Checkliste Neonatologie (Checklisten Medizin) [6. aktualisierte ed.] 3132425559, 9783132425552

Die Kleinsten sicher behandeln Sie wünschen sich ein Nachschlagewerk, das Sie bei Ihrer Arbeit auf der Neugeborenensta

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Checkliste Neonatologie (Checklisten Medizin) [6. aktualisierte ed.]
 3132425559, 9783132425552

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Beatmung

HF> 60

Suprarenin

HF< 60

Herzfrequenz beurteilen

Beatmung + Herzmassage

HF< 60

Atmung, Herzfrequenz und Hautkolorit beurteilen

Apnoe oder HF < 100

Atmung, Herzfrequenz und Hautkolorit beurteilen

Lagerung, Stimulation

nein

FW frei von Mekonium? Kind atmet oder schreit? guter Muskeltonus? Kind rosig? reif?

Geburt

Reanimation eines Neugeborenen (nach ILCOR)

HF >100

unter Beatmung Kind rosig und

HF >100

Kind atmet und ist rosig

ja

weitere Therapie

Überwachung

Routineversorgung Wärme (Absaugen) Abtrocknen

Inhaltsübersicht Grauer Teil: Grundlagen 1

Perinatologische Definitionen ► 15

2

Arbeitstechniken ► 17

3

Bildgebende Diagnostik ► 65

4

Elternbetreuung ► 87

Grüner Teil: Leitsymptome und Notfälle 5

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie ► 96

Blauer Teil: Versorgung gesunder und kranker Neu- und Frühgeborener 6

Geburtshilfliche Informationen ► 116

7

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen ► 128

8

Wärmehaushalt ► 171

9

Ernährung ► 178

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung ► 208 11 Infektionen ► 245 12 Herz/Kreislauf ► 293 13 Hämatologie ► 318 14 Endokrinologie und Stoffwechsel ► 351 15 Neurologie ► 380 16 Renale Erkrankungen ► 394 17 Weitere wichtige Krankheitsbilder ► 403 18 Kinderchirurgie ► 419

Roter Teil: Reanimation und Pharmakologie 19 Reanimation und Hirntod ► 431 20 Pharmakologie ► 439

Grauer Teil: Anhang 21 Formblätter und Perzentilen-Kurven ► 474 22 Laboradressen und Abnahmemethoden ► 481 23 Labor-Normalwerte ► 484 24 Evidenzangaben ► 490 25 Sachverzeichnis ► 491

Klinische Hinweise auf systemische bakterielle Infektion bei Neugeborenen Allgemeinzustand

„das Kind sieht nicht gut aus“ „das Kind gefällt mir heute gar nicht“ Trinkschwäche Hypothermie oder Fieber Temperaturdifferenz von > 2 ° zwischen Kerntemperatur (gemessen zwischen den Scapulae bei Rückenlage) und den Akren (Fuß) Berührungsempfindlichkeit

Herz, Kreislauf

Tachykardie ≥ 180/Min. (auch pränatal) Bradykardie < 100/min Blässe Zentralisation mit schlechter Hautperfusion Rekapillarisierungszeit > 3 sek. arterielle Hypotonie

Atmung

Apnoe, Stöhnen, Dyspnoe, Tachypnoe, thorakale Einziehungen erhöhter Sauerstoffbedarf beim reifen Neugeborenen

Haut, Weichteile

Blässe, Zyanose, Petechien, Ikterus, Ödeme Pusteln, Abszesse, Omphalitis, Paronychie Hautrötungen an Einstichstellen oder im Verlauf eines Katheters

Magen-Darm-Trakt geblähtes Abdomen, Erbrechen, verzögerte Magenentleerung Obstipation, Diarrhö, Nahrungsverweigerung fehlende Darmgeräusche ZNS

Lethargie oder Irritabilität, Muskelhypotonie oder -hypertonie, Berührungsempfindlichkeit Krampfanfälle, gespannte Fontanelle

Stoffwechsel

unklare Hyper- oder Hypoglykämien, metabolische und respiratorische Azidose, Laktatanstieg, Ikterus, Cholestasesymptome

Spätsymptome

Ikterus, große Leber Thrombozytopenie, Petechien, Verbrauchskoagulopathie, Schock, Hypotension

Checkliste Neonatologie Orsolya Genzel-Boroviczény, Reinhard Roos unter Mitarbeit von

S. Bechtold-Dalla Pozza, M. Benz, C. Bidlingmaier, H. Brendel, D. Busch, R. Dalla Pozza, C. Dame, O. Ehrt, A. W. Flemmer, A. Franz, R. Grantzow, S. Greil, E. Herting, A. Hilgendorff, J. Hübner, H. D. Hummler, F. Kainer, M. Knüpfer, K. Kurnik, A. Lotz-Havla, G. Marckmann, H.-J. Mentzel, W. Mihatsch, G. Münch, A. Muntau, U. Nennstiel, G. Notheis, M. Olivieri, A. Pecar, H. Proquitté, K. Raile, J. Reichert, E. Rieger-Fackeldey, C. Roll, W. Röschinger, A. Rößlein, M. Rüdiger, I. Schmid, S. Schmidt, P. P. Schmittenbecher, A. Schulze, H. Segerer, A. Strauss, C. Thilmany, U. H. Thome, L. T. Weber Mitarbeiter früherer Auflagen: K. Bauer, F. Baumeister, W. Brunnhölzl, D. Busch, K. Döring, A. Enders, I. Engelsberger, H. Küster, Fr. Finkenzeller, B. Fumfahr, E. Grauel, M. Grimberg, H. Hammer, B. Kernert-Bader, J. Liese, H. Mayer, A. Roscher, H. Schmidt, K. Schneider, M. Stein, U. Tenbrink, R. Wauer, A. Wendler, U. Wintergerst 6., aktualisierte Auflage 109 Abbildungen

Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Deine Meinung ist uns wichtig! Bitte schreib uns unter: www.thieme.de/service/feedback.html 1. Auflage 2001 2. Auflage 2003 3. Auflage 2008 4. Auflage 2010 5. Auflage 2015 Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen. Geschützte Warennamen (Warenzeichen ®) werden nicht immer besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die abgebildeten Personen haben in keiner Weise etwas mit der Krankheit zu tun. © 2019 Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstr. 14 70469 Stuttgart Deutschland www.thieme.de Printed in Italy Zeichnungen: Martina Berge, Erbach/Ernsbach; Angelika Kramer, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Gruppe Umschlagfoto: Studio Nordbahnhof, Stuttgart Satz: L42 AG, Berlin Druck: LEGO S.p.A, Vicenza DOI 10.1055/b-006-162305 ISBN 978-3-13-242555-2 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-242556-9 eISBN (epub) 978-3-13-242557-6

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Vorwort zur 6. Auflage Neue Methoden, Probleme (Hygiene) und aktualisierte Leitlinien machten es notwendig, die Checkliste wieder zu aktualisieren. Die Checkliste ist weiterhin kein Lehrbuch, sondern ein Ratgeber und Nachschlagwerk für die Kitteltasche. Erstmals stehen die Inhalte nun auch in der Wissensplattform eRef online zur Verfügung und sind in der eRef-App jederzeit auch offline für iOS und Android verfügbar. Wir möchten unverändert betonen, dass es zwar zu vielen Fragen und Probleme Leitlinien und Metaanalysen gibt, welche aber kritisches Hinterfragen der aktuell propagierten Standards nicht ersetzen. Evidenzbasierte Medizin beruht auf dem gewissenhaften und wohl überlegten Einsatz des derzeit aktuellen Wissensstandes zu Behandlung und Prognose. Sie relativiert Intuition, Erinnerung an eigene Erfahrung, „Expertenmeinung” als Basis für Entscheidungen und berücksichtigt die Werte und Präferenzen der Patienten (bzw. Eltern) bei der Wahl der Behandlung. Da auch die beste Evidenz einer gewissen Subjektivität und auch Irrtümern unterliegt, ist sie laufend einem Wandel unterworfen. Klinisches Handeln muss deswegen ergänzt werden durch das aus der Praxis geborene Prinzip „Überall geht ein früheres Ahnen dem späteren Wissen voraus” (Alexander von Humboldt). Wir beanspruchen deswegen bewusst nicht endgültige Antworten gegeben, sondern nur den „bestmöglichen Irrtum” auf Fragen und Probleme der Neonatologie unserer Zeit formuliert zu haben. Darin hoffen wir aber, aktuell zu sein! Eigenes Nachdenken ist daher nicht nur erwünscht, sondern gefordert! Wir danken allen vorigen und aktuellen Mitarbeitern für die Begeisterung, mit der sie sich erneut an die Aktualisierung gewagt haben. Dem Neuling möge die Checkliste eine Hilfestellung für fundierte Entscheidungen in der täglichen Praxis sein, dem Erfahreneren Quelle für Anregungen, Kritik und Überprüfung. Wir hoffen auf Resonanz der Leser. Allen Kollegen, vor allem aber den Mitarbeitern des Thieme-Verlags, besonders Frau Dr. med. Janna Fischer, danken wir für die engagierte Kooperation!

Vorwort zur 6. Auflage

Vorwort zur 6. Auflage

München, Sommer 2018 Orsolya Genzel-Boroviczény, Reinhard Roos

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Anschriften

Anschriften

Anschriften Herausgeber Prof. Dr. med. Orsolya Genzel-Boroviczény Kinderklinik und Perinatalzentrum Innenstadt Ludwig-MaximiliansUniversität München Maistr. 11 80337 München Prof. Dr. med. Reinhard Roos Nadistr. 43 80809 München

Mitarbeiter Prof. Dr. med. Susanne Bechtold-Dalla Pozza Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. med. Marcus Benz Kindernephrologie in Dachau Schleißheimer Str. 12 85221 Dachau PD Dr. med. Christoph Bidlingmaier Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dipl.-Psych. Hannah Brendel Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. med. Dorothee Busch Klinikum Großhadern Ludwig-MaximiliansUniversität München Marchioninistr. 15 81377 München 6

Prof. Dr. med. Robert Dalla Pozza Klinikum Großhadern Ludwig-MaximiliansUniversität München Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. med. Christof Dame Klinik für Neonatologie Charité - Universitätsmedizin Berlin Augustenburger Platz 1 13353 Berlin Prof. Dr. med. Oliver Ehrt Augenklinik Ludwig-MaximiliansUniversität München Mathildenstr. 8 80336 München Prof. Dr. med. Andreas W. Flemmer Neonatologie der Kinderklinik am Perinatalzentrum der LMU-München, Campus Großhadern Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. med. Axel Franz Neonatologie Universitätsklinikum Tübingen Calwerstr. 7 72076 Tübingen Prof. Dr. med. Rainer Grantzow Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. med. Sabine Greil Kinderherzzentrum Wien – Abteilung für Pädiatrische Kardiologie Univ. Klinik Kinder- u. Jugendheilkunde Währinger Gürtel 18–20 1090 Wien Österreich Prof. Dr. med. Egbert Herting Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Ratzeburger Allee 160 23562 Lübeck

PD Dr. med. Anne Hilgendorff Perinatalzentrum Campus Großhadern Dr. von Haunersches Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Marchioninistr. 15 81377 München

Prof. Dr. med. Georg Marckmann, MPH Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin Ludwig-MaximiliansUniversität München Lessingstr. 2 80336 München

Prof. Dr. med. Johannes Hübner Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München

Univ.-Prof. Dr. med. habil. Hans-Joachim Mentzel Institut für Diagnostische u. Interventionelle Radiologie Universitätsklinikum Jena Am Klinikum 1 07747 Jena

Prof. Dr. med. Helmut Dietmar Hummler Klinik für Kinder-und Jugendmedizin Universitätsklinikum Ulm Eythstr. 24 89075 Ulm

Prof. Dr. med. Walter Mihatsch, MBA Klinik für Kinder und Jugendliche HELIOS Klinikum Pforzheim GmbH Kanzlerstraße 2–6 75175 Pforzheim

Prof. Dr. med. Franz Kainer Klinik Hallerwiese St.-Johannis-Mühlgasse 19 90419 Nürnberg

Dr. med. Hans-Georg Münch Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München

PD Dr. med. Matthias Knüpfer Abteilung für Neonatologie Department für Frauen- und Kindermedizin Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20a 04103 Leipzig Prof. Dr. med. Karin Kurnik Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. med. Amelie Lotz-Havla Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München

Anschriften

Anschriften

Prof. Dr. med. Ania Muntau Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg Dr. med. Uta Nennstiel Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Veterinärstr. 2 85764 Oberschleißheim Dr. med. Gundula Notheis Kinderklinik Augsburg Schwäbisches Kinderkrebszentrum Kinderhämatologie und -onkologie Immunologische Sprechstunde Stenglinstr. 2 86156 Augsburg

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Anschriften

Anschriften

Dr. med. Martin Olivieri Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. hum. biol. Alenka Pecar Apotheke Klinikum Großhadern Ludwig-MaximiliansUniversität München Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. med. Hans Proquitté Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Jena Kochstr. 2 07745 Jena Prof. Dr. med. Klemens Raile Klinik für Pädiatrie m. S. Endokrinologie und Diabetologie Campus Virchow Klinik Charité - Universitätsmedizin Berlin Augustenburgerplatz 1 13353 Berlin PD Dr. phil. Jörg Reichert Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstr. 74 01307 Dresden PD Dr. med. Esther Rieger-Fackeldey Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München Prof. Dr. med. Claudia Roll Vestische Kinder- und Jugendklinik Universität Witten/Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln PD Dr. med. Wulf Röschinger Labor Becker und Kollegen Ottobrunner Str. 6 81737 München

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Dr. med. Andreas Rößlein Klinikum III Orden München Menzinger Str. 44 80638 München Prof. Dr. med. Mario Rüdiger Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstr. 74 01307 Dresden Prof. Dr. med. Irene Schmid Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Dr. med. Susanne Schmidt Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München Prof. Dr. med. Peter Paul Schmittenbecher Kinderchirurgische Klinik Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH Moltkestr. 90 76133 Karlsruhe Prof. emer. Dr. med. Andreas Schulze Dainingsbachweg 10A 82432 Walchensee Prof. Dr. med. Hugo Segerer Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg Steinmetzstr. 1-3 93049 Regensburg Univ.-Prof. Dr. med. Alexander Strauss Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Düsternbrooker Weg 45 24105 Kiel

Dr. med. Claude Thilmany Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Ludwig-MaximiliansUniversität München Lindwurmstr. 4 80337 München

Prof. Dr. med. Lutz T. Weber Klinik und Poliklinik für Kinderund Jugendmedizin Universitätsklinik Köln Kerpener Str. 62 50937 Köln

Anschriften

Anschriften

Prof. Dr. med. Ulrich H. Thome Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Abteilung für Neonatologie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 20a 04103 Leipzig

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis Grauer Teil: Grundlagen 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

Perinatologische Definitionen ► 15 Definition einer Geburt ► 15 Definition des Gestationsalters ► 15 Definition des Geburtsgewichts ► 15 Definitionen der Mortalitätsziffern ► 16 Definitionen der Normgrenzen (Nomenklatur) ► 16 Geburtshilfliche Definitionen ► 16

2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19

Arbeitstechniken ► 17 Maskenbeatmung ► 17 Nicht invasive Beatmung (NIV) ► 20 Intubation ► 20 Surfactantgabe ► 25 Legen einer Magensonde ► 26 Gefäßzugänge ► 27 Blutentnahme ► 39 Lumbalpunktion ► 42 Suprapubische Blasenpunktion ► 44 Thoraxdrainage ► 45 Perikardpunktion ► 48 Abdominalpunktion ► 49 Analgosedierung ► 50 Blutdruckmessung ► 53 pO2- und pCO2-Überwachung/Kapnografie ► 54 aEEG ► 57 Kühlung zu Behandlung der Asphyxie ► 59 Austauschtransfusion ► 60 Hörscreening ► 61

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

Bildgebende Diagnostik ► 65 Vorbemerkungen zur Sonografie ► 65 Zerebrale Sonografie ► 66 Intrakranielle Dopplersonografie ► 70 Echokardiografie ► 71 Sonografie der Säuglingshüfte ► 77 Abdominalsonografie ► 81 Röntgendiagnostik ► 81 CT und MRT ► 84

4 4.1 4.2 4.3 4.4

Elternbetreuung ► 87 Ratschläge zur Betreuung der Eltern ► 87 Hinweise zu Elterninformation und Einverständniserklärung ► 89 Juristische und ethische Fragen ► 90 Tod eines Kindes ► 94

Grüner Teil: Leitsymptome und Notfälle 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie ► 96 Leitsymptom SGA (IUGR) ► 96 Zyanose ► 99 Hypoglykämie ► 102 Hyperglykämie und neonataler Diabetes ► 106 Azidose ► 109 Dyspnoe ► 109 Zerebrale Krampfanfälle ► 110

Blauer Teil: Versorgung gesunder und kranker Neu- und Frühgeborener 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Geburtshilfliche Informationen ► 116 Prinzipien der Schwangerschaftsvorsorge ► 116 Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf ► 118 Mehrlingsdiagnostik ► 119 Kardiotokografie (CTG) und fetale Mikroblutuntersuchung (MBU) ► 123 Frühgeburtlichkeit ► 125

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10 7.11 7.12 7.13

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen ► 128 Organisation im Kreißsaal ► 128 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw. Vitalitätsbestimmung ► 131 Erstversorgung im Kreißsaal ► 135 Besonderheiten bei extrem unreifen Frühgeborenen ► 145 Hydrops fetalis ► 146 Zwerchfellhernie und Zwerchfelldefekt (CDH) ► 149 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie ► 152 Erstversorgung von Neugeborenen mit chirurgisch relevanten Fehlbildungen ► 156 Aufnahme auf der Intensivstation ► 158 Entlassung/Verlegung von der Intensivstation ► 161 Geburtstraumen ► 162 Kind einer diabetischen Mutter ► 164 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft ► 166

8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5

Wärmehaushalt ► 171 Körpertemperatur ► 171 Optimale Umgebungstemperatur ► 173 Hypothermie ► 174 Hyperthermie ► 175 Wärmezufuhr ► 176 11

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

12

9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7

Ernährung ► 178 Enterale Ernährung ► 178 Infusionstherapie / parenterale Ernährung ► 193 Hinweise zur parenteralen Ernährung ► 198 Komplikationen der parenteralen Ernährung ► 203 Untersuchungen zur Ernährungskontrolle ► 203 Bilanzierung ► 204 Spezielle Ernährungsprobleme ► 204

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9 10.10 10.11 10.12 10.13 10.14 10.15

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung ► 208 Apnoen und Bradykardien ► 208 Nasse-Lunge-Syndrom ► 210 Neonatales Atemnotsyndrom (RDS)/Surfactanttherapie ► 211 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) ► 214 Pneumothorax des Neugeborenen ► 216 Atelektasen ► 218 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS) ► 219 Sauerstofftherapie ► 220 Continuous positive airway pressure (CPAP)/ Nicht-invasive Beatmung ► 223 Konventionelle maschinelle Beatmung ► 225 Synchronisierte mechanische Beatmung ► 232 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV) ► 234 Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO) ► 237 Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) ► 240 Beatmung in besonderen Situationen ► 242

11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8 11.9

Infektionen ► 245 Infektionsverdacht ► 245 Prophylaxe von Streptokokken-B-Infektionen ► 253 Konnatale und perinatale Infektion: Grundlagen ► 254 Konnatale und perinatale Virusinfektionen ► 255 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen ► 275 Weitere konnatale Infektionen ► 279 Versand von Untersuchungsmaterial ► 284 Impfempfehlungen für Frühgeborene ► 285 Nosokomiale Infektionen ► 287

12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5

Herz/Kreislauf ► 293 Übersicht: EKG-Befunde ► 293 Herzrhythmusstörungen ► 294 Blutdruck und Perfusion ► 302 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) ► 304 Persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen (PPHN) / persistierende fetale Zirkulation (PFC-Syndrom) ► 307 Verdacht auf konnatale Vitien ► 310 Vorgehen bei Verdacht auf angeborenen Herzfehler ► 311

12.6 12.7 12.8

13 13.1 13.2 13.3 13.4 13.5 13.6 13.7 13.8 13.9 13.10 13.11

Hämatologie ► 318 Icterus neonatorum ► 318 Blutgruppeninkompatibilitäten ► 324 Anämie ► 327 Polyglobulie ► 329 Methämoglobinämie ► 331 Thrombozytopenie und Thrombozytose ► 331 Bluttransfusion und Blutprodukte ► 335 Blutgerinnung bei Neu- und Frühgeborenen ► 340 Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen ► 341 Thrombosen bei Neu- und Frühgeborenen ► 344 Hämatoonkologische Erkrankungen ► 347

14 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8

Endokrinologie und Stoffwechsel ► 351 Neugeborenen-Screening auf angeborene Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien ► 351 Erstuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt ► 353 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie ► 355 Probenentnahme/Asservierung bei Stoffwechselstörungen ► 362 Elektrolytstörungen ► 364 Erkrankungen der Schilddrüse ► 370 Störung der Geschlechtsentwicklung ► 375 Adrenogenitales Syndrom (AGS) ► 378

15 15.1 15.2 15.3 15.4

Neurologie ► 380 Entwicklungsneurologische/sozialpädiatrische Nachsorge ► 380 Hirnblutungen ► 383 Leukomalazie ► 388 Hydrozephalus/posthämorrhagische Ventrikelerweiterung (PHVD) ► 390

16 16.1 16.2 16.3

Renale Erkrankungen ► 394 Akutes Nierenversagen ► 394 Peritonealdialyse ► 398 Kongenitale Nierenerkrankungen ► 399

17 17.1 17.2 17.3 17.4

Weitere wichtige Krankheitsbilder ► 403 Frühgeborenenretinopathie (ROP) ► 403 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ► 408 SIDS/ALTE ► 413 Veränderungen der Haut und der Gefäße ► 416

18 18.1

Kinderchirurgie ► 419 Kinderchirurgische Krankheitsbilder ► 419

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

13

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Roter Teil: Reanimation und Pharmakologie 19 19.1 19.2 19.3

Reanimation und Hirntod ► 431 Reanimation ► 431 Weiteres Vorgehen im Rahmen einer Reanimation ► 436 Hirntoddiagnostik ► 437

20 20.1 20.2 20.3 20.4 20.5 20.6 20.7 20.8 20.9 20.10 20.11 20.12 20.13

Pharmakologie ► 439 Vorbemerkungen ► 439 Vancomycin und Aminoglykoside ► 439 Methylxanthine – Koffein ► 440 Katecholamine ► 441 Digitalisierung ► 445 Diuretika ► 446 Analgetika ► 448 Sedativa ► 450 Steroide ► 451 Erythropoetin (Neo-Recormon) ► 453 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten ► 454 Maximale Konzentration parenteraler Medikamente ► 458 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten ► 460

Grauer Teil: Anhang 21 21.1 21.2 21.3 21.4

Formblätter und Perzentilen-Kurven ► 474 Elterninformation ► 474 Beatmungsprotokoll ► 476 Protokoll für die Erstversorgung ► 477 Perzentilen-Kurven ► 478

22 22.1

Laboradressen und Abnahmemethoden ► 481 Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit ► 481

23 23.1 23.2

Labor-Normalwerte ► 484 Labor-Normalwerte ► 484 Nomogramm ► 489 Sachverzeichnis ► 491

14

1

Perinatologische Definitionen

Roos

1.1 Definition einer Geburt ▶ Geburt: • Eine Geburt ist die komplette Ausstoßung oder Extraktion eines ≥ 500 g wiegenden Fetus, ohne Berücksichtigung des Gestationsalters und unabhängig davon, ob die Nabelschnur abgetrennt oder die Plazenta dabei ist („Scheidung vom Mutterleib“). • Zusätzlich definiert die WHO das Geburtsgewicht bei fehlenden Messwerten so: – Wurde kein Geburtsgewicht ermittelt, entsprechen 25 cm Länge definitionsgemäß 500 g. – Sind weder Gewicht noch Länge bekannt, entspricht ein Gestationsalter von 22 Wochen definitionsgemäß 500 g. • Eine Geburt ist dem Standesamt, in dessen Bezirk sie stattgefunden hat, binnen 1 Woche anzuzeigen. ▶ Lebendgeburt (live birth): Vorliegen von Lebenszeichen des Kindes „nach Scheidung vom Mutterleib“. Das ist der Fall wenn entweder das Herz geschlagen, die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat. • Die Lebendgeburt wird in das Geburtenbuch eingetragen. • Ist das Kind unmittelbar nach der Geburt verstorben, sind Geburt und Tod standesamtlich anzuzeigen. ▶ Totgeburt (stillbirth): Keine Lebenszeichen (s. Lebendgeburt) eines Kindes (> 500 g) „nach Scheidung vom Mutterleib“. Wird standesamtlich im Sterbebuch ohne Vornamen registriert. ▶ Fehlgeburt: Die komplette Ausstoßung oder Extraktion eines Fetus oder Embryos < 500 g, ohne Berücksichtigung des Gestationsalters, sofern keine Lebenszeichen (s. oben) vorliegen, unabhängig ob die Fehlgeburt spontan oder induziert war.

1 Perinatologische Definitionen

1.3 Definition des Geburtsgewichts

1.2 Definition des Gestationsalters ▶ Gestationsalter: Entspricht der Dauer der Gestation, gerechnet vom 1. Tag der letzten normalen Menstruation. Das Gestationsalter wird in vollendeten Wochen und Tagen ausgedrückt. Beispiel: 36 2/7 = 36 Wochen und 2 Tage. ▶ Frühgeborenes Kind (preterm): Neugeborenes von < 37 vollendeten Wochen (< 259 Tage). ▶ Termingeborenes Kind (term): Neugeborenes von 37 bis < 42 vollendeten Wochen (259 – 293 Tage). ▶ Übertragenes Kind (postterm): Neugeborenes von ≥ 42 vollendeten Wochen (≥ 294 Tage).

1.3 Definition des Geburtsgewichts ▶ Geburtsgewicht: Das erste Gewicht des Fetus oder Neugeborenen innerhalb der ersten Lebensstunden nach der Geburt. Dieses ist festzustellen, bevor der postnatale Gewichtsverlust begonnen hat, also innerhalb der 1. Stunde nach der Geburt.

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Perinatologische Definitionen

1

1.4 Definitionen der Mortalitätsziffern

▶ Untergewicht für Gestationsalter (SGA, small for gestational age): Geburtsgewicht < 10. Perzentile der populationsspezifischen intrauterinen Wachstumskurve. Hypotrophe Neugeborene. • Andere Definition: Unterschiedliche Angaben in der Literatur: ≤ 2 SD oder ≤ 2,3. bzw. 3. oder 5. Perzentile des populationsspezifischen Geburtsgewichts. ▶ VLBW – infant (very low birth weight): Geburtsgewicht < 1500 g. ▶ ELBW – infant (extremely low birth weight): Geburtsgewicht < 1000 g. ▶ Übergewicht für Gestationsalter (LGA, large for gestational age): Geburtsgewicht > 90. Perzentile der populationsspezifischen intrauterinen Wachstumskurve. Hypertrophe Neugeborene.

1.4 Definitionen der Mortalitätsziffern ▶ Früher neonataler Tod (early neonatal death): Tod eines lebend geborenen Kindes während der ersten 7 Lebenstage (168 Lebensstunden). ▶ Später neonataler Tod (late neonatal death): Tod eines lebend geborenen Kindes nach 7, aber vor 28 vollendeten Lebenstagen. ▶ Nachsterblichkeit: Tod eines lebend geborenen Kindes ab dem 29. Lebenstag bis zum vollendeten 1. Lebensjahr. ▶ Späte Sterblichkeit: Spätsterblichkeit (später neonataler Tod) + Nachsterblichkeit. ▶ Frühneonatale Mortalitätsziffer (early neonatal mortality rate): Anzahl der frühen neonatalen Todesfälle auf 1000 Lebendgeburten. ▶ Spätneonatale Mortalitätsziffer: Zahl der späten neonatalen Todesfälle auf 1000 Lebendgeburten. ▶ Perinatale Mortalitätsziffer (perinatal mortality rate): Zahl der tot geborenen Kinder und an frühem neonatalen Tod verstorbenen Kinder auf 1000 Geburten (Tot+ Lebendgeburten). ▶ Neonatale Mortalitätsziffer: Zahl der früh- und spätneonatalen Todesfälle auf 1000 Lebendgeburten.

1.5 Definitionen der Normgrenzen (Nomenklatur) ▶ Nach Gestationsalter – WHO-Definitionen: • Frühgeborene (FG): < 37 Wochen (< 259 Tage). • Termingeborene (TG): 259 – 294 Tage. • Übertragene: > 42 Wochen (> 294 Tage). ▶ Nach Gestationsalter und Geburtsgewicht: Intrauterine Wachstumskurve (S. 478). ▶ Nach Gestationsalter und Geburtslänge: Intrauterine Wachstumskurve (S. 478). • Klein für GA (SGA): < 10. Perzentile oder 2 Standardabweichungen unterhalb des Mittelwertes. • Groß für GA (LGA): > 90. Perzentile oder 2 Standardabweichungen oberhalb des Mittelwertes. ▶ Nach Gestationsalter und Kopfumfang: Intrauterine Wachstumskurve (S. 478). • Kleiner Kopf für GA: < 10. Perzentile. • Großer Kopf für GA: > 90. Perzentile.

1.6 Geburtshilfliche Definitionen ▶ ▶ ▶ ▶ 16

Frühzeitiger Blasensprung: Blasensprung mit Wehen bei Muttermundweite < 6 cm. Vorzeitiger Blasensprung: Blasensprung ohne regelmäßige Wehen. Vorzeitige Wehen: Wehen vor der 37 + 0 SSW. Asphyxie (S. 152).

2

Arbeitstechniken

2.1 Maskenbeatmung Proquitté, Rüdiger

Indikationen

2 Arbeitstechniken

2.1 Maskenbeatmung

▶ Initiale Lungenblähung bzw. kurzfristige Maskenunterstützung postnatal bei deprimierten Kindern (cave Pneumothorax): • Initialer Inspirationsdruck (voreingestellt) max. 25 – 30 cmH2O (gilt für reife NG). • Druckplateau für (2 –) 5 s (falls kein Effekt, bis max. 10 s). ▶ Respiratorische Adaptationsstörung zur Unterstützung der Ventilation: • Vorübergehend beim Kind mit leichtem RDS und/oder Ventilations-/PerfusionsMismatch. • Bei Narkoseüberhang (Sectio). ▶ Symptomatische schwere Apnoe mit Zyanose und/oder Bradykardie. ▶ Überbrückung bis zur akuten oder geplanten Intubation, zwischen prolongierten Intubationsversuchen und bei geplantem Tubuswechsel. ▶ Tubusobstruktion, trotz Absaugen (Tubus entfernen und Maskenbeatmung anschließen).

Kontraindikation ▶ Bekannte Fehlbildung: • Bauchwanddefekte (Gastroschisis, Omphalozele). • Zwerchfellhernie (auch bei Verdacht). • Ösophagusatresie. ▶ Pneumothorax (bei dringendem Verdacht). ▶ Mekoniumaspiration (S. 219) ohne vorheriges Absaugen.

Systeme für vorübergehende Atemunterstützung ▶ Maske und T-Verbindungen („Blubber“, Perivent): Beatmung mit CPAP. Beatmungsdruck (wird voreingestellt) und Inspirationszeit lassen sich definierter applizieren als mit Beutelbeatmung, auch von Erfahrenen (s. u.)! [E3]. ▶ Maske und Beatmungsmaschine (definierte und kontrollierte Drücke und Beatmung möglich). ▶ Maske und Beatmungsbeutel (schlechteste Variante, da unkontrolliert), nur in Kombination mit einem Manometer. • „Ambu-Beutel“: – „Selbstfüllender Beutel“: Füllt sich automatisch (passiv), auch ohne zusätzlichen Gas-Flow, und hat Druckventil (max. Beatmungsdruck 40 cmH2O). – Bei Beatmung per Maske ist ohne Mischer (schlechteste Variante) eine geringe Variation der Sauerstoffzufuhr möglich. Mit Reservoirbeutel und 100 % O2 beträgt der zugeführte FiO2 etwa 0,9, ohne Reservoir (Gemisch von 100 % O2 und Raumluft im Beutel) ca. 0,4. Möglichst Mischer (FiO2-Anpassung) verwenden, mit 0,21 beginnen [E3], in Abhängigkeit von SpO2 erhöhen. – Die Druckventile sind nicht effektiv, wenn „energisch“ beatmet wird [E4]. – Beutel mit > 450 ml produzieren konstantere Ventilationsvolumina. • Anästhesiebeutel: „Passiv füllender Beutel“ (Kuhn-System). Füllt sich nur, wenn Gas unter Druck (Sauerstoff, Druckluft oder Mischung) angeschlossen ist. Beachte: Ein Anästhesiebeutel hat kein Überdruckventil, ist nur mit Manometer zu verwenden und sollte nur von Geübten eingesetzt werden! • PEEP-Ventil, möglichst immer (sonst kein sicherer PEEP); leider sehr unzuverlässig (insbesondere nach Sterilisation) [E4]. 17

Arbeitstechniken

2

2.1 Maskenbeatmung

▶ Masken: Größen siehe Tab. 2.1. • Masken (rund/oval) mit einer weichen, anschmiegsamen Dichtungslippe haben sich bewährt. • Größe so wählen, dass Mund und Nase gut zentriert sind (größtes Problem ist die Leckage). Tab. 2.1 • Maskengröße in Abhängigkeit vom Gewicht. Gewicht des Kindes (in g)

Maskengröße

500

00

750

0

1000

1–2

1250 – 1750

2

2000 – 4000

3

Praktisches Vorgehen ▶ Lagerung: Kind in optimaler Rückenlage, Kopf in Mittelstellung und mäßiger Deflexion (Schnüffelhaltung). Kopf nicht überstrecken, sonst erfolgt leicht eine Überblähung des Magens. ▶ Fingerpositionen: • Entweder halten Daumen und Zeigefinger die Maske, der Mittelfinger fixiert das Kinn und zieht es nach vorne • oder Daumen und Mittelfinger halten die Maske und Zeigefinder „beatmet“ bei Perivent (Abb. 2.1).

Abb. 2.1 • Maskenbeatmung.

18

▶ Kontinuierlichen Atemgasfluss mit Druckbegrenzung über ein Wasserschloss = CPAP (S. 223), oder Perivent verwenden. • Beatmung mit einer Hand möglich (Zeigefinger verschließt das Ausatemloch). Dadurch ist die 2. Hand frei (Auskultation, Stimulation, Kleben von EKG-Elektroden, Palpieren usw.). Die Beatmung mit dem Ambu-Beutel erfordert beide Hände. • Gasfluss von 5 l/min erzeugt (bei dicht gehaltener Maske) einen Druck von ca. 20 cmH2O (20 mbar), bei T-Adaptern (Perivent etc.) ist ein Flow von 8 l/min erforderlich. ▶ Beachte: Mund und Nase (im Zentrum der Maske) unter der Maske, Maske nicht auf ■ die Augen drücken (Abb. 2.2)! ▶ Maske nicht zu fest andrücken: • Reduktion der Durchblutung um die Maske. • Kinn wird nach dorsal gedrückt und Trachea verschlossen. In der Folge hebt sich der Thorax nicht, und der Magen wird aufgeblasen (häufiger Fehler bei Ungeübten).

2 Arbeitstechniken

2.1 Maskenbeatmung

Abb. 2.2 • Korrekter Sitz der Beatmungsmaske.

▶ Druck atemsynchron applizieren. Genau beachten: • Eigenatmung des Kindes! • Dichtigkeit bzw. Leckage-Entwicklung? ▶ Tipps: ■ • Rasche Kompression bei Verwendung eines Beatmungsbeutels: – Zwischen Daumen und Zeigefinger: ca. 10 cmH2O Druck (cave bis 30 cmH2O). – Zwischen Daumen und 2 Fingern: ca. 20 cmH2O Druck (cave bis 40 cmH2O). – Zwischen Daumen und 3 Fingern: ca. 30 cmH2O Druck (cave bis 50 cmH2O). ▶ Cave: Nur bei Anwendung eines Manometers (erforderlich) werden die Drücke ■ sichtbar! • Magensonde legen (Magensonde muss offen sein). So kann die in den Magen gelangte Luft entweichen bzw. vorsichtig abgesaugt werden. Cave: Leckage bei Maskenanwendung. • Daher frühzeitig an die Möglichkeiten der nicht-invasiven Beatmung/RachenCPAP/Nasen-CPAP (S. 223) denken (beide Hände sind frei). ▶ Beachte: ■ • Sauerstoffgabe bei Spontanatmung nur mit Mischer korrekt. Bei O2-Vorlage mit Beatmungsbeutel kommt der O2 aus der „Gänsegurgel“ und nicht aus der Maske. Jede O2-Anwendung erfordert eine SpO2-Überwachung! • Die Lungenmechanik kann sich sukzessive verschlechtert haben, – obwohl die Blutgase noch ausreichend erscheinen. – Zeichen der respiratorischen Insuffizienz können kaschiert werden. – Die Überblähung des Magens beeinträchtigt die Zwerchfellexkursion und ist ein mechanisches Hindernis für eine adäquate Ventilation (Magensonde legen!). – Mangelnde Entfaltung der Lunge beeinflusst endogenes Surfactantproduktion negativ. – Schleim-, Mekonium- oder Blutreste können die Atemwege obstruieren (paradoxe Atembewegungen). – Länger dauernde Hypoxämie mit erhöhtem pulmonalem Gefäßwiderstand kann zu persistierender fetaler Zirkulation führen, vgl. PPHN (S. 307). ▶ Das Ziel der vorübergehenden Atemunterstützung das Erreichen einer ausreichenden funktionellen Residualkapazität (SpO2/HF-Anstieg), falls ineffektiv: frühzeitige Intubation unter noch stabilen Verhältnissen erwägen!

19

Arbeitstechniken

2

2.2 Nicht invasive Beatmung (NIV)

2.2 Nicht invasive Beatmung (NIV) Proquitté, Rüdiger

Indikation und Durchführung ▶ Indikation: • Kein ausreichender Erfolg mit CPAP. • Überbrückung bis zur Intubation. • zusätzliche Eskalation/Deeskalation nach Beatmung [E4] möglich. ▶ Mögliche Vorgehensweisen: • NIV mit Maske/Binasalen Prongs • Rachen-CPAP und Rachen-IPPV: Tubusplatzierung so, dass Spitze bei Betrachtung der Pharynx mit Spatel eben noch sichtbar ist (ggf. unter Sicht): Erfahrungsgemäß 3,5 cm (500 g) bis 6 cm (4 000 g) am Nasenflügel. • Rachen-HFOV ▶ Cave: Alle Verfahren können zur Überblähung des Magens führen ■

2.3 Intubation Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Primäre Intubation: • Mekonium- (S. 219) oder Blutaspiration. • Zwerchfellhernie (S. 149), Bauchwanddefekte. • Hydrops fetalis (S. 146). ▶ Je nach Situation: • FG ≤ 26. SSW in der Regel frühzeitig, bei respiratorischem Versagen ggf. noch im Kreißsaal. • FG ≥ 27. SSW entsprechend klinischer Situation. • FG > 29. SSW ggf. frühzeitige Intubation bei schwerer resp. Insuffizienz (cave PPHN)! • Anhaltende pH-wirksame (pH < 7,20) CO2-Retention > 60 mmHg (art./kap.) trotz Maskenbeatmung oder CPAP (PPHN!). • Meist bei schweren Schockzuständen (Infektion, Volumenmangel usw.). ▶ Beachte: Wahl des Tubus (mit/ohne Surfactant-Adapter). ■

Praktisches Vorgehen ▶ Überbrückung durch Maskenbeatmung (S. 17) bzw. NIV-Beatmung mit ET-Tubus, bis eine ausreichende Sauerstoffsättigung erreicht ist. Durch Verschluss von Mund und 2. Nasenloch entsteht bei Letzterer eine Situation wie bei Maskenbeatmung. ▶ Masken- und Tubusgrößen: Tab. 2.1 und Tab. 2.2. ▶ Rachen und Magen kurz absaugen. ▶ Analgesie/Sedierung zur Intubation bei selektiver Intubation nach der Erstversorgung (Beispiele): • Morphin 0,05–0,1 mg/kg/ED i. v. (langsame Gabe > 3 min). • Fentanyl 1–3 μg/kg/ED i. v. (langsame Gabe > 3 min). • Thiopental 3 mg/kg KG/ED. • Propofol 0,5 – 1 mg/kg KG/ED • Midazolam 0,1 mg/kg KG/ED. ▶ Cave: Hypotension bei Sedierung! ■ • Krampfanfälle bei Risikopatienten, wie z. B. Frühgeborenen.

20

• Bei Anwendung von Opioiden (Wirkeintritt < 5 Minuten, Wirkmaximum nach 5–15 Minuten, Wirkdauer < 2 h) auf Atemdepression, Thorax-Rigidität/Muskelstarre vorbereitet sein (Muskelrelaxans bereithalten). ▶ Intubation: • Wenn möglich, nasotracheale Intubation, sichere Tubusfixierung. – Bei nasaler Intubation ggf. Tubus über vorgefädelte kleine Sonde einführen (reduziert die Verletzungsgefahr und präformiert den Weg). – Tubusspitze mit Gleitmittel (kindlichem Speichel, besser Gleitmittel oder MCTÖl) anfeuchten und vorsichtig senkrecht durch ein Nasenloch einführen (nie mit Gewalt! Gefahr der Perforation der Lamina cribosa). • Orale Intubation bei Komplikationen (v. a. supra- und infraglottische sowie glottische Verletzungen). • Hierbei entweder Führungsdraht mit der weichen Spitze in Tubus schieben (darf nicht verrutschen, Draht sichern). • Alternativ vorgeschobene Magensonde im Sinne einer Seldingertechnik in Trachea platzieren und Tubus darüber einführen. Nach Intubation Draht/Sonde sofort entfernen. – Kind optimal lagern: Kopf in Mittelstellung und mäßiger Deflexion, den Kopf nicht überstrecken (Schnüffelhaltung). – Laryngoskop immer in die linke Hand. Nicht wechseln! – Spatel über den rechten Mundwinkel einführen, gleichzeitig Zunge nach links abdrängen. – Mit Spitze des Spatels entweder Epiglottis anheben oder Spitze vor der Epiglottis in die Valleculae epiglotticae einlegen. – Epiglottis durch Zug in Griffrichtung anheben, bis die Stimmbänder sichtbar werden. Nicht hebeln (cave Zahnleiste)! – Magill-Zange zum Vorschieben des Tubus zur Hilfe nehmen. – Druck von außen auf den Larynx (Hilfsperson oder kleiner Finger der linken Hand) ermöglicht bessere Sicht auf den Kehlkopfeingang (Sellick-Handgriff, Abb. 2.3). – Tubus durch Stimmbänder einführen, bis die schwarze Markierung gerade noch sichtbar ist. ▶ Tipp: Lässt der Tubus sich nicht transglottisch vorschieben, helfen oft leichte ■ Drehbewegungen mit der Magill-Zange oder außen am Tubus. Manchmal hilft es auch, den Tubus im Larynxeingang (mit oder ohne Magill-Zange) durch leichten Druck zu fixieren und dann den Kopf des Kindes leicht nach vorne zu neigen. Alternativ Magensonde einführen und Seldinger-Technik (s.o). ▶ Entfernen des Laryngoskops: Tubus dabei immer zwischen 2 Fingern an der Nasenspitze, bzw am Mundwinkel festhalten, Zentimetermarkierung ablesen und registrieren. Evtl. Tubus in Höhe des Naseneingangs markieren. ▶ Auskultation unter Beatmung: • Manuell oder Maschine – Letzteres ist „kontrollierter“! • Seitengleiches Atemgeräusch? • Immer auch über dem Magen auskultieren (Fehllage?)! ▶ Tubus mit Pflaster fixieren. Vorher Haut und Tubus entfetten: Am besten Octinedin, nur wenn unbedingt nötig, Benzinverwenden. Cave: Hautirritation. Bei sehr unreifer Haut Streifen aus Hautschutzpflaster unter die Pflasterstreifen kleben. ▶ Cave: Stärkeres Reiben vermeiden. Eine längere Einwirkzeit von Desinfektionsmittel ■ kann zu Verbrennungen führen! ▶ Röntgenkontrolle auf Station: Tubusspitze sollte sich auf TH 2 (zwischen medialen Enden der Klavikula) projizieren.

2 Arbeitstechniken

2.3 Intubation

21

2.3 Intubation

Arbeitstechniken

2

Abb. 2.3 • Technik der Einstellung des Larynx zur Intubation → Zugrichtung.

Abb. 2.4 • Korrekte Tubuslage. Nebenbefund: Pleuradrainagen beidseits.

Komplikationen ▶ Zu langes Absaugen. ▶ Bradykardie oder zu starker Sättigungsabfall: Intubationsversuch abbrechen, dann Tubus nur ein wenig zurückziehen und über Rachentubus – Nase und Mund verschlossen – beatmen. ▶ Zu viel Aufmerksamkeit für die Intubation, zu wenig für das Kind. Immer Herzfrequenz, Hautfarbe und SpO2 im Blick haben, Monitore bieten HF/SpO2-gesteuerte Töne an (Tonhöhe und Frequenz). ▶ Tubuslage zu tief (einseitige Belüftung des rechten Hauptbronchus). ▶ Zeichen einer Fehlintubation in den Ösophagus (Abb. 2.5): • Geblähtes Abdomen. • Kind ist nicht rosig. • Bradykardie bzw. Herzfrequenz steigt nicht an. • Kein Atemgeräusch über der Lunge, insufflierte Luft über dem Magen hörbar. • Thorax hebt sich nicht trotz adäquaten Drucks. • Im Zweifelsfall lieber extubieren oder Larynx einstellen und Lage kontrollieren, als zu lange versuchen, falsch intubiert zu beatmen! • Falls Kapnografie verfügbar: kein etCO2-Nachweis. Cave: im Kreißsaal vor Lungenentfaltung oder bei Kreislaufinsuffizienz (Bradykardie) oft falsch negativ! ▶ Cave: Pneumothorax oder tracheale Fehlbildung können die gleichen Symptome ■ verursachen!

Tipps zur Technik bei schwieriger Intubation ▶ Bei schwieriger oder unmöglicher nasaler Intubation zeitnah orale Intubation durchführen. ▶ Immer Larynxmaske als alternative Möglichkeit der Sicherung des Atemwegs bereithalten. ▶ Tubus kurz in den Eisschrank legen, damit er etwas härter wird. ▶ Bei Pierre-Robin-Sequenzen die Zunge mit einer Zange vorziehen und festhalten (Sicht). ▶ Bei Tumoren im Pharynx- und Larynx ggf. modifizierten Metallblasenkatheter („Lebensretter“) oder (bei ausreichender Übung) Larynxmaske verwenden. ▶ Sofern verfügbar, endoskopische Intubation (bei Pierre-Robin-Sequenz oder Halstumoren hilfreich). ▶ Tubuslage bei oraler Intubation: • Tubuslänge bis zur Lippe = 6 cm + kg KG. • Bei Gewicht < 800 g: 5 – 5,5 cm Gesamtlänge. 22

2 Arbeitstechniken

2.3 Intubation

Abb. 2.5 • Fehlintubation: Tubus lateral der Trachea. Tubus und Magensonde im Ösophagus. Magenblase distendiert, Lunge nicht ventiliert.

Tab. 2.2 • Länge (Nasensteg-TH 2) und Innendurchmesser (ID) von Tubus und Absaugkatheter. Gewicht des Kindes (g)

Tubuslänge (cm)

Tubusgröße (ID in mm)

Absaugkatheter (Farbe)

500

7,0

2,5 (2,0)

grün (transparent)

750

7,5

2,5

grün

1000

8,0

2,5

grün

1250

8,5

2,5

grün

1500

9,0

2,5

grün

1750

9,5

2,5

grün

2000

10,0

3,0

grün

2500

10,5

3,0

grün

3 000

11,0

3,0

grün

3 500

11,0

3,5

blau

4 000

11,5

3,5

blau

23

Arbeitstechniken

2

2.3 Intubation

Extubation ▶ Voraussetzung: • Kind ist beim Absaugen stabil. • Möglichkeit der Reduktion von: – PIP bzw. MAD. – Oszillation bei HFOV. – Beatmungsfrequenz ≤ 25. • FiO2, ist die meiste Zeit < 0,3. • Trachealsekret ist nicht stark vermehrt bzw. kann abgehustet werden. • Im Zweifelsfall lieber Extubation und eine Reintubation riskieren. Ziel: Intubationszeit möglichst kurz halten. ▶ Praktisches Vorgehen: • Blutgasanalyse vor Extubation (fakultativ). • Kind ca. ½ h vor der nächsten Mahlzeit extubieren. • Magen und Tubus gut absaugen (ggf. Trachealsekret in Bakteriologie). • Extubation, danach meist CPAP oder NIV (idealerweise binasal mit Prongs oder Nasenmaske, alternativ mononasal als nasopharyngealer CPAP), da verminderte Reintubationsrate [E4]. ▶ Beachte: Intubiertes Kind nicht am CPAP (ohne Druckunterstützung) belassen, da ■ abhängig von der Tubusgröße (besonders bei Größe 2,0) sehr belastend für das Kind [E1a]. Ein kurzer erfolgreicher Test am CPAP (1–2 min) weist auf eine erfolgreiche Extubation hin!

Tubuswechsel ▶ Indikation: • Anzeichen einer Obstruktion: – Atemgeräusch ist nicht, kaum oder nur einseitig auskultierbar. – Anstieg von pCO2, Abfall von pO2. – Achtung: bei Ventilmechanismus: Anstieg von pCO2 und pO2! Es fehlt v. a. der exspiratorische Anteil. – Fehlende Flowkurve am Beatmungsgerät (Stephanie, Leonie plus, VN 500, ServoI) bei Tubusobstruktion. Fehlt nur der exspiratorische Anteil, erfolgt über den freien Tubus eine Inspiration, aber keine Exspiration. Dann ist das Kind nicht endotracheal intubiert oder es liegt ein massives exspiratorisches Tubusleck (selten) vor (Abb. 2.6). ▶ Cave: DD Pneumothorax! ■ • Tubusleck > 50 – 60 %: größeren Tubus verwenden. • Wechsel von oro- zu nasotrachealer Tubuslage. ▶ Praktisches Vorgehen: • Zunächst Tubus und Magen absaugen! ▶ Beachte: Wenn sich nichts absaugen lässt, Tubus mit liegendem Absaugkatheter ■ und unter laufender Saugung entfernen. Oft lässt sich nur so ein tiefer liegender Schleimpfropf entfernen! • Maskenbeatmung. • Falls alter Tubus defekt, zu kurz oder zu dünn: Neuen Tubus durch freies Nasenloch einführen, mit Magill-Zange fassen und simultan alten Tubus ziehen (lassen) und den neuen einführen. ▶ Tipp: Die Umintubation lässt sich auch über eine im Tubus liegende Magensonde ■ leichter durchführen: Ansatz der Magensonde abschneiden, Magensonde in Tubus legen (Spitze der Magensonde in der Trachea). Alten Tubus sofort ziehen und neuen Tubus auf Magensonde auffädeln und unter Sicht (Laryngoskop) in die Trachea vorschieben. • Sedierung für das Procedere s. o. 24

PMAX PMITT PEEP

21 8.2 4.8

V° VTE

.00 0.0

f Insp/% FI02 TEMP

60 35

21 32

R C

PNT

Min.-Volumen tief 30

p mbar

S T E 20 P H A 10 N I 0 E

c 0

V

6

S-IMV

1

c

c

2

3

2 Arbeitstechniken

2.4 Surfactantgabe

c ts

4

V’ l/min

4

2 2 . 1 0 4 –2

–4 –6 0

1

ts

2

Abb. 2.6 • Monitorbild am Stephanie-Respirator unmittelbar nach unbeabsichtigter und klinisch nicht offensichtlicher Extubation. Fehlen eines exspiratorischen Flows, der sich unterhalb der Nulllinie darstellen müsste. Zwischen den inspiratorischen Atemhüben Fortbestehen eines großen Leckflows von etwa 2 l/min.

2.4 Surfactantgabe Proquitté, Rüdiger

Indikation und Durchführung ▶ Indikationen: • Nicht beatmete FG (bzw. FG unter NIV-Beatmung) mit zunehmender RDS-Symptomatik (Dyspnoe, PEEP- und FiO2-Bedarf ansteigend), path. Silverman-Index (Tab. 5.3), s. Leitsymptom Dyspnoe (S. 109): FiO2 > 0,3 < 26 SSW, FiO2 > 0,4 ≥ 26 SSW. • FG, sofern innerhalb der ersten 48 h beatmet. • Mekoniumaspirationssyndrom (S. 219) in verdünnter Form (1:10) wird diskutiert. • Schweres ARDS eines Reifgeborenen (ebenfalls in der Diskussion). ▶ Mögliche Techniken: • Konventionelle Applikation nach Intubation (S. 20) und ggf. vorheriger Röntgenkontrolle. • Intubation, Surfactant-Gabe, Extubation zu CPAP (InSurE-Prozedur), Vorgehen s. Intubation (S. 20). • Surfactant-Gabe unter Spontanatmung mit CPAP über tracheal platzierter Sonde, die unmittelbar nach Surfactant-Gabe entfernt wird: less invasive surfactant administration (LISA)-Technik. ▶ Durchführung: • SpO2-Sonde an der rechten Hand (präduktal), Überwachung der HF (QRS-Ton hörbar!). • Richtig lagern (Rückenlage), Nasen-Rachen-Raum kurz absaugen. 25

Arbeitstechniken

2

2.5 Legen einer Magensonde

• Sonde auf Tubuslänge steril kürzen oder Sonden-Einführtiefe (s. u.) markieren • adäquate Dosierung vorbereiten (überschüssiges Surfactant wird nicht verworfen): – Alveofact: 2,4 ml/kg KG = 100 mg/kg KG. – Curosurf : 1,3 –2,6 ml/kg KG = 100 –200 mg/kg KG. – Survanta : 4 ml/kg KG = 100 mg/kg KG. – Bei ARDS (z. B. Sepsis, MAS) kann eine höhere Dosis von 200 mg/kg KG sinnvoll sein. • Nach Intubation: Applikation des Surfactant im Bolus über Magensonde oder zusätzlichen Tubuszugang über ca. 1 min, InSurE (Intubation, Surfactant, Extubation) anstreben [E4]. Über einen Tubus mit Adapter können Surfactant (selten auch bei reifen Kindern nötig) und Medikamente appliziert werden. Der Adapter erhöht die Resistance des Tubus (v. a. bei kleinen Tuben ≤ 2,5) nur geringfügig. • Bei nicht intubierten Kindern mit ausreichendem Atemantrieb statt InSurE auch LISA (less invasive surfactant administration) möglich [E4]. – Applikation von CPAP binasal oder mononasal, Stabilisierung des Kindes. – Intubation (wenn möglich nasal, da einfacher als oral) einer dünnen Sonde (alternativ Nabelkatheter oder ZVK Ch 5.0) mit zentraler Öffnung. Seitliche Ausgänge bergen die Gefahr der nicht trachealen Applikation. – Einführtiefe distal der Stimmband-Ebene abhängig vom Alter des Kindes: ca. 1,0 cm (< 26 SSW), ca. 1,5 cm (27–28 SSW), ca. 2,0 cm (29–32 SSW). – Erhöhung von PEEP (meist 8 cm H2O) und Flow (bis zu 18 l/min), um Rückfluss aus der Trachea zu reduzieren [E1b]. – Surfactant über ca. 2–4 min langsam applizieren, dann Sonde sofort entfernen. • Fortsetzung von CPAP binasal oder mononasal • Applikation von Koffein noch im Kreißsaal erwägen (steigert Atemantrieb: v. a. bei InSurE/LISA).

2.5 Legen einer Magensonde Indikation und Durchführung Proquitté, Rüdiger ▶ Indikation: • Enterale Ernährung, vor allem bei sehr unreifen Neugeborenen mit Unreife des Schluckens, Erbrechen infolge von Transportstörung, Stenose (z. B. Ösophagusund Duodenalatresie, Volvulus, Mekoniumileus), nekrotisierender Enterokolitis u. a. • Verabreichung von Medikamenten. • Bauchwanddefekte wie Omphalozele und Gastroschisis. • Nach Intubation und Maskenbeatmung. ▶ Ausrüstung: Magensonden, Spritze (5 ml), Stethoskop, steriles Wasser, Handschuhe, Pflaster zum Fixieren. ▶ Vorgehen: • Monitoring von Herz- und Atemfrequenz. • Kind in Rückenlage, Kopf leicht hochgelagert. • Abschätzen der Länge: Mund bis Xiphoid oder 2 × Ohr-Nase-Abstand. • Befeuchten der Sonde mit kindlichem Speichel, NaCl 0,9 % oder Aqua. • Einführen der Magensonde nasal (Standard) oder oral (vor allem bei gehäuften Apnoen). • Lagekontrolle: Einblasen von etwas Luft und Auskultation über Magen und/oder Aspiration von Mageninhalt. Luft wieder abziehen. • Beziehung zwischen korrekter Einführlänge und Körpergewicht bei orogastraler Lage siehe Tab. 2.3. 26

• Fixieren der Magensonde. • Ggf. Röntgenkontrolle. Bei Röntgen-Thorax Magensondenlage mit überprüfen. ▶ Komplikationen: • Apnoe, Hypoxämie und Bradykardie beim Legen, aber auch später durch Blockade der nasalen Atemwege → orale Lage der Magensonde. • Perforation von Lamina cribosa (mit kranieller Fehllage!), des Ösophagus, des Magens oder Duodenums. • Aspiration durch Fehllage der Magensonde in der Trachea (Würge- oder Hustenreiz fehlt oft).

2 Arbeitstechniken

2.6 Gefäßzugänge

Tab. 2.3 • Beziehung zwischen korrekter Einführlänge einer Magensonde (orogastrale Lage) und Körpergewicht. Gewicht (in g)

Einführlänge (in cm)

< 750

13

750 – 999

15

1000 – 1249

16

1250 – 1500

17

2.6 Gefäßzugänge Proquitté, Rüdiger

Vorbemerkungen ▶ Streng sterile Bedingungen sind unabhängig von der Art des Zugangs immer zu gewährleisten. ▶ Wichtig: Desinfektion mit Octenidin (1 min Einwirkzeit (S. 288) beachten). ■ • Bei sehr unreifen Kindern können durch Desinfektion oder Druck Hautverletzungen generiert werden, daher keinen Alkohol verwenden. • Bei allen zentralen Zugängen immer sterilen Kittel, Haube und Mund-NasenSchutz verwenden. • Immer sterile (talkumfreie) Handschuhe und sterile Abdeck-Lochtücher/Kompressen verwenden. ▶ Kathetersets erleichtern und verkürzen die Vorbereitung. Erforderliches Material incl. Nahtset (z. B. Ethibond 3 – 0 /4 – 0 oder Dagrofil USP 2/0, metric 3) auf einem steril abgedeckten Wagen vorbereiten. ▶ Gute Lichtverhältnisse sind wichtig! ▶ Kind geeignet lagern und warm halten, ggf. mit Plastikfolie abdecken. ▶ Erforderliche Katheterlänge vor dem Legen des zentralen Zugangs abmessen. ▶ 2 Personen zum Legen des Zugangs am Patienten. ▶ Ggf. Ultraschall bereithalten (mit sterilem US-Gel), falls US-gestützte Punktion. ▶ Beachte nach jedem Legen: Katheter nur zurückziehen, nicht vorschieben (Sterilität!). ■ Katheter ggf. lieber neu legen. ▶ Die Indikation zum Legen, aber auch Belassen eines jeden Zugangs täglich hinterfragen. Besonders bei VLBW/ELBW wurden gemäß KISS-Statistik i. v.-Zugänge (unabhängig ob PVK oder ZVK) als häufigster Prädiktor für Blutstrominfektionen identifiziert.

Nabelkatheter ▶ Beachte: Die Indikation ■

für Nabelarterienkatheter (NAK) und Nabelvenenkatheter (NVK) ist bei einer anstehenden abdominellen OP sehr streng zu stellen. ▶ Blutversorgung/Anatomie: Abb. 2.7. 27

Arbeitstechniken

2

2.6 Gefäßzugänge

a

Truncus coeliacus Nierenarterie A. iliaca communis

Th 12

L4

A. mesenterica superior A. mesenterica inferior

Umbilicalarterien A. iliaca interna

Ductus venosus Pfortader

V. cava inferior

Nabelvene

b Abb. 2.7 • Blutversorgung. a arterielle Versorgung; b venöse Versorgung.

▶ Vorbereitungen: • Nabelkatheterset richten: – Spritzen (1, 2 und 5 ml), 2–3 Dreiwegehähne (1x rot für den NAK, 1–2x blau für den NVK). – Nabelkatheter 3,5 oder 5 Ch, NVK ggf. doppellumig bzw. dreilumig. – Skalpell, Nahtmaterial und Nabelbändchen. – Feine Pinzetten (anatomisch und chirurgisch) und spitze Splitterpinzette (wichtig!). – NaCl 0,9 % (auf Station je nach Gerinnungswert NaCl 0,45 % + Heparin 1 IE/ml) als Spüllösung. • Lagerung: Kind in Rückenlage lagern und warm halten (Kinder < 1000 g in Plastikfolie einhüllen). • Katheterlänge ermitteln: Siehe Abb. 2.8. Beachte: Nabelschnurrest muss zur ermittelten Länge addiert werden. ▶ Haut um Nabel mit sterilem durchsichtigem Lochtuch abkleben: Lochtuch dafür halbieren und rechts und links dicht des Nabels platzieren. Bei sehr unreifen FG Plastikfolie bis dicht an den Nabel legen und dann das sterile Lochtuch rechts und links auf die Folie kleben. ▶ Desinfektion: Octenidin verwenden (Nekrosenbildung bei 70 % Alkohol). Beides nie auf die unreife Haut von FG sprühen (Auskühlung und Verbrennung), nur Nabelschnur desinfizieren. 28

22,5

2 Arbeitstechniken

Katheterlänge (in cm ab Nabelring)

2.6 Gefäßzugänge

20,0 17,5 15,0 12,5 10,0 7,5

NAK BWK 6 – 10 NVK bis Zwerchfell NAK LWK 3 – 4

5,0 2,5 0,0 0,0

0,5

1,0

1,5

2,0 2,5 3,0 3,5 Geburtsgewicht (kg)

4,0

4,5

5,0

Abb. 2.8 • Nabelkatheterlänge (in cm ab Nabelring).

▶ Nabelbändchen um Nabelschnur ca. 0,5 cm oberhalb der Haut (nicht um Hautnabel) legen. ▶ Durchtrennen der Nabelschnur mit Skalpell ca. 1 cm oberhalb des Bändchens (Abb. 2.9); bei Blutung Bändchen fester ziehen. Alternativ bereits vor Durchtrennung Tabaksbeutel-Naht anlegen. ▶ Gewünschte Lage: • NAK-Spitze: Bevorzugt oberhalb des Zwerchfells (BWK 10) [E1]. Alternativ Unterkante LWK 3. • NVK-Spitze: Knapp unterhalb des Zwerchfells in der V. cava inferior. ▶ Die weitere spezielle Vorgehensweise wird weiter unten unter dem jeweiligen Nabelkathetertyp beschrieben. ▶ Komplikationen: • Infektion: Nur durch strikt steriles Arbeiten, gutes Fixieren der Katheter (Luftknoten nicht locker) und möglichst kurze Verweildauer (Indikationsstellung täglich überdenken) zu vermeiden. • Vasospasmen bei Nabelarterienkatheter (NAK): Ständig Kontrolle der Durchblutung der unteren Extremität (Zehen, daher nie Socken anziehen!). Zu hohe Lage des NAK kann zu Stenosen der Nierenarterien mit Hypertension führen. • Durchblutungsstörung der Glutealregion und der unteren Extremität.

Nabelarterien Nabelvene

1 cm

Nabelbändchen

Nabelvene Nabelarterien Abb. 2.9 • Vorbereitung zum Legen eines Nabelkatheters.

29

Arbeitstechniken

2

2.6 Gefäßzugänge

• Thrombosen bei Nabelvenenkatheter (NVK): bei Lage des NVK in der Pfortader nur isotone Lösungen oder Blut infundieren. Bei Pfortaderthrombose Entwicklung einer portalen Hypertension und Ausbildung von Ösophagusvarizen! ▶ Beachte: Ein NVK in der Leber (meist in der linken Lebervene) ist nur bei vitaler ■ Indikation eines Austauschs akzeptabel oder für Volumengabe im Schock. • Dislokation: Katheter immer fixieren (annähen, Klammerpflaster). Katheterlänge ab dem Eintrittspunkt in die Haut dokumentieren, muss in jeder Schicht kontrolliert werden. Bei NAK immer Druckmessung mit Alarm (Dislokation führt zum Alarm!). Im Zweifel bei noch ausreichend verbliebener Restlänge röntgenologische oder sonografische Lagekontrolle. • Blutungen aus dem Katheter oder bei Dislokation: Zentrale Katheter immer fixieren. Bei Transport stets Katheter im Auge behalten und, wenn nicht benutzt, Dreiwegehahn zum Kind schließen. • Iatrogene Anämie: Ein NAK verleitet zu häufigen Blutabnahmen. Indikation für Abnahmen daher streng stellen; außerdem wird zusätzliche Flüssigkeit zugeführt.

Nabelarterienkatheter (NAK) ▶ Einlumiger NAK mit zentralem Endloch (geringere Thrombosegefahr). ▶ Indikation: • In der Regel Frühgeborene < 30. SSW / < 1500 g. • Kontinuierliches arterielles Blutdruckmonitoring. • Blutgasanalysen (v. a. beatmete Kinder mit O2-Bedarf) oder Blutentnahmen. • Austauschtransfusion. • Schweres RDS beim Frühgeborenen > 30. SSW /Termingeborenen. • Mekoniumaspirationssyndrom (MAS). • Asphyxie. • Schock. • Hydrops fetalis. • Kongenitale Zwerchfellhernie (CDH = congenital diaphragmatic hernia). • Chylothorax. ▶ Praktisches Vorgehen: • Um die Infektionsgefahr zu reduzieren, möglichst sofort (< 2 h) post natum legen. • Anatomische Orientierung: 2 weiße, dickwandige und enge Gefäße (nur eine Nabelarterie ist aber auch möglich, Abb. 2.10)! • Nabelstumpf möglichst wenig berühren. Irritation der Nabelarterien kann zum Vasospasmus führen und die Katheterisierung erschweren.

30

Abb. 2.10 • Bougierung einer Nabelarterie.

• Lumen mit einer Branche der Irispinzette durch rotierende Bewegung vorsichtig bis in 0,5 cm Tiefe weiten. • Katheter vorsichtig einführen und vorschieben. Keine Via falsa bohren! ▶ Beachte: 2 Engen sind zu überwinden: ■ – am Nabelbändchen nach ca. 1 cm (kann vorsichtig gelockert werden). – in Blasenhöhe (nach ca. 4 – 5 cm). • Beine, Bauch und Zehen beobachten. Bei Abblassen (Spasmus) anderes Bein wärmen, falls kein Erfolg, Katheter ziehen! Bei Erwärmen der Gegenseite: – Thermoschaden der betroffenen Extremität vermeiden! – Vasodilatation der Gegenseite über indirekten Effekt (nach 5 – 15 min). • Bei Misserfolg 2. Versuch über die andere Nabelarterie; evtl. andere Person („neue Hand, neues Glück“). • Blutaspiration zur Überprüfung der richtigen Position bei Erreichen der ermittelten Markierung (Anhaltswerte s. Abb. 2.8). • Katheter annähen (Tabaksbeutelnaht um Nabelstumpf, Luftknoten 1 cm distal, um Katheter knoten), gut fixieren! • Röntgenkontrolle (Thorax und Abdomen in einer Aufnahme): Lage NAK-Spitze s. o. und Abb. 2.8. ▶ Infusion über NAK: ▶ Cave: Initial 0,45 – 0,9 % NaCl-Lösung, Heparin (1 IE/ml) erst bei stabiler Gerin■ nung. • Infusionsgeschwindigkeit: ≥ 0,2 – 0,3 ml/h, damit Katheter durchgängig bleibt. Hinweis: Bedenke Volumenbelastung. • Nur in Ausnahmen (absolut kein venöser Zugang möglich) parenterale Infusion, Medikamente auch über NAK möglich. BZ-Kontrollen dann nicht mehr verlässlich. ▶ Liegedauer: Katheter sollte so kurz wie möglich liegen (Komplikationsrisiko steigt bei > 5 Tagen) [E2].

2 Arbeitstechniken

2.6 Gefäßzugänge

Nabelvenenkatheter (NVK) ▶ Indikation: • Notfallzugang für Flüssigkeitszufuhr und Medikamentengabe. • Zentraler Zugang in den ersten Lebenswochen für sehr unreife FG oder sehr kranke NG. • Parenterale Ernährung und Messung des zentralen Venendruckes (ZVD), sofern zentrale Lage in der V. cava inferior. • Austauschtransfusion oder Hämodilution. • Bei (erwartetem) Bedarf: Legen eines Zwei-/Dreilumen-Nabelvenenkatheter/-ZVK. ▶ Praktisches Vorgehen: • Anatomische Orientierung: Ein dünnwandiges, weitlumiges Gefäß (Abb. 2.11). • Katheterisierung ist bis zu 1 Woche postnatal möglich (cave Infektionsgefährdung, s. a. NAK). • Katheter (3,5 – 5 Ch oder größer) vorsichtig bis zur Markierung (Abb. 2.8) einführen. • Bei federndem Widerstand Katheter etwas zurückziehen und unter Drehung wieder vorschieben. Evtl. Katheter belassen und zweiten Katheter parallel über die Vene vorschieben. ▶ Cave: Fehlposition in der Portalvene oder einer Lebervene (Risiko für Pfortader■ thrombose). • Blutaspiration zur Überprüfung der richtigen Position bei Erreichen der ermittelten Markierung (Anhaltswerte: Abb. 2.8). Immer soweit zurückziehen, bis Blutaspiration möglich. • Katheter annähen (s. NAK)! Gefahr der Dislokation bei mangelnder Fixierung.

31

2.6 Gefäßzugänge

Arbeitstechniken

2

Abb. 2.11 • Nabelvenenkatheteranlage.

• Anhängen einer isotonen Spüllösung (ca. 0,5 ml/h) bzw. kleinste manuelle Bolusgaben. • Röntgenkontrolle (Thorax-Abdomen-Übersicht/Sonografie!): Lage s. o. und Abb. 2.8. ▶ Liegedauer: ▶ Beachte: Ein Nabelvenenkatheter sollte möglichst kurz liegen. ■ • Anstieg des Infektionsrisikos bei Verweildauer > 7 Tage. Wenn begründet, kann er aber auch länger liegen.

Peripher-venöser Zugang ▶ Hinweis: Peripher-venöse Zugänge zu legen erfordert insbesondere bei sehr unrei■

fen oder sehr pastösen Neu-/Frühgeborenen ein hohes Maß an Erfahrung, ist aber letztlich nur Übungssache. ▶ Indikationen: I. v.-Applikation von Medikamenten und Infusionen. ▶ Vorbereitung: Desinfektionsmittel, Handschuhe, Kanüle, Infusionsanschlüsse, Pflaster richten. ▶ Praktisches Vorgehen (Abb. 2.12): • Bevorzugte Punktionsstellen: Am Kopf (Narben sind später nicht mehr zu sehen), alternativ an der Hand oder am Fuß, evtl. auch in der V. jugularis externa. ▶ Cave: V. cubitalis und V. saphena unbedingt für Silastikkatheter schonen! ■ • Nur kurz stauen, von Pflege oder Kollegen helfen lassen. • In der Regel keine Lokalanästhesie.

Plastikverweilkanüle Vene

15°

Abb. 2.12 • Peripher-venöser Zugang.

32

• Haut ausreichend spannen, aber nicht so viel, dass die Vene kollabiert. • Flach (oft < 30°) einstechen und noch etwas im Gefäß vorschieben bzw. Plastikverweilkanüle über die Nadel hinwegschieben. • Gut mit sterilem Pflaster fixieren. Je nach Lokalisation und Kind ggf. mit einer Schiene stabilisieren (aber cave Druck!). ▶ Komplikationen: • Infektion: Streng steril arbeiten und täglich Indikation überdenken! • Blutung bzw. Hämatom durch Penetration der Venenwand. • Paravasate: Prävention durch Ruhigstellung (Schiene) in Gelenknähe umstritten (Fehlstellung!). • Venenentzündung z. B. bei Infusion von hypertonen Lösungen, Antibiotika. • Thrombosen: Klinische Zeichen sind Rötung, Verhärtung, Schmerzhaftigkeit, Umgehungskreisläufe.

2 Arbeitstechniken

2.6 Gefäßzugänge

Peripher-arterieller Zugang ▶ Indikationen: • Wiederholte arterielle Blutentnahmen für Blutgaskontrollen. • Überwachung des arteriellen Blutdruckes. • Sehr selten Messung des Herzzeitvolumens (cardiac output) mit Farbstoffverdünnungstechnik. ▶ Vorbereitung: Kanülen (Plastik-Verweilkanüle meist 22 oder 24 G), Infusionsanschlüsse, Pflaster, sterile Handschuhe. Cave: Druckfeste Schläuche ohne Rückschlagventil verwenden. ▶ Praktisches Vorgehen: • Immer zu zweit durchführen! • Bevorzugte Punktionsstelle: A. radialis. – Alternativ: A. dorsalis pedis, in Ausnahmefällen A. femoralis (A. brachialis). – Obsolet: A. carotis. • Arterien-Puls tasten. • Allen-Test zur Überprüfung eines ausreichenden Palmarkollateralkreislaufs: A. radialis durch Druck verschließen → Perfusion der Finger muss durch A. ulnaris gesichert sein. • Strenge Desinfektion mit Octenidin. • In der Regel keine Lokalanästhesie. • Haut ausreichend spannen und Hand dorsal flektieren. • Flach (oft < 20°) einstechen: Je unreifer das Kind, desto flacher der Punktionswinkel (Arterie liegt direkt unter der Haut). Nadel noch etwas im Gefäß vorschieben bzw. Plastik-Verweilkanüle über die Nadel hinwegschieben. • Punktion ohne aufgesetzte NaCl-Spritze, auf Pulsationen (zurückströmendes Blut) achten. • Kaltlicht: Bei Kindern < 3 000 g gelingt häufig die Darstellung der Arterie mit Kaltlicht: Von dorsal durch das Handgelenk hindurchleuchten → Arterie pulsiert. Verringert die Gefahr der Fehlpunktion. • Seldinger-Technik: Bei Neu-/Frühgeborenen zwar möglich, wegen kleiner Arterien aber unüblich (größere Gefahr der Gefäßwandverletzung). • Zugang gut fixieren, je nach Lokalisation und Kind mit Schiene (aber cave Druck). • Beim Anschließen (nur Schraubverschlüsse) alle Verbindungen auf Dichtigkeit prüfen. An Druckaufnehmer anschließen (überwacht den Druckpuls, bei Fehlfunktion zunehmend kleinere Amplitude bei weitgehend gleichem Mitteldruck) und kontinuierlich spülen (0,5 – 1 ml/h). ▶ Wichtig: Indikation des arteriellen Zugangs ständig überprüfen (FiO2-Bedarf, Be■ atmungssituation, Kontrollabnahmen). ▶ Komplikationen: • Ischämie der Finger oder Zehen (Minderperfusion im Schock). • Blutung/Hämatom an der Punktionsstelle: Zugang entfernen, Druckverband. 33

Arbeitstechniken

2

2.6 Gefäßzugänge

• Rückfluss von Blut ins System: System auf Dichtigkeit überprüfen. • Retrograde Embolisation (Durchblutungsstörungen): ▶ Cave Luftblasen, Gerinnsel. Grundsätzlich gilt: Im Zweifelsfall peripher-arteriellen ■ Zugang immer entfernen!

Zentraler Venenkatheter (ZVK) ▶ Hinweis: Das Legen eines ZVK erfordert insbesondere bei sehr unreifen oder pastö■

▶ ▶





sen Neu-/Frühgeborenen ein hohes Maß an Erfahrung. Letztlich ist auch das nur Übungssache, birgt aber deutlich mehr Gefahren als das Legen eines peripher-venösen Zugangs. Indikationen streng abwägen! Anatomie: Abb. 2.13. Indikationen: • Zu erwartende lange dauernde parenterale Ernährung. • Zentrale oder sichere Applikation von Medikamenten (z. B. Katecholamine) und hyperosmolaren Infusionslösungen. Fakultativ bei Hyperinsulinismus und zur Applikation von Prostaglandin E. • Messung des zentralen Venendruckes (ZVD) in Vorbereitung größerer kardiochirurgischer oder kinderchirurgischer Operationen. • In Ausnahmefällen als venöser Zugang für Notfallsituationen. Kontraindikationen (fakultativ nach Abwägen des Risikos): • Schwere Gerinnungsstörungen, evtl. antikoagulative Therapie. • Ausgeprägtes pulmonales Emphysem oder Deformitäten des Thorax (v. a. relevant für V. subclavia), frische Klavikulafraktur. Praktisches Vorgehen: • Bevorzugte Punktionsstellen: V. jugularis interna rechts oder V. femoralis beide Seiten (Abb. 2.14). Selten V. subclavia (beide Seiten; birgt die meisten Risiken). • Streng steriles Arbeiten sicherstellen (s. o.). • Zumeist Seldinger-Technik nach Punktion des Gefäßes mit aufgesetzter NaCl-Spritze. • Wenn Blut zurückläuft oder aspirierbar ist, Nadel mit einer Hand fixieren, Spritze entfernen. Merke: Dabei die Nadel nicht mit aus dem Gefäß herausziehen. • Seldinger-Draht einführen: Zwischen 5 cm (V. jugularis interna, V. subclavia) und 15 cm (V. femoralis) vorschieben und anschließend Nadel über den Draht entfernen. Draht immer nachführen, nicht herausziehen! Cave: Bei zu tiefem Einführen besteht die Gefahr der Myokardverletzung! Auf EKG achten (Rhythmus). • Jetzt Dilatator über den Draht hinweg mit drehenden Bewegungen in das Gefäß einführen. Man muss deutlich fester drücken, und es kann aus der Einstichstelle vermehrt bluten.

M. scalenus anterior

Klavikula

V. jugularis interna

A. subclavia V. subclavia

Lunge

1. Rippe

Brustbeinausschnitt 34

Abb. 2.13 • Anatomische Lage von V. subclavia, A. subclavia und V. jugularis interna.

2.6 Gefäßzugänge

Punktionsnadel

Arbeitstechniken

M. sternocleidomastoideus Kehlkopf

V. jugularis interna

2

V. subclavia V. jugularis externa

Abb. 2.14 • Punktionsorte für ZVK (V. jugularis interna und V. subclavia).

Punktionsnadel

Klavikula

• Dilatator bei liegendem Draht wieder entfernen, den vorher gefüllten Katheter auf den Draht auffädeln und in das Gefäß einführen. Bei Neu-/Frühgeborenen ist dazu meist keine Stichinzision notwendig. • Rückläufigkeit aller Lumina durch Aspiration von Blut überprüfen. • Katheter immer annähen und mit der Halterung fixieren. • Immer Röntgenkontrolle. • Täglich Verbandwechsel. • Indikationen zum Belassen des ZVK täglich überprüfen und streng stellen. ▶ Komplikationen (unmittelbar): • Hämatom, Nachblutung, Gefäßwanddissektion, Luftembolie. • Pneumo-, Hämato-, Infusiothorax oder -perikard. • Einführen des Drahtes in ein falsches Gefäß (z. B. V. jugularis interna bei Subklaviapunktion). • Myokardverletzung bzw. -punktion durch den Draht. • Thrombose (Fremdkörper). • Sekundär: Infektion.

Silastikkatheter (Einschwemmkatheter) ▶ Indikationen: • Sicherer Zugang für Flüssigkeitszufuhr und Medikamentengabe (z. B. Prostaglandin E). • Längerfristige parenterale Ernährung oder Antibiotikatherapie. ▶ Vorbereitungen: • Kathetertyp und Länge (Maßband bis vor rechten Vorhof) unter Berücksichtigung der Patientengröße und der maximal benötigten Infusionsgeschwindigkeit auswählen. Kathetermaße s. Tab. 2.4. • Instrumentarium steril richten (S. 27): – Silastikkatheterset auspacken, Katheter überprüfen und durchspülen (NaCl 0,9 %). – Sterile Splitterpinzette oder feine gebogene Pinzette und Spritzen (1 und 2 ml). – Klammerpflaster, Verbandmaterial. – Je nach Kathetertyp ggf. Röntgenkontrastmittel aufziehen. – Desinfektionsmittel in sterile Schale umfüllen.

35

Arbeitstechniken

2

2.6 Gefäßzugänge Tab. 2.4 • Gegenüberstellung der Kathetermaße. French Charrière (Ch)

Gauge (G)

Innendurchmesser (ID, in mm)

1

30

0,3

2

22

0,7

3

20

1

4

18

1,3

5

16

1,7

6

14

2

▶ Praktisches Vorgehen: • Geeigneten Punktionsort suchen: – Genaue Inspektion beider Ellenbeugen. – V. mediana cubiti bzw. V. basilica sind die Zugänge der 1. Wahl. ▶ Beachte: Über die V. cephalica lässt sich der Silastikkatheter oft schlecht vor■ schieben und bleibt meist in der V. axillaris hängen. – V. saphena magna nur im absoluten Notfall benutzen; Gefahr der Klappenschädigung. – V. jugularis externa ebenfalls geeignet. Es blutet aber kräftig aus der Nadel und die Vene rollt häufig weg (Haut sehr gut spannen). – Vv. femorales auch möglich. Cave: Keine blinde Punktion, sondern immer vorher sonografische Darstellung, Blutungsgefahr! • Analgesie mit nicht-pharmakologischen Maßnahmen kombiniert mit Saccharose 30 % p. o. (FG: 0,1–0,2 ml/ED, RG: 0,5–1,0 ml/ED; 2 min vor Prozedur), ggf. zusätzlich EMLA-Creme. Cave: EMLA-Creme lediglich Oberflächenanästhesie, Off-Label-Use bei FG < 37 SSW. Anwendung bei FG oder lange Einwirkungszeit: Hautrötung bis Blasenbildung, Methämoglobinbildung, daher nicht anwenden bei gleichzeitiger Gabe von Met-Hb-Bildner. • Alternativ systemische Analgesie erwägen (s. Tab. 2.6) • Sterile Arbeitsweise (S. 27) • Adäquat stauen, evtl. durch 2. Person (nicht zu fest, um Arterie nicht abzudrücken). • Silastikkatheter (vorher durchspülen!) ca. 4 cm in das Lumen der 19-G-ButterflyNadel einführen. • Vene punktieren (bei Erfolg läuft Blut aus der Butterfly-Nadel zurück). • Butterfly-Nadel gut fixieren und vorsichtig den Silastikkatheter mit der Pinzette bis zur richtigen Markierung (+ 5 cm für die Nadellänge) vorschieben (Abb. 2.15). • Falls Katheter hakt, Nadel bzw. Arm vorsichtig hin- und herbewegen, evtl. Arm durch 2. Person massieren lassen. Alternativ unter Anspülen vorschieben. • Wichtig sind Ruhe und Geduld. • Bei richtiger Katheterlage (Blut ist leicht zu aspirieren): Butterflynadel herausziehen. ▶ Cave: Katheter nicht mit herausziehen. ■ – Blaues Verbindungsstück lösen und Nadel abziehen. – Verbindungsstück wieder schließen (Dichtungsplättchen nicht verlieren!). • Kompression der Punktionsstelle mit sterilem Tupfer, bis die Blutung steht. • Provisorische Pflasterfixation; Verbindungsstück gepolstert am Kind befestigen, um Zug am Katheter zu vermeiden. • Lagekontrolle durch Röntgen-Thorax mit im 45°-Winkel angelegtem Arm. Bei röntgendichten Kathetern ohne Kontrastmittel möglich. Eine Darstellung mit Röntgenkontrastmittel (z. B. 0,2 – 0,5 ml Ultravist 300, 1:1 verdünnt) ermöglicht zwar eine bessere Beurteilung, führt aber zu einer Jodbelastung! 36

c

a

2 Arbeitstechniken

2.6 Gefäßzugänge

b

Abb. 2.15 • Legen eines Einschwemmkatheters: a Einführen des Katheters nach erfolgreicher Punktion. b Vorsichtiges Zurückziehen der Punktionsnadel, dabei Katheter gut fixieren. c Entfernen der Punktionsnadel, hier durch Aufbrechen einer Sollbruchstelle.

▶ Merke: Schilddrüsenwerte 5 und 14 Tage nach KM-Applikation kontrollieren! ■

• Optimale Katheterlage: Katheterspitze projiziert sich bei NG 1 cm, bei FG 0,5 cm außerhalb der Herzsilhouette. Cave: Falls im Röntgen-Thorax Katheterspitze nicht eindeutig sichtbar, Ultraschall durchführen, ggf. Aufnahme mit Kontrastmittel wiederholen. Gefahr eines Infusiothorax und/oder –perikards, besonders bei hyperosmolaren Infusionen. • Infusion anschließen (evtl. auch vorher, wenn leicht Blut zu aspirieren ist). • Punktionsstelle steril mit Klebefolie (z. B. Opsite) oder Klammerpflaster abdecken. ▶ Katheterdefekt: Versuch eines Katheterwechsels mit „reverser Seldinger-Technik“: Unter sterilen Bedingungen neue Verweilkanüle über den Katheter in die Vene platzieren, dann alten Katheter entfernen und Neuen vorschieben. Cave: Hohe Infektionsgefahr, daher Ultima Ratio. ▶ Tipp: Statt der Metallnadel aus dem Silastikkatheterset ist eine Butterfly-Nadel (al■ ternativ eine entsprechende Flexüle) in entsprechender Größe verwendbar. Plastikschlauch zuvor abschneiden. Diese Nadel ist etwas schärfer geschliffen, dafür ist aber auch der Winkel flacher. Entsprechend lässt sich die Vene flacher (Hautniveau!) anpunktieren, man kann sie aber auch leichter durchstechen.

Ultradünne Silastikkatheter ▶ Katheter der Fa. Corotec und Vygon sind bis zu einer Größe von 27 G verfügbar. ▶ Es gibt ein- und zweilumige Katheter. ▶ Vor Verwendung immer prüfen, ob sich der Metallmandrin (falls vorhanden) zurückziehen und ob sich der Katheter durch die gewünschte Verweilkanüle schieben lässt. ▶ Es gibt auch Legesets (Fa. Vygon) mit dünnsten Drähten, die in Seldingertechnik das Auffädeln von entsprechenden Verweilkanülen ermöglichen. ▶ Vorteile: • Sicherer ultradünner zentralvenöser Zugang, besonders bei ELBW-Frühgeborenen mit sehr dünnen Venen, die Punktion mit 19-G-Butterfly nicht zulassen. 37

Arbeitstechniken

2

2.6 Gefäßzugänge

• Der zwei- bzw. einlumige Katheter lassen sich entsprechend durch eine 20-G-(rosa) und eine 24-G-Verweilkanüle (gelb) schieben. Verweilkanüle nach Platzierung des Katheters aus dem Gefäß entfernen und als Schienung des dünnen Katheters an der Hauteinstichstelle belassen. Verweilkanüle unterpolstern und am Patientenarm mit Pflaster fixieren. Auf Knickstellen achten! • Ist je nach Modell mit hauchdünnem, röntgendichtem Metallmandrin ausgestattet. • Lässt sich meist auch von peripher vorschieben. ▶ Nachteile: • Knickt leichter ab. • Kein Volumenzugang: Wegen der geringen Flussrate (je nach Modell und Länge max. 15 – 30 ml/h) lässt sich in kurzer Zeit kein Volumenmangel beheben. Cave: Hoher Widerstand. • Verweilkanüle muss auf dem Katheter aufgefädelt verbleiben, da das Anschlussstück für die Infusion fest verschweißt ist (Blutreste und Sollknickstelle), es sei denn man verwendet eine Sollbruchkanüle (Nachteil: schwerer zu punktieren und vorzuschieben). • Bei reifen Neugeborenen oft nur mit Kontrastmittel darstellbar (sehr dünne Kanüle und viel kindliches Gewebe).

Hickman-Katheter ▶ Im- und Explantation in der Kinderchirurgie. ▶ Indikationen: • Lang dauernde parenterale, hochkalorische Ernährung und Medikamentenapplikation (z. B. Kurzdarmsyndrom, onkologische Therapie). • Zentralvenöser Zugang zur Blutentnahme über einen längeren Zeitraum. ▶ Komplikationen: Infektionen und Verstopfung (Okklusion), daher streng sterile Versorgung und Heparindauerspülung oder -block.

Intraossärer Zugang ▶ Vorbemerkung: Eine Vielzahl von Infusionslösungen inkl. Blutprodukten sowie Medikamenten lassen sich intraossär verabreichen. ▶ Indikationen: Nur im absoluten Notfall (Reanimation) bzw. zur akuten, auch zentralen Gabe von Medikamenten/Infusionslösungen bei Unmöglichkeit, einen venösen Zugang zu legen. ▶ Kontraindikationen (fakultativ nach Abwägen des Risikos): Schwere Gerinnungsstörungen, evtl. antikoagulative Therapie, ausgeprägte Osteopenie (Frakturgefahr). ▶ Praktisches Vorgehen: • Punktion im Bereich der proximalen Tibia, evtl. auch der distalen Tibia oder des Humeruskopfes (Abb. 2.16). • Bein im Kniegelenk strecken und Sandsack unter das Knie legen. • Plane Fläche der Tibia palpieren, Einstichstelle 1 – 3 cm unterhalb der Tuberositas tibiae. • Desinfizieren und steril abkleben (S. 27). • Intraossäre Nadel: Inzwischen hat sich die „bone injection gun“ (BIG; rot = 18 G) durchgesetzt. Senkrecht bis leicht zum Fuß hin abgewinkelt (10 – 15°) aufsetzen (um die Wachstumsfuge nicht zu verletzen) und langsam unter Druck einbohren (kaum schmerzhaft, keine Spaltung des Knochens). EZ-IO-Nadeln (Vidacare), IO-Nadeln (Cook) werden kaum noch verwendet. • Trokar entfernen. Jetzt lässt sich Knochenmark zur Diagnostik aspirieren (klinische Chemie, pCO2, Hb, Blutgruppe, Infektionsdiagnostik). Medikamente bzw. Infusionen anschließen. • Die Nadel mit Pflaster fixieren, um eine Dislokation zu vermeiden. • Max. Liegedauer: 2 Tage. ▶ Tipp: Im Notfall kann auch eine gelbe 19-G-Kanüle verwendet werden. ■ 38

Tuberositas tibiae

Tibiavorderkante

Abb. 2.16 • Intraossäre Punktion.

2 Arbeitstechniken

2.7 Blutentnahme

90° zur medialen Tibiaoberfläche

▶ Komplikationen (unmittelbar): • Infiltration nach subkutan oder subperiostal bei Fehllage (am häufigsten). • Lokale Phlegmone, evtl. Entwicklung eines subkutanen Abszesses. • Gerinnungsaktivierung im Knochenmark (Verlust des Zugangsweges). • Osteomyelitis (sehr selten), Knochenfraktur (Röntgenkontrolle), Kompartmentsyndrom, Nachweis von Blasten im peripheren Blut.

2.7 Blutentnahme Proquitté, Rüdiger

Kapilläre Blutentnahme ▶ Indikation: • Überwachung einer respiratorischen Störung bzw. Beatmung: – pO2 korreliert nicht mit arteriellen Werten und ist somit unzuverlässig. – pCO2 und pH korrelieren einigermaßen mit den arteriellen Werten, vorausgesetzt die Entnahmestelle ist warm und gut perfundiert. – Korrelation mit dem transkutan gemessenen pCO2 überprüfen. • Überwachung einer Hyper- oder Hypoglykämie. • Kontrolle von Bilirubin, CRP oder Blutbild und Differenzialblutbild. • Routine-Stoffwechseldiagnostik (Neugeborenenscreening). ▶ Praktisches Vorgehen: • Hautstelle gut vorwärmen, um die Durchblutung zu verbessern (z. B. warme Umschläge). • Lokaldesinfektion (nach mind. 30 sec. Einwirkzeit Haut mit sterilem trockenem Tupfer abwischen)! • Falls vorhanden, transkutane Messwerte zum späteren Vergleich ablesen. • Am medialen oder lateralen Teil der Ferse tangential zur Fußsohle des Kindes mit der Stechhilfe einstechen. Lieber einmal kräftig zustechen (und zügig das Blut in die Kapillare aufnehmen), als dass man mehrfach stechen muss und das Blut schlechter läuft. ▶ Beachte: Osteomyelitisgefahr! Nicht in Richtung Knochen einstechen, sondern ■ tangential im Gewebe bleiben. • Unter dosiertem Druck das Blut luftblasenfrei in die Kapillare füllen. • Auf ausreichende Blutstillung achten. Eine lokale Vorbehandlung mit durchblutungsfördernden Medikamenten ist insbesondere bei Frühgeborenen nicht erlaubt (cave: Hautverbrennungen). ▶ Tipp: Der Blutfluss ist meistens besser, wenn man den 1. Tropfen (Gewebeflüssig■ keit) trocken abwischt. Die Blutzuckerwerte sind dann auch genauer. 39

Arbeitstechniken

2

2.7 Blutentnahme

▶ Komplikationen: • Infektionen (z. B. Osteomyelitis). • Schlechte Beurteilbarkeit aufgrund von Abnahmeschwierigkeiten, z. B. bei verzögerter kapillärer Fühlungszeit und kühlen Extremitäten. • Hämatome (häufige Abnahmen und/oder verzögerte kapillare Füllungszeit).

Venöse Blutentnahme ▶ Indikation: • Infektionsdiagnostik (z. B. Blutkulturen, CRP, BB, Serologie, ggf. Gerinnung). • Überwachung und Beurteilung einer (teil)parenteralen Ernährung. • Längerfristige Verlaufskontrolle bei enteraler Ernährung (Frühgeborene). • Überwachung und Beurteilung einer Transfusionsbedürftigkeit (oder Z. n. Transfusion) bzw. Polyglobulie. • Evtl. Gewinnung von Blut für spezielle Diagnostik (z. B. Genetik, spezielle Stoffwechseldiagnostik, Enzymdiagnostik). ▶ Praktisches Vorgehen: • Mit der Kanüle (meist 20-G-Nadel = gelb) in die Haut distal des gewünschten Gefäßes einstechen, bei sehr kleinen FG evtl. blaue Kanüle (22 G) einsetzen. • Inzwischen werden spezielle Abnahmekanülen angeboten. • Meist sehr flachen Winkel (10° – 20°) wählen, da die Haut dünn und wenig Unterhautfettgewebe vorhanden ist. • Kanüle langsam (millimeterweise) vorschieben und warten, da das Blut oft langsam in den Konus zurückfließt. Manchmal ist es sinnvoll, die Kanüle zu drehen, da der Schliff dann besser im Gefäß zu liegen kommt. ▶ Beachte: Es ist verboten, den Konus vorher abzubrechen, da hohe Verletzungs■ gefahr für Arzt und Patient. • Blutkultur: Blut mit zweiter, auf 2-ml-Spritze aufgesetzter Nadel aus dem Konus abziehen. Merke: Recht hohe Kontaminationsgefahr; Abnahme mit Butterfly steriler. • Für die Reihenfolge der Abnahme vorab bewusst Prioritäten setzen. Aber Elektrolyte immer vor rotem EDTA-Röhrchen abnehmen (EDTA-Verschleppung). Werte für Blutbild und Gerinnung sind sehr abhängig von abnahmebedingter Aktivierung. Kalium steigt allein durch übermäßiges Komprimieren, CRP oder Kalzium scheinen eher unbeeinflusst. • Ausreichende Blutstillung nach Ende der Abnahme. ▶ Komplikationen: • Hämatome bei Penetration der Venenwand bzw. mangelnder Kompression nach Abnahme. ▶ Cave: Nie V. cubitalis (V. cephalica und basilica) und V. saphena magna für venöse ■ Blutentnahme punktieren (um das Legen eines Silastikkatheters nicht zu verhindern). • Versehentliche Arterienpunktion (v. a. am Kopf: A. temporalis superficialis). • Infektion (extrem selten).

Arterielle Blutentnahme ▶ Indikation: • Überwachung und Beurteilung der respiratorischen Situation: – paO2 ist zuverlässig, um eine Hyperoxämie nicht zu übersehen. – Bei Zentralisation (reduzierte periphere Perfusion) unter Reanimationsbedingungen können paCO2 und pH, im Vergleich zur periph./kap. Bestimmung, zuverlässigere Werte liefern. • Sehr umfangreiche Diagnostik mit großem Blutbedarf, um mehrfache venöse Punktionen zu vermeiden. • Blutgewinnung für spezielle Diagnostik (z. B. Enzymdiagnostik). 40

▶ Praktisches Vorgehen: • Palpation des Pulses und Identifikation der zu punktierenden Arterie. • Allen-Test (S. 33) durchführen. • Einstechen mit der Kanüle (meist 0,6 – 0,8er Nadel = braun/blau) in die Haut, distal des gewünschten Gefäßes (meist A. radialis), ggf. unter Kaltlichtdurchleuchtung (S. 33). • Langsam (millimeterweise) vorschieben, bis das Blut pulsierend zurückschießt. • Ausreichende Blutstillung/Kompression nach Beendigung der Abnahme. ▶ Komplikationen: • Hämatome bei Perforation der Arterie bzw. mangelnder Kompression nach Abnahme. • Gefäßspasmus mit Unmöglichkeit der Blutgewinnung, insbesondere bei gehäuften Punktionen. ▶ Cave: A. femoralis (Gesamtversorgung Bein) bzw. A. brachialis (Gesamtversor■ gung Arm); obsolet: A. carotis (ZNS-Versorgung).

2 Arbeitstechniken

2.7 Blutentnahme

Blutentnahme aus zentralvenösen Katheter (ZVK) ▶ Indikation: • Siehe venöse Blutentnahme (S. 40): Punktion kann vermieden werden. • Polyglobulie vor Hämodilution. ▶ Cave: Zentralvenöser Hämatokrit (z. B. aus NVK), oftmals etwas niedriger als peri■ pherer Hämatokrit. • Beurteilung der arteriovenösen O2-Differenz. ▶ Vorbereitungen: Streng sterile Maßnahme: Mundschutz, sterile Handschuhe, sterile Tupfer, mehrere sterile Spritzen, sterile Unterlage, Desinfektionsmittel und Spüllösung richten. ▶ Praktisches Vorgehen: • Zur Entnahme haben sich kleinere Spritzen (meist 2 ml, kleinerer Sog) bewährt. • Prioritäten vor Abnahme setzen. Werte für Blutbild und Gerinnung sind sehr abhängig von abnahmebedingter Aktivierung. Kalium steigt allein durch übermäßiges Aspirieren, CRP oder Kalzium scheinen eher unbeeinflusst. • Zunächst Konus desinfizieren und mind. 30 sec. einwirken lassen. • Am Dreiwege-Hahn nach Ansetzen der Spritze langsam Unterdruck aufbauen. • Mindestens 1, besser 2 – 5 ml (je nach Länge des Katheters) vorher abziehen und auf steriler Unterlage ablegen, um dieses Volumen am Ende wieder zurückgeben zu können. • Abnahme der gewünschten Blutmenge mit neuer Spritze. Dreiwege-Hahn möglichst in gleicher Stellung belassen (schneller Wechsel), um Bestimmung nicht durch anhaftende Infusionslösung zu beeinflussen; aus Hygienegründen sind geschlossenen Abnahmesets besser, führen aber evtl. zu mehr Blutverlusten (Blutabnahmeset A mit Neo-Link). • Nach der Abnahme initial entnommenes Blut (s. o.) wieder langsam zurückgeben. • Spülen des Katheters mit Spüllösung (Menge je nach Füllvolumen, üblicherweise 0,5 – 1 ml). ▶ Komplikationen: • Katheterdysfunktion: liegt der Venenwand an, Knick, Fehllage mit Umschlagen in anderes Gefäß. – Lage und Eintrittsstelle überprüfen. – Verdrehen ausschließen (Konnektion meist durch Drehverschlüsse). – Infektionen (Kulturen aus ZVK und peripher simultan abnehmen, Abstriche der Eintrittsstelle, tägliche Verbandswechsel), im Zweifel entfernen. – Einschwemmen von kleinsten Thromben (cave Luft) beim (Re-)Injizieren. – Thrombose (klinische, sonografische und ggf. radiologische Kontrollen).

41

Arbeitstechniken

2

2.8 Lumbalpunktion

Blutentnahme aus Arterienkatheter ▶ Indikation: • Siehe venöse, arterielle und zentralvenöse Blutentnahme. Punktion kann vermieden werden. • Hämodilution oder Austauschtransfusion: – Simultanes Abnehmen und Zuführen (arterielle Abnahme und venöse Zufuhr) bei sehr unreifen oder kreislaufinstabilen Neugeborenen. • Indikation zur Blutentnahme tgl. prüfen. Häufigste iatrogene Ursache für Transfusionen. ▶ Praktisches Vorgehen: • Kleine Spritzen (meist 2 ml, bei VLBW 1 ml) verwenden. • Stempel vor Ansetzen der Spritze mobilisieren (initialer „Plopp“ kann insbesondere bei VLBW und peripheren Arterien einen Arterienspasmus auslösen). • Vorbereitung und weiteres Vorgehen s. zentralvenöse Blutentnahme bzw. mit Abnahmeset (s. o.) ▶ Komplikationen: • Katheterdysfunktion: Z. B. Anlage an der Arterienwand, Knick. – Lage und Eintrittsstelle überprüfen. – Verdrehen ausschließen (Konnektion meist durch Drehverschlüsse). • Infektionen (eher selten): Abstriche der Eintrittsstelle, v. a. bei NAK. • Einschwemmen von kleinsten Thromben (cave Luft) beim (Re-)Injizieren. • Thrombose (klinische, sonografische und ggf. radiologische Kontrollen). • Blutverlust: Immer auf sichere Konnektion achten und an Druckmonitoring anschließen (Alarmfunktion bei Unterschreitung eines Druckes, Kurvenmonitoring).

2.8 Lumbalpunktion Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Diagnostisch: • Ausschluss einer Meningitis/Enzephalitis bei: – Sepsis. – Temperatur des Neugeborenen > 38 °C. – CRP vor Beginn einer Antibiotikatherapie > 5 mg/dl (kontrovers). • Nachweis einer zerebralen Blutung (Hämosiderin in den Makrophagen beweisend für eine Blutung älter als 7 Tage). • Zerebrale Krampfanfälle des Neugeborenen. • Metabolische Diagnostik bei spezifischen Stoffwechseldefekten manchmal erforderlich. ▶ Beachte: Wird eine Lumbalpunktion bei Meningitisverdacht unterlassen, ist der ■ Grund in der Patientenakte zu dokumentieren (z. B. schlechter klinischer Zustand)! ▶ Kontraindikation: Thrombopenie < 50.000; cave bei respiratorischer Insuffizienz (ggf. ■ Oberkörper weniger beugen).

Vorbereitungen ▶ Material: • Lumbalpunktionsnadel: – 22-G-Nadel für reife Neugeborene. – 25-G-Nadel für Frühgeborene. • Sterile Tupfer, breites Pflaster. • Probenröhrchen für klinische Chemie (mit 1 ml Liquor füllen). • Steriles Probenröhrchen für die Bakteriologie (8 – 10 Tropfen Liquor). 42

2.8 Lumbalpunktion

Arbeitstechniken

b

a

Abb. 2.17 • Halten eines Neugeborenen zur Lumbalpunktion: a Halten in Seitenlage (Blick von oben). b Halten in Seitenlage (Blick von dorsal). c Halten in Sitz-Hock-Position (Blick von der Seite).

2

c

• Ggf. 3. Röhrchen für weitergehende Untersuchungen, wie PCR etc. • Octenidin. • Sterile Unterlage und sterile Handschuhe, Mundschutz. • Abwurf für verbrauchte Materialien. ▶ Lagerung: Seitenlagerung (v. a. bei sehr kleinen und beatmeten Kindern) bzw. sitzende Position (Abb. 2.17). ▶ Analgesie erwägen mit Morphin/Fentanyl (S. 20).

Praktisches Vorgehen ▶ Kind von erfahrener Pflegekraft halten lassen, in Ruhe die richtige Punktionsstelle (L 3/L 4, L 4/L 5) palpieren und evtl. markieren (Abb. 2.18). ▶ Tipp: Wenn möglich, bei Liquorpunktion in sitzender Position zunächst den unteren ■ Zwischenwirbelraum punktieren. Bei blutigem Liquor bzw. blutiger Punktion kann man bei der 2. Punktion den oberen Zwischenwirbelraum benutzen, um noch klaren Liquor zu gewinnen. ▶ Punktionsstelle (Octenidin) gründlich desinfizieren (cave Haut unreifer FG). ▶ Sterile Handschuhe anziehen, sterile Unterlage unterlegen und mit sterilen Tupfern die Punktionsstelle abtupfen. Nochmals Sprühdesinfektion (Pflege) und Abtrocknen der Punktionsstelle! ▶ Erneut den richtigen Zwischenwirbelraum ertasten und rechts und links der Wirbelsäule mit 2 Fingern eingrenzen.

Abb. 2.18 • Lumbalpunktion in Seitenlage.

L3

L5 43

Arbeitstechniken

2

2.9 Suprapubische Blasenpunktion

▶ Zwischen den Fingern zunächst gerade punktieren und Nadel in Richtung Nabel (d. h. leicht kranial) vorschieben (bei Frühgeborenen spürt man das Durchstechen des Lig. flavum oft nicht). ▶ Nach ca. 1 cm den Mandrin zurückziehen und Liquor abtropfen lassen. ▶ Falls kein Liquor fließt, Nadel vorsichtig drehen und dabei zurückziehen. ▶ Tipp: Das Massieren der großen Fontanelle hilft, wenn zu wenig Liquor fließt. ■ ▶ Mandrin nach Liquorgewinnung zur Hälfte zurückstecken und Nadel rasch herausziehen (aus dem Konus der Nadel lassen sich noch einige Tropfen Liquor gewinnen!). ▶ Sterilen Tupfer mit Druck befestigen. ▶ Bei V. a. Meningitis/Enzephalitis Beurteilung des Liquors im Mikroskop (Zellzahl, Zelldifferenzierung) und Bestimmung von Glukose und Eiweiß, Kultur und ggf. Virusnachweis (PCR). ▶ Orientierend Urinstreifen benetzen und ablesen (Beurteilung von LK, Ery, Eiweiß, Glukose) → rasche Aussage.

Normwerte ▶ Eiweiß: 55 – 120 mg/dl. ▶ Glukose: 45 – 80 mg/dl (⅔ des Blutzuckers). Tab. 2.5 • Normwerte im Liquor von Früh- und Neugeborenen (Drittel-Zellen). Mehrkernige

Einkernige

Granulozyten, total

Frühgeborene

0 – 100

0 – 25

< 125

Neugeborene

0 – 70

0 – 20

< 90

1. Lebenswoche

0 – 25

0–5

< 30

1. Lebensmonat

0–5

0–5

< 10

2.9 Suprapubische Blasenpunktion Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Sterile Uringewinnung (Harnwegsinfekt- und metabolische Diagnostik). ▶ Druckentlastung bei Harntransportstörung unterhalb der Blase (z. B. Urethralklappen).

Material ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Ultraschallgerät. Desinfektionsmittel. Sterile Tupfer und sterile Handschuhe. Sterile Nadeln (17 oder 20 G) und 5-ml-Spritze. Probenröhrchen.

Praktisches Vorgehen ▶ Harnblasensonografie, um ausreichende Füllungsmenge festzustellen (Blase sollte über der Symphyse stehen). ▶ Punktionsstelle desinfizieren (Octenidin) und steril abtupfen. ▶ Tipp: Der Kältereiz reicht oft schon aus, um eine Kontraktion der Harnblase und ■ eine Miktion zu erwirken. Deshalb Röhrchen zum Auffangen des Mittelstrahlurins bereithalten. ▶ Cave: Gefahr der Entstehung von Hautnekrosen, wenn man Desinfektionstupfer ■ auf der unreifen Haut Frühgeborener liegen lässt. 44

Symphyse

2 Arbeitstechniken

2.10 Thoraxdrainage

Abb. 2.19 • Suprapubische Blasenpunktion.

▶ Beine des Kindes in Froschposition fixieren. ▶ Punktion 0,5 cm oberhalb des Symphysenrandes mit steriler Spritze und 20- oder 17-G-Nadel im ungefähr rechten Winkel zur Bauchhaut (Abb. 2.19). ▶ Direkt nach Durchstechen der Haut Nadel um ca. 0,5 cm versetzen, um späteres Lecken der Punktionsstelle zu vermeiden. ▶ Unter Aspiration Nadel vorschieben, bis Urin fließt. Cave: Wenn zu viel Urin abgezogen wird, besteht die Gefahr der Verletzung oder Perforation der hinteren Blasenwand. ▶ Nach dem Herausziehen der Nadel mit sterilem Tupfer für wenige Minuten auf die Punktionsstelle drücken, Pflasterverband anlegen. ▶ Beachte: Aufgrund der Gefahr einer Makrohämaturie bei Thrombozytenwer■ ten < 20,0/nl möglichst nicht punktieren.

2.10 Thoraxdrainage Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Entlastung eines Spannungspneumothorax. ▶ Entlastung eines Pneumothorax (auch ohne Spannungszeichen) bei symptomatischen Patienten. ▶ Ableitung von Flüssigkeit (diagnostisch oder therapeutisch, z. B. Pleuraerguss, Chylothorax).

Entlastungspunktion im Notfall ▶ Punktionsstelle: im 4. ICR (oberer Rippenrand!) in der vorderen Axillarlinie; bei Punktion mit Butterfly oberhalb der Mamille, möglichst an der höchsten Stelle des Thorax. Oberkörper evtl. etwas hochlagern. ▶ Material: Graue 16-G-Verweilkanüle (sollte an jedem Inkubator vorhanden sein!), Butterfly oder 20-G-Nadel mit 20-ml-Spritze. ▶ Desinfektion. ▶ Hand abstützen, um beim Durchstechen der Thoraxwand nicht „hineinzufallen“, Mamille weitläufig meiden! ▶ Metallmandrin sofort zurückziehen (bei Verweilkanüle). Dann Drain 2 – 5 cm vorschieben, bis die Spitze unter der vorderen Thoraxwand liegt (in Rückenlage größte Luftansammlung). Bei Entlastung von Flüssigkeit Spitze nach dorsal kippen. ▶ Luft oder Flüssigkeit mit Spritze abziehen. ▶ In Ruhe Anlage einer Thoraxdrainage vorbereiten. 45

2.10 Thoraxdrainage

Arbeitstechniken

2

Abb. 2.20 • Notfallmäßige Entlastungspunktion

Vorbereitungen Thoraxdrainage ▶ Material: • Streng steriles Arbeiten: Mundschutz, Haube, Kittel, sterile Handschuhe und sterile Tupfer. • Sterile gebogene Klemme und spitzes Skalpell. • Steriles Pflasterset zur Initialfixierung. • Ggf. Probenröhrchen (Mikrobiologie, Biochemie und Zytologie). • Drainageset mit Sogvorrichtung. ▶ Drainagengröße nach Größe des Kindes wählen: Pneumocath. Größen 2,0 – 3,2 mm. ▶ Drainagenlänge: 8 cm sind ausreichend. ▶ Lokalanästhesie (z. B. Scandicain 1 %) für die Punktionsstelle. ▶ Prämedikation: Da das Legen einer Thoraxdrainage sehr schmerzhaft ist, dem Kind vorher Morphin 0,1 mg/kg KG oder Fentanyl 10 μg/kg KG i. v. geben. ▶ Cave: Hypotonie und Atemdepression bei sehr unreifen Kindern, evtl. dann nur ■ 0,05 mg/kg KG Morphin. ▶ Bedenke: Manche Pneumothoraces, v. a. bei Kindern, die nicht beatmet werden und ■ nur geringe Symptome haben, resorbieren sich spontan oder bedürfen nur einer einzigen Entlastungspunktion.

Praktisches Vorgehen ▶ Geeignete Punktionsstelle suchen (Abb. 2.21): • Pneumothorax: – 2. ICR in der Medioklavikularlinie (kosmetisch sehr problematische Stelle, speziell bei Mädchen, daher nur im absoluten Notfall). – 4./5. ICR in der vorderen Axillarlinie. ▶ Cave: ausreichender Abstand von Mamille; Brustdrüsengewebe reicht weit da■ rüber hinaus! • Erguss: 4./5. ICR in der hinteren Axillarlinie. ▶ Steril arbeiten: Hautareal desinfizieren, steriles Lochtuch platzieren. ▶ Lokalanästhetikum als Quaddel subkutan bzw. subpleural spritzen (cave intravasale Applikation). ▶ Zusätzlich systemische Analgesie mit Morphin/Fentanyl (S. 20). • Verwendung eines Vygon-Trokar-Katheters (Pleuradrainage) für Neugeborene. – Ca. 0,5 cm schmale Hautinzisur setzen. – Versetzt zur Hautinzisur am Oberrand der Rippe die Muskulatur durchtrennen bzw. stumpf mit Pinzette abschieben, ggf. bis zur Pleura inzidieren. 46

– Drainage durch den vorpräparierten Tunnel schieben und dann die Pleura durchstoßen (die Hand dabei abstützen). Meist entweicht Luft aus der Drainage. • Verwendung eines Cook Pleural/Pneumopericardial-Drainage-Sets (cave weiche und relativ lange Punktionsnadel): – Am Oberrand der Rippe mit der Nadel (vorher den Pigtail-Katheter auffädeln) punktieren und unter Aspiration (2-ml-Spritze NaCl 0,9 %) vorschieben. – Nach Aspiration von Luft/Flüssigkeit Pigtail vorschieben, bis alle Perforationslöcher sicher innerhalb des Pleuraspaltes zu liegen kommen. – Nadel zurückziehen und später vor Sogverbindung entfernen. ▶ Drainage unter vorderer Thoraxwand vorschieben, d. h., Drain nach Durchstoßen der Pleura um 90° kippen und parallel zur Thoraxwand vorschieben. Dies ist oft einfacher zu erreichen, wenn das Kind während des Vorschiebens auf die gesunde Thoraxseite gedreht und in Seitenlage (30 – 45°) gehalten wird; das freie Ende der Drainage lässt sich dadurch mehr parallel zur Thoraxvorderwand des Kindes führen. ▶ Nach richtiger Positionierung Drainage an einen Sog von ca. – 5(– 10) cmH2O anschließen (– 5 cmH2O bei Pneumothorax oft ausreichend). ▶ Einstichstelle zuerst steril mit Pflaster/Tedaderm/Schlitzkompresse abdecken und Drainage mit Pflaster fixieren (Abb. 2.21). ▶ Röntgenkontrolle a.–p. und seitlich in Rückenlage (Pneumothoraxseite anliegend). ▶ Beachte: Bei mehreren Drainagen ist eine eindeutige Metall-Markierung wichtig! ■

2 Arbeitstechniken

2.10 Thoraxdrainage

Komplikationen ▶ Drainage fördert nicht: • Fehllage: – Hinter der Lunge: Subkutan (zu flach) punktiert. – Drainage zu tief vorgeschoben. – Drainage liegt medial an. • Drainage ist abgeknickt (kommt bei kurzen Drainagen nicht vor!).

a

b anterior

Luft posterior Herz

rechte Lunge

linke Lunge 4. Interkostalraum

c

Erguss

Einstichstelle

eingeschnittene Kompresse Drainage

Abb. 2.21 • a–c Thoraxdrainage: a Einführen der Drainage bei Pleuraerguss. b lokale Lage bei Pneumothorax links, ideale Lage bei Pleuraerguss rechts. c Fixieren der Drainage.

47

2

2.11 Perikardpunktion

Arbeitstechniken

• Drainage ist verstopft (mit Luft oder steriler Kochsalzlösung anspülen). • Drainageset richtig aufgebaut und Sog richtig eingestellt? ▶ Rezidiv bzw. Lunge entfaltet sich nach 1. Entlastung nicht: Katheter verstopft. • Katheterwechsel durch gleiche Punktionsstelle. • Ggf. zweiten Drain im 2. ICR medioklavikular legen. ▶ Drainage fördert übermäßig viel und/oder nicht atemsynchron: • Leck im System? • Katheterfehllage (nicht tief genug, intrapulmonal)? • Bronchopleurale Fistel?

Entfernen der Thoraxdrainage ▶ Bei ausgeprägtem interstitiellen Emphysem offene Drainage belassen, auch wenn kein Pneumothorax mehr besteht (hohes Rezidivrisiko!). ▶ Thoraxdrainage 24 h nach vollständiger Entfaltung der Lunge und klinisch dichtem Leck abklemmen. Röntgenkontrolle je nach klinischer Situation. ▶ Am 1. Tag nach Abklemmen Röntgenkontrolle und Katheter bei unauffälligem Befund entfernen: • Das Entfernen ist sehr schmerzhaft! Morphin!? • Pflasterverband lösen. • Katheter schnell ziehen. • Punktionsstelle sofort luftdicht verschließen. Dazu mit sterilem Pflaster Haut über der Punktionsstelle luftdicht adaptieren. ▶ Ein streifenförmiger Randpneumothorax nach Entfernen der Drainage ist meist harmlos, aber kontrollbedürftig. ▶ Cave: Nach jedem Pneumothorax besteht Rezidivgefahr! ■

2.11 Perikardpunktion Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Nur bei klinischer Beeinträchtigung zur Entlastung bei nachgewiesenem • Pneumoperikard. • Perikarderguss. • Infusioperikard (lebensbedrohlicher Notfall! Schnell handeln!). ▶ Selten bei V. a. eitrigen Perikarderguss (diagnostisch).

Material ▶ Probenröhrchen (Mikrobiologie, Biochemie und Zytologie). ▶ Punktionsnadel (Größe abhängig von erwartetem Inhalt): • Luft = 16 – 20 G. • Flüssigkeit = 20 – 24 G. ▶ Sterile Spritzen, Sterile Tupfer, steriles Lochtuch, sterile Handschuhe, Verbandmaterial. ▶ Lokalanästhetikum (S. 46).

Praktisches Vorgehen ▶ Nach Hautdesinfektion Lokalanästhetikum in Form einer Quaddel subkutan injizieren (falls kein lebensbedrohlicher Notfall). ▶ Subxiphoidal im linken Winkel zwischen Xiphoid und Rippenansatz in Richtung linker Schulter unter Aspiration und sterilen Bedingungen punktieren. Winkel von ca. 30° zum Hautniveau.

48

▶ Auf Vitalparameter achten: • EKG. • Kreislaufparameter: Blutdruck, periphere Perfusion, Herzfrequenz. ▶ Gewonnenes Material mikrobiologisch und biochemisch untersuchen lassen. ▶ Bei V. a. Infusioperikard zusätzlich BGA und Stix (BZ). Ggf. ist der Infusioperikard auch sofort sichtbar (Fett). ▶ Nur bei rezidivierenden Ergüssen ist möglicherweise eine Dauerableitung notwendig. ▶ Beachte: Vorsicht bei pathologischer Gerinnung und/oder Thrombozytopenie < 20,0/nl. ■

2 Arbeitstechniken

2.12 Abdominalpunktion

2.12 Abdominalpunktion Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Diagnostik: Aszitesuntersuchung. ▶ Therapie: Entlastungspunktion bei Aszites. ▶ Peritonealdialyse (S. 398): Kinderchirurgischer Eingriff.

Material ▶ ▶ ▶ ▶

Octenidin, sterile Handschuhe, sterile Tupfer, steriles Lochtuch, Pflasterverband. Verweilkanüle 16 G bis 20 G (je nach Größe des Patienten), sterile Spritzen. Lokalanästhesie (z. B. Scandicain 1 %). Probenröhrchen (Mikrobiologie, Biochemie und Zytologie).

Praktisches Vorgehen ▶ Nach Hautdesinfektion Lokalanästhesie des Punktionsortes. ▶ Punktionsstelle: Zwischen mittlerem und äußerem Drittel der Verbindungslinie von Nabel und Spina iliaca anterior superior möglichst im linken Unterbauch. Unter sterilen Bedingungen vorsichtig unter Aspiration in Richtung Douglas-Raum punktieren (Verweilkanüle 16 G; Abb. 2.22).

Inzisionsstellen

Abb. 2.22 • Punktionsstellen für eine Abdominalpunktion.

49

Arbeitstechniken

2

2.13 Analgosedierung

▶ Nadel direkt nach Durchstechen der Haut um ca. 0,5 cm versetzen, um späteres Lecken der Punktionsstelle zu vermeiden. ▶ Bei Aspiration von Flüssigkeit Mandrin zurückziehen und Flüssigkeit abziehen (für Mikrobiologie, Biochemie und Zytologie). ▶ Kanüle rasch entfernen und Punktionsstelle mit sterilem Tupfer abdecken.

Komplikationen ▶ Hypotension: • Abziehen von zu viel Flüssigkeit. • Zu schnelles Abziehen. ▶ Infektion (Peritonitis). ▶ Darmperforation bei zu tiefer oder fehlplatzierter Punktion.

2.13 Analgosedierung Proquitté, Rüdiger ▶ Folgende Scores gelten als geeignet, den akuten (postoperativen) Schmerz und die Sedierungstiefe beatmeter Neu-/Frühgeborener einzuschätzen:

Berner Schmerzscore für Neugeborene (BPSN) ▶ Fremdbeurteilungsskala zur Einschätzung des akuten Schmerzes bei Früh- und Reifgeborenen (Abb. 2.23) mit und ohne CPAP-Atemunterstützung, validiert an Neugeborenen mit einem Gestationsalter von 27–41 Schwangerschaftswochen. ▶ Umfasst neben verhaltensbezogenen Parametern auch physiologische Größen, kann aber auch ohne Beurteilung dieser eingesetzt werden. ▶ Verfügt über eine gute Reliabilität und Validität.

Neonatal Pain, Agitation and Sedation Scale (N-PASS) ▶ Beurteilung von Sedierungstiefe und Schmerzen bei längerzeitig beatmeten und postoperativen Früh- und Reifgeborenen. ▶ Gute Interrater-Reliabilität und interne Konsistenz. ▶ Bezüglich Schmerzen gute Korrelation mit dem Premature Infant Pain Profile (PIPP Score) ▶ Korreliert mit der Gabe von Analgetika und Sedativa. ▶ Die Evaluation basiert noch auf kleiner Patientenzahl.

50

Senkung von 0% bis 1,9%

kein Schmerz: 0 – 10 Punkte, Schmerz: > 11 Punkte

Senkung von 2% bis 2,9%

Senkung von 3% bis 4,9%

total Gesamtskala➙

Senkung von 5% und mehr

Zeit und Score

Arbeitstechniken

Zunahme von 30 bpm oder mehr bpm vom Ausgangswert oder vermehrte Bradykarden innerhalb von 2'

O2-Sättigung

Zunahme von 20 bpm oder mehr bpm vom Ausgangswert innerhalb von 2' mit Rückgang vom Ausgangswert innerhalb von 2'

Zunahme von 20 bpm oder mehr bpm vom Ausgangswert innerhalbvon 2' ohne Rückgang zum Ausgangswert innerhalb von 2'

normal (Ausgangswert)

Herzfrequenz

oberflächlich, Zunahme der Frequenz um 15 bis 19 innerhalb von 2' vermehrt thorakale Einziehung

oberflächlich und unregelmäßig, deutliche Zunahme der Frequenz um gleich mehr als 20 innerhalb von 2' und/oder starke thorakale Einziehung

oberflächlich, Zunahme der Frequenz um 10 bis 14 innerhalb von 2' und/oder thorakale Einziehung

normal und ruhig (Ausgangswert)

permanente Verkrampfung

dauerhaftess Verkneifen des Gesichts u. Zittern des Kinns

blass, marmoriert, zyanotisch

mehr als 2 Minuten zur Beruhigung nötig

vermehrtes und schrilles Weinen (mehr als 2 Min.)

Atmung

häufige Verkrampfung, aber auch Entspannung möglich

vermehrtes Verkneifen des Gesichts u. Zittern des Kinns

leicht blass od. marmoriert

mehr als 1 Minute zur Beruhigung nötig

vermehrtes Weinen (mehr als 2 Minuten)

3 kann nicht einschlafen

total subjektive Indikatoren➙

vorwiegend entspannt, kurze Verkrampfung

Körper entspannt

Körperausdruck

2 erwacht spontan

kein Schmerz: 0 – 8 Punkte, Schmerz: ≥ 9 Punkte

gerötet

vorübergehendes Verkneifen des Gesichts

rosig

Gesicht entspannt

Gesichtsmimik

weniger als 1 Minute zur Beruhigung nötig

keine Beruhigung notwendig

Beruhigung

Hautfarbe

kurze Weinphase (weniger als 2 Minuten)

kein Weinen

Weinen

1

oberflächlicher Schlaf mit Augenblinzeln

0

ruhiger Schlaf oder Phase physiologischer Wachheit

Schlaf

Parameter

2.13 Analgosedierung

Abb. 2.23 • Berner Schmerzscore für Neugeborene (BPSN) (Cignacco E, Stoffel L. Medizinische Kinderkl

2

51

52

Schwacher Greifreflex, reduzierter Muskeltonus

< 10 % Variabilität von der Baseline als Reaktion auf Stimulus

Mund ohne Tonus, ausdruckslos

Kein Greifreflex, schlaffer Tonus

Keine Änderung auf Stimuli, Hypoventilation oder Apnoe

Mimik

Extremitätentonus

Vitalzeichen: HF RR SaO2

Innerhalb der Baseline oder normal für das Gestationsalter

Entspannte Hände und Füße, normaler Muskeltonus

Entspannt, altersentsprechend

Dem Gestationsalter entsprechend

Beurteilung: Tiefe Sedierung: Score von < -5 bis + 3 bei < 28 SSW korrigiertes Alter Oberflächliche Sedierung: Score von –5 bis –2 bis + 2 bei 28 – 31 SSW korrigiertes Alter Behandlungsbedürftige Schmerzen: Score von > 3 bis + 1 bei 32 – 35 SSW korrigiertes Alter *nach Hummel und Puchalski, Loyola University Health System, Chicago

Minimale Mimik auf Stimulation

Nur minimal weckbar durch Stimuli, geringe Spontanbewegungen

Nicht weckbar durch Stimuli, keine Spontanbewegungen

Verhaltenszustand

Angemessenes Schreien, nicht irritabel

0

Stöhnt oder schreit minimal bei schmerzhaftem Stimulus

–1

–2

Schreit nicht bei schmerzhaftem Stimulus

Norm

Sedierung

Schreien Irritabilität

Beurteilungskriterium

Tab. 2.6 • Anwendung von Analgosedativa in der Neonatologie*.

Anstieg um 10–20 % von der Baseline, SaO2 76–85 % bei Stimulation, schnelle Erholung

Intermittierendes Beugen der Zehen, Fäusteln oder Spreizen der Finger, Körperspannung nicht erhöht

Intermittierendes Grimassieren (mimische Schmerzreaktion)

Ruhelos, windet sich, wacht häufig auf

Irritabel oder regelmäßig schreiend, beruhigbar

1

Schmerz/Unruhe

Anstieg von > 20 % über die Baseline, SaO2 < 75 % bei Stimulation, langsame Erholung, Beatmung nicht synchronisiert mit Eigenatmung

Kontinuierliches Beugen der Zehen, Fäusteln oder Spreizen der Finger, Körperspannung erhöht

Kontinuierliches Grimassieren (mimische Schmerzreaktion)

Überstreckt sich, strampelt, dauerhaft wach oder nur minimal wach, keine Bewegungen (nicht medikamentös sediert)

Hochfrequentes Schreien oder stilles kontinuierliches Weinen, nicht zu beruhigen

2

Arbeitstechniken

2 2.13 Analgosedierung

2.14 Blutdruckmessung Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ Bei jedem kranken Neugeborenen mind. einmal an allen 4 Extremitäten. ▶ Die Häufigkeit der Messung hängt vom Zustand des Kindes ab: je kränker, umso häufiger. ▶ Kontinuierlich (arteriell) bzw. engmaschig (mehrmals stündlich) in der Regel bei: • Frühgeborenen < 32. SSW oder kranken Neugeborenen sofort nach der Entbindung. • Schock (z. B. Asphyxie). • Beatmung mit hohen Drücken oder hohem O2-Bedarf. • persistierender fetaler Zirkulation (PFC-Syndrom), persistierender pulmonaler Hypertonie (PPHN). ▶ Intermittierend (≥ stündlich) in der Regel bei: • Frühgeborenen < 32. SSW in stabilem AZ. • Frühgeborenen > 32. SSW bzw. kranken Neugeborene am 1. Lebenstag. • respiratorischer Adaptationsstörung. ▶ Im weiteren Verlauf (je nach Stabilisierung) 3–4 stündliche, später 8-stündliche oder tägliche Kontrollen.

2 Arbeitstechniken

2.14 Blutdruckmessung

Verfahren ▶ Direkte Blutdruckmessung mit Drucktransducer über Nabelarterien- oder A.-radialis-Katheter: • Vorteile: Sichere Werte, kontinuierliche Messung. • Nachteile: Risiken des Arterienkatheters (S. 30), initial hoher Personal- und Materialaufwand. • Liegedauer: Indikation täglich prüfen! Nabelarterienkatheter max. 1 Woche (falls länger nötig, Notwendigkeit dokumentieren). ▶ Indirekte Blutdruckmessung mittels Oszillografie (Dinamap/Philips-Monitor): • Vorteil: Einfachere Handhabung durch automatisierten Messvorgang und digital gespeicherte Anzeige. • Nachteil: Fehlmessung nicht erkennbar, da bei sehr kleinen Frühgeborenen meist ein Wert angegeben wird. Falsch hohe systolische Werte (bis zu + 20 mmHg) mit der Folge, dass Hypotension nicht sicher erkannt wird. Bei größeren Frühgeborenen und Neugeborenen falsch niedrige Werte möglich. • Eher größere als kleinere Manschette benutzen (ganzer Oberarm); Manschettenbreite sollte ca. ⅔ der Oberarmlänge betragen.

Praktisches Vorgehen bei direkter Blutdruckmessung ▶ Zubehör: • Monitor mit Druckkanal/-modul und Anschlusskabel. • Einmal-Drucktransducer mit Messkammer und Einmalset zur arteriellen Blutdruckmessung. • Perfusor mit Spritze. • Spüllösung: NaCl 0,45 % + 1 IE Heparin/ml (sofern Gerinnung normal) mit 0,5– 1,0 ml/h. ▶ Aufbau: • Steril und luftblasenfrei arbeiten: – Verbindungen stets „in Flüssigkeitstropfen eintauchen“, wenn sie zusammengesteckt werden, und fest verschrauben. – System außerhalb des Inkubators zusammenbauen. • System vollständig aufbauen und mit Spritze über Flushventil zuerst Messkammer füllen.

53

Arbeitstechniken

2

2.15 pO2- und pCO2-Überwachung/Kapnografie

▶ Tipp: Große Luftblase aspirieren und damit die Wand putzen (große Blase frisst ■

kleine!). • Messkammer so halten, dass sie von unten nach oben gefüllt wird. • Jetzt restliches System füllen, an Katheter anschließen und eichen (s. u.). ▶ Eichung: • Nullabgleich (8-stündlich) durchführen. • Messkammer in Höhe Thoraxmitte platzieren. • Messkammer zum Kind schließen und zur Luft öffnen. • Nulltaste (0) am Gerät bis zum Signalton (ca.1 – 2 Sekunden) drücken. • Nun zuerst System zum Kind öffnen, dann zur Luft schließen (vermeidet Luft im System). • Mit Spüllösung (Perfusor) befahren, üblicherweise kontinuierlich 0,3 – 0,5 (– 1) ml/h. ▶ Beurteilung der Druckkurve: • Die Kurve muss biphasisch/dichrot sein (Aortenklappenschluss). • Falls nicht biphasich, ist die Kurve gedämpft und nur der Mitteldruck verwendbar. • Ursachen einer Dämpfung: – Luft im System (häufigste Ursache), Verstopfung oder Katheter liegt der Arterienwand an. – Katheter (NAK) liegt in der A. femoralis. – Wenn Luftblasensuche negativ, kann man versuchen, ein Blutgerinnsel zu aspirieren. ▶ Cave: Blutgerinnsel nicht hineinspülen. Bei erfolglosem Versuch Katheter ziehen. ■

2.15 pO2- und pCO2-Überwachung/Kapnografie Proquitté, Rüdiger

Indikation ▶ ▶ ▶ ▶

Beatmete Kinder. Alle überwachungsbedürftigen Frühgeborenen nach der Geburt. Kinder mit Sauerstoffbedarf. Entwöhnung nach Langzeitbeatmung.

Grundlagen ▶ Goldstandard sind präduktale arterielle Werte. ▶ Diese sind nur über eine in der rechten A. radialis liegende Kanüle zu messen, schon aortale Werte ergeben eine Abweichung (postduktale Lage des Arterienkatheters). ▶ Präduktale Zielwerte: • paO2 = (40) 45 – 60 mmHg. • paCO2 = 40 – 55 (60) mmHg, s. Beatmung (S. 227), evtl. permissive Hyperkapnie.

Transkutane Messung ▶ Bei Verwendung von kombinierten pO2-pCO2-Elektroden wird über das Erhitzen der Hautoberfläche auf (43 –)44 °C (Hyperämisierung) der tcpO2 und der tcpCO2 gemessen (Näherung für paO2 und paCO2). ▶ Ausreichend präzise Übereinstimmung des tcpO2 mit dem paO2 möglich, wenn beide Werte im gleichen arteriellen Versorgungsgebiet gemessen werden. ▶ Dann ergibt der tcpO2 eine Information über den paO2, der Auge und Gehirn erreicht. ▶ Messungen: • Bespannen der Elektrode und Kalibrieren (siehe Gebrauchsanleitung des jeweiligen Herstellers). 54

• Am Kind: Die Elektrode idealerweise präduktal (rechter Arm oder Thoraxbereich) anbringen, wenn ein offener Ductus arteriosus (PDA, Rechts-Links-Shunt) nicht ausgeschlossen werden kann. Ist kein PDA vorhanden, sind auch Bauch und Oberschenkel möglich (bei tcpCO2 keine wesentlichen prä- und postduktalen Unterschiede). • Wechsel der Messstelle alle 4 Stunden zur Vermeidung von Verbrennungen. Bei schlechter Hautperfusion häufiger (d. h. alle 2 – 3 Stunden) wechseln. • Kontrolle der Messung: (6 –)12 – 24-stündliche arterielle Kontrollen sind beim beatmeten Kind, besonders bei wechselndem Blutdruck, ggf. erforderlich. ▶ Schlechte Korrelation ist gegeben bei: • gestörter Mikrozirkulation (Sepsis, Hypotension). Im Schock und bei metabolischer Azidose ist der tcpCO2 falsch hoch. • Herzvitien mit Herzinsuffizienz. • ausgeprägten Ödemen (besonders beim Hydrops fetalis). • Hypothermie. • schwerer Anämie. • Bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) und anderen pulmonalen Erkrankungen jenseits des 2. Lebensmonats. • Therapie mit Vasodilatatoren (Prostacyclin). ▶ Cave: eine schlechte Korrelation und starke Schwankungen bedingen häufige ■ Blutentnahmen. ▶ Der tcpCO2 ist weniger empfindlich gegen Hypotension als der tcpO2 und kann auch bei 43 °C mit befriedigender Korrelation zum paCO2 gemessen werden. ▶ Alarmgrenzen (Voraussetzung ist eine Übereinstimmung mit arteriellen Werten): ▶ Bedenke: Wie auch bei der SpO2-Überwachung müssen auch die transkutane ■ Überwachungsgrenzen einem gewissen Wandel in den ersten Lebenswochen und hauseigenen Standards angepasst werden. Es ist trotz noch fehlender Evidenz ein Trend zur Akzeptanz etwas höherer paCO2-Werte erkennbar. • Untergrenze tcpO2: – Ca. 40 mmHg. – Bei sehr unreifen Frühgeborenen sind Werte bis 45 mmHg in der Regel akzeptabel, da dies bei fetalem Hämoglobin einen ausreichenden arteriellen O2-Gehalt bedeutet (Voraussetzung: Hämatokrit nicht < 45 %, pH und Organperfusion sind normal). • Obergrenze tcpO2: – Ca. 60 mmHg bei beatmeten Frühgeborenen. – Höhere pO2-Werte sind unnötig und werden durch eine hohe Sauerstoffzufuhr erkauft (unnötiges Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie). – Werte > 90 mmHg sind bei beatmeten Frühgeborenen wegen der Gefahr einer Retinopathie = ROP (S. 403) strikt zu vermeiden, insbesondere, wenn gleichzeitig der pCO2 > 45 mmHg liegt (zusätzlicher Risikofaktor). • Untergrenze tcpCO2: – Werte < 35 mmHg werden (falls beatmet) durch ein unnötiges Baro-/Volutrauma der Lungen erkauft. – tcpCO2-Werte < 30 mmHg sind strikt zu vermeiden (eingeschränkter zerebraler Blutfluss, vor allem bei einer arteriellen Hypotension; Alkalose). • Obergrenze tcpCO2: – Werte > 60 mmHg sind (auch beim nicht beatmeten) Frühgeborenen in den ersten Lebenstagen nur kurzfristig bzw. in Ausnahmefällen zu überschreiten (Risiko Hirnblutung und Retinopathie). – Beim beatmeten Kind werden 40 – 50 mmHg angestrebt, 55 mmHg gelten noch als Obergrenze. • Ausnahmen: – Entwöhnung nach Langzeitbeatmung (BPD): Hier ist häufig ein pCO2 bis 60 mmHg (und höher) zu akzeptieren.

2 Arbeitstechniken

2.15 pO2- und pCO2-Überwachung/Kapnografie

55

Arbeitstechniken

2

2.15 pO2- und pCO2-Überwachung/Kapnografie

– Es ist immer zu bedenken, um welchen „Preis“ diese Werte erreicht werden. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, den pCO2 über diese Grenzen ansteigen zu lassen, wenn sich dadurch das Barotrauma der Lunge und die Auswirkung der Beatmung (S. 225) auf den Kreislauf reduzieren oder eine Reintubation vermeiden lässt.

