28 wird der Zusammenhang zwischen dem Self- und Fremdcontrolling bzw. der Selbst- und Fremdorganisation dargestellt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jedes Unternehmen selbst die Potenziale und Probleme der Selbstkoordination und Selbststrukturierung gegenüberstellen muss, um zu einer Entscheidung über das sinnvolle Ausmaß des Self-Controlling zu gelangen.

2.5 Anforderungen an Controller Um die oben beschriebene Controllingfunktion erfüllen zu können, sind besondere Anforderungen an den Controller zu stellen. Hierbei kann zwischen fachlichen und persönlichen Anforderungen differenziert werden. Die Anforderungen sind immer vor dem Hintergrund der auf den Controller übertragenen Controllingaufgaben zu sehen. Zur Untersuchung der fachlichen und persönlichen Anforderungen an einen Controller können unterschiedliche Verfahren herangezogen werden: • Durchführung von Literaturuntersuchungen, • empirische Erhebungen und • Analyse von Stellenanzeigen. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass in Deutschland kein anerkanntes Anforderungsprofil für Controller existiert. Aus diesem Grund werden die einzelnen Verfahren kein einheitliches Anforderungsprofil liefern. Sie können nur Tendenzen und Schwerpunkte aufzeigen. Die Rolle des Controllers und damit die gestellten Anforderungen sind immer unternehmens- und stellenindividuell.

70

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Selbstorganisation • Selbstkoordination • Selbststrukturierung Selbstcontrolling • Selbständige Abstimmung vor Ort entsprechend den jeweiligen Erfordernissen • Eigenentwicklung von Problemlösungen

Systembildende Koordination Autonome Gestaltung der lokalen Systeme und deren Verbindungen (Selbststrukturierung)

Systemkoppelnde Koordination Dezentrale Abstimmung unter Ausrichtung auf ein mehrdimensionales Zielsystem (Selbstkoordination)

Fremdorganisation • Rahmengebende Ordnung • Übergeordnete Unternehmensziele Fremdcontrolling • Beratung, Training und Moderation im Sinne einer Methodenunterstützung • Rahmenrichtlinien für die Systemgestaltung und Aufbau einer Informationsbasis Abbildung 28: Merkmale und Begrenzung des Self-Controlling116

116

Abbildung entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 841.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

71

2.5.1 Fachliche Anforderungen an Controller Die fachlichen Anforderungen an einen Controller definieren das Wissen und die Erfahrungen, die zur Erfüllung der Controlleraufgaben notwendig sind. Zur Ermittlung der notwendigen fachlichen Anforderungen an Controller wurden verschiedene Analysen von Stellenanzeigen durchgeführt117. Wie anhand der Querschnittsanalyse von Weber, Schäffer (Abbildung 3) und Pfohl, Zettelmeyer (Abbildung 29) ersichtlich wird, verteilen sich die geforderten Eigenschaften auf viele verschiedene Kriterien, die von den jeweiligen unternehmensindividuellen Gegebenheiten abhängen. Eine andere Vorgehensweise wird von Küpper vorgeschlagen. Er versucht, die fachlichen Anforderungen an einen Controller aus der Controllingfunktion abzuleiten. Hierbei differenziert er zwischen faktischem, theoretischem und methodischem Wissen.118 Zur Wahrnehmung der Koordinationsfunktion bedarf es Kenntnissen über die abzustimmenden Bereiche sowie über die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen. Hierzu bedarf es zum einen eines faktischen Wissens und zum anderen eines theoretischen Wissens. Zur Beeinflussung der Zusammenhänge bedarf es wiederum dem Einsatz geeigneter Instrumente, wozu insbesondere methodisches Wissen zu fordern ist. Zur Erfüllung der Koordinationsfunktion sieht Küpper vor allem das Vorhandensein von theoretischem und methodischem Wissen als notwendig an.119 Eine derartige Ableitung der fachlichen Anforderungen führt zwangsläufig zum Profil eines „Supermanns“. Trotzdem ist eine solche, deduktive Ableitung des Anforderungsprofils sinnvoll. Es sollte allerdings nicht verabsolutiert werden.120 Grundsätzlich sind für die Informationsversorgungsfunktion des Controlling umfassende Rechnungswesenkenntnisse erforderlich. Aufgrund der Internationalisierung der Rechnungslegung wird die Bedeutung des externen Rechnungswesens für die Controller immer wichtiger. Daneben sind für die Beurteilung von Gestaltungsmöglichkeiten selbstverständlich auch Kenntnisse der Investitionsrechnung unabdingbar.

117

118 119 120

Vgl. hierzu z.B. Weber, Schäffer, Controlling-Entwicklungen, 1998, und Pfohl, Zettelmeyer, Controlling, 2003. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 504 f. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 505. So Horváth, Controlling, 2006, S. 860.

72

2 Controlling aus institutionaler Sicht

Fachliche Anforderungen (Kenntnisse / Erfahrungen) 1. Controlling 2. Informationsverarbeitung 3. Rechnungswesen 4. Unternehmensplanung 5. Informations- und Berichtswesen 6. Kostenrechnung 7. Sonderkenntnisse2 8. Budgetierung 9. Finanzbuchhaltung 10. Bilanzierung 11. Kontrolle 12. Finanzwesen 13. Allgemeine betriebswirtschaftliche Kenntnisse 14. Bilanzsicherheit 15. Organisation 16. Finanzierung 17. Finanzplanung 18. Controlling- / betriebswirtschaftliches Instrumentarium 19. Betriebswirtschaftliche Analyse 20. Allgemeine Verwaltung 21. Steuerwesen 22. Unternehmensstrategie / langfristige Expansionsplanung 23. Kalkulation 24. Unternehmenssteuerung 25. Wirtschaftsprüfung 26. Versicherungswesen 27. Personalwesen 28. Recht 29. Statistik 30. Investitionsrechnung 31. Revision 32. Betriebsrechnung 33. Kostenkontrolle 34. Zahlenaufbereitung 35. Finanzanalyse 36. Liquiditätssicherung

Anzahl der Nennungen absolut in Prozent1 32 37 29 34 25 29 22 26 18 21 18 21 14 16 12 14 11 13 11 13 11 13 8 9 8 9 7 8 6 7 6 7 5 6 4/1 6 4 5 4 5 4 5 4 5 4 5 4 5 4 5 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

1

Bezogen auf alle 86 Stellenanzeigen. Es wurde jeweils auf die volle Zahl auf- bzw. abgerundet.

2

Es handelt sich hierbei um Kenntnisse des US-Reporting, US- Accounting oder sonstige auslandsbezogene Kenntnisse sowie auch Konzernerfahrungen etc.

Abbildung 29: Fachliche Controlleranforderungen in Stellenanzeigen121

121

Abbildung entnommen aus Pfohl, Zettelmeyer, Controlling, 1985, S. 7.

2 Controlling aus institutionaler Sicht

73

Hinsichtlich der Planung und Kontrolle sind für den Controller weitreichende EDV-Kenntnisse notwendig. Aufgrund der zunehmenden Komplexität sind Planungsrechnungen zukünftig nicht mehr ohne EDV-Unterstützung möglich. Hierzu bedarf es eines umfassenden Methodenwissens für die Struktur von Planungs- und Kontrollsystemen. Neben diesen Anforderungen sind für die Ausübung der Koordinationsfunktion berufliche Erfahrungen wichtig. Zum einen werden Erfahrungen in den Bereichen Informationsversorgung, Planung und Kontrolle als auch Erfahrungen im Ausführungssystem verlangt. Aufgrund der Ausrichtung des Führungssystems auf das Ausführungssystem (Primärkoordination) ist Wissen über die Funktionsbereiche oder Sparten für die Koordination des Führungssystems unabdingbar.

2.5.2 Persönliche Anforderungen an Controller Hinsichtlich der persönlichen Anforderungen wurden ebenfalls empirische Analysen angestellt (in Abbildung 30 werden die persönlichen Anforderungen an einen Verwaltungs-Controller dargestellt)122. Diese zeigen analog den fachlichen Anforderungen ein sehr breites Spektrum an persönlichen Verhaltensanforderungen. Allerdings kann hieraus wiederum kein allgemein verbindliches Controllerprofil abgeleitet werden. Eine deduktive Ableitung der Anforderungen führt auch hier wieder zu einer Art „Supermann“123. Ein weiteres, sehr hilfreiches Anforderungsprofil wurde von Deyhle aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen formuliert124. Hier werden insbesondere die koordinierend-kommunikativen Aufgaben des Controllers dargestellt (vgl. Abbildung 31).

122

Vgl. hierzu Pfohl, Zettelmeyer, Controlling, 1985 oder Barth, Konzeption, 1997, S. 307 ff. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 539 f. 124 Vgl. Deyhle, Ergänzungsband A, 1980, S. 40. 123

74

2 Controlling aus institutionaler Sicht

1 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig Abbildung 30 Anforderungen an die Persönlichkeitsmerkmale eines VerwaltungsControllers125 Verhaltensanforderungen -

Geduld, stets auf´s neue die gleichen Sachverhalte zu interpretieren Liebenswürdige Penetranz Toleranzbereitschaft Bildhafte Ausdrucksweise (visualisieren) Spüren, ob einer zuckt (oder schluckt) Courage, nicht jeden Sachverhalt gleich an die große Glocke zu hängen Hofnarren-Allüren, um unangenehme Wahrheiten so zu bringen, dass man über sich selbst lacht. Sich nicht so wichtig nehmen Unverdrossenheit

Abbildung 31: Verhaltensanforderungen an den Controller nach Deyhle126

125 126

Abbildung entnommen aus Barth, Konzeption, 1997, S. 308. Entnommen aus Deyhle, Ergänzungsband A, 1980, S. 40.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling Nach dem hier zugrunde liegenden Controllingverständnis hat das Controlling die Funktion, die ergebniszielorientierte Koordination des Planungs- und Kontrollsystems und Informationsversorgungssystems sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird im Folgenden zunächst das Planungs- und Kontrollsystem im Unternehmen abgegrenzt und vorgestellt. Anschließend werden die Aufgaben des Controlling im Zusammenhang mit dem Planungs- und Kontrollsystem erläutert.

3.1 Das Planungs- und Kontrollsystem im Unternehmen Eine eindeutige Definition des Begriffs Planung ist leider in der Literatur nicht zu finden127. Grundsätzlich einig ist man sich, dass Planung „ein systematisches, zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur künftigen Zielerreichung“128 ist. Der Kontrollbegriff wird häufig in enger Anlehnung an die Planung definiert. Hierbei wird insbesondere auf den Soll-Ist-Vergleich abgehoben. Die Planansätze müssen dem Verlauf der Realisierung gegenübergestellt und auftretende Abweichungen analysiert werden. Diese Forderung zeigt sehr deutlich die Einheit von Planung und Kontrolle129. Planung und Kontrolle können aus dem Führungs- bzw. Managementprozess abgeleitet werden. Der Führungs- bzw. Managementprozess kann vereinfacht in die folgenden Phasen unterteilt werden (vgl. Abbildung 32): • Planungsprozess, • Realisation von Plänen, • Kontrolle. 127

Vgl. hierzu Szyperski, Winand, Grundbegriffe, 1980. Wild, Grundlagen, 1974, S. 13. 129 Dies gilt selbstverständlich nur für die funktionsbezogene Perspektive. 128

76

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling Planung Zielbildung Zielsystem Problemfeststellung

Alternativen suchen

Prognose ...

Planalternative I

...

...

... ...

...

Planalternative N

...

Bewertung und Entscheidung Plan-(system)

Durchsetzung

Realisation Vorgabe von Sollwerten

Ermittlung von Istwerten Soll-IstVergleich Soll-IstAbweichung Abweichungsanalyse Kontrollbericht Kontrolle

Abbildung 32: Phasen des Planungs- und Kontrollprozesses130

130

Abbildung entnommen aus Schweitzer, Planung, 1981, S. 24.

Rückkopplungsinformationen (feed back)

Vorkopplungsinformationen (feed forward)

Problemhierarchie

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

77

Der Planungsprozess stellt also einen wesentlichen Teilbereich des Führungsprozesses dar. Betrachtet man den Ablauf des Planungsprozesses, so kann festgestellt werden, dass er sich in klar abgrenzbaren Prozessphasen (Schritte 1-5) vollzieht. Es handelt sich hierbei jedoch um eine ausschließlich gedankliche Analyse. In der Realität lassen sich derartige Phasen nicht ohne weiteres abgrenzen. Insbesondere können die einzelnen Teilphasen in unterschiedlicher Reihenfolge mehrfach durchlaufen werden. Die Kontrolle stellt in diesem Prozess eine Realisations- und Plankontrolle dar (Schritt 7): 1. Zielbildung (z.B. Unternehmensexpansion): Festlegung von Zielen und Zielsystemen (z.B. Gewinnstreben, Marktführerschaft). Ziele sind hierarchisch und können gegebenenfalls Mittel-ZweckBeziehungen aufweisen. 2. Problemfeststellung: Probleme entstehen durch die Feststellung der Abweichungen des Ziels von der momentanen Situation (Ziel-Ist-Vergleich). Einzelne Probleme werden eingeteilt in: – – – –

ursprüngliche Probleme, drängende Probleme, Folgeprobleme und weniger dringliche Probleme. Hieraus wird anschließend eine Problemhierarchie erstellt.

3. Problemlösungsprozess Im Problemlösungsprozess werden Alternativen gesucht und mit Hilfe von Prognosen versucht, die möglichen Wirkungen verschiedener Alternativen (sprich Ausprägungen von Entscheidungsvariablen) vorherzusagen. 4. Bewertung und Entscheidung Anschließend werden die gefundenen Alternativen im Hinblick auf die Zielerreichung beurteilt und bewertet und eine Entscheidung getroffen. Als Ergebnis des Planungsprozesses erhält man ein Plansystem, das einen oder mehrere Pläne enthalten kann. Ein Plansystem ist eine geordnete Gesamtheit von mehreren Teilplanungen. 5. Plandurchsetzung Diese Phase ist notwendig, falls eine Trennung zwischen Planung und Realisation besteht (d.h. man plant und ein anderer führt den Plan aus. In diesem Fall muss man den anderen überzeugen, den Plan auszuführen). Falls keine personel-

78

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

le Trennung zwischen Planung und Realisation besteht, ist die Durchsetzung nicht notwendig. 6. Realisation 7. Kontrolle Die von dem Plansystem festgelegten Soll-Werte werden mit den ermittelten Ist-Werten verglichen, wobei die Abweichungen einer Abweichungsanalyse unterzogen werden. Die Ergebnisse werden in einem Kontrollbericht zusammengefasst. Während des ganzen Planungs- und Kontrollprozesses werden zwischen den einzelnen Phasen Vorkopplungs- und Rückkopplungsinformationen ausgetauscht. Einzelne der besprochenen Phasen innerhalb des Planungsprozesses können mehrfach durchlaufen werden, was dazu führen kann, dass bis dahin gefundene Ergebnisse revidiert werden. Gründe hierfür können sein: •

• • •



Auch bei relativ gut strukturierten Problemen ist ständig eine Rückkopplung zu vorherigen Planungsschritten nötig, vor allem zur Zielbildung und -konkretisierung. Im gesamten Planungsprozess gibt es unzählige Interdependenzen. Probleme mit dem Plansystem treten oft auf, weil bestimmte Ziele als bekannt vorausgesetzt werden, tatsächlich aber nicht bekannt sind. Die Ableitung umfassender expliziter Zielsysteme entspricht eher dem Wunschdenken. Oftmals werden Probleme festgestellt, zu denen kein entsprechendes Ziel existiert. Personenbezogene Ziele (Macht, Einfluss, Recht haben, Prestige) spielen oftmals eine große Rolle, sind aber nicht sachlich begründbar und werden deshalb nicht berücksichtigt bzw. beachtet. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum Pläne nicht wie eigentlich konzipiert umgesetzt werden.

3.2 Aufgaben des Controlling im Zusammenhang mit dem Planungs- und Kontrollsystem Grundsätzlich lassen sich bei der Planung die Metaplanung und die operationale Planung unterscheiden. Die Metaplanung stellt dabei die Gestaltung des Planungssystems dar. Insbesondere vor dem Hintergrund eines komplexen, arbeitsteiligen Planungsprozesses bedarf es einer Planung der Planung. Die operationale Planung hingegen stellt die eigentliche Planung dar. Beide Planungssysteme können nach funktionalen und institutionalen Aspekten weiter differenziert werden. Funktional gesehen handelt es sich hierbei um die

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

79

Aufgaben und deren Beziehungen, welche das betriebliche Handeln vorbereiten. Aus institutionaler Sicht handelt es sich um die die Planung ausführenden Aufgabenträger in der Organisation.131 Die Aufgabe der operationalen Planung ist es, das betriebliche Geschehen zu koordinieren. Neben dieser Funktion werden noch die Leistungsmotivations-, Flexibilitäts-, Innovations-, Sicherungs- und Optimierungsfunktion als Funktionen der Planung genannt132. Entsprechend der hier zugrunde gelegten Controllingauffassung steht die Koordination der Planung und ihre Informationsversorgung im Blickpunkt des Controlling133. Eine wesentliche Aufgabe der Metaplanung ist die Bildung von Planungssubsystemen sowie deren Verknüpfung. Diese Vorgehensweise basiert auf einer systemorientierten Betrachtung, welche weniger die einzelnen Entscheidungssituationen analysiert, sondern vielmehr die Systemgestaltung, d.h. die systembildende Koordination des Planungssystems zum Gegenstand hat134. Der Systemgestaltungsprozess der Planung kann nach Horváth in die folgenden Phasen zerlegt werden: „Systemanalyse: -

Wahrnehmen von Problemen, Erfassen der gegenwärtigen und zukünftigen Situation (Soll/Ist).

Systemgestaltung: -

Bestimmen von Alternativen, Ermitteln von Konsequenzen, Entschluss.

Systemimplementierung -

Ingangsetzen, Realisieren, Kontrollieren.“135

In der Realität können die einzelnen Stufen wiederum mehrmals durchlaufen werden.

131 132 133 134

135

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 153. Vgl. Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 66. Vgl. hierzu Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 80 sowie Horváth, Controlling, 2006, S. 153 Die systemorientierte Betrachtungsweise der Unternehmensplanung ist weit verbreitet, siehe z.B. Horváth, Controlling, 2006 oder Bircher, Planungssysteme, 1989. Zu den Vor teilen des Systemansatzes siehe Horváth, Controlling, 2006, S. 159. Horváth, Controlling, 2006, S. 159.

80

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Die Bildung von Planungs- und Kontrollsubsystemen stellt ein wichtiges Mittel zur Reduzierung der Komplexität dar. Grundsätzlich stehen zur Bildung von Planungssubsystemen zwei allgemeine Kriterien zur Verfügung136: • Relative Autonomie der Subsysteme: Subsysteme sind so zu bilden, dass die Systeminnenbeziehungen umfassender sind als der Informationsfluss zwischen den Systemen. Dies kann entweder durch die Differenzierung nach homogenen Planungsobjekten (z.B. nach Funktionen, Sparten usw.), durch einen relativ homogenen Informationsstand (z.B. Unterscheidung von Routine-Plänen und innovativen Plänen) oder durch eine relative Autonomie der Systementwicklung erreicht werden. • Hierarchische Strukturierung von Subsystemen: Um die Vielschichtigkeit der Handlungsalternativen einzuschränken, werden die geplanten Entscheidungen hierarchisch (sequentiell) strukturiert. Zur Reduktion können der Konkretisierungsgrad (z.B. Grob- und Feinplanung), die zeitliche Kategorie (z.B. lang-, mittel- und kurzfristige Planung) oder das Ausmaß der vorgesehenen Systemänderung (z.B. strategische, taktische und operative Planung) herangezogen werden. Die beiden allgemeinen Differenzierungsprinzipien können durch die Aufstellung eines Katalogs von Merkmalen weiter differenziert werden. Küpper zieht z.B. als Merkmale formale, inhaltliche, organisatorische und methodische Eigenschaften heran (vgl. Abbildung 33)137. Die Eigenschaften von Planungs- und Kontrollsystemen können als Variablen aufgefasst werden, mit deren Hilfe ein für die Zwecke und Bedingungen des jeweiligen Unternehmens günstiges System geschaffen werden kann.

136 137

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 165 f. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 83 ff.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Formale Eigenschaften

Inhaltliche Eigenschaften

Organisatorische Eigenschaften

Methodische Eigenschaften • Einfachheit

• Standardisierung

• Planungsumfang

• Organisationsgrad

• Dokumentation

• Zielorientierung

• Aufbauorganisatorisch

• Vorgehensweise

• Differenzierung

- Verteilung der Planungsaufgaben

• Art der Modelle

- Grad der Differenzierung - Art der Differenzierung o sachlich o zeitlich

- Verteilung der Planungskompetenzen • Ablauforganisation - Reihenfolge der Teilplanungen -- Grad der Simultanität bzw. Sukzessivität

81

- Präzisionsgrad - Berücksichtigung von Zeitbeziehungen - Berücksichtigung von Unsicherheiten • Art und Umfang der EDV-Unterstützung

-- Zeitliche Entwicklungsfolge -- Sachliche Ableitungsrichtung - Plananpassung

Abbildung 33: Eigenschaften von Planungssystemen138

Die formalen Eigenschaften beziehen sich im Wesentlichen auf die Vereinheitlichung und Protokollierung der Planung. Inhaltliche Eigenschaften bestimmen den funktionellen Aufbau des Planungssystems. Hier werden der Detaillierungs- sowie der Differenzierungsgrad der Planung für die einzelnen Teilbereiche festgelegt. Darüber hinaus wird die Intensität der Abstimmung der einzelnen Teilpläne fixiert. Die organisatorischen Eigenschaften werden durch generelle Regelungen festgelegt, d.h. der Organisationsgrad der Planung wird sowohl aufbau- als auch ablauforganisatorisch ausgewählt. Die methodischen Eigenschaften ergeben sich aus den eingesetzten Planungsverfahren und -instrumenten.139 Die formalen Merkmale werden häufig mit den methodischen Eigenschaften verknüpft und den inhaltlichen Eigenschaften nachgeordnet. Im Folgenden werden daher primär die inhaltlichen und organisatorischen Eigenschaften zur Abgrenzung von Planungs- und Kontrollsystemen herangezogen.

138 139

Abbildung entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 85. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 85.

82

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

In der betrieblichen Praxis wird bei der Gestaltung von Planungssubsystemen überwiegend auf inhaltliche Eigenschaften abgestellt. Horváth nennt die folgenden inhaltlichen Differenzierungseigenschaften140: • Nach Problemkategorien: Die Planungsprobleme lassen sich nach der Zielbestimmung (Festlegen der Ziele nach Inhalt, angestrebtem Ausmaß und zeitlichem Bezug), der Leistungsbereitschaft (z.B. Bereitstellen von Kapazitäten) sowie der Prozessabwicklung (z.B. Bestimmung der Reihenfolge und der Termine des Mitteleinsatzes) differenzieren. Entsprechend kann zwischen Ziel-, Aufbau- und Ablaufplanung unterschieden werden. • Nach Gegenstandsbereichen: Das Planungssystem lässt sich nach betrieblichen Funktionsbereichen aufgliedern. Diese Differenzierung bezieht sich nicht auf konkrete organisatorische Gegebenheiten, sondern auf die gedanklich abgrenzbaren Funktionen der Unternehmung (z.B. Bereich Auftragsabwicklung). • Nach konkreten Tätigkeitsbereichen: Entgegen der Differenzierung nach Gegenstandsbereichen bezieht sich diese Abgrenzung des Planungssystems auf die konkreten organisatorischen Einheiten (z.B. Abteilung für Auftragsannahme). • Nach dem Zeithorizont: Bei dieser Abgrenzung wird das Planungssystem nach den unterschiedlichen Planungszeiträumen differenziert. Hierbei wird in der Praxis häufig nach langfristiger, mittelfristiger und kurzfristiger Planung differenziert. Die Planungszeiträume sind beliebig und hängen häufig von der Dynamik der Unternehmensumwelt ab. • Nach dem Ausmaß der Systemänderung: Das Planungssystem wird hierbei in eine strategische, eine taktische und eine operative Planung differenziert. Für die Metaplanung ist neben der Bildung von Planungssubsystemen vor allem die Koordination zwischen den einzelnen Planungssubsystemen (Schnittstellen) von Interesse. Hier setzt primär die Funktion des Controlling an. Die Koordinationsaufgaben des Controlling in Bezug auf das Planungs- und Kontrollsystem können nach fünf Kriterien unterteilt werden: • • • • •

140

sachliche Koordination des Planungssystems, zeitliche Koordination des Planungssystems, planhierarchische Koordination, unternehmenshierarchische Koordination des Planungssystems, Koordination der Planung im Zeitablauf.

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 169.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

83

Je nach der Aufspaltung in Teilplanungen differiert auch die Aufteilungs- bzw. Schnittstellenproblematik und damit die Aufgabe des Controllers. In diesem Zusammenhang wird nochmals darauf hingewiesen, dass zwischen der inhaltlichen Planung („substance planning“) und dem Planungsmanagement („process planning“) unterschieden werden muss. Nur letzteres wird hier dem Controlling zugeordnet. Die inhaltliche Planung obliegt dem jeweiligen Manager für das jeweilige Planungssubsystem.141

3.2.1 Sachliche Koordination des Planungssystems Zur Reduktion der Komplexität der Planung werden einzelne, überschaubare Teilpläne gebildet, die ergebniszielorientiert miteinander koordiniert werden müssen. Zur Differenzierung werden hier die organisatorischen Eigenschaften herangezogen. Je nach Untergliederung der Gesamtplanungen in Planungssubsysteme, z.B. nach Problembereichen, Funktionen, Divisionen, Projekten etc. und deren Gegenstände (siehe oben) können die Planungsgegenstände entweder simultan oder sukzessive koordiniert werden. In Abbildung 34 ist exemplarisch eine Differenzierung der Gesamtplanung in funktionale Planungssubsysteme dargestellt.

141

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 190.

84

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Forschungs-/ Entwicklungsplan

Absatz-/ Marketingplan

.

Organisationsplan

Projektplan

Produktarten-/ programmplan

Produktmengenplan

Produktionsplan Kapazitätsplan

Beschaffungs-/ Lagerplan (Logistik)

Leistungsplan/ Erlös-/ Umsatzplan

Personalplan

Kostenplan

Erfolgsplan (Gewinn-/ Rentabilitätsplan)

..

Einnahmenplan

Ausgabenplan

Liquiditätsplan

. ..

Kreditplan

Finanzplan

Güterebene (Realgüterströme) Geldebene (Nominalgüterströme)

Abbildung 34: Planungsgegenstände der Funktionsbereiche142

142

Investitions-/ Anlagenplan

Abbildung entnommen aus Töpfer, Kontrollsystem, 1976, S. 144.

Bilanzplan

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

85

Die simultane Koordination bedeutet ein Höchstmaß an Koordination. Hierbei werden mehrere Planungsgegenstände gleichzeitig betrachtet. Dazu sind die Ziel-, Mittel- und Risikointerdependenzen zwischen den Planungsgegenständen zu berücksichtigen. Trotz der scheinbaren Vorteilhaftigkeit existiert eine Reihe von Nachteilen. So müssen über die Beziehungen zwischen den Variablen, Zielen und Ressourcen der einzelnen Planungsgegenstände vollständige Informationen vorliegen. Hierdurch weist die simultane Planung eine sehr hohe Komplexität auf. Dies hat zur Folge, dass die Pläne in der Regel nicht kurzfristig durchgeführt bzw. angepasst werden können. Darüber hinaus weist die simultane Planung eine mangelnde Planungselastizität auf. D.h., dass bereits geringe Änderungen in den Rahmenbedingungen eine komplette Neuplanung erforderlich machen. Aufgrund der notwendigen Zentralisierung der simultanen Planung kann auf derartige Änderungen nicht nur in den betroffenen Einzelbereichen reagiert werden. Aus diesem Grund weist der simultane Plan eine gewisse Starrheit auf, weshalb er insbesondere aufgrund der gestiegenen Dynamik der Märkte häufig keine optimale Lösung darstellt.143 Bei der sukzessiven Planung wird eine Koordination dadurch erreicht, dass die Ergebnisse der zuerst geplanten Bereiche die Rahmenbedingungen für nachfolgende Bereiche darstellen. Dies bedeutet, dass in jeder Teilplanung eine grobe Vorstellung über die nachfolgend zu planenden Gegenstände vorliegen muss. Erst die nachfolgende Planung zeigt, inwieweit diese Annahmen zutreffen. Andernfalls kann sich herausstellen, dass die Vorstellungen, die in der vorherigen Planung berücksichtigt wurden, nicht realisierbar sind. So kann z.B. der Absatzplan unrealistische Prämissen über die Fertigungsmengen und -zeiten angenommen haben, die erst bei der Planung des Fertigungsbereichs für den geplanten Absatz zu Tage treten (z.B. Produkte nicht rechtzeitig herstellbar).144 Entscheidend für die sukzessive Planung ist somit die Reihenfolge, nach der die einzelnen Bereiche und Gegenstände geplant werden. Eine Möglichkeit zur Festlegung der Reihenfolge ist die Anlehnung an die Bedeutung der Planungsbereiche und Gegenstände. Man wird hiernach zuerst die Bereiche planen, deren Variablen sich in hohem Maße auf die Ziele auswirken und die eine große sachliche und zeitliche Reichweite aufweisen. D.h. je mehr sachlich andere Planungsgegenstände von einem Bereich beeinflusst werden und je weiter die Wirkung in die Zukunft reicht, desto größer ist die Bedeutung für die Zielerreichung. Aus diesem Kriterium lässt sich ableiten, dass man bei einer sukzessiven Planung

143 144

Vgl. Küpper, Controlling 2005, S. 100 f. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 100.

86

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

eher vom strategischen Bereich ausgeht, anschließend die taktischen Sachverhalte und abschließend die operativen Maßnahmen plant. Ein weiteres Kriterium für die Festlegung der Reihenfolge bei der sukzessiven Planung ist die Orientierung am Engpassbereich. Hierbei liefert das von Gutenberg aufgestellte „Ausgleichgesetz der Planung“ die folgende Entscheidungsregel: Bei der Koordination von Teilplänen ist immer mit dem Unternehmensbereich zu starten, der den größten Engpass darstellt145. In der betrieblichen Praxis stellt unter der Annahme gesättigter Märkte häufig der Absatzbereich den Engpasssektor dar. Der Vorteil der sukzessiven Planung ist darin zu sehen, dass der Gesamtplan in weniger komplexe Teilpläne zerlegt wird und hier das Potenzial der dezentralen Planungsträger genutzt werden kann. In Abbildung 35 sind die sukzessive und simultane Planung zusammenfassend einander gegenübergestellt. sukzessive Planung Verschiedene Teilplanungen erfolgen zeitlich nacheinander; die einzelnen Teilperioden, -bereiche und -hierarchien werden schrittweise geplant und die entstehenden Einzelpläne unter Berücksichtigung erforderlicher Abstimmungen zum Gesamtplan verdichtet, z.B. werden bei einem Engpass im Absatzbereich (Käufermarkt) von der Absatzplanung ausgehend die Fertigungs- und die Finanzplanung durchgeführt. Für die jeweils nachfolgenden Planungen sind die Plandaten der vorhergehenden Stellen als fixe Daten zu betrachten. Die sachliche Koordinationsaufgabe besteht in der Bestimmung der Prioritätenfolge der Teilplanungen sowie in der Gestaltung der Schnittstellen zwischen den Bereichen, an die die Plandaten übergeben werden/ ein gerichteter Informationsfluss erfolgt. Probleme: Trotz „richtiger“ Planung i.d.R. schlechtere Planergebnisse als bei einer Simultanplanung, Überblick über den gesamten Planungsprozess fehlt, fehlende Rückkopplungsschleifen, heuristische Teiloptima

simultane Planung Alle Funktionsbereiche werden gleichzeitig in einem einzigen Planungsansatz unter Berücksichtigung aller bestehenden Interdependenzen geplant. Informationen fließen zwischen allen Teilplanungsbereichen und in alle Richtungen. Eine Optimallösung erhält man jedoch i.d.R. nur dann, wenn einfache lineare Optimierungsmodelle anwendbar sind. Simultanplanung ist grundsätzlich besser als sukzessive Planung, da Interdependenzen berücksichtigt werden. Probleme: sehr aufwändig nicht alles ist simultan planbar, oft ist eine Simultanplanung nicht durchführbar Simultanplanung kann den Einzelnen überfordern

Abbildung 35: Gegenüberstellung sukzessiver und simultaner Planung

145

Vgl. Gutenberg, Grundlagen, 1983, S. 163 ff.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

87

3.2.2 Zeitliche Koordination des Planungssystems Neben der sachlichen Differenzierung muss zur Reduzierung der Komplexität das Planungssystem zeitlich differenziert werden. Hierbei unterscheidet man in der Regel zwischen einer kurzfristigen (Planungshorizont < ein Jahr), mittelfristigen (Planungshorizont zwischen ein und fünf Jahren) und einer langfristigen Planung (Planungshorizont > fünf Jahre). Entsprechend der sachlichen Planung kann für die Koordination der zeitlichen Planung ebenfalls die sukzessive und simultane Koordination herangezogen werden. Entgegen der sachlichen Planung existiert bei der zeitlich- sukzessiven Koordination kein Reihenfolgeproblem. Die zeitliche Planungsreihenfolge richtet sich in der Regel nach dem natürlichen Zeitablauf. Das Koordinationsproblem besteht in der Bestimmung der optimalen Planungsfrequenz und der zeitlichen Untergliederung der Planungen. Generell nimmt mit zunehmender Realitätsnähe auch der Differenzierungsgrad der Planung zu. Aus der Kombination von zeitlicher und sachlicher Koordination ergeben sich die in Abbildung 36 dargestellten Koordinationsalternativen. zeitlich Koordination

sukzessiv

simultan

einperiodige Beschaffungsplanung für das erste Jahr im Rahmen einer gesamtbetrieblichen Fünfjahresplanung

simultane mehrperiodige Beschaffungsplanung für alle fünf Jahre im Rahmen einer gesamtbetrieblichen Fünfjahresplanung

einperiodige Gesamtplanung des Betriebs für das erste Jahr im Rahmen einer gesamtbetrieblichen Fünfjahresplanung

simultane mehrperiodige Gesamtplanung des Betriebs für alle fünf Jahre im Rahmen einer gesamtbetrieblichen Fünfjahresplanung

sachlich sukzessiv

simultan

Abbildung 36: Zeitliche und sachliche Koordination146

146

Abbildung entnommen aus Schweitzer, Steuerung, 1997, S. 51.

88

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

3.2.3 Planhierarchische Koordination Hierbei wird das Planungssystem in höhere und niedrigere Hierarchiestufen (Überund Unterordnung) unterteilt. In jeder Planungshierarchie vollzieht sich eine Planung, z.B. nach den funktionalen Gesichtspunkten Forschung und Entwicklung, Produktion, Logistik, Marketing, Verwaltung, Finanzen usw. Wesentlich ist dabei die Über- und Unterordnung. Ziel dieser Koordination ist die Sicherstellung der Flexibilität der Planung im Sinne von Möglichkeiten zur Plananpassung bzw. -koordination im Zeitablauf. Von besonderem Interesse für die Abstimmung von Planungen auf unterschiedlichen Stufen ist die Frage, wie das Abgrenzungsproblem zwischen kurzer/ mittlerer/ langer Frist zu lösen ist. Für die planungshierarchische Ordnung der Pläne bestehen zwei Alternativen: • Rangordnung Die Realisierung einer Rangordnung durch Verschachtelung (vgl. Abbildung 37) erscheint am plausibelsten, da damit über das Konstruktionsprinzip die "Integritätsbedingungen" automatisch berücksichtigt werden. Zudem impliziert die sachlich-vertikale Stufung stets zugleich eine Einteilung in sachlich über- und untergeordnete Pläne im Sinne einer Hierarchie, was zwangsläufig logische Implikationsbeziehungen, also die Anwendung des Schachtelprinzips zur Folge hat. Mit der Rangordnung korrespondiert (wegen der zeitlichen Interdependenzen) die zeitliche Verkettung der Planungsstufen durch Staffelung, besser noch Schachtelung. • Gleichordnung Bei Gleichordnung wird nur einmal geplant (z.B. am Jahresanfang für verschiedene Teilperioden). Hierbei soll durch zeitliche Überlappung der Pläne (vgl. Abbildung 37) deren Konsistenz gesichert bzw. koordiniert werden. Damit wird, anders als bei der Reihung (vgl. Abbildung 37), deren Interdependenzen Rechnung getragen. Die Schnittstelle besteht nicht nur aus einem Zeitpunkt, sondern einem Zeitraum. Eine Schachtelung ist bei Gleichordnung der Pläne allerdings sinnlos. Planungssysteme weisen i.d.R. einen mehrstufigen Aufbau auf. Dies bedeutet, dass das Planungssystem in verschiedene Ebenen oder Stufen differenziert ist, also eine vertikale Differenzierung in über- und unter-(nach-)geordnete Subsysteme vorliegt. Zwecke dieser Differenzierung sind die bessere Anpassung an verschiedenartige Problemfelder der Planung sowie die stufenweise Komplexitätsreduktion. Dabei unterscheidet man zwischen • zeitlicher Differenzierung

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

89

Diese drückt sich in der Trennung verschiedener Teilplanungen mit unterschiedlicher zeitlicher Reichweite aus. Wird für verschieden lange Zeiträume bezüglich desselben Problemfeldes geplant, so bedeutet dies im Prinzip zunächst immer, dass eine Simultanplanung vorliegt, weil sich die Planung gleichzeitig über mehrere Zeitpunkte oder Perioden erstreckt. Die Länge der Planungszeiträume sollte sich dabei bestimmen nach der 1) 2) 3) 4)

zeitlichen Reichweite gesetzter Ziele, Wirkungsreichweite geplanter Maßnahmen, Voraussagbarkeit künftiger Ereignisse (Planungshorizont), erforderlichen Zeitdauer zur Realisierung gewünschter Soll- Zustände oder zur Anpassung an geänderte Zustände.

Ein Planungssystem kann sich umso besser unterschiedlichen Anforderungen anpassen, je mehr Stufen es bei gegebener Gesamtreichweite der Planung aufweist, je größer also der Grad der zeitlichen Differenzierung ist. Der zeitlichen Differenzierung sollte dabei aus Praktikabilitäts- und Risikoüberlegungen ein unterschiedlicher Grad an Detailliertheit (Präzision) der Planung auf den einzelnen zeitlichen Stufen entsprechen. • sachliche Differenzierung Eine solche liegt vor, wenn Pläne einander hierarchisch über- und untergeordnet sind. Es liegen dann Mittel- Zweck- Beziehungen vor, wie sie auch in einem Zielsystem oder einer Alternativenhierarchie zum Ausdruck kommen. Die Zwecke, die auf einer übergeordneten Planungsebene definiert werden, werden durch Mittel einer untergeordneten Planungsebene realisiert. Beispiel: (strategischer) Gewinnplan – (taktischer) Marketingplan – (operativer) Werbeplan. Bei der zeitlichen Stufung eines Planungssystems bildet die Art der Verkettung (zeitliche Integration) der einzelnen Stufen ein weiteres Entscheidungsproblem. Die folgenden drei Grundalternativen der zeitlichen Verkettung von Planungsstufen sind denkbar (vgl. Abbildung 37): 1) Reihung: Es handelt sich um eine isolierte zeitliche Stufung, d.h. die einzelnen Periodenpläne sind voneinander abgegrenzt und unabhängig. Diese Form der Planung ist die einfachste zeitliche Stufung. 2) Staffelung: Hierbei handelt es sich um überlappende Stufen. Diese wesentlich aufwändigere Planung zeichnet sich durch fließende Übergänge zwischen den einzelnen Teilplänen aus. Die Pläne sind also miteinander verzahnt. 3) Schachtelung: Die einzelnen zeitlichen Stufen sind ineinander verschachtelt. Durch diese aufwändige Form der Planung werden die besten Planungsergebnisse erzielt.

90

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Isolierte zeitliche Stufen (Reihung) t1

t0

t1

Stufe 1

t2

t2

Stufe 2

t3 Stufe 3

Überlappende Stufen (Staffelung) t0

t1 Stufe 1

t2

t3

t4

Stufe 2

t5 Stufe 3

Integrierte Stufen (Schachtelung) t0

t1

Stufe 1

t2

Stufe 2

t3

Stufe 3

Abbildung 37: Möglichkeiten der zeitlichen Verkettung von Planungsstufen147

Planungssysteme der Praxis zeichnen sich i.d.R. durch eine kombinierte Anwendung der zeitlichen und sachlichen Differenzierung aus. Man unterscheidet: • Grundsatzplanung Diese enthält alle fundamentalen Leitsätze für die ganze Unternehmung, die für alle zukünftigen Entscheidungssituationen gelten. Sie ist im Prinzip unbefristet und wird zentral – durch die Unternehmensleitung – durchgeführt. Die Grundsatzplanung beinhaltet die folgenden Komponenten: − Grundsatzentscheidungen (Standortentscheidungen, Wahl der Rechtsform, Unternehmensgegenstand, Unternehmenszweck etc.) − Festlegung von Entscheidungsregeln, Richtlinien, Führungsgrundsätzen, Unternehmensphilosophie, Unternehmenspolitiken etc.

147

Abbildung entnommen aus Wild, Unternehmensplanung, 1982, S. 172.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

91

• strategische Planung Hierbei werden die Aktivitäten langfristig, aber prinzipiell befristet festgelegt. Dabei geht es um die Setzung von Zielen und die globale Festlegung von Strategien. Die strategische Planung setzt sich zusammen aus: − (zentral durchgeführter) Rahmenplanung Festlegung von Planziffern oder Zielgrößen, an denen untergeordnete Teilplanungen ausgerichtet und spätere Handlungen gemessen werden können. − (zentral oder dezentral durchgeführter) Programmplanung Bei der strategischen Planung werden neben den Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens v.a. auch die sich aus der dynamischen Umweltentwicklung ergebenden Chancen und Risiken in die Überlegungen einbezogen. Dementsprechend versuchen die analytischen Instrumente der strategischen Planung, die Position der Unternehmung innerhalb der relevanten (wirtschaftlich- technischen) Umwelt darzustellen. • taktische Planung Hier werden die Vorgaben der strategischen Planung konkretisiert und entsprechenden Unternehmensbereichen zugewiesen; die langfristige Grobplanung der Funktionsbereiche wird dort einer mittelfristigen Feinplanung unterzogen. Neben der Detaillierung kommt es dabei i.d.R. auch zu einer Quantifizierung. Die taktische Planung erfolgt i.d.R. dezentral (in den Geschäftsbereichen). • operative Planung Es handelt sich um eine dezentrale Maßnahmen- oder Aktivitätenplanung mit minimalem Abstraktionsgrad. Die operative Planung setzt unmittelbar auf der Realisationsebene auf. Die Koordination zwischen den verschiedenen Planungen wird durch die Schachtelung erreicht, d.h. die übergeordnete Ebene gibt jeweils den Rahmen für die untere Ebene vor (vgl. Abbildung 38).

92

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

STRATEGISCHER PLAN 15 Jahre 3 TAKTISCHE 1. TAKTISCHER PLAN

PLÄNE je 5 Jahre

2. TAKTISCHER PLAN

3. TAKTISCHER PLAN

OPERATIVE PlÄNE je 1 Jahr 1. Jahr

2. 3. 4. 5. Jahr Jahr Jahr Jahr

Abbildung 38: Hierarchie der Planungsstufen148

In Abbildung 39 werden die verschiedenen Planungsebenen anhand der Ausprägungen ausgewählter Merkmale charakterisiert. Den verschiedenen Planungsebenen werden häufig unterschiedliche Planungsschwerpunkte zugeordnet. So hat die Zielplanung ihren Schwerpunkt meist auf der strategischen Ebene, während die Ressourcenplanung hauptsächlich auf die taktische Ebene zielt. Die Maßnahmenplanung wird insbesondere auf der operativen Ebene als wichtig angesehen. Im Rahmen der Zielplanung werden, basierend auf der Unternehmenspolitik, generelle Unternehmensziele formuliert. Aus diesen generellen Unternehmenszielen sind dann die Sach- und Formalziele abzuleiten. Die sachzielorientierte Planung bezieht sich auf die realen Objekte und Aktivitäten des Unternehmensprozesses. Hierzu zählen z.B. die Herstellung einer bestimmten Anzahl eines neuen Produktes oder die Einführung einer neuen Fertigungstechnologie. Die formalzielorientierte Planung hingegen bezieht sich auf Erfolgs- und Liquiditätsaspekte von Handlungsalternativen. Es werden nominale Aspekte des Unternehmensprozesses, wie z.B. die Erreichung eines bestimmten Deckungsbeitrags geplant.149

148 149

Abbildung entnommen aus Wild, Grundlagen, 1974, S. 173. Vgl. Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 88 sowie Horváth, Controlling, 2006, S. 173 f.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

93

Beide Zielkategorien müssen durch die Planung berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden. Die sachzielorientierte Planung wird häufig mit der Aktionsplanung und die formalzielorientierte Planung mit der Budgetierung gleichgesetzt150. Der Fokus des Controlling liegt auf der formalzielorientierten Planung, die ergebnisorientiert koordiniert werden soll. Allerdings können die nominalen Aspekte niemals ohne die realen Objekte und Aktivitäten erreicht werden, was eine enge Verknüpfung der beiden Zielkategorien unabdingbar macht. Das Controlling hat somit ebenfalls die sachzielorientierte Planung zu berücksichtigen. Bei der Maßnahmen- und Ressourcenplanung und -kontrolle werden die Freiheitsgrade für Prozesse und Aktivitäten sowie die notwendigen Potenziale zur Erreichung der Ziele ermittelt, festgelegt und überwacht. Im Gegensatz zur Zielplanung erfolgt die Koordination nicht nur in vertikaler Richtung sondern auch in horizontaler. Letztere wird notwendig, wenn konkurrierende Maßnahmen oder eine limitierte Ressourceninanspruchnahme vorliegen. Typisch für die Ressourcenplanung und -kontrolle ist die Budgetierung bzw. die Verabschiedung konkreter Aktionspläne.151

150 151

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 174. Vgl. Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 90.

94

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling Planungsebenen

strategisch

taktisch

operativ

Merkmale Entscheidungsobjekt - Differenziertheit

gering (Gesamtplan)

----------------------->

groß (Teilplan)

- Gültigkeit

generell

------------------------------------->

speziell

- Fristigkeit

langfristig

------------------------------------->

kurzfristig

- Revidierbarkeit

gering

------------------------------------->

groß

- Häufigkeit der Planerstellung

selten

------------------------------------->

oft

- Formalisierung

gering

------------------------------------->

groß

Entscheidungsstruktur - Problemstruktur

schlecht-definiert

-------------------------->

wohl-definiert

- Komplexität

hoch

------------------------------------->

niedrig

- Bestimmtheit

gering

------------------------------------->

groß

- Detailliertheit

gering

------------------------------------->

groß

- Entscheidungsfreiheit

hoch

------------------------------------->

niedrig

- Bedeutung von Normen

groß

-------------------------------------->

gering

- Programmierbarkeit

nicht möglich

-------------------------------> teilweise möglich

- Hierarchieebene

obere Führungsebene

------------------------------- mittlere und untere > Führungsebene

- Delegierbarkeit

gering

Entscheidungsprozess

Entscheidungsträger

-------------------------------------->

Abbildung 39: Charakterisierung verschiedener Planungsebenen152

152

Abbildung modifiziert entnommen aus Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 87.

groß

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

95

3.2.4 Unternehmenshierarchische Koordination des Planungssystems Die Koordination des Planungssystems über die verschiedenen Hierarchieebenen eines Unternehmens hinweg ist insbesondere durch die starke Zentralisierung der Planungsmanagementaufgaben in der Praxis eine wesentliche Aufgabe. Wie bereits mehrfach erwähnt, zählen die Planung, Organisation und Steuerung des Planungsprozesses (Planungsmanagementaufgabe oder process planning) zu den Aufgaben des Controlling. In der Regel werden die systembildenden Planungsaufgaben eher von der zentralen Controllingabteilung wahrgenommen und die laufende Koordination von der dezentralen Controllingabteilung. Die wesentliche Frage besteht darin, wie die einzelnen an der Planung beteiligten Stellen in den Planungsprozess integriert werden. Diese Aufgabenstellung wird häufig mit dem Begriff „Hierarchiedynamik“ bezeichnet. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Pläne in einem Unternehmen über die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg gebildet, koordiniert, integriert, durchgesetzt, kontrolliert und angepasst werden. Es muss festgelegt werden, wie die einzelnen Planungsorgane der verschiedenen Hierarchieebenen sachlich und zeitlich zusammenwirken. Die strukturell-organisatorische (systembildende) Koordination in der Entwicklungsfolge von Plänen kann nach den folgenden drei Formen erfolgen153: 1 Retrograde Planung (top-down, deduktiv) Die Planung erfolgt in der Organisationshierarchie von oben nach unten (vgl. Abbildung 40). Der unternehmenshierarchisch untergeordnete Plan wird aus dem übergeordneten abgeleitet (Umbruch der Vorgaben für größere Einheiten auf kleinere Einheiten.) Die Führungsspitze der Unternehmung legt die obersten Ziele als Rahmenplan fest, die nachfolgenden Führungsebenen konkretisieren diese schrittweise in detaillierte Teilpläne. Vom Gesamtplan der Unternehmung ausgehend werden die Bereichs- und Stellenpläne hergeleitet. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in der guten Zielausrichtung der Teilpläne auf das Gesamtziel. Allerdings bedingt die Frage der Erreichbarkeit der Oberziele, dass die Frage nach den hierfür benötigten Ressourcen beantwortet sein muss. Dies erfordert eine weitgehende Konkretisierung der Ziele und damit eine vergleichsweise große zentrale Planungskapazität. Aus diesem Grund wird diese Vorgehensweise meist nur bei leicht planbaren Sachverhalten angewendet. Ein typisches Beispiel stellt die Beschränkung der Planung auf den Ressourcenverbrauch dar. Hierbei wird den Planungseinheiten nur der Input zur Zielerreichung vorgegeben. 153

Siehe hierzu Horváth, Controlling, 2006, S. 199 f. sowie Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 134 f.

96

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

2 Progressive Planung (bottom-up, induktiv) Die Planung beginnt bei den unteren Ebenen der Organisation und wird schrittweise in der Organisation nach oben geführt (vgl. Abbildung 40). Die Teilpläne werden sukzessive zu größeren Einheiten verdichtet. Die Gesamtziele und -pläne stellen somit das Endergebnis der Planung dar. Die Stellenpläne werden schrittweise zu den übergeordneten Bereichsplänen und diese wiederum zum Gesamtplan der Unternehmung aggregiert. Da die mit den zu planenden Entscheidungstatbeständen befassten Mitarbeiter der untersten Planungsebene mit dem Ausgangspunkt der Planung betraut sind, ist die Realisierbarkeit der Planungsergebnisse weitgehend gewährleistet. Der wesentliche Nachteil der Bottom-up-Planung ist in der mangelnden Zielausrichtung zu sehen, da die Teilpläne nicht zwingend auf ein gemeinsames Oberziel ausgerichtet sind. Meist werden in der Praxis bei der Bottom-up-Planung lediglich die Pläne der Vorperiode fortgeschrieben. Hiermit wird jedoch der eigentlichen Zielsetzung der Zukunftsorientierung widersprochen.

Zentrale

I

I

Bereich I

II Abteilung A

Zentrale

II Bereich II

II

II

Abteilung B

Abteilung D

II

Bereich I

II Abteilung E

I Abteilung A

1

Bereich II

I

I

Abteilung B

Abteilung D

I Abteilung E

2

Abbildung 40: Top-Down-(1) und Bottom-up-Planung (2)

3 Gegenstromverfahren Das Gegenstromverfahren stellt einen Kompromiss aus den beiden vorgenannten Vorgehensweisen dar. Es sind wiederum zwei Möglichkeiten denkbar. Ein TopDown-Vorlauf in Verbindung mit einem Bottom-up-Rücklauf (vgl. Abbildung 41) bzw. ein Bottom-up-Vorlauf mit einem Top-Down-Rücklauf. Aufgrund der Ausrichtung auf das gemeinsame Oberziel wird in der Praxis meist ein retrograder Vorlauf und ein progressiver Rücklauf kombiniert. Das Gegenstromverfahren baut dabei auf folgenden Elementen auf:

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

97

a)

Jeder Planungsträger plant für seinen Verantwortungsbereich selbst. Außerdem integriert und koordiniert er die Pläne seiner untergeordneten Instanzen.

b)

Es ist zu unterscheiden zwischen Planerstellung und der Konkretisierung der Planinhalte auf der einen Seite sowie zwischen Plankoordination bzw. -integration und Steuerung der Planung auf der anderen Seite.

c)

Der Planungsprozess ist gekennzeichnet durch einen retrograden Planungsvorlauf und einen progressiven Planungsrücklauf bzw. umgekehrt. Bei Bedarf können Unterzyklen der Planung zwischen hierarchischen Ebenen auftreten.

Die verschiedenen Alternativen der unternehmenshierarchischen Koordination werden in Abbildung 42 noch einmal zusammengefasst.

Zentrale

IV

I

IV

I

Bereich I III II Abteilung A

Bereich II

II Abteilung B

Abbildung 41: Gegenstromverfahren

III

III

III II Abteilung D

II Abteilung E

154

Die Planung erfolgt in der Organisation von „oben“ nach „unten“

Werden nur teilweise erfüllt, da nur ein Mittelrahmen bekannt.

Vorgabecharakter beeinträchtigt Planungsmotivation.

Koordinationserfordernisse häufig nicht erkennbar. Beträchtliche Informationsprobleme der Führungsebene. Notwendigkeit von Rückkoppelungen. Rückkopplungen sind arbeits- und zeitaufwendig. Einseitiger Ansatz: was müssen wir tun? Gefahren der Suboptimierung. Der vertikalen Interdependenz kann nur durch weitgehende Zentralisation der Planung Rechnung getragen werden.

Realisationsvoraussetzung

Planungsmotivation

Koordinationsmöglichkeiten

Kommunikationserfordernisse

Arbeits- und Zeitaufwand

Fazit

Retrograde Planung (Top-Down-Ansatz)

Prinzip der Gesamtplanung

alternierende Ableitungsrichtung Æ (strukturell)

Arbeits- und zeitaufwendiger als retrograde und progressive Planung. Kein einseitiger Denkansatz. Risiken der Suboptimierung werden vermieden. Der vertikalen Interdependenz der Planung wird Rechnung getragen.

Einseitiger Ansatz: was können wir tun? Auch hier Gefahren der Suboptimierung. Horizontale Koordination erforderlich.

Kommunikationserfordernisse größer als bei progressiver und retrograder Planung.

Vertikale und horizontale Koordination vorgesehen.

Rückläufe sind arbeits- und zeitaufwendig.

Rückläufe auch hier erforderlich.

Horizontale Koordination nicht gegeben.

Sehr gut gegeben, da das Abstimmungsverhalten planungsmotivierend wirkt.

Sehr gute Reailisationsvoraussetzungen, da Planung und Realisationsmöglichkeiten durchgehend abgestimmt.

Besser als bei der retrograden Planung, da Pläne von Realisierern entwickelt. Schlecht erfüllt. Negativkoordination, Fortschreibung alter Ziele.

Ein retrograder Vorlauf und ein progressiver Rücklauf vereinigen Elemente der vorgenannten Verfahren.

Gegenstromverfahren

Die Planung erfolgt in der Organisation von „unten“ nach „oben“ (Antithese zur retrograden Planung).

Progressive Planung (Bottom-up-Ansatz)

98 3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Abbildung 42: Formen der Hierarchiedynamik im Gesamtüberblick154

Abbildung entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 201.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

99

3.2.5 Koordination der Planung im Zeitablauf Nachdem zuvor die Koordination der Aufbauorganisation dargestellt wurde, soll im Folgenden die Koordination der Ablauforganisation betrachtet werden. „Die Unternehmensplanung ist als Prozess in der Form zu begreifen, dass Planungshandeln aus einer Abfolge von Einzelstufen (Planungsphasen) besteht, die Planungsphasen nacheinander in einer zeitlich-logischen Abfolge durchlaufen werden und Planung im Unternehmen kein einmaliger Akt ist, sondern sich in regelmäßiger/ zyklischer bzw. unregelmäßiger Folge wiederholt“155. Für die Koordination der Planung im Zeitablauf müssen sowohl die Planungszeiträume als auch die Planungshäufigkeit festgelegt werden. Ziel ist es, die Planung so schnell und flexibel wie möglich zu machen. Hierfür können Ablaufdiagramme und Netzpläne herangezogen werden. Diese Instrumente werden häufig im Rahmen der Projektplanung eingesetzt. Bei sich wiederholenden Planungsabläufen wird die Methode der rollenden Planung als Lösung angeführt. Hierbei werden strategische, taktische und operative Planungsstufen sowie Grob- und Detailpläne fortgeschrieben, detailliert und aufeinander abgestimmt. Das Prinzip der rollenden oder auch gleitenden Planung lässt sich anhand einer Planung mit einem Betrachtungszeitraum von fünf Jahren erläutern. Die Planung ist nicht über den gesamten Betrachtungszeitraum gleichermaßen detailliert. Es werden zu Beginn die verschiedenen Größen und Einflussfaktoren sehr genau geplant, während in den späteren Zeitabschnitten nur eine Grobplanung stattfindet. Nach Ablauf des ersten Jahres wird der Gesamtplan um ein weiteres Jahr ergänzt. Damit erstreckt sich der Zeitraum des Gesamtplans wieder auf seine ursprüngliche Länge. Entsprechend verfährt man nach dem zweiten und allen weiteren Jahren. Die Planung wird also im Jahresrhythmus fortentwickelt (vgl. Abbildung 43).156 Neben dem Aspekt der Gesamtplandauer muss noch der Aspekt der Anfangsplanung (detailliertere und präzisere Planung) berücksichtigt werden. Demnach muss es einen zweiten Rhythmus geben, in dem die Feinplanung vorangetrieben wird. Grundsätzlich liegt bei der rollenden Planung nur eine zeitliche Untergliederung auf allen Stufen der rollenden Planung vor. Es ist somit eine zeitliche Differenzierung der Planung, d.h. mehr als ein zeitlicher Teilplan notwendig. In sachlicher Hinsicht ist eine entsprechende Differenzierung nicht notwendig. Das „Rollen“ der Planung

155 156

Macharzina, Unternehmensführung, 1993, S. 322. Vgl. Troßmann, Planung, 1992, S. 123.

100

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

kommt somit durch die zeitlichen Rhythmen zum Ausdruck, mit denen die Pläne der verschiedenen Planungsstufen weiterentwickelt werden. Die Koordination bei der Aufeinanderfolge der Pläne einzelner Zeitabschnitte wird im System der rollenden Planung durch eine weitgehende Überlappung der zeitlichen Teilpläne erreicht. Im Vergleich zur Reihung können so anpassungsfähigere Lösungen und abweichungsärmere Ergebnisse erreicht werden. In der Regel wird versucht, eine möglichst große Überlappung zu erzielen. Die maximale Überlappung einer Stufe liegt bei n Teilperioden bei n-1. Abbildung 43 zeigt ein Beispiel, bei dem die feinere Planung vierteljährlich, die gröbere jährlich weiterentwickelt wird. Die zeitliche Überlappung beträgt bei der Grobplanung vier und bei der Feinplanung drei Perioden. Die rollende Planung kann in allen betrieblichen Umlaufphasen eingesetzt werden. Es kommt z.B. eine Planung der Bestellmengen, der Fertigungslose, des Absatzprogramms oder des Finanzierungsvolumens etc. in Frage. In allen Fällen müssen zeitlich differenzierte Teilpläne aufgestellt werden. Ein wesentliches Problem der rollenden Planung ist im Planungsstufenübergang zu sehen. Dieses Problem stellt sich nur bei der Weiterentwicklung der Pläne, nicht beim Neuentwurf aller Stufen. Da die Pläne der untergeordneten Stufe häufiger weiterentwickelt werden als die Pläne der übergeordneten Stufe, stellt sich die Frage, wie die Fortschreibung von Plangrößen der untergeordneten Stufe zur Ableitung auf übergeordnete Planungen steht. Hierbei geht es letztlich um die Konkretisierung der übergeordneten Grobdaten durch die feinere Struktur der untergeordneten Stufe. So stellt sich in Abbildung 43 die Frage beim Übergang vom Jahreswert auf Quartalswerte.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

101

4. Quartal

Jahr 12

Jahr 15

Jahr 13

Jahr 14

Jahr 15

Jahr 13

Jahr 14

Jahr 15

Jahr 13

Jahr 14

Jahr 15

Jahr 13

Jahr 14

Jahr 15

4. Quartal 4. Quartal

3. Quartal

4. Quartal

2. Quartal

Jahr 12 1. Quartal

Jahr 11 Planung zum 1.10.11

Jahr 14

Jahr 12 2. Quartal

1. Quartal

Jahr 11 Planung zum 1.7.11

Jahr 13

Jahr 12 3. Quartal

2. Quartal

1. Quartal

Jahr 11 Planung zum 1.4.11

3. Quartal

3. Quartal

2. Quartal

1. Quartal

Jahr 11 Planung zum 1.1.11

4. Quartal

3. Quartal

2. Quartal

1. Quartal

Jahr 12 Planung zum 1.1.12

Jahr 16

Abbildung 43: Entwicklung der Zeiträume bei einer rollenden Fünfjahresplanung157

Des Weiteren ist die Art der Überprüfung und Änderung von laufenden Größen festzulegen. Dabei muss ein geeigneter Anpassungsrhythmus gefunden werden, der sich häufig vom Fortschreibungsrhythmus unterscheidet. In Abbildung 44 werden die verschiedenen Anpassungsmaßnahmen – Überprüfung, Konkretisierung, Änderung, Fortschreibung – dargestellt. Dabei wird der Anpassungsrhythmus meist auf die Form der Anpassungsmaßnahme abgestimmt.

157

Abbildung entnommen aus Troßmann, Planung, 1992, S. 124.

102

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Planungs- 1. Stufe 2. Stufe stufen kurzfristiger mittelfristiPlan ger Plan

3. Stufe

4. Stufe

langfristiger langfristiger Plan Plan

Prozesse Überprüfung

monatlich

halbjährlich

jährlich

2-jährlich

Konkretisierung

-

-

jährlich

3-jährlich

Änderung

-

-

bei Bedarf

bei Bedarf

Fortschreibung

halbjährlich jährlich

2-jährlich

5-jährlich

Reichweiten

1 Jahr

7 Jahre

15 Jahre

3 Jahre

Abbildung 44: Beispiel für eine koordinierte Plananpassung158

Eine andere Möglichkeit zur Koordination im zeitlichen Ablauf ist die revolvierende Planung. Diese zeichnet sich im Gegensatz zur rollenden Planung durch ein höheres Maß an Revision der ursprünglichen Planung aus. Der Anpassungsrhythmus stimmt mit der rollenden Planung überein. Der Planungszyklus wird ebenfalls um den abgelaufenen Zeitraum verlängert. Im Gegensatz zur rollenden Planung wird jedoch nicht nur die Fortschreibung aktualisiert, sondern angesichts der Daten der verlängerten Bezugszeit der gesamte Planungsansatz auf seine Gültigkeit hin überprüft.159 Die Pläne werden vom umfassendsten Plan der höchsten Stufe aus aufgebaut. Bei dieser deduktiven Entwicklung werden die kurzfristigen Feinpläne aus den längerfristigen Grobplänen abgeleitet. Dies ist die Voraussetzung für die Konkretisierung der Pläne. Sämtliche Planungsprämissen und die Auswirkungen des verbesserten Informationsstandes werden in allen Teilplänen überprüft. Nach dem Prinzip der revolvierenden Planung wird somit das Planungssystem überprüft, korrigiert und aktualisiert. Die Abstimmungen müssen in jedem Planungszyklus eventuell neu vorgenommen werden. Aufgrund des wesentlich höheren Aufwands wird dieses Prinzip meist nur in der Mittel- und Langfristplanung angewendet. In Abbildung 45 werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der rollenden und der revolvierenden Planung nochmals schematisch zusammengefasst.

158 159

Abbildung entnommen aus Wild, Grundlagen, 1974, S. 180. Vgl. Gaitanides, Koordination, 1989, Sp. 2265.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Revolvierende Planung Rollende Planung (1) (a) Mehrstufigkeit des Planungssystems (mindestens zwei Stufen) (b) Verknüpfung der Planungsstufen nach dem Prinzip der Schachtelung (2) (a) • In jeder Stufe Differenzierung in zeitliche Teilplanungen • Prinzip einer weitreichenden Überlappung der Teilplanungen • Festgelegte Rhythmen der Entwicklung der Teilpläne (rhythmische Fortschreibung) (1) (c) Deduktive Entwicklung der Pläne (d) Rhythmische Konkretisierung beim Übergang zu einer tieferen Planungsstufe (mit von den Fortschreibungsrhythmen unabhängigen, eigenen Rhythmen) (2) (b) Rhythmische Überprüfung und rhythmische Änderungsmöglichkeit der Teilpläne (jeweils eigene Rhythmen) (c) Prinzip der Gesamtoptimierung Abbildung 45: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der rollenden und revolvierenden Planung160

160

Abbildung entnommen aus Troßmann, Planung, 1992, S. 130.

103

104

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

3.3 Budgetierung Die Budgetierung nimmt in der täglichen Praxis des Controllers einen zentralen Platz ein. Der Begriff „Budget“ wird in Praxis und Literatur unterschiedlich definiert. Grundsätzlich besteht jedoch Einigkeit darüber, dass die Budgetierung der Planung zuzuordnen ist. Insbesondere die Gemeinkostenplanung der indirekten Bereiche, v.a. der Verwaltungs- und Vertriebsbereiche, wird häufig mit dem Begriff der Budgetierung in Zusammenhang gebracht. Hierbei werden die Gemeinkosten für Kostenstellen aus diesen Bereichen für einen gesamten Planungszeitraum (i.d.R. ein Jahr) in Form eines Budgets vorgegeben. Im Folgenden wird die traditionelle Budgetierung kurz vorgestellt. Anschließend werden weit verbreitete Verfahren der Gemeinkostenplanung und –kontrolle untersucht. Zum Abschluss werden noch die jüngeren Weiterentwicklungen der traditonellen Budgetierung erläutert.

3.3.1 Traditionelle Budgetierung Der Begriff des Budgets wird in der betrieblichen Praxis und der Literatur unterschiedlich weit gefasst. Nach einer weiten Abgrenzung wird das Budget mit der betrieblichen Planung gleichgesetzt, welche in eine strategische und eine operative differenziert werden kann.

Budget im weiteren Sinne

Strategischer Plan/ Budget

Operativer Plan / Budget

Abbildung 46: Budgetierung im weiteren Sinne

Bei einer engeren Auslegung des Begriffs umfasst ein Budget nur den operativen Plan, nämlich die für einen betrieblichen Teilbereich genau festgelegten Planwerte für eine bestimmte Periode.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

105

Eine Einschränkung auf kurzfristige formalzielorientierte Pläne („Jahresbudgets“) erscheint nicht sinnvoll, da Budgets auf allen Planungsstufen für die Lenkung der Unternehmung unabdingbar sind. Auch empirische Studien haben gezeigt, dass in der betrieblichen Praxis neben Jahresbudgets auch Mehrjahresbudgets gebildet werden. Die strategischen Budgets sind entsprechend von geringerem Verbindlichkeitsund Detaillierungsgrad und bilden den Rahmen für operative Budgets161. Allerdings muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass die strategische Budgetierung in der praktischen Umsetzung noch nicht vollständig ausgereift ist. Der Grund wird meist in der Schwierigkeit der Abgrenzung und Zuordnung von lediglich qualitativ formulierten Potenzialen gesehen.162 Wir wollen im Folgenden von einer allgemeineren Definition des Budgets ausgehen. Hierbei wird auf die Budgetdefinition von Horváth zurückgegriffen: „Ein Budget ist für uns ein formalzielorientierter, in wertmäßigen Größen formulierter Plan, der einer Entscheidungseinheit für eine bestimmte Zeitperiode mit einem bestimmten Verbindlichkeitsgrad vorgegeben wird. Budgets gibt es somit auf allen Planungsstufen und für alle Planungsfristigkeiten.“163 Unter Budgetierung wird der Prozess der Budgeterstellung und -kontrolle verstanden. Wie bereits weiter oben ausgeführt, wird zwischen sach- und formalzielorientierter Planung unterschieden. Die Budgetierung ist der formalzielorientierten Planung zuzurechnen. Grundsätzlich existieren auf allen Planungsstufen neben den Budgets auch Aktionspläne. Aktionspläne stellen dabei die sachzielorientierte Planung dar (z.B. Produktionsprogrammplanung). Die Budgets und Aktionspläne müssen auf jeder Stufe aufeinander abgestimmt werden (Abbildung 47). Das Gewicht und der Detaillierungsgrad der Budgets und Aktionspläne nehmen dabei von der strategischen zur operativen Stufe hin zu. Ebenfalls nimmt die Überlappung der Budgets mit der Aktionsplanung von oben nach unten zu.

161

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 217. So auch Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 137. 163 Horváth, Controlling, 2006, S. 213. 162

106

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Stufe taktisch

Fristigkeit

operativ Aktionsplanung

kurzfristig

langfristig

strategisch

mittelfristig

sa or c hz ien ie tie lrt

fo or rma ie n lz tie iel rt -

Zielbezug

Budgetierung

Abbildung 47: Budgetierung im Rahmen der Planung164

Neben der bereits vorgestellten Unterscheidung in strategische und operative Budgets können noch weitere Differenzierungskriterien herangezogen werden (vgl. Abbildung 48).

164

Abbildung entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 214.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling Differenzierung nach:

z.B. in strategisches Budget

Zeithorizont

operatives Budget Einzelbudget

Umfang

Gesamtbudget Erfolgsbudget

Inhalt Finanzbudget starres Budget Verbindlichkeitsgrad

teilweise starres Budget flexibles Budget

Budget Monatsbudget Quartalsbudget Geltungsbereich

Jahresbudget Mehrjahresbudget

Absatzbudget Beschaffungsbudget Funktionsbereich

Produktionsbudget Verwaltungsbudget Investitionsbudget

Produktionsfaktor

Abbildung 48: Differenzierungsmerkmale von Budgets

Personalbudget

107

108

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Ein Gesamtbudget setzt sich aus verschiedenen Einzelbudgets zusammen, die getrennt, aber nach einheitlichen Richtlinien erarbeitet werden. Der Unterschied zwischen Erfolgs- und Finanzbudgets ist in der Wertdimension zu sehen. Während Erfolgsbudgets meist auf Basis der Plankostenrechnung zahlenmäßige Vorgaben für Leistungen, Kosten und Erfolge enthalten, machen Finanzbudgets Vorgaben über die geplante Liquiditätsentwicklung der Unternehmung in zukünftigen Perioden. Hinsichtlich der Verbindlichkeit unterscheidet man Budgets, die unbedingt einzuhaltende Werte vorgeben, wie z.B. Forschungs- oder Werbebudgets und Budgets, die für mehrere Beschäftigungsgrade vorgegeben werden, sogenannte flexible Budgets. Die Vorgabe von starren Ober- bzw. Untergrenzen wird häufig mit dem Begriff „Etat“ zum Ausdruck gebracht. Flexible Budgets passen sich laufend in Form von Nachtragsbudgets oder Alternativbudgets an veränderte Rahmenbedingungen an, während teilweise flexible Budgets nur fallweise angepasst werden. Zur weiteren Differenzierung von Budgets können die Merkmale Geltungsdauer, Funktionsbereich oder Produktionsfaktor herangezogen werden. Für die praktische Budgeterstellung ist vor allem der Zusammenhang zwischen der sachziel- und formalzielorientierten Planung zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind drei Optionen für den Beziehungszusammenhang zwischen Budgetierung und Aktionsplanung denkbar: 1. Die Aktionsplanung geht der Budgetierung voraus und determiniert somit die Budgets. 2. Die Budgetierung geht der Aktionsplanung voraus und bestimmt die Inhalte der Aktionspläne. 3. Simultane Durchführung von Aktionsplanung und Budgetierung. In der betrieblichen Praxis werden häufig die Ressourcen vor einer genauen Fixierung der Aktionen zugeteilt. Hierdurch wird dem Engpassbereich der Planung eine gewisse Priorität verliehen. Eine solche Budgetierung basiert auf der Fortschreibung vergangener Ressourcenzuweisungen und wird der inputorientierten Budgetierung zugerechnet. Das Ergebnis der Budgetplanung ist ein in sich abgestimmtes Budgetsystem. Ein Budgetsystem stellt eine geordnete Gesamtheit aufeinander abgestimmter Budgets dar. Die Vorgaben in den einzelnen Budgets nehmen sowohl erfolgs- als auch finanzwirtschaftliche Größen an. In der Regel erfolgt die Verdichtung der einzelnen Budgets in drei Richtungen (vgl. Abbildung 49):

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

109

• budgetierte Erfolgsrechnung, • Budget der Finanzmittel, • budgetierte Bilanz.

Absatzaktionsplanung

Produktionsaktionsplanung

Beschaffungsaktionsplanung

Umsatzbudget

Materialkostenbudget

Beschaffungsbudget

Fertigungskostenbudget

Investitionsbudget

Verwaltungskostenbudget

Forschungs- und Entwicklungsbudget

Vertriebskostenbudget

Budget der Herstellund Selbstkosten

Budgetierte Erfolgsrechnung

Budgetierte Bilanz

Budget der Zahlungsmittel

Abbildung 49: Struktur eines funktional differenzierten Budgetsystems165

3.3.2 Gemeinkostenplanung und -kontrolle Die bisherigen Ausführungen zur Budgetierung sind allgemeingültig. Bei der konkreten Ausgestaltung eines Budgetsystems stellt sich die Frage, für welche Entscheidungseinheiten ein Teilbudget festgelegt werden soll. Die Entscheidungseinhei-

165

Abbildung in Anlehnung an Pfohl, Stölzle, Planung, 1997, S. 138.

110

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

ten können nach der Quantifizierbarkeit des Outputs und der Definiertheit der Prozesse in vier Typen unterschieden werden (vgl. Abbildung 50). Prozess

messbar Output

nicht messbar

bekannt

unbekannt

Typ I Output ist mengen- und wertmäßig bestimmbar. Input-Output-Relation steht im Vordergrund

Typ II Output ist messbar, der Prozess aber nicht im Detail bestimmbar Output als Budgetvorgabe

(z.B. Produktionsbudget)

(z.B. Marketingbudget)

Typ IV Typ III Weder Output noch ProProzess ist gut definierbar, zess sind messbar. Entjedoch der Output nicht im scheidung über vorgeseheeinzelnen messbar nen Input bestimmt die input- und prozessorientierte Budgetvorgabe Budgetfestlegungen vorherrschend (z.B. Grundlagenforschungsbudget) (z.B. Verwaltungsbudget)

Abbildung 50: Typen von Entscheidungseinheiten zur Gestaltung von Budgets166

Grundsätzlich sind outputorientierte Vorgaben inputorientierten Budgets vorzuziehen. Für das Controlling verursachen insbesondere die Budgets vom Typ III und IV die größten Probleme. Aufgrund der Komplexitätszunahme in den Unternehmen haben sich die Kostenstrukturen grundlegend verändert167. Die Gemeinkosten nehmen in diesem Zusammenhang einen immer größer werdenden Bereich ein. Die Planung und Kontrolle der Gemeinkosten erweist sich aufgrund der z.T. fehlenden Messbarkeit von Prozess und Output als große Schwierigkeit. Die formalzielorientierte Planung derartiger Gemeinkostenbereiche, die keine unmittelbaren Marktleistungen produzieren, wird in Form einer Kostenplanung durchgeführt. Die Kostenplanung für diese Bereiche erfolgt nicht wie im Produktionsbereich auf Basis einer Mengenplanung, sondern i.d.R. auf Basis einer wertmäßigen Planung. Bei der Mengenplanung werden die

166

In Anlehnung an Camillus, Budgeting, 1984, S. 5 sowie Horváth, Controlling, 2006, S. 219 f. 167 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 9.1.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

111

Einzelkosten (z.B. Materialkosten) meist anhand von detaillierten Verbrauchsanalysen analytisch geplant, während die Gemeinkosten (z.B. Raumkosten) nichtanalytisch (z.B. durch Schätzungen) geplant werden168. In den meisten indirekten Bereichen liegen die Voraussetzungen für eine analytische und mengenmäßige Planung der Kosten nicht vor. Hierzu fehlt es in solchen Gemeinkostenbereichen, wie z.B. der Buchhaltung an klar definierten Leistungseinheiten bzw. Vorgaben (z.B. Zeitstandards). Aus diesem Grund erfolgt die Kostenplanung meist auf Basis nichtanalytischer wertorientierter Planung. Erst in der letzten Zeit sind vermehrt Ansätze entwickelt worden, die sich auf die Kostenplanung der sogenannten „Gemeinkostenbereiche“ konzentrieren. Diese Instrumente zur Planung der Kosten in den Gemeinkostenbereichen können in vier Klassen unterteilt werden169: • • • •

inputorientierte Verfahren, outputorientierte Verfahren, prozessorientierte Verfahren, strukturorientierte Verfahren.

Inputorientierte Verfahren der Budgetvorgabe Bei inputorientierten Verfahren bildet der Budgetinput den Gegenstand der Betrachtung. Hierbei werden Budgets lediglich für die Einsatzseite und deren Kosten bzw. Ausgaben formuliert. Die Outputseite wird dagegen nicht untersucht und als weitgehend gegeben angenommen. Die inputorientierten Verfahren können weiter nach dem Anwendungsrhythmus in periodisch anwendbare und aperiodisch anwendbare unterschieden werden. Zu den periodisch anwendbaren inputorientierten Verfahren zählt die Fortschreibungsbudgetierung. Bei dieser sehr einfachen Form werden die vorherigen Budgetansätze um einen Zu- bzw. Abschlag verändert. Zu den aperiodischen Verfahren zählen die wertanalytischen Verfahren. Hierzu zählen die administrative Wertanalyse, die Gemeinkostenwertanalyse, die Gemeinkosten-Aufwand-Nutzen-Analyse und das Gemeinkosten-Systems-Engineering. Die wertanalytischen Verfahren übertragen wichtige Komponenten der Wertanalyse auf die Analyse und Budgetierung der Gemeinkosten. Der Fokus liegt hier insbesondere auf der Senkung des Inputs. Der Output wird nur sekundär in Frage gestellt. Im Fol-

168

169

Die Plankostenrechnung für Kostenstellen des Produktionsbereiches wird in Kapitel 0 umfassend vorgestellt. Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 249 ff.; Küpper, Controlling, 2005, S. 336 ff.

