Cimelia Sangallensia: Hundert Kostbarkeiten aus der Stiftsbibliothek St. Gallen 3906616444

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Cimelia Sangallensia: Hundert Kostbarkeiten aus der Stiftsbibliothek St. Gallen
 3906616444

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CIMELIA SANGALLENSIA HUNDERT KOSTBARKEITEN AUS DER STIFTSBIBLIOTHEK ST.GALLEN BESCHRIEBEN VON KARL SCHMUKI PETER OCHSENBEIN UND CORNEL DORA

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VERLAG AM KLOSTERHOF ST.GALLEN 1998

Gedruckt mit Unterstützung der Ulrico-Hoepli-Stiftung, Zürich

Frontispiz: David in der Wüste Edom. Bild und Bildlegende «Ein Psalm von David, als er in der Wüste zu Edom war» zu Beginn von Psalm 62. Kombination von Bild, Initiale, Zierschrift und normaler Gold-Textschrift auf einer Zierseite im Goldenen Psalter, geschaffen um 860 vermutlich in Soissons, später im Kloster St.Gallen ergänzt (Stiftsbibliothek St.Gallen, Handschrift Nr. 22, S. 147; vgl. S. 86)

Einführung

Die Handschriftensammlung der Stiftsbibliothek St.Gallen besitzt Weltrang. Es war nicht zuletzt die Reichhaltigkeit und Einzigartigkeit des erhaltenen Manuskriptenbestandes der Stiftsbibliothek aus dem Frühmittelalter, die dazu führte, dass der St.Galler Stiftsbezirk 1983 von der UNESCO als Kulturerbe der Menschheit in den Katalog der mittlerweile weit über 300 Weltkulturgüter aufgenommen wurde. Ein günstiges Schicksal und die Sorge zahlreicher Bibliothekare und Äbte führten dazu, dass in St.Gallen eine im Vergleich mit anderen Bibliotheken sehr grosse Zahl frühmittelalterlicher Manuskripte erhalten geblieben ist. Aus diesen insgesamt etwas mehr als 2000 Handschriften die hundert bedeutendsten für einen bibliophilen Zimelienkatalog, wie er hier vorliegt, auszuwählen, ist keine einfache Angelegenheit. Welchen Codices darf man das herausgehobene Ansehen einer Zimelie geben? Wie setzt man die Massstäbe dafür an? Das im allgemeinen Sprachgebrauch selten auftretende Wort ,Zimelie, {lateinisch cimelium, im Plural cimelia) ist vom griechischen Wort KetµftA.taV abgeleitet, bedeutet Kleinod, Schatz, Kostbarkeit und meinte im engeren Sinne vorerst glänzende Kunstwerke aus Gold und Silber. Prachtvolle künstlerische Ausstattung, qualitätvolle Buchmalerei oder ein einzigartiger Einband machen - diesen Gedanken weiterentwickelt - aber auch ein Buch zu einer Zimelie. Aber eine Handschrift kann auch allein durch den Text zu einer Kostbarkeit werden, weil der Inhalt beispielsweise weltweit nur hier überliefert ist, weil sie den ältesten von vielen Zeugen eines bedeutenden Textes aus der Antike oder dem Mittelalter repräsentiert, weil wir vielleicht die eigenhändige Schrift einer grossen Persönlichkeit aus Geschichte und Kunst vorfinden oder weil das hohe Alter dem Dokument einen besonderen Wert verleiht. Bei einigen Handschriften war die Einstufung als besondere Kostbarkeit klar und offenkundig: Das älteste deutsche Buch, die sogenannte AbrogansHandschrift (Nr. u ), der "' ; ,, ;> 11'-' -fun«- uLs,tJ!-- --