Sauerstoffsättigung ▶ Die Sauerstoffsättigung ist einfach zu messen. Sie hat aber ihre systemimmanenten Schwächen, die zu berücksichtigen sind! ▶ Praktisches Vorgehen: • Sonde vorzugsweise, insbesondere im Kreißsaal und in den ersten Lebenstagen, an der rechten Hand (präduktale Werte), später auch nach Bedarf an Fuß, Zehe usw. anbringen. • Auf eine adäquate Adaptation an der Haut achten (weder zu fest noch zu locker). ▶ Vorteil: • Einfache Handhabung, keine Eichung erforderlich. • Nicht invasiv. • Kein starkes Erhitzen der Haut. Es wurden jedoch gelegentlich Brandblasen bzw. Druckstellen v. a. bei Hypotension bzw. schlechter Hautperfusion (z. B. Sepsis) und sehr unreifen FG beobachtet. • Sofort verfügbare, relativ stabile Messung (für den Kreißsaal und den Transport von Vorteil). • Sensible Hypoxämiediagnostik. ▶ Nachteil: • Artefakte durch Bewegung (häufig Fehlalarme, durch neuere Technik inzwischen gebessert). • Umgebungslicht (z. B. Fototherapie) stört das Signal (auf gute Adaptation an der Haut achten). • Schlechte Hautperfusion (Hypotension) behindert die Messung. • Falsch hohe (normale) Werte bei Methämoglobinämie oder Kohlenmonoxid(CO)Vergiftung (COHb), die nicht den aktuellen Sauerstofftransport widerspiegeln. • Schlechte Korrelation und somit ungeeignet zur Erkennung bei Hyperoxämie (Grund: O2-Bindungskurve). ▶ Alarmgrenzen: • Angestrebte Unter- und Obergrenzen (bei O2-Zufuhr) außerhalb der Erstversorgung – 88 – 95 % bei Frühgeborenen. – 92 – 98 % mit Retinopathie (S. 403). – 92 – 96 % bei persistierender fetaler Zirkulation, sog. PFC-Syndrom (S. 307). – bei Spontanatmung ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf Obergrenze bis 100 %.

Kapnografie ▶ Die Kapnografie dient der Messung der CO2-Konzentration in der Exspirationsluft (= petCO2, endtidale CO2-Konzentration); idealerweise sollte diese dem paCO2 entsprechen. ▶ Beachte: Die Kapnografie ersetzt keine Blutgasanalyse. ■ ▶ 2 Messprinzipien: • Im Nebenstrom: Problem ist die Ansprechgeschwindigkeit des Sensors (SignalPhasenverschiebung). • Im Hauptstrom: Problem ist der Totraum des Systems (damit erfolgt die Messung nicht in der reinen Exspirationsluft), petCO2 < paCO2. ▶ Praktisches Vorgehen: Siehe jeweilige Herstellerangaben.

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▶ Vorteile: • Kontinuierliche Angaben über die CO2-Konzentration in der Exspirationsluft. • Sicherer Nachweis einer korrekten Tubuslage bzw. einer Extubation (cave: nicht unbedingt direkt postnatal!). • Im Verlauf: Hinweis auf eine bessere CO2-Elimination. • Ggf. Berechnung von Toträumen möglich. • Bestimmung der AaCO2- (alveolo-arterielle CO2-Differenz) als Maß für die Ventilationsstörung. ▶ Nachteile: • Der paCO2 entspricht nur bei gesunder Lunge dem petCO2. • Zunahme von AaCO2 bei reduzierter Kreislaufleistung. • Zunahme des apparativen Totraums (main-stream). • Bei kleinen Frühgeborenen ist der Totraum des Tubus/Sensors zu groß (Messung von Mischluft)! • Langsame Ansprechzeit (petCO2 nicht zuverlässig!).

2 Arbeitstechniken

2.16 aEEG

2.16 aEEG Proquitté, Rüdiger

Grundlagen ▶ Das amplitudenintegrierte EEG (aEEG) wird von biparietalen Elektroden gewonnen und mit Hilfe eines „Cerebral function monitor“ kontinuierlich aufgezeichnet und beurteilt. • Das aEEG kann (je nach Gerät) mit 3 (bipolar) oder 5 (bilateral frontoparietal) Elektroden abgeleitet werden. • Es gibt Nadelelektroden zum Stechen (Impedanzprobleme meist geringer) sowie Goldscheiben- und Klebeelektroden. Auch EKG-Elektroden sind möglich und auch billiger. • Das aEEG-Signal und die dazugehörigen Roh-EEG-Kurven werden grafisch dargestellt. In neueren Geräten sind weitere EEG-Ableitungen (incl. Standard-EEGs) möglich. • Synchron zur EEG-Aufzeichnung kann eine Videoaufzeichnung angefertigt werden. • Parallel zur Aufzeichnung einer Untersuchung können bereits gespeicherte Untersuchungen aufgerufen und bearbeitet werden. ▶ Indikation: • Früh- und Neugeborene mit Verdacht auf zerebrale Krampfanfälle (zur Diagnosestellung, Therapieüberwachung). • Neugeborene mit Geburtsasphyxie (zur Schweregrad-Einschätzung, Verlaufsbeurteilung, Prognosestellung, Diagnose von klinisch stummen Krampfanfällen). • Neugeborene mit angeborenen Hirnfehlbildungen. • Neugeborenen-Intensivpatienten mit Analgosedierung und Relaxierung (Einschätzung des Bewusstseinsstatus). • Neugeborene mit Stoffwechselerkrankungen und anderen zerebral wirksamen Intoxikationen. ▶ Vorgehen: • Festlegung der Einstich-/Klebepunkte für die Elektroden (biparietal oder bilateral frontoparietal) und der Referenzelektrode (nuchal oder Stirn). • Vorbehandlung der Haut (nur Klebeelektroden) mit „Paste“, um Impedanz-Störungen zu reduzieren. • Stichelektroden nach Desinfektion flach einstechen und mit Pflaster (evtl. zusätzlicher elastischer Kopfbinde) fixieren. 57

Arbeitstechniken

2

2.16 aEEG

• Musterauswertung beim aEEG (Abb. 2.24): – Kontinuierlich. – Diskontinuierlich. – Angabe vorliegender Aktivität (als Prozentsatz). – Spezielle Muster. • Bestimmung der Minimal-/Maximalamplitude. • Identifikation von Schlaf-/Wachzyklen. • Identifikation von Krampfaktivitäten. ▶ Einteilung: Es findet eine Filterung von Frequenzen über 15 Hz und unter 2 Hz statt. Die Hintergrundaktivität ist in drei Klassen eingeteilt, wobei jede davon zusätzlich Zeichen von Krampfanfällen zeigen konnte, die als plötzlicher Anstieg der Spannung zusammen mit einer Verschmälerung des EEG-Bandes erkennbar sind und von einer kurzen Suppression gefolgt werden. • Klasse 1: normale Amplitude, obere Grenze des EEG-Bandes > 10 μV, untere Grenze > 5 μ. • Klasse 2: moderate Amplitudenveränderung mit einer oberen Grenze des EEG-Bandes von > 10 μV und einer unteren Grenze von ≤ 5 μV. • Klasse 3: Suppressed EEG mit einer oberen Grenze von < 10 μV und einer unteren Grenze < 5 μV, meist vergesellschaftet mit Burst–Intervallen, die hohe Voltage zeigen. ▶ Ein unauffälliges aEEG zu Beginn der Kühlung ist nahezu immer mit einer sehr guten neurologischen Prognose assoziiert und kann als zusätzliches Abbruchkriterium verwendet werden. ▶ Bleibt das aEEG hingegen länger als 48 Stunden pathologisch, so ist die neurologische Prognose eher schlecht.

aEEG-Spur 50 25 0 –25 –50

kontinuierlich normal

50 25 0 –25 –50

diskontinuierlich

50 25 0 –25 –50

Burst Suppression

50 25 0 –25 –50

kontinuierliche Niederspannung

Abb. 2.24 • Typische aEEG-Kurven mit Interpretation der Muster.

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2.17 Kühlung zu Behandlung der Asphyxie Münch, Rüdiger

Hintergrund ▶ Eine schwere perinatale Asphyxie kann zu einer Hypoxisch-Ischämischen-Enzephalopathie (HIE) führen. Eine frühzeitig einsetzende Kühlung kann die postasphyktische Schädigung des Gehirns (sekundären Energiemangel) verhindern [E3]. Beachte: Kühlungsbeginn innerhalb von 6 h postnatal (je früher, desto besser!). http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024-023l_S 2k_Behandlung_der_neonatalen_Aphyxie_unter_besonderer_Berücksichtigung_der_therapeutischen_Hypothermie_2013-06.pdf

2 Arbeitstechniken

2.17 Kühlung zu Behandlung der Asphyxie

Einschlusskriterien ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Frühe Evaluation der Hypothermie-Indikation (Tab. 7.9). A: Reifealter ≥ 36 SSW. B: Asphyxiekriterien. C: V. a. Vorliegen einer Enzephalopathie gemäß Schweregrad. Keine nachweisbare schwere intrakranielle Blutung bzw. schwere Fehlbildung ▶ Cave: Alle Kriterien (a bis c) müssen erfüllt sein! ■

Hypothermiebehandlung A bis C im Kreißsaal ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Sofort Oberwärme ausschalten, alle Zusatzheizungen aus (auch am 2. Platz!). Sicherung der Atmung, s. Kap. 2 Arbeitstechniken (S. 17). Bei vermutetem relevantem Blutverlust Notfallkonserve besorgen (lassen). Peripher-venösen Zugang legen, im Reanimationsfall sofort Anlage NVK. Blutentnahme: Blutbild mit Differenzial-BB, CRP, (IL-6), BZ, Gerinnung, AST, ALT. Sofort Beginn der Volumengabe (zunächst NaCl 0,9 %, dann EK). Station über Vorbereitung des Hypothermie-Platzes informieren. Kind auf Station bringen (so früh wie möglich).

Vorbereitungen auf Station parallel zur Kreißsaalversorgung ▶ Offene Reaeinheit/Wärmebett vorbereiten: keine Oberwärme! ▶ Kühlmatte auf Matratze/Gelmatte legen und nur mit einem dünnen Tuch abdecken. ▶ Kühlungsgerät/Schlauchsystem anschließen, Wasserstand im Kühlungsgerät überprüfen, gegebenenfalls nachfüllen (Aqua dest.) oder ablassen. ▶ Spezifische Dokumentation für Hypothermie. ▶ Analgosedierung vorbereiten. ▶ Anfeuchtertemperatur normal einstellen.

Hypothermiebehandlung auf Station ▶ Umlagern auf die vorbereitete Reanimationseinheit: unbekleidet, Rückenlage/30°Schräglage und Kopf in Mittelposition. ▶ aEEG anlegen. Beachte: Wenn aEEG während der ersten 6 Lebenstunden sicher unauffällig, dann Indikation für Kühlung überdenken. ▶ Anschluss des Schlauchsystems an die Kühlmatte. ▶ Gerät auf 15 °C einstellen; Wichtig: ab < 35 °C beide Tasten gleichzeitig drücken. ▶ Die Ziel-Körpertemperatur von 33(–34)°C sollte nach 60 Minuten erreicht sein. ▶ Bei vermutetem relevantem Blutverlust Notfallkonserve besorgen (lassen). ▶ Falls bisher nicht erfolgt, NVK, NAK legen. ▶ Rektaltemperatursonde (6 cm tief, sicher fixieren) und Hauttemperatursonde (unter rechtem Rippenbogen, über der Leber) anlegen. ▶ Während der Abkühlphase alle 10 Minuten Temperaturprotokoll führen. 59

Arbeitstechniken

2

2.18 Austauschtransfusion

▶ Analgosedierung. Ziel: HF ≤ 100/min (höhere HF: Stress?). Ziel ist eine ausreichende Analgesie bei Hypothermie und keine Sedierung (neurologische Beurteilbarkeit!): Morphin initial 100 μg/kg über 1 h, dann (5–)10(–20)μg/kg/h i. v. ▶ Blasenkatheter legen, Bilanzierung.

Hypothermiebehandlung im Verlauf ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Funktionsprüfung der Rektalsonde mittels rektaler Temperaturmessung alle 8 h. Erfassung des neurologischen Status (aEEG, Thompson-Score) alle 6–12 h. Abnahme Protein S-100 ca. 2–6 h post natum (pathologisch > 2–3). Sonografie Schädel (z. A. schwerer intrakranieller Blutungen) mind. 1xtgl. cMRT mit diffusionsgewichteten Sequenzen zwischen 72 und 96 h post natum (rechtzeitig anmelden!). ▶ Allgemeine Empfehlungen während der Kühlung: • Kontinuierliche Analgesie mit Morphin oder Fentanyl. • In Diskussion: einmalige Gabe von Koffein (20 mg/kg/d): neuroprotektiv, diuresefördernd. • Beatmung zumeist indiziert, Hyperventilation vermeiden. • Hypo- bzw. Hyperglykämien vermeiden. • Temperaturkonstanz anstreben. • Invasive arterielle Druckmessung vorteilhaft (RR- und BGA-Monitoring).

Beendigung der Hypothermie ▶ Dauer der Hypothermie beträgt 72 Stunden. ▶ Wiedererwärmung 0,5(–1,0)°C/Stunde. Cave: Krampfanfälle können neu auftreten oder wieder einsetzen! ▶ Frühere Beendigung möglich bei: • schwerster pulmonaler Hypertension (mit Oxygenierungsproblemen). • schwerer intrakranieller Blutung bzw. DIC und/oder infauster Prognose. • sonstigen schwersten Nebenwirkungen.

Neurologische Beurteilung während der Hypothermie ▶ Thompson-Score s. Tab. 7.10. ▶ Beurteilung aEEG (alle 8 Stunden, parallel zum Thompson-Score) • Krämpfe: ja/nein? • Unterrand: < 5 μV oder > 5 μV. • Oberrand: < 10 μV oder > 10 μV.

2.18 Austauschtransfusion Genzel

Indikationen ▶ ▶ ▶ ▶

Hyperbilirubinämie (S. 318), immer die Ursache abklären (s. u.)! Anämie bei Hydrops fetalis. Polyzythämie (S. 329) (Hkt > 70 %). Disseminierte intravaskuläre Koagulation (DIC): Nur Ultima Ratio, meistens ohne Erfolg.

Praktisches Vorgehen ▶ Zugang: • Zumeist NVK. • Alternativ: Blutentnahme über NAK, Transfusion über NVK (S. 27). 60

mit die Perfusion des Intestinums nicht beeinträchtigt ist (sonst evtl. Gefahr der NEC). • Oder Austausch über periphere Zugänge (Arterie und Vene). • Vorteile: – Kontinuierliche Austauschtransfusion ohne RR-Schwankung möglich. – Gefahr der Pfortaderthrombose entfällt. ▶ Cave: Nur in Ausnahmefällen Blut aus kleiner Arterie (z. B. A. radialis) entneh■ men. Wenn, dann passiv, kein aktives Ansaugen (Gefahr der Perfusionsstörung). Vor jeder Punktion einer peripheren Arterie die Perfusion der Extremität durch den Kollateralkreislauf prüfen (Allen-Test). ▶ Vorzubereitendes Erythrozytenkonzentrat (EK): • Bei AB0-Inkompatibilität (0 Rh neg.) und AB-Plasma (FFP). • Bei Rh-Inkompatibilität AB0 wie Kind, aber Rh-negativ. ▶ Cave: Anti-c der Mutter. EK vorher gegen mütterliches Blut kreuzen lassen (im ■ Blutdepot, Blutbank). • Pufferung der Konserve: Nach Gascheck oder blind 0,8 ml TRIS 3 M pro 100 ml EK. • EK bestrahlen lassen. Cave: Bestrahltes EK ist nur begrenzt haltbar! • Anwärmen auf Körpertemperatur. ▶ Vorzubereitende Menge: 2 – 3-faches Blutvolumen (BV = 80 ml/kg KG) (bei Hyperbilirubinämie); mit Plasma (FFP) mischen (meistens 2:1), um an den Hämatokrit des Kindes anzugleichen. So werden 90 – 95 % des kindlichen Blutes ausgetauscht. ▶ Tauschvolumen (in Schritten von 2 – 3 ml/kg KG. Beachte: Die ersten 10 – 20 ml kindlichen Blutes aufheben (5 – 10 ml als EDTA-Blut). ▶ Monitoring: Herzfrequenz, Blutdruck und Atmung (exaktes Protokoll). Bei Blutdruck-Schwankungen evtl. die Austauschvolumina verringern. ▶ Laborkontrollen: Vor, während (mind. stündlich) und nach dem Austausch: Elektrolyte (Na, K, Ca), Blutgase, Bilirubin, Gesamt-Eiweiß, BZ und Blutbild (Hämatokrit, Thrombozyten, Leukozyten). Cave: Hypokalzämie und Hyperkaliämie. ▶ Hyperbilirubinämie (S. 318): • Austausch langsam in mindestens 2 – 3 h, da der Ausgleich zwischen intra- und extravaskulärem Bilirubin Zeit braucht. • Bilirubinkontrollen in 3 – 6-stündlichen Abständen (evtl. erneuter Austausch nötig). ▶ Austausch bei DIC, zirkulierende Antikörper: • Schnell (in 1 h) austauschen. ▶ Cave: Gefahr von Blutdruckschwankungen und Lungenödem. ■ ▶ Anämie: Ca. ⅓ schnell (Transfusion, bis Hkt. > 35 %), dann langsam über 2 h. ▶ Partieller Austausch bei Polyglobulie: mit 0,9 % NaCl (kein Vorteil bei Verwendung kolloidaler Lösungen): pAT Volumen ¼

2 Arbeitstechniken

2.19 Hörscreening

▶ Cave: Bei Blutentnahme über NAK kontinuierlich/kleine Volumina abziehen, da■

Blutvolumen  ðaktueller Hkt  ZielHktÞ aktueller Hkt

2.19 Hörscreening Roos, Proquitté

Regelungen zum Hörscreening ▶ Das Neugeborenen-Hörscreening ist durch GBA-Beschluss seit 2008 geregelt: Es dient der Erkennung beidseitiger Hörstörungen ab einem Hörverlust von 35 dB. ▶ Es soll innerhalb der ersten 3 Lebensmonate durchgeführt werden, um rechtzeitig mit einer Therapie beginnen zu können. 61

Arbeitstechniken

2

2.19 Hörscreening

▶ Geeignet dazu ist die Messung otoakustischer Emissionen (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen/TEOAE) und/oder die Hirnstammaudiometrie (AABR), synonym: BERA (Brainstem Evoked Response Audiometry). ▶ Die Diagnose einer Hörstörung soll spätestens bis zum Ende des 3. Lebensmonats gesichert, die Therapie bis spätestens zum Ende des 6. Lebensmonats eingeleitet sein. ▶ Die Eltern sollen vorher über Vor- und Nachteile aufgeklärt sein (Merkblatt siehe https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/681/). ▶ Das Screening erfolgt für jedes Ohr bis zum 3. LT (spätestens bis zur U2). Bei Risikokindern für konnatale Hörstörungen ist die AABR (BERA) obligat. Bei Frühgeborenen soll das Hörscreening bis zum errechneten Geburtstermin erfolgen. ▶ Verantwortlich für die Durchführung des Hörscreenings bei Geburt in der Klinik ist der Geburtshelfer, bei Geburten außerhalb der Klinik der Geburtshelfer oder die Hebamme. ▶ Mit einem zweistufigen Screening (OAE und ABR) wurden eine Sensitivität von 91,7 % und eine Spezifität von 98,5 % ermittelt (laut GBA).

Risiko für Hörminderung ▶ Die Prävalenz von beidseitigen sprachrelevanten Hörstörungen liegt in Deutschland bei 1,2/1000 Neugeborenen Die Wahrscheinlichkeit einer Hörminderung ist bei „Risikokindern“ (s. u.) 10-fach höher. ▶ Ein erhöhtes Risiko für eine relevante konnatale Hörstörung besteht laut Joint Committee of Infant Hearing (www.cdc.gov/ncbddd/ehdi/documents/jcihyr2000.pdf) bei: • Erheblicher sensorischer Hörstörung in der Familienanamnese. • Konnataler Infektion: TORCH, Lues etc. Peri- oder postnatale Infektionen, z. B. Meningitis. • Perinataler Hypoxämie. PPHN, ECMO. • Kraniofazialen Anomalien und Fehlbildungen z. B. der Ohrmuschel, der Eustachischen Röhre. • Dysmorphie-Syndromen, z. B. Neurofibromatose, Osteopetrose. • Austauschpflichtiger Hyperbilirubinämie. • Anwendung ototoxischer Medikamente beim Kind: Aminoglykoside, Schleifendiuretika, Chemotherapeutika. ▶ Risiken für später erworbene Hörstörungen sind: • Rezidivierende Otitis media. • Schädeltrauma mit Fraktur. • Neurodegenerative Erkrankung. • Von den Eltern geäußerter Verdacht.

Transitorisch evozierte Otoakustische Emissionen ▶ Definition: Transitorisch evozierte otoakustische Emissionen (TEOAE) sind Schallsignale, die durch Bewegungen der äußeren Haarzellen des Innenohrs erzeugt werden. ▶ Messung: Mit Hilfe eines Sondenmikrofons, platziert im äußeren Gehörgang, können diese Emissionen gemessen werden. Aus der sicheren Nachweisbarkeit lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, dass im Bereich zwischen 500 – 4 000 Hz intakte Haarzellen zu finden sind, d. h. eine mindestens mittelgradige pankochleäre Hörstörung praktisch nicht vorliegt. ▶ Da das im Innenohr erzeugte Schallsignal retrograd über die Strukturen des Mittelohrs und das Trommelfell in den äußeren Gehörgang geleitet wird, beeinflusst eine Tubenfunktions- bzw. eine Schallleitungsstörung die Nachweisbarkeit und sollte z. B. durch eine Tympanometrie ausgeschlossen werden.

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▶ Zum Verständnis: • Die Tympanometrie erfasst objektiv Beweglichkeit von Trommelfell und Mittelohrstrukturen (Schallleitung). • Otoakustische Emissionen dienen zur Objektivierung der Innenohrfunktion (Schalltransformation).

Elektrische Reaktionsaudiometrie (ERA) ▶ ERA (Electric Response Audiometry) ist ein Überbegriff für die verschiedenen Techniken der elektrischen Reaktionsaudiometrie. Mittels einer reizsynchronen EEG-Ableitung werden hiermit Störungen im Bereich von Hörnerv, Hirnstamm und Hörrinde objektiv nachgewiesen (Schallempfindung und Schallverarbeitung). ▶ Entsprechend der zeitlichen Folge ihrer Reizantworten aus den einzelnen Stationen des Hörsystems unterscheidet man: • EcochG (Elektrokochleografie): Reizantwort aus dem Innenohr, mittels Nadelelektrode am Promontorium abgeleitet. • AABR (Hirnstammaudiometrie), synonym BERA (Brainstem Evoked Response Audiometry): Registrierung der frühen Reizantworten des Hirnstamms (Hirnstammaudiometrie). • MLRA (Middle Latency Potentials): Messung der Antworten mittlerer Latenz. • CERA (Cortical Evoked Response Audiometry): Messung später akustisch evozierter Potenziale. ▶ Klinische Bedeutung haben v. a. Elektrokochleografie und AABR (BERA).

2 Arbeitstechniken

2.19 Hörscreening

Übersicht: Untersuchungs- und Stimulationsmöglichkeiten ▶ Eine Übersicht über die Untersuchungs- und Stimulationsmöglichkeiten der einzelnen Komponenten des Gehörs gibt Tab. 2.7: Tab. 2.7 • Untersuchungs- und Stimulationsmöglichkeiten des Gehörs. Anatomische Struktur

Untersuchungsmethode

Stimulationsmöglichkeit

Mittelohr

Tympanometrie

Innenohr

OAE (ECochG)

Hörgerät (Schallverstärkung)

N. cochlearis

AABR (ECochG)

Cochlea Implantat

Hirnstamm: Nucleus cochlearis, Colliculus inferior

AABR

Hirnstammimplantat

zentrale Hörbahn, Cortex

AABR, MLRA, CERA

Praktisches Vorgehen ▶ Untersuchungszeitpunkt: Zur Untersuchung wird Ruhe benötigt; bester Zeitpunkt ist daher eine Untersuchung während des postprandialen Schlafs. ▶ Voraussetzungen: Tubenventilations- und Schallleitungsstörungen (liegende Magensonde, Paukenerguss, floride Otitis) sollten vorher ausgeschlossen werden! ▶ Vorgehen: • OAE-Messung vor Entlassung unauffällig → keine weitere Diagnostik. • Ausnahmen bilden folgende Risikokinder und sollten zusätzlich eine BERA bekommen: – Kinder nach Intensivtherapie > 5 Tage oder perinataler Hypoxämie. PPHN, ECMO. – Hyperbilirubinämie mit erforderlicher Austauschtransfusion. – Sepsis mit positiver Blutkultur. – Erhebliche sensorische Hörstörung in der Familienanamnese. 63

Arbeitstechniken

2

2.19 Hörscreening

– Konnatale Infektion: TORCH, Lues etc. Peri- oder postnatale Infektionen z. B. Meningitis. – Kraniofaziale Anomalien und Fehlbildungen, z. B. der Ohrmuschel, der Eustachischen Röhre. – Dysmorphie-Syndrome, z. B. Neurofibromatose, Osteopetrose. • OAE-Messung vor Entlassung auffällig → Ausschluss einer Tubenfunktionsstörung (Otoskopie, Tympanometrie). Ist eine erneute OAE-Messung (möglichst vor Entlassung) auffällig → weitergehende audiologische Diagnostik, s. Abb. 2.25. ▶ Dokumentation: Ergebnis im Vorsorgeheft und Arztbrief dokumentieren. ▶ Beachte: Bei genetisch bedingten Hörstörungen in der Familie oder konnataler Zyto■ megalie, Toxoplasmose, neurodegenerativer Erkrankung und ECMO muss, bei postnatal primär unauffälligem Ergebnis, wegen einer häufig auftretenden Progredienz die Untersuchung später in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Geburt

1. Hörscreening (OAE)**

bestanden Ende

6.–8.Woche

nicht bestanden genaue Abklärung erforderlich 3. BERA in Sedierung

bestanden keine Hörstörung vorhanden Ende

2.–5.Tag

nicht bestanden Verdacht auf Hörstörung

2. Hörscreening (OAE, (O AABR [BERA])

bestanden Ende

Tag 0

bis 3. Monat

nicht bestanden Hörstörung bestätigt!

differenzierte pädaudiologische Diagnostik und Beginn entsprechender therapeutischer Maßnahmen ab Hörverlust< 20dB (z. B. Hörgeräte oder Cochlea-Implantat) ** Bei erhötem Risiko auf konnatale Hörstörung AABR (BERA) Abb. 2.25 • Dreistufiges Hörscreening.

64

3

Bildgebende Diagnostik

3.1 Vorbemerkungen zur Sonografie ▶ Die Sonografie ist das am häufigsten eingesetzte bildgebende Verfahren in der Neonatologie. ▶ Anwendungsgebiete: • ZNS über die Fontanellen und transkraniell (z. B. bei Blutung, Ischämie, Fehlbildung). • Spinalkanal über nicht verknöcherten Spinalkanal (z. B. bei tethered cord). • Kopf-Hals-Weichteile (z. B. bei Fisteln, Tumoren). • Thorax mit Thymus und Zwerchfell (z. B. bei Tumoren, Pneumonie, Erguss, Hernien). • Abdomen und Becken (z. B. bei Organanomalien, Tumoren, Choledochuszyste, Gallengangsatresie, Polypen, Divertikeln, Atresien). • Urogenitaltrakt (z. B. bei Harntransportstörung, Nebennierenblutung). • Extremitäten-/Gelenksonografie (z. B. bei Abszess, Coxitis), Hüftsonografie. ▶ Ruhe durch vorheriges Füttern ermöglichen (Sedierung vermeiden). Kindgerechte Umgebung herstellen (Wärmestrahler, Schnuller, Eltern). ▶ Hygienestandards bei Untersuchung im Inkubator beachten. Schallköpfe mit geeignetem Material desinfizieren (Händedesinfektionsmittel produzieren einen Fettfilm und können die Oberfläche angreifen). Tipp: Steriles Gel portioniert im Wärmeschrank oder Inkubator erwärmen. ▶ Untersuchungshergang nach Standard (DEGUM/ÖGUM/SGUM) vollständig und nicht nur bezogen auf einzelne Fragestellung. ▶ Lagerungsmanöver abhängig von Fragestellung (z. B. Nierenbeurteilung von dorsal in Bauchlage auf einer Rolle zum Lordoseausgleich). ▶ Technik: • Für optimale Abbildungseigenschaften im Neugeborenenalter möglichst hochfrequente Sonden (9–14MHz) einsetzen: hohe Ortsauflösung, geringe Eindringtiefe. • Problem der geringen Auflageflächen durch geeignete Schallköpfe (z. B. Hockeystick-Sonde) lösen. Abdomen: Linearschallköpfe, Curved-array. Schädel: Linearschallkopf, Sektorsonde. Thorax: Sektorsonde ▶ Vorteile: Keine Strahlenbelastung, risikolos wiederholbar, Sonopalpation möglich, Steuerung von Interventionen (Punktion von Flüssigkeitsansammlungen, Biopsien). ▶ Probleme: • Luft, Knochen, Artefakte. • Höherer Zeitbedarf als Röntgen. • Untersucherabhängigkeit. Daher Standardisierung der Untersuchungen, Sicherung der Untersuchungsqualität durch permanente Schulung/Qualifizierung der Untersucher. • Einsatz von Ultraschallkontrastmitteln (CEUS: contrast enhanced ultrasound, Mikrobubbles): intravesikal (zugelassen) zum Nachweis vesikoureteraler Reflux; intravasal (off label) zur Perfusionsbeurteilung von Tumoren, Entzündungen, Trauma. Cave: höherer Energieeintrag durch Schwingen der Bubbles. ▶ Bedenke: Die Sonografie stellt Grenzflächen dar! Die Interpretation (z. B. Blut oder ■ Eiter) erfolgt klinisch (Anamnese, Symptome, Labor, Verlauf usw.). ▶ Artefakte: • Eine Signalabschwächung bis zur Signalauslöschung tritt nach echoreichen Strukturen oder Grenzflächen (Knochen, Kalk, Luft) auf. Zur Beurteilung dieser toten Winkel andere Schallfenster nutzen (Abb. 3.1). • Eine Signalverstärkung tritt nach echoarmen Strukturen (z. B. Zysten) auf und kann Parenchyminhomogenitäten vortäuschen. • Distale Auslöschung (Abtropfphänomen): Infolge tangentialen Auftreffens des Schallstrahls auf Grenzflächen kommt es zur Beugung und Abschwächung.

3 Bildgebende Diagnostik

3.1 Vorbemerkungen zur Sonografie

65

Bildgebende Diagnostik

3

3.2 Zerebrale Sonografie

• Spiegelphänomene: Bei Schall durch ein Kephalhämatom kann durch Spiegelung ein darunterliegendes epidurales Hämatom vorgetäuscht werden. Cave: Epidurale Hämatome treten im Zusammenhang mit Kephalhämatomen aber auch auf! ▶ Beachte: Pathologische Befunde daher stets in mind. 2 Ebenen dokumentieren. ■ • Strukturen, die im Verlauf des Schallstrahls hintereinander liegen, werden besser aufgelöst, als wenn sie nebeneinander liegen. • Ein Schlüssellocheffekt mit totem Winkel entsteht bei der Sonografie durch enge Schallfenster (speziell beim Schädelschall). Ggf. weitere Schallfenster nutzen.

3.2 Zerebrale Sonografie Roll

Grundlagen ▶ Schallfenster bei Frühgeborenen: Hier sind die vordere und hintere Seitenfontanelle (Abb. 3.1) noch sehr große Schallfenster. Sie ermöglichen eine bessere Beurteilung von Mittelhirn, Aquädukt und hinterer Schädelgrube (Kleinhirn) als die vordere Fontanelle, welche für die supratentoriellen Strukturen geeignet ist. ▶ Schallköpfe: Es stehen Schallköpfe in einer Frequenzbreite von 5 – 12 MHz zur Verfügung. Je höher die MHz-Zahl, umso besser die Auflösung, aber umso geringer die Eindringtiefe. Zusätzlich Linearschallkopf für Sinus sagittalis und schallkopfnahe Strukturen nutzen. ▶ Anatomie: Schädelnähte und Fontanellen zeigt die Abb. 3.1.

Indikationen zur zerebralen Sonografie ▶ Frühgeborene in den ersten 24 h, am 3. Lebenstag, nach 1 Woche und regelmäßig bis Entlassung. ▶ Geburtstrauma, Asphyxie, je nach Klinik vaginal-operative Geburten. ▶ Zerebrale Krampfanfälle. ▶ Unerklärbares Erbrechen (V. a. Hirndruck). ▶ Ungeklärter Hämoglobin- oder Hämatokritabfall. ▶ Makrozephalie, Mikrozephalie, Asymmetrie, Dysmorphie. ▶ Schädel-Hirn-Trauma, V. a. Schütteltrauma. ▶ Meningitis/Enzephalitis, konnatale Infektionen (z. B. Toxoplasmose, CMV). ▶ ECMO-Therapie (S. 240). ▶ V. a. Aneurysma der V. Galeni (intrakranielles Strömungsgeräusch, ungeklärte Herzinsuffizienz, [flussbedingte] pulmonale Hypertonie, große Karotiden im Herzecho).

1

2 3 4

66

Abb. 3.1 • Schädelnähte und Fontanellen als Schallfenster. Vordere Fontanelle (1), hintere Fontanelle (2), vordere Seitenfontanelle (3) für axiale und koronare Schnitte und hintere Seitenfontanelle (4) für Untersuchungen der hinteren Schädelgrube und des Kleinhirns. Die Seitenfontanellen beginnen sich um die Geburt zu schließen, je unreifer das Kind, desto besser sind sie als Schallfenster geeignet.

Praktisches Vorgehen ▶ Sektor-/Linearschallkopf behutsam ohne Druck auf die vordere Fontanelle aufsetzen. ▶ Untersuchungsgang: • Den Schädel langsam in 2 Ebenen (von frontal nach okzipital und von der Mittellinie nach links und nach rechts) durchmustern. • Toten Winkel durch laterales Schwenken des Schallkopfs verkleinern. • Zusätzliche Schallfenster nutzen. Die hintere Seitenfontanelle erlaubt eine wesentlich detailliertere Beurteilung von Kleinhirn (Blutung?) und Aquädukt. • Dokumentation standardisierter Schnitte (z. B. Abb. 3.2 – Abb. 3.9). Sonografie aber nicht auf die Produktion von Schnittbildern reduzieren!

OD

3 Bildgebende Diagnostik

3.2 Zerebrale Sonografie

SO OD

Abb. 3.2 • Transfontanelläre Schädelsonografie. Vorderer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; SO = Sulcus olfactorius, OD = Olfaktoriusdach.

SV C FS

III

T

Abb. 3.3 • Transfontanelle Schädelsonografie. Mittlerer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; SV = Seitenventrikel, III = III. Ventrikel, T = Thalamus, C = Nucleus caudatus, FS = Fissura Sylvii (Inselzisterne).

67

3.2 Zerebrale Sonografie

Bildgebende Diagnostik

3

SV

M

Hi Abb. 3.4 • Transfontanelle Schädelsonografie. Hinterer Koronarschnitt mit Kleinhirn, vordere Fontanelle; SV = Seitenventrikel, M = Vier-Hügel-Platte, Hi = Hippocampus, KH = Kleinhirn, CM = Cisterna magna.

KH CM

SCC SV P Abb. 3.5 • Transfontanelle Schädelsonografie. Hinterer Koronarschnitt mit Plexus, vordere Fontanelle; SV = Seitenventrikel, Scc = Splenium corporis calloris, P = Plexus choroideus, O = Okzipitallappen.

O

ST D

KHW

T

K IV M

KH CM

a

K

b

Abb. 3.6 • Transfontanelle Schädelsonografie. a hintere Seitenfontanelle; ST = Sinus transversus, KHW = Kleinhirnfolia, IV = 4. Ventrikel, KH = Kleinhirn, M = Medulla, T = Temporallappen. b transkraniell präaurikulär; D = Defekt, K = Koagel, CM = Cella media.

68

F Cs

P

CC

III O

L

Abb. 3.7 • Transfontanelläre Schädelsonografie. Medianer Sagittalschnitt, vordere Fontanelle; Cs = Cavum septum pellucidi, CC = Corpus callosum, III = 3. Ventrikel, IV = 4. Ventrikel, L = Lamina quadrigemina, P = Pons, K = Kleinhirn, Cm = Cisterna magna, O = Occipitallappen, P = Parietallappen, F = Frontallappen.

P IV

K

3 Bildgebende Diagnostik

3.2 Zerebrale Sonografie

Cm

V

C P T

Abb. 3.8 • Transfontanelläre Schädelsonografie. Paramedianer Sagittalschnitt, vordere Fontanelle; V = Vorderhorn, C = Cella media, P = Plexus chorioideus, H = Hinterhorn, Hi = Hippocampus, T = Temporalhorn.

Abb. 3.9 • Transfontanelläre Schädelsonografie. Mittlerer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; zur besseren Beurteilung wurde ein Linearschallkopf verwendet (Nahfeld); G = Ultraschallgel, S = Sinus sagittalis superior, F = Falx, SC = Sulcus cinguli, SCW = Sinucorticale Weite (3 mm), CCW = Craniocorticale Weite (4 mm), IHW = Interhemisphärische Weite (6 mm).

G SCW

S

Hi

H

CCW

IHW

SC

69

Bildgebende Diagnostik

3

3.3 Intrakranielle Dopplersonografie

3.3 Intrakranielle Dopplersonografie Roll

Indikationen ▶ Asphyxie, Hirnödem. ▶ Intrakranielle Blutungen und Infarkte (Arterien und Venen: Sinusvenenthrombosen!). ▶ Hydrozephalus. ▶ Offener Ductus Botalli. ▶ Präoperativ (vor Herzoperationen). ▶ ECMO-Therapie (S. 240). ▶ Aneurysma der V. Galeni. Ungeklärte Herzinsuffizienz beim Neugeborenen (intrakranieller AV-Shunt?). ▶ Differenzialdiagnose zystischer Mittellinienstrukturen.

Verfahren ▶ Farbdopplersonografie: Beantwortet morphologische Fragestellungen und ermöglicht eine Darstellung des Gefäßverlaufs sowie die Differenzialdiagnose zystischer Strukturen (z. B. Liquorzyste versus Aneurysma). ▶ Pulsdopplersonografie: Beantwortet hämodynamische Fragestellungen und stellt das Flussgeschwindigkeitsspektrum des Bluts dar. • Bei der Pulsdopplersonografie sollte der Einschallwinkel möglichst klein sein (< 40°), am besten parallel zum Gefäßverlauf. Zur Bestimmung der absoluten Flussgeschwindigkeiten ist eine Winkelkorrektur erforderlich. • Indizes (weitgehend unabhängig vom Einschallwinkel): – Resistance-Index: V V RI ¼ s V ed s – Pulsatilitätsindex: V V PI ¼ s V ed m – Vs = max. syst., Ved = enddiast. und Vm = mittlere Flussgeschwindigkeit. • Die Flussgeschwindigkeiten (Normbereiche) sind von Gestationsalter und Körpergewicht, die Indizes vom jeweiligen Gefäß abhängig (Tab. 3.1). Tab. 3.1 • Intrazerebrale Gefäßdarstellung und Dopplernormwerte.

70

Gefäß

Zugang

Schnittebene

Schallkopf

RI (M + SD)

A. cerebri anterior

vordere Fontanelle

sagittal/ koronar

Sektor

0,73 ± 0,08

A. carotis interna

vordere Fontanelle

koronar

Sektor

0,77 ± 0,08

A. cerebri media

temporal transkraniell

horizontal

Sektor

0,82 + 0,03

A. basilaris

vordere Fontanelle

sagittal/ koronar

Sektor

0,72 ± 0,09

Sinus sagittalis superior

vordere Fontanelle

koronar/ sagittal

linear

V. cerebri magna

vordere Fontanelle

sagittal

Sektor

V. cerebri interna

hintere Fontanelle

koronar

Sektor

3 Bildgebende Diagnostik

3.4 Echokardiografie

Abb. 3.10 • a, b Fontanellenkompressionstest bei einem Frühgeborenen mit progredienter posthämorrhagischer Ventrikelerweiterung; vor (a) und nach (b) Lumbalpunktion. Flussgeschwindigkeitsprofile in der A. cerebri media vor, während und nach Kompression der vorderen Fontanelle (transtemporale Sonografie). Vor der Liquordrainage kommt es durch die Kompression zu einer Änderung des RI um 0,17. Nach der Liquordrainage ist die Kompression ohne Einfluss auf das Flussgeschwindigkeitsprofil.

Bei pathologischem Pulsdopplerbefund ▶ Extrakranielle Ursachen ausschließen: Pathologischer Befund auch in extrakraniellen Gefäßen (z. B. Ductus arteriosus Botalli, aortopulmonales Fenster, Aorteninsuffizienz, Aortenstenose, hypoplastisches Linksherz, AV-Malformationen)? ▶ Blutdruck? ▶ Blutgase kontrollieren: pCO2 (wirkt vasoregulativ). ▶ Dran denken: Kompression der Fontanelle verfälscht das Ergebnis (unbedingt vermeiden).

Fontanellenkompressionstest ▶ Hintergrund: Absolute Messwerte der Flussgeschwindigkeiten sowie RI und PI sind zur Quantifizierung des intrakraniellen Druckes ungeeignet (erst spät Veränderungen). Eine gute Korrelation (r = 0,8) scheint zwischen dem intrakraniellen Druck und der Änderung des RI bei Fontanellenkompression zu bestehen (Complianceprüfung des Systems). ▶ Möglichkeiten zur Durchführung: • 1. Transtemporale Pulsdopplersonografie der A. cerebri media (Schallkopf komprimiert nicht die Fontanelle). Kurzzeitig (nur 1 – 2 s) wird die vordere Fontanelle leicht komprimiert (objektiver mit Ophthalmodynamometer). • 2. Schallkopf auf vordere Fontanelle, Aufsuchen der A. cerebri anterior, Kompression mit Schallkopf während der Messung (leichter durchzuführen). Den RI vor, während und nach der Kompression bestimmen (Abb. 3.10).

3.4 Echokardiografie Dalla Pozza, Busch ▶ Vorbemerkung: Das Kapitel kann und soll keine Kurzanleitung zur selbstständigen Durchführung einer echokardiografischen Untersuchung sein, es soll lediglich die verwendeten Verfahren erläutern.

Indikationen ▶ V. a. Persistierenden Ductus arteriosus (PDA): Sättigungsschwankungen, hebende Pulse, präkordiale Pulsationen, hohe Blutdruckamplitude.

71

Bildgebende Diagnostik

3

3.4 Echokardiografie

▶ V. a. Vitium cordis: Herzgeräusch, Herzinsuffizienz, Zyanose, abgeschwächte Leistenpulse. ▶ ZVK-Lokalisierung. ▶ Beurteilung der kardialen Füllung und der Myokardfunktion.

Verfahren ▶ 2-D-Echokardiografie: Wiedergabe der gemessenen Signale in unterschiedlichen Graustufen (mind. 256); 2-dimensionales Bild. Sequenzielle Analyse des viszeroatrialen Situs, der Lage des Herzens, der venoatrialen, atrioventrikulären und ventrikuloarteriellen Konnektionen sowie der Vorhof- und Ventrikelanatomie. ▶ Time-Motion(M-Mode)-Echokardiografie (Abb. 3.11): 1-dimensionale Messung (mind. 56 Graustufen), in der Regel unter Positionskontrolle durch das 2-D-Bild mit Darstellung gegen die Zeitachse. Messung von Wandstärke, Durchmesser der Herzhöhlen, der Herzklappen und der großen Gefäße, Berechnung der Verkürzungsfraktion und LA/AO. ▶ Echokardiografie-Normalwerte von Neugeborenen am besten online vergleichen: http://parameterz.blogspot.de/ ▶ Dopplerechokardiografie: • Die ausgesandte Ultraschallfrequenz wird durch bewegte Reflektoren modifiziert (= Dopplershift). • Dopplergleichung: F  2  V  cos  Fx ¼ 0 c • Da die Sendefrequenz und die Schallausbreitungsgeschwindigkeit im Gewebe konstant sind, gilt vereinfacht: Fx = 2 × V × cos α.

Abb. 3.11 • M-Mode durch rechten und linken Ventrikel in parasternaler Längsachse: Messung von rechtem Ventrikel (RV), interventrikulärem Septum (IVS), linkem Ventrikel (LV) und Hinterwand (PW, posterior wall).

RV IVS LV PW

AO LA

72

Abb. 3.12 • M-Mode durch Aorta und linken Vorhof in parasternaler Längsachse: Messung von Aortendurchmesser (AO) und linkem Vorhof (LA). Bestimmung des LA/AO-Verhältnisses (Norm < 1,5).







▶ ▶



• Fx = Frequenzänderung (Dopplershift), Fo = ausgesandte Frequenz, V = Blutströmungsgeschwindigkeit, α = Winkel zwischen Schallstrahl und Blutströmung, c = Schallgeschwindigkeit im Gewebe. • Die Flussgeschwindigkeiten (Vmax in m/s) an den verschiedenen Klappen liegen bei 0,5 – 1,1 (PK) bzw. 0,8 – 1,8 (AK und AOdesc), s. a. http://parameterz.blogspot.de/. CW(Continuous-Wave)-Doppler: • Kontinuierliche Aussendung und Registrierung von Schallwellen. Richtung und Geschwindigkeit einer Strömung werden auch bei hohen Geschwindigkeiten > 2 m/s erfasst, allerdings ist keine Aussage über die Entstehungstiefe der Signale möglich! • Kodierung: – Oberhalb der Nulllinie: Strömung auf den Schallkopf zu. – Unterhalb der Nulllinie: Strömung vom Schallkopf weg. PW(Pulsed-Wave)-Doppler: • Gepulste Aussendung und Registrierung von Schallwellen. Eine bestimmte Tiefe lässt sich anvisieren und eine Messregion (sample volume) festlegen. Bei Shifts oberhalb der Pulsrepetitionsrate werden die Signale fehlerhaft abgebildet (Nyquist-Effekt). • Kodierung: – Oberhalb der Nulllinie: Strömung auf den Schallkopf zu. – Unterhalb der Nulllinie: Strömung vom Schallkopf weg. Farbdoppler: • Analyse der Dopplershifts in einem wählbaren Sektor, „flächenhafte PW-Analyse“. • Kodierung: – Rot: Auf den Schallkopf zu. – Blau: Vom Schallkopf weg. – Gelb/grün: Höhere Geschwindigkeiten oberhalb der Nyquist-Grenze = Aliasing. Möglichst stets simultane EKG-Registrierung mit mind. 50 mm/s, um die zeitliche Zuordnung der Signale innerhalb des Herzzyklus zu ermöglichen! Druckgradient-Berechnung (Abb. 3.13 und Abb. 3.14): Modifizierte Bernoulli-Gleichung, mit der sich im PW- und CW-Dopplerverfahren Druckgradienten über Engstellen abschätzen lassen (Δp = Druckgradient, V = Strömungsgeschwindigkeit hinter der Engstelle): Δp = 4 × V2. Dopplergrafik: max. Geschwindigkeit 3,66 m/sec. Max. Druckgradient = 4 × V2 = 4 × 3,662 = 54 mmHg. Transducerpositionen s. Abb. 3.15, Abb. 3.16.

3 Bildgebende Diagnostik

3.4 Echokardiografie

Abb. 3.13 • CW-Dopplerkodierung des laminaren Flusses in der A. pulmonalis: Flussgeschwindigkeit 1 m/sec = errechneter Gradient 4 mmHg.

73

3.4 Echokardiografie

Bildgebende Diagnostik

3

Abb. 3.14 • CW-Dopplerkodierung eines turbulenten Flusses bei Pulmonalstenose: Flussgeschwindigkeit 3,6 m/sec = errechneter Gradient 54 mmHg.

kurze Achse

Vierkammerblick

lange Achse

Abb. 3.15 • Schnittebenen in der Echokardiografie: lange Achse, kurze Achse und Vierkammerblick.

74

PA AO PA

Ductus

DA O

A LP

IV

V

3 Bildgebende Diagnostik

3.4 Echokardiografie

4

3

1

5

2

II TKL

I III

LA

PFO

RA

MK L um pt Se

RA

TKL

RV

LV

RV AO

PA

RV AAO

LV MK L

LA Septum Abb. 3.16 • Verschiedene Transducerpositionen und zugehörige Schnittbilder: Pos. 1: Parasternal, 2. – 4. ICR links: Längs: „lange Achse“ (I), quer: „kurze Achse“ (II). Pos. 2: Apikal, 5. ICR links, „Vierkammerblick“ (III). Pos. 3: Subkostal unterhalb des Xiphoids quer, „Vierkammerblick“ (III). Pos. 4: Suprasternal im Jugulum (IV). Pos. 5 (Duktusschnitt): Hochparasternal links (2. ICR links) längs (V). AAO = Aorta ascendens, DAO = Aorta descendens, LA = linker Vorhof, LPA = linke Pulmonalarterie, LV = linker Ventrikel, MKL = Mitralklappe, PA = Pulmonalarterie, PFO = persistierendes Foramen ovale, RA = rechter Vorhof, RV = rechter Ventrikel, TKL = Trikuspidalklappe.

75

Bildgebende Diagnostik

3

3.4 Echokardiografie

* Abb. 3.17 • Ductusblick; der Blutfluss in der PA (*) ist am Monitor blau kodiert. Der helle Bereich (→, am Monitor rot) entspricht dem Blutfluss durch den PDA.

Abb. 3.18 • Dopplerflusskurve bei PDA; mit dargestellt ist das Flussprofil des Truncus coeliacus (PW-Doppler).

Echokardiografie bei persistierendem Ductus arteriosus (PDA) ▶ Häufigste Fragestellung in der Neonatologie. ▶ Praktisches Vorgehen: ▶ Merke: Beste Darstellung des PDA mit Transducerposition im 2. ICR links paraster■ nal, parallel zum Sternum (senkrecht), sog. Duktusschnitt, s. Abb. 3.16 (Pos. 5), Abb. 3.17, Abb. 3.19. • Subkostal (Vierkammerblick). • Parasternal lange Achse: Schnittebene linke Hüfte/rechte Schulter, Ankoppelungspunkt 2., 3., 4. ICR links. • Parasternal kurze Achse: Schnittebene rechte Hüfte/linke Schulter, Ankoppelungspunkt 2., 3., 4. ICR links. • Apikale und suprasternale Schnittebenen, jeweils als lange und kurze Achse, sind sehr hilfreich. ▶ Sonografie des PDA: • Direkte Darstellung des PDA im Bereich des Aortenbogens am Übergang zur Aorta descendens. • Zusätzlicher Ast („3. Hosenbein“) aus dem Pulmonalis-Hauptstamm abgehend in der parasternalen kurzen Achse. • Flussrichtung und Profil darstellen (Doppler in die vermutete Struktur legen). Die Dopplerflusskurve zeigt typischerweise einen Rückfluss von der Aorta in die A. pulmonalis (Flussrichtung auf den Schallkopf zu, d. h. nach oben am Bildschirm), s. Abb. 3.18. 76

MPA

PD A

Abb. 3.19 • „Duktusschnitt“, 2. ICR links parasternal. DAO = Aorta descendens LPA = linke Pulmonalarterie MPA = Pulmonalarterienhauptstamm (main pulmonary artery) PDA = persistierender Ductus arteriosus.

LPA

3 Bildgebende Diagnostik

3.5 Sonografie der Säuglingshüfte

DAO

▶ Sonografische Kriterien für hämodynamisch wirksamen PDA: • Verhältnis linker Vorhof / Aorta > 1,5 in der parasternalen langen Achse (Volumenbelastung) oder im subkostalen Fünfkammerblick (inkl. Aorta). Vorsicht, Einfluss des Intravasalvolumens bedenken. • Diastolischer Flussabbruch oder retrograder diastolischer Fluss in: – abdominellen Gefäßen (Truncus coeliacus, A. mesenterica sup., Nierenarterien). – intrakraniellen Gefäßen (sehr spät).

3.5 Sonografie der Säuglingshüfte Mentzel

Grundlagen ▶ Die Hüftsonografie erlaubt die frühzeitige Diagnose der Hüftdysplasie postnatal. Das Röntgenbild ist erst im Alter von 3 Monaten aussagekräftig, wenn der Hüftkopfkern radiografisch abbildungsfähig ist. ▶ Häufigkeit der Hüftdysplasie: 2 – 5 % der Neugeborenen, Mädchen 5–8-mal häufiger. Li. > Re. Beidseits bei 25 %. ▶ Risikofaktoren: Familiäre Belastung (Geschwister, Eltern), Geburt aus Beckenendlage, Oligohydramnion, Assoziation zu Fußdeformitäten und zu Tortikollis. ▶ Klinik: Glutealfaltenasymmetrie, Positives Ortolani- und Ludloff-Zeichen, Abspreizhemmung. ▶ Differenzialdiagnosen: Sekundäre Hüftdysplasie bei neurologischer Erkrankung oder Femurhypoplasie. ▶ Therapieerfolge bei Hüftgelenkdysplasie sind bei Therapiebeginn in den ersten 6 Lebenswochen am größten. Bei Behandlungsbeginn nach dem 3. Lebensmonat kommt es nur noch bei 60 % zu einer anatomischen Heilung. ▶ Komplikation unter Behandlung: Aseptische Hüftkopfnekrose. Die nicht ausgeheilte Hüftdysplasie gilt als häufigste präarthrotische Deformität. ▶ Vorteile der Hüftsonografie: • Ab 1. Lebenstag bei reifen Neugeborenen möglich, keine Strahlenbelastung, beliebig wiederholbar, nicht invasiv. • Gesamtes Pfannendach inklusive der knorpelig präformierten Hüftgelenksanteile beurteilbar. • Möglichkeit der dynamischen Untersuchung. 77

Bildgebende Diagnostik

3

3.5 Sonografie der Säuglingshüfte

▶ Additiv zur Hüftsonografie: MRT zur Beurteilung der Gelenkverhältnisse bei nicht reponierbarer Hüftluxation, postoperative Verlaufskontrolle, Stellungskontrolle im Gips. ▶ Merke: Das sonografische Hüftscreening ist auf jeden Fall zur U3 in der 4.–6. Le■ benswoche durchzuführen, kann aber auch früher erfolgen; eine primär normale Hüfte wird nicht pathologisch. ▶ Bei Frühgeborenen ist die Untersuchung erst bei einem Gewicht > 1500 g bzw. bei klinischem Befund einer Hüftgelenkdysplasie sinnvoll.

Definition der Hüfttypen ▶ Qualitativ beurteilt werden knöchernes und knorpliges Pfannendach, knöcherner Erker und die Position des Femurkopfes. Quantitativ wird mit Winkelmessung zwischen definierten Linien analysiert. Vier Hüfttypen und deren Untergruppen werden unterschieden Abb. 3.20 und Tab. 3.2).

IV/III a/b 35

80

77

II c

II a/b

I

40

43 45

50

55

60

65 α

75

70

65

60

55

50 β

Abb. 3.20 • Normogramm der Alpha- und Betawinkel der Hüfte und die Abhängigkeit der Hüfttypen nach Graf von diesen Winkeln. (Grifka J, Ludwig J. Kindliche Hüftdysplasie. Thieme; Stuttgart, 1998)

78

ausreichend

mangelhaft

bis 3 Monate

3 – 12 Monate

> 12 Monate

jedes Alter

jedes Alter

Typ IIa (+)

Typ IIa (-) physiologisch unreif mit Reifungsdefizit

Typ IIb, Verknöcherungsverzögerung

Typ IIc, Gefährdungsbereich

Typ D (IId) am Dezentrieren

schlecht

schlecht

Typ III dezentriertes Gelenk

Typ IV dezentrierter Hüftkopf

hochgradig mangelhaft

hochgradig mangelhaft

mangelhaft

gut

Jedes Alter

Typ I reifes Hüftgelenk

Knöcherne Formgebung

Alter (Lebenswoche)

Hüfttyp nach Graf

rund rund bis flach rund bis flach

flach

flach

50 – 59° 43 – 49° 43 – 49°

≤ 43°

≤ 43°

rund

50 – 59° rund

eckig/stumpf

≥ 60°

50 – 59°

Knöcherner Erker

Knochenwinkel α

Tab. 3.2 • Sonografische Diagnostik der Säuglingshüfte nach Graf.

nach mediokaudal verdrängt

nach kranial-lateral verdrängt – mit Strukturstörungen

verdrängt β > 77°

noch übergreifend β 70 – 77°

übergreifend β > 55°

übergreifend

übergreifend

übergreifend

Knorpelig präformiertes Pfannendach, Knorpelwinkel β

Bildgebende Diagnostik

Repositionshindernis Reposition und Fixation

bleibende Luxation, irreversible Wachstumsverzögerung IIIa (Neugeborene) manuelle Reposition IIIb evtl. Operation Fixation

Risiko der vollständigen Dezentrierung schonende Reposition Scheitern: OP

hohes Risiko, keine Spontanreifung Stabile Retention

Risiko der Deformation steigt Hilfsmittel, Orthesen

Risiko zur bleibenden Deformation Hilfsmittel, Orthesen

Spontanverlauf ungewiss breites Wickeln, Kontrolle

keine Therapie, keine Kontrolle

Bedeutung/Therapie

3.5 Sonografie der Säuglingshüfte

3

79

Bildgebende Diagnostik

3

80

3.5 Sonografie der Säuglingshüfte

Praktisches Vorgehen ▶ Schallkopf: Linearschallkopf (5–12 MHz) ist wegen seiner breiten Auflagefläche besser zu handhaben. Ein Sektor-Schallkopf hat eine zu geringe Auflagefläche und ist deswegen schlecht in der Standardebene zu halten. ▶ Lagerung: Lagerungsmulde verwenden, Seitenlagerung, Hüfte um 20° gebeugt, leicht innenrotiert (DEGUM-ÖGUM-Dokumentationsstandard). • Schallkopf senkrecht und ohne Verkippung auf den Trochanter major setzen. Hand- und Fingerposition an Schallkopf und Kind beachten. • Falsche, nicht standardisierte Abtasttechnik ist Hauptfehler beim Hüftscreening. Die Folge sind Fehlinterpretationen, die zu Fehltherapien führen. ▶ Standardebene: Koronarschnitt durch die Mitte des knöchernen Pfannendaches, Darmbein parallel zum Schallkopf eingestellt (= Messebene). Orientierungspunkte Metaphysengrenze, knorpliger Femurkopf, Trochanter major, Acetabulum, Glutealmuskulatur. ▶ Messlinien: Die Winkel α (zwischen Grundlinie und Pfannendachlinie) und Winkel β zwischen Grundlinie und Ausstellungslinie (Knorpeldachlinie): • Grundlinie: Parallel zum Darmbeinecho durch obersten Erkerpunkt. Lässt sich der obere Erkerpunkt nicht identifizieren, zeichnet man eine Grundlinienhilfslinie parallel zur hinteren Schallauslöschung des Os ilium ein. • Pfannendachlinie: Wird vom Unterrand des Os ilium tangential an den knöchernen Erker gelegt. • Ausstellungslinie = Knorpeldachlinie: Verläuft durch die Mitte des Labrum acetabulare zum knöchernen Erker. Lässt sich der knöcherne Erker nicht mehr ideal (wie bei einer Typ-I-Hüfte) darstellen, dann ist der knöcherne Erker dort, wo die Konkavität des knöchernen Pfannendaches in die Konvexität der Darmbeinsilhouette übergeht. • Die 3 Messlinien müssen sich nicht in einem Punkt schneiden. ▶ Merke: Nur dann Messlinien in die geschallte Hüfte einzeichnen, wenn die Hüfte ■ genau in der Standardebene (s. o.) geschallt worden ist und entsprechend die 3 Punkte – Labrum acetabulare, knöcherner Erker und Unterrand des Os ilium – gleichzeitig abgebildet wurden. Die korrekte Darstellung des Unterrandes des Os ilium ist entscheidend für die korrekte Anlage. Ein luxierter Hüftkopf verlässt die Standardebene. Kippfehler des Linearschallkopfes sind u. a. an einer konkaven Darstellung des Os ilium erkennbar. ▶ Dokumentation: Die Bilder werden möglichst in Rechtsprojektion dokumentiert, ähnlich einer a.–p.-Röntgenaufnahme. Der Abbildungsmaßstab muss mindestens 1:1,7 betragen. Deskription und Winkelmesswerte müssen sich ergänzen. Von jeder Hüfte müssen 2 Bilder dokumentiert werden, ein Bild ist mit den Winkeln zu versehen. ▶ Dynamische Untersuchung: Druck nach kranial und Zug nach kaudal, um Sub-/Luxation des Femurkopfes und die Reponierbarkeit zu prüfen. Essenziell bei morphologischer Auffälligkeit. ▶ Merke: ■ • Alle Neugeborenen sind nach der Geburt lückenlos sonografisch zu erfassen! Grund: Es besteht keine Korrelation zwischen klinischem Untersuchungsbefund, Anamnese und Diagnose einer Hüftdysplasie. • Falls nach der Geburt keine Hüftsonografie erfolgte, ist die Untersuchung in der 4.– 6. Lebenswoche notwendig (U3). • Über Typ I hinausgehende Hüften sind verdächtig. Engmaschige Kontrollen der Typ-IIa-Hüften • Qualitätssicherung der Hüftsonogramme (Gerät, Linearschallkopf, Zoom 1,7 etc.) in Zusammenarbeit mit Kinderradiologen bzw. Kinderorthopäden. • Bei fraglich pathologischen/dezentrierten Hüften: Immer Rücksprache mit Kinderorthopädie.

3.6 Abdominalsonografie Mentzel ▶ Durchführung: • Basis: B-mode (brightness), Erweiterung: Harmonic imaging, Doppler (PW – pulsed wave, CW – continuos wave), farbkodierte Dopplersonografie. • Möglichst 4-Augen-Prinzip (Überweiser ist nicht Untersucher). • Abdomensonografie stets mit Harnblase beginnen (Miktion), möglichst gut hydriertes Kind. ▶ Geeignete Fragestellungen: • Fehlbildungsdiagnostik/Anomalien Gastrointestinaltrakt (z. B. Atresie, Duplikation, Hernien), Urogenitaltrakt (z. B. fetale Harntransportstörung, singuläre Niere, Zysten, Dysplasien). http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/064-006l_S1_Harntransportstörung__Bildgebende_Diagnostik_2013-03_01.pdf. • Nekrotisierende Enterokolitis: Suche nach Darmwandverdickung, Pneumatosis intestinalis mit echoreichen Bubbles und Reverberationsartefakten, Pneumoperitoneum (Cave: minimaler Schallkopfdruck), Bubbles im Pfortadersystem. • Erbrechen/Galliges Erbrechen = Alarmsignal. Volvulusausschluß – „whirlpool sign“, evtl. freie Flüssigkeit, Pneumatosis, Gefäßposition von Arteria und Vena mesenterica superior. Bei Unklarheit weiterführend obere Magendarmpassage (Röntgen). • Akutes Genitale (z. B. Hoden-Torsion, Hydrozele, Ovarial-Torsion, Zysten, Tumore). • Spinalkanal (z. B. tethered cord) bei sakralen Auffälligkeiten/Fehlbildungen.

3 Bildgebende Diagnostik

3.7 Röntgendiagnostik

3.7 Röntgendiagnostik Mentzel, Roll

Grundlagen ▶ Röntgenanforderung vollständig ausfüllen (erforderlich, um die rechtfertigende Indikation nach Röntgenverordnung zu stellen bzw. nach Alternativen ohne ionisierende Strahlung zu suchen). Dazu gehören: • Alter der Patienten (in den ersten 48 Lebensstunden Angabe in Stunden). Gestationswoche. • Klinische Auffälligkeiten prä-/postnatal, Laborchemie (falls vorliegend) und dezidierte Fragestellung. • Bei Erstaufnahme: Sectio oder Spontangeburt, ggf. Angabe über FW-Menge. • Aussage zur Surfactant-Gabe und zu anderen Maßnahmen (inklusive Bildgebung, Voruntersuchungen). • Gewünschte Atemphase (Inspiration, Exspiration). • Atemwegsdrücke (in- und exspiratorisch oder HFOV mit MAD/PEEP). ▶ Technik: • Film-Fokus-Abstand 115 cm (bettseitig 100 cm), Brennfleck 0,6 mm (< 1,3 mm), Zusatzfilterung (1 mm Al, 0,1 mm Cu). KEIN Raster. • Fest eingestellte Parameter (kV, mAs) in Abhängigkeit von Gewicht und Größe des Kindes. Registrierung des Dosisflächenproduktes (μGy/m²): Film-FolienKombinationen EK 400–600, digitale Speicherfolien mit hoher Quanteneffizienz, mobile Inkubator-taugliche Detektorsysteme mit entsprechender Neonaten-Software zur Bildbearbeitung. • Aus strahlenhygienischen und abbildungsgeometrischen Gründen ist die Kassette im Inkubator direkt unter das Kind (bei instabilen Frühgeborenen Verwendung des Kassetteneinschubs möglich) zu lagern. Kassette hygienisch einpacken. Bleischutzfolien für die Abdeckung ▶ Dokumentation der Aufnahmeparameter und des Flächendosisprodukts. Kommunikation des schriftlichen radiologischen Befundes. 81

Bildgebende Diagnostik

3

3.7 Röntgendiagnostik

Röntgen-Thorax ▶ Indikationen: Respiratorische Anpassungsstörungen, V. a. Lungenfehlbildungen, neonatale Infektion, Lagekontrolle (Tubus, Katheter). ▶ Lagerung: • Entkleiden. Rückenlagerung (streng a.–p.), Arme weg vom Thorax (möglichst hoch nehmen), Kopf in Mittelstellung, weder Extension noch Flexion des Halses. • Ausrichtung der Schultern/Claviculae. Entfernung von externen Fremdmaterialien (wie Monitorkabel). • Bei Katheterkontrolle mit Zugang über Arme; Arme in 45°-Stellung. ▶ Tubusmarke registrieren (für evtl. erforderl. Korrektur). ▶ Magensonde: Erste Aufnahme möglichst MS mit abbilden, um auch so korrekte Lage zu überprüfen. ▶ Einblendung: Lungenspitze abbilden. Untere Feldgrenze Mitte zwischen Nabel und Xyphoid. Bleischutz auf das Kind oder den Inkubator legen (0,4 mm Bleigleichwert). Schädel, Arme und Beine ausblenden, da reich an rotem Knochenmark. ▶ Atemphase: Exspirationsaufnahmen bei V. a. Pneumothorax, bei Fremdkörperaspiration (ggf. gepulste Durchleuchtung mit Last image hold [LIH] Dokumentation). ▶ Seitliche Aufnahme aufgrund hoher Strahlenbelastung selten indiziert. Ggf. sinnvoll bei Hernie, unklarer Katheter-/Drainagelage, ventralem Pneumothorax bzw. Pneumoperikard/-mediastinum. Seitlich angestellte Kassette und horizontaler Strahlengang. Kind auf Schaumstoff höher lagern, beide Arme nach oben halten.

Babygramm (Röntgen-Thorax und -Abdomen auf einem Bild) ▶ Indikationen: • Erstaufnahme nach Legen von Nabelkathetern bzw. nach Lagekorrektur, bei Katheter über die untere Extremität. • V. a. Zwerchfellhernie. • V. a. Ösophagusatresie. ▶ Beachte: Getrennte Aufnahmen von Thorax und Abdomen (mit jeweils idealem Zen■ tralstrahl) erhöhen die Strahlenbelastung nicht wesentlich, verbessern aber die Bildqualität (gilt für Neugeborene > 1000 g).

Röntgen-Abdomen ▶ Indikation: Bei ausreichender Zeit zunächst Sonografie und bei Unklarheiten ggf. anschließend Radiografie; Passagestörung, Ileus, NEC, Perforation. ▶ Zur Einstellung abhängig von Fragestellung (Tab. 3.3). ▶ Immobilisation möglichst mit Babix-Hülle, die auch im Liegen verwendet werden kann; Fixierung mit Sandsäcken u. a. strahlendurchlässigen Materialien. Exaktes Einblenden auf Objekt der Fragestellung; KEIN Streustrahlenraster bei Kindern < 1 Jahr. ▶ Kontrastmittel: Wasserlösliche jodhaltige Kontrastmittel (am sichersten nicht ionisch isoosmolar) mit destilliertem Wasser bzw. physiologischer NaCl verdünnen, anwärmen.

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Tab. 3.3 • Abdomen: Röntgen und Sonografie: Fragen, Einstellungen und Befunde. Fragen

Einstellungen

Befunde

• Pneumoperitoneum • nekrotisierende Enterokolitis • Duodenalstenose • Malrotation und Volvulus

1. Rückenlage a.–p.; bei Unklarheit ggf. 2. Links-Seitenlage mit horizontalem Strahlengang nach Wartezeit, evtl. vorher 5 ml Luft über Magensonde applizieren und Sonde abklemmen; 3. Im Hängen bei Verdacht auf Ileus

Pneumoperitoneum: „Football sign“ (zentral erhöhte Transparenz, sichtbares Lig. falciforme), „Rigler sign“ (sichtbare Darmwandinnen u.- außenseite), „Triangle sign“ (Luft zwischen Darmschlingen), Luft im Scrotum. NEC – initial Blähung, später „persistent loop sign“, Distanzierung, Pneumatosis intestinalis, portalvenöses Gas, freie Luft. Duodenalstenose – „double bubble sign“ Volvulus – Darmgasverteilung, Weite der Schlingen, Pneumatosis, pathologische Verkalkungen.

• Analatresie • Rektumatresie • Megacolon congenitum

Radiografie heute von der Sonografie abgelöst. Falls nicht möglich, Röntgen in ColumbiaTechnik: Bauchhängelage (evtl. Polster unter Gesäß und Thorax) 1. Aufnahme seitlich (horizontaler Strahlengang) 2. Aufnahme p.–a.

Vermessen der Distanz zwischen markierter Anal-/Perinealregion (z. B. BaSO4-Markierung) und Lufthaube, Weite des luftgefüllten Darms. Verwenden eines Rö.-Lineals. Beachte Skelettfehlbildungen etc.

• Stenosen oder Atresien im Intestinum

Initiale Sonografie, ggf. ergänzend Standard-Abdomen (s. o.) bzw. Fluoroskopie

Suche nach "Double-bubble"-Phänomen, Lokalisation, Anzahl u. Weite der luftgefüllten Darmschlingen beschreiben; ggf. weiterführend Kolonkontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel

• Mekoniumileus • Mekoniumperitonitis • Mekoniumpfropfsyndrom – Lösen des Pfropfes

Gabe von nicht ionisch wasserlöslichem Kontrastmittel (Jod), 1:1 verdünnt (Aqua dest.) 7 ml/kg KG über Magensonde, dann Rö-Abdomen a.–p. in Rückenlage nach 20 und 60 min und nach 24 h; zeitliche Intervalle je nach Situation und Zwischenbefunden individuell bestimmen; danach TSH kontrollieren! Evtl. L-Thyroxin (5 µg/kg) substituieren. TSH-Kontrolle nach 2 Wochen; Früher üblicher „Gastrografinschluck“ unverdünnt kontraindiziert (Risiko lebensbedrohlicher Elektrolytstörung und Exsikkose). Zur Lösung eines Mekoniumprofes evtl. verdünntes wasserlösliches Kontrastmittel.

Multiple erweiterte Darmschlingen als Zeichen tief sitzender Obstruktion, schaumig gefüllt. Kalzifikationen bei Mekoniumperitonitits möglich. Bei Kontrastmitteleinlauf entsprechende KM-Aussparungen, Mikrokolon.

3 Bildgebende Diagnostik

3.7 Röntgendiagnostik

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Bildgebende Diagnostik

3

3.8 CT und MRT

▶ Weitere Röntgenuntersuchungen: in der Früh-/Neugeborenenperiode nur ausnahmsweise indiziert (z. B. Skelettstatus bei Battered Child Syndrom, Syndrom-Status, geburtstraumatische Läsionen). ▶ Fluoroskopie: • Seltene Indikationen, insbesondere im Gastrointestinaltrakt (Atresien, Fisteln, Hernien, prä-/postoperativ), im Urogenitaltrakt (Fehlbildungen, Harntransportstörungen), im Tracheobronchialtrakt (Fremdkörper, Zwerchfell). • Durchleuchtungen beim Früh-/Neugeborenen sind möglichst vom Kinderradiologen durchzuführen, idealerweise in Anwesenheit von Neonatologen und Kinderchirurgen/-urologen. Gefordert ist eine gepulste Durchleuchtung mit Lastimage-hold-Möglichkeit. • Beispiel für eine dringlich zu indizierende Fluoroskopie ist die MCU bei Jungen mit bereits pränatal auffälliger Blasensonografie und beidseitiger höhergradiger Harntransportstörung mit der Frage nach subvesikaler Obstruktion. • Als positive Kontrastmittel werden überwiegend jodhaltige, wasserlösliche, nichtionische Kontrastmittel mit möglichst niedriger Osmolarität eingesetzt (Vorteil: bei Aspiration u. Perforation möglich, milder Abführeffekt; Nachteil: relativ teuer, geringerer Kontrast als Barium, kaum Wandhaftung). Zur Reduktion der Osmolarität wird das Kontrastmittel 1:1 mit NaCl 0,5 % verdünnt. Luft als negatives Kontrastmittel kann bei der Desinvagination eingesetzt werden (Vorteil: geringerer Strahlendosisbedarf; bevorzugt wird die sonografisch gesteuerte Desinvagination).

3.8 CT und MRT Mentzel

Computertomografie (CT) ▶ Indikationen: Lebensbedrohliche Erkrankungen, evtl. dringliche Operation. Wegen der signifikanten Strahlenbelastung ist der Einsatz der CT im Früh- und Neugeborenenalter stark zu reduzieren und Einzelfällen vorbehalten. Daraus resultierend geringe Untersuchungsfrequenzen erfordern eine umso sorgfältigere interdisziplinäre Vorbereitung jeder Untersuchung. • Akut-cCT bei ausgedehnter Blutung, Infektion, Asphyxie, wenn MRT nicht verfügbar. • Fehlbildungen des Tracheobronchialsystems (virtuelle Endoskopie). • Kongenitales Lungenemphysem. • Komplizierte Pneumothoraces. • Kardiovaskuläre Fehlbildungen und Pleuropneumonien, Operationsplanung bei Herzvitien. ▶ Vorteile: Kurze Untersuchungszeit, gute Überwachungsmöglichkeiten, hohe Auflösung. ▶ Nachteile: signifikante Strahlenbelastung! Transport in die Radiologie notwendig. ▶ Durchführung: • Untersuchung sorgfältig vorbereiten, technische Rahmenbedingungen (Sedierung, Narkose, Atemstillstand, venöser Zugang, Kontrastmittelart und -menge, Kontrastierung, CT-Angiografie, Dosisoptimierung) an interdisziplinär erarbeiteter, dezidierter Fragestellung ausrichten. • Untersuchung durchführen (Sekundenbereich), Nachverarbeitung und Auswertung der Datensätze.

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Magnetresonanztomografie (MRT) ▶ Indikationen: Erweiterung und Abklärung unklarer Sonografiebefunde, wenn eine therapeutische Konsequenz zu erwarten ist: • Perinatale Hypoxie (4.–6. LT; nach der Hypothermie), akute fokale Ischämie, Enzephalitis. • Ungeklärter/wiederholter Krampfanfall beim Reifgeborenen. • Intrakranielle Blutungen beim Reifgeborenen (zusätzlich zur Sonografie). • Gefäßdarstellungen (z. B. V.-Galeni-Malformation). Sinusthrombose. • Sonografisch unklare Marklagerveränderungen (V. a. Myelinisierungsstörung, „white matter disease“, metabolische Erkrankung) mit MRT und MR-Spektroskopie (Laktatpeak bei Hypoxie prognostisch relevant). • Unklare Bewusstlosigkeit. • Mittelfristige Indikation bei Fehlbildungssyndrom, Stoffwechseldefekt, nach Asphyxie: MRT-Ergebnis dient Abschätzung der Prognose. • Raumforderungen aller Organsysteme zur OP-Planung. • Fieber/Entzündung ohne Fokus. • Urogenitale Fehlbildungen. • Kongenitaler Hydrozephalus z. A. Tumor (auch bei vorherigem pränatalem MRT). ▶ Vorteile: Keine Strahlenbelastung, exzellente Darstellung von Weichteilstrukturen, Beurteilung morphologischer und funktioneller Aspekte (Hirn, Herz, Niere). ▶ Nachteile: • Hoher logistischer Aufwand, langwierige Lagerungsprozedur und Untersuchungsdauer, Lärm, Energieeintrag durch statische Magnetfelder, Gradienten und Hochfrequenzwechselfelder. • Schlechte Überwachungsbedingungen, lange Zugangswege für Medikamente, Sedierung/Narkose erforderlich. • Alternative: MR-Inkubator (hohe Kosten), spezielle Neonaten-Spulen. ▶ Beachte: • Das begleitende Personal/Eltern/Angehörige im MRT sind über die Risiken der MRT zu belehren (für Personal MR-Safety Kurse mit entsprechender Lern-ErfolgKontrolle und Zertifikat). • Die Aufklärung zur MRT sollte Sicherheitsaspekte beinhalten und ist auf evtl. begleitende Eltern/Angehörige zu erweitern. Energiebelastung von Früh- und Neugeborenen beachten (SAR = spezifische Absorptionsrate): normale Betriebsart ist anzustreben (Erhöhung TR, Verringerung Flip-Angle, Schichtzahl reduzieren, Schichtdicke erhöhen – stets Kompromiss und Nutzen-Risiko-Abwägung). ▶ Vorbereitung und Durchführung: • Auswahl geeigneter technischer Aspekte (Sedierung, Narkose, Atemstillstand, venöser Zugang, Kontrastmittelart und -menge, Spulenauswahl, MR-Angiografie, MR-Spektroskopie, funktionelle MR-Urografie, Diffusionstechniken) auf der Grundlage interdisziplinär erarbeiteter dedizierter Fragestellung. • Erwartete Untersuchungsdauer mitteilen. • Metallfreie Kleidung, frische Windel. • Sedierung/Narkose abhängig von der Untersuchungsdauer. • Auf MR-taugliche Überwachungsmöglichkeiten (wie Temperaturmesssonden und Pulsoxymeter) achten. • Auskühlung vermeiden (gewärmte Tücher o. Ä.). • Lärmschutz (spezielle Gehörschutzklappen für Neugeborene). • Kontrastmittel (für Neonatologie makrozyklische Gd-Präparate mit T 1-Effekt; Nierenfunktion – Nutzen/Risikoabschätzung insbesondere bei Beurteilung von Morphe und Funktion bei relevanten OP-pflichtigen Fehlbildungen des Urogenitaltraktes. Falls möglich, Untersuchung bis zur 6.–8. Lebenswoche protrahieren; T 2-Kontrastmittel ohne Einsatz in der Neonatologie).

3 Bildgebende Diagnostik

3.8 CT und MRT

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Bildgebende Diagnostik

3

3.8 CT und MRT

▶ Praktisches Vorgehen: • Spiral-CT als Mehrzeilendetektor-CT (MSCT). Durchführung obliegt dem (Kinder-) Radiologen. • MRT unter Verwendung angepasster Untersuchungsprotokolle (Atemanhalte, Gating, Navigator-Techniken) und Spulen (Kniespule, phased array coil) immer mit (Kinder-)Radiologen. • Venöser Zugang möglichst nicht im Untersuchungsfeld; ausreichend stabiler venöser Zugang (Bolusapplikation des Kontrastmittels). • Sicherstellung exakter Lagerung (Arme über den Kopf bei Thorax- und AbdomenCT) und ggf. Beachten metallfreier Lagerung, Sedierung/Narkose, abhängig von der Untersuchungsdauer; evtl. Atemanhaltetechnik. ▶ Beachte: Jenseits der Neugeborenenperiode werden weiterführend mittels MRT/CT ■ untersucht: • Kraniofaziale Dysmorphiesyndrome (Low-Dose-CT mit 3-D-Rekonstruktion). • Komplexe Hirnfehlbildungen (MRT). • Stoffwechselstörungen (MRT mit Spektroskopie). • Komplexe Ohranomalien: fehlender äußerer Gehörgang, kongenital ossikuläre Deformitäten, Innenohrmalformation, CHARGE Syndrom, kongenitales Cholesteatom (Dünnschicht-CT der Felsenbeine bevorzugt, Dünnschicht-MRT zur Beurteilung von Cochlea u. Bogengängen).

Indikationen Schnittbild Thorax ▶ Indikationen: • Einseitig überblähte Lunge: Kongenitales lobäres Emphysem (CT), Pulmonalisschlinge (CT, MRT). • Beidseitig überblähte Lungen: – Gefäßringe (z. B. doppelter Aortenbogen): MRT, CT. – Bronchogene Zyste (subkarinäre Lokalisation): MRT, CT. – Tracheal- und Bronchusstenosen (CT). • Intrathorakale Verdichtungen: – Lungensequester, kongenital zystisch-adenomatoide Malformation, Hybridfehlbildungen, Abszess, Pneumatozele (MRT, CT). – Mediastinaltumoren (Lymphangiome, Teratome): MRT. ▶ Beachte: Grundsätzlich ist die CT bei Veränderungen des Lungenparenchyms und ■ Interstitiums zu bevorzugen, die MRT bei mediastinalen und kardiovaskulären Prozessen.

Indikationen Schnittbild Abdomen/Retroperitoneum ▶ Für die CT besteht in der Früh- und Neugeborenenperiode hier keine Indikation! ▶ MRT: Fehlbildungen sind meist durch Pränataldiagnostik (z. B. fetale MRT) ausreichend bekannt und stellen nur im Einzelfall eine Indikation zur MRT dar (z. B. Choledochuszyste, Gallengangsatresie), falls sonografisch nicht ausreichend beurteilbar (z. B. OP-Planung). ▶ Mögliche Indikationen MRT: Charakterisierung angeborener Raumforderungen: • Mesoblastisches Nephrom. • Neuroblastom, progrediente, atypische Nebennierenblutung. • Retroperitoneales Teratom. • Lymphangiom, Hämangiome, Duplikaturen/Abszesse/Mesenterialzysten.

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4

Elternbetreuung

4.1 Ratschläge zur Betreuung der Eltern Reichert, Brendel

Vorbemerkung

4 Elternbetreuung

4.1 Ratschläge zur Betreuung der Eltern

▶ Beachte: Die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung hat ■

vom ersten Augenblick an, vor allem während der physiologisch maximal empfindlichen Phase nach der Geburt, entscheidenden Einfluss auf die weitere Mutter-Kind-Bindung und damit die Entwicklung des Kindes. Die optimale Betreuung der Mutter bzw. der Eltern während dieser Phase, besonders bei einer unvermeidlichen Trennung vom Kind, ist integraler Bestandteil der neonatologischen Behandlung.

Kreißsaal ▶ Gesunde Neugeborene siehe Kap. 7.3. ▶ Kranke Neugeborene: • Kind nach Erstversorgung, aber vor Verlegung immer der Mutter zeigen und, sofern irgend möglich, 10 – 15 min bei ihr und/oder dem Vater belassen. Schutz vor Auskühlung durch warme Tücher oder Wärmelampe! • Kind den Eltern auch bei äußerlichen Fehlbildungen, z. B. Lippen-Kiefer-GaumenSpalte, ohne Verzögerung zeigen. Kontakt und Berührung des noch so kleinen und/oder fehlgebildeten Neugeborenen helfen bei der Annahme des realen Kindes, das nicht dem phantasierten Wunschkind entspricht. • Die durch Ungewissheit erzeugten Phantasien und Vermutungen sind immer schlimmer und schuldbelasteter als die Realität, wirken lange Zeit nach und sind später kaum korrigierbar. • Die Bindung an das Neugeborene nie durch negative prognostische Äußerungen blockieren! Eine Zuversicht und Orientierung vermittelnde Haltung der Betreuer hilft den Eltern am meisten; das „Wie“ des Gesagten ist immer bedeutsamer als das „Was“. ▶ Nicht überlebensfähige Frühgeborene oder totgeborene Kinder den Eltern zeigen und den Eltern zur Verabschiedung in die Arme geben. Den Eltern Zeit und Raum geben, sich von ihrem Kind zu verabschieden. Diese Situation erfordert Takt und Einfühlungsvermögen, da jede Situation und Familienkonstellation anders ist! Zwingend zu beachten sind religiöse und/oder kulturelle Besonderheiten des Abschiednehmens; Eltern sind zu ihren Wünschen zu befragen. Zur Bestattung (S. 95).

Gespräche und Besuche ▶ Erstes Gespräch: Die Ärzte und das Pflegepersonal stellen sich den Eltern vor und gratulieren zur Geburt des Kindes (Personalisierung der Beziehung). Eltern sind in der Klinik keine Bittsteller, sondern kompetente und gleichberechtigte Partner. Den Eltern eher wenige und wesentliche Informationen geben; auf weitere Gespräche verweisen, ggf. Termine vereinbaren und diese unbedingt einhalten. ▶ Besuch der Eltern beim Kind nicht einschränken, zum täglichen Besuch anregen. Blickkontakt mit dem Kind ermöglichen, Fototherapie unterbrechen und Brille abnehmen. Telefonische Anfragen sind zu jeder Zeit, auch nachts, möglich. Wenn die Eltern ihr Kind besuchen, sie möglichst mit positiven Nachrichten über ihr Kind empfangen; es bleibt immer genügend Zeit, um ihnen später während des Besuchs ggf. aufgetretene Komplikationen zu erläutern. ▶ Eltern sollten möglichst früh aktiv an der Pflege des Kindes mitwirken (Stillen/Füttern, Wickeln, Baden, Temperaturmessen), um Unsicherheiten frühzeitig abzubauen und zur selbstständigen Pflege und Versorgung des Kindes ermutigt und befähigt zu werden. Das unterstützt den Aufbau der Eltern-Kind-Bindung.

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Elternbetreuung

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4.1 Ratschläge zur Betreuung der Eltern

▶ Immer wieder auf Fortschritte aufmerksam machen und animieren, ihr Kind bei jedem Besuch zu berühren. Kind den Eltern zum "Känguruhing" geben, dies ist auch bei beatmeten Kindern durchführbar (cave akzidentelle Extubation). Den Zweck der Handlungen an Kind, Geräten, Katheter usw. verständlich erklären. ▶ Der Vater ist ebenfalls vollständig einzubeziehen und zum frühestmöglichen Besuch auf der Kinderstation zu ermutigen, sodass er die ersten Lebensminuten oder -stunden seines Kindes miterleben kann. • Den Vater bitten, der Mutter das Erlebte mitzuteilen, und ihm ein Foto des Kindes sowie Informationsmaterial mitgeben. • Väter nicht als Vermittler negativer Informationen einsetzen. • Sofern möglich, mit beiden Eltern zusammen sprechen. ▶ Großeltern oder (infektfreie und vollständig geimpfte) Geschwister oder andere Bezugspersonen nach Rücksprache mit den Eltern und deren Zustimmung auf Station lassen, evtl. Familienbesuch im Elternzimmer organisieren. ▶ Gespräche: • Elternbesuche und Gespräche mit dem Arzt dokumentieren. Wichtige Gespräche protokollieren. • Schwierige Gespräche nicht improvisieren. Das Ziel des Gesprächs vorher mit dem Team oder einem erfahrenen Kollegen (evtl. auch Psychologen) diskutieren. • Vornamen des Kindes oder, falls noch nicht bekannt, Personalpronomen benutzen. • Besteht eine Überlebenschance, diese in den Mittelpunkt des Gesprächs stellen. Die Möglichkeit oder das Risiko einer Entwicklungsstörung sehr vorsichtig äußern, sofern sich die Diagnose nicht mit größter Sicherheit stellen lässt bzw. wenn die Eltern nicht danach fragen (Recht auf Nichtwissen). • Positiv denken und handeln: – Die positiven Aspekte des Kindes wie Vitalität, Aktivität, Lebhaftigkeit immer hervorheben. – Das gemeinsame Betrachten des Kindes, Gespräche über sein Temperament und von den Eltern entdeckte Familienähnlichkeiten unterstützen diese in der Konzentration auf ihr Kind und lassen das technische Umfeld etwas in den Hintergrund treten. – Eltern hören immer mehr darauf, wie etwas gesagt wird; was gesagt wird, tritt häufig in den Hintergrund. • Medizinische Probleme einfach und wahrheitsgetreu darstellen: – Eingetretene Komplikationen sind den Eltern wahrheitsgemäß und in einer ihnen verständlichen Weise mitzuteilen. Auch hier gilt: Weniger ist mehr, d. h., präzise Informationen sind möglichst durch den zuständigen Arzt zu geben. „Zwischen-Tür-und-Angel-Gespräche“ sind keinesfalls zielführend! – Differenzialdiagnosen, diagnostische Möglichkeiten, mögliche Komplikationen und eigene Befürchtungen sind für die meisten Eltern nicht primär wichtig und müssen nicht immer, aber auf Nachfrage mitgeteilt werden (s. http:// www.patienten-rechte-gesetz.de/). • Mütter von Frühgeborenen oder kranken Neugeborenen haben meist Schuldoder Versagensgefühle, z. B. wegen Nikotinkonsums, gelegentlichem Alkoholkonsums, Medikamenteneinnahme. Vorsicht, falls tatsächlich ein Zusammenhang mit einer Störung (z. B. Nikotin und Untergewicht) vorliegt. Zusammenhänge andererseits auch nicht verschweigen, d. h., Eltern wahrheitsgemäß, aber einfühlsam informieren. • Für Eltern ist es oft hilfreich, wenn man sie auf die v. a. anfangs häufig wechselnden medizinischen Probleme (die „Aufs“ und „Abs“) rechtzeitig vorbereitet. Diese Schwankungen nehmen erfahrungsgemäß im Verlauf der Betreuung eines sehr unreifen Frühgeborenen ab. • Weisen Sie die Eltern – sofern möglich – immer auf die positiven Entwicklungen und die neu- oder wiedergewonnenen Fähigkeiten des Kindes hin.

• Bitte benutzen Sie eine einfache, aber klare Sprache ohne jeden medizinischen Fachausdruck! Vieles muss oft wiederholt werden. Geduld und Zuwendung sind ganz wichtig. • Auch wenn eine Situation noch unklar ist, fördert das Bewusstsein der Eltern, den „gleichen Informationsstand“ zu haben, das Vertrauensverhältnis erfahrungsgemäß sehr. • Wichtig für die Eltern sind in der Regel nicht Einzelheiten über die aktuelle Schwankung des „Tagesgeschäfts“ wie Elektrolyte, FiO2 oder CRP, sondern die längerfristigen Probleme. Dazu gehören z. B.: – Retinopathia praematurorum. – Hirnblutungen und Leukomalazie und deren Folgen. – Sauerstoffmangel bei Erstversorgung. – Lungenerkrankungen wie RDS, Pneumonie, BPD. – Infektionen und deren Folgen. – Gastrointestinale Störungen (z. B. Ileus, NEC). – Lebererkrankungen wie Cholestase. – Hörstörungen (Infektionen, Furosemid, evtl. Aminoglykoside). – Medikamentenunverträglichkeiten. – Einsatz von Medikamenten, die u. U. noch nicht für Neugeborene zugelassen sind. – Schmerzen des Kindes. • Für die Eltern kann bei schwierigen Verläufen ein Gespräch mit Personen, die nicht zum engsten Kreis des Stationsteams zählen – Psychologen, Hausärzte, Freunde, Geistliche –, entlastend sein. Häufig kommen dabei tiefer liegende Schwierigkeiten, persönliche oder familiäre Konflikte zur Sprache. – Das behandelnde Team sollte diese Gespräche nicht als Konkurrenz erleben, sondern als sinnvolle Ergänzung einer ganzheitlichen Versorgung der betreffenden Familie. – Sie dürfen aber auch nicht als Alibi dafür dienen, sich nicht um die familiäre Situation zu kümmern und sich auf die rein medizinisch-technische Seite der neonatologischen Betreuung zurückzuziehen. • Probleme und Vorwürfe der Eltern ergeben sich meist dann, wenn auch das „emotionale Umfeld“ nicht gestimmt hat. • Laut GBA-Beschluss vom Juni 2013 muss eine professionelle psychosoziale Betreuung der Eltern im Leistungsumfang von 1,5 Vollzeit-Arbeitskräften pro 100 Aufnahmen von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 Gramm pro Jahr fest zugeordnet und montags bis freitags zur Verfügung stehen.

4 Elternbetreuung

4.2 Hinweise zu Elterninformation und Einverständniserklärung

4.2 Hinweise zu Elterninformation und

Einverständniserklärung ▶ Rechtlicher Rahmen: Nach ständiger Rechtsprechung ist jeder ärztliche Heileingriff, selbst die Gabe eines Medikaments, ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Die rechtliche Befugnis des Arztes hierzu ergibt sich erst aus der wirksamen Einwilligung des informierten Patienten. Daher kann eine unzureichende Aufklärung oder fehlende Einwilligungsfähigkeit Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Arzt selbst dann begründen, wenn die Behandlung in jeder Hinsicht lege artis erfolgte. Für die Behandlung eines Kindes ist eine elterliche Einwilligung erforderlich, die nach den Grundsätzen des Sorgerechts eigentlich von beiden Elternteilen erteilt werden muss. Bei nicht verheirateten Eltern besteht ein gemeinsames Sorgerecht, wenn eine Sorgerechtserklärung bei einem Notar (kostenpflichtig) oder beim Jugendamt (kostenfrei) beurkundet wird (auch bereits pränatal möglich). Ist dies nicht der Fall, muss darauf geachtet werden, dass Einwilligungen von der Mutter unterschrieben werden. Bei einer Aufnahme auf die Intensivstation, besonders

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4.3 Juristische und ethische Fragen

Elternbetreuung

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direkt postnatal, haben die Eltern meistens noch keinen Behandlungsvertrag mit der Klinik unterschrieben. In einem Notfall spricht man dann von einer Garantenstellung gegenüber dem Opfer. So kann z. B. auf diesem Wege eine Körperverletzung oder eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen begangen werden, indem der Garant Maßnahmen unterlässt, die ihm möglich wären, um das Fortschreiten einer Erkrankung oder den Eintritt des Todes zu verhindern. Die Rechtsprechung des BGH geht davon aus, dass jeder Arzt, der die Behandlung eines Patienten übernimmt, unabhängig vom Bestehen eines Behandlungsvertrages oder dessen Wirksamkeit, diese rechtliche Verpflichtung, diese Garantenstellung, übernimmt. Abzugrenzen davon ist der Arzt, der lediglich beratend tätig wird. Mit dem 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz verankert das Arzt-Patienten-Verhältnis als eigenen Vertrag im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches und schreibt wesentliche Rechte der Patientinnen und Patienten wie z. B. das Recht auf umfassende und rechtzeitige Aufklärung oder das Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen fest. Festgelegt wird, dass Patienten (Sorgeberechtigte) umfassend über alles informiert und aufgeklärt werden müssen, was für die Behandlung wichtig ist. Dazu gehören sämtliche wesentlichen Umstände der Behandlung wie Diagnose, Folgen, Risiken und mögliche Alternativen der Behandlung. Die unterschriebenen Einwilligungen müssen in Kopie ausgehändigt werden. Viele Maßnahmen bedürfen einer gesonderten schriftlichen Einwilligung: • Operationen und Eingriffe (z. B. ZVK, Lumbalpunktionen). • Transfusionen von Blutprodukten (schriftlich nur beim ersten Mal, Folgetransfusionen in derselben Klinik mündlich). • Diagnostische Maßnahmen, die dem Gendiagnostikgesetz unterliegen, z. B. Neugeborenenscreening, Hörscreening bei gesunden Neugeborenen, CF-Diagnostik, Chromosomenanalysen. • Durchführung des Entlassmanagements (z. B. Sozialmedizinische Nachsorge, Heimmonitor-Versorgung). Nicht zugelassene Medikamente: Viele der Medikamente in der Kinderheilkunde sind nicht für Kinder zugelassen, ein weiterer Teil nicht für Neugeborene bzw. Säuglinge. Alle Medikamente den Eltern aufzulisten führt sicher zu einer Verängstigung. „Routinemedikamente“, die standardmäßig in der Neonatologie verwendet werden, müssen vermutlich nicht extra unterschrieben werden. Medikamente und Maßnahmen, die kontrovers diskutiert werden, benötigen die elterliche Einwilligung oder zumindest eine vorherige Information. Solch strittige Maßnahmen können sein: • Steroide bei BPD? Indomethacin bei PDA? • Schmerzmittel wie Ibuprofen. • Muttermilch pasteurisieren oder nicht pasteurisieren? Alle Kliniken haben Aufnahmeformalitäten, die von den Sorgeberechtigten unterschrieben werden müssen und die sich meistens auf das gesamte Klinikum/Krankenhaus beziehen. Verlegungen innerhalb der Stationen und auch auf Intensivstationen müssen daher nicht gesondert unterschrieben werden. Ein Informationsblatt (S. 474) und der Vermerk von Elterngesprächen im Sinne des Patientenrechtes in der Kurve sind aber sinnvoll.

4.3 Juristische und ethische Fragen Genzel, Marckmann

Schadenersatzklagen ▶ Perinatale Medizin wird nicht im rechtsfreien Raum ausgeübt. Schadenersatzklagen wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Behandlungsfehler nehmen zu. Bezogen sich Schadenersatzklagen früher mehr auf die geburtshilfliche Betreuung, so werden jetzt Klagen über die neonatologische Betreuung häufiger. 90

▶ Eine emotionale Verstimmung über die Betreuung oder mangelnde Information und dadurch ausgelöstes Misstrauen der Eltern geht oft einer Klage voraus. ▶ Eine verständnisvolle Kooperation mit den Eltern und gute Information über medizinische Probleme eines Kindes können späteren ungerechtfertigten Klagen vorbeugen. ▶ Viele Klagen von Eltern auf Schadenersatz werden aus der verständlichen Sorge um die materielle Zukunft eines möglicherweise behinderten Kindes angestrengt. Sie sind nicht a priori böswillig! Die Eltern haben jederzeit das Recht, die Krankenakten einzusehen und Kopien der Akte auf eigene Kosten zu veranlassen. ▶ Seit einiger Zeit klagen gehäuft auch Krankenkassen, um Kosten bei der Versorgung eines kranken Kindes auf die Haftpflichtversicherung zu verschieben. Die Eltern sind dann nur passiv beteiligt, sie müssen aber der Übermittlung der Krankenakte an die Versicherung zustimmen. Die pauschale Zustimmung zur Einsicht in Krankenunterlagen, wie sie bei Abschluss einer privaten KV oft verlangt wird, ist in diesem Fall unwirksam. ▶ Die Sprache der Juristen ist anders als die Umgangssprache. Begriffe wie „grob fahrlässiger Behandlungsfehler“, „deliktische Haftung“, „unerlaubte Handlung“ sind für Juristen nüchterne Sachbegriffe, rufen bei Nichtjuristen aber emotionale Reaktionen und überschießende Gegenreaktionen hervor. Dies verschärft oft den Rechtsstreit, blockiert eine gütliche Einigung vor einer Schiedsstelle und begünstigt endlose Prozesse über mehrere Instanzen. ▶ Die Korrespondenz mit Anwälten des Klägers sollte den Rechtsanwälten der eigenen Versicherung bzw. den von der Klinik beauftragten Rechtsanwälten überlassen bleiben! ▶ Eine Schadenersatzklage kann nur dann Erfolg haben, wenn ein grober Behandlungsfehler nachgewiesen wird. Eine sog. Gefährdungshaftung (= finanzielle Kompensation eines Geschädigten ohne Feststellung einer Schuld oder eines groben Behandlungsfehlers, in der früheren DDR als „erweiterte materielle Unterstützung“ bezeichnet) sieht das deutsche Rechtssystem bei medizinischen Schadensersatzklagen derzeit nicht vor. ▶ Ist kein Behandlungsfehler nachweisbar, wird derzeit oft auf den Vorwurf mangelnder Aufklärung bzw. mangelnder Dokumentation zurückgegriffen. Dies führt u. U. zur Beweislastumkehr, d. h., nicht der Kläger muss den Behandlungsfehler nachweisen, sondern (umgekehrt) der Beklagte muss nachweisen, dass keine Fehler gemacht wurden bzw. dass Fehler nicht zur Schädigung des Patienten geführt haben. ▶ Dagegen hilft nur sehr ausführliche, verständnisvolle Information und exzellente, leserliche Dokumentation der erfolgten Aufklärung, aller medizinisch relevanten Ereignisse, des Krankheitsverlaufs, der Beteiligung von Kollegen und therapeutischer Überlegungen. ▶ Beachte: Besondere Bedeutung hat die exakte Dokumentation auch im Zeitverlauf ■ der Erstversorgung eines Kindes im Kreißsaal. ▶ Alle Unterlagen, Anordnungen, Verläufe usw. müssen mit dem Namen des Patienten, Datum und ggf. Unterschrift versehen werden. Kurven, Verläufe müssen durchgehend nummeriert werden. Wesentliche, zu Entscheidungen führende Befunde sollten (mit Datum!) abgezeichnet werden.

4 Elternbetreuung

4.3 Juristische und ethische Fragen

Bei möglichen juristischen Problemen grundsätzlich veranlassen ▶ Information der Leitung der Neonatologie, der Kinder- und ggf. der Frauenklinik, des diensthabenden Oberarztes, und ggf. des Ärztlichen Direktors oder des „Beschwerdemanagements“. Viele Kliniken haben eigene Anordnungen, unbedingt damit vertraut machen! ▶ Ausführlich mit Zeitangabe und Unterschrift protokollieren: • Namen der beteiligten Personen, Zeugen usw. • Detailliertes Protokoll der Reanimation oder der Ereignisse. • Medizinische Sachverhalte, Beobachtungen, Befunde. • Äußerungen, Feststellungen von Beteiligten. 91

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4.3 Juristische und ethische Fragen

Elternbetreuung

▶ Dokumentation: • Die Dokumentation muss absolut wahrheitsgemäß sein. Nachträgliche Ergänzungen oder Korrekturen müssen unterbleiben. • Vollständige Kopie anfertigen, bevor Krankenakten an Gutachter, Gerichte usw. außer Haus gegeben werden (müssen). Dies erleichtert spätere Stellungnahmen. ▶ Polizei: Bei nicht natürlichem Tod eines Kindes (aufgrund krimineller Einflüsse oder während eines Eingriffes) Polizei bzw. diensthabenden Staatsanwalt informieren. Vorher Rücksprache mit diensthabendem Oberarzt, Leiter der Abteilung, ggf. Ärztlichem Direktor.

Verweigerung lebensnotwendiger Therapie durch die Eltern ▶ Beispiel: Vital indizierte Bluttransfusion bei Zeugen Jehovas. ▶ Gespräch anbieten, um Missverständnisse und fehlende Sachinformation auszuschließen und überschießende Krisenbewältigung zu erkennen. Möglichst gemeinsam mit Oberarzt oder Leitung der Neonatologie oder allein durch diese(n). ▶ Den Gewissenskonflikt, der sich aus der Auffassung der Eltern und der Ärzte ergibt, die sich der Hilfestellung für den Patienten verpflichtet fühlen, ansprechen! Dies fördert das gegenseitige Verständnis und die Bewältigung des Konflikts. ▶ Vormundschaft: Ggf. rechtzeitig Entscheidung vom Vormundschaftsgericht einholen. Dieses kann eine Ergänzungspflegschaft erlassen und die vital indizierte Maßnahme gestatten. Ist dies wegen der Dringlichkeit nicht möglich, darf der Arzt eine vital indizierte Behandlung auch gegen den Willen der Eltern durchführen (rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB). ▶ Konfrontation mit den Eltern vermeiden! Oft fragen Eltern nach anfänglicher Weigerung (bewusst?) nicht mehr nach und sind froh, dass man ihnen die belastende Entscheidung abgenommen hat. ▶ Wichtig: Exakte Dokumentation, aus der die vitale Indikation hervorgeht! ■ ▶ Sinnvoll ist, parallel die Staatsanwaltschaft zu informieren, die bei einer evtl. Klage mit dem Fall befasst sein wird. Dies dient der Offenlegung der Fakten, nicht der Inkriminierung der Eltern!

Beginn bzw. Fortsetzung oder Einstellung der Intensivmedizin? ▶ Die AWMF-Leitline 024/019 „Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit“ bietet eine Orientierung bei der Entscheidungsfindung. • Grundsätzlich immer Pflege und Eltern in die Entscheidung über Fortsetzung oder Abbruch mit einbeziehen, aber die Entscheidung nicht den Eltern allein überlassen oder zuschieben! Diese müssen ein Leben lang mit der Entscheidung leben, die ihr eigenes Kind betroffen hat! • Bei klarer Entscheidung mit Eltern absprechen, wer wann informiert werden soll. Den Eltern anbieten, beim Sterben des Kindes anwesend zu sein, Anwesenheit von Vertrauenspersonen (Verwandte, Freunde, psychosoziales Team, Geistliche) anregen. Taufe des Kindes besprechen. Auch eine Weigerung der Eltern, beim Tod ihres Kindes anwesend zu sein, ist zu respektieren. • In schwierigen Entscheidungssituationen oder bei Konflikten im Team bzw. mit den Eltern kann eine Ethikberatung mit einer moderierten ethischen Fallbesprechung hilfreich sein. ▶ 1. Reanimation bei extremer Unreife, „nicht mit dem Leben zu vereinbarender“ Erkrankung: Bis gesichert ist, dass das Kind extrauterin nicht überlebensfähig ist, ist alles für das Kind zu tun, d. h., auch in aussichtslos erscheinenden Situationen ist ein Neonatologe im Kreißsaal anwesend! ▶ 2. Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit: Grundsätzlich sind lebenserhaltende Maßnahmen sinnvoll, wenn das Frühgeborene auch nur kleine Chancen hat. Folgende Prinzipien sind zu bedenken (angelehnt an die AWMF-Leitlinie 024/019: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–019.html): 92

• Die Grenze der Lebensfähigkeit von Frühgeborenen ist nicht absolut, sondern hat sich in den letzten Jahren in immer frühere SSW verschoben. • Die Unsicherheit des Schwangerschaftsalters ist bei jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Entscheidungen über die Lebenserhaltung sind deswegen postnatal evtl. zu überdenken. • Die Einleitung lebenserhaltender Maßnahmen bei unreifen Frühgeborenen richtet sich auch nach der evtl. schon pränatal erkennbaren Morbidität. • Intensive Gespräche mit den Eltern und dem ganzen Behandlungsteam sollen – so es die Zeit zulässt – schon vor der Entbindung stattfinden. Es ist im besten anzunehmenden Interesse des Kindes zu entscheiden. Weiterhin sind aber auch die ethischen und rechtlichen Grundsätze sowie die seelischen, körperlichen und sozialen Belastungen der Eltern zu berücksichtigen. • Derzeit gelten folgende Prinzipien zur Einleitung einer Reanimation/Erstversorgung (s. auch Leitlinie 024/019: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–019.html): – Frühgeburt < 22 SSW: Es bestehen derzeit bis auf Einzelfälle keine reellen Möglichkeiten, diese Kinder am Leben zu halten. Diesbezügliche Maßnahmen sind daher in der Regel als aussichtslos einzustufen. – Frühgeburt > 22 + 0 bis 22 + 6 SSW: Lebensverlängernde Therapie nur auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern. – Frühgeburt 23 + 0 bis 23 + 6 SSW: Nach ausführlicher Diskussion von Geburtshelfern und Neonatologen mit den Eltern und unter Berücksichtigung gemeinsamer vorab getroffener Entscheidung lebensverländernde oder ausschließlich palliative Versorgung. Neben dem Gestationsalter auch Prognosefaktoren geschätztes Gewicht, Geschlecht, Mehrlingsstatus, Lungenreifebehandlung berücksichtigen. – Frühgeburt ≥ 24.0 SSW: In der Regel Erstversorgung mit kurativer Intention. – Frühgeborene mit schwersten Erkrankungen: individuelle Entscheidung. – Herz-Kreislauf-Stillstand: Eine Reanimation, die alle Möglichkeiten (z. B. Suprarenin) einsetzt, ist in der Regel bei FG < 25 SSW erfolglos bzw. mit erheblicher Morbidität und später Mortalität verbunden. ▶ 3. Fortsetzung intensivmedizinischer Therapie: • Ethisch begründete Entscheidungen bei gesicherter infauster zerebraler Prognose dürfen nicht allein getroffen werden. Konsil durch Entwicklungsneurologen, mit Oberärzten und/oder Abteilungsleitung. • Die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls („Hirntod“) im Neugeborenenalter ist komplex und muss interdisziplinär erfolgen. • Bei Frühgeborenen (< 37 Wochen postmenstruell) ist das den Richtlinien der Bundesärztekammer zugrunde liegende Konzept der Hirntodfeststellung nicht anwendbar. • Die Wartezeit bis zu der obligaten klinischen Verlaufsuntersuchung beträgt unabhä ngig von der Art der Hirnschä digung – bei reifen Neugeborenen (≥ 37 Schwangerschaftswochen postmenstruell und im Lebensalter von 0 – 28 Tagen) mindestens 72 Stunden oder – bei Kindern ab dem Lebensalter von 29 Tagen bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr mindestens 24 Stunden. Die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls ist nur dann nachgewiesen, wenn jeweils zusätzlich zur klinischen Untersuchung – entweder ein isoelektrisches EEG (siehe Anmerkung 7) oder – das Erlö schen oder der Ausfall der intrazerebralen Komponenten der frü hen akustisch evozierten Potentiale (FAEP) (siehe Anmerkung 8) oder – der zerebrale Zirkulationsstillstand (siehe Anmerkungen 6 und 9) festgestellt worden ist. • Die apparative Zusatzdiagnostik ersetzt den Beobachtungszeitraum bei Neugeborenen nicht. • Infratentorielle Hirnschädigung: Irreversibilität muss zusätzlich mit apparativer Diagnostik nachgewiesen werden • Kriterien zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (S. 437) sind publiziert: http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/ irr

4 Elternbetreuung

4.3 Juristische und ethische Fragen

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Elternbetreuung

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4.4 Tod eines Kindes

4.4 Tod eines Kindes Genzel

Eltern ▶ Ermöglichen Sie, ohne es zu erzwingen, dass die Eltern sich in Ruhe vom Kind verabschieden. ▶ Prüfen Sie: Gibt es Großeltern, nahe Familienangehörige, Freunde, Geschwister, die einzubeziehen sind? ▶ Taufe: Eltern fragen, ob sie ihr Kind taufen lassen möchten (durch Klinikseelsorge oder Laien). Gilt auch für nicht lebensfähige Kinder z. B. Lebendgeborene < 24. SSW (< 500 g) im Kreißsaal! ▶ Suchen Sie aktiv das Gespräch – möglichst durch die „Bezugsperson“ mit Mutter und Vater in ruhigem Raum. Eltern reden lassen! Nach Problemen fragen, Hilfe anbieten. ▶ Eltern möglichst von Vertrauensperson in das Sterbebüro (wenn vorhanden) begleiten lassen. Dies ist oft sehr hilfreich. ▶ Anregen, dass auch sehr unreife Feten < 500 g regulär bestattet werden (s. u.). ▶ Auf Elterngruppen hinweisen z. B. „Verwaiste Eltern“ (S. 415). ▶ Foto des verstorbenen Kindes in der Kurve aufheben. Viele Eltern fragen später danach. ▶ Sektionsgenehmigung einholen, je nach Situation abwägen. ▶ Mit den Eltern abschließendes Gespräch nach Vorliegen aller Befunde inkl. Sektionsbericht (nach ca. 2 – 3 Monaten) verabreden.

Postmortale Diagnostik ▶ Bei Infektionsverdacht: Postmortale Blutkultur, Lumbalpunktion, Urin (Speichel), Blut für PCR (CMV). ▶ Katheterfehllage: Katheter nicht ziehen, evtl. Röntgenbild. ▶ Skelettfehlbildungen: Babygramm, evtl. Spezialaufnahmen. ▶ Stoffwechseldefekte (S. 362). ▶ SIDS (S. 413). ▶ MRT bei abgelehnter Obduktion erwägen? ▶ Material (Blut, Gewebe) für Genetik asservieren.

Formalien ▶ Todesmeldung (Formular) und Sterbeurkunde an die Verwaltung. ▶ Pathologieschein: Spezifische Fragen? Gelbe Anhänger; Zettel (an das Kind), vgl. unten.

Sektion verstorbener Kinder ▶ Grundsätzlich besteht ein klinisches Interesse an der Obduktion. Den Willen der Eltern aber respektieren! ▶ Genehmigung: Stationsarzt bzw. vertrauter Ansprechpartner bittet die Eltern um die Sektionsgenehmigung. Bei Verweigerung der Obduktion Oberarzt hinzuziehen. Fließen folgende Argumente und Aspekte ins Gespräch ein, erleichtert dies den Eltern evtl. die für sie schwierige und belastende Zustimmung zur Obduktion: • Die klinischen Erfahrungen und Therapien der Kinderintensivmedizin beruhen z. T. auf Ergebnissen der Obduktion früher verstorbener Kinder. Die Obduktion hilft also späteren Patienten in ähnlicher Situation. • Belastend für Eltern nach dem Tod eines Kindes sind häufig offen gebliebene klinische Fragen. Eine Obduktion kann weitere Klärung bringen. • Vor allem bei angeborenen Fehlbildungen, Stoffwechseldefekten usw. kann die Klärung des Krankheitsbildes durch die Obduktion helfen, das Wiederholungsrisiko abzuschätzen. 94

• Teilsektionen sind möglich. • (Ggf. nach Rücksprache mit Pathologie) ansprechen: Einzelne Organe/Organteile werden u. U. nicht mit dem Kind beerdigt. Dies gilt vor allem für Gehirnsektionen. ▶ Gerichtsmedizinische Sektion nur dann in die Wege leiten, wenn juristisch absolut zwingend. Dies ist in der Regel der Fall, wenn auf der Todesbescheinigung „nicht natürlicher Tod“ oder „nicht aufgeklärt“ angekreuzt wird. Die gerichtsmedizinische Sektion ist keine Alternative zu einer verweigerten normalen Obduktion. ▶ Organisatorisches: • Jedes verstorbene Neugeborene sollte obduziert werden! • Bei der Sektion sollte der zuletzt behandelnde Arzt anwesend sein, alle anderen Ärzte wenn irgend möglich. • Beteiligte Konsiliarärzte, Geburtshelfer, Kinderchirurgen etc. informieren. • Sofort schriftliches Kurzprotokoll des vorläufigen Sektionsergebnisses anfertigen. • Arztbrief schreiben, bevor endgültiges Sektionsprotokoll da ist; kurz auf das vorläufige Obduktionsergebnis eingehen; bei zusätzlichen Aspekten den endgültigen Befund nachschicken.

4 Elternbetreuung

4.4 Tod eines Kindes

Bestattung ▶ Die Verwaltung oder die Klinikseelsorge beraten meist zur Frage der Bestattung, die in der Regel durch einen Bestattungsunternehmer erfolgt. Schriftliche Formalitäten erledigt häufig der Bestattungsunternehmer, für den die Eltern sich entscheiden. Oftmals gibt es die Möglichkeit einer Aussegnung, z. B. in der Krankenhauskapelle, bevor der Leichnam durch den Bestatter abgeholt wird. Wenn die Eltern nicht verheiratet sind und die Vaterschaft vor Geburt noch nicht anerkannt wurde, aber der Name des Vaters auf der Geburtsurkunde stehen soll, müssen beide Eltern persönlich ins örtliche Standesamt gehen. ▶ Möglichkeiten der Bestattung: • Totgeborene Feten < 500 g: – Individuelle Erdbestattung im eigenen Grab oder Familiengrab. – Anonyme Bestattung einzeln in einem Gräberfeld (geringe Kosten). – Klinische Bestattung: kostenlose Sammelbestattung in einem Gräberfeld. • Totgeborene oder Lebendgeburten > 500 g: Individuelle oder anonyme Bestattung möglich. ▶ Die Eltern sollten ausreichend Zeit haben, sich für eine der Möglichkeiten zu entscheiden. Kulturelle Besonderheiten (islamische oder jüdische Bestattungen) sind im Gespräch mit den Eltern zu beachten.

Abschlussgespräch, genetische Beratung der Eltern ▶ Vor dem Gespräch: • Krankenblatt und Sektionsbericht mit Oberarzt durchgehen (Junge/Mädchen? Vorname?). Fragen: Genetische Beratung erforderlich? Was ist für die Eltern wichtig? • Falls genetische Fragen anstehen, vorher Informationen von der Abteilung für Genetik einholen. Bei komplizierteren Fragen Termin für Eltern zur genetischen Beratung vereinbaren und diesen beim Elterngespräch mitgeben. Bericht erbitten. • Geburtshelfer über geplantes Elterngespräch informieren. ▶ Gesprächsinhalte: • Wichtig ist die empathische Atmosphäre des Gesprächs. • Frage nach persönlichem Ergehen der Eltern. • Ergebnisse der Obduktion. • Nachträglich eingegangene Untersuchungsergebnisse. • Genaue Diagnosen und Todesursache. • Evtl. über Wiederholungsrisiko informieren. • Evtl. Hinweis auf Selbsthilfegruppen, z. B. „Verwaiste Eltern“ (S. 415). • Bereitschaft zu weiteren Gesprächen signalisieren. 95

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

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Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

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Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.1 Leitsymptom SGA (IUGR) Knüpfer, Mihatsch

Grundlagen ▶ Kinder, die ihr intrauterines Wachstumspotenzial nicht ausgeschöpft haben, leiden an intrauteriner Retardierung (IUGR) und werden „small for gestational age“ (SGA) oder hypotroph/hypoplastisch geboren. Die IUGR führt zu zahlreichen fetalen Veränderungen mit postnatalen Konsequenzen. Dies ist umso mehr der Fall, je retardierter und je unreifer die Kinder sind, sodass Frühgeborene mehr betroffen sind als reife Neugeborene und Kinder unter der 3. Perzentile mehr als Kinder zwischen der 3. und 10. Perzentile. ▶ Auch Kinder mit einem Geburtsgewicht über der 10. Perzentile können intrauterin wachstumsretardiert sein, wenn es zu einer Verflachung der Wachstumskurve und einem Perzentilenwechsel gekommen ist (Intrauterine Wachstumsretardierung = IUGR). Sog. intrauterine Wachstumskurven sind de facto Kurven der jeweiligen Geburtsgewichte. Wenn nicht tagesgenaue Gestationsalter genommen werden, sondern jeweils der Wochenanfang nach vollendeter Woche, kommt es zu einer Linksverschiebung der Perzentilen und SGA wird über-, LGA unterdiagnostiziert. In Deutschland entsprechen die Kurven von M. Voigt am besten der hiesigen Realität. Abb. 21.3–Abb. 21.5 zeigen die Perzentilen für Früh- und Neugeborene. ▶ Definition: SGA = Geburtsgewicht (GG) < 10. Perzentile, eine Einteilung in Gewicht < 3. Perzentile (schwer) und zwischen 3.–10. Perzentile (moderat) ist empfehlenswert (Morbidität, Mortalität, und Langzeitentwicklung sind jeweils schlechter für die schwere Form). ▶ Einteilung: • Symmetrische Retardierung: Gewicht, Körperlänge und Kopfumfang < 10. Perzentile: – Konstitutionell kleine, gesunde Kinder. – Frühe Mangelernährung (vor dem 3. Trimenon). – Manche systemische fetale Erkrankung (genetisch, CMV-Infektion). • Asymmetrische Retardierung: Gewicht erniedrigt, aber KU und ggf. KL sind normal oder weniger betroffen. Besser ist dies mit dem Ponderal-Index definiert: Geburtsgewicht in g 100  ðKörperlänge in cmÞ3 • Späte Mangelernährung (3. Trimenon): z. B. bei Plazentainsuffizienz, Präeklampsie, HELLP oder mütterlicher Unterernährung. Aufgrund des „Brain-SparingEffects“ bleibt das Gehirn- und damit das Kopfwachstum normal. ▶ Epidemiologie: Der Anteil der SGA-Kinder liegt bei reifen NG definitionsgemäß bei 10 %, ist verglichen zu hiesigen Standards erhöht in Entwicklungsländern (ca. 20–25 %). Für FG gibt es kontroverse Daten, viele klinische Studien zeigen erhöhte SGA-Häufigkeiten (bis 20 %).

Diagnostik ▶ Ca. 30–50 % der IUGR bleiben ungeklärt. ▶ Maternale Ursachen: • Demografisch (Alter, ethnische Zugehörigkeit, Ernährungszustand, Größe, Gewicht). 96

• Vorbestehende Erkrankungen: zyanotische Vitien, Lungenerkrankungen, Hämoglobinopathien, Nephropathien, Kollagenosen, hämatologische und (auto)immunologische Erkrankungen mit vermehrter Thrombosebildung. • Schwangerschafts-Erkrankungen (Präeklampsie, HELLP), Hypertonie, Abusus (Drogen, insbesondere Nikotin [Verdopplung der SGA-Rate], Alkohol) und Medikamente wie Kumarin, Hydantoin. • Assistierte Reproduktion. • Plazentare Ursachen: – Reduzierter Blutfluss. – Reduzierte Austauschfläche (Thrombosen, Hämatome, partielle Lösung, strukturell zu kleine Plazenta). ▶ Fetale Ursachen: • Genetisch: 5–20 % (z. B. Trisomie 13/18/21, Chromosomenteildeletionen, Monosomie X, Silver-Russel-Syndrom, Cornelia-de-Lange u. a.). • Kongenitale Anomalien: 1–2 % (kardiale, gastrointestinale, renale) oder Stoffwechseldefekte. • Mehrlinge. • Endokrine Ursachen. • Infektionen: 5–10 % (z. B. CMV, Toxoplasmose, selten: Röteln, Malaria). • Fetofetale oder fetomaternale Transfusion. ▶ Klinisches Vorgehen: • Typische Auffälligkeiten bei U1: – Vorzeitiger Mekoniumabgang: grünes FW und Gefahr der Mekoniumaspiration. – Abgelöste „Waschfrauenhaut“, Petechien (Thrombozytopenie), Effloreszenzen. – Dünne Nabelschnur. – Vermindertes Fett- und Muskelgewebe. – Bei asymmetrischer Retardierung: auffällig großer Kopf im Vergleich zum schmächtigen Körper (Kopfumfang, Länge und Gewicht in verschiedenen Perzentilen). ▶ Beachte: Bei vermeintlich symmetrisch retardierten NG ohne klinische Zeichen ■ für IUGR: Gestationsalter (Reifezeichen, 1. pränataler Ultraschall) überprüfen und konstitutionellen Kleinwuchs (Elterngröße) in Erwägung ziehen. Mütterliches Geburtsgewicht bestimmt kindliches Geburtsgewicht mit. • Ursache für SGA/IUGR suchen: Wenn durch mütterliche oder plazentare Faktoren nicht erklärbar, zunächst nach fetalen Ursachen suchen: – Erheben der mütterlichen Anamnese bezügl. der oben genannten Risiken (bei Polyhydramnion an gastrointestinale Atresien, bei Oligohydramnion an Nierenfehlbildungen denken!). – Überprüfen der Ergebnisse der pränatalen Sonografie: Untersuchung der Plazenta (Größe?, Verkalkungen?) sowie Perfusionsmessung der Nabelschnur und beim Fetus. – Sorgfältige körperliche Untersuchung: Dysmorphiezeichen (genetische Erkrankung?), Hinweise auf eine intrauterine Infektion (Viren?). – Suche nach assoziierten Fehlbildungen: z. B. gastrointestinal (Atresien usw.), kardial, urogenital, Nierenhypoplasie, Hypospadie (bis zu 10-fach häufiger). – Bei auffälligem Hörscreening: CMV-PCR im Urin. – Eine weiterführende Diagnostik ist häufig nicht erfolgreich (30–50 % der IUGR bleiben ungeklärt). – Bei extrem retardierten Kindern (SGA < < 3. Perzentile) sollte eine weiterführende Diagnostik wie Schädelsonografie, humangenetisches Konsil oder endokrinologische Diagnostik (IGF1-Achse) kritisch in Betracht gezogen werden.

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.1 Leitsymptom SGA (IUGR)

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Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

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5.1 Leitsymptom SGA (IUGR)

Therapie ▶ Eine Behandlung auf der neonatologischen Überwachungsstation ist bei allen Kindern < 2000 g obligat. Kinder über dieser Grenze können auf der Wöchnerinnenstation unter Einhaltung der üblichen Überwachung und unter Beachtung der u.g. Maßnahmen betreut werden. ▶ Bei allen SGA-Kindern besteht die Gefahr der • Hypoglykämie: – Immer frühzeitiges (30 min) Anlegen oder Frühfütterung. – BZ-Kontrollen innerhalb der ersten 1–2 Lebensstunden, BZ sollte > 2,7 mmol/l (45 mg/dl) sein, weitere Kontrollen nach Ausgangswert im Abstand von 2–3 h, solange bis 2 Werte hintereinander > 3 mmol/l (50 mg/dl) liegen. Eine erhöhte Neigung zu Hypoglykämie besteht mindestens für 12–24 Lebensstunden. (Management ähnlich dem für Neugeborene diabetischer Mütter). Erfahrungsgemäß benötigen Neugeborene < 2000 g häufig zusätzlich eine parenterale Glukosesubstitution (ca. 8 g/kg/d). • Polyglobulie, Thrombozytopenie, Leukozytopenie und Hypokalzämie: mindestens einmalige Bestimmung im Rahmen der zweiten BZ-Kontrolle und ggf. Therapie; bei Thrombozytopenie < 80/nl evtl. auch Überprüfung der plasmatischen Gerinnung und Ausschluss einer bakteriellen Infektion. • Hypothermie: – Wärmeverluste (großer Kopf!) minimieren (Mütze). – Regelmäßige Temperaturkontrollen. – Kinder ggf. prophylaktisch im Wärmebett lagern. ▶ Besonderheiten bei Frühgeborenen: • Lunge: Die pulmonale Anpassung von SGA-FG kann schlechter, oft aber sogar besser sein als die von AGA-Kindern, die Langzeitprognose (BPD) ist jedoch eindeutig schlechter. • Herz/Kreislauf: erhöhte PDA-Rate. • Metabolismus: neben Hypoglykämie und Hypokalzämie, häufig sekundäre Laktaterhöhung (Reperfusionsphänomen). • Darm: besonders bei schweren IUGR auftretende gestörte gastrointestinale Adaptation, erhöhte NEC-Inzidenz bei sehr frühgeborenen SGA wird berichtet, aber sollte nicht zu einem verzögerten enteralen Nahrungsbeginn führen. Eine zügige Steigerung dagegen ist manchmal nicht möglich.

Prognose ▶ Bei moderat retardierten (besonders bei asymmetrisch retardierten) reiferen FG/NG kommt es in der Regel zu einem raschen Aufholwachstum mit guter Prognose bezüglich der Langzeitmorbidität. Bei schwer retardierten Kindern bleiben statistisch sowohl Gewicht als auch Längenwachstum bis ins Erwachsenenalter hinter der Normalpopulation zurück. ▶ SGA-NG und vermutlich die meisten FG, auch wenn nicht SGA, haben im Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko für ein metabolisches Syndrom mit Adipositas, kardiovaskulären Erkrankungen, Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes. Dies scheint besonders bei postnatalem schnellem Aufholwachstum erhöht zu sein. Es ist deshalb ein nur moderates Aufholwachstum anzustreben. Eine Hyperalimentation ist nicht indiziert und in randomisierten Studien nicht von Vorteil. Da Stillen einen protektiven Effekt bezügl. Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter hat, sollte wegen des erhöhten Risikos eine mindestens 4–6 monatige Stilldauer unterstützt werden. ▶ SGA-Kinder ohne Aufholwachstum in den ersten 2 Jahren sollten in einer kinderendokrinologischen Spezialsprechstunde vorgestellt werden. Frühgeborene benötigen gelegentlich für das Aufholwachstum bis zu 4 Jahre. ▶ Bei allen IUGR/SGA-Kindern besteht 98

• eine deutlich erhöhte perinatale Mortalität (intrauteriner Fruchttod, Asphyxie, Mekoniumaspiration). • eine erhöhte SIDS-Rate. ▶ Bei SGA zeigen Frühgeborene • eine deutlich erhöhte Gesamtmortalität: < 32. SSW negativ korreliert mit der Gewichtsperzentile zur Geburt von 12 % (50–89 Perz.) über 20 % (10–25) bis 26 % (< 10 Perz.). • eine erhöhte BPD-Rate. • eine ungünstigere psychomotorische Langzeitentwicklung.

5.2 Zyanose Greil, Hummler

Grundlagen ▶ Eine Zyanose ist das Leitsymptom einer Sauerstoffuntersättigung und erfordert eine umgehende Diagnostik. ▶ Sie entsteht bei > 5 g/dl desoxygeniertem Hämoglobin, sichtbar durch blaurote Verfärbung der Haut, v. a. der Schleimhäute. Eine Anämie kann die Sauerstoffuntersättigung im klinischen Erscheinungsbild maskieren, eine Polyzythämie begünstigt das Erscheinen. ▶ Klassifikation verschiedener Zyanoseformen: • Periphere Zyanose: Manifestation an Akren und Lippen; entsteht bei vermehrter Ausschöpfung von Sauerstoff im Gewebe bedingt durch Minderperfusion, auch durch erniedrigtes Herzzeitvolumen. • Zentrale Zyanose: Manifestation an Zunge und Schleimhäuten (gut durchblutete Regionen); entsteht durch pulmonal oder kardial bedingte Untersättigung des Blutes infolge intrapulmonaler oder intrakardialer Shuntverbindungen. • Differenzialzyanose: Unterschiedliche Hautfärbung der oberen und unteren Körperanteile (Zyanose der unteren Körperanteile ist ein Zeichen eines Rechts-LinksShunts über einen offenen Ductus Botalli). Eine Zyanose der oberen Körperhälfte mit rosigem Hautkolorit der unteren Körperanteile ist im Falle einer Transposition der großen Arterien mit pulmonaler Hypertonie möglich (sehr selten).

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.2 Zyanose

Diagnostik ▶ Anamnese: • Familienanamnese (angeborene Vitien?), Schwangerschaftsanamnese (Diabetes? Pränataldiagnostik? Mütterliche Medikamente?), Geburtsanamnese (Sectio - ITN) und postnatale Anamnese (Hypoglykämie?). • Liegen Zeichen der Atemnot vor (Tachypnoe, Einziehungen, Nasenflügeln)? Diese Symptome würden für eine respiratorische Ursache sprechen. Zyanotische Vitien sind meist nicht mit relevanter Atemnot assoziiert. • War das Kind bereits direkt nach der Geburt zyanotisch (oft bei TGA, kompletter Lungenvenenfehlmündung oder univentrikulärem Herzen)? • Zyanose konstant: bei respiratorischen Erkrankungen oder bei Vitien. • Zyanose intermittierend: z. B. bei Apnoen. • Zyanose im Zusammenhang mit Trinkversuchen: spricht für Aspiration (z. B. bei Ösophagusatresie oder ösophagotrachealer Fistel). • Zyanose, die beim Schreien verschwindet, kann für eine Choanalatresie sprechen. • Zyanoseattacken mit und ohne Husten werden bei Pertussis beobachtet. • Zyanose beim Schreien weist auf eine beeinträchtigte Perfusion der Lunge hin. • Schreien kann eine Zyanose bei respiratorischen Erkrankungen verbessern oder bei zyanotischen Vitien verschlechtern. • Bei Zyanose und normaler pulsoximetrischer Sauerstoffsättigung könnte ein dysfu

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• eine deutlich erhöhte perinatale Mortalität (intrauteriner Fruchttod, Asphyxie, Mekoniumaspiration). • eine erhöhte SIDS-Rate. ▶ Bei SGA zeigen Frühgeborene • eine deutlich erhöhte Gesamtmortalität: < 32. SSW negativ korreliert mit der Gewichtsperzentile zur Geburt von 12 % (50–89 Perz.) über 20 % (10–25) bis 26 % (< 10 Perz.). • eine erhöhte BPD-Rate. • eine ungünstigere psychomotorische Langzeitentwicklung.

5.2 Zyanose Greil, Hummler

Grundlagen ▶ Eine Zyanose ist das Leitsymptom einer Sauerstoffuntersättigung und erfordert eine umgehende Diagnostik. ▶ Sie entsteht bei > 5 g/dl desoxygeniertem Hämoglobin, sichtbar durch blaurote Verfärbung der Haut, v. a. der Schleimhäute. Eine Anämie kann die Sauerstoffuntersättigung im klinischen Erscheinungsbild maskieren, eine Polyzythämie begünstigt das Erscheinen. ▶ Klassifikation verschiedener Zyanoseformen: • Periphere Zyanose: Manifestation an Akren und Lippen; entsteht bei vermehrter Ausschöpfung von Sauerstoff im Gewebe bedingt durch Minderperfusion, auch durch erniedrigtes Herzzeitvolumen. • Zentrale Zyanose: Manifestation an Zunge und Schleimhäuten (gut durchblutete Regionen); entsteht durch pulmonal oder kardial bedingte Untersättigung des Blutes infolge intrapulmonaler oder intrakardialer Shuntverbindungen. • Differenzialzyanose: Unterschiedliche Hautfärbung der oberen und unteren Körperanteile (Zyanose der unteren Körperanteile ist ein Zeichen eines Rechts-LinksShunts über einen offenen Ductus Botalli). Eine Zyanose der oberen Körperhälfte mit rosigem Hautkolorit der unteren Körperanteile ist im Falle einer Transposition der großen Arterien mit pulmonaler Hypertonie möglich (sehr selten).

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.2 Zyanose

Diagnostik ▶ Anamnese: • Familienanamnese (angeborene Vitien?), Schwangerschaftsanamnese (Diabetes? Pränataldiagnostik? Mütterliche Medikamente?), Geburtsanamnese (Sectio - ITN) und postnatale Anamnese (Hypoglykämie?). • Liegen Zeichen der Atemnot vor (Tachypnoe, Einziehungen, Nasenflügeln)? Diese Symptome würden für eine respiratorische Ursache sprechen. Zyanotische Vitien sind meist nicht mit relevanter Atemnot assoziiert. • War das Kind bereits direkt nach der Geburt zyanotisch (oft bei TGA, kompletter Lungenvenenfehlmündung oder univentrikulärem Herzen)? • Zyanose konstant: bei respiratorischen Erkrankungen oder bei Vitien. • Zyanose intermittierend: z. B. bei Apnoen. • Zyanose im Zusammenhang mit Trinkversuchen: spricht für Aspiration (z. B. bei Ösophagusatresie oder ösophagotrachealer Fistel). • Zyanose, die beim Schreien verschwindet, kann für eine Choanalatresie sprechen. • Zyanoseattacken mit und ohne Husten werden bei Pertussis beobachtet. • Zyanose beim Schreien weist auf eine beeinträchtigte Perfusion der Lunge hin. • Schreien kann eine Zyanose bei respiratorischen Erkrankungen verbessern oder bei zyanotischen Vitien verschlechtern. • Bei Zyanose und normaler pulsoximetrischer Sauerstoffsättigung könnte ein dysfu

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Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

5.2 Zyanose

▶ Klinische Untersuchung: • Inspektion: Fehlbildungen? Zentrale oder periphere Zyanose? Differenzialzyanose? Hyperaktives Präkordium? Apnoen? • Kapillarfüllung: Hinweis auf reduziertes Herzzeitvolumen? • Auskultation von Herz und Lunge: Ein Herzgeräusch spricht für eine kardiale Ursache. Leise Herztöne können auch ein Hinweis auf einen Perikarderguss oder ein Pneumoperikard sein. Allerdings haben viele Neugeborene mit zyanotischem Vitium kein Herzgeräusch! • Beurteilung der Atmung (Dys-, Tachy-, Hypo-, Apnoe, interkostale Einziehungen, Nasenflügeln, Stridor). • Inspektion und Palpation des Abdomens. • Palpation der Pulse an allen Extremitäten. • Neurologische Untersuchung: Tonus? Krampfanfälle? ▶ Differenzialdiagnosen bei Neugeborenen siehe Tab. 5.1. Tab. 5.1 • Differenzialdiagnosen bei Zyanose des Neugeborenen. respiratorische Ursachen (am häufigsten) • pulmonale Ursachen

Atemnotsyndrom Pneumothorax, PIE Mekoniumaspirationssyndom Pneumonie Aspiration von Nahrung Asphyxie (ARDS) Lungenblutung

• Atemwegsobstruktion

Pierre-Robin-Sequenz, Makroglossie, Choanalatresie

• externe Kompression der Lunge

Pleuraerguss, abdominelle Distension

• angeborene Fehlbildungen

Zwerchfellhernie, CCAM, Larynx- und Trachealfehlbildungen

kardiale Ursachen

persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen angeborener Herzfehler (zyanotisch)*

kardiovaskuläre Ursachen

Schock (low cardiac output) Herzinsuffizienz Perikarderguss, Pneumoperikard

infektiologische Ursachen (zweithäufigste Ursache)

Sepsis, Meningitis

zentrale Ursachen

Apnoe-Syndrom des Neugeborenen

Pneumonie

Krampfanfall Hirnblutung, hypoxisch-ischämische Enzephalopathie Hypothermie ZNS-Fehlbildungen (Hydrozephalus) neuromuskuläre Erkrankungen Medikamente (z. B. Opiate unter der Geburt)

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hämatologische Ursachen

Polyglobulie Hämoglobinopathien

metabolische Erkrankungen

Hypoglykämie, Hypokalziämie, Hypermagnesiämie, schwere metabolische Azidose angeborene Stoffwechselerkrankungen

*Zyanotische Herzfehler: Fallot-Tetralogie, Transposition der großen Gefäße, hypoplastisches Linksherzsyndrom, Double-outlet-ventricle, totale Lungenvenenfehlmündung, Truncus arteriosus communis, Ebstein-Anomalie, Trikuspidalatresie, Pulmonalatresie.

▶ Apparative Diagnostik siehe Tab. 5.2. Tab. 5.2 • Apparative Diagnostik bei Zyanose. transkutane Sauerstoffmessung

Messung an rechtem Arm und rechtem Bein Ist die SpO2 an den Beinen im Vergleich zum rechten Arm > 5 % niedriger, spricht das für einen Re-Li-Shunt auf Duktusniveau (PPHN).

periphere Blutdruckmessung

Messung an allen 4 Extremitäten

Röntgen-Thorax

Beurteilung der Belüftung, Ausschluss extraalveolärer Luft, Lungendurchblutung (in den ersten Lebenstagen ist diese aufgrund des noch physiologisch erhöhten pulmonalen Widerstandes nur eingeschränkt zu beurteilen), Herzgröße, Fehlbildungen

arterielle Blutgasanalyse

paO2, paCO2, Laktat, pH, Bikarbonat (Unterscheidung zwischen metabolischer und respiratorischer Entgleisung). Ein erhöhter pCO2 spricht für respiratorische Erkrankung, ein normaler oder niedriger pCO2 eher für kardiale Erkrankung. Metabolische Azidose spricht für Sepsis, Schock oder schwere Hypoxämie.