112

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

genden soll nur die Gemeinkostenwertanalyse als bekanntestes dieser Instrumente vorgestellt werden. Die Gemeinkostenwertanalyse (GWA) ist eine auf die europäischen Bedürfnisse angepasste Weiterentwicklung der von der Unternehmensberatung McKinsey entwickelten Overhead-Value-Analysis (OVA). Ziel der Gemeinkostenwertanalyse ist es, Kosten und Nutzen von Leistungen der untersuchten Gemeinkostenbereiche mit Hilfe eines systematischen und kreativitätsfördernden Ablaufs zu beurteilen und so Kosten einzusparen ohne dabei den Nutzen zu reduzieren. Das Verfahren zeichnet sich durch eine umfassende Projektorganisation und genaue Prinzipien für die Vorgehensweise aus. Neben den Leitern der Untersuchungseinheiten, welche die eigentlichen Träger des Verfahrens sind, wird ein Lenkungsausschuss mit Mitgliedern der Unternehmensleitung oder der nächsthöheren Leitungsebene gebildet. Dieser stellt die letzte Entscheidungsinstanz dar. Ferner werden mehrere Teams aus Führungskräften, die in der Gemeinkostenwertanalyse geschult wurden, gebildet, die die Moderation des Untersuchungsablaufs sowie die Analyse und Erstellung von Ergebnisberichten übernehmen. Meist werden für eine Gemeinkostenwertanalyse noch externe Berater herangezogen, welche die Schulungen abhalten bzw. das Methodenwissen bereitstellen. Neben der Aufbauorganisation wird auch der Ablauf der Vorhaben sehr präzise geplant. Die Durchführung der Gemeinkostenwertanalyse erfolgt in drei Phasen: 1. Vorbereitungsphase, 2. Analysephase, 3. Realisationsphase. In der Vorbereitungsphase werden die betroffenen Mitarbeiter geschult, die Projektorganisation bestimmt und das Projekt geplant. Ebenfalls sollten in dieser Phase die Mitarbeiter und der Betriebsrat informiert werden. In der Analysephase wird das Kosteneinsparpotenzial für jede Untersuchungseinheit ermittelt. Hierzu werden vier Grundschritte unterschieden: • Aufnahme des Ist-Zustands: Aufnahme aller Leistungen und Schätzung der Kosten für jeden Bereich. • Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen jeder Aktivität und Entwicklung von Einsparideen für ein verbessertes Verhältnis von Kosten und Nutzen. Die Gegenüberstellung erfolgt in Abstimmung mit dem Leistungsempfänger. • Bewertung der Lösungsideen anhand strenger Wirtschaftlichkeits- und Risikokriterien. Abschätzung der Realisierbarkeit.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

113

• Erarbeitung von konkreten Aktionsprogrammen zur Umsetzung der wesentlichen Lösungsideen durch den Leiter der Untersuchungseinheit und die Analyseteams. Insbesondere für Leistungen mit einem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis wird überprüft, ob die Leistungen ganz entfallen können oder ob ein schrittweiser Abbau möglich ist. Darüber hinaus wird überprüft, ob die Einsparungen zu einer Reduktion der Qualität, des Umfangs oder der Häufigkeit von Leistungen führen. In der Realisationsphase erfolgt die Umsetzung des verabschiedeten Aktionsprogramms. Grundsätzlich wird für die beiden ersten Phasen eine Zeitdauer von drei bis fünf Monaten veranschlagt. Die Realisierung dauert in der Regel zwischen ein und drei Jahren. Die Einsparwerte liegen in der Praxis zwischen 10 und 20%. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Gemeinkostenwertanalyse durch den gut strukturierten und transparenten Aufbau gut umsetzbar ist. Sie kann in allen Gemeinkostenbereichen eingesetzt werden, unabhängig davon, ob dort repetitive oder innovative Tätigkeiten durchgeführt werden. Die Gemeinkostenwertanalyse ist auf kurz- und mittelfristige Ergebnisverbesserungen ausgerichtet. Allerdings ist ein strategieadäquater Mitteleinsatz nicht Kern der Überlegungen.170 Outputorientierte Verfahren der Budgetvorgabe Bei den outputorientierten Verfahren stehen die zu erbringenden Leistungen im Mittelpunkt der Analyse. Die Zweckmäßigkeit der Leistungen und deren Kosten werden als grundsätzlich veränderbar angenommen. Es wird hierbei überprüft, inwieweit der bisherige Output beibehalten, ausgeweitet oder gekürzt werden kann. Als periodisch anwendbares Instrument kann die Programmbudgetierung genannt werden. Hierbei werden ausgehend von den Unternehmenszielen Programme, d.h. Maßnahmenbündel zur Erreichung der Ziele geplant und daraus die benötigten Ressourcen abgeleitet. Die Ressourcenallokation erfolgt somit nach Maßgabe der Eignung der Programme zur Zielerreichung. Ein derartiges Verfahren wird z.B. bei der periodischen Budgetvorgabe im öffentlichen Bereich im sogenannten PlanningProgramming-Budgeting-System (PPBS) angewendet. Für aperiodisch anfallende Aufgaben wird meist das von Phyrr bei der Firma Texas Instruments in den sechziger Jahren entwickelte Zero-Base-Budgeting (ZBB) angewendet. Das Zero-Base-Budgeting stellt eine radikale Abkehr von der Fortschreibungsmethode dar. Hierbei werden grundsätzlich alle Programme in Frage gestellt. 170

Vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 252.

114

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Neben der Infragestellung werden beim Zero-Base-Budgeting explizit die Leistungsniveaus der einzelnen Programme in Verbindung mit dem jeweiligen Kostenvolumen gesehen. Der Planungsprozess beginnt beim Zero-Base-Budgeting grundsätzlich bei Null. Im Vergleich zur Gemeinkostenwertanalyse ist das System nicht so weit durchstrukturiert. Grundsätzlich lässt sich das Zero-Base-Budgeting in neun Stufen beschreiben (vgl.Abbildung 51)171:

9

Überwachung und Steuerung

8

Maßnahmen- und Budgetfestlegung

7

Budgetschnitt

6

Rangordnung der Entscheidungspakete

5

Auswahl von Entscheidungspaketen je Leistungsniveau

4

Festlegung der Kostensenkungspotentiale

3

Bestimmung der Leistungsniveaus (Ist-Analyse)

2

Festlegung der Entscheidungseinheiten und ihrer Teilziele

1

Festlegung der Analyseziele und Aufbau der organisatorischen Voraussetzungen

Abbildung 51: Stufen und Phasen des Zero-Base-Budgeting172

In der ersten Stufe werden die Teammitglieder geschult und die Mitarbeiter informiert. Die zweite Stufe befasst sich mit der Einteilung des Untersuchungsbereichs in Entscheidungseinheiten. Als Entscheidungseinheiten werden Kostenstellen oder Teile davon herangezogen. Die Aktivitäten einer Entscheidungseinheit sollten gemeinsame Merkmale aufweisen, so dass eine Abgrenzung möglich ist. In Abbildung 52 ist

171

172

Der neun-stufige Aufbau geht auf Meyer-Piening zurück (vgl. Meyer-Piening, ZeroBase-Budgeting, 1989). Zu den weiteren Ausführungen vgl. Horváth, Controlling, 2006, S. 253ff. Abbildung modifiziert entnommen aus Horváth, Controlling, 2006, S. 254.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

115

eine beispielhafte Zerlegung einer Organisationseinheit in Entscheidungseinheiten dargestellt. Einzelbestellung

Abrufe

Lieferantenauswahl

Entscheidungseinheiten

Abschließen von Rahmenverträge

Betreuung Reklamationsder bearbeitung Lieferanten

Abbildung 52: Zerlegung der Organisationseinheit Einkauf in Entscheidungseinheiten

Die Ist-Analyse in Form der Bestimmung von sogenannten Leistungsniveaus ist Gegenstand der dritten Stufe. Ein Leistungsniveau bildet die Menge und Qualität der Arbeitsergebnisse einer Entscheidungseinheit ab. In der Regel werden drei Leistungsniveaus unterschieden. Leistungsniveau eins stellt das Minimalniveau dar. Hiermit sind die zur Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsablaufs notwendigen Arbeitsergebnisse gemeint (z.B. die Bestellung beim nächstgelegenen Lieferanten). Leistungsniveau zwei umfasst die durch Arbeitsanweisungen geregelten Abläufe (z.B. Einholen von mindesten drei Angeboten in der Einkaufsabteilung). In Leistungsniveau drei werden solche Leistungen zusammengefasst, die im Hinblick auf die Zukunftssicherung wünschenswert sind (z.B. Betreiben eines weltweiten Einkaufsmarketings). In der Stufe vier werden die verschiedenen Alternativen zur Senkung der Kosten für jedes Leistungsniveau gesucht, wie z.B. Bonitätsprüfung outsourcen, nur bei Neukunden Bonitätsprüfung durchführen, Faktoringvertrag abschließen, Mahnwesen outsourcen etc. In der Stufe fünf werden die Leistungsniveaus beschrieben und die Entscheidungspakete festgelegt. Ein Entscheidungspaket stellt die wichtigsten Informationen über ein Leistungsniveau einer Entscheidungseinheit zusammen. Die Entscheidungspakete bilden damit die Grundlage für die Ressourcenverteilung. In Stufe sechs wird die Rangordnung der Entscheidungspakete festgelegt. Hierbei werden die Kosten und Nutzen eines Entscheidungspakets gegenüber anderen abge-

116

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

wogen und eine Rangfolge für sämtliche Entscheidungspakete im Hinblick auf die gesetzten Ziele festgelegt (vgl. Abbildung 53).

A1 A2 A3

A1 C1 B1

B1 B2 B3

A2 A3 C2 C3 B2

C1

B3

C2 C3

Abbildung 53: Rangordnung von Entscheidungspaketen

In der Stufe sieben werden die vorhandenen Ressourcen für strategische und operative Aufgaben festgelegt. Dies erfolgt mit Hilfe eines sogenannten Budgetschnitts. Entscheidungspakete oberhalb des Budgetschnitts haben eine hohe und Entscheidungspakete unterhalb entsprechend eine niedrige Priorität (vgl. Abbildung 54).

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

117

A1 C1 Entscheidungspakete mit hoher Priorität (werden ausgeführt)

Mio. €

B1 A2 A3 C2

Budgetschnittlinie

C3 Entscheidungspakete mit niedriger Priorität (werden verschoben oder aufgegeben)

B2 B3

Abbildung 54: Budgetschnitt

Die konkreten Maßnahmen zur Realisierung der beschlossenen Veränderungen werden in Stufe acht festgelegt. In diesem Zusammenhang werden die jeweiligen Budgets erarbeitet. Durch ein permanentes Gemeinkosten-Controlling soll basierend auf den erarbeiteten Ergebnissen eine permanente Steuerung bewirkt werden (Stufe neun). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Zero-Base-Budgeting entsprechend der Gemeinkostenwertanalyse in allen Gemeinkostenbereichen eingesetzt werden kann. Die Einsparwerte werden mit 10-20 % angegeben, wobei die Durchführung der Stufe zwei bis neun ca. drei bis neun Monate erfordern. Durch den hohen Zeitaufwand sind auch die Ergebnisse des ZBB eher mittelfristig. Grundsätzlich liegt das Ziel des Zero-Base-Budgeting nicht in der absoluten Kostensenkung, sondern in der besseren Erreichung strategischer Ziele. Prozessorientierte Verfahren der Budgetvorgabe Zu den prozessorientierten Verfahren zählt insbesondere die Prozesskostenrechnung, die in Kapitel 9 ausführlicher dargestellt wird.

118

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Strukturorientierte Verfahren der Budgetvorgabe Bei den strukturorientierten Verfahren wird versucht, die Gemeinkostenbereiche einem Marktdruck auszusetzen, um auf diesem Weg Kostensenkungen zu realisieren. Hierzu werden verschiedene Mittel eingesetzt, wie z.B. die Schaffung interner gewinnzielorientierter Einheiten, die Schaffung unternehmensinterner Konkurrenz oder die Auslagerung interner Aktivitäten in den unternehmensexternen Markt (z.B. interne Unternehmensberatung bietet Leistung als selbständiges Unternehmen am Markt an).

3.3.3 Moderne Budgetierungsverfahren Als Grund für die Entwicklung von modernen Budgetierungsverfahren ist die mangelnde Erfüllung der Budgetierungsfunktionen durch die traditionelle Budgetierung anzuführen. Grundsätzlich sollen durch die Budgetierung drei Funktionen gewährleistet werden: • Prognosefunktion: Prognose der zukünftigen Entwicklungen, d.h. Reduktion von Unsicherheiten. • Koordinationsfunktion: Koordination von Teileinheiten und deren Handlungen in einem Unternehmen. • Motivationsfunktion: Motivation der Führungskräfte in einer Funktion, d.h. Ausrichtung des Leistungsverhaltens im Sinne des Unternehmensziels. Die traditionelle Budgetierung ist in der betrieblichen Praxis meist der jährlichen Ergebnis- und Finanzplanung gleichzusetzen. Durch das Formulieren von Budgets werden die Entscheidungseinheiten der Unternehmen koordiniert. Die traditionelle Budgetierung zeichnet sich durch Vollständigkeit und einen hohen Detaillierungsgrad aus, d.h. es werden annähernd alle Bereiche sehr detailliert mit einzelnen Budgetgrößen budgetiert, wobei in der Praxis die Fortschreibungsbudgetierung dominiert. Des Weiteren ist die Budgetierung in der Praxis meist auf ein Jahr beschränkt. Häufig beziehen sich die unterjährigen Hochrechnungen und Forecasts auf das Ergebnis am Geschäftsjahresende. Die traditionelle Budgetierung wird in der Literatur und Praxis aufgrund der dargestellten Merkmale häufig kritisiert. Hierbei werden insbesondere die folgenden Kritikpunkte angeführt173:

173

Vgl. Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 11 ff.; Horváth, Controlling, 206, S. 230 f.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

119

• Erheblicher Ressourcenaufwand, vor allem vor dem Hintergrund einer steigenden Komplexität und Dynamik der Umwelt. • Fehlende Marktorientierung: Die Höhe der Budgets entspricht nicht immer der marktadäquaten Höhe. Zum Teil sind die Ziele zu leicht und zum Teil zu schwer erreichbar. • Fortschreibungsorientierung: insbesondere in dynamischen Bereichen führt die Fortschreibung von Werten aus der Vergangenheit zu unzuverlässigen Prognosen bzw. die Fehler der Vergangenheit werden auf die Zukunft übertragen. • Fehlende Verbindung zur Strategie. • Einjahresfokus führt zu kurzfristigem Denken: durch die periodenbezogenen Budgets werden an marktbezogenen Benchmarks orientierte Verbesserungsprozesse verhindert. Hierdurch wird die Fokussierung auf kurzfristige Erfolgsziele anstatt auf langfristige Wertsteigerung gefördert. Die kurzfristige und risikoscheue Sichtweise steht kreativen Innovationen entgegen. • Gefahr von „Budgetary-Slack“: die Kopplung des Budgets an die Vergütung (Motivationsfunktion) fördert den Einbau von Puffern in die Budgets. • Fehlende Orientierung an weichen Erfolgsfaktoren. Die aufgeführte Kritik hat zu Weiterentwicklungen der Budgetierung geführt. Zur Aufrechterhaltung der ergebniszielorientierten Koordination werden in der Literatur und Praxis zwei Alternativen diskutiert: 1. Verbesserung der funktionalen und institutionalen Aspekte der bisherigen Budgetierung. Hierfür wurde der Begriff des Better Budgeting eingeführt. 2. Verzicht auf die traditionelle Budgetierung und Einsatz anderer Instrumente zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Funktionen (Prognose-, Koordinations-, Motivationsfunktion). Der Verzicht wird mit dem Begriff Beyond Budgeting bezeichnet.

3.3.3.1 Better Budgeting Ziel des Better Budgeting ist die Verbesserung der Marktorientierung und Entfeinerung der traditionellen Budgetierung. Hierdurch soll die Budgetierung flexibler und weniger aufwändig gestaltet werden. Die Optimierung der Planungsinhalte und des Budgetierungsprozesses durch das Better Budgeting lässt sich anhand der folgenden Merkmale des Better Budgeting darstellen174:

174

Vgl. Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 14 ff.

120

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

1. Dezentralisierung: Verkürzung und Flexibilisierung des Budgetierungsprozesses durch vereinfachte Budgetvereinbarungen und –verabschiedungsverfahren. Insgesamt ergibt sich eine verstärkte Dezentralisierung der Planung. 2. Fokussierung und Entfeinerung: Fokussierung der Budgetierung auf erfolgskritische Prozesse und damit Reduzierung der Anzahl der erforderlichen Budgets und Vorgabegrößen. Schnelle Vorschauinformationen statt detaillierter budgetbasierter Rechnungen. Weitgehender Verzicht auf die taktische Planungsstufe. 3. Analytische Neuplanung: an die Stelle einer vergangenheitsorientierten Fortschreibungsbudgetierung tritt eine analytische Neuplanung. 4. Relative, benchmarkorientierte Zielvorgaben: Ziele und Vorgaben orientieren sich an relativen marktorientierten Größen und nicht an absoluten Werten. 5. Strategieorientierung: stärkere Verbindung der Budgetierung mit der Strategie, z.B. über die Balanced Scorecard. 6. Rollierende Planung: Verlassen des Einjahresplans und Übergang auf eine rollierende Zwölf- oder Achtzehnmonatsvorschau. 7. Reduzierte Kontrolle und Selbstkontrolle: Reduzierung der Fremdkontrolle zugunsten von Selbstkontrolle sowie Verringerung der Frequenz und Anzahl der Budgetkontrollen und dadurch Fokussierung des Berichtswesens. 8. Reduktion dysfunktionaler Effekte: zur Vermeidung der in der klassischen Budgetierung auftretenden dysfunktionalen Effekte (Budgetary Slack) erfolgt eine Entkopplung der Planerreichung von der Vergütung bzw. Anreizgewährung. Die angeführten Merkmale tragen dazu bei, dass die Planung mit aktuelleren Daten arbeitet und die Planungszeiträume auf bis zu drei Monate reduziert werden können. Die Verbesserungen wurden anhand mehrerer Praxisbeispiele belegt175. Trotz der Verbesserungen durch das Better Budgeting sehen Hope und Fraser nach wie vor eine mangelnde Verknüpfung zwischen Budget und Strategie sowie die Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Mitarbeiters durch die „Command & Control“-Führungskultur.176

175

Vgl. hierzu die Umsetzung bei UBS – Wealth Management & Business Banking (Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 16 ff.) 176 Vgl. Hope, Fraser, beyond budgeting, 2000, S. 32 oder Hope, Fraser, Beyond Budgeting, 2003.

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

121

Aus diesem Grund schlagen Hope and Fraser einen Ansatz unter vollkommenem Verzicht auf Budgets (Beyond Budgeting) vor.

3.3.3.2 Beyond Budgeting Im Falle des vollständigen Verzichts auf Budgets müssen die von der Budgetierung erfüllten Funktionen durch andere Instrumente realisiert werden. Ein wesentlicher Ansatzpunkt wird in der Flexibilisierung des Prozesses und der Verknüpfung mit der Unternehmensstrategie gesehen. Zugleich soll das Konzept motivierend wirken und die Planungsqualität verbessern. Entsprechend soll das Beyond Budgeting ein flexibles Prognose-, Koordinations- und Motivationskonzept darstellen.177 Das auf Hope und Fraser zurückgehende Konzept wird durch zwölf Prinzipien beschrieben, wobei die ersten sechs die Unternehmenskultur und -struktur und die zweiten sechs den Management- und Controllingprozess betreffen. Zwölf Prinzipien des Beyond Budgeting178: 1. Gemeinsame Werte und Self-Governance179: Dies ermöglicht eine stärkere Dezentralisierung mit höherer Entscheidungsfreiheit der dezentralen Manager. Hierdurch können innerhalb der festgelegten Grenzen schnellere Entscheidungen vor Ort getroffen werden. 2. Empowerment dezentraler Manager: Dezentrale Manager sollen nicht nur das Recht zum Self-Governance, sondern auch die hierfür nötigen Ressourcen erhalten. Dies soll durch die Bildung von Profit Centern und die Übertragung von Ressourcen auf diese erreicht werden. Dezentrale Ergebnisverantwortung: Das Konzept sieht eine Übertragung der Verantwortung auf die dezentralen Manager vor. Diese sind für die Ergebnisse relativ zu den (internen oder externen) Wettbewerbern verantwortlich. Siehe hierzu auch Prinzipien 7 und 12. 4. Netzwerkorganisation: anstatt der multidivisionalen Organisationen sollen netzwerkartige Organisationen gebildet werden. Hierdurch werden eine Ausrichtung der Humanressourcen auf die Probleme und damit eine erhöhte Flexibilität und ein schnellerer bzw. gleichzeitiger Zugriff auf unternehmerisches Wissen erreicht.

177 178

179

Vgl. Hope, Fraser, Figures, 2001, S. 22. Vgl. Bunce, Fraser, Hope, Budgeting, 2001, S. 62; Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 21 ff.; Fraser, Hope, Beyond Budgeting, 2001, S. 439 f. Unter Self-Governance wird in diesem Zusammenhang die weitgehende Selbststeuerung der Entscheidungsträger vor Ort verstanden.

122

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

5. Marktähnliche Koordination: an die Stelle der Koordination durch Pläne tritt die marktähnliche Koordination. Die einzelnen Profit Center sollen sich im internen Markt als Kunden bzw. Dienstleister sehen. Coaching und Challenging: die Führung hat nur die Aufgabe, den dezentralen Managern die erforderlichen Werkzeuge (z.B. Früherkennungssysteme) sowie Schulungen an die Hand zu geben. Relative Zielvorgaben: Zielvorgaben werden nicht wie bei der traditionellen Budgetierung absolut gesetzt, sondern relativ zum Wettbewerb. Hierdurch passen sie sich an die Umweltentwicklungen an und bleiben auf einem herausfordernden Schwierigkeitslevel. Rollierender Strategieentwicklungsund –durchsetzungsprozess: beim Beyond Budgeting ist eine in passenden Zyklen durchgeführte Überprüfung und Aktualisierung der Strategie für den Geschäftsbereich vorgesehen. Als Instrument wird die Balanced Scorecard propagiert. 9. Früherkennung und rollierende Prognose: es soll eine Anpassung der Strategie und Investitionen an die rollierende (kalenderjahrunabhängige) Prognose stattfinden. Die Aktualität des Inputs für die rollierende Planung soll durch Früherkennungssysteme sichergestellt werden. 10. Flexible Ressourcenallokation: durch die Vorgabe von Kalkulationszinsfüssen können die dezentralen Einheiten autonom über einzelne Investitionsobjekte entscheiden. Hierdurch wird der zentralistische Ressourcenallokationsprozess der traditionellen Budgetierung umgangen. Selbstkontrolle: entsprechend der netzwerkartigen Unternehmensstruktur wird eine Selbstkontrolle propagiert. Die zentralen Führungskräfte werden ebenso wie die anderen dezentralen Manager informiert. Zweck ist nicht die Überwachung, sondern die Unterstützung bei der Problemlösung. Die zentrale Führung greift nur ein, wenn die dezentralen Manager ein Problem nicht in den Griff bekommen oder um Hilfe bitten.Relative, teambasierte Vergütung: das Beyond Budgeting propagiert eine Kappung der direkten Verbindung zwischen der Prognose und dem Entgeltsystem. Die Vergütung erfolgt auf Basis des relativen Erfolgs einer Einheit. Hierdurch soll die Versuchung reduziert werden, die Prognose zu manipulieren. Das Beyond Budgeting- Konzept ist mehrfach in der Praxis eingesetzt worden. In diesem Zusammenhang werden häufig die Beispiele von Borealis und Svenska Handelsbank betrachtet180.

180

So z.B. bei Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 24 ff.; Horváth, Controlling, 2006, S. 233 oder Hope, Fraser, Budgeting, 2003, S. 105 ff. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass bei Borealis das Beyond Budgeting für gescheitert erklärt wurde und stattdessen ein Better Budgeting- Ansatz verfolgt wird (vgl. Jöchle, Budgetierung, 2003, S. 443 ff.).

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

123

Grundsätzlich kann keines der drei Systeme der operativen Planung, traditionelle Budgetierung, Better Budgeting und Beyond Budgeting, als den anderen überlegen angesehen werden. Die Eignung der drei Ansätze muss im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Funktionen beurteilt werden. Die Eignung hängt zum einen von der Dynamik des Unternehmens (-umfelds) und zum anderen von der Komplexität des Unternehmens ab.181 Die traditionelle Budgetierung ist auf eine stabile oder relativ geringe Dynamik des Unternehmensumfelds ausgelegt. Eine hohe Komplexität kann durch die traditionelle Budgetierung gut abgebildet werden. Allerdings weist die traditionelle Budgetierung bei einem dynamischeren Unternehmen(-sumfeld) aufgrund des hohen Detaillierungsgrads und der Fortschreibungsorientierung erhebliche Probleme auf. Hier weist das Better Budgeting durch die Verringerung der im Detail prognostizierten, koordinierten Teilbereiche und die marktorientierte Neuplanung erhebliche Vorteile auf. Das Beyond Budgeting ist im Umgang mit hoher Dynamik am besten geeignet. Durch den Verzicht auf Pläne und die Koordination durch Selbstabstimmung ist das System auch bei hoher Dynamik sehr flexibel. Allerdings stößt dieses Konzept bei steigender Komplexität sehr schnell an seine Grenzen. Die Eignung der unterschiedlichen Ansätze ist in Abbildung 55 dargestellt.

181

Vgl. Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 8, ähnlich auch Gleich, Leyk, Budgeting, 2003, S. 493.

124

3 Planungs- und Kontrollfunktion des Controlling

Bereich des Koordinationsversagens

hoch Beyond Budgeting

Dynamik mittel

Better Budgeting

Traditionelle Budgetierung

niedrig

niedrig

mittel

Komplexität

hoch

Abbildung 55: Eignung der unterschiedlichen Budgetierungskonzepte182

182

Abbildung modifiziert entnommen aus Weber, Linder, Beyond Budgeting, 2003, S. 51.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling Wie bereits aus der Herleitung der Controllingfunktion183 ersichtlich, ist die Informationsversorgung (IV) der Planung und Kontrolle eine wesentliche Aufgabe des Controlling. Grundsätzlich geht es darum, alle für die Planung und Kontrolle relevanten Informationen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort mit dem notwendigen Genauigkeits- und Verdichtungsgrad bereitzustellen. Der Controller hat damit die Aufgabe, den gesamten ergebniszielorientierten Informationsinput für das Planungs- und Kontrollsystem (PK-System) zu erarbeiten und dem Entscheidungsträger zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich erfolgt Führung durch die zielorientierte Einflussnahme auf Personen durch die Weitergabe von Informationen. Somit können die Phasen des Führungsprozesses auch als Informationsverarbeitungsphasen betrachtet werden. Die Frage, wo die gedankliche Trennung zwischen dem PK-System und dem IV-System liegt, lässt sich wie folgt beantworten. Das IV-System befasst sich mit der Frage nach dem „Was“ für Informationen sind für das PK-System notwendig? Beim PK-System steht dagegen das „Wie“ der Informationsverarbeitung im Vordergrund, d.h. das PKSystem geht von einem gegebenen Informationsstand aus und zielt auf die Frage: wie werden diese vorhandenen Informationen verarbeitet? Dem IV-System werden alle Sachverhalte, die auf eine Verbesserung des Informationsstandes abzielen, zugerechnet. Informationen sollen in diesem Zusammenhang als zweckorientiertes Wissen verstanden werden, das zur Lösung von PK-Problemen dient. Entsprechend der hier zugrundeliegenden Controllingdefinition sind für das Controlling nur die ergebniszielorientierten Informationen relevant. Die Koordinationsfunktion des Controlling betrifft zum einen die Koordination von Informationsbeschaffung und -verwendung und zum anderen die Koordination der Informationsversorgung mit dem PK-System.

183

Vgl. die Ausführungen hierzu in Kapitel 1.2.3.

126

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Die Abstimmung innerhalb des IV-Systems bezieht sich vor allem auf die Abstimmung der verschiedenen Rechnungssysteme und ihre datentechnische Verknüpfung. Hierbei wird im Folgenden die instrumentale Lösung der Informationsversorgung ausgeklammert. Hinsichtlich des PK-Systems hat das IV-System die Aufgabe, durch die Abbildung betriebsinterner und –externer Zustände die Planungsprobleme sichtbar zu machen, die Handlungsmöglichkeiten und deren Wirkungen aufzuzeigen. Darüber hinaus muss sich die IV flexibel auf die raschen und diskontinuierlichen Umweltänderungen einstellen. Des Weiteren soll die IV wirtschaftlich sein. Hierzu muss das IVSystem klare Aufgaben und Aufgabenabgrenzungen aufweisen und alle Stufen der Planung und Kontrolle umfassen.184 In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die beim PKSystem gemachten Aussagen, dass das Controlling die Planungsmanagementaufgabe wahrnimmt, die Planungsaktivitäten selbst aber bei der jeweiligen Führungskraft verbleiben, beim IV-System nicht zutreffen. Hier kann zwar auch zwischen dem Management des IV-Prozesses und der Erfassung und Festlegung von Informationsinhalten unterschieden werden. Im Gegensatz zur Planung obliegen dem Controlling hier jedoch nicht nur das Management des IV-Prozesses, sondern auch die substanzbezogenen Informationsverarbeitungsaufgaben. Häufig sind zentrale Teile der ausführenden Arbeit auf dem Gebiet der IV, z.B. das interne Rechnungswesen, dem Controlling zugeordnet. Der IV-Prozess lässt sich in die folgenden Phasen unterteilen: • • • •

Ermittlung des Informationsbedarfs, Informationsbeschaffung, Informationsaufbereitung, Informationsübermittlung.

Entsprechend dieser Phasen des IV-Prozesses werden die Aufgaben des Controlling allgemein vorgestellt.

4.1 Informationsbedarfsanalyse In der Regel wird der Bedarf an Informationen vom PK-System ausgelöst. Informationen sollen aber auch Chancen und Risiken aufzeigen und damit Planung und Kontrolle in Gang setzen. 184

So auch Horváth, Controlling, 2006, S. 321 f.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

127

Der Informationsbedarf stellt eine Grundprämisse für die Gestaltung des IV-Systems dar. Für die Analyse des Informationsbedarfs ist es unabdingbar, die grundlegenden Bestimmungsgrößen zu kennen (vgl. Abbildung 56).

Unternehmensziele

Controlling PK

IV

Aufgaben- und Kompetenzverteilung Methodeneinsatz Handlungsrhythmik

Verhaltenseigenschaften der Handlungsträger

Externe Bedingungen

Verwendbarkeit von Informationen

Informationsbedarf Abbildung 56: Wichtige Bestimmungsgrößen des Informationsbedarfs185

Die Verwendbarkeit von Informationen ist hierbei als allgemeine Bestimmungsgröße anzusehen.

185

In Anlehnung an Küpper, Controlling, 2005, S. 160.

128

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Im Hinblick auf die Untersuchung des objektiven Informationsbedarfs kann man von den Aufgaben ausgehen, welche die einzelnen Personen in der Unternehmung wahrnehmen. Basis für den Informationsbedarf stellen die einer Person übertragenen Planungs-, Ausführungs- und/oder Kontrollaufgaben dar. Bestimmungsgrößen sind186: „

Aufgaben- und Kompetenzverteilung: die Entscheidungs- und Weisungskompetenzen des Instanzeninhabers haben Einfluss auf die Art und den Inhalt der Informationen, welche der Inhaber zur Lösung benötigt.

„

Methodeneinsatz: für den Informationsbedarf ist weiterhin wichtig, auf welche Weise der Stelleninhaber die Lösung erreichen will. Er kann hierfür verschiedene Methoden, Verfahren und Instrumente einsetzen.

„

Handlungsrhythmik: Informationen müssen zu den Zeitpunkten verfügbar sein, in denen der Stelleninhaber seine Entscheidungen trifft und die Durchführung vornimmt. Die Handlungsrhythmik wirkt sich somit auf die Häufigkeit, das Alter und die Termindringlichkeit des Informationsbedarfs aus.

Die Struktur des Führungssystems kann als Hauptbestimmungsgröße der oben genannten Bestimmungsgrößen angesehen werden. Das Zielsystem wiederum determiniert die Struktur des Führungssystems. Es kann somit als übergeordnete und zugleich direkt wirksame Bestimmungsgröße des objektiven Informationsbedarfs gesehen werden.187 Die oben genannten Bestimmungsgrößen hängen unmittelbar von formellen Entscheidungen der Unternehmung ab. Andere Bestimmungsfaktoren wie z.B. die Verhaltenseigenschaften der Handlungsträger und die externen Bedingungen sind nur indirekt oder gar nicht durch das Unternehmen beeinflussbar. Der von einem Handlungsträger empfundene und geäußerte Informationsbedarf sowie die Bereitschaft zur Annahme und Verwendung von bereitgestellten Informationen hängen von seinen personellen Eigenschaften ab. Hierzu zählen die fachliche Qualifikation, Erfahrungen, seine intellektuelle und pragmatische Orientierung und seine Risikobereitschaft.188 Bei den externen Bedingungen sieht Küpper v.a. die Umweltänderungen und die rechtlichen Dokumentationsvorschriften als gewichtig an. Änderungen in der Umwelt lassen vorhandene Informationen z.T. obsolet werden und lösen neue Informa186

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 161. Das Führungssystem ist hierbei wie im Ansatz nach Küpper in fünf Führungsteilsysteme unterteilt. Auf die für das Controlling relevanten Führungsteilsysteme wurde bereits in Kapitel 1.2.2.4 ausführlich eingegangen. 188 Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 162. 187

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

129

tionsbedarfe aus (z.B. bewirken Tariflohn- bzw. Wechselkursänderungen eine Änderung der Lohnsätze im internen Rechnungswesen sowie in der Finanzplanung). Dokumentationsänderungen betreffen Änderungen in den handels- und steuerrechtlichen Gesetzgebungen (z.B. Änderungen durch Unternehmensteuerreform haben Einfluss auf die Kalkulation) und Verordnungen zur Rechnungslegung. Der Informationsbedarf in Abbildung 56 stellt somit den „objektiven“ Bedarf an Informationen dar, den ein Informationssubjekt zur Erfüllung einer Aufgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt bzw. braucht. Zu unterscheiden hiervon ist das subjektive Informationsbedürfnis. Ein Teil des Informationsbedürfnisses wird durch die Informationsnachfrage, dem ein Informationsangebot gegenübersteht, ausgedrückt. In der Realität decken sich der objektive Informationsbedarf, der subjektive Informationsbedarf und das Informationsangebot i.d.R. nicht (vgl. Abbildung 57). Informationsangebot

subjektive Informationsnachfrage

2 7

3 1 6

4

5 objektiver Informationsbedarf

Abbildung 57:

Gestaltung des Informationsangebots im Spannungsfeld zwischen Nachfrage und Bedarf

130

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Die Aufgaben des Controllers in den jeweiligen Feldern in Abbildung 57 lassen sich wie folgt beschreiben189: • Feld 1: ideale Lösung des Abgleichs der drei Kreise, bei dem der Informationsbedarf, die -nachfrage und das -angebot übereinstimmen. • Feld 6: ohne eine entsprechende Kommunikation der Informationsmöglichkeiten (des Angebots) kennt die Führung (Nachfrager) in den meisten Fällen nicht alle Möglichkeiten. Der Controller muss den Managern die Informationsprodukte „verkaufen“, die nicht vom Kunden nachgefragt werden. Als Beispiel kannn die erstmalige Verwendung einer Prozesskostenstudie in Gemeinkostenbereichen angeführt werden. • Feld 7: in diesem Fall vermutet der Controller einen Bedarf, der de facto gar nicht vorhanden ist und auch vom Manager nicht nachgefragt wird („Verkauf schlägt fehl“). Denkbar wären z.B. detaillierte Kostenzusammenstellungen, die dem Kostenstellenleiter bei der Führung helfen sollen, die dieser aber gar nicht umsetzen kann. • Feld 2: in diesem Fall werden Informationsprodukte abgenommen, für die de facto gar kein Bedarf besteht. Dieser Fall ist v.a. mit der „Unentgeltlichkeit“ der von Controllern erbrachten Informationen zu begründen. • Feld 5: hierbei handelt es sich um sogenannte „hidden information products“, die von den Führungskräften nicht nachgefragt, aber prinzipiell gebraucht werden. Die Aufgabe des Controllers ist es, nach solchen innovativen Informationsprodukten zu suchen. Beispiel ist eine nach den Prinzipien des Shareholder-ValueKonzepts erstellte interne Erfolgsrechnung. • Feld 3: hierbei handelt es sich um eine fehlgeleitete Nachfrage des Managements. Dies könnte z.B. die Nachfrage nach Vollkosteninformationen zur Fundierung kurzfristiger Entscheidungen sein. Der Controller hat in diesem Fall das Management aufzuklären und geeignete Informationen bereitzustellen. • Feld 4: in diesem Fall fragt das Management potenzielle Informationen, die tatsächlich notwendig sind, nach, ohne dass der Controller diese Informationen anbietet. Der Controller muss i.d.R. versuchen, diese Informationen anzubieten. In der Literatur wurden verschiedene Methoden der Informationsbedarfsermittlung für Entscheidungen theoretisch systematisiert. Hierbei wird zwischen induktiven und deduktiven Methoden unterschieden.190 Die induktiven Methoden ziehen betriebliche Dokumente, Ergebnisse betrieblicher Datenerfassungen oder die Informationsverwender selbst als Informationsquellen

189 190

Vgl. Weber, Schäffer, Controlling, 2006, S. 82; Horváth, Controlling, 2006, S. 333. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 163 ff.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

131

heran. Derartige Methoden sind die Dokumentenanalyse, die datentechnische Analyse, die Organisationsanalyse oder die Befragung. Die deduktiven Methoden leiten auf logischem oder theoretischem Weg die für eine Entscheidung benötigten Informationen ab. Hierfür bilden die Zielsetzungen und die Entscheidungsprobleme des Unternehmens die Grundlage. Als Methoden kommen die deduktiv-logische Analyse oder die Modellanalyse in Frage. Die deduktiv-logische Analyse des Informationsbedarfs nimmt als Anhaltspunkt die angenommenen Sach- und Wertziele sowie die für den Bereich zu lösenden Aufgabenstellungen. Hieraus wird ein sogenannter Informationskatalog abgeleitet, der die „typischen“ erforderlichen Informationen für die Aufgabenstellung auflistet. Die theoretischen Planungsmodelle der Literatur zeigen ebenfalls den zu erfüllenden Informationsbedarf für ein bestimmtes Entscheidungsproblem auf. In Abbildung 58 sind Beispiele für ausgewählte Entscheidungsmodelle dargestellt. Hierbei wurde nach Problemstellungen, Zielvorstellungen und den relevanten Größen differenziert. Allerdings bergen die theoretischen Planungsmodelle vielfältige Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung.191 In der Praxis wird in der Regel nicht ein Verfahren der Informationsbedarfsermittlung herangezogen, sondern verschiedene induktive und deduktive Verfahren kombiniert192.

191 192

Vgl. ebenda. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 167 ff.

132

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Modell

Zielsetzung

Erfolgsgröße(n)

Mengengrößen Periodenbedarf Fertigungslos

sonstige Größen

Optimale Losgröße

Kostenminimierung

Lagerungskosten Rüstkosten

Portfolio Selection

Optimales Wertpapierportfeuille

Erwartungswert/ Varianz der Wertpapierverzinsung

Produktionsund Absatzprogramm

Gewinn-/ Deckungsbeitragsmaximierung

Kosten Erlöse

Produktions-/ Absatzmengen

Simultane Investitions und Finanzierungsplanung

Endvermögensmaximierung Entnahmestrommaximierung

Ein-/ Auszahlungen

Maschinenkapazität Maschinenzahl

Simultane Personal-, Investitions,Produktionsund Finanzierungsplanung

Kapitalwertmaximierung

Personalzahlungen Investitionszahlungen Produktpreise

Anzahl Budget Arbeitskräfte Absatzmengen

Sicherer Kapitalmarktzins

Abbildung 58: Informationsbedarf verschiedener Entscheidungsmodelle193

193

Abbildung entnommen aus Küpper, Controlling, 2005, S. 167.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

133

4.2 Informationsbeschaffung und -aufbereitung In der Reihenfolge des Informationsversorgungsprozesses schließt sich der Informationsbedarfsanalyse die Beschaffung und Aufbereitung der benötigten Informationen an. Mit der Versorgung der Planung und Kontrolle mit benötigten Informationen ist nicht nur die Versorgung mit Einzelinformationen, sondern auch die Versorgung mit Methoden und Modellen gemeint. Obwohl die ergebniszielorientierte Informationsversorgung für Planung und Kontrolle im Vordergrund der Controllingaufgabe steht, wird ein Großteil der Informationen auch unmittelbar für die Steuerung des Ausführungsprozesses verwendet. Des Weiteren dienen die Informationen zur Information unternehmensexterner Stellen und Personen. Im Rahmen dieses Kapitels werden nicht die Inhalte der verschiedenen Informationsversorgungssysteme dargestellt, sondern nur deren struktureller Aufbau diskutiert.

4.2.1 Unternehmensrechnung Das wichtigste Instrument der betrieblichen Informationsbeschaffung ist die Unternehmensrechnung. Hierzu werden alle Rechnungssysteme gezählt, die in Wertgrößen ausgedrückte Informationen für betriebliche Zwecke bereitstellen. Die Unternehmensrechung umfasst neben dem Rechnungswesen weiterhin die Finanzrechnung, die Investitionsrechnung, die Humanvermögensrechnung und die Sozialbilanzen. Die Finanzrechnung wird im Rahmen der Unternehmensrechnung stärker betont. Die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung ist auf die Bedeutung des Liquiditätsziels für jede Unternehmung zurückzuführen. Die Zahlungsunfähigkeit (drohende und tatsächliche) ist, unabhängig von der Rechtsform, ein Konkursgrund. Die Investitionsrechnung stellt üblicherweise eine eigenständige finanzwirtschaftliche Rechnung dar und ist mit den Systemen des Rechnungswesens nicht enger verknüpft. Aufgrund der ebenfalls verwendeten erfolgszielorientierten Informationen sollte jedoch insbesondere bei längerfristigen Erfolgsrechnungen eine engere Verknüpfung bestehen. Mit Hilfe der Humanvermögensrechnung werden Wertgrößen über die menschlichen Ressourcen einer Unternehmung ermittelt.

134

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Sozialbilanzen betrachten die gesellschaftlichen und physischen Umweltbeziehungen der Unternehmung. Primär sind sie auf die außerökonomischen, nicht über Märkte erfassbaren Beziehungen ausgerichtet. Sie streben die Abbildung des sozialen Nutzens und der sozialen Kosten an. Unter sozialem Nutzen versteht man die von der Unternehmung durchgeführten und nicht ihrem Produktionszweck dienenden Tätigkeiten zugunsten der Gesellschaft. Soziale Kosten stellen dementsprechend die von der Unternehmung verursachten, aber nicht getragenen, externen Belastungen dar. Der soziale Nutzen und die Kosten werden in den meisten Konzepten anhand von Wertgrößen erfasst. In der Vergangenheit haben die monetären Informationen unter der Bezeichnung „betriebliches Rechnungswesen“ dominiert. Das Rechnungswesen stellt somit den Ausgangspunkt für die Unternehmensrechnung dar. Das Rechnungswesen als spezielles Informationssystem hat die Funktion der mengen- und wertmäßigen Erfassung von ökonomisch relevanten Tatbeständen und Vorgängen im Betrieb über zurückliegende, bestehende und zukünftige wirtschaftliche Beziehungen des Unternehmens zu seiner Umwelt. Das Controlling beruht auf dem Rechnungswesen, muss die bereitzustellenden Informationen aber an die Verwendungszwecke anpassen. Dazu müssen auch vergangenheitsorientierte Zahlen für zukunftsorientierte Zwecke umgewandelt werden. Zudem beschränkt sich das Controlling nicht auf wertmäßige Größen, sondern bezieht auch Mengen- und Zeitgrößen mit ein. Controlling bedeutet also die Bereitstellung entscheidungsorientierter Daten. Die Kapitel 0 bis 10 befassen sich näher mit dem Thema des entscheidungsorientierten Rechnungswesens. Stellt man operatives und strategisches Controlling einander gegenüber, so zeigt sich, dass das strategische Controlling als Weiterentwicklung des operativen Controlling auch ein weiterführendes Rechnungswesen (z.B. strategische Bilanz) benötigt.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

135

OPERATIVES CONTROLLING

Finanzbuchhaltung

Jahresplanung

heute

Mittelfristplanung

STRATEGISCHES CONTROLLING Strategische Planung

Abbildung 59: Einordnung des strategischen Controlling in den Entwicklungsprozess des Controlling194

Differenziert man das Rechnungswesen nach den Empfängern der Informationen, so unterscheidet man zwischen einem externen Rechnungswesen mit unternehmensexternen Empfängern, die Informationen vor allem aus Gründen der Rechenschaftslegung erhalten oder als Entscheidungsbasis und einem internen Rechnungswesen für primär unternehmensinterne Empfänger.195 Die verschiedenen Informationen aus dem Rechnungswesen, insbesondere die Informationsbeschaffung für die strategische Planung, werden im Rahmen dieses Buches nicht weiter erläutert.

194 195

Abbildung entnommen aus Mann, Praxis, 1989, S. 22. Hinsichtlich der Trennung zwischen internem und externem Rechnungswesen wird vor dem Hintergrund der Einführung einer internationalen Rechnungslegung auf Kapitel 0 verwiesen.

136

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

4.2.2 Kennzahlen und Kennzahlensysteme Eine Möglichkeit der Informationsaufbereitung ist die Bildung von Kennzahlen bzw. die Entwicklung von Kennzahlensystemen. Kennzahlen und Kennzahlensysteme lassen sich für eine Reihe von Funktionen heranziehen. Neben der Informationsfunktion ist die Steuerungsfunktion als wesentlich zu nennen. Küpper sieht die Informationsfunktion entweder in der Gewinnung von Prämissen für Entscheidungen, für die Einordnung und Beurteilung von Größen, die Ermittlung von Ursachen und die Verwendung als Indikator für nicht eindeutige oder unsichere Zusammenhänge.196 Zu einem Steuerungsinstrument werden Kennzahlen, wenn sie als Zielvorgaben verwendet werden. Hierbei kann zwischen entscheidungsproblembezogenen und stellenspezifischen Kennzahlen differenziert werden. Entscheidungsbezogene Kennzahlen dienen als Vorgaben für die Lösung von Entscheidungsproblemen, während stellenbezogenene Kennzahlen Vorgaben für organisatorische Einheiten darstellen. Letztere orientieren sich an der organisatorischen Kompetenzaufteilung, während entscheidungsproblemorientierte Kennzahlen von den Variablen der Handlungssituation abhängig sind.197 Kennzahlen informieren in kompakter Weise über einen quantitativ gemessenen Sachverhalt. Es handelt sich um hervorzuhebende Informationen. Hierbei ist es nicht gesagt, dass die quantitative Messung in Form einer Kennzahl sinnvolle Ergebnisse liefert, z.B. sagt das Gewicht einer Diplomarbeit nichts über deren Qualität aus. Kennzahlen stellen somit Zahlen dar, die quantitativ erfassbare Sachverhalte in konzentrierter Form erfassen, um insbesondere Führungsinstanzen/Entscheidungsträgern einen möglichst schnellen und umfassenden Überblick zu erlauben. Mit Hilfe von Kennzahlen sollen Informationen evtl. früher empfangen bzw. Tendenzen ersichtlich werden. Kennzahlensysteme stellen eine geordnete Gesamtheit von Kennzahlen dar. Hierbei handelt es sich um eine Zusammenstellung von quantitativen Variablen, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind. Kennzahlen stellen in der betrieblichen Praxis ein Hilfsmittel für die Planung und Kontrolle dar. Bei der Differenzierung spielt insbesondere die Unterscheidung nach

196 197

Vgl. Küpper Controlling, 2005, S. 362 ff. Vgl. Küpper Controlling, 2005, S. 365 f.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

137

rechnerischen (statistisch-methodischen) Gesichtspunkten eine wesentliche Rolle, wobei in der Regel die Verhältniszahlen dominieren. • Absolute Zahlen können sein: Einzelwerte (z.B. Anlagenbestand, Kassenbestand), Summen (z.B. Bilanzsumme), Differenzen (z.B. Gewinn). • Verhältniszahlen werden unterschieden in: o Beziehungszahlen: Hier werden zwei verschiedenartige Größen zueinander ins Verhältnis gesetzt (z.B. Rentabilität als Gewinn zu Kapital). Das Ergebnis kann in derselben Dimension (z.B. €/€) oder in unterschiedlichen Dimensionen (z.B. €/Stunde) gemessen werden. Es muss aufgrund der Verschiedenartigkeit ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Zähler und dem Nenner herstellbar sein, damit diese Kennzahlen einen informativen Gehalt besitzen. o Gliederungszahlen: Sie geben den Anteil einer Größe (z.B. der Materialkosten) an einer Gesamtmenge (z.B. der Periodenkosten) an. Da beide Größen denselben Tatbestand betreffen, besteht immer ein sachlicher Zusammenhang zwischen Zähler und Nenner. Die Bildung von Gliederungskennzahlen ermöglicht die Abschätzung des Gewichts der Zählergröße. o Indexzahlen: Diese setzen inhaltlich gleichartige, aber zeitlich oder örtlich verschiedene Größen zueinander in Beziehung (z.B. Lohnkostenindex). Hierdurch wird die betrachtete Zählergröße an einer Basisgröße gemessen. Ferner können Kennzahlen noch nach betrieblichen Funktionen (Kennzahlen aus dem Bereich Beschaffung, Produktion, Absatz etc.), der zeitlichen Struktur (Zeitpunktgrößen oder Zeitraumgrößen), der inhaltlichen Struktur (Wert- oder Mengengrößen), der quantitativen Struktur (Gesamtgrößen oder Teilgrößen) sowie nach den Quellen im Rechnungswesen (Kennzahlen der Finanzbuchhaltung, der Kostenrechnung, der Statistik etc.) differenziert werden.198 Die Aussagefähigkeit einzelner Kennzahlen ist in mehrfacher Hinsicht, insbesondere durch die Möglichkeit vieldeutiger Interpretationen, begrenzt. Hieraus resultiert die Notwendigkeit einer integrativen Erfassung von Kennzahlen. Hierdurch soll der Mehrdeutigkeit der Interpretation begegnet und die Abhängigkeitsbeziehungen aufgezeigt werden. Dies wird in der Regel durch Kennzahlensysteme geleistet. Bei der Generierung von Kennzahlensystemen können vier Formen unterschieden werden199: 1. 2. 3. 4. 198 199

logische Herleitung empirisch-theoretische Fundierung empirisch-induktive Gewinnung modellgestützte Rechtfertigung

Vgl. Meyer, Kundenbilanzanalyse, 1989, S. 18. Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 368 ff.

138

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Die logische Herleitung basiert auf definitionslogischen Beziehungen und mathematischen Umformungen. Die empirisch-theoretische Fundierung basiert auf theoretischen Aussagesystemen und Hypothesen über die Entwicklung von Kennzahlensystemen. Hierbei werden Kenntnisse aus der Produktions- und Kostentheorie, der Preistheorie oder der Organisationstheorie herangezogen. Neben den betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen können auch volkswirtschaftliche Theorien berücksichtigt werden. Die Hypothesen über die empirischen Zusammenhänge werden an der Realität überprüft. Ein Beispiel sind die Kosteneinflussfaktoren nach Gutenberg200. Bei der empirisch-induktiven Gewinnung von Kennzahlensystemen ist der Zusammenhang zwischen den Kennzahlen weder logisch noch über UrsacheWirkungs-Beziehungen begründet. Hier werden die Kennzahlen aus empirischem Wissen oder Daten entwickelt. Die Beziehungen zwischen den Kennzahlen werden z.B. mit Hilfe von Expertenbefragungen oder Plausibilitätsüberlegungen gewonnen. Bei quantitativen Aussagen können statistische Methoden angewendet werden. Ein Beispiel hierfür stellt das PIMS-Programm201 dar. Bei der modellgestützten Ableitung von Kennzahlensystemen werden für die betrachteten Bereiche dynamische Entscheidungsmodelle formuliert. Diese Entscheidungsmodelle sollen die wichtigsten Handlungs- und Zustandsparameter sowie die Zielgröße enthalten. Als Beispiel kann ein Lagerhaltungsmodell angeführt werden. Im Folgenden werden bekannte, traditionelle und moderne Kennzahlensysteme kurz vorgestellt. Traditionelle Kennzahlensysteme Das wohl bekannteste Kennzahlensystem stammt von der Firma I.E. DuPont de Nemours & Co., das DuPont-System of Financial control, das 1919 entwickelt wurde.

200

201

Nach Gutenberg hängt die Kennzahl „Kosten“ von der Beschäftigung, den Preisen der Einsatzgüter, der Betriebsgröße, der Qualität der Einsatzgüter und dem Fertigungsprogramm ab (vgl. Gutenberg, Grundlagen, 1983, S. 344 ff.). PIMS steht für Profit Impact of Market Strategies. In den 50er Jahren wurde eine PIMSDatenbank aufgebaut. Im Laufe der Zeit wurden Daten von strategischen Geschäftseinheiten nordamerikanischer Firmen über die Wettbewerbsposition, deren Veränderungen, geschäftliche Umfelder, Investitionsprozesse, Kosten, Unternehmenserfolg und sonstige Merkmale gesammelt. Es wird versucht, aus den enthaltenen Daten gültige branchenübergreifende Marktgesetze zu erkennen und hieraus Erklärungen für den Erfolg einer strategischen Geschäftseinheit abzuleiten. Das Konzept sieht den Erfolg in Abhängigkeit von der Marktstruktur, der Wettbewerbsposition und den verfolgten Strategien sowie deren operativer Umsetzung.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

139

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass nicht die Gewinnmaximierung als absolute Größe als Unternehmungsziel anzustreben ist, sondern die relative Größe Gesamtkapitalrentabilität (Return on Investment)202. Diese Leit- oder Basisgröße lässt sich in die beiden Kennzahlen Kapitalumschlag und Umsatzrentabilität spalten. Durch weitere Auflösung der Umsatzrentabilität können die verschiedenen Kosteneinflussfaktoren aufgezeigt werden (vgl. Abbildung 60). Die Aufspaltung des Kapitalumschlags informiert außerdem über das Anlage- und Umlaufvermögen. Durch die rechnerische Auflösung der Basisgröße ist eine systematische Analyse der Haupteinflussfaktoren des Unternehmensergebnisses möglich. Beim DuPont-System handelt es sich um ein definitionslogisches Schema. Das DuPont-System wird sowohl als Planungs- bzw. Budgetierungsinstrument als auch als Kontrollinstrument verwendet. Hierzu werden die folgenden drei Typen von Kennzahlen ermittelt und einander gegenübergestellt: • Ist-Kennzahlen der Gegenwart • Ist-Kennzahlen der letzten fünf Jahre • Soll-Kennzahlen aus dem Budget In der Literatur werden die Vor- und Nachteile des RoI-Konzepts kontrovers diskutiert. Als Vorteil des DuPont-Systems wird zunächst die Orientierung an der relativen Größe „Rentabilität“ gesehen. Des Weiteren ist durch den definitionslogischen Aufbau eine sehr einfache Analyse der einzelnen Ergebnisse möglich. Das System gewährt den Bereichsverantwortlichen durch diese Vorgaben Freiräume bei der Erreichung der Kennzahlen im Sinne eines „management by objectives“. Durch seinen Aufbau ist das System gut in dezentralisierten Unternehmen anwendbar. Als Nachteil des DuPont-Systems wird die Nichtberücksichtigung von nicht aktivierten Innovationen (z.B. Forschungsaufwand) genannt. Hierdurch kann eine innovationshemmende Wirkung erzeugt werden. Des Weiteren können bereichsorientierte RoI-Kennzahlen zu Suboptima aus Gesamtunternehmenssicht führen. Grundsätzlich wird dem System durch seine einperiodische Ausrichtung eine Förderung der kurzfristigen Gewinnoptimierung unterstellt. Daneben wird die Ausrichtung auf nur eine Zielgröße als zu eingeschränkt angesehen.

202

Daher wird das DuPont-System häufig auch als RoI-Konzept bezeichnet.

140

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Zusammenfassend werden die Vorzüge des DuPont-Systems in der ex post- Analyse gesehen. Für Entscheidungen im Voraus ist es eher unbrauchbar. Ein weiteres traditionelles Kennzahlensystem ist das vom Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie entwickelte System (von 1969, angepasst 1989), das ZVEIKennzahlensystem. Dieses System verfolgt zwei Zielsetzungen: 1. Die Zielgrößen der Planung sollen mit Hilfe von Kennzahlen ausgedrückt werden. 2. Mit Hilfe von Zeit- und Betriebsvergleichen sollen Analysemöglichkeiten bereitgestellt werden. Das ZVEI-Kennzahlensystem umfasst zwei Bereiche (vgl. Abbildung 61): • Wachstumsanalyse und • Strukturanalyse (Ergebnisstrukturanalyse). Bei der Wachstumsanalyse werden absolute Zahlen, wie Auftragsbestand, Umsatzerlöse, Jahresüberschuss, Mitarbeiter etc. verglichen. Durch den Zahlenvergleich der Wachstumsanalyse soll ein erster Überblick über Veränderungen im Unternehmen im Vergleich zur letzten Periode verschafft werden. Bei der Strukturanalyse zur Ergebnisbeurteilung wird als Basis- oder Spitzenkennzahl die Eigenkapitalrentabilität verwendet. Neben der Spitzenkennzahl werden elf weitere Kennzahlengruppen analysiert (vgl. Abbildung 61).

Return on Investment

Abbildung 60: Aufbau des DuPont-Kennzahlensystems

Kapitalumschlag

x

Umsatzrentabilität

investiertes Kapital

:

Umsatz

Umsatz

:

Gewinn

Anlagevermögen

+

Umlaufvermögen

Fixe Kosten

-

Deckungsbeitrag

=

Vorräte

Variable Umsatzkosten

-

Umsatz

+

=

Forderungen

Variable Herstellkosten

+

+

Flüssige Mittel

Variable Verwaltungs- und Vertriebskosten

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling 141

142

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Wachstumsanalyse Wachstumsgrößen:

Geschäftsvolumen

Personal

Erfolg

Strukturanalyse Spitzenkennzahl: Eigenkapital-Rentabilität

Kennzahlengruppe:

Rentabilität

Ergebnis

Aufwand

Liquidität

Vermögen

Umsatz

Kosten

Kapital

Finanzierung/ Investition

Beschäftigung

Produktivität

Abbildung 61: Aufbau des ZVEI-Kennzahlensystems203

Der Aufbau des Systems ist durch die große Anzahl an Kennzahlen sehr komplex. Die absoluten Zahlen als Bestandteil betriebswirtschaftlicher Kennzahlen werden in zwei Gruppen eingeteilt: • Betriebswirtschaftliche Bestandszahlen (z.B. Lagerbestand) zur Erfassung zeitpunktbezogener Risiken in der Unternehmung. • Betriebswirtschaftliche Bewegungszahlen (z.B. Umsatz) zur Erfassung der zeitraumbezogenen Ertragskraft der Unternehmung. Das ZVEI-System unterscheidet grundsätzlich vier betriebswirtschaftliche Kennzahlentypen (vgl. Abbildung 62):

203

Abbildung entnommen aus ZVEI, Unternehmenscontrolling, 1989, S. 43.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

143

1

Risikokennzahlen vom Typ A:

Bestandszahl / Bestandszahl

2

Risikokennzahlen vom Typ B:

Bestandszahl / Bewegungszahl

3

Ertragskraftkennzahlen vom Typ A:

Bewegungszahl / Bewegungszahl

4

Ertragskraftkennzahlen vom Typ B:

Bewegungszahl / Bestandszahl

Wachstumsanalyse

Vertriebstätigkeit

Kapitalbindung

Ergebnis

Wertschöpfung Beschäftigung

EigenkapitalRentabilität

Sektor I: Ertragskraft-Kennzahlen Typ B (Rentabilität)

Strukturanalyse

Sektor III: Risiko-Kennzahlen Typ A (Kapitalstruktur)

Return on Investment

Sektor II: Ertragskraft-Kennzahlen Typ A (Ergebnisbildung)

Periodenergebnis

UmsatzRentabilität

Anlagendeckung

Umsatz

Betriebsergebnis

Kosten des Betriebs

Liquidität

Sektor IV: Risiko-Kennzahlen Typ B (Kapitalbindung)

Kapitalumschlag

Ertragskraft i.e.S.

Deckungsbeitrag

Cash Flow

Eigenkapitalanteil

Aufwandsarten

Personalaufwand

Kapitalbindung

pro Kopf

in Tagen

Beschäftigung

Produktivität

Abbildung 62: Kennzahlen des ZVEI-Kennzahlensystems204

Das ZVEI-System unterscheidet allgemein zwischen Kennzahlen als weiter zerlegbaren und aufgliederbaren Systembestandteilen und Hilfsgrößen, die zur Erklärung der Kennzahlen dienen, ohne dass sie weiter zerlegbar wären. Das sehr komplexe ZVEI-System besteht aus ca. 200 Kennzahlen, von denen etwa 50 % ausschließlich dem Zweck dienen, mathematische Verknüpfungen herzustellen. Darüber hinaus können als Kritik am ZVEI-System die folgenden Punkte angeführt werden: 204

Abbildung entnommen aus Corsten, Lexikon, 2000, S. 426.

144

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

• Insgesamt kommt im ZVEI-System eine Überinterpretation von Kennzahlen zum Ausdruck. Das kann als Grund dafür angeführt werden, dass das System in der Praxis bislang kaum Verbreitung gefunden hat. • Des Weiteren sind einzelne Kennzahlen nicht eindeutig definiert, z.B. Vertriebstätigkeit (Wachstumsanalyse). • Die Gliederung Ertragskraft-Kennzahl = Bewegungsgröße ; Risiko-Kennzahl = Bestandsgröße ist nicht überzeugend. • Die Einteilung in die vier Sektoren ist nicht immer nachvollziehbar. Z.B wird Kapitalumschlag (Umsatz/Kapital) als Ertragskraft-Kennzahl eingestuft und damit dem Sektor I zugeordnet, während die Kapitalbindung (Kapital/Umsatz) als Risiko-Kennzahl dem Sektor IV zugerechnet wird. Diese Einteilung ist nicht logisch, da in beiden Fällen die gleichen Größen verwendet werden. • Alle Kennzahlen sind zwar rechentechnisch verknüpft, aber nicht alle haben eine eigene Aussagekraft. Als letztes traditionelles Kennzahlensystem soll noch das RentabilitätsLiquiditäts-Kennzahlensystem (RL-Kennzahlensystem) von Reichmann/ Lachnit vorgestellt werden. Das System ist sowohl für Analysezwecke als auch als Hilfsmittel für die Unternehmensführung konzipiert, wo es im Rahmen des Planungs- und Kontrollprozesses entscheidungsbezogene Informationen liefern soll. Auf eine rechnerische Verknüpfung der Kennzahlen wurde weitestgehend verzichtet. Es besteht aber ein inhaltlicher Zusammenhang. Die zentralen Kenngrößen des Steuerungssystems sind: -

Erfolg Der Erfolg, der für die laufende Steuerung benötigt wird, setzt sich zusammen aus dem aus der Umsatz- und Kostenplanung abgeleiteten ordentlichen betrieblichen Ergebnis und dem sich aus den laufenden betriebsfremden Erträgen und Aufwendungen ergebenden betriebsfremden Ergebnis.

-

Liquidität Die Liquidität ist selbst kein originäres Ziel, jedoch unabdingbare Voraussetzung für den Bestand der Unternehmung.

Die einzelnen Größen des Systems stellen zunächst Plangrößen dar; sie werden unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten in unterschiedlichen Rhythmen ermittelt und analysiert.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

145

Das System besteht aus vier Teilen: 1 2 3 4

allgemeiner Teil mit Erfolgszahlen, allgemeiner Teil mit Liquiditätszahlen, Sonderteil mit Erfolgszahlen, Sonderteil mit Liquiditätszahlen.

Der allgemeine Teil umfasst Kennzahlen, die für alle Betriebe und alle Anwendungsbereiche in Frage kommen. Er ist wegen seines nicht branchen- und firmenspezifischen Aufbaus auch für zwischenbetriebliche Vergleiche geeignet. Er besteht aus a.) einem Rentabilitätsteil Zentrale Größe dieses Teils ist das ordentliche betriebliche Ergebnis. Die jährliche Rentabilitätssteuerung beruht dabei hauptsächlich auf den Kenngrößen: - Eigenkapitalrentabilität - Gesamtkapitalrentabilität - RoI - Umschlagshäufigkeit des Gesamtkapitals b.) einem Liquiditätsteil Dieser zeigt auch die Grenzen des Kennzahlensystems auf. Bei der Liquiditätssicherung stellt sich das Problem, dass nur für die Unternehmung als Ganzes geplant und kontrolliert werden kann. Die Zahlungsfähigkeit der Unternehmung hängt von der Höhe und dem Zeitpunkt des Anfalls der Einzahlungen und Auszahlungen ab. Diese Kenngrößen werden aus den übrigen Plänen der Unternehmung abgeleitet. Sie bringen die für die Liquidität der Unternehmung zentralen Sachverhalte in verdichteter Form zum Ausdruck. Grenzen der Erfassung der Liquiditätsentwicklung mittels Kennzahlen bestehen jedoch überall dort, wo man anhand einiger weniger Zahlen keine verwertbaren Informationen mehr liefern kann. In solchen Fällen können Kennzahlen nur als Anhaltspunkte, nicht mehr jedoch unmittelbar der Entscheidungsfundierung dienen. Als zentrale Steuerungsgröße wird die Größe „Liquide Mittel“ vorgeschlagen. Im Sonderteil werden Zahlenangaben zusammengefasst, die firmenindividuell in Abhängigkeit von der Branche und Unternehmensstruktur zur Ergänzung der Kennzahlen des allgemeinen Bereichs erforderlich sind. Im Sonderteil werden mit anderen Worten Zahlen zur vertiefenden Analyse von Einflussfaktoren auf Rentabilität und Liquidität untersucht. Im Gegensatz zum allgemeinen Teil stammen die hierfür erforderlichen Informationen überwiegend aus dem innerbetrieblichen Rechnungswesen. Je nach Branche sind im Sonderteil bestimmte Informationsmodule zusammenzufassen, die in unterschiedlicher zeitlicher Struktur entsprechend dem Bedarf

146

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

des Entscheidungsträgers entscheidungsbezogene Informationen liefern. Auf dieser Ebene ließen sich im Übrigen auch problemlos Verrechnungspreise oder Budgets (verstanden als Zielsysteme-) integrieren. Das RL-Kennzahlensystem enthält die wichtigsten für die gesamtbetriebliche Lenkung relevanten quantifizierbaren Informationen. Es vermittelt einen gesamtbetrieblichen Überblick und lässt zugleich Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Erfolgs- und Finanzgrößen erkennen, so dass die Firmenleitung die Konsequenzen ihrer unternehmerischen Entscheidung sowie veränderter Umweltbedingungen schnell und zuverlässig übersehen kann. Beim RL-Kennzahlensystem steht die empirisch-induktive Gewinnung von Kennzahlen im Vordergrund (z.B. gleichzeitige Berücksichtigung von Eigen- und Gesamtkapitalrentabilität, RoI, Kapitalumschlaghäufigkeit, Umsatzrentabilität als Einflussgrößen des ordentlichen Ergebnisses). Daneben enthält das Kennzahlensystem auch definitorische Beziehungen, wie z.B. die Aufspaltung des Gesamtergebnisses in ein ordentliches Finanz- und Betriebsergebnis und ein außerordentliches Ergebnis. Als Kritikpunkte am RL-Kennzahlensystem können die folgenden angeführt werden: • Durch das eher induktive Vorgehen bei der Entwicklung des Kennzahlensystems sind die unterstellten Zusammenhänge nur begrenzt klar. Ob und in welchem Ausmaß die einzelnen Unterziffern die übergeordneten Kennzahlen beeinflussen, muss vom jeweiligen Unternehmen erst durch Plausibilitätsüberlegungen und praktische Tests nachgewiesen werden. • Aus der hohen Anzahl an ergebnisbeeinflussenden Größen und der geringen theoretischen Begründung resultiert eine verminderte Aussagefähigkeit und mangelnde inhaltliche Klarheit des Systems. Moderne Kennzahlensysteme im Zusammenhang mit dem Risikomanagement Die traditionellen Kennzahlensysteme weisen neben den oben zu den einzelnen Systemen genannten darüber hinaus grundsätzliche Mängel auf: • • • • •

sie bauen meist auf Daten des Rechnungswesens auf, d.h. es handelt sich weitestgehend um quantitative Steuerungsgrößen, die vorwiegend vergangenheitsorientiert sind, qualitative Aspekte bleiben meist unberücksichtigt und eine Beziehung zwischen operativen und strategischen Steuerungsgrößen fehlt.

Unter dem Begriff „Performance Measurement“ werden diejenigen Ansätze zusammengefasst, die die Beschränkung der traditionellen Steuerungsinstrumente auf fi-

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

147

nanzielle Größen beseitigen wollen. Selbstverständlich können auch die modernen Konzepte nicht auf monetäre Kennzahlen verzichten. Die Ursprünge der sogenannten Balanced Scorecard (BSC) gehen bis ins Jahr 1990 zurück. Sie basiert auf einer Studie des Nolan Norton Institute zum Thema „Performance Measurement in Unternehmungen der Zukunft“. Das Ziel der Studie war es, ein neues, umfassendes Performance-Measurement-Konzept zu entwickeln, das neben den finanziellen Größen auch nicht finanzielle, qualitative Informationen integriert. Im Laufe der Studie wurde die bestehende praktische Lücke zwischen Strategiefindung und Strategieumsetzung deutlich. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Balanced Scorecard (BSC) als ein Geflecht aus Ziel- und Messgrößen entwickelt, das als Hauptzweck die Umsetzung der Strategie in operative Pläne hat205. In diesem Zusammenhang wurde erkannt, dass die Strategieumsetzung aufgrund des dynamischen Wettbewerbs immer stärker an Bedeutung gewinnt. Nicht die Strategien selbst, sondern deren Umsetzung wurde als wesentlicher Wettbewerbsfaktor erkannt. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass in den wenigsten Unternehmen klar definierte, dokumentierte und priorisierte Strategien existieren. Ebenfalls ist die Kommunikation der Strategien meist schlecht oder gar nicht geregelt. Die BSC lässt sich als „ausgewogener“ bzw. „multikriterieller Berichtsbogen“ interpretieren. Die Ausgewogenheit der BSC wird dadurch erreicht, dass sowohl finanzielle als auch nicht finanzielle Ziele, quantitative und qualitative Ziele, intern und extern orientierte Messgrößen sowie Spät- und Frühindikatoren berücksichtigt werden. Die Konzeption der BSC erfolgt mit Hilfe von drei hypotheseähnlichen Komponenten206: • die operativen und strategischen Messgrößen des Managementprozesses werden aus vier unterschiedlichen Perspektiven erfasst. Hierdurch können alle Stakeholder des Unternehmens berücksichtigt werden. • Die Strategieoperationalisierung erfolgt stufenweise, ausgehend von der Vision und Strategie des Unternehmens hin zu den operativen Maßnahmen und deren Messung. • Die Perspektiven auf den verschiedenen Operationalisierungsstufen werden durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen miteinander verbunden.

205

Aus diesem Grund hätte die BSC auch unter das Planungssystem subsumiert werden können. 206 Vgl. Reichmann, Controlling, 2006, S. 602 ff.

148

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Die vier in der Balanced Scorecard betrachteten Perspektiven sind: • die Finanzperspektive207: diese Perspektive enthält Ziele und Messgrößen, die das finanzielle Ergebnis der Strategieumsetzung messen. • Die Kundenperspektive: hierbei stehen Ziele hinsichtlich des Marktauftritts und der Marktpositionierung sowie der Wahrnehmung der Leistungen durch den Kunden im Blickpunkt. • Die Prozessperspektive208: im Rahmen dieser Perspektive geht es um die Fokussierung auf diejenigen Prozesse, die eine herausragende Bedeutung bei der Strategieumsetzung haben. • Die Lern- und Entwicklungsperspektive209: hierbei sind die Ressourcen wie Mitarbeiter, Wissen, Innovationen, Kreativität und Technologie auf die aktuelle Strategie abzustimmen. Die Operationalisierung der Strategie erfolgt in der BSC in vier Stufen (vgl. Abbildung 63). Ausgehend von der Vision und Mission werden strategische Ziele definiert. Für die strategischen Ziele werden Messgrößen in Form von Kennzahlen formuliert. Für diese Kennzahlen werden Vorgaben erarbeitet, die die Erreichung der strategischen Ziele widerspiegeln. Zur Erreichung des Zielwerts werden strategische Aktionen eingeleitet.

207 208 209

Zum Teil wird diese Perspektive auch als finanzwirtschaftliche Perspektive bezeichnet. Hierfür wird zum Teil auch der Begriff „interne Perspektive“ verwendet. Diese Perspektive wird teilweise auch mit „Lernen und Entwicklung“ oder „Lernen und Wachstum“ beschrieben.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Perspektive

Strategische Ziele

Finanz• Profitabilität wirtschaftliche Perspektive • Cash Flow steigern • Erwartungen der Anteilseigner übertreffen Kundenperspektive

Interne Prozesse

Messgrößen

Strategische Initiative

• ROCE

• Mannigfache Ertragsquellen

• Cash Flow • Umsatzwachstum

• Unternehmensakquisition

• Kundenerwar• Umsatz/Kunde tungen übertref• Marktanteil/ fen -wachstumAnalyse • Marktanteile steigern

• Marktpenetrationsprogramm

• Kurze Entwicklungszeiten

• Komplexitätsreduktion

• Geringe Fehlerquote Lernen und Entwicklung

149

• Durchlaufzeiten • Fehlerquote

• Kundenzufriedenheitsprojekt

• Teambildung

• Qualifikation der Mitarbeiter

• Anzahl Schu• Schulungsprolungsprogramme gramme

• Mitarbeiterzufriedenheit

• Informationstechnologie

• IT-Projekte

Abbildung 63: Stufenweise Operationalisierung von Strategien210

Für die Interdependenzen zwischen Perspektiven und den Operationalisierungsschritten werden Ursache-Wirkungsbeziehungen unterstellt. Dies basiert auf der Annahme, dass eine Strategie ein Bündel von Hypothesen über Ursachen und Wirkungen darstellt.211

210 211

Abbildung entnommen aus Reichmann, Controlling, 2006, S. 608. Vgl. Reichmann, Controlling, 2006, S. 610.

150

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Verbesserung der Erträge Erweiterung des Ertrags-Mix

Schaffen von Vertrauen der Kunden in die finanzielle Beratung

Finanzperspektive

Steigerung der operativen Effizienz

Kundenperspektive

Schaffen von Kundenzufriedenheit durch bessere Geschäftsabwicklung

Neue Produkte entwickeln

Probleme minimieren

Interne Perspektive

Gemeinsamer Verkauf verschiedener Produkte

Kunden verstehen

Geeignete Vertriebswege

Schnelle Antworten

Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit

Entwicklung von strategischen Fähigkeiten

Abbildung 64:

Zugang zu strategischen Infos

Lernen & Wachstum Abstimmung persönlicher Ziele

Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Perspektiven212

4.3 Informationsübermittlung In Abhängigkeit vom Zentralisationsgrad fallen Informationsentstehung und -verwendung auseinander. Die Informationsübermittlung zwischen den Stellen der Informationsentstehung und der Informationsverwendung wird in der betrieblichen Praxis vom Berichtswesen wahrgenommen. Das Berichtswesen stellt somit das Bindeglied zwischen dem Informationsversorgungssystem und dem Planungs- und Kontrollsystem dar. Üblicherweise werden nur betriebsinterne Entscheidungsträger informiert. 212

Abbildung entnommen aus Reichmann, Controlling, 2006, S. 611.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

151

Ursprünglich beschränkte sich die Funktion des Berichts auf die Rechenschaftslegung/Dokumentation. Inzwischen kann der Bericht weitergehend definiert werden als organisierte/ strukturierte Form der Informationsübermittlung. Neben der Dokumentation gelten das Auslösen von betrieblichen Vorgängen, die Kontrolle des Betriebsablaufs sowie die Vorbereitung von Entscheidungen als Berichtszwecke. Das Grundproblem des betrieblichen Berichtswesens besteht in der Anpassung der Berichte an einen sich permanent ändernden und nur unvollständig im Voraus zu bestimmenden Informationsbedarf sowie in der möglichst aktuellen Erfassung und Darstellung von Abweichungen. Hierbei ist hinsichtlich der Berichtszwecke eine große Berichtsflexibilität anzustreben, bei der ein umfassendes Spektrum von Berichtsaufgaben und Auswertungen möglich ist. Im Hinblick auf die Informationsversorgung von Planung und Kontrolle lassen sich die folgenden drei Berichtsformen unterscheiden: • Standardbericht, • Abweichungsbericht und • Bedarfsbericht. Standardberichte werden in regelmäßigen Zeitabständen erstellt und basieren in der Regel auf einem einmalig ermittelten Informationsbedarf einzelner Entscheidungsträger. Sie enthalten eine umfassende standardisierte Menge an Informationen, wobei der Berichtsempfänger sich die für ihn relevanten Informationen selbst auswählen muss. Wie der Erscheinungstermin, sind auch der Inhalt und die Form der Berichte weitgehend festgelegt. Aufgrund der eingehenden Informationsbedarfsanalyse ist der Vorbereitungsaufwand für diese Berichtsart hoch. Da er aber von vielen Entscheidungsträgern genutzt und nur sehr selten verändert wird, ist er in der weiteren Verwendung relativ wirtschaftlich. Nachteilig ist, dass spezielle und aktuelle Informationsbedürfnisse nicht befriedigt werden können. Der Abweichungsbericht wird lediglich beim Überschreiten von vorgegebenen Toleranzgrenzen erstellt. Entsprechend einem Management by Exception wird der Entscheidungsträger nur bei Problemen informiert. Hierdurch wird die Aufmerksamkeit auf die relevanten Entscheidungen gelenkt. Demgemäß erscheinen Abweichungsberichte nur sehr unregelmäßig. Sie orientieren sich an einem vorgegebenen Plan und lösen damit keine neuen Planungsprozesse aus. Bedarfsberichte hängen von den spezifischen Informationsbedürfnissen der Entscheidungsträger ab. Sie werden fallweise angefordert und dienen meist als Ergänzung von Abweichungsberichten. Sie sind entsprechend an keinen Erstellungs- oder Auswertungsrhythmus gebunden. Derartige Bedarfsberichte sind aufgrund ihrer Individualität in aller Regel sehr kostenintensiv, treffen aber den bestehenden Informationsbedarf meist sehr genau. Durch die sehr gute IT-Unterstützung im Berichtswesen nimmt die Bedeutung von Bedarfsberichten immer stärker zu.