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Der kleinformatige Band, aus sehr ungleichen, abgegriffenen und fehlerhaften Pergamentblättern bestehend, ist wohl im 18.Jahrhundert mit einem Messingeinband versehen worden. Geschrieben wurde er um 790 von einem angelsächsischen Mönch, wie seine insulare Halbunziale ausweist. Zahlreiche Lesefehler, Lücken und Umstellungen lassen erkennen, dass es sich wohl um eine Abschrift handelt. Georg Baesecke vermutete Murbach als Entstehungsort, doch hat sich in der Forschung bis heute das Urteil von Elias Avery Lowe gehalten: «Von einem festländischen, in angelsächsischer Tradition ausgebildeten Schreiber in der zweiten Hälfte des VIII. Jahrhunderts vermutlich in Deutschland geschrieben». Der Codex besteht inhaltlich aus drei Teilen, die teils Missionsfragen (u.a. ein Trostbrief für Missionspriester), teils theologische Gelehrsamkeit und Schulwissen betreffen. «Es ist eine Art Diarium, in dem allerhand Lesefrüchte neben Schulaufzeichnungen gesammelt ... wurden» (Baesecke). Erst der letzte Teil enthält den (S. 181-206). Dieses Wörterbuch, nach Sachgruppen gegliedert, heisst C,nJtlh-w P-""t:t,n.iJni l'«=r/imrf"nnt...r~

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Das Kapiteloffiziumsbuch dient dem Gebrauch der Mönche beim ,Officium capituli,, das im Anschluss an die morgendliche Tagzeit der Prim gehalten wird. Das Offizium umfasste das Verlesen des entsprechenden Eintrags im Martyrologium (Heiligen-Gedenktag), ein Gebet vor der Arbeit, ein Kapitel aus einer Ordensregel, eventuell anschliessend eine Ansprache des Oberen und am Ende die Verlesung der Totenliste (Nekrologium) des folgenden Tages mit Gebeten für die Verstorbenen. Im Kapiteloffiziumsbuch finden sich folglich ganz verschiedenartige Teile zusammengebunden: ein Martyrologium, die Regula Sancti Benedicti sowie ein Kalendar mit nekrologischen Notizen (Todestage von Mönchen, hochgestellten Persönlichkeiten und Wohltätern des Klosters, ohne Angabe des Todesjahres: etwa 28. April, Tod des Mönchspriesters Tuotilo). Ähnlich präsentiert sich denn auch das auf Schafsund Kalbspergament geschriebene älteste erhaltene St.Galler Kapiteloffiziumsbuch, das ungefähr um die Mitte des 9. Jahrhunderts angelegt, bis ins rr. Jahrhundert nachgeführt und irgendwann während jener Zeit oder kurz danach zusammengebunden wurde: Wir finden darin (auf den Seiten 27-195) etwa die Ordensregeln der Heiligen Benedikt und Augustinus, die um 600 entstandene ~4-rm ~..it:bb, .r"'f-4P'l!.~ -- ß