Laboruntersuchungen

Hämatokrit, Hämoglobin, Blutzucker, weitere Parameter je nach Verdachtsdiagnose (BB, CrP, IL-6 oder IL-8 bei V. a. Sepsis)

Hyperoxietest

Verabreichen von Sauerstoff (FiO2 1,0) über 8–10 min: Sauerstoffsättigung bessert sich bei Vorliegen einer Gasaustauschstörung (Abb. 12.12), im Gegensatz dazu zeigt sich kein Anstieg der Sauerstoffsättigung bei Vorliegen eines zyanotischen Herzfehlers (das Ergebnis der Untersuchung wird als unzuverlässig angesehen). Bei der Methämoglobinämie steigt der paO2 ohne Anstieg der SpO2!

Echokardiografie

Diagnose eines Herzfehlers oder einer PPHN und Beurteilung der Ventrikelfunktion (Goldstandard).

andere Untersuchungen

Sonografie des Schädels (bei Hinweis auf Erkrankung des ZNS, Hydrozephalus, Hirnblutung etc.). EEG bei V. a. Krampfanfälle.

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.2 Zyanose

Therapie ▶ Die Therapie erfolgt entsprechend der zugrundeliegenden Erkrankung.

101

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

5.3 Hypoglykämie

5.3 Hypoglykämie Raile, Mihatsch

Grundlagen ▶ Ziele der Hypoglykämie-Intervention: • Postnatale Hypoglykämien sollen vermieden, erkannt und behandelt werden. • Pathogenese von schweren und persistierenden Hypoglykämien soll diagnostiziert werden. ▶ Pathogenese und Definition: Hypoglykämie definiert einen Glukosewert im Blut, bei dem die metabolische (Energie-)Versorgung des stark glukoseabhängigen Gehirns kritisch unterschritten wird und damit eine transiente oder persistierende Schädigung (posthypoglykämischer Hirnschaden) droht. Eine potenzielle Hirnschädigung hängt dabei nicht nur vom Blutglukosespiegel, sondern auch von der Dauer der niedrigen Glukosewerte, der zerebralen Perfusion, der Oxygenierung (Energiebilanz von aerobem vs. anaerobem Stoffwechsel) und der Verfügbarkeit alternativer Substrate (Keton, Laktat) ab. Ein bereits geschädigtes Gehirn (HIE) sowie eine systemische Infektion (Zytokine) gelten als zusätzliche Risikofaktoren. ▶ Merke: Bislang konnte keine systematische Untersuchung bei Neugeborenen einen ■ Serumglukosewert festlegen, ab dem irreparable Hirnschäden auftreten, egal in welcher Population/Altersgruppe oder über welchen Zeitraum. ▶ Tierexperimentelle und klinische Fallstudien zeigen, dass das Risiko neurologischer Schädigungen durch die Schwere, Häufigkeit und Dauer einer Hypoglykämie bei Neugeborenen sehr viel höher ist als bei älteren Kindern oder Erwachsenen. ▶ Pathologische, metabolische Anpassung: Fast alle NG zeigen innerhalb der ersten Stunden nach Geburt einen starken Blutzucker-Abfall mit einem leichten Anstieg bis zur 12. Lebensstunde. Bis zur vollen Ernährung mit (Mutter-)Milch können innerhalb der ersten 3 Lebenstage BZ-Abfälle auftreten. Gesunde Neugeborene können darauf mit der Mobilisierung von Glykogenreserven und alternativen Brennstoffen (Keton) reagieren. ▶ Erhöhtes Risiko für persistierende oder rezidivierende Hypoglykämien (häufige Kontrollen erforderlich) bei: • Frühgeborenen. • dystrophen Neugeborenen (< 3. Perz.). • hypertrophen Neugeborenen (> 97. Perz.). • NG mit angeborenen Herzfehlern, nach Asphyxie oder mit Sepsis. • NG mit seltenen endokrinen Erkrankungen oder Stoffwechseldefekten, die eine behinderte Glykogenolyse oder Glukoneogenese bedeuten. • kongenitalem Hyperinsulinismus oder Kindern diabetischer Mütter (S. 164).

Symptome und Schwellenwerte

102

▶ Hypoglykämieassoziierte Symptome sollten sich nach Glukose-/Nahrungsgabe bessern: • Apathie, Trinkfaulheit (entgegen den typischen Hypoglykämiesymptomen älterer Kinder). • Unruhe, Schwitzen. • Zerebrale Krampfanfälle. • Tachykardie, Blutdruckschwankungen. • Tachypnoe, Apnoen und Zyanoseanfälle. • Auffälliges, verändertes Schreien (schrill). ▶ Beachte: Klinische Symptome können selbst bei schwerer Hypoglykämie fehlen, ■ d. h.: Im Zweifel immer BZ-Messung! ▶ Bei gesunden Neugeborenen gelten folgende Schwellenwerte für eine Intervention: • Einmaliger BZ-Wert < 1 mmol/l (18 mg/dl). • BZ-Wert bei wiederholter Messung < 2,0 mmol/l (36 mg/dl).

• NG mit klinischen Symptomen und einem BZ-Wert < 2,5 mmol/l (45 mg/dl). • NG mit Risiko für gestörte Stoffwechselanpassung mit BZ < 2,0 mmol/l (36 mg/dl). ▶ Bei kritisch-kranken Neugeborenen mit Infektion, Oxygenierungsproblemen und/ oder Perfusionsstörungen sollten BZ-Werte > 3,2 mmol/l (60 mg/dl) kontinuierlich erhalten bleiben.

Ursachen ▶ Es liegt entweder ein erhöhter Glukosebedarf oder eine erniedrigte Glukoseproduktion bzw. -zufuhr oder beides vor. ▶ Häufigste Ursache! – Iatrogene Ursachen: Fehler im Infusionsplan, Unterbrechung der Infusion bei hoher Zufuhr, Austauschtransfusion, Peritonealdialyse, Indometacintherapie, Glukoseinfusion über einen NAK, der zu hoch liegt. ▶ Hypoglykämie als Symptom von: • Sepsis, Hypothermie, Polyglobulie, fulminanter Hepatitis, zyanotischen Herzvitien, Hirnblutung. • Frühgeburtlichkeit (Glykogenreserve bei reifen und gesunden Neugeborenen reicht ca. 12 h, bei Frühgeborenen praktisch nicht vorhanden). • Untergewicht entsprechend dem Gestationsalter (40. SSW, SGA) < 2800 g. • Übergewicht entsprechend dem Gestationsalter (40. SSW, LGA) > 4 300 g. • Asphyxie, perinatalem Stress. ▶ Erhöhter Bedarf/Hyperinsulinismus: • Medikamentöse Therapie der Mutter (Thiazide, Sulfonamide, Betamimetika, Tokolytika, Diazoxid, Antidiabetika, Propanolol, Valproat). • Kind diabetischer Mutter (bis zu fast 30 %). • Wiedemann-Beckwith-Syndrom (1:15 000). • Kongenitaler Hyperinsulinismus (Mutationen in den Genen ABCC 8, KCNJ11, GCK, SCHAD). ▶ Reduziertes Glukoseangebot: • Enzymdefekte der Glukoneogenese: – Fruktose-1,6-Bisphosphatase. – Phosphoenolpyruvatcarboxykinase. – Pyruvatcarboxylase. • Enzymdefekte der Glykogenolyse (Glykogenosen mit Hypoglykämieneigung): – Glukose-6-Phosphatase (Typ I). – Debranching-Enzym (Typ III). – Leber-Phosphorylase (Typ VI). – Phosphorylase-Kinase (Typ IX). – Glykogensynthase (Typ 0). • Aminosäuren-Stoffwechseldefekte: z. B. Ahornsirupkrankheit, Tyrosinämie. • Organoazidämien: z. B. Propionazidämie, Methylmalonazidämie. • Galaktosämie, Fruktoseintoleranz. • Fettsäure-Oxidationsdefekte, z. B. MCAD (S. 359). • Zu geringe oder zu seltene orale Zufuhr. • Enterale Resorptionsprobleme: Schwere Darminfektion oder Kurzdarmsyndrom. ▶ Fehlende antiinsulinerge Hormone: Isolierte und kombinierte Hypophysenstörungen mit Wachstumshormon-Mangel, ACTH-/Cortisol-Mangel oder Hypothyreose.

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.3 Hypoglykämie

Diagnostik ▶ Beachte: Unklare Hypoglykämie = die Chance zur Diagnose ausnutzen! ■

▶ Problem der BZ-Bestimmung: • Streifentests sind ungenau (±0,5 mmol/l), andererseits ist ein Laborwert i. d. R. zu spät verfügbar für eine Notfallintervention. • Daher wird in der Praxis nach dem Streifentest gehandelt, um mögliche irreversible Hirnschäden zu vermeiden. 103

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

5.3 Hypoglykämie





▶ ▶

• Die etablierten Glukosestreifentests sind auf Serum- oder Vollblutstandards mit festem Hämatokrit geeicht und zeigen daher eine hämatokritabhängige Abweichung von den Laborwerten (Polyglobulie = falsch zu niedrig). Weitere Ursachen der starken Abweichungen von wiederholten Messungen oder zwischen Streifen-/Labormethode sind lagerungs- oder additiv-bedingte Glykolyse in der Laborprobe sowie Probleme der Blutabnahme (hoher Hämatokrit, Mikrothromben in Kapillare oder Teststreifen). • Faustregel: BZ im Streifentest < 2,5 mmol/l (45 mg/dl) bei einem asymptomatischen Kind → Laborkontrolle, falls symptomatisch oder kritisch niedrig, sofort nach Streifentest behandeln! Intensive Überwachung des Blutzuckers bei: • Frühgeborenen. • SGA < 3er Perzentile. • Neugeborenen insulinabhängiger Diabetikerinnen. • Z. n. Asphyxie. • NG mit schwerer Infektion/Sepsis. Vorgehen: • BZ-Kontrollen nüchtern, 0,5, 1, 3 und 6 h nach der Geburt, dann je nach Werten. • Beendigung der BZ-Kontrollen, wenn 3 aufeinanderfolgende Messwerte ≥ 45 mg/dl (2,5 mmol/l) bei regelmäßiger und ausreichender Fütterung. Primärdiagnostik: Andere, nicht metabolische Erkrankungen wie Sepsis oder Vitium ausschließen (s. o.). Rezidivierende/therapieresistente Hypoglykämien: • Bestimmung der Schlüsselmetaboliten Glukose, β-Hydroxybutyrat, freie Fettsäuren, Laktat und Blutgasanalyse in der Hypoglykämie. Bei hohem Glukosebedarf (> 9–12 mg/kg/min) muss auch Insulin mitbestimmt werden. • Weitere differenzialdiagnostische Einteilung s. Abb. 5.1. • Gezielte Diagnostik anhand der 4 Untergruppen (s. Ursachen).

Therapie ▶ Beachte: Jede symptomatische Hypoglykämie ist therapiebedürftig. Gerade kritisch■ kranke Kinder benötigen optimale Glukosekonzentrationen > 3,5 mmol/l (60 mg/dl). Sofort Therapie einleiten und nach 1 h BZ kontrollieren. ▶ Vor allem Frühgeborene < 32. SSW benötigen zur Prävention einer neurologischen Schädigung sofort eine Glukoseinfusion (S. 198). Glukose1,0 mmol/l ja

nein

freie FS

Laktat normal

erhöht

– hormonelle Störung – ketotische Hypoglykämie

– Störung der Glukoneognese – Glykogenosen

niedrig Hyperinsulinismus

erhöht* Störung der FS-Oxidation

Abb. 5.1 • Stufendiagnostik bei rezidivierenden Hypoglykämien (* > 1 mmol/l).

104

▶ Geringgradige Hypoglykämie (2 mmol/l–2,6 mmol/l oder 35–47 mg/dl): • Primär orale Zufuhr von Nahrung (1. Präferenz Muttermilch/hydrolisierte Formula, 2. Präferenz Maltodextrin 15 %), Ziel: Steigerung orale Nahrung > 120 ml/kg KG/Tag in 6 – 8 Mahlzeiten). • Falls dies nicht möglich ist, Infusion von Glukose 10 % 4 – 5 ml/kg KG/h (6,7 – 8,3 mg/kg KG/min). ▶ Schwere Hypoglykämie (< 2 mmol/l oder 35 mg/dl): • Glukoseinfusion: Glukose 10 % 3–5 ml/kg KG/h = 5–8 mg/kg KG/min. • Glukosebolus: Möglichst vermeiden, führt zu gesteigerter Insulinausschüttung mit nachfolgender Hypoglykämie. Indikation: Blutzucker < 30 mg/dl oder < 45 mg/dl mit Symptomen. Dosis: 2–3 ml/kg/ KG (10 % Glukose, entspricht ~300 mg/kgKG) langsam. ▶ Rezidivierende Hypoglykämien: • Glukosezufuhr um 2 mg/kg KG/min ≙ 1,2 ml/kgKG/h Glukose 10 % steigern und Blutzuckerkontrollen nach spätestens 30 min. Orale Zufuhr so früh wie möglich. Ggf. Nahrung mit Maltodextrin anreichern (stimuliert Insulinsekretion weniger als Glukose i. v.). • Falls kein Erfolg: Zufuhr i. v. wiederholt um 2 mg/kg KG/min (ca. 1,2 ml/kg KG/h 10 % Glukose) erhöhen, bis Hypoglykämie stabilisiert ist (normale Kinder 12 mg/ kg KG/min, Hyperinsulinismus bis 20 mg/kg/min). • Akut: Glukagon-Gabe: Bei reifen Neugeborenen (eutroph) 0,1 mg/kg KG (0,2 – 0,3 mg/kg KG, max. 1,0 mg) i. v., s. c. oder i. m. Nicht bei SGA oder Frühgeborenen! (Engmaschige Kontrollen, da nur kurzzeitiger Erfolg.) ▶ Besonderheiten bei kongenitalem Hyperinsulinismus: • Kongenitaler Hyperinsulinismus wird u. a. durch Mutationen am ABCC 8-/KCNJ11Gen verursacht. Wird ein mutiertes Allel vom Vater vererbt, kann eine weitere, somatische Deletion (second Hit) zu einer sog. fokalen Form führen. Diese fokalen Formen sind im PET-CT darstellbar und operativ heilbar (Fokus-Ektomie), daher müssen bei persistierenden Formen fokale Formen identifiziert werden. • Falls durch die bisher genannten Maßnahmen keine Stabilisierung erreicht werden kann, wird Hyperinsulinismus bei wiederholten oder anhaltenden Hypoglykämien nach folgendem Eskalationschema behandelt: – Zur Stabilisierung: Glukagon DTI (0,05 – 0,4 mg/kg/h), Dosis vorsichtig titrieren, da Effekt abhängig von Glykogenreserven. Sollte in den ersten Wochen zur Stabilisierung als bevorzugtes Mittel eingesetzt werden, da weniger NW als Diazoxid. – Diazoxid p. o. 10 – 30 mg/kg KG. Cave: Gefahr schwerer Flüssigkeitsretention bei NG, immer mit Diuretikum kombinieren (z. B. HCT). Wirkung tritt erst ca. 24–36 Std. nach Dosisänderung ein, nur alle 48 h anpassen. – Octreotid 5 – 20 μg/kg KG/Tag s. c. (Somatostatin-Analogon) in 3 – 4 Tagesdosen. – Bei persistierendem nur medikamentös einstellbarem Hyperinsulinismus und passender Genetik (s. o.) Hyperinsulinismus L-DOPA-PET-CT zur Fokussuche. Wenn fokale Form, dann kurative OP möglich! • Alternativen: – Nifedipin 0,3 mg/kg KG/Tag in 4 ED, evtl. steigern bis 0,7 – 0,8 mg/kg KG/d, Glukosezufuhr i. v. reduzieren. – Für einige Tage Hydrocortison: 5 mg/kg KG/d in 2 ED. Wirkung: Stimulation der Glukoneogenese. Reduktion des peripheren Glukoseverbrauchs. Vorher: Kortisol und Insulin (bei Hypoglykämie) messen. • Fazit: Orale Zufuhr so hoch wie möglich, i. v. Zufuhr so hoch wie nötig (BZ soll > 47 mg/dl sein und bleiben).

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.3 Hypoglykämie

105

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

106

5.4 Hyperglykämie und neonataler Diabetes

Prävention ▶ Bei Müttern mit Diabetes möglichst optimale Diabeteseinstellung, besonders in der Spätschwangerschaft. ▶ Beim Kind: Frühzeitige und regelmäßige orale Ernährung ab der 3. Lebensstunde (alle 3 – 4 h), vor allem bei Frühgeborenen und SGA-NG. ▶ Auch im späteren Verlauf und nach Entlassung auf regelmäßige Nahrungszufuhr (spätestens alle 4 h) achten. Bei FG, die kurz vor der Entlassung stehen, treten in bis zu 18 % späte Hypoglykämien auf, falls eine Mahlzeit ausfällt oder verspätet gefüttert wird [E3].

5.4 Hyperglykämie und neonataler Diabetes Raile, Mihatsch

Definitionen und Grundlagen ▶ Definitionen: • Hyperglykämie: Blutzucker > 7 mmol/l (ca. > 130 mg/dl). • Transiente Hyperglykämie: Vermutet wird eine Unreife der Insulinsekretion mit transienter Hyperglykämie über maximal 4 Wochen. • Neonataler Diabetes: Neonataler Diabetes wird als Manifestation innerhalb der ersten 6 Lebensmonate definiert. Anders als bei Typ-1-Diabetes liegt keine Autoimmunpathogenese, sondern eine gestörte Insulinsekretion durch Mutationen von Genen mit einer Schlüsselfunktion in der Insulinsekretion vor. ▶ Häufigkeit: bei 29 – 86 % der sehr unreifen Frühgeborenen kann eine Glukoseverwertungsstörung auftreten. Neonataler Diabetes ist sehr selten (ca. 1:100 000). ▶ Grundlagen: Hyperglykämien können bei gestörter Insulinsekretion, gestörter Glukoseaufnahme (insulinabhängig in Muskel und Fettgewebe) oder zu hoher Glukosezufuhr auftreten. Am häufigsten bei Früh- und Neugeborenen sind Fehler in der voll- oder teilparenteralen Glukosezufuhr oder eine erhöhte Insulinresistenz bei Sepsis (Zytokine) oder medikamenteninduzierter Hyperglykämie. ▶ Mögliche Ursachen: • Zu hohes Glukoseangebot (Glukosebedarf enteral + parenteral sollte bei 6 mg/kg KG/min [8,6 g/kg KG/d] liegen), Infusionsplan überprüfen! • Infektion (Klinik und Labor). • Medikamenteninduziert (v. a. Dexamethason, Theophyllin, Koffein oder Phenytoin). • Mangelnde Insulinsekretion bei Frühgeborenen (transiente Sekretionsstörung, wird oft bei Infektion/Stress manifest und kann mehrere Wochen anhalten). • Vorübergehende Insulinresistenz bei sehr unreifen Frühgeborenen. • Überwiegen der gegenregulatorischen Hormone bei Stress (Katecholamine, Glukagon, Kortisol). • Schwere Krankheit und Stress: Falsche Beatmung, Schmerzen, Herzfehler, Z. n. Interventionen/OPs, Krampfanfälle. ▶ Klinik: • Osmotische Diurese: Glukosurie bei Frühgeborenen schon bei nur leicht erhöhten Werten, da die Nierenschwelle (tubuläre Rückresorption) für Glukose niedrig ist. • Fehlende Gewichtszunahme oder Gewichtsverlust: anabole Insulinwirkung fehlt, Kalorienverlust durch renalen Glukoseverlust).

Diagnostik ▶ Suche nach iatrogenen Ursachen: Überprüfung der Glukosezufuhr, Überprüfung der Medikation. ▶ Spezifische Labordiagnostik bei persistierender Hyperglykämie bzw. neonatalem Diabetes. • Glukose, Keton (β-Hydroxy-Butyrat), C-Peptid, Insulin (wenn ohne exogene Zufuhr). Fragestellung: Bestätigung Diabetes: Glukose > 200 mg/dl, ohne andere Erklärung (Medikamente). Primärer Insulinmangel (Insulin/C-Peptid erniedrigt)? Entblockte Ketogenese? • β-Zellautoantikörper sind praktisch nie positiv, da sich früheste Typ-1-Fälle mit > 6 Monaten manifestieren, Ausnahme IPEX-Syndrom mit assoziierten Symptomen (Enteropathie, Ekzem). ▶ Molekulare Diagnostik (KCNJ11, ABCC 8, GCK) bei persistierender Hyperglykämie/ neonatalem Diabetes, um Glibenclamid-Responsive-Formen (S. 108) zu identifizieren.

Therapie ▶ Glukoseangebot vorübergehend reduzieren auf 4 – 6 mg/kg KG/min (entspricht 2,4 – 3,6 ml/kg KG/h Glukose 10 %). ▶ Lipidzufuhr bei Hypertriglyzeridämie i. v. reduzieren (Lipide erhöhen die Insulinresistenz). ▶ Beginn mit Insulintherapie bei fehlender Normalisierung einer massiven Hyperglykämie (> 250–300 mg/dl) oder bei fehlender Gewichtszunahme: • Insulindauerinfusion mit 0,1IE/kg KG/h: – Insulinlösung: Verdünnung (1:10) 24 IE U100 Normal(Alt)insulin/kg KG in 10 ml Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %; davon 1 ml mit 23 ml Glukose 5 % oder NaCl 0,9 % verdünnen. – Laufgeschwindigkeit von 1 ml/h entspricht 0,1 IE/kg KG/h. • Alternative: subkutane Insulininfusion (Insulinpumpe). – Vorteile: kein Bolusrisiko bei Manipulationen, garantierte Verfügbarkeit des abgegebenen Insulins (Mindestmengen 0,05 U/h, bei 1:10-Verdünnungen 0,005 U/h). – Nachteile: Pumpenkatheter muss z. T. intramuskulär (M. vastus, M. gluteus maximus) gelegt werden. Technische Erfahrung in der Pumpenbedienung muss vorhanden sein, bei Perfusionsproblemen (Sepsis, Herzfehler) ist die s. c. Insulinresorption unsicher. ▶ Besonderheiten: • Es gibt keine Evidenz oder Herstellererfahrung für die Insulinstabilität in den geringen Konzentrationen, die bei Frühgeborenen verwendet werden. Es kann zu einem kompletten Ausfall der Insulinwirkung kommen. Dies ist umso wahrscheinlicher, je stärker verdünnt das Insulin ist. • Insulindosen vorsichtig steigern und bei fehlender Wirkung technische Checks durchführen. Hohe Insulindosen (> 0,1 IE/kg KG/h) können den Blutzucker rasch senken, führen aber zu Überangebot von intrazellulärer Glukose und erhöhen Laktat. • Bei Blutzucker-Abfall rechtzeitig Insulindosierung, schon ab einem Schwellenwert von 150–200 mg/dl reduzieren (in der Regel halbieren). Intravenös verabreichtes Insulin kann schwerste Hypoglykämien induzieren. • Insulin haftet an Leitungen, daher neue Leitungen immer ausgiebig spülen, Polyethylenleitungen verwenden. • Insulinboli vermeiden und Insulin möglichst nahe am Kind einleiten (z. B. Dreiwege-Hahn direkt an Kanüle oder ZVK), für erwarteten Wirkungseintritt Totvolumina der Katheter berücksichtigen. Starke Verdünnung und niedrige Infusions-

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.4 Hyperglykämie und neonataler Diabetes

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Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

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5.4 Hyperglykämie und neonataler Diabetes

geschwindigkeit bedingen verzögertes Ansprechen mit der Gefahr von Hypobzw. Hyperglykämie durch iatrogene Fehleinschätzungen!! • Monitoring: Initial Blutzucker-Kontrollen alle 1 – 2 h, Kalium-Kontrollen alle 4 h. • Alternativ auch kontinuierliche Glukosemonitoring-Systeme (CGMS) erwägen. ▶ Beendigung der kontinuierlichen Insulingabe: • Wenn Hyperglykämie < 200 mg/dl erreicht ist und ausreichend Kalorien (inkl. 4– 6 mg/kg/min Glukose) toleriert werden. • Frühzeitige enterale Ernährung einführen bzw. steigern, da enterale Nahrung mit endogenem Insulin effizienter an der Leber (kein-First-Pass) und pro-insulinerg wirkt und gastrointestinale Hormone (z. B. GLP-1) stimuliert werden.

Persistierende Hyperglykämie und neonataler Diabetes ▶ Grundlagen: • Ein neonataler Diabetes kann transient oder permanent verlaufen, die Diagnose muss bei Insulinabhängigkeit und/oder persistierenden Hyperglykämien (> 200 mg/dl) ohne andere Hyperglykämieursache vermutet werden. • Wenn keine endogene Insulinsekretion vorhanden ist, entwickeln diese Kinder innerhalb der ersten Lebenswoche eine massive Dehydratation und Ketoazidose. Der intrauterine Insulinmangel kann bereits zu einer intrauterinen Wachstumsverzögerung (SGA) führen, oft werden die Kinder mit vermuteter Plazentainsuffizienz entbunden. • Neonataler Diabetes wird monogen durch molekulare Defekte der Insulinsekretion verursacht, am häufigsten sind Mutationen des ATP-abhängigen Kaliumkanals (KATP, Gene ABCC 8/KCNJ11), gefolgt von Anomalien der Region 6q21 (uniparentale Disomie, Imprinting-Defekte). Konsanguine Familien zeigen ein deutlich unterschiedliches Mutationsspektrum, selten liegen Pankreasfehlbildungen oder Diabetes-Syndrome vor. • Defekte des KATP können oft erfolgreich mit Glibenclamid behandelt werden. ▶ Diagnostik und Therapie: • Abklärung assoziierter, syndromaler Veränderungen an weiteren Organen: Bildgebung (Sonografie, selten MRT) Pankreas (Hypoplasie oder -aplasie), Leber, Gallenwege und Niere (Zysten/Fehlbildungen). • Familienanamnese (Konsanguinität, Diabeteshäufigkeit und -Typ). • Genetische Diagnostik veranlassen: Mutationen des ATP-sensitiven Kaliumkanals (Gene ABCC 8 und KCNJ11) sprechen gut auf eine Therapie mit Glibenclamid an, sodass nach der molekulargenetischen Diagnosesicherung eine Umstellung infrage kommt und ggf. auf Insulin verzichtet werden kann. • Die Therapie mit Glibenclamid sollte möglichst früh begonnen werden, da die BZ-Einstellung unter Glibenclamid stabiler ist. Außerdem gibt es Hinweise, dass assoziierte neurologische Beteiligungen (sog. DEND-Syndrom, Anfälle und Entwicklungsverzögerung mutationsbedingt, nicht glukoseinduziert) günstig beeinflusst werden. • Die Insulintherapie gelingt nur mit einer Insulinpumpe bestmöglich. • Gemeinsame Betreuung dieser seltenen Erkrankung (6–8 Fälle/Jahr in Deutschland) mit erfahrenem, pädiatrisch-diabetologischem Team. Besondere Aspekte der neugeborenen- und säuglingsbezogenen Diabetesschulung sind minimal-invasive BZ-Bestimmungen (zeitweise auch kontinuierliches Glukosemonitoring), Nahrungsaufbau und KH-Berechnung bei Früh- und Neugeborenen sowie Stillen und Insulinpumpentherapie.

5.5 Azidose Flemmer, Genzel

Grundlagen ▶ Eine Azidose in der Neugeborenenperiode ist häufig ein Symptom einer zugrundeliegenden metabolischen oder respiratorischen Erkrankung. Daher muss die Grunderkrankung diagnostiziert werden, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen. ▶ Definition: • Anfall von sauren Valenzen (H+) mit Abfall des Blut-pH-Wertes und Anstieg des Basenexzesses sowie Serum-Laktats. • pH ≤ 7,25 und/oder BE ≥ 10 mmol/l und/oder Serum-Laktat ≥ 3,5 mmol/l.

Ursachen der neonatalen Azidose ▶ Respiratorische Azidose: Anstieg des pCO2 auf dem Boden einer Hypoventilation mit nachfolgender Azidose. ▶ Metabolische Azidose: Abfall des Serum-Bikarbonats auf dem Boden eines renalen Verlustes (ELGAN) oder durch Anfall saurer Metaboliten bei angeborenen oder erworbenen Stoffwechselentgleisungen oder bei akuter Organischämie (z. B. bei NEC, Sepsis oder Volvulus). ▶ Gemischte Azidosen: • Azidose mit respiratorischer und metabolischer Komponente. • Häufig bei sehr unreifen Frühgeborenen mit RDS und unreifer Nierenfunktion. • Tritt auch bei sehr unreifen Frühgeborenen mit Proteindeprivation auf.

Therapie der neonatalen Azidose

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.6 Dyspnoe

▶ Abhängig von der zugrundeliegenden Ursache: • Die Infusion von Bikarbonat zum Ausgleich eines Basendefizites oder eines niedrigen Serum-Bikarbonats ist obsolet, da sie nur zu einer intrazellulären Azidose führt. • Bei respiratorischer Azidose muss die Beatmung entsprechend optimiert werden (Totraum vermindern, Frequenz erhöhen, Tidalvolumen erhöhen). • Bei metabolischer Azidose unklarer Genese: Beginn mit Glukose-Infusion, ProteinKarenz und umfassende Stoffwechseldiagnostik. • Bei Bikarbonatverlust über die Niere kann eine vorsichtige Bikarbonat-Substitution gerechtfertigt sein.

5.6 Dyspnoe Herting, Proquitté

Allgemeines ▶ Aufgrund verschiedener physiologischer/anatomischer Besonderheiten ist die Atemfrequenz bei Neugeborenen ohnehin sehr hoch; das Tidalvolumen kann nur in sehr engen Grenzen erhöht werden. Besonders Frühgeborene befinden sich daher schon physiologischerweise „am Rande der respiratorischen Insuffizienz“. ▶ Eine Atemstörung bei einem Neu- oder Frühgeborenen stellt somit eine unmittelbare Indikation zu einer pulsoxymetrischen Überwachung dar und bedarf aufgrund einer Vielzahl infrage kommender, z. T. auch vital bedrohlicher Erkrankungen (S. 208) einer umgehenden Verlegung/Abklärung in eine(r) Kinderklinik, wo weitere Maßnahmen wie Blutgasanalyse, Labor, Röntgen, ggf. Echokardiografie etc. durchgeführt werden können. Im Zweifel ist eine antibiotische Therapie zu beginnen. 109

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

5.7 Zerebrale Krampfanfälle

Die Symptome der Dyspnoe ▶ Tachypnoe (> 60/min). ▶ Exspiratorisches Stöhnen durch Engstellung der Stimmbänder (endogene Erhöhung des PEEPs): Vermeidung eines Alveolarkollaps. ▶ Sternale, interkostale, juguläre und epigastrische Einziehungen aufgrund der Weichheit des Thoraxskelettes. Die Kinder wirken angestrengt, nehmen häufig eine leichte Überstreckung (Schnüffelposition) ein, teilweise Nasenflügeln. Hautkolorit gräulich-blässlich. Beachte: Eine Zyanose sollte bei Neugeborenen unter pulsoxymetrischer Überwachung und adäquater Behandlung eigentlich nicht vorkommen. ▶ Die Auskultation ist aufgrund der geringen Größe des Thorax und möglicher Weiterleitungsphänomene häufig schwierig beurteilbar. Eine Verlagerung der Herztöne/Abschwächung kann auf einem Pneumothorax (an Diaphanoskopie denken!) oder besonders bei eingesunkenem Abdomen auch auf eine Zwerchfellhernie hinweisen. ▶ Apnoen können Zeichen einer Ermüdung oder auch einer schweren Infektion sein. ▶ Eine reine Tachypnoe ohne Dyspnoe kann für kardiale oder metabolische Erkrankungen sprechen. ▶ Einen guten Überblick über Symptome der Dyspnoe und eine Möglichkeit zur Schweregradeinteilung ergibt sich durch den Silverman-Score (Tab. 5.3). Tab. 5.3 • Schweregrad der Dyspnoe nach Silverman und Anderson (Silverman, W. and Anderson, D.: Pediatrics 17:1, 1956) 0 Punkte

1 Punkt

2 Punkte

Bewegung Thorax/ Abdomen

synchron und gleich

synchron und ungleich

Schaukelatmung

interkostale Einziehungen

keine

wenig

ausgeprägt

sternale Einziehungen

keine

wenig

ausgeprägt

Nasenflügeln

kein

wenig

ausgeprägt

Exspiratorisches "Knorksen"

keine

auskultierbar

ohne Stethoskop hörbar

Ursachen ▶ Pulmonale Fehlbildungen (S. 428). ▶ Erkrankungen der Atemwege (S. 208).

5.7 Zerebrale Krampfanfälle Roll, Rieger-Fackeldey

Grundlagen ▶ Häufigkeit: Geschätzte Inzidenz: • 1/1000 Reifgeborene; 10–15/1000 Frühgeborene. • 90 % der Anfälle bei Reifgeborenen treten innerhalb der ersten 3 Lebenstage auf. ▶ Wichtig: Die Ätiologie bestimmt die Prognose! ▶ Ursachen: • Bei Reifgeborenen häufig (zusammen > 70 % aller Anfälle): – Asphyxie mit hypoxisch-ischämischer Enzephalopathie (ca. 40 % aller Anfälle!). – Zerebraler ischämischer Infarkt, meist A. cerebri media. 110

– Intrakranielle Blutungen, meist geburtstraumatisch (auch im Zusammenhang mit Sinusvenenthrombosen). • Alle übrigen Ursachen sind selten (jeweils < 5 %): – Infektionen: Meningitis/Enzephalitis/Sepsis (bakteriell, viral), konnatale Infektionen. – Zerebrale Fehlbildungen. – Hypoglykämie (maternaler Diabetes), Hypokalzämie, Hypomagnesiämie, Hyper- und Hyponatriämie. – Hereditäre Stoffwechselstörungen, zu Grundlagen und Diagnostik (S. 353); Cave: Die Patienten können postnatal kardiopulmonale Adaptationsstörung haben und Anfälle dann fälschlicherweise an symptomatische Anfälle bei Asphyxie denken lassen, z. B. Vitamin-B6-abhängige (pyridoxinabhängige) Anfälle. – Mutationen in Ionenkanälen (benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe). – Medikamenteninduziert: z. B. Drogenentzug, Lokalanästhetika-Intoxikation. ▶ Beachte: Mit guter Anamnese/Diagnostik ist die Ätiologie in > 80 % klärbar. Beim ■ Reifgeborenen sind perinatale Insulte (Asphyxie, Infarkte, Blutungen) ursächlich für > 70 % der Krampfanfälle, beim Frühgeborenen meist Hirnblutungen und posthämorrhagischer Hydrozephalus.

Klassifikation und Klinik (nach Volpe) ▶ Subtile Krampfanfälle: Häufigste Form der Krampfanfälle beim Frühgeborenen! • Anhaltendes Offenhalten der Augen mit Bulbusfixation (Frühgeborenes) oder tonisch-horizontaler Bulbusdeviation (Reifgeborenes), Nystagmus, Lidblinzeln oder -flattern. • Saugen, Schmatzen, Speicheln, Grimassieren, Singultus. • „Schwimmen“, „Radfahren“, „Rudern“. • Hautkoloritwechsel, Veränderung von Blutdruck, Herzfrequenz oder Atemrhythmus. ▶ Klonische Krampfanfälle: Langsame (1 – 3/s) rhythmische Zuckungen einzelner (fokal) oder mehrerer Muskelgruppen (multifokal). ▶ Tonische Krampfanfälle: Länger dauernde Kontraktionen von Muskelgruppen, fokal oder generalisiert. ▶ Myoklonische Krampfanfälle: Schnelle, kurzdauernde Zuckungen der Flexoren, fokal, multifokal oder generalisiert. ▶ Beachte: Die Anfallssemiologie ist nicht entscheidend. Wichtig ist die Anamnese ■ und die Frage: Ist das Kind krank, enzephalopathisch (z. B. Asphyxie, Stoffwechselstörung, Vitamin-B6-abhängige Krampfanfälle) oder im Intervall unauffällig (eher typisch für ischämischen Infarkt, isolierte Subarachnoidalblutung).

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.7 Zerebrale Krampfanfälle

Differenzialdiagnosen ▶ Vgl. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–011.html. ▶ Beachte: Die Beurteilung "Krampfanfall ja/nein" ist klinisch häufig schwierig: immer aEEG. ▶ Zur Unterscheidung Zittrigkeit/Krampfanfall siehe Tab. 5.4. ▶ Myoklonien (wenn unterbrechbar: kein Krampfanfall), Schlafmyoklonien (sehr anhaltend, sistieren nicht durch Festhalten, jedoch sofort durch Wecken). ▶ Hyperekplexie: hereditäre Störung der glycinergen Signalübertragung, behandelbar mit Clonazepam.

111

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5

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5.7 Zerebrale Krampfanfälle Tab. 5.4 • Differenzialdiagnose Zittrigkeit – Krampfanfall. Charakteristische Zeichen

Zittrigkeit

Krampfanfall

Bewegungstyp

Tremor*

klonische Zuckung**

Auffälligkeiten der Augenmotorik

nein

ja

Augen geöffnet

eher nein

eher ja

vegetative Veränderungen (Blutdruckanstieg, Tachykardie, Apnoe, Speichelfluss, Veränderung des Hautkolorits)

nein

ja

auslösbar durch Stimulation

ja

nein

Bewegung wird durch leichte passive Flexion unterbrochen

ja

nein

* beide Bewegungskomponenten haben gleiche Frequenz und Amplitude ** Bewegung hat eine schnelle und eine langsame Komponente

Diagnostik ▶ Anamnese und klinische Untersuchung: • Mütterliche Anamnese (z. B. Drogen, Medikamente, Infektionen, Ernährung). • Geburtsanamnese (Asphyxie, Trauma, Intoxikation durch mütterliche Medikamente). • Sorgfältige klinische Untersuchung. ▶ Weiterführende Diagnostik: • Muss sich an klinischer Präsentation des Kindes ausrichten! • Blutentnahmen: sofort wegen unmittelbarer therapeutischer Konsequenzen: – Blutgasanalyse mit Blutzucker, Kalzium, Laktat, (Natrium, Kalium, Hämatokrit, Bilirubin). – Blutbild, Differenzialblutbild, Thrombozyten, IL 6 (oder IL 8), CRP, Blutkulturen. Magnesium. Gerinnung. – Kreatinin, Harnsäure, Transaminasen, CK, LDH, alk. Phosphatase, Bilirubin. – Ammoniak, Laktat und Pyruvat (aus ungestauter Vene). – Herpes, mit PCR (Liquor!), ggf. Zytomegalie, Toxoplasmose. – Bei allen unklaren Krampfanfällen und V. a. Stoffwechseldefekt (krankes Kind, Enzephalopathie) s. „Erstuntersuchung bei V. a. Stoffwechseldefekt“ (S. 353): Kontakt Stoffwechselzentrum – gut geplantes selektives Stoffwechselscreening (Blut, Urin, Liquor). – Bei V. a. pyridoxin-/pyridoxalphosphatabhängige Krampfanfälle: Pipecolinsäure im Plasma, AASA im Urin, (Pipecolinsäure, AASA und Pyridoxal-5-Phosphat im Liquor); molekulargenetische Diagnostik. – Drogenscreening bei mütterlichem Drogenabusus oder Verdacht. – Beim älteren Säugling und rein veganer Ernährung der stillenden Mutter: Vitamin B12. • Lumbalpunktion: Je nach Klinik sofort (Zellzahl, Eiweiß, Glukose, Bakteriologie, Virologie) oder geplant zusammen mit Abklärung von Stoffwechselstörungen. Blut/Liquor-Quotient bei Verdacht auf Glukosetransporterdefekt. Wichtig: Erst Blutglukosebestimmung, dann Lumbalpunktion, damit kein stressinduzierter Blutglukoseanstieg. • Urin: Ketonkörper, Sulfittest, Kreatinin, Kreatin. • Schädelsonografie (umgehend bei erstem Anfall). • aEEG und EEG: – Zügig: Amplitudenintegriertes EEG mit seitengetrennter Roh-EEG-Aufzeichnung für Akutdiagnostik und Langzeitmonitoring auf der Intensivstation. Foka-

le, niedrigamplitudige und sehr kurze Anfallsaktivität kann jedoch unerkannt bleiben. – Später: Standard-EEG. Wenn möglich Ausgangsbefund, Therapiekontrolle, nach Antikonvulsiva-Auslassversuch. • MRT bei Reifgeborenen immer frühzeitig (deckt Infarkte, sub-/epidurale Blutungen, Malformationen, Sinusvenenthrombosen auf und verhindert unnötige anderweitige Diagnostik). • CT nur in Ausnahmefällen (Notfall-CT bei Blutungen vor neurochirurgischer Intervention). • Augenärztliche Untersuchung.

Allgemeine und spezifische Therapiemaßnahmen ▶ Überwachung auf Intensivstation: EKG-Monitoring, Pulsoxymetrie, Blutdrucküberwachung, aEEG. ▶ Sicherstellung der Atmung, eventuell Atemhilfe/Beatmung/Sauerstofftherapie. ▶ Venöser Zugang. ▶ Besonders bei rekurrierenden und lang andauernden Anfällen: ausreichende Glukosezufuhr. ▶ Sofortige antibakterielle/antivirale Behandlung bei V. a. Meningitis, Enzephalitis (Herpes). ▶ Bei Hypoglykämie: • 0,5 g Glukose/kg KG (= 5 ml/kg KG Glukose 10 %). • Dann Glukose-Dauerinfusion mit 8(– 16) mg/kg KG/min entspricht ca. 5(– 10) ml/ kg KG/h Glukose 10 %, nach Blutzucker steuern (S. 104). ▶ Bei Hypokalzämie: 0,4–1(–2) ml/kg KG Kalziumglukonat 10 % (1 ml entspr. 0,23 mmol Ca2 + ) über 10 min i. v. (Cave: sicherer Zugang!, Nekrosen bei Paravasat). ▶ Bei Hypomagnesiämie: 0,1–0,3 mmol/kg KG (Beachte: unterschiedliche Magnesiumkonzentrationen der Präparate) langsam i. v. ▶ Druck-Hydrozephalus: Entlastung durch Punktion oder Shunt. ▶ Bei Drogenabusus der Mutter (S. 169). ▶ Besonders beim Reifgeborenen erwägen: Pyridoxin 100 mg i. v. (s. u.).

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.7 Zerebrale Krampfanfälle

Antikonvulsiva ▶ Beachte: ■

• Ziel der antikonvulsiven Therapie ist das Durchbrechen der klinisch manifesten Krampfanfälle, nicht jeglicher elektrischer Anfallsaktivität! • Ob subklinische Anfälle behandelt werden sollten, wird kontrovers diskutiert. In der Praxis abhängig von deren Häufigkeit (aEEG) und klinischem Gesamtkontext. • Es gibt nur 2 (kleine) publizierte randomisierte kontrollierte Studien, die die Effektivität von Antikonvulsiva bei Neugeborenen prüfen. Sie untersuchten vor allem Phenobarbital und Phenytoin, die gleich effektiv waren und jeweils eine Anfallskontrolle bei ca. 50 % der betroffenen Kinder erzielten. • Die Dosisempfehlungen sind selten systematisch erarbeitet. • Bei einigen Medikamenten interindividuell sehr variable Pharmakokinetik. ▶ Initiale Notfallmedikation: Phenobarbital: • Initialdosis: 10 (–20) mg/kg KG über 5 (–10) min i. v. • Folgedosis: Bei weiterbestehenden Krampfanfällen 5(–10) mg/kg KG in Abständen von 5 –10 min bis zu einer Gesamtdosis von maximal 40 mg/kg KG. • Erhaltungsdosis: 3 – 5 mg/kg KG/Tag in 1(–2) ED. • Halbwertszeit: Abhängig von der Therapiedauer (2. Woche: 4 Tage, 4. Woche: 2 Tage). • Blutspiegel: Erwünscht sind Serumspiegel von 15 – 40 μg/ml nach 2 – 3 Tagen. • Nebenwirkungen: Hypotonie, Apnoen. • Ca. 50 – 70 % der Krampfanfälle sprechen auf Phenobarbital an. 113

Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

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114

5.7 Zerebrale Krampfanfälle

▶ Weitere Antikonvulsiva: Es besteht keine Einigkeit darüber, welche Antikonvulsiva in welcher Reihenfolge bei nach Phenobarbitalgabe weiter bestehenden Krampfanfällen eingesetzt werden sollen. Zu erwägen sind folgende Wirkstoffe: • Benzodiazepine: zur akuten Anfallsunterbrechung, nicht zur Dauertherapie. • Midazolam: – Initialdosis: 0,1 –(0,05–0,2) mg/kg KG ED über 5–10 min i. v., Wiederholung möglich. – dann 0,01–0,05(– 0,3) mg/kg KG/h bis zur Anfallsfreiheit. – Nebenwirkungen: Bei Frühgeborenen wurden vereinzelt ausgeprägte Myoklonien und fragliche Krampfanfälle bei Applikation beschrieben. • Alternativen: Lorazepam, Clonazepam. Nebenwirkungen vergleichbar Midazolam. • Diazepam: Nicht empfohlen, weil schlecht steuerbar. • Phenytoin: – Initialdosis: 5 – 10 mg/kg KG über 10 – 15 min langsam i. v. oder als Kurzinfusion. – Wiederholung nach 5 – 10 min (Loading Dose 15 – 20 mg/kg KG) oder – 15 – 20 mg/kg KG als Aufsättigung über 30 min als Kurzinfusion. ▶ Beachte: Vor und nach Injektion bzw. Kurzinfusion Zugang stets mit NaCl 0,9 % ■ durchspülen! Bei Dauerinfusion separaten Zugang benutzen. Max. Infusionsgeschwindigkeit: 1 mg/kg KG/min. – Erhaltungsdosis: 3 – 8 mg/kg KG/Tag i. v. in 2 ED. Eher keine Langzeittherapie. – Halbwertszeit: Variabel (Frühgeborene: 75 ± 65 h; Termingeborene: 21 ± 11 h), deshalb Blutspiegel-Kontrolle (s. u.). – Serumspiegel: 5-20 μg/ml. – Nebenwirkungen: AV-Block, Bradykardie, Hypotension → EKG-Monitor-Kontrolle! Therapie → Atropin 20 μg/kg KG i. v. Blutungsneigung (ggf. Vitamin-K-Substitution), Vitamin-D-Mangel, Erbrechen. ▶ Cave: Paravasate → schwerste Gewebsnekrosen! ■ • Lidocain (wird in Deutschland selten eingesetzt): – 2 mg/kg KG/h über 10 min, dann (4–)6 mg/kgKG/h i. v., nach 12 h reduzieren auf 2 mg/kgKG/h. – Niedrigere Dosierung bei Frühgeborenen. – Regrediente Infusionsraten wegen Akkumulationsgefahr, Ausschleichen nach 24–48 h. – Anwendung nur bei therapierefraktären Krampfanfällen. – Nicht gleichzeitig mit Phenytoin. • Levetiracetam – Neueres Antikonvulsivum, zunehmender Einsatz als 2. Medikament nach Phenobarbital, insbesondere bei zu erwartendem chronischen Verlauf (z. B. zerebrale Fehlbildungen). – Initial 10–20 mg/kgKG i. v. oder p. o. als ED (ggf. 2 × tgl.). Tägliche Steigerung um 10 mg/kgKG bis 45 (30–60) mg/kgKG. – Gute orale Resorption, 2–3 ED/d – Serumspiegel Zielbereich: 20–60 mg/l. – Nebenwirkungen: bei Überdosierung Schläfrigkeit, Trinkschwäche, Apnoen. – Im Tierexperiment im Gegensatz zu allen anderen Antikonvulsiva vermutlich weniger oder nicht neurotoxisch. Der Einsatz aller anderen jenseits der Neugeborenenperiode eingesetzten Antikonvulsiva ist beim Neugeborenen als experimentell anzusehen. ▶ Bei anhaltenden Krampfanfällen: Therapie(versuch) zum Ausschluss einer Pyridoxin (Vit.-B6)-, Folin- oder Pyridoxal-5-Phosphat-Abhängigkeit. • Pyridoxin bei Vit.-B6-abhängigen Krampfanfällen: – Pyridoxin sollte im Zweifelsfall frühzeitig bei allen ungeklärten, persistierenden Krampfanfällen im Neugeborenenalter eingesetzt werden (cave DD Asphyxie).

– Initialdosis: 100 mg i. v. als Bolus (30 mg/kgKG), falls kein Ansprechen ggf. alle 5 – 10 min weitere 100 mg als ED bis max. Gesamtdosis von 500 mg wiederholen. ▶ Cave: Kann akut Atemstillstand bei Kindern mit Pyridoxinmangel induzieren! ■ Fast beweisend für Erkrankung; falls möglich, während laufendem aEEG (oder EEG) applizieren, um Effekt zu erfassen. – Erhaltungsdosis: Vit.-B6-Substitution mit 15 – 30 mg/kg KG/Tag p. o. bis Ergebnisse der Diagnostik vorliegen bzw. bis sicher ist, dass kein therapeutischer Nutzen resultiert. – Bei Ansprechen andere Antikonvulsiva absetzen. – Bei Erfolglosigkeit (zusätzlich): • Folinsäure: – Dosis: 3 – 5 mg/kg KG/Tag oral oder i. v. in 3 ED, Versuch für 3(-5) Tage. – Evtl. in Kombination mit Pyridoxal-5-phosphat. – Bei Erfolg zeitlebens orale Substitution. • Pyridoxal-5-phosphat (PLP) bei pyridoxalphosphatabhängigen Anfällen. Bei diesem Krankheitsbild sistieren die Krampfanfälle auf Vitamin-B6-Gabe nicht. Assoziation mit Frühgeburtlichkeit. – Leitsymptome können sein: Evtl. Laktatazidose, Zeichen einer perinatalen Asphyxie, erhöhtes Glyzin und Threonin. – Initialdosis: Pyridoxal-5-phosphat (PLP) 30 mg/kg KG/Tag oral in 3 ED, Erfolg wird nach 3 – 7 Tagen erkennbar. – Ggf. Dosiserhöhung von PLP auf 4 – 6 ED à 10 mg/kg KG. – Dosis für Dauertherapie: 30 – 50 mg/kg KG/d in 3 – 6 ED. – Diagnosesicherung nur über Molekulargenetik. – Zu erwägen: Bei Verdacht initial alle 3 Metaboliten ansetzen und dann nach Diagnosesicherung gezielt weitertherapieren. ▶ Therapiedauer: • Je nach Ätiologie, neurologischem Untersuchungsbefund und EEG, jedoch möglichst kurz. Es existieren keine gesicherten Daten zur Therapiedauer. • Bei Krampfanfällen des Frühgeborenen in den ersten Lebenstagen ohne erkennbare Ätiologie die verwendete Substanz bald absetzen, evtl. bereits wenige Tage nach dem letzten Krampfanfall.

5 Wichtige Leitsymptome und Notfälle in der Neonatologie

5.7 Zerebrale Krampfanfälle

Prognose ▶ Kinder, die auf das 1. Antiepileptikum ansprechen, haben in der Regel eine bessere Prognose als Kinder, die 2 und mehr Antikonvulsiva benötigen. ▶ Wichtig: Die Prognose ist wesentlich bestimmt durch die Grundkrankheit, die zu ■ den Krampfanfällen geführt hat. ▶ Beachte: Auf Elterngespräch gut vorbereiten und erfahrenen Kollegen zuziehen! ■

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Geburtshilfliche Informationen

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Geburtshilfliche Informationen

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Geburtshilfliche Informationen

6.1 Prinzipien der Schwangerschaftsvorsorge Kainer, Strauss ▶ Eigenanamnese: Vorerkrankungen (chronische Erkrankungen, Infektionen, Operationen), familiäre Erkrankungen, Blutübertragungen. ▶ Geburtshilfliche Anamnese: Vorangegangene Geburten und Schwangerschaften (frühe oder späte Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbrüche, Extrauterinschwangerschaften, Totgeburten), Konzeptionsmodus, aktueller Schwangerschaftsverlauf (Kindsbewegungen), Blutungen, vorzeitige Wehen, Fruchtwassermenge. ▶ Medikamentenanamnese/Genussmittelabusus: (Regelmäßige) Medikamenteneinnahme; Nikotin-, Alkohol-, Drogeneinnahme. ▶ Sozialanamnese: Alter, Beruf, Familienstand, Alter und Beruf des Kindsvaters. ▶ Familien- oder Umgebungsanamnese: Erbkrankheiten, Hypertonus, Stoffwechselerkrankungen, Tumoren, Thrombosen, Embolien, Zwillinge oder Mehrlinge, Infektionserkrankungen (auch in der nahen Umgebung, z. B. Kindergarten).

Feststellung der Schwangerschaft ▶ Subjektive Schwangerschaftszeichen: Neben dem Ausbleiben der Regelblutung sind Übelkeit, Brustspannen und oder Erbrechen typische Zeichen einer (Früh-)Schwangerschaft. ▶ Diagnose der Schwangerschaft: Der Nachweis einer Fruchthöhle gelingt ab der 5. SSW. Embryonale Strukturen mit Dottersackstrukturen sind beginnend mit dem Ende der 5. SSW darstellbar. Ab 5 + 3 SSW ist meist die Herzaktion nachweisbar. In unklaren Fällen (z. B. Molenschwangerschaft, Extrauteringravidität) ist die Bestimmung des HCG-Werts angezeigt. ▶ Festlegung des Schwangerschaftsalters /des errechneten Geburtstermins: • Erweiterte Naegele-Regel: 1. Tag der letzten Regelblutung – 3 Kalendermonate + 1 Jahr + 1 Woche ± x (x = Abweichung vom 28-tägigen Menstruationszyklus). • Regelanamnese. • Ultraschallbiometrie (Scheitel-Steiß-Länge, SSL). • Abweichungen vom rechnerischen Entbindungstermin durch Zyklusschwankungen bzw. Zusatz-(Implantations-)blutungen sind möglich. Die sonografische Einschätzung des Gestationsalters gelingt im I. Trimenon (SSL < 35 mm) am genauesten. Konfidenzintervall 3 – 5 Tage [E1].

Beratung/Verhaltensmaßregeln während der Schwangerschaft ▶ Medikamenteneinnahme: • Folsäuresubstitution 400 μg/Tag präkonzeptionell und mindestens bis zur 10. SSW zur Prävention eines Neuralrohrdefekts oder einer ventralen Spaltbildung. • Eisensubstitution ab Hämoglobin (Hb) < 12 g/dl: 1 × 150 mg Fe + + ; Hb < 11 g/dl: 2 × 150 mg Fe + + . • Jodprophylaxe 200 μg/Tag perikonzeptionell und durch die gesamte Schwangerschaft und Stillperiode; nicht bei manifester Schilddrüsenerkrankung. • Magnesiumsubstitution (oral) bei Wadenkrämpfen 150 – 450 mg/Tag. ▶ Ernährung: • Ausreichende Kalziumzufuhr. • Genussmittel (Nikotin, Koffein, Alkohol) meiden. ▶ Cave: Rohes Fleisch (Toxoplasmose), Rohmilch (Listerien). ■ • Regulierte Gewichtszunahme (im Mittel 12 – 15 kg). ▶ Rhesusprophylaxe: Bei Rh-negativer Mutter in der 28. SSW 1 Ampulle Anti D (300 μg). 116

▶ Impfungen in der Schwangerschaft: • Aktive Impfungen sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Tetanus (Toxoidimpfstoff) und Poliomyelitis sind bei strenger Indikationsstellung möglich. • Passive Impfungen (IgG-Antikörper treten diaplazentar zum Kind über): – Standardimmunglobulin, z. B. Hepatitis A, Masern. – Spezifische Immunglobuline stehen für Hepatitis B, Röteln, Varizellen, Mumps, FSME und Tollwut und zur Verfügung (Verabreichung möglichst direkt nach Exposition). ▶ Geschlechtsverkehr in der Schwangerschaft: Häufiger Kontaktblutungen (Vulnerabilität, Hyperämie), Seminalplasma ist prostaglandinhaltig (Prostaglandine können die Zervixreifung beschleunigen). Kontraindikationen: Drohende Frühgeburt, Blutungen und Placenta praevia. ▶ Schwangerschaftsgymnastik ab der 30. SSW (Rezept für 12 Stunden), Damm-Massage.

6 Geburtshilfliche Informationen

6.1 Prinzipien der Schwangerschaftsvorsorge

Gesetzliche Bestimmungen ▶ Mutterschutz: Kündigungsschutz, Nachtarbeitsverbot, Verbot der Arbeit mit gesundheitsschädigenden Stoffen oder Strahlen bzw. im Stehen oder im Akkord, Beschäftigungsverbot in den letzten 6 Wochen vor dem errechneten Termin (ET) und den ersten 8 Wochen nach der Geburt (bei Mehrlingen oder Frühgeburt 12 Wochen). ▶ Mutterschaftsrichtlinien: Regelt den Umfang der Betreuung und diagnostischen Maßnahmen in der Schwangerschaft (z. B. sind Rezepte in der Schwangerschaft von der Rezeptgebühr befreit). ▶ Elterngeld: 67 % des entfallenden Nettoeinkommens bei Berufstätigkeit. ▶ Elternzeit: Beginn am Tag der Geburt, Dauer 36 Monate, kann zwischen den Partnern bis zu 3-mal aufgeteilt werden; Voraussetzung ist Berufstätigkeit.

Frequenz der Vorsorgeuntersuchungen ▶ Bis 32. SSW: Untersuchung alle 4 Wochen. ▶ Ab 32 SSW: Untersuchung alle 2 Wochen bis zum ET (errechneter Termin). ▶ Ab ET: Untersuchung engmaschig, alle 3 Tage (Muttermundbefund, CTG, sonografische Bestimmung der Fruchtwassermenge). ▶ Ab ET + 7: Beratung wegen evtl. Geburtseinleitung.

Umfang und Inhalt der Vorsorgeuntersuchungen ▶ Körperliche Untersuchungen: • Äußere Untersuchung der Schwangeren: RR, Puls, Temperatur, Gewicht (auch im Verlauf), Inspektion (z. B. Michaelis-Raute zur Abschätzung der Beckenform und -größe; Ödeme, Varikosis, Striae, Mammae), Palpation (Leopold-Handgriffe I – IV zur Untersuchung von Fundusstand, Poleinstellung, Lage), Perkussion, Auskultation. • Vaginale Tastuntersuchung: Vagina, Zervixlänge und -konsistenz, Position und Öffnung des Muttermundes, Höhenstand des führenden Kindsteils, Fruchtblase, innere Beckenaustastung, Abtasten des Schambeinwinkels (nur bei der Erstuntersuchung). ▶ Zytologische/mikrobiologische Untersuchungen: • Zytologie: Zervixabstrich und Färbung nach Papanicolaou, falls länger als 1 Jahr zurückliegend und bei makroskopisch auffälligen Befunden. • Mikrobiologie: Nativabstrich, bakteriologisch kulturelle Abstrichuntersuchung bei Auftreten von vorzeitigen Wehen, vorzeitigem Blasensprung (PROM), maternalem Fluor und/oder Pruritus. Streptokokken-Gruppe-B-Abstrich (GBS) zum Nachweis der Kolonisation der Vagina (36. SSW oder früher bei Symptomen). • Screeninguntersuchung des vaginalen pH-Werts bei jeder vaginalen Untersuchung bzw. Selbstuntersuchung durch die Patientin (Normwert: 3,8 – 4,2, bedingt durch 117

Geburtshilfliche Informationen

6

6.2 Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf

Laktobazillenkolonisation der Scheide). pH-Wert > 4,5 spricht für bakterielle Vaginose, Trichomoniasis oder Zervizitis häufig durch Chlamydien (erhöhtes Frühgeburtsrisiko) oder fraglich durch Ureaplasmen. ▶ Laboruntersuchungen: • Mittelstrahlurin, Blutbild bei jeder Untersuchung bzw. alle 4 Wochen. • Blutgruppe (wenn nicht von 1. Schwangerschaft bekannt), Antikörpersuchtest, serologische Blutuntersuchungen (Röteln, Lues, HIV) bei der Erstvorstellung bzw. Anlage des Mutterpasses (Frühgravidität). Toxoplasmosescreening bei begründetem Verdacht auf mögliche Infektion. Beratung der Schwangeren über Prävention (S. 282). • Serologisches Chlamydienscreening. • Antikörpersuchtest: Bei negativem Befund Wiederholung in jedem Trimenon. • Hepatitis B und C: Bestimmung ab 32. SSW. ▶ Kardiotokografie = CTG (S. 123) ab der 32. SSW (ggf. früher) oder Tokogramm bei V. a. vorzeitige Wehentätigkeit, vorzeitigen Blasensprung, intrauterine Wachstumsrestriktion. ▶ Ultraschalluntersuchungen: • I. Screening (9. – 12. SSW): Sitz der Schwangerschaft (Intra-/Extrauteringravidität), Anzahl der Fruchthöhlen und Embryonen, SSL, Körperform (Anenzephalus?), kindliche Herzaktion und Bewegung, Nackentransparenzmessung 11 + 0 bis 13 + 6 SSW (bei erhöhten Werten evtl. V. a. Chromosomenaberration). • II. Screening (19. – 22. SSW): Differenziertes kindliches Organscreening, Biometrie, Plazentasitz, Fruchtwassermenge, uterine Perfusion (Dopplersonografie). • III. Screening (29. – 32. SSW): Kindslage und -größe, Beurteilung der Wachstumsgeschwindigkeit, Plazentalokalisation, Fruchtwassermenge (erneute differenzierte Organbeurteilung bei V. a. fetale Anomalie). • Zusätzliche Sonografie- (z. B. Zervixlänge) bzw. Dopplerkontrollen (fetoplazentare Funktionseinheit) nur bei entsprechender Indikation. ▶ Sonstiges: • Anlage bzw. Vervollständigung des Mutterpasses. • Anmeldung der Schwangeren in einer Geburtsklinik in der 32. – 36. SSW. • Wiedervorstellung bei Geburtsbeginn oder spätestens am errechneten Entbindungstermin. • Bei Schwangeren unter antiepileptischer Therapie mit Phenytoin oder Carbamazepin kann präpartal Vitamin K verabreicht werden. Dosierung: 4 Wochen vor ET beginnen mit 10 mg/Tag, 2 Wochen vor ET Steigerung auf 20 mg/Tag. ▶ Beachte: Die Neugeborenen erhalten in jedem Fall in den ersten beiden Lebens■ wochen zusätzlich alle 3 Tage 1 mg Vitamin K (Konakion MM) oral.

6.2 Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf Kainer, Strauss

Präeklampsie ▶ Ätiologie (Hypothese): Störung des Prostazyklin-Thromboxan-Gleichgewichts (Arachidonsäurestoffwechsel). ▶ Häufigkeit: 5 – 10 % (Wiederholungsrisiko 2 – 5 %). ▶ Prädisposition: Erstgebärende (junge Frauen), Polyhydramnion, Mehrlinge, Diabetes mellitus Typ I, familiäre Disposition, vorbestehende Nierenerkrankung bzw. vorbestehende Hypertonie. ▶ Symptome: RR-Erhöhung (> 140 – 160 mmHg systolisch bzw. > 90 – 95 mmHg diastolisch), Ödeme, Proteinurie (≥ 300 mg/24 h), Oberbauchbeschwerden, Kopfschmerzen, Augenflimmern, intrauterine Wachstumsrestriktion. 118

▶ Komplikationen: Generalisierte tonisch-klonische Konvulsionen (Eklampsie). Therapie: Mg2 + i. v., Diazepam 2 – 40 mg i. v. ▶ Therapie: Stationäre Aufnahme, Antihypertensiva (α-Methyldopa, Dihydralazin, Urapidil, Propranolol), Konvulsionsprophylaxe (Mg2 + i. v.), ggf. Hämodilution, Entbindung [E1].

HELLP-Syndrom ▶ ▶ ▶ ▶

Akronym für engl. „hemolysis, elevated liver enzymes, low platelet count“. Ätiologie: Ungeklärt. Pathogenese: Mikroangiopathie bevorzugt in Leber, Niere und Gehirn. Symptome: • Erhöhte Transaminasen (GOT, GPT), CRP-Erhöhung, erhöhte Hämolyseparameter (Haptoglobin), erhöhte Fibrinspaltprodukte, AT III vermindert, Thrombozytopenie. • Rechtsseitige Oberbauchbeschwerden (Leberkapselschmerz), Kopfschmerz, Augenflimmern. ▶ Therapie: • Stationäre Aufnahme, ggf. sofortige Entbindung bzw. konservativer Therapieversuch (ANS = antenatale Steroidprophylaxe) [E1]. • Konvulsionsprophylaxe (Mg2 + i. v.), Antihypertensiva (Dihydralazin, Methyldopa, Urapidil, Propranolol).

6 Geburtshilfliche Informationen

6.3 Mehrlingsdiagnostik

6.3 Mehrlingsdiagnostik Strauss, Kainer

Inzidenz von Mehrlingsgeburten ▶ Mehrlinge: 2 – 5 % aller Schwangerschaften vor der 10. SSW. ▶ Monozygote Zwillinge: 3 – 5/1000. ▶ Dizygote Zwillinge: Variable Häufigkeit abhängig von familiärer Belastung, maternalem Alter, Sterilitätstherapie. Tab. 6.1 • Inzidenz von Mehrlingsgeburten. Spontane Konzeption (Hellin-Regel)

Statistisches Bundesamt 2008 (alle Mehrlingsschwangerschaften)

Zwillinge

1,18 % – 1:85

Zwillinge

1,6 % – 1:63

Drillinge

0,01 % – 1:7 225 (1:852)

Drillinge

0,04 % – 1:2777

Vierlinge

0,0002 % – 1:614 125 (1:853)

sonstige Mehrlinge

0,0007 % – 1:136 425

Fünflinge

0,000 002 % – 1:5 220 0625 (1:854)

▶ Grundlagen der Eihautverhältnisse von Mehrlingen: • 70 % dizygot (obligat dichorial/diamnial). • 30 % monozygot (obligat gleichgeschlechtlich, Eihautverhältnisse: 29 % dichorial/ diamnial, 70 % monochorial/diamnial, 1 % monochorial/monoamnial).

119

Geburtshilfliche Informationen

6

6.3 Mehrlingsdiagnostik

▶ Entstehung von Mehrlingen: Tab. 6.2. Tab. 6.2 • Entstehung von Mehrlingen. monozygot

dizygot

dichorial/diamnial

Trennung in den ersten 5 Tagen nach Befruchtung

monochorial/diamnial

Trennung 5 – 10 Tage nach Befruchtung

monochorial/monoamnial

Trennung > 10 Tage nach Befruchtung

siamesische Zwillinge

unvollständige Trennung > 13 Tage nach Befruchtung

dichorial/diamnial

2 Oozyten / 2 Spermien

Sonografische Diagnostik der Chorionizität/Zygotie ▶ I. Trimenon: Deutlich getrennte Chorionhöhlen, jeweils ein Amnion (breite Trennwand!) = günstigster Diagnosezeitpunkt! ▶ II. und III. Trimenon: • Geschlecht der Feten. • Plazentasitz (monochorial – obligat gleichseitige Plazentation). • Dicke der Trennwand (> 1,6 mm = 4 Lagen – dichorial). • λ-Sign bei dichorialen Mehrlingen (dreieckige Ausziehung der Plazenta im Bereich der einstrahlenden Amnionmembran während der Phase der Chorionrückbildung). • T-Zeichen bei monochorialen Mehrlingen (senkrechtes Auftreffen der Fruchtblasen-trennenden Amnionmembran auf der Plazenta).

Dichoriale diamniote Zwillingsschwangerschaft ▶ Dichoriale diamniote Zwillinge haben das geringste Komplikationsrisiko. Neben der Frühgeburtlichkeit kann es zum Auftreten einer selektiven intrauterinen Wachstumsrestriktion kommen. ▶ Dichoriale diamniote Zwillinge können vaginal entbunden werden. Die Entbindung sollte zwischen 37 + 0 und 38 + 0 Schwangerschaftswochen (SSW) angestrebt werden.

DI-DI – Dichorial-Diamnial

Amnion

Chorion

MO-DI – Monochorial-Diamnial

MO-MO – Monochorial-Monoamnial

Abb. 6.1 • Mehrlingsdiagnostik: Untersuchung der Plazenta.

120

Monochoriale Zwillingsschwangerschaft ▶ Gefäßanastomosen zwischen den plazentären Gefäßen sind die Grundlage für die meisten Gefährdungen bei monochorialen Zwillingen. Die Komplikationen, die mit einer solchen Schwangerschaft einhergehen können, lassen sich in 4 Hauptgruppen einteilen: chronische fetofetale Transfusionen, akute fetofetale Transfusionen, Wachstumsdiskrepanzen und Fehlbildungen. ▶ Chronische fetofetale Transfusion: • Bei der chronischen fetofetalen Transfusion sind zwei Typen zu unterscheiden: das klassische fetofetale Transfusionssyndrom (FFTS; 10–15 % aller monochorialen Zwillingsschwangerschaften) und die „Twin anemia polycythemia sequence“‘ (TAPS). • Beim FFTS kommt es über größere Gefäßanastomosen auf der gemeinsamen Plazenta zu einer Transfusion vom Donor mit Anämie, Hypovolämie, Oligurie bis Anurie und Oligohydramnion des Donors (stuck twin) zum Akzeptor mit Polyzythämie, Hypervolämie, Polyurie und Polyhydramnion, ggf. Herzinsuffizienz durch Volumenüberladung. • Unbehandelt geht das FFTS mit einer hohen Mortalitätsrate (> 90 %) und Morbiditätsrate (PVL) einher. Die Therapie der Wahl ist die fetoskopische Laserung der Gefäßanastomosen. Durch diese Therapie kann die Überlebensrate zumindest eines Fetus auf bis zu 80–90 % angehoben werden und die Rate an geistiger Behinderungen sinkt auf 11–16 %. • Die TAPS entsteht zwar auch durch Gefäßanastomosen auf der Plazentaoberfläche, jedoch ist hier der Durchfluss und somit der Grad der Transfusion wesentlich geringer. Die einzige kurative Therapie besteht in der fetoskopischen Laserkoagulation oder im Versuch einer intrauterinen Transfusion. ▶ Akutes fetofetales Transfusionssyndrom: Eine akute fetofetale Transfusion kann sowohl während der Schwangerschaft als auch unter der Geburt auftreten. Die Diagnose erfolgt meist erst durch das Auftreten eines pathologischen CTG-Musters oder durch die postnatale Anämie. ▶ Wachstumsdiskrepanz: Wachstumsunterschiede zwischen den beiden Zwillingen oder eine selektive intrauterine Wachstumsrestriktionen (sIUGR) kommen bei ca. 10 % aller monchorialen (aber auch dichorialen) Zwillingsschwangerschaften vor. Die Diagnose wird anhand der Fetometrie und der fetoplazentaren Dopplersonografie gestellt. ▶ Fehlbildungen (Akranius-Akardius): Fehlbildungen treten bei monochorialen Zwillingen häufiger (in 3 % der Fälle) auf. Bei 1 % der monochorialen Zwillingsschwangerschaften kommt es zu einem sogenannten akardialen Zwilling. Es erfolgt eine retrograde Perfusion eines Zwillings (TRAP-Sequenz = twin reverse arterial perfusion). Kommt es zu einer hämodynamischen Beeinträchtigung auch des gesunden Zwillings, dann kann eine intrauterine Therapie (Laserkoagulation, Elektrokoagulation der Nabelschnur) erforderlich werden. ▶ Geburtsmodus: Monochoriale diamniale Zwillinge ohne zusätzliche Komplikationen können bei optimalen organisatorischen Voraussetzungen vaginal entbunden werden.

6 Geburtshilfliche Informationen

6.3 Mehrlingsdiagnostik

Monochoriale monoamniale Zwillinge ▶ Neben den Risiken, die auch die monochorialen diamnialen Zwillinge betreffen, kann es durch die fehlende Trennmembran zur Verknotung der Nabelschnüre kommen. In extrem seltenen Fällen (1:50 000) kann es auch durch eine unvollständige Teilung der beiden Embryonalanlagen zum Auftreten eines Thorakopagus, Kraniopagus oder Ischiopagus („Siamesische Zwillinge“) kommen. Die therapeutischen Möglichkeiten sind von der Ausprägung der Fusion sowie von zusätzlichen Fehlbildungen abhängig. 121

Geburtshilfliche Informationen

6

6.3 Mehrlingsdiagnostik

▶ Monoamniale Zwillinge müssen auf Grund der intrapartalen Komplikationen per Sectio entbunden werden.

Postnatale Diagnostik der Chorionizität/Zygotie ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Geschlecht der Kinder. Plazentahistologie. Ähnlichkeitsprüfung (Sicherheit der Methode 98 %). Blutgruppen der Kinder (Sicherheit der Methode 99,9 %). Enzymhistochemische und gewebetypisierende Analyse (hohe Spezifität).

Überwachung von Mehrlingsgraviditäten ▶ Häufigere Vorsorgeuntersuchungen (verglichen mit Einlingen) – besonders bei monochorialen Mehrlingsschwangerschaften. ▶ Dopplersonografiekontrollen (alle 1 – 2 Wochen ab der 25. SSW). ▶ Sonografische Wachstums- und Fruchtwassermengenkontrollen (alle 2 Wochen).

Besonderheiten von Mehrlingsgeburten ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Überdehnung des Uterus – primäre und sekundäre Wehenschwäche, Atonie. Vorzeitige Plazentalösung des II. Zwillings nach Geburt des I. Zwillings. Nabelschnurvorfall (2 – 4-faches Einlingsschwangerschaftsrisiko). Mechanische Verhakung der Kinder. Lösungsstörung der Plazenta.

Geburtsleitung bei Mehrlingen ▶ Vaginale Geburt bei Zwillingen: Schädellage beider Feten oder Schädellage des I. Zwillings bei variabler Lage des II. Zwillings ohne Gewichtsdiskrepanz I. > II. Zwilling > 500 g. Angestrebter Geburtszeitpunkt: 39. – 40. SSW [E1]. ▶ Primäre Sectio caesarea: Querlage, Beckenendlage des I. Zwillings, I. Zwilling in Schädellage und II. Zwilling in Beckenendlage oder Querlage oder Gewichtsdiskrepanz > 500 g I. > II. Zwilling, Frühgeburtlichkeit, > 2 Kinder, monoamniale Zwillinge (ab 32 SSW).

Mortalität von Zwillingen ▶ Siehe Tab. 6.3. Tab. 6.3 • Mortalität von Zwillingen.

122

Häufigkeit

Mortalitätsrisiko

dichorial/diamnial – getrennte Plazenten

35 %

9,6 %

dichorial/diamnial – fusionierte Plazenten

34 %

8,2 %

monochorial/diamnial

29 %

25 %

monochorial/monoamnial

1%

50 %

6.4 Kardiotokografie (CTG) und fetale

Mikroblutuntersuchung (MBU) Strauss, Kainer

CTG: Grundlagen ▶ Definition: Registrierung der kindlichen Herztöne in Bezug zur Wehentätigkeit. ▶ Übertragungsformen: • Externe Ableitung: Meist über einen Ultraschallaufnehmer durch die Bauchdecke hindurch. • Interne Ableitung der elektrischen Ausschläge (EKG): Über bipolare Spiralelektrode, die bei offener Fruchtblase am vorangehenden kindlichen Teil befestigt wird (z. B. bei schwieriger externer Ableitung wegen extremer Adipositas). Kontraindikationen: Infektionen (HIV, Hepatitis, Herpes etc.) und Gesichtslage. ▶ Aufzeichnung der Wehen durch externen Druckmesser, der auf den Uterusfundus gesetzt wird.

6 Geburtshilfliche Informationen

6.4 Kardiotokografie (CTG) und fetale Mikroblutuntersuchung (MBU)

Beurteilung des CTG ▶ Vgl. AWMF-Leitlinie 015/036: "Anwendung des CTG während Schwangerschaft und Geburt". ▶ Aufzeichnungsdauer mindestens 30 min. ▶ Beurteilungskriterien: • Baseline (BL, Abb. 6.2): – Mittlere fetale Herzfrequenz (fetale HF). – Normwert: 110 – 160 Schläge pro Minute (beats per minute, bpm). – Fetale Tachykardie: > 160 bpm. – Fetale Bradykardie: < 110 bpm. ▶ Floating-Line (FL, Abb. 6.2): Mittellinie der Herzfrequenzoszillationen. ▶ Variabilität (Bandbreite, Abb. 6.2): Höhe der Oszillationsausschläge, Abstand der höchsten und niedrigsten Umkehrpunkte. • Normwert: < 5 bpm im kontraktionsfreien Intervall. • Suspekt: < 5 bpm und > 40 min, aber < 90 min oder > 25 bpm. • Pathologisch: < 5 bpm und > 90 min. • Silentes CTG: < 5 bpm. • Saltatorisches CTG: > 25 bpm. ▶ Akzeleration: Kurzfristiges Ansteigen der fetalen Herzfrequenz. Sporadische Akzelerationen gelten als günstig, periodische Akzelerationen als eher ungünstig. ▶ Dezeleration (Dip): Absinken der fetalen Herzfrequenz; wichtigstes Kriterium des subpartalen CTG (Abb. 6.3): • Dip 0 (sporadische Dezeleration): Absinken der fetalen HF ohne Wehen z. B. bei Kindsbewegungen (KB). • Dip I (frühe Dezeleration): Absinken und Wiederanstieg der fetalen HF in der Wehe. • Dip II (späte Dezeleration): Nach Beendigung der Wehe hat sich die fetale HF noch nicht wieder erholt.

VA

BL

FL

1 Min.

Abb. 6.2 • CTG-Beispiele mit Baseline (BL), Floating-Line (FL), Variabilität (VA).

123

Geburtshilfliche Informationen

6

6.4 Kardiotokografie (CTG) und fetale Mikroblutuntersuchung (MBU)

Dip 0

I 1

II 1

3

3

var. 1

3

KB Abb. 6.3 • Dezelerationen (KB = Kindsbewegung; weitere Erklärungen s. Text).

• Variable Dezeleration (var.): Ungleichförmiges Absinken der fetalen HF mit z. T. mehreren Tiefpunkten. • Atypische variable Dezeleration: Variable Dezelerationen mit 1 der zusätzlichen Merkmale: • Verlust des primären und sekundären FHF-Anstiegs. • Langsame Rückkehr zur Grundfrequenz nach Kontraktionsende. • Verlängert erhöhte Grundfrequenz nach der Wehe. • Biphasische Dezeleration. • Oszillationsverlust während der Dezeleration. • Fortsetzung der Grundfrequenz auf niedrigerem Niveau. ▶ Beurteilung nach verschiedenen Scores: Hier nach den DGGG-Leitlinien (modifiziert nach FIGO und RCOG; Tab. 6.4): • Normal: Alle 4 Beurteilungskriterien normal – kein Handlungsbedarf. • Suspekt: Mind. 1 Beurteilungskriterium suspekt und alle anderen normal – Handlungsbedarf konservativ. • Pathologisch: Mind. 1 Beurteilungskriterium pathologisch bzw. 2 oder mehr suspekt – Handlungsbedarf konservativ und invasiv. Tab. 6.4 • DGGG-Leitlinien (modifiziert nach FIGO und RCOG). Parameter

Grundfrequenz (bpm)

Bandbreite (bpm)

Dezeleration

Akzeleration

normal

110 – 160

>5

keine

vorhanden, sporadisch vorhanden, periodisch (mit jeder Wehe)

suspekt

pathologisch

100 – 109

< 5 und > 40 min

frühe/variable

161 – 170

> 25

einzelne verlängerte ≤ 3 min

< 100

< 5 und > 90 min

atypische variable

> 170

späte

sinusoidal

einzelne verlängerte > 3 min

Fehlen > 40 min (Bedeutung noch unklar)

Fetale Mikroblutuntersuchung (MBU)

124

▶ Die Klärung von CTG-Veränderungen sollte durch eine fetale Mikroblutuntersuchung (MBU-Fetalblutanalyse oder FBA) erfolgen, die allerdings nur bei eröffneter Fruchtblase möglich ist. ▶ Bewertung der MBU unter der Geburt: • pH-Wert > 7,30: Normal. • pH-Wert 7,25 – 7,29: Subnormal, Kontrolle indiziert.

• pH-Wert 7,20 – 7,24: Präazidose, baldige Kontrolle indiziert. • pH-Wert < 7,20: Azidose, sofort Geburt anstreben, ggf. vaginal operativ (z. B. durch Vakuumextraktion oder Forzeps). Wenn vaginale Geburt noch nicht möglich → intrauterine Reanimation durch Gabe von Partusisten intrapartal und ggf. Vorbereitung zur (raschen) Sectio.

6.5 Frühgeburtlichkeit Kainer, Strauss

Grundlagen ▶ Definition: Geburt vor der 37 + 0 SSW (Lebendgeburt oder Totgeburt mit Geburtsgewicht > 500 g). ▶ Ätiologie: • Medizinische Indikation (ca. 54 %). • Spontane Frühgeburt: – Vorzeitige Wehen (ca. 35 %). – Vorzeitiger Blasensprung (ca. 11 %). ▶ Häufige Ursachen: • Infektion (Harnwegs- oder systemische Infektion, Vaginitis, Chorionamnionitis). • Plazentastörung (Präeklampsie, Placenta praevia, Abruptio placentae). • Fetale Pathologie (Fehlbildungen, Chromosomenanomalien, Alloimmunopathien). • Uteruspathologie (Fehlbildung, Myome, Zervixinsuffizienz). • Mehrlingsschwangerschaft.

6 Geburtshilfliche Informationen

6.5 Frühgeburtlichkeit

Diagnostik ▶ Anamnese. ▶ CTG. ▶ Vaginale Untersuchung: • Beurteilung des Muttermundes (bei Blasensprung auf digitale Untersuchung verzichten). • Abstrich (Bestimmung von Fibronektin, phosphoryliertem IGF-Bindungsprotein 1 [phIGFBP-1] im Zervixsekret, Bakteriologie, pH-Wert). ▶ Sonografie: • Vaginal: Messung der Zervixlänge (4,5 cm ± 1). • Abdominell: Fetometrie (Beurteilung von Plazenta und Fruchtwassermenge), ggf. Dopplersonografie. ▶ Labor zur Infektionsdiagnostik (Leukozyten, CRP).

Vorgehen bei Frühgeburtsbestrebungen ▶ Allgemein: • Körperliche Schonung, Bettruhe. • Gespräch mit Pädiater anbieten. • Indikation für Verlegung in ein perinatologisches Zentrum prüfen (Tab. 6.5). • Weitere Verlegungsindikation (AWMF-Empfehlung, Leitlinie 024/001; www. awmf.org): fetale Brady- und Tachyarrhythmien; Morbus haemolyticus, chronische Erkrankung bzw. Infektionen der Mutter, wenn sie den Fetus bedrohen (schwere Organerkrankungen, PKU, Hypo-/Hyperthyreose, Z. n. Transplantation, Autoimmunopathien, Drogenabhängigkeit; Toxoplasmose, HSV, CMV, HIV). • Behandlung Ursache/Symptome, ggf. sofortige Entbindung. • Antenatale Steroidprophylaxe ab 23 + 0 SSW. • Nach 34 + 0 SSW keine schwangerschaftsverlängernden Maßnahmen.

125

Geburtshilfliche Informationen

6

6.5 Frühgeburtlichkeit Tab. 6.5 • Indikationen für die Verlegung in ein perinatologisches Zentrum (GBA-Beschluss vom 20.6. 2013). Versorgungsstufe

Indikation

Perinataler Schwerpunkt

≥ 1500 g bzw. ≥ 32 + 0 SSW Wachstumsrestriktion < 10. Perzentile Insulinpflichtiger Diabetes ohne absehbare Gefährdung des Fetus/NG

Perinatalzentrum Level 2

≥ 1250 g bzw. ≥ 29 + 0 SSW Schwere schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen (z. B. HELLP) Wachstumsrestriktion < 3. Perzentile Insulinpflichtiger Diabetes mit absehbare Gefährdung des Fetus/NG

Perinatalzentrum Level 1

≤ 1250 g bzw. ≤ 32 SSW Drillinge < 33 SSW; alle Mehrlinge ≥ 3 Pränatal diagnostizierte fetale oder maternale Erkrankungen, bei denen postnatal eine unmittelbare spezialisierte intensivmedizinische Versorgung des NG absehbar ist, insbesondere bei V. a. Fehlbildungen (kritische Herzfehler, Meningomyelozele, Zwerchfellhernie, Bauchwanddefekte)

▶ Vorzeitiger Blasensprung (s. AWMF 015/029): • Bettruhe. • Antenatale Steroidprophylaxe mit Betamethason (2 × 12 mg i. m. im Abstand von 24 h; s. AWMF 015/069). • Tokolyse, bis Lungenreifung nach 48 h abgeschlossen ist. • Prophylaktische Antibiose mit Ampicillin/Erythromycin oder bei abzusehender Geburt und B-Streptokokken-Nachweis Penicillin G: Einmaldosis 5 Mio. IE, danach alle 4 h 2,5 Mio. IE. • Mehrmals tgl. Kontrolle von CTG, Labor, Vitalparametern und Temperatur. • In seltenen Fällen intrauterine Instillation von NaCl zum Auffüllen des Fruchtwassers indiziert. • Entbindung, wenn mehr als ein Parameter erfüllt: – Leukozyten > 15 000/l und/oder serieller CRP-Anstieg. – Rektale Temperatur > 38 °C. – Wehen trotz Tokolyse, druckdolenter Uterus. – Mütterliche Tachykardie (> 100 bpm). • Sofortige Entbindung: – Übel riechendes Fruchtwasser. – Fetale Tachykardie. ▶ Vorzeitige Wehen: • Bettruhe. • Antenatale Steroidprophylaxe mit Betamethason (2 × 12 mg i. m. im Abstand von 24 h). • Tokolyse bis zum Abschluss der Lungenreifung, falls Wehen zervixwirksam sind. • CTG mehrmals täglich. • Regelmäßige Laborkontrollen. • Entbindung bei unstillbaren Wehen. ▶ Zervixinsuffizienz: • Bettruhe. • Antenatale Steroidprophylaxe mit Betamethason (2 × 12 mg i. m. im Abstand von 24 h). • Tokolyse bis zum Abschluss der Lungenreifung. • Ggf. Zerklage/totaler Muttermundverschluss. 126

• CTG. • Regelmäßige Laborkontrollen. • Entbindung bei unaufhaltsamer Muttermundsprogredienz.

Tokolyse (nach Leitlinien der DGGG 2008) ▶ Alternativen: • Fenoterol: Intravenös über Perfusor/Infusomat. Beginn: 2 μg/min. Steigerung um 0,8 μg alle 20 min (max. 4 μg/min). Perfusor, Bolustokolyse: Beginn: 3 – 5 μg alle 3 min. • Tractocile: Intravenös über Perfusor/Infusomat: – → 6,75 mg über 1 min (Bolus) – → 18 mg/h über 3 h = 300 μg/min. – → 6 mg/h über 15 – 45 h = 100 μg/min. • Nifedipin:10 mg oral alle 20 min mit bis zu 4 Dosen (Aufsättigung), gefolgt von 20 mg oral alle 4 bis 8 h (nicht zugelassen). • Weitere Tokolytika: – Magnesium (kein Wirkungsnachweis). – Indometacin (Anwendungsdauer < 48 h und < 32. SSW). – NO-Donatoren (keine ausreichende Datenlage). ▶ Kontraindikationen: • Akute kindliche und mütterliche Notsituationen. • Amnioninfektionssyndrom. • Eklampsie. • Intrauteriner Fruchttod. • Medikamentenspezifische Kontraindikationen.

6 Geburtshilfliche Informationen

6.5 Frühgeburtlichkeit

Geburtsmodus ▶ Sectio: • Bei geplanter Frühgeburt aus mütterlicher/kindlicher Indikation bei unreifer Zervix. • Wenn bei Infektionsverdacht keine sehr rasche Spontanentbindung zu erwarten ist. • Bei Beckenendlage oder Querlage. • Bei Anzeichen von Hypoxämie. ▶ Spontangeburt: • Bei nicht aufzuhaltender Wehentätigkeit, rasch fortschreitender Eröffnungs- und Austreibungsphase und Schädellage. • Sectiobereitschaft.

127

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

128

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.1 Organisation im Kreißsaal Genzel

Grundlagen ▶ Bei jeder Geburt können unerwartet Komplikationen auftreten, die eine Reanimation des Neugeborenen erforderlich machen. Daher müssen die räumlichen und personellen Voraussetzungen für eine sichere Erstversorgung vorhanden sein. ▶ Ausstattung der Geburtsräume bzw. des angrenzenden Erstversorgungsraumes: • Wärmelampe. • Absaugmöglichkeit. • Sauerstoffanschluss. • Neugeborenenmasken. • Beatmungsbeutel. • Pädiatrisches Stethoskop.

Wann Pädiater im Kreißsaal? ▶ Fetale Notsituation: • Spätdezeleration, schwere variable Dezeleration. • Silentes CTG. • MBU: pH < 7,25 • Dick grünes Fruchtwasser. • Nabelschnurvorfall. • Amnioninfektionssyndrom. • Blutungen bei V. a. Placenta praevia. • Uterusruptur. ▶ Operative Entbindungen: • Sectio (evtl. nicht bei elektiver Sectio ≥ 37 SSW, da kein erhöhtes Risiko). • Forzepsentbindung. • Vakuumextraktion. • Vaginale Entbindung bei Beckenendlage. ▶ Mehrlinge. ▶ Gestationsalter: • < 37 SSW: Assistenzarzt Pädiatrie und Pflege. • < 30 SSW: Neonatologe bzw. erfahrener Kinderarzt/Assistenzarzt und Pflege. • < 28 SSW: Neonatologe und erfahrener Kinderarzt/Assistenzarzt und Pflege. ▶ SGA < 5. Perzentile laut Sonografie. ▶ Insulinpflichtiger Diabetes mellitus (nicht gut eingestellt). ▶ Rhesus-Immunisierung mit Hydrops oder Anämie oder pathologischem Doppler. ▶ Oligo- und Polyhydramnion. ▶ Sonstiges: Verlängerte oder schwierige Geburt, abnorme Lage, Fehlbildungen, Gefahr der Schulterdystokie. ▶ Stets, wenn es Geburtshelfer oder Pädiater wünscht. Beachte: Die Anwesenheit bei einigen „normalen“ Geburten ist für jeden Pädiater wünschenswert. ▶ Außer bei der elektiven Sectio des Reifgeborenen empfiehlt es sich, immer eine zweite Person (Pflege oder einzuarbeitende Kollegen) mitzunehmen. In Notfällen kostet es Zeit und Personal, wenn nachträglich jemand geholt werden muss. Bei elektiver Sectio des Reifgeborenen benötigt es keinen Kinderarzt im Kreißsaal, wenn er/sie schnell erreichbar ist.

Notwendige Voraussetzungen für die Reanimation und Versorgung Risikoneugeborener und Frühgeborener ▶ Anzahl der Reanimationseinheiten: Da in Perinatalzentren immer mit der gleichzeitigen Geburt von 2 Frühgeborenen gerechnet werden muss, ist die ständige Verfügbarkeit von mindestens 2 Reanimationsplätzen erforderlich. Bei den meisten Risikogeburten ist ausreichend Zeit für die entsprechende organisatorische Vorbereitung gegeben. ▶ Aufgaben des dem Kreißsaal zugeteilten ärztlichen und pflegerischen Personals: • Tägliche Überprüfung der Reanimationseinheiten. • Bestellung fehlender/verbrauchter Materialien (unter Berücksichtigung evtl. längerer Lieferzeiten). • Enge Zusammenarbeit mit den Geburtshelfern (tägliche Teilnahme an der Kreißsaalbesprechung). ▶ Die Versorgung von Risikoneugeborenen sollte im Kreißsaal bzw. auf der Intensivstation stattfinden, sofern diese direkt neben dem Kreißsaal liegt (Tür an Tür). Ein eigener Raum bietet gegenüber einer mobilen Reanimationseinheit, die z. B. in den Sectio-OP geschoben wird, folgende Vorteile: • Sämtliches Zubehör griffbereit an seinem Platz; rascher Zugriff auf weitere Gerätschaften, Materialien und Medikamente. • Notfallkoffer muss nicht mitgebracht werden. • Raumtemperatur konstant auf 26 – 28 °C, Zugluft vermeiden. ▶ Ausstattung des Reanimationsraumes (Tab. 7.1), Liste zum Ausdrucken unter www.thieme.de/checkliste-neonatologie. • Beatmung: – Beatmungsbeutel, Masken, T-Stück mit einstellbarem PEEP und Druck (z. B. Perivent), Sauerstoffanschluss mit Mischer eingestellt auf 21 % (bei reifen Neugeborenen) oder 30 – 40 % bei Frühgeborenen [E1], Absaugschlauch, Sekretfalle, Laryngoskop (mit greifbaren Ersatzbatterien bzw. Ladestation), Magill-Zange, Stethoskop. Starrer Absaugkatheter (Jankauer) zum Absaugen von dick grünem Fruchtwasser (S. 219). – Endotrachealtuben (S. 22) mit Surfactant-Adapter in 2 Größen (weitere Größen sollten greifbar sein): Größe 2,5, evtl. mit eingefädeltem Absauger zum schnellen Intubieren (S. 20), und Größe 3 mit Führungsmandrin und Mekoniumadapter, s. Mekoniumaspiration (S. 219). • Monitor, Elektroden und Sonden zur Überwachung von EKG, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und Temperatur. • Medikamente und Infusionslösungen: – Glukose 10 %. – Volumen (physiologische Kochsalzlösung, Ringer-Laktatlösung). – Notfallmedikamente: Suprarenin. – Propofol (aber erst ab 1 Monat zugelassen! cave: Kreislaufdepression!). – Surfactant. – Notfall-Blutkonserve in Kühlschrank im Kreißsaalbereich oder in der Nähe. • Nabelkatheterset: – Nabelkatheter (2,5, 3,5 und 5 Ch; doppellumig, ggf. dreilumig: 3,5 und 5 Ch) bzw. fertig abgepackte Sets mit allem Notwendigen bis auf die entsprechenden Katheter), entsprechende Anzahl von 2- bzw. 3-Wegehähnen, mehrere 1-mlund 2-ml-Spritzen, Nahtmaterial (z. B. 3 – 0/4 – 0 Ethibond), Skalpell, Tupfer, grüne Abdecktücher, steriles Lochtuch, Nabelbändchen. – Spitze Pinzette (Splitterpinzette), 1 – 2 breite Pinzetten (chirurgische und anatomische), große und kleine Schere, Tuchklemmen, Nadelhalter, Klemme, Knopfsonde (diese Instrumente können in einem sterilen Set/Sieb vorbereitet verpackt sein). • Material für Laboruntersuchungen: Serum-, Blutbild-, und Blutzuckerröhrchen, Abstrich- und Blutkulturmedien, Kanülen, 2-ml-Spritzen.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.1 Organisation im Kreißsaal

129

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.1 Organisation im Kreißsaal

• Bewährt hat sich eine (rote) Box (zum Absaugen von grünem Fruchtwasser), die zentral bereitsteht und in den jeweiligen Kreißsaal gebracht wird: Jankauer mit Verbindungsschlauch, Laryngoskop, Magill-Zange, ET 3.0 aufgefädelt auf Trokar zur oralen Intubation (Adapter nicht verlieren), Absaugadapter, s. Mekoniumaspiration (S. 219). Sonst absolut nichts! • Sonstiges: Sterile und nicht sterile Tupfer, Alkohol, Infusionskanülen 24 G, Tuchklemme zur Befestigung des Beatmungsschlauches, Thermometer, Schere, Pflaster, Plastikfolie für unreife Kinder. • Transportinkubator: komplett aufgerüstet und betriebsfertig. – Flaschen mit den Anschlüssen nach innen drehen, sonst brechen die Anschlüsse leicht ab. Bei Rücktransport alle Kabel locker aufrollen, abgescherte Kabel fallen nicht unter die Garantie (Pulsoxymeter)! – Offene Einheit: z. B. Giraffe Omnibett (GE), empfehlenswert besonders bei Kindern < 30 Wochen. Ermöglicht postnatale Versorgung Frühgeborener und schwerstkranker Neugeborener im Kreißsaal, Transport auf die Intensivstation und dort weitere Pflege im Inkubator ohne Umlagerung. Tab. 7.1 • Notwendige Ausrüstung für die Neugeborenenreanimation. Geräte

Materialien

Medikamente

Wärmestrahler

Weiche (z. B. Laerdal)-Beatmungsmasken (Größe 00 u. 01)

Glukose 10 %

Stethoskop (neonatal)

Endotrachealtuben 2.0– 4.0 mit Adapter Prongs bzw Masken + Mützen zur pharyngealen Beatmung

Volumen (0,9 % NaCl od. Ringer-Lösung)

Monitor mit • EKG • Pulsoxymetrie • Temperatur • nicht-invasiver, (invasiver) Blutdruckmessung • Manschetten 1 – 4 • (tc pCO2Sonde) • (Kapnometrie)

Mekoniumabsauger Jankauer Absaugsonden (Ch 6, 8, 10) steriles Nabelkatheterset Nabelkatheter 3.5 u. 5 Ch Skalpell Nahtmaterial

Notfallkonserve 0 rh neg. Suprarenin 1:10 000 Naloxon Phenobarbital Antibiotika*: Penicillin od. Ampicillin (E. coli in 30 % Ampicillin-resistent, Cefotaxim nicht bei Listerien wirksam!) *je nach Antibiotikaschema der Klinik

Absaugung mit Manometer

Pleuradrainagen, ggf. dicke Plastikkanüle

Sauerstoff mit Flowmeter und Mischer

Dreiwegehähne

Weiche (z. B. Laerdal) Beatmungsbeutel für NG (mit PEEP-Ventil) T-Stück mit PEEP und Druckbegrenzung für Perivent

Spritzen (1, 2, 5, 10, 20 ml)

Laryngoskope

Magensonde

Laryngoskopspatel (gerade, Nr. 0 u. 1)

Infusionsnadeln (24 G)

Magill-Zange für Säuglinge

Blutgaskapillaren

Blutgasanalysegerät (mit BE) Apgar-Uhr

130

7.2 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw.

Vitalitätsbestimmung Genzel ▶ Scores zur Reifebestimmung haben heute in praxi ihre Bedeutung verloren, da das exakte Schwangerschaftsalter meist bekannt ist. Die Durchführung des Dubowitz-Farr Score mit den neuromuskulären Reifezeichen ist für die Frühgeborenen sehr belastend und wird hier deswegen nicht mehr aufgeführt (www.anpisa.de/pdf/neurol.pdf). Der Ballard Score dagegen beschränkt sich auf körperliche Reifezeichen.

Ballard-Score (1992) ▶ Neuromuskuläre Reifezeichen zur Bestimmung des Gestationsalters. ▶ Anwendung bei allen Frühgeborenen. Besonders hilfreich < 30 SSW. ▶ Im ursprünglichen Score gab es für die oben aufgeführten Reifezeichen 0 bis 5 Punkte. Die Erweiterung um die linke Spalte mit Minuspunkten erweitert das zu bestimmende Gestationsalter von 26 – 44 Wochen auf 20 – 44 Wochen mit Punktwerten von –10 bis 50. Ein Anstieg des Scores um 5 Punkte erhöht das Gestationsalter um 2 Wochen. Eine einfache Formel berechnet direkt das Gestationsalter: Alter ¼

2  score þ 120 5

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.2 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw. Vitalitätsbestimmung

131

132

schmierig, durchsichtig, brüchig

fehlend

Augenlider geschlossen Locker: –1 fest: –2

nicht spürbar

Skrotum flach, glatt

prominente Klitoris

Ferse bis Zehenspitze: 4 – 5 cm: –1 4 cm: –2

Haut

Lanugo

Auge/Ohr

Brustdrüse

Genitale männlich

Genitale weiblich

Fußsohlenfalten

–1

Tab. 7.2 • Ballard-Score.

Labia majora und minora gleich groß anteriore transversale Falten

schwache rote Linien

> 5 cm keine Falten

Hoden deszendiert, wenig Rugae

gepünktelte Areola, Drüse 3 – 4 mm

gut geformt weich, rascher Rückgang in Ausgangsstellung

abnehmend

oberflächliche Schuppung u/o Ausschlag, wenig Venen

2

prominente Klitoris, große Labia minora

unvollständig deszendierter Hoden, selten Rugae

Areola flach, keine Drüse

beginnende Helixbildung langsamer Rückgang in Ausgangsstellung

reichlich

rosig sichtbare Venen

1

prominente Klitoris, kleine Labia minora

Skrotum leer, keine Rugae

knapp spürbar

Augenlider offen, Muschel flach, bleibt gefaltet

spärlich

gelatinös, rot und durchscheinend

0

Falten über vordere ⅔

Labia majora groß, Labia minora klein

Hoden tief, deutliche Rugae

punktartige Areola über Hautniveau, Drüse 3 – 4 mm

feste Muschel, geformt, sofortiger Rückgang in Ausgangsstellung

haarlose Bezirke

Hautrisse, blasse Bereiche, seltene Venen

3

Falten über ganze Sohle

Klitoris und Labia minora völlig bedeckt

Pendelhoden, tiefe Rugae

5 – 10 mm

voll ausgebildete Areola, Drüse

dicker Knorpel, Ohr starr

praktisch fehlend

pergamentartig tiefe Risse, keine Venen

4

flache Labien

fehlend

lederartig tiefe Risse, runzelig

5

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7 7.2 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw. Vitalitätsbestimmung

Petrussa-Index ▶ Vereinfachte somatische Reifezeichen zur Bestimmung des Gestationsalters. Die Schwangerschaftsdauer entspricht 30 + den zusätzlich erzielten Punkten (in Wochen, Tab. 7.3). ▶ Anwendung: Bei allen Geburten > 30. SSW. Tab. 7.3 • Petrussa-Index. 0

1

2

Haut

hellrot, verletzlich, durchscheinend, dünn

rosig, zunehmende Fältelung, fester

fest, deutlich sichtbare Falten, Hautabschilferungen

Mamillen

kaum Drüsengewebe

Drüsengewebe tastbar, Mamillenhof erkennbar

Brustdrüsen über dem Hautniveau, Drüsenkörper und -hof palpabel

Ohr

kaum Profil, weich, kaum Knorpelgewebe

Knorpel in Tragus und Antitragus, zunehmendes Profil

ausgebildeter Helixknorpel, spontanes Rückstellphänomen

Fußsohle

glatt, Fältelung nur vorderes Drittel

Fältelung des vorderen und mittleren Drittels

Fältelung über die gesamte Fußsohle

Genitale

Testes noch inguinal/ Labia majora < minora

Testes evtl. noch inguinal/Labia majora = minora

Testes im Scrotum/Labia majora > minora

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.2 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw. Vitalitätsbestimmung

Apgar-Score ▶ Vitalitätsindex (von Virginia Apgar) zur postnatalen Beurteilung von reifen Neugeborenen. ▶ Apgar-Wert = Summe der Punkte der einzelnen Kriterien, bestimmt 1, 5 und 10 min postnatal (Tab. 7.4). ▶ Anwendung: • Größter Nutzen des Apgar-Wertes ist, dass er zu einer exakten Beurteilung des Neugeborenen nach der Geburt zwingt. • Der Apgar-Score nach 1 min beschreibt den Zustand des Kindes unmittelbar nach der Geburt • und erleichtert die Entscheidung über notwendige Reanimationsmaßnahmen. • Bei asphyktischen Neugeborenen darf selbstverständlich nicht mit der Reanimation bis zur Bestimmung des Apgar nach 1 min gewartet werden. • Die nach 5 und 10 min ermittelten Werte korrelieren am ehesten mit der Prognose des Kindes nach Komplikationen während der Geburt. • Ein normaler Apgar-Wert nach 10 min entbindet nicht von der weiteren sorgfältigen Überwachung des Kindes. • Apgar nach 5 min: – 9 – 10: Kein Handlungsbedarf. – 7 – 8: Beobachtung. – 5 – 6: Intervention, z. B. Atemunterstützung, Stimulation. – 0 – 4: Reanimationsmaßnahmen. ▶ Hinweis: Im eigentlichen Sinne gilt der Apgar nur für nicht beatmete und nicht ■ sedierte Neugeborene.

133

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.2 NG- und FG-Scores zur Reife- bzw. Vitalitätsbestimmung Tab. 7.4 • Apgar-Score. 0

1

Herzfrequenz

0/min

< 100/min

> 100/min

Atemanstrengung

keine

langsam, unregelmäßig

gut, Schreien

Muskeltonus

schlaff

gebeugte Extremitäten

gute Bewegung

Reflex auf Sondierung der Nase

keine

Grimasse

Husten, Niesen

Hautfarbe

blass, blau

zentral rosig, Extremitäten blau

rosige Hände und Füße

CRIB-Score ▶ CRIB = Clinical Risk Index for Babies. ▶ Anwendung: • Der CRIB-Score wird nur dokumentiert bei Geburtsgewicht < 1500 g oder Gestationsalter < 31 Wochen. • Außerdem dürfen keine letalen Fehlbildungen vorliegen wie z. B. bilaterale Nierenagenesie, Trisomie 13 und 18, Potter-Syndrom, Anenzephalus. ▶ Ergebnis = Summe der einzelnen Punkte (Tab. 7.5). ▶ Beurteilung: Der Score korreliert gut mit dem Outcome (> 18 Monate). Je höher der Wert, desto schlechter das Outcome: • 0 – 5: Mortalität und schwerste Behinderungen bei ca. 10 – 12 %. • 6 – 10: Mortalität und schwerste Behinderungen bei ca. 30 – 40 %. • ≥ 11: Mortalität und schwerste Behinderungen bei ca. 60 – 80 %. Tab. 7.5 • CRIB-Score. 1. Geburtsgewicht > 1350 g

0

851 – 1350 g

1

701 – 850 g

4

< 700 g

7

2. Gestationsalter > 24 SSW

0

< 24 SSW

1

3. max. BE in den ersten 12 Lebensstunden (cave negativer BE)

134

2

> –7

0

–7 bis –9,9

1

–10 bis –14,9

2

< –15

3

4. min FiO2 in den ersten 12 Lebensstunden < 0,4

0

0,41 – 0,6

2

0,61 – 0,9

3

> 0,9

4

5. max. FiO2 in den ersten 12 Lebensstunden < 0,4

0

0,41 – 0,8

1

0,81 – 0,9

3

> 0,9

5

6. angeborene Fehlbildungen keine

0

nicht akut lebensbedrohlich

1

akut lebensbedrohlich*

3

*Aortenisthmusstenose, CHARGE, Fallot-Tetralogie, Harnstoffzyklusdefekte, Hydrops, Lungenhypoplasie, Omphalozele, polyzystische Nierendegeneration, Prune-Belly, Osteogenesis imperfecta, Siamesische Zwillinge, VACTERL-Assoziation

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal Genzel, Roll

Grundlagen ▶ Die Verantwortung für die Betreuung eines gesunden Neugeborenen liegt primär beim Geburtshelfer bzw. bei der zuständigen Hebamme. Dazu gehört auch, dass ein funktionstüchtiger Reanimationsplatz mit allen erforderlichen Utensilien (S. 129) verfügbar ist. Selbstverständlich kann die Erstversorgung an einen Kinderarzt, vorzugsweise einen Neonatologen, delegiert werden (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 024–005l_S 2k_Betreuung_von_gesunden_reifen_Neugeborenen_2012–10.pdf). ▶ Ein gesundes Neugeborenes wird nach der Geburt in den ersten 2 h vom Team der Geburtshilfe im Kreißsaal überwacht. Hierbei gelten folgende Prinzipien: • Ein enger Kontakt von Mutter und Kind soll ermöglicht werden. Dazu dient: – Kind unmittelbar nach Geburt in warmem Tuch auf den Bauch der Mutter legen (cave Wärmeverlust). – Kind bald an die Brust der Mutter anlegen. – Vater in die Aktivitäten einbeziehen. • Mutter und Kind sollten nicht unnötig lange getrennt werden. Für die Bindung von Mutter und Kind sind diese ersten Minuten von allergrößter Bedeutung. Aufschiebbare, insbesondere unangenehme Eingriffe (z. B. Sondierung des Magens) sollten unterbleiben. Trotzdem werden Mutter und Kind ständig überwacht, um Störungen der Adaptation, z. B. Unterkühlung, rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. • SIDS kann auch direkt postnatal auftreten, sodass das Kind bei Bauchlage auf der Mutter von einer weiteren Person überwacht werden sollte (z. B. dazu befähigter Vater oder Hebamme), besonders bei Erschöpfung der Mutter.

135

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

▶ Hinweis: ■

Baden des Neugeborenen im Kreißsaal ist nicht erforderlich (cave Wärmeverlust). Vernix nicht entfernen. ▶ Das Neugeborene muss 2 Namensbändchen – am Arm und am Fuß – tragen.

Absaugen ▶ Nach einer normalen Geburt mit klarem Fruchtwasser ist Absaugen in der Regel nicht erforderlich. ▶ Probleme, die beim Absaugen zu bedenken sind: • Unnötige Trennung von Mutter und Kind. • Stress für das Neugeborene, Verletzungsgefahr (sehr gering). • Vagusreiz und dadurch ausgelöste Bradykardien und Apnoen → kein tiefes und aggressives Absaugen in den ersten 5 min. ▶ Indikationen: • Sofort nach der Entbindung: – Beeinträchtigte Neugeborene mit V. a. Obstruktion der Atemwege. – Intubierte (evtl. zu intubierende) Neu- und Frühgeborene. – Neu- und Frühgeborene mit intrauteriner oder postnataler Asphyxie. • Späteres Absaugen bzw. Sondieren: – Polyhydramnion zum Ausschluss einer Ösophagusatresie. – Bei Dyspnoe Choanen beidseits auf Durchgängigkeit prüfen (sondieren). ▶ Technik, vgl. auch Kap. Intubation (S. 20): • Material: Absaugkatheter mit mindestens 10 Ch (schwarz), evtl. 12 Ch (weiß, Tab. 7.6). • Bei V. a. Mekoniumaspiration (S. 219) mit starrem Absauger (Jankauer). • Mund vor Nase und kurz, aber effektiv absaugen. • Absaugen der Nase selten indiziert. • Nach Intubation geschlossenes Absaugsystem (Trach Care) verwenden und nicht diskonnektieren; dies reduziert den Kollaps der Alveolen. Tab. 7.6 • Absaugergrößen. Farbe

Durchmesser

Indikation

rot oder weiß

Ch 18 (6,0 mm)

Mekoniumaspiration

schwarz

Ch 10 (3,3 mm)

Standard

grün

Ch 6 (2,1 mm)

Absaugen über Tubus > 2,0

transparent oder grau

Ch 5 (1,7 mm)

Absaugen über 2,0-Tubus

Abtrocknen und taktile Stimulation ▶ Möglichst kurz nach der Geburt wird das Neugeborene in ein vorgewärmtes Frottieroder Moltontuch gehüllt und der Mutter auf den Bauch gelegt (wichtig für Bonding). ▶ Ziele: Vermeiden von Wärmeverlusten durch Verdunsten des Fruchtwassers, Anregung der Atmung durch taktile Stimulation.

Abnabeln ▶ Ziele: • Plazentofetale Übertransfusion sowie Blutverlust des Neugeborenen vermeiden. • Schnelle trockene Mumifizierung des Nabelstumpfes. • Vorbeugen einer Nabelinfektion. ▶ Zeitpunkt/Vorgehen in unterschiedlichen Situationen: • Nach vaginaler Geburt eines reifen Neugeborenen wird die Nabelschnur nach Sistieren der Pulsationen ohne vorheriges Ausstreichen abgeklemmt (nach ca. 1 – 2 min). • Bei primärer Sectio (plazentare Perfusion ist hier nicht wie nach Wehen reduziert) Nabelschnur nach Ausstreichen in Richtung Kind abklemmen. 136

• Bei Plazentainsuffizienz mit hohem Hämatokrit des Fetus unterbleibt das Ausstreichen der Nabelschnur. • Bei Nabelschnurkompression bzw. -knoten ist zuerst der venöse Rückstrom in Richtung Kind blockiert. Der Fetus ist in einer solchen Situation also mit hoher Wahrscheinlichkeit hypovolämisch. In diesen Fällen das Blut dem Neugeborenen durch Ausstreichen der Nabelschnur in Richtung Kind retransfundieren. ▶ Technik: • In der Regel Nabelschnur zunächst durch 2 anatomische Klemmen abklemmen und mit Schere dazwischen durchtrennen. Beachte: Klemmen unterbinden die Nabelschnurgefäße nicht sicher. Falls sich eine Klemme unbeabsichtigt löst, kann ein erheblicher Blutverlust des Neugeborenen die Folge sein! • Daher so früh wie möglich sicher verschließbare Nabelklemme 2 – 3 cm oberhalb des Abdomens anlegen. • Desinfektion des Nabelstumpfes mit 70 %igem Alkohol. • Nabelstumpf unterhalb der Nabelklemme mit einer Kompresse umschlingen, die locker verknotet wird. Eine Nabelbinde ist unnötig.

Blutgasanalyse aus Nabelschnurblut ▶ Nach Möglichkeit vor Lösen der Plazenta Blut durch Punktion der Nabelarterie gewinnen. Im Zweifelsfall aus 2 Gefäßen Blut gewinnen (mind. 1 Probe ist dann arteriell). Dokumentieren, falls sich Blut nur aus Nabelvene gewinnen lässt. ▶ pH, pCO2 und Basen-Exzess (BE) bestimmen. Der aus pH-Wert und pCO2 errechnete BE ist zur Beurteilung des Säure-Basen-Status aussagekräftiger als der pH-Wert allein. ▶ Blutgruppe des Neugeborenen bestimmen: • Zwingend bei Rh-negativer Mutter (Mutterschaftsrichtlinie) zur Anti-D-Prophylaxe der Mutter, bei der Mutter zusätzlich direkter Coombstest. • Wünschenswert bei einer Mutter, die nicht die Blutgruppe AB hat (mögliche AB0-Inkompatibilität). ▶ Wenn möglich, Laktat bestimmen.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

Apgar-Wert festlegen ▶ Zur Bestimmung des Apgar (S. 137).

Medizinische Erstversorgung ▶ Erstuntersuchung U1: Die Erstuntersuchung führt nach einer normalen Geburt in der Regel der Geburtshelfer durch. Untersucht wird im Hinblick auf: • Geburtstraumen (S. 162): Klavikulafraktur, Plexuslähmung, Schnittverletzung nach Sectio, Kephalhämatom usw. • Fehlbildungen: Gaumenspalte, Hautanhängsel, Neuralrohrdefekte, Genital- und Extremitätenfehlbildungen, Fußfehlstellungen, Hernien, Anal- und Augenfehlbildungen (Katarakt, Aniridie). • Respiratorische Adaptation: Zyanose, Stöhnen, Atemfrequenz, Atemgeräusch, Einziehungen. • Herz-Kreislauf-Situation: Herztöne, Herzgeräusche, Fußpulse, Perfusion der Haut. • Abdominalorgane: Hepatosplenomegalie, Omphalozele, Gastroschisis. ▶ Vitamin-K-Prophylaxe: Beginn der 3-maligen Vitamin-K-Prophylaxe mit 2 mg Konakion MM p. o. [E1]. ▶ Credé-Prophylaxe: Sie ist heute nicht mehr vorgeschrieben. Gabe von je 1 Tropfen 1 %iger Silbernitratlösung in jedes Auge. Gegenargumente: • Eine Gonorrhö während der Schwangerschaft ist heute selten. • Neugeborene sind in der Regel postnatal gut überwacht – eine Konjunktivitis fällt rasch auf. • Silbernitrat per se reizt die Augen und kann eine „chemische“ Konjunktivitis auslösen. 137

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

• Die häufigsten Erreger der Konjunktivitis sind heute Chlamydien. Gegen diese wirkt Silbernitrat nur eingeschränkt. Gegen die wirksame Alternative Polyvidonjod 2,5 % bestehen toxikologische Bedenken (systematische Untersuchungen dazu fehlen). ▶ Überprüfung der postnatalen Adaptation des Neugeborenen: • Atmung: – Atemfrequenz in Ruhe ca. 40/min. – Keine Auffälligkeiten wie Schniefen, Stöhnen, Nasenflügeln, in- oder exspiratorischer Stridor, Schaukelatmung, Einziehungen. – Bei Auffälligkeiten Sauerstoffsättigung überprüfen (normale SaO2 Werte postnatal 85 – 95 %) und ggf. Blutgasanalyse mit kapillarem pCO2 (normal 35 – 55 mmHg). • Kreislauf: – Herzfrequenz in Ruhe ca. 120 – 160/min. – Kind rosig bis in die (warmen) Akren. – Fußpulse tastbar, kapilläre Füllungszeit < 3 s. – Nur bei gestörter Adaptation: Blutdruck ca. 50/35 mmHg, MAD 40 mmHg an Oberarm und Unterschenkel. – Auskultation von Herz und Lunge unauffällig. 2. Herzton kann in den ersten 2 – 3 Lebenstagen noch betont sein. • Neurologie: – Lockere Finger und Zehenhaltung, leichte Beugehaltung von Armen und Beinen. – Rege, alternierende Motorik. – Beim Traktionsversuch (Hochziehen an den Händen zum Sitzen) gutes Mitnehmen des Kopfes, Beine werden in der Hüfte gebeugt, Handgreifreflex vorhanden. – Keine bevorzugte Kopfwendung, keine Asymmetrie der Körperhaltung. – Kräftiger Saug- und Suchreflex. • Ikterus (S. 318).

Kriterien für die weitere Überwachung ▶ Verlegung auf die Wochenstation: • Reife, gesunde Neugeborene. • Frühgeborene > 35 + 0 SSW ohne Auffälligkeiten. • Kind bleibt bevorzugt bei der Mutter (Rooming-in). Diese über SIDS-Risiken (S. 413) aufklären. • Im Neugeborenenzimmer muss immer mindestens eine Person anwesend sein. ▶ Monitorüberwachung auf einer pädiatrisch geleiteten Station: • Frühgeborene < 35 + 0 SSW. • NG bei Infektionsverdacht oder mit Fehlbildungen, die Atmung oder Herz-Kreislauf-Funktion beeinflussen. • NG mit Apnoen. • NG drogenabhängiger Mütter (S. 166). ▶ Zusätzlich Überwachung im Inkubator (kontrollierte Sauerstoffapplikation und Umgebungstemperatur, erleichterte visuelle Überwachung): Leicht anpassungsgestörte Neugeborene (für kurze Zeit). ▶ Verlegung auf Intensivstation/Neonatologie: • Frühgeborene < 35 + 0 SSW. • Geburtsgewicht < 2000 g, SGA < 3. Perzentile. • In der Regel: Kinder von schlecht eingestellten insulinpflichtigen Diabetikerinnen (S. 164). • Beatmete Neu- oder Frühgeborene. • Adaptationsgestörte Neu- oder Frühgeborene (z. B. Stöhnen), Z. n. Asphyxie. • Anämie oder Polyglobulie (Hkt < 35 %, > 65 %). 138

• Icterus praecox oder Bilirubin > 20 mg/dl trotz Fototherapie bei reifen Neugeborenen oder > 17 mg/dl bei zusätzlichen Risiken. • Infektionen. • Schwerwiegende Fehlbildungen. • Weiter Indikationen: Schock, Zyanose, Rhythmusstörungen, Apnoen, Apathie, Hyperirritabilität, Krampfanfälle, Speicheln, Ileus, blutige Stühle (nicht maternalen Ursprungs), Gewichtsverlust > 15 %.

Verlegung aus dem Kreißsaal ▶ Dokumentation: • Akte anlegen (Verlegungsbogen, Kinderakte und Reanimationsprotokoll). • Kopie des Verlegungsbogens, Perinatalbogen und Gelbes Heft gehen mit dem Kind. • Versicherungsangaben und Adresse der Eltern mitgeben. ▶ Labor: Nabelschnurblut, Blutkulturen und Abstriche sowie evtl. Blutbild und Serumröhrchen mitgeben. Meist sind Bearbeitung und Ergebnismitteilung im hauseigenen Labor schneller. ▶ Bei V. a. Amnioninfektionssyndrom Antibiotika stets vor einem mehr als 30-minütigen Transport verabreichen, zur Antibiotikawahl (S. 249). ▶ Für die Eltern ein Foto des Kindes anfertigen! Kind den Eltern zeigen. ▶ Zur Aufnahme ins Kinderzimmer (S. 139). ▶ Zur Aufnahme auf der Intensivstation (S. 158).

Nach ambulanter Geburt

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

▶ Entlassung: Möglich bei gesunden, gut adaptierten, reifen Neugeborenen. ▶ Beachte: Mutter und Kind mindestens 2 h überwachen. ■ ▶ U1 bei ambulanter Geburt (durch Pädiater): • Pulsoximeterscreening durchführen. • Konakion MM 0,2 ml (2 mg) p. o. verabreichen. • Neugeborenen-Screening (S. 351) durchführen, 2. Screeningkarte mitgeben. • HBsAg-Status der Mutter überprüfen und ggf. Impfung durchführen. • Aufklärung bezüglich – SIDS-Risiken (S. 413). – weiterer häufiger Risiken (Hyperbilirubinämie, Infektionen). – Nabelpflege. • Vergewissern, dass Nachsorge durch Kinderarzt und Hebamme gewährleistet ist. • Hinweis auf Hüftsonografie und Hörscreening.

Aufnahme und Betreuung auf der Wochenstation ▶ Kontrollen und Maßnahmen bei jedem Kind: siehe auch AWMF-Leitlinie (http:// www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–005.html). • Standesamtliche Geburtsmeldung veranlassen. • Kinderakte auf vollständige Dokumentation kontrollieren: pH-Wert, BE, ApgarScore, U1, Hepatitis-B-Screening der Mutter ggf. Blutzucker, Hämatokrit. • Hat das Kind 2 Namensbändchen? Ggf. ergänzen. • Ist Blutgruppe des Kindes (S. 324) bestimmt? • Neugeborenen-Screening (S. 351) vorbereiten. • Hüftsonografie (S. 77) organisieren, falls indiziert. • Hörscreening organisieren. • Körpertemperatur bei Aufnahme und Geburtsgewicht in Akte eintragen, falls nicht im Kreißsaal kurz zuvor erfolgt. • Bei Aufnahme (falls nicht nach Geburt erfolgt) und Entlassung (oder U2) 0,2 ml Konakion MM (2 mg) p. o. • Mekonium- und Urinabgang muss innerhalb von 24 h erfolgen, sonst (Kinder)Arzt/ Ärztin informieren. 139

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

• Ab ca. 5. Lebenstag (bzw. wenn das Kind gut trinkt) Vitamin D 500 IE/Tag und Fluor geben (0,25 mg). ▶ Kontrollen und Maßnahmen bei Besonderheiten: • Untertemperatur (S. 174): Temperaturkurve anlegen, stündlich nachmessen und Kinderarzt informieren. • Blutzucker: – Neugeborene < 3. Perzentile oder < 2500 g oder > 4 300 g Geburtsgewicht: konsequentes Anlegen bzw. Frühfütterung innerhalb der ersten 30 Minuten und BZ-Kontrollen in der ersten Lebensstunden (30 min, 1 h, 3 und 6 h) sowie ggf. präprandial in den ersten 3 Lebenstagen (Ziel: BZ-Werte > 50 – 65 mg/dl). Falls BZ < 45 mg/dl: Maltodextrin 15 % einmalig, danach Formulanahrung, wenn Stillen nicht ausreicht. Nach drei Blutzuckerwerten > 45 mg/dl (ohne Zufütterung bei gestillten Kindern) können die Kontrollen beendet werden. ▶ Cave: Maltodextrin enthält keine Elektrolyte, Gefahr der Hyponatriämie. ■ • Nabelschnur-Hkt > 60 % oder < 40 %: Venöse Hkt-Kontrolle 4 h postnatal, danach je nach Laborwert und Verlauf. Bei Hkt > 65 % auf ausreichende Trinkmenge (mind. 50 ml/kg KG/Tag) achten; s. auch Polyglobulie (S. 329). • Z. n. Forzeps-/Vakuumentbindung: ggf. Schädelsonografie. • Toxoplasmose- bzw Zytomegalie-Verdacht: Antikörpertest, PCR für CMV im Speichel (S. 280), augenärztliches Konsil, Schädelsonografie (Hydrozephalus? Verkalkungen?). • Hepatitis-B-Screening der Mutter (S. 256): – Mutter HBsAg-positiv oder HBeAg-positiv: Sofort (< 12 h nach Geburt) Gabe von Gen-H-B-Vax K oder Engerix 0,5 ml i. m. und Hepatitis-B-Immunglobulin 1 ml i. m. (Alternative: Hepatect 0,4 ml i. v.). – Hepatitis-B-Status der Mutter unbekannt: Kind sofort aktiv impfen, wenn HBsAg-Status nicht bis 12 h nach Geburt erhältlich, sonst nach Befund innerhalb von 12 h nach Geburt. Passive Impfung nachholen, wenn Ergebnis vorliegt (innerhalb von 72 h, aber je früher desto besser).

Entlassung von der Wochenstation ▶ Klinische Untersuchung eines Neugeborenen (U2) vor Entlassung: • Schädel: Kopfumfang, Fontanelle, Nähte, Kephalhämatom, Caput succedaneum, Frakturen, Hautmarken von Elektroden, Saugglocken- oder Zangenextraktion. • Gesicht: Asymmetrie, Hautanhängsel, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte, epidermale Zysten, Zungenbändchen. • Augen: Konjunktivitis, konjunktivale Blutungen, Makro- oder Mikroophthalmie, Pupillenreflex, Strabismus, Leukokorie (Katarakt oder okuläre Tumoren). • Hals: Struma, Halszysten, nuchales Ödem, Pterygium colli, Schiefhals, Blutung in M. sternocleidomastoideus, Kopfwendung bevorzugt in eine Richtung, Klavikulafraktur (Crepitatio bei Druck auf Klavikula). • Herz/Kreislauf: Herztöne, 2. Herzton respiratorisch gespalten oder betont, Herzgeräusche, Lage der Herztöne, Palpation der Fußpulse, kapilläre Füllungszeit. • Lunge: Atemgeräusch seitengleich, Atemfrequenz, Dyspnoe, Stöhnen, Stridor. • Abdomen: Leber, Milz, Resistenzen, Peristaltik, Zustand des Nabels, Leistenhernie, Nabelhernie. • Genitale: Testes deszendiert, Hypospadie bzw. Epispadie, Schwellung des Hodens (Hydrozele oder intrauterine Hodentorsion), Klitorishypertrophie, Hymenalatresie, Anus (Analatresie). • Wirbelsäule: Skoliose, Kyphose, Spaltbildung, Dermalsinus, Steißbeingrübchen oder -fistel. • Extremitäten: Fehlbildungen, Vierfingerfurche, Hinweise für Plexuslähmung, Fehlstellung oder Fehlhaltung der Füße (Sichelfüße, Klumpfuß, Pes adductus etc.), Abspreizhemmung (Hüftsonografie ersetzt Prüfung des Ortolani-Zeichens, familiäre Belastung, intrauterine Lage erfragen). 140

• Muskeltonus, Spontanmotorik: Hyper- oder Hypotonus, Kopfhaltung des Neugeborenen, Traktionsversuch, Symmetrie der Körperbewegungen, Saugreflex, Moro-Reflex, Wachheitszustand. Weitere neurologische Untersuchungen sind meist überflüssig. • Haut: Blässe, Plethora, Ikterus, Hautanhängsel, Hämangiome, Nävi (Pigmentnävi, Mongolenfleck, Naevus sebaceus), Neugeborenenexanthem. • Normale Reaktionen (ohne Krankheitswert) durch mütterliche Hormone (Östrogene/Prolaktin): – Mastopathia neonatorum (bei ca. 15 % der NG). Maximum um 10. Lebenstag, Rückbildung in Wochen. Keine Manipulationen! – Sekretion von „Milch“ („Hexenmilch“) aus Brustdrüsen unter Prolaktineinwirkung. – Milien, seltener „Pustulosis neonatorum benigna“ (Melanosis neonatorum): Milienähnliche, gelb gefüllte Vesikel, die aber beim Platzen einen Hautkrater mit darunter intakter Haut hinterlassen (DD: Staphylodermie). – Scheidenblutungen, vaginale Sekretion von Schleim. ▶ Sind folgende Punkte erfüllt: • Hüftultraschall durchgeführt bzw. für U3 empfohlen? • Neugeborenen- und Hörscreening erfolgt? • Vitamin K gegeben? • Stillen klappt, Gewichtsverlauf normal? • Kein Ikterus bzw. Bilirubin im Normbereich? Das Risiko der Entwicklung einer signifikanten Hyperbilirubinämie lässt sich mit Nomogrammen abschätzen (www. awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024–007l_S 2k_Hyperbilirubinaemie_des_Neugeborenen.pdf). • Ist Mutter über SIDS-Risiken (S. 413) aufgeklärt? • Ist Nachsorge durch Hebamme/Kinderarzt gesichert?

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

Umstellungsprozesse im Rahmen der Geburt ▶ Physiologische Umstellungsprozesse: • Initiale Entfaltung der Lunge: Setzt bei Termingeborenen hohe negative intrathorakale Drücke voraus (– 60 cmH2O). • Schreien (Exspiration gegen teilweise geschlossene Glottis) erhöht „PEEP“ und eröffnet Alveolen. • Pulmonaler Gefäßwiderstand fällt rasch ab. • Abklemmen der Nabelschnur: Peripherer Blutdruck steigt (Widerstand nimmt schlagartig zu). • Sympathisches Nervensystem wird stimuliert (Reduktion des Vagotonus über Dehnungsrezeptoren der Lunge). • Es resultiert der Übergang von der fetalen Zirkulation zum normalen postnatalen Kreislauf (Verschluss von Foramen ovale und Ductus arteriosus Botalli). ▶ Pathologische Prozesse: Neugeborene mit perinataler Asphyxie erleben keine „normale Umstellung“: • Primäre Apnoe: Innerhalb 1 min nach Einstellung der Blutversorgung durch die Nabelschnur treten spontane Atemzüge auf. Sensorische Stimuli (z. B. Thoraxmassage, Reiben der Füße) können das Einsetzen der Atmung stimulieren. Bei anhaltender Asphyxie entwickelt sich innerhalb von 4 – 5 min eine Schnappatmung. • Sekundäre Apnoe: Diese folgt bei anhaltender Asphyxie als Phase, in der selbst sensorische Stimuli nicht mehr spontane Atemzüge auslösen. Der Tod tritt ein, wenn diese Phase nicht mit ventilatorischer Unterstützung durchbrochen wird. ▶ Merke: Da bei Neugeborenen praktisch immer unklar ist, ob eine primäre oder se■ kundäre Apnoe vorliegt, zunächst bei fehlender oder unzureichender Atmung mit der Reanimation beginnen und über die Fortsetzung im Verlauf entscheiden. 141

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

142

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

Erstversorgung des deprimierten Neugeborenen und Reanimation ▶ Vorbemerkung: Dieses Stufenschema soll nur als Hilfestellung dienen. Je nach Situation kann nach jeder Stufe abgebrochen werden, bzw. im Einzelfall muss von diesem Vorgehen abgewichen werden. Ruhe und Gelassenheit sind immer richtig und wichtig! ▶ Ziele: • Möglichst wenig invasive Maßnahmen. • Temperatur des Kindes sollte bei ca. 37,0 °C liegen, s. Wärmekapitel (S. 171). • Hirnperfusion sicherstellen: – Blutdruck: in der Regel MAD > 30 mmHg, kapilläre Füllungszeit < 3 s. Die klinische Untersuchung ist aber wichtiger als die Blutdruckmessung. Normaler Tonus, Bewegung und Perfusion sind gute Hinweise auf ausreichende Hirnperfusion. – SaO2 85 – 93(– 95) %. Beachte: Pulsoxymetrie lässt im oberen Bereich (> 95 SaO2) nur schwer Rückschlüsse auf PaO2 zu (Sauerstoffbindungskurve, HbF). – paCO2 > 35 mmHg. – Blutzucker > 47 mg/dl. ▶ Verteilung der Aufgaben: Wichtig, um keine Konfusion aufkommen zu lassen, z. B. • 1. Person: Ausschließlich Absaugen und Beatmen. • 2. Person: Apgar-Werte, Stimulation, Monitoring, Infusion, Nabelkatheter, Herzmassage falls erforderlich (vorher Beatmung nochmals kontrollieren). ▶ Stoppuhr für Apgar-Werte anstellen, wenn das Kind abgenabelt ist. ▶ Absaugen: Mund vor Nase (Nase nicht routinemäßig)! Kurz, aber effektiv. Zu langes „Herumstochern“ führt nur zu Vagusreiz und Bradykardie, vgl. Indikationen für das Absaugen (S. 136). ▶ Abtrocknen mit warmen Tüchern (am besten Frottiertuch) zur Vermeidung von Wärmeverlusten. ▶ Stimulation: Fußsohle reiben, Massage der Interkostalräume, Rücken abreiben. ▶ Anlegen von Pulsoxymeter (bevorzugt rechte Hand; präduktal!), ggf. EKG-Elektroden. ▶ Blähen der Lunge mit CPAP-System (oder maschinell). Vor allem nach primärer Sectio wichtig! Dies steigert das Residualvolumen [E4]. • CPAP-System (z. B. Perivent): Mit Maske, Prongs oder pharyngealem Tubus 3 – 10 s (mitzählen)! FG ca. 15(– 20) cmH2O, reife NG 20(– 30) cmH2O. Hebt sich Thorax? [E4]. • Falls maschinelle pharyngeale Beatmung benutzt wird [E4]: – Frequenz 60/min. – PIP: 20 – 25 – 30 cmH2O. – PEEP: 4 – 6–8 cmH2O. – Tinsp.: 0,4–0,5 s. – Falls nicht erfolgreich: Blähen, s. o. • Wird Beutel benutzt: Anfangs hoher Druck (bei NG in Ausnahmefällen, z. B. Anhydramnie, bis zu 60 cmH2O Druck erforderlich), nach 3 – 4 Atemzügen – Thorax hat sich gehoben – Druck rasch reduzieren. ▶ Atmung: • Sauerstoff: Anfangen mit FiO2 0,21 bei reifen Neugeborenen (evtl. 0,3 bei Frühgeborenen) [E1]. Wird eine höhere Sauerstoffkonzentration verwendet, möglichst rasch reduzieren (ab SaO2 von ca. 90 %). Ein hoher paO2 reduziert die Gehirnperfusion für Stunden! Kontrolle mittels Pulsoxymeter an der rechten Hand (präduktal). Sauerstoffsättigung > 95 % vermeiden! Immer auf Einsetzen der Spontanatmung (physiologische Thoraxexkursionen) achten! • Spontanatmung, evtl. unter Vorlage von Sauerstoff. Kontrolle von SaO2 zur Vermeidung einer Hyperoxämie! Dauer dieser Phase individualisieren. ▶ Cave: Gefahr eines PPHN-Syndroms (S. 307)! ■

• Maskenbeatmung (falls erforderlich): – Beginn mit FiO2 0,21, ggf. stufenweise erhöhen. – Eigenatmung synchron durch Maske unterstützen: Frühgeborene ca. 15 cmH2O, Neugeborene ca. 20 cmH2O. Pulsoxymeter anlegen! • CPAP und/oder Beatmung mit Maske oder Rachentubus, z. B. mit Perivent. • Indikationen zu Intubation (S. 20) und Beatmung (S. 227): Gilt nur als Hinweis, individuelle Abweichungen häufig [E4]: – Maskenbeatmung insuffizient, Bradykardie. – FiO2 > 0,5, PIP > 20 cm H2O bei FG < 1500 g. – In der Regel FG < 26 SSW. Alternative: Surfactantgabe über Sonde unter Spontanatmung/nicht-invasiver Beatmung. – PaCO2 > 60 mmHg. – Tracheales Absaugen erforderlich (z. B. Mekoniumaspirationssyndrom). – Schock (Volumenmangel oder Sepsis). – Bei Zwerchfellhernie, Gastroschisis, Omphalozele sofort ohne Maskenbeatmung. – Ungesicherter längerer Transport. • Beatmung: – Beatmungsdruck: Beginn 20/4, Frequenz ca. 60. Druck bald reduzieren bzw. erhöhen, falls erforderlich (PEEP 5 cmH2O). – Möglichst sparsam diskonnektieren! ▶ Cave: Falls Thorax sich nicht hebt, an Pneumothorax (S. 217) (Kaltlicht-Diapha■ noskopie) und Tubusfehllage denken. ▶ Tipp: Beatmung so wählen, dass Kind gerade nicht mehr mitatmet, dann liegt paCO2 ■ meist im korrekten Bereich von 40 – 50 mmHg. ▶ Surfactant: Abhängig von lokalen Gegebenheiten wie der Aufenthaltsdauer im Erstversorgungsbereich oder dem notwendigen Transport. In der Regel erst auf Station nach Kontrolle der Tubuslage. Davon abweichend bei FG < 28. SSW, sicher korrekt liegendem Tubus und gegebener Indikation (S. 212) bzw. nicht-invasiv (S. 25) im Kreißsaal. Kontinuierliche Überwachung der Sättigung! ▶ Bei Apnoe Indikation für Naloxon prüfen: Dosis 0,01 mg/kg KG Narcanti i. v., s. c., i. m. Hinweis: Nie bei Kindern drogenabhängiger Mütter wegen der Gefahr eines Krampfanfalles. ▶ Thoraxkompression (Herzmassage), wenn nach 30 sec suffizienter Beatmung noch Bradykardie < 60/min: • Kontrolle von Tubuslage und Beatmung (Pneumothorax?). Merke: Die Reanimation des NG ist fast immer eine pulmonale Reanimation, d. h., bei Bradykardie Beatmung verbessern! • Bei Anstieg der Herzfrequenz Thoraxkompression eher noch hinauszögern, früh anfangen nur bei Asystolie. • Eindrücken des Thorax unterhalb der Intermamillarlinie, ca. ⅓–½ des sagittalen Thoraxdurchmessers • Thoraxkompression:Beatmung – 3:1 (120 Aktionen/min). • Suprarenin, wenn nach 30 sec Thoraxkompression HF noch < 60 (extrem selten erforderlich). ▶ Infusion von Glukose 10 %: 3 ml/kg KG/h. ▶ Kontrolle des Blutdruckes (MAD < 30 mmHg): Dinamap misst falsch niedrig bei reiferen Kindern. Neu- und Frühgeborene mit guter Hautperfusion und muskulärem Tonus benötigen keine Therapie, s. Kap. Blutdruck (S. 302). • Hypovolämie oder Schock (lange kapilläre Füllungszeit > 3 s)? • Anamnese: Blutverlust? Fetofetale Transfusion? Akute perinatale Asphyxie, vorzeitige Plazentalösung? • NaCl 0,9 % 10 ml/kg KG möglichst rasch (u. U. aus der Hand). Ggf. wiederholen. • Bei niedrigem Hämatokrit oder nach Plazentalösung Transfusion von Erythrozytenkonzentrat (0 rh neg., CMV-PCR neg.).