152

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

Die Gestaltung von Berichten ist auf die Berichtszwecke und die hinter diesen stehenden Informationsbedarfe der Empfänger gerichtet. Die Berichtszwecke lassen sich anhand der folgenden Fragen bestimmen: • Wie soll berichtet werden? Hier wird nach der Übersichtlichkeit und Darstellungsform sowie der Erstellung und Übermittlung der Berichte gefragt (formale Merkmale). • Was soll berichtet werden? Hier wird nach dem Inhalt (auch Verdichtungsgrad und Genauigkeit) der Berichte gefragt (inhaltliche Merkmale). • Wer soll berichten und wer soll unterrichtet werden? Sender und Empfänger von Berichten sind zu definieren (personale Merkmale). • Wann soll berichtet werden? Termine und Bearbeitungszeiten für die Berichte sind zu bestimmen (zeitliche Merkmale).

Fragen zur Bestimmung des Berichtszwecks

Wie ?

Was ?

Wer ?

Wann ?

Formale Merkmale

Inhaltliche Merkmale

Personale Merkmale

Zeitliche Merkmale

• Art der Erstellung • Übermittlungsmedium • Darstellungsform

• Informationsgegenstand • Genauigkeit • Aggregationsgrad • Anzahl

• Sender • Empfänger

• Berichtszeitraum • Berichtstermin

Abbildung 65:

Merkmale zur Kennzeichnung und Gestaltung von Berichten

Zwischen den aufgeführten Merkmalen besteht eine Reihe von komplementären und konkurrierenden Beziehungen, welche für die Gestaltung von Berichten von Bedeutung sind. So korrelieren die Übersichtlichkeit und der Verdichtungsgrad positiv miteinander. Der Verdichtungsgrad und die Anzahl der Daten sind jedoch gegenläufig miteinander verbunden.213 Eine Konkurrenz besteht zwischen der Informationsgenauigkeit und dem die Aktualität bestimmenden Berichtstermin. Die Gewinnung von fehlerfreien, zuverlässigen 213

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 176.

4 Informationsversorgungsfunktion des Controlling

153

Informationen bedarf eines mehrstufigen Prozesses der Informationsgewinnung, -verarbeitung und –bereitstellung. Im Falle konkurrierender Zwecke muss eine Prioritätenfolge bestimmt werden. In der Praxis wird z.B. meist die Aktualität von Berichten wichtiger eingestuft als deren Genauigkeit. Die Notwendigkeit der Koordination wird besonders deutlich bei der Abstimmung der inhaltlichen Merkmale mit der Darstellungsform und der zeitlichen Merkmale im Hinblick auf den Informationsbedarf des Empfängers. Die inhaltlichen Merkmale, wie der Informationsgegenstand oder die Genauigkeit hängen von den Aufgaben des Empfängers ab. Der Verdichtungsgrad ist stark mit der Stellung des Empfängers in der Organisationshierarchie gekoppelt. Die zeitlichen Merkmale (Berichtszeitraum und -termin) stehen in enger Verbindung mit dem Planungs- und Kontrollsystem. Die Gestaltung der formalen Merkmale der Berichte hängt in der Regel von den persönlichen Verhaltensmerkmalen des Empfängers ab.214

214

Vgl. Küpper, Controlling, 2005, S. 176 ff.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens In der betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis wird durch die Internationalisierung der Rechnungslegung mit einer zunehmenden Harmonisierung von externem und internem Rechnungswesen gerechnet. Es wird erwartet, dass der bislang genannte Hauptgrund für die traditionell strenge Trennung der beiden Bereiche in Deutschland, die unterschiedlichen Zielsetzungen und Informationsanforderungen der Rechenwerke, durch die Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung in Richtung IAS bzw. IFRS215 und US-GAAP zumindest teilweise obsolet wird. Mit der im Jahre 1998 erfolgten Reform des HGB durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (Kap-AEG) wurden bereits Differenzierungsmöglichkeiten für börsennotierte Muttergesellschaften geschaffen. Hiernach ist für solche Gesellschaften die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach international anerkannten Bilanzierungsvorschriften möglich. Die heutigen Bilanzierungsregeln des HGB sind durch die starke Ausprägung des gläubigerschutzorientierten Vorsichtsprinzips sowie die steuerlich motivierte Wirkung des Maßgeblichkeitsprinzips nicht auf die Zwecke der Information der Unternehmensleitung gerichtet. Im Gegensatz dazu ist die Rechnungslegung nach US-GAAP bzw. IFRS in erster Linie auf die Information der Investoren durch Bereitstellung einer „decision usefulness“ gerichtet. Dies wird dadurch deutlich, dass als die günstigste Perspektive für diese „decision usefulness“ der Rechnungslegungsinformationen die Investorensicht angeführt wird. Aus diesem Grund kann für den Fall, dass der Unternehmensleitung an einer optimalen Zusammensetzung des Unternehmensportfolios und einem optimalen Einsatz der Kapitalressourcen gelegen ist, die Unternehmensleitung in den Kreis der Informationsadressaten gerechnet werden. Deshalb wird z.B. in den US-amerikanischen Unternehmen keine Trennung von internem und externem Rechnungswesen vorgenommen.

215

IFRS: International Financial Reporting Standards: „Neue IAS (International Accounting Standard)“, die nach der zum 1. April 2001 erfolgten Neustrukturierung des IASB verabschiedet werden. Im Folgenden wird immer der neue Begriff IFRS verwendet. Nur in den Fällen bei denen auf konkrete IAS-Standard s hingewiesen wird, wird die Bezeichnung IAS verwendet.

156

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Im Folgenden wird vor diesem Hintergrund zunächst die Zielkonvergenz zwischen dem internen und dem externen Rechnungswesen auf Basis der IFRS untersucht. Hierbei wird insbesondere der Frage nachgegangen, inwieweit die Informationen aus dem IFRS- Abschluss für die interne Unternehmenssteuerung herangezogen werden können. Im Anschluss daran wird untersucht, in welchen Bereichen Daten aus dem internen Rechnungswesen für die IFRS- Rechnungslegung benötigt werden. Anschließend werden konkret einzelne Problemfelder des bisherigen ZweikreisKonzepts216 untersucht und überprüft, inwieweit bisherige Divergenzbereiche unter dem Einfluss von IFRS beseitigt werden können. Abschließend wird die Frage nach einer vollständigen oder einer teilweisen Integration des Rechnungswesens diskutiert.

5.1 Zielkonvergenz von internem und externem Rechnungswesen auf Basis der IFRS Zur Beantwortung der Frage nach der Zielkonvergenz von internem und externem Rechnungswesen müssen zunächst einmal die historischen Ursachen für die Divergenz von internem und externem Rechnungswesen in Deutschland dargestellt werden. Die Ursachen für die vor allem in Deutschland vorherrschende Trennung zwischen internem und externem Rechnungswesen sind in der geschichtlichen Entwicklung der Bilanzierungszwecke zu sehen. Die Selbstinformation stellt dabei den Ursprung der Rechnungslegung dar. Aufgrund der zunehmenden rechtlichen Normierung und der wachsenden Zweckpluralität – wie z.B. der fiskalischen Zahlungsbemessung oder dem Gläubigerschutz durch Ausschüttungsbegrenzung – kam es Ende des 16. Jahrhunderts insbesondere in Deutschland zur Trennung von internem und externem Rechnungswesen. Die starren Regelungen des Handelsgesetzbuchs führten in der jüngeren Vergangenheit dazu, dass die zur Unternehmenssteuerung herangezogenen Kennzahlen aus dem externen Rechnungswesen – wie z.B. der ROI oder die Eigenkapitalrendite – stark kritisiert wurden217. Aus diesem Grund wurden Daten aus dem internen Rechnungswesen für die Unternehmenssteuerung herangezogen, was zu einem weiteren Auseinanderfallen von internem und externem Rechnungswesen führte. Seit der Reform des HGB durch das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz in 1998 können börsennotierte Mutterunternehmen einen befreienden Konzernabschluss nach international 216

217

Unter Zweikreis-Konzept ist die Trennung von internem und externem Rechnungswesen zu verstehen. Diese Zweikreissysteme sind bei der externen Rechnungslegung nach HGB in Deutschland üblich. Vgl. beispielsweise Coenenberg, Baum, Günther, Controlling, 2007, S. 268 f.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

157

anerkannten Bilanzierungsvorschriften – gemeinhin IFRS oder US-GAAP – vorlegen. Die starke Ausrichtung der internationalen Rechnungslegung an der Nützlichkeit der Informationen für Entscheidungen von Investoren könnte dabei zu einer Harmonisierung der Rechnungslegung führen. Es wurde bereits dargestellt, dass die Unternehmensleitung unter der Prämisse, dass deren Entscheidungen denen der Investoren vergleichbar sind, wieder in den Kreis der Rechnungslegungsadressaten tritt, was einer Annäherung an den zu Beginn der historischen Entwicklung vorherrschenden Zweck der Selbstinformation entspricht. Im Gegensatz zur deutschen Entwicklung existiert in amerikanischen Unternehmen nach wie vor eine monistische Ausgestaltung des Rechnungswesens, was die Vermutung nahe legt, dass sich die durch US-GAAP bzw. auch IFRS bereitgestellten Informationen auch für interne Zwecke eignen218. Eine vergleichbare Harmonisierung des Rechnungswesens soll nachfolgend für die in Deutschland zukünftig relevanten IFRS untersucht werden. Hierzu wird zunächst der Einsatzbereich der IFRS untersucht. Im Anschluss daran werden mögliche Konvergenzbereiche zwischen internem und externem Rechnungswesen analysiert und anschließend überprüft, inwieweit Anforderungen, die an das interne Rechnungswesen gemeinhin gestellt werden durch die IFRS erbracht werden können. Durch die am 7. Juli 2002 durch den EU-Ministerrat verabschiedete Verordnung zur Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards besteht für kapitlamarktorientierte Unternehmen seit dem 1.1.2005219 die Pflicht, den Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen. Für die Konzernabschlüsse der nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie für die Einzelabschlüsse hat der deutsche Gesetzgeber ein Wahlrecht vorgesehen. Hierdurch sind die IFRS für eine steigende Anzahl von Unternehmen relevant. Die Umstellung beeinflusst alle Bereiche des externen und internen Rechnungswesens. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Einführung der IFRS zu einer Harmonisierung im Rechnungswesen führen. Bei der Frage nach der Harmonisierung des Rechnungswesens müssen zunächst einmal die Ziele des internen und externen Rechnungswesen auf eine mögliche Zielkonvergenz untersucht werden. Die einzelnen Rechnungen verfolgen unterschiedliche betriebswirtschaftliche Zwecke, die nicht einfach harmonisiert werden können. Vielmehr muss zunächst ein möglicher Konvergenzbereich identifiziert werden. In Abbildung 66 werden die wesentlichen Bausteine des Rechnungswesens und deren Zielsetzungen veranschaulicht. 218 219

Hierbei wird unterstellt, dass die IFRS sich weitgehend an die US-GAAP anlehnen. Für Unternehmen, die nach US-GAAP bilanzieren und gleichzeitig an einer US-Börse gelistet sind, wurde eine Verlängerung der Umstellungsfrist bis spätestens 2007 gewährt.

158

5 Harmonisierung des Rechnungswesens Rechnungswesen

Externes Rechnungswesen

Dokumentation und Rechenschaftslegung Zahlungsbemessungs- und Informationsfunktion Handelsbilanz I

Steuerbilanz

Rechtliche Einheit

Internes Rechnungswesen

Informationsfunktion

Handels- Konzernbilanz II bilanz Wirtschaftliche Einheit

Kontrollfunktion

Planungsfunktion

z.B. Betriebsergebnisrechnung

z.B. Preiskalkulation, Investitionsrechnung

unternehmerische Einheit

Entscheidungsobjekt

Konvergenzbereich für Zwecke der Unternehmenssteuerung

Abbildung 66: Gegenstand der Anpassung von internem und externem Rechnungswesen auf Basis der IFRS220

Im externen Rechnungswesen können zum einen die Zahlungsbemessungs- und Rechenschaftslegungsfunktion und zum anderen die Informationsfunktion unterschieden werden. Unter der Zahlungsbemessungsfunktion kann die Aufstellung der Handelsbilanz für den Einzelabschluss sowie die Überleitung auf den steuerlichen Jahresabschluss verstanden werden. Anhand des handelsrechtlichen Jahresabschlusses werden die Ausschüttung an die Anteilseigner und mit Hilfe des steuerrechtlichen Jahresabschlusses die Zahlungen an das Finanzamt festgelegt. Derartige Rechnungen sind stark von der handels- und steuerrechtlichen Gesetzgebung abhängig, eignen sich deshalb nicht für Zwecke der internen Unternehmensrechnung und scheiden somit unter den gegebenen Voraussetzungen als Konvergenzbereich aus. Bleibt als möglicher Konvergenzbereich die Informationsfunktion des externen Rechnungswesens. Hierunter wird neben der rein auf die Informationsfunktion beschränkten Konzernbilanz auf die Handelsbilanz II abgestellt. Diese hat die Aufgabe die Jahresabschlüsse von ausländischen Tochtergesellschaften in Bezug auf Bilanzierung und Bewertung mit den Vorgaben des Mutterunternehmens zu vereinheitli220

Abbildung modifiziert entnommen aus Klein, Konvergenz, 1999, S. 69.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

159

chen. Diese Rechnungen stellen die Grundlage für den konsolidierten Abschluss dar und sind als Vorstufe zum Konzernabschluss selbst ebenfalls rein auf das Informationsziel ausgerichtet221. Die Informationsfunktion des externen Rechnungswesens bezieht sich somit insgesamt auf die wirtschaftliche Einheit. Die wesentlichen Zwecke des internen Rechnungswesens können unterschieden werden in die Planungs- bzw. Entscheidungsfunktion und die Kontrollfunktion222. Wie bereits in Kapitel 3 dargestellt, ist das Planungssystem auf zukünftige Ereignisse gerichtet. Zur Reduzierung der Komplexität ist eine Separierung in Entscheidungsobjekte (z.B. Produkte oder Prozesse) und Entscheidungswirkungen (z.B. Opportunitätskosten) notwendig. Die hierfür notwendigen entscheidungsorientierten Informationen können in der Regel nicht durch ein laufendes normiertes Rechnungswesen geleistet werden. Hierfür sind vielmehr entscheidungsindividuelle Informationen notwendig. Nur durch deren Berücksichtigung können Qualität und Relevanz der Entscheidungsrechnung gewährleistet werden223. Die Planungsfunktion kommt somit für eine Harmonisierung mit dem externen Rechnungswesen nicht in Frage. Die Kontrollfunktion des internen Rechnungswesens kann entweder in Form einer Betriebsergebnisrechnung für das gesamte Unternehmen oder für einzelne unternehmerische Einheiten erfolgen. Hinsichtlich des Betrachtungsbereichs und der verfolgten Zwecke liegt ein möglicher Konvergenzbereich im Ergebnis nur zwischen der Informationsfunktion des externen Rechnungswesens und der Kontrollfunktion des internen Rechnungswesens.224 Zur weiteren Analyse einer möglichen Harmonisierung dieses identifizierten Konvergenzbereichs werden im Folgenden zunächst allgemeine Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung formuliert und anschließend überprüft, ob derartigen Anforderungen durch ein externes Rechnungswesen nach IFRS genügt werden kann.

221 222

223 224

Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 580. Entsprechend der hier vorgenommenen Controllingdefinition stellt das interne Rechnungswesen das wesentliche Informationsversorgungsinstrument für die Planung und Kontrolle dar. Vgl. Pfaff, Weber, Zweck, 1998, S. 157 ff. Vgl. Klein, Konvergenz, 1999, S. 69.

160

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Als Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung werden in der Literatur üblicherweise die folgenden Kriterien genannt (vgl. Abbildung 67)225: • • • •

Anreizverträglichkeit Analysefähigkeit Kommunikationsfähigkeit Wirtschaftlichkeit

Steuerungsorientierte Kontrollrechnung

Analysefähigkeit

Kommunikationsfähigkeit

Wirtschaftlichkeit

Anreizverträglichkeit

Abbildung 67: Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechung226

Die Anreizverträglichkeit von steuerungsorientierten Kontrollrechnungen ist insbesondere vor dem Hintergrund der vor allem in dezentralen Organisationen vorherrschenden Informationsasymmetrien, sogenannten Principal- Agent- Konflikten, zu gewährleisten. Hierbei müssen die sozio- emotionalen Aspekte der Beteiligten berücksichtigt werden. Die Zielgrößen des Unternehmens sollen mit denen der Unternehmensführung übereinstimmen. Um dies zu erreichen, muss zum einen die Objektivität der Messgrößen und -vorschriften und zum anderen die Zielkongruenz der Kontrollrechnung sichergestellt sein.

225

226

Vgl. ebenda oder Coenenberg, Einheitlichkeit, 1995, S. 2080. Kümpel zieht dagegen bei seiner Prüfung der Eignung für eine Konvergenz nur die Kriterien Anreizverträglichkeit, Analysefähigkeit und Wirtschaftlichkeit heran (vgl. Kümpel, Integration, 2002, S. 907 ff.). Abbildung modifiziert entnommen aus Klein, Konvergenz, 1999, S. 70.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

161

Die zweite wesentliche Anforderung an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung ist die Analysefähigkeit der Ergebnisse. Mit diesem Kriterium ist zum einen die Relevanz der Abbildung als zeitnahe Darstellung des wirtschaftlichen Gehalts und zum anderen die Vergleichbarkeit auf zeitlicher und objektbezogener Ebene gemeint. Die Analysefähigkeit ist Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit des Handelns. Mit der Anforderung der Kommunikationsfähigkeit werden die inhaltliche und sprachliche Verständlichkeit der Informationen sowie die damit verbundene Akzeptanz der Kontrollrechnung berücksichtigt. Die Anforderung der Wirtschaftlichkeit sagt allgemein, dass der Nutzen des Rechnungswesens größer sein soll als die Kosten, die es verursacht. Insgesamt sollte, ungeachtet der Unlösbarkeit der Quantifizierungsproblematik bezüglich des Informationsnutzens, das Steuerungssystem nicht zum technischen Selbstzweck erfolgen. Diese Anforderung ist prinzipiell gegenläufig zu den drei vorgenannten Anforderungen. Es muss sichergestellt sein, dass die Kosten für eine den formulierten Anforderungen genügende steuerungsorientierte Kontrollrechnung stets im Verhältnis zum durch sie entstehenden Nutzen gesehen werden. Zur Prüfung der Konvergenz zwischen externem Konzernabschluss nach IFRS und interner Kontrollrechnung werden nun die IFRS- Rechnungslegungsgrundsätze den Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung gegenübergestellt. Das Regelwerk der IASB227 besteht grundsätzlich aus den drei Teilen: • • •

Rahmenkonzept (Framework), Standards (IAS/IFRS) sowie Interpretationen (SIC/IFRIC)

Das Rahmenkonzept stellt die konzeptionelle Basis dar, ist jedoch selbst kein eigenständiger Standard. Die Standards und deren Interpretationen durch das SIC enthalten die eigentlichen Regelungen zu den einzelnen Bilanzierungsthemen. Im Gegensatz zu dem unbestimmten Rechtsbegriff der deutschen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sind die allgemeinen Grundsätze, die bei der Rechnungslegung nach IFRS zu beachten sind, im Rahmenkonzept (Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements) schriftlich niedergelegt.

227

Das IASB (International Accounting Standards Board) ist die Nachfolgeorganisation des IASC (International Accounting Standards Co mmittee), welches für die Veröffentlichung der IFRS zuständig ist.

162

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Das Rahmenkonzept beinhaltet228: • • • •

die Zielsetzung und Bestandteile der Rechnungslegung, die Grundprinzipien der Rechnungslegung, grundlegende und qualitative Anforderungen an den Jahresabschluss sowie allgemeine Ansatz- und Bewertungsgrundsätze.

Die Regelungen des Rahmenkonzepts setzen keine Vorschriften der einzelnen IFRS außer Kraft, sondern dienen als subsidiäre Interpretationshilfen für nicht explizit in den IFRS geregelte Fragestellungen. Hierbei wird wiederum unterschieden zwischen expliziten Rechnungslegungsgrundsätzen in Form der kodifizierten Grundsätze und impliziten Grundsätzen in Form der Ausgestaltung der Bilanzierungselemente.229 Die Rechnungslegungsgrundsätze nach IFRS werden in Abbildung 68 dargestellt. Accrual Basis Going Concern Underlying Assumptions

Decision Usefulness Constraints on Relevant and Reliable Information

Qualitative Characteristics

Understandability Relevance

Comparability

Balance between Benefit and Cost

Reliability Faithful Representation

Materiality

Timeliness

Balance between Qualitative Characteristics

Substance over Form Neutrality Prudence Completeness

Abbildung 68: Rechnungslegungsgrundsätze nach IFRS230

228

Vgl. Deloitte & Touche, Rechnungslegung, 2001, S. 14. Ebenso Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 59. 230 Abbildung modifiziert entnommen aus Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 60. 229

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

163

Wie aus Abbildung 68 deutlich wird, ist die zentrale Zielsetzung der IFRS die Erfüllung der decision usefulness. Bereits dies macht deutlich, dass die Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung im Grundsatz mit den IFRSRechnungslegungsgrundsätzen übereinstimmen. Abbildung 69 stellt die Übereinstimmung der einzelnen Anforderungen mit den grundlegenden Prinzipien nach IFRS dar. Die IFRS- Rechnungslegungsgrundsätze bilden damit eine grundsätzlich taugliche Konvergenzbasis.231 Anforderung an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung

Relevanz

Relevance, Faithful Representation, Substance over Form, Completeness, Timeliness

Vergleichbarkeit

Comparability

Objektivität

Reliability, Faithful Representation, Neutrality

Zielkongruenz

Going Concern, Accrual Basis, Balance between Qualitative Characteristics

Verständlichkeit

Understandability

Akzeptanz

Relevance, Materiality, Reliability, Faithful Representation, Neutrality

Analysefähigkeit

Anreizverträglichkeit

Kommunikationsfähigkeit

Wirtschaftlichkeit

Entsprechung in den IASRechnungslegungsgrundsätzen

Balance between benefit and cost

Abbildung 69: Übereinstimmung des Anforderungskatalogs an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung mit den Rechnungslegungsgrundsätzen des IFRSB232

231 232

So auch Klein, Konvergenz, 1999, S. 70 f. Abbildung entnommen aus Klein, Konvergenz, 1999, S. 71.

164

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Hinsichtlich des materiellen Inhalts sind die IFRS- Rechnungslegungsgrundsätze aus dem deutschen HGB bzw. den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB´s) weitgehend bekannt. Der wesentliche Unterschied ist in der abweichenden Strukturierung und Gewichtung der einzelnen Grundsätze zu sehen. So spielt das im HGBKontext dominierende Vorsichtsprinzip („prudence“) nur eine untergeordnete Rolle bei der internationalen Rechnungslegung. Es tritt hinter die sachliche und zeitliche Periodenabgrenzung zurück („accrual basis“). Des Weiteren werden durch die besondere Betonung des Prinzips der wirtschaftlichen Betrachtungsweise („substance over form“) im Rahmen der IFRS die tatsächlichen ökonomischen Verhältnisse den formellen rechtlichen Ausgestaltungen vorangestellt. Während beispielsweise die Bilanzierung von Leasinggegenständen nach HGB überwiegend im Einklang mit der rechtlichen Konstruktion zu erfolgen hat, erfolgt die Bilanzierung nach IFRS entsprechend der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Der Konvergenzbereich zwischen der steuerungsorientierten Kontrollrechnung und der Rechnungslegung nach IFRS ist aufgrund der abweichenden Strukturierung und Gewichtung der Grundsätze wesentlich größer als der sich zwischen steuerungsorientierter Kontrollrechnung und HGB- Rechnungslegung ergebende Konvergenzbereich.233

5.2 Überschneidungsbereiche Unabhängig davon, ob das interne und das externe Rechnungswesen harmonisiert werden, bestehen zwischen den Rechnungen zwangsläufige Überschneidungsbereiche. Zum einen bezieht das interne Rechnungswesen einen Großteil seiner Daten aus dem externen Rechnungswesen, was in Kapitel 5.3 untersucht wird und zum anderen sind für das externe Rechnungswesen Informationen aus dem internen Rechnungswesen notwendig. Die Notwendigkeit von Daten aus dem internen Rechnungswesen für die Aufstellung des Jahresabschlusses nach HGB beschränkt sich auf die Ermittlung von Zuschlagssätzen für die Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse des Vorratsvermögens, auf die Wertermittlung bei der Aktivierung von selbsterstellten materiellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, auf die seit der Einführung des KonTraG234 geforderte Segmentberichterstattung für börsennotierte Konzernun-

233 234

So auch Klein, Konvergenz, 1999, S. 70 f. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich in der Fassung vom 4. März 1998, BT- Drucks. 13/10038 oder BT-Drucks. 13/9712 (Gesetzentwurf) BGBl I, 1998/24, am 1.5.1998 in Kraft getreten.

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165

ternehmen sowie auf die Ermittlung wesentlicher Risiken aus dem Risikomanagementsystem nach dem KonTraG. Im Folgenden wird untersucht, welche Informationen darüber hinaus aus dem internen Rechnungswesen für ein externes Rechnungswesen nach IFRS benötigt werden. Die nachfolgende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dient dazu, ohnehin vorhandene Harmonisierungsbereiche exemplarisch aufzuzeigen. Darüber hinaus soll geklärt werden, inwieweit die Daten, die für das externe Rechnungswesen generiert werden, auch für die internen Steuerungsaufgaben geeignet sind. Zur Untersuchung werden die bereits dargestellten Kriterien für eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung herangezogen. Analysiert werden die folgenden Bilanzierungs- und Bewertungsprobleme: • • • •

Langfristige Fertigungsaufträge, Immaterielle Vermögensgegenstände, Leasingtransaktionen und Segmentberichterstattung.

Langfristige Fertigungsaufträge Zentrales Merkmal von langfristigen Fertigungsaufträgen ist, dass sich der Abwicklungszeitraum über mindestens eine Rechnungsperiode hinaus erstreckt. Hierbei kann es zu einer Informationsverzerrung führen, wenn – wie nach dem HGB vorgesehen – die erfolgswirksame Ergebnisrealisation des langfristigen Fertigungsauftrags erst nach Übergabe des Gesamtwerks an den Auftraggeber erfolgt. Diese Vorgehensweise wird im angelsächsischen Raum als completed contract-Methode (ccMethode) bezeichnet. Sie basiert im Wesentlichen auf den allgemeingültigen Grundsätzen des Handelsgesetzbuches wie dem Realisationsprinzip als Ausfluss des Vorsichtsprinzips235. Entgegen dem HGB ist die Bewertung von langfristigen Fertigungsaufträgen („construction contracts“) in den IAS 11 explizit geregelt. Die IAS 11 orientieren sich hierbei an den Rahmengrundsätzen der periodengerechten Erfolgsermittlung („accrual basis“). Ziel ist es, entscheidungsrelevante Informationen über Umfang und Stand der Aktivitäten bereitzustellen. Das im HGB vorherrschende Realisationsprinzip ist hierbei sekundär. Die Bewertung der langfristigen Fertigungsaufträge hat nach IAS 11 zwingend nach der sogenannten Percentage of completion-Methode (poc-Methode) zu erfolgen, wenn das voraussichtliche Ergebnis des Fertigungsauf235

Nach dem Realisationsprinzip, das aus dem Vorsichtsprinzip resultiert, darf eine Ergebnisrealisation erst nach Konkretisierung des Ergebnisses am Markt, d.h. nach der Übergabe des Gesamtwerks an den Auftraggeber und einer entsprechenden Abnahme erfolgen.

166

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

trags zuverlässig geschätzt werden kann. Hierzu müssen die mit dem Fertigungsauftrag verbundenen Aufwendungen und Erträge zuverlässig prognostiziert werden können. Die mit dem Fertigungsauftrag verbundenen Aufwendungen und Erträge werden dann entsprechend dem Leistungsfortschritt vereinnahmt236. Für die Ermittlung des Fertigstellungsgrades nach IFRS können unterschiedliche Verfahren angewendet werden. Voraussetzung ist nur, dass die gewählte Methode den Fertigstellungsgrad verlässlich bestimmt. In der Regel kommen die folgenden Verfahren zum Einsatz237: • cost-to-cost-Verfahren: der Fertigstellungsgrad wird anhand des Verhältnisses der bisher angefallenen Kosten zu den geschätzten Gesamtkosten ermittelt (inputorientiertes Verfahren), • effort-expended-Verfahren: der Fertigstellungsgrad wird anhand des Verhältnisses der bisher erbrachten Leistung zu der geschätzten Gesamtleistung ermittelt (outputorientiertes Verfahren) oder • nach dem Verhältnis des physikalischen Anteils des bisher erstellten Fertigungsauftrags zu der vereinbarten Gesamtleistung (outputorientiertes Verfahren). Jedes der genannten Verfahren erfordert ein umfangreiches Projektcontrolling, das Auskunft über bereits angefallene und zukünftige Aufwendungen und Erträge bzw. Leistungen gibt. Daneben sind für die Abgrenzung der Fertigungserlöse und –kosten Daten aus dem internen Rechnungswesen notwendig. Die Fertigungskosten für langfristige Fertigungsaufträge setzen sich aus den folgenden Komponenten zusammen238:

236

Sind vor allem zu Beginn eines Fertigungsauftrags die Schätzungen der zukünftigen Aufwendungen und Erträge mit Unsicherheiten verbunden, kann aber davon ausgegangen werden, dass die zukünftigen Erträge die Kost en decken, dürfen nur die zukünftigen Erträge in Höhe der angefallenen Kosten erfolgswirksam vereinnahmt werden. Bei einem wahrscheinlich zu erwartenden Gesamtverlust aus den Fertigungsaufträgen muss analog dem im HGB verankerten Imparitätsprinzip sofort und in voller Höhe der Verlust als Aufwand antizipiert werden. 237 Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 221. 238 Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 220.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

+

+ =

167

direkte Kosten des Fertigungsauftrags, wie z.B. Lohnkosten, Materialkosten, Abschreibungen der eingesetzten Maschinen usw. allgemeine Kosten der Auftragsfertigung, die dem einzelnen Fertigungsauftrag zurechenbar sind, wie z.B. Versicherungen, auftragsabhängige Kosten für Entwürfe und technische Unterstützung, Fertigungsgemeinkosten sonstige Kosten, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen dem Kunden in Rechnung gestellt werden können Gesamtkosten des langfristigen Fertigungsauftrags

Insbesondere für die allgemeinen Kosten der Auftragsfertigung ist die Ermittlung von Zuschlagssätzen oder Prozesskostensätzen notwendig. Dies erfordert eine Erfassung der Kosten pro Kostenstelle bzw. eine prozessorientierte Kostenerfassung239. Die obigen Ausführungen zeigen, dass zur Anwendung der poc-Methode im Rahmen der IFRS- Rechnungslegung Informationen aus dem internen Rechnungswesen notwendig sind. Die Prüfung, ob die Daten der IFRS- Bilanzierung von langfristigen Fertigungsaufträgen für die Zwecke einer internen Steuerung geeignet sind, wird nachfolgend anhand der in Kapitel 5.1 aufgeführten Kriterien für eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung durchgeführt. In Bezug auf die Anreizverträglichkeit lässt sich sagen, dass hinsichtlich der Zielkongruenz die poc-Methode aufgrund der Verteilung der Auftragskosten und -erlöse entsprechend dem Leistungsfortschritt für interne Steuerungszwecke gut geeignet ist. Die Objektivität als zweite Zielsetzung für die Beurteilung der Anreizverträglichkeit ist aufgrund der Unsicherheiten bei der poc-Methode, z.B. bei der Schätzung der Auftragskosten und der Ermittlung des Fertigstellungsgrades als kritisch einzustufen. Unter dem Gesichtspunkt der Objektivität müsste deshalb auf den ersten Blick die nach dem HGB anzuwendende completed contract-Methode präferiert werden, da hier keinerlei Schätzungen notwendig sind. Allerdings werden Manipulationen bzw. bewusste Fehleinschätzungen am Ende der Auftragsdurchführung sichtbar, was zu Reputationsverlusten führt. Dieser Reputationsverlust wiederum kann als geeignetes Mittel angesehen werden, das Management zu objektiven Prognosen anzuhalten, da dieser mit sinkenden Börsenwerten oder gar Entlassung des Managements sanktioniert werden kann. Die Rückwirkung durch eine negative Reputation kann sogar als ein Anreizsystem verstanden werden. Hinsichtlich der Verfahren zur Bestimmung des Fertigstellungsgrades ist aus Sicht einer steuerungsorientierten Kontrolle ein outputorientiertes Verfahren zu bevorzugen.

239

Zu den einzelnen Kostenrechnungssystemen vgl. die Ausführungen in Kapitel 9.

168

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Die Analysefähigkeit, mit den zentralen Zielsetzungen der Relevanz der Abbildung und der Vergleichbarkeit (zeitlich und objektbezogen), werden durch die pocMethode grundsätzlich gefördert, da sie eine getreuere Abbildung der ökonomischen Realität bietet. Insbesondere hinsichtlich der Früherkennung von Risiken liefert diese Methode die relevanten Informationen. Die Informationen über mögliche Leistungs- oder Zeitdefizite, welche insbesondere bei den meist technisch komplexen Langfristaufträgen, ein hohes Risiko beinhalten, werden durch die poc-Methode bzw. das hierzu notwendige Projektcontrolling aufgedeckt. Hinsichtlich der zeitlichen Vergleichbarkeit müssen nach IFRS Änderungen bei der Schätzung nach der sogenannten „cumulative catch up“-Methode erfasst werden. Dieses Verfahren berücksichtigt die Änderungen der Schätzungen in voller Höhe in der Periode, in der die Änderungen bekannt werden. Hierdurch werden bei Schätzänderungen sofort die aktuellen Daten für die steuerungsorientierte Kontrollrechnung bekannt. Für einen zeitlichen Vergleich der Periodenergebnisse ist diese Methode allerdings weniger geeignet, da die gesamte Schätzänderung in einer Periode erfasst wird. Hierdurch ist die Verwendbarkeit der Informationen für eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung beschränkt. Hinsichtlich der Kommunikationsfähigkeit mit den Zielen Verständlichkeit und Akzeptanz lässt sich sagen, dass die poc-Methode bei Vorliegen von Objektivität gut nachvollziehbar ist und damit zu einer hohen Akzeptanz der Kontrollrechnung führt. Insgesamt wurde aufgezeigt, dass die Informationen, die für die Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge nach IFRS vom internen Rechnungswesen bereitgestellt werden, auch für die interne Konzernsteuerung geeignet sind. Immaterielle Vermögensgegenstände Gemäß § 248 Abs. 2 HGB existiert im Handelsrecht ein Aktivierungsverbot für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden. Häufig folgen den Aufwendungen für immaterielle Vermögensgegenstände erst in späteren Perioden korrespondierende Erträge. Durch das Aktivierungsverbot wird eine periodengerechte Verteilung dieser Aufwendungen verhindert. Diese insbesondere mit der eventuellen Willkür des Wertansatzes begründbare Vorgehensweise nach HGB steht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entgegen. Die grundsätzliche Bilanzierung immaterieller Vermögensgegenstände („intangible assets“) wurde erstmals 1998 in IAS 38 umfassend geregelt. Hiernach besteht für immaterielle Vermögensgegenstände eine Aktivierungspflicht, wenn sie sowohl

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

169

abstrakt als auch konkret bilanzierungsfähig sind240. Für alle übrigen Fälle besteht ein Bilanzierungsverbot. Unter der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit wird die Erfüllung der an einen immateriellen Vermögensgegenstand allgemein gestellten Eigenschaften verstanden. Ein immaterieller Vermögensgegenstand wird hiernach anhand der Eigenschaften Identifizierbarkeit („identifiability“), Kontrolle durch das bilanzierende Unternehmen („control“) und Existenz eines zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens („future economic benefit“) definiert. Neben der abstrakten Bilanzierungsfähigkeit müssen die folgenden Ansatzkriterien kumulativ erfüllt werden (konkrete Bilanzierungsfähigkeit)241: • Es ist wahrscheinlich, dass der mit dem immateriellen Vermögensgegenstand verbundene wirtschaftliche Nutzen dem Unternehmen zufließen wird. • Die Anschaffungs- und Herstellungskosten des immateriellen Vermögensgegenstands lassen sich zuverlässig ermitteln. Insbesondere für den Nachweis des zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen sowie für die zuverlässige Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten sind Informationen des internen Rechnungswesens notwendig.242 Weiter wird nach IFRS zwischen der Forschungsphase und der Entwicklungsphase unterschieden. Für Aufwendungen, die der Forschungsphase zuzuordnen sind, existiert ein Aktivierungsverbot. Die Aufwendungen der Entwicklungsphase sind hingegen zu aktivieren. Unter Forschung werden nach IFRS eigenständige und planmäßige Untersuchungen zur Erlangung neuer wissenschaftlicher oder technologischer Erkenntnisse subsumiert. Unter Entwicklung wird hingegen die Anwendung der Forschungsergebnisse und anderem Wissen für die Gestaltung der Produktion neuer oder wesentlich verbesserter Produkte, Systeme oder Dienstleistungen verstanden, soweit die Anwendung vor Beginn der kommerziellen Fertigung oder der betriebsinternen Nutzung stattfindet.243 Entwicklungskosten sind im Verhältnis zu reinen Forschungsprojekten weiter fortgeschritten und marktnäher. Eine Aktivierungspflicht besteht nur, wenn das Unternehmen folgende sechs Nachweise erbringt (IAS 38.57):

240

Auch nach IAS 38 existieren ausdrückliche Bilanzierungsverbote für den selbstgeschaffenen (originären) Firmenwert, für selbstgeschaffene Markennamen, Schriftzüge, Veröffentlichungstitel, Kundenlisten und ähnliche Posten. 241 Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 147 ff. 242 Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 148 f. 243 Vgl. ebenda.

170

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

• die technische Realisierbarkeit der Fertigstellung des Vermögensgegenstandes, damit dieser zur internen Nutzung oder zum Verkauf zur Verfügung steht; • die Absicht zur Weiterentwicklung und Fertigstellung bzw. zur Nutzung oder zum Verkauf; • die Fähigkeit zur Nutzung oder zum Verkauf; • die Erläuterung der Art und Weise, in welcher der immaterielle Vermögensgegenstand einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen generiert. Hierzu gehört der Nachweis der Existenz eines Marktes oder bei interner Nutzung der Brauchbarkeit für das Unternehmen; • die Verfügbarkeit adäquater technischer, finanzieller und anderer Mittel zum Abschluss der Entwicklung und zur Nutzung bzw. Verkauf; • die Fähigkeit, die dem immateriellen Vermögenswert während seiner Entwicklung zurechenbaren Ausgaben zuverlässig zu bewerten. Die Notwendigkeit von Informationen aus dem internen Rechnungswesen wird beim Nachweis des künftigen wirtschaftlichen Nutzens deutlich. Hierzu bedarf es zukünftiger Cash Flows. Neben den prognostizierten Einnahmen, die mit dem immateriellen Vermögenswert in Verbindung stehen, müssen die zurechenbaren Ausgaben erfasst werden. Dies bedarf eines funktionsfähigen Projektcontrolling mit einer zielgerichteten Kostenstellenrechnung. Die Eignung der durch die Bilanzierung nach IFRS bereitgestellten Informationen für Steuerungszwecke lässt sich wiederum anhand der vier oben genannten Anforderungen an eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung überprüfen. Hinsichtlich des Kriteriums der Relevanz führt die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach IFRS im Vergleich zum Bilanzierungsverbot nach HGB zu einer zeitnaheren Darstellung der wirtschaftlichen Realität. Allerdings führen die oben dargestellten engen Ansatzkriterien zu einer Einschränkung der Anforderung der Relevanz der Abbildung. Die große Anzahl an Ermessensspielräumen, z.B. hinsichtlich des wirtschaftlichen Nutzens oder der Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung, schränkt die Erfüllung der Anforderungen der Vergleichbarkeit und der Objektivität ein. Hier wirken die engen Ansatzkriterien wiederum zu Gunsten der Vergleichbarkeit und Objektivität. Die identifizierten Mängel in Bezug auf Vergleichbarkeit und Objektivität beeinflussen ebenfalls die Verständlichkeit und Akzeptanz, z.B. bei der Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung, und damit die Kommunikationsfähigkeit negativ. Die Aktivierung selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände nach IFRS führt zu einer Ergebnisverbesserung der dezentralen Bereiche. Hierdurch wird ein

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Anreiz für dezentrale Bereiche geschaffen, in zukünftige Erfolgspotenziale zu investieren (Erhöhung der Zielkongruenz). Allerdings wirkt der aufgrund der Ansatzkriterien verhältnismäßig späte Aktivierungszeitpunkt wiederum negativ auf die Zielkongruenz. Ebenfalls widersprechen die konkreten Aktivierungsverbote für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände der IFRS dem Kriterium der Zielkongruenz. Insgesamt besteht aus der Sicht einer kontrollorientierten Unternehmensteuerung hinsichtlich Bilanzierung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS regelmäßig ein Zielkonflikt zwischen den Anforderungen der Zielkongruenz bzw. Relevanz einerseits und der Objektivität andererseits. Dieser Konflikt wird wohl auch nicht durch die geplante Einschränkung der Ermessensspielräume244 vollständig beseitigt werden können.245 Für eine interne Kontrollrechnung zur Unternehmenssteuerung haben jedoch die Relevanz und die Zielkongruenz Vorrang vor der Objektivität, da diese bei vielen internen Ansätzen fraglich ist. In der betrieblichen Praxis werden Entwicklungskosten im internen Rechnungswesen meist ebenfalls als Kosten verrechnet. Eine unter kostenrechnerischen Aspekten durchgeführte Aktivierung und planmäßige Abschreibung erfolgt in der Regel selten. Daher stellt die Bilanzierung von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen nach IFRS für den Großteil der Unternehmen in Bezug auf die Eignung der Informationen für interne Unternehmenszwecke eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Situation dar. Außerdem wäre eine nachträgliche Aktivierung bzw. planmäßige Abschreibung der vor dem Aktivierungszeitpunkt nach IFRS angefallenen Entwicklungskosten in einer Nebenrechnung problemlos möglich. Leasingtransaktionen Für den Unternehmer bietet das Leasing die Möglichkeit, Investitionsgüter für eine begrenzte Dauer gegen Entgelt zu nutzen bzw. zu gebrauchen, ohne das zivilrechtliche Eigentum daran zu erwerben. Für den Leasingnehmer sind damit positive Liquiditätswirkungen verbunden. Darüber hinaus können neben steuerlichen Vorteilen durch den Nichtansatz von Vermögenswerten Bilanzkennzahlen verbessert werden246. Für die Bilanzierung liegt das wesentliche Problem in der Frage, ob der Leasinggegenstand dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zugerechnet wird.

244 245 246

Diese sollen im Rahmen eines sogenannten Improvement Projekts beseitigt werden. So auch Klein, Konvergenz, 1999, S. 73. Durch den Nichtansatz des Vermögensgegenstands in der Bilanz des Leasingnehmers werden bestimmte Bilanzkennzahlen wie z.B. der Verschuldungsgrad oder die Eigenkapitalquote verbessert.

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Im HGB liegen keine expliziten Zurechnungskriterien für Leasinggegenstände vor, sodass man sich an den steuerlichen Zurechnungskriterien, die durch BFHRechtsprechung und Finanzverwaltung entwickelt wurden, orientiert. Hiernach wird grundsätzlich zwischen Finanzierungsleasing und Verträgen, welche die Voraussetzung für Finanzierungsleasing nicht erfüllen (sog. Operating Leasing) unterschieden. Von Operating Leasing spricht man, wenn der juristische Eigentümer (Leasinggeber) gegenüber dem Nutzer (Leasingnehmer) nur die Pflege, Wartung, Reparatur und sonstige Arbeiten im Zusammenhang mit dem Gegenstand übernimmt und das Mietverhältnis jederzeit kündbar ist. Für diesen Fall wird der Leasinggegenstand beim Leasinggeber bilanziert. Finanzierungsleasing liegt vor, wenn das Vertragsverhältnis über längere Zeit unkündbar ist und die Leasingraten die Finanzierungsund Nebenkosten decken. In diesem Fall ist das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zuzurechnen. Dieser hat den Leasinggegenstand zu aktivieren und gleichzeitig die Leasingverbindlichkeit zu passivieren.247 Entsprechend der Beurteilung im HGB wird nach IFRS die Zugehörigkeit von Vermögensgegenständen ausschließlich anhand von wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt. Dies basiert auf dem Rahmengrundsatz „substance over form“. Nach diesem Grundsatz ist gemäß IAS 17 der Leasinggegenstand beim Leasingnehmer zu aktivieren, wenn alle wesentlichen Risiken und Chancen, die mit dem Leasinggegenstand verbunden sind, auf den Leasingnehmer übertragen werden. In diesem Fall wird nach IAS 17 von einem Finanzierungsleasing („finance lease“) gesprochen. Alle anderen Leasingverhältnisse werden als „operating lease“ bezeichnet. Zur Erleichterung der Einstufung als finance- oder operating lease werden in IAS 17 konkrete Beispiele und Indikatoren gegeben. Hierbei handelt es sich jedoch weder um abschließend wirkende noch zwingend notwendige Prüfkriterien.248 Insgesamt sind die IFRS in ihren Kriterien für die Qualifizierung als Finanzierungsleasing wesentlich weiter als nach HGB, weshalb Leasingnehmer nach IFRS mehr Vermögenswerte zu aktivieren und abzuschreiben haben.249 Organisatorisch würde dies, für den Fall, dass nur der Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen ist, eine doppelte Anlagenbuchführung notwendig machen. Diese muss eine eindeutige Identifikation der zum jeweiligen Anlagevermögen gehörenden Wirtschaftsgüter ermöglichen. Für die Bilanzierung von Leasinggegenständen nach den IFRS sind keine speziellen Daten aus dem internen Rechnungswesen notwendig. Es existiert hier in der Regel kein Überschneidungsbereich zwischen internem und externem Rechnungswesen

247

Vgl. Coenenberg, Jahresabschluss, 2005, S. 83. Vgl. Klein, Konvergenz, 1999, S. 73 f. 249 Vgl. Lorson, Harmonisierung, 2007, S. 313 f. 248

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173

auf Basis der IFRS, da der Unterschied zum HGB sich nur in der Anlagenbuchhaltung widerspiegelt. Die Verwendbarkeit der Informationen aus der IFRS- Bilanzierung für eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung wird wieder anhand der bekannten Anforderungen untersucht. Grundsätzlich ist die IFRS- Bilanzierung auf Basis der mit einem Leasingobjekt verbundenen Chancen und Risiken aus Sicht der Unternehmenssteuerung positiv zu bewerten. Das Abstellen auf das wirtschaftliche Eigentum genügt damit den Anforderungen Relevanz und Zielkongruenz der Kontrollrechnung. Negativ auf Relevanz, Objektivität und Zielkongruenz der Kontrollrechnung wirken sich die zahlreichen Sachverhaltsgestaltungsmöglichkeiten aus.250 Die Bilanzierung nach IFRS ist hinsichtlich der Kriterien Verständlichkeit und Akzeptanz aufgrund des Abstellens auf den wirtschaftlichen Gehalt des Leasing positiv zu bewerten Insgesamt ist die Bilanzierung von Leasinggegenständen nach IFRS als Basis für eine steuerungsorientierte Kontrollrechnung als geeignet anzusehen. Segmentberichterstattung Zur Abmilderung der Informationsverzerrungen bzw. -defizite, die durch die Aggregation unterschiedlicher Tätigkeiten auf unterschiedlichen regionalen Märkten im Jahresabschluss oder Konzernabschluss entstehen, wurde mit Einführung des KonTraG die Pflicht zur Aufstellung einer Segmentberichterstattung für börsennotierte Konzernabschlüsse (§ 297 Abs. 1 Satz 2 HGB) eingeführt. Hierdurch sollen die spezifischen Chancen und Risiken einzelner Unternehmensaktivitäten für externe Bilanzleser transparent werden. Ziel ist es, dem internen und externen Entscheidungsträger entscheidungsrelevante Informationen über Erfolgspotenziale und Zukunftsperspektiven in disaggregierter Form bereitzustellen. Die Verpflichtung zur Aufstellung eines Segmentberichts beschränkt sich nach IFRS 8 auf kapitalmarktorientierte Unternehmen. Entgegen IAS 14, welcher eine Unterscheidung nach dem Risk-and-Reward-Approach251 vorsah, folgt IFRS 8 dem sogenannten full management approach. D.h., dass sich Form und Inhalt der Segmentberichterstattung an der internen Berichterstattung an den Vorstandsvorsitzenden orientiert. Grundsätzlich sind somit die Segementdefinitionenm Berichtsmerkmale und 250 251

So auch Klein, Konvergenz, 1999, S. 74. Nach dem Risk-and-Reward-Approach ist eine Differenzierung der Segemente nach leistungsbezogenen, sachlichen Geschäftsfeldern („business segments“) und nach regionalen Geschäftsfeldern („geographical segments“) erforderlich. Die Abgrenzung erfolgte nach Chancen- und Risikogesichtspunkten von anderen Segementen.

174

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Wertangaben zu diesen Berichtsmerkmalen aus dem internen Bereich zu übernehmen.252 Die IFRS 8 führen zu einer Annäherung von interner und externer Unternehmensrechnung. Durch die Übernahme der internen Berichterstattung als integraler Bestandteil der externen Unternehmensrechnung liegt eine weitgehende Harmonisierung bereits vor.

5.3 Harmonisierung der Datenbasis Für den in Kapitel 5.1 allgemein beschriebenen Konvergenzbereich der steuerungsorientierten Kontrollrechnung und der Informationsfunktion des externen Rechnungswesens (vgl. insbesondere Abbildung 67) soll im Folgenden die Datenbasis für das harmonisierte Rechnungswesen untersucht werden. In der Betriebswirtschaft wird zwischen dem pagatorischen und dem wertmäßigen Kostenbegriff unterschieden. Der pagatorische Kostenbegriff basiert ausschließlich auf Auszahlungen, d.h. historischen Anschaffungskosten und ist damit zahlungsbzw. beschaffungsmarktorientiert. Der wertmäßige Kostenbegriff basiert auf dem bewerteten Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen zur Erstellung und zum Absatz betrieblicher Produkte und Leistungen sowie zur Aufrechterhaltung der hierfür notwendigen Betriebsbereitschaft. Der wertmäßige Kostenbegriff ist somit leistungsorientiert. Der wertmäßige Kostenbegriff ist umfassender konzipiert als der pagatorische Kostenbegriff. Die Wertansätze des wertmäßigen Kostenbegriffs stimmen zwar häufig mit den pagatorischen Ansätzen überein, können jedoch je nach Rechnungszweck andere Werte annehmen.253 Das externe Rechnungswesen auf Basis des HGB baut im Wesentlichen auf dem pagatorischen Kostenbegriff auf. Hier werden zur Ermittlung des Betriebsergebnisses Aufwendungen und Erträge einander gegenübergestellt. Das interne Rechnungswesen basiert auf dem wertmäßigen Kostenbegriff. Das Betriebsergebnis wird durch Gegenüberstellung von Kosten und Leistungen ermittelt.

252

So. Lorson, Harmonisierung, 2007, S. 308 f.

253

Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 637.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

175

Während das externe Rechnungswesen auf Basis des HGB auf die Nominalkapitalerhaltung254 ausgerichtet ist, ist die Kostenrechnung meist auf die Substanzerhaltung255 ausgerichtet. Wesentlicher Grund für die konzeptionelle Loslösung der Kostenrechnung von der Aufwandsrechnung sind die sogenannten kalkulatorischen Kosten (Ertrag). Der Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Kosten wird in folgender Abbildung verdeutlicht.

Neutraler Aufwand

Zweckaufwand Grundkosten

Anderskosten

Zusatzkosten

Kalkulatorische Kosten Gesamtkosten Abbildung 70: Abgrenzung von Aufwendungen und Kosten

Im Folgenden wird untersucht, inwieweit der Ansatz kalkulatorischer Kosten bei einer Aufwandsrechnung auf Basis der IFRS noch notwendig ist. Wie aus Abbildung 70 ersichtlich, setzen sich die kalkulatorischen Kosten aus Anders- und Zusatzkosten zusammen. Anderskosten werden sowohl im externen Rechnungswesen (Finanzbuchhaltung) als Aufwand als auch im internen Rechnungswesen (Betriebsbuchführung) als Kosten erfasst. Der Unterschied liegt in der Preiskomponente (Wertgerüst), da in der internen Rechnung leistungsorientierte Knappheitspreise (Opportunitätskosten) und keine an historischen Anschaffungskosten orientierten Wertansätze herangezogen

254

255

Die Erhaltung des nominal eingesetzten Kapitals bedeutet, dass nur dieses über den Werteverzehr erfasst werden darf. Eine Geldentwertung, d.h. Steigerungen der Wiederbeschaffungswerte des Vermögens werden hierbei nicht berücksichtigt. Die Substanzerhaltung hat im Gegensatz zur Nominalkapitalerhaltung das Ziel, die Betriebsbereitschaft sicherzustellen. Hierzu kann mehr oder weniger als das nominal eingesetzte Kapital notwendig sein. Die Bewertung des Vermögens orientiert sich dabei an den Wiederbeschaffungswerten.

176

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werden. Zu den Anderskosten zählen die kalkulatorischen Abschreibungen, kalkulatorischen Zinsen und kalkulatorischen Wagnisse.256 Zusatzkosten wiederum werden nur in der Kostenrechnung erfasst und haben in der Finanzbuchführung kein Äquivalent. Zusatzkosten tauchen weder wert- noch mengenmäßig im Rahmen des externen Rechnungswesens auf. Zu den Zusatzkosten zählen der kalkulatorische Unternehmerlohn und die kalkulatorische Miete. Kalkulatorische Abschreibung Ziel der Abschreibung ist es grundsätzlich, den Werteverzehr von abnutzbarem Anlagevermögen verursachungsgerecht über die Perioden der Nutzung hinweg zu erfassen. Nach IAS 16 bzw. IAS 38 ist bei planmäßiger Abschreibung das Abschreibungsvolumen von Sachanlagen bzw. immateriellen Vermögensgegenständen auf die Nutzungsdauer zu verteilen. Als Abschreibungsvolumen werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten herangezogen („Benchmark Treatment“), dies entspricht dem oben genannten Prinzip der Nominalkapitalerhaltung. Der Wertansatz der Vermögensgegenstände und somit das Abschreibungsvolumen kann aber auch nach der alternativ zulässigen Methode gemäß IAS 16.29 nach dem erstmaligen Ansatz zu einem Neubewertungsbetrag erfolgen. Dieser Neubewertungsbetrag ergibt sich aus dem beizulegenden Zeitwert am Tage der Neubewertung abzüglich nachfolgender kumulierter planmäßiger Abschreibungen. Für Grundstücke und Gebäude sollten der Neuwert bzw. Zeitwerte unter Zuhilfenahme eines Wertgutachtens ermittelt werden. Für technische Anlagen und Maschinen sowie Betriebs- und Geschäftsausstattung ist der geschätzte Marktwert oder hilfsweise der fortgeführte Wiederbeschaffungswert anzusetzen. Falls die Neubewertung angewendet wird, ist sie für die gesamte Vermögensgruppe vorzunehmen, zu der der Vermögenswert gehört. Die Neubewertung ist erfolgsneutral innerhalb einer Neubewertungsrücklage im Eigenkapital auszuweisen. Eine mögliche Abwertung des Buchwerts durch die Neubewertung ist hingegen erfolgswirksam auszuweisen. Bei einer Erhöhung des Buchwerts durch die Neubewertung erhöht sich die zukünftige Abschreibung.257 Die kalkulatorische Abschreibung der Kostenrechnung hat neben der Verteilungsfunktion noch zusätzlich die Finanzierungsfunktion wahrzunehmen. Die kalkulatorische Abschreibung soll sicherstellen, dass die durch den Produktionsprozess verbrauchten Betriebsmittel über die zahlungswirksame Vergütung durch den Markt (Umsatzprozess) wieder neu beschafft werden können. Der hiermit verbundene Zweck ist in der Substanzerhaltung bzw. Sachkapitalerhaltung zu sehen. Aus diesem Grund werden im internen Rechnungswesen Änderungen gegenüber der bilanziellen

256 257

Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 642. Vgl. hierzu Heyd, Rechnungslegung, 2003, S. 178 ff.; Lorson, Harmonisierung, 2007, S. 312.

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177

Abschreibung vorgenommen. Da in Zeiten steigender Preise die kumulierten, vom Markt erwirtschafteten Abschreibungsbeträge auf Basis der ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für eine Reinvestition nicht ausreichen, muss von den Wiederbeschaffungskosten abgeschrieben werden. Hierdurch wird auch bei steigenden Preisen die Durchführung der Produktion sowie die Kapazitätserhaltung gewährleistet. Da es meist sehr schwer ist, den Wiederbeschaffungswert zu ermitteln, werden anstatt dessen häufig Tageswerte angesetzt. Bei der Abschreibungsdauer soll im internen Rechnungswesen unabhängig von der steuerlich angesetzten Nutzungsdauer die tatsächlich geplante Nutzungsdauer angesetzt werden. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit einzelner Perioden sowie zur Beibehaltung der Kontinuität bei der Kostenverrechnung und damit der Preispolitik werden unabhängig von der geschätzten Nutzungsdauer solange kalkulatorische Abschreibungen verrechnet, wie das Wirtschaftsgut tatsächlich in Nutzung ist. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass kalkulatorische Abschreibungen „über Null hinaus“ veranschlagt werden. Hinsichtlich der Wahl des Abschreibungsverfahrens stehen im internen Rechnungswesen dieselben Verfahren zur Verfügung wie im externen Rechnungswesen nach HGB. Aufgrund der Zielsetzung einer gleichmäßigen, verursachungsgerechten Verteilung der Abschreibung werden in der Kostenrechnung hauptsächlich die lineare Abschreibung und die Leistungsabschreibung angewendet. Die Vorgehensweise der Neubewertung entspricht der im internen Rechnungswesen häufig verwendeten Ermittlung der Wiederbeschaffungskosten anhand von Tageswerten. Hier wäre bei Verwendung der alternativen Methode nach IFRS eine Harmonisierung zwischen bilanzieller Abschreibung und kalkulatorischer Abschreibung hinsichtlich des Ziels der Substanzerhaltung denkbar. Für den Fall, dass nach der Benchmark- Methode verfahren wird, ist ein denkbarer Harmonisierungsansatz, im internen Rechnungswesen auf den Ansatz von Wiederbeschaffungskosten zu verzichten. Statt dessen wird eine kalkulatorische Substanzerhaltungsrücklage gebildet. Diese sollte dann in einer differenzierenden Gewinnkalkulation als Gewinnbestandteil berücksichtigt werden, d.h. es entsteht erst ein positives Ergebnis, wenn die Erlöse über die kalkulatorische Substanzerhaltungsrücklage hinausgehen.258 Hinsichtlich der Nutzungsdauer schreiben die IFRS eine Verteilung über die wirtschaftliche Nutzungsdauer der Vermögensgegenstände vor. Dies stimmt mit den Zielsetzungen der kalkulatorischen Abschreibung überein. Ein wesentliches Problem für die Konvergenz liegt in den kalkulatorischen Abschreibungen „über Null hinaus“, d.h., dass die kalkulatorische Abschreibung auch über die voraussichtlich geschätzte Nutzungsdauer hinaus angesetzt wird. Dies ist nach den Vorschriften der IFRS nicht zulässig. Dem Problem der mangelnden Vergleichbarkeit kann hier dadurch begegnet werden, dass für die interne Kalkulationsrechnung die Abschreibungen für die Bestimmung des Betriebsergebnisses hinzugerechnet werden (separater 258

Analog für das HGB vgl. Männel, Harmonisierung, 1999, S. 20.

178

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

Bestandteil in der Ergebnisrechnung). Die zweite Argumentation für die kalkulatorische Abschreibung „über Null hinaus“ wird in der Kontinuität der Kostenverrechnung und der damit einhergehenden glaubwürdigen Preiskalkulation gesehen. Allerdings sind die zur Substanzerhaltung notwendigen Beträge bereits vollständig über die kalkulatorischen Abschreibungen verdient worden und sollten daher die künftige Preispolitik nicht durch eine Doppelverrechnung von Abschreibungen belasten.259 Hinsichtlich der zulässigen Abschreibungsmethoden sind nach IAS 16.47 lineare, degressive und die leistungsbezogene Abschreibung zulässig. Die Wahl der Abschreibungsmethode ist an den erwarteten wirtschaftlichen Nutzenverlauf gebunden. Ein Wechsel der Methoden kommt daher nur bei einem Wechsel im erwarteten Nutzenverlauf in Betracht. Die Zielsetzung einer Abbildung des erwarteten wirtschaftlichen Nutzenverlaufs deckt sich mit den Zielsetzungen der kalkulatorischen Abschreibung. Für eine Harmonisierung sollte unter Vergleichbarkeitsgesichtspunkten auf die lineare oder die leistungsbezogene Abschreibungsmethode zurückgegriffen werden. Kalkulatorische Zinsen Nach IAS 1 liegt für die Gewinn- und Verlustrechnung kein verbindliches Gliederungsschema vor. Fremdkapitalzinsen werden auch nicht unter den nach IFRS vorgegebenen Mindestausweisposten aufgeführt. Entsprechend IAS 23 sind Fremdkapitalkosten grundsätzlich erfolgswirksam als Aufwand zu verrechnen. Alternativ können Fremdkapitalkosten, die direkt dem Erwerb, dem Bau oder der Herstellung eines qualifizierten Vermögensgegenstandes zugerechnet werden können, aktiviert werden. Im internen Rechnungswesen werden die Fremdkapitalzinsen nicht in die Kostenrechnung übernommen, sondern durch Zinsen auf das betriebsnotwendige Kapital ersetzt. Dies wird damit begründet, dass nicht nur Fremdkapitalgeber eine Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals verlangen, sondern dass ebenfalls eine Verzinsung des Eigenkapitals erfolgen muss. Durch die Berücksichtigung der so definierten kalkulatorischen Zinsen ist bei der Gewinnermittlung auch die Verzinsung des Eigenkapitals berücksichtigt. Aufgrund der unüberwindbaren Problematik der Zuordnung auf betriebsnotwendiges Vermögen empfiehlt es sich, die Fremdkapitalzinsen nicht als Kosten bzw. Aufwand zu erfassen. Die Fremdkapitalzinsen sind als Gewinnbestandteil durch die Ertragskraft des gesamten Unternehmensvermögens zu tragen (vgl. auch Arbeitskreis Internes Rechnungswesen, 1999, S. 57). Der Ansatz von Zinsen auf das betriebsnotwendige Eigenkapital ist unter IFRS nicht erlaubt. Zur Angleichung an das externe Rechnungswesen nach IFRS könnten die Zinsen auf das Fremd- und das 259

Vgl. Männel, Harmonisierung, 1999, S. 20.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

179

Eigenkapital im internen Rechnungswesen als spezifische Gewinnbestandteile berücksichtigt werden. Männel schlägt vor, die Betriebsergebnisrechnung hierzu als Kapitalverwendungserfolgsrechnung auszugestalten.260 Kalkulatorische Wagnisse Unter Wagnissen ist die Gefahr des Eintritts von Schadensfällen und Verlusten betrieblicher Tätigkeiten zu verstehen, die bezüglich ihrer Höhe sowie ihrem Zeitpunkt des Eintretens nicht vorhersehbar sind. Kalkulatorische Wagnisse werden im internen Rechnungswesen korrespondierend zu den handelsbilanziell erfassten Schadensaufwendungen bei Anfall bzw. zu den am Geschäftsjahresende hierfür gebildeten Rückstellungen kontinuierlich jede Periode gebucht. Hierdurch werden die aperiodisch anfallenden Verluste in der Kostenrechnung so erfasst, als müsse der Betrieb für das Risiko eine Versicherungsprämie bezahlen. Dies führt vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit einzelner Perioden zu einer gleichmäßigen Belastung der einzelnen Perioden. Grundsätzlich ist zwischen zwei Arten von Wagnissen zu unterscheiden. Das allgemeine Unternehmerwagnis erfasst Verluste, die das Unternehmen ohne unmittelbaren Bezug zur Leistungserstellung als Ganzes betreffen, wie z.B. Inflation, Konjunkturrückgang. Diese Risiken sind nicht kalkulierbar und werden weder im externen noch im internen Rechnungswesen erfasst, sondern über den Gewinn abgegolten261. Bei der zweiten Art von Wagnissen handelt es sich um spezielle Wagnisse, die direkt mit der betrieblichen Leistungserstellung zusammenhängen. Insgesamt werden bei den speziellen Wagnissen nur nicht versicherte oder nicht versicherbare Wagnisse im internen Rechnungswesen erfasst, wie z.B. Beständewagnis, Anlagenwagnis, Gewährleistungswagnis, Vertriebswagnis, Entwicklungswagnis oder sonstige Wagnisse. Eine Harmonisierung zwischen dem internen Rechnungswesen und dem externen Rechnungswesen auf Basis der IFRS kann dadurch erreicht werden, dass kalkulatorische Wagnisse nur in dem Ausmaß angesetzt werden, wie im externen Rechnungswesen damit korrespondierende Rückstellungen (IAS 37) gebildet werden können. Die Rückstellungsbildung hat für diesen Fall entsprechend der Periodeneinteilung des internen Rechnungswesens zu erfolgen. Hier müssten entsprechend der Vorgehensweise beim Jahresabschluss nach Ablauf einer Periode des internen Rechnungswesens, z.B. monatlich, Rückstellungen gebildet bzw. aufgelöst werden. Darüber hinaus muss die Abschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeiten im internen Rechnungswesen mit denen des externen Rechnungswesens abgestimmt werden. Der Wagnisbildung bzw. Rückstellungsbildung haftet nach wie vor die Prog-

260 261

Vgl. Männel, Harmonisierung, 1999, S. 19. Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 668.

180

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

noseproblematik an. Dennoch ist die periodengerechte Erfassung der Wagnisse als sinnvoll anzusehen.262 Wie bereits angesprochen, dürfen unter Harmonisierungsgesichtspunkten Wagnisse nur für korrespondierende Rückstellungen oder sonstige Aufwandsbuchungen gebildet werden. Rückstellungen nach sind nach IAS 37 eine besondere Art von Verpflichtungen, die sich durch Ungewissheit bezüglich ihrer Höhe oder bezüglich ihres Eintritts auszeichnen. Für die Bildung einer Rückstellung muss eine aus der Vergangenheit resultierende gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens vorliegen, deren Begleichung einen messbaren Abfluss von Ressourcen nach sich zieht. Der Eintritt der Verpflichtung muss wahrscheinlich sein. Im folgenden soll überprüft werden, inwieweit für die einzelnen Wagnisse periodische Rückstellungen gebildet werden können. Das Beständewagnis hat als korrespondierende Aufwandsbuchung die Inventurdifferenzen am Jahresende. Eine monatliche Erfassung eines Beständewagnisses, welche beispielsweise einen bestimmten Prozentsatz auf den Wert der Lagebestände anwendet, ist nicht mit den Grundsätzen des externen Rechnungswesens vereinbar. Hier wäre eine Harmonisierung nur denkbar, wenn nach jeder Periode, also z.B. monatlich eine Inventur durchgeführt wird und die Differenzen gebucht würden. Ein Anlagenwagnis, z.B. in Form eines aus der Statistik über ausgefallene und entwertete Anlagen stammenden Prozentsatzes auf den Wert des Anlagevermögens, kann nicht durch eine Rückstellung erfasst werden. Im externen Rechnungswesen muss die Ursache für die Wertberichtigung im Geschäftsjahr liegen. Ein solches Wagnis kann nicht harmonisiert werden. Das Gewährleistungswagnis als Prozentsatz auf den Umsatz der mit Garantie gelieferten Erzeugnisse kann im externen Rechnungswesen durch eine Gewährleistungsrückstellung abgebildet werden. Diese Rückstellung kann periodenweise angepasst werden. Hier wäre eine Harmonisierung problemlos möglich. Ein Vertriebswagnis, z.B. als Ausfallprozentsatz auf den Forderungsbestand, wird im externen Rechnungswesen nach IFRS durch Pauschalwertberichtigung, ggf. Einzelwertberichtigung auf Forderungen berücksichtigt. Die Bildung einer solchen Wertberichtigung könnte in einem harmonisierten Rechnungswesen in jeder Periode erfolgen. Eine Harmonisierung ist daher ebenfalls problemlos möglich. Für ein Entwicklungswagnis, z.B. als Prozentsatz für fehlgeschlagene Entwicklungsarbeiten auf die Entwicklungskosten der Periode, gibt es im externen Rechnungswesen keine korrespondierende Rückstellung. Explizit wird eine Fehlentwicklung nur als außerplanmäßige Abschreibung gebucht. Hierzu muss allerdings die

262

Vgl. Männel, Harmonisierung, 1999, S. 18f.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

181

materielle Entwicklung vorher aktiviert werden (siehe hierzu Anlagenwagnis). Aus diesem Grund ist eine Harmonisierung für Entwicklungswagnisse nicht möglich. Für die oben angeführten sonstigen Wagnisse ist ebenfalls der Ansatz einer Rückstellung unmöglich, da es an einem Ereignis in der Vergangenheit fehlt, das Aufwendungen in der Zukunft verursacht. Daher ist für diese Wagnisse ebenfalls keine Harmonisierung denkbar. Einen weiteren zu betrachtenden Harmonisierungsbereich stellen die Instandhaltungsaufwendungen des externen Rechnungswesen dar. Diese werden nur bei Anfall gebucht. Im internen Rechnungswesen werden sie als kalkulatorische Wagnisse erfasst. Hier kann sich eine zusätzliche Harmonisierungslücke ergeben, da nach IFRS Aufwandsrückstellungen im Gegensatz zum deutschen HGB nicht gebildet werden dürfen. Einer Rückstellung nach IFRS muss eine Außenverpflichtung zugrunde liegen. Bei der hier vorliegenden Innenverpflichtung fehlt die unmittelbare Verpflichtung gegenüber einem Dritten. Eine Harmonisierung kann nur durch eine Periodisierung der geschätzten Instandhaltungsaufwendungen erreicht werden. Weichen die tatsächlichen Aufwendungen von den periodisierten geschätzten Instandhaltungsaufwendungen ab, so muss dies in der letzten Periode des Geschäftsjahres angepasst werden. Hierdurch kann jedoch die Vergleichbarkeit der Periodenergebnisse beeinträchtigt werden. Kalkulatorischer Unternehmerlohn Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften dürfen für die im Unternehmen tätigen Unternehmer keine Gehaltsaufwendungen gebucht werden. Andernfalls würde der Unternehmer quasi „an sich selbst“ Gehalt zahlen, da bei Personengesellschaften im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften nicht das Trennungsprinzip vorherrscht. Die Entlohnung für die Tätigkeit des Unternehmers wird mit dem Gewinn abgegolten. In der Kostenrechnung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird dagegen der Ansatz eines fiktiven Unternehmerlohns aus zwei Gründen vorgeschlagen: • Die Arbeitsleistung des Unternehmers wird dadurch in der Kalkulation berücksichtigt. • Die Kostenrechnung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen ist damit vergleichbar. Der kalkulatorische Unternehmerlohn wird in der Regel nach dem Opportunitätskostenprinzip ermittelt, d.h. der Unternehmer setzt das Gehalt an, das er in einer vergleichbaren Position bei gleicher Arbeitsleistung am Markt erhalten würde. Im externen Rechnungswesen nach IFRS und damit auch in einem harmonisierten Rechnungswesen ist der Ansatz eines kalkulatorischen Unternehmerlohns bei Ein-

182

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

zelunternehmen und Personengesellschaften nicht möglich. Bezüglich der Kalkulation kann die oben vorgeschlagene differenzierende Gewinnkalkulation herangezogen und die Entlohnung des Unternehmers als Gewinnkomponente gesehen werden. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Rechnungslegung lässt sich sagen, dass in der Regel ein Vergleich zwischen verschiedenen Gesellschaften unterschiedlicher Rechtsform sehr selten ist und auch hier ein fiktiver Unternehmerlohn bei der Gewinnanalyse berücksichtigt werden kann. Kalkulatorische Miete Stellt der Unternehmer seine privaten Räumlichkeiten für betriebliche Zwecke zur Verfügung, so gilt für Einzelunternehmen und Personengesellschaften wiederum, dass diese bilanziell nicht aufwandswirksam berücksichtigt werden dürfen, weil es sich auch hier aufgrund des fehlenden Trennungsprinzips zwischen Unternehmer und Gesellschaft um eine Zahlung des Unternehmers „an sich selbst“ handeln würde. Aus diesem Grund ist der Ansatz einer kalkulatorischen Miete im internen Rechnungswesen nur bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften notwendig, da diese keine rechtswirksamen schuld- und arbeitsrechtlichen Verträge mit den Personengesellschaftern oder Einzelunternehmern abschließen können. Als Gründe für den Ansatz werden dieselben wie beim kalkulatorischen Unternehmerlohn angeführt. Der Ansatz kann entweder nach der durchschnittlichen Miete vergleichbarer Räume oder der Miete, die sich bei Vermietung der Räumlichkeiten erzielen lassen würde (Opportunitätskostenprinzip), erfolgen. Der Ansatz kalkulatorischer Miete im internen Rechnungswesen ist umstritten, da für die eigenen Räumlichkeiten bereits Kosten in anderen kalkulatorischen Posten, wie z.B. kalkulatorische Abschreibung oder kalkulatorische Zinsen bzw. Instandhaltungskosten verrechnet wurden. In einem harmonisierten Rechnungswesen auf Basis der IFRS ist der Ansatz von kalkulatorischer Miete nicht möglich. Aufgrund der genannten Kritik und der zum großen Teil erfolgten Erfassung in anderen Aufwandsarten erscheint diese Harmonisierungslücke vertretbar. Herstellungskosten versus Herstellkosten Ein weiterer Unterschied zwischen dem internen und externen Rechnungswesen ist in der Bestandsbewertungskonzeption zu sehen. Im externen Rechnungswesen nach HGB müssen selbsterstellte Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sowie unfertige und fertige Erzeugnisse gemäß § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungskosten bewertet werden. Der Wertansatz für die Herstellungskosten kann zwischen einer handelsrechtlichen Wertuntergrenze und einer Wertobergrenze liegen. Es müssen die Materialeinzelkosten, Fertigungseinzelkosten

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

183

sowie die Sondereinzelkosten der Fertigung263 angesetzt werden. Über diese handelsrechtliche Wertuntergrenze hinaus dürfen Fertigungsgemeinkosten, Materialgemeinkosten und angemessene Anteile der Verwaltungsgemeinkosten angesetzt werden (handelsrechtliche Wertobergrenze). In der Regel wird zur Vermeidung von Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz der steuerbilanzielle Wertansatz gewählt. Die steuerrechtliche Wertuntergrenze muss neben den Wertansätzen der handelsrechtlichen Wertuntergrenze zusätzlich die Material- und die Fertigungsgemeinkosten enthalten. Bezüglich der Verwaltungsgemeinkosten besteht analog zum Handelsrecht ein Wahlrecht, so dass sich die gleiche Wertobergrenze ergibt. Die Herstellkosten der internen Vollkostenrechnung entsprechen der handelsrechtlichen Wertobergrenze. Hier kommt es daher in der Regel nicht zu Divergenzen. Für kurzfristige Entscheidungsrechnungen werden im internen Rechnungswesen keine Vollkosten, sondern Grenzkosten264 für die Bewertung der unfertigen und fertigen Erzeugnisse angesetzt. Auch hier ist eine Harmonisierung mit der externen HGB- Rechnungslegung unter Berücksichtigung der Wahlrechte gemäß § 255 Abs. 2 HGB ohne weiteres möglich. Bei der Bewertung nach IFRS müssen Vorräte gemäß IAS 2 zu vollen Herstellungskosten bewertet werden. Im Gegensatz zum HGB existieren fast keine Wahlrechte für den Wertansatz. Dieser entspricht im Wesentlichen der handelsrechtlichen Wertobergrenze. Dies würde der Vorgehensweise bei der Ermittlung der Herstellkosten nach der Vollkostenrechnung entsprechen. Die für Steuerungszwecke relevanten Grenzherstellkosten sind nicht mit den IFRS vereinbar. In diesem Fall müsste für Harmonisierungszwecke die Deckungsbeitragsrechnung auf Basis von Grenzkosten zusätzlich ergänzt werden. Die Notwendigkeit einer solchen Deckungsbeitragsrechnung für die Identifizierung von Erfolgsfaktoren ist unbestritten. Hierzu müssten allerdings die Aufwandsarten nach ihrer Beschäftigungsabhängigkeit in fixe und variable Aufwendungen kategorisiert werden265.

263

264

265

Hierbei handelt es sich um besondere Kosten bei der Fertigung, die nicht den einzelnen Erzeugnissen, sondern den jeweiligen Aufträgen, die aus einer Vielzahl an gleichartigen Erzeugnissen bestehen, zugerechnet werden. Hierzu zählen Sonderbetriebskosten, z.B. für ein Modell oder ein Werkzeug, das für einen einzelnen Auftrag erforderlich ist, Konstruktionskosten oder Patent- und Lizenzkosten, die für einzelne Aufträge anfallen. Grenzkosten können als der Zuwachs der Gesamtkosten, der durch die Fertigung einer weiteren Leistungseinheit verursacht wird, bezeichnet werden. Die IFRS schreiben in IAS 2 zwar die Unterteilung in fixe und variable Produktionsgemeinkosten vor. Allerdings fließen beide in die Herstellungskosten ein, so dass die Unterscheidung für die IFRS grundsätzlich nicht notwendig ist.