Der Text schliesst mit einem kurzen Abriss von Die Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum (= Kirchengeschichte des englischen Volks) ist das bekann- Bedas Werdegang und einem Werkverzeichnis. Hier teste Werk von Beda Venerabilis (um 672-735). Sie erfährt man weniges über sein Leben: Dass er um 672 entstand als eine der wichtigsten grossen historio- in der Gegend von Wearmouth und Jarrow zur Welt graphischen Arbeiten des Frühmittelalters um 732, kam, als Siebenjähriger von seinen Verwandten der wenige Jahre vor seinem Tod. Das Thema ist die Ge- Obhut des Abts des dortigen Doppelklosters, Benedict schichte Englands und insbesondere der englischen Bishop (628-689), anvertraut, von Ceolfrid (642-719) Kirche bis zum Jahr 731. Beda gilt als Vater der abend- erzogen, mit 19 Jahren zum Diakon und mit dreissig ländischen Chronologie. Als erster hat er in diesem Jahren zum Priester geweiht wurde, dass er das Klogrossen Geschichtswerk durchgehend die Datierung ster Jarrow sein Leben lang kaum verliess und sich nach christlichen Inkarnationsjahren Qahre nach dort unablässig dem Gottesdienst und der WissenChristi Geburt) angewendet. Aber auch theoretisch schaft widmete. Die Liste von Bedas Werken zählt setzte er sich mit dem Traktat De temporum ratione insgesamt rund vierzig Werke, von denen rund die Hälfte in über fünfzig Handschriften des 8. bis ro. (= Über die Zeitrechnung) massgeblich und entscheidend für die Einführung der auf Dionysius Exi- Jahrhunderts in St.Gallen vorhanden sind. Damit beguus (um 500) zurückgehenden christlichen Chrono- sitzt die Stiftsbibliothek die wohl schönste Sammlung logie ein. von Beda-Texten auf dem Kontinent. C.D. Mehr als 150 Manuskripte der lateinischen Fassung der Historia Ecclesiastica sind bis heute erhalten geblieben. König Alfred der Grosse liess um 900 zudem eine altenglische Übersetzung anfertigen. Die Stiftsbibliothek besitzt neben einem Fragment aus dem ro. Jahrhundert (Handschrift Nr. 150) zwei vollständige lateinische Versionen aus dem 9. und 12. Jahrhundert (Handschriften Nr. 247 und 547). Die hier vorgestellte ältere dürfte zu den frühesten zwanzig Handschriften des Werks gehören und bringt die sogenannte m-Version des Texts, deren Hauptzeuge der berühmte, um 737 entstandene ,Moore-Bede, ist, der sich heute in Cambridge befindet. Unsere Fassung ist wohl zur Zeit Abt Grimalds (841-872) als Abschrift eines Weissenburger Kodex (Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, Weissenburg 34) angefertigt worden. Grimald war 847 bis 870 in Personalunion Abt des Klosters Weissenburg und dürfte den Austausch von Handschriften mit St.Gallen zur Kopie gefördert haben. Das Buch ist im originalen karolingischen Einband erhalten geblieben. Bedas Darstellung gilt als wichtigste schriftliche Quelle für die frühe englische Geschichte, reich an Einzelheiten und recht zuverlässig in der Aussage. Verschiedene Episoden und Anekdoten gehören bis heute zum Allgemeinwissen gebildeter Engländer: Der Anfang mit der Beschreibung Englands und Irlands (Abb.), die Begegnung Papst Gregor des Grassen auf dem römischen Forum mit englischen Sklaven (vgl. Handschrift Nr. 567, S. 42), die Schilderung der Bekehrung König Edwins von Nordhumbrien zum Christentum oder die Geschichte Credmons, des ersten namentlich bekannten Dichters in englischer Handschrift Nr. 247 (S. 7) · Pergament · 302 Seiten · 30 x 24 · Kloster St.Gallen · um 860 Sprache.