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

143

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.3 Erstversorgung im Kreißsaal

▶ Bedenke: Nach Nabelschnurkompression oder vorzeitiger Plazentalösung ist das ■

NG meist hypovolämisch, braucht also Volumen! ▶ Temperaturkontrolle am besten kontinuierlich über Rektal- und/oder Hautsonde. Wärmestrahler, warme Tücher, Mütze, Plastikfolie bei FG < 28 SSW/1500 g, Wärmematten mit Temperaturregulation. Vermeiden von Zugluft: Türen zu! ▶ Cave: Asphyktische reife NG nie über 36,5 °C, siehe Kühlung (S. 174), aber erst küh■ len, wenn Indikation gesichert. In Folie und bei Versorgung auf der „Giraffe“ werden auch kleinste Frühgeborene häufig zu warm. ▶ Laborwerte: Blutgase, Blutzucker, Hämatokrit, Abstriche, evtl. Blutkultur. Antibiotika im Kreißsaal bei starkem Infektionsverdacht oder langem Transport. ▶ Dokumentation im Reanimationsprotokoll (S. 477). ▶ Falls Transport erforderlich: • Langsam und erschütterungsfrei fahren. • Kopf auf Wasserkissen lagern bzw. Kind in Lagerungsmatratze fixieren. • Ist der Nabel gut abgebunden? Mit Nabelklemme gut sichern! • Bei beatmetem Kind: – Sättigung SaO2 85 – 95 %. – Atmet Kind gerade noch mit, dann kann paCO2 nicht zu niedrig sein. – Blutdruck? Kap. Füllungszeit < 3 s? ▶ Cave: Tubusdislokation: Tubus gut fixieren! Tubusmarke auf Diagramm nach■ sehen. Tab. 7.7 • Medikamente bei der Erstversorgung bei deprimierten NG und/oder FG im Kreißsaal. Medikament

Dosierung

Applikation

3 ml/kg/h

Dauerinfusion, Beginn nach Geburt innerhalb von 10 min

NaCl 0,9 % oder RingerLaktatlösung

10 ml/kg KG

nur bei V. a. Hypovolämie möglichst rasch, bis Effekt auf Kreislauf

Naloxon (Narcanti 0,4 mg/ml)

0,01 mg/kg KG

i. v., i. m. bei opiatinduzierten Apnoen Cave: HWZ < Opiate! → u. U. Wiederholung nötig Nie bei maternalem Drogenabusus wegen Krampfgefahr

Adrenalin 1:10 000! Suprarenin 0,1 ml/1 ml NaCl 0,9 %

i. v. 0,1–0,3 ml/kg KG/ ED wiederholt, alle 3–5 min (intratracheal 0,5–1 ml)

Asystolie, refraktäre Bradykardie nur 1:10 verdünnt verwenden; intratracheale Gabe nicht mehr empfohlen!

Antibiotikum, z. B. Cefotaxim oder Amoxicillin

50 mg/kg KG Initialdosis

in Ausnahmefällen bei konnataler Sepsis Beachte: Listerien sind resistent gegen Cefotaxim! 30 % der E. coli sind Amoxicillin-resistent

Phenobarbital Luminal 200 mg/ml

5- 10 mg/kg KG, ggf. wiederholen

bei Krampfanfällen, selten erforderlich!

Analgosedierung

Siehe Beatmung (S. 230)

Zur Intubation, falls i. v. Zugang vorhanden

Surfactant

Siehe Beatmung (S. 212)

Alveofact muss nicht gekühlt sein

Stets: Glukose 10 % Nur bei Indikation:

144

7.4 Besonderheiten bei extrem unreifen Frühgeborenen Genzel, Roll

Pränatale Vorbereitung ▶ Transport der Schwangeren in ein Perinatalzentrum Level 1 vom Kreißsaal zur Intensivüberwachung, mit guten Strukturen und erfahrenem Personal. ▶ Pränatale Diagnostik: • Gewichtsschätzung, Fehlbildungen, Infektionsanamnese, Bewegungsmuster des Kindes (biophysikalisches Profil). • Bei V. a. Amnioninfektionssyndrom (Wehen, Blasensprung) Diagnostik (S. 247) einschließlich Ureaplasmennachweis. ▶ Kontaktaufnahme von Eltern, Geburtshelfern und Neonatologen. Ziel dieser Gespräche: • Unsicherheit und Ängste nehmen. • Vermittlung einer realistischen Einschätzung anhand eigener Ergebnisse. • Die Wünsche der Eltern erfragen und (juristische) Grenzen (S. 87) bei der Berücksichtigung dieser Wünsche (S. 92) erläutern (siehe auch AWMF-Leitlinie 024–019).

Reanimationsstrategie ▶ Als Faustregel bei gesichertem Gestationsalter (exakte Anamnese!) gilt: • < 23 SSW: Extrem hohe Mortalität, aktive Intervention wird kontrovers diskutiert. • 23 + 0 bis 23 + 6 SSW: – Nach ausführlicher Diskussion von Geburtshelfern und Neonatologen mit den Eltern und unter Berücksichtigung gemeinsamer vorab getroffener Entscheidung aktive oder palliative Versorgung. – Neben dem Gestationsalter auch Prognosefaktoren geschätztes Gewicht, Geschlecht, Mehrlingsstatus, Lungenreifebehandlung berücksichtigen. – „Vitale“ Kinder müssen versorgt werden. • ≥ 24 + 0 SSW: Aktive Maßnahmen, Reanimation. ▶ Beachte: Die Situation im Kreißsaal erlaubt keine abgewogene Entscheidung, ■ wenn eine Schwangere akut zur Geburt hereinkommt. Deswegen im Zweifelsfall Ventilation, Oxygenierung und Perfusion sichern und die weitere Entscheidung später treffen! Bei einem 1-Minuten-Apgar von 1 ist die Mortalität sehr hoch. Sonst kann anhand der Präsentation des Frühgeborenen an der Grenze der Überlebensfähigkeit direkt nach der Geburt keine Aussage über die Prognose gemacht werden (www.leitlinien.net).

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.4 Besonderheiten bei extrem unreifen Frühgeborenen

Versorgung im Kreißsaal ▶ Personelle Voraussetzungen: Ein Neonatologe, ein zweiter Kinderarzt und eine Pflegekraft. ▶ Räumliche Voraussetzungen: Beheizter Raum ohne Zugluft, viel Wärme, Temperaturkontrolle. ▶ Vorgehen: • Spätes Abnabeln (30 sec) unter Plazentaniveau, wenn nicht möglich, Nabelschnur 4x ausstreichen. Kind ohne Abtrocknen in Folie hüllen, um Wärme- und Wasserverluste zu vermeiden. Dann vorsichtige taktile Stimulation. • Blähen mit Maske, Rachentubus, Prongs oder nasaler Maske. Rachentubus (S. 20) zum leichteren Einführen evtl. über Magensonde vorschieben. ▶ Cave: Benzin gar nicht, Alkohol nur extrem zurückhaltend (besser gar nicht) ver■ wenden. Bei Frühgeborenen < 30 SSW Verätzungsgefahr! Alternative: Octenisept.

145

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.5 Hydrops fetalis

• Indikation zur Surfactantgabe (unter optimalem Monitoring) großzügig stellen (Surfactantapplikation unter Spontanatmung mit Applikator oder nach Intubation). • Auf Tubus und Zugänge gut achten, da die Hautunreife eine gute Fixierung erschwert; trotzdem Pflaster sehr zurückhaltend verwenden. Verwendung von Gelelektroden (z. B. Arbo Neonatal ECG Electrodes der Fa. Kendall) zur EKG-Ableitung, ggf. Verzicht auf EKG-Elektroden. • Transport-Beatmungsmaschine falls möglich mit Befeuchtung und Anwärmung der Atemluft (F120, Fa. Stephan), sonst nur kurze Transportwege planen. • Evtl. mehrlumigen Nabelvenenkatheter (S. 31), z. B. Medex, verwenden. • Blutdruckstabilisierung noch im Kreißsaal wird kontrovers diskutiert: – Tolerierte Untergrenze: Mitteldruck = SSW (bei blutiger Messung), 30 mmHg; bei Messung mit Dinamap. Werte < 30 ungenau, Normwerte (S. 302). – Klinische Symptomatik beachten: Lebhaftes Kind hat ausreichenden Blutdruck. Kapilläre Füllungszeit beachten. – Bei stabilem Kind ggf. „Hypotonie“ tolerieren (aktuelle Kontroverse). • Vorgehen: – NaCl 0,9 % zur Blutdruckstabilisierung, max. 30 ml/kg/Tag. – Ausgleich akuter Blutverluste mit Erythrozytenkonzentrat. ▶ Cave: Hyperglykämie mit Glukosurie und dadurch bedingtem Flüssigkeitsver■ lust. • Beim Anlegen der Blutdruckmanschette und des SaO2-Sensors auf Druckstellen und periphere Zirkulation achten. • Versorgung im Omnibed (GE) mit Transportwagen exep vermeidet den Stress durch Umlagerung. Das Kind lässt sich darauf im Kreißsaal versorgen, wiegen und ohne Umlagerung auf die Intensivstation verlegen. • Vor dem Transport zur Station Kind den Eltern zeigen und Fotos machen. • Möglichst viele der notwendigen Blutproben aus der Nabelschnur entnehmen. Cave: Der Hämatokrit ist bis zu 10 % niedriger als der von venös abgenommenen Blutproben. Aufgrund von Gerinnungsvorgängen werden die Thrombozyten häufig falsch niedrig bestimmt. • Frühzeitige Information des Intensivteams, damit der Platz gerichtet ist.

7.5 Hydrops fetalis Genzel, Roll

Definition ▶ Hydrops fetalis beschreibt ein generalisiertes Ödem des Fetus oder Neugeborenen, meistens begleitet von Aszites und/oder Pleura- und Perikardergüssen.

Ursachen ▶ In der Vergangenheit war der Hydrops fetalis zumeist durch eine hämolytische Anämie bei Rh-Inkompatibilität bedingt, inzwischen überwiegen Herzinsuffizienz, Infektionen und Anämien anderer Genese. ▶ Anämie (ca. 10 %): Isoimmune hämolytische Anämie, α-Thalassämie, homozygote G-6-PD-Defizienz, chronischer fetaler Blutverlust (fetomaternal oder fetofetal), Blutungen, Thrombosen, Knochenmarkdepression (z. B. pränatale Parvovirus-B19-Infektion), Leukämie. ▶ Kardiovaskuläre Erkrankungen (ca. 20 %): Rhythmusstörungen, schwere Herzfehler (hypoplastisches Linksherz, Ebstein-Anomalie, Truncus arteriosus), Myokarditis (z. B. durch Coxsackie-Virus), endokardiale Fibroelastose, kardiale Tumoren und Thrombosen, arteriovenöse Fehlbildungen, vorzeitiger Verschluss des Foramen ovale. 146

▶ Pulmonale Erkrankungen (ca. 5 %): Hydrothorax (postnatal dann Chylothorax), Zwerchfellhernie, pulmonale Lymphangiektasie, zystische adenomatoide Malformationen, intrathorakaler Tumor. ▶ Gastrointestinale Erkrankungen (ca. 5 %): Mekoniumperitonitis, Volvulus, Atresien. ▶ Renale Erkrankungen (ca. 5 %): Nephrose, Nierenvenenthrombose, Nierenhypoplasie, Harnwegobstruktion. ▶ Chromosomale Erkrankungen (ca. 10 %): Morbus Turner und Noonan-Syndrom, Trisomie 13, 18, 21, Triploidie, Aneuploidie. ▶ Infektionen (ca. 8 %): Syphilis, Röteln, CMV, kongenitale Hepatitis, Herpes, Adenoviren, Toxoplasmose, Leptospiren, Parvovirus-B19. ▶ Erkrankungen und Fehlbildungen von Plazenta oder Nabelschnur (selten, ca. 2 %): Chorangiom, Nabelvenenthrombose, arteriovenöse Fehlbildungen, Chorionvenenthrombose, Nabelschnurkompressionen durch einen wahren Knoten, Chorionkarzinom. ▶ Maternale Erkrankungen (ca. 5 %): Diabetes mellitus, Thyreotoxikose. ▶ Sonstige Erkrankungen (ca. 10 %): Zystisches Hygrom, Wilms-Tumor, Angiom, Teratom, Neuroblastom, ZNS-Anomalien, amniotische Schnürfurche, lysosomale Speicherkrankheiten, kongenitale myotonische Dystrophie, Skelettfehlbildungen (Osteogenesis imperfecta, Achondrogenesie, Hypophosphatasie, thanatophorer Zwergwuchs), Akardie, fehlender Ductus venosus. ▶ Unbekannt (ca. 20 %).

Pränatale Maßnahmen ▶ Beachte: Da das Risiko des pränatalen Absterbens hoch ist, sollte das pränatale Ma■

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.5 Hydrops fetalis

nagement alle diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten einschließen! ▶ Wenn möglich, pränatale Therapie (fetale Transfusion bei Anämie, mütterliche Digitalisgabe bei Arrhythmie, evtl. Laserkoagulation verbindender Gefäße bei fetofetaler-Transfusion). ▶ Ist keine pränatale Therapie möglich, Abwägung des Frühgeburtsrisikos gegen intrauterinen Tod. ▶ An Lungenreifebehandlung denken! ▶ Bei ausgeprägten Pleura- bzw. Peritonalergüssen verbessert eine ultraschallgesteuerte pränatale Entlastungspunktion unmittelbar vor Geburt die postnatale Versorgung!

Probleme der Erstversorgung ▶ Intubationsprobleme bei massivem Ödem des Kopfes, des Halses und des Rachenraumes. Auch kleinere Tuben bereitlegen! Führungsstab für orale Intubation bereithalten. Evtl. EXIT-Prozedur und Intubation mit Bronchoskop nach Geburt des Kopfes, vor Entwicklung der Plazenta. ▶ Ateminsuffizienz wegen Erguss, Aszites, hypoplastischer Lungen und Surfactantmangel. ▶ Herzinsuffizienz. ▶ Beachte: Die Erstversorgung eines Neugeborenen mit Hydrops fetalis hat mehr Aus■ sicht auf Erfolg, wenn sie gut vorbereitet ist. Die Geburt erfolgt in der Regel nicht überraschend.

Maßnahmen vor der Entbindung ▶ Zeitpunkt der Entbindung erfragen. ▶ 2. und evtl. 3. Neonatologen/Pädiater hinzuziehen. ▶ Bestellen von Blutprodukten und Vorbereitung der Transfusion bei Anämie: Bei Anämie zuerst Transfusion von Erykonzentrat zur Hkt-, Blutdruck- und Beatmungsstabilisation. Dann ggf. Austauschtransfusion (S. 60). ▶ Station informieren. Übliche Vorbereitung, arterielle und venöse Blutdruckmessung auf Station richten lassen. 147

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.5 Hydrops fetalis

▶ Checkliste Erstversorgungszubehör: • Vorbereitung der evtl. orotrachealen Intubation mit Trokar, Richten des fiberoptischen Bronchoskops. • Erythrozytenkonzentrat und AB-Plasma bereitstellen, aufgewärmt? • 20 ml Erythrozytenkonzentrat über Filter aufziehen (Filter des AT-Blutsystems). • Instrumente zum Katheterlegen vorhanden? Katheter-Set (arteriell/venös) vorbereitet? • 50 ml Glukose 10 % für Infusion aufgezogen? • Reanimationstisch steril abgedeckt? • Checkliste Reanimation durchgehen. • 5 20-G-Abbocaths für evtl. Aszitespunktion, Pleurapunktion, Pneumothoraxentlastung vorbereiten. • Röhrchen für die Diagnostik vorbereiten und beschriften (1. AT-Portion und 5 ml Heparinblut aus Plazenta bzw. Nabelvene). • Dobutamin als DT-Lösung bereitlegen. • Surfactant bereithalten. ▶ Aufgabenverteilung festlegen: • Intubation und Beatmung: Intubation durch den Erfahrensten! • Pleura- bzw. Aszitespunktion: Durchführung mit 20-G- (rosa) oder 16-G-Abbocath (grau). Nach Punktion der Pleura bzw. des Peritoneums Nadel entfernen, Plastikteil vorschieben, mit Dreiwegehahn und 20-ml-Spritzen versehen und Luft bzw. Flüssigkeit abziehen. Drainagen, falls nötig, in Ruhe nach erfolgter Stabilisierung legen, evtl. erst auf Station. • Nabelkatheterisierung, diagnostische Blutentnahme (Plazenta, Kind), Austausch. • Orts- und sachkundige Hilfskraft (Pflege, Hebamme). • Ortskundiger Bote (Notfall-Labor usw.). ▶ Beachte: Sämtliche Vorbereitungen müssen vor Beginn der Geburt abgeschlossen sein! ■

Maßnahmen nach der Geburt ▶ ▶ ▶ ▶

Apgar-Uhr starten. Primäre Intubation! Nie Maskenbeatmung versuchen, da in der Regel erfolglos! Monitorüberwachung mit EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung. Pleura- bzw. Aszitespunktion, wenn Beatmung sonst unmöglich: • Pleurapunktion: Punktion 4. – 5. ICR, hintere Axillarlinie, nach dorsal zielen (rechts cave: Leber!). • Aszitespunktion (S. 49): Punktion linker lateraler Unterbauch mit 20-G-Abbocath (rosa). Aszites langsam ablassen. • Ggf. Perikarderguss abpunktieren: Kanüle 20 G, 22 G von subxiphoidal flach Richtung linke mittlere Klavikularlinie schieben. ▶ Nabelvenenkatheter: Katheter 3,5, besser 5 Ch, möglichst doppellumig. • Katheterlage beurteilen siehe Methodenteil (S. 27): – Ließ er sich frei weit einführen, liegt er wahrscheinlich in der V. cava inferior. – Bei federndem Widerstand Katheterlage oft in Pfortader, manchmal intrakardial. Katheter zurückziehen, bis sich Blut aspirieren lässt, Austausch möglich, aber keine Infusionstherapie. • Blutentnahme für Ausgangswerte (Blutgruppe, Neugeborenenscreening, Gesamteiweiß, Hämatokrit, Elektrolyte mit Kalzium, Bilirubin, Blutgase, Gerinnung, Heparin-Blut, EDTA-Blut, Serum). • Messung des ZVD. • Bei Anämie 5 ml/kg KG Erythrozytenkonzentrat (0 rh neg.) in Nabelvene ohne vorherigen Aderlass. ▶ Nabelarterienkatheter legen. ▶ Bei Anämie Austauschtransfusion mit Erythrozytenkonzentrat 0 rh neg. (Portionen mit einem Volumen von 2 – 3 ml/kg KG) bis Hämatokrit > 35 %; Defizitaustausch bei Zeichen des Lungenödems. 148

▶ Infusion von Glukose 10 % 5 ml/kg KG/h = 8,3 mg/kg KG/min; das Gewicht der 50 %Perzentile des entsprechenden Gestationsalters annehmen, nicht das hydroptische Geburtsgewicht! ▶ Furosemid (Lasix) 1 – 2 mg/kg KG i. v. ▶ Verlegung nur in stabilem Zustand: Hämatokrit > 35 %, pH > 7,25, intubiert, sicher beatmet.

Maßnahmen auf der Neugeborenen-Intensivstation ▶ ▶ ▶ ▶

Aufnahme möglichst in offene Einheit bzw. Omnibett statt Inkubator. Labor: Blutgase, Hämatokrit, Blutgerinnung, Blutzucker, Bilirubin. Blutdruck (arteriell und venös). Partielle Austauschtransfusion (S. 60): • Bei Anämie (Hämatokrit < 30 %) mit 50 – 80 ml/kg KG Erythrozytenkonzentrat (bestrahlt), um den Hämatokrit und die Sauerstofftransportkapazität zu erhöhen. • Bei Rh-Inkompatibilität 0 rh neg. Blut in AB-Plasma, gekreuzt gegen kindliches Blut und mütterliches Serum. • Menge: 2 – 3-faches Blutvolumen, Portionen von ca. 2 – 3 ml/kg KG, pro Zyklus ca. 3 min. • Dauer: Ca. 2 – 3 h bei Hyperbilirubinämie (nicht zögern, Kernikterusgefahr bei Hämolyse). ▶ Röntgen Thorax und Abdomen: Lunge? Erguss? Venen- und Arterien-Katheter-Lage? ▶ Cave: Lungenödem während der Austauschtransfusion (AT): Gesamteiweiß steigt → ■ Hypervolämie. Therapie: Furosemid (Lasix) 2 mg/kg KG i. v., Überdruckbeatmung mit PEEP bis max. 10 cmH2O. Evtl. Dobutamin. Nach AT in jedem Fall noch einmal Furosemid (Lasix) 2 mg/kg KG i. v. ▶ Laborkontrollen: • Blutzucker ½-stündlich! • Hämatokrit, Elektrolyte, Bilirubin nach 0 h, 2 h, 4 h usw., arterielle Blutgase. ▶ Beatmung: Unter Umständen sind nun rasch geringere Drücke möglich (VT beachten). Falls nicht, hat das Kind meist hypoplastische Lungen (evtl. HFOV und NO). ▶ Weitere AT je nach Bilirubin: Indikationsschema (S. 320) korrigiert für Azidose, Frühgeburt und Hypoproteinämie (im Zweifel austauschen). ▶ Vor AT jeweils Blut für weitere AT bestellen und kreuzen. ▶ Ursache des Hydrops klären. ▶ Organisation diagnostischer Maßnahmen aus dem vor der 1. AT entnommenen Blut. ▶ Bei supraventrikulärer Tachykardie (S. 295): Adenosin i. v.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.6 Zwerchfellhernie und Zwerchfelldefekt (CDH)

7.6 Zwerchfellhernie und Zwerchfelldefekt (CDH) Flemmer, Schmittenbecher

Grundlagen ▶ In fast 90 % liegt ein linksseitiger Defekt vor, meist posterior gelegen (Trigonum lumbocostale Bochdalek), selten zentral (Centrum tendineum) oder ventral (Foramen Morgagni oder Larry). Etwa 11 % liegen rechts, 2 % haben beidseitige Defekte. In der Mehrzahl der Fälle findet sich ein Zwerchfelldefekt, deutlich seltener ein peritonealer Bruchsack mit meist weniger ausgeprägter Klinik durch geringeres thorakales Organvolumen. ▶ Inzidenz: 1:2000 – 5 000. ▶ Mortalität (je nach Schwere der Lungenhypoplasie, Schwere der pulmonalen Hypertonie und assoziierten Fehlbildungen): < 30 %, abhängig vom Zentrum. Die Mortalität ist höher, wenn der linke Leberlappen nach thorakal verlagert ist.

149

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.6 Zwerchfellhernie und Zwerchfelldefekt (CDH)

▶ Die pränatale Bestimmung des Lungenvolumens in Relation zum Kopfumfang (lung to head ratio, LHR) verglichen mit Referenzwerten der SSW (O/E LHR) mittels Ultraschall und/oder MRT ist für die pränatale Beratung erforderlich. ▶ In 40–50 % der Fälle weitere Malformationen: • Insbesondere Neuralrohrdefekte, Herzfehler und intestinale Mal- bzw. Nonrotationen. • Auch Assoziation mit Trisomie 13, 18 und 45 XO, außerdem mit Syndromen wie: – Goldenhar. – Wiedemann-Beckwith. – Pierre Robin. – Goltz-Gorlin. – konnatalem Röteln-Syndrom. • Kann familiär gehäuft auftreten (selten). ▶ Pränatale sonografische Diagnose in bis zu 90 % der Fälle. Pränatal sonografisch von einer Zwerchfellrelaxation nicht sicher zu unterscheiden. Diese hat allerdings eine wesentlich bessere Prognose. Ein pränatales Polyhydramnion ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert. ▶ Als pränataler Therapieversuch nur im Rahmen randomisierter Studien kann mit einem fetoskopisch eingesetzen Ballon die Trachea verschlossen werden (Ziel: Dehnung der hypoplastischen Lunge). In Europa bisher nur in Gießen, Leuven, Brüssel, Barcelona und London. Der Ballon wird pränatal fetoskopisch platziert und im Rahmen einer EXIT-Prozedur bei Geburt entfernt. • Bei pränataler Diagnose vor der 20. SSW sollte die Studienteilnahme bzw. ein Therapieversuch mit den Eltern und dem entsprechenden Zentrum diskutiert werden. • Entbindung eines Kindes mit einer pränatal bekannten und als schwerwiegend (O/E-Lungenvolumen < 35 %) eingeschätzten Zwerchfellhernie sollte in einem Zentrum mit ECMO-Möglichkeit (Extrakorporale Membranoxygenierung) erfolgen: In Deutschland z. B. in Mannheim, München-Großhadern, Bonn. ▶ Bei pränataler Diagnostik ausführliche Beratung der Eltern mit Geburtshelfer, Neonatologen und Kinderchirurgen. Unbedingt Ausschluss weiterer Fehlbildungen und Chromosomenanalyse. ▶ Bei Geburt vor 34. SSW antenatale Steroid-Prophylaxe indiziert. ▶ Keine absolute Indikation für elektive Sectio caesarea, aber engmaschige Kontrolle um den Termin. ▶ Beachte: Rechtzeitiges Eintreffen in der Klinik bei Wehenbeginn, um gute Vorberei■ tung zu ermöglichen. Entbindung unbedingt in einem Perinatalzentrum Level I.

Maßnahmen vor der Entbindung

150

▶ Mindestens 2 Pädiater und „Springer“ in Reanimationsbereitschaft. ▶ Diensthabende Oberärzte der Kinderchirurgie und Anästhesie informieren, ggf. entsprechende Kinderklinik bezüglich einer ECMO (S. 240) konsultieren. ▶ Vorbereitung zur Erstversorgung: • Checkliste wie zur üblichen Reanimation. • Zusätzlich bereithalten: – Nabelarterienkatheterset und 2–3-lumigen Katheter. – Pleuradrainagen, Sog. – Dicke Magensonde. – Arterenol-Dauerinfusion: Gewünschte Dosis 0,05 – 0,1 μg/kg KG/min, in hohen Dosen ausnahmsweise 1-2-4 μg/kg KG/min 7,5 ml Arterenol = 7,5 mg = 7 500 μg auf 25 ml mit Aqua dest., NaCl 0,9 % oder G 5 % aufziehen: → 0,1 ml/kg KG/h entspricht 0,5 μg/kg KG/min → 0,2 ml/kg KG/h entspricht 1,0 μg/kg KG/min → 0,4 ml/kg KG/h entspricht 2,0 μg/kg KG/min → 0,8 ml/kg KG/h entspricht 4,0 μg/kg KG/min. eit.

Postnatale Symptome ▶ ▶ ▶ ▶

Atemnot und Zyanose. Evtl. Darmgeräusche im Thorax. Kind mit „großem Thorax und eingefallenem Abdomen“. Kleine Defekte (z. B. rechts oder substernale Morgagni- oder Larrey-Hernien) mit Trinkstörungen und milder Atemstörung können manchmal blande sein. ▶ Mediastinalverlagerung.

Maßnahmen nach der Geburt ▶ Ruhe bewahren!

▶ Cave: Keine Maskenbeatmung. ■

▶ Rasche Intubation. Cave: Überblähung der kontralateralen Lunge vermeiden, da Gefahr des Pneumothorax. ▶ Absaugen und Abtrocknen. ▶ Großlumige Magensonde legen. ▶ Möglichst Transporte vermeiden. Z. B. Erstversorgung auf Station, falls Kreißsaal direkt der Station benachbart.

Maßnahmen auf der Neugeborenen-Intensivstation ▶ Beatmung: • Ziel: möglichst schonende Beatmung mit geringstmöglichem Spitzendruck bzw. Tidalvolumen und angepasstem FiO2. • Zielbereiche für Blutgasanalysen je nach Situation, evtl. permissive Hyperkapnie (SpO2 80–85–95 %; pCO2 45–60 mmHg; pH > 7,2). • Beatmungsparameter: PIP möglichst ≤ 25 cmH2O, PEEP 3–5 cmH2O entsprechend dem Dehnungszustand der kontralateralen Lunge, Atemfrequenz an Flowkurve angepasst wählen. Ziel-Vt exspiratorisch bei 3-4 ml/kg KG. • Sedierung mit Morphin oder Fentanyl (senkt pulmonalen Gefäßwiderstand). • Relaxierung wird nicht routinemäßig empfohlen. Alternativ oder additiv kann mit HFOV (S. 234) beatmet werden. ▶ Bei PPHN-Symptomatik (Rechts-Links-Shunt, präduktale O2-Sättigung > postduktale) iNO-Beatmung versuchen. Hat aber keinen sicheren Effekt bei CDH-Patienten. ▶ Systemischer Blutdruck sollte zunächst im altersentsprechenden Normbereich liegen. Bei PPHN mit Arterenol auf systolisch 60 – 70 mmHg halten, ggf. Dobutamin verabreichen. Zusätzlich evt. Volumengabe. ▶ Cave: Sekundäre respiratorische Verschlechterung nach „honeymoon“. Kann Zei■ chen des Rechtsherzversagens sein, dann Prostaglandin E2 erwägen, um Duktus arteriosus Botalli offen zu halten. ▶ Wenn das Kind stabil, aber unter Ausnutzung der Beatmungsmöglichkeiten schlecht zu oxygenieren ist, ECMO erwägen (Überlebensrate > 80 %,). • Kriterien hierfür sind: – > 36. SSW, > 1800 g. – Keine Hirnblutung Grad III oder Parenchymbeteiligung (Grad IV). – Kein Herzfehler. – Alveoloarterieller O2-Gradient AaDO2 = [Barodruck – 47 mmHg – paO2 – paCO2] : FiO2 : ≥ 600 für 6 – 8 h. – Oxygenierungsindex (OI = [PMAD × FiO2 : paO2] × 100): > 40 – 45 für 4 h. • Kinder mit primär schlechtem Verlauf profitieren wahrscheinlich weder von einer ECMO noch von einer Notfall-OP. ▶ Postnatal sonografisch und auf der Übersichts-Röntgenaufnahme lassen sich Magen, Darm oder Leber im Thorax darstellen (Abb. 7.1). ▶ Operation: • Am sichersten werden Kinder mit CDH ohne weitere Verlegung und ohne Wechsel des Beatmungsgerätes operiert. Die hypoplastische Lunge kann dann langsam in den betroffenen Hemithorax wachsen. Ein postoperativer Serothorax bedarf in de

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.6 Zwerchfellhernie und Zwerchfelldefekt (CDH)

151

7.7 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

Abb. 7.1 • Zwerchfellhernie: Luftgefüllte Darmschlingen im linken Thorax. V. a. Dislokation der Milz parakardial links. Nebenbefund: Korrekt liegender Nabelarterienkatheter. Fehllage des Nabelvenenkatheters in der V. portae.

• Die Wahl des OP-Zeitpunktes variiert und ist vom klinischen Zustand abhängig. Siehe auch Leitlinie „Zwerchfelldefekt“ der DGKCh (http://www.awmf.org/leitlinien/ detail/ll/006–087.html).

7.7 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische

Enzephalopathie Thilmany, Flemmer

Definitionen ▶ Asphyxie • Vgl. hierzu http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024-023.html. • Leider gibt es keine einheitliche Definition. Man spricht im Allgemeinen von einer Asphyxie, wenn es im Rahmen der Geburt zu einer Störung des Gasaustausches mit nachfolgender schwerer Azidose (S. 109) und einer Störung von Organfunktionen des Neugeborenen kommt. • Hinweise auf eine Asphyxie sind: – Apgar < 6 mit 5 Minuten und/oder Nabelarterien-pH < 7,10 und/oder Basenexzess > 16 mmol/l. – Und in der unmittelbar postnatalen Periode neurologische Symptome wie Krampfanfälle, Hypotonie, Lethargie, Koma als Hinweise auf eine hypoxischischämische Enzephalopathie (HIE). – Hinweise auf eine Organfunktionsstörung: PPHN, ANS, Nierenversagen, NEC, DIC, Herzinsuffizienz. ▶ Beachte: ■ – Da der Begriff erhebliche forensische Implikationen hat, sollte er sehr restriktiv gebraucht werden! – Ein niedriger pH-Wert ≤ 7,0 oder ein BE ≥ 12 im Nabelarterienblut sind Risiko152

– Der 1-Minuten-Apgar-Wert hat keine prognostische Bedeutung. – Auch ein 5-Minuten-Apgar < 3 mit einem 10-Minuten-Apgar ≥ 4 schließt eine normale neurologische Entwicklung nicht aus (99 % ohne Zerebralparese mit 7 Jahren). – 10-Minuten-Apgar < 6 → neurologische Prognose deutlich eingeschränkt. – 10-Minuten-Apgar = 0 → Prognose in der Regel infaust. – Es gibt keinen verlässlichen Laborwert, der das Ausmaß einer HIE abschätzen lässt. ▶ Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) • Von der perinatalen Asphyxie muss die hypoxisch-ischämische Enzephalopathie abgegrenzt werden. Sie ist die Folge eines Substratmangels des Gehirns und zeigt sich in einer Funktionsstörung des Gehirns. Die retrospektive Diagnose einer HIE ist wahrscheinlich, wenn postnatal eine schwere Azidose vorgelegen hat und früh klinische Zeichen einer schweren oder moderaten Hirnschädigung aufgetreten sind (Schweregradeinteilung nach Sarnat s. u.). • Hierzu zählen (entsprechend dem Sarnat-Score): – Hirnnervenfunktionsstörungen. – Bewusstseinsstörungen oder Krampfanfälle. – Pathologischer Tonus. – Pathologische Reflexe. • Später treten Zeichen der globalen Hirnschädigung, wie beispielsweise eine Zerebralparese, auf.

Ursachen

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.7 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie

▶ Nabelschnurkompression, -ruptur, ausgeprägte fetomaternale Transfusion, vorzeitige Plazentalösung. ▶ Mütterlicher Blutdruckabfall (PDA), Uterusruptur, Wehenkrampf, mütterliche Hypoxämie oder Anämie.

Erstversorgung im Kreißsaal ▶ Ziel der Behandlung eines potentiell asphyktischen Neugeborenen ist nach Etablierung eines normalen Gasaustausches die rasche Wiederherstellung der Organperfusion. ▶ Etablierung eines normalen Gasaustausches: • Sicherung der Atemwege, CPAP oder NIPPV, zunächst mit Maske/Rachentubus, falls nicht erfolgreich rasche Intubation. Bei Zeichen einer PPHN → iNO, bei radiologischen Zeichen eines ANS Surfactanttherapie erwägen. • Initial Versorgung mit Raumluft. Nur wenn präduktale SpO2 unter altersentsprechenden Referenzwerten liegt, ist eine sättigungsgesteuerte Sauerstoffzufuhr sinnvoll. • Keine Hyperventilation mit pCO2 < 20 – 25 mmHg. ▶ Normale Perfusion sicherstellen! • Eine Volumensubstitution ist nur indiziert, wenn klinische und anamnestische Zeichen für einen Volumenmangel des Neugeborenen sprechen. – NaCl 0,9 % 20 ml/kg KG in 20 – 30 min. – Bei akutem Blutverlust Erythrozytenkonzentrat (initial 10 ml/kg; 0 rh neg.). • Bei klinischen und echokardiografischen Zeichen einer postasphyktischen Herzinsuffizienz sollte der Einsatz von Inotropika erwogen werden. Cave: Hier können Volumengaben die Herzfunktion weiter beeinträchtigen. ▶ Ein medikamentöser Ausgleich einer metabolischen Azidose wird nicht mehr empfohlen, da dies eine intrazelluläre Azidose verstärken kann. ▶ Normale Glukosespiegel anstreben mit 75 – 100 mg/dl. Cave: Hypoglykämien verschlechtern das neurologische Outcome. ▶ Bei Krampfanfällen: Phenobarbital initial 2 × 10 mg/kg KG innerhalb von 12 h, dann (3 –)5 mg/kg KG/Tag i. v. oder enteral. 153

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.7 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie

▶ Aktuell wird empfohlen, bei einer perinatalen Asphyxie im Kreißsaal zunächst eine Normothermie anzustreben. Erst nach der Diagnose einer mittelgradigen oder schweren HIE ist eine Hypothermiebehandlung (S. 154) entsprechend einem durch Studien etablierten Protokoll indiziert.

Diagnostik ▶ EEG/aEEG: Innerhalb der ersten 6 h, zeigt ggf. Depression oder Burst-SuppressionMuster. ▶ Sonografie des Kopfes: • Innerhalb der ersten Stunden nach Geburt, dann täglich. • Fragen: Ausmaß des Hirnödems, Perfusion mit RI-Index (S. 70), Entwicklung einer IVH und späteren PVL? ▶ MRT: In den ersten 2 Wochen Zeichen von Ischämie, Myelinisierungsstörung, Gliose. ▶ Labordiagnostik bei Aufnahme eines Kindes auf Intensivstation (S. 160). Zusätzliche Leber-, Nierenwerte und Gerinnung. ▶ Beachte: Kein Laborparameter lässt die Prognose eines Kindes mit HIE verlässlich ■ abschätzen.

Therapie/Prophylaxe ▶ Konventionelle Therapie. Zu den Therapieprinzipien s. Tab. 7.8. Tab. 7.8 • Therapieprinzipien bei perinataler Asphyxie. Therapieziel

Vermeiden

Oxygenierung

Hyperoxämie

• paO2 40 – 70 mmHg

• paO2 > 70 mmHg

• Sauerstoffsättigung 85 – 95 %

• Sauerstoffsättigung > 95 %

Ventilation

Hypokapnie

• paCO2 40 – 50(– 60) mmHg

• paCO2 < 35 mmHg

Herz-Kreislauf • Arterielle Normotonie (S. 302)

• Hypotonie (S. 142)

Blutzucker, Elektrolyte • Normoglykämie • normale Serumelektrolyte

• Hypoglykämie (BZ < 47 mg/dl) • Hyperglykämie (BZ > 150 mg/dl) • Hyperkaliämie, Hyponatriämie

▶ Hypothermie: • Um eine postasphyktische sekundäre Schädigung des Gehirns zu vermindern, wird eine Hypothermie von 33,5 °C (± 0,5 °C) empfohlen (siehe AWMF Leitlinie 024–023, http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–023.html). • Beginnt die Hypothermie spätestens 6 h nach der Geburt und wird sie für 72 h durchgeführt, kann sie die neurologische Prognose eines Kindes mit mittelgradiger und schwerer perinataler Asphyxie verbessern [E1]. Die Hypothermie sollte nach durch Studien abgesicherten Protokollen in Perinatalzentren der höchsten Versorgungsstufe durchgeführt werden, da diese Kinder ein hohes Risiko für schwere Organfunktionsstörungen haben (Nieren-, Herz-, Lungenversagen mit PPHN). • Als ein Kriterium für die Verlegung in ein PNZ Level 1 gilt der Nachweis einer schweren perinatalen Azidose (AWMF-Leitlinie 024–002, http://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/024–002.html), Tab. 7.9. 154

▶ Kontraindikationen für Hypothermie: • Schwere angeborene Fehlbildungen. • Schwerste Asphyxie mit moribundem Kind. • Schwere intrakranielle Blutung. • Schwere, therapieresistente Gerinnungsstörung oder Thrombose. ▶ Beachte: Ein Kind mit „schlechtem“ pH-Wert (< 7,0), das sich nach der Geburt in ■ den ersten Lebensstunden neurologisch normal verhält, profitiert nicht von einer Hypothermie. Diese Kinder sollten aber in einem SPZ nachuntersucht werden, da sie in seltenen Fällen ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen haben. Tab. 7.9 • Kriterien für Hypothermie bei asphyktischen Kindern ≥ 36 SSW. Postnatal eines der folgenden Kriterien • Anamnestischer Hinweis auf asphyktisches Ereignis • Apgar nach 10 min < 5 • nach 10 min fortwährender Reanimation mit Intubation oder Maskenbeatmung • jeglicher arterieller pH-Wert ≤ 7,00 bis 60 min p.n. • jeglicher arterieller BE ≥ 16 mmol/l bis 60 min p.n. UND 3/6 klinischen Zeichen der HIE nach Sarnat & Sarnat (AWMF 024–023) • Bewusstseinsstörung: Lethargie, Stupor oder Koma • verminderte Aktivität

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.7 Perinatale Asphyxie / Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie

• Tonusstörung: hypoton oder schlaff • Störung primitiver Reflexe: Saugen, Moro, Greifen, vestibulookulärer Reflex • Störung autonomer Reflexe: Pupillen, Herzfrequenz, Atmung • Krampfanfälle (bestätigt durch EEG/amplitudenintegriertes EEG)

Prognose ▶ Die Prognose einer HIE lässt sich mit dem Sarnat-Score (1976) recht gut abschätzen: • Stadium 1: Hyperexzitabel, zittrig, wach → Restitutio ad integrum. • Stadium 2: Lethargie, Hypotonie, reflektorische Massenbewegungen, Krampfanfälle möglich → uneinheitliche Prognose, Spätschäden sind wahrscheinlich. • Stadium 3: Stupor, Koma, schlaffer Muskeltonus → Letalität ca. 80 %. ▶ Prognostisch schlechte Zeichen: • Apgar 0 – 3 nach 10 min. • Multiorganversagen. • Krampfanfälle innerhalb der ersten 12 h. • Schwere Allgemeinveränderungen oder „Burst-Suppression-Muster“ im EEG über > 7 Tage. • Hirnstammsymptomatik. • Fehlendes Saugen bei reifen Neugeborenen. • Fehlende oder abnorme VEP. • Sonografisch vermehrte Flussraten, verminderter RI-Index in der ACA. Der Thompson-Score (Tab. 7.10) dient außerdem der Prognoseabschätzung. ▶ Prognostisch gute Zeichen: • Rückgang der neurologischen Symptome innerhalb von 14 Tagen. • Normales Saugen. • Normales oder nur gering allgemein verändertes EEG innerhalb der ersten Tage. • Sarnat-Score 1. 155

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.8 Erstversorgung von Neugeborenen mit chirurgisch relevanten Fehlbildungen Tab. 7.10 • Thompson-Score*. Punkte

0

1

2

3

Muskeltonus

normal

hyperton

hypoton

schlaff

Vigilanz

normal

gesteigert

lethargisch

komatös

Krämpfe

keine

unregelmäßig, < 3/Tag

regelmäßig, > 3/Tag

Haltung

normal

„Fäusteln“

distale Flexion

Moro-Reflex

normal

partiell auslösbar

nicht auslösbar

Greifreflex

normal

schwach

nicht auslösbar

Saugreflex

normal

schwach

nicht auslösbar

Atmung

normal

Hyperventilation

Apnoen

Fontanelle

normal

leicht gespannt

stark gespannt

Dezerebration

Beatmung

Bei > 9 Punkten vor Beginn der Kühlung ist bei einer Sensitivität von 70 % und einer Spezifität von 96 % mit Spätschäden zu rechnen. *nach Thompson et al 1997. ©2008, John Wiley and Sons

7.8 Erstversorgung von Neugeborenen mit chirurgisch

relevanten Fehlbildungen Schmittenbecher

Grundlagen ▶ Folgende Fehlbildungskomplexe mit einer Gesamtinzidenz von < 2 % sind in der Neonatalphase von Bedeutung und zu berücksichtigen: • ZNS-Fehlbildungen. • Kardiovaskuläre Fehlbildungen. • Pulmonale und tracheobronchiale Fehlbildungen. • Gastrointestinale Fehlbildungen. • Bauchwand- und Zwerchfelldefekte. • Genitourethrale Fehlbildungen. • Gesichts- und Gaumenfehlbildungen. • Andere Fehlbildungen. ▶ Zeitliche Notwendigkeit der chirurgischen Intervention s. Tab. 7.11. Eine notfallmäßige OP mit Verlegung direkt aus dem Kreißsaal in den OP stellt heute eine absolute Seltenheit dar und wird nur noch für die Laparoschisis, aber auch hier kontrovers diskutiert. ▶ Teilweise ist jedoch im Kreißsaal ein spezifisches Vorgehen nötig, um Probleme zu vermeiden und die adäquate weitere Versorgung vorzubereiten. ▶ Bei bekannten Fehlbildungen sollte das grundsätzliche diagnostische und therapeutische Procedere bereits pränatal festgelegt sein (v. a. bei Laparoschisis und MMC). ▶ Bei pränatal diagnostizierter Fehlbildung ist möglichst eine geplante elektive Entbindung (nicht gleichzusetzen mit Sectio) anzustreben. Der Entbindungszeitpunkt wird, basierend auf den sonografischen und klinischen Befunden, zwischen Geburtshelfern, Neonatologen, Operateuren und Eltern abgestimmt. Die Kinderanästhesie wird informiert. Eine vorbereitende Aufklärung ersetzt die konkrete präoperative Einwilligung weder chirurgisch noch anästhesiologisch. 156

▶ Grundsätzlich auf Blutentnahmen, Gefäßzugänge, Legen eines Blasenkatheters und respiratorische Notsituation (z. B. sofortige Intubation bei Zwerchfellhernie) vorbereitet sein. ▶ Je nach Situation muss im Einzelfall vom Standardvorgehen abgewichen werden. In der Summe sind relevante perinatale Probleme und kritische Situationen bei Fehlbildungen über die häufige Frühgeburtlichkeit und Untergewichtigkeit hinaus selten. Ruhe und Gelassenheit, insbesondere da heute kaum operativer Termindruck besteht, sind wichtig! ▶ Wenn die Fehlbildung oder das Ausmaß der Erkrankung nicht sofort erkennbar sind, ist – sofern erforderlich – die primäre Reanimation einzuleiten. Nur bei klar erkennbarer klinischer Situation mit irreparabler Fehlbildung, die mit dem Leben nicht vereinbar ist, kann die primäre Reanimation unterbleiben. Hier sind die in den Kliniken individuell geregelten ethischen Konsultationsmöglichkeiten zu nutzen. Tab. 7.11 • Intervention bei angeborenen Fehlbildungen. Intervention dringlich

Intervention innerhalb 24 h

Intervention elektiv

• Laparoschisis (unbedecktes Intestinum, Nabelschnur seitlich des Defektes)

• Omphalozele (bedecktes Intestinum, Nabelschnur von der Spitze der Zele abgehend); häufig assoziierte Fehlbildungen (25 – 40 %) • tracheoösophageale Fistel ± Ösophagusatresie • pulmonale Fehlbildung: – ausgeprägte CPAM – ausgeprägte zystische Veränderungen • ZNS-Fehlbildungen: – Myelomeningozele (falls nicht durch Haut gedeckt)

• Zwerchfelldefekt (S. 149) • Darmfehlbildungen: – Malrotation – Stenose – Atresie • Harnwegsfehlbildung • Blasenekstrophie • Choanalatresie • pulmonale Fehlbildung: – begrenzte CPAM – Lungenzysten • ZNS-Fehlbildungen: – Enzephalozele

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.8 Erstversorgung von Neugeborenen mit chirurgisch relevanten Fehlbildungen

Prognose ▶ Die Verbesserung der Pränataldiagnostik und der Neonatal-/Intensivmedizin haben die Ergebnisse bei der Versorgung von chirurgisch relevanten Fehlbildungen deutlich verbessert. ▶ Laut GBA-Beschluss soll die Entbindung in einem Perinatalzentrum Level 1 mit entsprechender Technik und Logistik sowie kinderchirurgischer Präsenz erfolgen. ▶ Für den Zeitpunkt der Entbindung möglichst Abschluss der Lungenreife abwarten (ggf. Induktion).

Versorgung im Kreißsaal ▶ Erfahrener Neonatologe, jüngere Kollegen immer zum Lernen dazuholen. ▶ Siehe allgemeine Erstversorgung (S. 135). Tuben, Katheter, Medikamente, Volumen etc. vorbereiten. ▶ Primäre Intubation: • Sofortige Intubation bei Zwerchfelldefekt, um Überblähung des intrathorakalen Darmes zu verhindern. • Elektiv im Kreißsaal bei Gastroschisis oder Omphalozele, respiratorisch relevanten pulmonalen Fehlbildungen oder respiratory distress anderer Ursache.

157

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.9 Aufnahme auf der Intensivstation

▶ Cave: Kind mit Ösophagusatresie möglichst nicht intubieren, vgl. Aufblähen des ■ Magens (S. 420).

▶ EXIT bei laryngealen Fehlbildungen oder ausgedehntem Lymphangioma colli in ■

Betracht ziehen ▶ Sterile Plastiktüte für alle Darmeventerationen/Zelen bereithalten. ▶ NaCl 0,9 % (angewärmt in steriler Schüssel) und ausreichend Kompressen vorhalten. ▶ Personal zum Anreichen. Beachte: Steriles Arbeiten, d. h. Personal mit Kopf- und Mundschutz, Kittel und sterilen Handschuhen. ▶ Magensonde legen: Entlastung des oberen Intestinums möglich. ▶ Gefäßzugang vorbereiten: • Zunächst immer rasch peripheren Zugang: Volumenverlust bei offenem Abdomen mit eventerierten Darmschlingen. • Ggf. präoperativ ZVK legen. – Voraussetzung: Erfahrung im Legen eines ZVK (z. B. V. jugularis). – Klären, ob NVK möglich ist (Zwerchfellhernie). – Möglichkeit der intraoperativen Venae sectio in Betracht ziehen. • Arterienkatheter: NAK ist zumeist möglich (Ausnahme evtl. Omphalozele).

OP/Intensivstation ▶ Der Intensivstation frühzeitig Bescheid geben, damit der Platz gerichtet ist. ▶ Bei dringlicher OP-Indikation: warmer, vorgeheizter OP. ▶ Zeitpunkt der Geburt an den koordinierenden Kinderchirurgen übermitteln, um zeitlichen Ablauf besser abstimmen zu können. ▶ Zustandsmitteilung vor Verlegung in OP/auf Station: Beatmung, Medikamente, Volumen, Zugänge.

7.9 Aufnahme auf der Intensivstation Genzel, Roll

Grundlagen ▶ Der aufnehmende Arzt bleibt beim Kind, bis es im Inkubator bzw. in der Wärmeeinheit stabilisiert ist. Auch danach stets die Beatmung kontrollieren. ▶ Beatmung bis zum Vorliegen von Blutgasen und Röntgenbild so einstellen, dass sich der Thorax leicht hebt bzw. das Kind gerade nicht (mehr) mitatmet. ▶ Cave: Hyperventilation! Gefahr in dieser Phase sehr hoch (S. 55). ■ ▶ Das Pflegepersonal braucht sowohl Unterstützung als auch Platz, Zeit und Ruhe zum Versorgen des Kindes. ▶ Blutgase und Blutzucker sowie Hämatokrit (Zentrifuge) bestimmen. ▶ Medikamente, Infusionsplan und Maßnahmen anordnen und auf zügige Ausführung achten (z. B. Antibiotika- und Konakiongabe). ▶ Vollständigen Aufnahmestatus baldmöglichst erheben. Bei instabilen Kindern auf das Notwendigste beschränken.

Status erheben ▶ Vitalparameter: • Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Körpertemperatur. • Gewicht, Länge, Kopfumfang mit Perzentilen. • Klinische Reifebestimmung (S. 131), sofern nicht vom Gynäkologen mitgeteilt. ▶ Allgemeinzustand: Stabil, instabil, beatmet, beeinträchtigt, rosig usw. Verletzungen, Fehlbildungen? ▶ Schädel: Fontanelle, Schädelnähte und -form, Verletzungen? ▶ Augen: Lider offen, Lidstellung, Pupillenreaktionen? ▶ Ohren: Ohrmuschel, Ohranhängsel? 158

▶ Nase: Choanen durchgängig? ▶ Rachen: Gaumen geschlossen? Zur Inspektion reicht es meist, den Oberkörper leicht anzuheben und einen leichten Druck auf den Unterkiefer auszuüben → das Kind öffnet den Mund sofort. Harten Gaumen mit einem Finger austasten. ▶ Hals und Nacken: Struma, Fehlhaltung, Claviculae intakt? ▶ Lunge: Seitengleich belüftet, Atemgeräusche, Thoraxexkursionen bei beatmetem Kind? ▶ Herz: Herztöne rein und regelmäßig, Herzgeräusche, Pulse an allen 4 Extremitäten gleich, Perfusion, kapilläre Füllungszeit, Mikrozirkulation? ▶ Abdomen: Milz-, Nieren- und Lebergröße (in cm unter dem Rippenbogen), Darmgeräusche, Nabel? ▶ Genitale: Altersentsprechend, Hodenhochstand, Phimose? ▶ Cave: Analatresie nicht übersehen! ■ ▶ Extremitäten: Warm oder kühl, Fehlbildungen, Kontrakturen, Durchblutung der Zehen bei Nabelarterienkatheter? ▶ Neurologie: Reflexe, Muskeltonus (hypoton, nicht schlapp!), Kloni? ▶ Haut: Verletzungen, Hämatome, Reife, Neuroporus?

Dokumentation ▶ Medizinische Akten sind die offizielle Dokumentation des Krankenhausaufenthaltes. Alle Eintragungen müssen leserlich, mit Zeit- und Datumsangabe versehen und unterschrieben sein. Korrekturflüssigkeit ist verboten! Bei Fehlern einfach durchstreichen (nicht unleserlich machen) und abzeichnen. Medizinisch korrekte Ausdrücke verwenden und Abkürzungen vermeiden. ▶ Inhalt der Dokumentation: • Reanimationsprotokoll. • Vollständige Anamnese der Mutter (Schwangerschafts- und allgemeine Anamnese). • Errechneter Geburtstermin, Blasensprung, Adresse des Gynäkologen und evtl. des Kinderarztes. • Verlegungsbogen bei Übernahme von außerhalb. • Hepatitis-B-Status der Mutter: Falls nicht bekannt, erfragen bzw. innerhalb von 12 h nachbestimmen. • CMV-Status der Mutter (S. 179) bei FG < 32. SSW. • Alle Laborbefunde (s. u.) • Leukozytenzahl, Temperatur, CRP, ggf. IL-6 (der Mutter). • Bilirubinkurve. • Mikrobiologische Befunde. • Medikamenten- und Infusionspläne. • Gewichtskurve mit Geburtsgewicht + 10 %-Abnahmeschwelle, Somatogramm je nach SSW. • „Kurven“: Enthalten die Fakten, was gemacht wurde und was passiert ist, werden vom Pflegepersonal und den Ärzten gemeinschaftlich geführt. ▶ Verlaufsprotokolle: • In jeder Schicht (mind. 1 × tgl.) problemorientiert gegliedertes Verlaufsprotokoll schreiben. Einheitliche systematische Gliederung der klinischen Probleme (Problemliste) erleichtert die schnelle Orientierung aller Beteiligten. Insbesondere auch Überlegungen dokumentieren, warum oder warum nicht etwas durchgeführt wurde. • Problemliste: – Ernährung/Infusion: Ein- und Ausfuhr, Bilanz. – Metabolismus: z. B. Elektrolyt- oder Blutzuckerentgleisungen, Azidose. – Atmung: z. B. Beatmung, Befund des Röntgen-Thorax. – Herz-Kreislauf-System: z. B. Blutdruckprobleme, persistierender Ductus arteriosus.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.9 Aufnahme auf der Intensivstation

159

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.9 Aufnahme auf der Intensivstation

– – – – – –

Hämatologie: z. B. Bilirubin, Anämie. Infektion. Niere. Neurologie. Endokrinologie. Soziales.

Labor bei Aufnahme ▶ Serumröhrchen: • Bilirubin (konjugiert und unkonjugiert), CRP, Gesamteiweiß, ggf. Natrium, Kalium, Kalzium, IL-6. • Kontrolle ob Blutgruppenbestimmung und Coombs-Test aus Nabelschnurblut erfolgt ist, sonst nachholen. ▶ Glukoseröhrchen mit Kapillare: Blutglukose. ▶ EDTA-Röhrchen: Kleines Blutbild, Thrombozyten, Differenzial-Blutbild. ▶ Hämatokrit (immer zentrifugiert). ▶ Blutgasanalyse, ggf. mit Blutzucker, Laktat und Elektrolyten. ▶ Mikrobiologie, vgl. auch Infektionsverdacht (S. 247): • Entzündungs- und Eitererreger, Pilze. • Aerobe Blutkultur (venöse oder arterielle Blutkulturen, je 0,5 – 1 ml). • Abstrichröhrchen: Oberflächenabstrich (Ohr- oder Nabelabstrich). • Magensaftaspirat oder ggf. endotracheale Absaugung .

Sonstige Untersuchungen ▶ Röntgen (S. 81) : • Thoraxaufnahme. • Thorax und Abdomen („Babygramm“) bei: – ZVK (zentralvenösem Katheter), wenn in der unteren Körperhälfte. – NVK (Nabelvenenkatheter), NAK (Nabelarterienkatheter). – Babygramm nur bei sehr kleinen Kindern bzw. Nabelkatheter, sonst sind 2 getrennte Aufnahmen ohne höhere Strahlenbelastung qualitativ besser (Fokus). • Indikationen: – Jedes beatmete Kind (auch bei pharyngealer Beatmung). – Jedes Kind mit Dyspnoe von > 2 h. – Lagekontrolle der Katheter. ▶ Cave: Röntgenplatten in steriles Tuch hüllen. ■ ▶ Sonografie: Schädel-Ultraschall immer innerhalb der ersten 24 h überprüfen; liegen Ultraschallbefunde von pränatalen Untersuchungen vor (Niere)?

Weitere wichtige Punkte ▶ Eltern (S. 87): • Gespräch mit Eltern über den Zustand des Kindes und die Besuchszeiten führen (grundsätzlich jederzeit, aber es gibt günstigere und weniger günstige Zeiten, z. B. Visite). • Geschwisterkinder dürfen, falls sie infektfrei und altersentsprechend geimpft sind (Windpocken, Masern, Keuchhusten!), auf Station. • Informationsheft (S. 474) und Foto des Kindes für die Eltern. • Telefonnummer der Eltern erfragen. • Eltern möglichst bald in die Aufnahme schicken. ▶ Organisatorisches (lästig, aber wichtig): • Aufnahme des Patienten in das Dokumentationssystem. • Vorläufigen Arztbrief an niedergelassenen Gynäkologen schicken. • Wenn nötig, Blut bestellen und Notfallkonserve (0 rh neg. CMV-neg.) für Kreißsaal nachfordern. • Aufnahmediagnosen für DRG. 160

7.10 Entlassung/Verlegung von der Intensivstation Genzel, Roll

Vorbereitung ▶ Meist ist die Verlegung von einer Intensiv- auf Normalstation oder gar in eine andere Klinik mit Ängsten der Eltern besetzt. Deswegen sorgfältige Vorbereitung auf die neue Situation; infrage kommende Verlegungskliniken klären (Wohnort der Eltern?). Die Eltern möglichst 1 Tag vorher über den Entlassungs- oder Verlegungstermin informieren. ▶ Entlassungsstatus erheben. ▶ Stoffwechselscreening abgenommen, Ergebnis verfügbar und dokumentiert? ▶ Abschließender Schädelschall, Hüftultraschall, Hörscreening: Notwendig und erfolgt? ▶ Formalien: • Dokumentation (vgl. oben). • Arztbrief für weiterbehandelnden Kinderarzt, Kopien für eigene Dokumentation, Patientenakte und zusätzlich für den Gynäkologen. • Kurzbrief für nachsorgende Pflege. • Gelbes U-Heft und evtl. Impfpass unbedingt auf Vollständigkeit kontrollieren (sind Untersuchungen und Impfungen eingetragen?) • DRG-Daten und Beatmungszeiten dokumentieren! ▶ Nachsorgeuntersuchungen: Eltern Notwendigkeit der Untersuchungen erklären und Termine schriftlich mitgeben. Entwicklungsneurologie (S. 380), Kardiologie, Hörscreening, Augenarzt (S. 405), Monitorsprechstunde, BPD-Sprechstunde, neonatologische Nachsorge.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.10 Entlassung/Verlegung von der Intensivstation

Verlegung und Entlassung ▶ Verlegung: Transport organisieren und Kopien (keine Originale!) aller wichtigen Befunde, Röntgenbilder, Infusionspläne, Gewichtskurven mitgeben, ebenso die Arztbriefe. ▶ Entlassungskriterien: • Entlassung möglichst früh. • Kind voll oral ernährbar, Eltern seit längerem in die Pflege integriert. • Kein Wärmebett mehr erforderlich. • Ca. 1 Woche lang keine stimulationsbedürftigen Apnoen oder Bradykardien. Monitorindikation s. SIDS (S. 413). ▶ Beachte: Das Gewicht des Kindes ist von untergeordneter Bedeutung. ■ ▶ Häusliche Pflege sicherstellen: • Ernährung (S. 178): – Stillen und Stillhilfen, Nachsorge-Hebamme? – Zusätze zur Nahrung. – Sondieren: Können die Eltern die Sonde legen? Rezept für Sonden. • Lagerung, Nabelpflege, Wiegen und Temperaturmessen erklären. • Monitoring: – Evtl. Monitor bereitstellen, Eltern einweisen, auch in Reanimationsmaßnahmen, s. SIDS (S. 413). – Ggf. Sauerstoff für zu Hause verschreiben; Flüssigsauerstoff zum Nachfüllen ist praktischer als ein Sauerstoffkonzentrator. Monitor mit Pulsoxymeter mitgeben. ▶ Nachsorgeprogramm: • Pflege, psychosoziale Versorgung, ggf. Krankengymnastik organisieren. • Kommen erweiterte sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen (S. 380) infrage? ▶ Rezepte für Medikamente (Vitamine, Eisen, Kalzium, Fluor) und Pflegeutensilien. Rezepte rechtzeitig den Eltern geben, sodass eine Bestellung durch die lokale Apotheke möglich ist. Medikamentengabe auf „vernünftige“ Zeiten umstellen (Diuretika müssen meist nicht mitten in der Nacht gegeben werden!).

161

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.11 Geburtstraumen

7.11 Geburtstraumen Genzel

Vakuum- und Zangengeburt (Forceps) ▶ Die vaginale operative Entbindung kann zu Verletzungen der Kopfhaut bis hin zu Schädelfrakturen bei Zangengeburten führen. Deshalb ggf. Schädel-Sonografie mit Beurteilung der Peripherie (subdurale Blutungen). ▶ Verletzung des N. facialis bei Zangengeburten heilen meist spontan aus. ▶ Hautablederungendurch Vakuumextraktion sind meist harmlos (Desinfektion und offene/trockene Wundbehandlung mit Schorfbildung).

Hautverletzungen ▶ Durch Kopfschwartenelektroden (interne Ableitung bei intrapartaler Kardiotokografie, CTG) und Mikroblutanalysen (Fetalblutanalyse) entstandene Verletzungen können sich infizieren und auch Abszesse bilden. ▶ Nach Sectio auf Schnittverletzungen achten.

Caput succedaneum (Geburtsgeschwulst) ▶ Ödem und kleinere bis größere Blutungen in die Haut (Ekchymosis) des führenden Schädelanteils. Ähnliche Schwellungen treten bei vaginaler Entbindung einer Beckenendlage im Bereich von Gesäß, Skrotum oder Vulva auf. ▶ Die Schwellung geht in wenigen Tagen zurück, die Ekchymosis benötigt evtl. länger und kann bei großer Ausdehnung signifikant zur Hyperbilirubinämie beitragen.

Kephalhämatom ▶ Subperiostal gelegene, fluktuierende, durch die Schädelnähte begrenzte Blutung, die erheblich zur Hyperbilirubinämie beitragen kann. Durch Scherkräfte unter der Geburt kommt es zur Verletzung der periostalen Blutgefäße. Oft sehr langsame Rückbildung (über Monate nach Verkalkung). ▶ Keine bleibenden Schäden, bedarf keiner Therapie.

Subgaleatische Blutung ▶ Großes Hämatom unter der Galea bis zur Stirn. Cave: Blutverlust und Hypovolämie.

▶ Beachte: Hinweis auf pathologische Gerinnung, z. B. Hämophilie. ■

Subduralhämatom ▶ Tritt hauptsächlich bei reifen Neugeborenen infolge von Einrissen in den Brückenvenen bzw. der Falx oder des Tentoriums auf. ▶ Therapie je nach Lokalisation, Ausdehnung und klinischer Symptomatik. Ausgedehnte Hämatome müssen operativ entfernt werden. ▶ Cave: Ausbildung eines subduralen Hygroms mit Krampfleiden. ■

Hämatom des M. sternocleidomastoideus ▶ Derbe bis pflaumengroße Schwellung im M. sternocleidomastoideus mit Schiefhals. Fällt oft erst nach Entlassung auf. ▶ Therapie: Krankengymnastik zur Vermeidung einer Kopfschiefhaltung. Die Prognose ist gut.

Klavikulafraktur ▶ Symptome: Krepitation, Kallusbildung, evtl. Knick zu tasten. ▶ Keine Therapie nötig, gute Spontanheilung. Schmerzminderung durch Immobilisation des Armes (indem der Ärmel der betroffenen Seite am Hemd fixiert wird) und 162

schonende Behandlung des Kindes. Bei Zufallsbefunden (Röntgenbild, klinisch unauffällig) kann es sich um eine Pseudoarthrosis handeln.

Schädelfraktur ▶ Sehr selten infolge traumatischer Forzepsentbindung. In der Regel keine Therapie. Ausnahme: Impressionsfraktur > Kalottenbreite. Operation. ▶ Cave: Subduralblutung durch Brückenvenenabriss im Bereich Falx und Tentorium. ■

Epiphysenlösung des Humerus ▶ Klinik und Therapie wie bei oberer Plexuslähmung (s. u.).

Plexusparesen ▶ Obere Plexusparese (Erb-Duchenne): Schädigung von C 5 und C 6 durch zu starke Lateralflexion des Kopfes bei der Schulterentwicklung (z. B. bei Schulterdystokie) oder Entwicklung nach Veit Smelli bei Beckenendlage (BEL). • Klinik: Lähmungen im Schultergürtel → Arm innenrotiert, proniert, Ellenbogengelenk gestreckt, Handgreifreflex ist erhalten. Abduktion sowie Außenrotation und Supination des Unterarms nicht möglich. • Therapie: Fixation des Armes in Beugehaltung am Thorax (am einfachsten durch Strampelanzug) für 10 Tage, danach Krankengymnastik. Rückbildung über Monate möglich, bei Persistenz > 4. – 5. (6.) Lebensmonat rekonstruktive OP erwägen (Zentrum). Residuen mit bleibenden Lähmungen in 5(– 10) % der Fälle. ▶ Cave: Selten kombiniert mit Phrenikusparese (C 4): Einseitige Zwerchfelllähmung ■ mit Zwerchfellhochstand → Pendelatmung, Dyspnoe, Zyanose. ▶ Untere Plexusparese (Klumpke): Schädigung von C 7 – Th 1, insgesamt selten und dann meist kombiniert mit oberer Plexuslähmung. • Klinik: Lähmung des Unterarms (schlaffes, gebeugtes Handgelenk, Handgreifreflex fehlt). Bei Beteiligung von sympathischen Nervenfasern kombiniert mit Horner-Syndrom: Ptosis, Miosis, Enophthalmus. • Therapie: Schienen und Krankengymnastik. Prognose fraglich. ▶ Differenzialdiagnose: Epiphysenlösung oder Fraktur des Humerus, Parrot-Scheinlähmung bei Lues. ▶ Internet: www.plexusparese.de

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.11 Geburtstraumen

Fazialisparese ▶ Tritt selten nach Forcepsentbindung auf. ▶ Gute Prognose: Fast immer spontane Remission innerhalb weniger Tage. ▶ Differenzialdiagnose: Hypo-/Aplasie des M. depressor anguli oris. Nur beim Schreien Verziehen des Mundwinkels nach kranial-medial. Gute Spontanremissionstendenz.

Rückenmarkverletzungen ▶ Sehr selten durch exzessiven Zug oder Rotation der Wirbelsäule (Forceps, BEL). ▶ Die Symptomatik hängt von der Lokalisation ab, ggf. spinaler Schock (Quadriplegie, Schock, Atemlähmung). ▶ Vorsicht bei langzeitiger ausgeprägter Hyperextensionslage pränatal. Keine Flexion erzwingen! ▶ Cave: Querschnittlähmung bei Einblutungen in den Spinalkanal. ■

Verletzung innerer Organe ▶ Zu fürchten sind vor allem Blutungen nach Lebereinrissen (Abriss des Lig. teres) oder Milzrupturen (z. B. nach Bracht-Handgriff). Nebennierenrindenblutungen meist unklarer Genese verlaufen in der Regel asymptomatisch, können aber zu Zirkulationsstörungen und Schock führen. ▶ Cave: Besonders gefährdet sind die Kinder Schwangerer nach einem Verkehrsunfall. ■

163

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.12 Kind einer diabetischen Mutter

7.12 Kind einer diabetischen Mutter Bechtold-Dalla Pozza

Grundlagen ▶ Laut Perinatalstatistik 2016 besteht bei 5,3 % der Schwangerschaften ein Gestationsdiabetes (GDM) und nur bei 0,9 % ein Diabetes bereits vor der Konzeption (meist Typ 1). Frühgeburtlichkeit und Neugeborenensterblichkeit sind ca. 5-fach erhöht. ▶ Eine diabetische Embryopathie führt zu Organfehlbildungen: • Neuralrohrdefekte, insbesondere Meningomyelozele. • konotrunkale Herzfehler • Omphalozelen, Gallengangsatresien, Skelettanomalien. • Septumhypertrophie. • Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege (Ureterduplikatur, Nierenagenesie). • Polyspleniesyndrom mit Mesokardie und Nierenagenesie. ▶ Bei einigen sehr seltenen Fehlbildungen (kaudales Regressionssyndrom, Small-leftcolon-Syndrom) kann ein mütterlicher Diabetes als charakteristisch gelten. Das Fehlbildungsrisiko steigt um das 4–10-Fache bei einem Diabetes in der Schwangerschaft und proportional zur mütterlichen Stoffwechsellage (HbA1c). Die postnatale Mortalität ist um das 3 – 10-Fache höher als in der Normalbevölkerung. ▶ Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus führt zu fetalem Hyperinsulinismus, Hauptursache der diabetischen Fetopathie. Es kommt zur Makrosomie mit Organomegalien (insbesondere von Leber und Herz). ▶ Die klassischen Symptome der diabetischen Fetopathie umfassen Atemstörungen, Hypoglykämie, Polyglobulie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und Hyperbilirubinämie. ▶ Die erhöhten Blutglukosewerte in der Schwangerschaft stören die fetale Surfactantproduktion, sodass auch bei 34–36 Schwangerschaftswochen („late preterms“) noch mit Atemstörungen zu rechnen ist. Die verstärkte Muskularisierung kleiner pulmonalarterieller Gefäße erhöht das Risiko für pulmonale Hypertension. ▶ Durch eine vom Diabetes mellitus bedingte Plazenta-Insuffizienz kann es auch zu einer Mangelgeburt kommen. Diese Kinder sind besonders gefährdet. ▶ Durch die Makrosomie können geburtshilfliche Komplikationen auftreten: Schulterdystokie, Asphyxie, Frakturen (z. B. Klavikula), Plexusparese, Subduralblutung. ▶ Gefahr der Hypoglykämie (durch Hyperinsulinämie und Hypoglukagonämie). ▶ Die Stoffwechsellage einer Diabetikerin muss bereits während der Schwangerschaft optimiert werden. Bei mit Insulin behandelten Frauen soll die Geburt in einem Perinatalzentrum LevelI/II (GBA Beschluss) erfolgen.

Diagnostik

164

▶ Blutzucker-Kontrollen (Abb. 7.2): Frühfütterung spätestens 30 min nach der Geburt; dann BZ-Messungen (30 min, 1, 2, 4, 12 h Lebensalter) sowie präprandial in den ersten 3 Lebenstagen. In Einzelfällen oder bei Symptomen kürzere BZ-Intervalle • Ziel: ab Alter von 2–3 h Blutzucker-Werte von > 45 mg/dl (> 2,5 mmol/l). • Einzelne Blutzuckerwerte zwischen 36 und 45 mg/dl (2,0–2,5 mmol/l) akzeptabel, nicht bei Asphyxie (pH ≤ 7,0), vorausgegangener Hypoglykämie oder Symptomatik. • Vor Verlegung aus dem Kreißsaal Blutzuckerkontrolle durchführen • BZ-Bestimmungen sollten nasschemisch erfolgen, bei Teststreifenergebnissen < 60 mg/dl ist nasschemische Kontrolle im Labor zwingend. Höherer Hämatokrit führt zu niedrigeren BZ-Werten im Vollblut als im Plasma. • Qualitätskontrolle von Handmessgeräten durchführen. • Sofortige Blutzuckermessung bei Symptomen der Hypoglykämie (u. a.: Tremor, Irritabilität, Apnoe, Lethargie, Trinkschwäche, muskuläre Hypotonie und Hypothermie)

▶ Kalzium-Kontrollen in den ersten 2 Lebenstagen nicht obligat, vgl. Therapie (S. 368). Wenn sich das Kalzium unter Substitution nicht normalisiert, an Hypomagnesiämie denken. Mg 0,2 mmol/kg KG als Kurzinfusion i. v. ▶ Keine routinemäßigen Hkt-Kontrollen, bei Symptomatik Messung nach 1 und 24 h; gehäuft Nierenvenenthrombosen durch Polyglobulie (Hämaturie?). ▶ Bilirubin (S. 318) beachten: Hyperbilirubinämie verstärkt und prolongiert (Unreife der Leberenzyme, vermehrter Hämoglobinabbau). ▶ Atmung kontrollieren, da gehäuft Atemnotsyndrom auch bei 34. – 36. SSW: Insulin hemmt die Surfactantproduktion. ▶ Bei entsprechender Symptomatik kardiologische Probleme wie z. B. hypertrophe Kardiomyopathie ausschließen: Ggf. UKG, EKG, Rö-Thorax. ▶ Cave: Katecholamine sind problematisch. Kein Digitalis bei hypertropher Kardio■ myopathie.

Therapie ▶ Die Intervention hängt von den Blutzuckerwerten ab. Dazu gibt es Empfehlungen der AWMF, s. Abb. 7.2. Vgl. neue AWMF Leitlinie 24/006 2017 [S 1] unter http:// www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–006.html.

Alter 30 min: Anlegen/Füttern; bei hohen Hypoglykämierisiko evtl. Glukosegel bukkal weitere Mahlzeiten alle 2 – 3 Std Alter 2–3 Std: Glukose-Bestimmung (noch im Kreißsaal bzw. OP) vor nächster Mahlzeit

< 30 mg/dl [< 1,7 mM]

Hypoglykämie-Symptome u/o Z.n. perinataler Azidose (ph 45 mg/dl [2,5 mM] halten

30–45 mg/dl [1,7–2,5 mM]

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.12 Kind einer diabetischen Mutter

Keine Hypoglykämie-Symptome, keine perinatale Azidose 30–35 mg/dl [1,7–1,9 mM]

> 35 mg/dl [≥ 2,0 mM]

Anlegen, Füttern, evtl. Glukosegel

Symptome persistieren weitere Mahlzeiten alle 2–3 Std, davor Glukosemessung Bei Rezidiv < 45 mg/dl [2,5 mM] / ≤ 35 mg/dl [< 2,0 mM] Keine weiteren Routinemessungen, wenn zwei Messungen hintereinander ≥ 45 mg/dl [2,5 mM] / > 35 mg/dl [≥ 2,0 mM]

Abb. 7.2 • Schema zur Bestimmung der Blutglukose am 1. Lebenstag im Kapillarblut. (Betreuung von Neugeborenen diabetischer Mütter: Leitlinie der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin und der Dt. Ges. f. Gynäkologie und Geburtshilfe. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 024/006, Stand 1.7.2017)

165

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft

▶ Frühfütterung 30 Minuten nach der Geburt: Anlegen oder Maltodextrin/Formula. • Bsp. für Maltodextrin (15 g/dl = 15 %): Initial (30 min nach Geburt): 8 ml/kg KG = 1,2 g KH/kg KG. • Erste 12 h: 4 × (5 – 10 ml/kg KG) = 3 – 6 g KH/kg KG entspricht 4,1 – 8,2 mg/kg KG/min. • Folgende 24 h: 8 × 4 ml/kg KG = 4,8 g KH/kg KG ≙ 3,3 mg/kg KG/min. ▶ Die Frühfütterung soll nicht mit dem Stillen interferieren, deswegen Kind vor Maltodextrin-/Formulagabe anlegen. Protektive Wirkung des Stillens hinsichtlich späteren Übergewichts bedenken. Abgepumpte Milch oder hydrolysierte Formula enthalten u. a. 50 % Galaktose, die die Insulinfreisetzung aus dem Pankreas nicht stimuliert. ▶ Bei hohem Hypoglykämierisiko ist eine einmalige bukkale Gabe von 40 % Glukosegel 45–60 min nach der Geburt zu erwägen. ▶ Schwere Hypoglykämie (BZ < 2 mmol/l o. 30 mg/dl) trotz Fütterung: • Glukoseinfusion: Glukose 10 % 3–5 ml/kg KG/h = 5–8 mg/kg KG/min. • Glukosebolus möglichst vermeiden: führt zu gesteigerter Insulinausschüttung mit nachfolgender Hypoglykämie. Indikation: Blutzucker < 30 mg/dl oder < 45 mg/dl mit Symptomen. Dosis: 2–3 ml/kg/ KG (10 % Glukose, entspricht ~300 mg/kgKG) langsam. • Rezidivierende Hypoglykämien: Glukosezufuhr um 2 mg/kg KG/min ≙ 1,2 ml/kgKG/h Glukose 10 % steigern und Blutzuckerkontrollen nach spätestens 30 min.

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der

Schwangerschaft Rößlein

Grundlagen ▶ Mütterlicher Drogenabusus in der Schwangerschaft kann beim Neugeborenen zum Entzugssyndrom (Neonatales Abstinenzsyndrom, NAS) führen. ▶ Verändertes Verhalten im Sinne einer toxischen Wirkung ist bei Nikotin, Alkohol und Marihuana beschrieben, aber nicht ein Entzugssyndrom, sodass keine Entzugsbehandlung erfolgen muss. ▶ Drogenkonsum wird sehr oft verschwiegen, entsprechend hoch ist die Dunkelziffer. Trotzdem benötigen die Eltern Hilfe. Schwangerschaft und Geburt kann Chance zum Ausstieg aus dem Drogenkonsum sein! ▶ Häufigkeit: Ca. 70 % der Kinder drogenabhängiger Mütter erleiden einen Entzug. Es besteht kaum eine Korrelation zwischen Dosis der Droge und Risiko des Entzugs. Nikotinabusus verstärkt die Folgen des Opiatabusus. ▶ Weitere fetale Risiken: • Infektionen: Sexuell übertragbare Krankheiten, z. B. HIV, Hepatitis B und C. • Frühgeburtlichkeit, SGA, Hypoglykämie, Polyglobulie. • Postnatale Atemstörungen, RDS, SIDS → längerfristiges Monitoring. • Embryopathien, Minderwuchs, Mikrozephalie, Herzmissbildungen, faziale Dysmorphien. ▶ Beachte: Drogenabhängige Mütter gelten bis zum Beweis des Gegenteils als HIV■ positiv (S. 261) und/oder HCV-infiziert! Diagnostik erforderlich.

166

Symptome ▶ Beginn der Symptomatik innerhalb der ersten 24 Lebensstunden. Aber auch bis zu 7(–10) Tage, selten bis zu 2 Wochen postnatal: • Heroinabusus ca. 3 Tage postnatal. • Methadonabusus 4 – 7 Tage postnatal. Das Entzugssyndrom hält besonders lange an. Risiko für Entzugssymptome: 60 – 80 %. Cave: QTc Zeit Verlängerung. • Buprenorphin (Subutex): NAS seltener (bis 50 % im Vergleich zu Methadon). Symptome treten wenn, dann meist früh (nach 2 – 4 Tagen) auf. Dauer und Intensität des Entzugs geringer als bei Methadon. • Benzodiazepine erst ca. 10 Tage postnatal. • Maternale Polytoxomanie: oft sehr lange Entzugsdauer. ▶ Cave: Naloxongabe verstärkt und verlängert Entzugssymptome bis zu 14 Tage, häu■ fig treten zerebrale Krampfanfälle auf. ▶ Häufige Symptome: Irritabilität, Tremor, Zittrigkeit, Hyperaktivität (Hautabschürfungen durch Reiben), Muskelhypertonus, kurze Schlafphasen, schrilles Schreien (Alkalose) und übermäßiges non-nutritives Saugen. ▶ Gelegentliche Symptome: Trinkschwäche, Erbrechen und Durchfälle, Rhinitis, Niesen, Tachypnoe und Schwitzen. ▶ Seltene Symptome: Fieber und Krämpfe. ▶ Cave: Gelegentlich geben drogenabhängige Mütter ihren Neugeborenen geringe, ■ aber unkalkulierte Dosen ihrer Drogen, um Entzugssymptome während des Klinikaufenthalts zu verschleiern.

Diagnostik

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft

▶ Mütterliche Anamnese: Angaben der Mutter sind meist „ungenau“. ▶ Drogennachweis: Im mütterlichen und kindlichen Urin (5 ml Urin, vor allem bei kürzlich zurückliegendem mütterlichen Drogenkonsum). Cave: hohe falsch-negativ Rate. In Mekonium sind längerer Drogenkonsum und auch Beikonsum erfassbar. ▶ Abklärung des Neugeborenen wie bei unklaren zerebralen Krampfanfällen (S. 110). ▶ Labor: Blutgase, Blutzucker, Elektrolyte, Blutbild, Thrombozyten, ggf. HIV-/Hepatitis-Serologie. Bei Methadon-Substitution: T3, T4, Thrombozytenfunktion. ▶ Zustandsbeurteilung des Neugeborenen: • Screeningtest: Tremor, erhöhter Muskeltonus, Myoklonien, vermehrtes Gähnen, Schwitzen, Moro stark oder extrem verstärkt, schrilles Schreien. • Falls drei oder mehr Symptome vorhanden sind, ist ein Entzug sehr wahrscheinlich und eine genauere Evaluation notwendig. • Finnegan-Score (Tab. 7.12): 3 × täglich Punkte ermitteln. Erfahrungsgemäß ist die interindividuelle Beurteilung sehr unterschiedlich. Pflegepersonal tendiert erfahrungsgemäß dazu, höhere Werte zu geben als Ärzte. Deswegen sollten nur wenige Untersucher den Score bestimmen. Einleitung oder Erhöhung der Pharmakotherapie bei > 11 Gesamtpunkten, Dosisreduktion bei < 9 Gesamtpunkten. • Graduierung des Entzugs (vereinfachtes Schema): – Klinische Einteilung in 3 Stufen: „Unruhig“, „hyperexzitabel“ und „nicht zu beruhigen“. – Jeweils zwischen den Mahlzeiten beurteilen. – Durchführen, bis Medikation abgesetzt ist.

167

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft Tab. 7.12 • Neonataler Drogenentzugs-Score (nach Finnegan). Punkte

1

Schreien Schlafphase postprandial

38,2

Dyspnoe, Einziehungen

ja ja

Trinkschwäche übermäßiges Saugen

5

ja ja

Erbrechen

Regurgitation

im Schwall

Stühle

dünn

wässrig

Einleitung oder Erhöhung der Pharmakotherapie > 11 Gesamtpunkte, Dosisreduktion < 9 Gesamtpunkte

Pflege ▶ Monitoring: EKG und Atmung. EKG v. a. bei Methadon-Exposition. ▶ Orale Ernährung mit kleinen Mahlzeiten. Ggf. hochkalorische Ernährung. ▶ Ruhigstellung des Kindes: Dunkle Räume, Lärmschutz, „Känguruhing“, „Fatschen“ oder „Pucken“ (Kind nach überlieferter Methode mit anliegenden Armen und gestreckten Beinen in Tücher wickeln).

168

Medikamentöse Therapie ▶ Bei der Therapie sollte beachtetet werden, welche Exposition vorliegt, daher möglichst mütterlichen und kindlichen Urin auf toxische Substanzen untersuchen. ▶ Es gibt verschiedene Alternativen: Tinctura opii, Morphinlösung, ggf. in Kombination mit Phenobarbital (Luminal). ▶ Tinctura opii: • Tinctura opii (DAB) entspricht 1 %iger alkoholischer Morphinlösung. • 25-fach verdünnte Tinctura-opii-Lösung hat sich bewährt. • Rezept: 1 ml Tinctura opii + 24 ml Wasser → 25 ml einer 0,04 %igen Morphinlösung. Die fertige Gebrauchslösung enthält dann 0,4 mg Morphinbase/1 ml Lösung. • Dosis: 0,3 – 0,8 mg Morphin/kg KG/Tag p. o. verteilt auf 4 – 6 Gaben. • Nebenwirkung: Schläfrigkeit, Obstipation, Bradykardie, Atemdepression. • Monitorüberwachung: mind. bis zur Aufsättigungsdosis. • Therapiedauer: Dosisreduktion versuchsweise um 10 % täglich. Oft ist eine langsamere Reduktion erforderlich. Bei zu schneller Reduktion besteht die Gefahr eines Rückfalls. ▶ Cave: ausgeprägte Atemdepression bei NG, die nicht Morphin/Heroin ausgesetzt ■ waren, deshalb z. B. bei Nikotinentzug nicht anwenden. ▶ Morphin-HCl-Lösung (nach K. Rohrmeister, Wien): • Morphin-HCl(oder Morphin-Sulfat)-Lösung p. o. als 0,05 % Sirup (1 ml = 0,5 mg Morphinbase). • Standarddosis: 0,1 ml/kg KG/ED = 0,05 mg/kg KG/ED Morphinbase. • Startdosis: 0,05 mg/kg KG/ED 3 × tgl. (= 0,15 mg/kg KG/Tag in 3 ED) über mindestens 48 h. • Steigerung der Dosis bereits nach 4 h bei anhaltenden Symptomen (Score > 10): von 0,05 mg/kg KG/ED 6 × tgl. (= 0,3 mg/kg KG/Tag in 6 ED) auf 0,1 mg/kg KG/ED 6 × tgl. bis max. 0,15 mg/kg/ED 6 × tgl. (= 0,6 – 0,9 mg/kg KG/Tag in 6 ED). • Dosisreduktion wenn über 24 h Score < 10. Schrittweise reduzieren: – Zuerst ED auf 0,05 mg (falls höhere ED verwendet). – Dann Applikationshäufigkeit, z. B. von 6 × auf 4 × /Tag. – Dann jede 2. Gabe auslassen. • Nebenwirkungen: Siehe oben bei Tinctura opii. ▶ Phenobarbital: • Die Kombination von Morphin oder Tinctura-opii-Lösung (25-fach verdünnt) mit Phenobarbital kann v. a. bei Polytoxikomanie und Benzodiazepinabusus bzw. bei ausgeprägten gastrointestinalen Symptomen günstig sein. • Dosis: Initial 20 mg/kg KG/Tag, dann 5 mg/kg KG/Tag in 2 ED. • Dosiserhöhung bei Nicht-Ansprechen: Evtl. steigern bis 10(– 20) mg/kg KG/Tag. ▶ Cave: Atemdepression bei hohen Dosierungen! ■ • Serumspiegelkontrollen durchführen (Kumulation bei langer HWZ!). • Ziel: Phenobarbitalspiegel 20 – 30 mg/dl. • Therapiedauer: Nach klinischem Zustand bzw. Score Tage bis Wochen. Durchschnittliche Dosisreduktion um 10 % alle 3 – 5 Tage. ▶ Bei Problemen erwägen: • Chlorpromazin (Megaphen): 2,8 mg/kg KG/Tag in 4 ED i. m. oder p. o. • Methadon (Polamidon): 0,1 – 0,2 mg/kg KG/ED 3 – 4 × pro Tag. Cave: Lange Halbwertszeit. • Clonidin: 3 – 5 μg/kg KG/Tag in 4 – 6 ED. • Diazepam: 0,5 – 2,5 mg/kg KG/Tag in 3 ED. ▶ Spätfolgen: Bis zu Monaten verstärkte Unruhe, kurze Schlafperioden, Ernährungsprobleme. Statistisch nachgewiesene Spätfolgen (milieubedingt?) sind SIDS, Kindesmisshandlung, Verhaltensstörungen und Suchtverhalten, Strabismus.

7 Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft

169

Geburt und Versorgung des Neu- und Frühgeborenen

7

170

7.13 Neugeborene nach Drogenabusus in der Schwangerschaft

▶ Fetales Alkoholsyndrom bedenken! Verdachtsmoment bei positiver Anamnese, fazialen Auffälligkeiten (kurze Lidspalten, verstrichenes Philtrum, schmale Oberlippe), Mikrozephalie und Wachstumsretardierung (Länge oder Gewicht). ▶ Stillen (S. 179) ist prinzipiell erlaubt und soll gefördert werden. Es gelten die üblichen Einschränkungen wie bei HIV, Hepatitis B und C. Stillen sollte aber nur im Rahmen eines Substitutionsprogramms (Methadon oder Buprenorphin) erfolgen. Jeder Beikonsum stellt ein unkalkulierbares Risiko dar. Erfahrungsgemäß legen viele drogenabhängige Mütter nicht allzu großen Wert aufs Stillen. ▶ Weiterbetreuung: Frühzeitig Sozialdienst einschalten, strukturierte Nachsorge organisieren, Kontakt mit Drogenberatung aufnehmen, bei HIV-Infektion AIDS-Hilfe. Bei HCV-Infektion der Mutter siehe Kapitel Hepatitis C (S. 257). Standardimpfungen einschließlich Hepatitis B besonders wichtig.

8

Wärmehaushalt

Rieger-Fackeldey, Mihatsch

8.1 Körpertemperatur Grundlagen

8 Wärmehaushalt

8.1 Körpertemperatur

▶ Wärme wird vom reifen Neugeborenen hauptsächlich, vom Frühgeborenen aber nur in geringem Umfang durch Lipolyse von braunem Fettgewebe produziert. Die im Körperinneren gebildete Wärme wird vom Blutstrom aufgenommen und zur Körperoberfläche transportiert (innerer Wärmestrom). Der innere Wärmestrom und damit der Wärmeverlust hängt ab von: • dem Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpermasse. Beachte: Der Kopf entspricht ¼ der Körperoberfläche. • dem Abstand zwischen Körperkern und Körperoberfläche. • dem Blutfluss zur Körperoberfläche. • dem subkutanem Fettgewebe. • der Hautreife (Konsistenz der Epidermis, Struktur und Kapillarisierung der Kutis). • der Haltung (in Bauchlage ist der Wärmeverlust geringer). ▶ Thermoregulation erfolgt durch Veränderungen des Gefäßtonus in der Körperperipherie, Schweißproduktion ist praktisch nicht vorhanden. ▶ Wärmeverlust von der Körperoberfläche (äußerer Wärmestrom): • Strahlung/Abstrahlung der wärmeren Haut hin zu kälteren Oberflächen (Wände, Inkubatorhaube; besonders gefährlich sind große Fensterflächen). Hauptverlust! • Konvektion: Zugluft, die über den Körper streicht (Klimaanlage). • Konduktion: Wärmeleitung an die Liegefläche. Cave: Metallwaage und Röntgenkassette, postnatal nasse Handtücher. • Verdunstung der Wasserpartikel: – Nacktes, nasses Kind (Erstversorgung, ausgedehnte Pflegemaßnahmen, Kondenswasser). – Insensibler Wasserverlust durch die Haut (geringe Feuchte der Umgebungsluft; Tab. 8.1). – Über die Lungenschleimhaut (nicht angefeuchtetes Atemgas).

Besonderheiten der Thermoregulation bei sehr unreifen Frühgeborenen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶



▶ ▶ ▶

Ungünstiges Verhältnis von Körperoberfläche und Körpervolumen. Kurzer Abstand zwischen Körperkern und Körperoberfläche. Fehlender Flexorentonus der Extremitäten (größere freie Oberfläche). Wenig bis fehlendes subkutanes Fettgewebe. Ab einem Gestationsalter von 25 – 26 Wochen ist braunes Fettgewebe vorhanden. Die Menge ist jedoch für eine effektive Wärmeproduktion nicht ausreichend. Hoher unreifebedingter transepidermaler Wasserverlust s. a. Tab. 8.1 (die Haut des sehr kleinen Frühgeborenen reift nach 2 – 3 Wochen): • Kein Stratum corneum. • Kein Keratin in den Kutiszellen. • Ausgeprägtes und ungeschütztes Kapillarnetz. Die Mechanismen der Vasokonstriktion/Vasodilatation sind beim Frühgeborenen ausgebildet, jedoch bei dünner Fettschicht und fehlender Schweißsekretion ineffizienter. Sehr geringe Glykogenreserve. Begrenzte Möglichkeit zur Steigerung der Sauerstoffaufnahme. Pulmonale Vasokonstriktion bei Hypothermie.

171

Wärmehaushalt

8

8.1 Körpertemperatur Tab. 8.1 • Beispiel für mittleren Wasserverlust durch Perspiratio insensibilis in g/kg KG/24 h bei 50 % Feuchtigkeit (Umgebungsklima)*. Gestationsalter (Wochen)

Mittleres Geburtsgewicht (g)

Postnatales Alter (Tage)

80 %).

„Komfortzone“ ▶ Ein weiteres Konzept propagiert die „Komforttemperatur“ als wünschenswerte Körperkerntemperatur. ▶ Dabei wird die Umgebungstemperatur so gewählt, dass die Temperaturdifferenz zwischen Körperkern und -peripherie 1,5 ± 0,5 °C beträgt. Die dabei erzielte Körperkerntemperatur liegt höher als diejenige bei Neutraltemperatur. Sie ist damit näher an der fetalen Kerntemperatur im Mutterleib (ca. 38 °C). ▶ Zurzeit liegen keine Studien über einen Vorteil des einen oder anderen Konzeptes vor.

Einstellung der Lufttemperatur im Inkubator ▶ Einzustellende Inkubatorinnentemperatur (Soll) entsprechend Gestationsalter bzw. Körpergewicht s. Abb. 8.1 (neuere Daten v. a. für unreife FG, fehlen). 173

8.3 Hypothermie

35

a

33 33,5

34 34

33

34,5

32

35

31 30

35,5 36

29 36,5 1 2 3 4 5 6 7 Alter in Tagen postnatal

2500 Körpergewicht (g)

Gestationsalter bei Geburt (SSW)

Wärmehaushalt

8

31,5 32

2000

32,5 33

1500

33,5 34

1000 7 b

14 21 28 35 Alter in Tagen postnatal

Abb. 8.1 • a, b Thermoneutrale Umgebung (Angaben in °C) (Adapted by permission from BMJ Publishing Group Limited. Sauer PJ et al. New standards for neutral thermal environment of healthy very low birthweight infants in week one of life. Arch, Dis Child 1984; 59: 18 – 22) a während der 1. Lebenswoche in Abhängigkeit vom Gestationsalter, b während der ersten 5 Lebenswochen in Abhängigkeit vom Körpergewicht.

8.3 Hypothermie Grundlagen ▶ Definition: Rektaltemperatur < 36,0 °C. ▶ Ursachen: • Exogen: Kältebelastung (zu kalte Umgebung, nasse Haut, kalte Atemgase). • Endogen: Hypoxie/Asphyxie, Sepsis, Schock, Hirnblutung.

Folgen ▶ Erhöhte Mortalität in der 1. Lebenswoche (www.cochrane.org/reviews, [E1]). ▶ Metabolische Azidose und Hypoglykämie. ▶ Erhöhter Sauerstoffverbrauch (Absinken der Körperkerntemperatur um 1 °C bewirkt Verdreifachung!). ▶ Bradykardie, Apnoe, Hypoxämie, Hypotonie. In der Folge steigt das Risiko einer PPHN (S. 307). ▶ Gerinnungsstörung und Lungenblutung. ▶ Chronische Kältebelastung führt zu Energieverlusten und schlechtem Gedeihen!

Prophylaxe bei der Erstversorgung und auf Station ▶ Maximale mögliche Erwärmung des Raumes (Kontrolle). ▶ Vermeiden von Zugluft. ▶ Evtl. zusätzliche Wärmequelle (Hautkontakt der Eltern bei gesundem NG, sonst Wärmematratze und- strahler ▶ Konditionierung der Beatmungsluft. ▶ Zudecken, bzw. Frühgeborene ohne Abtrocknen sofort in Plastikfolie hüllen (nicht nur abdecken, da sonst Wasser- und damit Wärmeverlust auf die Unterlage erfolgt). ▶ Sehr kleine Frühgeborene in den ersten Lebenstagen /der 1. Lebenswoche in Klarsichtfolie hüllen. Danach Kopf bedecken (Mützchen, Windel etc.). Beachte: Bei liegendem Nabelarterienkatheter müssen die Füße und der Nabel sichtbar bleiben! ▶ In 1. Lebenswoche Inkubatortemperatur 1 °C höher einstellen, Inkubatorfeuchtigkeit > 80 %. ▶ In der offenen Pflegeeinheit am besten Servocontrol-Modus einstellen, bei dem mittels geklebter Hauttemperatursonde eine konstante Hauttemperatur aufrechterhalten wird. 174

Therapie ▶ Aufwärmen: Ca. 1 °C/h, sonst ist der O2-Verbrauch zu hoch. ▶ Manipulationen am Kind auf ein Minimum beschränken. ▶ Mindestens ½-stündliche Temperaturkontrollen. Besser ist eine Hauttemperatursonde, beim ruhigen Kind evtl. vorübergehend eine rektale Sonde. ▶ Verboten: Wärmflaschen, mit warmem Wasser gefüllte Handschuhe, Heizkissen ■ und Stofftiere, deren Inhalt nach Erhitzen Wärme abgeben kann. Schwerste Verbrennungen sind möglich! Nur angewärmte Tücher sind gestattet. ▶ Cave: ■ • Hypotension beim Öffnen der Hautgefäße → evtl. Volumenbolus (NaCl 0,9 %) 10 ml/kg KG über 1 h. • Hypoglykämie: Immer 10 %ige Glukose-Infusion, wenn die Rektaltemperatur < 35,5 °C beträgt. • Ernährung nach Normalisierung der Rektaltemperatur. • Azidose: Wird bei Hypothermie überschätzt. Der pH steigt mit jedem °C Körpertemperaturabfall um 0,015 an. Ein pH von 6,95 bei 37 °C gemessen (Messtemperatur der Geräte) entspricht einem pH von 7,10 bei 27 °C Körpertemperatur. • Hypoxämie: Eher einen höheren paO2 anstreben (70 mmHg).

8 Wärmehaushalt

8.4 Hyperthermie

8.4 Hyperthermie Grundlagen ▶ Definition: Rektaltemperatur > 37,5 °C.

▶ Beachte: Eine Temperaturdifferenz zwischen Körperkern (interskapulär) und Peri■

pherie > 2 °C kann Fieber bedeuten, wenn die Körperkerntemperatur durch Absenken der Umgebungstemperatur im „normalen“ Bereich um 37 °C gehalten wird! ▶ Ursachen: • Exogen (zu hohe Wärmezufuhr): – Umgebungsluft (Inkubatortemperatur, geheizter Reanimationsraum, Folie). – Atemgas (überheizter Anfeuchter). – Wärmestrahlung (Sonneneinstrahlung, Wärmestrahler, Fototherapie). – Zu geringe Wärmeabgabe (Wärmestau durch Bett oder Bekleidung). – Therapie mit Prostaglandin E1, Epoetin. – Drogenentzug. • Endogen: – Sepsis, Meningitis. – Dehydratation. – Zerebrale Temperaturregulationsstörungen.

Folgen ▶ ▶ ▶ ▶

Flüssigkeitsverlust. Erhöhter Sauerstoffverbrauch. Apnoen. Hirnschädigung.

Prophylaxe ▶ Kontinuierliche Hautmessung bzw. rektale/axilläre Temperaturkontrolle bei Unruhe. ▶ Vermeiden der o. g. Ursachen.

175

Wärmehaushalt

8

8.5 Wärmezufuhr

Therapie ▶ Umgebungstemperatur herunterregeln, Anfeuchter überprüfen und das Kind aufdecken. ▶ Die Maßnahmen je nach Alter und Reife des Kindes einsetzen (kein längeres Öffnen der Inkubatorklappen bei sehr kleinen Frühgeborenen in den ersten Lebenstagen, da damit auch die Feuchtigkeit absinkt).

8.5 Wärmezufuhr Allgemeines ▶ Raumtemperatur sollte > 26 °C liegen. ▶ Jeder Raum muss mit einem Zimmerthermometer ausgestattet sein. ▶ Temperatur einmal pro Schicht dokumentieren.

Wärmegeräte ▶ ▶ ▶ ▶

Wärmestrahler. Wärmebett. Offene Pflegeeinheit. Inkubator: Pflege-, Intensivinkubator, heute immer mit Doppelwand.

Besonderheiten der verschiedenen Wärmegeräte ▶ Inkubator: • Neben der Lufttemperatur bestimmen den kindlichen Wärmeverlust im Inkubator: – Art und Weise der Luftkonvektion. – Luftfeuchte. – Oberflächentemperatur der Haubeninnenseite. – Temperatur-Gradient zwischen Haube und der kältesten Umgebungsfläche der Pflegeeinheit (in der Regel das Fenster). • Die Wärmeverteilung im Körper ist im Inkubator homogener als in der offenen Einheit. • Durch Einstellen einer hohen Luftfeuchte (80 – 95 %) in den ersten Lebenstagen lässt sich der insensible Wasserverlust deutlich reduzieren. Zusätzlich Einhüllen mit eng anliegender Plastikfolie! Cave: Kondensation stellt einen Risikofaktor für mikrobielle Besiedlung dar. • Bei manueller Steuerung des Inkubators am besten 2-Punkt-Thermo-Monitoring auf der Haut verwenden. • Die Steuerung durch Servocontrol-Modus: geschieht entweder – anhand der Hauttemperatur: Es wird immer eine konstante Körpertemperatur aufrechterhalten. Gefahr der Überhitzung, wenn die Sonde sich von der Haut ablöst. Wird die Sonde verdeckt, Gefahr der Hypothermie. Weiterer Nachteil: Temperaturveränderungen durch Krankheit (Fieber, Mikrozirkulationsstörung) werden evtl. nicht erkannt, da der Inkubator die Umgebungstemperatur nachregelt. – oder anhand der Lufttemperatur: Je nach Sitz des Kontrollsensors ergeben sich Unterschiede von bis zu 2 °C zur mittleren Lufttemperatur bzw. zur Lufttemperatur unmittelbar in Patientennähe! Diesen Modus bei Fototherapie nicht verwenden! • Der Inkubator dämpft Umgebungsgeräusche, hat jedoch durch seinen Ventilator auch seine eigene Lärmquelle. Geräusche durch auf die Inkubatorhaube gelegte Gegenstände werden verstärkt! • Die Infusion wird auf dem letzten Stück zum Patienten angewärmt. • Eine erhöhte bakterielle Kolonisierung des Patienten im Vergleich zur offenen Einheit wurde nicht nachgewiesen. 176

▶ Offene Pflegeeinheit: • Durch den Wärmestrahler ergibt sich ein hoher insensibler Wasserverlust, der durch ein verändertes Infusionsregime ausgeglichen werden muss (ca. + 40 – 50 % Flüssigkeit bei sehr kleinen Frühgeborenen, + 20 % bei größeren Früh- und Neugeborenen). Dies bedingt auch eine veränderte Elektrolytsubstitution [E1]! • Einhüllen mit Plastikfolie reduziert insensiblen Wasserverlust und Wärmeverlust durch Konvektion deutlich. Für Pflegemaßnahmen und ärztliche Manipulationen muss die Folie jedoch zeitweise entfernt werden. • Direkt unter dem Wärmestrahler ist die Wärmezufuhr am höchsten, mit zunehmendem Abstand vom Strahler und an den seitlichen Hautpartien ist diese geringer. • Die Temperatursteuerung kann manuell erfolgen, dabei Hauttemperatur jedoch unbedingt mit überwachen (z. B. über den Patientenmonitor)! TemperaturAlarmgrenzen müssen in Funktion sein. Üblich ist die Steuerung der Strahlerleistung über die Hauttemperatur (Servocontrol-Modus). Auch hier auf korrekte Sondenposition achten! • Der Zugang zum Kind ist nicht nur für Ärzte und Pflegepersonal, sondern auch für die Eltern einfacher (keine physische Barriere). ▶ Pflege im Inkubator vs. Pflege in der offenen Wärmeeinheit: Die meisten Empfehlungen gehen dahin, dass kleine und kranke Frühgeborene bevorzugt in einem Inkubator gepflegt werden sollen und eine offene Pflegeeinheit nur in Zeiten mit vielen notwendigen Manipulationen (Legen von zentralen Zugängen, Duktusligatur usw.) eingesetzt werden soll. Laut neueren Empfehlungen können auch sehr kleine Frühgeborene ausschließlich in einer offenen Pflegeeinheit behandelt werden. In einer Metaanalyse zeigte sich ein deutlich erhöhter Wasserverlust unter Wärmestrahlern in offenen Einheiten (s. o.). Aufgrund zu kleiner Fallzahlen war keine Aussage bezüglich des klinischen Ergebnisses möglich. Eine endgültige Bewertung beider Methoden der Wärmezufuhr für sehr kleine Frühgeborene ist derzeit nicht möglich [E1]. Neuere Geräte kombinieren Inkubator und offene Wärmeeinheit.

8 Wärmehaushalt

8.5 Wärmezufuhr

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Ernährung

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Ernährung

9

Ernährung

Hilgendorff, Mihatsch, Genzel, Acknowledgement R. Otto

9.1 Enterale Ernährung Allgemeine Hinweise ▶ Die Angaben zur enteralen Ernährung orientieren sich an den Empfehlungen der Ernährungskommission der ESPGHAN für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1800 g, sofern nicht anders angegeben. Sie wurden zur Vereinfachung und Absicherung der Empfehlungen im Stationsalltag an eine Geburtsgewichtsgrenze von 2000 g angepasst. Die Gewichtsgrenze für die Umstellung der Ernährung bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 2000 g richtet sich nach den Zufuhrempfehlungen der ESPGHAN für unreife Frühgeborene, obschon eine Gewichtsoder Altersgrenze für die schrittweise Anpassung der Nahrung (Umstellung auf eine Säuglingsanfangsnahrung) zur Zeit nicht sicher angegeben werden können. Im Folgenden wird hierfür ein Körpergewicht von 2500 Gramm angenommen.

Wegweiser: Ernährung je nach Reifegrad ▶ Das gesunde, reife Neugeborene trinkt ad libitum. Präferentiell erfolgt die Ernährung (S. 182) mit Muttermilch oder alternativ mit einer Säuglingsanfangsnahrung mit nativem oder hydrolysiertem (HA) Protein. • Zur Orientierung wird eine Gesamtflüssigkeitsmenge für Reifgeborene von 60/80/90/110/130 ml/kg KG/d (1.–5.LT) und ca. 130 ml/kg KG/d ab dem 6.LT empfohlen. Die Energiezufuhr sollte 35–50 kcal/kg KG/d (1.-3. LT), und 91– 94 kcal/kg am Ende der 1. Lebenswoche betragen. • Zu beachten ist die ausgeglichene Energiezusammensetzung der Ernährung: ca. 40–45 % Kohlenhydrate; ca. 45 % Fett; ca. 10–15 % Protein, sowie die ausreichende Zufuhr von Spurenelementen und Vitaminen. ▶ Für Kinder mit einem Gewicht unterhalb der 10. Perzentile, perzentilenschneidendem Wachstum oder gesunde Frühgeborene unter 2000 g gilt ein gesondertes Ernährungsregime (S. 183). ▶ Kranke Neu- und Frühgeborene (S. 183).

Stillen: Grundlagen und Vorgehen ▶ Häufigkeit: Stillende Mütter legen die Kinder anfangs alle 2 – 3 Stunden, aber mindestens 4-stündlich an. Ein festes Zeitregime muss nicht eingehalten werden. Wunde Brustwarzen entstehen meist durch „falsches“ Anlegen oder noch nicht ausreichend koordiniertes Saugen. ▶ Reife Neugeborene benötigen keine routinemäßige Glukosezufütterung. Sie haben ein großes Saug- und Zuwendungsbedürfnis, nicht aber ständig Hunger oder Durst. Regelmäßiges Anlegen nach kindlichem Bedarf, sowohl tagsüber als auch nachts, fördert die Milchbildung.

Vorgehen bei Stillproblemen ▶ Bei Problemen ist die Beratung durch Still- und Laktationsberaterinnen und erfahrene Hebammen angezeigt. ▶ Schmerzhafter Milcheinschuss: • Kühlung. • Vor dem Stillen feuchtwarme Umschläge für 5 min, anschließend Milch ausmassieren oder anpumpen, bis die Milch fließt. Regelmäßiges Anlegen. • Keine Prolaktinantagonisten einsetzen! 178

▶ Milchstau: • Feuchtwarme Kompressen oder warme Dusche, Brust ausmassieren oder anpumpen. • Beim Stillen kindliches Kinn in Richtung Stauung ausrichten und Brust mit den Fingern „auskämmen“. ▶ Wunde oder blutige Brustwarzen: • Ursache eruieren. Stillposition? Der kindliche Mund sollte möglichst Brustwarze und Hof umfassen, nicht nur die Warze. • Bei feuchtwarmen Kompressen die Mamille aussparen, Muttermilch auf der Brust antrocknen lassen. • Salben (Lanisol, Purelan und Dextromon) und Rotlicht nur sparsam anwenden, da ein Aufweichen bzw. Austrocknen der Haut resultiert. • Evtl. Versuch mit LED Phototherapie oder niedrigdosiertem Laserlicht. • Stilldauer limitieren, aber Stillfrequenz steigern und mit der nicht bzw. der weniger betroffenen Brust beginnen. Bei starken Schmerzen Versuch mit Stillhütchen, evtl. Stillpause und Abpumpen. • Bei Persistenz an Superinfektion der betroffenen Brustwarze denken (Bakterien, Pilze). ▶ Mastitis: • Nicht abstillen! • Bettruhe der Mutter, Stillfrequenz steigern, kalte Kompressen. • Antibiotische Therapie spätestens nach 12 – 24 h beginnen. • An Mundsoor bzw. antimykotische Prophylaxe beim Kind denken (Nystatin 1 ml/kg KG/Tag p. o. in 3 – 4 ED). ▶ Stechende Schmerzen beim Stillen: ▶ Cave: Pilzinfektion der Brust! ■ • Untersuchung der Muttermilch auf Pilze, ggf. antimykotische Prophylaxe beim Kind.

9 Ernährung

9.1 Enterale Ernährung

Stillen: Kontraindikationen ▶ Besondere Erkrankungen und Therapien der Mutter müssen im Hinblick auf die Stillberatung recherchiert werden (z. B. Chemotherapie, Infektionen). Zur mütterlichen Medikation informiert die Informationsseite des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie (www.embyotox.de).

Bakteriologische Überwachung und Lagerung der Muttermilch ▶ Die bakteriologische Untersuchung der Muttermilch (MM) 1 × /Woche bei Frühgeborenen unter 1500 g ist nicht ausreichend belegt und kann daher nicht allgemeingültig empfohlen werden. Die Konsequenzen, die aus der evtl. Keimbesiedelung resultieren, müssen vorher definiert bzw. diskutiert werden (Art und Anzahl der Keime: niedrige Kolonosation < 103/ml Muttermilch; fraglich pathogene Endotoxine sowie Toxine mancher Staph.-aureus-Keime werden durch Pasteurisieren nicht zerstört). ▶ Wird abgepumpte Muttermilch an Frühgeborene unter 1500 g nicht gleich verfüttert, muss sie sofort gekühlt und auch gekühlt transportiert werden (max. Lagerung 72 Std bei 4°– 6 °C). Aufgetaute Milch ist im Kühlschrank ungeöffnet max. 24 Std., geöffnet 12 Std. aufzubewahren. ▶ Bei gesunden NG kann frische Muttermilch bis zu 8 Std bei Raumtemperatur gelagert werden.

Stillen und Infektionen ▶ Zytomegalie (CMV): • CMV kann durch CMV-DNA-positive Muttermilch übertragen werden. • Bei reifen Neugeborenen kommt es meist nicht zur symptomatischen Erkrankung, wahrscheinlich aufgrund von diaplazentar übertragenen mütterlichen Antikörpern, somit besteht keine Kontraindikation zum Stillen. 179

Ernährung

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9.1 Enterale Ernährung

• Neugeborene von CMV-seronegativen Müttern müssen im Fall der Gabe von Spendermilch Muttermilch von ebenfalls seronegativen Frauen erhalten, da sonst eine Übertragung und/oder Erkrankung resultieren kann. • Sehr unreife Frühgeborene (< 32. SSW) mit fehlenden protektiven Antikörpern können über CMV-haltige Muttermilch infiziert werden. Schwerste, durch Muttermilch erworbene CMV-Infektionen sind bei sehr unreifen Frühgeborenen aufgetreten. Die Ausscheidung von CMV in der Muttermilch ist nicht konstant; d. h., die einmalige Testung der Muttermilch auf CMV (PCR) reicht nicht aus. Die Epidemiologie dieses Infektionsweges bedarf der weiteren Klärung. • Praktisches Vorgehen: – Serologisches CMV-Screening der Mütter von Frühgeborenen < 32. SSW. – Seronegative Mütter können ihr Kind stillen. – Ist die Mutter CMV-IgG positiv, kann die Muttermilch pasteurisiert werden, bis das Kind als nicht mehr gefährdet eingestuft wird. Die Datenlage ist hier jedoch unsicher. Das Einfrieren der Muttermilch kann das Übertragungsrisiko reduzieren, aber nicht eliminieren. Pasteurisieren kann die immunologischen Vorteile der Ernährung mit Muttermilch beeinflussen (Berücksichtigung der Pasteurisierungstechnik). Es erfolgt die Aufklärung der Eltern über Vor- und Nachteile der Ernährung mit Muttermilch von Kindern CMV-positiver Mütter. – In einigen Zentren, die bei CMV-seropositiven Müttern MM pasteurisieren, erhalten Frühgeborene unter 1500 g in den ersten drei Tagen unpasteurisiertes Kolostrum der eigenen Mutter nach Aufklärung der Eltern über das Risiko einer CMV-Infektion bereits zu diesem Zeitpunkt. ▶ Hepatitis A: • Keine Kontraindikation. • Nur bei ikterischen Müttern wird die Gabe von Immunglobulinen empfohlen, der Nutzen ist jedoch noch nicht bewiesen (z. B. Beriglobin 0,02 – 0,06 ml/kg KG i. m.). ▶ Hepatitis B: • Keine Kontraindikation, sofern eine aktive und passive Impfung (S. 257) begonnen wurde (auch bei HBsAg- oder HBeAg-positiven Müttern). ▶ Cave: Infektionen durch „Escape“-Mutanten – keine Prävention durch Impfung! ■ ▶ Hepatitis C: • Bei HCV-RNA-positiver Mutter besteht eine perinatale Übertragungsrate von 5 (–10)%. • Das Infektionsrisiko für Kinder Hepatitis-C-Ag-positiver Mütter über die Muttermilch ist v. a. bei PCR-negativen Müttern sehr gering. • CDC (Center for Disease Control) und AAP (American Academy of Pediatrics) raten somit nicht vom Stillen ab, empfehlen aber Vorsichtsmaßnahmen bei wunden Brustwarzen. • Die Entscheidung für oder gegen das Stillen ist nach Aufklärung über das geringe (vor allem bei HCV-PCR-negativen Müttern), aber dennoch vorhandene Ansteckungsrisiko den Müttern zu überlassen. Die Beurteilung der Daten ist erschwert, da 30 – 50 % der Infektionen bereits pränatal erfolgen. Bei gleichzeitiger HIV-Infektion (s. u.) besteht für Neugeborene ein hohes Risiko einer Hepatitis-C-Infektion. ▶ Herpes simplex: • Keine Kontraindikation. Cave: Mütter mit aktiven Läsionen müssen eine gute Hygiene (Händewaschen, Wäsche, Mundschutz bei oralen Bläschen) einhalten. • Ist die Brust frei von Bläschen und lassen sich alle offenen Bläschen an anderen Körperstellen gut abdecken, ist das Stillen möglich. ▶ Tuberkulose: • Keine Kontraindikation, solange es sich nicht um eine offene Tbc handelt. ▶ Beachte: INH wird in der Muttermilch ausgeschieden (Kontrolle der Leberwerte). ■ ▶ HIV: • Kontraindikation in Europa. • Übertragungen durch die Muttermilch sind beschrieben worden.

▶ Mastitis: Keine Kontraindikation, das Kind leert die Brust besser als eine Milchpumpe! Cave: B-Streptokokken und MRSA.

Stillen und Rauchen ▶ Inhalation von Rauch geht mit erhöhtem Risiko für den plötzlichen Kindstod im ersten Lebensjahr (Sudden Infant Death Syndrome, SIDS) einher, daher gilt Rauchverbot in der gesamten Wohnung und in Kliniken. ▶ Die Milchbildung ist bei rauchenden Müttern in der Regel reduziert. ▶ Töchter von Raucherinnen sind häufiger infertil. ▶ Nikotin und andere karzinogene Substanzen gehen in signifikanter Menge in die Muttermilch über (laut Datenlage bis zu 33 ng/ml). Das Risiko und das Spektrum der Schädigung des Neugeborenen sind jedoch bis heute nicht eindeutig charakterisiert. ▶ Fazit: Möchte die rauchende Mutter ihr Kind stillen, soll sie es tun. Es erfolgt die entsprechende Aufklärung. Das Neugeborene soll jedoch unter keinen Umständen direkt oder indirekt inhalativ dem Rauch ausgesetzt werden.

9 Ernährung

9.1 Enterale Ernährung

Flaschenfütterung/Formulanahrung ▶ Allgemeines: Bei gestillten Kindern sollte die Flaschenfütterung auf das absolut Notwendige begrenzt werden. Das Kind sollte möglichst zuerst gestillt werden, bevor eine Zufütterung erfolgt. Wenn die Milchmenge nicht ausreicht, sollte versucht werden, die Milchmenge bei der Mutter durch häufigeres Anlegen zu steigern. Saugen ist ein Reflex, ältere gestillte Säuglinge können jedoch durchaus das Trinken verweigern. ▶ Allergien: Kinder mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer atopischen bzw. allergischen Erkrankung (hohes Risiko bei positiver Familienanamnese, d. h. bei Mutter, Vater oder Geschwistern nachgewiesene atopische Erkrankung inkl. Nahrungsmittelallergie, atopischem Ekzem, allergischem Asthma und Rhinokonjunktivitis), die nicht (mehr) gestillt werden, sollten in den ersten vier Lebensmonaten eine Säuglingsanfangsnahrung mit hydrolisiertem Protein (HA-Nahrung) erhalten. ▶ Hygiene: • In Kliniken sind sterile, trinkfertig portionierte Flüssignahrungen zu bevorzugen. • Trockenmilchprodukte sowie „H-Milchen“ sind keimarm, aber nicht steril. Sie können geringe Keimzahlen bzw. Sporen potenziell pathogener Bakterien, besonders von Enterobacter spp. und dem als besonders pathogen angesehenen C. sakazakii, enthalten. • Die Vermehrung von C. sakazakii in zubereiteter Milchnahrung kann bei Säuglingen insbesondere in den ersten Lebenswochen septische Infektionen (Meningitiden, Hirnabszesse) sowie eine Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) hervorrufen. Ein besonders hohes Risiko für C.-sakazakii-Infektionen besteht für Neugeborene und Säuglinge in den ersten 2 Lebensmonaten, für Frühgeborene sowie für Säuglinge mit einer Schwäche der Immunabwehr. • Die Zubereitung und Handhabung von Milchnahrungen in Kliniken und Säuglingsheimen durch geschultes Personal ist strikt an schriftlich vorliegenden Hygienerichtlinien zu orientieren (siehe hierzu die Stellungnahme der DGKJ unter http:// www.dgkj.de/uploads/media/1405_EK_Empfehlungen_Erna_hr_gesunder_Sa_ugl_ WEB3_01.pdf). • Säuglingsnahrung in Pulverform ist jeweils unmittelbar vor der Mahlzeit frisch zuzubereiten. • Die angerührte Nahrung wird sofort auf Trinktemperatur abgekühlt, unmittelbar verfüttert und nicht wiedererwärmt oder warmgehalten. • Nicht verbrauchte Nahrungsreste werden verworfen.

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9

9.1 Enterale Ernährung

Formelnahrung und Glukose-Elektrolyt-Lösungen für reife Neugeborene ▶ Glukose-Elektrolyt-Lösungen: • Indikationen: – Blutzuckerkonzentrationen unter 45 mg/dl. Rezidivierende Abfälle der Blutzuckerkonzentrationen müssen differentialdiagnostisch abgeklärt werden. – Kinder mit besonderem Risiko nach Kontrolle des Blutzuckers in den ersten Lebensstunden (SGA, LGA, Frühgeborene). Siehe Untersuchungen zur Ernährungskontrolle (S. 203). • Glukoselösungen gibt es als 5- und 10 %ige Lösung (Osmolarität 280 bzw. 555 mosmol/l). ▶ Cave: Unkontrollierter Einsatz von elektrolytfreier Glukoselösung kann zu gefähr■ lichen Hyponatriämien und Hypokaliämien führen. ▶ Maltodextrinlösungen: • Enthalten ebenfalls keine Elektrolyte. ▶ Beachte: Maltodextrinlösungen haben eine wesentlich niedrigere Osmolarität als ■ Glukoselösungen (15 %: 130 mosmol/l; 25 %: 230 mosmol/l). ▶ Formulanahrung: Säuglingsanfangsnahrungen sind unter www.thieme.de/checklisteneonatologie ersichtlich. • Indikation: Kinder von Müttern, die nicht stillen wollen/können. • Die Nahrung für die ersten 4 – 6 Lebensmonate soll gemäß EU-Richtlinien enthalten: – 250 – 315 kJ/100 ml (60 – 75 kcal/100 ml). – 0,45 – 0,7 g Protein/100 kJ. – 1,05 – 1,5 g Fett/100 kJ. • Hydrolysat-Nahrung: Einige hypoallergene Nahrungen (HA-Nahrungen) können die Inzidenz der atopischen Dermatitis reduzieren. Der Zusatz von Polyenfettsäuren wurde von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) empfohlen. • Die Vor- und Nachteile von Pro- und Präbiotika sind noch nicht ausreichend belegt, um ihren Zusatz zu der Nahrung von Neu- und Frühgeborenen empfehlen zu können.

Gesunde Frühgeborene und wachstumsretardierte Kinder ▶ Für Frühgeborene bzw. Kinder mit einer Wachstumsretardierung und einem GG von 1500–2000 g (Small for Gestational Age, SGA) gilt die empfohlene Flüssigkeitszufuhr von 70/90/110/130 – 150 ml/kg KG/Tag (1.-6. LT) unter Berücksichtigung der klinischen Situation. ▶ Für die Energiezufuhr werden 70–140 kcal pro kg/d empfohlen, es wird eine Zufuhr von (110)–135 kcal/kg KG/Tag angestrebt. ▶ Eine Kontrolle der Blutzucker wird in den ersten Lebensstunden empfohlen. Längere Nahrungspausen führen in diesem Kollektiv zu niedrigen Blutzuckerkonzentrationen. ▶ Stabile Frühgeborene und SGA Kinder mit einem Geburtsgewicht von > 1700 g sollten bereits im Kreißsaal Maltodextrin 15 % erhalten und auf Station ab dem 1. Lebenstag mit Formulanahrung (S. 182) ad libitum früh gefüttert werden (dabei BZ-Kontrollen). ▶ Frühgeborene bis 2500 g sollten eine Frühgeborenennahrung (bevorzugt mit langkettigen Fettsäuren) erhalten und wenn es die klinische Situation erlaubt, angelegt werden, um die Milchbildung bei der Mutter zu fördern. Saugen die Kinder noch nicht ausreichend, kann die Mutter zusätzlich Muttermilch abpumpen. Um dem Kind das Saugen zu erleichtern, kann der Milcheinschuss durch kurzes Pumpen angeregt werden.

182

Kranke Neu- und Frühgeborene: Menge der zugeführten Nahrung ▶ Beachte: Die tägliche Überprüfung und Optimierung der Ernährung vom 1. Lebens■ tag an ist von entscheidender Bedeutung für die spätere psychomotorische und Gewichtsentwicklung. Dies gilt insbesondere auch für die Phase der intensivmedizinischen Betreuung. Die Darmmukosa ist darüberhinaus auf intraluminale Ernährung angewiesen. Fasten führt innerhalb weniger Tagen zur Atrophie. ▶ Vorgehen: • Beginn mit 8–12 Mahlzeiten und wenigen Millilitern pro Mahlzeit. • Vor der ersten Stuhlpassage und/oder bis zu einer Nahrungsmenge von 5 ml/Mahlzeit erfolgt die Gabe von Muttermilch ohne Zusätze oder einer Frühgeborenennahrung. • Frühgeborene, die ihre Nahrungsmenge vollständig selbst trinken, sollen dies ad libitum tun (unter Beachtung der klinischen Situation). • Teilsondierte Frühgeborene: Die über die Sonde verabreichte Nahrungsmenge kann um max. 30 ml/kg/Tag gesteigert werden, auch wenn das Kind selbstständig bereits mehr trinkt.

9 Ernährung

9.1 Enterale Ernährung

Kranke Neu- und Frühgeborene: Übersicht enterale Nahrungen ▶ Muttermilchernährung sobald wie möglich beginnen: Die Mutter sollte nach Geburt sobald als möglich abpumpen. Cave: CMV bei FG (S. 179) < 32 Wochen. • Anreicherung mit FM85 oder FMS ab einer Nahrungsmenge von ca. 5 ml/Mahlzeit oder einer enteralen Nahrungsmenge von 60–100 ml/kg KG/Tag. – Dosierung FM85: Beginn mit 2,5 g/100 ml Muttermilch (1/2 ML FM85), dann 5 g/100 ml Muttermilch (1 ML FM85). – Dosierung FMS: Beginn mit 2,2 g/100 ml Muttermilch (1/2 ML FMS), dann 4,4 g/100 ml Muttermilch (1 ML FMS). Dieses Schema beruht auf persönlichen Erfahrungswerten. – Bei > 5 g FM85/100 ml Muttermilch oder > 4,4 g FMS/100 ml Muttermilch Uringlukose- und Blutzuckerkontrollen (cave: Hyperalimentation und konsekutive Hypoglykämien). – Blutzuckerkontrollen bei Reduktion des Supplements. – Eiweiß kann selektiv durch den Zusatz von Eiweißpulver (z. B. Aptamil Eiweiß) supplementiert werden (1 Gramm der Pulvermenge entspricht 0,8 g Eiweiß). – Kontraindikationen: ggf. Stoma, Stoffwechselerkrankungen. ▶ Ernährung mit Formulanahrung bei Frühgeborenen < 36. SSW oder GG < 2000 g: • Frühgeborenen-Nahrungen siehe Tab. 9.1: – Indikation besteht wenn Muttermilch nicht verfügbar ist oder Kontraindikationen vorliegen. – Vorteil gegenüber anderen Formulanahrungen: höherer Gehalt an Protein, Kalorien, Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen, damit dem erhöhten Kalorien- und Nährstoffbedarf Frühgeborener angepasst. ▶ Aber: Ob eine Verdünnung von Nahrung bei Beginn des Nahrungsaufbaues ■ sinnvoll ist, ist nicht geklärt. Langsame Infusion von Nahrung mit höherer kalorischer Dichte scheint die duodenale Motilität zu fördern. – Beba 0 und Alete 0 sind Hydrolysate. Humana 0 und Prematil 0 gibt es sowohl als Hydrolysat als auch nicht hydrolysiert. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Hydrolysat-Nahrung bei Frühgeborenen die Inzidenz von Allergien reduziert. Der enterale Nahrungsaufbau und die Stuhlpassage werden durch Frühgeborenennahrung mit hydrolysiertem Protein beschleunigt (Nahrungen s. Tab. 9.1). • Extrem unreife (< 26. SSW) oder untergewichtige Frühgeborene (< 750 g): – Nahrungsaufbau oft nur sehr verzögert möglich, z. T. Steigerung der Nahrung in 0,5-ml-Schritten. Manche FG-Stationen geben bei sehr unreifen Frühgeborenen 12 Mahlzeiten pro Tag. 183

Ernährung

9

184

9.1 Enterale Ernährung

– Ein Vorteil der Gabe von Semi- bzw. Elementar-Nahrungen (Neocate, Alfaré, Pregomin, Nutramigen und Pregestemil) ist nicht nachgewiesen (Nahrungen s. Tab. 9.4). In zwei Untersuchungen wurde kein schnellerer Nahrungsaufbau nachgewiesen, veränderte Aminosäurespiegel im Serum sind aber wiederholt berichtet worden (z. B. hohe Threoninspiegel).

67

280

1,2

2,5-5

k.A.

1,8-3,6

k.A.

40

60:40

3,8

0,38

7

7

0

kJ

Eiweiß (g)

Taurin (mg)

Cholin (mg)

L-Carnitin (mg)

Inositol (mg)

Phenylalanin (mg)

Molke : Casein

Fett (g)

MCT

Kohlenhydrate (g)

Laktose (g)

Maltodextrin (g)

Muttermilch

kcal

Energie in

Nährstoff

3,8

7,3

10,6

0,38

3,8

75:25

k.A.

3,9

5,8

8,6

5,8

2,6

355

85

Muttermilch + 5 g FM/ 100 ml

3,8

7,2

10

0,38

3,8

60:40

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

k.A.

2,6

345

80

Muttermilch + 4,4 g FMS/ 100 ml

Tab. 9.1 • Frühgeborenen-Nahrungen (Angaben pro 100 ml).

4,7

3,7

8,4

1,8

4,0

100

k.A.

20

3,1

20

6,3

3,6

335

80

Beba FG Nahrung < 1800 g Hydrolysat

2,3

5,28

7,65

0

3,8

100

k.A.

15

1,2

15

5,8

2,04

305

73

Beba FG Nahrung > 1800 g

2,3

5,4

8,3

k.A.

4,2

60:40

81

8

2,8

28

4,8

2,2

333

80

Humana 0

6,1

2,5

8,8

0,6

3,9

100

82

8

2,7

32

4,4

3,1

315

84

Humana 0 VLBW Hydrolysat

2,1

5,6

8,4

k.A.

3,9

60:40

116

24

1,8

17

5,5

2,6

335

80

Aptamil Prematil

Ernährung

4,2

5,4

10,3

k.A.

5,4

60:40

k.A.

5

2

14

7

2,6

415

100

Infantrini (enthält GOS/FOS)

9.1 Enterale Ernährung

9

185

186

50

55

25

15

3,5

0,02

0,37

40

17

k.A.

2

Chlorid (mg)

Kalzium (mg)

Phosphor (mg)

Magnesium (mg)

Eisen (mg)

Zink (mg)

Kupfer (µg)

Jod (µg)

Fluor (µg)

Ca/P

83

0,2

0,24

Vitamin A (µg-RE)

Vitamin D (µg)

Vitamin E (mg)

Vitamine

29

Kalium (mg)

Muttermilch

Natrium (mg)

Mineralstoffe

Nährstoff

Tab. 9.1 • Fortsetzung

4,3

4

445

1,6

k.A.

27

k.A.

1,27

1,8

7,3

60

100

81

116

54

Muttermilch + 5 g FM/ 100 ml

3,84

5,2

315

1,8

k.A.

27

75

0,98

0,02

3,1

52

96

80

73

64

Muttermilch + 4,4 g FMS/ 100 ml

3,6

3,7

370

1,5

7,3

31

80

1,2

1,8

8,3

77

116

76

120

51

Beba FG Nahrung < 1800 g Hydrolysat

1,5

1,2

85

1,7

5,6

19

60

0,9

0,8

13

48

80

55

77

25

Beba FG Nahrung > 1800 g

2,4

1,5

80

1,8

k.A.

16

84

0,9

1,2

7,2

52

80

55

77

25

Humana 0

3

3,9

385

1,7

< 20

25

80

1,1

1,8

8,2

61

105

80

96

53

Humana 0 VLBW Hydrolysat

3,5

3

361

1,8

1800 g

280

600

2,8

0,16

56

104

1,7

144

112

16

4

Humana 0

335

1310

3

0,26

45

160

3,2

200

140

30

6,5

Humana 0 VLBW Hydrolysat

240

880

3,5

0,2

35

120

2,4

200

140

17

6

Aptamil Prematil

Ernährung

295

450

2,3

0,41

15

60

1,2

150

150

12

6,7

Infantrini (enthält GOS/FOS)

9.1 Enterale Ernährung

9

187

Ernährung

9

9.1 Enterale Ernährung

Kranke Neu- und Frühgeborene: Probleme bei der enteralen Ernährung ▶ Magenreste: Angedaute Magenreste können meist wieder verfüttert werden, sollten aber in der Nahrungsmenge mitbilanziert werden, wenn sie 30 % der Einzelmahlzeit übersteigen. Bei wiederholt auftretenden, nicht angedauten oder grünlich verfärbten Magenresten kann die Spülung des Magens mit 5 %iger Glukose versucht werden. ▶ Cave: Bei signifikanten Magenresten (> 5 ml bzw. > 50 %) muss immer eine NEC bzw. ■ eine Infektion ausgeschlossen werden! ▶ Darmpassage: Das regelmäßige Absetzen von Stuhlgang spätestens ab dem 3. Lebenstag ist essenziell für einen erfolgreichen Nahrungsaufbau. Mögliche Maßnahmen (sanfte Bauchmassage und rektales Anspülen mit NaCl 0,9 % (2 – 5 ml/kg), Glukose 5 % gemischt 1:1 mit Öl (S. 193), z. B. Mazola (2–5 ml/kg), Tween 80 oder Glukose 5 %/Glycerin 80 %-Lösung 9:1 (5 ml/kg), sollten jedoch sehr zurückhaltend gehandhabt werden und nur durch die erfahrene Intensivpflegekraft oder Neonatologen erfolgen. Die Verwendung von i. v. Fett ist ebenfalls möglich und bietet die Vorteile der einer sterilen Fettlösung, s. Mekoniumpfropf (S. 206).

Supplementierungen ▶ Kalorien, Protein: Wichtiger als die absolute Kalorienzufuhr ist das Wachstum des Kindes, wobei die optimale Wachstumsrate unklar ist; vgl. Wachstumskurven (S. 478). In der Regel benötigen Frühgeborene 110 –140 kcal/kg KG/Tag (500 – 600 kJ) und 3,5 – 4,4 g Protein/kg KG/Tag. ▶ Kalzium/Phosphat: • Die Knochenmineralisierung erfolgt zum größten Teil im letzten Trimenon der Schwangerschaft. Während dieser Zeit gehen transplazentar große Mengen Kalzium und Phosphat von der Mutter auf das Kind über. Diese sind bei Frühgeborenen postnatal parenteral oder enteral auch durch die Anreicherung der Muttermilch oder die Gabe einer Frühgeborenennahrung aufgrund unterschiedlicher Resorptionsraten fast nicht zu supplementieren (Resorptionsraten zwischen 30 – 80 % je nach Mineral und Nahrung). • Bei der Osteopenie des Frühgeborenen kommt es insbesondere in der Wachstumsphase 2 – 4 Monate nach der Frühgeburt zu ausgeprägten radiologisch nachweisbaren Veränderungen der Knochen mit Demineralisierung und u. U. auch Rippen- oder Extremitätenfrakturen. • Die Entmineralisierung der Knochen führt darüberhinaus zu längerer Beatmungszeit aufgrund einer größeren Instabilität des Thorax/der Rippen und fördert die Entstehung eines Dolichozephalus, der mit der Entwicklung einer Myopie assoziiert sein kann. • Bei einer Kalzium- und Phosphatmangelversorgung werden diese Mineralien aus dem Skelett mobilisiert und eine Entmineralisierung weiter aggraviert. Lang dauernde Diuretika- und Steroidhormontherapien, z. B. bei bronchopulmonaler Dysplasie, führen ebenfalls zur Kalziumverarmung und Osteopenie. • Kalzium und Phosphat werden im Knochen im Verhältnis 5:3 als Apatit [Ca5(PO4)3-R] deponiert. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Resorptionsraten und dem zusätzlichen Phosphatbedarf des Organismus kann die erforderliche Zufuhr in dem entsprechenden Verhältnis über die Nahrung abgeschätzt werden. • Der Mangel eines Minerals bedingt die vermehrte Ausscheidung des anderen im Urin. D. h. bei relativem Kalziummangel erscheint vermehrt Phosphat im Urin bzw. bei Phosphatmangel Kalzium. • Die Kalzium- und Phosphatzufuhr über die Frühgeborenennahrung oder das FMSupplement führt meist zu einer ausreichenden Versorgung i. S. der Empfehlungen.

188

• Die einmalige Bestimmung der Kalzium- und Phosphatkonzentration im Serum zum Ausschluss angeborener Störungen schließt bei Normalwerten eine Osteopenie nicht aus! • Die Erhöhung der alkalische Phosphatase (AP) und pathologische Zeichen im Röntgen sind (zu) späte Zeichen, und auch bei normwertigen AP-Werten kann eine Osteopenie vorliegen. • Die Bestimmung von Kalzium- und Phosphatkonzentration im Spontanurin ist somit wichtig. Untersucht werden alle Frühgeborenen ab der 3. Lebenswoche bis zu einem Gewicht von 2500 g bzw. bis zur Entlassung 1 – 2 × /Woche (1 – 2 ml Spontanurin in Spezialröhrchen mit HCl-Beschichtung). • Normalwerte: Kalzium und Phosphat > 1 mmol/l (Überlaufmechanismus). • Typische Konstellation: Muttermilchernährte Kinder haben eine Kalziurie (relativer Phosphatmangel!). • Bei ausreichender Kalzium- und Phosphat-Ausscheidung im Urin (Tab. 9.2) ist keine weitere Substitution notwendig (wöchentliche Kontrolle des Urinbefunds). • Bei geringer Phosphatausscheidung und guter Kalziumausscheidung sollte die Kalziumzufuhr erhöht werden, da es bei ungünstigem Ca-Ph-Verhältnis aufgrund eines reduzierten Knocheneinbaus zur Kalziumausscheidung kommt. Bei Frühgeborenen mit extremer Unreife muss hier die höhere Phosphatschwelle der Niere berücksichtigt werden (Phosphat im Serum bestimmen). • Furosemid und Koffein führen zu vermehrter Kalziumausscheidung, daher sollte 1–2x/Woche der Serumkalziumwert bestimmt und eher eine Kalziumausscheidung im oberen Referenzbereich angestrebt werden. • Ein tubulärer Nierenschaden kann zu vermehrter Phosphatausscheidung führen (parallele Phosphatbestimmung im Serum und Urin). Eine ausreichende Phosphatkonzentration im Urin bedeutet dann nicht zuverlässig eine ausreichende Zufuhr von Phosphat. • Mindestzufuhr für ein voll enteral ernährtes, gut gedeihendes Frühgeborenes: 145 mg/kg Ca = 3,5 mmol/kg; 87 mg/kg P = 2,8 mmol/kg). • Praktisches Vorgehen: FM 85 oder FMS der MM oder Formulanahrung zusetzen (1. Wahl). Ausgewogenes Kalzium-Phosphat-Verhältnis und gute Verträglichkeit. • Alternativen: – Kalzium-Glyzerophosphat: 1,2 mmol = 50 mg Kalzium und 38 mg Phosphat. – Kalzium-Glukonat: 0,84 mmol = 35 mg Kalzium. Herstellung der Kapseln in der Apotheke. – Kalzium-Glukonat 10 % und/oder Na-Glyzero-1-Phosphat-Lösung. Ungünstigste Lösung, da die Flüssigkeitszufuhr erhöht ist. Lösung aus Plastikflaschen benutzen (wegen Aluminiumbelastung der Glasflaschen). ▶ Beachte: ■ – Kalziumkonzentrationen im Spontanurin stimmen gut mit den Kalziumkonzentrationen im Sammelurin überein. Die Phosphatkonzentrationen im Spontanurin ergeben u. U. deutlich höhere Werte als im Sammelurin. Daher sollte bei erhöhten Kalziumkonzentrationen immer eine Dosisreduktion der Supplementation erfolgen, bei erhöhtem Phosphatkonzentrationen erst Kontrolle. – Bei allen Diuretikatherapien und bei Theophyllin-/Koffeingabe kommt es zu einer Kalziurie, auch bei ungenügender Zufuhr! ▶ Wichtig: Anfangs erhöhte Urinkonzentrationen für Kalzium oder Phosphat kön■ nen unter Substitution mit dem anderen Mineral deutlich, z. T. bis unter die Nachweisgrenze, absinken (Einbau in den Knochen). Deshalb sind regelmäßige, wöchentliche Kontrollen und meistens eine Substitution beider Mineralien nötig. • Probleme: Es ist immer mit einem Verlust in der Flasche bzw. Spritze und Leitung zu rechnen. Ein ungelöster Bodensatz bleibt häufig zurück und die individuelle Absorption ist nicht bekannt. In seltenen Fällen kann es unter der Substitutionstherapie im Darm zu Seifenbildung mit schweren gastrointestinalen Komplikationen kommen.