184

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

5.4 Vollständige versus teilweise Integration des Rechnungswesens Wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt, existieren zwischen der externen Rechnungslegung nach IFRS, aber auch nach dem HGB, und dem internen Rechnungswesen gewisse Überschneidungsbereiche. Hier stellt sich ganz allgemein die Frage, ob die für das externe Rechnungswesen notwendigen Daten des internen Rechnungswesens zu einer Verbreiterung des externen Rechnungswesens führen („Einheitsrechnungswesen“) oder ob die Trennung zwischen den beiden Rechnungswesen beibehalten werden soll. Als dritte Alternative wäre eine teilweise Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen denkbar. Wie bereits in Abbildung 66 gezeigt, würde eine vollständige Harmonisierung nicht jedem Rechnungszweck gerecht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der steuerlichen Gewinnermittlung und der Berechnung eines ausschüttungsfähigen Periodenerfolgs bei Nominalkapitalerhaltung (Zwecke des HGB) erscheint eine steuerungsorientierte Erfolgsrechnung weitgehend unmöglich. Wie in Kapitel 5.3 gezeigt wurde, lässt sich ein Großteil der Unterschiede bei der Erfassung bereinigen, allerdings sind die Unterschiede hinsichtlich Wertmaßstäben, Zeitraum, Regelmäßigkeit und Zeitbezug für eine vollständige Harmonisierung insgesamt zu groß. Bei einer teilweisen Harmonisierung löst das externe Rechnungswesen die interne Kostenrechnung als Datenlieferant für die Steuerung ab. Hierzu muss zunächst festgelegt werden, welche internen Aufgaben mit Hilfe der Daten des externen Rechnungswesens wahrgenommen werden können und auf welchen Daten das externe Rechnungswesen basiert. Als Datenlieferant für die interne Steuerung kommt momentan nur der Konzernabschluss in Frage (vgl. Abbildung 66). Der Konzernabschluss nach HGB ist aufgrund des erweiterten bilanzpolitischen Spielraums als Informationslieferant für das interne Rechnungswesen ungeeignet. Wie bereits oben dargestellt, eignet sich die Rechnungslegung nach IFRS besser als Ausgangspunkt für eine Harmonisierung. Hinsichtlich des möglichen Harmonisierungsbereichs kommen die kurzfristigen, klassischen Entscheidungskalküle (vgl. nachfolgende Kapitel) einer entscheidungsorientierten Kostenrechnung nicht in Frage, weil sie flexibel sein müssen und sich auf einzelne Entscheidungsobjekte beziehen und dies nicht durch die laufende externe Rechnungslegung geleistet werden kann. Als möglicher Harmonisierungsbereich wird von Küting/ Lorson die Verwendung der externen Rechnungslegungsdaten für die unternehmensbezogene Steuerung in einem diversifizierten Unternehmen gesehen.266

266

Vgl. Küting, Lorson, Harmonisierung, 1999, S. 54.

5 Harmonisierung des Rechnungswesens

185

Rechnungswesen

extern

intern

Steuerungs- und Kontrollaufgaben

Entscheidungsorientierte Kostenrechnung

Periodenbezogene Ergebnisrechnung für unternehmerische Geschäftseinheiten (Konzernunternehmen, Regionen, Sparten usw.)

Kurzfristige Entscheidungsmodelle auf Produkt- und Prozeßebene

Abbildung 71: Harmonisierungsbereiche267

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es ein allen Rechnungszwecken gerecht werdendes Rechnungswesen nicht geben wird. Der Harmonisierungsbereich beschränkt sich nach der derzeitigen Rechtslage weitgehend auf die Steuerung von unternehmerischen Geschäftseinheiten mit Hilfe von externen Rechnungsweseninformationen auf Basis der IFRS.268 Die fallweise kurzfristigen Erfolgs- und Entscheidungsrechnungen bleiben für eine Harmonisierung außen vor269. Auf diese für das Controlling wesentlichen entscheidungsorientierten Rechnungen wird nachfolgend eingegangen.

267

Abbildung entnommen aus Küting, Lorson, Harmonisierung, 1999, S. 54. Vgl. Lorson, Harmonisierung, 2007, S. 319. 269 Vgl. Lorson, Harmonisierung, 2007, S. 320. 268

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen 6.1 Das Relevanzprinzip und der entscheidungsorientierte Kostenbegriff 6.1.1 Das Relevanzprinzip Das Informationsversorgungssystem im Unternehmen hat, wie bereits in Kapitel 4 dargestellt, die Aufgabe, entscheidungsrelevante Informationen für die Planung und Kontrolle bereitzustellen. Grundsätzlich stellt jede Planung ein Entscheidungsproblem dar. Es ist bei jeder Planung zwischen dem Tun und dem Unterlassen bzw. zwischen verschiedenen Handlungsalternativen zu entscheiden. In diesem Zusammenhang stellt das entscheidungsorientierte Rechnungswesen als Teil des operativen Informationsversorgungssystems entscheidungsrelevante Informationen für die Planung und Kontrolle bereit. Es ist also zukunftsorientiert. Wesentlich für das entscheidungsorientierte Rechnungswesen ist die Abgrenzung der jeweils betrachteten Entscheidungs- bzw. Kontrollprobleme. Die Lösung von Entscheidungsproblemen hängt ab von • • •

der Menge der realisierbaren Alternativen, den Begrenzungen des Handlungsspielraums und den verfolgten Zielsetzungen.

Es können für die Entscheidungsfindung herangezogen werden: Kosten, Erlöse oder sonstige Größen. Maßgebend für die Auswahl der zieloptimalen Alternative sind aber nur diejenigen Kosten, die bei den verschiedenen Alternativen unterschiedlich hoch sind. Nach dem Relevanzprinzip sind für eine Entscheidungssituation diejenigen Informationen relevant, in denen sich die Alternativen unterscheiden können. Lediglich die von den Handlungsparametern beeinflussbaren Kosten sind somit in die Entscheidung einzubeziehen. Die Art und Höhe dieser Kosten hängt vom jeweils

188

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

zu lösenden Entscheidungsproblem ab. Es handelt sich in jedem Fall um Plankosten270. Eine Beschränkung auf die relevanten Größen vereinfacht die vorzunehmenden Berechnungen. So werden beispielsweise bei einer Kalkulation nicht alle Werte einbezogen, sondern nur die, in denen sich die Alternativen unterscheiden. Hierdurch wird die Fehlerwahrscheinlichkeit der Rechnung verringert. Gleichzeitig wird durch die geringere Informationsmenge auch der Aufwand verringert und die Geschwindigkeit erhöht. Die Gewinnung von schwer ermittelbaren und unsicheren Größen, die für alle Entscheidungsalternativen gleich sind, entfällt. Welche Zahlen als relevant anzusehen sind, hängt vom jeweils vorliegenden Entscheidungsmodell ab. Das Problem, das sich durch die Einbeziehung nicht relevanter Größen ergibt, zeigt sich besonders deutlich bei der Vollkostenrechnung. Für Mengen- bzw. kurzfristige Entscheidungen nicht relevante Größen (z.B. Fixkosten) werden im Rahmen der Vollkostenrechnung mit einbezogen und auf relevante Größen bezogen. Die Entscheidungsgrundlage wird hierdurch systematisch verzerrt. Diese Wirkungen sind z.T. allerdings sehr schwer zu erkennen. Bei einer Beschränkung auf die relevanten Zahlen muss dem Entscheidungsträger stets klar sein, dass der Prozess jeweils nur unvollständig abgebildet wird. Der betreffende Entscheidungsträger muss sich bewusst machen, dass durch eine solche Rechnung immer nur die relative Vorteilhaftigkeit der betrachteten Alternative gegenüber anderen Handlungsalternativen ausgedrückt wird (vgl. hierzu Abbildung 72). In der nachfolgenden Abbildung wird die Produktkalkulation eines Produktes für zwei unterschiedliche Maschinenalternativen dargestellt. Maschine A verursacht geringere Anschaffungskosten und damit eine geringere Abschreibung als Maschine B. Maschine B ist dagegen im Vergleich zu Maschine A wesentlich stärker automatisiert, so dass geringere Maschinenbedienungskosten anfallen.

270

Im Folgenden wird immer die Kostenseite herangezogen. Die Aussagen gelten aber auch für die Erlösseite von Entscheidungen.

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

Alle Informationen

189

Relevante Informationen

Alternative 1 Alternative 2 Alternative 1 Alternative 2 Maschine A

Maschine B Maschine A

Umsatzerlöse

70.000

70.000

Material-EK

20.000

20.000

Material-GK

5.000

5.000

Fertigungslöhne

5.000

2.000

Fertigungs-GK

10.000

10.000

Abschreibung

2.000

6.000

Verwaltungs-GK

8.000

8.000

Vertriebs-GK

1.000

1.000

Gesamtkosten

51.000

52.000

Abbildung 72:

Maschine B

5.000

2.000

2.000

6.000

7.000

8.000

Beispiel zur Entscheidungsrelevanz von Informationen

Die Betrachtung nur der relevanten Informationen anstatt der gesamten anfallenden Kosten hätte die Vorteilhaftigkeit der Alternative 1 einfacher gezeigt. Hierbei muss allerdings die Entscheidung, das Produkt überhaupt mit einer der beiden Maschinen zu fertigen, bereits gefallen sein. Die Betrachtung der relativen Vorteilhaftigkeit lässt keine Aussage darüber zu, ob mit der Herstellung des Produkts insgesamt Gewinn erzielt wird. Es kann lediglich beurteilt werden, welche der beiden Maschinen bei angenommener Herstellung des Produktes, d.h. auch im Verlustfalle, die vorteilhaftere Alternative darstellt.

190

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

6.1.2 Entscheidungsorientierter Kostenbegriff nach Riebel Das Relevanzprinzip wurde von Riebel zum Prinzip der relevanten Wirkungen erweitert, in das sowohl positive als auch negative Zielwirkungen einfließen. Riebel weist darauf hin, dass sich zu vergleichende Handlungsalternativen auch hinsichtlich der positiven Zielkomponente unterschiedlich verändern können. Unabhängig von dem konkreten Zielbündel sieht Riebel zwei unabdingbare Oberziele als gegeben an: zum einen die Sicherstellung eines langfristigen finanziellen Überschusses und zum anderen die laufende Sicherung der Liquidität. Als spezielle Ausprägungen seines “Allgemeinen Relevanzprinzips” sieht Riebel den Deckungsbeitrag und den Liquiditätsbeitrag (vgl. Abbildung 73).271 Allgemeines Relevanzprinzip Änderung der positiven Zielkomponente - Änderung der negativen Zielkomponente ZIELBEITRAG ZIELBEITRAG (Änderung (Änderung der der Zielerreichung) Zielerreichung)

durch Ergreifen der betrachteten Maßnahme gegenüber dem Unterlassen

Spezielle Ausprägungen

relevante Erlöse - relevante Kosten* DECKUNGSBEITRAG DECKUNGSBEITRAG zu zu Gemeinkosten* Gemeinkosten* und und zum zum Totalgewinn Totalgewinn

relevante relevanteEinzahlungen Einzahlungen Erforderlichen- - -relevante relevanteAuszahlungen Auszahlungen falls zeitlich zu LIQUIDITÄTSBEITRAG LIQUIDITÄTSBEITRAG differenzieren!

zeitlich zu differenzieren!

*Entscheidungsorientierter KostenbegriffRiebel ((Riebel 1978): 1978): Kosten Kostensind sinddie diedurch durchdie dieEntscheidung Entscheidungüber überdas dasbetrachtete betrachteteObje Objekte kt ausgelösten ausgelösten zusätzlichen zusätzlichenAusgaben Ausgaben(einschließlich (einschließlichAuszahlungsverpflichtungen Auszahlungsverpflichtungen) )

Abbildung 73: Entscheidungsorientierter Kostenbegrif, abgeleitet aus dem Relevanzprinzip272

Aus dem Relevanzprinzip entscheidungsorientierter Rechnungen leitet Riebel seinen entscheidungsorientierten Kostenbegriff ab. Demnach sind Kosten, die durch die Entscheidung über das betrachtete Objekt ausgelösten zusätzlichen Ausgaben (einschließlich Auszahlungsverpflichtungen). Die entscheidungsorientierten Kosten 271 272

Vgl. Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990, S. 545. Abbildung entnommen aus Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990, S. 545.

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

191

sollen die negative Zielvariable in entscheidungsorientierten Rechnungen quantitativ ausdrücken. Hiernach lässt sich die Kostenentstehung auf eine einzige Entscheidung zurückführen, als deren Folge sowohl das Kalkulationsobjekt als auch die Kosten entstanden sind bzw. entstehen werden. Riebel verlangt im Hinblick auf anstehende Entscheidungen, bei der Kategorisierung der Kosten (und sonstiger Größen) die Kriterien Disponierbarkeit und Abhängigkeitsverhalten sauber zu trennen (vgl. Abbildung 74). Hierbei muss zunächst zwischen noch disponiblen und nicht mehr disponiblen Größen unterschieden werden. Innerhalb der überhaupt noch disponiblen Größen muss weiter zwischen vom Aktionsparameter abhängigen und unabhängigen Größen unterschieden werden. Angesprochen ist damit letztlich das Vorhandensein von sunk costs, d.h. dass irreversibel gewordene Ausgaben nicht mehr entscheidungsrelevant sind. ABHÄNGIGKEIT von Aktionsparameter x DISPONIERBARKEIT im Zeitpunkt t

abhängig von x

kontinuierlich

unabhängig von x

sprunghaft

Nur „fix“ bezügl. x über andere Aktionsparameter evtl. disponibel

(noch) disponibel

nicht mehr disponibel

Abbildung 74:

irreversibel vordisponiert „sunk costs“ etc. ursprüngliche Abhängigkeit (Variabilität) ist untergegangen

Disponierbarkeit und Variabilität der Kosten273

Der Riebelsche Kostenbegriff ist eng mit dem Identitätsprinzip verknüpft. Nach diesem dürfen nur solche Kosten und Erlöse einander gegenübergestellt oder einem Untersuchungsobjekt zugerechnet werden, die auf die identische Entscheidung zu-

273

Abbildung entnommen aus Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990, S. 662.

192

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

rückgehen274. Riebel sieht das Identitätsprinzip nicht als bloße Präzisierung des Verursachungsprinzips275. Er kritisiert sowohl das Verursachungsprinzip auf Basis kausaler (Ursache- Wirkung-) als auch finaler (Mittel- Zweck-) Beziehungen zwischen den verzehrten Kostengütern und den entstandenen Leistungsgütern276. Eine kausale Ursache- Wirkungs- Beziehung setzt die folgenden Merkmale voraus277: 1. Die Ursache -als wirkender Zustand- muss der Wirkung zeitlich vorausgehen. 2. Die notwendige Voraussetzung für das Eintreffen der Wirkung ist in der Ursache zu sehen. Bei Wegfall der Ursache muss mit Sicherheit damit auch die Wirkung entfallen. 3. Bei Vorliegen der Ursache muss zwangsläufig auch stets dieselbe Wirkung eintreten. Das erste Merkmal wird nach Riebel dann nicht erfüllt, wenn die Leistung als Ursache und die Kosten als Wirkung angesehen werden. Insbesondere das zweite Merkmal ist für alle notwendigen Kosten erfüllt. Das dritte Merkmal wird jedoch nur von den variablen Kosten erfüllt. Die fixen Kosten oder Bereitschaftskosten fallen per Definition auch dann nicht weg, wenn keine Leistung erbracht wird. Die Ursache- Wirkungs- Beziehung zwischen den verzehrten Kostengütern und den entstandenen Leistungsgütern sieht Riebel schon deshalb als falsch an, da derartige Beziehungen nur auf realen Vorgängen beruhen, was bei den Begriffen Kosten und Leistungen nur teilweise der Fall ist. In der Regel handelt es sich bei den Begriffen Kosten und Leistungen um Größen, welche für die rechnerische Abbildung von Wirkungen herangezogen werden. Die durch diese Größen abgebildeten Vorgänge sind nach Riebel nur zum Teil Realvorgänge, nicht aber die Realvorgänge selbst. Darüber hinaus kann nach seiner Auffassung aufgrund der Tatsache, dass der Kausalprozess auch mit einem Verlust abschließen kann, auch bei mengenmäßiger Betrachtung der Kostengüterverzehr nicht Ursache der Leistungsentstehung oder umgekehrt die Leistungsentstehung Ursache des Kostengüterverzehrs sein. Wie bei jedem Kausalprozess entsteht stets eine doppelte Wirkung, nämliche die positive Wirkung der Entstehung von Leistungsgütern und die negative Wirkung als Verbrauch von Verbrauchsgütern und Inanspruchnahme von Potenzialgütern. Diese doppelte Wirkung wird in Abbildung 75 dargestellt.

274

Vgl. Riebel, Führungsrechnung, 1992, S. 259. Riebel sieht das Verursachungsdenken durch das Identitätsprinzip nicht als aufgegeben, sondern als präzisiert an (vgl. Riebel, Deckungsbeitragsrechung, 1990, S. 418). 276 So bei Riebel, Deckungsbeitragsrechung, 1990, S. 75. 277 Siehe Riebel, Deckungsbeitragsrechung, 1990, S. 70. 275

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

193

Ebenfalls spricht sich Riebel gegen eine Interpretation des Verursachungsprinzips als finale Beziehung, bei der die Leistung als Zweck und die Kosten als Mittel betrachtet werden, aus. Der Finalprozess wird als dreiteiliger Prozess dargestellt, der am Ende einen kausal ablaufenden Realprozess beinhaltet. Die ersten beiden Teile des Finalprozesses laufen im Bewusstsein ab und lenken den Kausalprozess auf die verfolgten Zwecke hin. Gegen die eindeutige Mittel- Zweck- Beziehung zwischen Güterverzehr und Leistungserstellung wendet Riebel ein, dass bei einem gleichzeitigen und/ oder nacheinander eingesetzten Kosteneinsatzgut für die Erstellung mehrerer Leistungseinheiten eine Mittel- Zweck- Beziehung zur Einzelleistung nicht mehr eindeutig möglich ist. So besteht beispielsweise für die zur Erstellung mehrerer Leistungseinheiten genutzten Potenzialfaktoren, wie z.B. Grundstücke, Gebäude, Maschinen etc. nur eine Finalbeziehung zur Gesamtheit der daraus erstellten Leistungen, nicht aber zur Einzelleistung. Eine Mittel- Zweck- Beziehung lässt sich auch nur dann erkennen, wenn die Leistungen bereits zum Zeitpunkt der Beschaffung bzw. Bereitstellung eindeutig als Ziel bestimmt waren.278 Riebel sieht die „[...] eindeutige Gegenüberstellung von Größen, die als Wirkungen ein und desselben Kausal- oder Finalprozesses und einer identischen Entscheidungskette anzusehen sind [...]“279 als Zurechnung nach dem Identitätsprinzip. Bedeutung und Aussage des Identitätsprinzips zur Zurechnung von Kosten und Leistungen lassen sich anhand der Fertigungsdisposition als Final- und Kausalprozess darstellen (vgl. Abbildung 75). Der dreiphasige Finalprozess Fertigung umfasst beispielsweise280: 1. die Bestimmung des Sachziels, d.h. das angestrebte Produktionsziel, 2. die Auswahl der Mittel, mit denen dieses Ziel erreicht werden kann durch gedankliche Vorwegnahme des zur Realisation erforderlichen Kausalprozesses und die Kenntnis der Bedingungen, unter denen dieser abläuft, 3. die Realisation, d.h. den Einsatz des technischen Kausalprozesses als Mittel zur Zielerreichung.

278

Vgl. Riebel, Deckungsbeitragsrechung, 1990, S. 74 f. Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990, S. 76. 280 Vgl. Riebel, Deckungsbeitragsrechung, 1990, S. 419 f. 279

194

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen Zielsetzung angestrebtes Produktionsziel

Auswahl der Mittel Entscheidung

Realisation

erreichtes Ziel

technischer Kausalprozeß Komplexe Ursache Kombinierter Einsatz der Produktionsfaktoren unter technologisch bestimmten Bedingungen

Doppelte

+ -

-

Abbildung 75:

Rechnerische Abbildung

Wirkung

Entstehung des Leistungsgutes (Produktes oder Produktbündels) Verzehr bzw. zeitlichräumliche Inanspruchnahme der eingesetzten Potentialfaktoren ev. an Tatbestände des Kausalprozesses gekoppelte „vorprogrammierte“ Zahlungsverpflichtungen

Leistung Kosten Mengen ev. verdrängter Deckungsbeitrag

Ausgabe

Die Produktionsdisposition als Final- und Kausalprozess281

Wie bei der Definition des entscheidungsorientierten Kostenbegriffs nach Riebel deutlich wird, knüpft der Begriff an Ausgaben bzw. Auszahlungen an. Als Vorteil sieht Riebel hierbei, dass auch bei kurzfristigen Entscheidungen mit denselben Größen gerechnet wird wie bei der Investitionsrechnung. Dadurch entfällt die Diskrepanz zwischen Kosten- und Investitionsrechnung. Diesen entscheidungsorientierten Kostenbegriff sieht Riebel als identisch an mit seiner Definition von (relativen) echten Einzelkosten.282 Um zu Ausgaben bzw. Auszahlungen zu gelangen, muss bei direkten Entscheidungswirkungen, welche nicht Geldgrößen aufweisen, die Entscheidungskette vorwärts blickend weiterverfolgt werden. Dies soll anhand des in Abbildung 76 dargestellten Beispiels erläutert werden. Das Beispiel skizziert die Entscheidungskette anhand eines für eine kundenspezifische Sonderanfertigung benötigten Werkstoffs. Für den Fall, dass der Werkstoff nicht vorhanden ist, wird eine Beschaffungsdisposition ausgelöst, welche zu Auszahlungen führt. Liegt der benötigte Werkstoff jedoch auf Lager, so werden weder die fiktiven gegenwärtigen Anschaffungsausgaben noch die irreversibel entstandenen Anschaffungsausgaben als entscheidungsorientierte 281 282

Abbildung entnommen aus Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990, S. 419. Siehe hierzu Riebel, Führungsrechnung, 1992, S. 262.

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

195

Kosten herangezogen. Hierfür muss zuerst die Entscheidung über den eventuellen Ersatz der Bestandsminderung vorgedacht werden. Für den Fall, dass automatisch eine Ersatzbeschaffungsdisposition initialisiert wird, werden die zukünftig zu erwartenden Beschaffungsausgaben herangezogen. Wird dagegen entschieden, den reduzierten Lagerbestand auslaufen zu lassen, entstehen für den betrachteten Materialverbrauch keine zusätzlichen Ausgaben und damit auch keine entscheidungsorientierten Kosten.

Abschluss des Verkaufsauftrags (Sonderanfertigung)

Initialentscheidung

Fertigungsauftrag

Versandauftrag

Bereitstellungsdispositionen

Einsatzdispositionen

Werkstoffe Beschaffungsdispositionen über nicht vorrätige Werkstoffe

Lagerentnahmedispositionen

Zahlungsdispositionen Zahlungstermin

Zahlungs“weg”

über nicht zu ersetzende Werkstoffe

ersatzbedürftige Werkstoffe Ersatzbeschaffungsdispositionen Zahlungsdisposition

Zahlungstermin

Abbildung 76:

Zahlungsweg

Entscheidungskette zur Bestimmung von Zahlungsgrößen283

Trotz der guten theoretischen Fundierung des Kostenbegriffs nach Riebel wird in der Theorie und Praxis für kurzfristige Entscheidungsprobleme meist auf das Verursachungsprinzips abgestellt. Als entscheidungsorientierte Kosten werden hier variable Kosten herangezogen. Dies wird hauptsächlich mit der fehlenden Praktikabilität des Ansatzes von Riebel begründet284. Im Folgenden soll ebenfalls das Verursachungs283 284

Abbildung entnommen aus Riebel, Führungsrechnung, 1992, S. 261. Zur Beurteilung der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung nach Riebel vgl. anstatt vieler Schweitzer, Küpper, Erlösrechnung, 2003, S. 524 ff.

196

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

prinzip für die Beurteilung der Entscheidungsrelevanz von Kosten herangezogen werden.

6.2 Entscheidungsorientierte Bewertung Um die ökonomische Vorteilhaftigkeit von Entscheidungen zu beurteilen, bedarf es eines einheitlichen Entscheidungskriteriums. Nach Bohr muss dieses Entscheidungskriterium zum einen übergeordnet sein und zum anderen in Begriffen für beobachtbare und messbare Sachverhalte formuliert werden. Geht man von der Investitionsrechnung aus, so genügt das übergeordnete Entscheidungskriterium der Maximierung der Einzahlungsüberschüsse beiden Forderungen. Die Zahlungsmittelzu- und –abflüsse stellen in Form von Kassenveränderungen bzw. Kontenbewegungen real vorkommende Größen dar. Bei einer ex post-Beurteilung von Investitionsentscheidungen lässt sich durch Beobachten oder Messen des „Mehrs an Geld“ die Folge des Handelns ermitteln. Bei der ex ante-Ermittlung stellt sich das Problem der Ermittlung des sogenannten „Totalgewinns“. Hierfür muss eine Totalbetrachtung angestellt werden. Diese setzt wiederum ein vollständiges Entscheidungsfeld voraus. Da ein dem gesamten Entscheidungsfeld entsprechendes Totalmodell nicht darstellbar ist, wird eine sachliche und zeitliche Zerlegung des gesamten Entscheidungsfelds in Partialmodelle vorgenommen. Als sachliche Abgrenzung kommt beispielsweise eine Zerlegung des Entscheidungsfelds nach Funktionsbereichen, z.B. Beschaffung, Produktion, Absatz, Finanzierung usw. in Frage. Bei der Beurteilung eines Funktionsbereichs gehen die Wirkungen der Aktionsparameter der restlichen Teilbereiche (restliches Entscheidungsfeld) als Daten in die Analyse ein. Bei einer solchen Sukzessivplanung werden die Interdependenzbeziehungen unterschlagen. Das Problem einer solchen Sukzessivplanung ist in der „richtigen“ Vorgabe der Daten zu sehen. Nach Bohr sind es dann die richtigen Daten, wenn die auf ihrer Grundlage ermittelte Entscheidung in der Partialanalyse dasselbe Ergebnis liefert wie auch ein Totalmodell für dieses Entscheidungsfeld liefern würde.285 Bei der zeitlichen Abgrenzung des Entscheidungsfelds erfolgt eine zeitliche Zerlegung des Handlungszeitraums. Auch hier stellt sich dasselbe Problem wie bei der sachlichen Abgrenzung. Die Entscheidungsmöglichkeiten in einer zeitlichen Teil-

285

Vgl. Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1172.

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

197

einheit können nicht ohne Rücksicht auf ihre Auswirkungen in der Gesamtheit festgelegt werden.286 Betrachtet man nun den Zusammenhang zwischen der Investitionsrechung und der entscheidungsorientierten Kostenrechnung, zeigt sich, dass die genannten Probleme weitgehend gemeinsame Merkmale beider Rechensysteme sind. Allgemein werden für die Investitions- und die Kostenrechnung allerdings unterschiedliche zeitliche Zerlegungen unterstellt. Während die Investitionsrechnung die langfristige Kapazitätsplanung abbildet, beschäftigt sich die entscheidungsorientierte Kostenrechnung in der Regel mit kurzfristigen Planungsproblemen im Rahmen der durch die Investitionsplanung vorgegebenen Kapazitäten. Als wesentliches gemeinsames Problem von Investitions- und Kostenrechnung kann das Problem der Erfassung von Entscheidungswirkungen nach dem Planungshorizont gesehen werden. Sowohl lang- als auch kurzfristige Planungen haben Auswirkungen auf die Zielgrößen über den jeweiligen Planungshorizont hinaus. Beide Rechnungen - die langfristige Investitionsrechnung als auch die kurzfristige Kostenrechnung - orientieren sich nach Bohr an ein und derselben übergeordneten Zielfunktion. Diese wird in der Maximierung der Einzahlungsüberschüsse gesehen. Bei der Investitionsrechnung ist diese Zielfunktion durch die explizite Unterstellung ohne weiteres nachvollziehbar. Bei der Kostenrechnung ist die übergeordnete Zielfunktion nicht so eindeutig festgelegt. Betrachtet man den weiter oben vorgestellten ausgaben- und entscheidungsorientierten Kostenbegriff nach Riebel, so kann die Zielfunktion zumindest implizit abgeleitet werden.287 Der Zusammenhang zwischen dem Partialmodell und dem Totalmodell ist in der folgenden Abbildung anschaulich dargestellt.

286 287

Vgl. ebenda. Siehe bei Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1174.

198

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

Maximierung der Einzahlungsüberschüsse (übergeordnetes Ziel)

(3)

(1)

(2)

Partialmodell Vollständiges Entscheidungsfeld (Totalmodell)

Abbildung 77:

Partial- versus Totalmodell288

Das Partialmodell stellt einen Teilausschnitt des Totalmodells dar. Die Handlungsmöglichkeiten innerhalb des Partialmodells haben eine zweifache Wirkung. Zum einen beeinflussen sie die Zielfunktion unmittelbar (siehe Pfeil 1) und zum anderen mittelbar (Pfeil 2). Die unmittelbaren Auswirkungen des Partialmodells stellen die pagatorischen Wirkungen der Handlungsmöglichkeiten dar. Die mittelbaren Auswirkungen resultieren über die Veränderung der Handlungsmöglichkeiten im Rest des Entscheidungsfelds durch Verdrängung von Handlungsmöglichkeiten während und/ oder nach der Planungsperiode. Als Beispiel kann die Annahme eines Fertigungsauftrags I herangezogen werden, der knappe Faktoren, z.B. Maschinenzeit für eine bestimmte Zeitperiode, z.B. drei Monate bindet. Durch die Annahme dieses Fertigungsauftrags kann z.B. einen Monat später ein anderer lukrativer Fertigungsauftrag II nicht angenommen werden. Ein anderes Beispiel ist die Auswirkung der Verschiebung der Instandhaltung einer Maschine auf die produktiven Verwendungsmöglichkeiten in einer späteren Periode. Die direkt im Partialmodell erfassbaren Zahlungen werden als unmittelbare Zahlungen und die von der Verdrängung von Handlungsmöglichkeiten im Rest des Ent-

288

Abbildung entnommen aus Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1173.

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

199

scheidungsfelds ausgehenden Wirkungen auf die Zielfunktion als mittelbare Zahlungen bezeichnet. Die mittelbaren Zahlungen stellen damit Opportunitätskosten dar. Derartige Kosten sind nicht real beobachtbare Größen, die nur näherungsweise ermittelbar sind. Eine exakte Feststellung aller Kosten ist nur im Totalmodell möglich. Aber gerade aufgrund der nicht exakt erfassbaren mittelbaren Kosten unterscheiden sich Kosten und Auszahlungen.289 Der Ansatz von Opportunitätskosten zur Berücksichtigung der mittelbaren Zielwirkungen ist insbesondere bei der Betrachtung von nur einem Kalkulationsobjekt von Bedeutung. Der Einsatz von simultanen Vergleichsrechnungen290, welche die Handlungsmöglichkeiten und deren Interdependenzen berücksichtigen, geht in Richtung Totalmodell. Sowohl in der Investitionsrechnung als auch im entscheidungsorientierten Rechnungswesen ist die isolierte Betrachtung eines Entscheidungsproblems von Interesse. Hierzu müssen in beiden Rechenarten Opportunitätskosten berücksichtigt werden. Das Problem des Ansatzes von Opportunitätskosten in der Investitionsrechnung wurde bereits gelöst. Im Folgenden soll kurz die Vorgehensweise in der Investitionsrechnung dargestellt und anschließend überprüft werden, inwieweit der Ansatz auf das entscheidungsorientierte Rechungswesen übertragbar ist bzw. welche Modifikationen vorgenommen werden müssen. In der Investitionsrechnung werden die folgenden drei Annahmen getroffen, welche die Berücksichtigung von Opportunitätskosten gewährleisten:291 • alle Einzahlungen bzw. Auszahlungen als Folge einer Investitionsentscheidung können geschätzt werden. Aufgrund der Langfristigkeit der Betrachtung wird somit unterstellt, dass alle notwendigen finanziellen Anpassungen im Beschaffungs-, Produktions-, Absatz- und Verwaltungsbereich bekannt sind. • Während des Planungshorizonts werden die Finanzierungs- und Wiederanlagemöglichkeiten für alle Investitionsalternativen als gleich angesehen. Außerdem ist die Rendite der Unternehmung über den Planungshorizont hinaus konstant. Durch diese Pauschalannahme kann auf die Berücksichtigung anderer Alternativen bei der Entscheidung und damit auf Opportunitätskosten für die beste potentiell verdrängte Alternative verzichtet werden. Die Investitionsentscheidungen lassen sich so mit Hilfe von Ersatzzielgrößen wie Kapitalwert, Annuität oder internem Zinsfuß treffen. • Im Rest des Entscheidungsfelds existiert ein vollkommener Kapitalmarkt. Durch dieses Separationstheorem wird sichergestellt, dass die Pauschalannahme und 289

Vgl. Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1174 f. Vgl. hierzu anstatt vieler Müller-Merbach, Operations, 1973. 291 Vgl. Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1176. 290

200

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

damit die Trennung der einzelnen Investitionsentscheidungen voneinander logisch sind. Die Übertragbarkeit der Annahmen auf die entscheidungsorientierte Kostenrechnung ist insbesondere aufgrund der Fristigkeit der Rechnungen nicht ohne weiteres möglich. Da sich Investitionsentscheidungen in der Regel auf langfristige, vor allem strategische Entscheidungen beziehen, dürfen diese einen größeren Zeitaufwand umfassen als die meist kurzfristigen Wahlprobleme der entscheidungsorientierten Kostenrechnung. Zudem weisen kostenrechnerische Entscheidungen, z.B. im Beschaffungs-, Produktions- oder Absatzbereich eine weitaus größere Dekomposition des gesamten Entscheidungsfelds auf, d.h. es sind für das kostenrechnerische Partialmodell mehr Interdependenzen über Opportunitätskosten zu berücksichtigen als bei der Investitionsentscheidung. Die Vielzahl der Interdependenzen beruht auf der Vielzahl möglicher Knappheitssituationen. Hier kann den Engpässen nicht wie in der Investitionsrechnung durch langfristig wirkende Änderungen der Kapazitäten begegnet werden, bei denen nur noch Geld als knapper Faktor übrig bleibt. In der kurzfristigen Planung muss den Engpässen stattdessen mit Hilfe von kurzfristigen Anpassungsmaßnahmen wie Überstunden, Verlagerung von Aufträgen auf andere Maschinen oder Verschiebungen in der Zeit begegnet werden.292 Die oben im ersten Punkt getroffene Annahme für Investitionsentscheidungen, dass alle in allen betroffenen Bereichen ausgelösten langfristigen Anpassungen bekannt sind, kann aufgrund der Kurzfristigkeit von kostenrechnerischen Entscheidungen nicht auf die entscheidungsorientierte Kostenrechnung übertragen werden293. Aus diesem Grund kann auch die Pauschalannahme nicht direkt auf die Kostenrechnung übertragen werden. Bohr schlägt zur Bestimmung von alternativenunabhängigen Opportunitätskosten daher die folgende Modifikation der Pauschalannahme vor: „Die aus Sicht der Unternehmung knappen Faktoren werden von ihr zu Marktpreisen in den notwendigen Quantitäten beschafft, um die durch die Realisierung der Entscheidung entstandene veränderte Situation derart rückgängig zu machen, daß jede andere Wahlmöglichkeit wahrgenommen werden kann, daß der Unternehmung also keine Gelegenheit entgeht“294. Bohr verdeutlicht die Revisionshypothese mit der bei im Produktionsprozess eingesetzten Materialien üblichen Vorgehensweise, dass nach Annahme und Fertigung

292

Vgl. Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1177. Zwar ist eine Bewertung der Zahlungen für die durch eine Entscheidung ausgelösten Anpassungen möglich, jedoch für schnelle Entscheidungen ungeeignet. 294 Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1177. 293

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

201

eines Auftrags neues Material beschafft werden muss, um weitere Aufträge bearbeiten zu können. Mit Revision einer Entscheidung wird unterstellt, dass jede Entscheidung von allen anderen getrennt zu betrachten ist, da wieder die Ausgangslage vor Annahme des Auftrags vorliegt. Die Übertragung des Separationstheorems aus der Investitionsrechnung auf die kurzfristige Kostenrechnung würde bedeuten, dass nicht nur für die finanziellen Mittel ein vollkommener Kapitalmarkt besteht, sondern darüber hinaus auch für alle Produktionsfaktoren, d.h. dass diese in beliebigen Mengen gekauft, verkauft, geliehen und verliehen werden können.295 Durch die Annahme der Revidierbarkeit und dem zugehörigen Separationstheorem werden die Opportunitätskosten in der entscheidungsorientierten Kostenrechnung von den für eine bestimmte Entscheidungssituation als knapp eingestuften Produktionsfaktoren, bewertet zu Markpreisen, bestimmt. Aus dieser Sicht müssen demnach nicht mehr die Deckungsbeiträge der nächstbesten, nicht mehr realisierbaren Alternative als Opportunitätskosten herangezogen werden, sondern die Revisionskosten für die knappen Faktoren. Dies setzt voraus, dass ex ante die knappen und nicht knappen Faktoren bekannt sind. Als knapp werden hierbei die Faktoren angesehen, für die heute oder morgen eine andere Verwendungsmöglichkeit ansteht. Eine so vorgenommene Einteilung stimmt mit dem entscheidungsorientierten Kostenbegriff nach Riebel296 überein. Nach der Revisionshypothese stellen die speziell für den Auftrag zu kaufenden Materialien ebenfalls Kosten dar. Entsprechend dem entscheidungsorientierten Kostenbegriff nach Riebel wird Material, das kurzfristig (heute oder morgen) für einen Auftrag benötigt wird, mit den Wiederbeschaffungskosten angesetzt. Material, für das keine anderweitige Verwendung vorgesehen ist bzw. das nicht knapp ist, wird mit Kosten von Null bewertet.297 Entsprechend dem Identitätsprinzip werden sowohl Kosten für durch die Entscheidung speziell anzuschaffenden Faktoren in Höhe der Anschaffungsauszahlungen als auch Kosten für vorhandene, aber knappe Faktoren mit deren Opportunitätskosten angesetzt. Zur Ermittlung der Opportunitätskosten schlägt Bohr die Revisionshypothese vor. Hiernach werden die im Betrieb vorhandenen knappen Faktoren mit deren Nutzenentgang bewertet. Der Nutzenentgang entspricht hierbei den Anschaffungsauszahlungen am Tag der notwendigen Wiederbeschaffung bei vollkommenen Faktormärkten.298

295

So bei Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1178. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 6.1.2. 297 Vgl. Bohr, Kostenrechnung, 1988, S. 1178 f. 298 Vgl. Bohr, Revisionshypothese, 1990, S. 344. 296

202

6 Entscheidungsorientiertes Rechnungswesen

Als kritisch kann die Annahme der beliebigen Beschaffbarkeit von knappen Faktoren angesehen werden. Diese Annahme erscheint bei Fertigungsmaterial noch unproblematisch, da derartige Repetierfaktoren meist in beliebigen Quantitäten beschafft werden können. Bei den Potenzialfaktoren dagegen ist die beliebige Beschaffbarkeit als fraglich anzusehen. Die Mehrbedarfe an diesen Faktoren (Arbeit oder Betriebsmittel) können aber durch zeitliche oder intensitätsmäßige Anpassungen befriedigt werden. Darüber hinaus können bestimmte Mehrbedarfe auch über externe Dienstleister bezogen werden. Auch sieht Bohr eine Beschaffung von benötigten Faktorquantitäten durch innerbetriebliche Verschiebungen als möglich an.299 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für den Fall, dass die Opportunitätskosten kurzfristiger Entscheidungen der Kostenrechnung nicht einfach bestimmt werden können, da z.B. der verdrängte Deckungsbeitrag der besten Alternative nicht bekannt ist, der Ansatz von Revisionskosten als Opportunitätskosten sinnvoll ist.

299

Weber sieht hingegen die Plausibilität der Revisionshypothese für Potenzialfaktoren kritisch (vgl. Weber, Revisionshypothese, 1990, S. 199).

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen 7.1 Kostenrechnung und Kostentheorie Aussagen über Kosten finden sich in der Literatur in zwei unterschiedlichen Forschungsbereichen, zum einen in der Kostenrechnung als Technik des Rechnens mit Kosten und zum anderen in der Kostentheorie, welche Aussagen über die empirisch abgesicherte Beziehung zwischen Bestimmungsgrößen der Kosten und der hieraus resultierenden Kostenhöhe macht.300 Während sich die Kostentheorie mit der theoretischen Formulierung und Begründung der Zusammenhänge zwischen Bestimmungsgrößen und Kostenhöhe befasst, ist die Aufgabe der Kostenrechnung die praktische Umsetzung dieser theoretischen Ergebnisse. Allerdings ist die anwendungsorientierte betriebswirtschaftliche Nutzung der Kostentheorie sowohl in der Theorie als auch in der Praxis umstritten. Insbesondere der hohe Abstraktionsgrad und die geringe Präzisierung der Kostentheorie sind hierfür verantwortlich. Die Kostenrechnung hat im Grunde die folgenden drei Antworten zu leisten (vgl. Abbildung 78): 1. Wie sind die zu berechnenden Kosten inhaltlich abzugrenzen? 2. Welcher Teil der gemäß einer Lösung zu Frage 1 definierten Kosten ist im Einzelfall zu berücksichtigen, also beispielsweise auf ein Produkt zuzurechnen oder für eine Entscheidung als relevant anzusehen? Damit bestimmen sich das Kostenrechnungssystem und die innerhalb des Systems anzuwendenden Zurechnungsprinzipien. 3. Mit welchen Wertgrößen sind die Kosten zu ermitteln?301

300 301

Vgl. Troßmann, Kostentheorie, 1993, Sp. 2385 f. Vgl. Troßmann, Kostentheorie, 1993, Sp. 2387.

204

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen Verbrauch an „Kostengütern“

1

Allgemeiner GüterVerbrauch (Werteverzehr)

Kostenbegriff

z.B. sachzielbezogener Güterverbrauch (bzw. Ausgaben für bestimmte Zwecke)

Inhalt der Kosten

Für den Kostenrechnungszweck relevante Auswahl: sachliche und zeitliche Zuordnung

2

3

Kostenrechnungssystem

Entscheidungsbezogene und periodisierte Größen

Bewertung

Kosten: .......... .......... .......... _____ ........... =====

Ausmaß der Kosten

MENGENRECHNUNG

Abbildung 78:

Berechnung des Wertansatzes

WERTRECHNUNG

Drei Grundfragen der Kostenrechnung302

Die erste Frage beschäftigt sich mit dem Kostenbegriff. Damit wird ein Teil des Güterbegriffs herausgegriffen. Kosten werden als sachzielbezogener bewerteter Güterverbrauch definiert. Sie stellen damit ein spezielles Beurteilungsmaß für die Produktion dar. Der oben dargestellte, eher ausgabenorientierte Kostenbegriff nach Riebel303 lässt sich bei entsprechend enger Auslegung in diesen verbrauchsorientierten Kostenbegriff einordnen. Die Abgrenzung der Kosten erfolgt beim ausgabenorientierten Kostenbegriff durch die besondere Art der betrachteten Entscheidung und umfasst somit prinzipiell alle Arten von Güterverbräuchen. Hierdurch ist der genaue Ansatz der Kosten jedoch immer noch unbestimmt. Betrachtet man die Mengen- und Wertkomponente von Kosten (vgl. Abbildung 78) getrennt, dann wird dies offensichtlich. Nach der allgemeinen Kostendefinition ist weitgehend geklärt, welcher Güterverbrauch als Kosten zu erfassen ist. Allerdings existieren bei den beiden anderen Grundfragen zahlreiche Lösungsmöglichkeiten. So wird hinsichtlich des Kostenrechnungssystems ganz allgemein nach den Kriterien des zeitlichen Bezugs und des Umfangs der Kostenrechnung unterschieden (vgl. Abbildung 79). Bezüglich des Kriteriums „zeitlicher Bezug“ kann in Ist-, Normal- und Plankostenrechnungen unterschieden werden. In der Regel handelt es sich bei Ist-Kostenrechnungen um Dokumentationsrechnungen bzw. Kontrollrechnungen, während Normalkostenrechnungen, die auf bereinigten oder durchschnittlichen Ist-Kosten vergangener Perioden basieren, für die Vorgabe von Budgets herangezogen werden. Plan-Kostenrech302 303

Abbildung entnommen aus Troßmann, Kostentheorie, 1993 Sp. 2388. Vgl. hierzu die Ausführungen zum entscheidungsorientierten Kostenbegriff nach Riebel.

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

205

nungen sollen Vorhersagen über zukünftige Kosten auf Basis der tatsächlichen Arbeitsweise ermöglichen304. Hinsichtlich des Umfangs der Zurechnung wird zwischen Kostenrechnungssystemen auf Vollkosten- und auf Teilkostenbasis unterschieden305. Die Teilkostenrechnungssysteme lassen sich weiter untergliedern in Teilkostenrechnungssysteme mit variablen Kosten und Teilkostenrechnungssysteme mit relativen Einzelkosten306. Bei Teilkostenrechnungssystemen mit variablen Kosten kann weiter unterschieden werden in die einstufige Deckungsbeitragsrechnung, die mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung, die Fixkostendeckungsrechnung und die Grenzplankostenrechnung307. Zeitbezug IstKostenrechnung (vergangenheitsorientiert)

NormalKostenrechnung (durchschnittsorientiert)

PlanKostenrechnung (zukunftsorientiert)

Vollkosten

Ist-Vollkostenrechnung

Normal-Vollkostenrechnung

Plan-Vollkostenrechnung

Teilkosten

Ist-Teilkostenrechnung

Normal-Teilkostenrechnung

Plan-Teilkostenrechnung

Sachumfang

Abbildung 79:

Kostenrechnungssysteme

Kostenrechnungssysteme unterscheiden sich weiter dahingehend, mit welcher Einteilung von Kosten in der Kostenartenrechnung gearbeitet wird. Kriterien für die Kosteneinteilung sind hier zum einen die Zurechenbarkeit auf eine Bezugsgröße (Unterscheidung in Kosten mit Einzelkostencharakter und Kosten mit echtem bzw. unechtem Gemeinkostencharakter) bzw. die Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge308 (Unterscheidung in fixe und variable Kosten). Als Bezugsgrößen für die Zurechenbarkeit von Kosten können Kostenträger, Kostenstellen oder Perioden herangezogen werden. Zur Bewertung des Güterverbrauchs kommen als Wertgrößen Marktpreise, Knappheitspreise, Opportunitätskosten, Revisionskosten oder sonstige Wertansätze in Fra304

Vgl. Troßmann, Kostentheorie, 1993, Sp. 2388 f. Die Grundlagen der Vollkostenrechnung werden hier nicht weiter erörtert (vgl. hierzu Eisele, Technik, 2002). 306 Vgl. hierzu Riebel, Deckungsbeitragsrechnung, 1990. 307 Die Grenzplankostenrechnung wird in Kapitel 0 umfassend dargestellt. 308 Hierauf wird im Rahmen der Grenzplankostenrechnung noch vertieft eingegangen. 305

206

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

ge. Grundsätzlich sind hier zwei gegensätzliche Prinzipien, der pagatorische und der wertmäßige Kostenansatz zu unterscheiden.309 Es wurde dargestellt, dass eine Vielzahl von Lösungsansätzen zur Verfügung steht. In Abbildung 80 werden exemplarisch verschiedene dieser Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Grundfrage Beispielvariante

Grundfrage 1

Grundfrage 2

Grundfrage 3

Inhalt der Kosten

Auswahl für das Beispiel der Kalkulation

Bewertung

1

2

Verbrauch der Kapazität einer Maschine; ursprünglich insgesamt auf 10 Jahre angesetzt

Abbildung 80:

Zeitanteilige Anschaffungskosten für fünf Stunden bei Gleichaufteilung (lineare Abschreibung) Konkrete Berechnung der Zusatzausgaben durch einen vorgezogenen Ersatz der Maschine wegen des zusätzlichen fünfstündigen Einsatzes

Es wird kein Verbrauch angesetzt, da sich die Kapazität ohne Produktion in gleichem Maße verringert hätte

3

4

Für die Produktion eines Stückes sind 5 Std. der Kapazität verbraucht worden und daher für die Kostenrechnung anzusetzen

Ausgaben für den Kauf einer Maschine

Ausgaben, die durch einen zusätzlichen Einsatz der Maschine von fünf Stunden veranlasst werden, etwa infolge eines vorgezogenen Ersatzes

-

Konkrete Berechnung dieser Zusatzausgaben (mit Hypothese zur Preisentwicklung, zum Liquidationserlös, zum Zinssatz usw.)

Beispiele alternativer Lösungen der drei Grundfragen310

Wie Beispiel zwei und vier in Abbildung 80 zeigen, können der verbrauchsorientierte und der ausgabenorientierte Kostenbegriff zum selben Ergebnis führen. Darüber 309 310

Vgl. hierzu Troßmann, Kostentheorie, 1993, Sp. 2387 ff., 1993, Sp. 2389 f. Abbildung übernommen aus Troßmann, Kostentheorie, 1993, S. 2390.

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

207

hinaus zeigen Beispiel eins und drei den typischen Unterschied zwischen Voll- und Teilkostenrechnungssystemen. Neben der Kostenrechnung geben Kostentheorien Auskunft über Kosten. Theorien geben für unbestimmte Zusammenhänge Gesetzmäßigkeiten oder aber Regelmäßigkeiten bekannt. Die gesuchten Zusammenhänge werden anhand von Wenn- DannBeziehungen ausgedrückt. Sie haben für alle Fälle Gültigkeit, für die die WennKomponente zutrifft. In der Theorie spricht man von Hypothesen, solange die Zusammenhänge nur vermutet oder angenommen werden. Für den Fall, dass die Hypothesen nicht aus rein logischen Gründen verifiziert werden können, muss mit Hilfe empirischer Untersuchungen deren Gültigkeit anhand der Realität untersucht werden. Kostentheorien sind ebenfalls solche Realtheorien. Der Kostentheorie fällt die Aufgabe zu, den Zusammenhang zwischen den Kosten und ihren Bestimmungsgrößen zu klären311. Der bewertete Zusammenhang wird in der Regel in Form einer Kostenfunktion formuliert. Die Verknüpfung von Kostentheorien und Kostenrechnung erfolgt in Form von Kostenfunktionen, mit deren Hilfe Prognosen für eine Plankostenrechnung gemacht werden. Kostenfunktionen sollten die Grundlage für jeden zukunftsgerichteten Ansatz der Kostenrechnung darstellen. Zur Bestimmung einer Kostenfunktion müssen die Einflussgrößen der Kosten bekannt sein. Hierzu werden zunächst die Verbrauchsmengen festgestellt und diese erst anschließend in Kostengrößen umgerechnet. Zur Bestimmung der Verbrauchsmengen eignen sich Produktionsfunktionen, welche die erforderlichen Mengen an Einsatzgütern bei einem gegebenen Ausbringungsprogramm bestimmen. Während sich also die Produktionstheorie mit der quantitativen, strukturellen und zeitlichen Beziehung zwischen dem Einsatz und der Ausbringung an Realgütern beschäftigt, werden im Rahmen der Kostentheorie die Beziehungen zwischen dem sachzielbezogenen bewerteten Verbrauch an Real- und Nominalgütern und dessen Bestimmungsgrößen untersucht.312 Die Produktionstheorie bildet die Basis zur Erklärung der Mengenkomponente der Kosten bei Realgütern und ist damit die wesentliche Grundlage der Kostentheorie. In der Kostentheorie ist neben dem Güterverbrauch auch noch der Güterpreis für die Bestimmung der Kostenhöhe von Bedeutung. Des Weiteren stellt auch der bewertete Verbrauch an Nominalgütern Kosten dar. Hierbei werden Kostenarten wie Zinsen, Abgaben und Wagniskosten mit Hilfe der Finanzbzw.- Kapitaltheorie theoretisch fundiert. Somit geht der Betrachtungsgegenstand der Kostentheorie über den der Produktionstheorie hinaus. Der Zusammenhang zwi-

311 312

Vgl. Troßmann, Kostentheorie, 1993, Sp. 2390. Vgl. Schweitzer; Küpper, Produktions- und Kostentheorie, 1997, S. 219.

208

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

schen Produktionstheorie und Kostentheorie wird anhand der folgenden Abbildung deutlich. Kostentheorie Kosten

=

Verbrauchsmenge x Faktorpreis

Realgüter

Nominalgüter

Produktions- Kapitaltheorie theorie

Abbildung 81:

Zusammenhang zwischen Kosten-, Produktions- und Kapitaltheorie

Im Folgenden werden die Grundlagen der Produktionstheorie und hierauf aufbauend die Erkenntnisse für die Kostentheorie dargestellt. Der Fokus wird hierbei auf Kostenfunktionen liegen, die auf statischen Produktionsfunktionen basieren. Kostenfunktionen auf Basis dynamischer Produktionstheorien werden aufgrund der fehlenden praktischen Umsetzung nicht betrachtet313.

7.2 Kostenfunktionen auf der Basis von Produktionsfunktionen Die funktionale Beziehung zwischen der Ausbringung x und den Produktionsfaktoreinsatzmengen r wird durch die Produktionsfunktion allgemein in der folgenden Form dargestellt: x = f (r1, r2, ..., rn) Bewertet man nun die Faktormengen mit den Preisen q, erhält man eine monetäre Produktionsfunktion: x = f (r1 * q1, r2 * q2, ..., rn * qn)

313

Zu dynamischen Produktionstheorien vgl. Küpper, Interdependenzen, 1980; Schweitzer, Theorien, 1980.

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

209

Die mit Preisen bewerteten Produktionsfaktoren entsprechen den Kosten für die verbrauchten Güter und Dienstleistungen. x = f (K) Bildet man hierzu die Umkehrfunktion, so kommt man zur Kostenfunktion. Hier stellen die Kosten eine Funktion der Ausbringung dar. K = f (x) Die Entwicklung der Kostenhöhe hängt somit von der Änderung der Ausbringung ab, d.h. die Gestalt der Kostenfunktion ist entscheidend. In der Theorie werden für die Ableitung der Kostenfunktionen verschiedene Produktionsfunktionen herangezogen: • • • • •

Produktionsfunktion vom Typ A Produktionsfunktion vom Typ B Produktionsfunktion vom Typ C Produktionsfunktion vom Typ D Produktionsfunktion vom Typ E

Im Folgenden wird nur die Produktionsfunktion vom Typ B vertieft vorgestellt, da diese die größte praktische Bedeutung erlangt hat.314 Über die anderen wird lediglich ein kurzer Überblick gegeben. Die Produktionsfunktion vom Typ A basiert auf substitutionalen Produktionsfaktoren. Diese Annahme stammt ursprünglich aus der Volkswirtschaftslehre. Im sogenannten Ertragsgesetz geht man davon aus, dass durch zunehmenden Einsatz eines Produktionsfaktors bei Konstanz aller übrigen Faktoren Erträge erzielt werden, die zunächst progressiv ansteigen, dann degressiv steigen und schließlich regressiv verlaufen. Dieses Ertragsgesetz – später als Produktionsfunktion vom Typ A bezeichnet – wurde auch als Bodenertragszuwachsgesetz bezeichnet. Der beschriebene Verlauf ergibt sich, wenn man bei der landwirtschaftlichen Produktion die Anbaufläche, das Saatgut und die Arbeitsleistung konstant hält und nur die Düngemittelmenge erhöht. Die Annahme, dass eine bestimmte Ausbringungsmenge mit verschiedenen Kombinationen von Einsatzmengen der gleichen Produktionsfaktoren erstellt werden kann, die Produktionsfaktoren also innerhalb bestimmter Grenzen austauschbar (also substituierbar) sind, lässt sich begrenzt auch auf die industrielle Produktion übertragen. Als Beispiel lässt sich der Austausch von Handarbeit durch Maschinenarbeit oder verschiedener anderer Einsatzstoffe anführen. Insgesamt zeichnet sich die industrielle Produktion jedoch nicht durch Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren, sondern durch Limitationalität der Produktionsfaktoren aus. 314

Insbesondere die Ausführungen in Kapitel 0 bauen auf diesen Aussagen auf.

210

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

Aufgrund dieser Erkenntnis entwickelte Gutenberg die Produktionsfunktion vom Typ B. Diese geht von limitationalen Produktionsfaktoren aus. Im Gegensatz zur Produktionsfunktion vom Typ A wird keine direkte Abhängigkeit der Faktoreinsatzmengen von der Ausbringungsmenge, sondern eine indirekte Beziehung zwischen Kosten und Ausbringung angenommen. „Es sind die technischen Eigenschaften der Aggregate und Arbeitsplätze, die den Verbrauch an Faktoreinsatzmengen bestimmen. Und zwar in durchaus gesetzmäßiger und keineswegs willkürlicher Weise“315. Der Verbrauch der Produktionsfaktoren hängt damit von den technischen Eigenschaften (Intensität) eines Betriebsmittels ab. Die Intensität λ eines Betriebsmittels entspricht der Leistung als Arbeit pro Zeiteinheit. Die Anzahl der Arbeitseinheiten (Produktionsmenge) x für eine Zeit T entspricht hierbei der Leistung: λ=

x T

Der Zusammenhang zwischen der Verbrauchsmenge und der Ausbringungsmenge wird durch eine Verbrauchsfunktion dargestellt, die von der Intensität des Betriebsmittels abhängt.316 Die folgenden Erkenntnisse sind aus der Produktionsfunktion vom Typ B ableitbar: • Es wurde der Beweis erbracht, dass z.B. der Kraftstoff- und Schmiermittelverbrauch sowie der Gebrauchsverschleiß eine Funktion der Motordrehzahl darstellen, die wiederum von der verlangten Leistung abhängt. • Diese von Gutenberg bezeichneten Verbrauchsfunktionen sind nicht mehr unmittelbar als Funktionen der Ausbringungsmenge (x), sondern zunächst als Funktionen der Betriebsmittelleistung (λ) zu verstehen. D.h. die Faktoreinsatzmengen hängen von der Leistung ab. Dadurch wird durch die Produktionsfunktion vom Typ B nur noch eine indirekte Beziehung zwischen Kosten und Ausbringungsmenge (x) dargestellt. • Kraftstoff-, Schmiermittelverbrauch und Gebrauchsverschleiß sind demnach nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar von der Ausbringungsmenge abhängig und zwar über zwischengeschaltete Betriebsmittel oder Arbeitsplätze. Der erwünschte Output wird in eine bestimmte Menge vorher definierter Arbeitseinheiten umgesetzt. Als Beispiel kann eine Fahrleistung von 700 km genommen werden, wobei diese in einzelne Arbeitseinheiten mit je 100 km Fahrten unterteilt wird. Es wird eine Verbrauchsfunktion für diese Arbeitseinheit definiert, wobei der Verbrauch von der Drehzahl pro Minute abhängig ist. Je nach Drehzahl werden 10 Liter auf 100 km oder nur 8 Liter Kraftstoff verbraucht. Der Gesamtverbrauch hängt dann ab vom Verbrauch pro Arbeitseinheit und der Aus315 316

Gutenberg, Grundlagen, 1983, S. 220. Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 123 ff.

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

211

bringungsmenge. Dies beschreibt letztlich die Intensität der Durchführung eines Prozesses und führt für verschiedene Intensitäten zu verschiedenen Kostenhöhen.317 Für die Ableitung der Kostenfunktion aus der Produktionsfunktion vom Typ B sind die folgenden fünf Schritte notwendig: 1. Schritt: Ermittlung der Verbrauchsfunktionen für die in den Produktionsprozess eingehenden Produktionsfaktoren, z.B. Stromkosten, Rohstoffkosten, Zeitlohn, Wartungskosten.

v(λ ) =

ri = x

f (λ )

In folgender Abbildung ist die Verbrauchsfunktion für einen Produktionsfaktor (z.B. Stromkosten) in Abhängigkeit von der Intensität dargestellt.

v [ME/LE] ri

v (λ) = x

= f (λ)

λ [LE/ZE] Abbildung 82:

Verbrauchsfunktion für einen Produktionsfaktor

2. Schritt: Bewertung der Produktionsfaktoren in den Verbrauchsfunktionen mit ihren Preisen (Æ monetäre Verbrauchsfunktionen): Hierdurch werden die Verbrauchsfunktionen der einzelnen Produktionsfaktoren vergleichbar, da dann nicht mehr die unterschiedlichen Faktorverbrauchseinheiten, sondern die Kostenbeiträge als Dimension herangezogen werden. ri *q i = ki x 317

So Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 127.

212

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

3. Schritt: Zusammenfassung der jetzt vergleichbaren Verbrauchsfunktionen durch Vertikaladdition. Hierdurch kann die optimale Intensität der Betriebsmittel bei limitationalen Faktoren ermittelt werden. ri *q i = kv = f(λ) x



kv [GE/LE]

Aggregierte monetäre Verbrauchsfunktion

Wartungskosten

Rohstoffkosten Stromkosten

λ opt. Abbildung 83:

λ [LE/ZE]

Ermittlung des Gesamtoptimums bei monetären Verbrauchsfunktionen

4. Schritt: Bestimmung der (kurzfristigen) Anpassungsformen, die dem Betrieb bei Veränderungen der Beschäftigungslage zur Verfügung stehen. Je nach Anpassungsform ergeben sich unterschiedliche Kostenverläufe. Um eine bestimmte Outputmenge zu erhalten, können drei Größen angepasst werden: • Zeitliche Anpassung mit linearem Kostenverlauf liegt vor, wenn eine Veränderung der Ausbringungsmenge bei konstanter Intensität und unveränderter Anzahl der Betriebsmittel allein durch eine Veränderung der Arbeitzeit erreicht wird. • Intensitätsmäßige Anpassung liegt vor, wenn eine Veränderung der Ausbringungsmenge bei konstanter Arbeitszeit und unveränderter Anzahl der Betriebs-

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

213

mittel allein durch eine Veränderung der Intensität erreicht wird. Hierbei können keine allgemeinen Aussagen über den Kostenverlauf getroffen werden. Eine intensitätsmäßige Anpassung kommt in der Regel nur bei kontinuierlichen Produktionsprozessen, die ununterbrochen im 24- Stunden- Betrieb laufen (z.B. Papiermaschinen in einer Papierfabrik), zum Einsatz. Da bei einer intensitätsmäßigen Anpassung in der Regel die Optimalintensität aufgegeben wird, kommen ansonsten intensitätsmäßige Anpassungen nur in Kombination mit anderen Anpassungen, z.B. mit zeitlichen Anpassungen zum Einsatz. Hierbei werden Ausbringungsmengensteigerungen z.B. bei vollständigem Ausschöpfen der zeitlichen Anpassung kurzfristig durch Intensitätsänderungen erreicht, was meist zu hohen Überbeanspruchungskosten führt. • Quantitative Anpassung liegt vor, wenn eine Veränderung der Ausbringungsmenge entweder durch eine Veränderung der Anzahl derselben Betriebsmittel (rein quantitativ) ohne gleichzeitige Qualitätsverbesserung oder durch eine Veränderung der Anzahl der Betriebsmittel bei gleichzeitiger Änderung der Qualität der Betriebsmittel erreicht wird (selektive Anpassung). 5. Schritt: Ableitung des Kostenverlaufs für die verschiedenen kurzfristigen Anpassungsformen aus der aggregierten monetären Verbrauchsfunktion. A: bei rein zeitlicher Anpassung (vgl. Abbildung 84) B: bei rein intensitätsmäßiger Anpassung (vgl. Abbildung 85) C: bei rein quantitativer Anpassung (vgl. Abbildung 86) K [GE]

K = f [ x(tj )]

x [LE]

Abbildung 84:

Kostenfunktion bei rein zeitlicher Anpassung

214

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

K [GE] λ 6

K = f [ x(λj )]

λ 5 λ 4 λ 3 λ 2 λ 1

x [LE]

Abbildung 85:

Kostenfunktion bei rein intensitätsmäßiger Anpassung

K [GE]

Kf 2 Kf 1

x [LE]

Abbildung 86:

Kostenfunktion bei rein quantitativer Anpassung

7 Produktions- und kostentheoretische Grundlagen

215

Ergebnis der Produktionsfunktion vom Typ B ist ein in abgegrenzten Teilbereichen linearer Kostenverlauf, auf dem die moderne Kostentheorie weitgehend basiert. Aus diesem Grund ist die Kostenfunktion, die auf der Produktionsfunktion vom Typ B aufbaut, für die weiteren Ausführungen, insbesondere in Kapitel 0 wesentlich. Kostenfunktionen auf Basis der Produktionsfunktion vom Typ C nach Heinen stellen eine Verfeinerung und Weiterführung der Produktionsfunktion vom Typ B dar. Sie stellen eine Synthese zwischen den Produktionsfunktionen vom Typ A und B her, d.h. die Produktionsfunktion vom Typ C umfasst sowohl limitationale als auch substitutionale Produktionsvorgänge. Die Produktionsfunktion vom Typ C stellt insbesondere auf mehrstufige Fertigungsverfahren und differenzierte Fertigungsprogramme ab. Hierbei werden die Kostenkurven zu Kostenbandbreiten, wodurch die Dispositionsmöglichkeiten der Führungsinstanzen aufgezeigt werden sollen.318 Kostenfunktionen auf Basis des allgemeinen betriebswirtschaftlichen Input- OutputAnsatzes vom Typ D nach Kloock berücksichtigen Besonderheiten mehrstufiger Produktionsverflechtungen. Sie stellen eine Verallgemeinerung gegenüber den Ansätzen für nur eine Stelle im Unternehmen dar.319 Kostenfunktionen auf Basis dynamischer Produktionsfunktionen erklären Kosten einer oder mehrerer Perioden durch Bestimmungsgrößen, die nicht alle in der gleichen Periode liegen. So erfasst die Produktionsfunktion vom Typ E nach Küpper den zeitlichen Abstand zwischen Gütereinsatz und Fertigstellung des Produkts durch besondere Verweildauern. Daneben existieren Konzepte zur Erfassung zeitlicher Mehrdeutigkeiten.

318 319

Zur Produktionsfunktion vom Typ C vgl. Heinen, Kostenlehre, 1983. Vgl. Kloock, Produktionstheorie, 1969.

8

Grenzplankostenrechnung

8.1 Entwicklung der Kostenrechnung zur Grenzplan- und Deckungsbeitragsrechnung Die Entwicklung der Kostenrechnung führte von den Istkosten- über die Normalkosten- hin zu den Plankostenrechnungen. Unter Istkosten werden effektiv in der Periode angefallene Kosten verstanden. Eine Ermittlung ist für Kostenarten, welche ein eindeutig bestimmbares Mengen- oder Zeitgerüst aufweisen, wie etwa die Materialund Lohnkosten, durch Multiplikation der Istmengen bzw. Istzeiten mit den zugehörigen Istpreisen oder Istlohnsätzen ohne Probleme möglich. Bei Kostenarten wie z.B. Gebühren, Versicherungsprämien oder Reparaturkosten, welche kein eindeutiges Mengengerüst aufweisen, lassen sich andere Bemessungsgrundlagen finden, die als Faktorverbrauchsmengen interpretiert werden können. Beispielsweise ist bei einer einmaligen Gebühr die Verbrauchsmenge eins. Allerdings lassen sich nicht alle Kostenarten als reine Istkosten ermitteln. So müssen bei Auszahlungen, welche z.B. erst nach dem Jahresabschluss feststehen, wie etwa Versicherungsprämien oder Gebühren die Kostenbeträge antizipiert werden. Dies erfolgt in der Regel mit Hilfe von normalisierten oder geplanten Kosten. Ebenfalls werden bei der kalkulatorischen Abgrenzung von Kosten und Aufwendungen häufig normalisierte oder geplante Kosten als kalkulatorische Kosten herangezogen. So werden bei der Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen normalisierte oder geplante Werte für das betriebsnotwendige Kapital herangezogen. Des Weiteren basieren die Nutzungsdauern für die kalkulatorische Abschreibung auf normalisierten oder geplanten Werten. Die Normalkostenrechnung rechnet mit Vergangenheitswerten, die allerdings als Durchschnitt mehrerer Perioden gebildet werden (bezogen auf Mengen und/ oder Faktorpreise). Ihre Vorteile bestehen in der Glättung der Kosten um Zufallsschwankungen sowie einer Vereinfachung der Kostenermittlung. Wenn auch aufgrund der normalisierten Kalkulationssätze keine exakte Nachkalkulation möglich ist, so ist doch eine gewisse Kostenkontrolle möglich, wenn die Differenz zwischen Normal- und Istkosten als Kostenüber- bzw. -unterdeckung ermittelt wird.

218

8 Grenzplankostenrechnung

Die aufwändige Istkostenrechnung wird durch die Bildung fester, normalisierter Verrechnungssätze (Normalkosten) anstatt effektiver Istkostenwerte stark vereinfacht. Hierdurch werden die vielfältigen Beschäftigungs- und Preisschwankungen eliminiert und die Abrechnung verstetigt. Durch die Bildung von Normalkosten, welche für den gesamten Zeitraum konstant gehalten werden, ist eine Durchführung innerbetrieblicher Leistungsverrechnungen und Kalkulationen jederzeit möglich. Normalkosten stellen somit standardisierte, genormte Kosten dar, die als Durchschnittswerte aus einer größeren Zahl von Istkostenwerten vergangener Abrechnungszeiträume ermittelt werden. Für den Fall, dass bei der Normalkostenermittlung (Durchschnittsbildung) künftig erwartete Änderungen der Kosteneinflussgrößen nicht berücksichtigt werden, spricht man von statischen Mittelwerten. Für den Fall, dass sich auf Dauer abzeichnende Veränderungen der Kosteneinflussgrößen (z.B. Erhöhung des Tariflohns) in die Berechnung einbezogen werden, spricht man von aktualisierten Mittelwerten. Hierbei werden in der Regel jedoch nicht zukünftige Einflüsse verwendet, sondern aus der Vergangenheit gezielt solche Abrechnungszeiträume ausgewählt, die für die Ermittlung aktualisierter Mittelwerte als weitgehend repräsentativ gelten (z.B. Unter- oder Überbeschäftigungsperioden). Für den Fall, dass Planelemente, d.h. zukünftige erwartete Kosteneinflüsse herangezogen werden, erfolgt eine Annäherung der Normalkostenrechnung an die Plankostenrechnung.320 Die festen Verrechnungssätze werden durch die Division der durchschnittlichen Kosten durch die durchschnittlichen Leistungseinheiten ermittelt. fester Verrechnungssatz =

∅Kj ∅ LE j

Dieser feste Verrechnungssatz entspricht den Normalkosten pro Leistungseinheit einer Kostenstelle, mit der die erbrachten innerbetrieblichen Leistungen bewertet werden können. Feste Verrechnungssätze in Form von in der Vergangenheit durchschnittlich realisierten Gemein- und Einzelkosten der Hauptkostenstellen können ebenfalls in der Kostenträgerstückrechnung verwendet und so zur Vereinfachung des Abrechnungsprozesses eingesetzt werden. Durch die Einführung normalisierter Verrechnungssätze wird eine Kostenträgerstückrechnung schon während eines Abrechnungszeitraums ermöglicht (Istkosten liegen erst am Ende einer Periode vor).

320

So auch Eisele, Technik, 2002, S. 769 f.

8 Grenzplankostenrechnung

219

Die Normalkostenrechnung arbeitet somit mit Normalmengen im Mengengerüst, im Preisgerüst mit festen Verrechnungspreisen bei Einzelkosten und mit Normalkostenzuschlägen bei Gemeinkosten. In der Regel treten zwischen den verrechneten Normalkosten und den tatsächlich entstandenen Istkosten der Periode Abweichungen auf. Diese Kostenunter- oder -überdeckungen bedürfen einer gesonderten Ursachenanalyse. Hierbei ist zwischen der starren und der flexiblen Normalkostenrechnung zu unterscheiden. Bei der starren Normalkostenrechnung werden zeitliche Variationen der Beschäftigungshöhe nicht in die Rechnung einbezogen. Ursachen für die Abweichungen zwischen Ist- und Normalwerten im Rahmen der starren Normalkostenrechnung können sein: • Preisabweichungen: als Differenz zwischen den verrechneten Preisen (Normalpreisen) und den Istpreisen der Kostengüter. Preisabweichung = (Istmenge * Verrechnungspreis) – (Istmenge * Istpreis) = Istmenge * (Verrechnungspreis – Istpreis) • Mengenabweichung: als Differenz zwischen den durchschnittlichen Mengen der abgelaufenen Periode (Normalmengen) und den tatsächlich verbrauchten Mengen. Mengenabweichung = (Normalmenge * Verrechnungspreis) - (Istmenge * Verrechnungspreis) = Verrechnungspreis * (Normalmenge – Istmenge) Bei der starren Normalkostenrechnung werden Kostenabweichungen nur auf Veränderungen der Faktorpreise und des mengenmäßigen Gütereinsatzes zurückgeführt. Eine abweichende Nutzung der vorhandenen Kapazität wird hingegen nicht explizit erfasst, sondern geht in die Mengenabweichung ein. Diese zeitlichen Variationen der Beschäftigungshöhe werden als Beschäftigungsschwankungen bezeichnet. Aufgrund der Schwäche, dass Beschäftigungsschwankungen nicht explizit erfasst werden, wurde die starre Normalkostenrechnung zu einer flexiblen Normalkostenrechnung weiterentwickelt. Hierbei werden die gesamten Kostenabweichungen in Beschäftigungsabweichungen, d.h. Beschäftigungsschwankungen als Ursache und übrige Abweichungen, d.h. vor allem Preis- und Mengenabweichungen, aufgeteilt. Hierzu ist eine strikte Aufteilung der Gemeinkosten in ihre fixen (beschäftigungsunabhängigen) und variablen (beschäftigungsabhängigen) Bestandteile notwendig.321

321

Der Aufbau der flexiblen Normalkostenrechnung entspricht der der flexiblen Plankostenrechnung, die nachfolgend dargestellt wird.

220

8 Grenzplankostenrechnung

Die flexible Normalkostenrechnung hat vor allem das Ziel, die Kostenkontrolle zu verbessern, wohingegen die starre Normalkostenrechnung hauptsächlich auf die Vereinfachung der laufenden Abrechnung abzielt. Zusammenfassend kann die Normalkostenrechnung wie folgt kritisch gewürdigt werden: • Die innerbetriebliche Leistungsverrechnung sowie die Kostenträgerstückrechnung werden vereinfacht und beschleunigt. • Da eventuell unwirtschaftliche Vergangenheitswerte nur fortgeschrieben werden, ist die Normalkostenrechnung zur Beurteilung der Kostenwirtschaftlichkeit nur eingeschränkt verwendbar. • Mit Hilfe der flexiblen Normalkostenrechnung lassen sich durch die Kenntnis von Beschäftigungsänderungen Rückschlüsse auf Ursachen von Unwirtschaftlichkeiten ziehen. • Da die Normalkostenrechnung nur die betrieblichen Gegebenheiten der Vergangenheit fortschreibt und keine Informationen über zukünftige Kosten und Leistungen bereitstellt, ist die Normalkostenrechnung für die Erfüllung unternehmerischer Planungsaufgaben ungeeignet. • Für die Verwendung der Normalkosten zur Bewertung des Vorratsvermögens in der Handelsbilanz sind entsprechend der Istkostenrechnung Korrekturen (Zusatzkosten und angemessene Teile der Verwaltungsgemeinkosten) vorzunehmen. Dies gilt jedoch nur, wenn der als Normalbeschäftigung festgelegte Beschäftigungsgrad vernünftigen kaufmännischen Überlegungen entspricht und die Normalkosten mindestens den tatsächlichen Kosten entsprechen. Aufgrund der oben dargestellten Kritik an der Normalkostenrechnung wurde die Kostenrechnung in Richtung einer Plankostenrechnung weiterentwickelt. Hierbei werden als Kosten zukünftige Größen, also geplante Mengen und geplante Verrechnungspreise, herangezogen. Der Hauptzweck liegt demnach in der Planung. Hierbei spielt die Kostenstellenplanung die wichtigste Rolle, obwohl das Anwendungsgebiet keineswegs hierauf beschränkt werden sollte. Für die Kostenstellenplanung kommen zwei wesentliche Anwendungsbereiche in Frage: • Durch Vorgabe erwünschter Kostenbudgets und nachträgliche Kontrolle können Kostenstellen gesteuert werden. • Die tatsächlichen Kosten in einer Kostenstelle können prognostiziert werden. Die zentralen Informationen für die Planung basieren auf Prognosen, deren Kern Hypothesen über einen allgemeinen Zusammenhang zwischen Bedingungen und den dafür zu erwartenden Konsequenzen sind. In der Kostenrechnung stellt eine Kostenfunktion die Hypothesen über den Zusammenhang zwischen der Ausbringungsmenge x und den zugehörigen Kosten K = f(x) dar. Plankostenrechnungen basieren so-

8 Grenzplankostenrechnung

221

mit auf mindestens einer Kostenhypothese. Als Oberbegriff für einzelne Kostenhypothesen sowie für das ganze System von Kostenhypothesen wird die Kostentheorie herangezogen.322 Die Systeme der Plankostenrechnung sind entsprechend der Normalkostenrechnung danach zu unterscheiden, ob Beschäftigungsschwankungen berücksichtigt werden (flexible Plankostenrechnung) oder nicht (starre Plankostenrechnung). Darüber hinaus ist zwischen Plankostenrechnungssystemen zu unterscheiden, die alle anfallenden Kosten (Vollkosten) und jenen die nur die entscheidungsrelevanten Kosten (Teilkosten) erfassen und weiterverrechnen. Plankostenrechnung (PKR)

starre PKR

flexible PKR

flexible PKR mit Vollkosten

Abbildung 87:

flexible PKR mit Teilkosten (Grenz-PKR)

Systeme der Plankostenrechnung323

Bei der starren Plankostenrechnung, die schon seit den zwanziger Jahren bekannt ist, werden die Plankosten für die Planmenge (Planbeschäftigung) bestimmt, ohne bei schwankender Ausbringungsmenge eine Anpassung an die tatsächliche IstBeschäftigung vorzunehmen. Die starre Plankostenrechnung kann daher in den folgenden Schritten durchgeführt werden (vgl. Abbildung 88)324: 1 2 3 4

322

Festlegung der Planbeschäftigung Festlegung der Plankosten Ermittlung der verrechneten Plankosten Feststellung der Kostenabweichung

Vgl. Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 226 f. Abbildung entnommen aus Eisele, Technik, 2002, S. 777. 324 Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 778. 323

222

8 Grenzplankostenrechnung

K [GE]

KPlan

KIst Kostenabweichung KPlanverr.