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«Das eigentliche und einsam herausstechende Meisterwerk der St.Galler Malerei ist das Psalterium Aureum Sancti Galli, der Goldene Psalter» (Ch. Eggenberger). «Neben dem Folchart-Psalter die berühmteste unter den St.Galler Handschriften» (Lexikon der Kunst}. «Als karolingisches Meisterwerk der Spätzeit kommt der Prunkhandschrift europäische Bedeutung zu» (Ch. Eggenberger). Solche und ähnliche Urteile über den ,Goldenen Psalter, oder mit dem lateinischen Ausdruck - ,das Psalterium Aureum Sancti Galli, sind immer wieder zu lesen und zu hören, und es gibt kaum eine Standardpublikation über karolingische Buchmalerei und Buchkunst, in der die Handschrift Nr. 22 der Stiftsbibliothek St.Gallen nicht genannt und Initialen und Miniaturen daraus abgebildet werden. Was zeichnet denn den Goldenen Psalter von St.Gallen aus? Mit der durchgehenden Verwendung von Goldtinte für alle 150 Psalmen des Alten Testamentes gehört er zu jenen wenigen Werken in der Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei, die das Attribut ,Codex Aureus> (goldene Handschrift) tragen dürfen und - im Zusammenspiel mit der reichen Bebilderung und der hohen Qualität der Initialen sich damit als eindrucksvolle Zeugnisse spätkarolingischer Buchkunst von den übrigen aus jener Zeit überlieferten Handschriften abheben. Textlich enthält der Goldene Psalter nach zwei Psalter-Vorreden die 150 Psalmen, nicht jedoch den sonst in St.Gallen üblichen apokryphen 15r. Psalm und die Cantica (Gesangstexte des Alten und Neuen Testamentes, die in der lateinischen Liturgie des Stundengebetes neben den Psalmen gesungen werden), ohne die er liturgisch nicht zu gebrauchen war. So gesehen dürfte der Goldene Psalter eher Repräsentations- denn Gebrauchsobjekt gewesen sein. Neuere Untersuchungen haben zudem die These in Frage gestellt, dass der Goldene Psalter im Kloster St.Gallen geschaffen wurde. Mit etwelcher Sicherheit lässt sich jetzt sagen, dass die Handschrift um 860 an der Hofschule Karls des Kahlen in Soissons als Torso geschrieben wurde, dass sie später nach St.Gallen kam und hier zwischen 870 und 900 teilweise ergänzt, nicht aber vollendet wurde. Insgesamt 37 Initialen in Gold und verschiedenen Farben, davon drei grosse zu den Psalmen 1, 41 und 72 (als erste drei Abschnitte der fünfteiligen Gliederung der hebräischen Psalterversion), schmücken die Prunkhandschrift ebenso wie die 17 bildlichen Illustrationen. Zwei ganzseitige Miniaturen am Anfang der Handschrift zeigen König David umgeben von

zwei Gabelbeckenspielern und zwei Schleiertänzern (S. 2) sowie ein Autorenporträt des heiligen Hieronymus (S. 14). Weitere 15, teilweise ganz berühmte Illustrationen mit Episoden und Szenen aus dem Leben des Königs David, die nicht auf den Inhalt der Psalmtexte, sondern auf die Psalmentitel Bezug nehmen, schliessen sich an. Diese Illustrationen im Goldenen Psalter sind mit bemerkenswertem Einfallsreichtum gestaltet und geben vereinzelt auch einen hervorragenden Einblick ins Alltagsleben des 9.Jahrhunderts. Szenen wie die Salbung Davids durch Samuel (S. 59), der Bau der Stiftshütte (S. 64), die Flucht Davids vor Saul iri die Höhle Adullam (S. 132), vor allem die vier Bilder vom Kampf Davids gegen die Syrer (S. 139-141) oder der Aufenthalt von David in der Wüste (S. 147; vgl. Frontispiz) gehören zu den eindrücklichsten Werken spätkarolingischer Buchmalerei. Das ausgewählte Bild zeigt die Seite mit der einzigen Figureninitiale in der Handschrift und lässt all jene Elemente erkennen, die den Goldenen Psalter berühmt machten, die mit Goldtinte ausgeführte Schrift, von der Partien «eindeutig französischen Charakters» sind, die prunkvoll verzierte Initiale S[alvum me fac deus], die in Verbindung zur danebenstehenden Gestalt des in kostbare Gewänder gekleideten Königs David tritt. Das mit grosser Sorgfalt ausgeführte David-Porträt stellt die letzte figürliche Darstellung der gesamten (in der Illuminierung unvollendeten) Handschrift dar. «Es liegt ganz in der Linie des übrigen Bildprogramms», schreibt Christoph Eggenberger in seiner grossen Monographie über den Goldenen Psalter, «dass zum Schluss David als König in seiner ganzen Würde ... erscheint. Es ist weder der siegreiche, noch der über die Feinde triumphierende David, es ist der König schlechthin, das Vorbild aller Könige und zugleich der Vorläufer Christi, des Königs der Könige. Es ist eine in sich ruhende Darstellung, ohne jede Handlung, ein Meditationsbild, das den die Bilder betrachtenden Leser entlässt». K.S.

Handschrift Nr. 22 (S. 160) · Pergament · 344 Seiten · 36,1/36,5 x 26,5 · Hofschule Karls des Kahlen in Soissons/ Kloster St.Gallen · um 860/ 900

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