9 Ernährung

9.1 Enterale Ernährung

189

Ernährung

9

9.1 Enterale Ernährung Tab. 9.2 • Kalzium- und Phosphatsupplementierung bei Frühgeborenen < 1500 g. Urin-Ca [mmol/L]

Urin P [mmol/L]

< 1,4

≥ 1,2 und ≤ 2.4

> 3,0

< 0,4

Ca ↑ P↑

Ca – P↑

Ca – P↑

≥ 0,4 und ≤ 0,8

Ca ↑ P –↑

Ca – P–

Ca ↓ P–

> 0,8

Ca ↑ P–

Ca – P↓

Ca ↓ P↓

▶ Eisen, Zink : • Zink ist in den Nahrungszusätzen (FM 85, FMS 4.4) sowie in der Frühgeborenennahrung enthalten und muss daher nicht supplementiert werden. Aptamil Eiweiß enthält kein Zink (Tab. 9.3). Unizink i. v. kann zur Substitution oral gegeben werden. • Eisen: Bei Frühgeborenen erfolgt die Substitution in der Regel ab der 2. Lebenswoche bzw. ab dem Zeitpunkt der vollen enteralen Ernährung, vgl. Epoetin-Beta (S. 453). Dosierung: Fe2+ + 2 – 4 mg/kg KG/Tag p. o. ▶ Beachte: Zink und Eisen nicht gleichzeitig verabreichen! ■ • Ferritin bzw. löslichen Eisenrezeptor bei polytransfundierten Kindern vor Eisensubstitution bestimmen (falls möglich). Der lösliche Eisenrezeptor ist kein Akutphaseprotein wie Ferritin und damit zuverlässiger. ▶ Vitamine: • Beginn der oralen Vitaminzufuhr: nach Ende der Zufuhr von Soluvit und Vitalipid bei einer Nahrungsmenge von 5–7 ml pro Mahlzeit. Dosierung siehe Tab. 9.7. ▶ Beachte: Vitamin-A-Zufuhr bei Kindern, die mit einer Menge von < 100 ml/kg KG ■ Prematil ernährt werden (1 Tropfen Vitadral/Tag). • Bei wachstumsretardierten Kindern und Kindern mit Gedeihstörungen (z. B. i.R. eines Kurzdarmsyndroms) Fortführung der Vitaminsubstitution (ggf. unter Kontrolle der Vitaminspiegel), Beachtung der fehlenden Darmanteile bei der Zusammensetzung der Substitution (z. B. B12-Mangel bei nach Ileumresektion). • Vitamin A: – Bedarf des frühgeborenen Kindes: 400–1000 μg/kg KG. – Indikation: Besonders bei Kindern mit ausgeprägter Bronchopulmonaler Dysplasie (BPD). • Vitamin D: – Bedarf des Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht < 2000 g GG: 800–1000 IE/Tag in den ersten Lebensmonaten, dann 500IE/Tag. Beachte Zufuhr über die FG-Nahrung. – Indikation: Alle Neugeborenen. • Vitamin E: – Der Bedarf bei Frühgeborenen beträgt 2,2–11 mg/kg KG. – Indikation: Besonders bei Kindern mit Cholestase. • Vitamin K: Dosierung bei frühgeborenen Kindern: < 1500 g KG: 1 mg/Woche p. o., > 1500 g KG: 2 mg/Woche p. o.; (i. v. 100–200 μg/kg falls kein Vitalipid unter Intensivtherapie). ▶ Beachte: Wasserlösliche Vitamine werden renal ausgeschieden, bei eingeschränkter ■ Nierenfunktion können sie akkumulieren (cave: Vitamin B2 kann in der Niere ausfallen). ▶ Muttermilchverstärker (Tab. 9.3).

190

Tab. 9.3 • Muttermilchverstärker und ihre Inhaltsstoffe. Inhaltsstoffe

Einheit

Aptamil FMS 4,4 g

FM 85 4 g

Aptamil Eiweiß + 1g

Protein

g

1,1

1,4

0,8

Kohlenhydrate

g

2,7

1,3

0,02

Fett

g

MCT

g

Natrium

mg

35

36

7,8

Kalium

mg

23

48

12

9 Ernährung

9.1 Enterale Ernährung

0,72 0,5

Kalzium

mg

66

76

5,2

Phosphor

mg

38

44

5,2

Magnesium

mg

5

4,0

0,5

Chlorid

mg

25

32

0,6

Eisen

mg

0

1,8

0

Zink

mg

0,61

1,0

0

Vitamin A

µg

232

333

Vitamin D

µg

5,0

3,57

Vitamin E

mg

3,6

3,8

Vitamin K

µg

6,4

7,5

Vitamin C

mg

12

19

Vitamin B1

µg

130

150

Vitamin B2

µg

170

200

Niacin

mg

2,6

1,5

Pantothensäure

µg

750

640

Vitamin B6

µg

110

130

Folsäure

µg

30

40

Vitamin B12

µg

0,2

0,19

Biotin

µg

2,5

3,3

kcal (kj)

15 (65)

17,4 (74)

mosmol/l

380

339

Vitamine

Energie

Osmolarität (in 100 ml Muttermilch)

3 (17)

Wachstumsretardierte Kinder und Frühgeborene < 2000 g Geburtsgewicht: Entlassung nach Hause ▶ Es werden engmaschige Kontrollen des Wachstums mit Messung von Gewicht, Länge und Kopfumfang empfohlen (http://espghan.med.up.pt/position_papers/con_25.pdf). ▶ Bei Erreichen eines Körpergewichts von ca. 2500 g und perzentilenparalleler Gewichtsentwicklung oberhalb der 10. Perzentile sollten die Kinder möglichst gestillt werden, bzw. eine Standard-Formulanahrung mit LCPUFA erhalten (Pre-Nahrung). 191

Ernährung

9

9.1 Enterale Ernährung

▶ Bei Entlassung von Kindern mit subnormaler Gewichtsentwicklung (perzentilenschneidender Gewichtsentwicklung nach unten oder Gewichtsverlauf unterhalb der 10. Perzentile) liegt ein erhöhtes Risiko für eine persistierende Wachstumsverzögerung vor. Diese Kinder sollten daher ein Supplement in der MM oder eine Frühgeborenennahrung mit hoher Protein-, Mineral und Spurenelementzufuhr sowie LCPUFA erhalten. Diese Ernährung sollte bis zum errechneten Geburtstermin beibehalten werden. Dann muss individuell entschieden werden, wann auf eine normale Säuglingsanfangsnahrung umgestellt wird. ▶ Die Verordnung von Supplementen kann einmalig durch die Klinik erfolgen. Hierbei muss eine Rezeptierung unter Angabe der Diagnose erfolgen. Frühgeborenennahrung wird in der Regel nicht von der Kasse finanziert, versuchsweise kann ein Privatrezept eingereicht werden. Zurzeit wird Infatrini von den Kassen als Sondernahrung übernommen, auch wenn das Kind selbstständig trinkt. ▶ Aus ernährungsmedizinischer Sicht gibt es keine Empfehlung, von einer Pre- oder einer 1er-Nahrung auf eine Folgenahrung umzustellen. Die enthaltene Stärke der 2er-(3er-)Nahrungen kann länger anhaltend sättigen, aber durch den intestinalen Enzymmangel auch zu Verdauungsproblemen führen. Des Weiteren enthalten diese Folgenahrungen oft Zucker und sind in der Gesamtzusammensetzung nicht mehr ausreichend optimiert. Bei atopischer Familienanamnese sollte mindestens über die erste 4 Monate eine HA-Nahrung gefüttert werden. Es kann wahlweise statt der 1er-Nahrung auch die Pre-Nahrung weiterverwendet werden. ▶ Die Eisensupplementierung wird bis zur Fütterung einer fleischhaltigen Mahlzeit fortgeführt. Zu beachten ist insbesondere, dass der Eisengehalt der Folgenahrungen nach der Umstellung von Muttermilch + FM85 oder Prematil geringer ist. Unter einer Pre-Nahrung empfiehlt sich eine Eisensupplementierung von 1 Tropfen Eisen pro kgKG (entspricht 1,5 mg/kgKG/die bei einem Eisengehalt von 0,5 mg/100 ml Aptamil Pre). ▶ Die Fütterung von Beikost sollte im korrigierten Alter frühestens mit Beginn des 5., spätestens mit Beginn des 7. Monats begonnen werden und dem Schema des Ernährungsplans des Forschungsinstituts für Kinderernährung folgen (FKE). ▶ Eine vegane Ernährung ist nicht bedarfsdeckend und hat ein hohes Risiko für das Auftreten eines Nährstoffmangels (z. B. Vit. B12, bioverfügbares Protein, Eisen und Zink) mit ernsten Risiken für die kindliche Entwicklung. Eine vegane Ernährung bedarf immer einer ergänzenden Nährstoffsupplementierung. ▶ Im 1. Lebensjahr sollten Säuglinge keinen Honig erhalten (Gefahr des Botulismus). Der Zusatz von Salz, Aromen oder Süßungsmitteln ist unerwünscht. ▶ Der Ernährungsplan gilt auch für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko. Das Meiden oder spätere Einführen von allergenen Lebensmitteln bietet keinen Schutz vor Allergien. Dies gilt auch für glutenhaltiges Getreide. Kuhmilch sollte im 1. Lebensjahr in kleinen Mengen (zur Zubereitung eines Milch-Getreide-Breies) gegeben werden. In der ambulanten Betreuung der Frühgeborenen hat sich die schrittweise Einführung der einzelnen Elemente als geeignet erwiesen.

Spezialnahrungen und Supplemente ▶ Alfaré: • Indiziert bei Kurzdarmsyndrom wegen geringer Osmolarität. Beginn und Menge je nach Krankheitsbild. ▶ Beachte: Alfaré ist keine Neugeborenennahrung und nicht an den Nährstoff- und ■ Kalorienbedarf Frühgeborener angepasst. ▶ Monogen (93 % MCT, 7 % LCT): • Indiziert bei Chylothorax (S. 206). • ggf. mit Ceres-Öl weitere MCT substituieren. ▶ Basic F: • Diätetische Behandlung von Störungen im Fettstoffwechsel z. B. Fettdigestionsund -resorptionsstörungen, Chylothorax, Defekte der β-Oxidation. 192

• Beginn und Menge wie bei Muttermilch (S. 183). • ggf. mit Ceres-Öl weitere mittelkettige Triglyceride (MCT) substituieren. ▶ Pregomin: • Hypoallergene Spezialnahrung bei Nahrungsmittelunverträglichkeit, Kurzdarm. • Stark hydrolysierte Proteine, milcheiweißfrei, niederosmolar, leicht resorbierbar, glutenfrei, laktosefrei, fruktosefrei, kein Kristallzucker. • Sonderform: Pregomin AS. ▶ Neocate: • Kinder mit schweren oder multiplen Nahrungsmittelallergien, Kinder mit spezifischen Gedeihstörungen, Stomakinder. • Leicht verdauliche nicht-allergene Elementardiät bei Nahrungsmittelunverträglichkeit, reine Aminosäuren, Glukosesirup (keine Laktose, Galaktose, Saccharose), milcheiweißfrei, glutenfrei; wenig Stuhlbildung. ▶ Duocal (1 g = 2 FM-Messlöffel = 4,92 kcal): • Bei erhöhtem Kalorienbedarf (z. B. bei Reifgeborenen mit Herzfehler). • 1 g/100 ml, nach Möglichkeit steigern. ▶ Beachte: Eiweißfrei, enthält Fett und Kohlenhydrate (ist teuer und wird nicht von ■ den Kassen übernommen; alternativ Maltodextrin + Öl). ▶ Maltodextrin 19 (1 g = 3 FM-Messlöffel = 3,8 kcal): • Bei erhöhtem Kalorienbedarf (passagere Hypoglykämien bei Gestationsdiabetes, Kinder mit Wachstumsretardierung). ▶ Beachte: „Kohlenhydratmast“. ■ ▶ Mazola-Öl/Rapsöl (1 ml = 8,2 kcal): • Bei zusätzlichem Kalorienbedarf, bei festen Stühlen. • Beginn mit 4–8 × 0,5 ml/Tag, je nach Stuhlkonsistenz. ▶ Beachte: Bei unreifem Darm oder hohem Zusatz kann es zu erosiven Veränderun■ gen des Darms mit Blut im Stuhl/Diarrhö kommen. ▶ Ceres-Öl (1 ml = 7,5 kcal, 95 % MCT-Fett): Zur Kalorienanreicherung besonders bei Muttermilch und Zufuhr von Fettsäuren bei besonderer Indikation, z. B. Chylothorax. ▶ Reisflocken (1 g = 6 FM-Messlöffel = 3,72 kcal):: Bei spezieller Indikation, z. B. Reflux, Erbrechen. Alternative Aptamil AR. ▶ Die folgende Tab. 9.4 gibt eine Übersicht über die Zusammensetzung der wichtigsten Spezialnahrungen/Nahrungszusätze.

9 Ernährung

9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung

Tab. 9.4 • Spezialnahrungen. Pro 100 ml Nahrung

Neocate

Alfaré 7,5 %

Alfaré 15 %

Alfaré 20 %

Monogen

kcal

72

36

72

96

74

Osmol

342

97

194

258

Protein (g)

1,95

1,3

2,5

3,3

2,0

KH (g)

8,1

4

8

10,7

12

Fett (g)

3,5

1,8

3,5

4,7

2 (93 % MCT)

9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung ▶ Die Angaben zur parenteralen Ernahrung orientieren sich an den Empfehlungen der Ernahrungskommission der ESPGHAN, und werden für Kinder mit einem Gewicht unter und über 1500 g unterschieden sofern nicht anders angegeben. ▶ In vielen Kliniken werden standardisierte Infusionen im Gegensatz zu den individuell verordneten Infusionslösungen verwendet, siehe auch Hygiene (S. 288). Bei sehr unreifen FG ist dies in der ersten Lebenswoche aber oft nicht möglich. Die Verwen193

Ernährung

9

9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung

dung von Programmen zur Verordnung der parenteralen Ernährung (und von Medikamenten) verringert Fehler in der Verordnung.

Grundlagen und Indikationen ▶ Reife Neugeborene und Frühgeborene ≥ 1800 Gramm sollten nur dann eine Infusion erhalten, wenn aufgrund einer Infektion oder Atemstörung kein Nahrungsaufbau möglich ist, bzw. bei Hypoglykämien. Fettinfusion nur bei längerfristiger (> 5 Tage dauernder) parenteraler Ernährung. ▶ Frühgeborene < 1800 g: • Beginn der parenteralen Ernährung am 1. Lebenstag. • Ausgeglichene Energiezufuhr beachten: ≈ 40–45 % Kohlenhydrate; ≈ 45 % Fett; ≈ 10–15 % Protein. • Beginn der Proteinzufuhr mit ≥ 2 g/kgKG, kontinuierliche Steigerung bis in den Zielbereich von 3–4 g/kg anstreben, „Kohlenhydratmast“ vermeiden. • Spurenelemente und Vitamine: Beginn 1. oder spätestens 2. LT (besonders Magnesium- und Zinkzufuhr; Peditrace). • Bei vollständig parenteraler Ernährung orale oder enterale Gabe von mindestens 0,5 ml Glukose 5 % als Magenschutz. Besser ist jedoch eine zumindest minimale enterale Ernährung mit 6–8 ml Muttermilch (oder Formelnahrung)/Tag, die je nach Verträglichkeit schrittweise gesteigert werden sollte. • Flüssigkeitszufuhr der klinischen Situation und den Ergebnisse der 3–6-stündlichen Bilanzierung anpassen. Zusammenhang „fluid overload and risk for BPD“ beachten; PDA beachten. • Monitoring: Bei voll- bis zu halb-parenteral ernährten Kindern erfolgt 1 × /Woche eine Blutentnahme zur Bestimmung von Blutzucker, Triglyzeriden, Harnstoff, Kreatinin, Gesamteiweiß, Leberwerten und für eine Blutgasanalyse. Dies gilt insbesondere für Kinder mit extremer Unreife, langzeitparenteraler Ernährung und Kinder mit schweren Infektionen. • Reduktion der Protein-, Fett- und Kohlenhydratzufuhr bei unzureichender Verstoffwechselung (angezeigt durch signifikant erhöhten Blutzucker, Anstieg der Triglyzeride). Hierbei Gesamtkomposition der Nahrung beachten und Minimalzufuhr nicht unterschreiten, Insulintherapie erwägen. • Die Gabe von 100 %-igen Sojaölemulsionen (z. B. Intralipid) vermeiden. Eingesetzt werden sollen Lipidemulsionen der 2. Generation. Fettlösungen mit Fischöl reduzieren das Risiko einer Cholestase unter parenteraler Ernährung. • (Kurzes) Pausieren der Protein- und Fettzufuhr für die Dauer von operativen Eingriffen aufgrund des antizipierten veränderten Metabolismus.

Infusionsmengen ▶ Zu den Infusionsmengen siehe Tab. 9.5 und Tab. 9.6.

Vitamine ▶ Vitamin K: max. 1 mg absolut i. v. • Frühgeborene ≥ 1500 g: Konakion MM 2 mg p. o. (wenn in gutem AZ), sonst Konakion 100-200 μg/kgKG i. m., s. c. oder langsam i. v. • Frühgeborene < 1500 g: Konakion 100-200 μg/kgKG i. m., s. c. oder langsam i. v. (alternativ 3 ml/kgKG Vitalipid infant ab 1. Lebenstag).

194

0

0

FG < 1500

Zn [µmol]

0

FG > 1500

Cl [mmol]

6,8–7,6

(0)–5

(0)–5

0,4–0,6

1,3–1,7

1,3–1,7

0

P [mmol]

1,3–3

(0)–2

(0)–2

(0)–3–(5)

(0)–3–(5)

1–3

10–12

3,5

85–110

100–110

80–100

2. Tag

1,3–3

Mg [mmol]

Ca [mmol]

0–2

(0)–3–(5)

FG < 1500

0–2

(0)–3–(5)

Na [mmol]

FG > 1500

1

FG > 1500

Fett [g]

FG < 1500

5,5–11,5 (= 4–8/kg/min), max 12/kg/d

Glukose [g]

K [mmol]

1,5–2

Protein [g]

80–90

FG < 1500

85–110

60–80

FG > 1500

Flüssigkeit [ml]

Energie [kcal]

1. Tag

Dosierung pro kgKG und Tag

Tab. 9.5 • Parenterale Ernährung des Frühgeborenen.

(0)–5

6,8–7,6

6,8–7,6

(0)–5

(0)–5 (0)–5

0,4–0,6

1,3–1,7

1,3–3

(0)–2

(0)–2

(0)–3–(5)

(0)–3–(5)

3–4

14–16–(18)

3,5

110–130

130–150

120–150

4. Tag

0,4–0,6

1,3–1,7

1,3–3

(0)–2

(0)–2

(0)–3–(5)

(0)–3–(5)

1–3

12–14

3,5

85–110

120–130

100–120

3. Tag

6,8–7,6

2–3

3–5

0,4–0,6

1,3–1,7

1,3–3

1–2

1–3

2–3–(5)

3–5

3–4

14–16–(18)

140–180

140–160

Intermediate

6,8–7,6

Ernährung

Rel. zu Na- + K-Bedarf

Rel. zu Na- + K-Bedarf

0,4–0,6

1,3–1,7 (Wachst./Ca:Ph Rat.)

1,3–3 (Wachst./Ca:Ph Ratio)

2–5

2–5

3–5–(7)

3–5–(7)

3–4

14–16–(18)

110–130

140–160

140–160

Stabiles Wachstum

9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung

9

195

196

0

30

300–400

2,8–3,5

Fe [mg]

Vit. D [IU]

Vit. A [IU]

Vit. E [IU]

0

0

0

Unizink [µmol]

Peditrace [ml]

Soluvit N / Vitalipid [ml]

Rezeptur

1. Tag

Dosierung pro kgKG und Tag

Tab. 9.5 • Fortsetzung

2,0/4,0

1,0

3,8 bei Peditr.

2,8–3,5

300–400

30

0

2. Tag

2,0/4,0

1,0

3,8 bei Peditr.

2,8–3,5

300–400

30

0

3. Tag

2,0/4,0 (max. 10 ml/Pat.)

1,0

3,8 bei Peditr.

2,8–3,5

300–400

30

0

4. Tag

2,8–3,5

300–400

30

0,1–0,2

Intermediate

2,8–3,5

300–400

30

0,1–0,2

Stabiles Wachstum

Ernährung

9 9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung

1. Tag

60–120

50–90

1,0–2,5

10

1

(0)–3–(5)

0–2

0–0,8

0–0,5

0–0,2

0

0

0

0,8 (32 IU)

150–300

2,8–3,5

Dosierung pro kgKG und Tag

Flüssigkeit [ml]

Energie [kcal]

Protein [g]

Glukose [g]

Fett [g]

Na [mmol]

K [mmol]

Ca [mmol]

P [mmol]

Mg [mmol]

Cl [mmol]

Zn [µmol]

Fe [mg]

Vit. D [µg]

Vit. A [µg]

Vit. E [µg]

2,8–3,5

150–300

0,8 (32 IU)

0

3,8

(0)–5

0,2

0,5

0,8

(0)–2

(0)–3–(5)

1–3

14

1,0–2,5

50–90

80–120

2. Tag

Tab. 9.6 • Parenterale Ernährung des reifen Neugeborenen.

2,8–3,5

150–300

0,8 (32 IU)

0

3,8

(0)–5

0,2

0,5

0,8

(0)–2

(0)–3–(5)

1–3

16

1,0–2,5

90–100

100–130

3. Tag

2,8–3,5

150–300

0,8 (32 IU)

0

3,8

(0)–5

0,2

0,5

0,8

(0)–2

(0)–3–(5)

3–4

18

1,0–2,5

90–100

120–150

4. Tag

2,8–3.5

150–300

0,8 (32 IU)

0,1–0,2

3,8

2–3

0,2

0,5

0,8

1–3

2–5

18

1,0–2,5

140–170

Intermediate

Ernährung

2,8–3,5

150–300

0,8 (32 IU)

0,1–0,2

3,8

Angepasst an Na- und K-Bedarf

0,2

0,5

0,8

1,5–3

2–3

18

1,0–2,5

140–160

Stabiles Wachstum

9.2 Infusionstherapie / parenterale Ernährung

9

197

Ernährung

9

198

9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung

9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung ▶ Allgemeines: • Das Schema dient der Berechnung eines individuellen Infusionsgemisches, meist für die Applikation über einen zentralen Venenkatheter. Bei Gabe über einen peripheren Venenzugang ist die Osmolarität der Lösung unbedingt zu beachten. In der Regel muss dann eine höhere Volumenzufuhr (d. h. Erhöhung des Wasseranteils) gewählt werden! • Die Angaben in den Tabellen dienen als Anhaltswerte. Bilanz und Lungenfunktion, Laborwerte (Elektrolyte, BZ, BGA, TG), Art des Venenzugangs, enterale Ernährung und Wachstum müssen in die Berechnung einbezogen werden! • Heparinzusatz als „Katheterdosis“ (100 E/kgKG) bei ZVK, nicht bei Silastik-Kathetern. (Cave: Fett + Ca + Heparin fällt aus!). • Berechnung der sog. Energy expenditure (EE) in kcal/d: [(17 x Alter in Monaten) + (48 x Gewicht in kg) + (292 x Körpertemperatur in °C) – 9 677] x 0,239. Dies berücksichtigt nicht den Energiebedarf, der für das Wachstum des Organismus angenommen wird (25 kcal/kg/d zwischen der 24.–48. SSW). ▶ Flüssigkeitszufuhr: • Besonders bei FG < 1000 g kann eine Änderung der Flüssigkeitszufuhr über die Infusionsgeschwindigkeit auch mehrmals am Tag notwendig sein! • Medikamente und Katheter- bzw. Arterienspülungen müssen in die Bilanz miteinbezogen werden! • Verhinderung einer Oligurie (< 0,5 ml/kg über 8–12 h). • Reduktion der Perspiratio insensibilis um 30 % durch 90 % Feuchte im doppelwandigen bzw. neueren Inkubator, um 30 % durch das Bedecken mit einer Folie während der ersten 3–4 Lebenstage. • Reduktion der Gesamtflüssigkeitsmenge (GFM) bei PDA (nicht < 120 ml/kgKG/Tag). Beachtung des BPD Risikos und der Bilanz/Diurese. • Gewichtsverlust in den ersten 3–5–(7) Tagen max. 10 % des Geburtsgewichts. • Phase I (Übergang Frühgeboren, Neugeboren): Gradueller Anstieg der Flüssigkeitszufuhr, Natrium, Chlorid und Kalium sollten nach den ersten 1–2 Lebenstagen supplementiert werden (Nierenfunktion beachten). In dieser Phase erfolgt eine Kontraktion des extrazellulären Flüssigkeitskompartments. • Phase II (Stabilisierung): Die Kontraktion des extrazellulären Flüssigkeitskompartments ist vollständig, Dauer 5–15 Tage bis zum Erreichen des Geburtsgewichtes und einer ausreichenden Nierenfunktion. Erwartete Gewichtszunahme 10–20 g/kgKG/Tag. • Phase III (stabiles Wachstum): Ziel ist das Erreichen physiologischer Wachstumsraten. Chloridsupplementierung an Natrium- und Kaliumzufuhr angepasst. Erwartete Gewichtszunahme 10–20 g/kgKG/Tag. ▶ Kohlenhydrat-, Protein- und Fettzufuhr: ▶ Beachte: Zusammensetzung der Zufuhr: Glukose 60–75 % der Nicht-Protein■ zufuhr, Lipide 25–40 % der Nicht-Proteinzufuhr. • Eine exzessive Glukosezufuhr kann Hyperglykämien verursachen sowie zu einem gestörten Proteinmetabolismus und einer gesteigerten Lipogenese, ggf. mit einer hepatischen Steatose und gesteigerter Produktion von VLDL und Triglyzeriden, führen. Sie erhöht die CO2-Produktion und damit das Atemminutenvolumen. Cave „Kohlenhydratmast“. • Die Sicherheit einer Insulininfusion bei VLBW-Frühgeborenen ist von der klinischen Situation abhängig und erfordert eine genaue Überwachung des Glukose- und Kaliumhaushaltes. Die Effekte auf das klinische Outcome sind unbekannt; Insulindosierung (S. 107). • Absolute Mindest-Glukosezufuhr: 4–6 g/kgKG/d (3–4 mg/kgKG/min).

• Die Proteinzufuhr der ersten Lebenswoche bestimmt wesentlich das Entlassungsgewicht! Für eine pos. Stickstoffbilanz ist eine Mindestzufuhr von 1,5 g/kgKG/Tag nötig. • Lipidzufuhr bevorzugt fischölhaltige Lipidlösung (SMOF); zur Vermeidung einer essenziellen Fettsäurendefizienz Zufuhr von mind. 0,5–1,0 g Fett/kg KG/Tag (Linolsäure mind. 0,25 g/kgKG/Tag [FG], 0,1 g/kgKG/Tag [NG]). ▶ Elektrolyt-, Spurenelement- und Vitaminzufuhr: • Die Elektrolytzufuhr am ersten Lebenstag setzt das Einsetzen der Nierenfunktion (Ausscheidung von Urin) voraus. • Erreichen normaler Serumelektrolyte, Mindestzufuhr möglichst nicht unterschreiten, Nierenfunktion beachten! • Ca-P-Ratio (mol/mol) 1,3–1,7. • Ca- und P-Supplementation sollte an die individuelle Wachstumsrate angepasst werden (in utero: 2,0 mmol Ca/10 g neuen Körpergewichts): ein Kind mit 1 kg und Gewichtszunahme von 20 g/d benötigt 4 mmol/kgKG Ca und 3 mmol/kg P, ein Kind mit 2 kg benötigt entsprechend 2 mmol/kg Ca und 1,5 mmol/kgKG P. • Bei intravenösen Zugängen, die nicht sicher zentral oder peripher liegen, sollte eine Konzentration von 6 ml Ca-Glukonat 10 %/100 ml in der Infusion wegen Nekrosegefahr nicht überschritten werden, auch wenn damit keine ausreichende Ca/P-Ausscheidung im Urin erreicht wird. ▶ Spurenelemente: • Unizink (Zink-DL-Hydrogenaspartat): 1 ml entspricht 650 μg. – Bedarf: 150 μg/kgKG/Tag in den ersten 14 Tagen, dann 400 μg/kgKG/Tag (= 0,6 ml/kgKG/Tag). Vgl. Tab. 9.5 . • Peditrace und Inzolen pro infantibus enthalten kein Molybdän, Inzolen p. i. auch kein Chrom, daher bei parenteraler Ernährung > 3 Monate jeweils ergänzen. ▶ Cave: Alle Infusionslösungen in Glasflaschen enthalten Aluminium, das bei Lage■ rung aus dem Glas gelöst wird! Aluminium ist neurotoxisch und scheint bei Frühgeborenen zu einem schlechteren entwicklungsneurologischen Ergebnis zu führen. Daher bevorzugt Präparate in Plastikflaschen oder große Glasbehälter verwenden. • Natriumchlorid 5,85 %: – 1 ml = 1 mmol Natrium, 1 mmol Chlorid. – Bedarf: 2 – 3 mmol/kg KG/Tag. • Kaliumchlorid 7,45 %: – 1 ml = 1 mmol Kalium, 1 mmol Chlorid. – Bedarf: 2 – 3 mmol/kg KG/Tag. • Kalziumglukonat 10 %: – 1 ml = 0,22 mmol (9 mg) Kalzium. – Bedarf: 0,5 – 1,5 mmol/kg KG/Tag (18 – 54 mg/kg KG/Tag). Bei langfristiger totaler parenteraler Ernährung (TPE) ist eine Zufuhr von ca. 3 mmol/kg KG/Tag (ca. 120 mg/kg KG/Tag) erwünscht. • Natriumglycerophosphat: – 1 ml = 1 mmol (31 mg) Phosphat, aber 2 mmol Natrium. – Bedarf: 1 – 2 mmol/kg KG/Tag. Bei langfristiger totaler parenteraler Ernährung (TPE) ist eine Zufuhr von ca. 2 – 3 mmol/kg KG/Tag (ca. 65 – 90 mg/kg KG/Tag) erwünscht. • Magnesium: – Magensiocard i. v.: 1 ml = 0,3 mmol = 7,3 mg Mg. Diasporal: 1 ml = 0,4 mmol = 9,7 Mg. – Frühgeborene < 1500 g. Bedarf: 0,1 – 0,5 mmol/kg KG/Tag (ca. 2,4 – 2,2 mg/kg KG/Tag). • Je nach Indikation: – Kaliumlaktat: 1 ml = 1 mmol Kalium. Bedarf: 2 – 3 mmol/kg KG/Tag (evtl. bei metabolischer Azidose statt Kaliumchlorid). – L-Arginin-Chlorid: 1 ml = 1 mmol Chlorid. Bedarf: ½ × Cl-Defizit × 0,3 × kg KG. ▶ Cave: Azidose. ■

9 Ernährung

9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung

199

Ernährung

9

200

9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung

▶ Vitamine (Tab. 9.7): • Fettlösliche Vitamine (Vitalipid infant): Wird die i. v. Fettgabe nicht vertragen, kann Vitallipid mit Aminosäuren oder NaCl 0,9 % verdünnt oder unverdünnt langsam (über 18 – 24 h) infundiert werden (max. 10 ml/Tag). Bedarf: 3 – 4 ml/kg KG/ Tag. • 1 mg RE (Retinoläquivalent) = 1 mg all-trans retinol = 3,33 IU Vitamin A. • Wasserlösliche Vitamine (Soluvit-N): In Deutschland erst ab 11 Jahren, in den anderen europäischen Ländern auch für Früh- und Neugeborene zugelassen. Bedarf: 1 ml/kg KG/Tag. • Bedarf: Ist bei fast allen Vitaminen nicht genau bekannt. Vitamine täglich infundieren, außer Vitamin K, das wöchentlich gegeben werden kann. Routinespiegelbestimmungen sind nicht notwendig [E4]. • Besonderheiten: – Keines der in Tab. 9.7 genannten Präparate zur parenteralen Vitaminsubstitutionen ist für Frühgeborene zugelassen. Vitalipid Infant ist für reife Neugeborene zugelassen, alle anderen Präparate für Kinder > 2 Jahre bzw. 11 Jahre. Trotzdem benötigen Frühgeborene dringend möglichst ab dem 1. Lebenstag Vitamine. – Frekavit fettlöslich hat ein besseres Verhältnis von Vitamin A zu Vitamin E.

1,6

41

μg

Folsäure

4,6

mg

0,6

μg

B12

Pantothensäure

550

μg

B6

12

567

μg

B2

mg

351

μg

mg



μg

K

B1

Niacin



1

IE

mg

D

E

C





– 22

μg

D

40

1,5

4

10

0,5

400

360

330



60

3,0





IE

– –



– –















150

10

200

5

3 330

990

10 ml max.

Soluvit N









50

1,5

1000

300





– 350

μg

A

3 ml/kg KG

1 ml

A

FrekaVit fettlöslich#

FrekaVit wasserlöslich

Cernevit

Einheiten

Vitamin

Tab. 9.7 • Parenterale Vitaminsubstitution.

40

1,5

4

10

0,5

400

360

250













1 ml/kg KG

















60

1,9

120

3

690

210

3 ml/kg KG

















200

6,4

400

10

2330

690

10 ml max.

Vitalipid Infant#

56

1–2

4 – 6,8

15 – 2 8

0,3

150 – 200

150 – 200

200 – 350

10 – 100

2,8 – 3,5

40 – 160

1–4

700 – 1600

210 – 500

FG (kg KG)

Ernährung

140

5

17

80

1

1000

1400

1200

30 – 200

2,8 – 3,5

32

0,8

500 – 1000

150 – 300

NG (kg KG)

Empfehlungen*

9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung

9

201

202

?

6

FrekaVit wasserlöslich

?



FrekaVit fettlöslich#

?



Soluvit N

< 0,1

6 0,5



5–8 –





20

Empfehlungen*



Vitalipid Infant#

Wahrscheinlich ausreichende Dosierung, kann auch ohne i. v. Fettlösung gegeben werden; nicht als Bolus verabreichen, nicht der restlichen parenteralen Infusion beimischen (kann mit physiologischer NaCl-Lösung oder mit der Aminosäurenlösung verdünnt werden. * Tsang: Nutritional Needs of the Preterm Infant; Williams & Wilkins 2005; Guidelines on Paediatric Parenteral Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutrition. 2005: 41 (Suppl 2) S 1 – 87 ** Aluminiumgehalt der TPE μg/kg KG/Tag (Glasflaschen enthalten Aluminium, das von den Lösungen herausgewaschen wird)

#

?

7

μg

Biotin

Aluminium**

Cernevit

Einheiten

Vitamin

Tab. 9.7 • Fortsetzung

Ernährung

9 9.3 Hinweise zur parenteralen Ernährung

9.4 Komplikationen der parenteralen Ernährung ▶ Infektionen: Dauer der parenteralen Ernährung, Liegedauer des zentralen Venenkatheters und Manipulationen am Katheterhub als Risiken nosokomialer Infektionen (S. 288) gesichert. ▶ Katheter assoziierte Thrombose: in Abhängigkeit vom Gerinnungsstatus Lysetherapie erwägen. ▶ Perikarderguss: Extravasat im Perikard als lebensbedrohliches Ereignis. Die Spitze des zentralvenösen Katheters muss daher im Röntgen-Thorax außerhalb der Herzsilhouette liegen (bei FG mit Jugularis- oder Subklaviakathetern 0,5 cm oberhalb). ▶ Cholestase: • Die Pathogenese der Cholestase unter total- oder teilparenteraler Ernährung ist noch nicht ganz verstanden. Vermutlich handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, bei dem Infektionen und Bestandteile der parenteralen Nährlösung zusammen mit der zugrunde liegenden Erkrankung eine Rolle spielen. Protektiv wirken: – frühzeitige enterale Ernährung, besonders mit Muttermilch. – fischölhaltige Lipidlösungen (SMOF). • Risikofaktoren: Malnutrition und Hyperalimentation (Aminosäure- und Glukosezufuhr), Frühgeburtlichkeit, besonders in Kombination mit NEC oder septischen Infektionen. • Therapie: – Fischölhaltige Lipidlösungen (SMOF). – Bei kontinuierlichem Anstieg des konj. Bilirubins ohne andere Ursache Reduktion der i. v. Lipide. – Bei kontinuierlichem Anstieg der Transaminasen bzw. der alk. Phosphatase Gabe von Ursodesoxycholinsäure erwägen. – Bei TPE > 3 Monaten und Bilirubin > 50 μmol/l, Thrombozytopenie < 10/nl, Gerinnungsstörung oder hepatischer Fibrose frühzeitige Rücksprache mit einem pädiatrischen Lebertransplantationszentrum.

9 Ernährung

9.5 Untersuchungen zur Ernährungskontrolle

9.5 Untersuchungen zur Ernährungskontrolle ▶ Merke: Jede Blutabnahme auf ihre Notwendigkeit prüfen. ■

Enteral ernährte Frühgeborene > 1500 g brauchen nur noch ca. alle 2 – 3 Wochen eine routinemäßige Laborkontrolle zur Überwachung der Ernährungssituation. In den ersten Lebenstagen und insbesondere unter parenteraler Ernährung erfolgen die Kontrollen ggf. mehrmals täglich abhängig von der Unreife des Kindes und dem Krankheitsgrad unter besonderer Beachtung der Beatmung und Infusionstherapie/ des Flüssigkeitshaushaltes. ▶ Blut: • Blutzucker: – In den ersten Lebenstagen mindestens 4 × täglich, dann täglich nüchtern. Es kann eine Hyperglykämie bis zu 150 mg/dl ≙ 10 mmol/l akzeptiert werden, falls keine Glukosurie vorliegt. – Eine persistierende Hyperglykämie ist mit einem schlechteren Outcome (ROP) bei FG assoziiert, Insulintherapie erwägen. – Reaktive Hpoglykämien bei hoher enteraler Glukosezufuhr können postprandiale Kontrollen des Blutzuckers notwendig machen. – Umstellungen der Ernährung erfordern engmaschigere BZ-Kontrollen. – Risikokollektive erfordern besondere Beachtung (Gestationsdiabetes, SGA, FG mit extremer Unreife).

203

Ernährung

9

9.6 Bilanzierung

• Elektrolyte bei vorwiegend parenteraler Ernährung: – Natrium, Kalium, Chlorid, Phosphat und Kalzium anfangs täglich bis 2-täglich bei Frühgeborenen < 1000 g, dann 1 – 2-mal wöchentlich bei Stabilisierung. – Magnesium wöchentlich (Ziel = 0,8 – 1,2 mmol/l). • Triglyzeride: – Wöchentlich unter i. v. Fettzufuhr (Ziel < 250 mg/dl ≈ 2,9 mmol/l), bei sehr kleinen oder kranken Frühgeborenen häufiger. ▶ Beachte: Bei Hyperglykämien muss immer auch an eine schlechtere Verstoff■ wechselung von Fetten und Proteinen gedacht werden. Bei der Reduktion der einzelnen Nährstoffzufuhr immer die optimale Gesamtzusammensetzung der Energiezufuhr bedenken. • Harnstoff wöchentlich (< 20 mg/dl ≈ 3,3 mmol/l bei zu geringer Proteinzufuhr) und ggf. Kreatinin. • Leberwerte wöchentlich bei ausschließlicher parenteraler Ernährung. • Ev. Ferritin ab der 4. Woche (Beachtung der Eisensubstitution, Norm 30 – 200 μg/l). Retikulozyten ab der 4. Woche. ▶ Urin: • Kalzium, Phosphat und Kreatinin (Serum und Urin) wöchentlich ab der 3. Woche • Ziel: – Kalzium im Urin: 1,2 – 3 mmol/l (0,05 g/l). – Phosphat im Urin: 1 – 2 mmol/l (0,031 – 0,063 g/l). – Kontrolle falls keine Kalzium- oder Phosphat-Ausscheidung messbar. • Bei 2-mal negativem Urin: Erhöhung der Zufuhr nach Schema (Tab. 9.2).

9.6 Bilanzierung ▶ Indikation: Unter Infusionstherapie bei Frühgeborenen < 1500 g mindestens 2 × tgl. Bei sehr unreifen FG < 1000 g ggf. alle 8 Std. ▶ Ziel: Urinausscheidung von ca. 3 – 4 ml/kg KG/h. ▶ Urinausscheidung wird u. a. beeinflusst von Zufuhr, Reife, tubulärer Funktion, Glukosurie.

9.7 Spezielle Ernährungsprobleme Früh – und Neugeborene ▶ Prävention von Ernährungsproblemen durch: • frühen Beginn der enteralen Ernährung (8 – 12 Mahlzeiten/Tag je 0,5 – 1 ml) am 1.– 2. Lebenstag (Vorteile für Darmentwicklung und -wachstum, Enzymproduktion und Motilität). • ggf. etwas verzögerten Beginn nach schwerer Asphyxie (Gefahr der NEC-Entwicklung, keine gesicherten Daten). • Steigerung der Nahrungsmenge in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf (Nahrungsverträglichkeit, Magenrest, Stuhlabgang). Beachte: “Minimal enteral feeding“ = “trophic feeding“. ▶ Bei Nahrungsintoleranz immer klinische Untersuchung: • Vitalparameter. • Abdomen: Weich oder gespannt? Sichtbare Darmschlingen? Darmgeräusche lebhaft, hochgestellt, fehlend? Schmerzen/Abwehrspannung? • Magenaspirat: Ggf. Reduktion der Nahrungsmenge je nach Magenrestmenge (> 30 % der letzten zugeführten Menge). Interpretation in Relation zur Magengröße sowie unter Beachtung der Klinik (hungrige Neu- und Frühgeborene können signifikante Mengen Magensaft produzieren). 204

• Nahrungswechsel nur in Ausnahmefällen, Nahrungsunverträglichkeiten sind selten (bei Stuhl-pH < 5 Laktoseintoleranz erwägen, wahrscheinliche Ursache ist aber eine Diarrhö). • Aussehen des Aspirats (laut einer Studie ohne Einfluss auf die Nahrungsverträglichkeit): – Angedaut: Zu große Nahrungsmenge bei zu rascher Steigerung, verzögerte Magenentleerung, Infektionen? – Nicht angedaut: Zu kurze Fütterungsintervalle. ▶ Merke: In beiden Fällen an Infektionen und/oder NEC (S. 408) bzw. in seltenen ■ Fällen an Pylorusstenose, angeborene Stoffwechselerkrankungen (S. 353) und AGS denken. – Blutig: Verschlucktes mütterliches Blut, Z. n. Intubation, Blutungsdiathese (S. 341), Z. n. schwerer fetaler Asphyxie, evtl. auch Stressulzera, NEC, Magenvolvulus oder Duplikatur? Medikamente beachten (Vitamin K gegeben?). – Gallig oder stuhlhaltig: Häufig aufgrund einer Enge distal der Papilla duodeni major (Vateri). An weitere Stenosen oder Strikturen denken. Differenzialdiagnose: NEC, Mekoniumpfropf oder -ileus, Morbus Hirschsprung, Malrotation, Volvulus (S. 422) oder Ileus. Immer eine zu tief liegende Magensonde ausschließen. – Frage nach letztmaligem Absetzen von Stuhl. Konsistenz? Blutauflagerungen oder Melanea? Bei Auffälligkeiten: Röntgen (S. 81), evtl. Nahrungsmenge reduzieren oder aussetzen. Osmolarität der Nahrung bedenken, ggf. Zusätze reduzieren oder entfernen.

9 Ernährung

9.7 Spezielle Ernährungsprobleme

Schluckstörungen ▶ Schluckstörungen treten bei Frühgeborenen i.R. mangelnder Koordination von Atmung und Schluckakt auf. ▶ Differenzialdiagnosen: • Rekurrenslähmung (Geburtsverlauf). • subglottische Hämangiome (50 % bei subkutanen Hämangiomen). • Schleimhautinfektionen (Candida-/Herpes-Infektion). • Neuromuskuläre Erkrankung (Auffälligkeiten mit Muskelhypotonie oder -hypertonie). • Organische Ursache (Fehlanlage). • Bei zunehmender Dysphagie und Erbrechen: V. a. Ösophagusachalasie → diagnostische Ösophagusmanometrie, Darstellung mit Röntgen-Kontrast. • Bei häufigem Verschlucken Stoffwechsel- oder endokrinologische Erkrankung ausschließen: Hypothyreose (S. 372) führt bei 40 % zu Fütterungsproblemen und Makroglossie), ggf. Schluckkinematografie. • In Kombination mit auffälliger Facies (Habitus): Alkoholembryopathie, SilverRussel-Syndrom, Williams-Beuren-Syndrom, Pierre-Robin-Sequenz, SchwartzJampell-Syndrom (häufig bei arabischen Patienten). Ggf. genetisches Konsil, Chromosomenanalyse, Molekulargenetik. • Ausschluss zentralnervöser Ursachen. ▶ Bei Schreien und Schmerzen beim Trinken an Refluxösophagitis denken. ▶ Bei sehr unreifen Frühgeborenen, die längere Zeit über eine Magensonde ernährt wurden, auch posttraumatische Schluckstörung erwägen. Erfordert u. U. längeres Sondenentwöhnungsprogramm. ▶ Bei allen Fütterproblemen und Auffälligkeiten des Schluckaktes frühzeitig an eine Vorstellung in einer spezialisierten Ambulanz denken. Dort werden Patienten und Eltern mit logopädischer, ggf. physiotherapeutischer und psychologischer Evaluation und Therapie begleitet. ▶ Die frühzeitige Förderung und Evaluation der orofazialen Sensomotorik sollte bereits im Rahmen des neonatologischen Aufenthaltes erfolgen. Pflegepersonal und Ärzte sollten sich mit dem Castillo-Morales-Konzept vertraut machen. 205

Ernährung

9

9.7 Spezielle Ernährungsprobleme

Mekoniumpfropf/-ileus ▶ Symptome (S. 423): • Obturation zumeist des terminalen Ileums durch eingedicktes, klebriges Mekonium (häufig bereits intrauterin durch Pränataldiagnostik nachweisbar). • Kein Stuhlabgang > 48 h postnatal: > 94 % aller Neugeborenen setzen den 1. Stuhl in dieser Zeit ab, bei Frühgeborenen kann die Passagezeit etwas verlängert sein. ▶ Cave: Größte und am meisten gefürchtete Komplikation: Darmperforation und ■ koprostatische Enterokolitis. ▶ Differenzialdiagnosen: • Mütterliche Medikamente (paralytischer Ileus z. B. bei Mg-Sulfat; Heroin verzögert Passagezeit). • Obstruktionen wie Ileumstenose bzw. -atresie, Adhäsionen (v. a. postoperativ), inkarzerierte Hernie, Malrotation. • Mukoviszidose, Sepsis, NEC, Hypokaliämie, Pneumonie, Hypothyreose. • Anorektale Fehlbildung (Analatresie ausschließen). • Morbus Hirschsprung: Dys- bzw. Aganglionose mit dilatiertem proximalen Segment. ▶ Untersuchungen: • Blutbild inkl. Differenzialblutbild, Urin, Elektrolyte und Schilddrüsen-Werte. • Sonografie, Röntgen-Abdomen (S. 82), ggf. mit Kontrastmittel. • Klinischer Verlauf, Ausschluss weiterer Fehlbildungen, ggf. Rektumbiopsie. • Evtl. genetische Untersuchung. • Bei V. a. zystische Fibrose IRT aus Screening-Karte, Elastase im Stuhl bestimmen, Genetik. ▶ Therapie: • Vorsichtige Bauchmassage mit Gleitmitteln unter den Fingern durch erfahrenen Neonatologen oder neonatologische Intensivpflegekraft. • Sehr vorsichtige Einläufe von rektal, evtl. mit Glycerin oder Mazolaöl 1:1 verdünnt mit 0,9 % NaCl-Lösung, alternativ mit i. v.-Lipidlösung (steril!) oder von oral Solutrast 300 1:1 verdünnt mit H20 (7 ml/kg KG über PRIREKTOSILK natal Einlaufkatheter für Früh- und Neugeborene – keine Magensonde verwenden). ▶ Cave: Perforationsgefahr! ■ • Frühzeitig kinderchirurgisches Konsil. • Magensonde zur Entlastung. Nahrung reduzieren oder aussetzen. • Begleiterkrankungen spezifisch therapieren (z. B. Sepsis, Hypothyreose). • Ohne Erbrechen ist zunächst konservatives Abwarten vertretbar. • Falls konservativ keine Klärung erreicht wird: operative Evaluation.

Chylothorax ▶ Ansammlung von Chylus (kongenital oder erworben) im Pleuraspalt aufgrund reduzierter Clearance oder vermehrter Filtration (erhöhter Filtrationsdruck) der Lymphe. ▶ Verhältnis männlich/weiblich = 2:1; bevorzugt rechts. ▶ Pathogenese: • Es besteht ein erhöhter systemischer oder pulmonaler Druck (oft in Kombination mit einer Hypoproteinämie). • Bei kongenitaler Erkrankung bestehen evtl. Fisteln in den Pleuraspalt. • Thrombosen der V. cava superior, aber auch der V. cava inferior. • Direkte mechanische Alteration, Irritation bzw. Verletzung des Ductus thoracicus (intrauterine Obstruktion, Herz-OP, Duktus-OP). ▶ Differenzialdiagnose: Infusothorax bei ZVK (keine Lymphozytose im Punktat). ▶ Untersuchungen und Therapie: • Punktion nach Sonografie und/oder Röntgen zur Entlastung und Diagnostik → hoher Protein- und Lipidanteil bei relativer Lymphozytose. Evtl. Thoraxdrainage 206

(möglichst groß) einlegen. Beachte: Teils erhebliche Verluste von Lymphozyten, Flüssigkeit, Eiweißanteilen und Fetten. Eine Substitution ist daher oft nötig. • Nahrung: – Bei gesichertem Chylothorax zunächst enterale Nahrungskarenz für 1 – 2 – 3 Wochen mit rein parenteraler Ernährung. – Oraler Aufbau mit einer MCT-haltigen (MCT = mittelkettige Fette) Nahrung, z. B. Basic F, um den thorakalen Lymphfluss zu minimieren (MCT-Fettsäuren werden im Portalsystem resorbiert). Keine langkettigen Fette enteral geben. Zu Beginn möglichst wenig Protein. – Spezielle Mischung s. Tab. 9.8.

9 Ernährung

9.7 Spezielle Ernährungsprobleme

Tab. 9.8 • Ernährung bei Chylothorax. Komponenten

Menge

Nährwert

Maltodextrin 10 %

10 g

40 kcal

FM 85 Pulver (2 FM 85):

10 g

34 kcal

KH ≈ 7,6 g

Protein ≈ 1,8 g

Na ≈ 54 mg

K ≈ 23 mg

Ca ≈102 mg

P ≈ 68 mg

Cl ≈ 38 mg

Mg ≈ 2 mg

Ceres Öl

z. B. 8 × 0,3 ml = 2,4 ml

Wasser

ad 100 ml

≈ 19 kcal

Gesamtkalorien 95 kcal/100 ml evtl. mit Kalzium-Glukonat und Kalzium-Glycerophosphat verstärken; Spurenelemente, Selenase, Zink zusätzlich oral, falls die Anwendung länger als 2 Wochen erforderlich ist

▶ Nicht überdrainieren, sondern nur so viel, dass eine schonende Beatmung möglich ist. ▶ Zurzeit in der Diskussion: Somatostatin oder Somatostatin-Analogon (Octreotid), z. B. Somatostatin 3 mg Ferring DT: • Beginn mit 3,3 μg/kg KG/h, steigern bis auf 15 μg/kg KG/h, über 6 Tage infundieren. ▶ Cave: experimenteller Therapieversuch; ist nur in Kasuistiken beschrieben. ■ ▶ Mechanische Versuche mit Fibrinkleber, Obliteration des Pleuraspaltes (Pleurodese) mit sklerosierenden Substanzen (G 50 % oder Tetracycline), ein pleuroperitonealer Shunt oder die Ductus-thoracicus-Ligatur sind bei mittleren Verlusten > 100 ml/kg KG/Tag und/oder keinem Nachlassen des Chylusflusses innerhalb von 2 Wochen bzw. drohenden nutritiven Komplikationen zu erwägen. ▶ Gesamtprognose: Ca. 15 % der Patienten versterben, ca. 65 % sprechen allein auf die Thorakozentese an; Probleme in der längerfristigen Versorgung stellen die schlechte Gewichtsentwicklung bei Mangelernährung sowie die Hypoproteinämie und Lymphopenie dar.

207

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.1 Apnoen und Bradykardien Proquitté

Grundlagen ▶ Definitionen (vgl. AWMF-Leitlinie 024/013): • Apnoische Pause: Atempause < 20 s bei normaler periodischer Atmung. Keine Bradykardie. Vermehrt im REM-Schlaf. Selten am 1. Lebenstag. • Apnoe-Anfall: Atempause > 20 s mit oder ohne Bradykardie und Zyanose. Je nach Dauer oft Stimulation oder Beatmung nötig (> 30 s). • Bradykardie: Herzfrequenzabfall > 10 s Dauer: Frühgeborene < 100/min, Reifgeborene < 80/min. • Apnoe-Bradykardie-Hypoxämie-Symptomatik (ABHS): Apnoe mit Bradykardie < 80/min und Sättigungsabfall < 80 % bei Pulsoxymetrie-Mittelungszeit von 8 s. ▶ Cave: Apnoen sehr ernst nehmen! Erhebliches Risiko bleibender Schädigung, wenn: ■ • Grunderkrankung nicht erkannt und behandelt wird (z. B. Infektion). • Apnoe nicht rechtzeitig erkannt und behoben wird (Hypoxämie). • Apnoe falsch behandelt wird, z. B. unkontrollierte O2-Gabe. ▶ Hinweis: Eine Retinopathie ist sehr häufig mit Apnoen assoziiert. ■ ▶ Ursachen: • Unreife: Apnoen sind sehr selten am 1. Lebenstag und nach der 44. SSW. Ein niedriges Lungenvolumen bei instabiler Brustwand, die Erschöpfung des Zwerchfells und die noch hohe Kollapsneigung der oberen Atemwege von Frühgeborenen sind die wahrscheinlichen Ursachen. • Hypoxämie: Pneumonie, RDS (besonders bei Entwöhnung vom CPAP), angeborener Herzfehler (besonders offener Ductus arteriosus), Anämie, Hypovolämie. • Reflektorisch: Absaugen, Flüssigkeit in den oberen Luftwegen, gastroösophagealer Reflux, Lungenüberblähung (Hering-Breuer-Reflex). • Depression des Atemzentrums: Infektion (Sepsis), intrakranielle Blutung, Medikamente (Mutter?), Hypoglykämie, Elektrolytstörungen, Krampfanfälle. Cave: Bei plötzlich gehäuft auftretenden Apnoen/Bradykardien immer beginnende Sepsis/Virus-Infektion ausschließen. • Temperatur: Inkubatortemperatur oder Hauttemperatur (> 36,5 °C) zu hoch, aber auch Unterkühlung; Inkubatorfeuchte zu niedrig. • Obstruktion der Atemwege: Gebeugte Kopfhaltung (passiv), Druck auf das Kinn. Spontane obstruktive Apnoen (Schnarchen) → erhöhtes SIDS-Risiko. Cave: Auch eine nasal liegende Magensonde kann obstruierend wirken! • Impfungen: Bei der Impfung von Frühgeborenen (zumeist < 28. SSW) können sich innerhalb von 72 h nach Impfung Apnoen häufen → Monitorüberwachung für 72 h (RKI Empfehlung).

Untersuchungen ▶ Anamnese (unerwünschte Medikamente wie z. B.: Sedativa, Opiate). ▶ Körperliche Untersuchung, Kerntemperatur des Kindes messen, kapilläre Füllungszeit beachten! ▶ Labor: Blutgasanalyse, Blutzucker, CRP, IL-6 bzw. IL-8, Blutbild, bakteriologische Kulturen bei V. a. Sepsis (S. 245), ggf. Stuhluntersuchung (Rotaviren). ▶ Röntgen-Thorax (z. B. Atelektasen, Atemnotsyndrom). ▶ Evtl. Sonografie (Schädel: IVH, Fehlbildung; Cor: Vitium, PDA). ▶ Evtl. EEG zum Ausschluss zerebraler Krampfanfälle. 208

▶ Evtl. pH-Metrie (Ausschluss gastroösophagealer Reflux).

▶ Beachte: Diagnostik vor allem bei reiferen Kindern nach dem errechneten Geburts■ termin.

Monitoring ▶ Wen? Frühgeborene < 35. SSW (Apnoe-Prävalenz bis 25 %) für die ersten 10 Lebenstage sowie 1 Woche nach der letzten stimulationsbedürftigen Apnoe/Bradykardie, s. SIDS (S. 413). ▶ Was? EKG-Monitoring ist wichtiger als Atem-Monitoring, da Atem-Monitoring eine Atemanstrengung bei obstruktiver Apnoe nicht von normaler Atmung unterscheidet. Pulsoxymetrie (untere Alarmgrenze bei 85 %, bei sehr kurzen aber häufigen Alarmen evtl. 80 %, mit Mittelungszeit von 8 s). Bei Überwachungsreduktion Pulsoxymetrie zuerst absetzen. ▶ Beachte: Bei Monitoralarm zuerst das Kind und dann den Monitor beachten! ■

Therapie ▶ Pflegerische Maßnahmen: • Thermoneutrale Umgebungstemperatur. Ziel: rektale Temperatur ~ 37,0 °C. Keine Hyperthermie! • Bauch-/Schräglagerung (um ca. 15° erhöhter Oberkörper). • Magensonde von nasal auf oral (reduzierte Atemwegsobstruktion) wechseln (umstritten). • Frühgeborene vorübergehend mehr mit Sonde ernähren, weniger aus Flasche trinken lassen. ▶ Stimulation: Behutsam! Beispielsweise mit langer Bürste von außerhalb des Inkubators, evtl. Schaukelbett („rocking waterbed“, gilt als nicht effektiv bei FG < 34. SSW, [E2]). Je zügiger mit der Stimulation begonnen wird, desto weniger ist nötig. ▶ Ggf. kurzfristige Maskenbeatmung ohne Erhöhung des bestehenden FiO2. ▶ Pharmakologische Therapie: • Koffein als bevorzugte Wahl [E3], frühzeitig beginnen (1.–3. LT) Dosierung (S. 441). • Theophyllin: Alternativ, wenn periphere Nebenwirkung gewünscht (Diureseanstieg). • Diuretika wie Esidrix und Aldactone bei V. a. BPD (S. 214), s. Dosierung (S. 447). Wirkt möglicherweise nur über Verminderung hypoxämischer Phasen bei BPD. • Doxapram, sehr umstritten, bisher wurden keine gesicherten Vorteile, aber mögl. Nebenwirkungen nachgewiesen, Einsatz daher immer streng indizieren. ▶ O2-Sättigungsgrenzen bei gehäuften Apnoen eher bei > 93 % – 95 %. ▶ NIV-Beatmung: • Nasen/Rachen/Masken-CPAP bzw. getriggerte Rachenbeatmung (SIPPV, s. u.). • Intubation und Beatmung je nach Ursache und Situation bei mehr als 2 stimulationsbedürftigen Apnoen/Stunde mit Bradykardie oder nach einer schwer stimulierbaren Apnoe erwägen. Bei NEC-Verdacht Intubation. ▶ Hinweis: Eine pharmakologische Therapie ersetzt nicht den CPAP zur Sicherung ■ des pulmonalen Residualvolumens. ▶ Schwere Anämie (S. 327) korrigieren (Transfusion), Indikationsgrenzen hierfür strittig.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.1 Apnoen und Bradykardien

209

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.2 Nasse-Lunge-Syndrom

10.2 Nasse-Lunge-Syndrom Proquitté

Grundlagen ▶ Definition: Postnatale Atemstörung durch die verzögerte perinatale Resorption des Fruchtwassers in der Lunge nach der Entbindung von Neu- und Frühgeborenen. Alternative Bezeichnung: Transitorische Tachypnoe des Neugeborenen. ▶ Disponierende Faktoren: Primäre Sectio (Sectio am wehenlosen Uterus), Sturzgeburt. ▶ Symptome: Tachypnoe, Einziehungen, Nasenflügeln, exspiratorisches Stöhnen, Zyanose mit Sauerstoffbedarf. ▶ Hinweise: ■ • Das Nasse-Lunge-Syndrom ist eine Ausschlussdiagnose, die meist erst im Verlauf gestellt werden kann. • Die Pneumothoraxrate infolge einer nassen Lunge ist nach primärer Sectio < 39. SSW erhöht.

Untersuchungen ▶ ▶ ▶ ▶

Blutgasanalyse. Ausschluss Hypoglykämie, Infektion, Sepsis, Pneumonie. Röntgen-Thorax, falls Symptome > 6 h postnatal fortbestehen oder zunehmen. Echokardiografie (V. a. bei Zyanose) z. A. eines Vitium cordis.

Differenzialdiagnosen ▶ Atemnotsyndrom durch primären Surfactantmangel, bei Diabetes mellitus der Mutter, Hypothyreose. ▶ Schocklunge nach perinataler Asphyxie. ▶ Infektionen (z. B. B-Streptokokken), Sepsis, septischer Schock. ▶ Pneumothorax. ▶ Fehlbildungen der Lunge: z. B. Lungensequester, zystisch adenomatoide Lungenfehlbildung. ▶ Vitium cordis.

Therapie ▶ FRC-Stabilisierung mit Masken-/Nasen-/Rachen-CPAP (S. 223): Beginn noch im Kreißsaal (S. 135). ▶ „Minimal handling“!, Sauerstoffgabe, Überwachung von paO2 und SpO2. Sättigung eher nicht unter 90 % abfallen lassen (Cave: PPHN). ▶ Ggf. kontrollierte Beatmung (S. 225), falls CPAP alleine nicht ausreichend, vgl. auch Beatmung bei Lungenödem (S. 243). ▶ Im Einzelfall auch bei reiferen Frühgeborenen Surfactantapplikation (S. 212) erwägen.

Prognose ▶ In der Regel gut, Normalisierung innerhalb weniger Stunden/Tage. Entwicklung einer PPHN bzw. persistierenden fetalen Zirkulation (S. 307), deswegen paO2 nicht < 50 mmHg! Respiratorisch auffällige Neugeborene als infiziert betrachten, bis eine Infektion ausgeschlossen ist.

▶ Cave: ■

210

10.3 Neonatales Atemnotsyndrom (RDS)/

Surfactanttherapie Segerer, Rüdiger

Grundlagen ▶ Pathogenese: Durch Surfactantmangel hervorgerufene Erkrankung einer morphologisch und funktionell unreifen Lunge. Der Surfactantmangel führt über einen Alveolarkollaps zu einer Verminderung von Compliance und funktioneller Residualkapazität (FRC). ▶ Epidemiologie: Ein Atemnotsyndrom tritt auf bei: • Ca. 60 % der FG < 30. SSW. • Ca. 50 – 80 % der FG < 28. SSW oder < 1000 g. • Selten bei FG > 35. SSW. ▶ Ursache: Primärer Mangel an oberflächenaktiver Substanzen (Surfactant). • Davon abzugrenzen ist das sekundäre („Akute“, früher „adulte“) Atemnotsyndrom (ARDS), welches auf einer Inaktivierung (bzw. Verbrauch) beruht. Ursachen des ARDS können sein: – Perinatale Asphyxie, Hypovolämischer Schock, Azidose. – Infektionen wie Sepsis, Pneumonie. – Mekoniumaspirationssyndrom (MAS). ▶ Risikofaktoren: • Erhöhtes Risiko bei Frühgeburtlichkeit, Jungen, Sectio, Diabetes der Mutter. • Vermindertes Risiko bei intrauterinem „Stress“, vorzeitigem Blasensprung ohne Chorioamnionitis, mütterlicher Hypertonie, Drogenmissbrauch, Mangelentwicklung (SGA), Gabe von Kortikosteroiden (s. u.), Tokolyse, Schilddrüsenhormongabe. ▶ Symptome. Beginn unmittelbar postnatal, selten später; ohne Therapie zunehmende Symptomatik: • Atemnot mit Einziehungen (interkostal, subkostal, jugulär, xiphoidal). • Dyspnoe (S. 109), Tachypnoe > 60/min, Einziehungen, exspiratorischer Stridor, Nasenflügeln. • Zyanose, Hypoxämie, Hyperkapnie. ▶ Cave: Eine pulmonale Infektion oder Sepsis kann bei Frühgeborenen ähnlich ver■ laufen. ▶ Komplikationen: • Pneumothorax, Pneumomediastinum, pulmonales interstitielles Emphysem (PIE). • Persistierender Ductus arteriosus = PDA (S. 304). • Pulmonale Hypertonie (= „persistent pulmonary hypertension of the newborn“), abgekürzt PPHN (S. 307). • Hirnblutungen, periventrikuläre Leukomalazie (S. 388). • Später bronchopulmonale Dysplasie = BPD (S. 214) bzw. CLD.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.3 Neonatales Atemnotsyndrom (RDS)/Surfactanttherapie

Untersuchungen ▶ Labor: • Blutgasanalyse optimalerweise arteriell: pH, paCO2, paO2, SpO2. • Ausschluss Infektion: Blutbild, CRP, Interleukin 6, Urin, Blutkultur, bakterielle Abstriche. • Blutzucker. ▶ Echokardiografie bei V. a. Vitium cordis bzw. persistierenden Ductus arteriosus (PDA). ▶ Röntgen-Thorax a.–p. in Inspiration: Stadieneinteilung des Atemnotsyndroms ist von der Atemphase, dem Beatmungsdruck (PIP und PEEP) und der vorherigen Gabe von Surfactant abhängig. 211

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.3 Neonatales Atemnotsyndrom (RDS)/Surfactanttherapie

• • • •

Grad 1: Feingranuläre Zeichnung der gesamten Lunge. Grad 2: Zusätzlich positives Luftbronchogramm jenseits des Herzschattens. Grad 3: Zusätzlich Unschärfe des Herzschattens und der Zwerchfellkonturen. Grad 4: Radiologisch weiße Lunge.

Differenzialdiagnosen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Konnatale Pneumonie (z. B. durch Streptokokken Gruppe B bzw. E.coli)/Sepsis. Flüssigkeitslunge. Niedrige Körpertemperatur. Fehlbildungen der Lunge (Hypoplasie, CDH) oder des Herzens (Vitium). ARDS (s. o.) bzw. Inaktivierung des Surfactants, z. B. Mekonium (S. 244).

Therapie ▶ Einsatz von Masken-/Nasen-/Rachen-CPAP postnatal im Kreißsaal: PEEP 5–8 cmH2O. ▶ Sauerstoffsättigung (pulsoximetrisch) und CO2-Partialdruck (transkutan) überwachen. ▶ Sauerstoffgabe bei Sättigung unter 85 % im Alter > 10 min. ▶ Behandlung der Grundkrankheit wie Infektion, Pneumothorax, MAS usw. ▶ Intubation und kontrollierte Beatmung mit PEEP bei zunehmender Dyspnoe, zunehmender Hyperkapnie (pCO2 > 60 mmHg) und steigendem Sauerstoffbedarf (S. 220) (FiO2 > 0,4). ▶ Surfactanttherapie zumeist binnen Stunden, oft noch im Kreißsaal.

Surfactanttherapie ▶ Indikationen: • Beatmetes Frühgeborenes unter 28 SSW: Surfactant-Substitution im Kreißsaal • Nicht beatmetes Frühgeborenes (unter CPAP), zunehmende RDS-Symptomatik (Dyspnoe, PEEP-Bedarf ansteigend; FiO2 > 0,3–0,4): ▶ Praktisches Vorgehen s. Surfactantgabe (S. 25). ▶ Auswirkungen der Surfactantgabe: Verbesserung der pulmonalen Compliance, dadurch: • Anstieg von Atemzugvolumen und funktioneller Residualkapazität (FRC). • Abfall paCO2, Anstieg von paO2. ▶ Vorgehen nach der Applikation: • Bei nicht beatmeten Kindern: Weiterführung der CPAP-Atemunterstützung. • Bei beatmeten Kindern: engmaschige Beobachtung und schnelle Anpassung der Beatmungsparameter (Reduktion) an die verbesserte pulmonale Situation. ▶ Beginn der Beatmung: Grundeinstellung (S. 228): Inspirationszeit: Ti = Gestationsalter/100. Hierbei besonders beachten: • Thoraxexkursionen beobachten: Hebt sich Thorax ausreichend? • Ausreichende Exspirationszeit? Ruhender Thorax nach Ende der Exspiration. ▶ Vorgehen bei stabilem Zustand: • Zunächst PIP reduzieren, ab 12 – 15 cmH2O Extubation erwägen. • Dann evtl. Frequenz reduzieren und auf SIMV/A/C, alternative Synchronisation (S. 232) umstellen. • Atemgeräusch auskultieren, Thoraxexkursionen kontrollieren! Insbesondere exspiratorisch gemessene Atemzugvolumina kontrollieren (Ziel: VTe = 4 – 7 ml/kg KG, Babylog 8 000, Stephanie, Sophie, Leonie, VN500, Servo-I). • Koffein frühzeitig (1.–3. Lebenstag) beginnen (BPD-Prophylaxe). ▶ Vorgehen bei Problemen: • Ggf. zweite Surfactantgabe (S. 25) erwägen. Wiederholungsdosis: Eine 2. Dosis (Dosierung wie bei initialer Dosierung, s. o.) kann evtl. nach 8 – 12 h (frühestens 6 – 8 h) verabreicht werden, falls sich die Beatmung wieder verschlechtert.

212

schlechtert u. U. sogar die Beatmung (Obstruktion durch große Surfactantmengen). • Fehlendes Ansprechen auf Surfactanttherapie kann hinweisen auf: – ARDS (Hemmung der Oberflächenaktivität durch Plasmaproteine). – Schwere Infektionen. – Mekoniumaspiration oder Lungenhypoplasie. – Perinatale Ischämie oder Azidose. – Hypothermie, arterielle Hypotension. ▶ Cave Nebenwirkungen: ■ – Während Applikation Tubusobstruktion und darauffolgende Hypoxämie und Bradykardie möglich → PIP kurzzeitig erhöhen, V T (Volumengarantie) beachten. – Blutdruckabfall, Veränderung der zerebralen Perfusion. RR-Monitoring durchführen! – Erhöhtes Risiko einer Lungenblutung. – In Diskussion: Erhöhte Inzidenz eines PDA. • Volumengarantierte Beatmung mit Synchronisation (S. 232) als Alternative erwägen. • HFOV (S. 234)erwägen: Kind atmet zusätzlich selbst und kann Atemmuskulatur trainieren. • PaO2 zu niedrig: – FiO2 erhöhen, bedenke aber: FiO2 > 0,4 potenziell toxisch und ohne wesentlichen Effekt bei großem Rechts-Links-Shunt. – PEEP erhöhen bis 5 (evtl. 6–8) cmH2O! Bedenke: PIP parallel erhöhen, damit die Amplitude konstant bleibt und das Atemzugvolumen (VT) sich nicht verringert. Bei einigen Geräten (z. B. Servo I) erhöht sich PIP = Druck über PEEP automatisch mit. – Ti verlängern auf 0,4 sec; evtl. auch mehr, bei Synchronisation oft irritierend für das Kind. – PIP erhöhen bis 30 cmH2O, eine weitere Erhöhung ist selten erforderlich. ▶ Bedenke: PIP und PEEP können auch zu hoch sein → HZV↓. ■ • PaCO2zu hoch: – PIP erhöhen. – Evtl. Frequenz erhöhen (Ti bis 0,2 sec, Te verkürzen). – Ist die Exspiration wirklich vollständig? – PEEP überprüfen! – Toleriert Kind die Einstellung, Synchronisation versuchen. ▶ Beachte: Zu langsame Reduktion von PIP und PEEP erhöht die Gefahr eines Baro■ traumas! ▶ Oft verbessert sich die Beatmung dramatisch, um sich nach 1 – 2 h wieder zu verschlechtern. ▶ Absaugen des Tubus ohne Spülen ist erlaubt! Die Verwendung eines geschlossenen Absaugsystems ist sinnvoll, damit PEEP und mittlerer Atemwegsdruck auch während des Absaugens erhalten bleiben.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.3 Neonatales Atemnotsyndrom (RDS)/Surfactanttherapie

▶ Beachte: Eine 3. oder gar 4. Dosis bringt meist keinen weiteren Gewinn, ver■

Prävention des Atemnotsyndroms ▶ Induktion der Lungenreifung durch Gabe von Betamethason an die Schwangere bei Frühgeburtsbestrebungen (S. 125) bis 33 + 6 SSW [E1]. ▶ Prävention einer neonatalen Infektion durch prä- bzw. subpartale Antibiotikaprophylaxe (S. 253) an die Schwangere bei V. a. Amnioninfektionssyndrom [E1]. ▶ Optimale Einstellung eines Diabetes mellitus einer Schwangeren. ▶ Schonende Geburtsleitung. ▶ Schonende, aber zügige Erstversorgung des Frühgeborenen (S. 142). 213

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.4 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD)

Prognose ▶ Je nach Ausgangsbedingungen sehr variabel. ▶ Gefahr von z. B. Pneumothorax, Bronchopulmonaler Dysplasie, Retinopathie, sekundärer Infektion bei Beatmung. ▶ Ergebnis von Langzeitstudien: • Kein Effekt der Gabe von Surfactant auf die Häufigkeit einer ROP, NEC [E1]. Das Risiko einer BPD wird durch frühzeitige Surfactantgabe bei RDS reduziert. • Günstiger Effekt der Surfactantgabe auf Pneumothorax, interstitielles Emphysem und Mortalität [E1]. • Verkürzung der Beatmungszeiten (intubiert, CPAP) und Reduktion der Letalität.

10.4 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD) Rüdiger, Segerer

Grundlagen ▶ Vorkommen/Epidemiologie: Die BPD ist eine chronische Lungenerkrankung, welche sich auf der Grundlage einer Unreife der Lunge entwickelt. Zu unterscheiden ist die „alte“ von der „neuen“ BPD. Die Häufigkeit steigt mit abnehmendem Gestationsalter. ▶ Betroffen sind: • Ca. 10–30 % der Frühgeborenen < 1500 g. • 30 – 60 % der Frühgeborenen < 1000 g. ▶ Pathologie: • „Alte BPD“: insbesondere fibrotischer Umbau der Lungenstruktur mit überblähten Bezirken, narbigen Atelektasen und Rarefizierung des Gefäßbetts. • „Neue BPD“: vor allem ein Arrest der Lungenentwicklung im sacculären Stadium. ▶ Risikofaktoren: Unreife der Lunge plus Volu- bzw. Atelektotrauma, Infektionen, Sauerstofftoxizität („alte BPD“) bzw. pulmonale Inflammation und „relative Hyperoxie“ („neue BPD“). Begünstigend wirken eventuell ein persistierender Ductus arteriosus (PDA) und eine Flüssigkeitsüberladung während der ersten Lebenstage.

Definitionen ▶ In der Vergangenheit bildeten sich unterschiedliche Definitionen, welche Sauerstoffbedarf, Röntgenbilder bzw. Risikofaktoren beinhalteten. ▶ Aktuell gültig ist die Definition des NIH-Konsens 2001: Eine BPD liegt vor, wenn der Sauerstoffbedarf (FiO2) für mindestens 28 Tage (d. h. > 12 h/Tag) über 0,21 lag. ▶ Der Schweregrad wird an einem Stichtag nach dem Sauerstoffbedarf durch einen Auslassversuch* wie folgt definiert: • FiO2 = 0,21 → milde BPD. • FiO2 < 0,30* → mäßige BPD. • FiO2 ≥ 0,30 und Beatmung oder CPAP → schwere BPD. ▶ Der Stichtag variiert je nach Gestationsalter: • Gestationsalter < 32 SSW: 36 SSW oder bei Entlassung (früherer Zeitpunkt). • Gestationsalter ≥ 32 SSW: 56 Tage postnatal oder bei Entlassung (früherer Zeitpunkt). ▶ *Auslassversuch bei 0,21 < FiO2 < 0,3: schrittweise Reduktion der O2-Supplementation; der O2-Bedarf ist bewiesen, falls Sättigung > 15 sec < 80 % bzw. > 5 min zwischen 80 und 89 % („physiologische Definition der BPD“).

Symptome ▶ Dyspnoe, schwere Einziehungen, chronischer Husten, oft glockenförmiger Thorax. ▶ Hyperkapnie, erhöhter O2-Bedarf. 214

▶ Gehäufte pulmonale Infekte, obstruktive Bronchitiden, Asthma bronchiale im Verlauf. ▶ Im Langzeitverlauf: Pulmonale Hypertension, Lebervergrößerung, Cor pulmonale.

Diagnostik ▶ ▶ ▶ ▶

EKG: P-pulmonale. Echokardiografie: Rechtsherzbelastung, Zeichen der pulmonalen Hypertension. Röntgen-Thorax: Atelektasen und überblähte Bezirke („alte BPD“). Blutgasanalyse, erhöhter pCO2, positiver BE.

Differenzialdiagnosen ▶ Andere Lungenerkrankungen: Pneumonie durch Chlamydien (S. 275) oder Ureaplasmen (S. 278). Lungenödem, Pneumothorax, Atelektasen. ▶ Angeborene Herzfehler: Pulmonale Hypertonie, VSD, ASD u. a.

Prävention ▶ Prävention: • Pränatale Steroidgabe. • Frühzeitige Surfactant-Therapie. • Vermeidung der Beatmung, frühzeitige Extubation. • Vitamin A. • Koffein: Als Atemanaleptikum eingesetzt hat Koffein eine BPD-präventive Wirkung. • Vermeidung von Hyperoxien (Ziel: Sättigung 93–98 %). • Flüssigkeitsrestriktion und Vermeidung von Na-Zufuhr während der ersten Lebenstage: – Diuretika (Gabe über kurzen Zeitraum, langfristige Wirksamkeit nicht bewiesen): Hydrochlorthiazid und Spironolacton, evtl. Furosemid (S. 446), falls Effekt von Hydrochlorothiazid unzureichend ist. – Cave: Hypovolämie und Na+-, Ca2 + - und Cl–-Verlust! Auf hypochlorämische Alkalose während der Therapie achten. • Bronchodilatatoren (frühzeitig): Theophyllin (S. 460), ggf. Salbutamol bzw. Fenoterol (S. 460). • Glukokortikoid Dexamethason (S. 460): Einsatz sehr restriktiv, kann erwogen werden bei schwer von der Beatmung zu entwöhnenden Patienten. Hydrokortison (S. 452) ist ggf. vorzuziehen.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.4 Bronchopulmonale Dysplasie (BPD)

Therapie ▶ Inhalative Pharmakotherapie: (Inhalation 3 × täglich, umstritten, da bisher kein Wirkungsnachweis, deswegen kritisch, nur in Ausnahmefällen und nicht in den ersten Lebenswochen einzusetzen): • Salbutamol: 1 Tpf./kg KG = 0,25 mg/kg KG (1 ml = 20 Tpf.), max. 3 Tpf. NaCl 0,9 %: 2 ml. • Evtl. zusätzlich Ipratropiumbromid : 1 Tpf./kg KG = 0,01 mg/kg KG, max. 3 Tpf. • Evtl. zusätzlich Cromoglyzinsäure : ½ Ampulle = 5 mg = 1 ml. ▶ Physiotherapie zur Sekretmobilisation erwägen. ▶ Sauerstoff: Ggf. bei schweren Verläufen mit pulmonaler Hypertonie (cave: Ausreifungszustand der Retinagefäße). ▶ Ernährung: Erhöhter Kalorienbedarf wegen der gesteigerten Atemarbeit. Vit.-A-Zufuhr soll protektiven Effekt aufweisen (S. 190).

215

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.5 Pneumothorax des Neugeborenen

10.5 Pneumothorax des Neugeborenen Proquitté

Vorbemerkung ▶ Ein Pneumothorax kann eine lebensbedrohliche Komplikation einer Grundkrankheit sein. ▶ Er tritt bei bis zu 1 % aller Neugeborenen – davon aber nur in 10 % symptomatisch – auf. ▶ Ein symptomatischer Pneumothorax muss schnell und adäquat behandelt werden, um weitere Komplikationen zu vermeiden.

Ätiologie und Pathogenese ▶ Ungleichmäßige Belüftung der Lungen führt zu Überdehnung mit Alveolarruptur. Freie Luft gelangt in perivaskuläres Gewebe. ▶ Interstitielles Emphysem (PIE) = Höchste Gefahr für Entwicklung eines Pneumothorax → Röntgen! ▶ Luftaustritt zumeist primär interstitiell (PIE), dann entlang der Gefäße und Bronchien ins Mediastinum und erst sekundär in den Pleuraraum. ▶ Subpleurale Emphysemblasen platzen und Luft tritt in den Pleuralraum aus. ▶ Zunehmende Ansammlung von Luft kann rasch zum Spannungspneumothorax führen (Notfall!).

Prädisponierende Faktoren ▶ Bei frühem Pneumothorax (1. Lebensstunde): • Hohe transthorakale Drücke beim 1. Schrei. • Hohe Beatmungsdrucke bei Erstversorgung: Kontrolle des VT erforderlich. • Komplizierte Geburt mit Reanimation. • Mekoniumaspiration; Alveolitis bei Amnioninfektion. • Das Risiko eines Pneumothorax ist bei einer primären Sectio vor der 39. SSW größer als bei einer Spontangeburt. ▶ Bei späterem Pneumothorax (meist 2.– 3. Tag, bei Besserung der Beatmungssituation): • Atemnotsyndrom (RDS), besonders bei reiferen nicht invasiv beatmeten Frühgeborenen mit minimalem Sauerstoffbedarf (und damit ohne Surfactant). • Pneumonie. • Mekoniumaspirationssyndrom. • Maschinelle Beatmung: Hoher Spitzendruck, exzessive Atemzugvolumina, zu kurze Exspirationszeit, hoher PEEP, CPAP.

Klinische Zeichen ▶ Akute Verschlechterung, Unruhe. ▶ Zirkulatorische Symptome: Anfangs RR-Anstieg, dann RR-Abfall; RR-Amplitude klein, Tachykardie (v. a. beim Spannungspneumothorax) ▶ Später pCO2-Anstieg, PaO2-Abfall. ▶ Prominenter Thorax, einseitig – doppelseitig. ▶ Fehlende Thoraxexkursionen bei Beatmung. ▶ Großer Bauch, Leber plötzlich tiefer stehend. ▶ Herzverlagerung = Mediastinalshift (z. B. Pneumothorax links: Herztöne rechts), leise Herztöne. ▶ Atemgeräuschdifferenz. Cave: Hörbares Atemgeräusch schließt Pneumothorax nicht aus. ▶ Evtl. Hautemphysem (Cäsarenhals).

216

a

b

Abb. 10.1 • a Interstitielles Emphysem rechts, Pneumothorax links mit liegender Pleuradrainage: Scharfer Herzrand links als Hinweis auf freie Luft in der Pleurahöhle; b Pneumothorax und Pneumomediastinum: Scharfer Herzrand links, Luft im Perikard oder Mediastinum. Links abgehobener Thymus, sog. Spinnaker-Zeichen → mediastinale Luft.

Diagnose ▶ Lebensbedrohliche Situation (Spannungspneumothorax): • Tubusobstruktion ausschließen (manuelle Inspiration mit PIP-Erhöhung und Auskultation, cave Handbeatmung: sehr unkontrolliert). Flowkurve am Respirator verändert sich. • Transillumination mit Kaltlicht → großer Halo um Lichtkopf = Nachweis der intrapleuralen Luft. • Sofort Thoraxdrainage, Technik s. praktisches Vorgehen (S. 46); danach Röntgen. ▶ Keine akute Bedrohung: • Respiratorassoziierte Probleme ausschließen, sofortige Transillumination. • Röntgen-Thorax a.–p., ggf. seitlich (Rückenlage, horizontaler Strahlengang). Am a.–p. Bild allein wird intrapleurale Luft meist unterschätzt, besonders bei steifer Lunge im Rahmen eines RDS! ▶ Hinweis: „Scharfer Herzrand“, angehobener Thymusschatten (Abb. 10.1). ■ ▶ Cave: Verwechslung Pneumothorax/Hautfalte. Hier lässt sich die Linie meist ex■ trathorakal weiterverfolgen.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.5 Pneumothorax des Neugeborenen

Therapie ▶ Spannungspneumothorax: • Sofort Pleurapunktion (S. 148) zur Entlastung, ggf. Legen einer Dauerdrainage, u. U. vor Röntgen! • Anschließend Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung erwägen. ▶ Geringe extrapulmonale Luftansammlung: • Kind mit noch suffizienter Spontanatmung: Konservativ, unter strikter Überwachung von Symptomatik, paO2 bzw. tcpO2, Transillumination, Röntgen öfter wiederholen. Punktionsbereitschaft! Bei Verschlechterung Pleuradrainage (immer mit Sog!). • Bei reifem Kind: 100 % Sauerstoffgabe erwägen. • Kind mit Atemhilfe: Stets Pleuradrainage, evtl. höhere FiO2-Zufuhr (beim reifen NG). • Kind mit subpleuraler Luft (über Zwerchfell): Bei steifer Lunge stets drainieren.

Allgemeine Maßnahmen ▶ Über technischen Problemen den Allgemeinzustand des Kindes nicht vergessen. ▶ Beatmung bei Pneumothorax: PEEP nach Möglichkeit senken, lieber mehr O2, kurze Inspirationszeit, lange Exspirationszeit (resp. Azidose schlecht). ▶ Nach Pneumothoraxursachen fahnden: Anamnese? Bakteriologie? ▶ PFC-Syndrom (S. 307) möglich, das nach Drainage fortbestehen kann. 217

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.6 Atelektasen

▶ Bei rezidivierendem, nur schwer zu entlastendem Pneumothorax Versuch der Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (S. 234) – gilt besonders für interstitielles Emphysem.

10.6 Atelektasen Proquitté

Vorbemerkungen ▶ Atelektasen sind häufig und Ausdruck einer inhomogenen Ventilation der Lunge. ▶ Bei Frühgeborenen mit muskulärer Schwäche sind sie häufiger als bei Reifgeborenen. ▶ Postnatal hat ein Surfactantmangel (S. 211) die größte Bedeutung.

Pathogenese ▶ Entspannungsatelektase: Bei einem Pneumothorax kollabiert ein Teil der Lunge. ▶ Kompressionsatelektase: Durch Pleuraergüsse, Einblutungen oder Thoraxdeformitäten wird das Lungengewebe komprimiert, es entstehen luft- und blutarme Abschnitte. ▶ Resorptionsatelektase: Unter Beatmung mit FiO2 = 1,0 fehlt Stickstoff in den Alveolen, diese kollabieren. ▶ Obstruktionsatelektase: Nach Bronchusobstruktion wird die distale Luft gefangen und resorbiert. Der im Versorgungsgebiet des Bronchus liegende Lungenanteil schrumpft (häufigste Ursache unter Beatmung). Nach Extubation ist gehäuft der rechte Oberlappen betroffen (Anatomie).

Diagnosestellung ▶ Klinische Untersuchung und Auskultation: abgeschwächtes AG, Rasselgeräusche, ggf. Überblähung. ▶ Ultraschall des Herzens und der Lunge: minderbelüftete Areale? Zwerchfellbeweglichkeit? ▶ Röntgen-Thorax Aufnahme: auf Mittellage achten, Röntgenschatten verursachende Fremdkörper aus dem Einblendungsgebiet entfernen. ▶ Steigender FiO2-Bedarf und paCO2-Anstieg als Hinweis (auch unter Beatmung).

Therapie ▶ Grundproblem/-erkrankung behandeln! ▶ Bei nicht beatmeten Patienten: eskalierender Einsatz von Low-Flow, PEEP, NIV, in Einzelfällen auch Intubation und Beatmung. ▶ Bei beatmeten Patienten: eskalierenden Einsatz von PEEP, HFOV erwägen (Effekt der Mukolyse nutzen), Einsatz eines geschlossenen Absaugsystems. ▶ Befeuchtung überprüfen und ausreichend hoch einstellen. ▶ Physiotherapie umstritten, in der Praxis jedoch oft effektiv. ▶ Inhalationstherapie: nur NaCl 3 % zur Mukolyse gilt als gesichert effektiv, Mucosolvan und ACC werden zwar klinisch oft eingesetzt, ein Wirksamkeitsnachweis besteht nicht. ▶ Pulmozyme: Erfahrungen können nur indirekt übertragen werden, bei FG/NG bisher nur Einzelfallberichte. ▶ Selten bronchoskopische Inspektion und Absaugung erforderlich (bei hartnäckigen Dys-/Atelektasen)

218

10.7 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS) Hummler, Flemmer

Definitionen ▶ Mekonium: Mekoniumhaltiges Fruchtwasser kommt bei bis zu 30 % der vaginalen Entbindungen vor, aber nur ca. 5 % der Kinder entwickeln ein MAS. ▶ Mekoniumaspirationssyndrom (MAS): • Oft grünliches, z. T. zähes Fruchtwasser mit/ohne Nachweis hinter der Stimmritze, jedoch mit Atemnotsyndrom aufgrund gemischt atelektatischer und obstruierter Lungenbezirke, Obstruktionsemphysem, „chemischer“ Pneumonie und Inaktivierung von Surfactant. • Röntgen-Thorax: Dichte, feinfleckige bis noduläre Lungeninfiltrate, z. T. überblähte Bezirke, abgeflachte Zwerchfellkuppen (Abb. 10.2). ▶ Cave: Risiko eines Pneumothorax! ■

Vorkommen ▶ Betrifft v. a. übertragene und untergewichtige Kinder (SGA), oft zusammen mit Asphyxie. ▶ Mütterliche Risikofaktoren für MAS: Eklampsie, Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen, Oligohydramnion. ▶ Grünes Fruchtwasser vor 34 SSW ist meist bakteriell (Listerien) oder durch Blutbeimischung verursacht, bei Gastroschisis häufig durch regurgitierte Galle (intrauterine Darmtransportstörung).

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.7 Mekoniumaspirationssyndrom (MAS)

Maßnahmen im Kreißsaal ▶ Möglichst frühzeitige Information des Pädiaters/Neonatologen durch den Geburtshelfer. ▶ Richtige Ausrüstung (am richtigen Ort) muss ständig verfügbar sein: • Funktionstüchtiges Laryngoskop. • Jankauer (starrer Absauger) mit längerem Schlauchstück als Adapter. Alternative: Mekoniumabsauger (Abb. 10.2). ▶ Beachte: Nach den ILCOR-Richtlinien wird das subglottische Absaugen (vor dem ■ 1. Atemzug) als optional (auch abhängig von der Expertise), jedoch nur bei nicht vitalem Kind, erachtet. [E2].

Saugung Adapter

a

b

Tubus (3.0 oder 3.5)

Abb. 10.2 • a, b Mekoniumaspiration. a Röntgen-Thorax bei Mekoniumaspirationssyndrom mit multiplen über die ganze Lunge verteilten grobfleckigen Verdichtungen; b Mekoniumabsauger.

219

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.8 Sauerstofftherapie

grünes Fruchtwasser

hypoton, keine Atemanstrengung

Absaugen

grünes FW hinter Stimmritze? subglottisch absaugen ggf. Intubation,

Kind aktiv

beobachten

NO, Surfactant

Abb. 10.3 • Flow-sheet „grünes Fruchtwasser“.

▶ Erste Maßnahmen bei deutlich deprimiertem Kind (Abb. 10.3): • Laryngoskopie: Möglichst vor dem 1. Atemzug Stimmritze einstellen und Absaugen des Larynxeingangs (tracheales Sekret) mit dem Jankauer. Cave: Larynx nicht verletzen! • Alternative: Kind intubieren und mit Mekoniumabsauger absaugen. ▶ Grün-erbsbreiartiges Fruchtwasser bei Sectio caesarea: Im Zweifel sofort intubieren und tracheal absaugen! ▶ Weiteres Vorgehen: Das schematische Vorgehen in Abb. 10.3 soll dem mentalen Training dienen. Im Einzelfall sind häufig Abweichungen erforderlich!

Maßnahmen auf Station ▶ Röntgen-Thorax zur Bestätigung oder zum Ausschluss eines MAS. ▶ Konventionelle Beatmung, wie üblich (S. 234), frühzeitig HFOV (S. 232) zur Sekretolyse erwägen. ▶ Mehrfache Lavagen mit jeweils 2 ml Lösung aus Surfactant in NaCl 0,9 % (1:15, d. h. 1,6 mg/ml), bis Sekret klar (andere Angabe 1:5 entsprechend 5 mg/ml) [E4]. ▶ An PPHN-Syndrom (S. 307) denken → hochnormale PaO2- und Blutdruckwerte anstreben! NO-Beatmung (S. 237), frühzeitig. ECMO erwägen (Oxygenierungsindex > 25). ▶ NO-Beatmung (S. 237), evtl. ECMO (S. 240) erwägen, frühzeitig telefonisch Kontakt aufnehmen. ▶ Antibiotische Therapie (S. 248) mit „üblichem Sepsis-Schema“. ▶ Vorbereitung auf evtl. Pneumothorax (v. a. bei überblähten Arealen im Röntgenbild), frühzeitig oszillierende Beatmung (S. 234) erwägen. ▶ Physiotherapie, Beatmung mit Helium und Therapie mit Steroiden werden kontrovers beurteilt.

10.8 Sauerstofftherapie Thome

Ziele der Sauerstofftherapie ▶ Ausreichender O2-Partialdruck in den Zellen, sodass die Atmungskette und andere O2-abhängige Enzyme (z. B. NO-Synthetase) arbeiten können. ▶ Vermeidung von O2-Mangel mit den Konsequenzen: Energiemangel, anaerobe Glykolyse, Laktatazidose, pulmonale Vasokonstriktion → PPHN, Myokardinsuffizienz, Niereninsuffizienz, zerebrale Ischämie. ▶ Vasodilatation der Pulmonalgefäße.

Klinische Zeichen von Hypoxämie ▶ Zyanose (bei ausgeprägter Anämie spät sichtbar). ▶ Verminderte Hautperfusion, Blässe. 220

▶ Hypothermie. ▶ Muskelhypo-/hypertonie. ▶ Krämpfe.

Indikationen zur O2-Gabe ▶ Reanimation bei Kreislaufstillstand, Schock. ▶ Erstversorgung im Kreißsaal – nur bei inadäquatem Anstieg der O2-Sättigung (Abb. 10.4). ▶ PaO2 < 50 mmHg. ▶ Neugeborene mit gestörter kardiopulmonaler Adaptation. ▶ Kinder mit bronchopulmonaler Dysplasie und pulmonaler Hypertension (Vasodilatation). ▶ ROP-Gefährdung (S. 403) bei FG > korrigierte 32 Wochen. ▶ Studien zufolge ist bei sehr kleinen Frühgeborenen in den ersten Lebenswochen ein Zielbereich für die SpO2 von 90–95 % im Vergleich mit 85–89 % mit einer niedrigeren Mortalität assoziiert, aber mit höheren Rate von ROP und BPD. Jede Einrichtung sollte anhand ihrer eigenen Ergebnisse über den für sie optimalen Zielbereich und damit die Indikation zur O2-Gabe (S. 54) entscheiden. ▶ Die Pulsoxymetrie kann zwar hypoxämische Phasen verlässlich messen, ist aber unzuverlässig bei der Messung von Hyperoxämien (flacher Verlauf der Sauerstoffbindungskurve)! ▶ Reife Neugeborene sollten nach der Periode der Anpassung im Lebensalter von etwa 1 h (bei Sectio) eine SpO2 von > 90 % haben.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.8 Sauerstofftherapie

Applikation ▶ Maske 4(–8) l/min ist ohne Fixation unzuverlässig. ▶ Nasensonde: Sonde 2 – 3 cm in Nase fixieren, 1 l/min (wird oft nicht toleriert). ▶ O2-Brille (mit 2 „Schnorcheln“ Richtung Nase), max. 1 l/min.

100 90 80

Sauerstoffsättigung

70

Abb. 10.4 • Perzentilen Sauerstoffsättigung in den ersten 10 Minuten. (The Journal of Pediatrics, Vol. 160, No. 1, Dawson, J.A. et al., Managing Qxygen Therapy during Delivery Room Stabilization of Preterm Infants, 158–161 © 2012 mit freundlicher Genehmigung von Elsevier)

60 50 40 10. – 90. Perzentile 10. Perzentile 25. Perzentile 50. Perzentile 75. Perzentile 90. Perzentile

30 20 10 0 0

1

2

3 4 5 6 7 Minuten nach Geburt

8

9

10 221

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.8 Sauerstofftherapie

▶ Hochfluss-Nasenkanüle (HFNC) (mancherorts auch „Mini-CPAP“ genannt): O2-Brille mit Luft/O2-Mischer und Befeuchtung, 3–6 l/min. Erzeugt durch den hohen Flow auch positiven Druck im Rachen, wirkt in etwa so wie CPAP. Eine Aufstellung, welcher Flow in etwa welchem PEEP entspricht, finden Sie unter www.thieme.de/checklisteneonatologie. ▶ Freddy-Sonden mit geringen Flow-Raten (< < 1 l/min) und differenziertem FiO2. ▶ O2-Glocke bei FiO2 > 0,4 mit Befeuchtung, 4 – 6 l/min (schwer steuerbar). ▶ O2 in den Inkubator einleiten (sehr schwer steuerbar, Inkubatorklappen müssen geschlossen bleiben). ▶ Beimischung von O2 zu CPAP und Beatmung. ▶ Hinweis: Trockenes Luft-Sauerstoffgemisch trocknet die Schleimhäute aus. Abhilfe ■ durch Anfeuchten und Erwärmen des Atemgases, z. B. mit Fisher-Paykel-Topf.

Bedenke die Folgen der Sauerstofftoxizität! ▶ Retinopathie (S. 403). ▶ Bronchopulmonale Dysplasie (S. 214): FiO2 > 0,4 gilt als toxisch für Alveolarzellen. ▶ Über Wochen anhaltende subklinische Entzündungsreaktionen schon nach kurzer Sauerstoffüberdosierung im Kreißsaal sind belegt. ▶ Vorsicht bei hypoplastischem Linksherzsyndrom (HLHS) und Truncus arteriosus communis (TAC): Infolge pulmonaler Vasodilatation kann die systemische Perfusion kritisch reduziert werden.

Vermeidung unnötiger Sauerstofftoxizität 1. Keine prophylaktische O2-Gabe bei der Erstversorgung. Nomogramme der O2-Sättigung nach Dawson beachten (Abb. 10.4). Ein langsamer Anstieg ist physiologisch. Faustregel: Nach 8 Minuten sollte eine Sättigung von mindestens 80 % erreicht werden. 2. Niedrigste effektive Dosis anstreben! Gilt auch bei der Erstversorgung. O2 = Medikament! 3. Jede FiO2-Konzentration > 0,21 und Dauer > 30 min erfordert eine Überwachung der SpO2 und ggf. tcpO2 und (paO2). 4. Sauerstoffsättigungsgrenzen für jeden Patienten festlegen und einhalten! 5. Unter O2-Gabe muss die Obergrenze für die SpO2 < 100 % (meist zwischen 95 % und 98 %) sein. 6. Alarmgrenzen (S. 55) nicht aufgrund gehäufter Alarme verändern! 7. Bei Hypoxämien (SpO2 < 85 %) vor Änderung der Sauerstoffzufuhr prüfen: • Pulswelle richtig gemessen? • Gibt es Bewegungsartefakte? • Was machen Herzfrequenz und Atmung? • Wie lange besteht die Hypoxämie schon? Mittelungszeit des Pulsoxymeters auf ca. 8 s einstellen. 8. Reduktion von FiO2: • In 2 – 5-%-Schritten, wenn die Sättigung über angestrebter Grenze liegt. • Bei FiO2-Reduktion Hypoxämien vermeiden! 9. Erhöhung des FiO2: • Kind so lange überwachen, bis die Sättigung stabil bleibt! • FiO2-Erhöhung dokumentieren! 10. Bei Sättigungsabfällen eines beatmeten Kindes bei Absaugen, Sondieren oder anderen Maßnahmen ist es für die Prozedur meist sinnvoller, • den Beatmungsdruck um 2 cmH2O zu erhöhen (anstatt den FiO2); • das exspiratorisch gemessene Atemzugvolumen im Auge zu behalten und ggf. zu korrigieren; • das Kind nach dem Absaugen 10 min lang zu beobachten, da Änderungen des FiO2 oft erforderlich sind. 222

10.9 Continuous positive airway pressure (CPAP)/

Nicht-invasive Beatmung Thilmany, Flemmer

Grundlagen ▶ Applikationsformen: Eine Übersicht der verschiedenen Applikationsformen inkl. Vor- und Nachteile finden Sie in Tab. 10.1 Tab. 10.1 • Vor- und Nachteile verschiedener CPAP-Methoden. Vorteile

Nachteile

Gesichtsmaske

– Überall verfügbar – Leichte Anpassung – Schnell applizierbar – Leichter Anschluss an jeden beliebigen Respirator – Kein Extragerät

– Nur kurz einsetzbar, da fehlende stabile Fixierungsmöglichkeit – Gefahr der Drucknekrosen und Augenbeeinträchtigungen

Binasale Maske/ Prongs

– Geringer Widerstand – Kaum zusätzlicher Totraum – Erhaltung der physiologischen Nasenfunktion – Relativ geringes Leck – Lagerung und Handling einfach

– Nasale Erosion – Nasale Deformation – Kopfdeformation durch Mütze – Fixierung aufwändig – Eingeschränkter Zugang für zerebrale Sonografie

High Flow Nasal Canula (HFNC)

– Geringer Widerstand – Lagerung und Handling einfach

– Nur PEEP möglich – Keine Überdrucksicherung! – Keine Druckmessung – Ggf. Extragerät – Nasale Erosion – Nasale Deformation – Magensonde meist nur oral

Nasopharyngealtubus

– Leichter Anschluss an jeden beliebigen Respirator – Stabile Fixierung – Lagerung und Handling einfach – Kein Extragerät

– Hoher Tubuswiderstand – Leckage durch offenes 2. Nasenloch – Hohe Gefahr für Tubusobstruktion – Nasale Erosion – Nasale Deformation – Schlechtere Perfomance im Vergleich zu binasalem CPAP

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.9 Continuous positive airway pressure (CPAP)/Nicht-invasive Beatmung

▶ Mögliche Effekte: • Spüleffekt des Nasenrachenraumes (Reduktion des Totraumes). • Erhöhung der FRC: – Endexspiratorisches Offenhalten der Alveolen. – Verbesserung der Compliance. • Verbesserung der Oxygenierung. • Erhöhung des transpulmonalen Drucks: – Stabilisierung der Atemwege. – Senkung der Resistance. Stabilisierung des thorakalen Systems. • Reduktion der Atemarbeit. • Stimulation des Atemantriebs. ▶ Grundsätzliche Nachteile aller nicht-invasiven Beatmungsformen: • Abdominelle Distension. • Schwankende Beatmungsdrücke durch variables Leck. 223

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.9 Continuous positive airway pressure (CPAP)/Nicht-invasive Beatmung

▶ Nicht-invasive Beatmung (non-invasive positive pressure ventilation/NIPPV): • CPAP kann durch zusätzliche inspiratorische Atemhübe zu einer NIPPV intensiviert werden. • Synchronisierte NIPPV (sNIPPV bzw. SiPAP) führt zu einer Verminderung der Atemarbeit gegenüber CPAP, s. synchronisierte mechanische Beatmung (S. 232). • Nicht synchronisierte nicht-invasive Druckbeatmung (NIPPV) bringt gegenüber CPAP wahrscheinlich keinen Vorteil. • Ösophagusverschlussdruck von ca. 15 cmH2O sollte möglichst nicht überschritten werden.

Indikationen ▶ Im Kreißsaal zur Entfaltung und Belüftung der Lungen. ▶ Zur sicheren Applikation von O2 mit befeuchteter und angewärmter Luft. ▶ Zum Vermeiden einer Intubation, z. B. bei milderem Atemnotsyndrom (ersetzt mehr und mehr die invasive Beatmung). ▶ Zur Stabilisierung/Oxygenierung vor Intubation oder während der Surfactant-Applikation unter LISA (s. u.). ▶ Zur Entwöhnung vom Respirator (Weaning). ▶ Bei rezidivierenden Apnoen, Bradykardien und Sauerstoffsättigungsabfällen.

Praktisches Vorgehen ▶ Bubble-CPAP: • Prongs/Mütze nach Größe des Kindes auswählen. • PEEP und Flow einstellen (Flow ≥ PEEP). • Adaptieren, fixieren und auf Dichtigkeit prüfen (blubbert es?). ▶ Binasale Maske/Prongs und HFNC: • Binasale Maske/Prongs und Mütze nach Kopfumfang des Kindes auswählen (Herstellerangaben, Tabellen und Schablonen). • Adaptieren, fixieren und auf Dichtigkeit prüfen. • Regelmäßige Kontrolle der Nase und des Periroalbereiches auf Druckstellen. ▶ Nasopharyngealer Tubus (in Ausnahmefällen, da invasiver und weniger effektiv, z. B. bei ausgeprägter Kopfdeformität durch Maske/Prongs): • Tubus 3 – 5 cm nasal einführen (idealerweise so einstellen, dass die Tubusspitze unter Sicht noch eben im oberen Pharynx sichtbar ist). • Bei Bedarf Tubus gleitfähig machen. ▶ Cave: Häufig Borkenbildung mit Obstruktion. Regelmäßiges gründliches Absau■ gen des Rachenraumes erforderlich. Ggf. Befeuchtung des Beatmungssytems korrigieren. ▶ Einstellungen: • Beatmungsdrücke und -frequenz am Respirator: – PEEP 5 – 8 (selten bis 10) cmH2O. – Bei NIPPV (präferentiell synchronisiert): PIP 15 (vorübergehend bis 20) cmH2O. – Frequenz 30–60/min. • Flow an der HFNC: – Erreichbarer Druck hängt vom Flow und Körpergewicht des Kindes ab. > 2 l/ min, Richtwerte siehe Tab. 10.3. – Vergleich Flow – PEEP, z. B. bei DJ Wilkinson, CC Andersen, K Smith and J Holberton: Pharyngeal pressure with high-flow nasal cannulae in premature infants, Journal of Perinatology (2008) 28, 42–47. – Orientierend: PEEP in cm H20 = 2,6 + (0,8 x Flow in Liter) – (1,4 x Körpergewicht in KG).

224

▶ Optimierungsstrategien bei Problemen: • Bei großem Leck: – Kinnbandage. – Schnuller. • Bei vermehrten Apnoen: – Bauchlage möglichst mit frei hängendem Abdomen. – Oberkörperhochlagerung (15–20°) – Synchronisierte mechanische Beatmung (S. 232). – CPAP-Intensivierung über sNIPPV. ▶ Cave: Tubusdurchgängigkeit überprüfen. ■ Tab. 10.2 • Mögliche Richtwerte für Flow-Einstellung an der HFNC zu Beginn der Beatmung. Gewicht

Flow

< 1000 g

> 2 l/min

< 2000 g

> 3 l/min

< 3 000 g

> 4 l/min

< 4 000 g

> 5 l/min

< 5 000 g

> 6 l/min

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

Einstellungen bei verschiedenen Gerätetypen ▶ VN500: Nach Extubation von intubiert auf NIV oder SPN-CPAP umstellen. Bedenke: kurze Unterbrechung der Atemunterstützung erforderlich. ▶ Stephanie/Sophie: Nach Extubation ohne Pneumotachographen (= Flow-Sensor) betreiben: „Mode“-Schalter auf rote Positionen = druckkontrollierte Beatmungsformen. Synchronisation für sNIPPV über Graseby-Kapsel. ▶ Infant-Flow: Vorteil ist die schonende Applikation des Nasen-Ansatzstückes. PEEP hier ca. 5 cmH2O. Zusätzliche Frequenz ist nicht erforderlich, da das Kind die Resistance des Tubus nicht überwinden muss (Venturi-Prinzip). Im Bi-PAP-Modus Triggerung mit Graseby-Kapsel möglich. ▶ Leoni Plus: M-CPAP Mode wählen. ▶ Servo-I: CPAP Mode wählen, ggf. NAVA-Anwendung, für sNIPPV.

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung Thome, Schulze

Abkürzungen/Definitionen ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

A/C Assistiert-kontrollierte Beatmung CPAP (S. 223) : „continuous positive airway pressure“ [cmH2O]. FiO2 (fraction of inspired oxygen): Inspiratorische Sauerstoffkonzentration. Flow: Gasfluss in den Beatmungsschläuchen [l/min]. FRC: Funktionelle Residualkapazität. Frequenz: Anzahl der Beatmungszüge pro Zeiteinheit [/min]. IMV: Intermittent mandatory ventilation. IPPV: Intermittent positive pressure ventilation (Abb. 10.5). MAD: Mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] (mean airway pressure, MAP).

225

10

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

20 Druck cm H2O

konventionelle IPPV-Beatmung

10 Plateau

PIP MAD Tinsp

Texsp PEEP

Abb. 10.5 • Kontrollierte IPPV-Beatmung.

▶ PEEP (positive endexspiratory pressure): Druck am Tubuskonnektor am Ende der Exspiration [cmH2O]. ▶ PIP (positive inspiratory pressure): Maximaler Beatmungsdruck [cmH2O]. ▶ Plateau: Zeit während der PIP aufrechterhalten wird [s]. ▶ PSV (pressure support ventilation): Druckunterstützte Beatmung. ▶ SIMV: Synchronized intermittent mandatory ventilation. ▶ Te: Exspirationszeit [s]. ▶ Ti: Inspirationszeit [s]. ▶ VT: Atemzugvolumen [ml/min]. ▶ VTe: Exspiratorisch gemessenes Atemzugvolumen

Vorbemerkungen ▶ Die Beatmung ist eine der invasivsten Therapien bei Frühgeborenen. Sie kann lebensrettend sein, bei falscher Anwendung aber auch lebensbedrohliche Komplikationen und monate-/jahrelange Morbidität (BPD) nach sich ziehen. ▶ Voraussetzung zum Verständnis dieses Kapitels ist die Kenntnis der Vor- und Nachteile der verschiedenen Beatmungsformen. ▶ Wichtiger als die schematische Einstellung der Beatmung ist die intensive Beobachtung jedes einzelnen Frühgeborenen, um die Beatmung auf die individuellen Bedürfnisse einzustellen. Dies erfordert gelegentlich, dass sich der Arzt für einen längeren Zeitraum (oft 1 h und mehr) neben den Inkubator setzt, um das Kind genau zu beobachten und die Beatmung zu optimieren zu können. ▶ Die optimale Einstellung der Beatmung kann u. U. rasch wechseln! ▶ Im Einzelfall können zur Vermeidung einer maschinellen Beatmung oder eines Barotraumas bzw. Volutraumas der Lunge (höhere Beatmungsdrücke bzw. Tidalvolumina unter maschineller Beatmung) höhere pCO2-Grenzwerte (als die unten angegebenen) toleriert werden → permissive Hyperkapnie. ▶ Hoher PIP, hoher PEEP und lange Ti führen zu einer Verminderung des Herzzeitvolumens (HZV) und vermehrter Lungenschädigung, z. B. zu einem pulmonalen interstitiellen Emphysem (PIE). ▶ Die genaue Kenntnis der Funktion des Respirators und des Befeuchtertopfes sind unabdingbar (Betriebsanleitungen sind Pflichtlektüre!).

Grundprinzipien der Säuglingsbeatmung ▶ Bei Verschluss des Exspirationsventils (Abb. 10.6) erhöht sich durch den hohen Atemgas-Grundflow der Druck im Beatmungsschlauchsystem bis zum eingestellten PIP. Dadurch wird eine Inspiration eingeleitet. ▶ Das Atemgas strömt in die Lunge ein. 226

Respirator

Atemgasflow (6 -10 l/Min.)

Exspirationsventil

Messstelle für Atemwegsdruck und in-/expiratorischen Atemgasflow am Kind

Abb. 10.6 • Grundprinzip der Säuglingsbeatmung.

Druckdifferenz Inspiration

Druckdifferenz Exspiration

▶ Am Ende der Inspiration herrscht (falls ausreichend Inspirationszeit eingestellt ist) am Tubuskonnektor und im Alveolarraum der gleiche Druck, nämlich PIP. Der Inspirationsflow kommt zum Erliegen. ▶ Öffnet das Exspirationsventil, fällt der Druck im Beatmungsschlauchsystem auf den PEEP zurück. Der jetzt höhere intrapulmonale Druck führt zur Exspiration. ▶ Die Exspiration dauert so lange, bis im Alveolarraum der Druck auf den eingestellten PEEP abgesunken ist. Das setzt voraus, dass eine genügend lange Exspirationszeit eingestellt wurde. Der Atemgas-Grundflow im Beatmungsschlauchsystem wird bei einigen Geräten (Babylog, Leonie) vom Bediener eingestellt, bei anderen (z. B. Stephanie, Sophie, VN500, Servo-I) vom Gerät selbst geregelt.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

Indikationen zur invasiven Beatmung (mit Intubation) ▶ Beachte: Immer die Gesamtsituation des Kindes berücksichtigen! ■

▶ FiO2 > 0,4, mit steigender Tendenz (und trotz evtl. Surfactantgabe). ▶ Respiratorische Azidose mit pH < 7,25 mit fallender Tendenz. ▶ Apnoen > 3/h und > 20 s mit Notwendigkeit der Maskenbeatmung (zentral und/oder obstruktiv und nicht behebbar durch CPAP oder medikamentöse Therapie). ▶ Meist bei FG < 27. SSW, insbesondere bei Fehlen der antenatalen Steroidgabe. ▶ Zwerchfelldefekt und Bauchwanddefekt (hier ggf. erst vor geplanter OP, falls respiratorisch stabil). ▶ Apgar < 4 nach 5 min. ▶ Jeder Schockzustand, der trotz adäquater Volumensubstitution nicht behoben werden kann. ▶ Im Zweifelsfall lieber beatmen und früh extubieren, Kollegen und Pflege zu Rate ziehen. ▶ Cave: PFC-Syndrom oder PPHN (hauptsächlich beim reifen Kind) bei verzögertem ■ Beginn der Beatmung.

Ziele der Beatmung ▶ PaO2 50 – 70 mmHg. ▶ PaCO2 40 – 55 mmHg (bei älterem Kind mit BPD 40 – 65 mmHg) bzw. pH > 7,25. ▶ Niedrigstmöglicher PIP; PEEP 3 – 5 cmH2O (geringstmögliches Risiko eines Barotraumas). ▶ Übergroße Atemzugvolumina vermeiden, d. h. nicht > 7 ml/kg KG (möglichst geringes Risiko eines Volutraumas). 227

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

▶ FiO2 möglichst niedrig halten. FiO2-Konzentrationen > 0,4 sind toxisch für die Alveolarzellen. ▶ Beachte: Jede Beatmung schädigt die Lunge. Das Lungentrauma ist umso größer, je ■ höher das V T und die O2-Konzentration sind. Die Ziele eines adäquaten Gasaustausches und einer möglichst schonenden Beatmung müssen bei lungenkranken Patienten gegeneinander abgewogen werden: • Ein Beatmungsdruck von 20 cmH2O kann für ein Frühgeborenes von < 800 g KG schon extrem hoch, für ein reifes Neugeborenes mit Lungenparenchymerkrankung aber adäquat sein. • Je dünner der Tubus und je kürzer die Inspirationszeit, desto weniger vom Inspirationsdruck kommt bei relativ kurzer Insufflationszeit in der Alveole an. • Auch zu hohe Flowraten können (bei höheren Beatmungsdrucken / kurzer Ti problematisch sein. ▶ Fazit: ■ • Ein Patentrezept zur Beatmung für alle Frühgeborenen gibt es nicht. Der Beatmungsdruck sollte so gewählt werden, dass Thoraxexkursionen im zeitlichen Verlauf und in ihrer Größe „physiologisch“ erscheinen, d. h., dass das V T im physiologischen Bereich (etwa 4 – 7 ml/kg KG) liegt. • Beatmung ist zugleich Wissenschaft und Kunst, bei der Erfahrung nicht fehlen darf.

Grundeinstellung bei Beginn der Beatmung ▶ Inspirationszeit: 0,25 – 0,4 sec, ggf. Gestationsalter/100. Bei Surfactantgabe evtl. Ti = 0,3 sec nötig. ▶ Stephanie, Sophie und Babylog 8 000: Exspirationszeit Te = 0,7 sec, d. h. Frequenz 60/min. ▶ Flow: 6 – 12 l/min, je nach Größe des Kindes; je niedriger der Flow, desto langsamer („weicher“) wird der inspiratorische Druckanstieg (Stephanie, Sophie, VN500 und Servo-I regeln den Flow selbstständig, einstellbar sind das Ausmaß und die Form des inspiratorischen Druckanstieges). ▶ PIP und PEEP so niedrig wie möglich, so hoch wie nötig: • PEEP 3 – 4(– 6), cave: Wirkung auf HZV! • PIP so einstellen, dass sich der Thorax „erkennbar“ hebt bzw. ein Atemzugvolumen (VT) von 4(– 7) ml/kg KG erreicht wird. Evtl. Einstellung von Kreißsaal/Transport übernehmen, im Zweifelsfall mit 15 cmH2O beginnen. ▶ FiO2 nur so weit erhöhen, dass der Zielbereich für die O2-Sättigung (S. 222) erreicht wird. ▶ Temperatur des Befeuchtertopfes 36 – 37 °C. ▶ Bei Patienten mit Atembemühungen sollte möglichst eine Synchronisation von Respirator und Eigenatmung (S. 232) angestrebt werden. • SIMV-Modus (synchronized intermittent mandatory ventilation. • Assistiert-kontrollierte Beatmung (A/C = Assist/Control Ventilation). • NAVA-Beatmung bei Servo-I. • IMV/IPPV = kontrollierte, unsynchronisierte Beatmung.

Überwachung der Beatmung ▶ Kontrolle der richtigen Tubuslage: • Auskultation: Sind beide Lungen seitengleich belüftet? Wenn nein: Tubus zu tief? • Atemgeräusch über Magen nur sehr leise? Wenn nein: Fehlintubation? • Evtl. Laryngoskopie zur Kontrolle. • Ein normales exspiratorisches Flowsignal (Bildschirm des Beatmungsgerätes: Stephanie, Sophie, Leonie, Babylog 8 000, VN500) oder Kapnografie-Signal beweist endotracheale Lage des Tubus. • Röntgen-Thorax: Tubusspitze bei Th 2, vgl. Abb. 2.5.

228

▶ Kontrolle von pO2 und pCO2 im Blut: • Durchführung in der Regel innerhalb von 30 min (v. a. während der ersten Lebenstage): – Nach Beginn der Beatmung. – Nach jeder Intensivierung der Respiratoreinstellung: Dokumentation der blutig oder transkutan gemessenen Blutgaswerte. Cave: Hyperventilation/Hypokapnie wegen der damit verbundenen zerebralen Ischämie! – Nach Reduktion der Beatmung (v. a. wenn paCO2 niedrig) und wenn der FiO2-Bedarf ansteigt. • Ziel: PaO2 50 – 70 mmHg, PaCO2 40 – 55 mmHg. • Entnahmetechnik: – Goldstandard sind präduktale, arterielle Blutgase. – Bei kapillären Blutgasen werden pH und pCO2 verlässlich, pO2 jedoch gleich oder niedriger als PaO2 (also nicht verlässlich) gemessen. • Bei einer FiO2 > 0,21 transkutan ermittelte Blutgaswerte (tc-pCO2 und tc-pO2) engmaschig (6 – 12(– 24)-stündlich) durch Analyse einer Blutprobe überprüfen. ▶ Bedenke: Der Totraum aller derzeit erhältlicher Flowsensoren ist für extrem klei■ ne Frühgeborene nicht zu vernachlässigen. Daher ist der Nutzen einer Triggerung und möglicher Messungen individuell gegen den Nachteil einer totraumbedingten CO2-Retention mit folglich höherem Beatmungsbedarf und Volutrauma abzuwägen, auch wenn neuere Geräte inzwischen eine „Tubus- und Leckagekompensation“ anbieten.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

Steuerung der Beatmung ▶ PaCO2 ist abhängig von der alveolären Ventilation und damit vom Atemminutenvolumen, d. h. von Beatmungsfrequenz und Atemzugvolumen: • Atemminutenvolumen = Frequenz × V T. • Alveoläre Ventilation = Frequenz × (VT – Totraumvolumen). • Atemzugvolumen: Primär abhängig von PIP minus PEEP. – Bei zu kurzer Ti und Te sinkt das Atemzugvolumen (zu kurze Te = inadvertent PEEP). Falls möglich, Flow nach oben anpassen. – Der Thorax muss sich vor nächster Inspiration bis zur Ruheposition gesenkt haben. Vorsicht bei Te < 0,5 s! – Damit das „Volutrauma“ der Lunge begrenzt wird, sollte das V T 4(– 7) ml/kg KG betragen. ▶ PaO2 ist hauptsächlich abhängig von: • Inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO2). • Mittlerem Atemwegsdruck (MAD) = Fläche unter Beatmungsdruckkurve. Die Höhe des MAD wird wiederum von folgenden Faktoren beeinflusst: – PEEP, Ti, PIP, Flow (Plateau),Te. ▶ Beachte: Ein hoher MAD reduziert u. U. das HZV und damit die Sauerstofftrans■ portkapazität! • Größe des Rechts-Links-Shunts. ▶ Vereinfacht lassen sich die o. g. Zusammenhänge folgendermaßen beschreiben: • Die Oxygenierung wird begünstigt durch: – hohe FiO2. – höheren PEEP. – lange Inspirationszeit (Ti). – hohen PIP. • Die Ventilation (CO2-Elimination) wird begünstigt durch: – Erhöhung des PIP, falls dies zum Anstieg des VT führt. – Hohe Frequenz. – Adäquaten bzw. verminderten PEEP. – Adäquate Inspirationszeit (Ti). – Nicht zu kurze Exspirationszeit (Te). 229

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

▶ Inspirationszeit (Ti): • Beginn mit 0,3 sec Verkürzung. < 0,2 sec ist fast nie sinnvoll (Ausnahme: Beatmung bei PIE = pulmonalem interstitiellem Emphysem). Für ELBW: Ti = Gestationsalter/100. • Verlängerung > 0,3 sec kann die Oxigenierung verbessern, erhöht aber bei Frühgeborenen die Gefahr eines interstitiellen Emphysems. • Längere Inspirationszeit = höherer MAD = höheres Barotraumarisiko. ▶ Exspirationszeit (Te): • Beginn mit 0,7 sec Verkürzung. < 0,5 sec ist selten sinnvoll (cave: InadvertentPEEP, s. o.). • Immer überprüfen, dass sich der Thorax bis zur Ruheposition senkt und das exspiratorische Atemgas-Flowsignal (die „Flowkurve“) die Nulllinie erreicht. ▶ Inspirationsdruck (PIP): • Beeinflusst vorwiegend den PaCO2 (alveoläre Ventilation). Wird ein hoher PIP > 25 cmH2O (> 20 cmH2O bei FG < 800 g KG) nötig, sollten stattdessen höhere PaCO2-Werte (50 – 60 mmHg) akzeptiert werden, um beatmungsassoziierte Schäden zu minimieren. • Bei Kindern < 1000 g KG kann mitunter ein geringer PIP von 10–12 ausreichend sein. • Hebt sich der Thorax „unphysiologisch“ rasch/stark, Beatmung umgehend überprüfen! • Bei Änderung des PEEP Amplitude belassen, d. h. PIP gleichsinnig ändern, da sonst das Atemzugvolumen sinkt/steigt. ▶ Positiver endexspiratorischer Druck (PEEP): • Verhindert bzw. vermindert einen Alveolarkollaps und vergrößert so die funktionelle Residualkapazität (FRC). Beatmete Kinder sollten deshalb möglichst selten diskonnektiert werden und mit geschlossenem Absaugsystem versorgt sein. • Kinder mit (PDA-unabhängigen) PaO2-Schwankungen stabilisieren sich u. U. mit höherem PEEP von 4 – 5 cmH2O (sehr selten höher). • Insbesondere bei Hypovolämie reduziert ein hoher PEEP das HZV. • Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme in Exspiration lässt erkennen, ob eine Beatmung zur Überblähung führt: – Weiße Lunge, Zwerchfellkuppe höher als Th 8 → PEEP evtl. zu niedrig. – Weiter Zwerchfell-Rippenwinkel, Zwerchfellkuppe tiefer als Th 9 → PEEP evtl. zu hoch oder Exspirationszeit zu kurz. ▶ Inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2): • So niedrig wie möglich, so hoch wie nötig. • FiO2 > 0,4 gilt als toxisch für die Alveolarzellen. Alternativ evtl. Erhöhung des MAD durch PEEP-Erhöhung und/oder Verlängerung von Ti. ▶ Flow: • Bei hohem Flow wird PIP schneller erreicht, infolgedessen längeres Plateau bei gleicher Ti → stärkeres Barotrauma, aber evtl. werden atelektatische Bezirke besser eröffnet (umstrittene Alternative: PEEP erhöhen). • Hoher Flow erlaubt kürzere Ti und ist somit oft bei höheren Atemfrequenzen erforderlich.

Analgosedierung/Relaxierung ▶ Keine grundsätzliche Relaxierung! Eine Relaxierung muss absolute Ausnahme bleiben! ▶ Atmet das Kind heftig „gegen“ den Respirator, muss zunächst die Einstellung des Respirators überprüft werden. Häufig entspricht diese nicht den Bedürfnissen des Kindes. ▶ Synchronisierte Beatmung (A/C, PSV, MMV) einstellen. Assistierte Beatmung soll Koordination von kindlicher Atmung und Respirator erleichtern. 230

▶ Beim Kind bleiben und mit viel Geduld und Einfühlung (dauert oft 1 h und länger) Respiratoreinstellung mit Eigenatmung des Kindes koordinieren. ▶ Sedierung evtl. bei ausbleibender Koordination: • Phenobarbital: Initial 10 – 20 mg/kg KG in 2 ED i. v., dann (3 –)5 mg/kg KG/Tag. Bei Erfolglosigkeit Analgesie. • Midazolam (S. 451): 0,1 – 0,2 mg/kg KG/ED i. v. Cave: Krampfanfälle. ▶ Analgesie, wenn auch damit kein Erfolg erzielt werden kann, z. B. mit Morphin: 0,05 – 0,1(– 0,2) mg/kg KG/ED i. v., dann 10 – 15 μg/kg KG/h i. v. ▶ Nur wenn auch unter Analgosedierung keine effektive Respiratortherapie durchgeführt werden kann, Relaxierung mit Norcuronium 0,1 mg/kg KG/ED i. v., dann ggf. 0,1 mg/kg KG/h. Beachte: Relaxierung führt zu Flüssigkeitsretention und rascher Atrophie der Atemmuskulatur mit nachfolgender Verschlechterung der Compliance der Lunge.

Physiotherapie ▶ Umstritten, möglicherweise sinnvoll bei Pneumonie und BPD; s. auch Atelektase (S. 218). ▶ Beachte: Vorsicht bei instabilem Kind z. B. mit PDA und Pneumothorax! ■

Entwöhnung vom Respirator (Weaning) ▶ Die Entwöhnung vom Respirator erfordert besonders viel Fingerspitzengefühl von Pflege und Arzt. Sie kann nicht schematisch erfolgen. Das Kind muss besonders gut überwacht werden. Zyanoseanfälle, graues Hautkolorit und Apnoen können Zeichen dafür sein, dass das Kind noch nicht reif für eine Entwöhnung ist. Trotzdem muss die Extubation so früh wie möglich angestrebt werden. Viele Kinder kommen allein, mit Rachen-CPAP oder Rachen-IMV wesentlich besser zu recht als unter einer – retrospektiv unnötigen – invasiven Beatmung. ▶ Voraussetzungen: • Kind unter Beatmung klinisch und neurologisch stabil. • Geringe Sekretmengen beim endotrachealen Absaugen. • Stabile periphere Perfusion. • FiO2-Bedarf < 0,3 (kein Muss, aber erhöht die Erfolgschancen). • Schonendster Umgang mit Kind. Bauchlage oft günstig! • Sedierung ist keine Kontraindikation zur Entwöhnung. • Monitoring: tcpO2/tcPCO2-Sonde, O2-Sättigung, pH-Messung, Hämatokrit, Blutdruckmessung. • Prüfe: Ist Koffein (S. 441) ausreichend dosiert? ▶ Vorgehen: • Reduktion der Beatmungsgrößen: – Zunächst PIP reduzieren, bis der Thorax sich eben noch hebt (Atemgeräusch auskultieren). – Unter einem PIP von 12–15 cmH2O Extubation täglich diskutieren, im Zweifelsfall versuchen. – PEEP auf 3 – 4 cmH2O vermindern, falls möglich (bei Kurzzeitbeatmung). – Die FiO2 sollte < 0,4 sein. • Assistierte Beatmung (IMV, SIMV, PC-MMV): – pH, pCO2, pO2 überwachen! Apnoen? – Schrittweise Frequenz verringern bis auf 15 – 20/min (IMV, SIMV). – Bei Erschöpfung evtl. IMV- (Backup-)Frequenz vorübergehend zur Erholung des Kindes wieder erhöhen, dann erneut Reduktionsversuch. – Für alleinigen CPAP (PEEP ohne PIP) liegt bei intubiertem Kind nur in seltenen Ausnahmen eine Indikation vor (Beispiel: Anomalie der oberen Atemwege). ▶ Beachte: CPAP über endotrachealen Tubus > 1 h ist „Kindesmisshandlung“ (v. a. ■ bei Tubus ≤ 2,5)!

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.10 Konventionelle maschinelle Beatmung

231

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10

10.11 Synchronisierte mechanische Beatmung

• Extubation: – Tolerierbare pCO2-Werte bei Extubation (nur Anhalt, individualisieren!): 1. Woche bis ca. 55 mmHg, später 55 – 60(– 70) mmHg, solange pH > 7,25(– 7,20). – Kind gut absaugen und sich wieder erholen lassen (Trachealsekret in Bakteriologie). – FiO2 muss nach Extubation meist erhöht werden – strikte Überwachung! – Fütterungspause 3 h, evtl. länger. ▶ Cave: Atelektasen im rechten Oberlappen → Physiotherapie! ■ – PO2, PCO2 und SpO2 überwachen; mindestens solange eine erhöhte Sauerstoffkonzentration appliziert wird. • CPAP, HFNC oder nicht invasive Beatmung über nasale Prongs oder Tuben (S. 220): Erhöht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Extubation. Insbesondere indiziert, falls nach Extubation Spontanatmung unzureichend, Atmung mit tiefen Einziehungen und/oder > 2 stimulationsbedürftige Apnoen pro Stunde auftreten.

10.11 Synchronisierte mechanische Beatmung Thilmany, Flemmer

Grundlagen ▶ Bei Asynchronie besteht kein fester zeitlicher Zusammenhang zwischen Beatmung und Spontanatmung, d. h. die Beatmungshübe treffen zufällig auf unterschiedliche Phasen der Spontanatmung. ▶ Asynchronie kann mit folgenden Problemen assoziiert sein: • Erhöhtes Risiko eines „air leak“ (pulmonales interstitielles Emphysem, Pneumothorax, Pneumomediastinum). • Reduktion des Atemzugvolumens. • Verschlechterung der Oxygenierung. • Erhöhter Bedarf an Sedativa. • Verlängerte Beatmungsdauer. • Verlängerter Aufenthalt auf der Intensivstation. ▶ Synchronisation kann auf 2 Arten erreicht werden: • Triggersysteme, die den Beginn eines spontanen Atemzuges mit dem Einsetzen des maschinellen Atemhubes synchronisieren. • Einstellen der (starren) Beatmungsfrequenz bei konventioneller Beatmung in den Bereich der spontanen Atemfrequenz des Kindes. Häufig „synchronisiert“ sich das Kind dann mit der Beatmung (Frequenzkopplung, entrainment, phase locking). • Bislang ist in der Neonatologie nicht bewiesen, dass durch Triggersysteme wesentliche klinische Vorteile gegenüber einer kontrollierten Beatmung, deren Beatmungsfrequenz gut auf den Rhythmus der Eigenatmung des Kindes eingestellt ist, bestehen. ▶ Probleme bei der Triggerung: • Vor- und Nachteile jedes für die Triggerung eingesetzten Signales je nach individueller klinischer Situation. • Visuelle Beurteilung der Synchronisationsqualität. • Selbsttriggerung (autotriggering): – Trigger zu empfindlich eingestellt – Artefakte des Signals oder ein Leckflow lösen Beatmungshübe aus. • Triggerversagen (trigger failure): – Triggersensitivität zu niedrig – schwache Atemzüge werden nicht als solche erkannt und demzufolge nicht unterstützt. 232

• Für eine optimale Funktion muss die Schwelle so niedrig wie möglich und so hoch wie nötig eingestellt werden.

Nomenklatur ▶ Hinweis: Die Terminologie zu den synchronisierten Formen der Beatmung ist leider herstellerabhängig, uneinheitlich und zum Teil widersprüchlich. Die Abkürzungen und Begriffe werden im Allgemeinen wie nachfolgend erläutert verstanden. ▶ Grundsätzlich stehen sowohl druck- als auch volumenkontrollierte resp. volumengarantierte Beatmungsmodi zur Verfügung. Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränken wir uns hier auf die druckkontrollierten Beatmungsformen. ▶ „Ass./Co.“ – Assistiert-kontrollierte Beatmung (Stephan): • Entspricht „SIPPV“ (synchronized intermittend positive pressure ventilation) bei Dräger. • Trotz Synchronisation (!) bei Maquet nur als „druckkontrolliert“ bezeichnet. • Jeder vom Gerät als spontane Inspirationsanstrengung interpretierte Signalverlauf wird durch einen Beatmungshub unterstützt. • Bei gut arbeitender Triggerung ist die spontane Atemfrequenz des Patienten gleich der Beatmungsfrequenz, d. h. der Patient bestimmt die Beatmungsfrequenz. • Es wird mindestens mit der eingestellten Beatmungsfrequenz beatmet. ▶ „S-IMV“ (synchronized intermittent mandatory ventilation): • Nicht alle spontanen Atemzüge werden maschinell unterstützt, sondern lediglich solche, die der eingestellten Beatmungsfrequenz entsprechen. • Wechsel zwischen synchronisierten Beatmungshüben und nicht unterstützten spontanen Atemzügen, die auf dem voreingestellten Atemwegs-Druckniveau des PEEP erfolgen. • Bei einigen Geräten besteht die Möglichkeit, die Atemzüge, die zusätzlich zur eingestellten Beatmungsfrequenz vom Kind getriggert werden, mit einem anderen (zumeist niedrigeren) Beatmungsdruck zu unterstützen („S-IMV mit Druckunterstützung“ bei Stephan, „SIMV (Druckkontr.) + Druckunterstützung“ bei Maquet). • Es wird mindestens mit der eingestellten Beatmungsfrequenz beatmet. ▶ Sonderformen der synchronisierten neonatalen Beatmung: • „PSV“ (pressure support ventilation): – Zeitpunkt des Beginns der Inspiration synchronisiert. – Druckanstiegsprofil und PIP des verabreichten Beatmungshubs festgelegt. – Beendigung der Insufflation, wenn der Inspirationsflow einen Grenzwert unterschreitet. – Vorteile: Der hohe insufflatorische Beatmungsdruck kann sich im Allgemeinen nicht bis in die Exspirationsphase des spontanen Atemzyklus fortsetzen. Der Patient gewinnt einen gewissen Einfluss auf die Inspirationsdauer. • „PAV“ (proportional assist ventilation) („respiratory mechanical unloading“): – Beatmungsdruck erhöht sich während jeder spontanen Inspiration proportional zum momentanen Atemgasflow und Atemzugvolumen. – Die spontane Atemanstrengung wird fortlaufend und proportional unterstützt, d. h. verstärkt. – Vorteil: Der Patient atmet „frei“, indem er Atemfrequenz, Atemzugvolumen und den zeitlichen Verlauf jedes Zyklus selbst bestimmt.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.11 Synchronisierte mechanische Beatmung

Erläuterung verschiedener Triggersysteme ▶ Triggerung mittels NAVA (neurally adjusted ventilatory assist): • Für invasive und nicht-invasive Beatmung geeignet (Maquet). • Triggert unabhängig von Leck und Applikationsart der Beatmung. • Kein zusätzlicher Totraum. • Vermindert den Druck in den Atemwegen durch Biofeedback. • Verbessert die Oxygenierung und die CO2-Elimination. 233

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.12 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV)

• Über eine spezielle nasogastrale Ernährungssonde wird die elektrische Aktivität des Zwerchfells (Edi – Electrical activity of the diaphragm) gemessen. • Die Elektroden der Sonde werden auf Hohe der Zwerchfellebene positioniert. • Das Abweichen des Edi-Signals von der Grundlinie ist ein Hinweis auf ein Kollabieren der Atemwege. • Die Abnahme der Amplitude des Edi-Signals bei gleichbleibendem Tidalvolumen ist ein Hinweis auf eine Verbesserung der Funktion der Atemmuskulatur. ▶ Triggerung anhand der atemsynchronen Abdominalbewegung durch einen Respirationssensor: • Für invasive und nichtinvasive Beatmung geeignet (Stephan, Carefusion) • Triggert unabhängig von Leck und Applikationsart der Beatmung. • Kein zusätzlicher Totraum. • Der Patient sollte sich zur optimalen Platzierung in Rückenlage befinden. • Sensor wird im Bereich des Abdomens (normalerweise in der Mitte zwischen Nabel und Xiphoid) platziert und mit medizinischem Klebeband befestigt. • Sensor darf nicht an Körperstellen angebracht werden, die bei Exspiration eine Auswärtsbewegung aufweisen können (z. B. der Bereich um den Rippenbogen), da sonst das Beatmungsgerät in der Exspiration getriggert würde. • Kind darf nicht auf dem Sensor liegen. • Bewegungsartefakte können Fehlfunktionen auslösen. ▶ Triggerung anhand des Atemgasflowsignals: • Funktioniert meist nur beim intubierten Patienten zuverlässig. • Triggerimpuls wird auf der Basis des Atemgasflowsignals des Pneumotachographen (PNT) ausgelöst. Überschreitet der inspiratorische Atemgasflow bzw. das eingeatmete Atemvolumen einen vom Bediener voreinzustellenden Wert, wird ein Beatmungshub ausgelöst. ▶ Triggerung anhand des Differenzialdrucksignals der Drucksensoren: Funktioniert als alleiniges Triggersystem in der Neonatologie oft nur unzuverlässig.