BIst

Abbildung 88:

BPlan

Beschäftigung B (z.B. Fertigungsstunden)

Starre Plankostenrechnung

Die Vorteile der starren Plankostenrechnung sind in der schnellen und einfachen Handhabung zu sehen. Da jedoch der zukünftige Beschäftigungsgrad weitgehend unsicher ist, beziehen sich Ist- und Plankosten meist auf verschiedene Bezugsgrößen. Ferner verhalten sich die geplanten Vollkosten zu der Bezugsgröße (z.B. Fertigungsstunden) nicht proportional, da die fixen Kostenbestandteile nicht proportional zur Beschäftigung verlaufen. Somit ist weder eine exakte Kontrolle der Kostenwirtschaftlichkeit noch eine genaue Analyse der Abweichungsursachen möglich. Istund Plankosten sind nur für den unwahrscheinlichen Fall vergleichbar, dass die Istbeschäftigung gleich der Planbeschäftigung ist. In der Praxis ist deshalb die flexible Plankostenrechnung von größerer Bedeutung, bei der die Plankosten flexibel angesetzt, d.h. an Beschäftigungsänderungen angepasst werden. Durch den Vergleich der Plan- mit den Sollkosten wird eine wirksame Kostenkontrolle ermöglicht. Analog zur Normalkostenrechnung ist eine Kostenkontrolle nur möglich, wenn fixe und proportionale Bestandteile der Plankosten getrennt werden (flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis). In diesem Fall müssen die proportionalen Plankosten für jede Abrechnungsperiode an die jeweilige Istbeschäftigung angepasst, d.h. nicht nur für einen, sondern für verschiedene Beschäftigungsgrade vorgegeben werden. Damit erhält man die sog. Sollkosten bei Istbeschäftigung, die man auch als

8 Grenzplankostenrechnung

223

die von der Planbeschäftigung auf die Istbeschäftigung angepassten Plankosten bezeichnet.325 Die Sollkosten ergeben sich daher als: Sollkosten = fixe Plankosten + proportionale Plankosten *

Istbeschäftigung Planbeschäftigung

oder Sollkosten = fixe Plankosten + variabler Plankostensatz * Istbeschäftigung

Verrechnete Plankosten

Kosten

Sollkosten

.. .

KPlan

KIst Verbrauchsabweichung Beschäftigungsabweichung

KFix

Leerkosten

KSoll KPlanverr

.

Fixe Plankosten

Nutzkosten

BIst Abbildung 89:

Beschäftigung B BPlan (z.B. Fertigungsstunden)

Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis

Die Abweichungsanalyse innerhalb der flexiblen Plankostenrechnung zeigt, wie die Mengenabweichung zum einen auf die Änderung der Beschäftigung (Beschäftigungsabweichung) und zum anderen auf Unwirtschaftlichkeiten beim Faktoreinsatz (Verbrauchsabweichung) zurückzuführen ist. Die Beschäftigungsabweichung ergibt sich aus der Differenz von Sollkosten und verrechneten Plankosten bei Istbeschäftigung. Die Beschäftigungsabweichung gibt 325

Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 780.

224

8 Grenzplankostenrechnung

an, wie ein nicht geplanter Beschäftigungsgrad eine andere Verrechnung der Fixkosten erforderlich macht. Die geplante Verrechnung der Fixkosten ist nur bei Übereinstimmung von Plan- und Istbeschäftigung zutreffend. Bei abnehmender Beschäftigung müssen von einer Leistungseinheit mehr Fixkosten getragen werden. Es ergibt sich eine Kostenunterdeckung. Bei zunehmender Beschäftigung übersteigen die verrechneten Fixkosten je Leistungseinheit die tatsächlich von einer Leistungseinheit zu tragenden Fixkosten und es kommt entsprechend zu einer Kostenüberdeckung.326 Die Fixkosten lassen sich je nach Beschäftigungsgrad in Nutzkosten und Leerkosten unterteilen. Für den Fall, dass die Istbeschäftigung der Planbeschäftigung entspricht, sind die Fixkosten in voller Höhe Nutzkosten. Bei abnehmender Beschäftigung fallen in Höhe der Beschäftigungsabweichung Leerkosten an. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Fixkosten nicht proportional zur Bezugsgröße ändern.327 Die Verbrauchsabweichung stellt die Differenz zwischen Istkosten (Istmenge * Planverrechnungspreise) und Sollkosten bei Istbeschäftigung dar. Sie zeigt den mengenmäßigen Mehr- oder Minderverbrauch an Gütern und damit die Kostenwirtschaftlichkeit an. Während die Beschäftigungsabweichung in der Regel nicht vom Kostenstellenleiter zu verantworten ist, ist die Verbrauchsabweichung auf Unwirtschaftlichkeiten in der Kostenstelle zurückzuführen. Entsprechend der Normalkostenrechnung liegen die Vorteile der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis in der Möglichkeit einer aussagefähigen Abweichungsanalyse. Durch die Aufstellung einer Sollkostenkurve können für alle Beschäftigungsgrade die Kostenabweichungen erfasst und in Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichungen aufgeteilt werden. Ein Nachteil der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis ist darin zu sehen, dass sie ebenfalls keine entscheidungsrelevanten Informationen bereitstellt. Aus diesem Grund ist sie nur bedingt für die unternehmerische Planung verwendbar. Die Schwächen sind analog den Schwächen eines Kostenrechnungssystems auf Vollkostenbasis zu sehen328. Des Weiteren berücksichtigt die flexible Plankostenrechnung bei der Bestimmung der Sollkostenkurve nur eine einzige Variable, den Beschäftigungsgrad. Bei Verwendung weiterer Kostenbestimmungsfaktoren, wie etwa Einsatzabweichungen des Materials spricht man von voll-flexiblen Plankostenrechnungen.

326

Vgl. Eisele, Technik, 2002, S. 781. Vgl. ebenda. 328 Der Hauptgrund ist in der willkürlichen Proportionalisierung der Fixkosten zu sehen. 327

8 Grenzplankostenrechnung

225

8.2 Grundlagen der Grenzplankostenrechnung nach Kilger Wie bereits oben gezeigt wurde, eignet sich die auf Vollkosten basierende flexible Plankostenrechnung nicht für dispositive Aufgaben der Kostenrechnung. Die Bereitstellung von entscheidungsrelevanten Informationen für die kurzfristige Planung kann somit nicht geleistet werden. Hierfür sind solche Kosten relevant, die kurzfristig durch Aktionsparameter beeinflusst werden können. Die rechnerische Proportionalisierung der fixen Kosten bedeutet somit einen Verstoß gegen das Verursachungsprinzip. Insbesondere bei der Lösung der folgenden Problemstellungen liefert die auf Vollkosten basierende flexible Plankostenrechnung falsche Informationen, welche zu Fehlentscheidungen führen können329: • Verkaufsentscheidungen im Absatzbereich - Eliminierung von Verlustartikeln - Steuerung des Verkaufsprogramms - Bestimmung von Preisuntergrenzen • Verfahrensentscheidungen im Produktionsbereich - Wahl zwischen mehreren Fertigungsstellen - Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug • Kurzfristige Erfolgsrechnung - Aufbau der Erfolgsplanung - Kontrolle des Periodenerfolgs. Aufgrund der genannten Kritik an der auf Vollkosten basierenden flexiblen Plankostenrechnung wurde von Kilger erstmals 1961 eine Plankostenrechnung veröffentlicht, die auf einem breiten Grundansatz basiert.

8.2.1 Zugrundeliegende Kostenhypothesen Die Plankostenrechnung nach Kilger präzisiert die unklar definierte Größe Beschäftigung durch präzise Kosteneinflussfaktoren330. Die Konzeption von Kilger zählt zu den Grenzplankostenrechnungssystemen und basiert im Wesentlichen auf den in Kapitel 7.2 erörterten Grundlagen der Produktions- und Kostentheorie, insbesondere auf der Gutenberg´schen Produktionsfunktion vom Typ B. Hierauf aufbauend wurde von Kilger ein System von allgemeinen Kostenbestimmungsfaktoren zusammengestellt, welches insbesondere für den Fertigungsbereich

329 330

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 67. Kilger bezeichnet diese Kosteneinflussfaktoren als Kostenbestimmungsfaktoren.

226

8 Grenzplankostenrechnung

von Industriebetrieben gilt. Da Preis- und Lohnschwankungen durch den Ansatz eines Standard-Planpreissystems eliminiert werden, sind für die Planung und Kontrolle nur die Verbrauchsmengen der Produktionsfaktoren für die Kosten relevant. Kilger unterscheidet die folgenden vier Hauptbestimmungsfaktoren331: • Aufbau und Gestaltung von zeitungebundenen Nutzungspotenzialen für die Gesamtunternehmung • Kapazitäten der betrieblichen Teilbereiche • Art und Ausmaß der durchführbaren Verfahren in den betrieblichen Teilbereichen • Ausbringung der betrieblichen Teilbereiche. Hier sind neben dem Produktionsprogramm auch die Produktion und die Einzelheiten der Produktionsgestaltung einschließlich der kurzfristigen Verfahrenswahl gemeint. In Abbildung 90 wird deutlich, dass zwischen den einzelnen Kostenbestimmungsfaktoren interdependente Beziehungen bestehen und dass sich diese auf Entscheidungen über die Absatz-, Produktions- und Beschaffungsmengen zurückführen lassen. Da die Grenzplankostenrechnung nach Kilger insgesamt auf kurzfristige Entscheidungen ausgelegt ist, ist von gegebenen Nutzungspotenzialen, Kapazitäten und Verfahren auszugehen. Entscheidungen über die Nutzungspotentiale, Kapazitäten und Verfahren werden eher mit Hilfe der Investitionsrechnung getroffen. Von Interesse ist daher nur der vierte Kostenbestimmungsfaktor, die Ausbringung332. Die Ausbringung eines betrieblichen Teilbereichs (Kostenstelle) ist eine Maßgröße, mit der die während einer Periode erbrachten Leistungen quantitativ erfasst werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen lässt sich die Ausbringung für die gesamte Unternehmung anhand einer einzigen Maßgröße quantitativ erfassen. Dies kann z.B. bei einer einstufigen Einproduktfertigung der Fall sein. Einfache Kostenfunktionen können aber auch identifiziert werden, wenn man betriebliche Teilbereiche identifiziert, die nur eine Leistungsart erbringen, d.h. z.B. nur an einer Produktart arbeiten oder nur eine Produktart herstellen. In diesem Fall kann die Leistungsmenge des betrieblichen Teilbereichs (Kostenstelle) als Ausbringung herangezogen werden. Hierfür ist jedoch eine weit reichende Differenzierung der betrieblichen Teilbereiche notwendig. Für die Planung der Kosten der betrieblichen Teilbereiche sind Kostenfunktionen notwendig, die die Kostenhöhe in Abhängigkeit von der Ausbringung angeben. Die restlichen Kostenbestimmungsfaktoren geben den Rahmen für die Gestalt der Funktion vor. Für den einfachen Fall, dass nur eine Maßgröße – in der Plankostenrechnung spricht man von Bezugsgrößen – heranzuziehen ist, lassen sich die Kosten der Kostenstelle i wie folgt berechnen:

K i = f i ( xi ) = k i f + k iv * xi 331 332

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 111. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 115.

333

Abbildung 90:

Entscheidungen über Absatz-, ProduktionsBeschaffungsmengen

Entscheidungen über die Ausbringung betrieblicher Teilbereiche

Mechanisierung Automatisierung

Entscheidungen über die Verfahren betrieblicher Teilbereiche

Technischer Fortschritt

Entscheidungen über die Kapazitäten betrieblicher Teilbereiche

Freiheitsgrad der Planung

Entscheidungen über den Aufbau von Nutzungspotenzialen

Einsatz von Potenzialfaktoren

Veränderungen von Rohstoffmischungen Eigenerstellung und Fremdbezug Auflegungshäufigkeiten und Losgrößen

Prozessbedingungen Bedienungsrelationen

Indirekter Verbrauch

Direkter Verbrauch

Verschleißabhängig

Nichtverschleißabhängig

Fertigungszeiten und Intensitäten

Verfahrensplanung

Einsatz von Verbrauchsfaktoren

Innerbetriebliche Unwirtschaftlichkeiten

Personelle Betriebsbereitschaft

Betriebsmittelkapazitäten

Einsatz von Potenzialund Verbrauchsfaktoren

Für den Aufbau kurzfristiger Leistungspotenziale

Für die Erstellung von Leistungen

Verbrauchsverschleißabhängig

Zeitverschleißabhängig

Nicht ausbringungsabhängig disponierbar

Ausbringungsabhängig disponierbar

Auflagefixe Faktormengen

Variable Faktormengen

Fixe und intervallfixe Faktormengen

Vorleistungsmengen

Faktorpreise

Faktorqualitäten

Faktorqualitäten

Faktorpreise

Faktorqualitäten

Faktorpreise

Auflagefixe Kosten

Variable Kosten

Intervallfixe Kosten

Fixe Kosten

Vorleistungskosten

8 Grenzplankostenrechnung 227

Kostenbestimmungsfaktoren nach Kilger333

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 110.

228

8 Grenzplankostenrechnung

Man spricht in diesem Fall von einer homogenen Kostenverursachung. Für den Fall, dass der gesamte Betrieb in derartige Kostenstellen untergliedert werden kann, ergeben sich die gesamtbetrieblichen Kosten aus der Summation der einzelnen Funktionen: m

K = f ( x1 , x2 , ..., xm ) = K f + ∑ kiv * xi i =1

In der Regel liegen jedoch Kostenstellen vor, in denen mehrere verschiedene Leistungen erstellt werden. In diesem Fall müssen diese unterschiedlichen Leistungen mit Hilfe von Bezugsgrößen gleichnamig gemacht werden. Für die Bestimmung der Ausbringung sind also mehrere Variable notwendig. Als Bezugsgrößen können beispielsweise Maschinenlaufzeiten, Durchsatzgewichte, Längenmaße, Fertigungszeiten etc. herangezogen werden. In diesem Fall spricht man von einer heterogenen Kostenverursachung.

8.2.2 Abgebildete Kostenabhängigkeiten Aus kostentheoretischer Sicht ist die Grenzplankostenrechnung nach Kilger durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet: • Es werden nur lineare Kostenabhängigkeiten gebildet. • Bei Kostenfunktionen mit mehreren Bezugsgrößen (unabhängigen Variablen) wird Separabilität unterstellt. Kilger unterstellt für alle Kostenfunktionen einen linearen Kostenverlauf. Für Kosteneinflüsse, die zu nichtlinearen Kostenverläufen führen, wird unterstellt, dass sie entweder nicht vorkommen oder die Linearitätsabweichung nicht von praktischer Relevanz ist.334 Dies gilt sowohl für die zeitliche als auch für die quantitative Anpassung an Beschäftigungsschwankungen335. Wird z.B. die Mehrarbeitszeit übertariflich vergütet, so werden für die einzelnen Arbeitszeitkategorien unterschiedliche proportionale Kosten je Bezugsgrößeneinheit angesetzt. So sind in Abbildugn 91 drei Beschäftigungsintervalle zu unterscheiden, für die unterschiedliche Kostenfunktionen gelten. Durch die Abbildung der Beschäftigungsintervalle über gesonderte Bezugsgrößen wird der unstetige Kostenverlauf auf den Fall der heterogenen Kostenverursachung zurückgeführt. In der Praxis wird aber aufgrund der nur geringfügigen Änderung der Grenzkostensätze meist die heterogene Kostenverursachung durch eine homogene

334 335

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 125 ff.; S. 132. Auf die verschieden Anpassungsformen wurde in Kapitel 7.2 eingegangen.

8 Grenzplankostenrechnung

229

Kostenverursachung approximiert. Anstatt des unsteten Kostenverlaufs wird die Ausgleichsgerade AB herangezogen. K

B

A KF 0 B BI

Abbildung 91:

BII

BIII

Beispiel eines Sollkostenverlaufs bei Einsatz von Mehrarbeitszeiten336

Ein Sonderfall der heterogenen Kostenverursachung wird bei der Variation der Intensität, d.h. bei Änderungen in der Produktionsgeschwindigkeit, gesehen. Wie bereits in Kapitel 7.2 beschrieben, wird diese Art der Ausbringungsveränderung nach Gutenberg als intensitätsmäßige Anpassung bezeichnet. Wie schon dargestellt, führen derartige Variationen in der Regel zu nichtlinearen Kostenverläufen. Um derartige Nichtlinearitäten ohne Anpassung des Konzepts zu berücksichtigen, schlägt Kilger vor, den Gesamtkostenverlauf stückweise zu linearisieren (vgl. Abbildung 92). Hierbei werden mehrere lineare Teilstücke unterschieden, für die jeweils eine eigene Bezugsgröße herangezogen wird (BI bis BIV). Dadurch tritt anstelle einer homogenen wiederum eine heterogene Kostenverursachung mit linearen Kostenverläufen. Anders als bei der üblichen Heterogenität können die Bezugsgrößen nicht beliebig nebeneinander gewählt werden. Von den Faktoren, die den gleichen Kostenverlauf abbilden, kann immer nur höchstens eine ungleich Null sein. Troßmann sieht darüber hinaus die Möglichkeit, die beschriebene Approximation nicht nur auf Kostenkurven bei intensitätsmäßiger Anpassung anzuwenden, sondern auf jede beliebige nichtlineare Kostenverursachung. Durch die formale Rückführung auf die

336

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007 S. 127.

230

8 Grenzplankostenrechnung

heterogene Kostenverursachung können diese in die mehrvariablige lineare Struktur des Kilger´schen Systems integriert werden.337 K

E

D C

B A

KF

0

Bmin

BI

BII

Bmax BIII II

B

BIV

Abbildung 92: Stückweise linearisierter Gesamtkostenverlauf bei rein intensitätsmäßiger Anpassung

Die Annahme der Separabilität erlaubt die Zerlegung von mehrdimensionalen Kostenfunktionen in einvariablige. Hierdurch wird die Handhabung stark vereinfacht. Die Annahme der Separabilität ist allerdings insbesondere für den Fall, dass mehrere Bezugsgrößen voneinander abhängen und gleichzeitig variiert werden, u.U. falsch, da in diesem Fall die interdependenten Kostenzusammenhänge unterschlagen werden. Aufgrund der Einfachheit und der Tatsache, dass in der Regel derartige Interdependenzen auch durch die separablen linearen Funktionen erfasst werden können, ist diese Annahme dennoch sinnvoll.

337

Vgl. Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 234.

8 Grenzplankostenrechnung

231

8.3 Planung und Kontrolle der Gemeinkosten in Fertigungsstellen Die Gemeinkostenplanung wird, im Gegensatz zur Einzelkostenplanung, separat für die einzelnen betrieblichen Abrechnungsbereiche durchgeführt. Dies ist deshalb notwendig, da per Definition Gemeinkosten nicht einem Kostenträger direkt zugerechnet werden können. Die Kostenplanung hat die Aufgabe, für einen bestimmten Planungszeitraum die über Kostenstellen verrechneten Kostenarten in Form von Plankosten zu bestimmen. In der Regel umfasst ein Planungszeitraum der Kostenplanung ein Kalenderjahr. Die Plankosten der Kostenstellen können auf einen Durchschnittsmonat mit durchschnittlicher Planbeschäftigung bezogen werden. Für die Kostenkontrolle wird in der Regel der Kalendermonat herangezogen, obwohl kürzere Kontrollzeiträume eine wirksamere Kostenkontrolle gewährleisten würden. Dies ist insbesondere auf die Abrechnungssystematik bestimmter Kostenarten, insbesondere der Personalkosten zurückzuführen. Grundsätzlich muss bei der Kostenplanung zwischen der Planung von Fertigungskostenstellen und sonstigen Kostenstellen unterschieden werden. Die Planungsverfahren unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf die in den Kostenstellen anfallenden Gemeinkosten. Während in den Fertigungskostenstellen überwiegend fixe und variable Gemeinkosten und gemischte Kostenarten vorkommen, kommen in den Kostenstellen außerhalb des Fertigungsbereichs fast nur fixe Kosten vor. Aus diesem Grund benötigt man für Kostenstellen des Fertigungsbereichs Planungsverfahren, die eine Aufteilung in fixe und variable Kostenbestandteile vornehmen. Diese Verfahren werden als flexible Planungsverfahren bezeichnet. Für die restlichen Kostenstellen werden in der Praxis meist starre Planungsverfahren verwendet338.

338

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 8.1.

232

8 Grenzplankostenrechnung

Planungsverfahren

Fertigungskostenstellen

Kostenstellen außerhalb des Fertigungsbereichs

Planung mit direkten Bezugsgrößen

Planung mit indirekten und direkten Bezugsgrößen

Abbildung 93:

Planungsverfahren

Grundsätzlich sollten alle Kostenarten einzeln oder zumindest nach Kostenartengruppen differenziert geplant werden. Von einer globalen Planung der Kosten, bei der alle Kosten der Kostenstellen en bloc mit einer einzigen, gemeinsamen Kostenfunktion geplant werden, ist abzuraten. Dies führt in der Regel zu einer ungenauen Kostenverrechnung, da sich nur sehr selten alle Kosten zu einer Bezugsgröße proportional verhalten. Die erstgenannte Vorgehensweise wird als analytisch bezeichnet. Hier sollte – soweit unter Genauigkeitsaspekten zulässig – versucht werden, möglichst viele Kostenarten mit derselben Bezugsgröße abzubilden, so dass nach der Summation nur wenige Kostenfunktionen verbleiben.339 Bei der Kilgerschen Grenzplankostenrechnung wird eine analytische Vorgehensweise für die Planung der Kosten in den Fertigungskostenstellen vorgeschlagen. Die Planung der Kostenstellenkosten läuft nach den in Abbildung 94 dargestellten Ablaufschritten ab.

339

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 245.

8 Grenzplankostenrechnung

233

Einteilung der Kostenstellen

Unterscheidung von Kostenarten bzw. Kostenartengruppen in jeder Stelle

Wahl von Bezugsgrößen für die Kostenarten bzw. Kostenartengruppen jeder Stelle Aufstellen der Kostenfunktionen, d.h. Festlegung der fixen und variablen Kosten für jede Bezugsgröße

Bestimmung Bestimmen der derPlanbezugsgröße Planbezugsgröße

Herleiten der Kosten der Planperiode für die Planbezugsgrößen aus den Kostenfunktionen

Analyse der Abweichungen Abbildung 94:

Ablaufschritte der Plankostenrechnung nach Kilger340

8.3.1 Einteilung der Kostenstellen Von entscheidender Bedeutung für die Durchführung der Kostenplanung nach Kilger ist die Einteilung der Unternehmung in Kostenstellen. Dabei gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie bei anderen Kostenrechnungssystemen, wobei die folgenden beiden Grundsätze von besonderer Bedeutung sind341: • In einer Kostenstelle dürfen nur Maschinen und Arbeitsplätze zusammengefasst werden, deren Kostenverursachung keine wesentlichen Unterschiede aufweisen. Bei einer zu groben Kostenstelleneinteilung werden den Bezugsgrößen der Kostenstellen proportionale Kostensätze zugeordnet, die für einen Teil der erstellten Leistungen zu hoch und für einen anderen Teil zu niedrig sind. In der Praxis wird 340 341

Abbildung entnommen aus Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 237. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 249.

234

8 Grenzplankostenrechnung

als Toleranz für die Kalkulationsgenauigkeit ein Unterschied von ± 5 % des proportionalen Kostensatzes angesehen. Eine Ausnahme von dem beschriebenen Grundsatz wird bei der Fließfertigung mit vorgegebenen Taktzeiten gemacht. Hier können auch Maschinen und Arbeitsplätze mit unterschiedlicher Kostenstruktur zu einer Kostenstelle zusammengefasst werden, da hier von allen Erzeugnissen stets dieselbe Relation beansprucht wird. Dies gilt aber nur, wenn die einzelnen Produkte jeden Arbeitsplatz in der Fließfertigung in gleicher Weise beanspruchen. Bei modernen Fließstrecken, bei denen unterschiedliche Produkte einzelne Arbeitsplätze unterschiedlich beanspruchen, gilt diese Ausnahme nicht. Hier müssen dann gesonderte Kostenstellen oder aber zumindest getrennte Bezugsgrößen gebildet werden. • Die Kostenstellen sind so zu bilden, dass sie selbständige Verantwortungsbereiche sind. Für jede Kostenstelle muss also ein Abteilungsleiter oder Meister für die Kosten verantwortlich sein. Er hat die u.U. auftretenden Kostenstellenabweichungen zu verantworten. Darüber hinaus wirkt er beim Aufbau der Kostenplanung mit. Ein Kostenstellenleiter darf zwar für mehrere Kostenstellen zuständig sein, es dürfen aber nicht mehrere Kostenstellenleiter für die Kostenverursachung verantwortlich sein. Bei Mehrschichtarbeit ist die Kostenverantwortung einem Abteilungsleiter oder Meister zu übertragen.

8.3.2 Bezugsgrößenwahl Nachdem die Kostenstellen festgelegt und die Kostenarten für jede Kostenstelle analysiert wurden, müssen die geeigneten Bezugsgrößen identifiziert werden. Im Folgenden sollen zunächst einmal die verschiedenen Arten von Bezugsgrößen vorgestellt werden. Anschließend wird ein Ablaufschema für die Bezugsgrößenwahl erläutert. Wie bereits in Kapitel 8.2.1 beschrieben, muss zwischen homogener und heterogener Kostenverursachung unterschieden werden. Je nachdem, welche Kostenverursachung vorliegt, sind unterschiedliche Bezugsgrößen heranzuziehen. Darüber hinaus können Bezugsgrößen anhand der Quantifizierbarkeit in direkte und indirekte Bezugsgrößen unterschieden werden. Abbildung 95 verdeutlicht diesen Zusammenhang nochmals.

8 Grenzplankostenrechnung

235

Bezugsgrößen

direkte

bei homogener Kostenverursachung Abbildung 95:

indirekte

bei heterogener Kostenverursachung

Systematisierung von Bezugsgrößen

Homogene Kostenverursachung ist dadurch gekennzeichnet, dass sich alle kostenverursachenden Faktoren einer Kostenstelle zu einer Bezugsgröße b proportional verhalten.342 Daraus folgt für die betrachtete Kostenstelle eine einvariablige Kostenfunktion der Art

K = f (b) = k f + k v * b Voraussetzungen für die homogene Kostenverursachung sind also343: • Verschiedene Leistungsarten einer Kostenstelle dürfen nicht gleichzeitig mehrere Kosteneinflussgrößen auslösen oder diese müssen proportional zueinander sein. So können die Kosten einer Kostenstelle teils von der Fertigungszeit und teils vom Gewicht abhängen, was den Ansatz von zwei Bezugsgrößen notwendig machen würde. Verhalten sich aber die Fertigungszeiten aller Produkte dieser Kostenstelle proportional zum Gewicht, so genügt der Ansatz nur einer Bezugsgröße, um die gesamten Kosten der Kostenstelle auszudrücken. In diesem Fall spricht man vom Austauschgesetz der Maßgrößen. • Veränderungen der Ausbringung werden stets nur bei konstanten Verfahrensund Prozessbedingungen durchgeführt, d.h. Bezugsgrößen, die für die Kosten mitbestimmend sind, werden bereits vorab festgelegt (einheitliche Verfahrensoder Prozessbedingungen).

342 343

Vgl. Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 231. Vgl. Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 231 f.

236

8 Grenzplankostenrechnung

Im Fall heterogener Kostenverursachung sind mehrere Bezugsgrößen erforderlich. Man unterscheidet nach den Gründen für die Heterogenität zwischen produktbedingter und verfahrensbedingter Heterogenität. Produktbedingte Heterogenität liegt vor, wenn Produkteigenschaften die Wahl mehrerer Bezugsgrößen erforderlich macht. Für produktbedingte Heterogenität werden in der Regel drei Fälle unterschieden344: • Für unterschiedliche Erzeugnisgruppen können unterschiedliche Materialarten eingesetzt werden, die eine unterschiedliche Maschinenbeanspruchung hervorrufen. Für diesen Fall werden meist Produktgruppen gebildet, die das gleiche Material bzw. die gleiche Materialmischung erfordern. So kann das Sortiment einer Spinnerei in Baumwoll- und Zellwollartikel unterteilt werden. Für jede Produktgruppe muss dann eine gesonderte Fertigungszeit- und Gewichtsbezugsgröße ermittelt werden. • Es liegen unterschiedliche Verhältnisse von Gewicht und Fertigungszeit der Produkte vor. Für den Fall, dass sich ein Teil der Kosten einer Kostenstelle zeit- und ein anderer gewichtsabhängig verhält, sind die zwei Bezugsgrößen „Fertigungszeit“ und „Durchsatzgewicht“ heranzuziehen. Im Beispiel in Abbildung 96 betragen die proportionalen Gesamtkosten der Kostenstelle im Monat 50.000 €. Hiervon sind 30.000 € zeitabhängig und 20.000 € gewichtsabhängig. Bei Verwendung nur einer Bezugsgröße „Fertigungszeit“ beträgt der proportionale Fertigungskostensatz 0,625 €/Min. (50.000 € / 80.000 Min./Monat). Bei der Verwendung von zwei Bezugsgrößen erhält man einen zeitbezugsgrößenabhängigen Grenzkostensatz von 0,375 €/Min. (30.000 € / 80.000 Min./Monat) und einen gewichtsbezugsgrößenabhängigen Grenzkostensatz von 0,50 €/kg (20.000 € / 40.000 kg/Monat). Bei den fünf Produktarten kommen für die Produkte 1 und 2 bei Einsatz nur einer Bezugsgröße Kalkulationsfehler von mehr als 5 % heraus, was den Einsatz von zwei Bezugsgrößen rechtfertigen kann. • Es existieren unterschiedliche Relationen der sonstigen Produkteigenschaften (Volumen, Oberfläche) zum Fertigungszeitbedarf. Dies gilt für Fertigungskostenstellen, bei denen neben zeitabhängigen Kosten weitere proportionale Kosten anfallen, die beispielsweise von der Oberfläche oder dem Volumen der bearbeiteten Erzeugnisse abhängen. Derartige volumenabhängige Kosten kommen beispielsweise bei der Kernherstellung in einer Gießerei vor. Hierbei hat die Sperrigkeit der Erzeugnisse einen so großen Einfluss auf die Fertigungskosten, dass neben der Bezugsgröße „kg Durchsatzgewicht“ auch die Bezugsgröße „qm Kern“ herangezogen werden muss.

344

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 257 f.

8 Grenzplankostenrechnung Produktart

Planmenge

Fertigungszeit

Gewicht

237

Fertigungskosten €/Stück bei zwei Bezugsgrößen

Stück/ Monat

Min./ Min./ kg/ kg/ Ftg.- Ge- SumStück Monat Stück Monat Zeit wicht me

einer Bezugsgröße Ftg.Zeit

Fehler in %

1

1.000

12 12.000

4,00

4.000 4,50

2,00

6,50

7,50

- 13,3

2

2.000

16 32.000

9,00 18.000 6,00

4,50

10,50

10,00

+ 5,0

3

700

20 14.000 10,00

7.000 7,50

5,00

12,50

12,50

0,0

4

500

16

5

1.400

Summe Abbildung 96:

8.000

7,44

3.720 6,00

3,72

9,72

10,00

- 2,8

10 14.000

5,20

7.280 3,75

2,60

6,35

6,25

+ 1,6

80.000

40.000

Beispiel für produktbedingte Heterogenität

Verfahrensbedingte Heterogenität liegt vor, wenn eine bestimmte Leistung mit unterschiedlichen Verfahrens- oder Prozessbedingungen erstellt werden kann. In der kurzfristigen Planung wird festgelegt, nach welchen Verfahren die geplanten Produktionsmengen hergestellt werden sollen. Verfahrensbedingte Heterogenität kann in der Regel auf die folgenden Gründe zurückgeführt werden345: • Für Rüststunden und Fertigungsstunden bei Fertigungskostenstellen mit Serienproduktion ergeben sich unterschiedliche Kostensätze. Die Anwendung von zwei Bezugsgrößen „Fertigungsstunden“ und „Rüststunden“ wird dann notwendig, wenn die proportionalen Kostensätze wesentlich voneinander abweichen und die Seriengröße der Erzeugnisse stark variiert. In der Regel fallen für Rüstzeiten nur Personalkosten an. Diese unterscheiden sich häufig von den in der Fertigungszeit anfallenden betriebs- und verschleißabhängigen Maschinenkosten. Dies ist insbesondere bei spezialisierter Automatenfertigung der Fall. Im Beispiel in Abbildung 97 ist der Ansatz von zwei Bezugsgrößen, nämlich „Fertigungszeit“ und „Rüstzeit“ notwendig. Die gesamten proportionalen Kosten der Kostenstelle in Höhe von 35.000 € entfallen zu 25.000 € auf die Ausführungszeit und zu 10.000 € auf die Rüstzeit. Bei Ansatz von nur einer Bezugsgröße („Fertigungszeit“) beträgt der proportionale Kostensatz kv = 35.000 € / 5.000 Ausführungsminuten = 7,0 € / Min. Bei Verwendung von zwei Bezugsgrößen ergeben sich der folgende fertigungsstundenabhängige Kostensatz kvA = 25.000 € / 5.000 Min. = 5,0 € / Min. und der rüstzeitabhängige Kostensatz kvR = 10.000 € / 1.000 Rüstmi345

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 258 f.

238









8 Grenzplankostenrechnung

nuten = 10,0 € / Min. Da sich im vorliegenden Beispiel die Relation zwischen Ausführungszeit und Rüstzeit ändert, müssen für eine sinnvolle Abweichungsanalyse oder Kalkulation zwei Bezugsgrößen herangezogen werden. In den Fällen, in denen das Bedienpersonal selbst die Maschinen einrichtet und die Seriengröße nur unwesentlich variiert, kann auf die Anwendung der gesonderten Rüstzeitbezugsgröße verzichtet werden. Dies ist vor allem in stark mechanisierten Fertigungskostenstellen des Maschinenbaus wie etwa Dreherei, Bohrwerk oder Fräserei der Fall. Mehrstellenarbeit mit wechselnder Bedienungsrelation (Anzahl Maschinen pro Arbeiter) erfordern den getrennten Ansatz von Maschinenstundensätzen und Fertigungsstundensätzen. Der Bezugsgröße „Fertigungszeit“ werden Fertigungslöhne und Lohnnebenkosten zugeordnet. Der Maschinenstunden-Bezugsgröße werden alle betriebsmittelabhängigen Kosten zugerechnet. Eine Änderung der Bedienungsrelation kann in Abhängigkeit vom Produktionsprogramm oder aus dispositiven Gründen erfolgen. Häufige Änderungen der Prozessbedingungen erfordern mehrere nach Prozessbedingungen differenzierte Zeitbezugsgrößen. Insbesondere in der chemischen Industrie oder der Eisen- und Stahlindustrie erfolgt die Produktion in bestimmten Kostenstellen unter bestimmtem Druck, Hitze oder Feuchtigkeitsverhältnissen. Bei Überstunden müssen ebenfalls verschiedene, nach der Arbeitszeitkategorie differenzierte Fertigungszeitbezugsgrößen herangezogen werden. In der Regel werden aber Mehrarbeitszuschläge die Grenzkosten aufgrund der hohen Mechanisierung in den meisten Fertigungskostenstellen nur geringfügig beeinflussen, so dass dies nur in sehr lohnintensiven Fertigungsstellen, wie z.B. der Reparaturwerkstatt relevant ist. Ebenfalls fallen unter die verfahrensbedingte Heterogenität die oben vorgestellten intensitätsmäßigen Anpassungen.

ProMenge Serien- Ausführungs- Rüstzeit dukt-art anzahl zeit Stück/ Monat

pro Monat

Min./Stück

Ausführungs- Rüstzeiten zeiten

Min./ Serie

Min./Monat

Min./Monat

1

1.000

20

2

10,00

2.000

200

2

300

30

3

9,00

900

270

3

420

40

5

13,25

2.100

530

5.000

1.000

Abbildung 97:

Beispiel für verfahrensbedingte Heterogenität

8 Grenzplankostenrechnung

239

Grundsätzlich können in einer Fertigungsstelle zugleich produkt- und verfahrensbedingte Heterogenität vorliegen. Hierbei werden zwei Fälle unterschieden. Erstens können die produkt- und verfahrensbedingten Einflüsse unabhängig voneinander sein. In diesem Fall tritt die verfahrenswahlabhängige neben die produktabhängige Bezugsgrößendifferenzierung. Zweitens können die produkt- und verfahrensbedingten Einflüsse funktional voneinander abhängig sein. So kann z.B. die Materialart eine bestimmte Verfahrensweise oder Bedienungsrelation erfordern. Dies ist insbesondere in der Textilindustrie der Fall. Hier muss überprüft werden, ob eine Bezugsgrößendifferenzierung nach verfahrens- oder produktbedingten Merkmalen ausreicht. Andernfalls müssen Bezugsgrößen, die sowohl produkt- als auch verfahrensbedingte Einflüsse berücksichtigen, herangezogen werden. Als Beispiel können beim Guss verschiedener Stahlsorten mit einem großen Elektroofen die Bezugsgrößen „Tonnen gute Ausbringung“, „Anzahl Chargen“, ,,kWh Stromverbrauch für Einschmelzen (höhere Leistung)“ und „kWh Stromverbrauch für Kochen (kleinere Leistung)“ verwendet werden.346 Die heterogene Kostenverursachung ist der allgemeinere Fall, aus dem sich die homogene Kostenverursachung formal ableiten lässt. Die Kostenfunktion sieht wie folgt aus:

K = f (b1 , b2 , ..., bn ) Jede mehrvariablige Kostenfunktion lässt sich nach Kilger in einvariablig-lineare Teilfunktionen zerlegen, die als voneinander unabhängig angenommen werden. Das mehrdimensionale Modell wird also stark vereinfacht. Jede Kostenhöhe lässt sich durch Addition der einzelnen Kostenfunktionen mit unterschiedlichen Ausprägungen der Variablen herleiten.

K = k 0f + (k1f + k1v * b1 ) + (k 2f + k 2v * b2 ) + ... + (k nf + k nv * bn ) n

= k 0f + ∑ (k jf + k vj *b j ) j =1

In Abbildung 98 (a) ist der Verlauf der Kostenfunktion für den Fall zweier Bezugsgrößen dargestellt. Aufgrund der angenommenen Linearität und Separabilität ergibt sich eine Kostenfläche, die sich durch Addition der beiden Funktionswerte auf den Koordinatenachsen errechnen lässt. Die Kenntnis mehrdimensionaler Modelle ist somit für den Kilger´schen Ansatz nicht notwendig.347

346 347

Siehe hierzu Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 260. Vgl. Troßmann, Plankostentrechnung, 1992, S. 233.

240

8 Grenzplankostenrechnung

Für den Fall, dass zwar die mehrdimensionale Kostenfunktion in lineare einvariablige Kostenfunktionen zerlegt werden kann, die einzelnen Bezugsgrößen aber nicht isoliert betrachtet werden können, ergibt sich nur dann ein linearer Kostenverlauf, wenn nur eine Bezugsgröße variiert und die anderen konstant gehalten werden. Sobald aber mehrere Bezugsgrößen (Abbildung 98 (b), zwei Bezugsgrößen) variieren, kommt es zu nichtlinearen Kostenänderungen. So wachsen beispielsweise die Härtemittelkosten linear mit der Tauchzeit und Temperatur an. Werden allerdings beide kostensteigernden Faktoren gleichzeitig variiert, kann es zu einem nichtlinearen Kostenverlauf kommen.

8 Grenzplankostenrechnung

241

k f2 + k 2v ⋅ b 2

K

b2

K b2

+

K

k f2

k 1f + k 1v ⋅ b1

=

k1f k f0

b1

b1

(a) mehrvariablige lineare Kostenfunktion

K b2

b1 (b) nichtlineare Gesamtfunktion mit linearen Partialfunktionen

Abbildung 98:

348

Kostenfunktionen nach dem Kilgerschen Ansatz bei zwei Bezugsgrößen348

Abbildung entnommen aus Troßmann, Plankostenrechnung, 1992, S. 233 und S. 235.

242

8 Grenzplankostenrechnung

Bezugsgrößen, die die Produktionsergebnisse der Kostenstellen quantitativ messen, werden als direkte Bezugsgrößen bezeichnet. Können im Rahmen der direkten Bezugsgrößen alle primären und sekundären variablen Gemeinkostenarten einer Kostenstelle auf eine Bezugsgröße bezogen werden, spricht man von homogener Kostenverursachung. Erfolgt hingegen die Messung der genannten Kostenarten anhand mehrerer Bezugsgrößen, so liegt eine heterogene Kostenverursachung der Kosten im betrachteten Abrechnungsbereich vor. Die Erfassung der Ist-Bezugsgrößen kann z.B. mit Messgeräten oder Daten, die zu anderen Zwecken bereits erfasst wurden (z.B. im Rahmen der Lohnabrechnung) oder retrograd aus den Ist-Leistungsmengen erfolgen. In den Fällen, in denen eine unmittelbare Messung nicht oder nicht wirtschaftlich vertretbar möglich ist, müssen indirekte Bezugsgrößen, auch als Hilfs- oder Verrechnungsbezugsgrößen bezeichnet, herangezogen werden. Trotz der fehlenden unmittelbaren Beziehung zu den erstellten Leistungseinheiten orientieren sich die indirekten Bezugsgrößen im Gegensatz zu den aus der Vollkostenrechnung bekannten Umlageschlüsseln am Verursachungsprinzip. In der Praxis werden indirekte Bezugsgrößen entweder aus den Bezugsgrößen der empfangenden Stellen, aus geplanten Kostenartenbeiträgen oder auf der Basis der Herstellkosten ermittelt. Im ersten Fall werden i.d.R. die Produktionsbeiträge der empfangenden Kostenstelle in Form von sogenannten „Deckungsbezugsgrößen“349 als indirekte Bezugsgrößen herangezogen. Indirekte Bezugsgrößen sollten auf das unvermeidliche Mindestmaß beschränkt bleiben, da sie bei der Verwendung als Verrechnungsbezugsgröße zu einer geringeren Kalkulationsgenauigkeit führen. In den primären Kostenstellen des Produktionsbetriebs, den sogenannten Fertigungskostenstellen, wird bis auf wenige Ausnahmen mit Hilfe direkter Bezugsgrößen geplant. Die ebenfalls zu den primären Kostenstellen zählenden Bereiche, wie etwa Forschung und Entwicklung, Einkauf und Materialwirtschaft, Verwaltung und Verkauf unterscheiden sich von den Fertigungskostenstellen dadurch, dass diese Kostenstellen nicht unmittelbar der Herstellung oder Bearbeitung von Erzeugnissen dienen, sondern entweder Vorleistungen erbringen oder sonstige dispositive, organisatorische und verwaltende Tätigkeiten wahrnehmen. Insbesondere bei Stellen, die dispositive und organisatorische Tätigkeiten ausüben, ist eine Quantifizierung der Leistungen schwierig. Daher kommen für derartige Kostenstellen auch nur indirekte Bezugsgrößen in Frage. Da aber in der Regel der überwiegende Anteil der Kosten Personalkosten sind und diese zu den fixen Kosten zählen, wirken sich die Bezugsgrößenschwierigkeiten auf die Grenzplankostenrechnung nur sehr geringfügig aus. Bei Kostenstellen, die überwiegend verwaltende Tätigkeiten ausüben, lassen sich für die repetitiven Tätigkeiten mit Hilfe von arbeitswissenschaftlichen Funktionsanalysen direkte Bezugsgrößen definieren. Zu diesen Bezugsgrößen verhält sich der 349

Diese werden z.T. auch als „Wertdeckungs-Bezugsgrößen“ bezeichnet.

8 Grenzplankostenrechnung

243

Großteil der Kosten (v.a. Personalkosten) proportional. Mit Hilfe dieser Bezugsgrößen kann dann der erforderliche Personalbedarf geplant werden. In Abbildung 99 sind verschiedene direkte Bezugsgrößen für Kostenstellen außerhalb des Fertigungsbereichs dargestellt. Direkte Bezugsgrößen außerhalb des Fertigungsbereichs Art der Kostenstelle Art der Bezugsgröße Laboratorien Anzahl Proben Anzahl Analysen Anzahl bearbeiteter Angebote Einkauf Anzahl Bestellungen Anzahl geprüfter Rechnungen Anzahl Zugänge Anzahl Abgänge Materiallager oder Mengenmäßiger durchschnittlicher Lagerbestand Fertigwarenlager Wertmäßiger durchschnittlicher Lagerbestand Beanspruchte Lagerfläche in m2 Beanspruchter Lagerraum in m3, l oder hl Materialprüfung Anzahl Proben Anzahl Analysen Finanzbuchhaltung Anzahl Buchungen Kalkulation Anzahl Vorkalkulationen Anzahl Nachkalkulationen Lohnabrechnung Anzahl Bruttolohnabrechnungen Schreibbüro Anzahl Anschläge Verkaufsabwicklung Anzahl bearbeiteter Kundenaufträge Fakturierung Anzahl Rechnungen Anzahl Rechnungspositionen Versand Anzahl Versandaufträge Abbildung 99:

Beispiele für direkte Bezugsgrößen primärer Kostenstellen, die nicht zum Fertigungsbereich gehören350

Der wesentliche Unterschied bei der Verwendung solcher, in Abbildung 99 dargestellter direkter Bezugsgrößen für die sonstigen primären Kostenstellen im Vergleich zum Fertigungsbereich liegt in der Beziehung zwischen Kostenverursachungsmaßstab und Kalkulationsbezugsgröße. Während im Fertigungsbereich eine Identität vorliegt, ist eine erzeugnisbezogene Verrechnung auf die betrieblichen Erzeugnisse für die sonstigen primären Kostenstellen nicht möglich. So kann die „Anzahl an

350

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 263.

244

8 Grenzplankostenrechnung

Proben“ als Bezugsgröße für die Materialprüfungsabteilung zur Leistungsmessung und daher für die Durchführung des Soll-Ist-Kostenvergleichs herangezogen werden. Eine Verrechnung auf die Erzeugnisse ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Das gleiche gilt bei der „Anzahl der Bestellungen“ als Bezugsgröße für den Einkauf. Hier ist ebenfalls eine Verknüpfung zwischen der Erzeugnismenge und der Anzahl der Bestellungen schwierig. Aufgrund des fehlenden Erzeugnisbezugs werden für die kalkulatorische Weiterverrechnung für die sonstigen primären Kostenstellen in der Regel indirekte Verrechnungsbezugsgrößen verwendet. Für den kostenstellenbezogenen Soll-IstKostenvergleich wird soweit möglich auf direkte Bezugsgrößen zurückgegriffen. Im Forschungs-, Entwicklungs- und Konstruktionsbereich werden vor dem Hintergrund, dass es sich vornehmlich um Personalkosten handelt, meist die „geleisteten Arbeitsstunden“ als Bezugsgrößen herangezogen. In den Kostenstellen des Einkaufs- und Materialbereichs können, wie aus Abbildung 99 ersichtlich, viele direkte Bezugsgrößen für den Soll-Ist-Kostenvergleich gefunden werden. Für die kalkulatorische Weiterverrechnung wird jedoch meist die indirekte Bezugsgröße „€Materialkosten“ herangezogen. Zur Erhöhung der Kalkulationsgenauigkeit können jedoch für verschiedene Beschaffungsvorgänge unterschiedliche Kostensätze definiert und dann mit Hilfe einer Quote mit getrenntem Ausweis in der Erzeugniskalkulation angesetzt werden. Gleiches gilt für den Verwaltungs- und Vertriebsbereich. Die oben aufgeführten direkten Bezugsgrößen können nicht für die kalkulatorische Weiterverrechnung herangezogen werden. Hier wird meist die Verrechnungsbezugsgröße „€-Grenzherstellkosten des Umsatzes“ verwendet.351 Bei den sekundären Kostenstellen lassen sich drei Fälle unterscheiden: • „Sekundäre Kostenstellen, deren Leistungen quantitativ messbar sind und in den verbrauchenden Kostenstellen als Verbrauchsmengen erfasst werden können. • Sekundäre Kostenstellen, deren Leistungen zwar quantitativ messbar sind, die sich in den verbrauchenden Stellen aber nicht oder nur mit großem Aufwand als Verbrauchsmengen erfassen lassen. • Sekundäre Kostenstellen, deren Leistungen nicht quantitativ messbar sind und die sich daher in den verbrauchenden Stellen auch nicht als Verbrauchsmengen erfassen lassen.“352 Direkte Bezugsgrößen lassen sich nur für die erste Gruppe verwenden. Für Kostenstellen der Gruppe zwei und drei müssen indirekte Bezugsgrößen herangezogen werden. Klassische Beispiele für derartige sekundäre Kostenstellen sind die Reparaturkostenstellen, die Energiekostenstellen, die Sozialkostenstellen und die Trans-

351 352

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 265 f. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 266.

8 Grenzplankostenrechnung

245

portkostenstellen. Meistens werden hierbei „Deckungsbezugsgrößen“ verwendet. Die Leistungsabgabe derartiger Kostenstellen an andere Kostenstellen kann zwar jeweils geplant werden, jedoch erfolgt bei den Empfängern im Ist aus Wirtschaftlichkeitsgründen meist keine Erfassung. In diesen Fällen werden die Plankosten für eine innerbetriebliche Leistungsart, die einer empfangenden Kostenstelle entsprechend ihrer Planbeschäftigung vorgegeben wurden, zur Vermeidung von Verfälschungen der Kostenkontrolle am Periodenende entsprechend der Istbeschäftigung der empfangenden Kostenstelle abgewandelt. Die sich dadurch ergebenden Sollkosten der Leistungsart für die empfangende Kostenstelle weichen selbstverständlich nicht von den Istkosten ab. Die Sollkosten der empfangenden Kostenstelle werden der leistenden sekundären Kostenstelle gutgeschrieben. Die Summe der gutgeschriebenen Sollkosten von allen empfangenden Kostenstellen ergibt die für die Abrechnungsperiode insgesamt vorzugebenden Kosten. Man nennt diesen Betrag auch die „verrechneten“ oder „gedeckten“ Kosten dieser innerbetrieblichen Leistungsart. Die Sollkosten der sekundären Kostenstelle stammen also nicht direkt aus den Produktionsbeiträgen dieser sekundären Kostenstelle, sondern indirekt aus den Produktionsbeiträgen der empfangenden Kostenstellen bei Istbeschäftigung.353 Zur Verdeutlichung soll als Beispiel eine Stromkostenstelle herangezogen werden. Abbildung 100 zeigt die Planung der Stromkosten mit einer indirekten Bezugsgröße. Im Falle der Stromversorgungskostenstelle wäre auch die direkte Bezugsgröße „kWh Strom“ möglich gewesen. Hierzu müsste allerdings in allen verbrauchenden Kostenstellen der Energieverbrauch monatlich erfasst werden. Die hierfür notwendigen Messgeräte sowie die laufenden Ablesekosten lohnen sich nur bei sehr hohem Stromverbrauch. Lassen sich die Stromkosten nicht in allen verbrauchenden Kostenstellen erfassen oder ist die Erfassung nicht wirtschaftlich, so muss auf indirekte Bezugsgrößen zurückgegriffen werden. Hier empfiehlt sich die indirekte Bezugsgröße „€-Deckungsbezugsgröße“. Zur Ermittlung des Verrechnungssatzes werden die geplanten Stromkosten je Stelle durch die indirekte Planbezugsgröße geteilt. Die Stromstelle stellt 63.000 kWh/Monat zur Verfügung, wenn alle stromverbrauchenden Kostenstellen ihre Planbezugsgröße realisieren. Hierfür sind 7.560 € pro Monat proportionale Kosten vorgegeben; der proportionale Kostensatz beträgt 0,12 € pro kWh. Bei Planbeschäftigung muss dieser Betrag mit der Summe der Stromkostenvorgaben aller verbrauchenden Kostenstellen übereinstimmen. Die Spalte sechs in der Abbildung führt daher zu einer Summe von 7.560 € pro Monat. Die Spalten sieben und acht lassen erkennen, wie die Stromkosten in den verbrauchenden Kostenstellen in fixe und proportionale Bestandteile aufgeteilt worden sind. Die Spalte neun gibt die proportionalen Stromkosten pro Bezugsgrößeneinheit der verbrauchenden Kostenstelle an.

353

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 304.

246

8 Grenzplankostenrechnung

Belastete Kostenstellen Nr.

Bezeichnung

1

Bezugsgrößen Bezeichnung Plan

2

3

101 Arbeitsvorbereitung €-Deckung GK

Planstromkosten Ist

4

Gesamt Propor- Fix tional

5

6

4.506 5.002

46

26

8

9

20

0,0058

29

Fixkostenstelle

-

264

203 Reparaturabteilung

Ftg.-Stunden 1.000 1.300

144

134

10

0,1340

174

204 Innerbetrieblicher Transport

€-Deckung GK

300

270

30

0,0978

274

....

....

2.760 2.800

- 264

10

200 Grundstücke und Gebäude

....

-

7

Proportionale Proportionale Stromkosten Sollstromkosten pro Bzgr.bei IstbeschäfEinheit tigung [€/Monat] [€/Monat]

-

-

....

....

....

....

....

....

....

200

300

34

34

-

0,1700

51

Masch.Stunden

1.600 1.850

270

255

15

0,1594

295

504 Große Fräsmaschinen

Masch.Stunden

1.200 1.070

162

154

8

0,1283

137

505 Schleiferei

Ftg.-Stunden 1.200 1.460

696

660

36

0,5500

803

600 Schweißerei

SchweißStunden

276

250

26

0,2500

290

610 Härterei

100 kg

180

288

260

28

1,7333

312

700 Montage

Ftg.-Stunden 3.600 3.850

412

400

12

0,1111

428

502 Feinstbohrwerk

Ftg.-Stunden

503 Kleine Fräsmaschinen

Summe

1.000 1.160 150

7.560

6.860 700

-

Gesamte Sollkosten bei Istbeschäftigung Istbeschäftigungsgrad = 8.444 : 7.560

7.744 8.444 111,7 %

Abbildung 100: Beispiel für indirekte Bezugsgrößen anhand einer Stromversorgungsstelle354

Für die Reparaturabteilung ergibt sich beispielsweise ein Kostensatz von 134 € Stromkosten / 1.000 Planfertigungsstunden = 0,134 € pro Stunde (Spalte neun). Durch die Multiplikation der in Spalte fünf angegebenen Istbezugsgröße der verbrauchenden Kostenstelle mit dem proportionalen Stromkostensatz erfolgt eine Anpassung der proportionalen Stromkosten an die Istbeschäftigung (Spalte zehn). Addiert man die Sollkosten bei Istbeschäftigung für alle stromverbrauchenden Kostenstellen, so kommt man zu den gesamten proportionalen Sollkosten pro Monat. Addiert man hierzu die fixen Stromkosten pro Monat in Höhe von 700 € pro Monat, so erhält man die Sollkostensumme bei Istbeschäftigung. Da letztlich die Istbeschäf354

Abbildung modifiziert übernommen aus Kilger, Plankostenrechnung, 1993, S. 332.

8 Grenzplankostenrechnung

247

tigung mit dem so ermittelten Verrechnungssatz multipliziert wird, kommt es zu keinen Abweichungen zwischen Ist- und Sollverbrauch der Stelle. Diese Vereinfachung kann angesichts der durch eine genaue Erfassung ggf. entstehenden Kosten gerechtfertigt sein. Die Aufteilung fixer und variabler Kosten (Spalten sechs bis acht) kann nur auf Basis bekannter Verbrauchswerte der Maschinen etc. geschätzt werden. Auf eine genaue Ermittlung wird ja gerade wegen der Zuhilfenahme einer indirekten Bezugsgröße verzichtet. Nachdem die unterschiedlichen Bezugsgrößenarten erläutert wurden, soll nachfolgend gezeigt werden, wie man in der Praxis zur richtigen Bezugsgröße gelangt. Das Ablaufschema in Abbildung 101 soll helfen, für jede Kostenart die erforderliche Bezugsgröße herauszufiltern. Das Ergebnis des Auswahlprozesses kann sein, dass: • • • •

eine Bezugsgröße ausreicht (direkte oder indirekte); mehrere, nach Aktivitäten des Produktionsvollzuges differenzierte Bezugsgrößen erforderlich sind (verfahrensbedingte Heterogenität); mehrere, nach Leistungseigenschaften differenzierte Bezugsgrößen erforderlich sind (produktbedingte Heterogenität) oder mehrere, sowohl nach Produktionsvollzug als auch nach Leistungseigenschaften differenzierte Bezugsgrößen erforderlich sind.

Für den Fall, dass nur eine Leistungsart in der Kostenstelle erstellt wird und der Produktionsvollzug als konstant angenommen werden kann, kann die Leistungsmenge direkt als Bezugsgröße verwendet werden. Bei variablem Produktionsvollzug sind mehrere, nach den Aktivitäten des Produktionsvollzugs differenzierte Bezugsgrößen für die Bestimmung der Kostenhöhe erforderlich (verfahrensbedingte Heterogenität). In der Praxis werden von einer Kostenstelle in der Regel mehrere Leistungsarten erstellt. In diesem Fall ist zu prüfen, ob sich die Leistungen quantifizieren lassen oder ob die Erfassung der Bezugsgrößen wirtschaftlich vertretbar ist. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, so kann die Kostenverursachung in der Kostenstelle mit Hilfe von direkten Bezugsgrößen erfolgen. Für den Fall, dass die qualitativen Eigenschaften der Leistungen die Kosten wesentlich beeinflussen, müssen mehrere, nach den Leistungseigenschaften differenzierte Bezugsgrößen herangezogen werden (produktbedingte Heterogenität). Sollten die qualitativen Eigenschaften der Leistungen die Kosten der Kostenstelle nicht oder nur unwesentlich beeinflussen und mehrere alternative Produktionsbedingungen vorliegen, die die Kostenhöhe wesentlich beeinflussen, so sind mehrere, nach Aktivitäten des Produktionsvollzugs differenzierte Bezugsgrößen erforderlich. In Fällen, in denen sowohl qualitative Eigenschaften der Leistungen als auch die Produktionsbedingungen die Kosten wesentlich beeinflussen, liegt eine Kombination von produktbedingter und verfahrensbedingter Heterogenität vor. Hierbei müssen die Bezugsgrößen sowohl nach den qualitativen Eigenschaften der Leistungen als auch nach den Aktivitäten des Produktionsvoll-

248

8 Grenzplankostenrechnung

zugs gegliedert werden. Sollten Einflüsse der qualitativen Eigenschaften auf die Kosten der Kostenstelle nicht vorliegen oder vernachlässigbar sein und der Produktionsvollzug konstant sein oder als konstant angenommen werden, so reicht eine Bezugsgröße für die Bestimmung der Kosten der Kostenstelle aus.355 Lassen sich die Leistungsarten einer Kostenstelle nicht quantifizieren oder ist die Erfassung der Istbezugsgrößen wirtschaftlich nicht sinnvoll, so müssen indirekte Bezugsgrößen für die Verrechnung der Kosten herangezogen werden.

355

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 255.

356

Abgeleitet aus anderen Bezugsgrößen = Euro Deckungsbezugsgröße

nein

ja

ja

ja

nein

Eine Bezugsgröße reicht aus

ja

ja

nein

ja

ja

nein

Direkte Bezugsgrößen

Direkt gemessene Bezugsgrößen

Aus der Lohnabrechnung abgeleitete Bezugsgrößen

Retrograd aus Leistungsmengen abgeleitete Bezugsgrößen

Mehrere, nach Aktivitäten des Produktionsfollzugs diff. Bezugsgrößen erforderlich

Mehrere, nach Leistungseigenschaften und Aktivitäten des Produktionsvollzugs diff. Bezugsgrößen erforderlich

nein

Einfluss des Produktionsvollzugs kann vernachlässigt werden

Mehrere, nach Leistungseigenschaften differenzierte Bezugsgrößen erforderlich

ja

nein Einfluss d. Produktionsvollzugs kann vernachlässigt werden

Leistungsmenge kann als Bezugsgröße verwendet werden

ja

Produktionsvollzug ist konstant

Produktionsvollzug ist konstant

nein

Qualitative Eigenschaften können vernachlässigt werden

ja

Produktionsvollzug ist konstant

nein

Qualitative Eigenschaften der Leistungen beeinflussen die Kosten

nein

Leistungen können lfd. erfasst werden

nein

Einfluss des Produktionsvollzugs kann vernachlässigt werden

Abgeleitet aus dem Umsatz

Mehrere, nach Aktivitäten des Produktionsvollzugs differenzierte Bezugsgrößen erforderlich

Abgeleitet aus Kostenartenbeträgen

Indirekte Bezugsgrößen

nein

Leistungen sind quantifizierbar

ja

Kostenstelle erstellt mehrere Leistungsarten

8 Grenzplankostenrechnung 249

Abbildung 101: Ablaufschema zur Bezugsgrößenwahl356

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 254.

250

8 Grenzplankostenrechnung

8.3.3 Bestimmung der Planbezugsgröße Nachdem für jede Kostenart über alle Kostenstellen die Bezugsgrößenart festgelegt wurde, müssen die Planwerte für die Bezugsgrößen festgelegt werden. Diese Planbezugsgrößen geben letztlich an, welche Mengen auf welche Weise in den einzelnen Kostenstellen produziert werden sollen. Ihre Bestimmung ist deshalb nicht nur ein Problem der Kostenplanung, sondern vor allem der ihr vorgelagerten Produktions- bzw. Absatzplanung mit allen damit einhergehenden Material-, Arbeits-, Durchsatzplanungen etc. Für eine Reihe anderer Plangrößen sind auch besondere Prognosen bzw. eigene Entscheidungen notwendig (Einsatzgüterqualität, Produktionstiefe, Verfahrenswahl). Oftmals werden Entscheidungen über den konkreten Produktionsvollzug sehr kurzfristig gefällt, so dass in der Planung vorherzusagen ist, mit welchem Anteil die Entscheidung in einer bestimmten Art ausfallen wird. Geplant wird meist auf Basis eines Durchschnittsmonats eines Jahres. Die Planbezugsgrößeneinheiten haben damit die Dimension „Bezugsgrößeneinheit pro Monat“. Die Bestimmung der Planbezugsgröße hat vor allem in der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis eine große Bedeutung für die Kalkulation, da sich die Höhe der Planbezugsgröße auf die Fixkostendegression und auf die Vollkostensätze niederschlägt. Bei der hier betrachteten flexiblen Grenzplankostenrechnung sind die vorliegenden Grenzkostensätze unabhängig von der Beschäftigung, so dass die Verfahren zur Bestimmung der Planbezugsgröße von untergeordneter Bedeutung für die Kalkulation sind. Allerdings wird die Grenzkostenkalkulation in der Regel durch eine Vollkostenkalkulation ergänzt, so dass die Höhe der Planbezugsgröße schließlich doch wieder von Interesse ist. In der Literatur werden zur Bestimmung der Höhe der jeweiligen Bezugsgröße die Kapazitäts- und die Engpassplanung diskutiert. Bei der Kapazitätsplanung wird (werden) die Planbezugsgröße(n) unter Berücksichtigung des Leistungsvermögens der einzelnen Kostenstelle bestimmt. Hierbei kommen die Maximalkapazität, die kostenoptimale Kapazität oder die Normalkapazität als Planungsbasen in Betracht. Für die praktische Ausgestaltung erscheint die kostenoptimale Kapazität, verstanden als Kapazität bei Zweischichtbetrieb und optimalem Intensitätsgrad am besten für die Planung geeignet. Die Maximalkapazität geht von durchschnittlich 30 Arbeitstagen pro Monat und einem Vierschichtbetrieb aus und ist deshalb als Planungsbasis nur für diejenigen wenigen Arbeitsprozesse geeignet, die ohne zeitliche Unterbrechungen durchgeführt werden. Da die Maximalkapazität in der Regel über die realisierbare Beschäftigung hinausgeht, wurde in der Theorie vorgeschlagen, die Normalkapazität anzusetzen. Allerdings ist die Auslegung des Begriffs recht schwierig. Als „Normal“ kann nur die beschäftigungsmäßige Auslastung einer Kostenstelle bezeichnet werden, nicht aber die Kapazität. Bei der Planung des Kapazitätsumfangs müssen Arbeitszeiten außer Acht gelassen werden, in denen das Leistungsvermögen der Arbeitskräfte und Betriebsmittel nicht oder nur zum Teil genutzt werden kann, wie etwa Verlustzeiten für Reparaturen, Reinigung der Betriebsmittel und techni-

8 Grenzplankostenrechnung

251

sche Engpässe im Produktionsablauf. Grundsätzlich müssen für die Bestimmung der Planbezugsgrößen mit Hilfe der Kapazitätsplanung die Absatzerwartungen berücksichtigt werden.357 Der Engpassplanung liegt die Annahme zugrunde, dass die Plankostenrechnung Teil einer umfassenden Planungsrechnung ist und sich demzufolge die Planbezugsgrößen aus der gesamtbetrieblichen Jahresplanung ableiten. Das Gesamtsystem der betrieblichen Planung besteht aus einer Vielzahl interdependenter Teilpläne, die nur dann einen Sinn haben, wenn sie untereinander abgestimmt werden. Die Bezeichnung „Engpassplanung“ leitet sich daraus ab, dass sich die Beschäftigungsplanung als Teilplan - wie alle übrigen Pläne - am „Minimumsektor der Planung“ ausrichten muss. Dies entspricht dem von Gutenberg geprägten „Ausgleichsgesetz der Planung“, das besagt, dass die gesamte Planung stets auf den schwächsten Teilbereich (Minimumsektor, Engpass) abgestellt werden muss. Die oben beschriebene Kapazitätsplanung kann somit beispielsweise als Engpassplanung mit Kapazitätsengpässen in der Fertigungsstelle aufgefasst werden. Grundsätzlich muss bei der Durchführung der Engpassplanung zwischen Unternehmen mit standardisierten Produkten und Unternehmen mit Auftrags- und Einzelfertigung unterschieden werden.358 Für Unternehmen mit standardisierten Produkten liegen die Erzeugnisarten, der Produktaufbau sowie die notwendigen Fertigungsstellen zum Zeitpunkt der Kostenplanung fest. Für den Fall, dass eine nach Erzeugnisarten gegliederte Absatzmengenplanung vorliegt, kann die Planbezugsgröße rechnerisch anhand von Stücklisten und Arbeitsplänen aus der jährlichen Gesamtplanung abgeleitet werden. Die monatlichen Absatzmengen lassen sich durch die Anwendung von angenommenen Saisonkoeffizienten aus den geplanten Jahresmengen ableiten. Die Annahme, dass der Absatzbereich als Engpass fungiert, ist in gesättigten Märkten sehr plausibel. Bei Auftrags- oder Einzelfertigung kann eine solche retrograde Bestimmung aus der jährlichen Gesamtplanung nicht erfolgen. In diesem Fall liegt lediglich ein bestimmter Auftragsbestand vor. In der Regel ist der Auftragsbestand geringer als die Jahresproduktion. In jedem Fall aber wird der Teil des Auftragsbestands, für den eine detaillierte Planung anhand von Stücklisten, Konstruktionszeichnungen, Materialbedarfsrechnungen, Arbeitsplänen etc. vorliegt, geringer sein als eine Jahresproduktion. Die Erstellung eines nach Produktarten differenzierten Absatzplans ist hier somit nicht möglich. Aus diesem Grund ist eine rechnerische Abstimmung der Planbezugsgröße mit der Produktionsplanung unmöglich. Es muss auf Näherungsverfahren zurückgegriffen werden.

357 358

Vgl. Freidank, Kostenrechnung, 2008, S. 254. Vgl. ebenda.

252

8 Grenzplankostenrechnung

Die Engpassplanung für primäre Fertigungskostenstellen mit direkten Bezugsgrößen ist ohne Probleme durchführbar. Aber auch in primären Kostenstellen mit indirekten Bezugsgrößen lassen sich die Planbezugsgrößen mit Hilfe der Engpassplanung rechnerisch ermitteln. In den Kostenstellen des Einkaufs- und Materialbereichs können die Bezugsgrößen „€-Materialkosten“ aus der Materialkostenplanung abgeleitet werden. Bei den Kostenstellen des Verwaltungs- und Vertriebsbereichs können die Bezugsgrößen bei Ansatz der Verrechnungsbezugsgröße „€-Plangrenzherstellkosten des Umsatzes“ erst geplant werden, wenn die Kostenplanung in den übrigen Bereichen abgeschlossen ist. Die Anwendung der Engpassplanung zur Bestimmung der Planbezugsgrößen für sekundäre Kostenstellen erfordert ein lineares Gleichungssystem. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Planbezugsgrößen der sekundären Kostenstellen von den geplanten Verbrauchsmengen aller empfangenden, primären und sekundären Kostenstellen abhängen. Die Verbrauchsmengen der sekundären Kostenstellen hängen aber wiederum von den Planbezugsgrößen ab. Dieser Zirkelbezug kann nur durch ein lineares Gleichungssystem gelöst werden. In der Regel wird aufgrund der Kompliziertheit dieses Verfahrens auf eine Näherungslösung zurückgegriffen. Hierbei werden die durchschnittlichen Istbeschäftigungen des Vorjahres an die erwarteten Beschäftigungsschwankungen global angepasst.359

8.3.4 Bestimmung der Kostenfunktion Nachdem für jede Kostenart eine Bezugsgröße gewählt und geplant wurde, müssen die Kostenfunktionen selbst bestimmt werden. Wie bereits in Kapitel 8.2.1 dargestellt, werden die Kostenfunktionen als linear und separabel angenommen. Es genügt also, für jede Bezugsgröße die beiden Geradenparameter anzugeben. Hierbei kommen zwei generelle Verfahrensarten zur Anwendung. Die statistischen Methoden gehen von Zahlen der vergangenen Perioden aus und leiten hieraus die Plankosten ab. Die zweite Verfahrensart zur Bestimmung der Kostenfunktion ist die analytische Vorgehensweise. Diese beruht im Gegensatz zu den statistischen Verfahren auf technischen Studien, arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen, betriebswirtschaftlichen Optimierungsverfahren, Probeläufen etc. Die so ermittelten Sollkosten stellen eine Zusammensetzung von Elementen aus technischkostenwirtschaftlichen Untersuchungen des Produktionsprozesses dar. Zu den gebräuchlichsten statistischen Methoden zählen360:

359

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 271 ff. und Haberstock, Kostenrechung II, 2004, S. 92 ff. 360 Vgl. hierzu auch Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 152 ff.

8 Grenzplankostenrechnung

• • • •

253

buchtechnisch-statistische Verfahren, Streupunktdiagramme, Differenzen-Quotienten-Verfahren, Methode der kleinsten Quadrate.

Die buchtechnisch-statistische Kostenauflösung basiert auf den Veränderungen der einzelnen Kostenarten bei Beschäftigungsänderungen in den vergangenen Perioden. Die Reaktion der einzelnen Kostenarten auf Beschäftigungsänderungen wird durch den sogenannten Reagibilitätsgrad r zum Ausdruck gebracht.

ΔK r= K ΔB B Der Reagibilitätsgrad gibt das Verhältnis von prozentualer Kostenänderung zu prozentualer Beschäftigungsänderung an. Das Verhältnis drückt aus, um wieviel Prozent sich die Kosten ändern, wenn sich die Beschäftigung um ein Prozent ändert. Ein Reagibilitätsgrad von null weist somit auf eine fixe Kostenart hin. Bei einem Reagibilitätsgrad von eins handelt es sich um eine proportionale Kostenart. Entsprechend weist ein Reagibilitätsgrad von größer eins auf eine überproportionale Kostenart und ein Reagibilitätsgrad zwischen null und eins auf eine semivariabele Kostenart mit teilweise fixen und teilweise variablen Kostenanteilen hin. Der Reagibilitätsgrad kann für ein und dieselbe Kostenart zwischen den einzelnen Kostenstellen variieren. Daher muss er kostenstellenweise untersucht werden. Im Folgenden wird ein Beispiel für eine buchtechnisch-statistische Kostenauflösung dargestellt. Eine Kostenart entwickelt sich über zwei Perioden wie folgt: Periode

Beschäftigung xi [LE/Per]

Kosten [€/Per]

1

2.000

30.000

2

2.200

31.200

254

8 Grenzplankostenrechnung

Der Reagibilitätsgrad errechnet sich dann wie folgt:

ΔK 1.200 4% r = K = 30.000 = = 40 % 200 Δx 10 % 2.000 x Hieraus folgt, dass sich 40 % der Kostenart variabel und 60 % fix verhalten. D.h., dass in Periode 1 12.000 € und in Periode 2 13.200 € als variabel angenommen werden. Die Fixkosten betragen somit 18.000 € pro Periode. Die Bestimmung der Kostenfunktion mit Hilfe von Streupunktdiagrammen basiert ebenfalls auf der Beobachtung von Istkosten und den dazugehörigen Bezugsgrößen vergangener Perioden. Diese Werte werden in ein Streupunktdiagramm eingezeichnet, auf dem sich die registrierten Ist-Bezugsgrößen auf der Abszisse und die zugehörigen Istwerte auf der Ordinate befinden. Durch das hieraus dargestellte Streuband der einzelnen Kostenpunkte wird eine Gerade nach Augenmaß so gelegt, dass sich die Abstände der Wertepaare unterhalb der Geraden zur Geraden mit denen oberhalb der Geraden zur Geraden ausgleichen. Der Geradenschnittpunkt mit der Ordinate gibt die fixen Kosten an. Die proportionalen Kosten werden durch den Quotient aus durchschnittlichen Ist-Gesamtkosten abzüglich Fixkosten und durchschnittlichen IstBezugsgrößen ermittelt. p p p p K var . = K ( x ) − K fix

T

p K var . =

∑K

i t

i =1

T

( x ti ) p − K fix

Im Folgenden wird ein Bespiel für ein Streupunktdiagramm dargestellt. In einer Fräserei werden die folgenden Energiekosten für die letzten zwölf Monate sowie die dazugehörigen Maschinenlaufzeiten aufgezeichnet.

8 Grenzplankostenrechnung Monat Januar

Maschinenstunden

Energiekosten

[h/Monat]

[€/Monat]

1.000

1.300

Februar

980

1.220

März

800

1.100

April

850

1.140

Mai

1.050

1.370

Juni

900

1.200

Juli

700

900

August

890

1.190

September

990

1.240

Oktober

1.100

1.400

November

1.090

1.380

Dezember

600

790

10.950

14.230

Summe Monatsdurchschnitt

255

912,5

1.185,8

1.600

Energiekosten €/Monat

1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0 0

200

400

600

800

1.000

1.200

Maschinenstunden h/Monat

Abbildung 102: Beispiel für ein Streupunktdiagramm

Das Differenzen-Quotienten-Verfahren, auch als „High-Low-Points-Method“ oder mathematische Kostenauflösung bezeichnet, setzt zur Ermittlung der Kostenfunktion die Kostendifferenz ΔK und die zugehörige Beschäftigungsdifferenz ΔB

256

8 Grenzplankostenrechnung

zueinander ins Verhältnis. Die hierfür notwendigen Wertepaare müssen zum einen möglichst weit auseinander liegen und zum anderen sollten sie repräsentativ sein. Die proportionalen Plankosten pro Bezugsgröße ermitteln sich daher wie folgt: p k var .=

[ K 2i ( x2i ) − K1i ( x1i )] Kostendifferenz = i i ( x2 − x1 ) Bezugsgrößendifferenz

Die fixen Kosten erhält man, wenn man die proportionalen Plankosten pro Bezugsgrößeneinheit mit x1i oder x2i multipliziert und von den Ist-Gesamtkosten

K 1i bzw. K i2 subtrahiert. Mit Hilfe der proportionalen Kosten pro Bezugsgrößeneinheit und den geplanten Fixkosten kann die Sollkostenfunktion aufgestellt werden. Die wird anhand eines Beispiels für das Differenz-Quotienten-Verfahren verdeutlicht. Als repräsentative Perioden mit weit auseinander liegenden Bezugsgrößenwerten werden die folgenden Perioden identifiziert: Monate

Ist-Bezugsgröße [Fertigungsstunden]

Ist-Schmiermittelkosten in €

März

4.400

2.100

August

2.120

1.005

Differenz

2.280

1.095

k pvar . =

1.095 € € = 0,48 2.280 Std. Std.

p p i K var . = k var . * x1

2.112 = 0,48

€ * 4.400 Std. Std.

p i i K fix = K1i ´(x1i ) − K var .( x )

12 = 2.112 – 2.100

K p ( x i ) =12 + 0,48* x i Die Methode der kleinsten Quadrate zählt im Rahmen der statistischen Methoden zu den exaktesten Verfahren. Hierbei wird auf Basis der bereinigten Istwerte der Vergangenheit eine Ausgleichsgerade mit Hilfe einer mathematischen Trendberech-

8 Grenzplankostenrechnung

257

nung ersten Grades errechnet. Der Verlauf dieser Ausgleichsgeraden wird so bestimmt, dass die Summe der quadrierten Abweichungen aus den Sollkosten und den effektiven Kosten ein Minimum ergibt361. Die quadratische Abweichung zwischen den Istkosten und der entsprechenden Sollkostengerade lässt sich für jede Kostenart oder Kostenstelle wie folgt errechnen362: T

∑[K

(1)

i t

p p i 2 ( xti ) − ( K fix + k var . * x t )] Æ min

i =1

Die Quadrierung ist deshalb notwendig, da sich die vom Periodendurchschnitt abweichenden Beträge hinsichtlich der Kosten und der Bezugsgrößen bei Aufsummierung aufheben würden. In obiger Gleichung stellen die Istkosten K ti ( xti ) und die dazugehörige Bezugsgrößeneinheit xti Bekannte dar. Ein Minimum der quadratischen Abweichung ergibt sich, wenn die folgenden Werte angenommen werden: T

p (2) k var . =

∑ Δx * ΔK i =1

i t

T

∑ Δx

i t

t =1

T

p = (3) K fix

i t

( xti ) und

2

[∑ K ( x ) − k i =1

i t

i t

p var .

T

∑x i =1

i t

T

mit (4) Δxti = xti −

1 T

T

∑ Δx i =1

i t

(5) ΔK ti ( xti ) = K ti ( xti ) −

T

∑K i =1

i t

t = 1,2, ..., T. Die Zusammenhänge werden nochmals anhand eines Beispiels für die Methode der kleinsten Quadrate erläutert.

361

362

Diese Vorgabe war bereits beim Streupunktdiagramm gemacht worden. Hier wurde die Ausgleichsgerade allerdings nach Augenmaß erfasst. Zur Herleitung im Einzelnen vgl. etwa Wiedling, Verfahren, 1978, S. 125 ff.

258

8 Grenzplankostenrechnung

Periode x i t

K ti ( xti )

ΔK ti ( xti ) Δxti * ΔK ti ( xti )

Δxti

Δxti

2

1

4.000

8.100

120

- 20

- 2.400

14.400

2

3.200

7.600

- 680

- 520

353.600

462.400

3

4.300

8.700

420

580

243.600

176.400

4

3.800

7.900

- 80

- 220

17.600

6.400

5

4.100

8.300

220

180

39.600

48.400

19.400

40.600

0

0

652.000

708.000

3.880

8.120

5

∑ i =1 5

∑ i =1

5

p (1) k var . =

652.000 = 0,92 € 708.000

p (2) K fix =

(40.600 € − 0,92 € *19.400 Std.) = 4.550,40 5 Perioden

(3) K p ( x i ) = 4.550,4 + 0,92 * x i Die Methode der kleinsten Quadrate liefert eine sehr genaue Sollkostenfunktion. Allerdings ist der Zeit- und Kostenaufwand gegenüber den anderen Verfahren ebenfalls höher. In der Praxis wird man hierfür ein Softwareprogramm benötigen. Die dargestellten statistischen Verfahren für das Aufstellen der Kostenfunktionen basieren alle auf Vergangenheitswerten. Darin liegt die Gefahr begründet, dass Unwirtschaftlichkeiten aus der Vergangenheit mit Hilfe der Kostenfunktionen in die Zukunft getragen werden. Darüber hinaus muss eine derartige Datengrundlage überhaupt erst vorliegen. Tatsächlich liegen derartige Daten häufig nicht vor, wenn erstmals eine Plankostenrechnung eingeführt oder eine bereits vorhandene verbessert werden soll. Auch liegen zum Teil zu undifferenzierte Daten vor, aus denen nur ein sehr grober Zusammenhang zwischen Bezugsgröße und dazugehörigen Kosten abgeleitet werden kann. Dies aber widerspricht genau der Grundidee des Plankostenrechnungsansatzes von Kilger.

8 Grenzplankostenrechnung

259

Aufgrund der genannten Mängel wird für das Aufstellen der Kostenfunktion die analytische Vorgehensweise präferiert. Bei diesen Verfahren werden die Mengenund Zeitvorgaben der Kostenstellen mithilfe technisch-kostenwirtschaftlicher Analysen des Produktionsprozesses festgelegt. Im Gegensatz zu den statistischen Verfahren geht man hier nicht von Istkosten der Vergangenheit aus, sondern ermittelt die Kosten durch Berechnungen, Messungen, Funktionsanalysen, Schätzungen, Erfahrungswerte oder durch interne und externe Vergleiche. Die besten Ergebnisse werden mit Berechnungen und Messungen erzielt. Hierzu muss der Faktorverbrauch aus naturwissenschaftlich oder technisch determinierten funktionalen Zusammenhängen resultieren. Dies kann beispielsweise beim Energieverbrauch unterstellt werden. Berechnungen sind auch dort möglich, wo Kostenarten von Verträgen oder genauen gesetzlichen Vorschriften abgeleitet werden können. Funktionsanalysen können beispielweise bei der Planung des Personaleinsatzes zur Anwendung kommen. Schätzungen werden meist bei Kostenarten eingesetzt, die größeren Zufallsschwankungen unterliegen. Dies ist z.B. bei Reparatur- und Instandhaltungskosten, aber auch bei Schmiermittel- und Ölverbrauch der Fall. Erfahrungswerte bzw. interne oder externe Vergleiche können häufig extern eingekauft werden. Aufgrund der hohen Kosten für eine analytische Planung wird in der Regel eine ABC-Analyse der zu planenden Kostenarten durchgeführt. Meist decken 20 % der zu planenden Kostenarten bereits 80 % des Kostenvolumens. In der ersten Phase der analytischen Kostenplanung wurden die Mengen- und Zeitvorgaben für möglichst viele alternative Beschäftigungsgrade gesondert festgelegt. Für diese mehrstufige analytische Gemeinkostenplanung wurden in der Literatur mehrere Stufungen vorgeschlagen. Medicke363 schlägt drei Stufen vor, nämlich 100 %, 75 % und 50 % Planbeschäftigung, während Kilger364 und Haberstock365 Abstände von 10-20 Prozentpunkten befürworten. Im Allgemeinen wird bei der mehrstufigen analytischen Planung keine Trennung in fixe und variable Bestandteile vorgenommen. Dies wird als ein wesentlicher Nachteil dieser Verfahren angesehen. Andererseits besteht die Möglichkeit, nichtlineare und unstetige Sollkostenverläufe zu erfassen. Allerdings hat sich heute die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Kostenverursachung meist mit Hilfe linearer Sollkostenlinien erfasst werden kann. Aus diesem Grund spielt die mehrstufige analytische Gemeinkostenplanung nur noch eine untergeordnete Rolle, da bei Annahme eines linearen Kostenverlaufs die Planung einer Mengen- und Zeitvorgabe ausreicht. Aus diesem Grund wird hier auf weitere Erläuterungen zur mehrstufigen analytischen Kostenplanung verzichtet. 363

So bei Medicke, Gemeinkosten, 1956, S.79. Siehe hierzu Kilger, Plankostenrechnung, 1993, S. 349 f. In den neueren Auflagen wird der Vorteil der mehrstufigen analytischen Kostenplanung allerdings nicht mehr gesehen, vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 283 ff. 365 Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 234. 364

260

8 Grenzplankostenrechnung

Die einstufige analytische Kostenplanung geht von einer linearen Sollkostenlinie aus. Die Vorgehensweise für den einstufigen analytischen Gemeinkostenplanungsprozess lässt sich wie folgt skizzieren366: 1. Entsprechend der hier gewählten Vorgehensweise muss zunächst der Betrieb in Kostenstellen unterteilt werden. Anschließend müssen geeignete Bezugsgrößen ausgewählt und Plan-Bezugsgrößen festgelegt werden. 2. Mit Hilfe geeigneter Studien (Verbrauchsanalysen, Messungen, Schätzungen, etc.) werden die einzelnen Kostenarten für die Planbezugsgröße ermittelt und anschließend zu den gesamten Plankosten Kp zusammengefasst. Die gesamten Plankosten KP werden nun für die Planbeschäftigung in fixe und variable Bestandteile aufgelöst. In der Grenzkostenrechnung werden die fixen und variablen Bestandteile direkt mit ihren absoluten Beträgen genannt. Bei einer Vollkostenrechnung werden sie nur indirekt mit Hilfe von Variatoren angegeben. Ein Variator ist eine Kennzahl, die angibt, wie sich die Kostenarten in Bezug auf Beschäftigungsschwankungen verhalten. In der Praxis ist die Zehnerschreibweise üblich. Hier gibt der Variator an, wie hoch die Kostenänderung bei einer zehnprozentigen Beschäftigungsänderung ausfällt.

V=

K p ,var . Kp

*10

Das bedeutet, dass bei einem Variator von zehn alle Kosten variabel sind. Ein Variator von 7 sagt, dass 70 % der Kosten variabel und 30 % fix sind. Der Variator ist nur als Kennzahl zu betrachten, die das Ergebnis der Kostenauflösung wiedergibt (vgl. Abbildung 105). In der Praxis kann man eigene Erfahrungswerte oder Richtwerte für die Kostenauflösung heranziehen367. In Abbildung 103 sind verschiedene Richtwerte für die Kostenauslösung dargestellt.

366

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 232 f. und Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 174. 367 Richtwerte für die Kostenauflösung wurden z.B. von Patterson erarbeitet (vgl. Patterson, Ermittlung, 1961, S. 103 f.).

8 Grenzplankostenrechnung Kostenart Fertigungslöhne Hilfslöhne Transport Reinigen Lagerarbeiten Zusatzlöhne Gehälter Sozialkosten Hilfsstoffe Reinigungsmittel Schutzkleidung Kraftstoff Energie Strom Gas Wasser Werkzeuge Raumkosten Kalk. Abschreibung Kalk. Zinsen Anlagevermögen Umlaufvermögen Instandhaltung und Reparaturkosten Maschinen Gebäude Bürobedarf

261

Proportionaler Anteil in % der geplanten Kostensumme 100 70-90 0 60 100 0-20 Aufteilung wie Löhne und Gehälter 90 50-70 100 90 Unterschiedlich 0-90 70-90 0 Gesonderte Analysen 0 50-90 70-90 0 50-90

Abbildung 103: Richtwerte für die Kostenauflösung368

Aus den Plankosten und ihrer Auflösung kann der lineare Sollkostenverlauf abgeleitet werden. Abbildung 104 stellt den Ablauf der einstufigen analytischen Gemeinkostenplanung graphisch dar.

368

Abbildung entnommen aus Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 178.

262

8 Grenzplankostenrechnung

K [€/Per]

K [€/Per]

(2)

KP

(1) xP

xP

x [LE/Per]

K [€/Per]

x [LE/Per]

K [€/Per]

K

(4)

KP

p var .

KS

KP p K var .

(3) p K fix

K verr . xP

Abbildung 104:

369

x [LE/Per]

p K fix

xP

x [LE/Per]

Ablauf der einstufigen analytischen Gemeinkostenplanung369

Abbildung in Anlehnung an Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 175.

8 Grenzplankostenrechnung

263

Kostenstelle: Dreherei Kostenart

Plankosten Variator Variable Planko- Fixe Plankosten [€/Per.] sten [€/Per.] [€/Per.] Fertigungslöhne 20.000 10 20.000 0 Hilfslöhne (Vorarbeiter) 1.500 4 600 900 Hilfsarbeiter (Trans8.000 8 6.400 1.600 port) Reinigungsmittel 800 9 720 80 Schmieröl 400 10 400 0 Werkzeuge (insb. 400 8 320 80 Drehmeißel) Raumkosten 1.000 0 0 1.000 Kalk. Zinsen auf AV 2.400 0 0 2.400 Kalk. Zinsen auf UV 1.200 6 720 480 Eigenreparaturen 900 7 490 410 Summe 36.600 29.650 6.950

Abbildung 105: Beispiel für Variatoren für eine Kostenstelle

Der wesentliche Nachteil der einstufigen analytischen Gemeinkostenplanung ist in der Notwendigkeit qualifizierter Fachkräfte zu sehen, die zur Durchführung der Analysen benötigt werden. Auf der anderen Seite ermöglicht eine derartige Kostenplanung eine relativ genaue Beschäftigungs- und Kostenplanung und bietet damit Potenziale für Kosteneinsparungen und Arbeitsvereinfachungen.

8.3.5 Planung einzelner Gemeinkostenarten Aufgrund der Vielzahl an Gemeinkostenarten lassen sich für die praktischen Planungsarbeiten neben den oben dargestellten kaum allgemeingültige Regeln aufzeigen. Aus diesem Grund werden im Folgenden einige wesentliche Kostenarten und deren Planung vorgestellt. Die nachfolgend erläuterten Gemeinkostenarten stellen nur eine Auswahl der in der Praxis üblichen Kostenarten dar. Es wird ein guter Überblick über die gebräuchlichen Gemeinkosten-Planungsverfahren anhand der Gemeinkostenarten: • • • • • • •

Gehälter, Hilfslohnkosten, Werkzeugkosten, Kalkulatorische Abschreibung, Büromaterialkosten, Postkosten, Reisekosten

gegeben.

264

8 Grenzplankostenrechnung

Bei Gehältern handelt es sich um Gemeinkosten, die größtenteils für Verwaltungs-, Planungs- und Führungsaufgaben anfallen. Ziel der Kostenplanung ist es, das zu erwartende Leistungsvolumen möglichst exakt vorherzusagen. Hierbei sind zwei Vorgehensweisen denkbar: • analytische Kostenplanung, • retrograde Kostenplanung. Bei letzterer erfolgt die Planung der Gehaltskosten ausgehend vom vorhandenen Personalbestand. Dies hat zur Folge, dass Unwirtschaftlichkeiten bei der Arbeitsausführung nicht erkannt werden. Bei der analytischen Kostenplanung ist eine differenzierte Funktionsanalyse in Form einer umfassenden Organisationsprüfung durchzuführen. Insbesondere in Kostenstellen mit einem hohen repetitiven Arbeitsanteil führt die Organisationsanalyse zu sinnvollen Ergebnissen. Auf diese Weise können Leistungsstandards für die Leistungen entwickelt werden. Nachdem der auszuführende Arbeitsablauf und die Verfahrenstechnik der Angestelltenarbeit festgelegt wurden, müssen Maßgrößen für die Arbeit gefunden werden. Dies ist nur bei Arbeiten mit einem hohen repetitiven Anteil möglich. Für dispositive Tätigkeiten kommt dagegen nur die Budgetierung in Frage. Der zu planende Personalbedarf ergibt sich dann aus dem monatlich zu erwartenden Leistungsvolumen einer Kostenstelle370 dividiert durch die Leistung eines Angestellten. Hierbei müssen sachliche und persönliche Verteilzeiten sowie Personalreserven für Feier-, Urlaubs- und Krankheitstage durch einen prozentualen Zuschlag berücksichtigt werden. Auf diese Weise kann der Personalbedarf für alle Leistungsarten ermittelt werden. Hinsichtlich der Kostenauflösung sind Gehaltskosten nicht ausschließlich als fixe Kosten anzusehen, da ab einer bestimmten Betriebsgröße bei den Gehältern weitgehend durch den Ausgleich über verschiedene Abteilungen auf Beschäftigungsschwankungen reagiert werden kann. Ebenfalls tragen organisatorischtechnische Lösungen wie Gleitzeit und Teilzeit dazu bei, dass die „fixen Kosten“ stufenweise variabilisiert werden. Nur bei überwiegend dispositiven Tätigkeiten, wie

370

Das monatlich zu erwartende Leistungsvolumen einer Kostenstelle ergibt sich meist aus der Gesamtplanung für ein Jahr dividiert durch zwölf. Diese Vorgehensweise ist insbesondere im Einkaufs- und Materialbereich, der Fertigungsdisposition oder der Kundenauftragsabwicklung möglich.

8 Grenzplankostenrechnung

265

z.B. Geschäftsführer, Werbung oder reinen Bereitschaftsleistungen, wie z.B. Sekretariat oder Telefonzentrale, sind die Gehälter in voller Höhe den fixen Kosten zuzurechnen.371 Hilfslöhne werden im Fertigungsbereich für Tätigkeiten gezahlt, die mit der Leistungserstellung nur mittelbar verbunden sind. Hierzu zählen die Löhne von Meistern, Vorarbeitern, Werkstattschreibern, Reparaturarbeiten sowie Transport- und Reinigungsarbeiten. Für die Kostenplanung stellt sich analog der Gehaltsplanung die Frage, wie viele Stunden bei wirtschaftlichem Personaleinsatz zur Realisierung der Planbezugsgröße notwendig sind. In manchen Fällen kann die erforderliche Stundenzahl quantitativ aus der Planbezugsgröße abgeleitet werden. So können beispielsweise die Reinigungsstunden an der Anzahl der geleisteten Maschinenschichten ausgerichtet werden. Für die Kostenauflösung muss geprüft werden, welche Arbeitskräfte auch bei Beschäftigungsschwankungen zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft beibehalten werden sollen und welche in anderen Kostenstellen eingesetzt werden können. Grundsätzlich werden Hilfslöhne, die reine Bereitschaftskosten darstellen, voll den fixen Kosten zugeordnet. Hierzu zählt beispielsweise der Lohn für einen Heizer. Hilfslöhne, die mit der Ausbringung in einem mittelbaren Zusammenhang stehen, wie etwa für Löhne Transportaufgaben, werden als rein proportional zur Beschäftigung klassifiziert. In der Regel muss aber ein bestimmter Anteil an Bereitschaftsleistung berücksichtigt werden, so dass gemischte Kosten vorliegen. Dies gilt z.B. für die Hilfslöhne von Werkstattschreibern, Reparaturarbeiten und Reinigungspersonal.372 Bei der Planung von Werkzeugkosten muss zunächst zwischen den verschiedenen Werkzeugarten differenziert werden. Vor allem in Industrieunternehmen kommen verschiedene Werkzeugarten zum Einsatz. Hierzu zählen Hand-, Mess- und Maschinenwerkzeuge. Eine Besonderheit stellen die Spezialwerkzeuge dar. Sie werden meist als Sondereinzelkosten der Fertigung verrechnet. Für die Kostenplanung gelten aber die hier vorgestellten Verfahren analog. Für Hand- und Messwerkzeuge wird zunächst die Art und Menge der an den einzelnen Arbeitsplätzen einer Kostenstelle benötigten Werkzeuge bei Planbeschäftigung ermittelt. Daneben werden die zugehörigen Nutzungsdauern der Werkzeuge geschätzt. Die Plankosten ergeben sich danach wie folgt: Planwerkzeugkosten einer Werkzeugart =

371 372

Planstückzahl * Planpreis Nutzungsdauer in Monaten

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 295 ff. Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 238 ff.

266

8 Grenzplankostenrechnung

Durch Addition aller Planwerkzeugkosten aller in einer Kostenstelle benötigten Werkzeugarten erhält man die Plankostensumme für Hand- und Messwerkzeuge. Die Kostenauflösung hängt davon ab, ob bei der betreffenden Werkzeugart der Zeitoder der Gebrauchsverschleiß überwiegt373. Kilger schlägt den Ansatz von Erfahrungswerten in Form von Kennzahlen in € je Bezugsgrößeneinheit (sogenannten Relativziffern) vor. Für Maschinenwerkzeuge sind umfassende Verbrauchsanalysen und Berechnungen notwendig. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass Werkzeuge häufig aufbereitet werden, bevor neue Werkzeuge eingesetzt werden. Dies führt dazu, dass die Werkzeugkosten neben den primären Kostenarten auch sekundäre Aufarbeitungskosten der Aufarbeitungskostenstelle beinhalten. Für die Planung der Maschinenwerkzeugkosten ist die Standzeit, definiert als die Zeit vom ersten Einsatz eines neuen bzw. aufgearbeiteten Werkzeugs bis zu dessen Austausch, zu ermitteln. Diese hängt von den Verschleißwirkungen und der zulässigen Abnutzung des Werkzeugs ab. Die Verschleißwirkungen hängen wiederum davon ab, mit welcher Intensität, z.B. Schnittgeschwindigkeit, die Maschine betrieben wird. Wie bereits in Kapitel 7.2 erläutert, kann die optimale Intensität aus der Berücksichtigung der intensitätsabhängigen Fertigungskosten pro Produkteinheit und den intensitätsabhängigen werkzeuggebundenen Kosten pro Produkteinheit ermittelt werden. Für den Fall, dass in einer Fertigungsstelle nur ein Produkt mit einem Werkzeug bearbeitet wird, können die Werkzeugplankosten wie folgt ermittelt werden: (1) Anzahl Werkzeugeinsätze =

Plan - Maschinenstunden * 60 Standzeit in Minuten

(2) Anzahl neuer Werkzeuge =

Anzahl Werkzeugeinsätze Anzahl geplanter Nachschliffe pro Werkzeug + 1

(3) Anzahl Nachschliffe = Anzahl neuer Werkzeuge * Anzahl geplanter Nach schliffe pro Werkzeug Für die geplanten neuen Werkzeuge werden die zugehörigen Planpreise verrechnet, und für die Anzahl der Nachschliffe werden geplante Grenzfertigungskosten pro Nachschliff angesetzt. Für den Fall, dass für unterschiedliche Erzeugnisse unterschiedliche Werkzeugarten herangezogen werden, muss für jede Werkzeugart die obige Rechnung durchgeführt werden. Darüber hinaus muss die Plan-Maschinenzeit auf die einzelnen Werkzeuge aufgeteilt werden. Unterschiede im Werkzeugverschleiß für einzelne Produktarten werden dann mit Hilfe von Äquivalenzziffern erfasst.

373

Vgl. hierzu die Ausführungen der nächsten Seite.

8 Grenzplankostenrechnung

267

Bis heute ergeben sich Probleme bei der exakten Messung der Entwertungsfaktoren, obwohl die Einflussgrößen, die den Werteverzehr des Anlagevermögens verursachen, im Allgemeinen bekannt sind. Die kalkulatorische Abschreibung stellt das Bindeglied zwischen der langfristigen Investitionsplanung und der kurzfristigen Kostenrechnung dar. Die Entwertungsursachen werden häufig in den Zeitverschleiß und den Gebrauchsverschleiß unterteilt. Der Gebrauchsverschleiß hängt von den geleisteten Betriebsstunden ab und wird daher als beschäftigungsabhängig angesehen. Er wird in der Regel von den Prozessbedingungen, wie der Intensität oder den Verfahrensbedingungen beeinflusst. Der Zeitverschleiß hingegen ist beschäftigungsunabhängig. Er entsteht somit unabhängig von der Nutzung der Anlage, z.B. aufgrund von Korrosion oder Witterungseinflüssen. Für den Fall, dass nur eine der Entwertungsursachen vorliegt, bestehen für die Abschreibungsplanung keine Probleme. Hier können die kalkulatorischen Abschreibungen in voller Höhe entweder als fixe oder proportionale Kosten angesetzt werden. Meist basieren die Wertminderungen jedoch gleichzeitig auf Zeit- und Gebrauchsverschleiß. Kilger schlägt für das System der Grenzplankostenrechnung eine näherungsweise Auflösung in fixe und proportionale Abschreibungen vor. Hierzu muss die Tatsache, dass Zeit- und Gebrauchsverschleiß simultan wirken können und sich nicht trennen lassen, vernachlässigt werden. Es wird vorgeschlagen, von der Entwertungsursache, die dominiert, auszugehen. Dies ist bei technisch ausgereiften Betriebsmitteln, die vielseitig verwendbar sind, der Gebrauchsverschleiß. Bei korrosionsgefährdeten Anlagen dominiert in der Regel der Zeitverschleiß. Ebenfalls dominiert die zeitliche Entwertung bei Betriebsmitteln, die infolge technischwirtschaftlicher Alterung an Wert verlieren. Des Weiteren müssen die interdependenten Beziehungen zwischen den verschleißbedingten Entwertungen und den Aufwendungen für Reparatur und Instandhaltung ausgeschaltet werden. So kann durch Gebrauchsverschleiß entwerteten Betriebsmitteln durch entsprechende Reparaturen und Instandhaltungen entgegengewirkt werden. Hierdurch kann die technische Nutzungsdauer im Prinzip beliebig verlängert werden. Aus diesem Grund muss die Reparatur- und Instandhaltungsplanung zuerst festgelegt werden, um anschließend die zur Berechnung der kalkulatorischen Abschreibung notwendigen Nutzungsdauern zu ermitteln. Als weitere Lösung zur Berücksichtigung der verschiedenen Verschleißarten wird auch die gespaltene oder gebrochene Abschreibung genannt. Die Ermittlung dieser Abschreibung erfolgt nach den folgenden Schritten374: 374

Vgl. auch Haberstock, Plankostenrechnung II, 2004, S. 241.

268

8 Grenzplankostenrechnung

1. Zunächst müssen die Wiederbeschaffungskosten des Betriebsmittels ermittelt werden. 2. Anschließend muss die Nutzungsdauer bei reinem Zeitverschleiß und bei reinem Gebrauchsverschleiß geschätzt werden. Beim Gebrauchsverschleiß benötigt man hierzu die gesamte Leistungsmenge, die von dem Betriebsmittel geleistet wird und die voraussichtliche Leistungsentnahme pro Periode. Durch Division der Gesamtleistung (ausgedrückt in Bezugsgrößeneinheiten) durch die voraussichtliche Leistungsentnahme pro Periode erhält man die voraussichtliche Nutzungsdauer bei reinem Gebrauchsverschleiß, die in der Regel kürzer ist als die bei reinem Zeitverschleiß. 3. Im Anschluss daran müssen die Abschreibungsbeträge bei reinem Zeit- bzw. bei reinem Gebrauchsverschleiß berechnet werden. Dies erfolgt durch die Verteilung der Wiederbeschaffungskosten auf die Perioden der Nutzung. 4. Der sich aus reinem Gebrauchsverschleiß ergebende Abschreibungsverlauf ist in Abbildung 106 mit der Strecke AC wiedergegeben. Der fixe Zeitverschleiß wird durch die Strecke AB dargestellt. In Fällen, in denen der Zeitverschleiß stärker als der Gebrauchsverschleiß ist, d.h., dass die Nutzungsdauer bei isolierter Betrachtung des Gebrauchsverschleißes größer ist als die Nutzungsdauer bei isolierter Betrachtung des Zeitverschleißes (0-Bk), wird die kalkulatorische Abschreibung als fix angenommen. Wirkt hingegen der Gebrauchsverschleiß stärker als der Zeitverschleiß, so treten die zeitabhängigen Verschleißursachen, wie z.B. Korrosion gegenüber den gebrauchsabhängigen Ursachen in den Hintergrund. In diesen Fällen dominiert die proportionale Abschreibung und es wird der proportionale Kostenverlauf BC angenommen. Um den gebrochenen Linienzug ABC zu vermeiden, wird häufig die Gerade AC als Sollkostenverlauf herangezogen. Dies ist allerdings nur dann akzeptabel, wenn die tatsächliche Leistungsentnahme ungefähr der geplanten Leistungsentnahme B(p) entspricht. a(p) C

D A

B

Bk

B(p)

Abbildung 106: Gespaltene Abschreibung

B

8 Grenzplankostenrechnung

269

Wie bereits in Kapitel 5 angeführt, verzichten heute viele Unternehmen vor dem Hintergrund einer Harmonisierung von internem und externem Rechnungswesen auf den Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen. Bei Büromaterialkosten besteht die Schwierigkeit, dass sich verursachungsgerechte Bezugsgrößen in der Regel nur sehr schwer finden lassen. Für die Planung dieser Kosten können Verbrauchsanalysen herangezogen werden, die sich an den jeweils ausgeübten Funktionen der Kostenstellen orientieren. Derartige Analysen lohnen sich nur für spezielles Büromaterial und Drucksachen, wie z.B. Kosten für Rechnungsformulare, Materialentnahmescheine oder Akkordlohnscheine. Diese Kosten lassen sich meist den proportionalen Kosten zurechnen. Für den allgemeinen Bürobedarf lohnen sich derartige Analysen meist nicht. Hier muss aber zwischen regelmäßigen und unregelmäßig anfallenden Kosten unterschieden werden. Regelmäßig anfallende Kosten, wie etwa Kosten für Zeitschriften, müssen der nutzenden Kostenstelle zugeordnet werden oder für den Fall, dass mehrere Kostenstellen die Zeitschriften nutzen, einer übergeordneten Kostenstelle belastet werden. Bei unregelmäßig anfallenden Kosten, wie etwa dem Bezug von Büchern, behilft man sich gewöhnlich mit einer Budgetierung. Hierbei orientiert man sich häufig an den Istkosten vergangener Perioden und versucht die Zufallsschwankungen und Unwirtschaftlichkeiten sowie voraussichtliche Preisentwicklungen zu bereinigen bzw. zu berücksichtigen.375 Postkosten fallen überwiegend im Verwaltungs- und Vertriebsbereich in Form von Kosten für Postsendungen, Telefongesprächen und Faxsendungen an. Für eine detaillierte Planung der Postkosten müssen die Funktionen der Kostenstelle detailliert analysiert werden. Eine derartige Funktionsanalyse ist sehr aufwändig und steht in der Regel in keinem Verhältnis zur Höhe der eigentlichen Kosten. Insbesondere bei Postsendungen ist der Erfassungsaufwand sehr hoch. Hier sollte man sich darauf beschränken, die Kosten einer übergeordneten Stelle zuzurechen. Einfacher ist es bei den Telefon- und Faxkosten. Diese können ohne große Schwierigkeiten den einzelnen Kostenstellen zugerechnet werden. Die Kostenauflösung bedarf ebenfalls einer detaillierten Funktionsanalyse. Während z.B. die Postkosten für das Versenden der Ausgangsrechnungen in voller Höhe den proportionalen Kosten zuzurechnen sind, kann für einen Großteil der Postkosten keine Beziehung zur Beschäftigung nachgewiesen werden. Diese Kosten sind dann den fixen Kosten zuzuordnen. Ähnlich verhält es sich mit den Telekommunikationskosten für Internet-, Intranet und e-mailNutzung.376

375

376

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 244 f. und Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 329 f. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 329.

270

8 Grenzplankostenrechnung

Bei der Planung der Reisekosten muss zunächst zwischen regelmäßigen, im Voraus bekannten Reisen, wie etwa Messebesuchen, Inspektionsreisen oder Kundenbesuchen und unregelmäßigen, vorher nicht bekannten Reisen unterschieden werden. Für den ersten Fall können die Kosten relativ einfach im Voraus geplant werden. Im Falle der unregelmäßig anfallenden Kosten muss die Kostenplanung sich auf budgetmäßig geschätzte Beträge beschränken. Die Kostenauflösung fällt bei den Reisekosten sehr schwer, da ein Großteil der Reisekosten dispositionsabhängig ist. Kilger schlägt vor, sie den fixen Kosten zuzuordnen.377

8.3.6 Kontrolle der Gemeinkosten Der entscheidende Unterschied zwischen der Vollkosten- und der Grenzkostenrechnung besteht darin, dass bei der Bildung von Verrechnungssätzen für innerbetriebliche Leistungen und bei der Ermittlung von Kalkulationssätzen in der Grenzkostenrechnung nur proportionale Plankosten berücksichtigt werden. Somit stimmen die verrechneten Plankosten in der Grenzplankostenrechnung stets mit den proportionalen Sollkosten überein, so dass die für die Vollkostenrechnung typische Beschäftigungsabweichung entfällt. Wie in Abbildung 107 ersichtlich, stimmt der Sollkostenverlauf einer Grenzplankostenrechnung mit dem Sollkostenverlauf der auf Vollkosten basierenden flexiblen Plankostenrechnung überein. Aus Abbildung 108 geht hervor, dass die in der Grenzplankostenrechnung verwendeten Kalkulationssätze von der Beschäftigung unabhängig sind.

377

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 329 f.

8 Grenzplankostenrechnung

271

Kosten [€/Monat]

K (i )

ΔV e o st llk So

d ( p) B Proportionale Sollkosten = Verrechnete Plankosten

n

K (f p )

B (i )

B( p)

Bezugsgröße B

Abbildung 107: Sollkostenverlauf in der Grenzplankostenrechnung 378

Kosten [€/Monat]

d ( p)

B (i )

B( p)

Bezugsgröße B

Abbildung 108: Grenzkostenverlauf in der Grenzplankostenrechnung379

378

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 72.

272

8 Grenzplankostenrechnung

Die Aufgabe der Kostenkontrolle wird durch die flexible Plankostenrechnung in der Weise erfüllt, dass den Istkosten einer Abrechnungsperiode Plan- oder Sollkosten gegenübergestellt werden und die so errechneten Kostenabweichungen analysiert, d.h. auf ihre Ursachen zurückgeführt werden. Grundsätzlich kann die Kostenkontrolle ebenso differenziert erfolgen wie die Kostenplanung. Zunächst werden die entstandenen Istmengen zu Istpreisen berechnet, so dass man die tatsächlichen Kosten erhält. Subtrahiert man davon Planmengen zu Planpreisen, erhält man die Gesamtabweichung, die in ihre einzelnen Komponenten zerlegt werden muss. Hierbei muss aber beachtet werden, dass die Kostenfunktionen von mehreren Kostenbestimmungsfaktoren abhängen. Bezeichnet man Kostenbestimmungsfaktoren mit y und ihre Anzahl mit n, so ergibt sich folgende Kostenfunktion K380:

K = f ( y1 , y 2 , ..., y n ) Die Gesamtkostenabweichung ergibt sich demnach wie folgt:

K ( i ) − K ( p ) = f ( y1( i ) , y 2( i ) , ..., y n( i ) ) − f ( y1( p ) , y 2( p ) , ..., y n( p ) ) Problematisch ist dabei vor allem die Abweichungs-Interdependenz, d.h. das Phänomen, dass zwischen vielen Kostenbestimmungsfaktoren funktionale Beziehungen bestehen. Es besteht immer eine multiplikative Beziehung zwischen den Kostenbestimmungsfaktoren. Die Gesamtabweichung lässt sich für die Faktorverbrauchsmengen r, die Faktorpreise q und die eingesetzten Produktionsfaktoren ν = 1, 2, ..., z wie folgt darstellen381: (1) K ( i ) − K ( p ) =

z

((rν ∑ ν

(i )

=1

qν( i ) − rν( p ) qν( p ) ))

Die Gleichung kann wie folgt umgeformt werden: (2) K ( i ) − K ( p ) =

z

((rν ∑ ν =1

( p)

+ Δrν ) (qν( p ) + Δqν ) − rν( p ) qν( p ) )

oder (3) K ( i ) − K ( p ) =

z

(Δrν qν ∑ ν =1

379

( p)

+ Δqν rν( p ) + Δrν Δqν )

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 72. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 143. 381 Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 144. 380

8 Grenzplankostenrechnung

273

Wie aus der letzten Gleichung (3) ersichtlich, entstehen drei Komponenten der Gesamtabweichung: solche, die auf reine Mengenabweichungen zurückzuführen sind, solche, die auf reine Preisabweichungen zurückzuführen sind und solche, die nur entstehen, wenn beides - Mengen und Preise - von den geplanten Größen abweichen (Abweichung zweiter Ordnung). Da die Kosten stets ein Produkt aus Faktormengen und Faktorpreisen sind, besteht immer eine multiplikative Beziehung zwischen den Kostenbestimmungsfaktoren, die Verbrauchsmengen verursachen und den Preisen der Produktionsfaktoren382. In Abbildung 109 entspricht das Rechteck r(p) * q(p) den Plankosten und das Rechteck r(i) * q(i) den Istkosten. Um zu vermeiden, dass solche Abweichungen zweiten Grades in mehreren Teilabweichungen enthalten sind und die Ergebnisse verzerren, behilft man sich damit, diese Abweichungen bereits in der Preisabweichung zu erfassen. Diese resultiert aus der Differenz von Istmengen zu Istpreisen und Istmengen zu Planpreisen und ist dem Kostenstellenleiter nicht anzulasten. Eine solche Zurechnung der quadratischen Abweichung entspricht der kumulativen Abweichungsanalyse. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit, diese Abweichungen zweiten Grades verursachungsgerecht zu verteilen, wird in der Praxis vorgeschlagen, die Abweichungen höheren Grades stets der zuerst ermittelten Abweichung zuzurechnen (i.d.R. Preisabweichung). Maßgeblich für alle weiteren Analysen sind die Istmengen zu Planpreisen.383 Nun können auch für alle anderen Bezugsgrößen die Abweichungen errechnet werden ohne dass weitere quadratische Abweichungen resultieren. Dies folgt aus der Annahme einvariabliger separabler Teilsummanden in den Kostenfunktionen384. Es gibt so viele Abweichungsarten wie Bezugsgrößen in der Kostenplanung unterschieden werden. Da die Preisabweichung bereits eliminiert wurde, sind sie allesamt Verbrauchsabweichungen. Ausgewiesen werden nur aufgrund von Kostenhypothesen begründbare Abweichungen. Es erfolgt keinerlei Proportionalisierung von bezugsgrößenfixen Kosten. Alle Kosten, die sich nur aufgrund von Verrechnungssätzen (indirekte Bezugsgrößen) einer Stelle zurechnen lassen, werden in ihrer Sollhöhe angesetzt, so dass keine Abweichung auf dieser Ebene entsteht, sondern erst in einem übergeordneten Kostenbereich.

382

Vgl. ebenda. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 144 f. 384 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 8.2.1. 383

274

8 Grenzplankostenrechnung

Preis

Δr q (i ) Preisabweichung 1. Grades

q( p) Plankosten

Abweichungen 2. Grades

Δq

Mengenabweichung 1. Grades

r ( p)

r (i )

Menge

Abbildung 109: Schematische Darstellung einer Abweichung zweiten Grades385

8.4 Planung der Gemeinkosten für Kostenstellen außerhalb der Fertigung Für Kostenstellen des Fertigungsbereichs erfolgt die Planung der Gemeinkosten anhand der in Kapitel 8.3 dargestellten Bezugsgrößentechnik der Grenzplankostenrechnung. Häufig können die Kostenvorgaben hier mit Messen oder Berechnen ermittelt werden. Das Aufstellen von Kostenplänen außerhalb des Fertigungsbereichs gestaltet sich aufgrund der dort vorliegenden Kostenstruktur anders. Im Forschungs- und Entwicklungsbereich muss zwischen projektfixen und projektvariablen Kosten unterschieden werden. Bei den projektvariablen Kosten muss darüber hinaus noch zwischen Kosten, die als Projekteinzelkosten direkt einem Projekt zugerechnet werden können und solchen, für die eine direkte Projektzuordnung nicht möglich ist, differenziert werden. Nur für die nicht einem Projekt direkt zurechenbaren variablen Kosten müssen Bezugsgrößen für die Kostenplanung ermittelt werden. Da es sich in der Regel um Personalkosten handelt, werden meist die geleisteten „Arbeitsstunden“ als Bezugsgröße verwendet. Für die Kostenkontrolle müssen 385

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007 S. 145.

8 Grenzplankostenrechnung

275

daher die geleisteten Ist-Arbeitsstunden durch Stundenaufschriebe erfasst werden. Da es sich bei den Forschungs- und Entwicklungskosten um sogenannte Vorleistungen handelt und diese nicht als erzeugnisvariable Kosten behandelt werden, sind sie nach der hier vorgenommenen Definition nicht entscheidungsrelevant. Die Bezugsgrößen werden also primär für die Vorgabe von Personalkosten oder die Vorgabe von Kosten der Forschungseinrichtungen verwendet.386 Im Materialbereich sollten nach den Grundsätzen der flexiblen Grenzplankostenrechnung direkte Bezugsgrößen verwendet werden387. Da aber in den Kostenstellen des Materialbereichs meist eine heterogene Kostenverursachung vorliegt und somit mehrere Bezugsgrößen pro Kostenstelle herangezogen werden müssen, verzichtet man in der Praxis meist auf die Anwendung direkter Bezugsgrößen. Hier spielen vor allem wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Da in der Regel der Anteil der variablen Kosten in diesen Kostenstellen wesentlich geringer ist als im Fertigungsbereich, stehen die Kosten für die laufende Erfassung und Verrechnung in keinem Verhältnis zu den verrechneten Grenzkosten. In der Praxis wird daher häufig die indirekte Bezugsgröße „Planmaterialkosten“ herangezogen. Kilger schlägt hier im Gegensatz zu den Verfahren der Ist- und Vollkostenrechnung vor, eine weitgehende Differenzierung nach Materialgruppen vorzunehmen. Bei der Bildung der Materialgemeinkosten-Verrechnungssätze werden die Plankosten der Kostenstelle zugeordnet, für die die Funktion Beschaffung, Lagerung, Annahme, Ausgabe und Kontrolle erbracht wurde. Bei den Personalkosten wird die Funktionsanalyse und bei den bestandsabhängigen Kostenarten die nach Materialgruppen differenzierte Bestandsplanung als Bezugsgrundlage herangezogen.388 Zum Verwaltungsbereich zählen alle Kostenstellen aus dem Geschäftsbereich der kaufmännischen Leitung. In der Regel zählen hierzu die Abteilungen Finanzbuchhaltung, Controlling, Personalwesen und Rechtsberatung. Entsprechend dem Forschungs- und Entwicklungsbereich können direkte Bezugsgrößen zur Leistungsmessung herangezogen werden. Allerdings bedient sich die Praxis nur in Ausnahmefällen solcher direkter Bezugsgrößen389. Dies wird insbesondere mit dem hohen Planungs- und Erfassungsaufwand solcher Bezugsgrößen begründet. Des Weiteren fehlt meist die unmittelbare Beziehung solcher Bezugsgrößen zu den betrieblichen Er-

386 387

388 389

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 341 f. Zum Materialbereich zählen alle Kostenstellen, die der Beschaffung, Lagerung, Auslieferung von Werkstoffen dienen. Hierzu zählen z.B. die Einkaufsabteilung, die Materialprüfung und die Lagerung von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 342 f. Vgl. hierzu die Ausführungen unter 8.3.2.

276

8 Grenzplankostenrechnung

zeugnissen. Aus diesem Grund sind die direkten Bezugsgrößen auch nicht für die kalkulatorische Weiterverrechnung verwendbar. Meist werden daher die indirekten Bezugsgrößen „Plan-Herstellkosten“ oder „PlanFertigungskosten“ des Umsatzes für die Verwaltungskostenstellen herangezogen. Eine Differenzierung nach Kostenträgergruppen wie beim Materialbereich ist nicht sinnvoll, da ein Großteil der Kosten fixe Kosten sind. Die fixen Kosten werden häufig mit Hilfe einer funktionsanalytischen Differenzierung den einzelnen Stufen und Hierarchien der Deckungsbeitragsrechnung zugeordnet. Der überwiegende Teil der Planung im Verwaltungsbereich entfällt auf die Personalkosten. Hier wird ebenfalls mit Hilfe von Funktionsanalysen das planmäßig zu erwartende Leistungsvolumen der betreffenden Kostenstelle ermittelt und der Personalkapazität gegenübergestellt.390 Im Vertriebsbereich treten bezüglich der Bezugsgrößenwahl ähnliche Probleme auf wie im Material- und Verwaltungsbereich. Aufgrund der unmittelbar fehlenden Beziehung zu den einzelnen Kostenträgern wird in der Praxis meist die indirekte Bezugsgröße „Herstellkosten des Umsatzes“ herangezogen. Z.T. beziehen sich die Verrechnungssätze für Vertriebskosten auch unmittelbar auf Mengengrößen, wie z.B. in der Automobilindustrie ein Verrechnungssatz pro Fahrzeug gebildet wird. Im Vertriebsbereich ist im Gegensatz zum Verwaltungsbereich eine weitgehende Differenzierung der Verrechnungssätze nach Kostenträgergruppen und Vertriebswegen erforderlich. Hierdurch können Unterschiede in der Kostenverursachung berücksichtigt werden. Diese sind in der Regel im Vertriebsbereich wesentlich größer als im Verwaltungsbereich. Es können erzeugnisspezifische391, abnehmerspezifische392 und absatzwegespezifische Unterschiede393 der Kostenverursachung unterschieden werden394.

390 391

392

393

394

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 343 ff. Erzeugnisspezifische Kostenunterschiede können z.B. durch die unterschiedliche Anzahl der Erzeugnisse entstehen. Auch sind z.B. die Werbekosten im Konsumgüterbereich höher als bei industriellen Verbrauchsgütern. Abnehmerspezifische Kostenunterschiede können z.B. danach differieren, ob Erzeugnisse an den Endverbraucher oder an den Handel geliefert werden. Weiterhin spielt hier die Auftragsgröße eine wesentliche Rolle. Absatzwegespezifische Vertriebskosten differieren für die gleichen Erzeugnisse in Abhängigkeit vom Vertriebsweg. Bei Auslieferung über ein Zentrallager entstehen andere Vertriebskosten als bei Auslieferung über mehrere Filialläger oder Verkaufsniederlassungen. Plaut hat für einen Textilbetrieb beispielsweise 22 Verwaltungs- und Vertriebskostensätze identifiziert, die zwischen 7 % und 46 % der Herstellkosten betragen (vgl. Plaut, Entwicklungsformen, 1976, S. 24).

8 Grenzplankostenrechnung

277

Für die Planung der Vertriebskosten muss zwischen Kostenstellen mit repetitiven Tätigkeiten, wie z.B. Auftragsabwicklung, Versand oder Fakturierung und Kostenstellen mit überwiegend dispositiven Tätigkeiten, wie etwa Marketing oder Werbung unterschieden werden. Für die repetitiven Tätigkeiten kann eine prozessorientierte Kalkulation eingesetzt werden395. Im Falle von Kostenstellen mit überwiegen dispositiven Tätigkeiten bietet sich das Verfahren der Funktionsanalyse mit fixer Zuordnung der Kosten zu einzelnen Stufen und Hierarchien der Deckungsbeitragsrechnung an. Nachdem die Kostenpläne für die Kostenstellen des Vertriebsbereichs sowie die Einteilung der Kostenträgergruppen festgelegt wurden, müssen die Planvertriebskosten den Kostenträgern zugeordnet werden. Bei einer reinen Grenzplankostenrechnung ergibt sich der Vertriebskostenverrechnungssatz aus der Division der Summe der auf eine Kostenträgergruppe entfallenden proportionalen Plankosten durch die zugehörigen proportionalen Planherstellkosten des Umsatzes. Bei einer parallelen Vollkostenrechnung werden entsprechend die vollen Plankosten durch die vollen Herstellkosten dividiert.396

8.5 Planung und Kontrolle der Einzelkosten, Leistungen und Preise Einzelkosten lassen sich definitionsgemäß einem Bezugsobjekt verursachungsgerecht, d.h. ohne Schlüssel direkt zurechnen. Ihre Planung erfolgt deshalb in der Regel unter Umgehung der Kostenstellenrechnung pro Bezugsobjekt. Das Bezugsobjekt für die Kostenzurechnung sind meist die erzeugten Leistungen, die Kostenträger. Grundsätzlich kommen als Bezugsobjekte auch andere in Frage. In der Regel unterscheidet man zwischen Kostenträgereinzelkosten und Kostenstelleneinzelkosten. Im ersten Fall stellen produzierte Leistungseinheiten die Bezugsbasis für die Zurechnung der Kosten dar. Hier ist nach dem Verursachungsprinzip eine direkte Zurechnung möglich. Bei Kostenstelleneinzelkosten können die Kosten unmittelbar den einzelnen Kostenstellen zugerechnet werden. Wenn im Folgenden von Einzelkosten gesprochen wird, sind die Kostenträgereinzelkosten gemeint. Obwohl die Einzelkosten den Kostenträgern direkt zugerechnet und für diese geplant werden können, erfolgt die nachträgliche Kostenkontrolle bei einer gut ausgebauten flexiblen Plankostenrechnung über die Kostenstellen.

395 396

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 9. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 345 ff.

278

8 Grenzplankostenrechnung

Die für eine Kostenträgereinheit geplanten Faktorverbrauchsmengen werden als Standards bezeichnet. Im Rahmen der Einzelkostenplanung werden also Standards durch die Multiplikation von Faktorverbrauchsmengen mit den zugehörigen Planpreisen festgelegt. Als grundsätzliche Methoden zur Ermittlung der vorzugebenden Standards kommen die folgenden Verfahren zur Anwendung: • Festlegung durch technische Studien und Berechnungen auf Basis der Fertigungsunterlagen. • Ermittlung durch Probeläufe und Musterfertigungen. • Festlegung auf der Basis von Schätzungen der Kostenstellenleiter und Kostenplaner. • Ableitung aus statistischen Vergangenheitswerten. • Ableitung aus externen Richtlinien. Bei den technischen Studien handelt es sich um sogenannte synthetische Methoden, bei denen die Planverbrauchsmengen an Produktionsfaktoren für eine Kostenträgereinheit mit Hilfe von Konstruktionszeichnungen, Stücklisten, Fertigungsablaufplänen usw. rechnerisch ermittelt werden. Hierbei werden eine planmäßige Produktgestaltung, planmäßige Produktionsfaktoreigenschaften und ein planmäßiger Produktionsablauf unterstellt. Bei diesen Verfahren werden die Anforderungen an Planungsverfahren sehr gut erfüllt, da die Daten auf ex-ante Informationen und optimalen Bedingungen basieren. Die Anwendung dieses Verfahrens ist nur möglich, wenn alle Fertigungsabläufe bis ins Detail bekannt sind. Probeläufe und Musterproduktionen ergeben bei einer Nullserie unter kontrollierten Bedingungen sehr exakte Verbrauchsmengen. Allerdings sind derartige Messungen sehr aufwändig und es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, dass die Produktionsbedingungen des Probelaufs nicht der optimalen Situation entsprechen. Insbesondere aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten wird in der Praxis häufig auf Schätzungen zurückgegriffen. Trotz der zum Teil hohen Genauigkeit, mit der die Schätzungen vorgenommen werden, stellt dieses Verfahren kein echtes Planungsverfahren dar. Als Ausgangsbasis für weitere Präzisierungen sind die Schätzungen hingegen gut geeignet. Die Ableitung der geplanten Verbrauchsmengen aus den Istwerten vergangener Perioden birgt die Gefahr, dass frühere Unwirtschaftlichkeiten übernommen werden. Aus diesem Grund ist dieses Verfahren aus theoretischer Sicht abzulehnen. In der Praxis wird dieses Verfahren insbesondere bei weniger bedeutsamen Kostenbestandteilen und in Fällen, in denen andere Verfahren zu aufwändig sind, angewendet. Hier sollten jedoch bereinigte Istwerte herangezogen werden. Darüber hinaus sollte ein pauschaler Abschlag für „permanente Unwirtschaftlichkeiten“ erfolgen.

8 Grenzplankostenrechnung

279

Der Rückgriff auf externe Richtzahlen, wie z.B. Verbrauchsdurchschnitte einer Branche oder Kennzahlen wissenschaftlicher Forschungsinstitute, ist nur in Einzelfällen für die Planung der Verbrauchsmengen anwendbar. Die Bedeutung derartiger Richtzahlen liegt vielmehr in der Möglichkeit zur Überprüfung der eigenen Planungsansätze als eine Art Benchmark. In der Praxis wendet man zur Festlegung der Planverbrauchsmengen sämtlicher Einzelkosten in der Regel eine Kombination aus mehreren dieser Methoden an. Die Festlegung von Kostenvorgaben mit einer hohen Genauigkeit ist hierbei aus Zeitund Kostengründen nicht entscheidend. Vielmehr führt die permanente Wiederholung der Planung zu einer stetigen Verbesserung der Vorgabewerte. Die wesentlichen Einzelkostenarten, die in der Praxis eines Industriebetriebs zu planen sind, sind aus Abbildung 110 ersichtlich.

Einzelkostenarten in der Industrie

Materialeinzelkosten

Fertigungseinzelkosten

Sondereinzelkosten der Fertigung

Sondereinzelkosten des Vertriebs

Abbildung 110: Einzelkostenarten in der Industrie

8.5.1 Planung und Kontrolle von Materialeinzelkosten Zu den Werkstoffen, die grundsätzlich als Einzelmaterial geplant werden, zählen: • Rohstoffe, • fremdbezogene Fertigteile. Hilfsstoffe werden nur in besonderen Fällen als Einzelkosten geplant, da in der Regel aus Wirtschaftlichkeitsgründen eine Verrechnung als Gemeinkosten vorgenommen wird. Es handelt sich hierbei um sogenannte „unechte Gemeinkosten“, da sie eigentlich den Kostenträgern direkt zurechenbar sind. Betriebsstoffe werden ebenfalls aus abrechnungstechnischen Gründen meist als Gemeinkosten verrechnet. In Ausnahmefällen erfolgt die Zurechnung der Betriebs-

280

8 Grenzplankostenrechnung

stoffe als Sondereinzelkosten der Fertigung direkt auf den Kostenträger. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn zwischen einem Kostenträger und den Energiekosten seines Fertigungsprozesses ein direkter Zusammenhang besteht, wie beim Stromverbrauch für Schmelzöfen. Trotz der Vielgestaltigkeit des Einzelmaterialeinsatzes in industriellen Betrieben lässt sich ein allgemeingültiges Grundschema für die Planung der Materialeinzelkosten darstellen. Das Grundschema kann wie folgt skizziert werden: 1. Ermittlung der Nettoeinzelmaterialmenge. 2. Festlegung der Abfallmengen für Verschnitt, Gewichtsverlust und Ausschuss. 3. Ableitung der Brutto-Planverbrauchsmengen und Multiplikation mit den Planpreisen. Für die Ermittlung der Netto- Planverbrauchsmengen sind diejenigen Materialmengen heranzuziehen, die bei planmäßiger Produktgestaltung, planmäßigem Fertigungsablauf und planmäßigen Materialeigenschaften effektiv in einer fertiggestellten Kostenträgereinheit enthalten sind. Derartige Netto-Planverbrauchsmengen lassen sich relativ einfach aus Stücklisten, Zeichnungen, Rezepturen, Materialmischungsplänen397, Verbrauchsfunktionen etc. ableiten.398 Insbesondere bei der Herstellung von standardisierten Erzeugnissen, wie z.B. Elektrogeräten ist dies ohne weiteres möglich. Bei Unternehmen mit Auftragsfertigung ist dagegen jeder Auftrag unterschiedlich, so dass eine jahresbezogene Plankalkulation in der Regel nicht möglich ist. Hier muss weiter zwischen Unternehmen mit kurzfristiger Auftragsfertigung, wie z.B. Tür- und Fensterbauer und Unternehmen mit langfristiger Auftragsfertigung, z.B. Unternehmen der Bauindustrie unterschieden werden. Im ersten Fall stehen das Mengengerüst und die übrigen Kalkulationsdaten bereits zum Zeitpunkt der Kundenanfragen weitgehend fest. Somit ist eine exakte Vorkalkulation mit genauen Materialvorgaben möglich. Im Falle langfristiger Auftragsfertigung fehlen zum Zeitpunkt der Kundenanfrage Stücklisten und Konstruktionszeichnungen. Die Vorkalkulation basiert aus diesem Grund meist auf Näherungsverfahren. Hierzu können Kennziffern, die aus Nachkalkulationen ähnlicher Aufträge vorliegen, wie z.B. € pro Maschinengewicht, herangezogen werden. Den ermittelten Netto-Planverbrauchsmengen sind dann noch Zuschläge für unvermeidbare Abfallmengen, Gewichtsverluste und Ausschuss hinzuzurechnen. Diese Zuschläge können meist ebenfalls aus den Fertigungsunterlagen abgeleitet werden. 397

398

Bei Einsatz von Einzelmaterial in Form von Rohstoffmischungen hat die Einzelmaterialplanung die Aufgabe, die optimale Mischungszusammensetzung auf Basis der Jahresdaten zu bestimmen. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 193 f. sowie Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 207.

8 Grenzplankostenrechnung

281

Für die Planung der Abfallmengen sollten keine oberflächlichen Schätzungen herangezogen werden, sondern möglichst genaue Abfallanalysen. So können die Abfälle beim Stanzen von Blechteilen aus großen Blechtafeln berechnet werden. In der Praxis wird häufig auf Abfallstatistiken früherer Perioden zurückgegriffen, wobei hier sichergestellt sein muss, dass diese bei wirtschaftlichem Verhalten der Arbeitskräfte angefallen sind. Anders als bei den Abfällen müssen beim Ausschuss andere Verfahren bei der Planung eingesetzt werden. Um Ausschuss handelt es sich, wenn unfertige und fertige Erzeugnisse entweder gar nicht oder nur durch nachträgliche Bearbeitung verwendet werden können. Für die Planung und Kontrolle der Ausschusskosten werden drei verschiedene Methoden vorgeschlagen399: 1. Verrechnung der Ausschusskosten als Sondereinzelkosten der Fertigung. 2. Verrechnung der Ausschusskosten als Fertigungsgemeinkosten. 3. Verrechnung der Ausschusskosten mit Hilfe von Einsatzfaktoren, die die bearbeitete Menge im Verhältnis zur verwertbaren Menge angeben, auf die Werte, die unter Berücksichtigung eines unvermeidlichen Ausschusses zur Erzielung einer bestimmten verwertbaren Ausbringungsmenge tatsächlich bearbeitet werden müssen. Der planmäßige Ausschuss macht somit den Unterschied zwischen der bearbeiteten Menge und der verwertbaren Menge aus. Material- und Fertigungskosten des Ausschusses werden dabei getrennt kontrolliert Die oben beschriebenen Aufschläge für Ausschuss entsprechen also der dritten Methode. Die hier dargestellten Vorgaben für Abfälle, Gewichtsverlust und Ausschuss berücksichtigen nur jene Mengen, die bei wirtschaftlichem Verhalten unvermeidbar sind. Aus der Addition von Netto-Planeinzelmaterialmengen und nach Ursachen differenzierten Planabfallmengen ergibt sich die Brutto- Planeinzelmaterialmenge (Standardmenge) für eine bestimmte Materialart für einen bestimmten Kostenträger. Multipliziert man die Mengenstandards mit den dazugehörigen Planpreisen, so ergeben sich die Brutto-Planeinzelmaterialkosten (Kostenstandards). Die Ermittlung der Kostenstandards ist in der folgenden Abbildung nochmals schematisch dargestellt.

399

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 208 f.

282

8 Grenzplankostenrechnung

Netto-Planeinzelmaterialmenge +

Planzuschlag für Abfälle, Gewichtsverlust, Ausschuss, Ursache 1

+

Planzuschlag für Abfälle, Gewichtsverlust, Ausschuss, Ursache 2 ...

+

Planzuschlag für Abfälle, Gewichtsverlust, Ausschuss, Ursache n

=

Brutto-Planeinzelmaterialmenge (Mengenstandard)

x

Planpreis

=

Brutto-Planeinzelmaterialkosten (Kostenstandard)

Abbildung 111: Ermittlung der Brutto-Planeinzelmaterialkosten

Die Kontrolle der Materialeinzelkosten erfolgt trotz der direkten Zurechenbarkeit auf den Kostenträger in der Regel in den Kostenstellen. Dies ist damit zu begründen, dass die Wirtschaftlichkeit des Materialeinsatzes weitgehend von den bearbeitenden Personen abhängt. Auf Kostenstellenebene wird dabei allerdings nach Kostenträgern differenziert. Einfach und schnell kann die Abweichung ermittelt werden, wenn bei der Bearbeitung von Kostenträgern nach Überschreiten der Planverbrauchsmengen Zusatzmaterialscheine ausgegeben werden, so dass sich die Gesamtabweichung für ein Einzelmaterial aus der Summe der Zusatzmaterialscheine ergibt. Wenn die IstVerbrauchsmengen nicht durch Einzelbelege erfasst werden, so muss durch Rückrechnung die Ist-Verbrauchsmenge ermittelt und der Soll-Verbrauchsmenge gegenübergestellt werden. Häufig erfolgt die Kontrolle der Einzelmaterialkosten nicht nur monatlich, sondern aufgrund der Wesentlichkeit der Einzelmaterialkosten an den Herstellkosten z.T. sogar täglich. Die wesentliche Aufgabe der Kostenkontrolle ist neben der Feststellung von Abweichungen zwischen Plan- und Ist-Materialeinzelkosten die Bestimmung von Abweichungsgründen. Für die Abweichungsanalyse muss die Gesamtabweichung der Einzelmaterialkosten auf einzelne Einzelmaterial-Verbrauchsabweichungen zurückgeführt werden400. Hierzu müssen zunächst einmal die Bestandteile der Kostenabweichungen ermittelt 400

Grundsätzlich kommen als Kostenabweichungen sowohl Mengen- und Verbrauchsabweichungen als auch Preisabweichungen in Frage. Neben den reinen Mengen- und Preisabweichungen (Abweichungen ersten Grades) kommen auch Abweichungen vor, die durch zwei Kostenbestimmungsfaktoren bedingt sind, sogenannte Abweichungen zweiten Grades. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 8.3.6.

8 Grenzplankostenrechnung

283

werden. Die wichtigsten Abweichungskomponenten, aus denen die gesamten Einzelmaterial-Verbrauchsabweichungen bestehen, sind: 1. Auftragsbedingte Ursachen: Wenn aus technischen Gründen oder auf Wunsch der Kunden die planmäßige Produktgestaltung nachträglich geändert wird und hieraus ein erhöhter oder verminderter Aufwand resultiert. 2. Materialbedingte Ursachen: Aufgrund von außerplanmäßigen Materialeigenschaften, wie z.B. Dichte, Maße, Toleranzen, Reißfestigkeit oder chemischen Eigenschaften, die nicht mit den Planvorgaben übereinstimmen. 3. Mischbedingte Ursachen: Die Mischungszusammensetzungen werden gegenüber der Planung geändert. Hierfür können Preisanstiege von Rohstoffen oder der Mangel an Rohstoffen verantwortlich sein. Die durch die veränderte Rezeptur hervorgerufenen Substitutionsprozesse führen zu Abweichungen gegenüber der geplanten Mischungszusammensetzung. 4. Verbrauchsbedingte Ursachen: Aufgrund von innerbetrieblichen Unwirtschaftlichkeiten werden die Abfallmengen erhöht. Sie sind in der Regel auf mangelnde Sorgfalt oder Sparsamkeit bei der Materialbearbeitung zurückzuführen.

8.5.2 Planung und Kontrolle von Fertigungseinzelkosten Fertigungseinzelkosten sind Kosten der Fertigung, die sich per Definition direkt einem Kostenträger zurechnen lassen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um Personaleinzelkosten. Gewöhnlich werden nur die Fertigungslöhne als Einzelkosten geplant. Hilfslöhne, Gehälter, Sozialkosten und sonstige Personalkosten werden in der Regel als Gemeinkosten geplant und verrechnet. Wie bereits bei den Gemeinkosten gezeigt, verhalten sich viele Fertigungsgemeinkosten zu der Bezugsgröße „Fertigungsstunden“ proportional. Da sich die Lohneinzelkosten ebenfalls proportional zur Bezugsgröße „Fertigungsstunden“ verhalten, werden sie häufig mit den Gemeinkosten zusammen über die Kostenstellen verrechnet. Dies wird damit begründet, dass alle fertigungszeitabhängigen Kosten mit Hilfe von zusammengefassten Kalkulationssätzen auf die Produkte verrechnet werden. Die Planung der Fertigungslöhne erfolgt hingegen separat für die einzelnen Kostenträger. Hierbei wird zunächst der für jede Kostenträgereinheit notwendige Zeitbedarf (Leistungsstandard) ermittelt und durch Multiplikation mit den geplanten Lohnsätzen die Lohneinzelkosten für die Erzeugniseinheit (Lohnkostenstandard) bestimmt. Eine Lohneinzelkostenplanung ist für die Grenzplankostenrechnung, unabhängig davon, ob das Unternehmen ein Akkordlohn-, Prämienlohn- oder Zeitlohnsystem anwendet, durchzuführen. Insbesondere beim Akkordlohn stellt die Bestimmung der

284

8 Grenzplankostenrechnung

Vorgabezeit nicht nur eine Grundlage für die Planung, sondern auch für die Lohnberechnung dar und sollte daher mit einem exakten Planungsverfahren erfolgen. Für die verschiedenen Lohnformen kommen unterschiedliche Bemessungsgrundlagen für die Planung zur Anwendung. Lohnform

Bemessungsgrundlagen

Zeitlohn

Arbeitszeit

Akkordlohn

Vorgabezeit

Prämienlohn

Arbeitszeit quantitative Maßgrößen der Ausbringung qualitative Maßgrößen der Ausbringung Maßgrößen der Einsparung Maßgrößen der Betriebsmittelnutzung

Abbildung 112: Bemessungsgrundlagen für die Planung der Lohneinzelkosten401

Das Grundschema für die Planung der Lohneinzelkosten lässt sich in die folgenden beiden Hauptschritte unterteilen: 1. Ermittlung der Plan-Arbeitszeiten (Standardzeiten). 2. Ableitung der Plan-Lohneinzelkosten durch Multiplikation mit den Planlohnsätzen. Für die Ermittlung der Plan-Arbeitszeiten stehen analytische und synthetische Verfahren zur Verfügung. Bei den analytischen Verfahren werden für jeden Arbeitsgang die betriebsindividuellen Grundzeiten durch Zeitmessungen in Verbindung mit Leistungsgradschätzungen ermittelt. Hierzu gehören die in Deutschland häufig eingesetzten REFAVerfahren402 oder Multimomentaufnahmen, nach denen zufällig erhobene Istwerte statistisch ausgewertet werden. In der Praxis bewährt hat sich das REFA-Verfahren. Das Verfahren stellt auf der einen Seite eine gute Grundlage für die Bestimmung von Vorgabezeiten (vgl.

401 402

Abbildung entnommen aus Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 65. REFA ist die Abkürzung für Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung. Die offizielle Bezeichnung lautet seit 1977: REFA – Verband für Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. Das Hauptaufgabengebiet des Verbands liegt auf den Gebieten der Arbeitszeitermittlung, Arbeitsbewertung und Arbeitsgestaltung.

8 Grenzplankostenrechnung

285

Abbildung 113) dar. Auf der anderen Seite sind die Zeitkategorien für die Bezugsgrößenerfassung in der Plankostenrechnung von Interesse. Die Auftragszeit ist die Vorgabezeit, die für die Erledigung eines Auftrags vorgesehen ist. Sie setzt sich nach REFA aus Rüstzeit und Ausführungszeit zusammen. Die Rüstzeit fällt immer nur einmal pro Auftrag an, ist also bezogen auf den einzelnen Auftrag fix. Die Ausführungszeit hängt von der Auftragsgröße ab und ist somit variabel. Die Grundzeit ist die Summe der Sollzeiten, die für die planmäßige Ausführung der Arbeit erforderlich ist. Erholungszeiten werden für Tätigkeitsunterbrechungen, bedingt durch den Abbau infolge tätigkeitsbedingter Arbeitsermüdung angesetzt. Verteilzeit ist die Zeit, die unregelmäßig und mit unterschiedlicher Dauer zusätzlich zur planmäßigen Arbeitszeit anfällt. Die Zusammenhänge sind in der folgenden Abbildung nochmals dargestellt.

Auftragszeit T

Ausführungszeit ta = m * te

Rüstzeit tr

Zeit je Einheit te

Rüstgrundzeit trg

Rüsterholzeit trer

Rüstverteilzeit trv

Grundzeit tg

Erholzeit ter

Verteilzeit tv

Abbildung 113: Zeitgliederung für die Auftragszeit nach REFA

Die Vorgehensweise beim REFA-Verfahren lässt sich wie folgt erklären: • Messung der tatsächlich benötigten Arbeitszeit (Ist-Zeit) für einen Arbeitsgang bei normalem Arbeitsablauf und normalen Anforderungen.

286

8 Grenzplankostenrechnung

• Schätzung des Ist-Leistungsgrads des Arbeitnehmers durch den beobachtenden REFA-Mitarbeiter. Hierzu wird die Ist-Leistung auf eine vorgegebene Normalleistung bezogen: beobachtete Leistung Ist-Leistungsgrad = * 100 Normalleistung „Unter der REFA-Normalleistung wird eine Bewegungsausführung verstanden, die dem Beobachter hinsichtlich der Einzelbewegungen, der Bewegungsfolge und ihrer Koordinierung besonders harmonisch, natürlich und ausgeglichen erscheint. Sie kann erfahrungsgemäß von jedem in erforderlichem Maße geeigneten, geübten und voll eingearbeiteten Arbeiter auf Dauer und im Mittel der Schichtzeit erbracht werden, sofern er für die persönlichen Bedürfnisse und gegebenenfalls auch für Erholung vorgeschriebene Zeiten einhält und die freie Entfaltung seiner Fähigkeiten nicht behindert wird“403. Aus dem Ist-Leistungsgrad wird durch Division durch 100 der Ist-Leistungsfaktor ermittelt. • Die vorzugebende Grundzeit ergibt sich durch Multiplikation der Ist-Zeit mit dem Ist-Leistungsfaktor. • Die Vorgabezeit für einen Arbeitsgang ergibt sich aus der Grundzeit zuzüglich Verteilzeiten und Rüstzeiten. Beispiel zur Ermittlung der Vorgabezeit Für einen Arbeitsgang wird eine Ist-Zeit von vier Minuten gemessen. Der IstLeistungsgrad des Arbeitnehmers wird auf 115 % geschätzt. Die Grundzeit ergibt sich wie folgt:

Ist-Leistungsfaktor =

Ist-Leistungsgrad 115 = = 1,15 100 100

Grundzeit = Ist-Leistungsfaktor * Ist-Zeit = 1,15 * 4,0 Minuten = 4,6 Minuten Im Gegensatz zu den analytischen Verfahren handelt es sich bei den synthetischen Verfahren um überbetrieblich ermittelte Normalzeiten, die von den betrieblichen Verhältnissen unabhängig sind. Diese Verfahren werden auch als Systeme vorbestimmter Zeiten bezeichnet. Hierbei wird der Arbeitsablauf in kleine Bewegungsgrundelemente (Bringen, Greifen, Vorrichten, Fügen etc.) zerlegt und jedem dieser Bewegungsgrundelemente eine überbetrieblich ermittelte Arbeitszeit aus Bewegungszeittabellen zugeordnet. Die Tabellenwerte basieren auf den Normalwerten einer Leistungsgradschätzung. Die Vorgabezeit eines Arbeitsgangs ergibt sich ent-

403

REFA, Methodenlehre, 1976, S. 136.

8 Grenzplankostenrechnung

287

sprechend eines Baukastenprinzips aus der Zusammenfassung der vorbestimmten Einzelzeiten des Arbeitsganges. Für die Durchführung der Methode ist eine detaillierte Bewegungsanalyse erforderlich, anhand der die Bewegungselemente, die zur Erledigung der Arbeitsaufgabe erforderlich sind, ermittelt werden. In Abbildung 114 wird die Ablaufanalyse für einen einfachen Bewegungsablauf dargestellt. Nr. Bewegungsablaufanalyse 1 Bringen des Rechenschiebers mit der rechten Hand zur Hülle in der linken Hand 2 Fügen des Rechenschiebers in die Hülle 3 Loslassen des Rechenschiebers 4 Hinlangen mit der rechten Hand zur Kappe 5 Greifen der Kappe 6 Bringen der Kappe zur Hülle 7 Würgen der Kappe auf die Hülle 8 Loslassen der Kappe Abbildung 114: Bewegungsablaufanalyse für einen Bewegungslauf404

Der Vorteil der synthetischen Verfahren kann im Verzicht auf betriebsinterne Zeitmessungen und Leistungsgradabschätzungen gesehen werden. Allerdings enthalten die überbetrieblich vorbestimmten Zeiten ebenfalls Leistungsnormen, was wiederum dazu führt, dass die Leistungsgradschätzung für das spezifische Unternehmen durchgeführt werden muss. Der wesentliche Nachteil der synthetischen Verfahren liegt im hohen Arbeitsaufwand bei der Zerlegung der Arbeitsprozesse in Bewegungsgrundelemente. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass die ermittelten Vorgabezeiten nicht unmittelbar als Leistungsstandard angesetzt werden können, da in der Regel der IstLeistungsgrad der Arbeitskräfte über dem in der Vorgabezeit unterstellten Normalleistungsgrad liegt. Aus diesem Grund muss der voraussichtliche Ist-Leistungsgrad der Arbeitnehmer als Planleistungsgrad vorgegeben werden. Wie sich die PlanArbeitszeit ergibt, ist in folgendem Beispiel dargestellt: Beispiel zur Ermittlung der Plan- Arbeitszeit: Wenn die Vorgabezeit bei Normalleistung 3,36 Min./Stück beträgt und es wird ein Plan-Leistungsgrad von 120 % erwartet, so beträgt die

Plan-Arbeitszeit (Leistungsstandard) =

404

Vorgabezeit = 2,8 Min./Stück. Plan-Leistungsgrad

Abbildung entnommen aus Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 69

288

8 Grenzplankostenrechnung

Für den Fall, dass das Unternehmen unabhängig von der Plankostenrechnung über ein Akkordlohn-System verfügt, können die vorhandenen Vorgabezeiten für die Kostenplanung herangezogen werden.405 Für die Höhe der Plan-Lohneinzelkosten ist der Unterschied zwischen Vorgabe- und Plan-Arbeitszeit unerheblich, da die Arbeitskraft beim Akkordlohn einen festen Betrag pro Stück erhält und damit die Einzellohnkosten unabhängig vom individuellen Leistungsgrad sind. Die Ergebnisse der Arbeitszeitermittlung auf Basis der tatsächlich erwarteten Planzeiten sind jedoch für andere Zwecke, wie etwa für die Terminplanung oder die Bezugsgröße „Fertigungszeit“ bei der Planung der Gemeinkosten relevant.406 Darüber hinaus sind die Abweichungen zwischen dem Leistungsstandard und der Ist-Arbeitszeit für die Kontrolle des durchschnittlichen Leistungsgrades von Interesse. Dieser muss angepasst werden, wenn die Abweichungen eine bestimmte Grenze überschreiten. Im Falle von Zeitlohn-Systemen werden grundsätzlich dieselben Verfahren angewendet wie beim Akkordlohn. Auch hier müssen die Plan-Arbeitszeiten und nicht die Vorgabezeiten herangezogen werden. Da es sich bei Zeitlöhnen entsprechend dem Verursachungsprinzip nicht um direkt zurechenbare Fertigungslöhne handelt, werden diese meist als Gemeinkosten geplant und verrechnet.407 Die Lohnkostenstandards ergeben sich durch Multiplikation der Planarbeitszeiten (Leistungsstandards) mit den Planlohnsätzen. Als Planlohnsätze kommen entweder Sätze mit oder ohne Lohnzusatzkosten in Frage. In letzterem Fall müssen die Sozialkosten getrennt als Gemeinkosten geplant werden. In diesem Zusammenhang ist auf eine Gleichbehandlung der Lohnzusatzkosten in der Plan- und der Istrechnung zu achten. Für die Preisplanung muss festgelegt werden, welche Lohngruppe (bzw. Tarifgruppe) für den zu planenden Arbeitsgang herangezogen wird.408 Kostenbestandteile, die mit den Einzelkosten verbunden sind, wie z.B. Mehrarbeitszuschläge bei Über-, Nacht- und Feiertagsstunden oder Prämien werden als Gemeinkosten geplant und verrechnet.

405

406 407 408

In diesem Zusammenhang wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Vorgabezeiten der Akkordentlohnung nicht mit den Plan-Arbeitszeiten übereinstimmen, da in der Regel die erwarteten Leistungsgrade von den Normalleistungsgraden abweichen (so Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 206). Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 214. Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 215. Siehe hierzu Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 70.

8 Grenzplankostenrechnung

289

Anhand der Leistungsstandards können auch die Kapazitätsbedarfe einer Kostenstelle ermittelt werden. Durch Multiplikation der Leistungsstandards mit den geplanten Leistungsmengen in der Fertigungskostenstelle ergibt sich der Kapazitätsbedarf. Dieser Kapazitätsbedarf ist mit den vorhandenen Kapazitäten abzustimmen. Unter Umständen sind die Kapazitäten anzupassen oder die Planung zu revidieren. Entsprechend den Materialeinzelkosten erfolgt die Planung und Kontrolle der Lohneinzelkosten in den Kostenstellen. Abweichungen zwischen den Soll- und den Istlohneinzelkosten kommen nur über Zeitüber- oder –unterschreitungen zustande, da die Lohnsätze festgelegt sind. Für derartige Abweichungen kommen im Wesentlichen die folgenden Ursachen in Frage409: • Auftragsbedingte Gründe: Die Fertigungszeit beträgt für einen Auftrag aufgrund von Konstruktionsänderungen länger. • Materialbedingte Gründe: Die Arbeitszeiten betragen aufgrund der tatsächlichen Qualität des Materials länger als mit der geplanten Qualität angenommen. • Verfahrensbedingte Gründe: Durch Maschinenschäden oder Betriebsstörungen kommt es zu Zeitüberschreitungen, die zu Stockungen im Material- oder Auftragsfluss führen. • Fehlerhafte Vorgabezeiten: Die Vorgabezeiten wurden fehlerhaft ermittelt oder waren nicht erreichbar. Derartige Abweichungen sind nicht von den Mitarbeitern zu vertreten. Aus diesem Grund dürfen Sie auch nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Ein Ausgleich kann z.B. über Zusatzlöhne erreicht werden.

8.5.3 Planung und Kontrolle von Sondereinzelkosten Als Sondereinzelkosten werden alle Kosten bezeichnet, die sich neben Material- und Lohneinzelkosten direkt dem einzelnen Kostenträger zurechnen lassen. Im Gegensatz zu den Material- und Lohneinzelkosten sind die Sondereinzelkosten nicht stückvariabel, sondern auftragsvariabel, serienvariabel oder produktartvariabel, d.h., sie können einem Auftrag, einer Serie oder einer Produktart verursachungsgerecht zugerechnet werden. Sondereinzelkosten treten in den Bereichen Fertigung und Vertrieb auf. Zu den Sondereinzelkosten der Fertigung zählen alle Kosten, die nur für einen Auftrag, eine Serie oder eine Produktart anfallen, wie z.B. Kosten für Modelle, Spezialwerkzeug, Spezialvorrichtungen an Betriebsmitteln, Lizenzen, Materialanalysen

409

Vgl. Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 71 f.

290

8 Grenzplankostenrechnung

etc. In bestimmten Fällen können auch Energiekosten410 oder Hilfslöhne als Sondereinzelkosten geplant und verrechnet werden. In der Fertigung handelt es sich bei den Sondereinzelkosten meist um Kosten, die zwar verursachungsgerecht auf den Kostenträger verrechnet werden können, aber nicht regelmäßig anfallen. Die Planung derartiger Kosten erfolgt in ähnlicher Weise wie die Planung der Materialeinzelkosten. Zu den Sondereinzelkosten des Vertriebs zählen Kosten des Verpackungsmaterials, Vertreterprovisionen, auftragsbezogene Werbekosten, Versandkosten etc. Erlösschmälerungen werden hingegen nicht als Sondereinzelkosten des Vertriebs angesehen, sondern als Erlösminderungen. Die Höhe der Sondereinzelkosten pro Erzeugnis ist häufig vom Abnehmer (Branche, Größe, Standort) oder der Wahl der Absatzwege (Direktverkauf, Verkauf über Händler usw.) und weniger vom Erzeugnis selbst abhängig. Eine differenzierte Plankalkulation ist nur da sinnvoll, wo Vertriebskostenunterschiede, differenziert nach Abnehmern oder Absatzwegen, existieren. Sind die Unterschiede unerheblich, so kann in der Plankalkulation mit Durchschnittssätzen gearbeitet werden.

8.6 Der Grenzkostenbegriff in der Grenzplankostenrechnung In der Grenzplankostenrechnung können zwei verschiedene Grenzkostenbegriffe unterschieden werden411: 1. Es werden Grenzkosten pro Bezugsgrößeneinheit verwendet, die mit Hilfe der kostenstellenweisen Kostenplanung bestimmt werden. Die Grenzkostensätze der Kostenstellen sind Einflußgrößen-Grenzkosten. Für die Planung dieser Grenzkosten pro Bezugsgrößeneinheit werden noch keine Informationen darüber benötigt, wie viele Bezugsgrößeneinheiten später beim Aufbau der Plankalkulation den einzelnen Erzeugnisarten zugerechnet werden müssen. 2. Es werden Erzeugnis-Grenzkosten verwendet. Hierunter sind die mit Hilfe der Plankalkulation bestimmten Grenzselbstkosten pro Erzeugniseinheit zu verstehen. Neben den Grenzkosten pro Bezugsgrößeneinheit der beanspruchten Kostenstellen werden für die Bestimmung der Erzeugnis-Grenzkosten Informatio410

411

Dies ist dann der Fall, wenn die einzelnen Erzeugnisse stark unterschiedliche Energieeinsätze bei der Bearbeitung erfordern und diese den Erzeugnissen eindeutig zurechenbar sind. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 136.