10.12 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV) Münch

Grundlagen ▶ Prinzip: Die HFOV unterscheidet sich in drei wesentlichen Merkmalen von der konventionellen invasiven Beatmung (S. 225): • Es wird ein wesentlich höherer PEEP bereitgestellt, der hier dem MAP entspricht. • Es werden kleinste Atemzugvolumina (kleiner oder gleich Totraum) verabreicht. • Es besteht kein klassischer Respirationszyklus mehr mit In- und Expiration, sondern eine Oszillation mit sehr hoher Frequenz (10 – 12 Hz entspricht 600 – 720/min). Die herkömmlichen lungenmechanischen Berechnungen sind hier nicht mehr anwendbar. Der Gastransport wird bei der HFOV durch Phänomene des turbulenten Strömungsverhaltens und der Diffusion beschrieben. Analog zur konventionellen Beatmung ist die Oxygenation abhängig vom PEEP und die CO2-Elimination von der Oszillationsamplitude. ▶ Vorteile von HFOV: • Der höhere PEEP bewirkt eine bessere alveoläre Rekrutierung und ein konstantes Offenhalten der Atemwege in allen Lungenabschnitten. • Die kleinen Atemzugvolumina bewirken ein geringeres Volutrauma in den Atemwegen und Alveolen. • Außerdem wird eine Sekretmobilisation durch die Vibration diskutiert. ▶ Nachteile von HFOV: • Komplikationen bei hohem PEEP (Überblähung, verminderter venöser Rückfluss). 234

• Abbruch des Gastransportes bei engen Atemwegen, Sekretverhalt oder Tubusteilverlegung. • Vereinzelt wurde eine erhöhte Inzidenz von Hirnblutungen beobachtet.

Indikationen ▶ Generell gilt: HFOV und konventionelle Beatmung sind gleich effektiv und es sollte diejenige Methode zum Einsatz kommen, die vor Ort am erfolgreichsten angewandt wird. ▶ Höhergradiges RDS, Mekoniumaspirationssyndrom, Lungenhypoplasie/Zwerchfellhernie und persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen (PPHN) bei unzureichend effektiver konventioneller Beatmung. ▶ Hartnäckige und rezidivierende Air-leak-Syndrome (Pneumothorax, Pneumomediastinum, interstitielles Emphysem). ▶ Es gibt eine Vielzahl von Studien, die das Outcome von HFOV und konventioneller Beatmung vergleichen, ohne dass ein eindeutiger Vorteil einer Methode nachgewiesen werden konnte. In frühen Arbeiten ist eine vermehrte Rate von Hirnblutungen festzustellen, die aber als charakteristisch für die Schwere der zugrundeliegenden Krankheitsbilder angesehen werden kann und in neueren Arbeiten nicht mehr nachzuweisen ist. Dagegen ist in neueren Studien ein Vorteil bei Air-leak-Erkrankungen zu verzeichnen

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.12 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV)

Praktisches Vorgehen ▶ Patienten auf HFOV vorbereiten: • Rö-Thorax: Korrekte Tubuslage überprüfen (tief genug?). • Schädelsonografie: Strenge Indikationsstellung bei Hirnblutung. • Größtmöglichen Tubus verwenden, Tubus muss gut abgesaugt sein. • Kontinuierliche Überwachung von pO2, pCO2, SpO2, RR, evtl. ZVD. • Kind möglichst in Rückenlage, Kopf gerade, Beatmungsschläuche fixieren. HFOV ist auch in Bauchlage möglich. • HFOV-Protokoll für Dokumentation anlegen, PEEP, Mitteldruck MAP und FiO2 registrieren. ▶ Beatmungsgerät vorbereiten: • Beatmungsschläuche für HFOV geeignet? Sie sollten ein geringes internes Volumen aufweisen und hart sein. Eine hohe Schlauchcompliance schwächt die Oszillation ab. • Knicke und Wasser aus Beatmungsschläuchen entfernen. • Wenn Befeuchtertopf im Schlauchsystem integriert ist, auf maximalen Füllungsstand achten. • Möglichst nur geschlossenes Absaugsystem (z. B. Trach Care) verwenden. ▶ Umstellen des Respirators auf HFOV: • Vorbereitung: – HFOV-Frequenz auf 10 – 12 Hz (600 – 720/min) vorwählen. – HFOV-Amplitude auf Minimum stellen. – Registrieren von Beatmungsparametern (ggf. spezielles Protokoll). – Bei Geräten mit variabler I:E-Zeit 1:2 vorwählen. – HFOV aktivieren. – Umstellen auf CPAP (alternativ Frequenz auf 3/min). – PEEP auf vorheriger MAP erhöhen. – Wenn HFOV die primäre Beatmungsform ist, MAP auf 6–8 cm H2O einstellen. – HFOV-Amplitude erhöhen, bis die Vibration des Thorax spürbar ist. ▶ Ermittlung des optimalen MAP (open lung concept): • Im Abstand von 2–3 Minuten MAP um 1–2 cm H2O erhöhen, bis FiO2 nicht mehr weiter absinkt oder < 0,3 (Lungenöffnungsdruck). • Im Abstand von 2–3 Minuten MAP um 1–2 cm H2O verringern, bis FiO2 wieder ansteigt (Lungenverschlussdruck). 235

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.12 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung (HFOV)

• Optimaler MAP liegt 2 cmH2O über Lungenverschlussdruck. • Bei diesen Manövern wird der FiO2 schrittweise nachgeführt, dass die SpO2 86 %–94 % beträgt. • Nach 3–4 Stunden Rö-Thorax-Kontrolle. Optimaler Zwerchfellstand 8. bis 9. Rippe. ▶ Kontrolle des Gasaustauschs: • Hyperkapnie: Prinzipiell wird bei Hyperkapnie die Amplitude erhöht. Allerdings kann auch ein zu niedriger MAP (zu geringe alveoläre Rekrutierung, Atelektase) Ursache sein. Im Zweifelsfall primär optimalen MAP austesten. In manchen Fällen kann auch eine Erniedrigung der HFO-Frequenz (bis 5 Hz) nützlich sein. • Hypokapnie: Analog kann bei Hypokapnie die Amplitude erniedrigt oder zusätzlich die HFOV-Frequenz erhöht (bis 14 Hz) werden, manchmal bei sehr kleinen VLBW erforderlich. ▶ Beachte: Die Amplitude ist nur eine relativer Wert. Die Übertragung der Oszillati■ on auf das Kind hängt v. a. von der Atemwegsresistance bzw. Obstruktionen im System bzw. Tubus ab. • Oxygenierung: Diese wird über FiO2 und MAP reguliert. Es sollte ein FiO2 unter 0,3 angestrebt werden, jedoch sind dem MAP nach oben Grenzen gesetzt (v. a. von Seiten des Kreislaufs, s. unten). Orientierung: Zwerchfellstand an der 9. Rippe.

Komplikationen ▶ Anstieg von PaCO2, Abfall von PaO2: • Ursachen suchen: – Spannungspneumothorax oder Überblähung durch hohen MAP? – Obstruktion des Tubus durch Sekret? – Veränderung des Widerstandes durch Lageänderung des Kopfes? • Maßnahmen: – Thoraxaufnahmen bei jeder ursächlich unklaren Verschlechterung der Beatmungssituation! – Absaugen des Tubus. – Kontrolle der Tubuslage und der Lagerung des Kindes. ▶ Tubusobstruktion: • Ursachen suchen: Sekretmobilisierung durch Vibration (bei BPD positiver Begleiteffekt). • Maßnahmen: Vor allem bei Beginn der HFOV häufiger Absaugen, z. B. alle 30 min in den ersten 3 – 4 h oder bei nachlassender Vibration. ▶ Oszillation kommt beim Kind nicht an: • Ursachen suchen: – Falsche Beatmungsschläuche? Wasser in den Beatmungsschläuchen? Abgeknickte Beatmungsschläuche? – Totraum der Schläuche bzw. Befeuchtertopf zu groß. – Änderung der Tubuslage durch Umlagerung des Kindes? – Tubus verstopft? – Oszillationsenergie des Respirators zu schwach (evtl. bei großen reifen Neugeborenen). • Maßnahmen: Korrektur der Beatmungsschläuche. Tubus absaugen. Befeuchtungstopf ggf. befüllen. Alternatives Gerät mit höherer Energie (Sensormedics) wählen. ▶ Atelektasenbildung: • Ursachen: Bronchialobstruktion durch Sekret. MAP zu niedrig → fehlende Blähung der Lunge. Zu häufiges Absaugen mit konsekutivem FRC-Verlust. • Maßnahmen: – Vor dem Absaugen MAP erhöhen. – MAP darf nie < 3 cmH2O liegen. Andernfalls können unter bestimmten Umständen subatmosphärische Drücke auftreten (Atelektase-Risiko). 236

▶ Überblähung der Lunge: MAP zu hoch. Eventuell kann auch eine zu hohe Oszillationsfrequenz zu einer Überblähung führen, insbesonders wenn das I:E-Verhältnis 1:1 ist. ▶ Blutiges Trachealsekret: Schleimhautschädigung, nekrotisierende Tracheitis. Evtl. Rückgang auf IMV. ▶ Blutdruckabfall, Verminderung der Diurese: MAP zu hoch. Reduzieren oder evtl. Rückgang auf IMV.

Umstellen von HFOV auf konventionelle Beatmung ▶ Indikationen: • Verschlechterung der Beatmungssituation (Obstruktionen sind ausgeschlossen). • Keine Besserung trotz höherem MAP und/oder höherer Amplitude. • Komplikationen aufgrund zu hohem MAP. ▶ Vorgehen: • HFOV-Schalter auf „aus“. • PEEP auf gewünschten Wert reduzieren. • IMV-Frequenz auf gewünschten Wert erhöhen.

Entwöhnung von der HFOV ▶ Möglichkeit 1: Entwöhnung über konventionelle Beatmung: Zunächst Umstellung wie im vorigen Abschnitt beschrieben, dann Reduktion der Beatmungsparameter wie unter Weaning bei konventioneller maschineller Beatmung (S. 225) beschrieben. ▶ Möglichkeit 2: Entwöhnung über Reduktion der HFOV: Zuerst Reduktion der FiO2 auf 0,3. Amplitude und MAP langsam reduzieren bis zum Erreichen von CPAP mit nur noch minimaler überlagerter Oszillation vor der Extubation. Kind kann trotz Oszillation immer problemlos spontan atmen.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.13 Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO)

10.13 Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO) Münch

Grundlagen ▶ Patentrechtliches: Im November 2004 wurde in Europa das von Linde gehaltene Patent für unwirksam erklärt. ▶ Wirkungsmechanismus: NO (INOmax 400/800 ppm) ist ein potenter Vasodilatator. NO ist chemisch gesehen ein Radikal und hat in vivo eine extrem kurze Halbwertszeit (Sekunden). Es wirkt daher nicht systemisch. Wie Sauerstoff wirkt es nur in belüfteten Lungenabschnitten vasodilatierend und kann so ein durch Vasokonstriktion hervorgerufenes Ventilations-Perfusions-Missverhältnis verbessern. Bei Neugeborenen wird die Oxygenierung akut verbessert und die ECMO-Inzidenz reduziert. ▶ Dosier- und Messeinrichtungen: NO ist gasförmig und wird dem Atemgas in sehr geringer Konzentration (ppm-Bereich) zugemischt. Dazu gibt es zugelassene Applikationssysteme mit Eichgasen und Ersatzflasche sowie der Möglichkeit, im Notfall auch über Beatmungsbeutel NO zuzuführen.

Indikationen ▶ Inhalatives Stickstoffmonoxid (iNO) ist für die Behandlung Neugeborener ab der 34. SSW bei respiratorischer Insuffizienz mit klinischen oder echokardiografischen Zeichen der pulmonalen Hypertonie zur Verbesserung der Oxigenation zugelassen. ▶ Außerdem ist es zugelassen zur selektiven Senkung des pulmonalen Druckes und Verbesserung der rechtsventrikulären Funktion und Oxigenierung bei peri- und postoperativer pulmonaler Hypertonie in Verbindung mit einer Herzoperation. 237

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.13 Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO)

▶ Außerhalb der Zulassung wird iNO verwendet bei: • pulmonalen Erkrankungen, die mit einer schwerwiegenden pulmonalen Hypertonie einhergehen und durch den entstehenden Rechts-Links-Shunt zu einer verminderten Oxygenierung oder zu einer kardialen Dekompensation führen (z. B. akute Exazerbation einer schweren BPD, ARDS). • Frühgeborenen. ▶ Für die zuletzt genannten Indikationen gibt es keinen Nachweis der Verbesserung der Morbidität oder Mortalität, die Oxygenierung kann jedoch verbessert werden. Die Datenlage bei Frühgeborenen ist sehr inhomogen. Insbesondere gibt es auch Hinweise auf eine erhöhte Inzidenz von Hirnblutungen.

Gefahren ▶ Methämoglobinämie (S. 331) tritt bei der heute üblichen niedrigen Dosierung kaum noch auf. ▶ Hemmung der Thrombozytenaktivierung: Dies könnte theoretisch zu einer erhöhten Blutungsneigung führen (strenge Indikationsstellung bei Frühgeborenen!). ▶ NO2-Anstieg (Schädigung der Schleimhaut). ▶ Cave: Die größte Gefahr geht von einer unkontrollierten Unterbrechung der NO-Thera■ pie aus, da in diesem Fall mit einer plötzlichen Verschlechterung der Oxigenierung gerechnet werden muss (Todesfälle wurden beschrieben).

Voraussetzungen ▶ Ausreichende alveoläre Rekrutierung und Ventilation seitens des Kindes. iNO kann nur bei intubierten Kindern angewandt werden. iNO kann auch mit HFOV kombiniert werden. ▶ Kontinuierliche Dokumentation von FiO2, MAP, SpO2 und Blutdruck. ▶ Möglichkeit der Methämoglobinbestimmung. ▶ Während der Testphase muss das Kind ruhig sein. ▶ Wünschenswert ist eine echokardiografische Dokumentation der pulmonalen Hypertonie.

Praktisches Vorgehen ▶ Vorbereitung: Vor dem Aufbau der Apparatur und ihrer Bedienung muss die Gebrauchsanweisung unbedingt genauestens durchgearbeitet und der Betrieb theoretisch geübt werden. Ohne Einweisung ist es nicht möglich, eine funktionierende Dosiereinheit aufzubauen und zu betreiben. Tipp: Die Geräte verfügen über eine automatische Abschaltung bei stark erhöhtem NO2. Wurde ein Gerät längere Zeit nicht benutzt, kann NO2 im Schlauchsystem des Aplikationsgerätes akkumulieren. Um diese Abschaltung zu umgehen, muss das Schlauchsystem entlüftet sein. ▶ Testphase: • Bemerkenswert bei der inhalativen NO-Therapie ist der sofortige Wirkungseintritt. In den allermeisten Fällen genügen schon geringste Konzentrationen. Auf der anderen Seite muss ein vermuteter positiver Effekt eindeutig dem NO zugesprochen werden können. • Ablauf der Testphase: – Mit einer Dosis von 20 ppm beginnen. – Sorgfältig, am besten kontinuierlich, die oben genannten Parameter registrieren. Ab jetzt darf keine Maßnahme mehr vorgenommen werden, welche die Oxigenierung beeinflussen könnte (Pflegen, Absaugen, Katecholamin-Veränderungen, Veränderung der Respiratoreinstellung usw.), da sonst keine Aussage über die Wirksamkeit mehr möglich ist. – Bereits wenige Minuten nach dem Anschalten muss eine relevante Erhöhung der SpO2 bzw. eine 15 %ige Erhöhung des PaO2 erfolgen. Eine Wirkung ist nur dann gesichert, wenn der Effekt dokumentierbar war. Im Zweifelsfall (z. B. Kind wehrt sich gegen Beatmung) Testphase wiederholen. 238

– Tritt ein Effekt ein (Responder) wird die Therapie mit 20 ppm fortgeführt. – Lässt sich kein Effekt erzielen (Non-Responder), sollte die Applikation abgebrochen werden, da durch die exogene NO-Zufuhr die endogene NO-Produktion blockiert wird und ein späterer NO-Entzug die Oxigenierung weiter verschlechtern kann. Zu Ursachen und Maßnahmen s. Tab. 10.3. Tab. 10.3 • Ursachen und Maßnahmen bei fehlender Wirkung einer NO-Therapie. Ursachen für fehlende Wirkung

Maßnahmen

• unzureichende alveoläre Rekrutierung

• alveoläre Rekrutierung erhöhen (PEEP), HFOV erwägen

• unzureichende Ventilation

• Atemzugvolumen, Druck (PIP), Ti erhöhen

• Überblähung der Lunge (Nachweis durch Rö-Thorax)

• PEEP, Druck (PIP), Frequenz, VT zu hoch?

• Reduktion des pulmonalen Widerstandes trägt nicht zur Verminderung des V/PMissverhältnisses bei

• Diagnose überdenken (z. B. zyanotisches Herzvitium)

▶ Therapiephase: • Dosisreduktion: Bei Respondern liegt die wirksame Dosis meist < 10 ppm. Zur Vermeidung einer Toxizität sollte die niedrigst wirksame Dosis gefunden werden. Die Dosisreduktion geschieht unter denselben Kautelen wie oben bei der Testphase beschrieben. – Nach 3 h Reduktion um 2 ppm NO. Nur wenn ein eindeutiger Abfall der Oxigenierung nachgewiesen werden kann, ist eine Erhöhung auf die vorherige Dosierung berechtigt. Falls nicht, wird die erniedrigte Dosierung beibehalten und im 3-h-Rhythmus jeweils um 2 ppm weiter reduziert. Dieses Vorgehen sollte in aller Regel möglich sein. Wenn nicht, bleibt man auf der vorigen Stufe für weitere 6 h stehen und versucht dann erneut eine Reduktion. – Ab 5 ppm wird genauso verfahren, jedoch in 1-ppm-Schritten und 6-StundenIntervallen. ▶ Cave: Nach tagelangem Gebrauch kann eine Gewöhnung (Hemmung der endo■ genen NO-Produktion) entstehen! – Bei Kindern mit chronischer Lungenerkrankung ist es manchmal nötig, vor dem Abschalten des NO in einen Dosierbereich < 1 ppm zu gehen. • Dosiserhöhung: Eine Dosiserhöhung ist in aller Regel nicht nötig, wird jedoch oft im Zusammenhang mit einer anderweitigen pulmonalen Verschlechterung versucht. Daher ist bei jeder Dosiserhöhung nach dem oben beschriebenen Verfahren vorzugehen (zweifelsfreie Dokumentation der Wirkung). Bei Dosen > 10 ppm muss am 2. Tag und später nach Bedarf Methämoglobin bestimmt werden (soll nicht über 3 % ansteigen). • Die Unterschreitung der Schwellendosis (Abschalten) ist dann sinnvoll, wenn die dadurch erkauften Probleme nicht mehr so gravierend sind, in der Regel bei einem FiO2 < 0,4. • Reduktion bzw. Abbruch der Therapie: Unerwünschter NO2-Anstieg > 5 ppm (evtl. durch verunreinigtes Gas). • Wurde iNO über längere Zeit bei Säuglingen mit chronischer Lungenerkrankung und pulmonaler Hypertonie angewandt, kann es sinnvoll sein, vor dem Abschalten eine Therapie mit Sildenafil einzuleiten.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.13 Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie (iNO)

Alternative Behandlungsmethode: Prostaglandine [E3] ▶ Für die pulmonale Hypertonie des Neugeborenen stellt iNO die wirksamste und sicherste Behandlungsmethode dar. Sie ist jedoch extrem teuer. 239

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.14 Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)

▶ Neben den im Kapitel „PPHN-Syndrom“ beschriebenen Behandlungsmöglichkeiten mit intravenösen Vasodilatatoren werden seit einiger Zeit auch Prostaglandine inhalativ eingesetzt. Allerdings sind die Berichte gerade bei Neugeborenen auf Kasuistiken begrenzt. Für das synthetische Prostacyclin Iloprost (Ventavis) existieren die meisten Erfahrungen. ▶ Vorteile: Kostengünstig. Die lange Halbwertszeit ermöglicht eine intermittierende Inhalationsbehandlung, sogar beim noch nicht intubierten Kind. ▶ Nachteile: • Unsicherheit der Dosierung. Durch die lange Halbwertszeit ist auch eine systemische Wirkung zu erwarten. • Hautreizung und -rötung. Wird vom wachen Kind oft schlecht toleriert. ▶ Cave: Immer mit Blutdruckabfall als Nebenwirkung rechnen. ■ ▶ Technik: Zur Applikation werden sowohl Ultraschall-Vernebler (z. B. Optineb von Nebu-Tec) als auch Zerstäuber eingesetzt. Die kleinere Teilchendichte von Ultraschall-Verneblern führt zu einer effektiveren alveolären Deposition. ▶ Dosierung: Die Dosierung hängt stark von der verwendeten Technik und der damit verbundenen alveolären Deposition ab. Bei Nichtansprechen und stabilem Blutdruck kann die Dosis erhöht werden: • Einzeldosis: 1 μg/kg KG. • Blutdruck überwachen, evtl. Volumen/Katecholamine. • Inhalierintervall: 1 – 4 h. • Inhalierdauer: 10 – 20 min. • Beispiel für ein 3 kg schweres Neugeborenes: Die Stammlösung (10 μg/ml) wird 1:9 mit 0,9 % NaCl verdünnt und davon 3 – 5 ml so lange vernebelt, bis die Flüssigkeit aufgebraucht ist. Wie bei iNO müssen Wirkung/Nebenwirkung (Blutdruck) genau protokolliert werden (positiver Effekt?). Bei Blutdruckabfall muss die Inhalation sofort gestoppt werden und Gegenmaßnahmen eingeleitet werden (Volumen, Katecholamine). Je nach Abklingen der Wirkung wird das Zeitintervall für die nächste Inhalation gewählt. Wenn keine Wirkung und kein Blutdruckabfall nachweisbar sind, kann das an der Ineffektivität der Verneblung liegen (evtl. 10 – 20 μg/Einzeldosis probieren).

10.14 Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) Flemmer

Grundlagen ▶ ECMO = Extrakorporale Membranoxygenierung und CO2-Elimination. ▶ Die ECMO entspricht einer Herz-Lungen-Maschine und erlaubt die extrakorporale Oxygenierung und CO2-Elimination (Ersatz für die Funktion der Lunge). Da das Blut aktiv gepumpt wird, kommt es beim venoarteriellen ECMO zusätzlich zu einer hämodynamischen Entlastung des Herzens. ▶ Beim Neugeborenen steht die Oxygenierung im Vordergrund. Vor allem aber nach kardiochirurgischen Eingriffen kann die kardiale Entlastung eine Indikation sein. ▶ Da es sich hier nicht um Routineverfahren handelt und es auch nur in wenigen spezialisierten Zentren angewendet wird, soll lediglich auf die Grundlagen eingegangen werden. ▶ Prinzip: Venöses Blut wird aus dem rechten Vorhof nach Passieren eines Membranoxygenators (künstliche Lunge zur Oxygenierung und CO2-Elimination) in den venösen (venovenöses ECMO) oder den arteriellen (venoarterielles ECMO) Kreislauf des Kindes eingespeist. Die Neugeborenen werden weiterhin beatmet, um Atelektasen zu vermeiden und eine minimale alveoläre Ventilation aufrechtzuerhalten, jedoch mit niedrigerem V T und PIP. 240

Indikationen ▶ Vorbemerkungen: • Durch Studien eindeutig gesicherte Indikationen gibt es derzeit nicht. • Jedes ECMO-Zentrum stellt meist eigene spezifische Kriterien auf. • Verbesserte Beatmungsstrategien, Surfactant, iNO u. a. Therapien haben weltweit zu einer Reduktion der ECMO-Indikationen geführt. ▶ In der Regel akzeptierte Voraussetzungen sind (ELSO-Kriterien): • Geschätztes Mortalitäts-Risiko ohne ECMO > 80 % (unter maximaler konventioneller Therapie). • Gewicht ≥ 1800–2000 g und Gestationsalter ≥ 34 Wochen. • Weniger als 10 – 14 Tage konventionelle Beatmung. • Erwartet reversible pulmonale Erkrankung. • Kein Nachweis einer Blutungsdiathese, insbesondere keine Hirnblutung > Grad 2. • Keine nicht korrigierbare Herzfehlbildung oder andere letale Fehlbildung. • Keine infauste neurologische Prognose. ▶ Plus eines oder mehrere der folgenden Kriterien (50 % der ECMO-Zentren nehmen mehr als ein respiratorisches Kriterium): • AaDO2 (alveoloarterieller O2-Gradient auf Meereshöhe) > 605 – 620 mmHg für mind. 4 – 12 h. • PaO2 < 35 – 60 mmHg für mindestens 2 – 12 h (bei ph < 7,15). • OI (Oxygenierungsindex) > 40 für mindestens 2 h oder Einzelwert > 65. • Azidose und Schock: pH < 7,25 für 2 h oder Hypotension. • Akute Verschlechterung: paO2 < 30 – 40 mmHg. • Barotrauma (interstitielles Emphysem, Pneumothorax, Pneumoperikard, Hautemphysem, Bronchusfistel) bei MAD > 15 – 18 cmH2O. • Berechnung: – AaDO2 = (Barodruck – 47 mmHg – paO2 – paCO2): FiO2 (normal < 20 mmHg). – OI = (PMAD × FiO2 : paO2) × 100: (kein Normalwert; sicher kritisch > 10).

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.14 Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO)

Kontraindikationen ▶ Absolut: • Letale Malformationen. • Gesicherter irreversibler Hirnschaden (z. B. nach perinataler Asphyxie mit Enzephalopathie). • IVH III° oder höher. ▶ Relativ: • Unreife: < 34 SSW, Geburtsgewicht < 1600 g. • Mehr als 10 – 14 Tage konventionelle Beatmung. • Primäre Erkrankung des Gerinnungssystems, sekundär (bei DIC) nur fakultativ. • Chromosomendefekte und schwerwiegende Fehlbildungen. • Zyanotische Herzvitien ohne kardiopulmonales Versagen, z. B. totale Lungenvenenfehleinmündung.

Vorgehensweise ▶ Die entsprechenden Zentren haben sich auf weitgehend einheitliche Maßgaben geeinigt, um Ausrüstung, Personal, Vorgehensweisen und Trainings-Levels vergleichbar zu machen. ▶ Venoarterielles ECMO wurde bislang in der Neonatologie bevorzugt (respiratorische und kardiale Unterstützung möglich), inzwischen wird zunehmend venovenöses ECMO (sofern kardial stabil) eingesetzt, da die Gefäßkomplikationen geringer sind. Allerdings haben v/v-Kanülen einen niedrigeren Querschnitt und damit höheren Widerstand. ▶ Katheterisierung der V. jugularis interna rechts und der A. carotis rechts (bzw. nur der V. jugularis interna rechts). 241

Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.15 Beatmung in besonderen Situationen

▶ Heparinisierung: Beginn mit 100 – 150 IE/kg KG initial, dann 20 – 70 IE/kg KG/h im weiteren Verlauf. Die Wirksamkeit wird anhand der „activated clotting time“ (angestrebt: 150 – 200 s) und der PTT (Ziel ca. 60 sek.) gesteuert. Cave: Oligo- und Anurie (ausschließlich renale Elimination von Heparin). ▶ Beginn: Einstellen des ECMO-Flusses auf zunächst 100 – 120 ml/kg KG/min. ▶ Reduktion der Beatmungsparameter (PEEP je nach Emphysem/Lungenödem): • Stufe 1: – PIP = 20 cmH2O; PEEP = 3 – 10 cmH2O; Atemfrequenz = 20/min. – FiO2 = 0,4. • Stufe 2: – PIP = 15 cmH2O; PEEP = 2 – 10 cmH2O; Atemfrequenz = 15/min – FiO2 = 0,21 ▶ Üblicher Zeitraum für ECMO-Therapie: 3 – 14(– 21) Tage.

Komplikationen ▶ Patient: Hirnblutung (7 – 42 %). Andere Blutungen (pulmonal, nasal, gastrointestinal, postoperativ). Hypertonie, akutes Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen, Hämolyse, Elektrolytentgleisungen, Thrombozytopenien, Krampfanfälle, Cholestase, Luftembolie. ▶ Technik: Kanülierungsprobleme, Defekt an Membranoxygenator, Pumpe, Wärmetauscher. Katheterdefekte oder -risse.

Prognose ▶ Seit 1975 wurden in der „Neonatal ECMO Registry“ mehr als 25 000 Neugeborene weltweit erfasst. Derzeit beträgt die Gesamtüberlebensrate 81 %, unterteilt nach Krankheitsbild: • Mekoniumaspirationssyndrom: 94 %. • PPHN-Syndrom: 82 %. • Atemnotsyndrom (respiratory distress syndrome): 84 %. • Sepsis/Pneumonie: 76 %. • BPD: 59 %. ▶ Langzeitprognose: Bis zu 15 % aller Überlebenden sind höhergradig behindert.

Neonatale ECMO-Zentren ▶ Mannheim, Universitäts-Kinderklinik. Prof. Dr. Th. F. Schaible: 0621/383-2659. ▶ Lübeck, Medizinische Universität zu Lübeck, Kinderklinik. Dr. Peter Ahrens: 0451/ 500-2589/-2649/-2645 (Notfall). ▶ München-Großhadern, Perinatalzentrum. Prof. Dr. A.W. Flemmer, PD Dr. S. HerberJonat: 089-4400-72807/-72803. ▶ Wien, Universitätskinderklinik. Univ. Prof. Dr. Johann Golej: 0043-1-40 400/3155. ▶ Bonn, Universitätskinderklinik Neonatologie Prof. Dr. A. Müller: 0228-287-33112.

10.15 Beatmung in besonderen Situationen Proquitté

Beatmung bei ungleicher Obstruktion der Atemwege ▶ Ursachen: Durch Aspiration von Mekonium, Blut, Milch, Sekretverhaltung, Pneumonie, zu geringer und ungleich verteilter Surfactantdosis kommt es zu: • „Air-trapping“/Überblähung mit Pneumothoraxgefahr durch eine Ruptur hinter der Obstruktion. • ungleicher Belüftung und Perfusion verschiedener Lungenareale. ▶ Ziele: Ventilation der nicht obstruierten Areale; Lösen der Obstruktion (z. B. Schleim) erleichtern. 242

▶ Vorgehen: • Lange Inspirationszeiten erreichen evtl. obstruierte Areale. • Ausreichend lange Exspirationzeiten! ▶ Cave: Ventilmechanismus, die optimale Te muss immer individuell festgelegt ■ werden. • PIP schrittweise erhöhen (20 – 35 cmH2O); es ist zu beachten, dass dieser bei zu kurzer Inspirationszeit die obstruierten Areale nicht erreicht. Bei langer Ti und Te kann der PIP oft reduziert werden. • Höhere FiO2 tolerieren. • PEEP evtl. erhöhen auf + 5, + 6 (+ 8) cmH2O (individuell festlegen). • Evtl. Versuch mit Oszillationsbeatmung → Schleimlösung durch Vibration der Oszillation. • Bei einseitiger Obstruktion Lagerung auf gesunde Seite. • Analgosedierung, in Ausnahmefällen auch Relaxierung erwägen. ▶ Differenzialdiagnose: PPHN (Persistierende fetale Zirkulation = PFC ausschließen.

Beatmung bei vermehrtem Flüssigkeitsgehalt der Lungen ▶ Ursachen: • Nasse Lunge, Lungenödem (durch Asphyxie, Herzinsuffizienz, PDA). • Hämorrhagisches Lungenödem, Hydrops fetalis, sekundäres ARDS. ▶ Probleme: • Interstitielle Flüssigkeit vermindert die Compliance. • Flüssigkeit in den Atemwegen erhöht die Resistance. • „Reizalveolitis“ durch Blut. ▶ Vorgehen: • Erhöhung des MAD. • PEEP eher hoch (S. 228). Inspirationszeit: Ti = 0,3 sec. • Maschinelle Beatmung bei Hydrops fetalis (Gewebspanzer mindert Schaden durch hohen Druck): – PEEP 5 – 8 cmH2O. – PIP 20 – 40 cmH2O. – FiO2 1,0 tolerieren.

10 Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

10.15 Beatmung in besonderen Situationen

Beatmung bei Lungenblutung ▶ Mögliche Ursachen: • Traumatische Intubation. • Aspiration von Mageninhalt. • Gerinnungsstörung (S. 341). • Pulmonale Ursachen: – Hypoxämie. – Hypervolämie (pulmonal oder kardial). – Atemnotsyndrom (S. 211). – Hypothermie. – Applikation von Surfactant. – Infektion, Sepsis, DIC. ▶ Diagnostik: • Blutung isoliert aus Lunge oder generalisiert? • Labordiagnostik: – Blutbild. – Gerinnung. – Blutgase. – HbF: mütterliches oder kindliches Blut? • Röntgen-Thorax.

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Erkrankungen der Atemwege und Beatmung

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10.15 Beatmung in besonderen Situationen

▶ Therapie: • Sofortmaßnahmen: – Absaugen der Atemwege. – Erhöhen von FiO2, PEEP, PIP. – Gabe von Adrenalin intratracheal zur Gefäßkontraktion. • Allgemeinmaßnahmen: – Blutdruck stabilisieren. – Azidoseausgleich. – Bluttransfusion? – Ausgleich Gerinnungsstörung (S. 341).

Beatmung bei Mekoniumaspiration ▶ Erste Maßnahmen im Kreißsaal (S. 135). ▶ Maßnahmen auf Station (S. 220).

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Infektionen

11.1 Infektionsverdacht Franz

11 Infektionen

11.1 Infektionsverdacht

Grundlagen ▶ Bakterielle Infektionen beim Neu- und Frühgeborenen stellen ein erhebliches Problem dar. ▶ Man unterscheidet frühe, perinatal erworbene und späte, bei Frühgeborenen in der Regel nososkomial erworbene Infektionen, die sich im Erregerspektrum unterscheiden. ▶ Die Raten früher und später Infektionen nehmen mit abnehmendem Geburtsgewicht bzw. Gestationsalter zu. ▶ Die Prognose (Heilung oder bleibende Schäden, z. B. neurologische Schädigung durch PVL oder IVH, oder Tod) eines Neu- oder Frühgeborenen mit bakterieller Infektion wird von der Dauer bis zur Einleitung einer adäquaten antibiotischen Therapie und von Ausmaß und Dauer der Inflammationsreaktion bzw. des begleitenden Organversagens bestimmt. ▶ Die klinische Symptomatik kann sich foudroyant entwickeln. Eine (zu) spät begonnene Therapie begünstigt Komplikationen oder einen letalen Verlauf. Deswegen ist es notwendig, im Zweifel auch bei unspezifischen klinischen Zeichen sofort mit einer antibiotischen Therapie zu beginnen. ▶ Jede antibiotische Therapie begünstigt die Selektion von resistenten Keimen, die später zu nosokomialen Infektionen führen können. So ist z. B. bei Frühgeborenen die Dauer der initialen antibiotischen Behandlung mit dem späteren Auftreten einer nekrotisierenden Enterocolitis assoziiert. Deswegen ist die Indikation zur antibiotischen Therapie täglich gründlich zu prüfen und eine retrospektiv nicht indizierte antibiotische Behandlung möglichst rasch zu beenden. ▶ Sprechen klinische Zeichen und erhöhte Entzündungsparameter (z. B. CRP, proinflammatorische Zytokine) für eine Infektion, bleibt aber der Keimnachweis in der Blut-/Liquor-/Urin- oder Trachealsekretkultur aus, so kann man nur von einer mutmaßlichen oder klinischen Infektion oder einer systemischen Entzündungsreaktion (SIRS) sprechen. Dieser Zustand ist nicht von einer systemischen Entzündungsreaktion anderer Ursache (z. B. postoperativ) zu unterscheiden. ▶ Zur Klassifikation nosokomialer Infektionen bei sehr unreifen Frühgeborenen werden im Rahmen des Neo-KISS Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Tools des Robert-Koch-Institutes folgende Krankheitsbilder definiert: • Sepsis mit Erregernachweis (außer mit koagulase-negativen Staphylokokken [KNS]) in Blut- oder Liquorkultur. • Sepsis mit KNS-Nachweis. • Sepsis ohne Erregernachweis. • Pneumonie. • Infos unter www.nrz-hygiene.de. Die Teilnahme an Surveillance-Programmen kann helfen, die Häufigkeit bakterieller Infektionen zu reduzieren, und ist laut GBA-Beschluss für Perinatalzentren Level 1–2 verpflichtend. ▶ Händehygiene ist die entscheidende Präventionsmaßnahme zur Vermeidung nosokomialer Infektionen. Weitere Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen bei VLBW-Frühgeborenen wurden von einer Arbeitsgruppe des Robert-KochInstitutes (RKI) zusammengefasst und bewertet (Simon et al., RKI-Monografie 2007, „Prävention nosokomialer Infektionen bei neonatologischen Intensivpflegepatienten mit einem Geburtsgewicht < 1500 g“), s. auch Hygiene (S. 288). ▶ Generell ist ein prophylaktischer Einsatz von Antibiotika oder Antimykotika bei Frühgeborenen nicht zu empfehlen. 245

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11.1 Infektionsverdacht

▶ Wichtige Differenzialdiagnosen zur schweren bakteriellen Infektion in den ersten Lebenstagen sind angeborene (i. d. R. Ductus-abhängige) Herzfehler und Stoffwechseldefekte.

Perinatale Risikofaktoren ▶ Harnwegsinfektion durch Streptokokken der Gruppe B (GBS) in der Schwangerschaft. Vorangegangenes Kind mit GBS Infektion. Nachweis von GBS im Vaginalabstrich. ▶ Intervall Blasensprung – Geburt > 18 h, Blasensprung vor Wehenbeginn, vorzeitige Wehen oder Frühgeburt < 37. SSW, grünes Fruchtwasser, protrahierte Geburt. ▶ Amnioninfektionssyndrom (AIS): Mütterliche Laborwerte wie CRP > 20 mg/l, Leukozyten > 15,0/nl, Temperatur > 38,0 °C bzw. bei PDA > 38,5 °C, übel riechendes Fruchtwasser, Wehen trotz Tokolyse. ▶ Fetale Tachykardie um 180/min oder > 160/min während 2 h, Dezelerationen im CTG sind Hinweise auf fetale Infektion.

Klinische Zeichen ▶ Klinische Zeichen, die auf eine bakterielle Infektion hinweisen, sind in Tab. 11.1 zusammengefasst. ▶ Diese klinischen Zeichen sind unspezifisch, d. h. sie können auch andere Ursachen haben. ▶ Klassische Symptomenkomplexe sind: • Atemstörung. • Perfusionsstörung (blassgraues Kolorit, verlängerte Kapillarfüllungszeit). • Apathie, Trinkschwäche, zunehmende Apnoe- und Bradykardie-Symptomatik. Tab. 11.1 • Klinische Hinweise auf systemische bakterielle Infektion bei Neugeborenen.

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Allgemeinzustand

„Das Kind sieht nicht gut aus.“ „Das Kind gefällt mir heute gar nicht.“ Trinkschwäche Hypothermie oder Fieber Temperaturdifferenz von > 2 °C zwischen Kerntemperatur (gemessen zwischen den Scapulae bei Rückenlage) und den Akren (Fuß) Berührungsempfindlichkeit

Herz, Kreislauf

Tachykardie ≥ 180/min (auch pränatal), Bradykardie Blässe Zentralisation mit schlechter Hautperfusion verlängerte Kapillarfüllungszeit > 3 s arterielle Hypotonie

Atmung

Apnoe, Stöhnen, Dyspnoe, Tachypnoe, thorakale Einziehungen erhöhter Sauerstoffbedarf beim reifen Neugeborenen

Haut, Weichteile

Blässe, Zyanose, Petechien, Ikterus, Ödeme Pusteln, Abszesse, Omphalitis, Paronychie Hautrötungen an Einstichstellen oder im Verlauf eines Katheters

MagenDarm-Trakt

geblähtes Abdomen, Erbrechen, verzögerte Magenentleerung Obstipation, Diarrhö, Nahrungsverweigerung fehlende Darmgeräusche

ZNS

Lethargie oder Irritabilität, Hyperexzitabilität, Muskelhypotonie oder -hypertonie, Berührungsempfindlichkeit, Krampfanfälle, gespannte Fontanelle

Stoffwechsel

unklare Hyper- oder Hypoglykämien, metabolische und respiratorische Azidose, Laktatanstieg, Ikterus, Cholestasesymptome

Spätsymptome

Ikterus, große Leber Thrombozytopenie, Petechien, Verbrauchskoagulopathie, Schock, Hypotension

Diagnostik ▶ Klinischer Status: Erhebung und Dokumentation der klinischen Befunde (vgl. Tab. 11.1), sowie Prüfung der Differenzialdiagnosen. ▶ Keine Indikation für Labordiagnostik besteht z. B. bei Nachweis von B-Streptokokken (und anderen Keimen) im Vaginalsekret der Mutter ohne geburtshilfliche Risiken (s. o.) und klinisch unauffälligem reifem Kind → nur klinische Beobachtung, 4-stündliche Dokumentation des Zustandes des Neugeborenen über mind. 48 h. ▶ Labordiagnostik vor Beginn der antibiotischen Therapie: • Hämatologie/klinische Chemie: – CRP, Blutbild, Diff.-Blutbild, Blutgase. Proinflammatorische Zytokine oder Procalcitonin sinnvoll, wenn rasch verfügbar. Wiederholte CRP-Kontrolle am 2. Therapietag. – Fakultativ nach klinischer Symptomatik: Urin (Leukozyten, Nitrit), Liquor (Zellzahl und Differenzierung, Glukose und Eiweiß, Laktat, Blutzucker). • Obligate bakteriologische Untersuchungen: – Blutkulturen aerob (anaerob bei NEC, evtl. übel riechendem Fruchtwasser), mind. 1 ml; möglichst 2 Blutkulturen; liegt die letzte Blutkultur > 6 h zurück wiederholen! – Evtl. Erfassung der pränatalen mikrobiellen Besiedelung: Ohrabstrich, Magensekret. Allerdings nur kurz nach der Geburt sinnvoll. Nur in Kombination mit klinischen Symptomen bzw. Laborbefunden hinweisend auf Erreger einer Infektion. – Bei Beatmung: Trachealsekret immer kurz nach der Geburt (bei Frühgeborenen ≤ 32. SSW auch an Ureaplasmen denken). Postnatal gemäß RKI-Richtlinie. – Erfassung der postnatalen mikrobiellen Besiedelung bei sehr unreifen Frühgeborenen gemäß RKI-Richtlinie (Epidemiol. Bulletin 42/2013); s. kalkulierte Wahl der Antibiotika (S. 248). • Fakultative bakteriologische Untersuchungen: – Liquor bei jedem Meningitisverdacht (insbesondere bei Krampfanfall und Entzündungszeichen im Labor). Beim instabilen Kind kann die Lumbalpunktion bis zur hämodynamischen Stabilisierung bzw. Korrektur einer Thrombozytopenie aufgeschoben werden. Ggf. Kind behandeln, als ob es an Meningitis erkrankt wäre [E4]. – Ggf. Blasenpunktion, wenn Spontan- oder Beutelurin Leukozyten und/oder Nitrit enthält. Cave: Ein Keimnachweis im Urin ist nur dann beweisend für eine Infektion, wenn entweder gleichzeitig eine Leukozyturie und eine Keimzahl > 105/ml vorliegen oder/und er durch suprapubische Blasenpunktion gewonnen wurde. – Selten Abstriche von Nabel, Haut oder Wunde (je nach Symptomen). – Bei Konjunktivitis: Bakteriologischer Abstrich und Chlamydienabstrich. ▶ Bildgebende Diagnostik bei Infektionsverdacht (fakultativ), vgl. Sonografie (S. 65): • Röntgen-Thorax: Pneumonie, Atelektasen, Infiltrat, RDS. • Schädel-Sonografie: IVH, PVL im weiteren Verlauf. • Abdomen-Sonografie: NEC, Pyelonephritis. • Röntgen-Abdomen: NEC.

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11.1 Infektionsverdacht

Therapieindikationen ▶ Es sollte umso rascher mit einer antibiotischen Behandlung begonnen werden, • je ausgeprägter die klinischen Zeichen, die für eine Infektion sprechen könnten sind (s. Tab. 11.1), • je ungünstiger der Trend des klinischen Zustandes eines Kindes ist (progrediente Verschlechterung), • je mehr perinatale Risikofaktoren (S. 246) vorliegen, 247

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11.1 Infektionsverdacht

• je stärker die laborchemischen Entzündungsparameter von der Norm abweichen und • je unreifer das Frühgeborene ist. ▶ Im Zweifel steht die klinische Einschätzung des Kindes im Vordergrund, d. h., besonders beim rasch dekompensierenden Kind kann nicht auf das Ergebnis der Laborwerte gewartet werden, sondern muss sofort antibiotisch behandelt werden. ▶ Merke: Hinweise der Pflegekräfte („Das Kind gefällt mir nicht“) ernst nehmen! Im ■ Zweifelsfall besser einmal zu viel als zu wenig antibiotisch behandeln. ▶ Wie die klinischen Zeichen sind die meisten Laborparameter unspezifisch (eben Entzündungs- und nicht Infektionsparameter). CRP (und evtl. Procalcitonin) sind zwar spezifischer als proinflammatorische Zytokine, Leukozytose/Leukopenie, hoher Anteil unreifer Granulozyten usw., aber ebenfalls nicht beweisend für eine Infektion. ▶ Besonders das CRP steigt erst nach (12)–24–(48) h an. Ein initial normales CRP allein ist kein Grund, bei einem kranken Kind auf eine antibiotische Therapie zu verzichten. Erhöhte Laborwerte allein, sind bei klinisch unauffälligem Kind kein Grund für eine antibiotische Behandlung (wohl aber zur engmaschigen klinischen Überwachung). ▶ Interleukine sind „Frühmarker“, aber keine Verlaufsparameter, während CRP und Procalcitonin Verlaufsmarker sind. Bei positivem CRP oder Procalcitonin haben weitere Intraleukinbestimmungen keinen Sinn. ▶ Nach spätestens 1–2 Tagen muss aber aufgrund des Verlaufs der klinischen Symptomatik bzw. des CRP-Wertes die Indikation für die antibiotische Therapie und die Wahl der Antibiotika überprüft werden. Ein wiederholt normales CRP (< 10 mg/l) schließt eine Infektion weitgehend aus. Dann Antibiotika nach 24 (spätestens 48) Stunden absetzen.

Grundsätze der antibiotischen Therapie ▶ Kalkulierte bzw. empirische Wahl der Antibiotika: • Erreger früher, perinatal erworbener Infektionen entstammen in der Regel der mikrobiellen Besiedelung der Mutter, die der späten, nosokomialen Infektionen dem Keimspektrum der Neugeborenen(intensiv)station. Eine vorangegangene antibiotische Vorbehandlung (von Kind oder Mutter) bzw. Abstrichergebnisse von Mutter und Kind sind zu berücksichtigen. • Iatrogene Risikofaktoren für Infektionen durch Koagulase-negative Staphylokokken, gramnegative Erreger oder Pilze wie Beatmung, zentrale Katheter, Verweilkanülen, parenterale Ernährung, vorangegangene, prolongierte antibiotische Therapie etc. müssen ebenfalls berücksichtigt werden. • Die Wahl der Antibiotika muss regelmäßig (z. B. jährlich) mit den Resistenzprofilen mikrobiologischer Isolate der jeweiligen Station verglichen und ggf. angepasst werden. • Zur Erkennung der Besiedelung mit resistenten oder potentiell pathogenen Krankheitserregern empfiehlt eine aktuelle RKI-Richtlinie wöchentliche Analund Rachenabstriche bei intensivmedizinisch behandelten Früh- und Neugeborenen (Epidemiol. Bulletin 42/2013) und ggf. Kohortierungsmaßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung. • Die Pharmakokinetik und somit die Dosierung von Antibiotika ist vom chronologischen Alter und vom postmenstruellen Alter abhängig. ▶ Mit Blick auf die Resistenzentwicklung erfolgt die Behandlung immer so eng (und so kurz) wie möglich. So kann nach Nachweis von GBS in der Blutkultur (und passender Symptomatik) eine Monotherapie mit Penicillin G erfolgen. Die Wahl der Antibiotika für frühe Infektionen kann das Keimspektrum auf der Neugeborenen (intensiv)station beeinflussen. Beispielsweise selektiert die Kombination aus Ampicillin und Cefotaxim Enterobacter species, die in der Folge nosokomiale Infektionen hervorrufen können. Aminopenicilline selektionieren dagegen eher Klebsiella sp. 248

Initialtherapie bei Infektionen innerhalb der ersten 3–5 Lebenstage ▶ Initialtherapie bei unbekanntem Erreger: • Gebräuchliche Kombination: – Ampicillin 150 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 Einzeldosen (alternativ Mezlocillin/Piperacillin) plus – Aminoglykosid (z. B. Gentamicin oder Tobramycin, Dosis s. u.) • Wegen häufiger Resistenz von E.coli gegen Ampicillin (30–40 %) ggf. ein Cephalosporin statt Aminoglykosid wählen wie z. B. – Ampicillin 150 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 Einzeldosen (alternativ Mezlocillin/Piperacillin) plus – Cefotaxim 100 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 ED. • Die gewählte Kombination muss bekannte Resistenzen (z. B. Enterokokken und Listerien gegen Cefalosporine) und das örtliche Keim- und Resistenzspektrum berücksichtigen. Auswirkungen auf die Keimselektion auf der Station sind zu beachten. • Topische Candida (Soor)-Prophylaxe: Ab ca. dem 5. Tag einer Antibiotikatherapie bis zu 3 Tage nach Therapieende: Nystatin 1 ml/kg KG/Tag p. o. (auf ED, entsprechend der Anzahl der Mahlzeiten, verteilen). Fertigsuspension bei Frühgeborenen > 32. SSW. Nystatin-Reinsubstanz < 32. SSW, ggf. nur Mund auspinseln (Wirksamkeit dieser Prophylaxe ist bei Frühgeborenen allerdings nicht belegt) [E4]. ▶ Meningitisverdacht : • Ampicillin 300 (– 400) mg/kg KG/Tag i. v. in 3 ED plus • Cefotaxim 200 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 ED plus • Tobramycin (o. ä. Aminoglykosid): – Initial: 5 mg/kg KG. 12 h später: – < 30. SSW → 3,5 mg/kg KG alle 24 h. – 30. – 37. SSW → 3,5 mg/kg KG alle 18 h. – > 37. SSW → 3,5 mg/kg KG alle 12 h. – Vor der 3. Gabe: Minimumspiegel kontrollieren. Später nochmals wiederholen, falls Kreatinin oder Urinausscheidung sich ändert oder zeitgleich Indometacin/ Ibuprofen verabreicht wird. Adaptation von ED und Dosisintervall. • Bei Erregern mit entsprechender Resistenztestung: Meropenem 120 mg/kg KG in 3 ED. ▶ Beachte: Meropenem ist für Säuglinge < 3 Monate mangels ausreichend doku■ mentierter Erfahrungen nicht zugelassen. Eltern informieren! ▶ Cave: Imipenem ist zur Meningitisbehandlung nicht zugelassen. Aminoglykoside ■ und Glykopeptide erreichen bei Normalisierung der Blut-Hirn-Schranke bei nachlassender Inflammation nur unzureichende Liquorkonzentrationen. • Topische Candida (Soor)-Prophylaxe wie oben angegeben. ▶ Therapieversagen und weiterhin unbekannter Erreger: • Eine Stabilisierung/Verbesserung sollte innerhalb von 6–12 Std eintreten; cave bei persistierender Leukopenie! Dagegen kann eine Thrombozytopenie länger persistieren. ▶ Cave: Anaerobierinfektion → Antibiotika wie bei Initialtherapie plus Metronidazol ■ 20 mg/kg KG/Tag in 3 ED oder Meropenem (ist liquorgängig im Ggs. zu Imipenem) an Stelle des Penicillins u./o. Cefalosporins. • Bei Infektionen durch Streptokokken der Gruppe B oder Listerien Ampicillin plus Aminoglykosid, z. B. Gentamicin (Synergismus! vgl. Tab. 11.2). ▶ Beachte: Bei peripartaler antibiotischer Therapie der Mutter ändert sich die Expo■ sition des Früh-/Neugeborenen. Selektioniert werden können: Koagulase-negative Staphylokokken, E.coli, Enterokokken, Enterobacter spp., Klebsiellen (auch ESBL-resistente Keime), Pseudomonas etc. Geburtshelfer nach Keimbesiedelung der Mutter fragen!

11 Infektionen

11.1 Infektionsverdacht

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11.1 Infektionsverdacht

• Primäre Infektionen durch Candida spp. treten besonders bei sehr unreifen Frühgeborenen (in der Regel bei vorangegangenem Blasensprung bzw. vaginaler Entbindung bei vaginaler Candida-Besiedelung) auf. Nässende und papulöse Hautveränderungen beim FG können hinweisend sein. Behandlung s. u. (nosokomiale Infektionen). • An Herpes-simplex-Infektion denken: Besonders bei Ikterus, Hepatitis mit Gerinnungsstörung, Enzephalitis, gruppierten Bläschen, interstitieller Pneumonie → Aciclovir 60 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 ED für 14 – 21 Tage. • An einen Stoffwechseldefekt (S. 353) oder ein duktusabhängiges Herzvitium (S. 313) denken.

Therapie bei nosokomialen Infektionen > 3.–5. Lebenstag und/oder nach 1. Therapie ▶ Erreger unbekannt: Kombination in Anbetracht des eigenen Stationserregerspektrums wählen! ▶ Kombination A: • Ceftazidim oder Cefotaxim 100 mg/kg KG/Tag i. v. in 3 ED plus • Aminoglykosid z. B. Gentamicin oder Tobramycin, Dosierung s. o.). Staphylococcus epidermidis sind (noch) Gentamicin-empfindlich. ▶ Cave: 50 % der Enterobacter spp. sind Ceftazidim resistent! ■ ▶ Kombination B: • Ceftazidim oder Cefotaxim 100 mg/kg KG/Tag in 3 ED plus • Vancomycin: – < 30. SSW → 15 mg/kg KG i. v. alle 24 h. – 30. – 37. SSW → 15 mg/kg KG i. v. alle 18 h. – > 37. SSW → 15 mg/kg KG i. v. alle 12 h. • Spiegelkontrolle zur 3. Dosis, spätestens am 3. Tag. ▶ Außerdem möglich: Piperacillin/Tazobactam ▶ Eskalation nach Versagen von der vorherigen Therapien, aber ggf. auch initial bei sehr schneller Progredienz, abrupten Beginn: • Meropenem (60 mg/kg KG/Tag in 3 ED) plus Vancomycin oder • Meropenem (60 mg/kg KG/Tag in 3 ED) plus Aminoglykosid. ▶ Beachte: Meropenem ist für Säuglinge < 3 Monate mangels ausreichend doku■ mentierter Erfahrungen nicht zugelassen. Eltern informieren! ▶ Erreger bekannt und Resistenztestung steht noch aus: siehe Tab. 11.2. ▶ Topische Candida (Soor)-Prophylaxe (S. 283). ▶ Candida-Infektion: • Amphotericin B: – Initial 0,5 mg/kg KG/Tag i. v. in 1 ED über 4 – 6 h. – Täglich steigern um 0,1 – 0,3 auf 1,0 mg/kg KG/Tag. – Kontrolle von Natrium, Kalium, Blutbild, Krea, Harnstoff. • Alternativ, teurer und in der Neonatologie nicht gut begründbar: Ambisome – Initial 1 mg/kg KG/Tag i. v. in 1 ED über 4 – 6 h. – Täglich steigern um 1 mg/kgKG auf 3(-5) mg/kg KG/Tag. – Kontrolle von Kalium, Blutbild. • Weitere Alternativen: – Fluconazol initial 12 dann 6 mg/kg KG/Tag i. v. in 1. + 2. Lebenswoche alle 2–3 Tage (nach Gestationsalter), danach täglich. Cave: C. krusei ist resistent, C. glabrata, C. parapsilosis und C. tropicalis können rasch sekundär resistent werden und sich vermehren. → Resistenz überprüfen! Für Säuglinge < 1 Jahr noch nicht zugelassen → Eltern informieren! – Caspofungin 1–2 mg/kg KG/Tag i. v. über 1 h. Cave: Für Säuglinge < 1 Jahr noch nicht zugelassen → Eltern informieren! – Amphotericin B + Ancotil 60 – 80 mg/kg KG/Tag in 2 ED i. v. 250

▶ Meningitis/Meningitisverdacht: • Ampicillin 300 – 400 mg/kg KG/Tag plus Cefotaxim 200 mg/kg KG/Tag plus Tobramycin: Dosierung s. o. • Alternative: Meropenem 100 – 120 mg/kg KG/Tag in 3 ED. ▶ Hautinfektionen, Nabel infektionen, Mastitis, abszedierende Prozesse: An Staphylokokken denken (Flucloxacillin oder Cefuroxim). ▶ Konjunktivitiden: Chlamydien, Staphylokokken, Streptokokken: • Floxal Augentropfen oder -salbe. • Alternativ: Polyspectran AT oder nach Resistenztestung. ▶ An die Möglichkeit einer Resistenzentwicklung bzw. Keimselektion (mütterliche Antibiotikatherapie!) denken. ▶ Bei Therapieversagen: • Herpes-simplex-Infektion möglich. • Systemische Cytomegalievirus-Infektion (insbesondere bei sehr unreifen Frühgeborenen < 30 Wochen postmenstruellen Alters) möglich (Übertragungsweg i. d. R. durch Muttermilch nach Reaktivierung bei der laktierenden Mutter, seltener durch Blutprodukte) → Ganciclovir i. v., ggf. anschließend Valganciclovir p. o.

11 Infektionen

11.1 Infektionsverdacht

Tab. 11.2 • Antibiotikawahl bei bekanntem Erreger und noch ausstehender Resistenztestung (Dosierungen s. Anhang). koagulasenegative Staphylokokken

Vancomycin (evtl. + Ceftazidim) Vorsicht bei Monotherapie mit Vancomycin: Selektion von Klebsiella spp. und Enterobacter spp.

Pseudomonas aeruginosa, Entero- und Citrobacter

Ceftazidim + Tobramycin bei Versagen: Meropenem + Tobramycin Alternative: Imipenem + Tobramycin

E. coli, Klebsiellen, Serratia, Proteus, H. influenzae, Pneumokokken

Cefotaxim + Tobramycin Alternative: Ceftazidim + Tobramycin Cave: hochresistente Klebsiellen (MRGN-Resistenz)

A- und B-Streptokokken

Penicillin G oder Ampicillin + Aminoglykosid

Staphylococcus aureus

Cefuroxim + Netilmicin

MRSA

Vancomycin evtl. Kombination mit Rifampicin, oder Fosfomycin oder Aminoglykosid je nach Empfindlichkeit

Enterokokken

Ampicillin (+ Netilmicin)

Bacteroides fragilis u. a. Anaerobier

Metronidazol oder Meropenem

Listerien

Ampicillin + Aminoglykosid, evtl. + Rifampicin

Ureaplasmen/Mycoplasma hominis

Erythromycin oder Clarithromycin

Beendigung der Antibiotikatherapie ▶ Falls sich die Infektion innerhalb der ersten 24–48 h nach Therapiebeginn (Labor, Bakteriologie, klinischer Verlauf) nicht bestätigt. ▶ Beachte: Die Indikation zur antibiotischen Therapie gründet sich allein auf die kli■ nische Symptomatik und die Blutwerte. Bakteriologische Befunde beeinflussen v. a. die Antibiotikawahl. Deswegen kann auch vor Vorliegen der bakteriologischen Befunde die antibiotische Therapie beendet werden, sofern sich der initiale Infektionsverdacht klinisch und laborchemisch (CRP) nicht bestätigt. ▶ Therapiedauer: Die normale Therapiedauer ist in Tab. 11.3 aufgeführt.

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Infektionen

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11.1 Infektionsverdacht Tab. 11.3 • Übliche Therapiedauer bei Infektionen. Dauer

Infektion

> 10 Tage

Meningitis je nach Verlauf 2 – 3 Wochen Osteomyelitis nicht < 3 Wochen i. v.

10 Tage

septischer Harnwegsinfekt (z. B. Pyelonephritis)

7 (–10) Tage

Sepsis mit positiver Blutkultur

5 – 7 Tage oder bis CRP negativ

„klinische“ Infektion (SIRS) ohne Erregernachweis

keine Therapie

positive Abstrichkulturen ohne klinische Symptomatik diskrete Symptome müssen dann aber höher bewertet werden

Mind. 3 Wochen

Pilzinfektion: bei manifester Organinfektion (Pneumonie, Osteomyelitis) Therapiedauer abhängig von klinischer Symptomatik, mind. 3 Wochen. Nur bei Katheter-assoziierter Infektion evtl. nur 10 Tage bei Entfernung des Katheters.

Therapiekontrolle ▶ Klinisch: • Rückgang der Symptomatik. • Falls Entlassung bei Therapieende: Klinische Kontrolle durch Kinderarzt nach 2 – 3 Tagen. ▶ Labor: • Blutbild- und CRP-Kontrolle nach 24 und 48 h. • Leukopenie < 4,0/nl: Kontrolle der Leukozyten nach 4 h. Leukozyten steigen bei effektiver Therapie. • Normales Blutbild und normaler CRP-Wert bei reifen Neugeborenen → keine Kontrolle nach Therapieabschluss erforderlich.

Adjuvante Therapie ▶ Beachte: ■

Die adjuvante Therapie ist mindestens so wichtig wie die antibiotische Therapie. Immer sollte differentialdiagnostisch an ein ductusabhängiges Vitium (S. 312) (Linksobstruktion) oder einen Stoffwechseldefekt (S. 353) gedacht werden. ▶ Stabilisierung von Ventilation und Gasaustausch durch Atemhilfe (z. B. CPAP) oder Beatmung: Frühzeitig beginnen! Verzicht nur bei stabilem Kind. ▶ Stabilisierung des Kreislaufs, d. h. Blutdruck im Zielbereich (S. 302) und adäquate Perfusion: • Zuerst Volumengabe: NaCl 0,9 %, (sehr selten bei DIC FFP) 20 ml/kg KG in 30 min (muss häufig wiederholt werden) [E2]. • Bei fehlendem Erfolg Katecholamine (S. 441): – Dobutamin 5 – 20 μg/kg KG/min i. v. auch bei fehlendem zentralem Zugang. – Dopamin: 5–20 μg/kg KG/min. – Noradrenalin: 0,05 – 0,1 (-0,5) μg/kg KG/min. – Adrenalin: 0,05 – 0,1 (-0,5) μg/kg KG/min. • Hydrocortison 2 mg/kg KG als ED, ggf. 8-stündlich wiederholen (wenig Daten bei Neugeborenen [E4], bei Erwachsenen [E1]). Wirksam bei Verbesserung der Zirkulation. ▶ Beachte: Dobutamin steigert den Blutfluss (zumindest in V. cava sup.) besser als Do■ pamin, obwohl Dopamin zu einem höheren Blutdruck führt (durch periphere Vasokonstriktion!). ▶ Exakte Flüssigkeitsbilanzierung: Eine Gewichtszunahme am 1. Tag um 10 % lässt sich oft nicht vermeiden. 252

▶ Weiteres Vorgehen abhängig vom klinischen Verlauf und echokardiografischem Befund [E2 – 3]: • „Kalter“ Schock, normaler RR, schlechte linksventrikuläre Funktion, zentralvenöse Sättigung < 70 %: Nitroprussid oder Nitroglycerin, evtl. Milrinone. • „Kalter“ oder „warmer“ Schock, schlechte rechtsventrikuläre Funktion, PPHN, zentralvenöse Sättigung < 70 %: NO-Beatmung (S. 237). • „Warmer“ Schock, niedriger Blutdruck: Volumengabe, Noradrenalin. • Ultima Ratio: ECMO? ▶ Disseminierte intravasale Gerinnung = DIC (S. 343): Vit. K, FFP, evtl. AT III, Kryopräzipitat. ▶ Thrombozytopenie < 20 bzw. < 50/nl und Blutung: Thrombozytenkonzentrat (S. 339) 10–20 ml/kg KG erhöhen die Thrombozyten meist um 50 – 100/nl. ▶ Ausgleich von Hypoglykämie, metabolischer Azidose, Elektrolyten und Anämie. ▶ Bei Nichtansprechen der Therapie innerhalb von 2 Tagen und Verdacht auf katheterassoziierte Infektion: Entfernen des zentralen Venenkatheters. Cave: Auch eine peripher liegende Plastikkanüle kann Ausgangspunkt einer Sepsis sein!

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11.2 Prophylaxe von Streptokokken-B-Infektionen

11.2 Prophylaxe von Streptokokken-B-Infektionen Franz

Grundlagen ▶ Gruppe-B-Streptokokken (GBS) sind die häufigste Ursache für schwere Infektionen des Neugeborenen. Die Empfehlungen zur Prophylaxe der Neugeborenensepsis durch GBS beziehen sich ausschließlich auf die frühe Form der Sepsis. ▶ Mit einer intrapartalen Antibiotikaprophylaxe gelingt es, die Häufigkeit der frühen Form der Neugeborenensepsis durch GBS zu senken. ▶ Ziel sämtlicher Strategien: • Die Häufigkeit der Neugeborenensepsis durch GBS und damit neurologische Spätschäden bzw. Todesfälle zu reduzieren. • Das Risiko von Infektionen durch andere Erreger nicht zu erhöhen. • Die Gefahr der Selektion resistenter Erreger zu minimieren. ▶ Risikofaktoren: • Hohe Keimdichte von GBS im Urogenitaltrakt der Mutter zum Zeitpunkt der Entbindung. • Dauer zwischen Blasensprung und Entbindung > 18 h. • Fieber der Schwangeren unter der Geburt > 38,0 °C. • Frühgeburt vor der 37. SSW. • GBS-bedingte Bakteriurie während der Schwangerschaft. • GBS-erkranktes Neugeborenes bei vorangegangener Geburt.

Praktisches Vorgehen ▶ In der Praxis sind 2 unterschiedliche Vorgehensweisen möglich. Eine Prophylaxe aufgrund eines präpartalen Screenings ist erfolgreicher als eine Prophylaxe nach Risikofaktoren und verhindert vor allem GBS-Infektionen bei normalen reifen Neugeborenen. Leider ist das präpartale Screening nicht Teil der deutschen Mutterschaftrichtlinien. ▶ Prophylaxe aufgrund eines generellen präpartalen GBS-Screening sowie von Risikofaktoren [E1], s. Tab. 11.4.

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Infektionen

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11.3 Konnatale und perinatale Infektion: Grundlagen Tab. 11.4 • Intrapartale Chemoprophylaxe zur Vermeidung einer Neugeborenensepsis durch Streptokokken der Gruppe B (Kombination aus präpartalem GBS-Screening und der Berücksichtigung von Risikofaktoren). Klinische Situation

Empfehlung

• Risikofaktoren: – Z. n. Geburt eines Kindes mit GBS-Infektion – GBS-Bakteriurie während dieser Schwangerschaft – drohende Frühgeburt < 37. SSW – mütterliches Fieber > 38 °C sub partu – Dauer des Blasensprungs > 18 h

• intrapartale Chemoprophylaxe, z. B.: – Penicillin G i. v. einmalig 5 Mio. IE, danach alle 4 h 2,5 Mio. IE bis zur Entbindung oder – Ampicillin i. v. einmalig 2 g, anschließend 1 g alle 4 h

• keine Risikofaktoren erkennbar: – GBS-Screening 35.– 37. SSW: Abstriche vom Anorektum und Introitus vaginae

• GBS-positiv: intrapartale Prophylaxe (s. o.) nahelegen • GBS-negativ oder unbekannt: keine Prophylaxe empfohlen

▶ Procedere beim Neugeborenen: • Liegen Symptome einer Infektions vor: Blutbild, CRP, Blutkultur etc. abnehmen und antibiotische Therapie einleiten. • Bei Kindern ohne Infektionszeichen kurz nach der Geburt bedarf es allein einer 4-stündlichen dokumentierten klinischen Überwachung über mind. 48 h (besser 72 h), um evtl. dennoch auftretende Frühsymptome einer Infektion zu erkennen. Das Risiko ist in den ersten 48 h am höchsten, besteht aber bis zu 5 Tage. • Neu- und Frühgeborene > 32. SSW, deren Mütter intrapartal mindestens 2 Antibiotikagaben zur Prävention einer GBS-Infektion erhalten haben, müssen (abweichend von AWMF-Leitlinie 024/020) postnatal nicht a priori antibiotisch behandelt werden, sofern sie klinisch nicht infiziert wirken und für 2–3 Tage postnatal klinisch überwacht werden. • Jedes zweite Neugeborene GBS-besiedelter Mütter ist nach unkomplizierter Geburt ohne Antibiotikaprophylaxe ebenfalls GBS-besiedelt. • Eltern auf (geringes) Risiko einer späten GBS Infektion im Alter von ca. 4–6 Wochen hinweisen und empfehlen bei klinischen Zeichen (schlapp, apathisch, trinkt schlecht, schreit anders, blassgraues Kolorit) umgehend einen Kinderarzt oder eine Kinderklinik aufzusuchen. Diese späten GBS-Infektionen werden durch die intrapartale Antibiotikaprophylaxe nicht verhindert.

11.3 Konnatale und perinatale Infektion: Grundlagen Franz

Verdacht auf konnatale Infektion ▶ Diagnostik zur Suche konnataler Infektionen ist sinnvoll, wenn verdächtige Screening-Untersuchungen einer Schwangeren oder klinische Symptome einer konnatalen Infektion vorliegen wie: • Ikterus, Hepatosplenomegalie. • Lymphknotenschwellung. • Augenbefall, Chorioretinitis, Katarakt usw. • Mikrozephalus, Krampfanfälle, Hydrozephalus, zerebrale Verkalkungen. • Schwerhörigkeit (z. B. negative OAE oder BERA). • Thrombozytopenie, Anämie, Hämolyse. • Diarrhö (z. B. CMV). 254

• Pneumonie. • Hautinfiltrate (z. B. „blueberry muffins“). ▶ Neugeborene mit konnataler Infektion sind häufig hypotroph (SGA). Aber nur wenige hypotrophe Neugeborene haben eine konnatale Infektion.

Verdacht auf perinatal erworbene Virusinfektion

11 Infektionen

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

▶ Respiratorische Symptome wie Husten, Dyspnoe, Stridor, seröse oder schleimige Sekretion der Atemwege. ▶ Konjunktivitis. ▶ Hepatosplenomegalie. ▶ Ungeklärter Ikterus z. B. mit Transaminasenerhöhung u./o. Gerinnungsstörung. ▶ Geblähtes Abdomen, schleimig-wässrige oder blutige Stühle. ▶ Symptome einer Enzephalitis wie Lethargie, Krampfanfälle, Apnoen. ▶ Exantheme. ▶ Myokarditis.

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen Hübner, Notheis, Roos

Enteroviren ▶ Coxsackie-Virus B und Echoviren sind die häufigsten Enteroviren, die bei Neugeborenen zur Infektion führen. ▶ Klinik und Verlauf: • Der Verlauf ist meist blande mit Fieber, unspezifischem Exanthem und seröser Meningitis. • Selten sind schwere Verläufe mit Myokarditis, Meningoenzephalitis, Hepatitis und ausgeprägter Thrombozytopenie. Die klinische Symptomatik ähnelt einer Sepsis mit Lethargie, Trinkschwäche, Erbrechen, geblähtem Abdomen, Diarrhö, Dyspnoe, Zyanose und Tachykardie bzw. Rhythmusstörungen mit Herzinsuffizienz und Kardiomegalie. Diese Neugeborenen erholen sich oft nur langsam. Bei einer Enzephalitis kann es zu Krampfanfällen und erheblichen neurologischen Spätschäden kommen. ▶ Diagnostik: Der Virusnachweis kann durch eine Kultur oder eine PCR (Liquor oder Blut) geführt werden. Nachweise in Stuhl oder Rachenspülwasser sind nicht beweisend; die Serologie ist ohne diagnostischen Wert, es sei denn, es liegt ein bekanntes Isolat vor. ▶ Therapie: Symptomatisch, Glukokortikoide oder Immunglobuline sind ohne nachgewiesenen Effekt. In der Regel erholen sich die Neugeborenen ohne Residuen, die Letalität der Myokarditis liegt aber bei 10 %. Als experimentelle Therapie kann bei schwersten Verläufen ein Therapieversuch mit mütterlichem Serum versucht werden. ▶ Prävention/Prophylaxe: Infizierte Kinder werden wie bei Enteritiden isoliert.

Epstein-Barr-Virus (EBV) ▶ Eine Infektion durch EBV ist bei Schwangeren selten, da meist aufgrund einer früheren Erkrankung Immunität besteht. ▶ Klinik und Verlauf: • Eine Reaktivierung während der Schwangerschaft scheint möglich, bleibt jedoch für den Fetus ohne Bedeutung. Ein Zusammenhang zwischen einer EBV-Infektion in der Frühschwangerschaft und konnatalen Herzfehlern besteht nicht. Auch andere Fehlbildungen sind nicht gehäuft. • Eine postnatale Infektion des Neugeborenen ist aerogen und durch Bluttransfusionen möglich. Die Symptomatik ist blande. 255

Infektionen

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

▶ Diagnostik: Ak-Nachweis mit indirekter Immunfluoreszenz (IFT) oder ELISA PCR z. B. im Liquor. ▶ Therapie: Falls erforderlich, symptomatisch. ▶ Prävention/Prophylaxe: Keine. Stillen ist bei mütterlicher Infektion erlaubt. ▶ Prognose: Gut. Es sind keine Folgeschäden zu erwarten.

Hepatitis A ▶ Epidemiologie: Eine pränatale Infektion ist nicht bekannt. Auch bei aktiver Hepatitis der Mutter während der Geburt kommt es relativ selten zu einer fäkal-oralen Übertragung. Stationsepidemien bei unsachgemäßer Hygiene sind beschrieben. ▶ Klinik und Verlauf: Ikterus und erhöhte Transaminasen. Beginn aufgrund der langen Inkubationszeit meist nach der Neonatalzeit (> 44. SSW). ▶ Diagnostik: IgM-Antikörper beim Kind, Transaminasen. IgG-Antikörper persistieren lebenslang und können deswegen beim Neugeborenen von der Mutter übertragen sein. Eine Infektion ist bewiesen durch: IgM-Ak positiv + Symptomatik. ▶ Therapie: Symptomatisch. ▶ Prävention/Prophylaxe: Standard-Immunglobulingabe (mit mindestens AK-Titer von 100 IU/ml), z. B. Beriglobin 0,02 ml/kg KG i. m. postnatal. Kittelpflege, Handschuhe bei Kontakt mit Fäzes. ▶ Prognose: Gut. Die Heilung verläuft in einzelnen Fällen protrahiert. Die Letalität einer fulminanten Hepatitis liegt bei 40 %.

Hepatitis B ▶ Grundlagen: • Eine Hepatitis B einer Schwangeren stellt ein großes Risiko für das Kind dar. Wenn nicht postnatal geimpft wird, kommt es bei perinatalen oder frühkindlichen Infektionen häufig (bis zu 90 %) zur chronischen Hepatitis B mit späteren Komplikationen wie Zirrhose und hepatozellulärem Karzinom. • Laut Mutterschaftsrichtlinien müssen Schwangere nach der 32. SSW, möglichst nahe am Geburtstermin, auf das Vorliegen von HBsAg (ggf. auch HBeAg) getestet werden. Diese Angaben müssen von den Geburtshelfern erfragt (und können verlangt) werden. Jede Klinik muss ihre eigene Dokumentation und die Informationsvermittlung (niedergelassener Frauenarzt → Geburtshelfer → Neonatologe → Kinderarzt) haben. ▶ Epidemiologie: • Eine pränatale Infektion des Fetus ist selten (3 – 5 %). • Die perinatale Übertragung ist bei einer vaginalen Geburt gehäuft: – Ca. 80 – 90 % bei HBeAg-positiver (und damit hoch virämischer) Mutter. – Ca. 20 % bei anti-HBe-positiver und damit niedrig virämischer Mutter. ▶ Cave: Fulminante Hepatitis: Dieser Verlauf droht vor allem nach perinataler ■ Übertragung des Hepatitis B-Virus von einer anti-HBe-positiven Mutter im Alter von 3 – 5 Monaten. – Die perinatale Übertragung bei vaginaler Geburt ist bei anti-HBs- und antiHBc-positiver Mutter praktisch ausgeschlossen. ▶ Cave: Milieugefährdung des Kindes in Familie mit HBsAg-Trägern! ■ ▶ Diagnostik: • Screening der Mutter: HBsAg (bei Verdacht zusätzlich: HBeAg, anti-HBs-Ak, antiHBc-Ak). • Kind: – Transaminasen, Bilirubin. – Virusnachweis: HBsAg und HBeAg und ggf. die HBV-DNA (Kontrolle bei U4 und U5). – Antikörpernachweis: anti-HBs-, anti-HBc- und anti-HBe-IgM-Ak. • Eine Infektion ist bewiesen durch HBsAg-Nachweis. ▶ Therapie: Symptomatisch, Kontakt mit Hepatologen aufnehmen. 256

▶ Prävention/Prophylaxe: • Indikationen: Mutter ist HBsAg- oder HBeAg-positiv. • Zeitpunkt: Innerhalb von 12 h nach Geburt. • Passive Impfung: HB-Immunglobulin 1 ml i. m. oder Hepatect 20 IE/kg KG = 0,4 ml/kg KG i. v. plus • Aktive Impfung: – 1. Dosis von z. B. Gen-HB-Vax-K 0,5 ml i. m./s. c. – 2. Dosis 4 Wochen nach 1. Dosis. – 3. Dosis 6 Monate nach 1. Dosis. – Wenn das Gewicht bei der 1. Impfung < 1000 g ist: 4 Wochen nach der 2. Impfung Kontrolle von HBsAg. Bei einem anti-Hbs (AK) Wert < 100 IE/l, soll die 3. Impfung sofort erfolgen. Näheres siehe STIKO-Empfehlungen. ▶ Beachte: Die passive Impfung muss mit einer kontralateralen aktiven Impfung ■ kombiniert werden. • Passiv und aktiv geimpfte Kinder dürfen gestillt werden! • Wird mit einem Kombinationsimpfstoff, der eine Pertussiskomponente enthält, geimpft, wird nach dem STIKO-Schema geimpft, d. h. nach 2, 3, 4 und 11 – 14 vollendeten Lebensmonaten. • Bei nicht bekanntem HBsAg-Status der Mutter (Empfehlung der STIKO): – Sofort aktive Impfung mit z. B. Gen-HB-Vax-K, weiter s. o. – Gleichzeitig Testung des Hepatitis-Status der Mutter. – Falls HBsAg oder HBeAg positiv: Passive Impfung (s. o.) innerhalb von 7 Tagen nach Geburt bei Neugeborenen und innerhalb 72 h bei Frühgeborenen. • HBsAg-negative Mutter: Normale Impfung nach Empfehlungen der STIKO. ▶ Prognose: Bei perinataler Infektion kommt es in bis zu 95 % zur chronischen Hepatitis B mit der möglichen Folge von Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom im späteren Kindesalter.

11 Infektionen

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

Hepatitis C ▶ Epidemiologie: • Prävalenz ca. 0,4 – 0,7 %, viel höher bei i. v. Drogenkonsum. • Häufig Koinfektion mit Hepatitis B oder HIV. ▶ Klinik: • Ikterus, eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Inappetenz, Arthritis. • Asymptomatische bzw. symptomarme Verläufe sind bei Kindern häufig. Langzeitprognose unklar! • Fetale Fehlbildungssyndrome sind nicht beschrieben. • Erhöhte Transaminasen. ▶ Hinweis: Bei chronischer Hepatitis können die Transaminasen auch normal sein. ■ ▶ Diagnostik: • Anti-HC-Ak im ELISA, Ak-Nachweis mit Immunoblot-Assay, HCV-RNA-Nachweis (PCR). Ggf. Differenzierung des Genotyps zur Klärung der Epidemiologie. • Infektion bewiesen durch: Pos. HCV-RNA-PCR und Infektionssymptomatik. HCV-RNA aus Nabelschnurblut ist nicht beweisend, da u. U. passager auftretend! Test sollte unterbleiben! • Untersuchungen bei Verdacht auf perinatale Infektion: HCV-RNA mit 6 Monaten; anti-HCV-Ak mit 15 Monaten. ▶ Cave: ■ – Einige Schwangere haben mäßig erhöhte Hepatitis-C-Ak (oft unspezifischer Befund). In diesem Fall immer quantitative PCR-RNA-Kontrolle bei der Mutter. – Nicht jeder HCV-RNA-Nachweis bedeutet Replikation des Virus und damit Infektion des Kindes. Transient positive HCV-RNA-Nachweise sind beschrieben. Noch ist vieles unklar!

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Infektionen

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

▶ Therapie: • Rein symptomatisch, es gibt keine spezifische Therapie. • Bei chronischer Hepatitis α-Interferon-Therapie in Kombination mit Ribavirin erfolgversprechend [E3]. ▶ Prophylaxe: • Eine perinatale Prophylaxe – wie bei Hepatitis B – steht nicht zur Verfügung. • Die Entbindung kann vaginal erfolgen. • Das Risiko, dass eine HCV-RNA-positive Mutter über Stillen ihr Neugeborenes infiziert, ist sicherlich gering, wenn auch möglich. Bei einer anti-HCV-positiven, aber HCV-RNA-negativen Mutter scheint dies extrem unwahrscheinlich zu sein. Einige Kliniken raten Müttern mit „niedriger Viruslast“ nicht vom Stillen ab. Eine „niedrige Viruslast“ ist aber unzureichend definiert. Das Problem muss mit einer Mutter, die trotzdem stillen will, besprochen werden. • CDC und AAP raten nicht vom Stillen ab. Sie raten aber zur Vorsicht bei wunden Brustwarzen, obwohl hier die Viruslast nicht höher wird. • Die Entscheidung für oder gegen das Stillen ist nach Aufklärung über das (auch bei HCV-PCR-positiven Müttern) geringe, aber dennoch vorhandene Ansteckungsrisiko den Müttern zu überlassen. Die Beurteilung der Daten ist erschwert, da 30 – 50 % der Infektionen bereits pränatal erfolgen. Bei gleichzeitiger HIV-Infektion (s. u.) besteht für Neugeborene ein hohes Risiko einer Hepatitis-C-Infektion. ▶ Internet: www.hepatitis-kinder.de.

Herpes-simplex-Virus (HSV) ▶ Grundlagen: • Humanpathogen sind die DNA-Viren Herpes-simplex-Virus (HSV) Typ 1 und 2. Man unterscheidet: – Primärinfektion. – Rekurrierende Infektion: Symptomatische rekurrierende Infektion (Herpesbläschen bei infolge einer früheren Infektion nachweisbaren, neutralisierenden Antikörpern) bzw. asymptomatische Virusausscheidung. ▶ Epidemiologie: • Die Übertragung von HSV setzt einen engen Kontakt von Schleimhäuten oder (verletzter) Haut voraus. • Die Durchseuchung mit Herpesvirus 1 bei Erwachsenen liegt bei 70 – 90 %. Ak gegen HSV-1 können protektiv gegen Infektionen durch HSV-2 wirken. • Die Primärinfektion durch HSV-2 erfolgt durch sexuelle Kontakte. Folge ist meist ein lokalisierter Herpes genitalis oder eine latente Infektion. Die Seroprävalenz für HSV-2 liegt bei ca. 9 % bei Schwangeren. Rund 1 % der Schwangeren hat einen rekurrierenden Herpes genitalis. Dieser ist zu ca. 50 % durch HSV-1 bedingt, neonatale Infektionen werden aber zu > ⅔ durch HSV-2 verursacht. • Herpes-simplex-Infektionen bei Neugeborenen sind selten (1:1700 bis 1:12 000 aller Lebendgeborenen). – In ca. 85 % handelt es sich um eine perinatale Infektion. – Transplazentare oder aszendierende pränatale (5 %) oder postnatale (10 %) Infektionen sind seltener. – Bei einer postnatalen Infektion wird meist HSV-1 gefunden. Bei dieser nosokomialen Infektion kommt als Infektionsquelle jede Kontaktperson (Mutter, Vater, Verwandte, Personal) mit z. B. einer Erkrankung an Herpes labialis in Frage. • HSV-2-Infektionsrisiko des Neugeborenen hängt vom Stadium der mütterlichen Infektion ab: – > 50 % bei einer genitalen Primärinfektion in der Spätschwangerschaft > 32. SSW, da einerseits dann die höchste Virusausscheidung besteht und protektive Antikörper fehlen.

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– Bei rekurrierendem Herpes simplex dauert die Virusausscheidung nur 2 – 5 Tage, die HSV-Ausscheidung ist geringer und der Fetus hat protektive Antikörper übertragen bekommen (neonatales Infektionsrisiko < 5 %). – Am geringsten (< 0,5 – 3 %) ist das Übertragungsrisiko bei asymptomatischer Virusausscheidung der Mutter. Da jedoch dieser Status bei HSV-2-infizierten Müttern am häufigsten vorliegt und oft nicht bekannt ist, liegt diese Situation bei manifest HSV-infizierten Neugeborenen (60 – 80 %) am häufigsten vor. – Ein vorzeitiger Blasensprung von mehr als 6 h erhöht das Risiko der Übertragung. Daher Sectio bei einer Schwangeren mit floridem Herpes genitalis nur wenn Blasensprung < 4 h vor Wehen. Keine Skalpelektroden bzw. Blutentnahmen beim Fetus unter der Geburt. Symptome bei perinataler/postnataler Infektion: Man differenziert 3 Verläufe (mit fließenden Übergängen): • Disseminierte Infektion (ca. 30 % der HSV-infizierten NG): – Oft nach Primärinfektion der Mutter kurz vor der Geburt. – Dramatischer Krankheitsverlauf (kann einer bakteriellen Sepsis sehr ähneln). – Beginn der Symptome meist am 4. – 5. Lebenstag, maximale Ausprägung am 9. – 11. Lebenstag. – Sämtliche Organe können betroffen sein wie Gehirn, Schleimhäute von Oropharynx, Ösophagus, Intestinum (Pneumatosis intestinalis), diffuse interstitielle Pneumonie, Myokarditis mit Herzrhythmusstörungen, Unruhe des Kindes, Kreislaufzentralisation und Schock, Biliverdin-Ikterus mit erhöhten Transaminasen und Gerinnungsstörungen. Ein Befall der Haut mit typischen HerpesBläschen tritt nur bei ca. 80 % auf. • Enzephalitis (bei ca. 30 % der HSV-infizierten NG): – Beginn i. d. R. 2 – 3 Wochen nach der Geburt. – Krampfanfälle, Somnolenz oder Unruhe, Tremor, Trinkschwäche und Temperaturschwankungen. – HSV-typische Bläschen finden sich an der Haut nur in ca. 50 %. – Enzephalitis ist nicht auf den Temporallappen beschränkt, sondern verläuft disseminiert. – Im Liquor mononukleäre Zellen und Eiweiß erhöht, Glukose nur mäßig vermindert. • Mukokutane Infektion mit Befall von Haut, Auge und/oder Mund (ca. 40 % der HSVinfizierten NG): – Beginnt meist um den 11. Lebenstag. – Die typischen gruppierten Bläschen mit rotem Hof und trübem Sekret finden sich bevorzugt am bei der Geburt vorangehenden Teil, also am Kopf, der Brust, Mundschleimhaut, seltener Oropharynx. – Eine Infektion des Auges manifestiert sich als Keratitis bzw. Chorioretinitis, selten Katarakt. – Ohne Therapie ist eine Progression zur Enzephalitis möglich. Symptome bei intrauteriner Infektion/konnataler Infektion: • Sehr selten sind sehr schwere, prognostisch ungünstige intrauterine HSV-Infektionen. • Hautbläschen bei Geburt, Hydrozephalus, Chorioretinitis, Mikrophthalmus. Subklinische Infektionen: Es ist derzeit unklar, ob es subklinische HSV-Infektionen bei Neugeborenen gibt. Die Frage stellt sich vor allem beim PCR-Nachweis von HSV z. B. im Liquor bei sonst völlig asymptomatischen Neugeborenen. Bis diese Frage geklärt ist, sind diese Neugeborenen als infiziert zu betrachten und zu behandeln. Diagnostik: • Klinischer Verdacht ist begründet vor allem bei Symptomen einer Sepsis mit signifikanter Erhöhung der Transaminasen und/oder Gerinnungsstörungen. • Virusnachweis aus Herpesbläschen, Buffy-Coat-Präparationen oder von Schleimhautabstrichen (Konjunktiva oder Nasopharynx), im Liquor mittels PCR. Die Vi-

11 Infektionen

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

ruskultur von HSV im Liquor bei Enzephalitis gelingt nur in ca. 40 %. PCR ist sensitiver als Kultur. Infektion gesichert bei positiver PCR oder Kultur. • Antikörpernachweise mittels KBR, indirekter Immunfluoreszenz oder IgM-ELISAAntikörper sind zu Beginn wenig sensibel, also verzichtbar. Bei der Enzephalitis nach ca. 10 Tagen HSV-spezifische intrathekal gebildete oligoklonale Antikörper. • Bildgebende Verfahren (Sonografie, MRT): Der für ältere Kinder typische isolierte Befall der Temporallappen ist nicht zu erwarten, es handelt sich meist um eine disseminierte Enzephalitis. • EEG? ▶ Prävention: • Schwangere sollten nach Symptomen einer HSV-Infektion befragt werden. • HSV-Kulturen während der Schwangerschaft sind nicht prädiktiv für die Ausscheidung bei Geburt, also obsolet. Auch die serologische Testung ist nicht hilfreich, da HSV-serotypische Testverfahren oft nicht verfügbar sind. • Schwangere mit einer genitalen HSV-Infektion (primär oder sekundär) sollten mit Aciclovir 1200 mg/Tag in 3 ED oder Valaciclovir ab der 36. SSW behandelt werden [E2]. (Senkung der Sectiorate möglich). Anschließend Prophylaxe mit 800 mg/Tag in 4 ED über Monate. • Entbindung durch Sectio: – Falls bei Geburt ein klinisch manifester Herpes genitalis besteht und der Blasensprung nicht > 4 – 6 h zurückliegt. Der protektive Effekt der Schnittentbindung bei einer Primärinfektion in den letzten 6 Wochen vor Geburt ist gesichert [E2]. Weniger eindeutig effektiv, aber dringend empfohlen bei rekurrierender HSV-Infektion. – Ob eine Sectio auch bei > 4 – 6 h zurückliegendem Blasensprung noch protektiv sein kann, ist nicht bekannt. – Ein Herpes simplex des Gesäßes oder des Abdomens der Schwangeren ist weniger problematisch. • Schwierig ist die Entscheidung bei Frühgeburtlichkeit. Verschiedene Optionen: – Abwarten und Gabe von Aciclovir an die Schwangere und Lungenreifung mit Betamethason. – Rasche Sectio mit Gabe von Surfactant und Aciclovir (40 mg/kg KG/Tag in 3 ED für 10 Tage) an das Frühgeborene. • Eine asymptomatische Virusausscheidung besteht bei ca. 2 % der Frauen mit rekurrierendem genitalem Herpes simplex, das Infektionsrisiko dieser Neugeborenen liegt unter 3 %. Das Gesamtrisiko des Neugeborenen bei Schwangeren mit rekurrierendem Herpes genitalis liegt also < 1:2000. Dies wird im Allgemeinen nicht als Sectioindikation betrachtet. • HSV-exponierte Neugeborene: – 6 Wochen sorgfältig auf Symptome einer HSV-Infektion achten. – HSV-PCR von Rachen-, Mund- und Konjunktivalabstrichen 14-tägig; beginnend 24(– 48) h nach Geburt. Evtl. ist eine mütterliche vaginale Kultur sinnvoll zur Prüfung, ob perinatal eine HSV-Exposition bestand. Wird HSV beim Neugeborenen nachgewiesen, wird auch beim asymptomatischen Neugeborenen eine Aciclovir-Therapie empfohlen (60 mg/kg KG/Tag in 3 ED für 10 Tage). – Aciclovir-Prophylaxe für Neugeborene bei mütterlicher Primärinfektion oder rezidivierender symptomatischer HSV-Infektion (60 mg/kg KG/Tag in 3 ED für 10 Tage bei Neugeborenen). • Mütter, die HSV ausscheiden, und infizierte Neugeborene isolieren. • Bei rekurrierenden Infektionen (Herpes labialis, Herpes genitalis) muss durch Maßnahmen wie Händedesinfektion, Abdecken der Hautläsionen (Mundschutz) die Übertragung von HSV vermieden werden. Stillen durch die Mutter ist unter diesen Kautelen erlaubt, wenn die Brustwarzen frei von HSV-Läsionen sind.

▶ Therapie: • Entscheidend ist, bei jedem Verdacht auf eine HSV-Infektion sofort und ohne jeden Verzug mit der Therapie zu beginnen (Prognose verbessert sich). • Prinzipiell kann mit Aciclovir oder Vidarabin behandelt werden. Beide Substanzen sind gleich wirksam. Aufgrund seiner geringeren Toxizität und des geringeren Lösungsvolumens wird heute allgemein Aciclovir bevorzugt. • Aciclovir-Dosis: 60 mg/kg KG/Tag in 3 ED, Therapiedauer 14 – 21 Tage (21 Tage vor allem bei HSV-Sepsis). Frühgeborene mit eingeschränkter Nierenfunktion: 40 mg/kg KG/Tag in 2 ED. (60 mg/kg KG/Tag waren, bei einem allerdings historischen Vergleich, bei HSV-Sepsis bzw. HSV-Enzephalitis wirksamer als 30 mg/kg KG/Tag). ▶ Prognose: • Bei der disseminierten HSV-Infektion sinkt die Letalität von > 90 % ohne Therapie auf rund 40 % mit Therapie. Die Langzeitmorbidität ist aber trotzdem fragwürdig. Das Risiko einer psychomotorischen Retardierung ist hoch. • Ohne Therapie versterben ⅔ der an HSV-Enzephalitis erkrankten Neugeborenen. Die überlebenden Kinder sind psychomotorisch schwerst geschädigt mit Mikrozephalie, Tetraspastik, Chorioretinitis, Schwerhörigkeit. Unter einer Therapie mit Aciclovir oder Vidarabin überleben dagegen 90 % der Neugeborenen, 30 – 40 % der Kinder scheinen sich später normal zu entwickeln. Die Symptomatik kann sich jedoch langfristig progressiv verschlechtern. • Isolierter HSV-Befall von Haut, Auge oder Mund ist prognostisch günstiger. • Trotz adäquater Therapie rezidivieren HSV-Bläschen während des 1. Lebensjahres sehr häufig. Von diesen nur scheinbar lokal begrenzten HSV-Infektionsverläufen ist bekannt, dass die Letalität zwar gering (ca. 7 %) ist, die Langzeitprognose jedoch fragwürdig erscheint, da besonders bei gehäuften Rezidiven viele dieser Kinder nach 6 Monaten bis 1 Jahr psychomotorisch retardiert erscheinen. Ggf. werden diese Säuglinge 6 Monate mit Aciclovir 900 mg/m2/Tag (ca. 30 mg/kg KG/ Tag) behandelt. • ADEM-ähnliche ZNS-Rezidive sind bekannt, Therapie dann immer auch mit Aciclovir. Die zusätzliche Gabe von Glukokortikosteroiden ist in Diskussion.

11 Infektionen

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

HIV-Infektion und AIDS ▶ Empfehlungen zur HIV-Transmissionsprophylaxe: • Prinzip/Vorgehen: – Maximale Senkung der Viruslast (VL) der Mutter und prophylaktische Gabe antiretroviraler Medikamente an das Neugeborene (Tab. 11.5 und Tab. 11.6). – Primäre Sectio caesarea in der 37.– 38. SSW. – oder Angebot der vaginalen Entbindung bei VL < 50 Kopien/ml am Termin. – Stillverzicht. • Durch diese Maßnahmen ließ sich in Deutschland die vertikale Transmission von ca. 20 % auf < 1 % reduzieren. Jeder Bestandteil dieser Empfehlungen trägt zur Reduktion der vertikalen Transmission bei, sodass bei unvollständiger Durchführung der Empfehlung die Transmissionsrate zwar ansteigt, jedoch immer noch unter der natürlichen Transmissionsrate liegt. • Eine postnatale Prophylaxe sollte möglichst innerhalb von 6 Stunden nach Geburt begonnen werden. Sie ist aber auch bei einem späteren Beginn innerhalb der ersten 72 Lebensstunden noch sinnvoll. Bei einem Beginn nach 72 Stunden kann keine Senkung der HIV-Transmissionsrate mehr erwartet werden. • Mütter mit hoher Viruslast und/oder niedrigen T-Helferzellen bzw. AIDS übertragen verhältnismäßig häufiger HIV auf ihre Kinder als asymptomatische Frauen. • Bei effektiver Verminderung der HIV-Viruslast ist auch die HIV-Transmission vermindert.

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Infektionen

11

11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

• Wegen der komplexen Probleme in der Betreuung HIV-positiver Schwangerer sollte die Betreuung immer in Zusammenarbeit mit einem Zentrum mit entsprechender Erfahrung erfolgen. ▶ Hinweis: Nach den Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur antiretroviralen The■ rapie vom 29.11.2017 sollen alle Patienten mit weniger als 500 CD4-Zellen/μl eine Therapie erhalten, aber auch bei asymptomatischen Patienten mit einer CD4-Zellzahl > 500/μl ist eine Therapie empfohlen. Jede HIV-Infektion in der Schwangerschaft stellt unabhängig von der CD4-Zellzahl eine Behandlungsindikation dar. Wird die Schwangere bereits behandelt, soll die Therapie, unter Berücksichtigung der in der Schwangerschaft empfohlenen Substanzen, fortgesetzt werden. Bei einer erst in der Schwangerschaft neu diagnostizierten HIV-Infektion kann, falls vertretbar, erst zu Beginn des 2. Trimenons (frühestens 13 + 0 SSW, nach Abschluss der Organogenese) begonnen werden. Bei einer Viruslast < 50 Kopien/ml wird auch die vaginale Entbindung angeboten. Die intrapartale Gabe von Zidovudin intravenös soll nur noch bei einer mütterlichen Viruslast von > 50 Kopien/ml angewendet werden. • Dosierung und Dauer der antiretroviralen Prophylaxe bei HIV-1-exponierten Neuund Frühgeborenen mit niedrigem Transmissionsrisiko (mütterliche Viruslast < 1000 Kopien/ml zum Zeitpunkt der Entbindung, www.awmf.org/Leitlinien), Stand März 2017, ist aus Tab. 11.5 ersichtlich. • Peripartale Risikofaktoren: Bei einer Viruslast < 50 Kopien/ml werden Geburtskomplikationen (z. B. protrahierter Geburtsverlauf, Blasensprung > 4 Stunden, Amnioninfektionssyndrom, vaginal operative Entbindung, Schnittverletzungen des Kindes, Absaugen von blutigem Fruchtwasser aus Magen oder Lunge) normalerweise nicht mit einem erhöhten Transmissionsrisiko eingestuft. Tab. 11.5 • Dosisempfehlungen für eine postnatale HIV-Transmissionsprophylaxe bei niedrigem Risiko für Früh- und Neugeborene, Stand März 2017. Medikament

Dosierung

Dauer

Zidovudin (Beginn innerhalb von 6 Stunden)

NG + FG ≥ 35 SSW: 4 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ:* 3 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

2 – 4 Wochen

Zidovudin (Beginn innerhalb von 6 Stunden)

FG 30 + 0 – 34 + 6 SSW: 2 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. ab 15. Lebenstag: 3 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ:* 1,5 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v. ab 15. Lebenstag 2,3 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

2 – 4 Wochen

Zidovudin (Beginn innerhalb von 6 Stunden)

FG < 30 + 0 SSW: 2 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ:* 1,5 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

2 – 4 Wochen

*falls orale Medikation nicht toleriert wird, Gabe von Zidovudin intravenös für 10 Tage. Deutsch-Österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen.

• Antiretrovirale postnatale Prophylaxe bei erhöhtem HIV-Transmissionsrisiko: Ein erhöhtes Risiko besteht vor allem, wenn die Mutter keine Therapie vor der Entbindung erhielt und/oder die HI-Viruslast der Mutter kurz vor Geburt erhöht ist (≥ 1000 Kopien/ml). Eine eskalierte Prophylaxe mit 3 Gaben Nevirapin und 6 Wochen Zidovudin ist zwar wirksam, aber zur Vermeidung von Nevirapinresistenzen sollte die zusätzliche Gabe von Lamivudin für 2 Wochen in Erwägung gezogen werden (Tab. 11.6).

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Tab. 11.6 • Dosisempfehlungen für eine postnatale HIV-Transmissionsprophylaxe bei Früh- und Neugeborenen mit erhöhtem Risiko, Stand März 2017. Medikament

Dosierung

Dauer

Zidovudin

≥ 35 SSW: 4 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ wenn orale Gabe nicht vertragen: 3 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

4 – 6 Wochen

Zidovudin

FG 30 + 0–34 + 6 SSW: 2 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. ab 15. Lebenstag: 3 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ wenn orale Gabe nicht vertragen: 1,5 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v. ab 15. Lebenstag 2,3 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

4 – 6 Wochen

Zidovudin

FG < 30 + 0 SSW: 2 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o. alternativ wenn orale Gabe nicht vertragen: 1,5 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v. ab 4 Wochen 2,3 mg/kg/Dosis 2x tgl. i. v.

4 – 6 Wochen

Lamivudin

2 mg/kg/Dosis 2x tgl. p. o.*

14 Tage

Nevirapin**

KG 1500 – 2000 g: 8 mg/Dosis p. o. KG > 2000 g: 12 mg/Dosis p. o.

1. Dosis innerhalb von 48 h 2. Dosis 48 h nach der 1. Gabe 3. Dosis 96 h nach der 2. Gabe

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

*für sehr kleine Frühgeborene existieren derzeit keine Dosisempfehlungen für Lamivudin Deutsch-Österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen. ** Ist die HIV-positive Schwangere in der Schwangerschaft länger als 3 Tage mit Nevirapin behandelt worden, kann auch beim Neugeborenen eine Enzyminduktion vorliegen, die zum schnelleren Abbau von Nevirapin führt. Daher ist bei längerer Therapie der Schwangeren mit Nevirapin die Verwendung dieses Medikaments beim Neugeborenen abzuwägen und bei Gabe mit doppelter Dosierung einzusetzen.

▶ Vorgehen bei der Geburt: • Vaginale Geburt bei VL < 50 Kopien/ml und fehlenden geburtshilflichen Risiken. • Bei Spontanentbindung müssen invasive Monitoring-Techniken bzw. Verletzungen (z. B. Kopfschwartenelektrode, Vakuumextraktion, Forcepsentbindung) vermieden werden. • Primäre Sectio am wehenlosen Uterus (37. – 38. SSW), falls Voraussetzungen für Spontanentbindung nicht gegeben sind. • Zidovudin sub partu (in der 1. Stunde sub partu [am besten 3 h vor Geburt beginnend] erhält die Mutter Zidovudin 2 mg/kg KG i. v. als Kurzinfusion über 1 h, dann 1 mg/kg KG/h bis zur Geburt) nur noch bei VL > 50 Kopien/ml. • Erstversorgung des Neugeborenen: Die erstversorgende Person soll sterile Handschuhe tragen. Vor dem Absaugen sollten Mundhöhle und Naseneingang mit sterilen, in 0,9 %iger NaCl-Lösung getränkten Tupfern gereinigt werden. Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen sind Ohren, Augen, Anus und Genitale in gleicher Weise zu reinigen. Es sollen keine Mundabsauger verwendet werden. Vor Versorgen der Nabelschnur sollen die möglicherweise blutkontaminierten Handschuhe gewechselt werden. Kindliche Verletzungen müssen sorgfältig dokumentiert werden.

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

▶ Vorgehen nach der Geburt: • Stillen: ▶ Beachte: Für westliche Industrienationen mit verfügbarer adaptierter Säug■ lingsnahrung gilt weiterhin ein Stillverzicht. Durch das Stillen wird das Kind gegenüber antiretroviralen Medikamenten länger exponiert, und es besteht weiterhin das Risiko einer vertikalen HIV-Transmission (nachgewiesener Infektionsweg)! – Sollte eine HIV-positive Mutter in Deutschland/Österreich entgegen der Empfehlung stillen wollen, muss dies individuell entschieden und mit intensiver ärztlicher Aufklärung und Beratung und entsprechendem Monitoring begleitet werden. Es muss auf das HIV-Transmissionsrisiko, Risiken einer HIV-Resistenzentwicklung, mögliche Langzeittoxizitäten durch längere Medikamentenexposition und ein verlängertes Monitoring über Beendigung der Stillzeit hinaus hingewiesen werden. • Pflege sonst wie bei Hepatitis-B-infizierten Kindern. • Hepatitis-B-Impfung bei HBs/HBe-positiver Mutter. • Kein Eintrag der HIV-Exposition im Vorsorgeheft. • Keine Isolierung des Kindes oder der Mutter. • Vor Entlassung Kontrolle des Blutbildes und der Transaminasen. • Terminvereinbarung mit einer Spezialambulanz. ▶ Weiterbetreuung des Neugeborenen: • Sie sollte in Spezialambulanzen erfolgen. Dort wird die weitere antiretrovirale Prophylaxe (meist Zidovudin) überwacht: Blutbild!, Transaminasen und der HIV-Status des Kindes (HIV-PCR nach 14 Tagen, 4 – 6 Wochen [Sensitivität 96 %, Spezifität 99 %] und 3 – 4 Monaten [Sensitivität und Spezifität fast 100 %]) wird kontrolliert. ▶ Beachte: Durch Primer-Mismatch können auch falsch negative PCR-Ergebnisse re■ sultieren. Zur Vermeidung auch das mütterliche Blut (fehlende Primer-Bindung bei seltenen HIV-Stämmen!) mit dieser Technik untersuchen. ▶ Bei unklarem HIV-Status der Mutter: • Falls noch ausreichend Zeit zur Entbindung bleibt, sollte sofort der HIV-Antikörpertest mit Bestätigungstest angeboten werden. • Falls keine Zeit mehr für eine reguläre Testung bleibt, sollte ein HIV-Schnelltest angeboten und bei positivem Testergebnis die Prophylaxemaßnahmen eingeleitet werden. Abbruch dieser Maßnahmen bei negativem Bestätigungstest.

Humanes Herpesvirus 6 (HHV 6) ▶ Infektionen durch HHV 6 (häufigste Manifestation: Dreitagefieber) sind ubiquitär; die meisten Säuglinge werden im 6. – 12. Monat infiziert. Entsprechend sind Infektionen bei Schwangeren sehr selten. ▶ Folgenlose pränatale Infektionen von Feten sind beschrieben. ▶ Therapie: Symptomatisch.

Humanes Papillomavirus (HPV) ▶ HPV führt durch venerische Übertragung zur oft asymptomatischen Infektion. Die Prävalenz, durchschnittlich 10 % der sexuell aktiven Frauen, steigt mit der Anzahl der Sexualpartner auf bis zu 40 %. Seltener sind genitale Condylomata acuminata (Feig- oder Feuchtwarzen). Sie können als mechanisches Geburtshindernis zur Sectio zwingen. Therapeutisch wird Cidofovir als Injektion in die Läsion verabreicht, sowie Trichloressigsäure bzw. präpartale CO2-Lasertherapie oder Kryotherapie angewendet. ▶ Eine pränatale Infektion des Fetus ist nicht bekannt.

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▶ Perinatale Übertragung: Bei vaginaler Entbindung besteht theoretisch das Risiko der Übertragung auf das Neugeborene mit der Gefahr einer Larynxpapillomatose. Dies bedeutet monate- bis jahrelange Rezidive mit lebensbedrohlicher Atemwegsobstruktion des Kindes. • Die perinatale Übertragung ist sicher sehr selten und wird auf eine Rate von 1 Fall auf mehrere Hundert exponierte Neugeborene geschätzt. Mütterliche Condylomata acuminata gelten daher nicht als Sectioindikation. • Zur Prävention einer Übertragung auf das Neugeborene sollte jedoch vor der Geburt eine Lokaltherapie der Mutter (s. o.) erfolgen.

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Influenza A und B ▶ Influenza in graviditate führt nicht zur Fetopathie, obwohl eine diaplazentare Übertragung bekannt ist. ▶ Klinik: Infizierte Neugeborene zeigen unspezifische Symptome wie Fieber, Apnoen, Lethargie und Trinkschwäche. ▶ Prophylaktisch könnte Amantadin gegeben werden (bei Schwangeren und Neugeborenen jedoch nicht erprobt!). ▶ Prävention: Grippeschutzimpfung für Frauen mit Kinderwunsch bzw. Pflegepersonal in der Neonatologie. ▶ Therapie: Symptomatisch. Therapeutikum Relenza oder Tamiflu sind verfügbar, Von der Anwendung bei Schwangeren und Stillenden wird abgeraten. Tamiflu geht in die Muttermilch über, strenge Risikoabwägung!

Masern ▶ Die Übertragung erfolgt über Tröpfchen. Inkubationszeit 8 – 12 Tage. ▶ Schwangere: • Der Verlauf ist bei Schwangeren schwerer als sonst üblich und führt häufig zur Masernpneumonie. Fehlbildungen des Fetus sind nicht zu erwarten, wohl aber eine erhöhte Rate von Aborten, Frühgeburtlichkeit und Dystrophie des Neugeborenen. • Therapie: Bei Schwangeren wird bei schweren Verläufen eine Aerosoltherapie mit Ribavirin diskutiert [E4]. ▶ Präventiv können exponierte Schwangere oder Neugeborene mit einem Standardimmunglobulin innerhalb von 72 h nach Exposition geschützt werden (Dosis 0,4 ml/kg KG i. m.). Stillen ist möglich. ▶ Neugeborenes: Der Verlauf der Masern kann mitigiert oder schwer sein. Hauptgefahr ist die Masernpneumonie mit sekundärer bakterieller Superinfektion. Die Letalität ist nicht signifikant erhöht. Die Therapie erfolgt symptomatisch.

Mumps ▶ Der Verlauf der Erkrankung bei Schwangeren ist meist blande, eine diaplazentare Übertragung des Virus ist möglich. Teratogene Schäden durch das Mumpsvirus sind nicht bekannt. ▶ Eine postnatale Infektion eines Neugeborenen verläuft in der Regel blande, die Prognose ist gut. Die Therapie erfolgt symptomatisch, eine Prophylaxe mit Immunglobulinen ist ohne nachgewiesenen Effekt. Stillen ist möglich.

Parvovirus B19 ▶ Epidemiologie: • Übertragung durch Tröpfchen. Inkubationszeit 4 – 14 Tage (max. 3 Wochen). • Parvoviren sind relativ resistent gegen chemische Einflüsse, sodass die Übertragung über Gegenstände, Oberflächen, Handtücher etc. möglich ist. • In Wohngemeinschaften werden nur 50 % der Kontaktpersonen (Schwangere) infiziert (z. B. Kind auf schwangere Mutter). • Eine Übertragung über Bluttransfusionen und Blutprodukte ist möglich.

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• Die Seroprävalenz steigt zwischen dem 5. und 20. Lebensjahr von 5 auf rund (30 –) 50 % – 70 %. Die Inzidenz der Infektion in der Schwangerschaft wird mit 0,25 % – 3,5 % (Mittel 1,1 %) angegeben. • Die Rate fetaler Infektionen beträgt ca. 20 % bei maternaler Parvovirus-B19-Infektion, ist aber wenig untersucht. Sie ist unabhängig vom Stadium der Schwangerschaft. ▶ Klinik: • Bei Schwangeren von asymptomatischer Infektion (in ca. 50 %) bis zu klassischen Ringelröteln. • Beim primär gesunden Kind Erythema infectiosum (Ringelröteln) oder asymptomatisch. • Bei Feten ist die durch Parvovirus B19 verursachte passagere Knochenmarkaplasie, die zur Anämie, folgendem Hydrops und Fruchttod führen kann, problematisch. Diese Komplikation ist am häufigsten bei Infektionen zwischen der 13. und 20. SSW. • Nicht alle hydropischen Feten sind anämisch, da auch eine Myokarditis zu Hydrops führen kann. ▶ Beachte: Bei unklarem intrauterinem Fruchttod (IUFT) an eine Infektion durch ■ Parvovirus B19 denken! • Postnatal kann Parvovirus B19 bei Frühgeborenen möglicherweise eine NEC verursachen. Übertragung über Personal oder Bluttransfusion denkbar. ▶ Diagnostik: • Mutter: – ELISA-IgM-Antikörper gegen Parvovirus B19 im Serum der Schwangeren beweisen eine akute Infektion. Das Maximum der IgM-Antikörper ist 2 – 3 Wochen nach Infektionsbeginn erreicht. Sie fallen in der Regel nach 2 – 3 Monaten, nur in Ausnahmefällen erst nach ca. 10 Monaten unter die Nachweisgrenze. – IgG-Antikörper sind einige Tage später und dann jahrelang nachweisbar. – Fehlen sowohl IgG- als auch IgM-Antikörper, besteht keine Parvovirus-B19-Immunität. • Fetus: – Der Nachweis von IgM-Antikörpern im fetalen Blut ist zwar hoch spezifisch, aber wenig sensitiv. – Die sensitivste Methode zum Nachweis einer fetalen Infektion ist der PCR-Nachweis von DNA in Amnionflüssigkeit und/oder fetalem Blut, Aszites oder die in situ Hybridisierung in fetalem Gewebe. – Beim Nachweis fetaler IgM-Antikörper gegen Parvovirus B19 wird die Infektionsrate unterschätzt, da einige Feten kein spezifisches IgM bilden. – Sensitiver ist der Nachweis von B19-DNA bzw. die Persistenz von IgG-Antikörpern über das 1. Lebensjahr hinaus. Werden diese Parameter für eine intrauterine Infektion gewertet, beträgt die pränatale Übertragungsrate bis zu 30 %, ein Hydrops fetalis tritt aber nur in ca. 10 % auf, ein Fruchttod ist wesentlich seltener und liegt bei 1 – 2 % der fetalen Infektionen. – Diaplazentar übertragene maternale Antikörper sind nach ca. 1 Jahr nicht mehr nachweisbar. ▶ Therapie: • Entscheidend nach einer Exposition einer Schwangeren ist zunächst die Bestimmung ihrer Immunität gegen Parvovirus B19. • Da die diaplazentare Übertragung nicht konstant auftritt, ist nur eine engmaschige sonografische Überwachung des Fetus erforderlich. Ggf. PCR-Nachweis von Parvovirus B19 in Amnionflüssigkeit, s. o. • Bei Anzeichen eines Hydrops fetalis und fetaler Anämie ist eine intrauterine Bluttransfusion indiziert. Randomisierte Studien zum Nachweis des Therapieerfolgs fehlen. Anekdotisch wird über eine Erfolgsrate von ca. 85 % berichtet.

▶ Prävention: • Ein Patient ist im Stadium des Exanthema infectiosum (Ringelröteln) nicht mehr infektiös und muss deswegen nicht isoliert werden. Ausnahme: Patienten mit Immundefekten oder aplastischer Anämie. • Empfängliche und gefährdete Schwangere sollten bei einer Exposition benachrichtigt werden, damit sie engmaschig überwacht werden können. • Händewaschen ist eine wichtige präventive Maßnahme. • Eine passive Immunisierung ist nicht etabliert, eine aktive Impfung steht nicht zur Verfügung. • In der Neonatalzeit nur Parvo B neg. EKs verwenden. ▶ Prognose: • Ohne Therapie versterben < 10 % der Feten infizierter Schwangerer innerhalb von 4 – 6 Wochen. Nicht alle absterbenden Feten sind hydropisch. Einige Feten weisen zusätzlich eine Thrombozytopenie, erhöhte Transaminasenwerte und erhöhtes Bilirubin auf. • Die Prognose eines Hydrops fetalis hängt vom Ausgleich der Anämie ab. Unbehandelt führen die Anämie und der Hydrops zum Absterben des Fetus. • Überlebt der Fetus durch intrauterine Bluttransfusionen, ist die postnatale Entwicklung i. d. R. ungestört. Einige (< 10 %) infizierte Neugeborene sind wohl aufgrund der intrauterinen Anämie wachstumsretardiert (dystroph). • Spontanremission eines Hydrops scheint möglich.

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Röteln ▶ Grundlagen: Die Symptomatik und das Ausmaß der Organschädigungen bei konnatalen Röteln hängen ab von: • dem Gestationsalter bei Infektion. • der Viruslast und Virulenz des Virusstammes. • der Fähigkeit des Fetus, die Replikation des Erregers zu kontrollieren. ▶ Epidemiologie: • Die Übertragung auf Feten erfolgt diaplazentar während der Virämie bei Erstinfektion. • Häufigkeit: in Deutschland 0–3 Fälle pro Jahr, 1:1000 000 Lebendgeburten in den USA. • 10 – 15 % der Frauen (Schwangeren) haben keine Röteln-Antikörper, sind also nicht immun! • Die Rate der Rötelnembryopathie liegt bei einer Infektion in den ersten 17 SSW durchschnittlich bei 35 %. (Je früher die Infektion der Mutter in der Schwangerschaft erfolgt, desto höher ist das embryonale Infektionsrisiko.) • Neugeborene mit konnatalen Röteln sind hochinfektiös, sie scheiden das Virus jahrelang mit Stuhl und Urin aus. ▶ Klinik: • Embryopathie: Eine Infektion des Embryos vor Abschluss der Organogenese führt zum Gregg-Syndrom: – Hörstörungen. – Herzfehler, vor allem Pulmonalarterien- oder -klappenstenose, offener Ductus arteriosus Botalli, Aortenstenose und Ventrikelseptumdefekt. – Befall des Auges in Form von Katarakt, Mikrophthalmus und der typischen Pfeffer-und-Salz-Retinopathie. – ZNS-Befall mit Mikrozephalus, Wahrnehmungsstörung und Hypotonie. – Dystrophie und persistierende Wachstumsstörungen. – Häufig führt die Rötelnembryopathie zum Abort oder zur Totgeburt. • Rötelnfetopathie (fetale Infektion nach dem 3. SSM): Typisch sind transiente Schädigungen (bilden sich nach Wochen von selbst zurück), z. B.: – Hepatomegalie mit Hepatitis und Transaminasenerhöhungen. – Splenomegalie teilweise beträchtlichen Ausmaßes. –

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– Extramedulläre Blutbildung führt zu dunklen blauroten Knötchen der Haut (blueberry muffin). – Hämolytische Anämie. – Exantheme uncharakteristischer Morphologie. – Meningoenzephalitis. – Selten: Pneumonie, Myositis, Myokarditis, Osteopathie, Diarrhö, Korneatrübungen. Diagnostik: • Beweisend ist der IgM-Antikörpernachweis im HAH-Test oder nach dem 6. Lebensmonat persistierende Antikörper. • Nicht alle Neugeborenen mit konnatalen Röteln sind Rötelnvirus-IgM-Antikörper-positiv. • Das Rötelnvirus kann 1 – 2 Jahre nach Geburt aus Rachensekret, Urin, Stuhl, Liquor, Leukozyten (buffy coat) in der Kultur angezüchtet werden. Therapie: • Eine spezifische Therapie gibt es nicht. • Korrektur der Herzfehler. • Sehhilfen soweit möglich. • Sozialpädiatrische Betreuung mit entwicklungsneurologischer und -psychologischer Nachsorge. Prävention: • Aktive Impfung aller Mädchen nach STIKO-Empfehlungen, spätestens vor Eintritt in die Pubertät. Nachweis des Impferfolges durch protektiven Titer von ≥ 1:32 im HAH-Test [E2]. • Eine Impfung während der Schwangerschaft ist kontraindiziert. Es wird empfohlen, bis zu 3 Monate nach der Impfung Kontrazeptiva zu verwenden. Das Impfvirus kann diaplazentar übertragen werden, führt aber offensichtlich nicht zur Erkrankung. Eine akzidentelle Röteln-Impfung während der Schwangerschaft ist keine Indikation zur Interruptio [E3]. • Exposition einer nicht immunen Schwangeren: – Serologisch untersuchen, ob Immunität vorliegt. – Evtl. Gabe von 0,5 ml/kg KG Immunglobulinen, jedoch ist die Effizienz nicht belegt [E4]. • Kittelpflege und Handschuhe bei Kontakt mit Ausscheidungen infizierter Kinder. Prognose: • Die Organschäden einer Rötelnembryopathie sind bei Geburt voll ausgeprägt und irreversibel. • Bei der Rötelnfetopathie muss mit einer Latenzperiode bis zur vollen Ausprägung aller Symptome gerechnet werden. Erst im Verlauf einiger Monate treten Pneumonitis mit Husten, Tachypnoe und Zyanose, Rötelnexanthem, chronische Diarrhö, Taubheit, rezidivierende Infektionen und progressive neurologische Defizite auf. • Auch autoimmunologisch bedingte Endokrinopathien (Diabetes mellitus, Hypooder Hyperthyreoidismus) sind beschrieben.

Rotaviren (Gruppen A – E) ▶ Epidemiologie: • Hauptinfektionsweg: Fäkal-oral. Daneben ist Tröpfcheninfektion möglich. • Gesunde scheiden Rotaviren 1 – 2 Wochen aus, Frühgeborene mehrere Wochen. ▶ Klinik: • Neu- und Frühgeborene können sehr symptomarm erkranken, teilweise treten blutige Stühle auf. • Abdomen gebläht, weich. Stuhl weich, schleimig, bei Neugeborenen meist nicht wässrig wie bei Säuglingen. • Allgemeinsymptome ähneln einer bakteriellen Sepsis (S. 246). • Apnoen und Bradykardien treten gehäuft auf, Krampfanfälle sind möglich. 268

▶ Diagnostik: Antigennachweis aus Stuhlprobe: Enzym-Immun-Test. Serologie ist nicht etabliert. ▶ Therapie: Rein symptomatisch. ▶ Cave: Durchwanderung von Darmkeimen und nachfolgende Sepsis bzw. NEC. Eine ■ übernormal häufige Assoziation von NEC und Rotaviren ist aber nicht belegt. ▶ Prophylaxe: • Isolierung erkrankter Kinder in einem eigenen Zimmer. • Hygienische Händedesinfektion mit 70 %igem Alkohol. • Windel-Wechsel mit Handschuhen. Kittelpflege. • Desinfektion des Wickelplatzes mit 70 %igem Alkohol. • Es gibt 2 zugelassene Impfstoffe. Ab einem Alter von 6 Wochen können Frühgeborene mit einem GA von > 25 SSW mit Rotarix, bei einem GA > 27 SSW mit Rotateq geimpft werden. Dies sollte direkt vor Entlassung erfolgen, s. Impfungen bei FG (S. 285). Komplett geimpfte Säuglinge haben einen 95 – 99 %igen Schutz vor einer Rotavirus-GE, die zur stationären Behandlung zwingt.

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RSV (respiratory syncytial virus) ▶ Epidemiologie: • Hauptepidemiezeit ist der Winter von ca. November bis März, Spitze Januar – Februar. • Eine RSV-Infektion machen Kinder zu > 70 % im 1. Lebensjahr und zu fast 100 % bis zum Ende des 2. Lebensjahres durch. • Eine RSV-Infektion hinterlässt keine bleibende Immunität, Reinfektionen sind häufig (Personal!). ▶ Klinik: • Bei Säuglingen und Kleinkindern Bronchiolitis, Apnoen (SIDS!?), Bradykardie. • Bei Erwachsenen (Personal) Symptome des Infektes der oberen Luftwege. • Bei Frühgeborenen besonders schwerer Verlauf, häufig ist Beatmung erforderlich. Gefährdet sind auch ehemalige Frühgeborene mit BPD sowie Säuglinge mit Herzfehlern mit Links-Rechts-Shunt. • RSV-Infektionen hinterlassen nicht selten eine Neigung zu Asthma-ähnlichen Erkrankungen. ▶ Diagnostik: Schnelltest aus tiefem Nasopharyngealabstrich. Sensitivität und Spezifität bei Kindern (hohe Virusausscheidung) 90 – 95 %. ▶ Therapie: In der Regel nur symptomatisch. Die Wirkung von Bronchodilatatoren ist variabel und oft gering. Kortikosteroide in Kombination mit Epinephrin kann den Krankenhausaufenthalt verkürzen. Ribavirin inhalativ benötigt eine besondere Vernebelungseinheit, ist teratogen (Personal) und wird wegen Fehlen eines eindeutigen Effekts nicht mehr empfohlen. ▶ Prophylaxe: • Monoklonale Antikörper (Synagis) 15 mg/kg KG alle 4 Wochen i. m. während der RSV-Saison (s. o.). ▶ Beachte: Die RSV-Saison und damit die Notwendigkeit zur Prophylaxe beginnt ■ nicht zwangsläufig im November und endet nicht zwangsläufig im April. Die lokale RSV-Epidemiologie sollte berücksichtigt werden. • Die zu schützenden Risikogruppen wurden von DGPI, DGPK, GPP und GNPI in einer Leitlinie (AWMF 048/012) definiert. Man unterscheidet danach Kinder mit hohem und solche mit mittlerem Risiko, eine schwere RSV-Infektion zu erleiden: • Ein hohes Risiko haben Kinder – ≤ 24 Lebensmonaten zu Beginn der RSV-Saison, die wegen bronchopulmonaler Dysplasie (Definition siehe www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/048–012.html) oder anderer schwerer Beeinträchtigung der respiratorischen Kapazität bis wenigstens 6 Monate vor Beginn der RSV-Saison mit Sauerstoff behandelt wurden. – ≤ 24 Lebensmonaten zum Beginn der RSV-Saison mit hämodynamisch relevanten Herzfehlern. 269

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• Ein mittleres Risiko haben Kinder – ≤ 12 Lebensmonaten bei Beginn der RSV-Saison, die als Frühgeborene mit einem Gestationsalter < 28 + 6 SSW geboren wurden und keine BPD, neuromuskuläre Erkrankung oder schwere Immundefizienz aufweisen. – ≤ 6 Lebensmonaten bei Beginn der RSV-Saison, die als Frühgeborene von 29 – 35 SSW geboren wurden, mit mindestens 2 der folgenden Risikofaktoren: Entlassung aus der neonatologischen Primärversorgung direkt vor oder während der RSV-Saison, Kinderkrippenbesuch oder Geschwister in externer Kinderbetreuung, schwere neurologische Erkrankung. – > 12 bis ≤ 24 Lebensmonaten mit hämodynamisch relevanter Herzerkrankung oder Herzinsuffizienz. ▶ Beachte: Obligate Prophylaxe bei Kindern mit hohem Risiko, optional bei Kindern ■ mit mittlerem Risiko. ▶ Beginn und Ende der Prophylaxe sollen den aktuellen epidemiologischen Bedingungen angepasst werden. Jeweils aktuelle epidemiologische Information finden sich unter: www.pid-ari.net oder Bezug über lokale, größere mikrobiologische Labors. Alternativ gilt die Aufnahme von > 1 RSV-erkrankten Kind pro Woche in einer mittelgroßen Klinik als Indikator für den Beginn der RSV-Saison. ▶ In der Umgebung der Kinder soll nicht geraucht werden. Stillen ist zu empfehlen. Die Eltern sind über einfache infektionshygienische Allgemeinmaßnahmen zur Vermeidung der RSV-Exposition aufzuklären. (Händewaschen, Meiden von größeren Personenansammlungen, Meiden von Kinderkrippen für Hochrisikopatienten).

Varicella-Zoster-Infektionen (VZV) ▶ Das Varicella-Zoster-Virus (VZV) führt zu Windpocken bzw. Herpes Zoster. Übertragung von VZV nur bei engen Kontakten. Für Neugeborene ist die perinatale Übertragung prognostisch ungünstig. ▶ Epidemiologie und Verlauf: • Varicella Zoster ist hoch kontagiös. Infektiös sind Rachensekret 3 – 4 Tage vor Ausbruch des Exanthems, später die Windpockenbläschen. Die Seroprävalenz von Schwangeren liegt bei 90 – 95 %. Der Verlauf von Windpocken in graviditate ist oft schwer, eine viszerale Beteiligung und Pneumonie sind möglich. Die Letalität ist aber sehr gering. • Die diaplazentare Übertragung auf Feten ist während der gesamten Schwangerschaft möglich. Eine Infektion während der ersten 20 SSW führt in < 3 % zum konnatalem Varizellensyndrom. Die Prognose ist schlecht (postnatale Letalität bis zu 40 %). Ob es auch zum Fruchttod kommen kann, ist unklar. Bei anderen muss mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Entwicklung gerechnet werden. Einige Kinder entwickeln schon früh in der Säuglingszeit einen Herpes Zoster. Auch nach der 20. SSW kann es zur diaplazentaren Infektion des Fetus kommen, die Schädigungen sind dann jedoch weniger ausgedehnt. Ein Herpes Zoster der Mutter führt nicht zum konnatalen Varizellensyndrom. • Eine perinatale VZV-Infektion der Mutter wird in 25 – 30 % der Fälle auf den Fetus übertragen. Die kindliche Prognose hängt vom Zeitpunkt der mütterlichen Infektion ab: – Bei mütterlicher Erkrankung > 4(–7)–21 Tage vor Entbindung ist der Verlauf der Infektion beim Fetus oder Neugeborenen meist leicht und gutartig. – Bei Ausbruch des Exanthems der Mutter 4(–7) Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt ist ein Exanthem beim Neugeborenen 6 – 12 Tage nach der Geburt zu erwarten. Der Verlauf ist beim Neugeborenen meist sehr schwer und ohne Therapie mit Aciclovir in einem Drittel der Fälle sogar letal (wegen fehlender Übertragung protektiver mütterlicher Antikörper auf den Fetus?). • Eine postnatale Infektion liegt vor, wenn das Exanthem frühestens 12 – 28 Tage nach der Geburt auftritt. Der Verlauf hängt vom Immunstatus der Mutter ab. Übertragene mütterliche Antikörper mildern den Krankheitsverlauf, sind aber 270









nicht voll protektiv. Hatte die Mutter Windpocken durchgemacht, ist der Verlauf beim Neugeborenen, wenn es überhaupt zur Infektion kommt, sehr blande. Hatte die Mutter keine Windpocken, ist der Verlauf schwerer. Selten sind schwere hämorrhagische Varizellen mit ausgeprägter Thrombozytopenie. • Ein Herpes Zoster einer Schwangeren hat für den Fetus keine Bedeutung, bei Herpes Zoster der Mutter unter der Geburt können beim Neugeborenen leichte Varizellen auftreten. Klinik: • Konnatales Varizellensyndrom (Varizellenembryopathie): – Dystrophie, hohe Letalität. – Ulzera und sternförmige Narben der Haut mit Pigmentierung. – Hypoplasie von Gliedmaßen, Fehlen von Fingern, wohl infolge einer nervalen Schädigung nach Infektion von Ganglienzellen. – Augenbefall mit Mikrophthalmie, Katarakt, Chorioretinitis, Horner-Syndrom, Nystagmus. – Krampfanfälle, Mikrozephalie, psychomotorische Retardierung. Wenige Kinder sind mental normal. – Sphinkterdysgenesie mit Blasenentleerungsstörungen. • Neonatale Varizellen: Der Verlauf ist je nach Infektionszeitpunkt sehr variabel: – Bei leichtester Ausprägung finden sich nur einzelne typische Varizelleneffloreszenzen (gleichzeitig Maculae, Papeln, Bläschen, Krusten) der Haut. – Mit Fieber breitet sich das Varizellenexanthem rasch aus und wird hämorrhagisch. Es kommt zur Infiltration sämtlicher Organe, Pneumonie mit respiratorischer Insuffizienz, Enzephalitis und Tod bei ca. 20 % der betroffenen Kinder. • Exogene (postnatale) Infektion: Der Verlauf ist beim reifen Neugeborenen meist leicht, bei Frühgeborenen v. a. < 28. SSW in den ersten 6 Lebenswochen u. U. sehr schwer. Diagnostik: • Klinische Symptomatik. • Erregernachweis aus Varizellenbläschen mit Immunfluoreszenz, ELISA oder PCR. Der Erregernachweis bei Kindern mit konnatalem Varizellensyndrom ist oft nicht möglich. • Serologisch können bei Varizellen 4 – 6 Tage nach Exanthembeginn IgM- und IgGAntikörper nachgewiesen werden (ELISA). • Differenzialdiagnose: Neonatale HSV-Infektion, Coxsackie-A-Infektion oder Impetigo durch Staphylokokken oder Streptokokken. Beim konnatalen Varizellensyndrom auch an andere konnatale Infektionen wie Röteln, Zytomegalie, Toxoplasmose etc. denken. Therapie: • Neonatale VZV-Infektionen können im Verlauf abgemildert werden, wenn sofort behandelt wird. • Indikation: Neugeborene mit schlechter Prognose wie: – Beginn der Erkrankung zwischen dem 5. – 10.(– 12.) Lebenstag. – Frühgeborene in den ersten 6 Lebenswochen. • Präparate: – Aciclovir 30(–45) mg/kg KG/Tag in 3 ED i. v. oder 60 – 80 mg/kg KG/Tag in 4 ED oral über 5 – 10 Tage. – Valaciclovir oral wäre wegen seiner besseren Resorption sinnvoller, ist aber für Neugeborene (noch) nicht zugelassen. Prävention/Impfung: • Aktive Impfung: Ein Lebendimpfstoff zum Schutz von Immundefizienten (Leukämie), seronegativem beruflich exponiertem Personal oder von Frauen vor (!) der Schwangerschaft steht zur Verfügung. • Passive Immunprophylaxe: Mit spezifischem Varicella-Zoster-Immunglobulin (VZIg) möglich. Prinzipien:

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• •



– Die Gabe ist nur effektiv, wenn sie innerhalb von 72 h nach Exposition erfolgt. Zu bedenken ist, dass Personen mit Varizellen schon 1 – 2 Tage vor und etwa 5 Tage nach Beginn des Exanthems infektiös sind. Falls möglich sollte der Immunstatus bestimmt werden, um das Immunglobulin nicht unnötig zu verabreichen. – Dosis: Je nach Präparat 1 – 2 ml/kg KG i. v. oder 0,2 – 0,5 ml/kg KG max. 5 ml i. m. – Es ist nicht bekannt, ob durch die Gabe von Varicella-Zoster-Immunglobulin an eine nicht immune, aber exponierte Schwangere oder an eine an Varizellen erkrankte Schwangere die Übertragung des VZV auf den Fetus vermieden werden kann. Indikationen nach Exposition: – Neugeborene, deren Mütter 4(– 7) Tage vor bzw. bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen erkrankt sind. – Frühgeborene bei negativer Windpocken-Anamnese der Mutter. – Frühgeborene < 28. SSW bzw. < 1000 g Geburtsgewicht in den ersten 6 Lebenswochen. – Zu erwägen ist die Gabe an Neugeborene, wenn sie in der unmittelbaren Postnatalzeit varizellenexponiert sind und die Mutter seronegativ ist. – Sinnvoll ist die Gabe von Varizellenimmunglobulin an Mütter, wenn eine Erkrankung in der Perinatalzeit vermieden werden soll. Eine Abruptio ist bei Varizellen während der frühen Schwangerschaft nicht a priori indiziert (fetales Risiko < 3 % und Erkrankung sonografisch erkennbar). Eine Prophylaxe mit Aciclovir 45 mg/kg KG/Tag ist bei exponierten Personen im Prinzip effektiv und verhindert den Ausbruch der Erkrankung, zumindest schwere Verläufe. Es ist unbekannt, ob sich die Übertragung von VZV auf den Fetus durch Aciclovir-Therapie der Schwangeren verhindern lässt. Die potenzielle fetale Toxizität von Aciclovir ist in Betracht zu ziehen. Indikation zur Isolation: – Immunkompetente Kinder bis 5 Tage nach Ausbruch des Exanthems. – Neugeborene von Müttern mit Varizellen während der Perinatalzeit für 28 Tage. – Kinder müssen nicht von Müttern getrennt werden. Stillen ist erlaubt. – Kinder mit konnatalem Varizellensyndrom müssen nicht isoliert werden.