8 Grenzplankostenrechnung

291

nen über die Anzahl der Bezugsgrößeneinheiten für eine Erzeugniseinheit benötigt. Hängen diese Informationen von Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung ab, verlieren die Erzeugnis-Grenzkosten ihre Eindeutigkeit. In Abbildung 115 wird ein systematischer Überblick über die möglichen Beziehungen zwischen den Grenzkosten pro Bezugsgrößeneinheit und den ErzeugnisGrenzkosten gegeben. Die Erzeugnis-Grenzkosten können je nach Kostenverursachung entweder konstante, alternativ konstante oder variable Formen annehmen. Liegt in allen Kostenstellen homogene Kostenverursachung vor, dann reicht für jede Kostenstelle eine lineare Kostenfunktion aus. In diesem Fall liegt ein konstanter Grenzkostensatz pro Bezugsgrößeneinheit vor. Für den Fall, dass Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren Alternativen bestehen, z.B. Eigenherstellung oder Fremdbezug oder wahlweiser Einsatz verschiedener Kostenstellen, sind die Grenzkosten pro Einheit zwar für jede Alternative konstant, für die Erzeugnisse liegen sie erst fest, wenn die Wahl zwischen den Alternativen getroffen ist (alternativ konstante Erzeugnis-Grenzkosten). Es wird dann die Alternative mit den minimalen Erzeugnis-Grenzkosten als optimales Verfahren gewählt. Bei produktbedingter Heterogenität der Kostenverursachung, z.B. wenn unterschiedliche Produkteigenschaften wie Gewicht, Länge, Oberfläche oder Fertigungszeitbedarf pro Produkteinheit die Kosten unterschiedlich beeinflussen, ergibt sich für jede Bezugsgröße eine lineare Sollkostenfunktion, der ein konstanter Grenzkostensatz pro Bezugsgrößeneinheit entspricht. Aufgrund der Produktbezogenheit der Einflussgrößen liegen die Bezugsgrößen pro Erzeugniseinheit von vornherein fest, so dass sich trotz der Heterogenität der Kostenverursachung konstante ErzeugnisGrenzkosten ergeben.412 Bei verfahrensbedingter Heterogenität liegen bei konstanter Intensität ebenfalls mehrere lineare Kostenfunktionen und damit konstante Grenzkostensätze pro Bezugsgrößeneinheit vor413. Im Gegensatz zur produktbedingten Heterogenität sind bei verfahrensbedingter Heterogenität die Bezugsgrößen pro Erzeugniseinheit nicht konstant, sondern von der Produktionsvollzugsplanung abhängig.

412 413

So auch Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 138. Wie bereits weiter oben erläutert, wird die intensitätsmäßige Anpassung über mehrere lineare Teilstücke approximiert.

414 Bei variabler Intensität Rein intens.mäßige Anpassung Rein intens.mäßige Anp. mit Splitting Zeit-intens.mäßige Anpassung

Bei konstanter Intensität Einsatz von Mehrarbeitszeiten Variation von Seriengrößen Variation von Bedienungsrelationen Variation von Prozeßbedingungen

Verfahrensbedingte Heterogenität

Produktbedingte Heterogenität

Heterogene Kostenverursachung

Wahl zwischen mehreren Kostenstellen Wahl zwischen Eigenerstellung und Fremdbezug

Mit Wahl zwischen Alternativen

Homogene Kostenverursachung

Ohne Wahl zwischen Alternativen

Eine nicht-lineare Kostenfunktion pro Kostenstelle Nicht-linear für alle Ausbringungen Linear bis Splittinggrenze Linear bis zur optimalen Kapazität

Stückweise Linearisierung

Mehrere lineare Kostenfunktionen pro Kostenstelle

Eine lineare Kostenfunktion pro Kostenstelle

Variable Grenzkosten pro Bezugsgrößeneinheit Variabel für alle Ausbringungen Konstant bis Splittinggrenze Konstant bis zur optimalen Kapazität

Alternative Bezugsgrößen pro Erzeugnis

Mehrere konstante Grenzkostensätze pro Bezugsgrößeneinheit

Konstante Bezugsgrößen pro Erzeugnis

Alternative Bezugsgrößen pro Einheit

Ein konstanter Grenzkostensatz pro Bezugsgrößeneinheit

Konstante Bezugsgrößen pro Einheit

Oberhalb der Splittinggrenze Oberhalb der optimalen Kapazität

Variable Erzeugnisgrenzkosten

Alternativ konstante Erzeugnisgrenzkosten

Optimale Verfahrenswahl ohne Engpässe

Konstante Erzeugnisgrenzkosten

Unterhalb der Splittinggrenze Unterhalb der opt. Kapazität

292 8 Grenzplankostenrechnung

Abbildung 115: Schema zur kostentheoretischen Analyse der Erzeugnis-Grenzkosten414

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 137.

8 Grenzplankostenrechnung

293

Bei variabler Intensität sind die Grenzkosten variabel. Durch stückweise Linearisierung der nicht-linearen Funktionen können allerdings zumindest alternativ konstante Sätze gewonnen werden. Hier wird unterstellt, dass die Prozessbedingungen nicht kontinuierlich, sondern stufenweise an die Veränderungen der Ausbringungsmengen angepasst werden (vgl. Abbildung 115). Für Industriebetriebe, in denen die Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung nicht oder nur geringfügig verändert bzw. angepasst werden, existieren für eine Planungsperiode konstante Erzeugnis-Grenzkosten. Für den Fall, dass die Entscheidungen der Produktionsvollzugsplanung häufig geändert und an wechselnde Ausbringungsmengen angepasst werden, erhält man alternativ konstante ErzeugnisGrenzkosten. Für in der Praxis relativ selten auftretende intensitätsmäßige Anpassungsprozesse erhält man variable Erzeugnis-Grenzkosten. Alternativ konstante oder gar variable Grenzkostensätze sind in der ursprünglichen Konzeption der Grenzplankostenrechnung nicht vorgesehen. Um die sich daraus ergebenden Kalkulationsprobleme zu umgehen, schlägt Kilger vor, entweder ein System von Alternativkalkulationen zu erstellen oder aber eine konstante Basiskalkulation durchzuführen, die entweder auf optimale oder auf durchschnittlich zu erwartende Verfahrenswahlentscheidungen der Produktionsvollzugsplanung abstellt. Von der Anwendung der Alternativkalkulationen ist abzuraten, da aufgrund der Vielzahl an Verfahrenskombinationen eine viel zu große Anzahl an Alternativkalkulationen notwendig wäre. Darüber hinaus ist die Operabilität der kurzfristigen Erfolgsrechnung nicht mehr gewährleistet, da hierbei im Rahmen der Bestandsführung für alle Erzeugnisse die Verfahrenswahlkombination festgehalten werden muss. Die Anwendung einer konstanten Basiskalkulation wahrt die Operabiliät der kurzfristigen Erfolgsrechnung, hat aber den Nachteil, dass diese Basiskalkulation nicht für Entscheidungen herangezogen werden kann, bei denen simultan über die Zusammensetzung des Produktionsprogramms und der Aktionsparameter der Produktionsvollzugsplanung entschieden werden muss. Hierfür müssen die verfahrensabhängigen Kosten eliminiert und gesondert in den Entscheidungsmodellen ausgewiesen werden.415

415

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 142.

294

8 Grenzplankostenrechnung

8.7 Kostenträgerrechnung in der Grenzplankostenrechnung In der Kostenträgerrechnung ist zwischen der Kostenträgerstückrechnung und der Kostenträgerzeitrechnung zu differenzieren. Die Aufgabe der Kostenträgerstückrechnung, die synonym auch als „Kalkulation“ bezeichnet wird, ist die Bestimmung der Herstell- und Selbstkosten pro Kostenträger. Neben dem Kostenträger „Produkt“, welcher die größte Bedeutung hat, spielen zunehmend Kostenträger wie Kunden, Absatzgebiete, Absatzwege, Kostenstellen oder Investitionen eine wichtige Rolle. Der Schwerpunkt der Plankostenrechnung lag früher vor allem auf der Kostenkontrollfunktion. In den letzten beiden Jahrzehnten ist die Entscheidungsfunktion immer stärker in den Vordergrund gerückt. Hierzu müssen Informationen im Vorhinein zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung fällen zu können. Grundsätzlich unterscheidet man bei solchen ex-ante Kalkulationen zwischen Vor- und Plankalkulationen. Eine Vorkalkulation dient der Ermittlung der Kosten für eine Kostenträgereinheit auf Basis geplanter Kosten. Sie wird in der Regel kurzfristig für konkrete Kostenträger durchgeführt. Hiervon zu unterscheiden ist die Plankalkulation, welche die Kalkulationssätze für eine bestimmte Periode der Kostenplanung, die in den meisten Unternehmen ein Jahr beträgt, im voraus festlegt. Mit Hilfe der Plankalkulation werden die Kosten für jeden Kostenträger des Unternehmens auf Basis geplanter Kosten, die meist für die gesamte Planungsperiode gelten, ermittelt. Die Konstanz der Kalkulationssätze ist ein wesentliches Merkmal der Plankalkulation. Die Antwort auf die Frage, welche der beiden Kalkulationen zum Einsatz kommt, hängt von der Fertigungs- und Absatzstruktur des Unternehmens und vom verfolgten Rechnungszweck ab. In auftragsorientierten Unternehmen wird für jeden einzelnen Auftrag eine gesonderte Vorkalkulation erstellt, da sich die Aufträge in der Regel voneinander unterscheiden. Nach Durchführung des Auftrags wird die Vorkalkulation mit Hilfe einer Nachkalkulation überprüft. Zu den auftragsorientierten Unternehmen, die eine Vorkalkulation durchführen, zählen Unternehmen aus den Bereichen Hoch- und Tiefbau, Schiffsbau und Maschinenbau. In marktorientierten Unternehmen werden die standardisierten Erzeugnisse mit Hilfe einer Plankalkulation kalkuliert. Auftragsbezogene Nachkalkulationen werden nur in Sonder-

8 Grenzplankostenrechnung

295

fällen durchgeführt. Die Kontrolle der Plankosten erfolgt durch periodenbezogene Herstellkosten – Soll-Ist-Vergleiche.416 Für die Vor- und Plankalkulation kommen die Divisionskalkulation, Äquivalenzziffernkalkulation, Zuschlagskalkulation und die Kuppelkalkulation in Frage. Alle Verfahren können auf Voll- oder Teilkostenbasis erstellt werden. Da, wie bereits erläutert, in der Plankostenrechnung die Einzelkosten und Gemeinkosten geplant werden, ist von der Zuschlagskalkulation auszugehen. Die übrigen Verfahren sind nur in Spezialfällen anzuwenden. Grundsätzlich kann die Zuschlagskalkulation entweder auf Voll- oder auf Teilkostenbasis erfolgen (vgl.Abbildung 116).

Zuschlagskalkulation

Vollkosten

Teilkosten

Starre Plankostenrechnung / Flexible Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis

Grenzplankostenrechnung

Abbildung 116: Kalkulationsschema der Zuschlagskalkulation

Die starre Plankostenrechnung verzichtet auf die Zerlegung der Kosten in variable und fixe Bestandteile. Aus diesem Grund erfolgt die Kalkulation in der starren Plankostenrechnung mit nur einem Vollkostensatz. Bei der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis werden zwar die Gemeinkosten in den Kostenstellen in ihre fixen und variablen Bestandteile aufgeteilt, es werden aber trotzdem alle Kosten auf die Kostenträger verrechnet. Die Grenzplankostenrechnung verwendet für die Kalkulation die in der Kostenstellenrechnung ermittelten variablen Kostenstellenverrechnungssätze.

416

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 368.

296

8 Grenzplankostenrechnung

Grundsätzlich erfolgt die Plankalkulation mit Hilfe einer Bezugsgrößenkalkulation, da hierbei die Art und die Zusammensetzung des Produktionsprogramms irrelevant sind. Die Plankalkulation basiert auf den folgenden konstanten Daten417: 1. 2. 3. 4. 5.

Planpreise für alle extern bezogenen Kostengüter, geplante Lohnsätze und Gehälter, geplante Erzeugnis-Einzelkosten, insbesondere für das Einzelmaterial, geplante Kostensätze der Kostenstellen, geplante Bezugsgrößen pro Erzeugniseinheit.

Die Grundform der Bezugsgrößenkalkulation lässt sich wie folgt beschreiben418:

⎡ ( p) z ( p) k Si( p ) = ⎢eMi (1 + m ) + 100 ⎢⎣

m

∑b j =1

( p) ij

⎤ z ( p) ( p) ( p) ( p) + eSFi * z Fj ⎥ (1 + vv ) + eSVi 100 ⎥⎦

Hierbei bedeuten die Symbole:

k Si( p )

=

Plan-Selbstkosten pro Einheit der Produktart i

( p) eMi

=

Plan-Einzelmaterialkosten pro Einheit von i

( p) eSFi

=

Plan-Sondereinzelkosten der Fertigung pro Einheit von i

( p) eSVi

=

Plan-Sondereinzelkosten des Vertriebs pro Einheit von i

z m( p )

=

Plan-Kalkulationssatz für Materialgemeinkosten (in Prozent der Plan-Materialeinzelkosten)

( p) z Fj

=

Plan-Kalkulationssatz für Fertigungsgemeinkosten der Kostenstelle j unter Einbeziehung der Einzellöhne (in Prozent der jeweiligen PlanFertigungseinzelkosten, gilt nur für eine Bezugsgröße pro Kostenstelle)

( p) z vv

417 418

=

Plan-Kalkulationssatz für Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten (als einheitlicher Prozentsatz der Plan-Herstellkosten, die dem Inhalt der eckigen Klammer entsprechen oder getrennt nach Verwaltung und Vertrieb)

Siehe hierzu Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 510. Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 371.

8 Grenzplankostenrechnung

bij( p )

=

297

Mengeneinheiten der Bezugsgröße, die in der Kostenstelle j für eine Einheit von i geplant sind (gilt nur für eine Bezugsgröße pro Kostenstelle)

Setzt man in der obigen Formel anstatt der allgemeinen Symbole z(p) die spezielleren Symbole d(p) für die Grenz-Plankalkulationssätze ein, so erhält man als Ergebnis die geplanten Grenz-Selbstkosten bzw. bei Betrachtung der eckigen Klammern die geplanten Grenz-Herstellkosten pro Einheit der Produktart i. Die Plankalkulation auf Basis von Grenzkosten hat dann in Tabellenform folgendes Aussehen: Planbezugsgrößenkalkulation für eine Produktart auf Grenzkostenbasis Grenzkosten Bezugsgrößen Plan-Materialeinzelkosten + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Plan-Materialeinzelkosten der Materialkostenstelle + Plan-Lohneinzelkosten 1 + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Planbezugsgröße der Fertigungsstelle 1 der Fertigungsstelle 1 + Plan-Lohneinzelkosten 2 + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Planbezugsgröße der Fertigungsstelle 2 der Fertigungsstelle 2 ... ... + Plan-Lohneinzelkosten n + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Planbezugsgröße der Fertigungsstelle n der Fertigungskostenstelle n + Plan-Sondereinzelkosten der Fertigung = Variable Plan-Herstellkosten + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Variable Plan-Herstellkosten der Verwaltungskostenstelle + Variabler Plan-Gemeinkostensatz Variable Plan-Herstellkosten der Vertriebskostenstelle = Variable Plan-Selbstkosten Abbildung 117: Grenz- Plankalkulation

Setzt man anstatt der allgemeinen Symbole z(p) die spezielleren Symbole h(p) für die Voll-Plankalkulationssätze ein, erhält man als Ergebnis die vollen Selbst- und Herstellkosten. Im Gegensatz zur Grenzplankalkulation werden bei den VollPlankalkulationssätzen auch anteilige Fixkosten berücksichtigt, die nicht verursachungsgerecht dem Kostenträger zugerechnet werden können.

298

8 Grenzplankostenrechnung

Die oben beschriebene Formel kann auch als Grundform der Bezugsgrößenkalkulation bezeichnet werden. Hier sind für die einzelnen Positionen noch Verfeinerungen möglich419: • Für den Fall, dass mehrere Alternativen für den Materialeinsatz zur Verfügung stehen, wird in der Plankalkulation jeweils ein Standard-Materialeinsatz zugrunde gelegt. • Bei den Materialgemeinkosten müssen unter Umständen unterschiedliche Zuschlagssätze für verschiedene Kostenstellen des Materialbereichs, wie z. B. Einkauf, Lager, Wareneingang angewendet werden. Ebenfalls sind Differenzierungen der Zuschlagssätze nach Materialarten erforderlich, wobei neben den wertabhängigen (% der Materialeinzelkosten) auch stück-, gewichts- oder volumenabhängige Zuschlagssätze zur Anwendung kommen. • Im Fertigungsbereich kommen in der Regel mehrere Bezugsgrößen je Kostenstelle (heterogene Kostenverursachung) zur Anwendung. Die Fertigungsgemeinkosten sind, wie in Abbildung 117 dargestellt, nach den verschiedenen Bezugsgrößen differenziert auszuweisen. • Der separate Ausweis der Fertigungslöhne wie in Abbildung 117 dargestellt, ist nur in einer Lohnzuschlagskalkulation zwingend. Bei der Bezugsgrößenkalkulation wird meist dazu übergegangen, dass die Fertigungslöhne zusammen mit den Fertigungsgemeinkosten verrechnet werden420. • Gewöhnlich werden die Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten als getrennte Zuschläge verrechnet. Während bei den Verwaltungsgemeinkosten meist ein einheitlicher Zuschlag auf die Herstellkosten verwendet wird, wird bei den Vertriebsgemeinkosten weiter differenziert, z.B. nach Produktgruppen, Absatzgebieten, Vertriebswegen und Lagerkosten. Bei Verwendung der Grenz-Plankalkulation werden die fixen Kosten nicht verrechnet. In bestimmten Fällen ist eine Kalkulation der Fixkosten jedoch unumgänglich. Durch die Berücksichtigung von Fixkosten gelangt man schließlich zu einer Vollkostenkalkulation. Dies kann nach verschiedenen Methoden geschehen: 1. Parallelkalkulation 2. Fixkostenzuschlag auf die Grenzkosten a.) global b.) differenziert (stufenweise) 3. Fixkostenzuschlag auf die Deckungsbeiträge a.) global b.) differenziert (stufenweise) 419 420

Vgl. Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 372 f. Wie bereits in Kapitel 8.5.2. erläutert, werden alle fertigungszeitabhängigen Kosten, also auch die Fertigungslöhne, gemeinsam auf die Produkte verrechnet.

8 Grenzplankostenrechnung

299

Bei der Parallelkalkulation wird bereits ab der Kostenstellenrechnung neben der Grenzkostenrechnung eine konventionelle Vollkostenrechnung parallel durchgeführt. Alle Abrechnungsschritte werden daher doppelt vorgenommen. Die häufig bezüglich des Mehraufwands vorgebrachte Kritik dieser Methode ist aufgrund der Fortschritte in der Datenverarbeitung hinfällig. Der Begriff Parallelkalkulation wird bereits dann verwendet, wenn die Grenzkosten in der Kostenstellenrechnung durch Übernahme der sekundären Fixkosten zu Vollkosten ergänzt werden. In diesen Fällen arbeitet man in der Kalkulation parallel mit Vollkosten- und GrenzkostenKalkulationssätzen.421 Die Variante des globalen Fixkostenzuschlags auf die Grenzkosten verursacht weniger Probleme, da hier die vollen Stückkosten im Anschluss an die GrenzPlankalkulation durch einen globalen Zuschlag für Fixkosten auf die GrenzSelbstkosten ermittelt werden. Der globale Fixkostenzuschlagssatz kann wie folgt errechnet werden: z FG =

gesamte Fixkosten des Betriebes * 100 gesamte Grenzselbstkosten des Betriebes

Eine derartige Ermittlung der vollen Stückkosten ist jedoch weder für die Bewertung von Vorräten für die Handels- und Steuerbilanz noch für die Kalkulation öffentlicher Aufträge zulässig. Für die Verwendung der Daten zur handelsbilanziellen Bewertung müssen die Fixkostenzuschläge zumindest nach Fixkosten des Material- und Fertigungsbereichs differenziert werden. Diese werden dann den Grenz-Herstellkosten zugeschlagen. Für die Ermittlung der vollen Selbstkosten müssen zusätzlich noch die Fixkosten des Verwaltungs- und Vertriebsbereichs zu den vollen Herstellkosten gerechnet werden. Eine derartig differenzierte Zuschlagskalkulation kann beliebig verfeinert werden, indem man gesonderte Zuschlagssätze für einzelne Produktarten, Produktgruppen, Kostenstellen, Kostenstellengruppen etc. heranzieht. Dies verdeutlicht das folgende Beispiel. Beispiel für die differenzierte Fixkostenzuschlagskalkulation auf die Grenzkosten Die Einzel- und Gemeinkostenplanung eines Unternehmens ergibt die folgenden Plandaten: Die gesamten Herstellkosten des Betriebes betragen 120.000 €, davon sind 40.000 € Fixkosten. Die gesamten Verwaltungs- und Vertriebskosten betragen 60.000 €, wovon 30.000 € fix sind.

421

Ebenso Haberstock, Kostenrechnung II, 2004, S. 376.

300

8 Grenzplankostenrechnung

Bei einer zweistufigen Fixkostenzuschlagsrechnung sind die vollen Herstell- und Selbstkosten pro Stück für eine Produktart zu ermitteln. Die Grenz-Plankalkulation hat Grenzherstellkosten in Höhe von 5 € und Grenz-Verwaltungs- und Vertriebskosten in Höhe von 1 € ergeben. Die Grenz-Selbstkosten betragen damit 6 € pro Stück dieser Produktart. 40.000 = 50 % ; 80.000 Vertriebsfixkosten beträgt

Der Zuschlag für Material- und Fertigungsfixkosten beträgt: z FH = der

Zuschlag für 30.000 z FV = = 25 % . 120.000

Verwaltungs-

und

Daraus ergibt sich: Volle Herstellkosten

= 5 + 2,5

=

7,5

Volle Verwaltungs- und Vertriebskosten

= 1 + 1,875 =

Volle Selbstkosten

= 6 + 4,375 = 10,375

2,875

Während bei den bisher vorgestellten Verfahren die Fixkostenverrechnung nach dem Durchschnittsprinzip erfolgt ist, wird beim Fixkostenzuschlag auf die Deckungsbeiträge nach dem Tragfähigkeitsprinzip vorgegangen. Bei der globalen Fixkostenverrechnung auf die Deckungsbeiträge werdend die gesamten Fixkostenbeträge des Betriebes mit Hilfe eines Prozentsatzes entsprechend den Deckungsbeiträgen auf die Kostenträger verteilt. Bei der differenzierten Fixkostenverrechnung auf die Deckungsbeiträge erfolgt entsprechend der differenzierten Zuschläge auf die Grenzkosten eine Differenzierung in Herstell- und Selbstkosten. Diese Verfahren sind jedoch nur dann anwendbar, wenn für die Kostenträger Marktpreise und damit Deckungsbeiträge bekannt sind. Eine weitere Differenzierung der Fixkostenzuschläge wird in der von Agthe und Mellerowicz vorgeschlagenen „stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung“422 vorgenommen.423 Das Grundprinzip dieses Verfahrens basiert auf einer möglichst weitgehenden Aufspaltung des gesamten Fixkostenblocks in verschiedene Schichten. Die Fixkosten422

423

Das Verfahren wird häufig auch als „stufenweise Deckungsbeitragsrechnung“ oder „Schichtkostenrechnung“ bezeichnet. Vgl. Agthe, Stufenweise, 1959, S. 404 – 418; Mellerowicz, Planung, 1961, S. 473 f.

8 Grenzplankostenrechnung

301

schichten unterscheiden sich durch ihre unterschiedliche Nähe zum Erzeugnis. Diese Fixkostenschichten sollen verursachungsgerecht aus den Deckungsbeiträgen der einzelnen Erzeugnisse oder Erzeugnisgruppen gedeckt werden. Hierzu werden die fixen Kosten denjenigen Größen zugerechnet, die als Ursache ihrer Entstehung im Sinne eines Zweck-Folge-Zusammenhangs anzusehen sind. Ihre Zurechnung darf dabei immer nur soweit erfolgen, als sie ohne Schlüsselung direkt für die einzelnen Bezugsgrößen erfasst werden können. Nur der nicht zurechenbare Fixkostenanteil, die sogenannten Unternehmensfixkosten, die in keinem Zusammenhang mit irgendeinem Erzeugnis oder einer Erzeugnisgruppe anfallen, sollen durch die noch nicht verteilten Deckungsbeiträge aller Erzeugnisse getragen werden. Als Bezugsgrößen werden üblicherweise: • Erzeugnisse (Produkte, Produktgruppen) oder • Betriebseinheiten (Arbeitsplätze, Kostenstellen, Unternehmensbereiche) gewählt. In Anlehnung an Agthe und Mellerowicz können die folgenden Fixkostenschichten unterschieden werden (vgl. Abbildung 118)424: • Erzeugnisfixkosten: Hierbei handelt es sich um Kosten, die nur für ein bestimmtes Produkt anfallen, z.B. Lizenzgebühren, Spezialwerkzeuge oder Abschreibungen einer Einproduktmaschine, Patent- oder Entwicklungskosten. Bezüglich der erzeugnisbezogenen Fixkosten gilt selbstverständlich, dass bei der Teilkostenrechnung keine Fixkosten auf die Leistungseinheiten verrechnet werden. Es soll aber möglich sein, die Deckung der von einer Erzeugnisart verursachten Fixkosten am Deckungsbeitrag dieser Erzeugnisart zu kontrollieren. • Erzeugnisgruppenfixkosten.: Sie fallen für eine Gruppe von (meist artähnlichen) Erzeugnissen an. Bei Wegfall der Produktion dieser Gruppe würden mittelfristig auch die erzeugnisgruppenfixen Kosten wegfallen. Beispiele sind Werkzeugkosten, Abschreibungen und Zinsen für Betriebsmittel, Forschungs- und Entwicklungskosten für die Erzeugnisgruppe. • Bereichsfixkosten: Sie fallen insgesamt für eine Gruppe von Kostenstellen bzw. für einen Bereich an. Hierzu zählen z.B. Gehälter der technischen Bereichsleitung, Meisterlöhne, Gebäudekosten, Heizkosten. • Unternehmensfixkosten: Hierbei handelt es sich um die unverteilbaren Restkosten der gesamten Unternehmung. Sie fallen für mehrere oder alle Bereiche an.

424

Häufig werden zwischen den Bereichsfixkosten und den Erzeugnisgruppenfixkosten noch sogenannte „Kostenstellenfixkosten“ als weitere Stufe eingefügt. Dies ist von der Organisation des betrachteten Unternehmens abhängig.

302

8 Grenzplankostenrechnung

Beispiele sind die Kosten für die Werksfeuerwehr, Personalkosten der Unternehmensleitung, die meisten Beiträge und Gebühren, Kosten für die Betriebsüberwachung. Unternehmensfixkosten

Unternehmen

Bereichsfixkosten

Betriebsbereich A

Erzeugnisgruppenfixkosten

Produktgruppe I

Produktgruppe II

Erzeugnisfixkosten

1

3

2

Variable Kosten

4

Betriebsbereich B

Produktgruppe III

5

6

Produktgruppe IV

Produktgruppe V

7

9

8

10

Produkte

Abbildung 118: Fixkostenschichtstruktur

Für die Kalkulation der vollen Stückkosten wird bei der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung von den variablen Stückkosten ausgegangen. Diesen werden dann schrittweise die anteiligen Fixkosten zugerechnet. Für diese progressive Kalkulation sind Erfahrungswerte aus der Nachkalkulation zur Aufteilung der fixen Kosten in Prozentwerte der variablen Stückkosten oder Deckungsbeiträge notwendig. Die progressive Kalkulation lässt sich wie folgt darstellen:

8 Grenzplankostenrechnung

303

Variable Kosten des Produkts + Produktfixkosten + Anteilige Produktgruppenfixkosten (in % der variablen Kosten) + Anteilige Bereichsfixkosten (in % der variablen Kosten) + Anteilige Unternehmensfixkosten (in % der variablen Kosten) = Selbstkosten + Gewinn = Angebotspreis Die progressive Kalkulation kann zur Bestimmung des Angebotspreises herangezogen werden. Allerdings haftet dem Verfahren durch das Rechnen mit prozentualen Zuschlägen die Problematik der willkürlichen Verrechnung von Fixkosten an425. Die eigentliche Bedeutung der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung liegt nicht in der Kalkulation, sondern in einer Weiterentwicklung der Kostenträgerzeitrechnung. Für die kurzfristige Erfolgsrechnung und -analyse ist die Ermittlung der vollen Stückkosten nicht erforderlich. Die einzelnen Fixkostenschichten werden jeweils als Gesamtbeträge in die Rechnung einbezogen. In der Kostenträgerzeitrechnung wird nach dem Prinzip der einstufigen (Plan-) Deckungsbeitragsrechnung das (Plan-)Betriebsergebnis errechnet, indem von der Gesamtsumme der (Plan-)Deckungsbeiträge die (Plan-)Fixkosten abgezogen werden.

-

∑ Umsätze ∑ variable Selbstkosten

=

Deckungsbeitragsvolumen

-

fixe Periodenkosten

=

kalkulatorischer Betriebserfolg

Entsprechend dem Grundgedanken der Teilkostenrechnung ist ein kalkulatorischer Betriebserfolg nur für den Gesamtbetrieb ermittelbar. Jeder Versuch, ihn bestimmten

425

Daher haften der progressiven Kalkulation dieselben Mängel an wie der herkömmlichen Vollkostenrechnung (Schlüsselung fixer Kosten).

304

8 Grenzplankostenrechnung

Leistungseinheiten, z.B. als Erfolg pro Erzeugnis, zuzurechnen, würde dem Konzept der Teilkostenrechnung widersprechen. Sind aber die Voraussetzungen für eine sachlich getrennte Fixkostenzurechnung auf die Kostenträger, Produktgruppen, Bereiche etc. gegeben, dann können auch mehrstufige (Plan-) Fixkostendeckungsrechnungen zum Einsatz kommen. Durch die Verwendung von stufenweisen (Plan-) Fixkostendeckungsrechnungen besteht die Möglichkeit einer differenzierten Erfolgsplanung, indem untersucht werden kann, bis zu welcher Produktionstiefe die (Plan-) Deckungsbeiträge der gefertigten Erzeugnisse zur Kostendeckung ausreichen. Produkten, Produktgruppen, Bereichen und dem gesamten Unternehmen werden in diesem Zusammenhang Fixkosten zugerechnet, die beim Wegfall dieser Bezugsobjekte zum Abbau kommen könnten. Folglich dient die Differenzierung des Blocks der beschäftigungsunabhängigen Kosten dem Zweck, Informationen über die Elastizität des Unternehmens gegenüber Schwankungen des Absatz- und Beschaffungsmarktes zu erhalten. Die Entscheidungsträger können somit auf Grundlage dieser Informationen Strategien zur Vermeidung negativer Deckungsbeiträge entwickeln (z.B. verstärkte Werbemaßnahmen, Rationalisierungen, Desinvestitionen und/ oder Marktaustritt). Hierbei bleibt zu bedenken, dass, selbst wenn ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Produktgruppe einen negativen Deckungsbeitrag aufweisen, eine Eliminierung des Produkts bzw. der Produktgruppe aus dem Produktionsprogramm kurzfristig nicht zum Abbau der zugerechneten Fixkosten führt. Diese können z.T. nur sehr langsam abgebaut werden. Die verbleibenden Produkte müssten in diesem Fall die Fixkosten der eliminierten Produkte zumindest vorübergehend mittragen. Durch die zusätzliche zeitliche Differenzierung der fixen Kostenarten nach Maßgabe ihrer Abbaufähigkeit (z.B. Monat, Quartal, Halbjahr, längerfristig) und der unterschiedlichen Bereitschaftsgrade des Unternehmens (z.B. 90%, 75%, 50%) kann vor allem in fixkostenintensiven Produktionsbereichen die Elastizität des kurz-, mittel- und langfristigen Potenzials der fixen Kosten im Hinblick auf mögliche (quantitative) Anpassungsprozesse transparenter dargestellt werden. In der Praxis scheitert diese wünschenswerte Vertiefung der Aussagekraft der kurzfristigen Erfolgsrechnung häufig jedoch an der nicht eindeutig vornehmbaren Zurechnung der Fixkosten. Abrechnungstechnisch kann die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung nach dem folgenden Schema durchgeführt werden:

8 Grenzplankostenrechnung

305

Bruttoumsatz der Produktart - Erlösschmälerung = Nettoumsatz der Produktart - Variable Selbstkosten der Produktart = Deckungsbeitrag I (= Erzeugnisdeckungsbeitrag) - Erzeugnisfixkosten = Deckungsbeitrag II

Zusammenfassung nach

- Erzeugnisgruppenfixkosten

Produktgruppen

= Deckungsbeitrag III

Zusammenfassung nach

- Bereichsfixkosten

Betriebs-, Produktbereichen

= Deckungsbeitrag IV

Zusammenfassung aller

- Unternehmensfixkosten

Deckungsbeiträge

= Netto-Vollkostenerfolg

8.8 Die Grenzplankostenrechnung bei unterschiedlichen Betrachtungszeiträumen Die Aufteilung in fixe und proportionale Kosten hängt u.a. wesentlich vom Fristigkeitsgrad der Kostenplanung ab, da sich mit zunehmender Länge des Planungszeitraums immer mehr Potenzialfaktoren ausbringungsabhängig disponieren lassen. Dies gilt insbesondere für die personellen Potenzialfaktoren. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Teilbarkeit der Potenzialfaktoren. Für die Personalfaktoren gilt, dass diese von der Gesamtunternehmung aus gesehen normalerweise nicht teilbar sind. In den einzelnen Kostenstellen jedoch lässt sich eine nahezu vollständige Teilbarkeit der Arbeitskräfte erreichen, wenn diese zwischen den Kostenstellen ausgetauscht werden können. Unter diesen Voraussetzungen lassen sich nahezu alle Löhne für auszuführende Arbeiten den proportionalen Kosten zurechnen. Je weniger diese Austauschmöglichkeiten gegeben sind und je mehr bei

306

8 Grenzplankostenrechnung

einer Anpassung Neueinstellungen und Entlassungen notwendig sind, desto häufiger treten intervallfixe Kosten auf.426 Zur Berücksichtigung solcher Kosten gibt es grundsätzlich mehrere Möglichkeiten: 1. Man rechnet die intervallfixen Kosten voll den fixen Kosten zu. 2. Man approximiert den treppenförmigen Verlauf der intervallfixen Kosten durch lineare Sollkostenfunktionen. Dadurch erhält man für jeden Fristigkeitsgrad eine andere Sollkostenfunktion und andere proportionale Kostensätze (vgl. Abbildung 119). 3. Will man die intervallfixen Kosten genau erfassen, darf man sie weder den fixen noch den proportionalen Kostenarten zurechnen; sie müssen vielmehr als gesonderte Kategorie ausgewiesen und geplant werden. Bestimmten Beschäftigungsintervallen werden dann unterschiedliche Fixkostenbeträge zugewiesen. Der in Abbildung 119 dargestellte Fixkostenbetrag KFI ist für jeden Fristigkeitsgrad fix, der für die Kostenplanung in Frage kommt. Zusätzlich fallen zwei intervallfixe Kostenarten an, die im dargestellten Beschäftigungsbereich vier bzw. sechzehn Kostensprünge aufweisen. Beim Fristigkeitsgrad I (innerhalb von 12 Monaten abbaubar) werden diese beiden intervallfixen Kostenarten voll proportionalisiert, was zur Sollkostenkurve KI führt. Beim Fristigkeitsgrad II (innerhalb von zwei bis drei Monaten abbaubar) wird die intervallfixe Kostenart mit den vier Kostensprüngen zu den fixen Kosten gezählt. Hierdurch erhält man den Fixkostenbetrag KFII und den Sollkostenverlauf KII. Die Sollkostenfunktion KIII erhält man für den Fristigkeitsgrad III (abbaubar in einem Monat), bei dem beide intervallfixe Kostenarten zu den fixen Kosten zugerechnet werden. Bei den Fristigkeitsgraden I und II werden die proportionalisierten intervallfixen Kostenarten mit den proportionalen Kostensätzen der betreffenden Kostenstelle verrechnet.427

426 427

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 132. Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 133 f.

8 Grenzplankostenrechnung

307

KI

K

KII KIII A

K(i)

B C D

KFIII KFII

KFI 0

B(i)

B(p)

B

Abbildung 119: Berücksichtigung unterschiedlicher Fristigkeitsgrade im System Kilgers428

Problematisch ist die Proportionalisierung intervallfixer Kostenarten beim Soll-IstVergleich. Man spricht vom Problem der Divergenz der Fristigkeitsgrade. Nur wenn der durch die Kostenplanung fixierte Fristigkeitsgrad auch im Ist eingehalten wird, kann der Soll-Ist-Vergleich zu richtigen Verbrauchsabweichungen führen. Die Divergenz der Fristigkeitsgrade führt dazu, dass in die Verbrauchsabweichungen remanente Kosten eingehen, wenn der Fristigkeitsgrad der Planung relativ hoch ist, die Anpassung der Faktoren in der Kostenstelle in den einzelnen Monaten aber im Ist nicht realisiert werden kann. Die Proportionalisierung der intervallfixen Kosten ist generell nur vertretbar, wenn die Sprünge nicht zu groß sind. Die in Abbildung 119 eingezeichneten Istkosten K(i) entsprechen offensichtlich der Sollkostenkurve KIII. Die richtige Verbrauchsabweichung für diese Kurve wird durch die Strecke AB wiedergegeben. Entsprechend erhält man bei Auswahl der

428

Abbildung entnommen aus Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 133.

308

8 Grenzplankostenrechnung

Sollkostenverläufe KI oder KII in der Kostenplanung die Strecke AC oder AD als Verbrauchsabweichung. Die remanenten Kosten hierin sind BD bzw. BC.429 Im Normalfall der Grenzplankostenrechnung wird nur ein Fristigkeitsgrad der Kostenplanung festgelegt, dessen Anpassungsflexibilität in der Regel den Anpassungsmöglichkeiten einer einjährigen Planungsperiode entspricht. Die anpassbaren intervallfixen Kosten werden dabei linearisiert, die nicht-anpassbaren intervallfixen Kosten werden den Fixkosten zugeschlagen. Eine Weiterentwicklungsmöglichkeit der Grenzplankostenrechnung liegt darin, bei der Planung der Kostenstellenkosten mehrere Fristigkeitsgrade zugrunde zu legen. So lassen sich für verschiedene Kostenarten, insbesondere die Personalkosten mit abnehmender Fristigkeit, zunehmende fixe Anteile ausmachen. Dies gilt vor allem für Gehaltkosten, in geringerem Ausmaß jedoch auch für Löhne. In der folgenden Abbildung wird der Einfluss der Fristigkeitsgrade auf die Zurechnung der Kosten zu fixen oder variablen Kosten deutlich.

Bezugszeitraum in Monaten

Fristigkeitsgrad Gehälter

Löhne

Fristigkeitsgrad I

12

3-6

Fristigkeitsgrad II

2-3

2-3

Fristigkeitsgrad III

1

1

Personalkosten fix Gehälter (über wiegend); Hilfs löhne (zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft)

proportional Fertigungslöhne, Hilfslöhne (über wiegend); Gehälter für repetitive Tätigkeiten Tätigkeit

Gehälter, Hilfs Fertigungslöhne, löhne (zunehmend) Hilfslöhne (abnehmend) Gehälter, Hilfs löhne, Fertigungs löhne

-

Abbildung 120: Die Beschäftigungsabhängigkeit der Personalkosten430

429 430

Vgl. Kilger, Pampel, Vikas, Plankostenrechnung, 2007, S. 134 f. Vgl. Freidank, Kostenrechnung, 2008, S. 280.

8 Grenzplankostenrechnung

309

Die meisten anderen Kostenarten sind im Wesentlichen unabhängig vom Fristigkeitsgrad, so z.B. Werkzeugkosten, Hilfs- und Betriebsstoffe, Reparatur- und Instandhaltungskosten und Energiekosten, KfZ-Steuer, die meisten Gebühren und Beiträge, Versicherungsbeiträge und sonstige Steuern. Bestandsabhängige Gemeinkosten sind in dem Maße disponierbar wie das Umlaufvermögen (nicht jedoch das Anlagevermögen) mit dem Fristigkeitsgrad beeinflussbar ist. Mieten und Pachten sind je nach Kündigungsfristen disponibel. Abbildung 121 zeigt eine Kostenstellenplanung für unterschiedliche Fristigkeitsgrade, wobei stets nur die Kostenänderungen, die sich mit zunehmender Disponierbarkeit ergeben, eingetragen sind.

8.9 Kritische Würdigung der Grenzplankostenrechnung Da es sich bei der Grenzplankostenrechnung nach Kilger um ein Teilkostenrechnungssystem handelt, werden ein Großteil der Mängel der Vollkostenrechnung431 beseitigt. So werden in der Grenzplankostenrechnung keine fixen Kosten verrechnet und auch die oftmals zu schmalen Bezugsbasen für die Gemeinkosten werden durch vielfältige Bezugsgrößen ersetzt. Das Problem der Abbaufähigkeit der Fixkosten wurde durch die Berücksichtigung unterschiedlicher Betrachtungszeiträume bereits dargestellt. Der Gehalt des Kilger´schen Systems wird vor allem in entscheidungsorientierten Rechnungen deutlich. Der Fokus liegt auf kurzfristigen Entscheidungen. Nach Kilger werden zur Lösung eines Entscheidungsproblems nur die relevanten Kosten und Erlöse einbezogen. Diese hängen wiederum vom jeweiligen Entscheidungsproblem, der konkreten Entscheidungssituation und den verfolgten Zielvorstellungen ab. Darüber hinaus muss die Risikoeinstellung des Entscheiders berücksichtigt werden. Insbesondere die Berücksichtigung der Risikoeinstellung bei unsicheren Erwartungen stellt hinsichtlich der Separation des Entscheidungsfeldes ein schwieriges Problem dar. Daher kann nicht generell gesagt werden, welche Kosten und Erlöse als entscheidungsrelevant gelten. Grundsätzlich sollen nur die vom Entscheidungsträger beeinflussbaren Kosten in die Berechnung einfließen. Es wird angezweifelt, ob mit den Bezugsgrößen-proportionalen Kosten nicht auch eine Reihe von Kostenkomponenten berücksichtigt werden, die letztlich unbeeinflussbar und damit entscheidungsirrelevant sind. Jede Art unechter Gemeinkosten kann ein Beispiel dazu bilden.

431

Vgl. hierzu anstatt vieler Eisele, Technik, 2002, S. 740 ff.

432 480 320 640 320

Std. Std. Std. Std. €

4910 Kalk. Personalnebenkosten für Arbeiter

Abbildung modifiziert aus Kilger, Plankostenrechnung, 1993, S. 568.

Name Datum Name Datum

Name Datum

460 34.200 5.700 5.700

m2 kWh Std. Std.

4940 Kalk. Raumkosten 4951 Kalk. Stromkosten (210 kW) 4960 Kalk. Transportkosten 4970 Kalk. Leistungskosten 4999 Kalk. sekundäre Fixkosten Geplant Geprüft Abgelocht

Name

Datum

Kostenstellenleiter einverstanden

22.150

III

0,34 0,55

21,70 19,38

0,752

0,30 0,1

0,22 0,20

15,40 13,75

0,744

€ pro Masch.Std.

Plankostensummen

10,80 0,09 0,46 0,90

0,50

28,00 25,00

45 30

Std. Std.

100 €

0,60 0,15

Std. Std.

4810 Kalk. Zinsen auf Anlagevermögen (BW = 2.215.000 €)

4801 Kalk. Abschreibungen (TW = 4.830.000 €)

4100 Werkzeugkosten 4110 Hilfs- und Betriebsstoffkosten 4510 Reparatur und Instandhaltungskosten Betriebsschlosser Betriebselektriker Material Fremdleistungen

I 51.097 II 50.812 III 50.527 5.700 5.700 0,760

16,20 11,40 11,40 13,60

1.900 1.900

Nr. 4301 4309 4310

€/ME II

120 865

2.070

2.724 548 2.176

Fix

- 4.968 3.078 2.622 5.130 - 28.180 116.134 70.127

- 11.075

13.417 20.125

3.420 735 2.595

36.764

27.170 855 20.348 7.776 3.100 7.296 2.176

Proportional

611

32,67 20,37 12,30 Kalkulationssätze I

4.968 3.078 2.622 5.130 28.180 186.261

11.075

33.542

3.420 855 3.460 1.260 750 1.150 300

38.834

27.170 855 23.072 7.776 3.648 7.296 4.352

Gesamt

DM/Monat bei Fristigkeitsgrad I

φ Schichtzahl: 40 je Monat

Std. Std.

Menge

KostenstellenNr.:

Automaten

I 14,30 0,45

ME

KostenstellenBezeichnung:

Kostenarten Bezeichnung Fertigungslöhne Zusatzlöhne Hilfslöhne für Einrichten Reinigen Transport Disposition

Planbezugsgröße: 5.700 Maschinenstunden je Monat

Kostenplan Zeitraum:

9.057 5.316 2.592 548 2.176

Fix

32,59 16,11 16,48 Kalkulationssätze II

4.968 - 4.968 3.078 3.078 1.938 1.938 3.135 3.135 31.717 - 31.717 185.759 91.820 93.939

- 11.075

3.078 1.254 1.140 53.566

-

13.417

3.420 735 1.917

12.203

9.057 285 7.060 2.592 1.550 2.918 -

Proportional

35.251 131.692

-

4.968

11.075

20.125

120 639

25.389

18.113 16.012 5.184 2.098 4.378 4.352

Fix

32,50 9,40 23,10 Kalkulationssätze III

4.968 3.078 1.254 1.140 35.251 185.258

11.075

3.420 855 2.556 693 413 1.150 300

11.075

120 752

33.542

3.420 735 2.256

37.592

27.170 285 23.072 7.776 3.648 7.296 4.352

Gesamt

€/Monat bei Fristigkeitsgrad III

Stellvertreter:

33.542 13.417 20.125

3.420 855 3.008 977 581 1.150 300

38.211 27.402 10.809

27.170 18.113 570 570 23.072 17.756 7.776 5.184 3.648 3.100 7.296 7.296 4.352 2.176

Gesamt Proportional

DM/Monat €/Monat beibei Fristigkeitsgrad III

Kostenstellenleiter:

310 8 Grenzplankostenrechnung

Abbildung 121: Kostenstellenplan bei unterschiedlichen Fristigkeitsgraden432

8 Grenzplankostenrechnung

311

Die besonderen Vorteile des Systems liegen in der stellenbezogenen Kostenplanung und -kontrolle. Zum einen können die Stellenkosten durch den Verzicht auf die Zurechnung fixer Kosten auch bei Über- und Untererfüllung der mengenmäßigen Planvorgaben ohne systematischen Fehler kontrolliert werden. Noch bedeutender ist jedoch vielleicht die Möglichkeit, differenziert nach den Bezugsgrößen detaillierte Plan- und Kontrollrechnungen aufbauen zu können. Darüber hinaus sind für die Preisermittlung bei öffentlichen Aufträgen, die Inventurbewertung von selbsterstellten Erzeugnissen sowie für preispolitische Zwecke die Informationen der Grenzplankostenrechnung nicht ausreichend. Hier kann nicht auf eine Vollkostenkalkulation verzichtet werden. Das parallele Betreiben von Voll- und Teilkostenrechnung verursacht darüber hinaus relativ hohe Kosten. Insbesondere eine sehr flexible Grenzplankostenrechnung mit vielen Bezugsgrößen und für verschiedene Betrachtungszeiträume verursacht hohe Kosten.

9 Prozesskostenrechnung 9.1 Ansatzpunkte der Prozesskostenrechnung Die Idee der Prozesskostenrechnung ist aus der Erkenntnis entstanden, dass die traditionellen Kostenrechnungssysteme, die unter den Bedingungen einer relativen Homogenität des Fertigungs- und Absatzprogramms entwickelt wurden, den veränderten Rahmenbedingungen im Fertigungs- und Absatzprogramm nicht mehr genügen. Die Entwicklung der Märkte zu Käufermärkten führt zu einem immer größeren Druck auf die Unternehmen durch Wettbewerber und Kunden. Um den neuen Anforderungen genügen zu können, müssen die Unternehmen die Variantenzahl erhöhen, die Produktqualität verbessern, die Lieferzeiten senken und die Produktlebenszyklen verkürzen. Die beschriebenen Maßnahmen der Unternehmen führen zu einer veränderten Kostenstruktur. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Kosten für Material und produktbezogene Arbeit die Gesamtkosten nahezu erfassten, so bringen es diese Komponenten heute z.T. nur noch auf einen Anteil von 10 %. Insbesondere die fortschreitende Automatisierung und höhere Bedeutung von planenden, kontrollierenden und steuernden Tätigkeiten in den indirekten Leistungsbereichen, wie z.B. Forschung und Entwicklung, Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Einkauf, Vertrieb, Logistik, Softwareentwicklung und Qualitätssicherung haben zu einer relativen Zunahme der Gemeinkosten im Vergleich zu den Einzelkosten geführt. Die veränderte Kostenstruktur ist insbesondere auf die personalintensiven Prozesse in den indirekten Leistungsbereichen zurückzuführen, die wiederum den Anteil der fixen Kosten an den Gemeinkosten ansteigen lässt433. Der Anstieg des Automatisierungsgrades führt zu einer zunehmenden Kapitalintensität der Anlagen und einer wachsenden Bedeutung von Vorlauf- und Lernprozessen. Die traditionelle Vollkostenrechnung (Ist-, Normal-, Plankostenrechnung) kann diese veränderte Kostenstruktur nicht adäquat abbilden, da die Gemeinkosten ent433

Die Summe der indirekten Leistungsbereiche wird in der Literatur auch als „hidden factory“ bezeichnet. Der Begriff spiegelt die darin verborgenen Ressourcen und die mangelnde Betrachtung in der Vergangenheit wieder. Zur Thematik der „hidden factory“ vgl. die Ausführungen von Miller, Vollmann, factory, 1985, S. 142 ff.

314

9 Prozesskostenrechnung

weder über innerbetriebliche Leistungsverrechnung auf Fertigungskostenstellen verteilt werden bzw. über Bezugsgrößen oder prozentuale Zuschlagssätzen auf Materialeinzel- (Materialgemeinkosten) bzw. Herstellkosten (Verwaltungs- und Vertriebsgemeinkosten) auf die einzelnen Produkte verteilt werden. Da die Gemeinkosten in indirekten Leistungsbereichen in der Regel nicht durch wert- oder zeitabhängige Bezugsgrößen verursacht werden, sondern durch andere Einflussfaktoren, wie z.B. die Komplexität oder Variantenvielfalt der Produkte, bildet diese Zurechnungsmethodik die tatsächlichen Gemeinkostenabhängigkeiten nur ungenügend ab. Auch die vorher aufgeführte Grenzplankostenrechnung ist primär auf den direkten Fertigungsbereich ausgerichtet. Die veränderte Kostenstruktur führt im System der Grenzplankostenrechnung dazu, dass die Manövriermasse (Grenzkosten) immer geringer wird, d.h. wegen der Zunahme der kurzfristig nicht disponiblen fixen Gemeinkosten im Vergleich zu den variablen Kosten werden die Deckungsbeiträge immer höher. Vor allem Praktiker wollen aber Informationen über die langfristige Kostenverursachung und eine so weitgehend wie mögliche Zurechnung der Kosten auf die Produkte. Auch die stufenweise Fixkostendeckungsrechnung kann die Aufgabe der Planung, Steuerung und Kontrolle der Gemeinkosten in den indirekten Leistungsbereichen nur unzureichend lösen. Da in den indirekten Leistungsbereichen ca. 80 % der Kosten Personalkosten sind, führt die in der stufenweisen Fixkostendeckungsrechnung vorgenommene zeitliche Differenzierung der fixen Kosten nach deren Abbaufähigkeit und unterschiedlichen Bereitschaftsgraden zu keinem Erkenntnisgewinn.434

9.2 Ziele und Aufgaben der Prozesskostenrechnung Für die veränderte industrielle Problemstellung wird seit einigen Jahren die Prozesskostenrechnung als neuer und adäquater Lösungsansatz vorgeschlagen. Inhaltlich interpretiert resultiert dieser Name aus der Orientierung an Prozessen. Methodisch ist die Prozesskostenrechnung jedoch von diesem Inhalt unabhängig435. Die Prozesskostenrechnung stellt also eine eigenständige Methode der Kostenrechnung dar. Die Prozesskostenrechnung, die auch als prozess-, vorgangs- oder aktivitätsorientierte Kostenrechnung bezeichnet wird, nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Verrechnung von Kosten im indirekten Leistungsbereich. In einem Industriebetrieb werden neben der eigentlichen Produkterstellung zahlreiche sekundäre Leistungen 434 435

So auch Freidank, Kostenrechnung, 2008, S. 368 f. Methoden sollen grundsätzlich vom Inhalt unabhängig sein.

9 Prozesskostenrechnung

315

erbracht, die nur indirekt mit der materiellen Ausbringung zusammenhängen. Alle diese Leistungen sind für den Betrieb i.d.R. von Nutzen bzw. sogar unabdingbar. Sie fallen je nach Auftragslage möglicherweise in unterschiedlicher Menge an und sie verursachen Kosten. Der einzige Unterschied zu den betrieblichen Ausbringungsgütern besteht darin, dass sie nicht unmittelbar an den Markt abgegeben werden und ihnen daher ein Erlös nicht direkt zurechenbar ist. Ein besonderes Merkmal der Prozesskostenrechnung ist, dass die Verrechnung der Gemeinkosten nicht über Kostenstellen, sondern über abgegrenzte Prozesse und deren mengenmäßige Wiederholung erfolgt. Die Prozesskostenrechnung greift die Prozesse des indirekten Leistungsbereichs auf und versucht, sie wie marktgängige Endprodukte zu behandeln. Will man im weiteren Rechenverlauf die Kosten für die zu verkaufenden Endprodukte ermitteln, muss bekannt sein, wieviel von welchem (verborgenen) Zwischenprodukt pro Endprodukteinheit je Art erforderlich ist. Entgegen anderen Kostenrechnungssystemen treten die Kostenstellen als Ort der Kostenverursachung in den Hintergrund. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen stellenübergreifende Prozesse als Größen der Kostenverursachung.436 Die verfolgten Ziele und die daraus abgeleiteten Aufgaben der Prozesskostenrechnung sind in der Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Gemeinkosten und der verursachungsgerechten Gemeinkostenverrechnung im Rahmen der Kalkulation zu sehen. Konkrete Ziele der Prozesskostenrechnung sind: • Abbildung des Unternehmensprozesses (insbesondere im indirekten Leistungsbereich) zur Schaffung von Transparenz: - Überwachung und Steuerung der Kapazitätsauslastung durch Aufzeigen der Tätigkeiten und Kosten in den indirekten Leistungsbereichen, - Darstellung des Ressourcenverbrauchs durch die einzelnen Prozesse, - Bereitstellung von Verrechnungssätzen für die Verrechnung von internen Dienstleistungen, - Hinweise auf Kostensenkungsmaßnahmen im indirekten Leistungsbereich, - Beeinflussung der Verhaltensweisen der Mitarbeiter zu kostenbewusstem Verhalten durch Kontrolle der Kosten einzelner Tätigkeiten, - Ermittlung von Kosten für Produkt- und Verfahrensänderungen. • Steigerung der Effizienz: - Verbesserung der Abläufe und damit der Wirtschaftlichkeitskontrolle innerhalb einzelner Kostenstellen, sowohl für kostenstellenübergreifende Prozesse also auch für einzelne Tätigkeiten,

436

Vgl. Schweitzer, Küpper, Systeme, 2003, S. 347 ff.

316

9 Prozesskostenrechnung

Unterstützung bei der Realisierung von Verbesserungsmaßnahmen zur Steigerung der Produktivität mit Kosteninformationen, - Abbau von Gemeinkosten in fertigungsfernen Bereichen, - Aufbau eines strategischen Gemeinkostenmanagements, - Abbau des Abteilungsdenkens durch kostenstellenübergreifende Betrachtungsweise. • Verbesserung der Kalkulation: - Strategische Ausrichtung der Kalkulation, - verursachungsgerechtere Verrechnung der Gemeinkosten, - genauere Ermittlung der Selbstkosten, - bessere Bewertung und Verrechnung der internen Dienstleistungen des indirekten Leistungsbereichs, - Optimierung der Programm- und Preispolitik, - Verbesserung der Produktgestaltung. -

9.3 Typische Anwendungen von Prozesskostenrechnungen In der Literatur existieren mehrere Ansätze der Prozesskostenrechnung. Allen Ansätzen ist die Verrechnung der Gemeinkosten von Prozessen über Bezugsgrößen, welche Maßgrößen für die Prozessmengenwiederholung darstellen, gemeinsam. Grundsätzlich werden die beiden folgenden Ansätze, das activity-based costing und die Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a., unterschieden.

9.3.1 Das Activity-based Costing Obwohl sich schon frühe Ansätze der Prozesskostenrechnung in der Literatur finden lassen, baut die Idee der Prozesskostenrechnung auf dem in den USA entwickelten activity-based costing (ABC) auf. Das activity-based costing wurde ab Mitte der achtziger Jahre in den USA von Cooper, Johnson und Kaplan entwickelt. Auslöser der Entwicklung war die Kritik an der in den USA üblichen summarischen Vollkostenkalkulation, bei der die Gemeinkosten über die Fertigungslöhne verrechnet werden. Mit Hilfe des activity-based costing wurde versucht, sämtliche Gemeinkosten des direkten und indirekten Leistungsbereiches verursachungsgerecht auf die Produkte zu verrechnen. Die Hauptaufgabe liegt auf der verursachungsgerechten Verrechnung der Produktionsgemeinkosten. Diese sollen mit Hilfe differenzierter Bezugsgrößen auf die Produkte verrechnet werden. Die Behandlung der Einzelkosten bleibt davon unberührt. Das activity-based costing setzt bei der Bildung von Prozessen (activities) im direkten und indirekten Leistungsbereich an. Hierbei müssen die Prozesse derart abge-

9 Prozesskostenrechnung

317

grenzt sein, dass der Einsatzgüterverbrauch für einen einzelnen Prozess durch eine einzige Prozessbezugsgröße (cost driver) abgebildet werden kann. Nach Cooper muss bei der Auswahl der Prozessbezugsgrößen auf die Erfassungskosten, die Verhaltenseffekte auf Mitarbeiter und die Präzision der Maßgrößen geachtet werden437. Keine Rolle spielen bei der Auswahl die Entscheidungen, die durch relevante Kosteninformationen unterstützt werden sollen. Die Kosten für jeden Prozess werden unter Verwendung von Schlüsselgrößen in sogenannten Kostenpools gesammelt. Ein Kostenpool umfasst alle Kosten, die durch die Realisation des betrachteten Prozesses in der Abrechnungsperiode entstehen. Die Kosten der Kostenpools werden in der Prozesskalkulation unter Verwendung der Prozessbezugsgröße auf die einzelnen Produkte verrechnet. Beim activitybased costing werden alle Kosten der Periode auf die Kostenträger verrechnet. Ausgenommen sind lediglich Leerkosten und Forschungs- und Entwicklungskosten. Das activity-based costing stellt somit eine Vollkostenrechnung dar. Der Prozesskalkulation liegt eine vierstufige Hierarchie der Prozesse zugrunde (vgl. Abbildung 122).

437

Vgl. Cooper, Costing, 1990, S. 277 f.

318

9 Prozesskostenrechnung

Hierarchie- Art der Prozesse ebene

Kostenarten

Verrechnungsregel

4

Unternehmensbezogene Prozesse (Prozesse zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft)

Kosten für die Werksleitung, Kosten für die Gebäude, Heizkosten- und Beleuchtungskosten

Verrechnung über indirekte wertmäßige Kalkulationsbezugsgrößen (z.B. Wertschöpfung) auf die Produktionsmenge der Periode

3

Produktbezogene Prozesse

Kosten für die Verfahrenstechnik, Kosten für Konstruktionsänderungen

Verrechnung über Prozessbezugsgrößen (z.B. Anzahl der Materialdispositionen, Anzahl der Varianten, Anzahl der Abweichungen zu einem Standardprodukt) auf die Produktionsmenge der Periode

2

Losgrößenbezogene Rüstkosten, Kosten Prozesse für die Materialbereitstellung, Kosten für die Abwicklung eines Kundenauftrags

Verrechnung über Prozessbezugsgrößen (z.B. Anzahl der Fertigungslose, Anzahl der Bestellungen, Anzahl der Bestellpositionen, Anzahl der Kundenaufträge) auf Losgrößen

1

Stückbezogene Pro- Fertigungsmaterial, zesse Materialeinzelkosten, Abschreibungen, Energiekosten

Verrechnung über Prozessbezugsgrößen (z.B. Produktionsmenge, Fertigungsstunden) auf Produkteinheiten

Abbildung 122: Prozesshierarchie im activity-based costing438

Die Verrechnung der Kosten der drei ersten Ebenen erfolgt über Prozessbezugsgrößen. Nur zur Verrechnung der Kosten der vierten Ebene werden wertabhängige Größen, wie z.B. Wertschöpfung verwendet.

438

Abbildung entnommen aus Schweitzer, Küpper, Systeme, 2003, S. 359 basierend auf Cooper, Kaplan, Ressourcenmanagement, 1991.

9 Prozesskostenrechnung

319

Die wesentliche Verbesserung des activity-based costing ist in der Berücksichtigung von Produkteigenschaften durch Anwendung mehrerer Bezugsgrößen zu sehen. Damit wird die Rechnung im Vergleich zur summarischen Vollkostenkalkulation auf Basis von Lohnzuschlägen genauer und besser. In Abbildung 123 wird der Ansatz des activity-based costing schematisch anhand eines Beispiels dargestellt. volumenabhängig

volumenunabhängig

fertigungsabhängige Gemeinkosten

maschinenabhängige Gemeinkosten

materialabhängige Gemeinkosten

rüstabhängige Gemeinkosten

Kostenpool

Kostenpool

Kostenpool

Kostenpool

€/ direkte Arbeitsstunden

€/ €/ Maschinen- Materialstunde kosten

bestellabhängige Gemeinkosten

Kostenpool

€/ Rüstvorgang

variantenabhängige Gemeinkosten

Gemeinkosten Auftragsabwicklung

Kostenpool

€/ Bestellung

€/ Variantenzahl

Gemeinkosten Spezialkomponente

Kostenpool

Verwaltungsgemeinkosten

Kostenpool

€/ Kundenaufträge

€/ Spezialkomponenten

€/ Herstellkosten

Produkt

Stückbezogene Prozesse

Produktbezogene Prozesse

Losgrößenbezogene Prozesse

Unternehmensbezogene Prozesse

Abbildung 123: Beispiel für das activity-based costing

Die verbesserte Aussagefähigkeit des activity-based costing gegenüber der Lohnzuschlagskalkulation wird anhand des Beispiels in Abbildung 124 deutlich. Hier wird ein Unternehmen mit vier Produkten dargestellt, wobei die Produkte eins und drei in geringen Stückzahlen und Produkte zwei und vier in hohen Stückzahlen pro Jahr produziert werden. Von der Kostenintensität (Fertigungszeit und Materialeinsatz) her sind die Produkte eins und zwei bzw. drei und vier jeweils gleich. Die gesamten Gemeinkosten im Beispiel in Höhe von $ 9.924 werden beim activity-based costing auf die einzelnen Kostenpools verteilt. Wie die Gemeinkostenverrechnung im volumenorientierten Kostenrechnungssystem zeigt, werden pro direkte Lohnstunde $ 45,11 auf die Produkte verrechnet. Insgesamt sind aufgrund der Kostenstruktur die Stückkosten für die Produkte eins und zwei bzw. drei und vier gleich. Bei Anwendung des activity-based costing werden drei Gemeinkostenverrechnungssätze gebildet. Die Reduzierung auf drei Verrechnungssätze ist darauf zurückzuführen, dass die Prozessbezugsgrößen der Prozesse (z.B. Anzahl der Rüstvorgänge, Anzahl der Bestellungen und Anzahl der Handlings) gleich sind. Das Ergebnis zeigt, dass insbe-

320

9 Prozesskostenrechnung

sondere auf die Produkte eins und drei aufgrund der geringen Mengen höhere Kosten pro Stück verrechnet werden. Der hier erkennbare Effekt wird als Degressionseffekt bezeichnet. Die Aussagefähigkeit des activity-based costing ist jedoch beschränkt. Die Prozessbezugsgrößen werden unabhängig von den zu treffenden Entscheidungen gebildet. Die Kosteninformationen haben damit wenig oder gar keinen Entscheidungsbezug. Zwischen Kosteneinflussgrößen, die als Entscheidungsvariablen behandelt werden können, und Prozessbezugsgrößen besteht keine Beziehung. Des Weiteren werden den Produkten Vollkosten und damit auch einflussgrößenunabhängige Kosten zugerechnet. Die Stückkosten enthalten somit Kostenbestandteile, die für kurzfristige Produkt- und Programmentscheidungen irrelevant sind. Die Gemeinkostenproportionalisierung ist nicht entscheidungsbezogen. Fraglich ist auch, ob für die Beziehung zwischen den Prozessmengen und den Kostenträgern überhaupt eindeutige Prozesskoeffizienten bestehen bzw. ermittelt werden können. So können Prozessbezugsgrößen wie z.B. „Anzahl der Bestellungen“ nur mit Hilfe von Durchschnittsgrößen oder Schätzwerten auf einzelne Produkte verrechnet werden. Dies bedeutet, dass im activity-based costing keine verursachungsgerechte Verteilung der gesamten Gemeinkosten auf Kostenträger erreicht wird. Damit liefert das activity-based costing keine entscheidungsrelevanten Kosteninformationen für Produkt- und Programmentscheidungen.

9 Prozesskostenrechnung

321

Menge pro Jahr

Materialkosten in $ pro Stück

direkte Lohnstunden pro Stück

Maschinenstunden pro Stück

P1

10

6

0.5

0.5

P2

100

6

0.5

0.5

P3

10

18

1.5

1.5

P4

100

18

1.5

1.5

Produkt

Größe klein

groß

gering

P1

P3

hoch

P2

P4

Menge

Jährlicher Verbrauch an Ressourcen in Mengen- und Wertangaben Produkt

Material direkte Maschinen- Anzahl Anzahl Anzahl der Anzahl der GemeinKosten Lohn- stunden der Rüst- der Be- Handlings Einzelteile kosten in $ stunden vorgänge stellungen insgesamt

P1 P2 P3 P4 verbrauchte Einheiten Wert

60

5

5

1

1

1

1

600

50

50

3

3

3

1

180

15

15

1

1

1

1

1.800

150

150

3

3

3

1

2.640

220

220

8

8

8

4

$ 264

$ 2.200

$ 3.300

$ 960

$ 1.000

$ 200

$ 2.000

Gemeinkostenverrechnung im volumenorientierten Bildung desGemeinkostenverrechnungssatzes auf Basis direkter Lohnstunden Wert verbrauchte Einheiten Gemeinkostenverrechnungssatz

$ 9.924

Kostenrechnungssystem Gemeinkostenverrechnung

$ 9.924.00 220 $ 45.11

Produkt

P1 P2

direkte Lohnstunden (h) 5

verrechn. Gemeinkosten ($) 225.55

Stückkosten ($)

50

2.225.50

22.55

15

676.65

67.66

150

6.766.50

67.66

P3 P4 Gemeinkostenverrechnung im

22.55

Acitivity-Based Costing

Bildung derGemeinkostenverrechnungssätze direkte Lohnstunden Kosten $ 5.764.00 verbrauchte Einheiten 220 Gemeinkostenverrechnungssätze $ 26.20

Anzahl der Rüstvorgänge

Anzahl der Einzelteile

$ 2.160 8 $ 270

$ 2.000 4 $ 500

Gemeinkostenverrechnung lohnstundenabhängig Gemeinkostenverrechnungssätze Produkt P1 Verbrauch verrechnete Kosten Produkt P2 Verbrauch verrechnete Kosten Produkt P3 Verbrauch verrechnete Kosten Produkt P4 Verbrauch verrechnete Kosten

$ 26.20 5 $ 131.00 50 $ 1.310.00 15 $ 393.00 150 $ 3.930

einzelrüstvorgangs- teilabhängig abhängig $ 270 1 $ 270 3 $ 810 1 $ 270 3 $ 810

$ 500 1 $ 500 1 $ 500 1 $ 500 1 $ 500

verrechnete StückGemeinkosten kosten

Differenz in % zum bestehenden System -

-

-

$ 901

$ 90.10

299.55

$ 2.620

$ 26.20

16.18

$ 1.163

$ 116.30

71.88

$ 5.240

$ 52.40

-22.55

Abbildung 124: Fallbeispiel zum Vergleich eines herkömmlichen, einfachen Vollkostenansatzes mit der Prozesskostenrechnung439

439

Abbildung entnommen aus Copper, Costing, 1990, S. 211 f.

322

9 Prozesskostenrechnung

9.3.2 Die Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. Aufgrund der Kritik am activity-based costing wurde Ende der achtziger Jahre der Ansatz von Horváth u.a.440 aufgegriffen und modifiziert. Insbesondere die fehlende Beziehung zwischen den Prozessbezugsgrößen und den Kostenträgern war der Hauptansatzpunkt des Verfahrens. Daneben waren viele der Verbesserungen bei der Kalkulation durch das activity-based costing in Deutschland mit der Grenzplankostenrechnung (im direkten Leistungsbereich) bereits erreicht. Aus diesem Grund bezieht sich der Abbildungsgegenstand der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. auf den indirekten Leistungsbereich. Ziel des Ansatzes ist es, neben Informationen für die mittel- und langfristige Produkt- und Programmplanung auch Informationen für das Prozesskostenmanagement im indirekten Leistungsbereich bereitzustellen. Im Ansatz von Horváth u.a. wird unter einem Prozess eine Kette von Aktivitäten zur Erstellung eines Leistungsoutputs verstanden. Es werden nur repetitive Aktivitäten der indirekten Leistungsbereiche zu Prozessen zusammengefasst. Dabei wird zwischen Hauptprozessen und Teilprozessen unterschieden.441 Horváth u.a. verstehen einen Hauptprozess als Kette homogener Aktivitäten, die demselben Kosteneinflussfaktor unterliegen. Von homogenen Aktivitäten kann gesprochen werden, wenn zwischen Arbeitsaufwand und Ressourceninanspruchnahme keine grundsätzlichen Unterschiede bestehen. Die Prozessbezugsgrößen der Hauptprozesse werden hierbei als „Cost Driver“ bezeichnet. Sie stellen eine Maßgröße für die Kostenverursachung dar, mit deren Hilfe die Prozessmenge gemessen werden kann. Die Cost Driver dienen dazu, die Gemeinkosten der Hauptprozesse auf die Bezugsobjekte zu verrechnen.442 Die Teilprozesse stellen ebenfalls eine Kette homogener Aktivitäten dar. Im Gegensatz zum Hauptprozess handelt es sich hierbei nur um Aktivitäten einer Kostenstelle. Die Teilprozesse werden anschließend einem oder mehreren Hauptprozessen zugeordnet. Nach dem Einfluss der Kostenstellenleistung auf die Prozessmenge wird zwischen leistungsmengeninduzierten und leistungsmengenneutralen Prozessen unterschieden. Nur die leistungsmengeninduzierten (lmi) Prozesse sind von der Kostenstellenleistung abhängig. D.h. nur bei lmi-Teilprozessen hat die Kostenstellenleistung Einfluss auf die Prozessmenge, also die Zahl der Wiederholungen eines Teilprozesses. Entsprechend werden auch nur für diese Teilprozesse Prozessbezugsgrößen, die als Maßgrößen bezeichnet werden, gebildet. Die Kosten der leistungsmengenneutralen (lmn) Prozesse werden entweder auf die lmi-Teilprozesse umgelegt oder nicht weiter verrechnet. 440

Vgl. Horváth u.a., Prozesskostenrechnung, 1993; Horváth, Mayer, Konzeption, 1993. Vgl. Horváth, Mayer, Konzeption, 1993, S. 16. 442 Vgl. ebenda. 441

9 Prozesskostenrechnung

323

Die identifizierten Teilprozesse werden dann zu kostenstellenübergreifenden Hauptprozessen verdichtet. Hierbei werden all diejenigen Teilprozesse zu einem Hauptprozess zusammengefasst, die sachlich diesem Hauptprozess zugeordnet werden können. Ein Teilprozess kann jeweils einem oder mehreren Hauptprozessen zugeordnet werden. Abbildung 125 stellt den Aufbau des Verfahrens nach Horváth u.a. graphisch dar. Prozessorientierte Kostenträgerstückrechnung:

Kalkulation Hauptprozess-Kostensätze / Restgemeinkostensätze

Kostenstellenübergreifende Hauptprozesse:

HP 2

HP 1

Prozessorientierte Kostenstellenrechnung:

Cost driver:

Kostenstellenbezogene Teilprozesse:

Kostenstellen:

BAB Prozesse

Mengen / Werte

TP 1

Mengen / Werte

TP 2

Mengen / Werte

TP 3

Mengen / Werte

TP 4

Plan/Ist - Kostenverteilung - Kostenumlage - Kostenverrechnung (Teilprozess-/Restgemeinkostensätze)

Mengen / Werte

TP 5

Tätigkeitsanalyse

Abbildung 125: Grundaufbau der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a.

Im Folgenden wird der Aufbau der Prozesskostenrechnung anhand eines Beispiels nochmals detailliert anhand von sechs Schritten dargestellt werden (vgl. Abbildung 126).

324

9 Prozesskostenrechnung

Hauptprozesshypothese

Tätigkeitsanalyse

Teilprozessgenerierung

Grunddatenermittlung

Teilprozesskosten

Teilprozessrechnung

Hauptprozessgenerierung

Hauptprozesskosten

Hauptprozessrechnung

Abbildung 126: Aufbaufolge der Prozesskostenrechnung

Zu Schritt 1: Hauptprozesshypothese Wie oben dargestellt, ist das System der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. ein ergänzendes Kostenrechnungssystem für die indirekten Leistungsbereiche. Hierbei wird nicht der gesamte indirekte Leistungsbereich als Einsatzfeld der Prozesskostenrechnung gesehen, sondern vielmehr Bereiche mit repetitiven Prozessen. Für Bereiche, in denen eine Vielzahl von innovativen, dispositiven und nicht strukturierbaren Tätigkeiten vorkommt, ist der Einsatz der Prozesskostenrechnung aufgrund der schwer quantifizierbaren Tätigkeiten nicht geeignet. Das Einsatzfeld der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. wird anhand von Abbildung 127 deutlich.

Unternehmensbereiche

Direkte Leistungsbereiche (Fertigung)

Indirekte Leistungsbereiche

Kostenstellen mit vorwiegend dispositiven, innovativen Tätigkeiten (z.B. Rechtsabteilung)

Prozessunabhängige Aufgaben

Einsatzfeld anderer Kostenrechnungssysteme

Kostenstellen mit vorwiegend repetitiven Tätigkeiten (z.B. Qualitätssicherung)

LmiProzesse

LmnProzesse

Einsatzfeld der Prozesskostenrechnung

Abbildung 127: Einsatzfeld der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a.

Für die Einführung einer Prozesskostenrechnung sollten daher die folgenden Bereiche herangezogen werden:

9 Prozesskostenrechnung

325

• Bereiche mit engem Bezug zur Produktion, wie z.B. Qualitätssicherung, Arbeitsvorbereitung oder Beschaffung, • Bereiche mit engem Bezug zum Kunden, wie z.B. Auftragsdurchführung oder Vertrieb, • Bereiche mit hohem Rationalisierungspotenzial, wie z.B. Logistik, • Bereiche mit hohen Gemeinkosten, wie z.B. Forschung und Entwicklung, • Bereiche mit geringer Kostentransparenz, wie z.B. Verwaltung. Nach der Festlegung des Einsatzfeldes sollte das Projektteam für die Einführung der Prozesskostenrechnung Vorstellungen über potenzielle Hauptprozesse und dazugehörige Cost Driver entwickeln. Hierdurch können die nachfolgenden Schritte auf einer vorstrukturierten Basis aufsetzen. Insgesamt sollten nicht mehr als zehn potenzielle Hauptprozesse identifiziert werden, die in der Summe mehr als 80 % des Gemeinkostenvolumens abdecken sollten. Die Hypothesen über die potenziellen Hauptprozesse lassen sich aus den konkreten Entscheidungssituationen des Unternehmens oder den spezifischen Produkt-, Absatz- und Unternehmensstrukturen ableiten. Ein möglicher Katalog vorläufiger Hauptprozesse und Cost Driver könnte für ein mittelständisches Fertigungsunternehmen wie folgt aussehen: Potenzieller Hauptprozess

Zugehöriger Cost Driver

Neuteile einführen

Anzahl Neuteile

Teile verwalten

Anzahl aktive Teilenummern

Neuprodukte einführen

Anzahl Neuprodukte

Varianten betreuen

Anzahl Varianten

Produktänderungen durchführen

Anzahl Änderungen

Beschaffung von Serienmaterial

Anzahl Bestellungen

Beschaffung von Gemeinkostenmaterial

Anzahl Bestellungen

Fertigungsauftragssteuerung

Anzahl Operationen im Arbeitsplan

Auftragsabwicklung Inland

Anzahl Aufträge

Personal betreuen

Anzahl Mitarbeiter

Auftragsabwicklung Ausland

Anzahl Aufträge

Kostenplanung und -steuerung

Anzahl Kostenstellen

Abbildung 128: Potenzielle Hauptprozesse eines mittelständischen Fertigungsunternehmens443

443

Vgl. Horváth, Mayer, Konzeption, 1993, S. 21.

326

9 Prozesskostenrechnung

Zu Schritt 2: Tätigkeitsanalyse Die Tätigkeitsanalyse hat die Aufgabe, die Tätigkeiten innerhalb einer einzelnen Kostenstelle art- und mengenmäßig zu erfassen. Sie stellt das Fundament der Prozesskostenrechnung dar. Für die Tätigkeitsermittlung stehen die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung: • Interview mit den Kostenstellenleitern oder den Mitarbeitern, • Selbstaufschreibung durch die Mitarbeiter mit Hilfe von vorbereiteten Formularen, • Auswerten von vorhandenen Unternehmensunterlagen, wie z.B. Arbeitsanweisungen, Stellenbeschreibungen, Organisationsplänen, Ergebnissen einer Gemeinkostenwertanalyse oder eines Zero-Base-Budgeting. Die Selbstaufschreibung stellt das differenzierteste Verfahren für die Grunddatenermittlung dar. Allerdings erfordert es sehr viel Zeit und baut u.U. psychologische Hindernisse auf, so dass dieses Verfahren erst nach Einführung der Prozesskostenrechnung zum Einsatz kommen sollte. Für die Implementierung eignet sich die Befragung des Kostenstellenleiters am besten. Die meist in mehreren Runden so ermittelten Tätigkeiten reichen vom Detaillierungsgrad und der Genauigkeit her in der Regel aus. Ein exemplarischer Tätigkeitskatalog für die Kostenstelle „Qualitätssicherung“ ist in Abbildung 129 wiedergegeben.