Zytomegalie ▶ Grundlagen: Erreger ist das Zytomegalievirus (CMV). Die Infektion kann prä-, perioder postnatal erworben werden. ▶ Epidemiologie: • Die Zytomegalie ist in sozial schwächeren Bevölkerungsschichten häufiger als in sozial höheren Schichten. • 0,2 – 0,4 % der Neugeborenen sind bei Geburt infiziert. • Die CMV-Seroprävalenz bei Frauen zwischen 20 und 40 Jahren liegt um 40 – 50 %, bei Frauen aus niedrigeren sozialen Schichten bei 70 – 90 %. • Infektionsquellen sind Körpersekrete wie Vaginalsekret, Sperma, Urin, Speichel, Muttermilch, Tränenflüssigkeit sowie Blut und Blutprodukte. • Primärinfektion: – Bei 1 – 4 % der Schwangeren. Infolge einer Virämie kommt es dann in ca. 40 % zur Infektion des Fetus. – 5 – 10 % der nach einer mütterlichen Primärinfektion infizierten Neugeborenen sind klinisch manifest erkrankt und haben dann fast immer Spätschädigungen. – Fetale Schädigungen sind in jedem Schwangerschaftsmonat möglich, jedoch scheint der Verlauf der Infektion umso schwerer und die spätere Schädigung des Kindes umso größer, je früher in der Schwangerschaft die Infektion der Frucht eintritt. Die Transmissionsrate steigt mit steigendem Gestationsalter (35 % im 1., 40 % – 60 % im 2. und 75 % im 3. Trimenon). Umgekehrt ist die 272

Symptomatik bei zunehmendem Gestationsalter geringer, Infektion im 3. Trimenon verlaufen blande. • Rekurrierende mütterliche Infektion: – Ca. 1 % der Neugeborenen ist bei Geburt infiziert, in aller Regel jedoch asymptomatisch. – 5 – 15 % dieser infizierten Neugeborenen haben später mildere Symptome einer Zytomegalie: hauptsächlich Schwerhörigkeit und mentale Retardierung. Bei der Geburt kann die Exposition durch genitale Sekrete zur Infektion führen. • Sehr unreife Frühgeborene mit fehlenden protektiven Antikörpern können über CMV-haltige Muttermilch infiziert werden. ▶ Symptomatik: • Fehlbildungen sind bei der konnatalen Zytomegalie nicht überproportional gehäuft, sodass das CMV nicht als teratogen gilt. Gehäuft Frühgeburtlichkeit (bis zu 30 %). • Hepatomegalie: Ausgeprägt, bildet sich erst nach Monaten zurück. Transaminasen und (konjugiertes) Bilirubin sind erhöht. • Splenomegalie: Variabel von einer gerade eben tastbaren Milz bis zu gigantischer Vergrößerung. • Thrombozyten: Auf Werte zwischen 20 und 60/nl vermindert → Petechien (persistiert Wochen). • Hämolytische Anämie (tritt u. U. erst später auf), extramedulläre Blutbildung (blueberry muffins). • Enzephalitis → Störung der Gehirnentwicklung mit Mikrozephalie, neuronale Migrationsstörung, verzögerte Myelinisierung, evtl. intrazerebrale Verkalkungen. • Auge: Chorioretinitis, seltener Optikusatrophie, Mikrophthalmus, Katarakt, Verkalkungen in der Retina nach Nekrosen. Der Visus ist mehr oder weniger beeinträchtigt. • CMV-Pneumonie ist bei der konnatalen Zytomegalie eher selten, aber sehr häufig bei einer postnatal erworbenen Zytomegalie. • Zähne: Schmelzdefekte, führen oft zur ausgeprägten Karies. • Innenohrschwerhörigkeit: Sehr häufig (bis zu 60 %), tritt seltener (ca. 8 %) auch bei asymptomatischer Infektion auf. Die Schwerhörigkeit kann im Verlauf von Jahren erheblich zunehmen. • Fehlbildungen sind bei der konnatalen Zytomegalie nicht überproportional gehäuft, sodass das CMV nicht als teratogen gilt. ▶ Diagnostik: • Virusnachweis in Urin, Speichel oder postmortalem Leber- oder Lungengewebe. Möglichst innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Geburt, um eine konnatale Infektion zu beweisen (später könnte die Zytomegalie durch Infektion über Muttermilch oder Blut und Blutprodukte entstanden sein). – Im Urin wird CMV in hoher Konzentration ausgeschieden. Der Urin sollte bei 4 °C gekühlt ins Labor gebracht werden. DNA-in-situ-Hybridisierung oder CMV-PCR. Diese Virus-Nachweise beweisen nur die Infektion, nicht aber die Erkrankung! – Ein zytopathischer Effekt ist frühestens nach 24 h lichtmikroskopisch sichtbar. • CMV-Nachweis im eingetrockneten Blut von Stoffwechselscreening-Karten ist möglich. ▶ Cave: Die Karten werden in der Regel nur 3 Monate aufbewahrt. ■ • Der CMV-Nachweis gelingt früher, wenn das CMV-spezifische „early antigen“ nachgewiesen wird. Die Sensitivität dieser Methode liegt bei 80 – 90 %, die Spezifität bei 80 – 100 % bezogen auf die Zellkultur. • Antikörpernachweis von CMV-IgG-Antikörpern mit dem ELISA unterscheidet nicht zwischen kindlichen und übertragenen mütterlichen IgG-Antikörpern. Übertragene mütterliche Antikörper fallen nach 6 – 9 Monaten unter die Nachweisgrenze ab.

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

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11.4 Konnatale und perinatale Virusinfektionen

• Theoretisch würde der Nachweis von CMV-IgM-Antikörpern eine konnatale Zytomegalie beweisen, jedoch ist dieser Test häufig falsch negativ (Sensitivität um 70 %) und häufig falsch positiv. Das Fehlen von IgG- und IgM-CMV-Antikörpern im Nabelschnurblut schließt eine Zytomegalie weitgehend aus. • Ohne dokumentierte Serokonversion ist es fast unmöglich, zwischen primärer und sekundärer Infektion zu unterscheiden, da bei beiden ein 4-facher IgG-Titeranstieg mit IgM-Antikörpernachweis möglich ist. • CMV-IgM-Ak sind zur Bestimmung des Infektionszeitpunktes wertlos, da nicht alle Frauen (75 – 90 %) IgM-AK entwickeln und es andererseits über ein Jahr nach Primärinfektion und auch bei Reaktivierung/Reinfektion mit einem anderem CMV-Stamm nachweisbar sein kann. • Die Bestimmung der IgG-Avidität zusammen mit Mikroneutralisation Assays kann den Zeitpunkt der Infektion und damit das Risiko der in-utero-Transmission besser eingrenzen. Eine hohe anti-CMV-IgG-Avidität (> 65 %) weist auf eine Primärinfektion vor > 6 Monaten, eine niedrige (< 30 %) auf eine Primärinfektion innerhalb der letzten 2 – 4 Monate hin. In einer Studie war die Kombination von niedriger IgG-Avidität mit positivem CMV-PCR oder niedrigem IgG-Titer in maternalem Serum im ersten Trimester signifikant mit einer vertikalen Transmission assoziert. Diese Kinder benötigen eine sorgfältige Überwachung (s. u.). • Diagnostik bei V. a. CMV-Infektion bzw. Reinfektion in der Schwangerschaft vor dem 3. Trimenon: – Blutbild (Thrombozytopenie, Leukozytopenie). – Schädelsonografie. – Augenärztliche Untersuchungen. – Wiederholtes Hörscreening bis zum 6. Lebensjahr (BERA). – Urin für PCR, Blut (z. B. Screeningkarte) kann bei niedriger Viruslast falsch negativ sein. – Hörstörungen sind bei Infektion im 3. Trimenon nur in Einzelfällen berichtet. ▶ Therapie: Ganciclovir, Foscarnet und (zukünftig) Cidofovir sind verfügbar. • Ganciclovir ist teilweise effektiv bei einer CMV-Chorioretinitis, neurologischen Symptomen, Hörstörungen, Pneumonie, Gastroenteritis und bei immundefizienten Patienten. ▶ Cave: Toxizität der Substanz mit Leukozytopenie, Thrombozytopenie, Funk■ tionsstörungen von Leber, Niere und Gastrointestinaltrakt. Randomisierte Studien zum Wirkungsnachweis bei fetalen Infektionen fehlen derzeit, der Einsatz von Ganciclovir ist also auf wenige Einzelfälle mit besonders schwerem Verlauf, z. B. einer Pneumonie beschränkt. – Dosis: 12 mg/kg KG/Tag i. v. in 2 ED für 2 Wochen oder Valganciclovir 32 mg/ kgKG/Tag p. o. in 2 ED für 6 Wochen. Ganciclovir-Talspiegel von 0,5–1,0 mg/l und Spitzenspiegel von 7–9 mg/l werden angestrebt. – Therapie mit Valganciclovir über sechs Monate (evtl. sogar länger) bei Neugeborenen mit konnataler CMV-Erkrankung verringert die Progression von Hörstörungen und Entwicklungsdefiziten bis mindestens zum Alter von 2 Jahren. • Foscarnet und (zukünftig) evtl. Cidofovir i. v. sind therapeutische Alternativen. In einer Studie waren 16 mg/kg KG/Tag Valganiclovir p. o. vergleichbar mit der i. v. Ganciclovir-Therapie. Noch experimentell! • CMV-Hyperimmunseren sind zur Therapie einer konnatalen CMV-Infektion nicht etabliert. ▶ Prävention: • Eine sichere Prävention einer fetalen Zytomegalie ist nicht bekannt. Beruflich exponierte Frauen mit Kinderwunsch (Kinderkrankenschwestern/-pflegerinnen, Erzieherinnen) sollten besonders hygienisch mit Ausscheidungen (Urin, Stuhl, Speichel) von potenziell immer CMV-ausscheidenden Säuglingen und Kleinkindern umgehen (Händewaschen und Desinfektion).

• Grundsätzlich sollten bei Neu- und Frühgeborenen nur Leukozyten-depletierte Erythrozytenkonzentrate zur Transfusion verwendet werden, s. Kapitel Bluttransfusion und Blutprodukte (S. 335). Danach bieten diese einen ausreichenden Schutz gegen eine CMV-Übertragung. CMV-Hyperimmunserum zur Prävention einer transfusionsbedingten Zytomegalie ist obsolet. • Frühgeborene < 32. SSW können, da sie über keine protektiven Antikörper verfügen, durch CMV-haltige Mutter- bzw. Frauenmilch manifest infiziert werden. Die Viruslast der Muttermilch schwankt sehr, deswegen Testung der Muttermilch auf CMV nicht praktikabel. Pasteurisieren der Milch bei 65 °C für 30 min, besser 45 min (Anwärmzeit), reduziert die Infektiosität der Milch; s. Kapitel Enterale Ernährung (S. 178). Bei Frühgeborenen > 26 Wochen sind aber keine Spätschäden bekannt. ▶ Prognose: • 90 % der bei Geburt symptomatischen Neugeborenen weisen später mindere oder ausgeprägte Defizite auf. Das Risiko einer ausgeprägten mentalen und psychomotorischen Entwicklungsverzögerung und -störung ist erheblich. Viele Kinder sind lernbehindert. Das Sprachverständnis und die Sprechfähigkeit sind verzögert. • Bei 10 – 15 % der prä- und/oder perinatal infizierten Neugeborenen, die bei Geburt asymptomatisch erscheinen, werden bis zum 2. Lebensjahr Spätschäden wie Schwerhörigkeit, seltener Chorioretinitis manifest. • Eine Therapie mit Ganciclovir reduziert das Risiko einer progredienten Schwerhörigkeit [E3] und damit vielleicht auch das der neurologischen Spätschäden.

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11.5 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen

11.5 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen Hübner

Chlamydia trachomatis ▶ Epidemiologie: • Erreger urogenitaler Infektionen sind C. trachomatis der Serogruppen D – K. Die Übertragung erfolgt vor allem über sexuelle Kontakte. • Bis zu 30 % der Schwangeren haben Antikörper, der Erreger lässt sich im Zervixabstrich bei 5 – 10 % nachweisen. Bei Geburt kommt es in ca. 50 % zur Übertragung auf das Neugeborene. Bis zu 30 % der infizierten Neugeborenen erleiden eine Konjunktivitis, 20 % im späteren Verlauf eine Pneumonie. Da ein präpartales Screening und ggf. eine Behandlung erfolgt, sind Infektionen bei Neugeborenen selten geworden. ▶ Klinik und Verlauf: • C.-trachomatis-Konjunktivitis: Sie wird zwischen dem 5. und 14. Lebenstag manifest durch: – einseitiges Lidödem, Rötung und schleimig eitrige, selten hämorrhagische Absonderungen. – Die Conjunctiva palpebralis zeigt eine follikuläre Infiltration. – Protrahierter Verlauf, heilt aber meist folgenlos ab. • C.-trachomatis-Pneumonie: – Sie beginnt meist schleichend ohne Fieber mit Tachypnoe, Dyspnoe, Apnoen und mangelnder Gewichtszunahme. – Der Husten ist anfangs trocken, anfallsweise stakkatoartig, aber ohne die für Pertussis typische Inspiration, später feuchte Rasselgeräusche. – Der Verlauf ist protrahiert, meist leicht. Schwerere Verläufe mit Sauerstoffbedarf oder Beatmung sind selten. • Sonderformen: Etwa 50 % der Kinder haben eine begleitende Otitis media. Sehr selten sind schwere Verläufe mit Hepatitis, Hepatosplenomegalie, Gastroenteritis oder Myokarditis. 275

Infektionen

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11.5 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen

▶ Diagnostik: • Erregernachweis im Direktpräparat mittels Immunfluoreszenz oder durch PCR. • Antikörper können im IFT oder ELISA nachgewiesen werden. Da die Durchseuchung der Bevölkerung jedoch relativ hoch ist, hat dies diagnostisch keine Bedeutung. • Blutbild: Eosinophilie (ca. 50 %), IgG und IgM sind quantitativ erhöht. ▶ Therapie: • Pneumonie: Erythromycin 40 – 60 mg/kg KG/Tag in 3 ED i. v. oder oral je nach Situation (alternativ Clarithromycin) für mindestens 14 Tage. • Konjunktivitis: Systemische Therapie mit Erythromycin, da die Gefahr der deszendierenden Infektion besteht. Eine gleichzeitige lokale Applikation von Erythromycin (Salbe oder Tropfen) ist von fraglichem Nutzen. • Unwirksam sind Betalaktam-Antibiotika, Aminoglykoside, Chloramphenicol und Metronidazol. • Allgemeinsymptome wie Husten, Atemnot usw. werden symptomatisch behandelt. ▶ Prävention/Prophylaxe: • Screening der Mütter auf Infektion durch C. trachomatis und im positiven Fall Behandlung der Schwangeren mit Erythromycin (Empfehlungen zur Mutterschaftsvorsorge). • Die Credé-Prophylaxe mit Silbernitratlösung verhindert eine Chlamydien-Konjunktivitis nicht mit Sicherheit und wird nicht mehr empfohlen. • Eine nosokomiale Übertragung von C. trachomatis spielt keine Rolle. Eine Isolierung entfällt deswegen. ▶ Prognose: • Die Konjunktivitis hinterlässt keine Schäden. • Der Verlauf einer Pneumonie ist in der Regel blande. Selten sind schwere Verläufe mit Sauerstoffbedarf, evtl. sogar Beatmung. • Bei Frühgeborenen wurde über Todesfälle berichtet. • Eine Lungenfibrose aufgrund einer C.-trachomatis-Pneumonie ist nicht bewiesen.

Syphilis ▶ Synonym: Lues. ▶ Grundlagen: Der Erreger Treponema pallidum ist diaplazentar übertragbar. ▶ Epidemiologie: • Eine konnatale Syphilis ist heute in Mitteleuropa (Screening durch Mutterschaftsrichtlinien) sehr selten. ▶ Cave: Vorkommen bei Promiskuität, Drogenabhängigkeit und mangelnden Vor■ sorgeuntersuchungen. • Ein Primär- oder Sekundärstadium während der Schwangerschaft hat ein hohes Risiko einer konnatalen Syphilis. Die diaplazentare Übertragung ist in der Spätschwangerschaft am höchsten (bis zu 100 %). ▶ Klinik: • In 30 – 40 % spontaner Abort, Frühgeburt, Hydrops oder Totgeburt. • Überlebt das Neugeborene, so sind typische Symptome: – Fieber. – Makulopapulöse Effloreszenzen, Fissuren, Petechien, lamelläre Schuppung an den Händen. – Ikterus, Hepatosplenomegalie, Lymphknotenschwellungen. – Chronischer Schnupfen mit serös-blutiger Sekretion. – ZNS-Beteiligung mit Hydrozephalus, Krampfanfällen mit Pleozytose und Eiweißerhöhung. – Metaphysäre Osteochondritis mit Knochendestruktion.

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– Im Kleinkindesalter: Uveitis, Keratitis, Tonnenzähne, Sattelnase, Schwerhörigkeit, Hydrozephalus und Krampfanfälle sind typische Residuen einer konnatalen Infektion. – Anämie bzw. Thrombozytopenie sind häufig. ▶ Diagnostik: • IgG- und IgM-Antikörper des Kindes (Venen- nicht Nabelschnurblut) und der Mutter sollten immer im selben Labor mit identischen Methoden gemessen werden (Vergleich der Titerhöhe). • Screeningtest: Cardiolipin-Mikroflockungstest. • Spezifische Antikörper werden mit dem TPHA-Test (Treponema-pallidum-Hämagglutination) bzw. dem FTA-ABS-Test (fluorescence treponemal antibody-absorption) als Bestätigungstest nachgewiesen. • Diese Tests werden ca. 3 – 6 Wochen nach Beginn einer Infektion positiv. Im Verlauf ansteigende oder 4-fach höhere Titer als bei der Mutter beweisen die Infektion des Fetus. • Der Erreger kann in Haut- oder Schleimhautsekreten oder in Biopsien im Dunkelfeld oder fluoreszenzmikroskopisch nachgewiesen werden. • Lumbalpunktion bei Kindern mit V. a. konnatale Lues: Zellzahl, Eiweiß, Ak-Index, d. h. Vergleich der Titer von Liquor und Serum. Titer > 2,0 sprechen für ZNS-Beteiligung. ▶ Therapie: • Penicillin G: 200 000 – 250 000 IE/kg KG/Tag in 2 – 3 ED für 10 – 14 Tage. • Zu Beginn ist eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion mit Fieber etc. möglich. ▶ Prävention: Serologisches Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge.

11 Infektionen

11.5 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen

Offene Tuberkulose der Mutter (oder Verdacht) ▶ Diagnostik: ▶ Hinweis: Resistenztestung des mütterlichen Mykobakterienstammes ist extrem ■ wichtig! • Mendel-Mantoux mit 0,1 ml entsprechend 2 TU PPD-RT 23 beim Kind im Alter von 6 Wochen und später zum Nachweis oder Ausschluss einer Infektion. Eine Induration von > 10 mm gilt dann als positiv. Interferon Gamma Release Assays (IGRA, z. B. Quantiferon-Test oder ELISPOT) haben eine bessere Sensitivität und Spezifität, bei Neugeborenen liegen aber bisher wenig Erfahrungen vor, wobei vereinzelte Fallberichte über Neugeborene mit negativen Hauttest und positivem IGRA berichten. • Bei Verdacht auf Infektion: Röntgen-Thorax etc., Kultur und PCR von Magensaft. ▶ Therapie: • Normalerweise sollte bei Säuglingen und Kindern eine Tuberkulose mit einer Standard-Dreifachtherapie mit Isoniazid (INH 8–10 mg/kg KG in 1 ED), Rifampicin (RMP 15 mg/kg KG in 1 ED) und Pyrazinamid (PZA 30 mg/kgKG in 1 ED) für 2 Monate und anschließend mit einer Zweifachtherapie (INH und RMP) für weitere 4 Monate behandelt werden. Ausnahmen sind extrapulmonale, progressive und multiresistene Infektionen. ▶ Prävention (bei begründetem Verdacht oder Nachweis einer Exposition): • INH 10–15 mg/kg KG in 1 ED + Vitamin B6 10 mg/kg KG für 9 Monate (Transaminasen und Blutbild kontrollieren). • Bei V. a. oder Nachweis von INH-Resistenz der Mykobakterien Gabe von Rifampicin 10–20 mg/kg KG in 1 ED für 4 Monate. • Mundschutz, kein Stillen, Trennung von Mutter und Kind bei offener Tuberkulose der Mutter.

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11.5 Konnatale und perinatale bakterielle Infektionen

Ureaplasma urealyticum und Mycoplasma hominis ▶ Grundlagen: • Infektionen durch U. urealyticum oder Mycoplasma hominis führen bei Schwangeren zur Infektion des Amnions und bei sehr unreifen Frühgeborenen zu relativ blande verlaufenden, aber persistierenden Infektionen, die das Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie erhöhen. • Ureaplasma urealyticum ist nicht empfindlich gegen Betalaktamantibiotika. ▶ Epidemiologie: • Männer: Urogenitale Besiedelung mit Ureaplasmen bei ca. ⅓. • Frauen: Besiedelung assoziiert mit niedrigem sozialökonomischen Status, sexueller Aktivität, Anzahl der Sexualpartner und Einnahme oraler Kontrazeptiva. • Schwangere: Bis zu 80 % sind vaginal mit U. urealyticum und bis zu 50 % mit M. hominis besiedelt. • Die Übertragung auf Frühgeborene kann in utero über intakte Membranen, bei vorzeitigem Blasensprung, bei Sectio oder bei vaginaler Geburt erfolgen. 50 % der mit Ureaplasmen besiedelten Müttern übertragen diese auf ihre Neugeborenen, bei Frühgeborenen sogar in bis 80 % der Fälle. Ureaplasmen persistieren bei Neugeborenen in Schleimhaut und Haut in bis zu 10 %. ▶ Klinik: • Eine aszendierende Infektion durch U. urealyticum oder M. hominis kann in der Frühschwangerschaft zum Abort führen. • Eine Chorioamnionitis kann zum vorzeitigen Blasensprung und zu Frühgeburtlichkeit führen. • Während Neu- und Frühgeborene > 32. SSW kaum je Infektionssymptome aufweisen, sind diese bei unreifen Frühgeborenen gehäuft. • Die häufigste klinische Manifestation ist eine Pneumonie. Nachweis von U. urealyticum oder M. hominis im Trachealsekret bei Frühgeborenen mit radiologisch erkennbaren Infiltraten, Leukozytose, Granulozyten im Trachealsekret. Viele Frühgeborene müssen längere Zeit beatmet werden. Infektionen durch diese Erreger tragen damit erheblich zur Entstehung einer bronchopulmonalen Dysplasie bei. • Selten sind Infektionen des ZNS mit Pleozytose mononukleärer Zellen und Symptomen einer Meningitis oder Enzephalitis. ▶ Diagnostik: • Zervixabstrich oder Abstrich von Amnionflüssigkeit bei der Schwangeren bzw. Trachealsekret, Rachen-, Ohr-, Vaginal- oder Rektalabstrich des Frühgeborenen. Auf Spezialmedien innerhalb weniger Stunden in Labor verschicken. • Ein PCR-Nachweis der Erreger ist verfügbar. ▶ Therapie: • Ureaplasmen sind meist empfindlich gegen Erythromycin, Clarithromycin und Chloramphenicol. Ein Sensitivitätstest ist in Speziallabors verfügbar. • Ein Therapieversuch erscheint plausibel bei beatmeten Frühgeborenen mit Erregernachweis aus dem Trachealsekret oder bei Nachweis der Erreger im Liquor und bei entzündlichen Liquorveränderungen. • Pneumonie: Clarithromycin (20 mg/kgKG/Tag in 2 ED für 10 Tage) scheint Erythromycin (40 mg/kg KG/Tag in 4 ED über 60 min für 14 Tage) aufgrund von Resistenzen überlegen zu sein. ▶ Beachte: Kardiotoxizität mit Herzrhythmusstörungen nach rascher i. v. Erythro■ mycingabe bei Frühgeborenen wurde beobachtet. Ein Therapieeffekt bei Frühgeborenen ist bislang nicht erwiesen. • Meningitis: Chloramphenicol in der altersentsprechenden Dosierung. ▶ Prävention: Es ist nicht belegt (obwohl praktiziert), dass eine Gabe von Erythromycin oder Clarithromycin an besiedelte Schwangere mit vorzeitigen Wehen die Rate der Frühgeburtlichkeit senkt.

11.6 Weitere konnatale Infektionen Hübner, Roos

Toxoplasmose ▶ Grundlagen: Erreger ist das Protozoon Toxoplasma gondii. ▶ Epidemiologie: • Die Seroprävalenz steigt mit dem Lebensalter (pro Jahr um ca. 1 %). Entsprechend liegt die Inzidenz einer Erstinfektion in der Schwangerschaft bei 1– 1,3 %. • Bei Frauen um das 20. Lebensjahr liegt sie in Mitteleuropa bei ca. 30 % und steigt auf ca. 50 % bei den 40-Jährigen. • Bei Erstinfektion der Mutter (ca. 50–70 % der Frauen im gebährfähigen Alter haben keine Antikörper) verläuft diese meist symptomlos oder als grippaler Infekt mit Fieber, Kopfschmerzen, evtl. Lymphknotenschwellungen. Die Infektion führt zur lebenslangen Persistenz des Erregers in sogenannten Bradyzoiten vor allem im Zentralnervensystem. Nur bei der Erstinfektion kommt es zur Parasitämie und damit zur Gefährdung des Fetus. Ausnahme: AIDS der Mutter (S. 261) oder anderer schwerer sekundärer Immundefekt. • Das fetale Infektionsrisiko ist abhängig vom Stadium der Schwangerschaft bei Erkrankung: – Im 1. Trimenon ca. 15 %. – Im 2. Trimenon etwa 45 %. – Im 3. Trimenon in 70 %. • Haupt- und Zwischenwirt ist die Katze. Katzen (oft junge) scheiden 2 – 4 Wochen nach einer Primärinfektion in großen Mengen Oozyten im Kot aus. • Bedeutender für die Infektion des Menschen ist der Genuss von rohem und ungenügend gegartem Fleisch (z. B. Salami, Mettwurst) oder die Infektion bei Gartenarbeiten. • Die Inzidenz von prä natalen Infektionen mit Toxoplasma gondii liegt zwischen 0,12 und 3 Promille. Schätzung des RKI: 1.279 foetale Infektionen mit 345 symptomatischen Neugeborenen/Jahr in BRD ▶ Klinik: • Die Schwere der klinischen Symptomatik des Neugeborenen hängt vom Zeitpunkt der Infektion und vom Ausmaß der Parasitämie ab. Je später die Infektion des Fetus eintritt, desto blander ist die Symptomatik. • Ca. 80 % der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asymptomatisch. Strabismus, Retinochorioiditis, Taubheit, psychomotorische Retardierung oder Epilepsie werden oft erst Monate bis Jahre (z. T. erst 20 Jahre) nach der Geburt erkennbar. • Symptomatische Infektion mit der (klassischen) Trias (nur in ca. 2 % der Fälle): – Enzephalitis mit intrazerebralen Verkalkungen, Hydrozephalus, und Krampfanfällen. – Chorioretinitis: Sie kann Monate bis Jahre später rezidivieren. – Hepatomegalie: u. U. mit Ikterus. – Häufig sind uncharakteristische Symptome wie Hypotrophie, Ikterus, Trinkschwäche und zerebrale Krampfanfälle. • Schwerer Verlauf: Bei Geburt bestehen ein makulopapulöses Exanthem, eine generalisierte Lymphknotenschwellung, Thrombozytopenie und Hepatosplenomegalie. • Einige Feten sterben bereits intrauterin ab, vor allem bei Infektion im 1. Trimenon. ▶ Diagnostik bei der Mutter: • Die Diagnose „Toxoplasmose“ wird serologisch gestellt. Im Zweifelsfall Klärung mit Referenzlabor. Normalerweise treten 10 – 14 Tage nach einer Primärinfektion IgG- und IgM-Antikörper gegen Antigene von Tachyzoiten, später auch Bradyzoiten auf.

11 Infektionen

11.6 Weitere konnatale Infektionen

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11.6 Weitere konnatale Infektionen

• Toxoplasmose-Screening: Sollte spätestens in der Frühschwangerschaft durchgeführt werden und wird nur bei begründetem Verdacht auf eine Infektion von den Krankenkassen erstattet (IGeL). Es wird sowohl auf spezifische ToxoplasmaGesamt- als auch auf IgG-Antikörper gescreent (IgG-EIA, IFT, DA, SFT). Zeigt der Toxoplasma-Gesamt-Test (IgG- und IgM-Antikörper) ein negatives Ergebnis, kann eine Infektion ausgeschlossen werden und der Suchtest sollte nach Ablauf von 8 – 12 Wochen wiederholt werden. • Bei positivem Screening Test erfolgt der Nachweis von IgM-Antikörpern mittels ELISA und Immunosorbent-Agglutinationstest (ISAGA). Fällt dieser Test negativ aus, kann von einer inaktiven, für die bestehende Schwangerschaft nicht relevanten, Toxoplasma-Infektion ausgegangen werden. Weitere Untersuchungen sind nicht erforderlich. • Bei positivem IgM-Nachweis muss durch weitere Abklärungsverfahren eine aktive von einer inaktiven oder abklingenden Infektion mit persistierenden IgM-Antikörpern abgegrenzt werden. Gelingt mit den verfügbaren Abklärungsverfahren aus demselben Serum die Bestimmung des Infektionsstadiums nicht, so ist mindestens ein Folgeserum im Abstand von ca. 14 Tagen zu untersuchen, wobei ein 4-facher Titeranstieg (oder eine signifikante Konzentrationszunahme) in einem der Tests zum Nachweis von IgG- oder IgM-Antikörpern eine frische Infektion einer Schwangeren beweist (ggf. Rücksprache mit Referenzlabor). • IgM-Antikörper persistieren bei Toxoplasmose u. U. jahrelang → nur etwa jeder 10. IgM-Befund bei einer Schwangeren deutet auf eine frische Infektion hin. Zur weiteren Abklärung können die Avidität von IgG-Antikörpern, die IgA-Antikörperbestimmung, der Immunoblot und quantitative Untersuchungsverfahren angewendet werden. Der Nachweis von IgA-Antikörpern folgt etwa 1 – 3 Wochen später. Ca. 3 – 8 Wochen nach der Infektion ist das Maximum der Titerhöhe bzw. Konzentration erreicht. ▶ Diagnostik beim Kind: • Gesicherte Primärinfektion der Schwangeren: In fetalem Blut kann ab der 22. SSW. nach spezifischen IgM- und IgA-Antikörpern gesucht werden. Allerdings sind bei einer fetalen Infektion nur in ca. 40 % IgM-Antikörper nachweisbar. Wesentlich verlässlicher ist der PCR-Nachweis von Toxoplasmen in Fruchtwasser und Fetalblut. • Nach Geburt eines potenziell infizierten Kindes: – Körperlichen Status erheben (Hepatosplenomegalie etc.). – Neurologische Untersuchung des Kindes, Sonografie des Gehirns. Bei auffälligen Befunden Lumbalpunktion mit Messung von Eiweiß, Glukose, Zellzahl und -differenzierung, PCR-Test auf Toxoplasmen. – Augenärztliche Untersuchung zum Ausschluss einer Chorioretinitis. – Hörprüfung mit OAE + BERA. – Serologische Untersuchung auf IgG-, IgM- und IgA-Antikörper. Falls positiver Ak-Nachweis Speziallabor: IgG-Aviditätstest, Vergleich IgG Profil Mutter/Kind. – Parasitennachweis in Nabelschnurblut, Plazentagewebe, Nabelschnur, ggf. Liquor durch PCR oder Mäuseinokulationstest sollte angestrebt werden. • Serologische Verlaufsuntersuchungen alle 6 – 8 Wochen (z. B. zu jeder Vorsorgeuntersuchung), bis keine mütterlichen IgG-Antikörper mehr vorhanden sind. Dies dauert u. U. mehr als 12 Monate. • Als Nachweis einer pränatalen Infektion und Behandlungsindikation gelten: – Klinische Symptomatik (s. o.) – Serologie s. Tab. 11.7. ▶ Beachte: Für alle Labornachweise einer pränatalen Toxoplasmose besteht eine ■ nicht namentliche Meldepflicht.

11.6 Weitere konnatale Infektionen

Infektionen

Tab. 11.7 • Serologischer Nachweis einer pränatalen Toxoplasmoseinfektion.

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– IgM-Antikörper im Enzymimmunoessay oder ISAGA und/oder – hohe Titer (≥ 1:4 096) bei IgG-Tests wie dem indirekten Immunfluoreszenz-Test – IgA-Antikörper – geringe IgG-Avidität (V. a. akute Infektion), hohe IgG-Avidität (V. a. latente Infektion) – Persistenz eines Titers von 1:1024 im indirekten Immunfluoreszenztest über den 6. Lebensmonat hinaus – jeder persistierende Ak-Nachweis > 12 Monate postnatal – das Fehlen von IgM-Ak bzw. ein IgG-Titer ≤ 1:256 im indirekten Immunfluoreszenztest lassen eine konnatale Infektion unwahrscheinlich erscheinen

▶ Therapie: • Bei Verdacht oder Nachweis einer frischen Toxoplasmoseinfektion einer Schwangeren: – Therapie sofort beginnen → reduziert das fetale Infektionsrisiko um 50 %, falls Therapie < 4 Wochen nach Infektion beginnt. – Bis zum Ende der 15. SSW Spiramycin 3,0 g/Tag in 2 – 4 ED (6 Mio IE = 8 Filmtabl. in 2 oder 4 ED). Von Spiramycin ist keine Teratogenität beschrieben, es reichert sich in der Plazenta an. – Ab der 16. SSW Therapie über 4 Wochen mit: Sulfadiazin 50 mg/kg KG/Tag bis 4,0 g p. o. in 4 ED und Pyrimethamin 50 mg am 1. Tag, 25 mg an den Folgetagen in 1 ED und Folinsäure (Lederfolat) 10 – 15 mg/Tag p. o. – Wöchentlich Blutbildkontrollen zur Überwachung der Hämatopoese. – Bei allergischen Reaktionen Sulfadiazin durch Spiramycin ersetzen. • Bei jedem Verdacht auf eine Infektion eines Neugeborenen: – Therapiebeginn, auch wenn die Infektion asymptomatisch oder subklinisch erscheint, sofern keine Behandlung während der Schwangerschaft stattgefunden hat. – Bei konsequent behandelter Primärinfektion während der Schwangerschaft und fehlenden klinischen Infektionszeichen beim Neugeborenen kann bis zur Klärung des Infektionsverdachtes mit der Therapie des Neugeborenen gewartet werden. – Therapie s. Tab. 11.8. – Clindamycin kann bei allergischen Reaktionen alternativ eingesetzt werden, erreicht hohe Konzentrationen im Auge bei Chorioretinitis. – Bei Chorioretinitis und Enzephalitis mit hohem Eiweiß im Liquor (> 1 g/dl) zusätzlich Prednisolon 2 mg/kg KG/Tag bis zum Abklingen der floriden Entzündung. – Therapiekontrolle: Blutbild bzw. bei Sulfonamidtherapie Urin (Kristallurie, Hämaturie). Tab. 11.8 • Medikamente und Dosierungen zur Therapie der Toxoplasmose. Pharmakon

Dosierungen

Dauer in Wochen

Pyrimethamin

1 mg/kg KG/Tag als Einzeldosis

6

(50)– 100 mg/kg KG/Tag in 2 Dosen

6

2 × 5 mg/Woche bei Knochenmarktoxizität (Retis ↓) bis 10 mg/ED bis 3 × /Woche

6

+ Sulfadiazin + Folinsäure

4 Wochen Therapiepause erneute Therapie (s. o.) / Pause im Wechsel für 6 Monate bis 1 Jahr

281

Infektionen

11

11.6 Weitere konnatale Infektionen

▶ Cave: Auch bei infizierten Kindern fallen unter Therapie die Ak-Titer zunächst ■

ab (Abfall der übertragenen mütterlichen Antikörper und supprimierte kindliche Immunantwort unter Therapie). Nach Absetzen der Therapie steigen die Ak-Titer dann an. ▶ Prävention: Wichtigste Maßnahme ist die Prophylaxe während der Schwangerschaft: Alle Schwangeren sollen nach den Mutterschaftsrichtlinien in der Frühschwangerschaft darüber informiert werden. • Kein rohes oder halbgares Fleisch oder Wurstwaren wie Salami und Mettwurst essen. Besonders Schweine-, Lamm und Ziegenfleisch gelten als problematisch. • Früchte und Gemüse gründlich waschen. • Bei Gartenarbeit Handschuhe tragen, bei Fleischzubereitung und vor dem Essen Hände waschen. • Katzenpflege und Reinigung der Katzentoiletten durch andere Personen. ▶ Merke: Die Mutter kann bei Infektion stillen. ■ ▶ Verlauf und Prognose: Auch bei scheinbar asymptomatischen Neugeborenen kann noch Monate und Jahre später ein Rezidiv einer Chorioretinitis eintreten. Dies kann auch nach konsequent durchgeführter Therapie im 1. Lebensjahr vorkommen → regelmäßige augenärztliche Kontrollen sind deswegen indiziert.

Mykosen ▶ Grundlagen: Infektionen durch Pilze bei Neugeborenen betreffen hauptsächlich Haut und Schleimhäute. Invasive Pilzinfektionen kommen fast nur bei Frühgeborenen nach längerer Intensivtherapie und antibiotischer Therapie vor. ▶ Epidemiologie: • Konnatale Pilzinfektionen werden vorwiegend durch Candida albicans verursacht → aszendierende Infektionen aus der Vagina, begünstigt durch einen vorzeitigen Blasensprung, Amnioskopie, Cerclage oder antibiotische Therapie der Mutter. • Nosokomiale Pilzinfektionen sind dagegen häufiger. – Infektionsquellen: Personal, Geräte oder Pflegeutensilien. – Disponierend sind extreme Unreife, parenterale Ernährung mit Fettinfusionen, zentrale Verweilkatheter, Beatmung, Antibiotikatherapie oder die Gabe von Kortikosteroiden. – An erster Stelle der Pilzinfektionen stehen Candida albicans, seltener sind andere Candida-Arten wie C. parapsilosis, C. glabrata, C. tropicalis und C. krusei. – Infektionen durch Aspergillen stellen dagegen eine Rarität dar und betreffen nur extrem unreife Frühgeborene nach längerer Intensivtherapie, Antibiotikagabe und evtl. chirurgischen Eingriffen. ▶ Klinik: • Soor: Häufigste Candida-Infektion der Haut bzw. Schleimhaut → weißliche Beläge mit rötlichem Hof, die bei Berührung bluten können. Im Windelbereich vesikulopustulöse, manchmal nur papulöse Effloreszenzen, die konfluieren können. • Konnatale Pilzinfektion: Die Haut kann übersät sein von milienartigen, manchmal stecknadelkopfgroßen Pusteln mit rotem Hof. Besteht die Infektion intrauterin etwas länger, kann es zur Invasion und konnatalen Candida-Sepsis mit Absiedelung des Erregers in allen Organen kommen. Diese Verlaufsform kann letal enden. • Candida-Sepsis: – Die Symptome entsprechen denen einer bakteriellen Infektion (Tab. 11.1). Ausgangsherd meist Haut, Schleimhäute, Lunge oder Gastrointestinaltrakt, häufig assoziiert mit Fremdkörpern und langandauernden Breitspektrumantibiotikatherapien. – Beginn eher schleichend. – Typisch: Labilität der Körpertemperatur – häufig Hypothermie, Blutdruckabfall, Zentralisation, Hypotonie, Apathie und Thrombozytopenie. 282

– Organinfektionen sind Meningitis, Nephritis, Osteomyelitis, septische Arthritis, pneumonische Infiltrate oder Endophthalmitis etc. – Die Symptomatik richtet sich nach dem Organbefall. Bei der Meningitis überwiegen im Liquor mononukleäre Zellen, die Liquorglukose ist vermindert, das Eiweiß erhöht. ▶ Diagnostik: • Die Diagnose einer Kandidose von Haut bzw. Schleimhäuten erfolgt klinisch. Ein Erregernachweis bestätigt lediglich die klinische Diagnose und ist per se nicht beweisend, da Candida zur Normalflora gehört. • Typisch für eine Candida-Sepsis eines Frühgeborenen ist oft der protrahierte klinische Verlauf mit Thrombozytopenie, aber ohne Verbrauchskoagulopathie, evtl. Hyperbilirubinämie und Glukoseintoleranz. • Erregernachweis in der Blutkultur kann schwierig sein, da die Kandidämie intermittierend auftreten kann. Hefen sind in normalen Blutkulturmedien aber gut nachzuweisen. • Candida-Nachweis im Trachealsekret ist schwierig zu interpretieren (Klinik?!) • Ein Candida-Nachweis im durch suprapubische Punktion gewonnenen Urin ist stark verdächtig auf eine invasive Infektion. Sonografisch Nierenbefall nachweisen/ausschließen! • Mikroskopischer Nachweis von Hyphen im Urin (auch Spontanurin) oder Liquor weist auf eine invasive Infektion hin. Der Candida-Antigen-Nachweis hat eine geringe Sensitivität und Spezifität und ist deswegen obsolet. Candida-AntikörperNachweis ist diagnostisch nicht verwertbar. ▶ Therapie bei Haut- oder Schleimhautbefall: Lokal Suspensionen, Gels, Cremes oder Salben mit Nystatin, Miconazol oder Amphotericin B. Bei Mundsoor sind Gels (z. B. Daktar-Gel) wegen ihrer längeren Persistenz in der Mundhöhle effektiver als Suspensionen. ▶ Therapie bei systemischen Infektionen: Entscheidend ist die sofortige Entfernung von Fremdkörpern, die sowohl als Ursache wie auch für eine sekundäre Besiedlung bei Fungämien eine Rolle spielen. Im Gegensatz zu allen anderen Altersklassen wird bei Neugeborenen weiterhin zur empirischen Therapie einer Pilzinfektion primär konventionelles Amphotericin B empfohlen, das ein breites Spektrum gegen die meisten Candida-Spezies aufweist. Nephrotoxizität ist die wichtigste Nebenwirkung und regelmäßige Creatinin-, Harnstoff-, Kalium-, Mg-, Leberwert- sowie BlutbildKontrollen sind unter Therapie notwendig. • Amphotericin B: – Dosis: Initial 0,5 mg/kg KG/Tag in 1 ED über 4 – 6 h, bei NG keine Testdosis notwendig. – Dosis ggf. steigern bis 1 (bzw. maximal 1,5) mg/kg KG/Tag. – Nebenwirkungen wie Schüttelfrost, Fieber, Hypotension sind bei Frühgeborenen meist gering. – Eine Alternative stellt liposomales Amphotericin B dar. Die Dosis ist hier höher: 3 –5 mg/kg KG/Tag über 30 – 60 min. – Bei Verdacht auf ZNS-Befall ggf. Kombination mit Flucytosin in einer Dosis von 60 –80 mg/kg KG/Tag in 1 – 2 ED i. v. (sehr gute Liquorgängigkeit bei signifikanter allgemeiner Toxizität). • Fluconazol: – Gut wirksam ist Fluconazol bei systemischer Infektion, bei ZNS-Infektionen und bei Nierenbefall sowie schwerem therapieresistentem Schleimhautbefall durch empfindliche Erreger (alle C. albicans); primär resistent ist C. krusei. Eine sekundäre Resistenz kann auftreten bei C. glabrata. – Dosis: Initial 12 mg/kg KG p. o. oder i. v., dann 6 mg/kgKG in 1. und 2. LW alle 2-3 Tage.

11 Infektionen

11.6 Weitere konnatale Infektionen

283

Infektionen

11

11.7 Versand von Untersuchungsmaterial

• Echinocandine (Caspofungin oder Micafungin): – Gut wirksame und nebenwirkungsarme Substanzgruppe, die sowohl bei Candida albicans und Non-albicans-Candida als auch bei Aspergillus wirksam ist. Caspofungin ist für Kinder > 12 Monate zugelassen, Micafungin auch für Neugeborene, „wenn andere Antimykotika nicht angemessen sind.“ – Dosis bei Caspofungin 1–2 mg/kgKG i. v. 1 ED, für Micafungin 10 mg/kgKG i. v./Tag ▶ Therapiedauer je nach klinischer Symptomatik: • Bei komplizierter Infektion (Organmanifestation wie z. B. Pneumonie, Osteomyelitis, Meningitis, Endophthalmitis) mind. 3 Wochen. • Bei (unkomplizierter) katheterassoziierter Candidämie mindestens 10 Tage nach der 1. negativen Blutkultur, falls der infizierte Katheter gezogen wurde (regelmäßige Blutkulturkontrollen!). Die Sterilisation eines kolonisierten Katheters durch systemische antimykotische Therapie ist extrem unwahrscheinlich. • Ophthalmologische Kontrolle zum Ausschluss einer Candida-Endophthalmitis. ▶ Prävention: • Wichtigster Risikofaktor sind lange und breite Antibiotikatherapien sowie Fremdkörper und parenterale Ernährung (v. a. intravenöse Lipide). Bei Gabe von Antibiotika kann zur Suppression der Pilzbesiedelung die orale Gabe von Nystatin oder Amphotericin B in Erwägung gezogen werden. • Weitere Pilzinfektionen wie Aspergillose, Mucor siehe einschlägige Fachliteratur (DGPI-Handbuch; Remington Klein). • Inwieweit Aspergillosen bei Früh- und Neugeborenen unterdiagnostiziert sind, ist offen.

11.7 Versand von Untersuchungsmaterial Franz, Hübner

Zum Antikörpernachweis ▶ Es wird je Untersuchung mindestens 0,2 ml Serum benötigt, d. h. ca. 0,5 ml Blut.

Zur Virusisolierung ▶ Wenn das Material innerhalb von 12 h im Labor eintrifft, ist keine Kühlung erforderlich. ▶ Transport länger als 12 h: Versand bei 4 °C. Nie einfrieren (gilt besonders für CMV). ▶ Hepatitis-C-RNA-Nachweis: Blut muss sofort zentrifugiert werden, nur Serum darf eingeschickt werden. ▶ Abstriche möglichst feucht halten, möglichst zellreiches Material. Bei VZV oder HSV kann Bläscheninhalt in 1-ml-Spritze punktiert und verschickt werden. • Dauert der Transport > 12 h, muss ein Virustransportmedium verwendet werden. ▶ PCR möglichst vorher telefonisch absprechen. Nur trockene Abstriche verwenden. ▶ Wichtig sind klinische Angaben auf dem Anforderungsschein. ▶ Bedenke: Bei unklarem Fieber, Durchfall, Meningoenzephalitis, Kardiomyopathie: ■ An Enterovirusinfektionen (Coxsackie, ECHO, Polio) denken. Labor informieren!

Zum Nachweis bakterieller Erreger ▶ Blutkultur: • Möglichst 1 ml Blut/10 ml Medium. • Möglichst unmittelbar vor Beginn einer antibiotischen Therapie. • Anaerobe Blutkultur v. a. bei NEC, intraabdominalen Infektionen (leider gibt es keine FG-geeigneten Blutkulturflaschen für Anaerobier). ▶ Abstriche: • direkte Einsendung von Material (z. B. Eiter, Biopsiematerial) immer besser als Abstrich-Tupfer, wenn genügend Material vorhanden. 284

• Kontakt mit Desinfizientien vermeiden. • Normale Besiedlung bei Bewertung der Abstrichkultur berücksichtigen. • Abstrich feucht halten (Transportmedium), bei Zimmertemperatur ins Labor bringen. ▶ Liquor: • In steriles Röhrchen tropfen lassen. • Sofort bei 37 °C ins Labor bringen. • Falls längerer Transport oder Lagerung erforderlich, ggf. in Blutkulturmedium spritzen. ▶ Urin: • In praxi wird meist zunächst Beutelurin untersucht. Hohe Kontaminationsgefahr! • Besser und anzustreben ist die suprapubische Punktion. • Transport gekühlt bei + 4 °C ins Labor. Keine Borsäure-haltigen Transportmedien verwenden! ▶ Stuhl: • Je eine erbsengroße Menge für Virus- und bakteriologische Diagnostik. • Möglichst schnell gekühlt ins Labor bringen. • Salmonellenverdacht Labor mitteilen. In der Regel antibiotische Therapie erforderlich.

11 Infektionen

11.8 Impfempfehlungen für Frühgeborene

11.8 Impfempfehlungen für Frühgeborene Mihatsch

Vorbemerkung ▶ Für Frühgeborene gelten unabhängig von Reifealter und aktuellem Gewicht dieselben Impfempfehlungen wie für reifgeborene Kinder. Sie sind entsprechend ihrem chronologischen Alter und nicht entsprechend dem korrigierten Alter zu impfen, siehe STIKO-Richtlinien, www.rki.de (Epidemiologisches Bulletin 36/2014, jährliche Aktualisierung). ▶ Da sehr kleine Frühgeborene (v. a. < 1500 g) auch ohne BPD gehäuft pathologische Befunde bei Lungenfunktionsuntersuchungen aufweisen, sind sie im 1. Lebensjahr besonders durch Pertussisinfektionen gefährdet und daher sollte möglichst frühzeitig, d. h. im Alter von 2 Monaten, mit den Impfungen begonnen werden. ▶ Empfohlene Impfungen ab dem chronologischen Alter von 2 Monaten sind: Tetanus (T), Diphtherie (D), Pertussis (aP), Haemophilus influenza Typ B (Hib), Hepatitis B (HepB), Polio (P), und Pneumokokken. Im chronologischen Alter von 11–14 Monaten soll die erste Impfung gegen Mumps, Masern, Röteln, Varizellen und Meningokokken erfolgen. ▶ Rotavirus-Impfung: Bei Frühgeborenen besteht ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Rotavirus-Gastroenteritiden. Die praktische Umsetzung der Rotavirus-Impfung ist problematisch und bei vielen sehr kleinen Frühgeborenen nicht möglich. Da diese Lebendimpfung zur Ausscheidung von Impfviren führt, gefährdet sie potenziell durch mögliche horizontale Transmission andere stationäre Kinder, sodass die American Academy of Pediatrics von der Impfung während des stationären Aufenthaltes abrät. Die Impfung solle deshalb möglichst am Tag der Entlassung oder direkt danach vom Kinderarzt durchgeführt werden. Da die Impfserie aber im Alter von 42–84 Tagen begonnen werden sollte (in den USA bis 104. Tag), sind viele sehr kleine Frühgeborene bei Entlassung bereits zu alt. Cave: Das Füttern von Muttermilch 1 h vor bis 1 h nach der Impfung gefährdet den Impferfolg. Impfen während des stationären Aufenthaltes erfordert eine sorgfältige Güterabwägung unter Berücksichtigung der hygienischen Gegebenheiten. Möglicherweise ist die Rotavirus285

Infektionen

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11.8 Impfempfehlungen für Frühgeborene















286

Impfung mit einem gehäuften Auftreten intestinaler Invaginationen in der 1. Woche nach der 1. Impfung assoziiert (1–2 Fälle pro 100 000 geimpfte Kinder). Sehr kleine Frühgeborene (geboren vor der vollendeten 28. Schwangerschaftswoche) sind nach der 1. Impfung (6-fach-Impfung zusammen mit Pneumokokkenimpfung) für 48–72 h stationär zu überwachen, da bei Geimpften Apnoen oder Bradykardien auftreten können – die Datenlage ist aber unbefriedigend (http://www. gnpi.de/pdf/IK_SN_Apnoen_Endversion_250 708.pdf). Sollten nach der Impfung erstmals oder erneut Apnoen und/oder Bradykardien aufgetreten sein, ist für die 2. Impfung eine adäquate Überwachung der Atmung (und ggf. Herzfrequenz) für 48–72 h sicherzustellen, vorzugsweise im Rahmen einer vorübergehenden Hospitalisation. Analog ist bei Apnoen oder Bradykardien nach der 2. Impfung zu verfahren. Vorgehen: • Aufklärung der Eltern, Einverständnis einholen und mit Datum dokumentieren. • Impfdokumentation in Kurve, Impfpass und Arztbrief. Kontraindikationen abklären. Generell gilt: keine Impfung • bei akuter Erkrankung (z. B. Infektion mit Temperatur > 38,5 °C). • bei Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffes. • 3 Tage vor oder nach größeren operativen Eingriffen. Impfung mit Totimpfstoffen kann durchgeführt werden bei: • banalen Infektionen. • Krampfanfällen in der Familie. • chronischen Erkrankungen sowie nicht progredienten Erkrankungen des ZNS. • angeborenen und erworbenen Immundefekten. • gleichzeitiger Gabe von Blut- und Plasmaprodukten, sowie von Immunglobulinen. • niedrige (< 1 mg/kgKG/d) Dosen oder lokaler Anwendung von Kortikosteroiden. Praktische Hinweise: • Impfbeginn: Im Alter von 2 Monaten (z. B. 56 Tagen). • Impfort: Anterolateraler Oberschenkel. • Mindestabstand zwischen den ersten 3 Impfungen: 4 Wochen. • 6-fach-Kombinationsimpfung: D, T, aP, Hib, IPV, Hep B (3 × im 1. Lebensjahr). • Pneumokokken bzw. Meningokokken: Nur Konjugatimpfstoff ist unter 2 Jahren wirksam. • Pneumokokkenimpfung parallel zur 6-fach-Kombinationsimpfung ist möglich. Für Meningokokkenimpfung gesonderter Impftermin. • 2 Injektionen zeitgleich durch 2 Personen an je einem Oberschenkel durchführen: Erspart Schmerz! Impfstoff handwarm applizieren! • Ein paar Tropfen 10 %ige Glukose auf die Zunge oder den Schnuller wirkt schmerzstillend! Zumindest zeigen die Kinder weniger Schmerzsymptome. • Wichtig: Impfstoff tief intramuskulär injizieren! • Bei Temperatur > 38,0 °C nach Impfung Antipyretika verabreichen. • Prävention von RSV-Infektionen (S. 269). Mögliche Impfreaktionen: • Lokalreaktionen: Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit. • Systemische Reaktionen: Fieber, Appetitlosigkeit, Schläfrigkeit, Unruhe, Erbrechen. • Seltene Reaktionen: Kardio-respiratorische Probleme (Apnoen, O2-Sättigungsabfälle bei etwa 20 % der extrem kleinen Frühgeborenen), Apathie, anhaltendes Schreien, Fieberkrampf. Indikationsimpfungen: • Postexpositionelle Hepatitis-B-Prophylaxe (S. 257) bei Neugeborenen. • Influenza-Impfung: (1 × jährlich) für alle frühgeborenen Kinder mit chronischen Lungen-, Herz-, Kreislauf-, Leber-, Nieren- und Stoffwechselerkrankungen; ab dem Alter von 5 Monaten (Dosisangaben des Herstellers beachten) verwendbar. • RSV-Prophylaxe (S. 269).

▶ Umgebungs-Prophylaxe: Alle engen Kontaktpersonen (Familienmitglieder, medizinisches Personal) von Frühgeborenen sollten die üblichen allgemein empfohlenen Impfungen erhalten haben und zusätzlich gegen Influenza geimpft werden. ▶ Eine einmalige Pertussisimpfung ist für alle Eltern von Neugeborenen, die in den letzten 10 Jahren keine Impfung erhalten haben, allgemein empfohlen.

11 Infektionen

11.9 Nosokomiale Infektionen

11.9 Nosokomiale Infektionen Genzel, Hübner

Grundlagen ▶ Jede Infektion, die sich erstmals 72 h nach Geburt manifestiert, wird als „nosokomiale“ (d. h. krankenhauserworbene) Infektion bezeichnet. ▶ Früh- und Neugeborene sind bzgl. nosokomialer Infektionen besonders gefährdet, da sie über keine körpereigene Flora verfügen und da sie häufig einer Vielzahl von Interventionen ausgesetzt sind. Ebenfalls begünstigend für eine nosokomiale Sepsis sind ein verlängerter Krankenhausaufenthalt oder die längere Gabe von Antbiotika. Das Risiko einer nosokomialen Infektion betrifft aber nicht nur Kinder mit Geburtsgewicht < 1500 g, sondern die meisten Patienten der Neugeborenenintensivstation. Strenge Hygienemaßnahmen sind durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie durch die Empfehlungen der KRINKO (Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2007;50:1265–1303, Epidemiolog. Bulletin 2013; 42: 421–433) festgelegt. ▶ Wichtigste Risikofaktoren für eine nosokomiale Infektion: • Frühgeburt. • Maschinelle Beatmung. • Parenterale Ernährung. • Alle Zugänge, besonders zentrale, aber auch Magensonde, Blasenkatheter, Pleuradrainage, Liquorshunt. • Lange und breite Antibiotikagabe. • Strukturelle Faktoren: "Overcrowding, understaffing!" • Fehlende bzw. unzureichende oder nicht eingehaltene Standards, besonders Händehygiene. • Unzulängliche Hygieneeinweisung von Personal und Besuchern.

Prävention nosokomialer Infektionen ▶ Generelle Regeln: • Keine unbegründeten Antibiotikagaben. • Antibiotika so lange wie nötig, so kurz wie möglich. • Deeskalation einer breiten, empirischen Antibiotikatherapie bei Erregernachweis. • Tägliche Indikationsprüfung der Notwendigkeit von Kathetern bzw. periphervenösen Zugängen und Magensonden. • Vor und nach jedem Patientenkontakt: Händedesinfektion („Patientenkontakt“ schließt die gesamte Umgebung des Patienten ein wie Beatmungsmaschine, Monitor, Inkubator usw.). • Für Frühgeborenenstationen ist die Pflicht zur Durchführung einer Infektionssurveillance im Infektionsschutzgesetz verankert, siehe Kap. Maßnahmen zur Verminderung der Selektion multiresistenter Erreger (S. 290). ▶ Bauliche Voraussetzungen: • Möglichst kurze Wege zwischen Kreißsaal, OP und Intensivstation. • Möglichkeiten der Isolation von Patienten, die mit multiresistenten Erregern oder übertragbaren viralen Erregern (RSV, Rotavirus, Varizellen etc.) besiedelt sind (Anteil von 10–30 % der Behandlungsplätze bzw. 10 % der Behandlungszimmer). 287

Infektionen

11

11.9 Nosokomiale Infektionen

• • • •

Räume für die aseptische Zubereitung von Medikamenten. Ausreichende Lagermöglichkeiten. Trennung zwischen reinen und unreinen Pflegemitteln. Funktionsgerechte räumliche Mindestausstattung (Abstand zwischen Inkubatoren oder Betten bei schwerstkranken Frühgeborenen mindestens 2 m). • Separater Raum zur hygienischen Aufbereitung von Inkubatoren oder Beatmungsgeräten. ▶ Händedesinfektion, Kittelpflege und Besucherregelung: • Die Hände des Krankenhauspersonals sind der wichtigste Übertragungsweg von nosokomialen Erregern. Handschuhe (steril oder nicht steril) stellen keine sichere Barriere dar, da sie meist mikroskopische Löcher aufweisen – sie verhindern deshalb nur eine grobe Verschmutzung und ersetzen nicht das Händewaschen sowie die Händedesinfektion. • Spender von Seife und Händedesinfektionsmittel sollten mit dem Ellenbogen bedienbar sein und in direkter Patientennähe an jedem Behandlungsplatz sowie im Eingangsbereich angebracht werden. • Bei mikrobieller Kontamination muss eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden, wobei vorzugsweise alkoholische Desinfektionsmittel entsprechend § 36 des AMG verwendet werden sollten. • Das generelle Anlegen eines Schutzkittels ist auf einer Neugeborenen-Intensivstation weder für Besucher noch für das Personal notwendig. Schutzkittel sollten ausschließlich patientenbezogen bei der Pflege von Frühgeborenen verwendet werden, die mit übertragbaren Erregern kolonisiert oder infiziert sind. • Besuche durch Eltern, Geschwisterkinder und andere nahe Verwandte sind prinzipiell erwünscht, allerdings müssen die Besucher auf die Infektionsgefahr für das Frühgeborene hingewiesen werden. Bei Geschwisterkindern sollte eine kurze ärztliche Untersuchung eine akute Infektion ausschließen. Alle Besucher müssen einen Impfpass vorlegen (übertragbare Erkrankungen wie Masern, Pertussis, Influenza und ggf. Windpocken). • Besucher müssen hinsichtlich der korrekten Durchführung der Händedesinfektion vom Personal eingewiesen werden (z. B. auch Ablegen von Uhren oder Schmuck).

Hygienischer Umgang mit Zugängen, Infusionen, Inkubatoren und Beatmungsschläuchen ▶ Prinzipiell gilt immer: • Hygienische Händedesinfektion mit mind. 30 s Einwirkzeit. • Steriles Arbeiten. ▶ Das Legen eines periphervenösen Zugangs erfolgt zu zweit. Der punktierende Arzt trägt sterile Handschuhe. Die versorgende Pflegekraft steht hier dem Arzt zur Seite und reicht Infusionsverlängerung, sterile Abdeckpflaster etc. an. • Alle benötigten Utensilien vorbereiten und auf Vollständigkeit überprüfen. • Die zu desinfizierende Fläche am beabsichtigten Punktionsort muss mindestens der Fläche des sterilen Abdeckpflasters entsprechen. • Die Einwirkzeit des Desinfektionsmittels von 2 Minuten am Punktionsort muss berücksichtigt werden. Cave: Alkohol zur Desinfektion kann bei längerer Einwirkungszeit bei sehr unreifen Frühgeborenen zu Hautverätzung führen. Also Alkohol nach 2 Minuten abwischen. • Die Venenverweilkanüle wird mit den sterilen Pflastern, die in der speziell dafür zur Verfügung stehenden Pflasterverpackung enthalten sind, fixiert. • Die Insertionsstelle wird mit einem semipermeablen Folienverband verbunden. Alternativ kann in Ausnahmefällen (z. B. am Kopf) auch mit einer sterilen Kompresse verbunden werden. • Vor jeder Konnektion und nach jeder Diskonnektion muss eine Desinfektion des Katheterhubs erfolgen. • Der Katheterhub wird mit einer sterilen Kompresse umwickelt. 288

▶ Legen und Verbinden eines Nabelvenenkatheters (NVK) oder Nabelarterienkatheters (NAK) oder eines perkutanen zentralen Zuganges: • Kein „Durchgangsverkehr“! Die Türen schließen. • Es sollten so wenig Personen wie möglich anwesend sein. • Alle benötigten Utensilien auf einer Ablage steril vorbereiten und auf Vollständigkeit überprüfen. Alle nicht direkt am Legen beteiligten Personen müssen Abstand von dieser Ablage halten! • Hygienische Händedesinfektion vor dem Legen (1A). • Das Legen eines NVKs oder NAKs sollte immer zu zweit (i. d. R. Arzt/Ärztin und Pflegekraft/Arzt) in steriler Technik unter maximalem Barriereschutz erfolgen. Die den Katheter legende Person trägt sterilen Schutzkittel, chirurgischen MundNasen-Schutz und Kopfhaube. Die assistierende Person trägt chirurgischen Mund-Nasenschutz und Kopfhaube (1B). • Weiteres Personal im Raum muss ebenfalls Mundschutz und Haube tragen. • Dreimalige Desinfektion des Nabelstumpfes mit Octenidin 0,1 % unter Beachtung der Einwirkzeit von mind. 1 Minute (1B). Kein Desinfektionsmittel auf die Haut des Kindes! Vorher Nabelbändchen oder -klemme entfernen. • Großflächiges Abdecken mit sterilem Lochtuch (1A). • Nochmalige Desinfektion des Nabelstumpfes. • Durchtrennen der Nabelschnur und Präparation der Nabelgefäße mit sterilem Instrumentarium (1B). • Insertion unter aseptischen Bedingungen (1A). • Fixierung der Katheter durch Annähen. • Der Nabelstumpf mit den liegenden Kathetern wird mit einer sterilen Kompresse umwickelt. ▶ Systemwechsel/Konnektion/Diskonnektion: • Diskonnektionen sind auf ein absolutes Minimum zu beschränken. • Der Systemwechsel wird immer zu zweit durchgeführt. • Der Systemwechsel und eine Diskonnektion am Katheterhub sind mit sterilen Handschuhen durchzuführen. • Die Diskonnektion erfolgt mittels einer mit Desinfektionsmittel (z. B. Octenidin 0,1 %, kein alkoholisches Desinfektionsmittel) getränkten Kompresse. • Der Katheterhub wird mit einer sterilen Kompresse umwickelt. • So wenig Personen wie möglich anwesend, kein Durchgangsverkehr. • Keine verbale Kommunikation. • Vor Systemwechsel, Konnektion, Diskonnektion eines Infusionssystems ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. • Bei Verwendung von MicroClave-Adaptern Anschlussstelle desinfizieren. • Nach jeder Diskonnektion ohne MicroClave muss ein neuer, steriler Verschlussstopfen verwendet werden. ▶ Wechsel von Infusionssystemen und ggf. Filtern: • Nur für den Bereich Neonatologie geltend sowie ausschließlich für die durch eine Apotheke hergestellten Infusionslösungen: – Dauerinfusionen: spätestens nach 72 h. – bei Lipidlösungen: spätestens alle 24 h. – bei Blut und Blutprodukten alle 6 h. • Neues System zu jeder Infusionsgabe. • Eine Wiederbefüllung von Perfusorspritzen ist lt. Empfehlungen des RobertKoch-Instituts (2002) grundsätzlich nicht zulässig. • Eine Ausnahme stellt die Wiederbefüllung von Perfusorspritzen im geschlossenen System auf der Neonatologie dar. Wird eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt und wird vermieden, innere Plastikteile der Perfusorspritze zu berühren, ist eine Wiederbefüllung in einem Zeitraum von 24 h zulässig. Dabei darf nur die runde, hintere Griffplatte angefasst werden, nicht das innere Plastikkreuz,

11 Infektionen

11.9 Nosokomiale Infektionen

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Infektionen

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11.9 Nosokomiale Infektionen

das den Spritzenstempel mit der Griffplatte verbindet, und es müssen sterile Einmalhandschuhe verwendet werden. ▶ Verwendung von Infusionsfiltern (gilt für alle peripheren und zentralen Zugänge): • Aus infektionspräventiver Sicht: keine Empfehlung zum routinemäßigen Einsatz von Bakterienfiltern (0,2 μm). Der Einsatz von Bakterienfiltern (0,2 μm) und/oder Partikelfiltern (1,2 μm) kann die Phlebitisrate bei peripher-venösen Verweilkanülen signifikant senken (Rückhalt von Fremdmaterial und Mikropartikeln). • Sollten Filter zum Einsatz kommen, gilt: Filter so patientennah wie möglich platzieren. ▶ Wechsel von Inkubatoren, Beatmungssystemen, Magensonden: • Die Zeitabstände, in denen Inkubatoren gewechselt werden sollten, sind nicht wissenschaftlich untersucht. Bei stabilen Kindern kann der Inkubator einmal pro Woche gewechselt werden. • Nicht sichtbar verschmutzte Beatmungsschläuche und Absaugkatheter bei Verwendung eines geschlossenen Systems müssen nicht häufiger als alle 7 Tage gewechselt werden. Beatmungsfilter zur passiven Befeuchtung sind für Frühgeborene nicht geeignet. • Beatmungsschläuche müssen thermisch desinfiziert oder sterilisiert und anschließend vor Kontamination geschützt gelagert werden.

Maßnahmen zur Verminderung der Selektion multiresistenter Erreger ▶ Bei besonders gefährdeten Frühgeborenen werden Antibiotika meist ohne klare Zeichen einer Infektion gegeben, um fulminanten Verläufen vorzubeugen. Aus diesem Grund erhalten mehr als 90 % der Kinder während des Aufenthaltes auf der Frühgeborenenstation mindestens einmal ein Breitspektrumantibiotikum, obwohl die meisten dieser Gaben retrospektiv nicht notwendig gewesen wären. Wichtig ist deshalb die rasche Deeskalation oder das Absetzen bei negativen Befunden, um den Selektionsdruck im Patienten und für die Station und Klinik zu vermindern. • Cephalosporine der 3. Generation (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) führen zur Selektion von ESBL, Enterokokken und Clostridium difficile. Demgegenüber sind Breitspektrum-Penicilline generell bzgl. des Selektionsdrucks günstiger, können aber Klebsiella sp. selektieren! • Der breite empirische Einsatz von Glykopeptiden (Vancomycin und Teicoplanin) führt zur Selektion vancomycin- und teicoplaninresistenter koagulasenegativer Staphylokokken und Enterokokken (v. a. E. faecium). • Koagulasenegative Staphylokokken sind die ersten Kolonisationskeime des Neugeborenen und häufig resistent gegen Methicillin (und damit auch gegen Oxacillin und Flucloxacillin). Der Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken (z. B. S. epidermidis) in der Blutkultur ist häufig auf eine Kontamination zurückzuführen. Außerdem haben Studien gezeigt, dass selbst bei nachgewiesener S. epidermidis-Late-Onset-Sepsis (LOS) die Letalität gering ist (maximal 1–4 %), sodass eine frühe empirische Therapie mit Vancomycin nicht generell durchgeführt werden sollte. Ausnahmen sind Fremdkörperinfektionen sowie MRSA-Nachweis. • Bei Nachweis von ESBL-Kolonisation sollte zur empirischen Therapie primär ein Carbapenem verwendet werden, wobei dies den Selektionsdruck hinsichtlich carbapenemasebildender Erreger (4MRGN, v. a. Pseudomonas und Stenotrophomonas, aber auch Acinetobacter, Enterobacter und Klebsiellen) erhöht. • Antibiotikaleitlinien sollten schriftlich fixiert sein, wobei ein Stufenplan den Einsatz von Reserveantibiotika (z. B. Glykopeptide, Carbapeneme) einschränken sollte. Regelmäßige aktuelle Zusammenstellungen der lokalen Resistenzprofile müssen von der Mikrobiologie bereitgestellt und als Grundlage für die Ausarbeitung und Anpassung der Leitlinien verwendet werden.

290

Patientenbezogenes mikrobiologisches Monitoring ▶ Da neuere Studien einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Kolonisation von Frühgeborenen mit multiresistenten Erregern sowie in der Folge das Auftreten der gleichen Erreger in der Blutkultur dokumentieren, wurden die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert-Koch-Instituts im Dezember 2012 neu formuliert und 2013 praktische Empfehlungen zur Durchführung gegeben. Dabei ist das Ziel des Screenings, eine empirische Therapie einer Sepsis ggf. auf isolierte multiresistente Erreger auszudehnen, sowie eine frühzeitige Erkennung einer Übertragung dieser Erreger innerhalb der Intensivstation. • Intensivmedizinisch behandelte Frühgeborene sollen im wöchentlichen Abstand mittels Rachenabstrich sowie im Analabstrich auf multiresistente Erreger untersucht werden. • Wenn multiresistente Erreger gefunden werden, müssen zusammen mit der Krankenhaushygiene weitere gezielte Umgebungsuntersuchungen durchgeführt werden und die Möglichkeiten hinsichtlich Erreger-Feintypisierung und Screeing bei Kontaktpersonen und Personal auf der Station diskutiert werden. ▶ Eine Übersicht über das Wirkungsspektrum von Antibiotika bei wesentlichen Erregern der Neonatalperiode bietet Tab. 11.9. Die Erweiterung des Spektrums der einzelnen Substanzen ist nie 100 %. Daher ist eine wiederholte Resistenzprüfung wichtig. Zu detaillierten Angaben siehe z. B. DGPI Kapitel 6.5.

11 Infektionen

11.9 Nosokomiale Infektionen

Tab. 11.9 • Kurzinformationen zu wichtigsten Antibiotika in der Neonatologie. Klasse

Substanzen

Wirkungsspektrum

Vorteile

Nachteile, Nebenwirkungen

Penicilline

Ampicillin

Listerien! E. coli (zu 50 % resistent!)

geringe Toxizität, keine Spiegelbestimmung

zunehmend resistente Stämme

Flucloxacillin

Staphylokokken

Mezlocillin

wie Ampicillin + Proteus, Serratia, Klebsiellen

Pipracillin

wie Mezlocillin + (teilweise) Pseudomonas

Pipracillin/ Tazobactam

wie Piperacillin + β-Laktamasebildner, Staphylokokken, Klebsiellen + Anaerobier

Cefotaxim

gramnegative wie E. coli, Klebsiella

geringe Toxizität; keine Spiegelbestimmung

evtl. Leukopenie, bei längerem Gebrauch, unwirksam bei Listerien

Ceftazidim

wie Cefotaxim + (teilweise) Pseudomonas

geringe Toxizität; keine Spiegelbestimmung

unwirksam bei Listerien, evtl. Leukopenie, geringer wirksam bei S. aureus; hohe Resistenzbildung!

Cephalosporine (nur Cefuroxim + Gruppe 3 liquorgängig)

291

Infektionen

11

11.9 Nosokomiale Infektionen Tab. 11.9 • Fortsetzung Klasse

Substanzen

Wirkungsspektrum

Vorteile

Nachteile, Nebenwirkungen

Aminoglykoside (vor allem für Kombinationstherapien)

Gentamicin

gramnegative (wenig Pseudomonas)

Tobramycin

+ Pseudomonas

Synergismus mit Penicillin bei Listerien, Enterokokken, B-Streptokokken

ototoxisch; Talspiegelbestimmung nötig, wenn länger als 3 Tage schlecht liquorgängig!

Carbapeneme ESBL wirksam!

Imipenem

sehr breites Spektrum

Meropenem

wie Imipenem

Vancomycin

grampositive, z. B. Staphylokokken, inkl. MRSA; CONS, Enterokokken. inkl. E. faecium

Teicoplanin

wie Vancomycin

Glykopetid AB

292

nicht liquorgängig, Zulassung > 3 Monate liquorgängig bei Entzündung

nur zugelassen > 3 Monate, aber viel Erfahrung in Neonatalperiode; Eltern-Info nephrotoxisch; Talspiegelbestimmung obligat; schlecht liquorgängig

keine Nephrotoxizität; längere Halbwertszeit, keine Spiegelkontrolle

teuer! Staphylococcus haemolyticus oft resistent!

12

Herz/Kreislauf

12.1 Übersicht: EKG-Befunde Dalla Pozza, Busch

Lagetypen

12 Herz/Kreislauf

12.1 Übersicht: EKG-Befunde

▶ Physiologisch: < 30 SSW Linkstyp, 30 – 36 SSW Steiltyp und > 36 SSW Rechtstyp. ▶ Pathologisch: Überdrehter Linkstyp (< – 30° = in I ist R > S, in II + III ist R < S), überdrehter Rechtstyp (> 120° = in I + II ist R < S, in III ist R > S).

Zeiten ▶ Angaben in s: P = 0,05 – 0,07; PQ = 0,07 – 0,13; QRS = 0,05 – 0,07; QT = 0,2 – 0,4.

P-Welle ▶ Positiv in I, II, aVF, andernfalls V. a. ektopen Schrittmacher, Dextrokardie oder situs inversus. ▶ P > 0,3 mV: Vorhofbelastung rechts (P-dextroatriale). ▶ P > 0,07 s: Vorhofbelastung links (P-sinistroatriale).

Rhythmus ▶ Ventrikuläre Extrasystolen (VES): Fixe Kupplung, mit kompensatorischer Pause, breite Kammerkomplexe. ▶ Supraventrikuläre Extrasystolen (SVES): „Buntes Bild“, Extrasystolen (ES) ohne kompensatorische Pause, teils blockierte ES, teils gering aberrant geleitete ES, schlanke Kammerkomplexe. ▶ Herzrhythmusstörungen (S. 294).

Belastungszeichen ▶ Linksventrikuläre Belastung: • Druckbelastung links: Hohes R in V5/V6, ST-Senkung in V6, tiefes S in V1/V2. • Volumenbelastung links: Hohes R in I + V5/V6, tiefes Q, hohes T, tiefes S in V1. ▶ Rechtsventrikuläre Belastung: • Druckbelastung rechts: – Bei milder Stenose: Positives T rechts präkordial nach Ende der 1. Lebenswoche. – Bei hochgradiger Stenose: Beim Säugling hohes R mit diskordanter T-Welle, tiefes S in V6. • Volumenbelastung rechts: Tiefes breites S in I + V5/V6, inkompletter Rechtsschenkelblock (RSB), negatives T in III + aVF + V1.

Erregungsrückbildung – Normalbefund ▶ < 4. Lebenstag: T in aVR + V5 – V6 negativ, in I, II + V1 – V3 positiv. ▶ > 4. Lebenstag: T in aVR + V1 – V3 negativ, in I, II + V5 – V6 positiv.

Charakteristische Diagnosen ▶ Aortenstenose: P-sinistroatriale, Druckbelastung links. ▶ ASD (Vorhofseptumdefekt): Meist Rechtstyp, inkompletter Rechtsschenkelblock (RSB), Volumenbelastung rechts. ▶ AV-Septumdefekt: Überdrehter Linkstyp, P-biatriale, AV-Block-I°, inkompletter RSB, rechts- (RVH) oder biventrikuläre Hypertrophie (BVH). ▶ Bland-White-Garland-Syndrom: Tiefes Q in I, aVL und links präkordial, links präkordial Erregungsrückbildungsstörung. 293

Herz/Kreislauf

12

12.2 Herzrhythmusstörungen

▶ Aortenisthmusstenose (Stenose iuxtaduktal, über PDA Rechts-Links-Shunt): Rechtstyp, RVH. ▶ Ebstein-Anomalie: P-dextrokardiale, PQ verlängert, RSB, Rhythmusstörungen, evtl. WPW-Syndrom! ▶ Fallot-Tetralogie: Rechtstyp, inkompletter – kompletter RSB, RVH. ▶ Myokarditis: ST-Strecke gesenkt, T flach/negativ, Tachykardie, ventrikuläre Extrasystolen. ▶ Persistierender Ductus arteriosus (PDA): In 25 % normales EKG, evtl. Volumenbelastung links. ▶ Perikarditis: Anfangs ST-Strecke angehoben, später T negativ. ▶ Pulmonalstenose: Rechtstyp, P-dextrokardiale ab einem Gradienten von 50 mmHg, Druckbelastung rechts. ▶ Trikuspidalatresie: Überdrehter Linkstyp, P-dextroatriale. ▶ VSD (Ventrikelseptumdefekt) : • Mittelgroß: P-sinistroatriale, LVH oder BVH. • Groß: BVH oder RVH, inkompletter RSB, T in V1 – V3 positiv. ▶ Digitalis-Überdosierung: AV-Block-I/-II/-III°, QT verkürzt, Extrasystolen, ST-Mulde. ▶ Hyperkalzämie: QT verkürzt. ▶ Hypokalzämie: QT verlängert. ▶ Hyperkaliämie: T hoch und spitz, QT verlängert, QRS plump, kein P, AV-Block. ▶ Hypokaliämie: ST-Senkung, U-Welle.

12.2 Herzrhythmusstörungen Dalla Pozza, Busch

Vorbemerkungen ▶ Die normale Herzfrequenz von Neugeborenen beträgt bei reifen Kindern 70 – 190/min, für Frühgeborene sind noch höhere Frequenzen (100 – 220/min) normal. ▶ Extrakardiale Ursachen für Tachykardie oder Bradykardie abklären: • Gutartige Tachykardien: Kommen vor bei Stress (postnatal, Hitze, Kälte, Schmerz), als Folge einer Medikamentengabe (z. B. Atropin, Theophyllin, Katecholamine). • Pathologische Tachykardien: Bei Fieber, Volumenmangel, Schock, Hypoxie, Anämie, Sepsis, PDA, Herzinsuffizienz, Hyperthyreose, Stoffwechselerkrankung, Hyperammonämie. • Gutartige Bradykardien: Bei Defäkation, Erbrechen, Miktion, Schnullern, als Folge von Medikamenten (β-Blocker, Digitalis, Kalzium). • Pathologische Bradykardien: Bei Hypoxie, Apnoen, Krampfanfällen, AtemwegsObstruktionen, Pneumothorax, Herzinsuffizienz, intrakranieller Blutung, Azidose, Hypothermie, Hyperkaliämie, Lungenblutung, Zwerchfellhernie, Hypothyreose, Hydrozephalus. ▶ Die Klassifikation der Herzrhythmusstörung: • Herzfrequenz (zu schnell, zu langsam, HF-Variabilität). • Rhythmus (regelmäßig, unregelmäßig, paroxysmal auftretend oder kontinuierlich). • Morphologie des QRS-Komplexes. ▶ Treten Rhythmusstörungen auf, so ist zuerst zu klären, ob das Kind durch die Rhythmusstörungen akut bedroht ist oder nicht. ▶ Jede Rhythmusstörung erfordert ein kardiologisches Konsil. Im Folgenden sind nur mögliche Interventionen im Notfall aufgeführt.

Allgemeine Sofortmaßnahmen ▶ Hinweis: Bei akuter Bedrohung, z. B. bei Kammerflattern oder -flimmern, bzw. bei ■

schon länger bestehender Rhythmusstörung mit der Folge einer dekompensierten

294

▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

Herzinsuffizienz und eines beginnenden Schockzustands s. auch Kapitel Reanimation (S. 431). Ruhe: Supraventrikuläre Tachykardien werden oft über Stunden gut toleriert. Gefährlicher sind Bradyarrhythmien. EKG-Überwachung (12-Kanal-Schreiber). Labor: Elektrolyte einschließlich Kalzium und Magnesium, BGA, Medikamentenspiegel. Ggf. Azidoseausgleich. Beatmung mit 100 % O2. Herzdruckmassage.

12 Herz/Kreislauf

12.2 Herzrhythmusstörungen

Tachykardien mit schlanken Kammerkomplexen ▶ Supraventrikuläre Tachykardien: Wichtig: SVTs sind im Oberflächen-EKG nicht immer sicher zu unterscheiden! Algorithmus zur Analyse der SVT s. Abb. 12.1. • Meist Reentry-Erregung über abnormes atrioventrikuläres Bündel (meist WPWSyndrom, s. a. Abb. 12.5): – HF 180 – 300/min, keine Änderung der HF bei Belastung oder Schreien, abnorme P-Welle und verkürztes, fixes RR-Intervall. – Oder AV-Knoten-Reentry (etwas niedrigere Frequenz als bei WPW-Tachykardie). • Selten atrial (AET) oder junktional ektope (JET) Tachykardie: – AET zeigt eine abnorme elektrische Achse der P-Welle. Frequenz 90 – 220/min, zu Beginn „warm up“ mit zunehmend kürzerem PP-Intervall. – JET zeigt AV-Dissoziation oder retrograde Vorhoferregung, Frequenz 130 – 270/ min, tritt besonders postoperativ auf. • Klinik: Das Kind ist zunächst wenig beeinträchtigt, später unruhig, Nahrungsverweigerung. Schließlich treten Zeichen einer Herzinsuffizienz auf mit Ödemen, u. U. Hydrops (nach Stunden oder Tagen, je höher die Frequenz, umso eher). • Intervention: Tab. 12.1. Tab. 12.1 • Intervention bei supraventrikulären Tachykardien. paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie (Abb. 12.2)

• Vagusstimulation wie Eisbeutel ins Gesicht (über Mund und Nase), Spateldruck auf die Zunge, Absaugkatheter in den Rachen, Thoraxkompression • Adenosin (Adenocard, Adrekar): 0,1 – 0,3 mg/kg KG als Bolus herznah. 5 ml NaCl 0,9 % nachspritzen. (HWZ nur 10 s!) • bei Rezidiven bzw. Dekompensation: Propafenon 10 mg/kgKG/d in 3 ED p. o. oder β-Blocker, z. B. Metoprolol 0,5–1 mg/kg/d in 2 ED p. o.

supraventrikuläre Tachykardie mit ausgeprägter Herzinsuffizienz

• zunächst wie paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie. • dann evtl. Kardioversion (EKG-synchron!) mit 0,5 – 1 – 2 J/kg KG • Overdrive pacing (in der Regel durch kardiologisches Konsil) • Dauertherapie: Propafenon, β-Blocker

▶ Beachte: Falls der Patient hämodynamisch instabil ist, sofort mit Reanimationsmaß■ nahmen beginnen. Differenzialdiagnostisch spricht ein erfolgreicher Einsatz von Adenosin für das Vorliegen einer Reentry-Erregung. ▶ Beachte: Immer Echokardiografie z. A. Thromben vor Kardioversion. ■

295

296

Sägezahnmuster

Vorhofflattern mit wechselnder Überleitung

keine P-Welle

Vorhofflimmern

Terminierung der Tachykardie

persistierende regelmäßige P-Wellen ohne QRS-Komplexe

Vorhofflattern

Sägezahnm uster

starre, zu schnelle Herzfrequenz

Adenosin

Defibrillation Reanimation

JET

AV-Dissoziation oder retrograde P-Welle

AET

ektope P-WellenAchse

ST

normale P-WellenAchse

geringe Frequenzvariabilität

regelmäßig, schlanke QRS-Komplexe

hämodynamisch instabil

Reentrytachykardie: – WPW-Syndrom – undefinierbares verstecktes Bypass-Bündel – AV-Knoten-Reentry

unregelmäßig, schlanke QRS-Komplexe

12-Kanal-EKG bei Tachykardie

hämodynamisch stabil

klinische Symptomatik

Herz/Kreislauf

12 12.2 Herzrhythmusstörungen

Abb. 12.1 • Differenzialdiagnose einer Tachykardie mit schlanken Kammerkomplexen bei Neugeborenen. AET = atrial ektope Tachykardie, JET = junktional ektope Tachykardie, ST = Sinustachykardie, WPW-Syndrom = Wolff-Parkinson-White-Syndrom.

▶ Vorhofflattern: • Vorkommen: Oft bei strukturell unauffälligem Herz, aber auch bei Vitien, die zu einer Überdehnung der Vorhöfe führen, sowie nach kardiochirurgischen Eingriffen. • EKG (Abb. 12.3): Vorhoffrequenz 220 – 400/min, „Sägezahnkonfiguration“ in V1 – V3, schlanker QRS-Komplex. Regelmäßige AV-Überleitung. Evtl. Adenosingabe notwendig zur „Demaskierung“ der sägezahnartigen Vorhofwellen bei unklarer Tachykardie mit schmalen Kammerkomplexen. • Klinik wie bei supraventrikulären Tachykardien. • Therapie: – Kardioversion (EKG-synchron!) mit 0,5 – 1 – 2 J/kg KG. – Overdrive pacing bei relativ niedriger Frequenz. – Evtl. Amiodaron 10 mg/kgKG/d p. o. oder i. v.

12 Herz/Kreislauf

12.2 Herzrhythmusstörungen

Abb. 12.2 • Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie.

Abb. 12.3 • Vorhofflattern mit wechselnder Überleitung und spontaner Kardioversion nach VES.

I

II

II I

aVR

aVL

aVF

V1

V6 Abb. 12.4 • Vorhofflimmern.

297

Herz/Kreislauf

12

12.2 Herzrhythmusstörungen

▶ Vorhofflimmern (selten!): • EKG: Vorhoffrequenz 350 – 600/min, unregelmäßige P-Wellen, normale Form des QRS-Komplexes bei unregelmäßiger AV-Überleitung (s. Abb. 12.4). • Intervention s. o. Vorhofflattern (Overdrive pacing ist aber nur bei Vorhofflattern möglich).

Tachykardien mit breiten Kammerkomplexen ▶ WPW-Syndrom mit antidromer Leitung (ca. 10 % aller WPW-Syndrome): HF 180 – 300/min, P-Welle oft nicht zu identifizieren, regelmäßige Tachykardie mit breiten Kammerkomplexen bei erstaunlich stabilem Kind (Abb. 12.5)! ▶ Ventrikuläre Tachykardie/Kammerflattern: • Vorkommen: Meist Sekundärphänomen, selten aus kardialer Ursache bei Long-QTSyndrom oder Myokard-Tumoren. • EKG (Abb. 12.6): HF 120 – 200/min. Regelmäßige, breite Kammerkomplexe, P-Wellen sind meist nicht zu identifizieren, sonst AV-Dissoziation. • Klinik: Patient ist hämodynamisch instabil. • Intervention: – Kardioversion mit 4 J/kg KG. – Evtl. danach: Amiodaron 5 mg/kgKG i. v. über 10 Minuten, danach 10 mg/kgKG/d i. v. als Dauerinfusion. ▶ Kammerflimmern : • Vorkommen: Kommt bei Säuglingen praktisch nur präfinal vor, Pulslosigkeit, keine Herztöne mehr auskultierbar. • Im EKG sind keine QRS-Komplexe zu identifizieren (Abb. 12.7). • Intervention: – Defibrillation (asynchron) mit 4 J/kg KG. – Ggf. Suprarenin/Amiodaron wie bei PALS-Algorithmus.

Abb. 12.5 • WPW-Syndrom.

Kammertachykardie

Kammerflattern Abb. 12.6 • Ventrikuläre Tachykardie/Kammerflattern.

298

Abb. 12.7 • Kammerflimmern

Bradykardien ▶ Sinusbradykardie: • Vorkommen: Meist symptomatisch bei extrakardialen Erkrankungen, selten postoperativ im Rahmen einer Sinusknotendysfunktion. • Intervention: – Atropin 0,01 mg/kg KG i. v. – Alupent 0,1 μg/kg KG/min. – Theophyllin 5 mg/kgKG/d i. v. als Dauerinfusion. – Evtl. Schrittmacher (transösophageal). ▶ AV-Block (Abb. 12.8): • Vorkommen: – Häufig aufgrund von diaplazentar übertragenen Lupus-erythematodes-assoziierten IgG-Ak (Anti-Ro-, Anti-La-Kernantigene oder Anti-SSA, SSB), dabei muss die Mutter nicht manifest erkrankt sein! – Komplexe Vitien (z. B. kompletter atrioventrikulärer Septumdefekt etc.). • AV-Block 1. Grades: In der Regel asymptomatisch, PR-Intervall > 0,12 s, regelrechter Sinusrhythmus, regelrechter QRS-Komplex. • AV-Block 2. Grades: In der Regel asymptomatisch. – Typ Mobitz: Konstantes, verlängertes PR-Intervall mit vereinzelt ausfallendem QRS-Komplex. – Typ Wenckebach: Immer länger werdendes PR-Intervall, bis schließlich ein QRS-Komplex ausfällt. • AV-Block 3. Grades: Regelmäßige Vorhofaktionen, regelmäßige, langsamere Kammerkomplexe ohne Kopplung mit Vorhofaktionen (DD: AV-Dissoziation: Vorhofaktionen sind langsamer als Kammerkomplexe). • Die Symptome eines drittgradigen AV-Blocks reichen von asymptomatischen Patienten bis zur manifesten Herzinsuffizienz (je nach Kammerfrequenz und begleitendem Herzfehler), evtl. auch Schockzustand.

AV-Block I°

12 Herz/Kreislauf

12.2 Herzrhythmusstörungen

0,37 Sek.

AV-Block II° – Typ Wenckebach

AV-Block II° – Typ Mobitz 2 : 1-Überleitung

AV-Block III° Abb. 12.8 • AV-Block.

299

Herz/Kreislauf

12

12.2 Herzrhythmusstörungen

• Intervention: – Alupent/Theophyllin, bei instabilem Patienten Reanimation. – Transvenöser Schrittmacher, ggf. notfallmäßige epikardiale Schrittmacherimplantation. Ist bei LE-Antikörper-induziertem AV-Block nicht selten erforderlich (häufig bei Herzfrequenz < 50/min).

Unregelmäßige Rhythmen ▶ Supraventrikuläre Extrasystolen: • Vorkommen: Sehr häufig, meistens harmlos. Die Ätiologie ist unklar. • EKG (Abb. 12.9): – Buntes Bild mit vorzeitigen Vorhofaktionen, die in der Regel von einem schlanken Kammerkomplex gefolgt werden. – Zusätzlich blockierte SVES (vorzeitige Vorhofaktion ohne folgenden Kammerkomplex) bei zum Zeitpunkt der vorzeitigen Vorhofaktion komplett refraktärem AV-Knoten. – Zusätzlich aberrant übergeleitete QRS-Komplexe (vorzeitige Vorhofaktion mit folgendem deformiertem Kammerkomplex) bei zum Zeitpunkt der vorzeitigen Vorhofaktion teilweise refraktärem AV-Knoten. • Keine Therapieindikation. ▶ Ventrikuläre Extrasystolen: • Vorkommen: Eher selten. Ursache höhergradiger VES können Elektrolytverschiebungen, Medikamententoxizität (Digitalis, Katecholamine), Hypoxie sowie organische Läsionen (Narben, Tumoren, Myokarditis, Kardiomyopathie etc.) sein. • Einteilung: Abb. 12.10. • EKG: – Vorzeitige Kammeraktionen mit deformierten Kammerkomplexen, kompensatorischer Pause, fixer Kopplung, evtl. Fusionssystolen. – Solange die ES monomorph sind und einzeln auftreten, oft sogar bei jedem 2. bzw. jedem 3. Schlag (Bigeminus oder Trigeminus), besteht keine wesentliche hämodynamische Beeinträchtigung des Patienten. – Bei Couplets (2 aufeinanderfolgende ES), Triplets (3 aufeinanderfolgende ES) sowie Serien von ES wird die Hämodynamik zunehmend beeinträchtigt, sodass dann evtl. auch eine Therapieindikation besteht. ▶ Asystolie /Herzstillstand: • Ursachen: – Meist Hypoxämie infolge eines Atemstillstands egal welcher Ursache. – Selten primäres Herzversagen, z. B. bei konnatalen Vitien, Kardiomyopathie. – Elektrolytstörungen. • Medikamentöse Intervention: – Suprarenin (1:1000) verdünnen auf 1:10 000: 0,01 mg/kg KG = 0,1 ml/kg KG der 1:10 000-Lösung i. v. oder intraossär. – Wiederholung ggf. alle 3 – 5 min. Weiteres Vorgehen siehe Reanimation (S. 431).

Abb. 12.9 • Supraventrikuläre Extrasystolen.

300

12 Herz/Kreislauf

12.2 Herzrhythmusstörungen

0 keine VES

I seltene monotope VES (< 30/Std.) Ia = 1 VES/Min., I b = 1 VES/Min.≤30VES/Std.

II

häufige monotope VES (> 30/Std.)

IIIA

M

multifokale VES

IIIB Bigemini

IVA Couplet

IVB 3 oder mehr aufeinanderfolgende VES, HF > 100/Min.

Salven. ventr. Tachykardie

V R-auf-T-Phänomen Abb. 12.10 • Lown-Klassifikation ventrikulärer Extrasystolen.

301

Herz/Kreislauf

12

12.3 Blutdruck und Perfusion

12.3 Blutdruck und Perfusion Proquitté

Normalwerte ▶ Normwerte siehe Abb. 12.11. ▶ Die Definition einer arteriellen Hypotension bei Frühgeborenen, insbesondere in den ersten 3 LT bei noch offenem PDA, ist z. Zt. sehr umstritten. Die bislang gebräuchliche Definitionen einer Hypotension: MAD < 30 mmHg, bzw. MAD (in mmHg) < Gestationswoche des FG bei Geburt, korrelieren schlecht mit dem HZV (cardiac output) und führen u. U. zu einer unnötigen Behandlung mit Volumen und/ oder Katecholaminen. Der Blutdruck korreliert nicht gut mit der Gewebsperfusion. Diurese ist ein guter Parameter für ausreichende Perfusion der Niere. Dies gilt nicht am 1. Lebenstag. ▶ Nichtinvasive Blutdruckmessungen sind bei sehr unreifen FG häufig falsch hoch, bei größeren FG und NG falsch niedrig und führen dann ebenfalls zu unnötiger Behandlung. ▶ Nicht der numerische Blutdruck, sondern die Gewebeperfusion ist entscheidend!

Hypotension ▶ Die Entscheidung, ob eine behandlungsbedürftige arterielle Hypotension vorliegt, sollte auf Grund der Kombination von Aktivität des Kindes und klinischem Zustand, kapillärer Füllungszeit über dem Sternum (normal < 3 sec.), Urinausscheidung und Blutdruck gefällt werden. ▶ Im Herzecho die Kontraktilität beurteilen (DD Volumenmangel).

diast. RR in mmHg

syst. RR in mmHg

80 70 60 50 40 30 20 22

arterieller Mitteldruck in mmHg

a

26 30 34 38 42 Gestationsalter in Wochen

55 50 45 40 35 30 25 20 15 24 b

28 32 36 40 44 Gestationsalter in Wochen

60 55 50 45 40 35 30 25 20 c

24 28 32 36 40 Gestationsalter in Wochen

44

Abb. 12.11 • a-c Nomogramm des arteriellen Blutdrucks (mmHg) im Verhältnis zum Gestationsalter (mit 95 %-Vertrauensbereich). a systolischer Blutdruck; b arterieller Mitteldruck; c diastolischer Blutdruck. (Pejovic, B., Peco-Antic, A., Marinkovic-Eric, J., Blood pressure in noncritically ill preterm and full-term neonates, Pediatr Nephrol (2007) 22: 249-257, fig. 3a2, 3b2, 3c2 Mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media )

302

▶ Hypotension weist zusammen mit verminderter peripherer Perfusion auf Hypovolämie hin: • Zunächst sofort Gabe von Volumen: – NaCl 0,9 % 10 (– 20) ml/kg KG. – Nach Blutverlusten Transfusion von Erythrozytenkonzentrat (S. 338). – EK (0 rh neg. Notfall-Konserve) 20–40 ml/kgKG, im Schock „aus der Hand“, sonst bis zu 30 min (Erythrozyten bleiben beim Kapillarleck aufgrund ihrer Größe intravasal). – Gefrorenes Frischplasma (FFP) 20 ml/kgKG über 1 h, insbesondere bei Blutungszeichen. FFP ist bei Hypovolämie anderen Plasma-Präparationen vorzuziehen. 1 ml FFP/kgKG erhöht die Spiegel der Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren bzw. den Quickwert: a) bei fehlender Aktivierung der Gerinnung um 1 IE/dl bzw. 1 %; b) bei Umsatzsteigerung (Fibrinogenspiegel um 2–3 mg/dl) um 0,5–1 IE/dl bzw. um 0,5–1 %. ▶ Cave: Bei zu schneller Transfusion von FFP besteht das Risiko einer Zitrat-Into■ xikation (QT-Verlängerung; RR-Abfall, Arrhythmie); Therapie: Kalziumglukonat (S. 199); Thrombozyten-Konzentrat (TK) 20 ml/kgKG über 30–60 min, falls Thrombozyten < 50/nl (S. 331). – Für kolloidale Lösungen haben sich gegenüber kristallinen Lösungen bislang keine Vorteile ergeben. ▶ Bei weiter bestehender Hypotension medikamentöse Unterstützung: • Dobutamin (auch peripher, 5 – 10 – 20 μg/kg KG/min). • Dopamin (nur zentral, 5 – 10 – 20 μg/kg KG/min) • Kortison: Hydrokortison 2 mg/kg KG als ED, Wiederholung 8-stündlich. Cave: erhöhte SIP-Gefahr bes. in Kombination mit Indometacin, siehe PDA (S. 304) und NEC. ▶ Cave: Hypovolämie, subvalvuläre Aortenstenose. ■ • Bei Persistenz: Suprarenin 0,05 – 0,1 – 0,5 – 1 μg/kg KG/min. ▶ Notfallzugang: Nabelvene innerhalb der ersten 7 Lebenstage; intraossärer Zugang (S. 38).

12 Herz/Kreislauf

12.3 Blutdruck und Perfusion

Hypertonus ▶ Definition: gemessen mit Dinamap (in mmHg) oberhalb der 95 % (Abb. 12.11 ). ▶ Ursachen: • Kardial: Aortenisthmusstenose (↑ RR am rechten Arm). • Endokrin: NNR-Blutung, AGS, Hyperthyreose, primärer Hyperaldosterismus, Hyperkalzämie. • Neurologie: ↑ intrakranieller Druck (Blutungen, Hydrozephalus), Tumore. • Renal: Parenchymerkrankungen, siehe Niere (S. 394); Nieren. • Neuroendokrine Tumore: Phäochromozytom, Neuroblastom. • Gefäßerkrankungen: Nierenarterienthrombose; Nierenarterienstenose, DuctusBotalli-Thrombose. • Maternaler Drogenabusus: Heroin und Kokain. • Schmerzen, Opiatentzug. ▶ Therapie (Dosierungen s. Anhang): • Behandlung der Grundkrankheit. • Hydralazin, β-Blocker und/oder Diuretika (Furosemid) erwägen. • Ggf. Diazoxid. • Ggf. ACE-Hemmer (einschleichende Dosierung).

303

Herz/Kreislauf

12

12.4 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

12.4 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) Dalla Pozza, Busch

Grundlagen ▶ Infos auf www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024–015l_S 2k_Ductus_arteriosus_ Fruehgeborene_2011–08.pdf ▶ Häufigkeit: • 50 % bei Geburtsgewicht (GG) < 1000 g. • 15 % bei GG 1000 – 1500 g. • Ein Spontanverschluss ist nach Surfactant-Therapie häufig. ▶ Ziel: Verschluss des hämodynamisch relevanten Ductus innerhalb der ersten 7 – 10 Lebenstage (funktionell oder chirurgisch), um chronische Schäden (z. B. BPD) zu vermeiden. ▶ Beachte: Schwierig ist nicht die Diagnose, sondern die Beurteilung der Hämodyna■ mik des PDA und des optimalen Therapiezeitpunktes.

Hämodynamische Auswirkungen ▶ Lunge: • Vermehrter Übertritt von Flüssigkeit und Protein ins Interstitium, wird zunächst kompensiert durch vermehrten Lymphfluss. • Später interstitielles Lungenödem mit Abnahme der Compliance → bronchopulmonale Dysplasie (BPD). ▶ Herz: Zunahme des Herzzeitvolumens (HZV) infolge der Rezirkulation → Volumenbelastung und Herzinsuffizienz. ▶ Organe: Verminderte diastolische Perfusion vor allem der Abdominalorgane und Nieren: • Nahrungsunverträglichkeit (Magenreste, NEC-Gefahr). • Niereninsuffizienz mit Oligurie, Kreatininanstieg (Spätsymptom). • Hirnperfusion wird zuletzt beeinträchtigt (Gefahr einer periventrikulären Leukomalazie, PVL).

Klinik ▶ Kardial: • Systolikum, wechselnd, anfangs infraklavikulär (z. T. nur zeitweise hörbar, z. B. nach Absaugen). • Hyperaktives Präkordium. • Pulsus celer et altus. • Niedriger diastolischer Blutdruck. • Blutdruckamplitude > 25 mmHg. ▶ Pulmonal: • Verschlechterung oder fehlende Besserung der Beatmungssituation. • Labile Atmung, pO2-Schwankungen. ▶ Gastrointestinaltrakt: Magenreste. ▶ Cave: Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) durch Minderperfusion. ■ • Hepatomegalie: Tritt spät auf, häufig erst nach 7 – 10 Tagen. ▶ Nierenfunktion: • Oligurie oder Anurie ist ein Spätsymptom → genaue Bilanzierung, Harnstoff, Kreatinin, Medikamentenspiegel bei Antibiotika. ▶ Beachte: Eine normale Diurese-Menge bedeutet nicht immer, dass eine normale ■ Nierenfunktion vorliegt.

304

Diagnostik ▶ Dopplersonografie: • PDA-Nachweis (S. 304) : Direkte Darstellung, Myokardfunktion. • Ausschluss eines anderen oder gar duktusabhängigen Vitiums! • Beurteilung des diastolischen Rückflusses in der Pulmonalarterie (PA): – Größe des linken Vorhofes: Relation vom linken Vorhof zur Aorta (LA/Ao) > 1,5 spricht für Volumenbelastung des linken Vorhofs. – Holodiastolischer Rückfluss in die Pulmonalarterie (PA) mit hohen Flussgeschwindigkeiten spricht für einen niedrigen pulmonalen Gefäßwiderstand und ein hohes Shuntvolumen. – Frühdiastolischer Rückfluss mit niedrigen Flussgeschwindigkeiten spricht für einen hohen pulmonalen Gefäßwiderstand und ein geringes Shuntvolumen. • Organblutflussgeschwindigkeiten von Niere, Intestinum und Gehirn: – Verminderung der diastolischen Flussgeschwindigkeit in Truncus coeliacus und A. renalis (RI > 0,9). – Diastolischer Nullfluss oder retrograder diastolischer Fluss sind Spätsymptome! – Phänomene treten in der A. cerebri media erst spät oder bei sehr großem Links-Rechts-Shunt auf. – Hämatokrit, Blutdruck, pCO2 müssen bei der Beurteilung berücksichtigt werden. – Verlaufskontrollen erleichtern die Entscheidung. ▶ Röntgen-Thorax: Radiologische Zeichen sind vermehrte Lungendurchblutung und Kardiomegalie. Nicht unbedingt erforderlich.

12 Herz/Kreislauf

12.4 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

Therapie ▶ Therapiestrategien: • Eine prophylaktische Therapie mit Indometacin (innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) hat auch bei extrem kleinen Frühgeborenen (FG) keine wesentlichen Vorteile in Bezug auf Beatmungsdauer, Entwicklung einer BPD und den Verschluss des PDA, aber erhöhtes Risiko einer Darmperforation [E1], besonders nach vorheriger Steroidgabe. • Frühgeborene < 1000 g (< 27. SSW): Bei beatmeten Frühgeborenen ist eine frühe Therapie (ab 2. – 3. Lebenstag) bei diskret symptomatischem PDA zu empfehlen. 80 % entwickeln später einen hämodynamisch signifikanten PDA. • Frühgeborene > 1000 g: In der Regel nur hämodynamisch signifikanten PDA behandeln. Je nach Beatmungssituation ggf. Vorgehen wie bei FG < 1000 g. ▶ PDA ohne hämodynamisch signifikante Wirkung: • Genaue Flüssigkeitsbilanzierung. ▶ Cave: Volumenmangel oder Überwässerung. ■ • Keine zu starke Flüssigkeitsreduktion (< 120 ml/kg KG/Tag und > 24 – 48 h). Sie führt nicht zum Duktusverschluss, kann jedoch die Organdurchblutung (Nierenfunktion) verschlechtern. Eine Hypovolämie potenziert die Nebenwirkungen von Indometacin und einer postoperativen Herzinsuffizienz (niedrige Vorlast bei erhöhter Nachlast des linken Ventrikels nach Ligatur). • Anämie (erhöht HZV) und Hypokapnie (L-R-Shunt über PDA durch pulmonale und periphere Widerstandsänderungen) vermeiden. • Furosemid kann PDA über Prostaglandinsynthese ungünstig beeinflussen. • Vorsorglich Kontraindikationen für Indometacin abklären: – Niere: Oligurie (< 0,7 ml/kg KG/h) in den letzten 8 h, Kreatinin > 1,8 mg/dl, Harnstoff > 50 mg/dl. – Gerinnung: Thrombozytopenie < 60/nl, plasmatische Gerinnung pathologisch. – Hirnblutung (Progredienz in den letzten 4 Tagen). – Sonstige: Septischer Schock, V. a. NEC (Hämoccult?), Z. n. frischer OP. 305

Herz/Kreislauf

12

12.4 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

▶ Ibuprofen: als einziges Medikament für diese Indikation in Deutschland zugelassen. • Ibuprofen ist genauso effektiv wie Indometacin, führt aber seltener zur Oligurie (< 1 ml/kg KG/h) und zum Kreatininanstieg als Indometacin. Ibuprofen führt u. U. zu einer höheren Na+-Ausscheidung und zu einer weniger ausgeprägten Reduktion des zerebralen Blutflusses. • Kein Unterschied zwischen Indometacin und Ibuprofen wurde gefunden bezüglich der Häufigkeit von intrakranieller Blutungen, periventrikulärer Leukomalazie (PVL) und der Dauer der Beatmung. Jedoch scheint laut einer Metaanalyse der Cochrane Database (Cochrane Database Syst. Rev. CD 003 481 2/2010) das Risiko einer nekrotisierenden Enterokolitis (NEC bzw. SIP) nach Ibuprofen reduziert zu sein. • Prophylaktische Gabe von Ibuprofen senkt zwar die Inzidenz eines PDA, allerdings verschließt sich der PDA in 60 % der Fälle auch spontan. In diesen Fällen sind die Patienten einem unnötigen Risiko durch Nebenwirkungen von Ibuprofen ausgesetzt, sodass eine prophylaktische Gabe derzeit nicht empfohlen wird (Cochrane Database Syst. Rev. CD 004 213 update 4/2011). • Dosierung: – Initial 10 mg/kg KG i. v. – 2. und 3. Dosis nach jeweils 24 h: 5 mg/kg KG i. v. – Lebensalter-adaptiert: Lebensalter < 70 Stunden: 10–5–5 mg/kgKG. Lebensalter 70 – 108 Stunden: 14–7–7 mg/kgKG. Lebensalter 108 – 180 Stunden: 18–9–9 mg/kgKG. ▶ Indometacin-Therapie bei hämodynamisch relevantem PDA: Indometacin ist seit Jahrzehnten weltweit bewährt, aber nicht in Deutschland für diese Indikation zugelassen und daher Off-Label-Use. • Eine Applikationsdauer über 6 h hat im Vergleich zu einer über 30 min weniger Nebenwirkungen bei gleichem Effekt. • Dosis s. Tab. 12.2. • Bei Versagen nach 12 h Pause evtl. erneuter Zyklus. • Nebenwirkungen: – Passagere Minderdurchblutung von Gehirn (PVL?) und Intestinum (cave NEC). – Oligurie: Dauer der Oligurie in der Regel 24 – 72 h, Volumenzufuhr rasch und relevant reduzieren. Dopamin 2 – 4 μg/kg KG/min erwägen (Wirkung wird meist überschätzt). – Thrombozytenaggregationshemmung. ▶ Cave: Keine Indometacin- oder Ibuprofengabe für mind. 3 Tage nach Steroidgabe, ■ Gefahr der Darmperforation. • Das „Heidelberger Eskalations-Schema“ bei Persistenz nach 3 × Indometacin mit Steigerung um 0,1 mg/kgKG/Dosis alle 12 h bis zu max. 1 mg/kgKG/Dosis bei tägl. Echokontrolle wird in der AWMF-Leitlinie nicht empfohlen, da es sich um eine retrospektive Studie handelt. Tab. 12.2 • Indometacin-Therapie bei PDA. Alter

Initial

2. + 3. Dosis nach je 12 h

< 48 h

0,2 mg/kg KG

0,1 mg/kg KG

2 – 7 Tage

0,2 mg/kg KG

0,2 mg/kg KG

> 7 Tage

0,2 mg/kg KG

0,25 mg/kg KG

▶ Therapiekontrolle: Dopplersonografie (s. o.), Schädelsonografie-Kontrolle.

306

▶ Operative Ligatur: • Indikationen: Kontraindikationen für oder Versagen der Indometacintherapie. • Präoperative Maßnahmen: – OP-Einwilligung: Aufklärung über Komplikationen (Blutung, Pneumo-, Chylothorax, Rekurrens-, Phrenikusparese, Infektion, Aortenisthmusstenose [infolge inserierenden Duktusgewebes]). – Volumenmangel: Unbedingt rehydrieren und zusätzlich Hkt von 45 – 50 % anstreben, Ery-Konzentrat gekreuzt gewärmt bereithalten. – Schädelsonografie-Kontrolle. – Zugänge: 2 periphere (Kopf oder obere Extremität) erforderlich, besser ein Silastikkatheter und 1 peripherer Zugang. – Infusion von Station läuft weiter (konstante Glukosezufuhr!). – Labor: Blutgruppe, Gerinnung, Elektrolyte, Blutbild. – Intraoperatives Monitoring: Herzfrequenz, Blutdruck, SaO2, pO2, pCO2, Temperatur-Dokumentation! – Wärmeverluste mit Watte über Kopf und Extremitäten vermeiden! ▶ Beachte: Bei jeder Operation muss der Neonatologe Beatmung und Kreislauf ■ überwachen. OP im speziellen Frühgeborenen-OP oder auf Station im offenen Pflegebett mit Wärmestrahlern. • Postoperative Maßnahmen: – Röntgen-Thorax: Fast immer ist extrapleurale Luft vorhanden, die sich spontan resorbiert. Evtl. kann Luft (20-ml-Spritze) abpunktiert werden. Pneumothorax? – Hämatokrit- und BZ-Kontrolle, Temperatur, Blutdruck, Fußpulse? – Schädelsonografie-Kontrolle. – Analgesie (evtl.) mit Fentanyl 1–2 μg/kg KG/h. – Volumenmangel ausgleichen: Tachykardie (DD Schmerzen?) ist ein Hinweis, kein Furosemid bei möglichem Volumenmangel! – V. a. Herzinsuffizienz: Dobutamin 5 – 20 μg/kg KG/min. – Oligurie: Dopamin 3–6 μg/kg KG/min. ▶ Cave: Zusätzliche Nachlaststeigerung durch Vasokonstriktion bei höherer Do■ pamindosis.

12 Herz/Kreislauf

12.5 PPHN/PFC-Syndrom

12.5 Persistierende pulmonale Hypertonie des

Neugeborenen (PPHN) / persistierende fetale Zirkulation (PFC-Syndrom) Dalla Pozza

Grundlagen ▶ Definition: Postnatale persistierende pulmonale Hypertonie mit Rechts-Links-Shunt über den Ductus arteriosus, das Foramen ovale und intrapulmonal. Betrifft meist reife Neugeborene. Eine Kombination mit einem Atemnotsyndrom ist bei Frühgeborenen möglich. ▶ Auslösende Ursachen: • Primäre oder sekundäre Adaptationsstörungen: Protrahierter Verlauf möglich. • Hypoxämien jeder Genese (Mekoniumaspirationssyndrom, RDS, Pneumothorax u. a.), Sepsis, Azidose, Hyperkapnie, Polyglobulie, Hypoglykämie, Stress (z. B. Schmerz, Kälte). • Intrauterin erworbene Mediahypertrophie: – Prostaglandinsynthesehemmer (in utero). – Chronische intrauterine Hypoxämie und Azidose. – Lithiumtherapie während der Schwangerschaft. – Idiopathisch. –

307

Herz/Kreislauf

12

12.5 PPHN/PFC-Syndrom

• Hypoplasie des pulmonalen Gefäßbetts: Fehlbildungen z. B. Zwerchfellhernie, Hydrops fetalis, Anhydramnion, Lungenhypoplasie. • Neurologische Erkrankungen: Werdnig-Hoffmann-Syndrom, Phrenikusaplasie.

Klinik ▶ Zentrale Zyanose (direkt postnatal oder im Verlauf): • Hyperoxietest: Oxygenierung unter erhöhtem FiO2 nicht deutlich besser. • Postduktale O2-Sättigungsdifferenz („Differenzialzyanose“): Deutlich bei vorwiegendem Rechts-Links-Shunt über Ductus arteriosus (simultane prä- und postduktale Pulsoxymetrie). Ist als Verlaufsparameter verwertbar. Bei überwiegendem Rechts-Links-Shunt auf Vorhofebene liegt nur eine geringe Differenz vor. ▶ Dyspnoe, Einziehungen, evtl. Hyperkapnie. ▶ Blutdruck eher niedrig, Systolikum infolge Trikuspidalinsuffizienz möglich.

Diagnostik ▶ Röntgen-Thorax: Verminderte Lungenperfusion, oft nicht sehr auffällig (Diskrepanz zwischen schlechtem Allgemeinzustand und Röntgenbild). ▶ Echokardiografie: Ausschluss zyanotischer Vitien, Beurteilung der Myokardfunktion. • Großer rechter Vorhof und rechter Ventrikel mit gestrecktem oder linkskonvexem Ventrikelseptum („bananenförmiger linker Ventrikel“). • Trikuspidalinsuffizienz. • Rechts-Links-Shunt auf Vorhof- und Duktusebene. • Evtl. verminderte Kontraktilität. ▶ EKG: Keine typischen Veränderungen. ▶ Evtl. Bestimmung des Rechts-Links-Shunts mittels Hyperoxietest: FiO2 auf 0,8 oder 1,0 erhöhen. Nach ca. 15 – 20 min präduktales paO2 bestimmen → ablesen des Shunts (in %) im Nomogramm.

1,0

600 550

Fi 02

0,8

500

Pa O2 (mm Hg)

450 400 350

0,6

300 250 200 150 100 50

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Re-Li-Shunt (%) 308

Abb. 12.12 • Nomogramm zur Bestimmung des Rechts-Links-Shunts.

50

55

60

65

Therapie ▶ Prinzip: Diagnostische Maßnahmen bedeuten Stress und können rasch das PPHNSyndrom verschlechtern → „minimal handling“! Eine Stabilisierung nach Veränderungen benötigt Zeit → Therapieversuche nicht zu rasch ändern. ▶ Beachte: Ein ausreichend oxygeniertes, kreislaufstabiles Kind mit hohem FiO2 und ■ akzeptablen Beatmungsdrücken ist besser als ein hypotones Kind unter Vasodilatatoren mit etwas niedrigerem FiO2! ▶ Maßnahmen: • Symptomatische Behandlung aller akuten Störungen. • Analgosedierung: Bei spontan atmendem (oder beatmetem) Kind beginnen mit Morphin. – Dosis: 0,1 mg/kg KG als Kurzinfusion über 30 min, dann 0,005 – 0,01 mg/kg KG/h als Dauerinfusion. – Wirkmechanismus: Senkt den Pulmonaliswiderstand und die Stresshormonspiegel. – Nebenwirkungen: Atemdepression (cave: bei nicht beatmetem Kind), negative Inotropie, Darmmotilität vermindert, Blasensphinkterspasmus. Bei Dauerinfusion in der Regel klinisch nicht relevant. • Maschinelle Beatmung: – Frühzeitiger Beginn, z. B. SIMV-Beatmung (S. 233), nach üblichen Kriterien (Dyspnoe ist relevanter Stress). – Kontinuierliche Überwachung von tcpO2, tcpCO2 und SaO2 (evtl. prä- und postduktal). – FiO2 nach Bedarf bis 1,0. – Ziel: paO2 > 70 mmHg, möglichst niedriger PEEP. – Keine Hyperventilation < 30 mmHg oder Hyperkapnie > 45 mmHg. ▶ Cave: Ein pCO2 um 20 mmHg > 2 h Dauer führt zu einer zerebralen Minderper■ fusion mit Risiko für Dauerschäden sowie zu einem Barotrauma der Lunge. – Bei Erfolg langsame Reduktion der Beatmungsparameter. Eine erneute Verschlechterung bei raschen pO2- oder pCO2-Schwankungen ist möglich. ▶ Cave: Pneumothoraxgefahr bei hohem PIP → erst Druck reduzieren; ein hoher ■ MAD kann das Schlagvolumen beeinträchtigen. – HFOV (S. 234) erwägen wenn die konventionelle Beatmung (S. 225) erfolglos ist. • Relaxierung: Norcuron 0,1 mg/kg KG i. v. bzw. 0,1 mg/kg KG/h kombiniert mit Morphin oder Fentanyl. Kein Phenobarbital bei Hypoxämie (schlecht steuerbar, erheblich negativ inotrop). • Azidoseausgleich (unbedingt erforderlich), da – ein normaler pH-Wert die Voraussetzung für eine gute kardiale Funktion sowie für eine gute Medikamentenwirkung (z. B. Katecholamine) ist. – per se Alkalisierung bereits zu einer pulmonalen Vasodilatation führen kann. ▶ Cave: Bei einer Alkalose nimmt das ionisierte Kalzium ab → Abnahme der Myo■ kardfunktion → ausreichende Substitution ist wichtig. • Blutdruck-Normalisierung: Rechts-Links-Shunt ist begünstigt durch systemische Hypotension. Bei pulmonaler Hypertonie ist ein hoher Systemdruck für eine Shuntumkehr erforderlich. Maßnahmen: – Volumensubstitution (ZVD?). – Katecholamine: Dopamin 5 – 20 μg/kg KG/min, frühzeitig Arterenol 0,1–1(–4) μg/ kg KG/min da starker Vasokonstriktor. Dopamin und Arterenol wirken stark vasokonstriktiv, auch in den Pulmonalgefäßen; Gabe möglichst über V. cava inferior (Abfluss: rechter Vorhof → Foramen ovale → Systemkreislauf).

12 Herz/Kreislauf

12.5 PPHN/PFC-Syndrom

309

Herz/Kreislauf

12

12.6 Verdacht auf konnatale Vitien

• Medikamentöse pulmonale Vasodilatation: – NO-Beatmung (S. 237) oft sehr erfolgreich. – Iloprost-Inhalation: 2,5–5 μg absolut alle 4 h. – Iloprost-Dauerinfusion: 0,2–2 μg/kgKG/min. ▶ Cave: Akuter Blutdruckabfall möglich. Kontinuierliche, möglichst invasive Mes■ sung. Volumen (Plasma, Blut) muss aufgezogen und angeschlossen sofort verfügbar sein. – Evtl. Sildenafil 0,5 mg/kgKG p. o. alle 8 h (wirkt synergistisch zu NO).

Ultima Ratio ▶ Verlegung in ein ECMO-Zentrum (S. 240).

Nachsorgeuntersuchungen ▶ Entwicklungsneurologie. ▶ Audiologie.

12.6 Verdacht auf konnatale Vitien Dalla Pozza

Vorbemerkungen ▶ Die meisten Neugeborenen mit einem Vitium cordis sind unmittelbar postnatal asymptomatisch. ▶ Kritisch sind: • Die Zeit des Verschlusses des Ductus Botalli (3. – 5. Lebenstag). Bei duktusabhängiger Lungen- oder Systemkreislaufperfusion ergibt sich eine akute Notfallsituation! • Duktusabhängige Systemperfusion: kardiogener Schock mit grauem Hautkolorit, kalten Extremitäten, Anurie, Laktatazidose. • Duktusabhängige Lungenperfusion: schwere zentrale Zyanose, Azidose, Hyperkapnie. • Die hämodynamischen Auswirkungen des sinkenden Lungengefäßwiderstands in den ersten Lebenswochen. Unter Umständen erhebliche Zunahme des Shuntvolumens mit der Folge einer Dekompensation.

Anamnestische Hinweise ▶ In der Familie: • Herzfehlerrisiko: – Für alle Neugeborenen 0,8 %. – Bei einem Verwandten 1. Grades mit Herzfehler 3 – 4 %. – Bei 2 Verwandten 1. Grades mit Herzfehler ca. 10 %. • Kardiomyopathien. • Syndrome: Trisomie 21, Catch 22, Marfan, Noonan, Ellis van Crefeld, Holt-Oram, Long-QT, Glykogenspeicherkrankheit, Mukopolysaccharidose etc. ▶ Mütterliche Risikofaktoren: • Diabetes mellitus, Phenylketonurie. • Kollagenosen (insbesondere Lupus erythematodes als Ursache für kongenitalen AV-Block). • Alkoholabusus. • Teratogene Medikamente (Antikonvulsiva, Vitamin-A-Säure, Lithium etc.). • Infektionen: Röteln, CMV, HIV, Coxsackie. • Alter der Mutter.

310

Auffällige klinische Symptome des Neugeborenen ▶ SGA-Kind. ▶ Herzgeräusch: Besonders bei Obstruktionen hört man unmittelbar postnatal ein Herzgeräusch, besonders bei kritischen Herzfehlern aber auch ohne Herzgeräusch. ▶ Zeichen einer Herzinsuffizienz: Vermehrtes Schwitzen, Tachypnoe, Trinkschwäche, fehlende Belastbarkeit, Gedeihstörung, Zyanose.

12 Herz/Kreislauf

12.7 Vorgehen bei Verdacht auf angeborenen Herzfehler

Diagnostik ▶ Inspektion: • Fahl-graues oder zyanotisches Kolorit. • Atmung beschleunigt, vertieft, stöhnend. • Ödeme, anfangs oft schwer zu verifizieren. • Hyperaktives Präkordium. • Dysmorphiezeichen. ▶ Palpation: • Pulsus celer et altus = Windkesselleck , z. B. PDA oder Aorteninsuffizienz. • Pulsus parvus = „low cardiac output“ bei Herzinsuffizienz oder Linksherzobstruktion. • Pulsdifferenz zwischen oberer (rechter) und unterer Extremität bei Aortenisthmusstenose. • Schwirren über dem Thorax, präkordiale Pulsationen (Epigastrium = rechter Ventrikel, Herzspitze = linker Ventrikel). • Hepatosplenomegalie. ▶ Auskultation: • Systolisches und/oder diastolisches Herzgeräusch, oft erst am 3. – 4. Lebenstag. • Singulärer, fixiert gespaltener oder paukender 2. HT. • „Ejection click“. • Galopprhythmus, Herzrhythmusstörungen. ▶ Cave: Ein Herzgeräusch kann völlig fehlen. ■ ▶ Konsequenz: Bei Hinweisen auf ein Vitium: Echokardiografie, EKG, Röntgen-Thorax. ▶ O2-Sättigung postduktal: > 94 % normal; 90–94 %: Wiederholung nach einigen Stunden, bei Persistenz Abklärung pulmonal/kardial; < 90 %: sofortige Abklärung, wenn nicht pulmonal erklärbar: sofortige Echokardiografie.

12.7 Vorgehen bei Verdacht auf angeborenen

Herzfehler Dalla Pozza

Grundlagen ▶ Die Symptomatik eines kritisch kranken Neugeborenen mit V. a. Vitium cordis äußert sich oft durch eine ausgeprägte Zyanose, eine ausgeprägte Herzinsuffizienz und evtl. einen kardiogenen Schock. Durch die klinische Untersuchung, BGA, EKG, Röntgen-Thorax, Hyperoxietest und, wenn möglich, Echokardiogramm sollte der Patient zunächst einer der folgenden Gruppen zugeteilt werden: • Duktusabhängige Perfusion des großen Kreislaufs. • Duktusabhängige Lungenperfusion. • Parallelzirkulation von System- und Lungenkreislauf. • Komplette intrakardiale Blutmischung. • Links-Rechts-Shunts.

311

Herz/Kreislauf

12

12.7 Vorgehen bei Verdacht auf angeborenen Herzfehler

▶ Wichtig: Frühzeitiger Kontakt mit Kinderkardiologie erleichtert ■

• die Festlegung der Therapiestrategie zur hämodynamischen Stabilisierung des Kindes und die Vorbereitung eines möglichst risiko- und komplikationsarmen Transportes. • die Planung der erforderlichen Maßnahmen im weiterbetreuenden Zentrum. ▶ Zusätzlich zu den üblichen Reanimationsmaßnahmen (Oxygenierung, Beatmung, Volumensubstitution, Katecholamine, Azidoseausgleich) sollten abhängig von der jeweiligen Hämodynamik die im Folgenden genannten Therapiestrategien berücksichtigt werden. Die Einleitung dieser Therapiemaßnahmen ist manchmal allein aufgrund klinischer Symptome erforderlich. Folgende Prinzipien können weiterhelfen:

Duktusabhängige Systemperfusion (Linksherzobstruktion) ▶ Leitsymptome: Fahles Hautkolorit, verlängerte kapilläre Füllungszeit, abgeschwächt tastbare Pulse (u. U. nur untere Extremität), Tachykardie, Hepatosplenomegalie, Tachypnoe, Azidose, Schock. ▶ Mögliche Ursachen: • Kritische valvuläre Aortenstenose (leiser 1. HT, 2. HT nicht gespalten, hebende Herzspitze), evtl. zusätzlich Endokard-Fibroelastose • Aortenisthmusstenose. • Unterbrochener Aortenbogen. • Hypoplastisches Linksherzsyndrom (1. HT normal, gelegentlich frühsystolischer Click, 2. HT nicht gespalten). ▶ Entbindung: Wenn pränatal bekannt, Geburt in Klinik der Maximalversorgung; wenn postnatal sofort Probleme zu erwarten, auch evtl. elektive Sectio (z. B. bei Transposition der großen Gefäße [TGA] oder hypoplastischem Linksherzsyndrom [HLHS] mit restriktivem Vorhofseptumdefekt ist sofortiges Rashkind-Manöver nach Geburt indiziert). ▶ Therapie: • Prostaglandin E1 (Minprog) mit 50 – 20 – 10 ng/kg KG/min zum Offenhalten des Ductus arteriosus Botalli. Möglichst niedrige Dosis (z. B. 10 ng/kg KG/min) möglichst früh anstreben. Cave: Apnoen sind möglich, ggf. Beatmung • Möglichst niedriges FiO2, da bei zu hohem O2-Angebot der pulmonale Gefäßwiderstand sinkt und der Links-Rechts-Shunt steigt → verminderte Perfusion des Systemkreislaufs. Sättigung von 75 % reicht und anstreben. • pH-Soll 7,35. pCO2 > 45 mmHg reicht aus. • Mäßige metabolische Azidose anstreben (BE 0 – 2), pH-Soll 7,35. • Bei Lungenödem hoher PEEP (4 – 6 – 8 cmH2O), PIP bis pCO2 > 45 mmHg. • Falls Inotropika erforderlich sind: Dobutamin (S. 442), Adrenalin (S. 444), evtl. auch Phosphodiesterasehemmer, z. B. Milrinon 0,25–1 μg/kgKG/min. Keine vasokonstriktiven Substanzen (z. B. Dopamin, Noradrenalin). ▶ Beachte: ■ • Bei einem restriktiven Foramen ovale wird bei hypoplastischem Linksherz und kritischer valvulärer Aortenstenose evtl. eine notfallmäßige Ballonatrioseptostomie (Rashkind-Manöver) erforderlich. • Bei Aortenisthmusstenose oder unterbrochenem Aortenbogen sollte die Blutdruckmessung möglichst am rechten Arm erfolgen, da hier der gemessene Blutdruck die zerebrale Perfusion repräsentiert.

Duktusabhängige Lungenperfusion ▶ Leitsymptom: Im Alter von 2 – 3 Tagen zunehmende zentrale Zyanose. ▶ Mögliche Ursachen: • Kritische valvuläre Pulmonalstenose (1. HT über A. pulmonalis leise, fixierte Spaltung des 2. HT). • Pulmonalatresie. • Trikuspidalatresie. 312

• Fallot-Tetralogie. • Ebstein-Anomalie. ▶ Wegweisend ist der Hyperoxietest (S. 307). ▶ Therapie: • Prostaglandin E1 (Minprog) mit 50 – 20 – 10 ng/kg KG/min zum Offenhalten des Ductus arteriosus Botalli. Möglichst niedrige Dosis (z. B. 10 ng/kg KG/min) möglichst früh anstreben. Cave: Apnoen sind möglich, ggf. Beatmung. • FiO2-Angebot erhöhen, da hierdurch der pulmonale Gefäßwiderstand sinkt. O2-Sättigung soll mindestens > 70 % betragen für eine ausreichende Oxygenierung der Organe, paO2 > 30 mmHg. • Milde Hyperventilation (paCO2 35 mmHg) zur Senkung des pulmonalen Gefäßwiderstandes. • „Überpufferung“, BE-Soll + 2 bis + 4 zur Senkung des pulmonalen Gefäßwiderstandes. • Steigerung des Systemwiderstandes mit vasokonstriktiven Substanzen, z. B. Dopamin (S. 443), ggf. Noradrenalin, ggf. Suprarenin.

12 Herz/Kreislauf

12.7 Vorgehen bei Verdacht auf angeborenen Herzfehler

Parallelzirkulation des Lungen- und Systemkreislaufs ▶ Leitsymptom: Häufig unmittelbar postnatal auftretende zentrale Zyanose bei sonst erstaunlich vitalem Kind. ▶ Ursachen: Transposition der großen Gefäße (kein Geräusch, normale Auskultation). Bei zusätzlichem VSD ist die Symptomatik je nach dessen Größe deutlich geringer. ▶ Therapie: • Prostaglandin E1 (Minprog) mit 50 – 20 – 10 ng/kg KG/min zum Offenhalten des Ductus arteriosus Botalli (cave: Apnoen sind möglich, ggf. Beatmung). • Bei unzureichendem Erfolg (O2-Sättigung weiter < 65 – 70 %) besteht der Verdacht auf ein restriktives Foramen ovale. In diesem Fall wird eine Notfall-Ballonatrioseptostomie erforderlich (Rashkind-Manöver: in Narkose im Herzkatheterlabor; nur in Ausnahmefällen unter Echo-Kontrolle auf Station)! • Ein höheres FiO2-Angebot ist wirkungslos, FiO2 möglichst niedrig halten.

Vitien mit kompletter intrakardialer Blutmischung ▶ Leitsymptome: Zeichen der Herzinsuffizienz, diskrete Zyanose, pulmonale Hypertonie (z. B. lauter 2. Herzton). ▶ Bedenke: In der Regel kein Notfall: Es bleibt Zeit für Echokardiografie. ■ ▶ Truncus arteriosus communis: • Klinik: Zeichen der Herzinsuffizienz nach Abfall des Lungengefäßwiderstandes, also erst einige Tage postnatal. Diskrete Zyanose ist möglich, pulmonale Hypertonie (zuerst flussbedingt, später fixiert). 1. und 2. HT normal, lautes raues spindelförmiges Holosystolikum p. m. 3. – 4. ICR links parasternal, kann selten auch fehlen. EKG: ggf. Ischämiezeichen durch schlechte Koronarperfusion (wäre OP-Indikation), daher täglich (!) 12-Kanal-EKG und ggf. Herzenzyme. • Therapie: Konservative Therapie der Herzinsuffizienz mit Digitalis, Diuretika, ggf. Katecholaminen. Operative Korrektur möglichst frühzeitig anstreben; spätestens beim Auftreten von EKG-Veränderungen und Ischämiezeichen im Labor. ▶ Totale Lungenvenenfehlmündung: Zu unterscheiden sind die kardiale, suprakardiale, infrakardiale sowie gemischte Ausprägungen. • Klinik: – Erhöhter pulmonaler Blutfluss (Röntgenbild!) → Herzinsuffizienz. Häufig diskrete, selten ausgeprägte Zyanose (die Füllung des linken Ventrikels erfolgt über ein Foramen ovale mit Rechts-Links-Shunt). 1. HT normal, in der Regel kein Geräusch. Breit und fixiert gespaltener 2. HT, laut über Pulmonalis. – Die gravierendsten Symptome zeigen Kinder mit infrakardialer Lungenvenenfehlmündung. Sie haben häufig eine Obstruktion im Bereich der Einmündung in die V. cava inferior und entwickeln innerhalb von Stunden ein Lungenödem. 313

Herz/Kreislauf

12

12.8 Postoperative Versorgung Herzoperierter

• Therapie: – Hoher PEEP (6 – 8 cmH2O) bei Lungenödem. – Hohes FiO2, milde Hyperventilation (paCO2 35 mmHg), Alkalisierung. Metabolische Azidose vermeiden. – Evtl. NO-Beatmung (S. 237). – Diuretika (S. 446), Katecholamine. ▶ Cave: Eine Therapie mit Prostaglandin E1 ist bei obstruktiver Lungenvenenfehl■ mündung und hohem Lungengefäßwiderstand kontraindiziert. Hier hilft nur Notfall-OP. ▶ Univentrikuläre Herzen: • Hierzu zählen: – Trikuspidalatresie. – DILV (double inlet left ventricle). – DORV (double outlet right ventricle) (einige Formen). – „Unbalanced“ AV-Kanal. – Pulmonalatresie mit intaktem Ventrikelseptum. – Hypoplastisches Linksherzsyndrom. • Teilweise sind diese Vitien aufgrund unterschiedlichster Ausflusstraktstrukturen erstaunlich gut kompensiert und die Symptomatik entsprechend mild. • Die Therapie muss individuell mit Kardiologen besprochen werden (meist ZielSaO2 80 %).

Vitien mit inkompletter intrakardialer Blutmischung, z. B. mit LinksRechts-Shunt ▶ PDA (S. 304). ▶ VSD, AV-Kanal, große aortopulmonale Fenster: • Klinik: – Herzinsuffizienz durch anfänglich flussbedingte, später fixierte pulmonale Hypertonie; Linksherzbelastung. – Systolikum. Bei fehlender Drucktrennung keine respiratorische Spaltung des 2. Herztones. Systolikum kann bei großem Defekt und Druckangleichung beider Kammern fehlen (z. B. großer VSD, AV-Kanal). • Therapie: – Konservative Therapie der Herzinsuffizienz (Diuretika, Digitalis, ggf. Katecholamine). – Frühzeitige Korrekturoperation.

12.8 Postoperative Versorgung Herzoperierter Dalla Pozza

Informationen vor Ankunft des Patienten auf der Intensivstation ▶ Beachte: Alle relevanten Informationen müssen mindestens 30 Minuten vor Aufnah■ me des Patienten bekannt sein. Die post-operative Intensivtherapie beginnt im OP! ▶ Zugrunde liegende Erkrankung: • Präoperative Hämodynamik, medikamentöse Therapie. ▶ Perfusoren mit den wichtigsten kardialen Medikamenten. ▶ Defibrillator funktionstüchtig und betriebsbereit. ▶ Herzschrittmachergerät überprüft und funktionstüchtig, Batterie?!

Übergabe des Patienten ▶ Beachte: 30 Minuten vor „Abfahrt“ aus dem OP telefonische Übergabe der wichtigs■ ten Parameter. ▶ Durchgeführter Eingriff.

314

▶ Verlauf der OP: • Komplikationen. • Rhythmus, Herzschrittmacher erforderlich? • Mit oder ohne ECC (extrakorporale Zirkulation), Dauer der ECC. • Mit oder ohne Hypothermie (wie lange, wie tief?). • Intravasale Zugänge mit Funktion, letzte Druckwerte (Arterie, LAP, PAP, ZVD).

Umlagern des Patienten und Wechsel der Überwachung vom Transportsystem auf das stationäre System

12 Herz/Kreislauf

12.8 Postoperative Versorgung Herzoperierter

▶ Beachte: Sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Pflegepersonal (2 Schwestern) und Ärz■ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

teteam (2 Ärzte) (üben: z. B. 1 Arzt Beatmung, 1 Arzt Hämodynamik!). Beatmungsgerät auf aktuellen Bedarf einstellen, ca. 20 % mehr O2. Thoraxexkursion und seitengleiche Belüftung überprüfen. EKG-Monitor und O2-Sättigung anschließen. Nicht invasive RR-Messung anschließen und starten. Arterielle RR-Messung installieren, dabei BGA. Drainagen anschließen und „melken“ (cave: Tamponade). Übrige Druckmesskatheter installieren, ZVD messen, BGA zentralvenös und diagnostische Blutentnahme. Magensonde und Urinkatheter umhängen. Temperatursonde zentral und peripher anschließen. Falls Schrittmacher läuft, Funktion und korrekte Einstellung überprüfen. Alle Alarme aktivieren, EKG-Ton aktivieren, immer 1 Arzt oder Pflegekraft im Zimmer.

Obligate Diagnostik ▶ Klinische Untersuchung. ▶ Labor: • BGA (arteriell und zentralvenös), BB, BZ, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin, Gerinnung, Herzenzyme (Troponin I und CK-MB), Leberwerte. Sofort, nach 4 und 12 h, ggf. öfter. • Arterielle BGAs stündlich; zu Beginn sowie dann alle 4 h sollten BGAs aus allen zur Verfügung stehenden Kathetern (Arterie, LAP, PAP, ZVK) abgenommen werden, um Shunts und Widerstandsverhältnisse zu berechnen. ▶ Röntgen-Thorax: Beurteilung von Herz und Lunge, Ergüssen, Zwerchfellstand, Tubuslage, Drainagen, ZVK, LAP, PAP, Magensonde. ▶ Herzecho (soweit nicht intraoperativ schon durchgeführt). ▶ EKG mit langem Streifen (im Hinblick auf Rhythmusstörungen) bei Aufnahme, dann täglich. ▶ Bilanz: stündlich Ein- und Ausfuhr (getrennte Bilanzierung von kristalloiden [„Wasserbilanz“] und kolloidalen [„Volumenbilanz“] Lösungen).