9 Prozesskostenrechnung

327

Tätigkeitskatalog der Kostenstelle Qualitätssicherung Kostenstellenleiter

Herr Mayer

Kapazität

5 Mitarbeiter = 1.100 AT

Lfd. Nr.

Maßgröße

Tätigkeit

Menge pro Jahr

Benötigte Zeit pro Jahr in % in AT

1

Stichprobenumfang ermitteln, Wareneingang

Anzahl an Materialpaletten

1.000

8,8

96,4

2

Stichprobenumfang ermitteln, Warenausgang

Anzahl der Endprodukte

2.000

5,0

55,4

3

Prüflinge auswählen

Anzahl der Prüflinge

15.000

5,2

56,8

4

Zerstörende Prüfung durchfüh- Anzahl der zerstörenden ren Prüfungen

4.000

4,4

48,8

5

Nicht zerstörende Prüfung durchführen

Anzahl der nicht zerstörenden Prüfungen

19.000

17,6

194,1

6

Prüfpläne schreiben

Anzahl der Prüfungssystemeinheiten

100

3,0

33,0

7

Prüfpläne ausdrucken

Anzahl der Prüfungssystemeinheiten

100

1,8

19,8

8

Prüfpläne genehmigen lassen

Anzahl der Prüfungssystemeinheiten

100

2,4

26,4

9

Prüfungsergebnisse dokumentieren

Anzahl der Prüfungen

15.000

22,8

250,8

10

Qualitätszirkel organisieren

10

2,4

26,4

...

...

...

...

...

...

30

Abteilung leiten (Organisation, ... fachliche Führung etc.)

...

...

...

Summe

100

1.100

Abbildung 129: Beispiel für einen Tätigkeitskatalog der Kostenstelle Qualitätssicherung

328

9 Prozesskostenrechnung

Zu 3: Teilprozessgenerierung Da die in der Tätigkeitsanalyse ermittelten Kostenstellentätigkeiten für die Zurechnung der Gemeinkosten viel zu umfangreich sind, werden die Tätigkeiten der Kostenstellen zu kostenstellenbezogenen Teilprozessen zusammengefasst. Die Teilprozesse bilden somit das Leistungsspektrum der Kostenstelle ab. Durch sie sollen die Kosten prozessbezogen zurechenbar und gestaltbar gemacht werden. Die Anzahl der Teilprozesse, die aus den Tätigkeiten der Kostenstelle generiert werden, hängt von der Komplexität der Kostenstellenleistungen und dem angestrebten Genauigkeitsgrad ab. In der Regel werden zwischen acht und zehn Teilprozesse für eine Kostenstelle generiert. Eine höhere Zahl an Teilprozessen hat einen hohen Pflege- und Anpassungsbedarf zur Folge. Bei der Identifizierung von Teilprozessen aus Tätigkeiten sind die folgenden allgemeinen Anforderungen zu berücksichtigen444: • Der Teilprozess kann gemessen werden. • Der Teilprozess beansprucht einen wesentlichen Teil der Gemeinkosten der Kostenstelle. • Der Teilprozess stellt einen Output/ Arbeitsergebnis der Kostenstelle dar. • Der Teilprozess ist von anderen Teilprozessen unabhängig. • Der Teilprozess umfasst interdependente Tätigkeiten, die einen funktionalen Zusammenhang im Arbeitsablauf darstellen. Für die Kostenstelle Qualitätssicherung wurden sieben Teilprozesse identifiziert (vgl. Abbildung 130). Kostenstelle „Qualitätssicherung“ Nr.

Teilprozess

01

Materialeingangskontrolle – Stichprobe

02

Materialeingangskontrolle – vollständige Ladungsträger

03

Begleitende Fertigungskontrolle

04

Endkontrolle – vollständig

05

Endkontrolle – Stichprobe

06

Prüfpläne erstellen und aktualisieren

07

Abteilung leiten

Abbildung 130: Beispiel für Teilprozesse der Kostenstelle „Qualitätssicherung“445 444

Vgl. Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 239.

9 Prozesskostenrechnung

329

Im Anschluss an die Generierung der Teilprozesse in den einzelnen Kostenstellen müssen die Teilprozesse nach ihrer Reagibilität hinsichtlich auftretender Leistungsmengenvariationen der Kostenstelle in leistungsmengeninduzierte (lmi) und leistungsmengenneutrale (lmn) Teilprozesse klassifiziert werden.446 Hierbei ist für jeden Teilprozess zu prüfen, inwieweit er sich in Bezug auf das geforderte Leistungsvolumen der Kostenstelle mengenvariabel oder mengenfix verhält. Für das obige Beispiel sind die Teilprozesse 01 bis 06 als leistungsmengeninduziert und der Teilprozess 07 als leistungsmengenneutral einzustufen. Hierbei ist der Begriff leistungsmengeninduzierter Kosten nicht mit variablen Kosten gleichzusetzen. Lmi-Teilprozesse sind in Abhängigkeit von dem in der Kostenstelle zu erbringenden Leistungsvolumen mengenvariabel. Variable Kosten reagieren auf Beschäftigungsgradschwankungen. Hierbei sind die Personalkosten, die den Großteil der Kostenarten im indirekten Leistungsbereich ausmachen, in der Regel fix. Im Anschluss an die Klassifizierung der Teilprozesse müssen für die lmiTeilprozesse die Maßgrößen festgelegt werden. Mit Hilfe der Maßgrößen werden die Teilprozesse mengenmäßig fixiert. Die Maßgrößen müssen den folgenden Anforderungen gerecht werden: • Die Maßgrößen müssen durchschaubar sein, • sie müssen verständlich sein, • es sollte ein proportionales Verhältnis zur Ressourcenbeanspruchung vorliegen und • sie sollten direkt ableitbar sein. Nachdem die Maßgrößen identifiziert wurden, muss die dazugehörige Prozessmenge fixiert werden. Die Prozessmengen stellen die zahlenmäßige Ausprägung der Maßgröße dar, d.h. die Anzahl der Durchführungen des lmi-Teilprozesses. Die Prozessmenge der Teilprozesse und die dazu notwendige Kapazität an Ressourcen der Kostenstelle werden durch die Hauptprozessmenge bestimmt. Aus diesem Grund ist die Planung der Hauptprozessmenge zeitlich vor der Planung der Teilprozessmengen durchzuführen. Grundsätzlich können für die Planprozessmengen in den Kostenstellen auch die im Rahmen der Grenzplankostenrechnung vorgeschlagenen Verfahren für die Bestimmung der Planbeschäftigung Verwendung finden. Insbesondere die Engpassplanung kann hier herangezogen werden. Die Maßgrößen und die Prozessmengen für die lmi-Teilprozesse der Kostenstelle „Qualitätssicherung“ sind in Abbildung 131 dargestellt. Entsprechend der Definition

445 446

In Anlehnung an Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 248. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 9.3.2.

330

9 Prozesskostenrechnung

lassen sich für die lmn-Teilprozesse keine Maßgrößen identifizieren, da sie von der Leistungsmenge der Kostenstelle unabhängig sind. Kostenstelle „Qualitätssicherung“ Nr. Teilprozess

Maßgröße

(Plan)Prozessmenge

01

Materialeingangskontrolle – Materialpaletten Stichprobe

1.000

02

Materialeingangskontrolle – Geprüfte Ladungsträger vollständige Ladungsträger

8.000

03

Begleitende Fertigungskon- Auftragslose trolle

500

04

Endkontrolle – vollständig

Geprüfte Endprodukte

600

05

Endkontrolle – Stichprobe

Endprodukte

06

Prüfpläne erstellen und ak- Prüfungssystemeinheiten tualisieren

07

Abteilung leiten

25.000

-

500 -

Abbildung 131: Beispiel für Maßgrößen und Prozessmengen in der Kostenstelle „Qualitätssicherung“

Zu 4: Teilprozesskosten Die identifizierten Teilprozesse sind nun mit Kosten zu bewerten. Hierfür sind die folgenden Möglichkeiten gegeben: • Analytische Planung der Teilprozesskosten (TPK): Die analytische Planung der Teilprozesskosten gleicht der analytischen Kostenplanung bei heterogener Kostenverursachung in der Plankostenrechnung (z.B. mit Hilfe technisch-kostenwirtschaftlicher Analysen wie z.B. Verbrauchsanalysen, Messungen, Berechnungen). Erschwerend kommt bei der Prozesskostenrechnung hinzu, dass für die Durchführung verschiedener Teilprozesse in der Kostenstelle meist dieselben Sach- und Technologieausstattungen herangezogen werden, so dass eine schlüsselmäßige Aufteilung erforderlich ist. Eine Beschränkung der technisch-kostenwirtschaftlichen Analysen auf die wesentlichen Kostenarten kann hier zu einer erheblichen Reduzierung des Aufwands führen. So können unter der Annahme, dass die Personalkosten in den indirekten Leistungsbereichen den weitaus größten Anteil darstellen, die Personal-

9 Prozesskostenrechnung

331

kosten analytisch und die übrigen Kostenarten ausgehend von den Normalkosten, d.h. von vergangenheitsorientierten durchschnittlichen Istkosten, proportional zu den Personalkosten auf die Teilprozesse verteilt werden.447 • Retrograde Planung der Teilprozesskosten (TPK): Bei der retrograden Planung der Teilprozesskosten werden die geplanten Kostenarten für die Kostenstelle aus der Plankostenrechnung als der Basiskostenrechnung für die Prozesskostenrechnung übernommen. Originär geplant werden müssen nur die Personalkapazitäten für die Abwicklung der Teilprozesse. Die Kostenstellenkosten werden anschließend proportional zu den geplanten Personalkapazitäten der Teilprozesse auf die lmi- und lmn-Teilprozesse verteilt. Für den Fall, dass keine Plankostenrechnung existiert, können hilfsweise auch (angepasste) Vorjahreswerte oder Budgetwerte herangezogen werden. Da eine analytische Planung der Teilprozesskosten sehr aufwändig ist, wird in der Praxis meist die retrograde Planung angewendet. Dies hat den Nachteil, dass eventuelle Unwirtschaftlichkeiten im Teilprozess nicht identifiziert und in die Zukunft fortgeschrieben werden. Die Teilprozesse weisen nach der Teilkostenplanung die geplanten Periodenkosten als Maß für die Ressourceninanspruchnahme des Teilprozesses aus. Unabhängig von der Wahl der Planungsalternative muss aus Gründen der Vergleichbarkeit die gewählte Alternative auch in der Istabrechnung angewendet werden.448 Für die Behandlung der lmn-Teilprozesse gibt es zwei Alternativen. Entweder die lmn-Teilprozesskosten verbleiben auf der Kostenstelle und werden über eigene prozentuale Zuschlagssätze auf die Produkte verrechnet oder sie werden auf lmiTeilprozesskosten umgelegt und damit proportional zur Höhe der lmi-Maßgrößen auf die Produkte umgelegt.449 Für die zweite Alternative werden die Kosten der lmn-Teilprozesse aufgrund der fehlenden Quantifizierbarkeit auf die lmi-Teilprozesse umgelegt. Es werden in diesem Fall neben den lmi-Teilprozesskosten (lmi-TPK) auch lmn-Umlageprozesskosten (lmn-UPK) auf die lmi-Teilprozesse verrechnet. Hierbei werden die lmiTPK entsprechend ihrem Anteil an den gesamten lmi-TPK mit Umlageprozesskosten belastet

447

Vgl. Horváth, Mayer, Kostentransparenz, 1989, S. 217. Siehe hierzu auch Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 242. 449 Die Frage nach der Vorteilhaftigkeit der Alternativen wird im Rahmen der Prozesskalkulation diskutiert (vgl. Kapitel 9.4). 448

332

lmn − UPK =

9 Prozesskostenrechnung

∑ lmn − TPK *

lmi − TPK lmi − TPK



und

lmi − TPK ( ges.) = lmi − TPK + lmn − UPK Die Umlage erfolgt bei Anwendung der retrograden Planung proportional zur lmiPersonalkapazität, da die lmi-TPK proportional zur lmi-Personalkapazität geplant wurden. Die Kostensätze der lmi-Teilprozesse lassen sich durch Division der Teilprozesskosten durch die geplante Prozessmenge ermitteln. Anhand der Prozesskostensätze lassen sich die Kosten für die einmalige Durchführung eines lmi-Teilprozesses ermitteln. Hierbei kommen entsprechend der gewählten Alternative bei der Behandlung der lmn-Teilprozesskosten ein lmi-Teilprozesskostensatz (TPKSlmi) bzw. der lmi-Teilprozesskostensatz gesamt (TPKS ges.) zur Anwendung.

lmi − TPKS (lmi ) =

lmi − TPK PM

lmi − TPKS ( ges.) =

lmi − TPK ges. PM

Die Ermittlung der Teilprozesskosten und der Teilprozesskostensätze wird anhand eines Kostenstellentableaus der Prozesskostenrechnung für die Kostenstelle „Qualitätssicherung“ dargestellt (vgl. Abbildung 132). Die hier vorgenommene Kostenplanung basiert auf der retrograden Methode und verwendet als Aufteilungsmaßstab der jährlichen Kostenstellenkosten in Höhe von € 350.000 die Personalkapazität in den Teilprozessen.

9 Prozesskostenrechnung

333

Kostenstelle „Qualitätssicherung“ Mitarbeiter [Mannjahre]

Prozesskosten [T€ / Jahr]

Prozesskostensatz [€ / VME]

Teilprozess

Maßgröße

Nr.

Bezeichnung

Art

01

Materialeingangskontrolle – Stichprobe

Materialpaletten

1.000

0,2

14,0

0,9

14,9

14,00

14,89

02

Materialeingangs- Geprüfte kontrolle – vollLadungsständige Ladungs- träger träger

8.000

1,3

91,0

5,8

96,8

11,38

12,10

03

Begleitende Fertigungskontrolle

Auftragslose

500

0,9

63,0

4,0

67,0

126,00

134,04

04

Endkontrolle – vollständig

Geprüfte Endprodukte

600

1,2

84,0

5,4

89,4

140,00

148,94

05

Endkontrolle – Stichprobe

Endprodukte

25.000

0,7

49,0

3,1

52,1

1,96

2,09

06

Prüfpläne erstelPrüfungslen und aktualisie- systemren einheiten

500

0,4

28,0

1,8

29,8

56,00

59,57

07

Abteilung leiten

-

0,3 5,0 329,0

21,0

350

Summen

-

Menge

Anzahl

lmi

lmnges. Umlage

lmi

ges.

Abbildung 132: Beispiel für ein Kostenstellentableau in der Kostenstelle „Qualitätssicherung“

Die Prozesskosten lmi in Höhe von 14.000 € pro Jahr für Teilprozess 01 ergeben sich z.B. durch Multiplikation der gesamten Kostenstellenkosten in Höhe von € 350.000 mit dem Anteil des Teilprozesses 01 an der gesamten Personalkapazität in Höhe von fünf Mannjahren (0,2 / 5,0). Die lmn-Umlageprozesskosten in Höhe von € 900 ergeben sich aus der Multiplikation der lmn-Teilprozesskosten in Höhe von € 21.000 mit dem Anteil des Teilprozesses 01 an den gesamten lmiTeilprozesskosten (14.000 / 329.000). Die Teilprozesskosten gesamt ergeben sich für den Teilprozess 01 aus der Addition der Teilprozesskosten lmi (€ 14.000) und den Umlageprozesskosten (€ 894). Die Teilprozesskostensätze lmi bzw. gesamt ergeben sich durch Division der Teilprozesskosten lmi bzw. Teilprozesskosten gesamt durch die Prozessmenge (14.000 / 1.000 bzw. 14.894 / 1.000).

334

9 Prozesskostenrechnung

Zu 5: Hauptprozessgenerierung Der nächste Schritt bildet die Zusammenfassung der kostenstellenweise gebildeten Teilprozesse zu kostenstellenübergreifenden Hauptprozessen. Hierbei handelt es sich um einen wesentlichen Schritt, da die generierten Hauptprozesse die Basis für die spätere Prozesskalkulation darstellen. Die Aggregation dient dazu, die in der Wertkette zu betrachtenden Prozesse überschaubar zu halten sowie die wesentlichen kostentreibenden Faktoren einzugrenzen. Wie Abbildung 125 deutlich macht, können mehrere Teilprozesse verschiedener Kostenstellen einen Hauptprozess bilden. Ebenfalls kann ein Teilprozess anteilig in mehrere Hauptprozesse eingehen, genauso wie ein Teilprozess auch einen Hauptprozess darstellen kann450. Die zu generierenden Hauptprozesse sind zwar kostenstellenübergreifend, sie bilden aber einen einzelnen Funktionsbereich im Unternehmen bzw. einen bestimmten Ausschnitt aus der Wertkette ab, wie z.B. Kundenauftrag abwickeln, Material bereitstellen, Produktvarianten betreuen, Neukonstruktionen entwickeln, Produktänderungen überwachen. Die Beschränkung auf einen Funktionsbereich ist aufgrund der Notwendigkeit, einen operational beeinflussbaren Kostentreiber (Cost Driver) zu bestimmen, erforderlich. Grundsätzlich sollte ein Hauptprozess den folgenden Anforderungen genügen451: • Ein Hauptprozess sollte kunden- oder produktbezogene Arbeitspakete zusammenführen. • Ein Hauptprozess entsteht durch eine Bottom up-Verdichtung. • Für jeden Hauptprozess kann ein wesentlicher Cost Driver bestimmt werden. • Jeder Hauptprozess stellt eine wertschöpfungsrelevante Kernfunktion dar. Nach der Generierung der Hauptprozesse müssen für die Hauptprozesse die Kostentreiber (Cost Driver452) bestimmt werden. Der Kostentreiber dient zum einen zur Quantifizierung des Leistungsergebnisses eines Hauptprozesses und zum anderen zur Verrechnung der Inanspruchnahme auf das Produkt im Rahmen der Prozesskalkulation. Aufgrund der Genauigkeit wird für jeden Hauptprozess nach Möglichkeit nur ein Cost Driver ermittelt. Die Anzahl der Cost Driver hängt von der angestrebten Kalkulations- und Rechengenauigkeit, der Variantenvielfalt, der Losgrößenvielfalt und dem relativen Anteil der verrechneten Teil- oder Hauptprozesskosten an den Gesamtkosten ab. Grundsätzlich gelten dieselben Anforderungen an die Maßgrößen und Cost Driver in der Prozesskostenrechnung wie an die Bezugsgrößen in der 450

Dies ist dann der Fall, wenn eine Verdichtung mehrerer Teilprozesse nicht möglich ist (vgl. Mayer, Prozessmanagement, 1991, S. 86). 451 Vgl. Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 245. 452 Dieser Begriff wurde von Horváth u.a. für die Prozessbezugsgröße eines Hauptprozesses gewählt.

9 Prozesskostenrechnung

335

Grenzplankostenrechnung. Wesentlicher Unterschied ist, dass die Cost Driver zusätzlich als direkte Bezugsgrößen in der Prozesskalkulation herangezogen werden. Den indirekten Bezugsgrößen der Grenzplankostenrechnung wurde die Identität zwischen Kostenverursachungsmaßstab und Kalkulationsbezugsgröße und damit die Kalkulationsfunktion abgesprochen453. Die Cost Driver des Hauptprozesses und die Maßgrößen der in den betrachteten Hauptprozess eingehenden Teilprozesse müssen in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Allerdings werden nur sehr selten alle Maßgrößen der Teilprozesse mit dem Kostentreiber des identifizierten Hauptprozesses identisch sein. Das Auffinden eines geeigneten Kostentreibers fällt umso schwerer, je unterschiedlicher die Maßgrößen der Teilprozesse sind. Der Cost Driver eines Hauptprozesses sollte also die Abhängigkeit des Gemeinkostenverhaltens aller zum Hauptprozess gehörigen lmi-Teilprozesse in annähernd gleicher Weise abbilden, wie er es für den Hauptprozess tut. Grundsätzlich sollten die Cost Driver den folgenden Anforderungen genügen454: • • • • • •

proportionales Verhalten zur Hauptprozessleistung, einfache Ermittlung, Verständlichkeit, proportionales Verhalten zu den Maßgrößen der eingehenden Teilprozesse, möglichst unmittelbare Beziehung zum Kostenträger, Erfassung eines Großteils der Kosten in einem Funktionsbereich bzw. einem Ausschnitt der Wertkette.

Nach der Bestimmung des Cost Drivers muss die Hauptprozessmenge, die die Anzahl der Durchführungen des Hauptprozesses angibt, festgelegt werden. Die Hauptprozessmenge ist separat unter interdependenter Betrachtung der Teilprozessmengen zu planen. Für den Fall, dass der Cost Driver gleichzeitig Maßgröße eines Teilprozesses ist, ist die Hauptprozessmenge (HPM) gleich der Teilprozessmenge. Andernfalls muss die Hauptprozessmenge separat unter Beachtung der Teilprozessmengen geplant werden. Hierbei müssen die Hauptprozessmenge und die Prozessmengen der eingehenden Teilprozesse konsistent zueinander sein. Die festgelegten Hauptprozesse werden mit den jeweils eingehenden Teilprozessen und den Hauptprozessmengen in einer Hierarchietabelle dargestellt. Für das vorliegende Beispiel beansprucht der Hauptprozess „Ware ausliefern“ Teilprozesse aus den Kostenstellen Vertrieb, Qualitätssicherung und Fertigwarenlager. Als Kostentreiber für den Hauptprozess wird der Cost Driver „Versendungen“ 453 454

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 8.3.2. Vgl. Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 2004, S. 259.

336

9 Prozesskostenrechnung

herangezogen. Die Gemeinkosten des Hauptprozesses „Ware ausliefern“ werden damit stark von dem Cost Driver „Versendungen“ getrieben. Die Anzahl der Durchführungen des Hauptprozesses sollte demzufolge über die Anzahl der Versendungen gemessen werden. Da der Kostentreiber „Versendungen“ bereits eine Maßgröße in zwei lmi-Teilprozessen ist (Teilprozess 05 der Kostenstelle „Fertigwarenlager“ und Teilprozess 01 in der Kostenstelle „Vertrieb“), kann die Hauptprozessmenge mit den Prozessmengen der Teilprozesse angesetzt werden, da beide Teilprozesse vollständig in den Hauptprozess „Waren ausliefern“ eingehen. Hauptprozess:

Waren ausliefern

Cost Driver:

Versendungen

Hauptprozessmenge:

300

Kostenstelle

Teilprozess

Maßgröße

Nr.

Bezeichnung

Art

04

Endkontrolle – vollständig

Geprüfte Endprodukte

600

600

100

05

Endkontrolle – Stichproben

Endprodukte

25.000

25.000

100

06

Prüfpläne erstellen und aktualisieren

Prüfungssystemeinheiten

500

200

40

Fertigwaren- 01 lager

Fertigwaren einlagern

Fertigwaren

10.000

10.000

100

Qualitätssicherung

Vertrieb

Prozessmengen im Hauptprozess Menge

Menge

Prozent

02

Fertigwaren Paletten kommissionieren

500

500

100

05

Fertigwaren auslagern

Versendungen

300

300

100

01

Versandpapiere erstellen

Versendungen

300

300

100

02

Ware an Spediti- Anzahl Fuhon übergeben ren

280

280

100

Abbildung 133: Beispiel für eine Hierarchietabelle für den Hauptprozess

Wie aus der Abbildung 133 ersichtlich, gehen nicht alle Teilprozesse der Kostenstellen vollständig in den Hauptprozess ein. Der Teilprozess 06 der Kostenstelle „Quali-

9 Prozesskostenrechnung

337

tätssicherung“ geht z.B. nur teilweise (40 %) in die Verdichtung zum Hauptprozess ein. Die restlichen 60 % des Teilprozesses gehen in den Hauptprozess „Material bereitstellen“ ein. Im dargestellten Beispiel gehen auch nicht alle Teilprozesse einer Kostenstelle in denselben Hauptprozess. So gehen z.B. die Teilprozesse 01-03 der Kostenstelle „Qualitätssicherung“ in andere Hauptprozesse ein. Zu 6: Hauptprozesskosten Die Hauptprozesskosten erhält man im Gegensatz zu den Teilprozesskosten nicht durch eine Kostenplanung, sondern indem entsprechend der Darstellung in der Hierarchietabelle alle lmi-Teilprozesskostensätze (lmi und gesamt) mit den in den jeweiligen Hauptprozess eingehenden Teilprozessmengen multipliziert und anschließend die so gebildeten Teilprozesskosten des Hauptprozesses addiert werden. Entsprechend der Vorgehensweise auf Teilprozessebene sollten damit wieder die Hauptprozesskosten (lmi) und die Hauptprozesskosten (gesamt) parallel ausgewiesen werden. Insgesamt müssen die Kosten der Hauptprozesse der Summe der lmi-Teilprozesse entsprechen. Die Hauptprozesskostensätze (HPKS) ergeben sich aus der Division der Hauptprozesskosten durch die Hauptprozessmenge. Der Hauptprozesskostensatz gibt die leistungsmengenabhängigen Kosten bzw. die anteiligen gesamten leistungsmengenabhängigen Kosten pro Durchführung des Hauptprozesses an. Hierbei gilt:

HPKS (lmi ) =

HPKS ( ges.) =

HPK (lmi ) HPM

HPK ( ges.) HPM

9.4 Gemeinkostenplanung und -kontrolle mit Hilfe der Prozesskostenrechnung Die vorgestellte Prozesskostenrechnung stellt auf eine effiziente Planung und Kontrolle der Gemeinkosten im indirekten Bereich ab. Die herkömmlichen Kostenrechnungssysteme arbeiten aufgrund der Tatsache, dass der Großteil der Kosten im indirekten Leistungsbereich fix ist, mit starren Plankosten. Hierfür werden Budgets vereinbart, die anschließend kontrolliert werden. Eine derartige starre Budgetierung lässt aufgrund des fehlenden Zusammenhangs zwischen den Gemeinkosten und der Beschäftigung keine Aussagen über Kostenveränderungen bei Beschäftigungsschwankungen zu. Die Prozesskostenrechnung prüft durch die Tätigkeitsanalyse und

338

9 Prozesskostenrechnung

Prozessgenerierung die Notwendigkeit von Tätigkeiten zur Leistungserstellung und zeigt Rationalisierungspotenziale auf.455 Eine permanente – z.B. im Jahresrhythmus – Vorgabe und Kontrolle der Kosten auf Basis der Prozesskostenrechnung kann entweder auf Kostenstellenebene über die Ermittlung von Soll- und Istkosten oder hauptprozessbezogen über Kostenstellen hinweg erfolgen. Wegen des Fixkostencharakters in den indirekten Leistungsbereichen wird ein jährlicher Planungs- und Kontrollrhythmus als ausreichend angesehen. Bei letzterem muss ein Process Owner für die Qualität und Effizienz des Hauptprozesses verantwortlich sein.456 Für die Planung der Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche kann die Prozesskostenrechnung in die Jahresplanung einbezogen werden. Wie bereits oben angeführt, muss die Planung top- down von der Hauptprozessebene aus auf die Teilprozesse und weiter auf die Tätigkeiten erfolgen. Ein Gegenstromverfahren hilft, die Planungen miteinander zu koordinieren. Für die Planung ist die Differenzierung in lmi- und lmn-Teilprozesse sinnvoll. Die lmn-Teilprozesse sind als Grundlastkosten separat zu planen. Für die lmi-Teilprozesse sind Leistungsstandards zu erarbeiten, welche die Kosten für die Durchführung eines Teilprozesses bei durchschnittlich zu erwartenden Bedingungen ausdrücken. Die Leistungsstandards geben die Kapazitätsbeanspruchung und den Ressourcenverbrauch für die einmalige Prozessrealisation wieder. Auf Basis der geplanten Prozessmengen erfolgt anschließend die Aufteilung der Gesamtkapazität der Kostenstelle auf die Teilprozesse. Die Planung der Leistungsstandards basiert auf einem Ein-Jahreszeitraum, um Ungleichgewichte abzumildern.457 Mayer schlägt für die Planung der Gemeinkosten in den indirekten Leistungsbereichen auf Basis der Prozesskostenrechnung die folgende achtstufige Vorgehensweise vor458: 1. Kostenstellenweise Prüfung der Prozessstruktur hinsichtlich der Aktualität. 2. Berücksichtigung von Preissteigerungsraten, die Einfluss auf die durchschnittliche Kostenstruktur der Kostenstelle haben. 3. Ermittlung aktueller Hauptprozesse und Prozesskostensätze für das Planungsjahr durch eine Hauptprozessverdichtung. 4. Vorgabe von Rationalisierungszielen für die Hauptprozesse im Planungsjahr. 5. Ermittlung von Planmengen für die Hauptprozesse.

455

Vgl. Däumler, Grabe, Kostenrechnung 3, 1998, S. 275. Vgl. Horváth, Mayer, Kostentransparenz, 1989, S. 217 f. 457 So bei Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 255 f. 458 Ebenso Mayer, Prozesskostenmanagement, 1991, S. 95. 456

9 Prozesskostenrechnung

339

6. Herunterbrechen der neuen Planmengen und –kostensätze der Hauptprozessebene auf Teilprozesse. Hierdurch werden die geplanten Kosten und Kapazitäten in den Kostenstellen festgelegt. 7. Durchführen von Budgetgesprächen mit den Kostenstellenleitern. Hierbei sind die lmn-Prozesse separat zu budgetieren. 8. Erneute Hauptprozessverdichtung, eventuell mehrfacher Planungsdurchlauf, Planverabschiedung. Die Planprozesskosten und Planprozessmengen bilden die Vorgabe für die Process Owner (Hauptprozessverantwortliche) bzw. Kostenstellenleiter (Teilprozessverantwortliche). Hierbei richten sich die lmi-Kosten nach den Leistungsmengen. Nur die lmn-Kosten müssen noch verhandelt werden. Eine Prozesskontrolle findet entsprechend der Vorgehensweise in anderen Kostenrechnungssystemen durch einen Soll-Ist-Vergleich statt. Ein trennscharfer Soll-IstVergleich ist in der Prozesskostenrechnung jedoch nicht möglich. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die lmi-Teilprozesse zwar vom Leistungsvolumen der Kostenstelle abhängen, die Kosten sich jedoch nicht automatisch mit der Variation der Prozessmenge verändern. Aufgrund des Fixkostencharakters im indirekten Leistungsbereich sind kurzfristige Kostenanpassungen nur sehr eingeschränkt möglich. Für Abweichungen können somit auch nicht die Process Owner ohne weiteres verantwortlich gemacht werden. Die Soll-Ist-Abweichung gibt also nur Auskünfte über die Kapazitätsveränderungen und -anpassungen. Aus diesem Grund liegt die Ausrichtung der Prozesskostenrechnung primär auf der mittel- bis langfristigen Verbesserung der Kapazitätsausnutzung und Kapazitätsdimensionierung.459 Für die Abweichungsermittlung werden entsprechend der starren Plankostenrechnung den Ist-Prozesskosten die verrechneten Planprozesskosten bei Istbeschäftigung gegenübergestellt. Die verrechneten Planprozesskosten lassen sich wie folgt ermitteln: Verrechnete Planprozesskosten = Istprozessmenge * Planprozesskostensatz Bei der ermittelten Abweichung handelt es sich um eine Gesamtabweichung, die aufgrund des Vollkostencharakters der Prozesskostenrechnung nicht in eine Beschäftigungs- und Verbrauchsabweichung aufgeteilt werden kann. In Abbildung 134 sind die verschiedenen Abweichungen dargestellt. Hierbei wurde beispielhaft ein Teilprozess herangezogen. Die folgenden Aussagen lassen sich jedoch auch auf Hauptprozesse übertragen, wobei hier darauf zu achten ist, dass sich Kompensationseffekte und Verstärkungseffekte ergeben können, da die Hauptpro459

Vgl. Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 256.

340

9 Prozesskostenrechnung

zesse aus den Teilprozessen entstehen. Die in Abbildung 134 ausgewiesene Kapazitätsprozessmenge (KPM) stellt hierbei die auf den Kontrollzeitraum bezogene durchschnittliche Prozessmenge auf Basis der Kostenstellenkapazität für den lmiTeilprozess dar. Es wird jeweils nach lmi- und gesamten Teilprozesskosten unterschieden. Wie bereits weiter oben dargestellt, unterscheiden sich die Prozesskosten um die lmn-Umlageprozesskosten. Die Planprozessmenge (PPM) stellt die in diesem Zeitraum geplante Prozessmenge für den betrachteten Teilprozess dar. Die leistungsmengeninduzierten Plan-Teilprozesskosten lmi (PTPKlmi) ergeben sich, indem der Plan-Teilprozesskostensatz lmi mit der Planprozessmenge multipliziert wird. Addiert man die geplanten Umlageprozesskosten hinzu, gelangt man zu den leistungsmengeninduzierten Plan-Teilprozesskosten gesamt (PTPKges.). Bei den in Abbildung 134 ausgewiesenen Ist-Teilprozesskosten (ITPK lmi bzw. ITPKges.) handelt es sich um die Istverbrauchsmengen an Ressourcen, bewertet zu Planpreisen. Hierdurch wird der Preiseffekt aus der Abweichungsanalyse eliminiert. Selbstverständlich kann der Preiseffekt durch Ansatz von Istpreisen ebenfalls ermittelt werden. Die Vergleichsgröße für die Ist-Teilprozesskosten bilden die Soll-Teilprozesskosten (STPK), welche die auf die Istprozessmenge proportional angepassten Plan-Teilprozesskosten darstellen. Die verrechnungsbezogenen Plan-Teilprozesskosten gesamt (VTPK ges.) stellen die anteiligen durchschnittlichen PlanTeilprozesskosten für die Istprozessmenge dar. Hierbei ist zu beachten, dass die lmn-Umlageprozesskosten mit dem Planwert in die Ist-Teilprozesskosten übernommen werden. Dies ist damit zu begründen, dass Abweichungen bei den lmn-Teilprozesskosten nicht dem lmi-Teilprozess angelastet werden sollen.

9 Prozesskostenrechnung

341

TPK [€/Periode] KTPK ges. PTPK ges. KTPK lmi

ITPK ges. UTPK 1

UTPK 2 UTPK 4

STPK ges. UTPK 3 VTPK ges.

UTPK 1

PTPK lmi

ITPK lmi

UTPK 2

STPK lmi

UTPK 3

IPM

PPM

KPM

PM [ME/Periode]

Abbildung 134: Teilprozesskostenabweichungen460

Grundsätzlich können vier Typen von Teilprozesskostenabweichungen unterschieden werden (vgl. Abbildung 134)461: 1. Die Differenz zwischen den Plan-Teilprozesskosten gesamt und den Soll-Teilprozesskosten gesamt bzw. zwischen den Plan-Teilprozesskosten lmi und den Soll-Teilprozesskosten lmi wird als Budgetprozessabweichung bezeichnet. Die dargestellte Unterschreitung des Budgets zeigt, dass Kostenreduzierungspotenzial im Teilprozess bei proportionaler Ressourcenanpassung existiert. Eine Überschreitung des Budgets zeigt wiederum ein Kostenaufbaupotenzial für den Teilprozess an. ΔTPK 1 = PTPK ges – STPK ges bzw. ΔTPK 1 = PTPK lmi – STPK lmi 2. Die Differenz zwischen den Ist-Teilprozesskosten gesamt und den SollTeilprozesskosten gesamt oder die damit identische Differenz zwischen den IstTeilprozesskosten lmi und Soll-Teilprozesskosten lmi kann als Mengenprozess460

461

Abbildung modifiziert übernommen aus Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 258. Vgl. Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 258 ff.

342

9 Prozesskostenrechnung

abweichung lmi oder im weiten Sinne als Verbrauchsabweichung bezeichnet werden. Hierzu müsste allerdings der Ressourceneinsatz von der zu erbringenden Leistungsmenge abhängen. Aufgrund der vorwiegend fixen Kosten ändert sich die Ressourceninanspruchnahme jedoch nur sprungweise mit der Variation der Leistungsinanspruchnahme. ΔTPK 2 = ITPK ges – STPK ges bzw. ΔTPK 2 = ITPK lmi – STPK lmi 3. Die Differenz zwischen den Soll-Teilprozesskosten gesamt und den verrechnungsbezogenen Teilprozesskosten gesamt oder die damit identische Differenz zwischen lmn-Umlageprozesskosten gesamt und der rechnerisch linearen Ausschöpfung der lmn-Umlageprozesskosten aus der lmi-Prozessmenge kann als Umlageprozessabweichung bezeichnet werden. Sie stellt eine reine Beschäftigungsabweichung dar, d.h. dass Leerkosten vorliegen, wenn die Istprozessmenge die Planprozessmenge unterschreitet. Diese Leerkosten führen bei einer mittelfristigen Betrachtungsweise zur Analyse der lmn-Teilprozesskosten. ΔTPK 3 = STPK ges – VTPK ges bzw. ΔTPK 3 = lmn-UPK - lmn-UPK * IPM/KPM 4. Die Differenz zwischen den Ist-Teilprozesskosten (gesamt) und den verrechnungsbezogen Teilprozesskosten (gesamt) kann als Mengenprozessabweichung des lmi-Teilprozesses gesamt bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich, wie aus Abbildung 134 ersichtlich, um eine aus dem lmi-Teilprozess stammende Mengenabweichung und aus dem anteiligen lmn-Teilprozess resultierende zusammengesetzte Kostenabweichung. Beide Abweichungen resultieren aus einem mengenmäßigen Ressourcenverbrauch zwischen Ist- und Sollgröße. Allerdings ist die Aussagefähigkeit dieser zusammengesetzten Abweichung für das Gemeinkostenmanagement gering. ΔTPK 4 = ITPK ges – VTPK ges bzw. ΔTPK 4 = ΔTPK 2 + ΔTPK 3 Grundsätzlich ist ein Soll-Ist-Vergleich der Kosten bezogen auf Prozesse trotz der häufig vorgebrachten Kritik, dass die Gemeinkosten in den indirekten Leistungsbereichen nicht kurzfristig beeinflussbar sind, vor allem für die Identifizierung von mittelfristigen Kapazitäts- und Kostendispositionen als sinnvoll anzusehen.

9 Prozesskostenrechnung

343

9.5 Produktkalkulation im System der Prozesskostenrechnung Die Prozesskostenrechnung kann außerdem für eine Zurechnung der Kosten auf ein Kalkulationsobjekt bzw. einen Kostenträger herangezogen werden. Hierfür wird in der Literatur im Allgemeinen der Begriff prozessorientierte Kalkulation verwendet. Der Ansatzpunkt für eine prozessorientierte Kalkulation liegt entsprechend den oben gemachten Ausführungen bei der verursachungsgerechten Zuordnung der Gemeinkosten für indirekte Leistungen auf Produkte. Ziel ist es, die produktspezifische Inanspruchnahme der Leistungen im indirekten Leistungsbereich bei der Kalkulation besser zu berücksichtigen. Die Zurechnung der Kosten erfolgt hierbei nach Maßgabe der von dem Kostenträger beanspruchten Prozesse, da in der Prozesskostenrechnung davon ausgegangen wird, dass die Prozessdurchführung für die Kostenentstehung verantwortlich ist. Als Kostenträger kommen Produkte, Aufträge, Kunden oder Gebiete in Frage. Die folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch auf das Produkt als Kostenträger. Entsprechend der oben vorgenommenen Differenzierung zwischen dem activitybased costing und der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. müssen auch in der prozessorientierten Kalkulation verschiedene Formen der Prozesskalkulation unterschieden werden. Hierbei sind insbesondere die prozessanaloge Kalkulation und die prozessorientierte Kalkulation zu unterscheiden. Bei der prozessanalogen Kalkulation werden mit Ausnahme von Forschungs- und Entwicklungskosten und Kosten aus Minderauslastungen alle Gemeinkosten über Prozesse auf die Kostenträger verrechnet. Dies entspricht weitgehend der im Rahmen des activity-based costing vorgestellten Vorgehensweise (vgl. hierzu Abbildung 123). Die Gesamtkosten eines Kostenträgers ergeben sich hierbei aus den Produkteinzelkosten und den auf das Produkt verrechneten Prozesskosten. Hierbei wird eine proportionale Beziehung zwischen der Prozessmenge eines Prozesses und der Produktmenge des Kostenträgers unterstellt. Bei der prozessorientierten Kalkulation werden nur die Gemeinkosten der indirekten Leistungsbereiche, die prozessabhängig sind, mit Hilfe von Cost Drivern auf die Kostenträger verrechnet. Die Kosten des indirekten Leistungsbereichs, die nicht prozessabhängig sind, werden weiterhin wie in der Zuschlagskalkulation mit wertorientierten Zuschlagssätzen auf die Produkte zugeschlagen. Die Kosten der direkten Bereiche, d.h. also Bereiche, die unmittelbar am Produktfortschritt mitwirken, werden mit Hilfe von Bezugsgrößen aus der (Grenz-) Plankostenrechnung auf die Kostenträger verrechnet. Die Produkteinzelkosten werden dem Produkt direkt zugerechnet. Die prozessorientierte Kalkulation basiert im Wesentlichen auf der Vorgehensweise der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. Das Prinzip der prozessorientierten Produktkalkulation kann wie folgt dargestellt werden.

344

Gemeinkosten

9 Prozesskostenrechnung Zurechnung über

Prozessbereiche

Zurechnung über

Zuschlagssätze

Indirekte Bereiche

Cost Driver

Zurechnung über

Direkte Bereiche

Einzelkosten

Zuschlagsbereiche

Kostenträger

Bezugsgrößen

Direkte Zurechnung

Abbildung 135: Prinzip der prozessorientierten Produktkalkulation

Horváth und Mayer schlagen für die Verrechnung der Prozesskosten auf die Produkte eine Abgrenzung der Prozesse nach dem Produktbezug und nach dem Bezugsobjekt vor. Nach dem Produktbezug wird hierbei zwischen produktnahen und produktfernen Prozessen unterschieden. Horváth und Mayer schlagen vor, dass nicht alle identifizierten Prozesskosten der indirekten Leistungsbereiche über Cost Driver auf die Produkte verrechnet werden, sondern nur die Kosten produktnaher Prozesse, explizit Kosten für Abwicklungsprozesse mit unmittelbarem Bezug zur Materialbeschaffung, Materiallogistik oder zur Auftragsplanung und –abwicklung. Die Kosten produktferner Prozesse sollen hiernach über wertmäßige Zuschlagssätze462 verrechnet werden.463 Nach dem Bezugsobjekt wird zwischen • Vorleistungsprozessen, • Betreuungsprozessen und • Abwicklungsprozessen unterschieden. Alle Aktivitäten, die in der Entstehungsphase des Produktlebenszyklus anfallen und nicht produktbezogen verrechnet werden können (z.B. Neuteile einführen, Neupro-

462 463

Hier kommen z.B. Herstellkosten oder Materialeinzelkosten als Basis in Frage. Vgl. Horváth, Mayer, Konzeption, 1993, S. 25.

9 Prozesskostenrechnung

345

dukte einführen), zählen zu den Vorleistungsprozessen. Derartige Kosten beziehen sich auf die gesamte Produktmenge über den gesamten Lebenszyklus. Sie werden entsprechend der Vorgehensweise beim activity-based costing wie die Forschungsund Entwicklungskosten nicht in der Produktkalkulation berücksichtigt. Die Betreuungsprozesse umfassen alle Aktivitäten, die durch ein Einzelteil oder ein Produkt ausgelöst werden. Derartige Prozesskosten lassen sich den Produktionsmengen der Periode zurechnen. Hierzu zählen Prozesse, wie z.B. Teile oder Varianten verwalten. Abwicklungsprozesse umfassen schließlich alle Aktivitäten im logistischen und administrativen Bereich, die zur Beschaffung, Produktion von Objekten oder zur Abwicklung von Kundenaufträgen notwendig sind. Die Verrechnung der Prozesskosten erfolgt über Prozessbezugsgrößen auf Lose. Hierzu zählen Prozesse wie Beschaffung von Einzelverträgen oder Auftragsabwicklung. Produktferne Prozesse des primären Leistungsbereichs, wie z.B. Lieferanten oder Kunden betreuen sowie Prozesse des sekundären Leistungsbereichs, wie z.B Personal betreuen, Kostenplanung und –steuerung oder Forschung und Entwicklung werden nach Horváth u.a. nicht auf Bezugsobjekte verrechnet.464 Die Prozesskalkulation soll die Ressourceninanspruchnahme des Prozesses entsprechend den für eine Kostenträgereinheit angefallenen Prozessmengen abbilden. Verrechnet werden nur die leistungsmengeninduzierten Kosten (gesamt oder lmi). Die Beziehung zwischen der Prozessmenge des Hauptprozesses und der Kostenträgermenge wird als linear unterstellt. Diese lineare Beziehung kann durch einen sogenannten Prozesskalkulationskoeffizienten (PKAKO) ausgedrückt werden. Der Prozesskalkulationskoeffizient ergibt sich aus der Division der Anzahl der Durchführungen eines Prozesses durch die damit einhergehende Produktmenge des zu kalkulierenden Kostenträgers. So erfordert die Herstellung einer Produktmengeneinheit ein Zwanzigstel des initiierten Prozesses, wenn der Prozess für eine Losgröße des Kostenträgers von 200 Mengeneinheiten zehn Mal durchgeführt werden muss. Die Produktkosten für einen Prozess ergeben sich aus der Multiplikation des Prozesskostensatzes (PKS) mit dem Prozesskalkulationskoeffizienten. Produktprozesskosten = PKS * PKAKO Prinzipiell sollen als Prozesskostensätze die der Hauptprozesse herangezogen werden, da über sie am besten die Beziehung zum Produkt hergestellt werden kann. Darüber hinaus ist die Verwendung von Hauptprozesskostensätzen aufgrund der geringeren Anzahl wesentlich übersichtlicher als bei der Verrechnung der Kosten über Teilprozesse. Für den Fall, dass keine Produktmengenabhängigkeit über die Cost Driver abgebildet werden kann oder nicht alle im Hauptprozess enthaltenen Teilprozesse vom Kostenträger in Anspruch genommen werden, können auch die lmi-Teilprozesse (gesamt oder lmi) zur Weiterverrechnung herangezogen werden. 464

Vgl. Horváth, Mayer, Konzeption, 1993, S. 17 ff.

346

9 Prozesskostenrechnung

Im Falle von mehrteiligen Stückgütern müssen im Sinne einer Strukturstückliste die notwendigen Hauptprozess- oder Teilprozessmengen und die dazugehörigen Prozesskosten analytisch ermittelt werden. Damit ist es möglich, für jeden Arbeitsgang die benötigten Prozesse und die Prozesskosten zu ermitteln.465 Im Rahmen der Prozesskostenrechnung nach Horváth u.a. wurden zwei Prozesskostensätze, lmi und gesamt, ermittelt. Der Unterschied zwischen den Prozesskostensätzen liegt bei der Behandlung der lmn Kosten. Für die Kalkulation sind nun zwei grundsätzliche Verrechnungsformen denkbar: 1. Nur lmi-Prozesskosten werden über Prozesse auf die Kostenträger verrechnet. 2. Die Prozesskosten gesamt, d.h. unter Berücksichtigung der lmn-Umlageprozesskosten werden über Prozesse auf die Kostenträger verrechnet. Die erste Form entspricht am ehesten dem Gedanken einer verursachungsgerechten Verrechnung. In diesem Fall handelt es sich um eine Teilkostenrechnung, da die lmn-Kosten auf den Kostenstellen verbleiben und nur die leistungsmengeninduzierten Prozesskosten auf die Kostenträger verrechnet werden. Die zweite Form trägt dem Gedanken Rechnung, dass die lmn-Prozesskosten zur Sicherstellung der leistungsmengeninduzierten Prozesse anfallen und somit auf die sie verursachenden leistungsmengeninduzierten Prozesse umgelegt werden müssen. Unabhängig von der Behandlung der lmn-Kosten folgt die prozessorientierte Produktkalkulation damit dem unten dargestellten Grundschema der Kalkulation (vgl. Abbildung 136).

465

Vgl. Horváth, Mayer, Konzeption, 1993, S. 25 f.

9 Prozesskostenrechnung

347

Materialeinzelkosten

....

Materialprozessgemeinkosten

....

Sonstige Materialzuschlagsgemeinkosten

....

Materialkosten

....

Fertigungs(regel)einzelkosten

....

Fertigungsbezugsgrößengemeinkosten

....

Fertigungsprozessgemeinkosten

....

Sonstige Fertigungszuschlagsgemeinkosten

....

Sondereinzelkosten der Fertigung

....

Fertigungskosten insgesamt

....

Herstellkosten

....

Sonstige Verwaltungszuschlagsgemeinkosten

....

Vertriebsprozesskosten

....

Sonstige Vertriebszuschlagsgemeinkosten

....

Sondereinzelkosten des Vertriebs

....

Selbstkosten

....

Abbildung 136: Grundschema für die prozessorientierte Produktkalkulation

Der Entscheidungsbezug der mit diesem System bereitgestellten Kosteninformationen ist aus drei Gründen eingeschränkt466: 1. Hauptprozesse werden aus mehreren Teilprozessen mit unterschiedlichen Prozessbezugsgrößen zusammengesetzt. Ob zwischen diesen Prozessbezugsgrößen und den Hauptprozesskosten eine begründete Beziehung besteht, erscheint fraglich. 2. Prozesskosten werden teilweise über Prozessbezugsgrößen (Maßgrößen) verrechnet, die Produktmerkmale ausdrücken (Anzahl Stücklistenpositionen etc.). Andere Bezugsgrößen hängen nicht nur von den Merkmalen, sondern auch vom Produktionsprogramm und der Beschaffungspolitik ab (Anteil Gleichteile bzw. Sammelbestellungen). Hier ist es nicht möglich, eindeutige Prozesskoeffizienten zu bestimmen.

466

Vgl. Schweitzer, Küpper, Systeme, 2003, S. 370.

348

9 Prozesskostenrechnung

3. Durch die fehlende Trennung zwischen fixen und variablen Kosten wird nicht deutlich, in welchem Umfang ausgewiesene Kostenänderungen tatsächlich auftreten bzw. nur zur Verringerung der Nutzung von Potenzialgütern führen. Durch die Verwendung der Prozesskostenrechnung lassen sich drei verschiedene Effekte erkennen, die für die strategische Ausrichtung der Unternehmung wesentlich sind: 1. Allokationseffekt, 2. Komplexitätseffekt, 3. Degressionseffekt. Der Allokationseffekt zeigt die Kostenverzerrung bei den Gemeinkosten zwischen der prozessorientierten Produktkalkulation und der Zuschlagskalkulation. Diese Kostenverzerrung kann für den gesamten Kostenträger oder für einzelne Kalkulationsbereiche, wie z. B. Material ermittelt werden. Die Kostenverzerrung basiert darauf, dass sich die Gemeinkosten nicht proportional zu einer wertmäßigen Zuschlagsbasis verhalten, sondern von den durch den Kostenträger beanspruchten Prozessen abhängen. Neben dem absoluten Allokationseffekt kann auch der relative Allokationseffekt durch Division der Gemeinkostendifferenz durch die verrechneten Gemeinkosten der Zuschlagskalkulation angegeben werden. Der Allokationseffekt kann am Beispiel des Materialbereichs kurz dargestellt werden. Beispiel zum Allokationseffekt: Bei einer wertmäßigen Zuschlagskalkulation beträgt der Materialgemeinkostensatz 15 %. Die Materialprozessgemeinkosten belaufen sich auf 160 €, der verbleibende Gemeinkostenzuschlagssatz beläuft sich auf 3 %. Die Kalkulation der Materialkosten für Produkt A (Materialeinzelkosten € 2.500) und Produkt B (Materialeinzelkosten € 4.000) ergibt: Traditionelle Zuschlagskalkulation

Prozessorientierte Produktkalkulation

Produkt Produkt A B Materialeinzelkosten Materialgemeinkosten

2.500 375

15 %

Produkt Produkt A B

4.000 Materialeinzelkosten 600 Rest-Materialgemeinkosten 3 % Materialprozesskosten

Materialkosten

2.875

4.600 Materialkosten

Abbildung 137: Darstellung des Allokationseffekts mit Hilfe der PKR

2.500

4.000

75

120

160

160

2.735

4.280

9 Prozesskostenrechnung

349

Der Allokationseffekt beträgt für Produkt A –140 € (relativ 37,3 %) und für Produkt B -320 € (relativ 53,3 %). Der Komplexitätseffekt zeigt den Einfluss der Produktkomplexität und der Variantenanzahl auf die Produktkosten auf. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass die Komplexität in Form von mehr Bearbeitungsstufen, höherer Teileanzahl oder komplizierteren Bearbeitungsgängen einen wesentlichen kostentreibenden Faktor für die Gemeinkosten in den indirekten Bereichen darstellt. Bei Anwendung der prozessorientierten Kalkulation wird die jeweilige Prozessinanspruchnahme mengenproportional auf das Produkt verrechnet. Bei Anwendung der traditionellen Zuschlagskalkulation werden derartige erhöhte Ressourceninanspruchnahmen nicht abgebildet. Daher werden in der traditionellen Zuschlagskalkulation komplizierte Kostenträger zu billig und einfache Kostenträger zu teuer bewertet. Bei der prozessorientierten Variantenkalkulation müssen für alle abgegrenzten Teilprozesse einer Kostenstelle die produktionsmengen- und variantenzahlabhängigen Anteile an den Prozessmengen geschätzt werden. Die produktionsmengen- bzw. variantenzahlabhängigen Prozesskosten werden dann durch Multiplikation der Prozesskosten mit dem Anteil der Prozessbezugsgröße multipliziert, der von der jeweils betrachten Kosteneinflussgröße abhängt. Die produktionsmengen- oder variantenzahlabhängigen Prozesskosten werden für jeden Prozess unter Bezug auf die betrachtete Kosteneinflussgröße (Produktionsmenge oder Variantenzahl) auf die Kostenträger zugerechnet. Hierbei werden nur leistungsmengeninduzierte Prozesse auf die Kostenträger verrechnet.467 Beispiel zum Komplexitätseffekt Im unten dargestellten Beispiel handelt es sich bei Produkt A um ein Standardprodukt, das relativ wenig verschiedene Teile in hohen Stückzahlen benötigt. Produkt C ist ein Spezialprodukt, für das viele verschiedene Materialien beschafft werden müssen. Des Weiteren sind relativ viele Rüstvorgänge bei der Bearbeitung notwendig. Dies führt dazu, dass der Prozess (160 € pro Durchführung) bei Produkt A einmal und bei Produkt B dreimal durchgeführt werden muss.

467

Vgl. Schweitzer, Küpper, Systeme, 2003, S. 370 ff.

350

9 Prozesskostenrechnung

Fertigungsgemeinkostenverrechnung

Differenz

Zuschlags- Prozessorientierte Kalkulation kalkulation Prozess- Restgemein- Summe kostenkostenzuschlagssatz satz 12,2 %

Komplexitätseffekt Euro

%

Fertigungseinzelkosten Euro / Stück

200 %

Produkt A

100,00

200,00

160,00

12,20

172,20 -27,80 13,90

Produkt B

160,00

320,00

480,00

19,52

499,52 179,52 56,10

Abbildung 138: Darstellung des Komplexitätseffektes mit Hilfe der PKR

Der Degressionseffekt zeigt, dass eine zunehmende Auftrags- oder Losgröße die Zahl der erforderlichen Prozesse nur unterproportional anwachsen lässt. Dies gilt insbesondere für Abwicklungsprozesse, wie z.B. „Kundenaufträge abwickeln“, „Fertigungsaufträge abwickeln“. Im Rahmen der traditionellen Kostenrechnung werden die Gemeinkosten für derartige Abwicklungsprozesse mit Hilfe von Zuschlagssätzen auf die Produkte zugeschlagen. Hierdurch ergeben sich konstante Herstellbzw. Selbstkosten pro Stück. Die Produktkosten für eine bestimmte Produktionsmenge ergeben sich durch Multiplikation der Produktmenge mit den Produktkosten pro Produktmengeneinheit. Bei Anwendung der Prozesskalkulation werden die für einen Auftrag oder ein Los erforderlichen Prozessmengen anteilig auf die Produktmengen des Auftrags bzw. des Loses verrechnet. Aus diesem Grund ergeben sich bei der Prozesskalkulation sinkende Herstell- bzw. Selbstkosten pro Stück. Als Resultat kann hieraus abgeleitet werden, dass die traditionelle Kostenrechnung bei kleinen Auftragsmengen zu geringe Kosten und bei größeren Auftragsmengen zu hohe Kosten kalkuliert.468 Beispiel zum Degressionseffekt Zur Demonstration des Degressionseffekts werden die Vertriebsgemeinkosten einmal anhand einer Zuschlagskalkulation (40 % auf die Herstellkosten, wobei die Herstellkosten 379 € pro Stück betragen) und einmal anhand der prozessorientierten Produktkalkulation dargestellt. Annahme hierbei ist, dass der Hauptprozess „Fertigungsprodukte versenden“ im Vertriebsbereich unabhängig von der Anzahl der versendeten Produkte ist. Die Vorbereitung der Versandpapiere, das Kommissionieren 468

Vgl. Michel, Torspecken, Jandt, Kostenrechnung, 1998, S. 268.

9 Prozesskostenrechnung

351

und die Übergabe an den Spediteur laufen unabhängig davon, ob ein, fünf oder 25 Teile versendet werden, einmal ab. Die Kosten für das einmalige Durchführen des Prozesses betragen 120 €. Abbildung 139 macht deutlich, dass bei der traditionellen Zuschlagskalkulation für wenig Teile zu wenig und bei vielen Teilen zu viele Kosten kalkuliert werden. Vertriebsgemeinkostenverrechnung Produkt A Zuschlagskalkulation

Differenz =

Prozessorientierte Kalkulation

Degressionseffekt

StückProzess- Rest per zahl pro Zuschlag pro kosten- Zuschlag pro Auftrag 40 % Stück satz 9,9 % Summe Stück 37,52 157,52 157,52

€ 5,92

%

1

151,60 151,60

120,00

3,9

5

758,00 151,60

120,00

187,60 307,60

61,52 - 90,08 - 59,4

25 3.790,00 151,60

120,00

938,00 1.058,00

42,32 - 109,28 - 72,1

Abbildung 139: Beispiel für einen Degressionseffekt

Insgesamt wird durch eine prozessorientierte Produktkalkulation eine präzisere Abbildung der Gemeinkosten im indirekten Leistungsbereich erreicht. Aus strategischer Sicht können hierdurch entscheidungsrelevante Informationen für die Gestaltung des Produktprogramms, Entscheidungen über dessen Breite und Tiefe, für die Komplexität des Produktaufbaus, für die Auswirkungen von Produktvarianten bzw. Sonderanfertigungen, für die Fertigungsorganisation und für die Umstrukturierungen im Fertigungsbereich zur Verfügung gestellt werden.

9.6 Kritische Würdigung der Prozesskostenrechnung Die Prozesskostenrechnung wird immer wieder als erhebliche Verbesserung im internen Rechnungswesen der Unternehmung dargestellt. Der Vorteil wird dabei i.d.R. am Beispiel einzelner Produktkalkulationen demonstriert. Insbesondere die Publikationen zur Prozesskostenrechnung wählen freilich als Vergleichsbasis eine der schwächsten Kalkulationsmethoden – eine Zuschlagskalkulation auf Basis der Voll-

352

9 Prozesskostenrechnung

kosten. Als Basis dienen hier Materialeinzelkosten und Fertigungsstunden, auf die die Gemeinkosten bezogen werden. Führt man jetzt eine Prozesskostenrechnung ein und verwendet dabei auch nur wenige Cost Driver als zusätzliche Bezugsgrößen für die Zurechnung des bisher betrachteten undifferenzierten Gemeinkostenblocks, ergibt sich eine markant höhere Genauigkeit der Kostenzurechnung. Der relative Vorteil liegt auf der Hand, ist aber streng genommen kein überzeugendes Argument. Die Güte eines Kostenrechnungssystems – beurteilt nach der Eignung zur Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen – ist nach einem inhaltlichen und einem methodischen Aspekt zu bewerten. Inhaltlich sind nur Kosten, die von beeinflussbaren Größen abhängen, entscheidungsrelevant. Dies spricht für eine Teilkostenrechnung. Methodisch ist damit das System zu bevorzugen, das mehr beeinflussbare Größen berücksichtigt. Mit der Prozesskostenrechnung kann also inhaltlich keine Renaissance von Vollkostensystemen verbunden sein. So ist die Prozesskostenrechnung nicht als Alternative zu einfachen Teilkostenrechnungssystemen zu sehen, sondern vielmehr als methodische Verfeinerung des bestehenden inhaltlichen Rechenkonzepts durch Berücksichtigung zusätzlicher Bezugsgrößen aus dem Bereich der immateriellen Leistungserstellung im Sekundärbereich. Ein System mit einer möglichst umfassenden Berücksichtigung der verschiedenen Kosteneinflussgrößen, das aber insgesamt auf Teilkostenbasis arbeitet, liefert für Entscheidungszwecke die präzisesten Informationen. Wäre nicht auch der Aufwand für die Erfassung der Daten zu berücksichtigen, müsste dies gleichzeitig das zweckmäßigste Kostenrechnungssystem sein. Die Prozesskostenrechnung ist damit in methodischer Hinsicht als Schritt in die richtige Richtung zu beurteilen. Allerdings bietet sich bereits mit der herkömmlichen allgemeinen Kostentheorie die Möglichkeit, die gewünschte Genauigkeitserhöhung zu erreichen. Vergleicht man die Prozesskostenrechnung mit der ursprünglich für die Fertigungsstellen entwickelten Vorgehensweise in der Grenzplankostenrechnung, kann man feststellen, dass diese, angewandt auf Neben- und Hilfskostenstellen, in ihrer Struktur mit der Prozesskostenrechnung übereinstimmt. Auch in diesen Fällen werden die Kosten einer Kostenstelle auf deren Produktionsergebnis zurückgeführt. Lediglich eine Weiterverrechnung auf die Endprodukte des gesamtbetrieblichen Produktionsprozesses lässt sich nicht begründen. So finden sich bereits in frühen Veröffentlichungen zur Grenzplankostenrechnung Bezugsgrößenlisten, die den Cost Drivern in der Prozesskostenrechnung entsprechen469.

469

Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 8.4.

9 Prozesskostenrechnung

353

Ein Unterschied besteht darin, dass in der Prozesskostenrechnung keine Bedeutung auf die Unterscheidung bezugsgrößenfixer und bezugsgrößenvariabler Kosten gelegt wird. Die Cost Driver Rate ist der Satz lmi-Kosten pro Bezugsgrößeneinheit, soweit in der Prozesskostenrechnung nicht auch Fixkosten geschlüsselt werden. Die Trennung von fixen und variablen Größen kann jedoch bei typischen Cost Drivern schwierig werden. Zusammenfassend lässt sich sagen: 1. Die Prozesskostenrechnung ist methodisch gesehen streng genommen kein neuer Ansatz. Ihr kommt aber der Verdienst zu, eine kostentheoretisch fundierte Planung auch außerhalb industrieller Fertigungshauptstellen weiter zu verbreiten. 2. Es wird versucht, den Kostenzusammenhang der sekundären Leistungen zu den Endprodukten deutlicher herauszustellen. Dies kann für das langfristig ausgerichtete Kostenmanagement vorteilhaft sein. 3. Ein weiterer Verdienst muss darin gesehen werden, dass auf die Bedeutung der Produktkomplexität und Variantenzahl für die Produktkostenhöhe deutlich hingewiesen und klar gemacht wird, dass prozentuale Gemeinkostenzuschläge auf Wertgrößen dieses Phänomen kostenmäßig nicht ausdrücken. 4. Die Prozesskostenrechnung weist Unschärfen durch die Annahme einer stabilen und proportionalen Beziehung zwischen Maßgrößen auf. Proportionalität wird sowohl zwischen den in den Hauptprozessen eingehenden lmi-Teilprozessmengen und der Hauptprozessmenge unterstellt als auch zwischen der in ein Produkt eingehenden Hauptprozessmenge und der Produktmenge. 5. Die Prozesskostenrechnung weist Unschärfen durch mehrfache Schlüsselung der Kosten auf. Schlüsselungen werden mit Plausibilitäten begründet und arbeiten nach dem Durchschnitts- oder Proportionalitätsprinzip (z.B. Schlüsselung der Personalkosten bzw. der Kostenstellenkosten entsprechend der Zeitinanspruchnahme, Umlage der lmn-Kosten im Verhältnis zu den lmi-Teilprozesskosten). 6. Die Prozesskostenrechnung ermöglicht aufgrund des unklaren Betrachtungszeitpunktes keine Aussagen über Bindungszeitpunkte, Bindungsdauern und die Abbaufähigkeit von Prozesskosten. Reine Prozesskostenkalkulationen (wie das activity-based costing) geben nur Anregungen für Kostenschwerpunkte, sie geben keine Aussage darüber, wie viele Kosten entfallen bzw. entstehen, wenn ein Kalkulationsobjekt hinzukommt oder wegfällt. 7. Die bisherigen Ansätze der Prozesskostenrechnung lassen die Gefahr eines Rückfalls in Vollkostenkonzeptionen erkennen. Die vorgenommene Fixkostenschlüsselung in diesen Konzepten ist höchst problematisch (vgl. Abbildung 140).

354

9 Prozesskostenrechnung

8. Für kurzfristige Entscheidungszwecke ist die Prozesskostenrechnung in ihrer momentanen Ausgestaltung noch als wenig geeignet anzusehen.

Prozesskosten K

n lm lmi + n i e st m nl ssko e e z t o s Pr ko nete ess h z c e o Pr verr ete n h rec ver

Plan

Maßgröße oder Cost Driver

Abbildung 140: Proportionalisierung fixer Kosten in der Prozesskostenrechnung

10 Target Costing 10.1 Grundkonzept Das Target Costing ist ein aus Japan stammendes Kostenmanagementkonzept, das Informationen für strategische Entscheidungen bereitstellen soll. In Deutschland wird es häufig mit „Zielkostenrechnung“ übersetzt. Tatsächlich handelt es sich bei Target Costing nicht um ein Kostenrechnungssystem, sondern um einen Ansatz zur Kostenplanung und Kostensteuerung. Die Kostenrechnung stellt zwar die Basis für die Kostenplanung dar, ist jedoch kein Bestandteil des Target Costing. Das Target Costing ist streng marktorientiert und setzt an den frühen Phasen der Produktentwicklung an. Das Target Costing setzt somit nicht wie die traditionellen Kostenrechnungssysteme an der Produktion an, sondern zielt auf alle Phasen des Produktlebenszyklusses, insbesondere die Entwicklungsphase, in der die größte Kostenbeeinflussung möglich ist. Vor dem Hintergrund, dass in der Entstehungsphase eines Produktes bis zu 70 % der Selbstkosten und bis zu 90 % der Lebenszykluskosten festgelegt werden, erschließt sich so ein wichtiges Kostenbeeinflussungspotenzial. Aus unternehmenssteuernder Sicht wird eine möglichst marktorientierte Steuerung des Unternehmens und der Teilbereiche mit Hilfe von Kostenobergrenzen (Zielkosten) angestrebt. Hierdurch erfolgt die Umsetzung der Kundenorientierung in konkrete Preis- und Kostengrößen.470 Im Gegensatz zum herkömmlichen Kostenmanagement steht nicht mehr die Frage „Was wird ein Produkt kosten?“ im Vordergrund, sondern die Frage „Was darf ein Produkt kosten?“471. Die retrograde Vorgehensweise des Target Costing ist vor allem auf wettbewerbsintensiven Märkten mit kurzen Produktlebenszyklen und hohem Preisdruck relevant. Entgegen der traditionellen Vollkostenrechnung, die von einem Anbietermarkt ausgeht, postuliert das Target Costing einen Nachfragermarkt. Im Anbietermarkt ergibt sich der Preis eines Produktes aus den Selbstkosten für das Produkt zuzüglich eines gewünschten Gewinnzuschlags. Ist der Preis jedoch 470 471

Vgl. Seidenschwarz, Costing, 1991, S. 198 f. Vgl. Seidenschwarz, Costing, 1991, S. 199.

356

10 Target Costing

am Markt nicht realisierbar, bleibt der Gewinn als beeinflussbare Restgröße. Die retrograde Vorgehensweise des Target Costing plant bzw. schätzt den realisierbaren Marktpreis, von welchem eine feste Plangröße für den Produkterfolg subtrahiert wird. Die verbleibende Restgröße kann als Kostenobergrenze (Zielkosten) interpretiert werden, bei der der gewünschte Gewinn realisiert wird. Hierdurch sind bei einem fest geplanten Marktpreis und Produkterfolg die Produktkosten und die zugehörigen Potenzial-, Programm-, Produkt- und Prozessstrukturen als variable Restgröße anzusehen. Die vorhandenen Potenzial-, Programm-, Produkt- und Prozessstrukturen sind ggf. so anzupassen, dass die vorgegebenen Zielkosten eingehalten werden können. Die Denkstruktur des Target Costing ist nochmals in Abbildung 141 dargestellt. Aus Abbildung 141 wird ersichtlich, dass das Target Costing versucht, die drei Elementarmodule Preis, Gewinn und Kosten marktbezogen zu koordinieren. Im Folgenden wird auf diese drei Elementarmodule und den Target Costing-Prozess näher eingegangen.

10 Target Costing

Markt Aus vom Markt geforderten Produktmerkmalen und prog. Absatz abgeleitet

Am Markt erzielbarer Preis -

Aus mittelfristiger Ergebnis- und Finanzplanung abgeleitet

Produktanteilig geplanter Gewinn =

Produktstandardkosten auf Basis vorhandener Verfahrens- und Technologiestandards

Vom Markt erlaubte Kosten Kostenreduktionsbedarf

Festlegung der Zielkosten Zielkostenspaltung

Funktionen

Komponenten

Abbildung 141: Grundstruktur des Target Costing

357

358

10 Target Costing

10.2 Zielkostenfindung Für die Bestimmung der Kostenobergrenzen (Zielkosten) für ein Produkt sind zwei Kostengrößen von zentraler Bedeutung: • Drifting Costs, • Allowable Costs. Die Drifting Costs stellen die Kosten eines geplanten Produktes bei gegebenen bzw. geplanten Potenzial-, Produkt-, Programm- und Prozessstrukturen dar. Für die Berechnung werden die Kosten von vergleichbaren Vorgängerprodukten herangezogen. Hierbei kann auf Kostenfunktionen mit Bezug auf Produktfunktionen, auf Verfahren der Suchkalkulation oder auf Kostentabellenkataloge zurückgegriffen werden. Die Berechnung verläuft daher stets unternehmensintern. Häufig werden in der Praxis Standardkosten als Drifting Costs angesetzt. Die Allowable Costs werden unternehmensextern ermittelt. Sie ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Marktpreis, der unter Berücksichtigung der erwarteten Absatzmenge über den gesamten Produktlebenszyklus, den spezifischen Kundenanforderungen und den erwarteten Wettbewerbsbedingungen zu erwarten ist, und dem geplanten Produkterfolg.472 Für die Zielkostenfindung kommen je nach Ansatz die Drifting Costs oder Allowable Costs zum Ansatz. Die existierenden Konzepte zur Zielkostenfindung lassen sich in markt-, produktbzw. funktionsorientierte und ingenieurorientierte Ansätze unterscheiden (vgl. Abbildung 142).

472

Vgl. Schweitzer, Küpper, Systeme, 2003, S. 700.

10 Target Costing

359

Verfahren der Zielkostenfindung

marktorientiert Hiromoto • Market into Company • Out of Competitor

produkt- bzw. funktionsorientiert Tanaka • Market into Company • Out of Competitor

ingenieurorientiert Sakurai • Out of Company • Into and out of Company

Abbildung 142: Methoden zur Festlegung der Zielkosten473

Aus den drei unterschiedlichen Ansätzen lassen sich fünf unterschiedliche Arten zur Zielkostenfindung herleiten474: 1. Market into Company: Bei diesem Ansatz werden die Zielkosten aus den am Markt erzielbaren Preisen und der Gewinnplanung abgeleitet. 2. Out of Company: Bei diesem Konzept sind für die Berechnung der Zielkosten die Verhältnisse im Unternehmen selbst von Bedeutung. D.h. die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, der vorhandene Erfahrungsschatz sowie die vorhandenen Produktionsmöglichkeiten haben Einfluss auf die Zielkosten. Dieses Konzept orientiert sich im Gegensatz zum Market into Company nicht am Markt, sondern stellt ein bottom-up Verfahren dar, dessen Durchsetzbarkeit am Markt überprüft wird. Hierdurch werden die Marktverhältnisse für jeden Mitarbeiter im Unternehmen transparent. Das Verfahren erfordert einen hohen Koordinationsaufwand zur Abstimmung der betrieblichen Bereiche, da die externen Informationen bzw. Vorgaben durch interne Analysen ersetzt werden müssen.

473

474

Abbildung entnommen aus Freidank, Kostenrechnung, 2008, S. 391. In der Abbildung fehlt das Out of Standard Cost- Verfahren. Dieses basiert wie das Out of Company- Verfahren auf den vorhandenen Techniken und Wissen. Vgl. Seidenschwarz, Costing, 1991, S. 199.

360

10 Target Costing

3. Into and out of Company: Dieses Verfahren stellt eine Kombination der beiden ersten Verfahren dar. Hierbei werden die Möglichkeiten des Unternehmens mit den Marktanforderungen an das Produkt abgeglichen. Es ist ebenfalls ein hoher Koordinationsaufwand erforderlich. 4. Out of Competitor: Die Zielkosten werden näherungsweise aus den Kosten der Konkurrenz hergeleitet. 5. Out of Standard Costs: Bei diesem Verfahren werden die Zielkosten aufgrund der vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Senkungsabschläge aus den eigenen Standardkosten abgeleitet. Das Market into Company-Verfahren stellt die Reinform des Target Costing dar. Dieser Ansatz basiert auf den Allowable Costs. Die Allowable Costs sind in der Regel nur unter größten Anstrengungen erreichbar. Z.T. werden sie auch als weit unter dem gesehen, was realistisch erreichbar scheint475. Diesen Allowable Costs werden dann die Standard Costs (Produktstandardkosten oder auch Drifting Costs) gegenübergestellt. Die tatsächlichen Target Costs werden aus der Spanne zwischen Allowable Costs und Standard Costs ermittelt (vgl. Abbildung 143). In sehr wettbewerbsintensiven Märkten und bei Verfolgung einer Strategie der Kostenführerschaft wird versucht, die Target Costs möglichst den Allowable Costs anzunähern.

475

Vgl. Hiromoto, Management, 1998, S. 24.

10 Target Costing

Geplanter Verkaufspreis

Angestrebter Gewinn

100 €

361

Allowable Cost

70 €

100 € - 70 € 30 €

Standard Costs

Kostenreduzierungsmaßnahmen

Elektronik

20 €

Elektronik

Display

5€

Display

0,5 €

Schalter

2€

Schalter

0,2 €

Software

10 €

Software

... ...

... ...

... ...

... ...

Gesamt

40 €

Gesamt

4,5 €

Target Costs

2€

1€

1) ist. Bei einem Zielkostenindex von größer als eins ist zu überprüfen, ob durch Funktionsverbesserungen oder höherwertige Komponenten die Lösung für den Kunden attraktiver darzustellen ist. Bei einem Zielkostenindex unter eins ist die Komponente aus Kundensicht zu teuer. Hier sind kostensenkende Maßnahmen erforderlich. In der Regel ist beim ersten Anlauf der Zielkostenspaltung der Zielkostenindex ungleich eins. Die Zielkostenindizes für das angeführte Beispiel sind in Abbildung 153 dargestellt. Komponenten

Kostenanteil (%)

Harte Funktionen Teilgewichte

Weiche Funktionen

Zielkostenindex

Teilgewichte

Zielkostenindex

K 1: Display

22,0

19,4

0,88

15,0

0,68

K 2: Elektronik

14,0

25,6

1,83

14,9

1,06

K 3: Tasten/Schalter

15,0

5,7

0,38

10,5

0,70

K 4: Gehäuse

20,0

1,5

0,08

8,9

0,45

K 5: Joy Stick

25,0

27,8

1,11

28,7

1,15

K 6: Energiequellen

14,0

20,0

1,43

22,0

1,57

100 %

100 %

Summe

100 %

Abbildung 153: Zielkostenindex für Produktkomponenten

Schritt 7: Optimierung der Zielkostenindizes mit Hilfe eines Zielkostenkontrolldiagramms (Value Control Chart) Die in Schritt sechs geforderte optimale Ressourcenverteilung (Zielkostenindex = 1) wird allgemein als zu eng angesehen. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, eine Zielkostenzone zu definieren, in der sich die einzelnen Komponenten befinden sollen. Zur besseren Visualisierung können die Zielkostenindizes in ein Zielkostenkontrolldiagramm (Value Control Chart) eingetragen werden. Auf der Abszisse werden die prozentualen Nutzenteilgewichte der Komponenten aus Schritt fünf und

10 Target Costing

373

auf der Ordinate die zugehörigen prozentualen Kostenanteile aus Schritt vier abgetragen. Die Winkelhalbierende zeigt damit die Idealforderung des Zielkostenindexes von eins an. Die angesprochene Zielkostenzone wird wie in Abbildung 154 mit Hilfe einer Exponentialfunktion definiert. Tanaka definiert die Zielkostenzone mit den 1 2 2 q )

2

2

2

1 ) 2 490.

beiden Funktionen y = ( x + und y = ( x − q Der Wert des Entscheidungsparameters q, der bei den Funktionen den Schnittpunkt mit den Achsen angibt, hängt zum einen vom Erfahrungspotenzial des Unternehmens bei der Zielkostenerreichung und zum anderen von der Differenz zwischen Zielkosten für das Gesamtprodukt und den vom Markt erlaubten Kosten ab. Für den Fall, dass die Zielkosten eng an dem vom Markt erlaubten Kosten liegen, muss auch die Zielkostenzone eng gesetzt werden. Der Verlauf der Zielkostenzone erlaubt durch den Exponentialverlauf im Bereich niedriger Teilgewichte eine größere Abweichung vom Optimalwert eins als im Bereich hoher Teilgewichte. Kostenanteil (%) 40

30

K5 K5 K4

K1

20