Mögliche Probleme nach kardiochirurgischen Eingriffen mit ECC ▶ Beachte: Myokardfunktion ca. 12 h nach ECC am schlechtesten! ■

▶ Myokardläsion durch: • Chirurgisches Trauma. • Ischämie. • Unzureichende Myokardprotektion (Kühlung, Kardioplegie). • Reperfusion. • Koronararterienläsionen (z. B. Luftembolie, chirurgisches Trauma). ▶ Hypoventilation durch mechanische Kompression der Lunge. ▶ Atelektasen, Ventilations-Perfusions-Missverhältnis, Ergüsse, Blutung, Lungenödem, inflammatorische Reaktion nach ECC, ggf. bis zum ARDS. ▶ Beeinträchtigung der Nierenfunktion infolge Minderperfusion, ggf. ANV. 315

Herz/Kreislauf

12

316

12.8 Postoperative Versorgung Herzoperierter

▶ Beeinträchtigung des ZNS durch Minderperfusion, Mikroembolien, Hypothermie mit der Folge von Krampfanfällen und evtl. Verlust neurologischer Funktionen. ▶ Gerinnungsstörungen (Verbrauch, Heparineffekte etc.). ▶ Kapillarleck. ▶ Fieber.

Basistherapie ▶ Endokarditisprophylaxe: Z. B. Cefuroxim 100 mg/kgKG/d i. v. in 2 ED. ▶ Antipyrese (nach ECC): • Paracetamol 10 mg/kg KG (ben-u-ron) rektal alle 6 h. • Bei Temperatur > 38,5 °C physikalische Kühlung (Kühlmatte, feuchte Tücher). • Ggf. Novalgin, Novaminsulfon 10 mg/kg KG. ▶ Cave: Blutdruckabfall. ■ ▶ Analgosedierung: • Bei länger erforderlicher Beatmung mit Dormicum und Fentanyl-DTI. • Bei zügig geplanter Extubation Dipidolor-Bolusgaben, dazu Benzodiazepine, evtl. auch Barbiturate. Dabei immer evtl. mögliche kreislaufdeprimierende Nebenwirkungen der Medikamente beachten. ▶ Cave: Propofol wegen Bradykardien und Hypotension möglichst vermeiden! ■ ▶ Relaxierung nur solange wie unbedingt nötig, z. B. offener Thorax. Entweder Bolusgaben (Norcuron 0,1 mg/kg KG/ED) oder DTI mit Norcuron (0,1 – 0,2 mg/kg KG/h). ▶ Ulkusprophylaxe solange der Patient nüchtern ist, Omeprazol 2 mg/kg KG in 2 ED. ▶ Beachte: Aber Infektionsgefahr erhöht! ■ ▶ Volumenersatz: • Je nach Hb zunächst mit Maschinenblut, Eigenblut oder Ery-Konzentrat. – Bei zyanotischen Vitien, sobald Hb < 12 – 14 g/dl ist. – Bei azyanotischen Vitien Hb < 10 – 12 g/dl. – Hb < 9 g% bei Eingriffen ohne ECC. • In der Anfangsphase evtl. auch kolloidale Lösungen: – Humanalbumin 5 %, FFP je nach Gesamteiweiß und Gerinnung, TK je nach Thrombozytenzahlen und Maßgabe der Herzchirurgen, im Verlauf Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %. – Dosis: 5 – 10 ml/kg KG und Einzelgabe, bei Bedarf mehrfach wiederholen. • Insgesamt ist eine Negativ-Bilanz anzustreben, da interstitielle Flüssigkeitseinlagerungen infolge von „capillary leak“ möglichst gering gehalten werden sollen (Gefahr eines interstitiellen Lungenödems). • Bilanzierung: Es sollte eine getrennte „Wasserbilanz“ (kristalloide Lösungen inkl. Medikamenten und Katheterspülungen minus Urinausscheidung und Magensaftverluste) und eine „Blutbilanz“ (kolloidale Lösungen, Blut und Blutprodukte minus Drainagenverluste) berechnet werden. ▶ Azidoseausgleich: • Bei Serumnatrium < 150 mmol/l: Natriumbikarbonat 8,4 % [ml] = BE × kg KG × 0,3 bei Kindern (bzw. 0,5 bei Neugeborenen). • Bei Serumnatrium > 150 mmol/l: Trispuffer 3 molar [ml] = BE × kg KG ÷ 10, nur über zentralen Katheter. ▶ Gerinnungsaktive Substanzen: • FFP bei Fibrinogen < 150 mg% (10 – 20 ml/kg KG/h). • Heparin nur nach Rücksprache mit Herzchirurgen: 100–200 IE/kg KG/d. Bei Shunts, Glenn-, Fontan-OP: PTT-Soll: 50 – 60 s; bei Kunstklappen auch höher. ▶ Katheterspülungen : 200 IE Heparin in 24 ml NaCl 0,9 %; Infusionsgeschwindigkeit 1 – 2 ml/h. ▶ Infusionstherapie: • Säuglinge am OP-Tag 1000 ml/m2KOF/Tag. • Ältere Kinder 750 ml/m2KOF/Tag.

• Zusammensetzung der Lösungen s. Tab. 12.3. Alle Angaben sind orientierende Vorschläge, es gelten die üblichen Richtlinien der parenteralen Ernährung. Tab. 12.3 • Infusionstherapie nach Herzoperationen. Gesamtmenge inklusive Perfusoren

Gesamtmenge inklusive Perfusoren

< 0,5 m2 KOF*

> 0,5 m2 KOF*

Glukose 5 %

1000 ml/m2

750 ml/m2

1. Tag postoperativ

Glukose 10 % und Elektrolyte 1 g/kg KG/Tag Aminosäuren

1250 ml/m2

1000 ml/m2

2. Tag postoperativ

Glukose bis max. 12 g/kg KG/Tag und Elektrolyte 1,5 g/kg KG/Tag Aminosäuren 0,5 g/kg KG/Tag Fett

1500 ml/m2

1250 ml/m2

3. Tag postoperativ

Glukose bis max. 12 g/kg KG/Tag und Elektrolyte 2 g/kg KG/Tag Aminosäuren 1,0 g/kg KG/Tag Fett

1750 ml/m2

1500 ml/m2

4. Tag postoperativ

Glukose bis max.12 g/kg KG/Tag und Elektrolyte (Glukose je nach BZ allmählich steigern.) 2,5 g/kg KG/Tag Aminosäuren 1,5 g/kg KG/Tag Fett

1800 ml/m2

1800 ml/m2

Zeitpunkt

postoperativ

Lösungen

12 Herz/Kreislauf

12.8 Postoperative Versorgung Herzoperierter

*Berechnung der Körperoberfläche [KOF] in m2 (S. 489).

▶ Ernährung: Sobald wie möglich enteral, d. h. erster Versuch mit Tee oral oder über Ernährungssonde am Mittag des 1. postoperativen Tages. ▶ Herz-/Kreislaufwirksame Medikamente: • Digitalis: Bei Herzinsuffizienz. Dosis 5 μg/kgKG/d in 2 ED p. o. Zielspiegel 0,5 – 0,8 ng/ml. • Diuretika: Bei unzureichender Diurese (< 1 ml/kg KG/h) und ausreichendem Intravasalvolumen (ZVD). – Lasix-Bolusgaben (Furosemid) (0,5 mg/kg KG/ED), bei unzureichendem Erfolg evtl. DTI mit 3–10 mg/kg KG/Tag. – Evtl. Dopamin 3 μg/kgKG/min i. v. – Evtl. Theophyllin 5 mg/kgKG/d i. v. als DTI. – Frühzeitig kombinieren mit Aldactone 2 mg/kgKG/d p. o. in 2 ED und Esidrix 2 mg/kgKG/d p. o. in 2 ED. • Inotropika: Suprarenin (Adrenalin), Dobutrex (Dobutamin), Milrinon (Phosphodiesterasehemmer), Dopamin. Indikation und Dosierung (S. 442). • Vasokonstriktiva: Arterenol (Noradrenalin), Dopamin. Indikation und Dosierung (S. 442). • Vasodilatatoren (bei Kreislaufzentralisation): Natriumnitroprussid 1–4 μg/kgKG/min, ab 2 μg/kgKG/min Natriumthiosulfat dazu (Zyanidfänger). • Antihypertensiva (z. B. nach Korrektur einer Aortenisthmusstenose): – Ebrantil (Urapidil): 1–14 mg/kg KG/h.

317

Hämatologie

13

Hämatologie

13

Hämatologie

13.1 Icterus neonatorum Genzel

Grundlagen ▶ Bilirubineinheiten: 1 mg/dl ≙ 17,1 μmol/l. ▶ Laborchemisch werden verschiedene Fraktionen gemessen: • GSB: Gesamtbilirubin. • Bu: Unkonjugiertes Bilirubin. • Bc: Konjugiertes Bilirubin (an Glukuronsäure gebunden). • δ-Bilirubin: An Albumin kovalent gebundenes Bilirubin. • Direktes Bilirubin: Summe von di- und monokonjugiertem Bilirubin + δ-Bilirubin. • Indirektes Bilirubin: Gesamtbilirubin – direktes Bilirubin. • Schema der Bilirubinfraktionen s. Abb. 13.1. ▶ Definitionen: • Physiologischer Ikterus: Beginn am 2.–3. Lebenstag, Dauer maximal 8 Tage. 95. Perzentile bis 17 mg/dl bei reifen Neugeborenen. • Pathologischer Ikterus: – Bilirubin im Nabelschnurblut > 6 mg/dl (100 μmol/l). – Icterus praecox in den ersten 36 Lebensstunden > 12 mg/dl (200 μmol/l). – Icterus gravis mit Gesamtbilirubin > 20 mg/dl (340 μmol/l). – Konjugiertes Bilirubin > 2 mg/dl (34 μmol/l) oder > 15 % des Gesamtbilirubins während der ersten 2 Lebenswochen, danach > 0,5 mg/dl (8,5 μmol/l). – Icterus prolongatus nach der 2. Lebenswoche (> 14 Tage). ▶ Komplikationen: • Bilirubinenzephalopathie bei hohem unkonjugiertem Bilirubin. – Akute Bilirubinenzephalopathie: Klinische Zeichen aufgrund der zentralnervösen Toxizität des Bilirubin in den Basalganglien und diversen Hirnstammkernen in den ersten Wochen nach Geburt: – Frühe Phase: Lethargie, Trinkschwäche. – Intermediäre Phase: Mäßiger Stupor, Irritabilität und Hypertonie. Fieber und schrilles Schreien, das mit Schläfrigkeit und Hypotonie wechselt. Die Hypertonie manifestiert sich als Überstrecken des Halses (Retrocollis) und des Rückens (Opisthotonus). In dieser Phase kann eine Austauschtransfusion evtl. helfen (Einzelberichte). – Fortgeschrittene Phase: Zentralnervöse Schädigung vermutlich irreversibel. Schwerer Retrocollis und Opisthotonus, schrilles Schreien, kein Trinkvermögen, Apnoen, Fieber, tiefer Stupor, Koma, gelegentlich Krampfanfälle und Tod. – Kernikterus (permanente Schädigung) mit zerebralen Bewegungsstörungen (vor allem Dystonie und Athetose), mentaler Retardierung, Schwerhörigkeit, Apnoen und Zahnschmelzdefekten der bleibenden Zähne. • Cholestase und Leberzirrhose bei hohem konjugiertem Bilirubin.

[TB]=[Bu]+[monoconj Bili]+[diconj Bili]+[δ-Bili] konj. Bilirubin direktes Bilirubin neonatales Bilirubin [Bing] 318

Abb. 13.1 • Schema der Bilirubinfraktionen.

Methoden zur Bilirubinmessung ▶ Klinisch (Kolorit): Ab ca. 5 mg/dl (85 μmol/l) mit Schwankungsbreite von 3 – 12 mg/dl ist ein Ikterus sichtbar. Die visuelle Beurteilung ist sehr unsicher und daher erfolgt das Screening auf Hyperbilirubinämie durch die transkutane Bilirubinbestimmung (s. u.). Auch gesunde, reife Neugeborene ohne erkennbare Risikofaktoren können einen Kernikterus und/oder Hörstörungen entwickeln (z. B. bei G6PDH-Mangel). Daher sollte spätestens bei der Abnahme des Stoffwechselscreenings eine transkutane und/oder GSBBestimmung erfolgen. ▶ Beachte: Die Gefahr, dass eine therapiepflichtige Hyperbilirubinämie übersehen wird, ■ besteht besonders bei einer ambulanten Geburt bzw. Entlassung vor dem 3. Lebenstag. Eine Vorstellung bei einem Kinderarzt innerhalb der nächsten 2 (max. 3) Tage und eine standardisierte Informationsvermittlung (siehe Beiblatt der AWMF-Leitlinie) sind deshalb besonders wichtig. ▶ Transkutane Bilirubinbestimmung (TcB): • Die Abweichung zwischen TcB und GSB spielt bis zu 16 mg/dL (274 μmol/L) keine Rolle. • Messung über der Stirn oder dem Sternum durchführen (nicht bei Stauungszyanose). • Therapeutische Konsequenzen nur nach dem Serumbilirubin treffen. Eine laborchemische Kontrolle sollte z. B. erfolgen: – spätestens bei TcB ≥ 18 mg/dL (310 μmol/L). – immer bei Icterus praecox (< 24 Lebensstunden). – nach Fototherapie. – nach der 1. Lebenswoche zum Ausschluss einer Cholestase. ▶ Beachte: tcB-Werte sind nicht standardisiert, es gibt Unterschiede zwischen ver■ schiedenen Geräten. Deshalb sollten für jedes einzelne Gerät die Grenzwerte von tcB individuell ermittelt werden. ▶ Laborchemische Methode: • Die Bilirubinfraktionen (TB, Bu, Bc) werden in vielen Kliniken mit Hilfe der Reflektionsspektrometrie (Kodak Ektachem) bestimmt. • Die routine- und notfallmäßige Bestimmung von konjugiertem (Bc) und unkonjugiertem (Bu) Bilirubin ist zwingend an vielerorts nicht verfügbare „trockenchemische“ Analysensysteme gebunden. Im Regelfall erfolgt daher die Bestimmung des Gesamtbilirubins (TB) mit einem Diazo-Reagenz unter Zusatz eines Akzelerators und die Bestimmung des direkten Bilirubins (D-Bil) ohne Akzelerator. Das indirekte Bilirubin ergibt sich als Differenz aus den beiden. • Die Bestimmung des sog. „Neonatalen Bilirubins“ ist zwar sehr einfach, wenig aufwendig und aus Vollblut möglich, aber störanfällig. Die Indikation zur Austauschtransfusion darf nicht alleine auf der Basis dieses „Neonatalen Bilirubins“ gestellt werden. • Das TB aus Gascheckgeräten stimmt bis zu einer Konzentration von 15 mg/dl (250 μmol/l) sehr gut mit laborchemischen Bestimmungen überein und ist wegen des geringen Probenvolumens zum „Screening“ ikterischer Kinder geeignet. ▶ Merke: Austauschtransfusionen nur nach Bilirubin-Bestimmung mit Diazo-Reak■ tion. ▶ Beachte: Eine Cholestase kann mit dem „neonatalem Bilirubin“ nicht erfasst und be■ urteilt werden.

13 Hämatologie

13.1 Icterus neonatorum

Diagnostik ▶ Minimaldiagnostik: • Blutgruppen bei Kind und Mutter einschließlich Rhesus-Faktors. • Direkter Coombs-Test und Gesamteiweiß bzw. Albumin beim Kind. • Blutbild mit Retikulozyten. 319

Hämatologie

13

13.1 Icterus neonatorum

• Familienanamnese bzw. Herkunft (z. B. Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase [G6PD]-Mangel). LDH Bestimmung. • Prüfen, ob TSH-Screening durchgeführt und bestätigt ist. Andernfalls TSH, fT4, T3 bestimmen. • Untersuchung: Hämatome, Kephalhämatom usw.? ▶ Beachte: Bei Infektionsverdacht Urinstatus nicht vergessen. ■ ▶ Erweiterte Diagnostik: • Siehe Abb. 13.2 und Leitlinien der GNPI (s. u.) auf der AWMF-Homepage (www. leitlinien.net). • Icterus praecox: An Hämolyse denken und dementsprechend abklären (Blutgruppenunverträglichkeit; G6PDH-Mangel). • Icterus prolongatus: V. a. Stoffwechseldefekt (S. 353). • Cholestase: Konjugiertes Bilirubin beträgt mindestens 10 % des Gesamtbilirubins bei 2 Messungen oder ist > 2 mg/dl.

Kritische Bewertung einer Hyperbilirubinämie ▶ Bei gesunden Neugeborenen ohne pathologische Hämolyse sind die Unterteilung in einen physiologischen und einen pathologischen Ikterus und damit Fototherapie und Austauschgrenzen seit langem in Diskussion. Die Situation hat sich vereinfacht, da es die Leitlinie der GNPI (Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin) gibt (www.leitlinien.net → AWMF-Leitlinie Nr. 024/007 www.awmf.org/ uploads/tx_szleitlinien/024–007l_S 2k_Hyperbilirubinaemie_des_Neugeborenen. pdf), die sich engstens an die Empfehlungen (Konsens) der American Academy of Pediatrics anlehnen. Die Empfehlungen beziehen sich immer auf Gesamtbilirubinwerte (GSB). ▶ Es spricht vieles dafür, dass diese Grenzen auch auf Frühgeborene ≥ 35. SSW, ≥ 2000 g übertragen werden können, auch wenn eine AB0-Inkompatibilität vorliegt. ▶ Erhöhtes Risiko eines Kernikterus besteht aber bei: • Hämolyse infolge Blutgruppeninkompatibilität, G6PD-Defizienz. • Hypoxie, Azidose, Hypalbuminämie, Hypoglykämie, Hypothermie, Sepsis. • Medikamenten, die Bilirubin aus der Eiweißbindung verdrängen (z. B. Ceftriaxon, Digoxin, Furosemid, Valium, Theophyllin, Koffein, Ibuprofen!). • G6PDH-Mangel oder Crigler-Najjar-Syndrom. ▶ Die Datenlage bei Frühgeborenen < 35. SSW ist noch unklarer. Für sie gibt es in der Literatur wenige Daten zur Toxizität von Bilirubin. Trotzdem müssen für diese Kinder – bei aller Unsicherheit der Datenlage – Hinweise zur Behandlungsstrategie gegeben werden. Nur so sind die folgenden Angaben zu verstehen. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei Frühgeborenen < 1000 g eine Fototherapiegrenze von 7 statt 10 mg/dl das Risiko neurologischer Schäden reduziert. ▶ Die niedrigeren Austauschgrenzen in den ersten Lebenstagen beziehen sich auf einen auf spätere Tage projizierten Anstieg des Bilirubins bei einer schweren Hämolyse. ▶ Bei der Indikation zum Austausch sollten die Möglichkeiten und Zeitbeschränkungen des Labors und des Blutdepots in Betracht gezogen werden. Insbesondere bei Hämolyse sollte die Indikation zur Fototherapie großzügig gestellt werden.

Therapie ▶ Gesunde, reife Neugeborene: • Negativer Coombs-Test, keine Blutgruppenkonstellation: – Serumkontrolle bei schnell ansteigenden tcB-Werten, s. Abb. 13.3. – Bei signifikanter Hyperbilirubinämie: Coombs-Test wiederholen. – Evtl. weitere Diagnostik (Abb. 13.2). – Fototherapie bei Serumbilirubinwerten entsprechend der AWMF-Leitlinie bei unkomplizierten Fällen (Gestationsalter ≥ 38 + 0 Wochen, kein Hämolysehinweis): 320

13.1 Icterus neonatorum

konjugiertes Bilirubin↑

Hämatologie

Ikterus (Bc und Bu)

unkonjugiertes Bilirubin↑

Sepsis

Coombs positiv

Coombs negativ

intrauterine Infektion Toxoplasmose Röteln CMV Herpes Syphilis biliäre Atresie extrahepatisch intrahepatisch Alagille-Syndrom cholestatische Syndrome Cyst. Fibrose Galaktosämie Alphal-1-Antitr.-Mangel Tyrosinose schwere Hämolyse

Isoimmunisation Rh AB0 Blutuntergruppen

Hämatokrit

normal/niedrig Ery-Morphologie Retikulozyten

normal

enterohepatische Zirkulation↑ metabolisch/ endokrin. Erkr.: Hypothyreose Crigler Naijar andere: Lucey-Driscoll MM-Ikterus Hungern

13

erhöht feto-fetale und maternofetale Transfusion SGA hoch

spezifisch Spärozytose Elliptozytose

nichtspezifisch AB0-Inkompatibilität G6-PDH-Mangel a-Thalassämie DIC

Abb. 13.2 • Diagnostisches Vorgehen bei Hyperbilirubinämie. Eine Hyperbilirubinämie ist selten das erste oder alleinige Symptom einer Allgemeinerkrankung, sodass in den meisten Fällen diese Laborparameter nicht erforderlich sind (Klinik, Anamnese!).

– Alter ≥ 72 h: 20 mg/dl (340 μM). – Alter < 72 h: minus 2 mg/dl (35 μM) pro Tag. – Gestationsalter < 38 Wo: Fototherapiegrenze (mg/dl) = akt. Gestationsalter (in Wochen) – 20. – Für den Beginn einer Fototherapie mit geringer Effektivität (z. B. mit fiberoptischen Geräten auf Wochenbettstationen oder im ambulanten Bereich) werden Grenzwerte empfohlen, die 2 mg/dl unter denen einer regulären Ganzkörperfototherapie liegen. – Die untere Therapiegrenze beträgt 5 mg/dl (85 μM). 321

13.1 Icterus neonatorum

340

20

15

255

95. Perzentile 75. Perzentile

10

170

5

85

0

µ µmol/l

Gesamtbilirubin (mg/dl)

Hämatologie

13

0 0

20

40

60 80 Alter (Stunden)

100

120

140

Abb. 13.3 • Liegt der gemessene Bilirubinwert über der lebensalterbezogenen 75. Perzentile, ist eine erneute Evaluation spätestens innerhalb von 48 h erforderlich, bei pos. Coombs-Test ggf. früher. Liegt der gemessene Bilirubinwert über der lebensalterbezogenen 95. Perzentile, sollte dies bereits innerhalb von 24 h erfolgen. Routinemäßige Bilirubinmessungen können unblutig transkutan mit einem Multispektralgerät erfolgen. (AWMF-Leitlinie Register Nr. 024/007)

• Positiver Coombs-Test und/oder Blutgruppenkonstellation, Rhesus-Inkompatibilität: ▶ Cave: „Falsch“ positiver Coombs-Test durch Anti-D-Prophylaxe in der 28. SSW. ■ – Bis zur 12. Lebensstunde sofortige Austauschtransfusion bei: Nabelschnurbilirubin > 6 mg/dl (100 μmol/l), Nabelschnurhämoglobin < 10 mg/dl (200 μmol/l) oder Hämatokrit < 30 %, postnataler Bilirubinanstieg > 0,5 mg/dl (8,5 μmol/l) pro h in 4 – 6 h. – 12. – 24. Lebensstunde: Fototherapie bei 10–14 mg/dL (170–205 μmol/L). Austausch, falls Bilirubin trotz Fototherapie > 17 – 23 mg/dl (300 – 400 μmol/l). – Immunglobulin 500 – 1000 mg/kg KG über 2 h bei pos. Coombs Test kann nach 12 h wiederholt werden [E2]. Es sind mehrere Fälle von NEC bei reifen bzw. fast reifen NG beschrieben worden. – ≥ 24 Lebensstunden: Vorgehen siehe gesunde reife Neugeborene (S. 320). • Muttermilchikterus: – „Early onset“: Bei ungenügendem Anlegen und Glukose-Zufütterung. – „Late onset“: Bei hohen Bilirubinwerten: 24 – 48 h Muttermilch abpumpen und das Kind mit Milchnahrung füttern. Am 3. Tag sollte das Bilirubin deutlich abgefallen sein, d. h. weiter stillen. Unbedingt Mutter im Stillen bestärken. Gallengangatresie ausschließen (konjugiertes Bilirubin erhöht)! ▶ Beachte: „Muttermilchikterus“ ist eine Ausschlussdiagnose. ■ ▶ Kranke Neu- und Frühgeborene: • Erhöhtes Risiko bei gestörter Blut-Hirn-Schranke z. B. Azidose mit pH < 7,25, Hypothermie, Gesamteiweiß < 5,0 g/dl und neurologisch auffälligem Kind. • Genaue Grenzwerte sind nicht bekannt, alle Grenzwerte sind rein empirisch. • Fototherapie-Indikation nach obigem Algorithmus. • Austauschgrenzen für Frühgeborene sind noch umstrittener als bei reifen Kindern. Falls trotz Fototherapie mit blauer Lampe und intensivierter Fototherapie (s. u.) das Bilirubin weiter schnell ansteigt, sollte bei 10 mg/dL > Fototherapiegrenze individuell (nach Abwägen der Risiken eines Blutaustauschs gegen die Risiken eines Kernikterus) entschieden werden. 322

Praktisches Vorgehen ▶ Fototherapie (möglichst „blaue“ Lampe mit Wellenlänge 460 nm) • Abstand Lampe zu Kind möglichst gering (siehe Gebrauchsanweisung). • Möglichst große Oberfläche bestrahlen (kleine bzw. spezielle Windel!). • Augen abdecken (RTM Eye Shields mit Klettverschluss führen zu einer sicheren Abdeckung). • Abwechselnd alle 3 – 4 h Bauch und Rücken bestrahlen (maximal 12 h). Das Bilirubin kann so in die nicht bestrahlte Körperoberfläche nachdiffundieren. Ist eine abwechselnde Lagerung nicht möglich (z. B. Frühgeborene), sollte nach 4 h Bestrahlung jeweils 3 – 4 h Pause folgen. ▶ Intensivierte Fototherapie: • Beidseitig bestrahlen mit „Bilirubin-Matte“, z. B. Biliblanket Plus (Ohmeda) von unten, Lampe von oben. • Inkubator (aber nicht Lampe) mit Alufolie umkleiden, um Streulicht zu reflektieren. • Erhöhten Flüssigkeitsbedarf (+ 20 ml/kg KG) bei Früh- und Neugeborenen der Intensivstation berücksichtigen, besser auf eine konstante Inkubatortemperatur achten. ▶ Eiweißsubstitution: • Nur bei Hypoproteinämie mit Serum (z. B. Biseko). ▶ Cave: Viele Humanalbuminpräparate sind kontraindiziert, da die verwendeten ■ Stabilisatoren bzw. die Alkoholfraktionierung die Bindungskapazität des Albumins und die Bindungskonstanten des Albumin-Bilirubin-Komplexes beeinflussen. • Biseko entspricht in seiner Zusammensetzung Serum ohne Gerinnungsfaktoren mit 5 % Albumin, enthält jedoch keinen Stabilisator. ▶ Phenobarbital: • Sehr fraglich! Indiziert bei Icterus prolongatus (Wirkung nicht vor 3 Tagen). • Dosierung: 5 mg/kg KG/Tag (ggf. Mutter präpartal 100 mg/Tag). ▶ Durchführung der Austauschtransfusion: Bei GSB-Wert 5 mg/dL (85 μM) > obiger Fototherapiegrenze umgehend intensive Fototherapie und Verlegung in eine Kinderklinik mit der Möglichkeit zur Austauschtransfusion (S. 60). Bei konsequenter Therapie ist bei GSB zwischen 25 und 30 mg/dL (428–513 μmol/L) ein Kernikterus unwahrscheinlich. Wenn das GSB nicht innerhalb von 4–6 h abfällt, bei Bilirubinwerten 10 mg/dl (170 μM) > obiger Fototherapiegrenzen und/oder wenn Zeichen einer fortschreitenden akuten Bilirubinenzephalopathie auftreten, sollte eine Austauschtransfusion in die Wege geleitet werden. Die Austauschtransfusion ist mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität verbunden, insbesondere bei kranken Neu- und Frühgeborenen. Blut mit G6PD-Mangel vermindert die Wirksamkeit eines Blutaustausches (von den meisten Blutbanken nicht untersucht). ▶ Wenn Eltern kommen: • Fototherapie unterbrechen, Augenverbände abnehmen. • Die Kinder sollen gestillt werden (2-stündliches Stillen bzw. Nahrung). Die Verminderung der enterohepatischen Rezirkulation durch Absetzen von Stuhl ist besser als mit reiner oraler Glukosezufuhr!

13 Hämatologie

13.1 Icterus neonatorum

Kontraindikation für Fototherapie ▶ Eine kongenitale erythropoetische Porphyrie bzw. eine Porphyrie in der Familienanamnese ist eine absolute Kontraindikation. Schwere Blasenbildung und Fotosensitivität. ▶ Gabe fotosensibilisierender Medikamente (z. B. Hydrochlorothiazid, Amiodaron)

323

Hämatologie

13

13.2 Blutgruppeninkompatibilitäten

Nebenwirkungen ▶ Bronze-Baby-Syndrom bei Fototherapie von Kindern mit Cholestase. • Dunkle graubraune Verfärbung der Haut, des Serums und des Urins unbekannter Pathogenese. • Vermutlich Akkumulation von Porphyrinen. • Dies ist keine Kontraindikation zur Fototherapie, verringert aber die Effektivität. • Direktes Bilirubin sollte nicht vom Gesamtbilirubin abgezogen werden, um Fototherapie festzulegen. ▶ Sehr selten Purpura und bullöse Hautveränderung. ▶ Erhöhter Flüssigkeitsverlust. ▶ Häufigere, durchfallartige Stühle. ▶ Fraglich: Gestörter DNA-Reparationsmechanismus und erhöhte Chromosomenbrüchigkeit. ▶ Oxidation der Fettsäuren mit evtl. toxischen Produkten: Fettinfusion abdecken bzw. vor Licht schützende Infusionsleitungen verwenden. ▶ Bräunung und Hautatrophie bei Crigler-Najjar-Syndrom und jahrelanger Fototherapie.

13.2 Blutgruppeninkompatibilitäten Dame

Grundlagen

324

▶ Pathomechanismus: Diaplazentare Übertragung von maternalen IgG-Antikörpern (nach Sensibilisierung durch Bluttransfusion, fetomaternaler Transfusion, Amniooder Cordozentese, Chorionzottenbiospie, Abort oder Interruptio, intravenösem Drogenabusus) gegen nicht blutgruppengleiche, paternal vererbte Antigene auf den Erythrozyten des Fetus, mit nachfolgender Hämolyse (M. haemolyticus fetalis et neonatorum). ▶ Häufigkeiten: In Europa haben ca. 15 % der Bevölkerung kein D-Antigen, ca. 50 % sind heterozygot, 35 % homozygot. Daraus ergibt sich bei ca. 10 % der Schwangerschaften eine Konstellation von rh-negativer (dd) Mutter und Rh-positivem (D +) Fetus. Seit Einführung der Anti-D-Prophylaxe sind schwere Verläufe selten. Bei den übrigen Blutgruppeninkompatibilitäten spielen die Rhesus-Antigene C, c, E, e sowie andere Merkmale (Kell, Duffy) eine zunehmende, z. T. besondere Rolle. Da KellAntigene auch auf frühen megakaryozytären Vorläuferzellen exprimiert werden, liegt neben der Anämie oftmals eine Thrombozytopenie vor. Klinisch relevante Hämolysen in den ersten Lebenstagen werden am häufigsten durch AB0-Inkompatibilitäten verursacht. ▶ Maternales Screening und prä- bzw. postpartal initiierte Prophylaxe s. MutterschaftsRichtlinien (S. 117): • Bestimmung der Blutgruppe und des Rh-Faktors D sowie Durchführung eines Antikörpersuchtests gegen die Antigene D, C, c, E, e, Kell, Fy und S zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Schwangerschaft. Der Antikörpersuchtest (indirekter Anti-Humanglobulin-Test) ist mit einem postmenstruellem Gestationsalter von 23 – 26 Wochen zu wiederholen. • Präpartale Prophylaxe: Sind bei rh-neg. Schwangeren keine Anti-D-Antikörper nachweisbar, soll in der 28.–30. Schwangerschaftswoche eine Standarddosis (300 μg) Anti-D-Immunglobulin i. m. injiziert werden, um eine präpartale Sensibilisierung zu verhindern. • Spezielle Indikationen (s. Querschnitts-Leitlinien der Bundesärztekammer) zur RhD-Prophylaxe (Anti-D-Immunglobin i. m.) bei rh-neg. Frauen innerhalb von 72 h: – nach Abort, Abruptio, Extrauterin-Gravidität, Amniozentese, Chorionzottenbiopsie oder Nabelschnurpunktion, Blutung in der Schwangerschaft, Wendungsoperation, Ausräumung einer Blasenmole sowie bei Placenta praevia.

– nach Fehltransfusion von Rh-pos. (D +) Erythrozyten- (EK) oder Thrombozyten-Konzentrat (TK), obligat bei Frauen im gebärfähigen Alter (hier Anti-DImmunglobin als i. v. Gabe empfohlen). • Postpartale Prophylaxe: Anti-D-Immunglobin (i. m.) innerhalb von 72 h nach Geburt eines Rh-pos. Kindes (D + , aber auch falls Dweak). ▶ Blutgruppenserologische Untersuchungen nach der Geburt: • Gemäß Mutterschutzrichtlinien ist bei jedem Kind einer rh-neg. Mutter unmittelbar nach der Geburt der Rh-Faktor D zu bestimmen und ein direkter AntiHumanglobulin-Tests (direkter Coombs-Test) durchzuführen. Ist der Rh-Faktor positiv (D +) oder liegt D-weak vor, so ist aus derselben Blutprobe auch die Blutgruppe des Kindes zu bestimmen. Da die Isoagglutinine erst im Laufe der ersten Lebensmonate gebildet werden, können Isoagglutinine bei Neugeborenen meist nur unvollständig oder gar nicht nachgewiesen werden. Daher sind Blutgruppenbestimmungen bei Neugeborenen stets unter Vorbehalt zu betrachten. Durchführung des Coombs-Tests aus Nabelvenenblut bei jedem Kind. ▶ Beachte: ■ – Bei positivem direktem Coombs-Test sollte der ursächliche Antikörper umgehend identifiziert werden. Falls es sich nicht um Anti-A oder Anti-B handelt, muss das mütterliche Serum gegen andere Erythrozyten-Antigene oder die väterlichen Erythrozyten getestet werden. – Nach pränataler Anti-D-Prophylaxe (z. B. Partobulin, Rhesonativ, Rhophylac) wird der Coombs-Test beim Kind positiv!

13 Hämatologie

13.2 Blutgruppeninkompatibilitäten

Rh-Inkompatibilität ▶ Pränatal: Basis-Informationen für das pränatale Konsil: • Fetale Blutzellen können im ersten Trimester bei 3 %, im 2. Trimester bei 12 % und im 3. Trimester bei 45 % der Schwangeren im Blut nachgewiesen werden, sodass eine intrauterine Nabelschnurpunktion zur Bestimmung der fetalen Blutgruppe bei gegebener Risiko-Konstellation einer Schwangeren mit irregulären Antikörpern zurückhaltender als früher praktiziert wird. • Das Risiko der Sensibilisierung einer rh-neg. Mutter durch Rh-pos. fetale Blutzellen ist von verschiedenen Faktoren abhängig und bei AB0-Kompatibilität höher. Ohne prä- und postnatale Anti-D-Prophylaxe beträgt es gesamt ca. 13 %. Nach Sensibilisierung verläuft bei jeder nachfolgenden Rh-pos. Schwangerschaft der M. haemolyticus fetalis et neonatorum ausgeprägter. • Das pränatale Management wird durch die Kontrolle des maternalen AntikörperTiters und durch fetale Doppler-Sonografien der A. cerebri media (Flussbeschleunigung als Zeichen der fetalen Anämie) gesteuert. Bei hohem Titer bzw. sehr raschem Titer-Anstieg, fetaler Anämie oder fetalem Hydrops Indikation zur intrauterinen Transfusion (IUT) von Erythrozyten-Konzentrat über Nabelschnurpunktion. Nach einer IUT ist meist alle 7–14 Tage eine Folgetransfusion erforderlich. Es gibt keine Evidenz, dass eine ivIg-Behandlung der Mutter den Transfusionsbedarf beim Fetus senkt. Indikation zur Entbindung, wenn das kumulative Risiko für Komplikationen bei der Nabelschnurpunktion (Mortalitätsrisiko pro Punktion ca. 2 %) höher ist als für Komplikationen der Frühgeburtlichkeit. ▶ Beachte: Für intrauterine Transfusionen werden ausschließlich bestrahlte EK der ■ Blutgruppe 0 (cave: Risiko der transfusionsassoziierten Graft-versus-Host Disease, ta-GvHD) verwendet, die nicht älter als 7 Tage sind. Diese Präparate dürfen das mit dem Antikörper der Mutter korrespondierende Antigen nicht tragen und in der serologischen Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) mit dem mütterlichen Serum nicht reagieren. ▶ Postnatal variabler Verlauf: • Bei ca. 50 % der Neugeborenen mit positivem Coombs-Test infolge einer Rh-Inkompatibilität tritt nur eine milde Hämolyse auf (Bilirubin-Konzentration bei Ge325

Hämatologie

13

13.2 Blutgruppeninkompatibilitäten

burt < 4 mg/dl, Hb-Wert > 14 g/dl), die je nach Ausmaß der Hyperbilirubinämie eine Fototherapie erfordert, s. Kapitel Icterus neonatorum (S. 318). • Beim immunologischen Hydrops intensivmedizinische Versorgung mit NotfallTransfusion und meist nachfolgender Austauschtransfusion (AT), s. Kapitel Hydrops fetalis (S. 146). • Bestimmung der Erythroblasten- und Retikoluzytenzahl zur Beurteilung der erythropoietischen Aktivität. ▶ Cave: Thrombozytopenie mit erhöhtem Blutungsrisiko (v. a. bei gestörter Leber■ funktion) und/oder Leuko-/Neutropenie mit erhöhtem Infektionsrisiko, infolge einer Verdrängung der Zellreihen durch exzessiv stimulierte Erythropoiese. Ggf. Thrombozytentransfusion und Gabe von FFP. ▶ Cave: Nach ≥ 2 IUT ist eine relevante Suppression der Erythropoiese typisch. ■ • Aufgrund der Antikörper-Persistenz entwickelt sich für die ersten 12 Wochen nach der Geburt eine Spät-Anämisierung. Regelmäßige Blutbild-Kontrolle erforderlich; die Indikation zum Heimmonitoring nach IUT-Behandlung wird diskutiert. Nach IUT oder AT (Suppression der Erythropoiese) ist 2 – 4 Wochen nach der Geburt fast regelhaft eine EK-Transfusion erforderlich. Es gibt Einzelberichte über einen verminderten Transfusionsbedarf während der Spät-Anämisierung durch Behandlung mit rekombinantem Erythropoietin (rHuEpo), s. Kapitel Anämie (S. 326). ▶ Cave: Eisenüberladung, insbesondere nach IUT-Behandlung. Bestimmung lösli■ cher Transferrinrezeptor, Ferritin-Konzentration. Eine Eisen-Supplementation ist allenfalls in Einzelfällen etwa 6 – 12 Wochen nach der Geburt erforderlich. • Langzeit-Aspekte: Bei schweren Verläufen mit IUT bei ca. 6 % sprachliche und motorische Entwicklungsverzögerung, bei ca. 3 % dauerhafte schwere Störungen (Hörstörung/Taubheit, Zerebralparese). ▶ Beachte: Nach IUT werden ausschließlich bestrahlte Erythrozyten(EK)- und ■ Thrombozyten-Konzentrate (cave: Risiko ta-GvHD) verwendet. Das EK darf zum Zeitpunkt der Bestrahlung maximal 14 Tage alt sein und ist danach nur noch 14 Tage haltbar, s. Kap. Bluttransfusion und Blutprodukte (S. 335). • Für Austauschtransfusionen werden möglichst frische, nicht länger als sieben Tage gelagerte, bestrahlte EK (cave: Risiko ta-GvHD) verwendet.

AB0-Inkompatibilität ▶ Pränatal: Basis-Informationen für das pränatale Konsil: • Inkompatibilität durch maternale Anti-A- oder Anti-B-Antikörper gegen fetale Erythrozyten, zumeist nur bei Schwangeren mit der Blutgruppe 0, da nur sie gegen diese Antigene plazentagängige Antikörper der IgG-Klasse produzieren. Schwangere mit der Blutgruppe A oder B produzieren Anti-A- bzw. Anti-B-Antikörper der IgM-Klasse (Isoagglutinine), die nicht plazentagängig sind. Die RisikoKonstellation einer Schwangeren mit Blutgruppe 0 und einem Fetus mit der Blutgruppe A oder B liegt in Europa bei ca. 15 % aller Schwangerschaften vor. Nur in 20 % der Fälle kommt es zu einer signifikant gesteigerten Hämolyse fetaler bzw. neonataler Erythrozyten. Insgesamt sind nur 3 % aller Geburten von der AB0-Inkompatibilität klinisch betroffen. • Eine pränatale Behandlung ist in der Regel nicht erforderlich. ▶ Postnatal: • Nur eine Minderheit der Neugeborenen mit AB0-Inkompatibilität entwickelt eine Hämolyse; meist ist die Antikörper-Konzentration so gering, dass der CoombsTest negativ bleibt (90 %). Im Blutausstrich Nachweis von Sphärozyten; erhöhte Erythroblasten- und Retikulozyten-Zahl. • Bei positivem Coombs-Test meist Fototherapie erforderlich, s. Kap. Icterus neonatorum (S. 318). • Keine mittel- oder langfristigen Komplikationen zu erwarten. 326

13.3 Anämie Dame

Grundlagen ▶ Nach der Geburt kommt es zu einem initial raschen, über Wochen fortschreitendem Abfall der Hämoglobin-Konzentration (Hb), beim reifen Neugeborenen mit einem Nadir von 11,5 g/dl (unterer Referenzwert 9,0 g/dl) im Alter von 2 Monaten. Je unreifer ein Frühgeborenes ist, desto ausgeprägter ist der Verlauf der Anämie. ▶ Eine unzureichende Sauerstofftransportkapazität alleine anhand der Hb-Konzentration oder des Hämatokrit-Wertes (Hkt) zu diagnostizieren, kann unzureichend sein. ▶ Bei laborchemisch gesicherter Anämie und erhaltener Normovolämie (Echokardiografie) weisen Tachykardie, arterielle Hypotension, Tachy-/Dyspnoe und ggf. Herzrhythmusstörungen auf die Gefahr einer anämischen Hypoxie hin. ▶ Globale Parameter einer unzureichenden Sauerstoffversorgung sind ein Abfall der zentralvenösen Sauerstoffsättigung (SaO2) und eine Laktatazidose.

13 Hämatologie

13.3 Anämie

Ätiologie der neonatalen Anämie ▶ Prä- oder intranataler Blutverlust: Vorzeitige Plazentalösung, Nabelschnurab- oder -einriss, Nabelschnurkompression mit Blockade des venösen Rückstroms, Placenta praevia, fetofetale (monochoriale Zwillinge) oder fetoplazentare bzw. fetomaternale (HbF-Bestimmung bei der Mutter) Transfusion. ▶ Neonatale Blutung: intrakraniell, subgaleatisch (große Volumina!), gastrointestinal, pulmonal, intra- und retroperitoneal. ▶ Iatrogen: Bei Frühgeborenen sind Anzahl und Volumen diagnostischer Blutentnahmen für eine Anämie in den ersten sieben Tagen ursächlich (kumulativ > 10 ml Blut/kgKG)! ▶ Hämolyse: Rh- oder AB0-Inkompatibilität (selten andere), Enzymdefekte des Erythrozyten (G6PD-Mangel, Pyruvatkinase-Mangel), Erythrozyten-Membrandefekte (hereditäre Sphärozytose, Elliptozyten), Hb-Anomalien (α-Thalassämie, HbH Disease bei Familien aus Südeuropa, Asien. Manifestation der Sichelzellanämie wegen β-Globin Switch erst jenseits der Neugeborenenperiode), Infektionen (CMV, Toxoplasmose). ▶ Reduzierte Hämatopoese: Auslösend ist der Anstieg des paO2 nach der Geburt; allerdings ist die endogene Erythropoietin(Epo)-Konzentration – v. a. je unreifer das Frühgeborene ist – gemessen an der Hb-Konzentration und Retikulozytenzahl inadäquat niedrig. Konnatale Infektionen (v. a. Parvo B19), transitorisches myelodysplastisches Syndrom, Leukämien, Blackfan-Diamond-Anämie, Fanconi-Anämie.

Hämatokrit- und Volumen-Kontrolle ▶ Bei Geburt: • Mit der BGA Hkt-Bestimmung im Nabelschnurblut (Reifgeborenes: 44–53 %); Kontrolle, falls Hkt < 40 % oder > 60 %. ▶ Cave: Nach akuter Blutung (z. B. Plazentalösung): normaler Hkt-Wert, da auch ■ Verlust von Plasma. ▶ Bei stationärer Aufnahme: • Bei jedem Kind venöse (oder ggf. arterielle) Hkt-Bestimmung; Kontrolle je nach klinischem Verlauf. ▶ Cave: Insbesondere bei Anämie und Polyglobulie bestehen große Unterschiede ■ zwischen kapillärem (falsch hohem) und venösem Hkt-Wert. Falsch hoher Hkt auch bei Hypovolämie (Echokardiografie). Schocksymptome bei akutem Blutverlust von etwa 20 ml/kgKG. • Klinische Zeichen der Hypovolämie: verlängerte kapilläre Füllungszeit (> 3 s), kollabierte Venen. Ggf. ergänzender Parameter: erniedrigter ZVD. ▶ Cave: erst spät niedriger Blutdruck. ■

327

Hämatologie

13

13.3 Anämie

▶ Nach Zusatz-Volumen bzw. EK-Transfusion: Venöse (oder ggf. arterielle) Hkt-Bestimmung (typischerweise mit BGA) im Verlauf.

Prävention und Therapie der Anämie ▶ Prävention: • Spätabnabelung: Der initiale Hkt lässt sich durch eine verzögerte Abnabelung mit Positionierung des Kindes unterhalb des Plazenta-Niveaus für (45 –) 60 s sowie Ausstreichen der Nabelschnur zum Kind hin erhöhen. Dadurch signifikant verringerte Mortalität und Morbidität (weniger IVH, weniger NEC) bei VLBW Frühgeborenen. • Strenge Indikationsstellung und Volumenbegrenzung bei Blutabnahmen. Erste Blutabnahme (Infektionsparameter, Blutgruppe) aus der Nabelschnur spart Blut beim Kind! ▶ Transfusion von Erythrozyten-Konzentrat: In den gültigen Querschnittleitlinien (zuletzt geändert 2014), s. auch Richtlinie Hämotherapie, Gesamtnovelle 2017 der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten werden gemäß Hkt und/oder Indikationsliste folgende Empfehlungen zur EK-Transfusion bei Früh- und Neugeborenen bzw. Säuglingen bis zum 4. Lebensmonat gegeben: • Alter: – 1 Tag: Hkt < 40 % – < 15 Tage: Hkt < 35 % – 15 – 28 Tage: Hkt < 30 % – > 28 Tage: Hkt < 25 % • Indikationsliste: – Beatmung oder FiO2 > 0,4. – Lebensbedrohliche Symptome durch Anämie und/oder Hypovolämie. – Geplante Operation. – Ferner spezielle Indikationen bei symptomatischem Herzfehler, schwerer Lungenerkrankung oder schwerer hämolytischer Anämie (z. B. anti-Kell). ▶ Transfusion bei extrem unreifen Frühgeborenen: In der Praxis findet die Empfehlung der Cochrane Analyse international Akzeptanz, die Hkt-Werte bei VLBW-Frühgeborenen in Tab. 13.1 nicht zu unterschreiten. Tab. 13.1 • Hkt-Werte bei VLBW-Frühgeborenen. postnatales Alter

Atemhilfe

keine Atemhilfe

Woche 1

35 %

30 %

Woche 2

30 %

25 %

Woche 3

25 %

23 %

▶ Beachte: Da die klinischen Symptome einer Anämie nicht spezifisch sind, müssen ■

bei der Indikationsstellung für eine Transfusion neben der Hb-Konzentration und/ oder des Hkt-Werts zusätzliche Kriterien herangezogen werden: • Ursache, Dauer und Schweregrad der Anämie. • Ausmaß und Dynamik des Blutverlusts. • Einschätzung der individuellen physiologischen Fähigkeit, den verminderten O2Gehalt des arteriellen Blutes zu kompensieren (Cave: bei kardialen, pulmonalen Erkrankungen). • Intravasaler Volumenstatus. • Mechanische Beatmung: – CPAP mit FiO2 > 0,26 für mehr als 12 h/d. – > 6 stimulationsbedürftige Apnoen in 24 h bzw. > 4 SaO2-Abfälle < 60 % in 24 h trotz Therapie mit Methylxanthinen und CPAP. • Akute Sepsis oder NEC mit Katecholamininfusion.

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• Durch die Verwendung von Baby-Beuteln aus einer Konserve soll die Zahl der Spender möglichst klein gehalten werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob bei absehbarer Transfusionsindikation eine Transfusion rechtzeitig vor dem Verfall eines Baby-Beutels durchgeführt werden sollte, um eine unnötige Exposition gegenüber einem weiteren Spender zu vermeiden. ▶ Supportive Behandlung: • Eisen-Supplementation: siehe enterale Ernährung (S. 190). Bei VLBW-Frühgeborenen verringert die frühe Eisen-Supplementation den Transfusionsbedarf. Leitlinien zur oralen Eisen-Supplementation liegen nicht vor. • Protein-Zufuhr, Folsäure und Vitamin-B12-Supplementation: Eine ausreichende Proteinzufuhr (S. 178) unterstützt die Blutbildung, ferner ist auf eine ausreichende Zufuhr von Folsäure und Vitamin B12 zu achten. ▶ Behandlung mit rekombinantem Erythropoietin: • Eine Behandlung mit rekombinantem humanem Erythropoietin (rHuEpo) zur Vermeidung von Transfusionen wird derzeit nicht generell empfohlen (Ausnahmen z. B. bei Zeugen Jehovas). Entgegen früherer Studien ist nicht Behandlung mit rHuEpo, sondern der frühe Beginn sowie die Anzahl und das Volumen von EKTransfusionen mit einem erhöhten Risiko für eine schwere ROP (> 2°) assoziiert. • Da die rHuEpo-Therapie bei VLBW-Frühgeborenen späte (nach Tag 7) Transfusionen vermindert und in retrospektiven Langzeit-Nachuntersuchungen zu einer besseren entwicklungsneurologischen Prognose führt, wird die rHuEpo-Behandlung zukünftig einen neuen Stellenwert haben. Zuvor sind die Ergebnisse der Studien mit einer hohen initialen und reduzierten späteren rHuEpo Behandlung (u. a. PENUT Trial) abzuwarten. • Dosis: 750 – 1.200 iU Epoetin-β/kgKG pro Woche (in 1 – 3 Gaben) angewendet, zumeist ab dem 7. Lebenstag. Die subkutane Applikation wird aus pharmakologischen Gründen der intravenösen Injektion zunehmend vorgezogen. ▶ Cave: Ausreichende Eisen-Supplementation erforderlich (Kontrolle der Retikulo■ zytenzahl im Verlauf; ggf. Bestimmung von Transferrin-Sättigung, löslichem Transferrrinrezeptor).

13 Hämatologie

13.4 Polyglobulie

13.4 Polyglobulie Dame

Grundlagen ▶ Definition: Anstieg des Hämatokrit-Wertes (Hkt) > 65 %. Die damit einhergehende Hyperviskosität vermindert den Blutfluss und erschwert indirekt die Sauerstoffabgabe ins Gewebe. Mögliche Folgen sind eine erhöhte kardiopulmonale Belastung, Mikrothromben, Thromboembolien, zerebrale, renale bzw. gastrointestinale Komplikationen sowie Hypoglykämien

Ursachen ▶ Erhöhung von Erythrozytenmasse und gesamtem Blutvolumen nach • maternaler diabetischer Stoffwechsellage (hierbei in ca. 15 % der Fälle) • fetofetaler Transfusion, maternofetaler Transfusion, später Abnabelung, „Ausmelken“ der Nabelschnur bei Reifgeborenen. ▶ Erhöhung der Erythrozytenmasse, normales Blutvolumen: • Trisomie 21, seltene Ursachen wie Wiedemann-Beckwith-Syndrom, neonatale Thyreotoxikose, kongenitale NNR-Hyperplasie. ▶ Erhöhung der Erythrozytenmasse, verringertes (oder auch normales) Blutvolumen: • intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR) bzw. SGA-Baby nach schwangerschaftsinduzierter Hypertonie, Übertragung • unzureichende postnatale Flüssigkeitszufuhr. 329

Hämatologie

13

13.4 Polyglobulie

Klinik ▶ Klinische Zeichen: • Plethora (aber eher graues Kolorit, verzögerte kapilläre Füllungszeit). Folgen: Hypoglykämie (häufig!). • Trinkschwäche. • Hyperbilirubinämie. • Hypokalzämie, Hypomagnesiämie und metabolische Azidose. • Respiratorische Störungen (erhöhter pulmonaler Widerstand). • Herzinsuffizienz. • Neurologische Störungen (Apathie, Tremor, Krämpfe). • Thrombozytopenie durch Mikrothromben, aber auch durch Verdrängung im Knochenmark infolge exzessiver Erythropoiese, dann auch ggf. Neutropenie. • Nierenvenenthrombose. • Nekrotisierende Enterokolitis (NEC). • Komplizierte Verläufe können mit einer verzögerten motorischen und kognitiven Entwicklung der Kinder assoziiert sein.

Diagnostik ▶ Blutbild mit Retikulozyten und Normoblasten. ▶ Blutgasanalyse, Blutzucker, Elektrolyte, ggf. Bilirubin nach 4 h und 24 h, falls Hkt > 60 % oder unter Therapie.

Therapie ▶ Indikation: Bei Hkt-Werten > 65 % und klinischen Zeichen der Polyglobulie, insbesondere verlängerter kapillärer Füllungszeit (> 3–4 s) und Tachydyspnoe innerhalb der ersten 24 h nach der Geburt ohne andere Ursache. ▶ Ziel: Hämodilution auf einen venösen Hkt von 55–60 %. ▶ Therapieoptionen: • Zusätzliche Flüssigkeitszufuhr: – Hämodilution mit bis zu 5 ml/kgKG/h Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %. Mit einer zusätzlichen Flüssigkeitszufuhr kann meistens nur bei Hypovolämie der Hämatokrit gesenkt werden. ▶ Cave: Überwässerung bei größeren Volumina (akutes hydrostatisches Lungen■ ödem), v. a. bei eingeschränkter kardialer Belastbarkeit (ggf. Monitoring der Volumentherapie mittels Echokardiografie), Störung der Blutzucker- und Elektrolyt-Konzentrationen. • Partielle Austauschtransfusion: siehe auch Kapitel Austauschtransfusion (S. 60). – Unter partieller Austauschtransfusion (pAT) versteht man Substitution von Blut durch kristalline Volumenersatzmittel (NaCl 0,9 %). – Berechnung des pAT-Volumens siehe Kapitel Austauschtransfusion (S. 60). – pAT-Volumen = Blutvolumen × (aktueller Hkt – Ziel-Hkt) / aktueller Hkt. – Die pAT hat in Metaanalysen keinen positiven Effekt auf die kurz- oder langfristige Prognose, jedoch ein erhöhtes NEC-Risiko. Eine pAT wird deshalb nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt!

330

13.5 Methämoglobinämie Dame ▶ Definition: • Methämoglobin (Met-Hb) ≥ 0,8 % des Gesamt-Hb. ▶ Pathophysiologie: • Met-Hb enthält Eisen in III-wertiger Form und kann daher O2 nicht übertragen. ▶ Ursachen: • Am häufigsten infolge hoher Dosierung von NO (> 20 ppm) unter Beatmung mit NO bei genetisch suszeptilen Patienten. • Übertritt von Lokalanästhetika (Prilocain) auf das Kind bei maternaler Pudendusanästhesie unter der Geburt. • Sehr selten infolge einer Medikamentenverwechslung (z. B. Azulfidine, Furadantin, Sulfonamide, Ibuprofen) auf interdisziplinärer ITS. • Hereditär: Hb-M-Anomalie, G6PD-Mangel, NADH-Diaphorase-Mangel (Cytochrom-B5-Reduktase-Mangel durch DIA1-Mutation). ▶ Klinik: • Zyanose ohne primär pulmonale oder kardiale Erkrankung. • Schmutzig-graues Kolorit (schiefergrau). • paO2 normal, SaO2 in Pulsoxymetrie normal (Ausnahme: HbM-Oldenburg, extrem selten). ▶ Diagnostik: • Messung von Met-Hb in der BGA. Cave: bei Met-Hb > 20 % oftmals Fehlermeldung im BGA-Gerät. • Ein Blutstropfen auf einem Tupfer oxydiert normalerweise und wird hellrot, bei Methämoglobinämie bleibt das Blut braun. • Heinz-Innenkörperchen in Erythrozyten. ▶ Therapie: • Reduktion der NO-Zufuhr bei Beatmung mit NO. • Methylenblau (1 – 2 mg/kgKG langsam i. v., ggf. nach 30 min wiederholen, kurzfristige Met-Hb Kontrollen!). ▶ Cave: Bei Überdosierung ist Hämolyse möglich. ■ • Austauschtransfusion bei schwersten Intoxikationen (Met-Hb > 60 %, ggf. mit Transfusion Zeit bis AT überbrücken!). • Evtl. Dauertherapie mit Ascorbinsäure 1 mg/kg KG/Tag.

13 Hämatologie

13.6 Thrombozytopenie und Thrombozytose

13.6 Thrombozytopenie und Thrombozytose Dame

Thrombozytopenie Grundlagen ▶ Definition: Referenzwert für die Thrombozytenzahl bei Früh- und Neugeborenen: 150 – 450/nl. Schwere Thrombozytopenie: Thrombozyten < 50/nl. ▶ Blutungsrisiko: Für Früh- und Reifgeborene ist nicht ausreichend geklärt, ab welcher minimalen Thrombozytenzahl ein kritischer Anstieg des Blutungsrisikos besteht. Wenn neben der Thrombozytenzahl deren Funktion eingeschränkt ist, die Gerinnungsfaktoren verringert oder die Gefäßpermeabilität erhöht sind, besteht eine erhöhte Blutungsneigung auch bei einer Thrombozytenzahl deutlich über 20/nl. ▶ Häufigkeit: 0,1 – 5 % aller Neugeborenen, aber 18 – 35 % aller stationär behandelten Früh- und Reifgeborenen. ▶ Thrombozytopenien können nach primär maternaler/plazentarer oder fetaler/neonataler Ursache sowie dem zugrundeliegenden Pathomechanismus (verminderte Produktion, gesteigerter Verbrauch, Kombination beider Mechanismen, Verlust durch Blutung/ Austauschtransfusion bzw. Verringerung durch Hämodilution) klassifiziert werden: 331

Hämatologie

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13.6 Thrombozytopenie und Thrombozytose

▶ Primär maternale/plazentare Ursache: • Verminderte Megakaryopoiese: Plazentainsuffizienz (Prä-)Eklampsie, HELLP-Syndrom (Verdrängung der Megakaryopoiese). • Schwangerschaftsassoziierte Thrombozytopenie. • Medikamente (Antikonvulsiva, Thiazid-Diuretika). • Diabetische Fetopathie (Verdrängung der Megakaryopoiese). • Erhöhter Verbrauch: – Alloimmunthrombozytopenie (nach Sensibilisierung der Mutter gegen ein paternal vererbtes Thrombozyten-Antigen und diaplazentarer Übertragung der Antikörper auf den Fetus, zumeist gegen human platelet antigen-1a (HPA-1a oder HPA-5b). Häufigkeit in der Gesamtpopulation: 1:1000. – Autoimmunthrombozytopenie durch Übertritt maternaler Antikörper bei Immunthrombozytopenie, systemischem Lupus erythematodes oder anderen Autoimmunerkrankungen. Cave: Nadir der neonatalen Thrombozytenzahl erst am 2. – 5. Tag. – M. haemolyticus (schwere Verlaufsformen bei Anti-Kell, Anti-D, Anti-c). ▶ Primär fetale/neonatale Ursache: • Verminderte Megakaryopoiese: – Chromosomenanomalien (Trisomie 13, 18, 21, Turner-, Noonan-, DiGeorgeSyndrom). – Erythroblastose, transientes myelodysplastisches Syndrom, leukämoide Reaktion, Leukämie. • Andere erblich bedingte Ursachen: kongenitale amegakaryozytäre Thrombozytopenie (cAMT, oftmals mit ZNS-Fehlbildungen), Thrombozytopenia absent radii (TAR)-Syndrom, Fanconi-Anämie, Stoffwechselerkrankungen, komplexe Fehlbildungs-Syndrome (oftmals mit Knochenfehlbildungen), selten Bernard-SoulierSyndrom, Gray platelet syndrome, X-chromosomale Thrombozytopenie, ParisTrousseau-/Jacobson-Syndrom. • MHY9 (Myosin heavy chain 9) bedingte Makrothrombozytopenien (May-Hegglin-Anomalie, Epstein-Syndrom, Fechtner-Syndrom, Sebastian-Platelet-Syndrom; oftmals assoziiert mit Hörstörungen, Katarakt und Nierenfunktionsstörung). • Erhöhter Verbrauch: – Bakterielle Infektion (B-Streptokokken, E. coli, Haemophilus influenzae, koagulasenegative Staphylokokken). – Nekrotisierende Enterokolitis. – Disseminierte intravasale Koagulopathie. – Thrombosen (katheterassoziierte Thrombose, Nierenvenen- und zerebrale Sinusvenenthrombose). – von-Willebrand-Syndrom. – Kasabach-Merritt-Syndrom. – Hypersplenismus. – ADAMTS 13-Mangel. – Medikamente (Heparin, Antikonvulsiva). • Kombination aus verminderter Megakaryopoiese und erhöhtem Verbrauch: – Virale Infektionen (HIV, Parvo B19, Rubella, Echo- oder Adeno-Viren). – Pilzinfektionen (Candida, Aspergillus). – Asphyxie. – Nicht immunologischer Hydrops fetalis. ▶ Klinische Zeichen: • Petechien, insbesondere an Hautarealen, die einem erhöhten mechanischen Druck (z. B. Stauung am Kopf oder am Unterarm nach Blutdruckmessung) ausgesetzt waren, ab einer Thrombozytenzahl < 60/nl spontan auftretend, insbesondere bei gestörter Thrombozytenfunktion. • Verlängerte Blutungszeit nach Punktionen.

• Konjunktivale Blutungen, Schleimhautblutungen, extra- und intrakranielle, gastrointestinale und urogenitale Blutungen (Cave: Nierenvenenthrombose mit sekundärer Thrombozytopenie). • Lungenblutung, v. a. bei Frühgeborenen < 1000 g Geburtsgewicht. • Thrombozytopenie bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion. • Assoziation mit Fehlbildungen von Unterarmen, Finger oder Zehen (Aplasien, Hypoplasien und Synostosen), Gehirn, Innenohr, Nieren, Herz. Überwiegend wird die Thrombozytopenie zufällig anhand des Blutbildes diagnostiziert!

13 Hämatologie

13.6 Thrombozytopenie und Thrombozytose

Diagnostik ▶ Thrombozytenzählung nur aus venöser oder arterieller Blutabnahme verwerten. ▶ Wiederholung der Thrombozytenzählung je nach Schwere der Thrombozytopenie innerhalb von 4 – 24 h zur Abschätzung der Kinetik. ▶ Ggf. Beurteilung von Zahl (Cave: in der automatisierten Zählung falsch hoch bei mikrozytärer Anämie) und Morphologie der Thrombozyten im Ausstrichpräparat. ▶ Analyse der plasmatischen Gerinnung, obligat bei thrombozytopenischen Frühgeborenen < 1500 g Geburtsgewicht. ▶ Blutgruppenbestimmung, Coombs-Test. ▶ Infektions-Laborparameter, immer bei unerwartetem Sturz der Thrombozytenzahl. ▶ Bestimmung der maternalen Thrombozytenzahlen bei V. a. auf immunologische Ursache der Thrombozytopenie (bei jeder pränatal erworbenen Blutung!), dann zusätzlich gezielte Diagnostik: • bei V. a. Alloimmunthrombozytopenie: Antikörpersuche im Blut der Mutter (Einsendung von 10–20 ml Blut von der Mutter plus 10 ml Blut vom Vater) durch Testung auf maternale Antikörper gegen väterliche Thrombozyten (Klärung und Beratung wichtig wegen nachfolgender Schwangerschaft). • bei V. a. Autoimmunthrombozytopenie: Anamnese der mütterlichen Autoimmunerkrankung primär ausreichend, ggf. Bestimmung anti-thrombozytärer Antikörper (aufwändig und teuer). ▶ Bei unklarer persistierender Thromboyztopenie: • Bestimmung der Transaminasen zur Klärung der Leberfunktionsstörung (erworbener Thrombopoietin-Mangel als Ursache einer verminderten Megakaryopoiese). • CMV-Diagnostik (quantitative PCR im Urin, bei Pneumonie auch im Trachealsekret), insbesondere bei Frühgeborenen. • HIV-Diagnostik beim Kind; es werden wiederholt Fälle berichtet, in denen nach unauffälligem maternalen Screening in der Frühschwangerschaft die Diagnose einer HIV-Infektion aufgrund einer persistierenden Thrombozytopenie des Neugeborenen gestellt wurde. ▶ Differenzialdiagnostik: • Analyse des mean platelet volume (MPV) zur Klärung, ob Makro- oder Mikrothrombozytopenie. • Bestimmung der immature fraction of platelet (IPF) zur Beurteilung der Aktivität der Megakaryopoiese. • Gezielte molekularbiologische Diagnostik bei V. a. genetisch bedingte Thrombozytopenie. • Bestimmung der Thrombopoietin-Konzentration oder Knochenmark-Punktion nur sehr selten erforderlich.

Vorgehen und Therapie bei Thrombozytopenie ▶ In der Praxis hat sich für die Behandlung der Thrombozytopenie die Unterscheidung in Early-onset- (< 72 h nach Geburt) und Late-onset-Thrombozytopenie unter Berücksichtigung der Differenzialdiagnose bewährt. 333

Hämatologie

13

13.6 Thrombozytopenie und Thrombozytose

• Bei Early-onset-Thrombozytopenie ist die Thrombozytenzahl jedoch meist nur moderat erniedrigt, häufig gibt es eine maternale/plazentare Ursache ([Prä-] Eklampsie, HELLP, IUGR, Diabetes, Autoimmunerkrankung), meist erfolgt eine spontane Erholung innerhalb von 7 Tagen. Cave: Durch Bindung von zirkulierendem Thrombopoietin an transfundierte Thrombozyten wird durch unnötige Transfusion das Risiko für eine protrahierte Thrombozytopenie erhöht. • Bei Late-onset-Thrombozytopenie meist rascher Beginn, rasche Progredienz über 24 – 48 h, meist Kombination von Thrombozytenverbrauch und -produktionsstörung, oft multiple Transfusionen erforderlich. • Die schwere Thrombozytopenie (< 50/nl) oder ein rascher Sturz der Thrombozytenzahl auf < 100/nl erfordert die sofortige Abklärung der Ursache. Cave: Bei Early-onset-Thromboyztopenie: Infektion oder Alloimmunthrombozytopenie mit hohem Blutungsrisiko. Bei Late-onset-Thrombozytopenie: Infektion, nekrotisierende Enterokolitis, Nierenvenen-, zerebrale Sinusvenen- oder katheterassoziierte Thrombose! • Der kritische Thrombozytenwert bei invasiven diagnostischen oder therapeutischen Verfahren ist vom individuellen Blutungsrisiko und dem Ausmaß der Gewebeschädigung abhängig. • Das Risiko für eine angeborene oder erworbene Thrombozytopathie wird bei Früh- und Reifgeborenen unterschätzt. Cave: Mögliche familiäre Disposition mittels Anamnese des Blutungs- und Thrombose-Risikos eruieren. Prüfen ob Medikamente verabreicht werden, welche die Thrombozytenfunktion hemmen (z. B. ASS, nichtsteroidale Antirheumatika, Heparin/Heparinoide, Antibiotika [Cephalosporine] oder Antimykotika [Amphothericin B]).

Transfusion von Thrombozyten-Konzentrat ▶ Indikationen: Gemäß den gültigen Querschnittsleitlinien (zuletzt geändert 2014) der Bundesärztekammer ist die Indikation für die Prophylaxe oder Therapie einer Blutung mittels Thrombozyten-Transfusion in folgenden Situationen gegeben: • Akute Blutung: – Bei massiven oder bedrohlichen Blutungen zur Prophylaxe einer Verlustkoagulopathie bei einer Thrombozytenzahl < 100/nl. – Bei transfusionspflichtigen Blutungen bei einer Thrombozytenzahl < 100/nl. • Leberfunktionsstörung: – Bei akutem Leberversagen (Asphyxie) bei einer Thrombozytenzahl < 20/nl oder beim Auftreten von Petechien. – Bei chronischem Leberversagen beim Auftreten von Blutungszeichen oder prophylaktisch vor diagnostischen und therapeutischen Eingriffen bei einer Thrombozytenzahl < 20/nl. • Chirurgische Eingriffe: – Prophylaktisch unmittelbar vor operativen Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko bei einer Thrombozytenzahl < 100/nl. – Postoperativ: bei verstärkten Blutungen oder bei Thrombozytenzahl von < 20/nl. • Lumbalpunktion: – Prophylaktisch vor elektiver Lumbalpunktion bei einer Thrombozytenzahl < 50/nl. Bei dringlicher oder notfallmäßiger Diagnostik gilt eine Thrombozytenzahl > 20/nl als ausreichend, wenn keine Blutungszeichen bestehen. ▶ Spezielle Indikationen: • Thrombozytopenie bei Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht < 1500 g bzw. einem Gestationsalter < 32 + 0 Wochen. • Die Indikation für eine prophylaktische Thrombozyten-Transfusion zur Vermeidung von Blutungskomplikationen wird unterschiedlich gestellt. Da Thrombozyten-Transfusionen mit erhöhten Risiken (NEC, Mikroembolien, Infektionen) und einer Suppression der endogenen Megakaryopoiese assoziiert sind, wird zunehmend ein restriktiverer Grenzwert gewählt. 334

– Bei Frühgeborenen < 1500 g bzw. < 34 + 0 Wochen und fehlenden Blutungszeichen Thrombozytenzahl < 20/nl. – Bei positiven Infektionsparametern aufgrund des gesteigerten Blutungsrisikos: – Thrombozytenzahl < 50/nl. – Bei ELBW-Frühgeborenen mit positivem Infektlabor ist das Risiko für Lungenblutungen bereits ab einer Thrombozytenzahl < 80/nl erhöht. In dieser Konstellation sowie vor einer Therapie mit Indometacin oder Ibuprofen bereits ggf. bei einer Thrombozytenzahl < 100/nl. • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie (NAIT): Zur Prävention einer intrakraniellen Blutung beim Fetus sollte die Schwangere mit pränatal bekannter Risiko-Konstellation für eine NAIT Risiko-adaptiert mit Prednisolon und/oder Immunglobulinen behandelt werden; nur in Ausnahmefällen ist die Indikation zur intrauterinen Thrombozyten-Transfusion gegeben. Bei bekannter NAIT sollen vor geplanter Entbindung HPA-kompatible Thrombozyten-Konzentrate bereitstehen. • Postnatal: Indikationen zur Thrombozyten-Transfusion gemäß den gültigen Querschnittsleitlinien der Bundesärztekammer (zuletzt aktualisiert 2014): – Prophylaktisch mit kompatiblen HPA-1a-, -5b-negativen Thrombozyten, wenn Thrombozytenzahl bei Frühgeborenen < 50/nl bzw. bei Reifgeborenen < 30/nl. – Bei Blutung oder Thrombozytenzahl < 30/nl auch mit unausgewählten Thrombozyten, wenn HPA-1a-, -5b-negative Thrombozyten nicht ohne Zeitverzögerung verfügbar sind. ▶ Cave: Unbehandelte Neugeborene haben ein hohes Risiko, intrakranielle Blutun■ gen zu erleiden (bis zu 25 %). • Es besteht keine Evidenz für den Benefit einer Immunglobulin-Behandlung zur Vermeidung von Thrombozytentransfusionen oder Blutungskomplikationen. Allenfalls bei protrahierten schweren Verläufen ist diese Therapie-Option (1 g/kgKG, ggf. wiederholt nach 12 – 24 h) zu erwägen. Da ein Anstieg der Thrombozytenzahl frühestens nach zwei bis drei Tagen zu erwarten ist, ist die Behandlung mit Immunglobulinen bei akuter Blutung obsolet. Ein Nutzen einer Kortikosteroid-Behandlung des Neugeborenen konnte nicht nachgewiesen werden. In der Regel normalisiert sich die Thrombozytenzahl innerhalb von 4 Wochen. • Neonatale Autoimmunthrombozytopenie: Meist Thrombozytenzahl > 50/nl, Blutungsrisiko < 1 %, Verlaufskontrolle bei positiver Anamnese an Tag 5–7 empfohlen, danach gemäß Verlauf. Zumeist keine spezielle Therapie erforderlich. • Durchführung der Transfusion mit Thrombozytenkonzentrat (TK): Siehe Kapitel Hinweise zur Verabreichung von Blutprodukten (S. 339).

13 Hämatologie

13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte

13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte Genzel

Indikationsstellung und Risiko ▶ Verantwortlichkeit: Jeder Arzt ist für Indikationsstellung und Durchführung der Transfusion selbst verantwortlich. ▶ Bestrahlung der Konserven (Restleukozyten < 1 %): Zur Prävention einer Graft-versus-host-Reaktion (GvH) werden Blutkonserven mit 30 Gy Gesamtdosis laut „Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion“ (s. u.) für Austauschtransfusionen, intrauterine Transfusionen und ECMO bestrahlt. Die Haltbarkeit der Konserven nach Bestrahlung beträgt 14 Tage.

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Hämatologie

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13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte

▶ Restrisiko von transfusionsbedingten Infektionen: • CMV: Die Leukozytendepletion mit Filtern reduziert das Risiko einer CMV-Infektion, wobei insbesondere frisch infizierte Blutspender mit sehr hohen Viruslasten ein Infektionsrisiko darstellen, da in diesem Infektionsstadium die CMV-Erreger nur zu einem sehr geringen Anteil leukozytenständig sind und durch die Filtration abgetrennt werden. Trotzdem kommen die Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten zu dem Schluss, dass die Leukozytendepletion und die Auswahl seronegativer Spender zur Transfusion keinen signifikanten Unterschied bei der transfusionsbedingten Übertragung von CMV macht. Daher gilt heute: Die Auswahl CMV-seronegativer Blutspender für die Gewinnung von leukozytendepletierten Blutkomponenten zur Vermeidung einer CMV-Infektion werden nicht empfohlen. http://www.bundesaerztekammer.de/ downloads/QLL_Haemotherapie_2014.pdf in Abschnitt 11.4.2. Beachte korrekte Lagerung (siehe rechtl. Grundlagen)! • HIV: Risiko < 1:106. • HBV: Risiko 1:105 – 1:106. • HCV: Risiko < 1:106. ▶ Die Indikation zur Transfusion ist deswegen sehr restriktiv zu stellen. ▶ Beachte: Bei unklarer Indikationsstellung und klinischen Problemen Rücksprache ■ mit diensthabendem Oberarzt und/oder Blutdepot.

Rechtliche Grundlagen ▶ Es gelten die "Querschnitts-Leitlinien (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten" von 2014. ▶ Allgemein wichtig: • Die Lagerung von Blutprodukten muss in entsprechend geeigneten Kühl- bzw. Lagereinrichtungen erfolgen (Blutpräparate-Lagerschrank, Tiefkühlschrank und -lagertruhe, Thrombozyteninkubator mit Thrombozytenagitator), die mit geeigneten Mess-, Registrierungs- und Alarmeinrichtungen für die Temperatur- und Funktionsüberwachung ausgerüstet sein müssen. Eine gemeinsame Lagerung von Blutprodukten mit anderen Arzneimitteln, Lebensmitteln oder sonstigen Materialien ist nicht zulässig. Die Lagerungstemperaturen sind zu dokumentieren. • Eröffnete Blutkomponenten müssen innerhalb von 6 h transfundiert werden. • Die Entnahme von Blutproben aus verschlossenen Blutbeuteln ist nicht erlaubt. • Blutprodukten dürfen keine Medikamente oder Infusionslösungen beigefügt werden. • Das Anwärmen von Blutkomponenten (max. 37 °C) bei Neugeborenen ist erlaubt. • Der transfundierende Arzt hat Präparat, Empfänger, Blutgruppen, Chargennummer, Verfalldatum, Unversehrtheit des Blutbehältnisses und Gültigkeit der Kreuzprobe zu überprüfen. • Unmittelbar vor der Transfusion von EK ist vom transfundierenden Arzt oder unter seiner direkten Aufsicht der AB0-Identitätstest (Bedside-Test) am Empfänger vorzunehmen. Der Identitätstest kann auch zusätzlich aus dem zu transfundierenden Erythrozytenkonzentrat durchgeführt werden. • Nach Beendigung der Transfusion ist das Behältnis mit dem Restblut und dem Transfusionsbesteck steril abzuklemmen und 24 h bei + 4 °C aufzubewahren. • Zu dokumentieren sind: Aufklärung und Einwilligung, Ergebnis der Blutgruppenbestimmung, der Kreuzprobe, des Antikörpersuchtests, Annahme nach Transport, Produktbezeichnung, Präparate- und Chargennummer, Packungsgröße und -zahl, Hersteller, Datum, Uhrzeit der Verabreichung, anwendungsbezogene Wirkung (z. B. Hämatokrit, Thrombozytenzahl), Nebenwirkungen, nicht verbrauchte Blutprodukte und deren Entsorgung. • Es ist sicherzustellen, dass die Dokumentationen patienten- und produktbezogen genutzt werden können und 15 Jahre aufbewahrt werden. • Eine Kreuzprobe gilt für 3 Tage. 336

▶ Besonderheiten der perinatalen Transfusionstherapie (4.4.2 der RiLi Hämotherapie 2014): • Blutentnahmen bei Früh- und Neugeborenen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken, um eine iatrogene Anämie zu vermeiden. • Antikörpersuchtest und serologische Verträglichkeitsprobe vor Erythrozytentransfusionen können unter Beachtung der AB0-Blutgruppen mit dem Serum bzw. Plasma der Mutter durchgeführt werden. • Für die intrauterine Erythrozyten-Transfusion sollten nicht länger als 7 Tage gelagerte verwendet werden. Sie müssen bestrahlt und leukozytendepletiert sein (siehe Transfusionsleitlinien der BÄK, 2014). • Bis zum Abschluss der vierten Lebenswoche nach dem errechneten Geburtstermin des Kindes kann auf die Wiederholung der Kreuzprobe (bei Verwendung sog. Baby-EK-Präparate) verzichtet werden, sofern im Serum der Mutter und des Kindes keine irregulären Antikörper nachweisbar sind und der direkte Antiglobulintest mit den Erythrozyten des Kindes negativ ausfällt. • Früh- und Neugeborene, die wiederholt transfundiert werden müssen, sollten Erythrozytenkonzentrate von möglichst wenigen Spendern erhalten. Es sollten daher mehrere kleine Erythrozyteneinheiten (sog. Baby-EK-Präparate) bereitgestellt werden, die durch Aufteilung eines Erythrozytenkonzentrats in mehrere kleine Erythrozyteneinheiten hergestellt werden. • Früh- und Neugeborene sollten frische, in der Regel nicht länger als 7, höchstens 28 Tage gelagerte Erythrozytenkonzentrate erhalten. Neugeborene nach intrauteriner Transfusion dürfen ausschließlich mit bestrahlten zellulären Blutkomponenten transfundiert werden. • Bei Transfusionen von Frühgeborenen und Neugeborenen mit Verdacht auf Immundefizienz sind die zellulären Blutkomponenten zur Vermeidung von Graftversus-Host-Reaktionen zu bestrahlen. • Austauschtransfusionen sowie Erythrozytensubstitution bei extrakorporalem Kreislauf sind mit möglichst frischen, nicht länger als 7 Tage gelagerten, mit therapeutischem Plasma zur Verbesserung des Hämostasepotenzials auf einen Hämatokrit von etwa 0,6 l/l eingestellten Erythrozytenkonzentraten durchzuführen. Hierbei sollten bestrahlte Erythrozytenkonzentrate verabreicht werden. Die Gefahr einer Thrombozytopenie bei Austauschvolumina, die das 1,5-Fache des Blutvolumens übersteigen, ist dringend zu beachten.

13 Hämatologie

13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte

Blutprodukte Tab. 13.2 • Vor- und Nachteile von Blutprodukten. Produkt

Vorteil

Nachteil

Erythrozytenkonzentrat (EK)

• getestet: HIV, Hepatitis B + C • Hämatokrit ca. 60 % • hohe O2-Kapazität • geringe Volumenbelastung

• enthält keine Gerinnungsfaktoren, keine Immunglobuline, keine Thrombozyten

Thrombozytenkonzentrat (TK)

• getestet wie Erythrozytenkonzentrat

• Thrombozytengehalt unkalkulierbar

Fresh-FrozenPlasma (FFP)

• getestet wie Erythrozytenkonzentrat • gut zu bevorraten • enthält Gerinnungsfaktoren • längere intravasale Verweildauer als Albumin

• keine O2-Kapazität • Cave: keine Virusinaktivierung, enthält ggf. Anaphylatoxine • kein Volumenersatz der 1. Wahl!

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Hämatologie

13

13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte Tab. 13.2 • Fortsetzung Produkt

Vorteil

Nachteil

PPSB-Konzentrat

• enthält Faktoren II, VII, IX, X (Vit.-K-abhängige Faktoren) in höherer Konzentration als FFP → weniger Volumenbelastung

• verstärkt u. U. DIC • Thrombosegefahr und Virusübertragung nicht auszuschließen

Biseko

• ACD-Serum virusinaktiviert • längere intravasale Verweildauer als Albumin • enthält Immunglobuline

• enthält keine Gerinnungsfaktoren

Antithrombin III (Kybernin, Atenativ etc.)

• virusinaktiviert durch Hitze

Bestellung von Blutprodukten und Vorbereitung der Bluttransfusion ▶ Bestellt wird: Inline-filtriertes, untergruppengleiches, frisches (< 1 Woche) Erythrozytenkonzentrat mit einem Hämatokrit (Hkt) von 65 – 70 %. ▶ Abnahme von Kreuzblut in einem Serumröhrchen. ▶ Pränatal und 4 Wochen postnatal kann für die Kreuzprobe auch das Serum der Mutter verwendet werden (Fetus hat noch keine Blutgruppen-Ak, allenfalls übertragene Ak der Mutter, s. o.).

Durchführung der Bluttransfusion ▶ Überprüfung der Blutgruppe des Kindes auf Kärtchen mit Bedsidetest. Bei Transfusionen von 0-Rh-neg. Spenderblut kann auf den Bedsidetest verzichtet werden. ▶ Überprüfung der Nummer des Erythrozytenkonzentrats. ▶ Stets einen separaten Zugang verwenden (Glukose hämolysiert transfundierte Erythrozyten). Nie über einen Silastikkatheter transfundieren (verstopft leicht, erhöhtes Risiko einer Katheterinfektion)! ▶ Transfusion über Blut(gerinnsel)filter in 4 – 6 h. ▶ Überwachung: Arzt muss beim Anhängen der Transfusion und für die ersten 30 min anwesend sein. Kind muss am Monitor sein mit Blutdruckkontrolle 2-mal alle 15 min, dann stündlich. Häufige visuelle Überprüfung des intravenösen Zugangs.

Besonderheiten ▶ Verwandtenspenden werden aus folgenden Gründen nicht durchgeführt: • Verwandtenkonserven sind in Bezug auf die Infektionssicherheit deutlich unsicherer als Konserven aus einem bekannten und kontrollierten Spenderkollektiv. • Gefahr der Sensibilisierung bei häufigen Transfusionen vom selben Spender. ▶ „Single-Donor-System“: Dieses System (ein Spender für einen Patienten während des gesamten stationären Aufenthaltes) wird an einigen Zentren untersucht. • Vorteil: Infektionsrisiko kann bei polytransfundierten Frühgeborenen evtl. reduziert werden. • Nachteile: Höheres Alter der Konserven, mögliche Sensibilisierung des Akzeptors bei wiederholter Transfusion vom selben Donor.

Transfusionsindikationen

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▶ Anämie (S. 327) bei FG: Anämie und Hypovolämie. ▶ Hypovolämischer Schock mit 0-Rh-neg-Notfallkonserve (20 ml/kg KG in 30 min). ▶ Cave: Rhesus-negatives Blut (ccddee) ist nicht in allen Fällen kompatibel, z. B. bei ■ mütterlichem Anti-c/Anti-e! ▶ Hyperbilirubinämie: Blutaustausch mit ⅔ Erythrozytenkonzentrat + ⅓ FFP. Zweifaches Volumen entfernt 90 % der ursprünglichen Erythrozyten und 50 % des intravas-

kulären Bilirubins. Einfaches Blutvolumen entfernt 75 % der Erythrozyten und ist evtl. indiziert, wenn bei schwerer Anämie ein kardiales Versagen im Vordergrund steht und nicht die Hyperbilirubinämie. ▶ Austauschtransfusion (⅔ Erythrozytenkonzentrat + ⅓ FFP) siehe Austauschtransfusion im Methodenteil (S. 60).

Hinweise zur Verabreichung von Blutprodukten

13 Hämatologie

13.7 Bluttransfusion und Blutprodukte

▶ Anämie: • Ziel: Anheben des Hämatokrits auf 40 – 45 % in ca. 6 h bei einem beatmeten Frühgeborenen mit O2-Bedarf. • Dosierung des Erythrozytenkonzentrats: – 1 ml/kg KG Erythrozytenkonzentrat bzw. 2 ml/kg KG Vollblut heben den Hämatokrit (Hkt) um 1 %. ðgewünschter Hktaktueller HktÞ Transfusionsvolumen ¼ Hkt der Konserve ðmeist 60%Þ  Blutvolumen – In der Regel nicht mehr als 10–20 ml/kg KG/4–6 h (Ausnahme: Hypovolämischer Schock). ▶ Beachte: Gefahr einer Hirnblutung durch Hypervolämie, Herzinsuffizienz, Lun■ genödem. • Transfusionsgeschwindigkeit: Maximal 10 – 20 ml/kg KG in 4 – 6 h (ca. 3 ml/kg KG/h, nicht schneller). Bei einem Hktven < 30 %: – Entweder 2. Transfusion später oder partieller Austausch mit Erythrozytenkonzentrat. – Evtl. vorsichtige Diurese mit Esidrix oder Lasix bei Kindern mit BPD bzw. kardialer Belastung. ▶ Cave: Insbesondere bei extrem unreifen Frühgeborenen Gefahr von Herzinsuffizienz ■ oder Lungenödem infolge zu hoher Transfusions-Volumina oder -Geschwindigkeit. ▶ Thrombozytopenie (S. 331): • Dosierung des Thrombozytenkonzentrats: Die Transfusion von 10 ml/kg KG Thrombozytenkonzentrat hebt den Thrombozytenwert um ca. 50 – 100/nl an. Nach Transfusion Kontrolle der Thrombozytenzahl. • Transfusionsvolumen: 20 ml/kgKG über 30–60 min. • Applikation: nur über separaten peripheren i. v.-Zugang. • Haltbarkeit: Thrombozytenkonzentrate bei gleichförmiger Bewegung (s. o.) ca. 5 Tage haltbar. Um ein optimales Transfusionsergebnis zu erzielen, ist jedoch eine möglichst kurze Lagerungsdauer des TK anzustreben. Die Transfusion sollte möglichst schnell nach dem Eintreffen des TK eingeleitet werden. Zwischenlagerungen sind zu vermeiden, da dies die Thrombozyten schädigen kann. • Transfusion von AB0-identischem TK unter Berücksichtigung des Rhesus-Faktors, da TK geringe Mengen Erythrozyten enthalten. • Bevorzugt: Apherese-TK (bessere Wiederfindung der transfundierten Thrombozyten im Blutstrom, längere Überlebenszeit, geringere Refraktärität), welches 200 bis 400 × 109 Thrombozyten in 200 – 300 ml Plasma eines Einzelspenders enthält. Im Gegensatz dazu enthält das Pool-TK in Abhängigkeit von der Anzahl gepoolter Einheiten (von 4 bis 6 Spendern) 240 – 360 × 109 Thrombozyten in 200 – 300 ml Plasma oder Plasmaersatz-Lösung. • Hinweise zur Notfall-Therapie bei lebensbedrohlichen Blutungen: Bei lebensbedrohlichen Blutungen ist in der Erwachsenenmedizin die Gabe von rekombinantem Faktor VIIa (rFVIIa) indiziert; inwiefern ein Off-Label-Use auch bei Frühoder Neugeborenen mit nicht stillbarer Blutung (z. B. bei Lungenblutung) empfohlen werden kann, ist noch unklar. Im Kontext der Thrombozytopenie soll jedoch auf die Option eines Einsatzes von rFVIIa als Ultima Ratio (!) hingewiesen werden. Dosierung: 90 – 120 μg/kgKG i. v., ggf. 2 weitere Bolusgaben nach 1 – 3 h. ▶ Cave: Erythrozytenkonzentrate und ACD-FFP haben einen pH-Wert von ca. 6,6 ■ und einen Glukosegehalt von 450 mg/dl! 339

Hämatologie

13

13.8 Blutgerinnung bei Neu- und Frühgeborenen

▶ Hypovolämie: • Dosierung: Transfusionsmenge nach geschätztem Blutverlust. ▶ Merke: „Schocksymptome“ bei Verlust von ca. 25 % des Blutvolumens (20 ml/ ■ kg KG in 30 min). „Schocksymptome“ der Haut (verlängerte kapilläre Füllungszeit, nicht gefüllte Venen) auch bei Hirnblutung und Sepsis. • Notfallzugang: Nabelvene innerhalb der ersten 7 Lebenstage.

13.8 Blutgerinnung bei Neu- und Frühgeborenen Kurnik, Bidlingmaier, Olivieri

Grundlagen ▶ Indikationen zur Durchführung einer Gerinnungsdiagnostik: • Blutungsneigung. • Große Blutverluste (fetofetale Transfusion, Placenta praevia). • V. a. Thrombose. • Unklare Hirnblutung. • Auffällige Familienanamnese (z. B. Hämophilie). • Prä-/postoperativ. • Sepsis. • Peri-/postnatale Asphyxie. • Reanimation. • V. a. Stoffwechseldefekt. • V. a. konnatale Virusinfektion. ▶ Ziele der Gerinnungsdiagnostik: • Diagnostik und Vermeidung von Blutungs- oder thromboembolischen Komplikationen. • Vermeidung einer unnötigen Gabe nicht virusinaktivierter Blutprodukte (EK, FFP, TK) mit potenziellem Infektionsrisiko. • Klärung der Ursache bei pathologischen Screeningtests (medizinische und forensische Aspekte). • Rechtzeitiges Festlegen einer Therapie oder Prophylaxe. ▶ Blutentnahmetechnik: Die Aussagekraft der Gerinnungsanalyse ist von der Qualität der Blutentnahme abhängig. • Geeignet sind Zitrat-Röhrchen (1,3 ml), für Neugeborene stehen kleinere Röhrchen zur Verfügung, entscheidend ist die Blut-Zitrat-Verdünnung von 1:10. • Bei Hämatokrit > 60 % oft pathologische Gerinnungswerte durch zu starke Zitratverdünnung des Plasmas; in diesen Fällen Berechnung der erforderlichen Zitratmenge nach folgender Formel: Volumen ðBlutþZitratÞð100Hkt %Þ Volumen Zitrat ðmlÞ ¼ ð640Hkt %Þ • Eine schnelle Probenverarbeitung ist erforderlich, nicht im Kühlschrank lagern.

Normwerte ▶ Bei den Gerinnungsparametern ist eine Altersabhängigkeit zu beobachten. Daher gelten bei Neu- und Frühgeborenen andere Normwerte als bei Erwachsenen (Tab. 13.3, Tab. 13.5). ▶ Bei Früh- und Neugeborenen liegt ein Gleichgewicht zwischen Gerinnungsaktivatoren und -inhibitoren vor; dieses System ist jedoch extrem störanfällig! ▶ Die „Normalisierung“ der Gerinnungswerte erfolgt ca. über 6 Wochen bis 1 Jahr.

340

Tab. 13.3 • Gerinnungsparameter. Parameter

Frühgeborene (30. – 36. SSW)

Neugeborene (reif)

Erwachsenen-Normwert erreicht nach

Quick (%)

46 (35 – 115)

72 (50 – 95)

1 – 4 Wochen

PTT (s)

53 (27 – 79)

43 (31 – 54)

6 Monaten

Fibrinogen (mg/dl)

240 (150 – 273)

280 (167 – 399)

bei Geburt

Faktor II (%)

45 (20 – 77)

48 (26 – 70)

6 Monaten

Faktor V (%)

88 (41 – 144)

72 (34 – 108)

bei Geburt

Faktor VII (%)

67 (21 – 113)

66 (28 – 104)

6 Monaten

Faktor VIII (%)

111 (50 – 213)

100 (50 – 178)

bei Geburt

v-Willebrand-Faktor (%)

136 (78 – 210)

153 (50 – 278)

6 – 12 Monaten

Faktor IX (%)

35 (19 – 65)

53 (15 – 91)

6 Monaten

Faktor X (%)

41 (11 – 71)

40 (12 – 68)

6 Monaten

Faktor XI (%)

30 (8 – 52)

38 (10 – 66)

6 Monaten

Faktor XII (%)1

38 (10 – 66)

53 (13 – 93)

6 Monaten

Faktor XIII (%)

70 (32 – 108)

76 (30 – 122)

1 Woche

α2-Antiplasmin

78 (40 – 116)

85 (55 – 115)

6 Monaten

1

13 Hämatologie

13.9 Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen

keine klinische Relevanz, erklärt aber PTT-Verlängerung.

13.9 Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen Kurnik, Bidlingmaier, Olivieri

Grundlagen ▶ Bei Neu- und Frühgeborenen treten Blutungsprobleme seltener auf als Thromboembolien. ▶ Angeborene Blutungsprobleme (selten): • Mangel an Gerinnungsfaktoren (z. B. Hämophilie A/B). • Thrombozytopenien (S. 331) und Thrombozytopathien. • Gefäßfehlbildungen. ▶ Erworbene Blutungsprobleme (häufig), siehe auch Kap. 13.6: • Verbrauchskoagulopathien, siehe Indikationen zur Gerinnungsdiagnostik (S. 340). • „Begleitblutung“ bei zerebralen Thromboembolien (z. B. hämorrhagischer Hirninfarkt, Sinusvenenthrombose). • Mütterliche Erkrankungen (HELLP-Syndrom, EPH-Gestose, Placenta praevia, Lupus erythematodes der Mutter) und Medikamente (Antirheumatika, alle Antikonvulsiva, Antikoagulanzien). • Vitamin-K-Mangel. • Überdosierung von Heparin oder anderen Antikoagulanzien. • Verletzungen (z. B. nach Vakuumextraktion). • Mütterliche Autoimmunthrombozytopenie.

Klinik und Diagnostik ▶ Klinik: • Magen-Darm-Blutungen: Blutiger Magensaft, blutige Stühle (frisches Blut, Teerstühle). • Hämatome, Blutungen aus Nabelstumpf, subgaleatische Blutung.

341

Hämatologie

13

13.9 Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen

▶ ▶





• Hirnblutungen (S. 387) mit entsprechender Symptomatik. • Petechien mit und ohne Thrombozytopenie. Diagnostische Hinweise ergeben sich anhand der klinischen Symptome und der Sonografie. Minimaldiagnostik bei Blutungsneigung: • Blutbild: Hämoglobin (Hb), Hämatokrit (Hkt), Thrombozytenzahl, evtl. Thrombozytengröße, evtl. PFA/Multiplate (Babyröhrchen). • Gerinnungsstatus: Quick, PTT, Fibrinogen (nach Clauss), Faktor VIII, IX, von-Willebrand-Faktor, Faktor XIII. Bei gastrointestinaler Blutung: Unterscheidung von kindlichem oder maternalem Blut. Vorgehen: Blut mit 1 % HCl mischen: • Maternales Blut (HbA) färbt sich gelbbraun. • Kindliches Blut (HbF) bleibt rosa. Bewertung der Gerinnungsparameter s. Tab. 13.4.

Tab. 13.4 • Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen: Bewertung der Gerinnungsparameter. Thrombozytenzahl

PTT

Quick

Fibrinogen

D-Dimere

Diagnose



n

n

n

n

Immun- und angeborene Thrombozytopenie, Knochenmarkhypoplasie, beginnende Sepsis, Infektion, Virusinfektion v. a. CMV, TTP(ADAMTS 13-Mangel)

n



n

n

n

Faktor-VIII-, -IX-, -XI-, -XII-Mangel, Kontamination mit Heparin? Katheterabnahme? schweres von WillebrandSyndrom

n

n



n

n

Faktor-VII-Mangel

n





n

n

Vitamin K (Faktoren II, VII, IX, X); wenn 1 – 4 h nach 1 mg Konakion i. v. weiter pathologisch, dann: Faktor-II-, -V-, -VII-, -X-Mangel (oder Heparineffekt)

(n)







(n)

Lebererkrankung, Fibrinogenmangel











DIC

n

n

n

n

n

Gefäßschaden (Unreife, Hypoxie, Azidose), Faktor-XIII-Mangel, Thrombozytendefekt

n = normal, (n) = normal oder pathologisch, ↑/↓, je nach Stadium der Lebererkrankung

Therapiegrundlagen ▶ Genau abwägen, wann eine potenzielle Blutungsneigung prophylaktisch therapiert werden sollte. Eine Gesamtbeurteilung der klinischen Situation und der Laborwerte, möglicher Blutungskomplikationen und Nebenwirkungen der Therapie ist notwendig (Rücksprache Hämostaseologie). ▶ Sofern Faktorenkonzentrate zur Verfügung stehen, sind diese fast immer dem FFP vorzuziehen. Vorsicht: Prothrombinkomplex-Präparat (PPSB) und Fibrinogenkonzentrate besitzen eine gewisse Thrombogenität. ▶ Faustregel: 1 IE/kg KG Faktorenkonzentrat erhöht die Aktivität des zu substituie■ renden Gerinnungsfaktors um 1 – 2 %. 342

Angeborene Blutungsprobleme ▶ Gerinnungsfaktorenmangel: Gabe von Gerinnungskonzentraten. Vorteil: Virusinaktiviert, teilweise rekombinant, wenig Volumen. ▶ Thrombozytenstörungen: Gabe von Thrombozytenkonzentraten nur in Ausnahmefällen (cave: Antikörperbildung bes. bei angeborenen Störungen!). In Absprache mit Hämostaseologen evtl. rFVIIa i. v. (NovoSeven, keine Zulassung). • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie, NAIT (S. 335). • Autoimmunthrombozytopenie (S. 331). • ADAMTS 13-Mangel, insbesondere bei zusätzl. Ikterus prolongatus und Petechien.

13 Hämatologie

13.9 Blutungen bei Neu- und Frühgeborenen

Verbrauchskoagulopathie ▶ Synonyme: Disseminierte intravasale Gerinnung, DIC. ▶ Ursachen: Jeder Schock, z. B. durch Sepsis, Blutung, Hypoxämie, Azidose, Unterkühlung. ▶ Klinik: Blutungen z. T. petechial (Thrombozytopenie), z. T. größere Hämatome bzw. innere Blutungen (Mangel an Gerinnungsfaktoren). ▶ Diagnostik: Blutbild mit Thrombozyten, PTT, Quick, Fibrinogen, AT, D-Dimere, ROTEM. ▶ Therapie: • Therapie der Grundkrankheit. • evtl. AT-Konzentrat (Ziel: Erwachsenennormwerte. Es gibt keine Studien im Kindesalter, die die Wirksamkeit belegen!); häufig „blinde“ Substitution notwendig: 30 – 50 IE/kg KG. • Evtl. FFP (10 – 20 ml/kg KG über 1 – 2 h (längere Infusionszeit ist aufgrund der kurzen Halbwertszeit einiger Gerinnungsfaktoren nicht sinnvoll). • Evtl. Thrombozytenkonzentrat (10 ml/kg KG). ▶ Cave: Heparin verstärkt bei Thrombozytopenie und/oder schlechter Nierenfunk■ tion die Blutungsneigung! ▶ Cave: Zitratzusatz bei Massentransfusion von Erythrozytenkonzentraten beach■ ten (Azidose und Blutung können verstärkt werden). • Laborkontrollen 1 – 2 × täglich: Quick, PTT, Fibrinogen, AT, Thrombozyten.

Weitere erworbene Blutungsprobleme ▶ „Begleitblutungen“ bei Thromboembolien: Bei frischer bzw. nicht resorbierter Blutung in der Regel keine Antikoagulation, später evtl. niedermolekulares Heparin oder Acetylsalicylsäure (ASS). ▶ Vitamin-K-Mangel: • 0,5 – 1,0 mg Konakion s. c., i. v. • Evtl. zusätzlich PPSB (enthält Vitamin-K-abhängige Faktoren II, VII, IX, X) 30 – 50 IE/ kg KG. ▶ Heparin-Überdosierung: Heparin absetzen, abwarten. Antidot (Protamin) ist meist nicht erforderlich. ▶ Cave: Protamin kann thrombogen, aber auch blutungsfördernd wirken (nur ⅔ der ■ Gabe der letzten 2 h ersetzen)! ▶ Schwangere, die unter antiepileptischer Therapie stehen: Die Kinder erhalten sofort postnatal 2 mg Vitamin K s. c. oder i. m. oder alle 3 Tage 1 mg Vitamin K p. o.

343

Hämatologie

13

13.10 Thrombosen bei Neu- und Frühgeborenen

13.10 Thrombosen bei Neu- und Frühgeborenen Kurnik, Bidlingmaier, Olivieri

Grundlagen ▶ Epidemiologie: • Altersgipfel: Die Thromboserate ist bei Kindern im Neu- und Frühgeborenenalter am höchsten (2. Altersgipfel ab der Pubertät). • Die Inzidenz beträgt 5/100 000 Lebendgeborene. • 24/10 000 NG mit Einweisung auf die Intensivstation erleiden eine Thrombose. ▶ Diagnostische Hinweise ergeben sich anhand der klinischen Symptome sowie der Sonografie, Doppler-/Duplexsonografie, evtl. Phlebo-/Angiografie, MRT-Angiografie. ▶ Angeborene Ursachen (selten alleinige Ursache einer Thrombose): • Selten (aber hoch thrombogen) Inhibitorenmangel: Antithrombin (AT)-, Protein-C-, Protein-S-Mangel (Tab. 13.5). • Häufiger sind genetische Defekte: – Faktor-V-Leiden-G1691A-Mutation, heterozygot oder homozygot. – Prothrombin-G20 210A-Mutation, heterozygot oder homozygot. – Lipoprotein(a)Erhöhung (endgültiger Wert nach 1. Lebensjahr). ▶ Erworbene Ursachen (häufig Ursache für Thrombose): Zentraler Venenkatheter (V.-cava-Thrombose), Herzkatheter, perinatale Asphyxie, Schock, Sepsis, Polyglobulie, Herzvitien, Exsikkose, Fetopathia diabetica und Antiphospholipid-Antikörpersyndrom der Mutter.

Klinik und Diagnostik ▶ Klinik: • Venöse Thrombose: Schwellung und livide Verfärbung, evtl. Kollateralkreislauf sichtbar. • Arterielle Thrombose: Blässe, Pulslosigkeit, Blutdruck und O2-Sättigung nicht ableitbar. • Zerebraler Verschluss: z. B. zerebraler Krampfanfall. ▶ Minimaldiagnostik: • Blutbild: Hämoglobin (Hb), Hämatokrit (Hkt), Thrombozytenzahl. • Gerinnungsstatus: Quick, PTT, Fibrinogen, D-Dimere, Antithrombin, evtl. Protein C (da substituierbar). ▶ Erweiterte Diagnostik: • Kann und muss evtl. zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. • Genetische Untersuchung (für mit * gekennzeichnete Defekte s. o.): – Frühestens 2 – 3 Tage nach EK Transfusion. – 1 ml EDTA-Blut. – Mit schriftlicher Einwilligung der Eltern (unter Berücksichtigung des neuen Gendiagnostikgesetzes). • Beeinflusst evtl. Entscheidung über Dauer der Reokklusionsprophylaxe. • Altersabhängigkeit der Werte → Kontrolle der Werte im Verlauf notwendig.

344

Tab. 13.5 • Altersnormwerte bei Untersuchung von Thromboseneigung. Parameter

Frühgeborene (30. – 36. SSW)

Neugeborene (reif)

Erwachsenen-Normwert erreicht nach

Plasminogen (%)

45 (32—72)

57 (36 – 78)

6 Monaten

Antithrombin (%)

38 (14—62)

63 (39 – 87)

6 Monaten

Protein C (%)

28 (12—44)

35 (17 – 53)

6 – 12 Monaten

Protein S (%)

26 (14—38)

36 (12 – 60)

6 – 12 Monaten

C1-Inhibitor (%)

65 (31—99)

72 (36 – 108)

6 Monaten

APC-Ratio

> 2,5

> 2,0

D-Dimere

schwach positiv

schwach positiv

negativ ab 2. LT

Homocystein(μmol/l)

?

?

12 Monaten (2 – 10 μmol/l) 12 Monaten

Lipoprotein (a) (mg/dl)

?

0 – 301

Cardiolipin-Ak

unauffällig

unauffällig

1

13 Hämatologie

13.10 Thrombosen bei Neu- und Frühgeborenen

in dieser Altersstufe Werte nicht endgültig beurteilbar (relativ zu niedrig)

Therapieprinzipien ▶ Studien, die den Effekt der verschiedenen Therapieformen statistisch ausreichend belegen, liegen bisher nicht vor. ▶ Vor Therapiebeginn ist grundsätzlich immer eine Sonografie des Schädels durchzuführen. ▶ Therapie der Wahl bei Neu- und Frühgeborenen ist die Heparinisierung. ▶ Bei arteriellen Thrombosen muss ein gefäßchirurgischer Eingriff diskutiert werden (bei peripheren Verschlüssen ist dieser jedoch wegen des geringen Gefäßlumens und hohen Risikos eines Vasospasmus meist nicht möglich). ▶ Ein Hämostaseologe sollte stets hinzugezogen werden.

Thrombolyse mit rtPA (rekombinanter Tissue-Plasminogenaktivator) oder Urokinase ▶ Beachte: Eine Nutzen-Risiko-Abwägung ist stets erforderlich! ■

▶ Indikationen [E3 und E4]: • Lebensbedrohliche Zustände (evtl. auch bei oberer Einflussstauung). • Drohender Organverlust. • Beidseitige Nierenvenenthrombose (aber: Erfolgsrate bei Nierenvenenthrombose gering, häufig „Schrumpfniere“ trotz erfolgreicher Lyse). • Drohender Extremitätenverlust. ▶ Beachte: Eine Sinusvenenthrombose ist keine Indikation zur Lyse! ■ ▶ Kontraindikationen: • Hirnblutung (< 1 Monat zurückliegend). • Operation und Z. n. ZVK-Anlage ohne Kompressionsmöglichkeit < 7 Tage zurückliegend. • Reanimation. • Schwere Asphyxie. • Arterieller Hypertonus. • Hämorrhagische Diathese (Thrombozytopenie). • Leber-/Niereninsuffizienz. ▶ Nebenwirkungen: Blutungen/Hirnblutungen. 345

Hämatologie

13

13.10 Thrombosen bei Neu- und Frühgeborenen

▶ Substanzen: • rtPA (rekombinanter Tissue-Plasminogenaktivator): – Keine Zulassung, aber „ausreichend“ Erfahrung bei Neugeborenen und Kindern. – Direkte Wirkung am Thrombus, dadurch kaum systemische Wirkung auf die Gerinnung → theoretisch geringeres Blutungsrisiko. – Geringer D-Dimer-Anstieg während der Lyse (≙ Ziel). – Kurze Halbwertszeit (3 – 5 min) → gute Steuerbarkeit. • Urokinase (UK): Systemische Wirkung auf die Gerinnung → Fibrinogen kann/soll abfallen, D-Dimere sollen ansteigen, kaum noch verwendet. ▶ Praktisches Vorgehen mit rtPA: • Dosierung bei systemischer Gabe: – 0,1 – 0,2 mg/kg KG über 10 min, dann 0,5 – 0,8 – 1,0 mg/kg KG/Tag, bis Erfolg erkennbar. – Dosis steigern, wenn kein Erfolg/Anstieg von Fibrinogen/kein D-Dimer-Anstieg. – Evtl. Plasminogen (FFP) substituieren. – Zusätzlich Heparin 100 – 200 IE/kg KG/Tag i. v., PTT nicht > 50 s. • Dosierung bei lokaler Gabe (z. B. über ZVK): – 0,3 – 0,5 mg/kg KG über 1 – 2 h, evtl. nach 6 – 8 h wiederholen. – Während der Lyse zusätzlich Heparin 100 – 200 IE/kg KG/Tag i. v., in den Lysepausen Vollheparinisierung. ▶ Praktisches Vorgehen mit Urokinase (UK): • Dosierung bei systemischer Gabe: – 4 400 IE/kg KG über 10 – 20 min, dann 4 400 IE/kg KG/h bis zum Erfolg. – Nicht bei Fibrinogen < 100 mg/dl. – Zusätzlich Heparin (100 –)200 – 400 IE/kg KG/Tag, i. v.; Ziel: 1,5 – 2-fache PTT-Verlängerung. • Dosierung bei lokaler Gabe (z. B. über ZVK): – 1500 IE/kg KG über 10 min, dann 1500 IE/kg KG/h. – Zusätzlich Heparin (100 –)200 – 400 IE/kg KG/Tag, i. v., Ziel: 1,5 – 2fache PTT-Verlängerung. ▶ Beachte: Während der Lyse und unter Antikoagulation keine i. m. Injektionen, keine ■ arteriellen Punktionen, keine Lumbalpunktionen, kein ASS! ▶ Cave: Lyseindikation mindestens alle 24 h neu überdenken. Wenn nach 3 Tagen kei■ ne Änderung: beenden. Täglich Kontrolle Sonografie Schädel. ▶ Dauer der Lyse: Bis Erfolg eingetreten ist, in der Regel nicht länger als 3(– 7) Tage. ▶ Laborkontrollen während der Lyse: Hb, Thrombozytenzahl, Quick, PTT (bei Lyse mit Urokinase 1,5 – 2-facher Anstieg erwünscht), Fibrinogen, (Plasminogen), Antithrombin, D-Dimere.

Reokklusionsprophylaxe ▶ Dauer: Abhängig von Ursache, Art und Ausmaß der Thrombose: 3 – 6(– 12) Monate. ▶ Dosis ist abhängig von Ursache, Art und Ausmaß der Thrombose. Individuelle Entscheidung, ob therapeutischer oder prophylaktischer Anti-Xa-Spiegel. In den meisten Fällen ist nach ca. 10 – 14 Tagen ein prophylaktischer Spiegel ausreichend. ▶ Unfraktioniertes Heparin (UFH): • Gabe nur unter ausreichender AT-Wirkung, bis über weitere Antikoagulation entschieden wurde. • Dosierung: Initial 50 – 100 IE/kg KG im Bolus, dann Dauerinfusion 400 – 500 (– 1000) IE/kg KG/Tag (Vollheparinisierung). • Ziel: PTT 1,5 – 2-fach verlängert. Kontrollen anfangs alle 6 – 8 – 12 h. ▶ Beachte: ■ • Vorsicht bei PTT-Bestimmung: Plasma sofort abzentrifugieren, sonst falsch normale Werte! 346

• Heparin-induzierte-Thrombozytopenie (HIT Typ 2), tritt bei Neugeborenen extrem selten auf, vor allem bei Antiphospholipid-Antikörpern (pädiatrischen Hämostaseologen zuziehen!) möglich. ▶ Niedermolekulare Heparine [E3] (NMH, z. B. Clexane → 1 Fertigspritze enthält 20 mg): • Zunehmend Erfahrung bei Neugeborenen, jedoch keine Zulassung für Neu- und Frühgeborene (und Kinder). ▶ Cave: Multidosepräparationen enthalten häufig Alkohol, besser Fertigspritzen ■ verwenden, evtl. weiter verdünnen zur besseren Dosierbarkeit. • Dosierung: – Fragmin: 80 – 100 – 200 IE anti-Xa/kg KG/Tag s. c. in 1 – 2 ED. – Clexane: 2 × 1 – 1,5 mg/kg KG pro ED. • Therapiekontrolle: Anti-Xa-Spiegel 2 h nach Gabe (bei Alter > 2 Jahre: 4 h nach Gabe). Ziel: 0,4 – 0,8 IE/ml (therapeutischer Spiegel) bzw. 0,2 – 0,4 IE/ml (prophylaktischer Spiegel) [E3]. • Vorteile: – Ambulante Therapie möglich. – Konstante Wirkspiegel durch lange HWZ und geringe Interaktion mit Plasmaproteinen und Endothel. – Weniger Laborkontrollen erforderlich. • Nachteile: – Höhere Therapiekosten. – Fertigspritzen müssen mit NaCl 0,9 % weiterverdünnt werden, da Neu- und Frühgeborene meist sehr niedrige Dosen benötigen. ▶ Kumarine: • Anwendung zur längerfristig erforderlichen Reokklusionsprophylaxe [E3]. • Beeinflussung durch Infekte und Ernährung (Vitamin-K-Zufuhr). • Eher ungeeignet für Neu- und Frühgeborene. • Dosierung (z. B. Phenprocoumon): – Tag 1: 0,2 – 0,3 mg/kg KG p. o. (Initialdosis). – Tag 2: ½ Initialdosis. – Tag 3: Dosis entsprechend der INR. • Ziel: INR 2,5 – 3,5 (abhg. von der Indikation). ▶ Acetylsalicylsäure (ASS): • Dosierung: 2 – 5 mg/kg KG/Tag. • Eher für ältere Säuglinge geeignet und meist für arterielle Thrombosen (z. B. Hirninfarkte) [E2], wird auch in der Kinderkardiologie eingesetzt.

13 Hämatologie

13.11 Hämatoonkologische Erkrankungen

13.11 Hämatoonkologische Erkrankungen Schmid

Vorbemerkung ▶ Bei onkologischen Erkrankungen immer sofort Überweisung an ein kinderonkologisches Zentrum. Die häufigsten Diagnosen sind: Leukämie (akute lymphatische Leukämie, akute myeloische Leukämie), Neuroblastom, Keimzelltumor, dann seltener Retinoblastom, ZNS-Tumoren (Astrozytom, primitiver neuroektodermaler Tumor [PNET], Ependymom), Nephroblastom und andere (s. auch unter www.kinderkrebsinfo.de).

Akute lymphatische Leukämie (ALL) ▶ Besonderheiten in der Neonatal- und Säuglingsperiode: Häufig biphänotypische ALL des B-Zell-Vorläufertyps, die meist zusätzlich myeloische Marker exprimieren. Häufig Hyperleukozytose, Hepatosplenomegalie und ZNS-Befall. In 70–80 % der Fäl347

Hämatologie

13

13.11 Hämatoonkologische Erkrankungen









le Nachweis von t(4;11) in den Blasten, welche das sog. MLL-Fusionsgen generiert. Blasten sprechen oft schlecht auf initiale Chemotherapie an. Verzicht auf Strahlentherapie des ZNS wegen inakzeptabler Intelligenzdefekte, deshalb intensivierte intrathekale Therapie. Hochrisikopatienten mit Leukozyten ≥ 300 000/μl und/oder Prednison-poor-Response sowie Alter < 6 Monate und MLL-Rearrangement erhalten eine Stammzelltransplantation. Symptome: ggf. Zeichen einer Panzytopenie mit Blässe/Müdigkeit (Anämie), Fieber (Neutropenie), Blutungszeichen mit Hämatomen, Petechien, seltener Schleimhautblutungen (Thrombozytopenie). Zeichen der Organinfiltration mit Hepatomegalie, Splenomegalie, Lymphknotenschwellung, Hautinfiltraten (bläulich schimmernde Knötchen), Knochenschmerzen. Diagnostik: • BB mit Diff.-BB, Blutausstrich, Retikulozyten. Elektrolyte mit Na, K, Cl, Ca, Mg, Phosphat, Leber- und Nierenwerte, Harnsäure, CRP, LDH, Gesamt-Eiweiß, BZ, Gerinnung. Blutgruppe, evtl. mit Kreuzprobe für Erythrozyten-, evtl. Thrombozytenkonzentrat (CMV u. Parvovirus B19 neg., bestrahlt, leukozytendepletiert). Virustiter (Mumps, Masern, Röteln, VZV, HSV, EBV, CMV, HHV6, Parvovirus B19, HIV1/2, HBV, HCV, HAV). Thrombophiliescreening. • Knochenmarkpunktion. • Röntgen-Thorax (Mediastinaltumor). Sonografie Abdomen (Lymphknoten-, Leber-, Milz-, Niereninfiltration). Sonografie beider Hoden bei schmerzloser Hodenvergrößerung. • EKG, Echokardiogramm. • Nach Ermessen und klinischer Symptomatik EEG, ggf. Sonografie/CT/MRT Schädel mit KM. • LP (immer mit Zytozentrifuge), evtl. gleichzeitig Gabe von Chemotherapie i. th.; 1. Punktion durch einen erfahrenen Onkologen. Bei initial sehr hoher Leukozytenzahl (z. B. > 100 000/μl) LP um einige Tage verschieben. Therapie: • Wässerung mit 3 000 ml/m2/d 1:1 Lsg., Alkalisierung des Urins ist nicht notwendig. • Initial keine Kalium-Zugabe (abhängig von K-Werten und dem zu erwartenden Zellzerfall). Beachte: Tumorlysesyndrom, Blutungen, Leukostase bei Hyperleukozytose. • Allopurinol 10 mg/kg/d in 2–3 ED p. o. (zur Prophylaxe der Hyperurikämie) oder Rasburicase 0,2 mg/kgKG/d über 30 min i. v. in 1 ED/d. • Hb < 7–8 g%: Erythrozytenkonzentrat, Beachte: bei Hyperleukozytose mit Leukostasezeichen Ziel-Hb ca. 8 g%. • Thrombozyten < 10 000–20 000/μl: Thrombozytenkonzentrat. • Bei Fieber ≥ 38,5 °C: BK und Beginn mit z. B. Cefotaxim/Ampicillin oder Piperacillin/Tazobactam. Evtl. Wahl der Antibiotika nach bestehenden Infektionsherden bzw. Alter des Neugeborenen richten. • Vorbereitung zur Hickman- oder Portanlage (wenn AZ stabil). • Beginn der Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe (z. B. 5 mg/kgKG/d TMP-Anteil in 2 ED an 2(–3) d/Wo), einer antibiotischen Prophylaxe (z. B. mit Penicillin tgl. p. o.) und Pilzprophylaxe (z. B. mit Posaconazol oder Voriconazol). • Beginn mit der Chemotherapie mit Vorphase (Kortison) nach dem in Deutschland etablierten Interfant-06-Vorgehen (s. www.kinderkrebsinfo.de; in ausgewählten Zentren zusätzlich Blinatumomab in Form einer Pilotphase). Prognose: Ereignisfreies Überleben nach 2 Jahren ca. 50 %, bei kongenitaler ALL 20 %.

Akute myeloische Leukämie (AML) ▶ Besonderheiten: Im Säuglingsalter häufiger myelomonozytäre (FAB M4) und monoblastische Leukämie (FAB M5) mit häufig hoher Blastenzahl > 100 000/μl und Risiko für Blutung und Symptome eines Leukostasesyndroms. Bei Down-Syndrom tran348

sitorisches myeloproliferatives Syndrom (TMS) möglich, meist in Form einer megakaryozytären AML (FAB M7). Diese Sonderform kann nach wenigen Monaten spontan ausheilen, deshalb zunächst abwartende Haltung (Messung des Transkriptionsfaktors Gata-1 in 4-wöchentlichen Abständen). In ca. 30 % der Fälle tritt nach einigen Jahren eine AML M7 auf. Mit abgeschwächter Chemotherapie sehr gute Prognose. ▶ Beachte: Bei AML im Säuglingsalter häufig Hyperleukozytose bei Diagnose. ■ ▶ Risiken: Blutungen, Leukostase, Tumorlysesyndrom. ▶ Symptome: Petechien, Blutungen; Dyspnoe, Tachypnoe, ARDS; Nierenversagen; Ataxie, Nystagmus, zerebrale Krampfanfälle, Visusverschlechterung, Priapismus. ▶ Maßnahmen: Überwachung der Vitalparameter (Intensivüberwachung). ▶ Diagnostik und Initialtherapie: s. oben bei ALL. ▶ Tumorlysesyndrom-Prophylaxe: Hydrierung, Harnsäuresynthesehemmer mit Rasburicase (s. o.). ▶ Blastenelimination: Evtl. Austauschtransfusion. Bei klinischen Symptomen eines Leukostasesyndroms Einleitung einer „vorsichtigen“ zytostatischen Chemotherapie (z. B. Hydroxyurea, Cytarabin, Thioguanin). Nach Reduktion der Blasten < 50 000/μl sollte die Induktionstherapie begonnen werden. Steroide haben keinen Effekt. Diagnostische LP erst nach Blastenreduktion. ▶ Therapie: Nach dem AML-BFM-Protokoll, kein eigenes Protokoll für Säuglinge (s. www.kinderkrebsinfo.de). ▶ Prognose: Ereignisfreies Überleben nach 5 Jahren ca. 50 %, Gesamt-Überleben 75 %.

13 Hämatologie

13.11 Hämatoonkologische Erkrankungen

Neuroblastom ▶ Besonderheiten: Mit 40–50 % die häufigste onkologische Erkrankung im Säuglingsalter. Tumorlokalisation überwiegend in der Nebenniere oder im Grenzstrang. In den ersten 3 Monaten 4-wöchenliche sonografische Kontrollen (+ NSE, + Katecholamine im Spontanurin). Ab dem 4. Lebensmonat ausgeweitete Diagnostik (s. unten). Nur im Säuglingsalter Stadium IVS: lokalisierter Primärtumor mit Dissemination in Haut, Leber, und/oder Knochenmark (< 10 %). Bei Säuglingen mit n-myc- und 1p-Deletion-negativen Tumoren und keinen lebensbedrohlichen Symptomen Beobachtung mit Kontrollen alle 6 Wochen, meist spontane Rückbildung bis zum Ende des 2. Lebensjahres. ▶ Lokalsymptome: abhängig vom Sitz des Tumors (z. B. Querschnittsymptomatik bei Sanduhrgeschwulst, Horner-Trias bei Sitz in der oberen Thoraxapertur, Brillenhämatom bei Orbitametastase, vorgewölbtes Abdomen bei abdominellem Tumor). ▶ Allgemeinsymptome: v. a. bei metastasiertem Neuroblastom u. a. Schmerzen (z. B. Knochenschmerzen bei Knochen- oder Knochenmarkinfiltration), reduzierter AZ, Fieber, Gewichtsverlust, Blässe, arterieller Hypertonus. Evtl. auch keine Symptome (ca. 20 %). ▶ DD: Nephroblastom (meist gutartige kongenitale mesoblastische Nephrome, deshalb < 6. Lebensmonat immer primäre Resektion), Rhabdomyosarkom, Hepatoblastom. ▶ Diagnostik: • BE mit NSE, LDH, Ferritin, BB mit Diff-BB. • Katecholamine im Spontanurin (Vanillinmandelsäure, Homovanillinmandelsäure). Urinmenge ≥ 15 ml (Mischungsverhältnis: 15 ml Urin mit 0,3 ml Salzsäure 20–25 %). In ca. 20 % keine Katecholaminausschüttung. • MIBG-Szintigrafie (MIBG = Meta-Jod-Benzyl-Guanidin): Die Substanz reichert sich spezifisch in adrenergem Gewebe an → wichtig für Diagnostik und Metastasensuche. In ca. 20 % keine Anreicherung → dann FDG-PET/CT. • Weitere Staging-Untersuchungen: Sonografie Abdomen, MRT Abdomen mit KM (Nebenniere?), Rö-Thorax, CT-Thorax mit KM (Lungenmetastasen?), KMP an 4 Stellen (Rosetten? GD2-AK-Untersuchung), Knochenszintigrafie bei pos. Anreicherung im Knochen in der MIBG-Szintigrafie, evtl. FDG-PET/CT. 349

Hämatologie

13

13.11 Hämatoonkologische Erkrankungen

• Biopsie mit Histologie (Neuroblastom, Ganglioneuroblastom, Ganglioneurom) und Bestimmung des Onkogens N-myc und einer 1p-Deletion, deshalb bei OP Materialasservierung zur molekulargenetischen Untersuchung. ▶ Therapie: nach dem Neuroblastom-Protokoll (s. unter www.kinderkrebsinfo.de). ▶ Prognose: Ereignisfreies Überleben nach 5 Jahren: Beobachtungspatient 84 %, Standardrisikopat. 72 %, Hochrisikopat. 37 %.

Keimzelltumor ▶ Besonderheiten: Von Keimblättern ausgehende, embryonale, benigne oder maligne Mischtumoren. Sitz des Primärtumors: Steißbein (bei Neugeborenen häufigster Sitz eines Keimzelltumors in Form eines reifen Teratoms), Ovar, Hoden, ZNS, Mediastinum und andere. Steißbeinteratome sind bei Geburt benigne, können später maligne entarten, deshalb rasche operative R0-Resektion nach Geburt (durch erfahrene Operateure, nach MRT-Untersuchung). Nach chirurgischer Entfernung eines Steißbeinteratoms muss mit neurologischen Störungen insbesondere der Blasenfunktion gerechnet werden. ▶ Histologische Einteilung: Germinom = Seminom = Dysgerminom, Dottersacktumor (= endodermaler Sinustumor), embryonales Karzinom, Chorionkarzinom, Teratom (Gradeinteilung nach Gonzales-Crussi: immatur, matur, Dermoidzyste, monodermal), gemischte Keimzelltumoren. ▶ Symptome: Abhängig von der Lokalisation: z. B. schmerzlose Hodenschwellung, Bauchschmerzen (Ovarialtumore), Husten, Dyspnoe (intrathorakaler Sitz), Schwellung am Steißbein, Hirndruckzeichen (intrakranieller Sitz). ▶ Diagnostik: • Sonografie und MRT (mit KM) des Primärtumors. • Tumormarker: AFP, β-HCG (Beachte: Altersabhängige Werte!). Ein hohes AFP schließt in diesem Alter einen Keimzelltumor nicht aus. Falls im Verlauf z. B. nach 1 Woche das AFP ansteigt, besteht der V. a. einen malignen Keimzelltumor. • Staging-Untersuchungen: Rö-Thorax, CT-Thorax (mit KM), evtl. FDG-PET/CT. • Zur Sicherung der Diagnose evtl. Biopsie notwendig, evtl. gleich Entfernung (Beachte: Materialasservierung zu molekular-/zytogenetischer Untersuchung). ▶ Therapie: OP, evtl. Chemotherapie, selten Bestrahlung. ▶ Prognose: Ereignisfreies Überleben nach 5 Jahren: ca. 80–90 %.

350

14

Endokrinologie und Stoffwechsel

14.1 Neugeborenen-Screening auf angeborene

Stoffwechselstörungen, Endokrinopathien und CF Nennstiel, Lotz-Havla, Muntau, Röschinger

Neugeborenen-Screening (Stand 02/2014) ▶ Ziel ist die frühzeitige Erkennung und Therapie von Neugeborenen mit angeborenen Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien. Für die Organisation und Durchführung gelten die „Kinder-Richtlinie“ und die Leitlinie Neugeborenen-Screening auf angeborene Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien (http://www.awmf.org/ leitlinien/detail/ll/024-012.html). ▶ Zeitpunkt des Screenings: • Abnahme möglichst nicht vor 36 und nicht nach 72 Lebensstunden. • Abnahme so bald wie möglich (nach 36 Stunden), um früh intervenieren zu können. • Bei Abnahme des Blutes vor Erreichen von 36 Lebensstunden ist ein Zweitscreening zu veranlassen. Eltern erhalten eine „Zweittestkarte“. Das Zweitscreening erfolgt nach 36 Stunden. • Bei Frühgeborenen < 32 SSW muss neben dem zeitgerechten Erst- ein Zweitscreening im Alter von 32 SSW erfolgen. • Eine Probenentnahme muss erfolgen (auch vor 36 Lebensstunden): – vor Entlassung vor Erreichen von 36 Lebensstunden. – vor Verlegung in eine andere Institution. – vor Transfusion oder Austauschtransfusion. – vor Behandlung mit Kortikosteroiden oder Katecholaminen. – Das CF-Screening kann nur bis zum Alter von 4 Wochen durchgeführt werden. ▶ Blutgewinnung und Probenversand: • Nativblut (kapillär oder venös) auf spezielle Filterkarten auftragen; die gekennzeichneten Kreise müssen komplett durchtränkt sein. Kein EDTA-Blut, kein Blut aus heparinisierten Kapillaren, kein Nabelschnurblut. • Die Testkarte 2 – 4 h bei Zimmertemperatur trocknen lassen. • Der Probenversand (Briefkasten!) muss immer am Tag der Blutgewinnung erfolgen. ▶ Cave: Das Zeitfenster zur Intervention, beispielsweise bei organischen Azidämien, ■ der Galaktosämie oder dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS), ist kurz! ▶ Einwilligung der Eltern und Dokumentation: • Lt. Gendiagnostikgesetz darf das Neugeborenen-Screening nur noch von Ärzten veranlasst werden. Nach Aufklärung über Ziele, Inhalt und mögliche Folgen muss die sorgeberechtigte Person ausdrücklich und schriftlich einwilligen. Durch ein Kreuz auf dem entsprechenden Feld der Filterpapierkarte ist dem Labor das Vorliegen der Einwilligung mitzuteilen. Alternativ kann gegenüber dem Labor auch eine schriftliche Erklärung abgegeben werden, dass nur Blutproben mit vorliegender Einwilligung eingesandt werden. In Ausnahmefällen kann die Hebamme das Screening alleine durchführen, wenn kein Arzt erreichbar ist. • Angabe der Stammdaten auf der Filterkarte: Name, Vorname und Geschlecht des Kindes, Geburtsdatum mit Uhrzeit, Adresse und Telefonnummer der Mutter, Datum und Uhrzeit der Probengewinnung sowie Angabe des Gestationsalters und Geburtsgewichts. • Medikamente: Wurde die Blutprobe nach Gabe von Kortikosteroiden oder Katecholaminen abgenommen, müssen die Medikamente unbedingt auf der Screening-Karte vermerkt werden, da sie zu falsch positiven oder falsch negativen Befunden führen können. Ein Kontroll-Screening wird dann generell 5 Tage nach

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.1 Neugeborenen-Screening auf angeborene Stoffwechselstörungen, Endokrinopathien, CF

351

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.1 Neugeborenen-Screening auf angeborene Stoffwechselstörungen, Endokrinopathien, CF

Ende der Maßnahme empfohlen. Sind die Medikamente abgesetzt, werden sie auf der Kontrollkarte nicht mehr angegeben. • Transfusion: Wurde eine Probe vor der Transfusion abgenommen, ist eine einmalige Kontrolle 5 Tage nach der letzten Transfusion ausreichend. Sollte kein Screening vor der Transfusion erfolgt sein, sind zwei Kontrollen, 5 Tage und 6–8 Wochen nach der letzten Transfusion, erforderlich. • Dokumentation von Blutabnahme (Etiketten im Geburtenbuch, im Gelben Heft und auf der Karte), Versand und Befundrücklauf der Ergebnisse! Verantwortlich ist der Einsender (Klinik, Kinderarzt). Im Rahmen der U2 ist die Dokumentation der Blutabnahme zu kontrollieren und bei Fehlen die Blutabnahme unverzüglich nachzuholen. • Bei Ablehnung des Screenings oder Tod des Neugeborenen vor einer Blutabnahme sollen leere Filterkarten mit entsprechenden Angaben zur Dokumentation an das Screening-Labor gesendet werden. ▶ Erfasst werden die in Tab. 14.1 dargestellten Erkrankungen. Tab. 14.1 • Durch das Neugeborenen-Screening erfasste Erkrankungen (alphabetisch).

352

Erkrankung

Häufigkeit

Konsequenz/Behandlung

Adrenogenitales Syndrom (AGS)

1:13 500

Hormonersatz

Ahornsirupkrankheit

1:150 000

Fastenperioden vermeiden eiweißarme Diät

Biotinidasemangel

1:23 000

Biotingabe

Carnitin-Acylcarnitin-Translocase (CACT)-Mangel

selten

Fastenperioden vermeiden, fettmodifizierte Diät

Carnitin-Palmitoyl-Transferase (CPT)-1-Mangel

selten

Fastenperioden vermeiden, fettmodifizierte Diät

Carnitin-Palmitoyl-Transferase (CPT)-2-Mangel

selten

Fastenperioden vermeiden, fettmodifizierte Diät

Galaktosämie

1: 70 000

galaktosearme Diät

Glutarazidämie Typ 1

1:130 000

Fastenperioden vermeiden, eiweißarme Diät, Carnitin

Hypothyreose

1:3 500

Substitution von L-Thyroxin

Isovalerianazidämie

1:90 000

Fastenperioden vermeiden, eiweißarme Diät, Carnitin, Glyzin

Long-Chain-3-OH-Acyl-CoADehydrogenase(LCHAD)-Mangel

selten

Fastenperioden vermeiden, fettmodifizierte Diät

Medium-Chain-Acyl-CoADehydrogenase(MCAD)-Mangel

1:10 000

Fastenperioden vermeiden

Mukoviszidose

1: 3 300

symptomatisch

Phenylketonurie (PKU) und Hyperphenylalaninämie (HPA)

jeweils 1:10 000

phenylalaninarme Diät, Tetrahydrobiopterin-Gabe

Tyrosinämie Typ 1

1:135 000

Nitisinon (= NTBC, Handelsname Orfadin) + tyrosinarme Diät

Very-Long-Chain-Acyl-CoADehydrogenase(VLCAD-)Mangel

1:80 000

Fastenperioden vermeiden, fettmodifizierte Diät

▶ Nicht erfasst werden: zentral bedingte Hypothyreose, Late-onset-Formen der Hypothyreose und des AGS sowie atypische Verläufe der intermittierenden Ahornsiru

Interpretation von Testergebnissen und Befundmitteilung ▶ Das Neugeborenen-Screening wird kontinuierlich wissenschaftlich begleitet und fortentwickelt, Grenzwerte werden also evtl. im weiteren Verlauf angepasst → Gültigkeit haben allein die Referenzbereiche des jeweiligen Screeninglaboratoriums. ▶ Cave: Ein unauffälliger Befund schließt das Vorliegen von seltenen Sonderformen ■ oder sich spät manifestierenden Varianten der gescreenten Erkrankung nicht aus. Entwickelt ein Kind klinische Symptome, ist das Neugeborenen-Screening als „gelöscht“ zu betrachten und eine gezielte Diagnostik einzuleiten. ▶ Die Ergebnismitteilung vom Labor erfolgt allein an den verantwortlichen Arzt bzw. dessen Vertretung; bei schriftlicher Einwilligung der Eltern kann diese auch an den weiterbehandelnden Kinderarzt gesendet werden. ▶ Der Befund enthält Empfehlungen für die zu ergreifenden Maßnahmen, entweder möglichst zeitnah eine Blutabnahme für das erforderliche Kontrollscreening bzw. – wenn erforderlich – die Vorstellung bei einem Stoffwechselspezialisten oder pädiatrischen Endokrinologen zu veranlassen. Namen und Telefonnummern der nächstgelegenen endokrinologischen oder metabolischen Zentren werden mitgeteilt. ▶ Über pathologische Befunde werden die Eltern umgehend vom verantwortlichen Arzt informiert, dabei werden sie ggf. auf die Notwendigkeit einer fachkompetenten Abklärung hingewiesen. Bei Indikation zu akuter therapeutischer Intervention ist die Einbindung von spezialisierten Zentren erforderlich. Entsprechende Telefonnummern werden dem primär verantwortlichen Arzt zur Verfügung gestellt. ▶ Bei Verdacht auf Mukoviszidose sollen die Eltern erst informiert werden, wenn möglichst zeitnah (am besten am folgenden Tag) ein Termin für einen Schweißtest vereinbart werden kann. Dies ist erst ab einem Alter von 14 Tagen und einen Gewicht > 3000 g möglich. Die Mitteilung über einen auffälligen Befund im CF-Screening sollte niemals freitags erfolgen. Nur 1 von 4–5 Kindern mit auffälligem CFScreening hat wirklich eine Mukoviszidose.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.2 Erstuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt

14.2 Erstuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt Lotz-Havla, Muntau, Röschinger

Grundlagen ▶ Beachte: Von zentraler Bedeutung ist es, an einen möglichen Stoffwechseldefekt zu ■

denken! ▶ Stoffwechselstörungen erscheinen häufig kompliziert und exotisch. Zur raschen und effizienten Abklärung der insgesamt keineswegs seltenen Störungen (ca. 1 von 500 Neugeborenen ist betroffen) bedarf es jedoch keiner detaillierten Kenntnisse der zahlreichen biochemischen Flussschemata. ▶ Mit wenigen einfachen Untersuchungen (Primärdiagnostik) lassen sich die wichtigen lebensbedrohlichen Krankheitsgruppen in der Neugeborenenperiode differenzieren, was gezielte Folgeuntersuchungen zur exakten Diagnosefindung erlaubt (Spezialdiagnostik). ▶ Da Neugeborene mit einer akuten Stoffwechselentgleisung unspezifische Symptome (s. u.) zeigen, die beispielsweise einer Sepsis, einer zentralnervösen Infektion/ Blutung oder einer kardialen Dekompensation ähneln, ist eine prompte Primärdiagnostik bei allen Neugeborenen, welche sich nach komplikationsloser Schwangerschaft und Geburt (typischerweise mit einer Latenz von Stunden bis Tagen) klinisch verschlechtern, obligatorisch. ▶ Eine rasche Diagnosestellung ist entscheidend, um rechtzeitig eine adäquate Therapie einleiten zu können, eine genetische Beratung der Eltern zu ermöglichen und evtl. eine künftige pränatale Diagnostik anzubieten. 353

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.2 Erstuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt

Verdachtsmomente ▶ Anamnestische Verdachtsmomente: • Blutsverwandtschaft der Eltern oder Großeltern. • Auffällige vorausgegangene Schwangerschaften (Abort, Totgeburt). • Ungeklärte Erkrankungen bzw. Todesfälle von Geschwistern (SIDS, „Infektion“) oder männlichen Individuen auf der mütterlichen Seite der Familie (X-chromosomale Defekte). • Spezielle Essgewohnheiten (vegane Ernährung der Mutter). ▶ „Morphologische“ Verdachtsmomente: • „Small/large for gestational age“. • Makro- oder Mikrozephalie. • Malformationen. • Katarakt, Nystagmus, okulogyre Krisen. • Ikterus. • Muskuläre Hypo- oder Hypertonie. • Auffälliger Urin- und Körpergeruch. • Fettverteilungsstörung. ▶ Klinische Verdachtsmomente: • Trinkschwäche, rezidivierendes Erbrechen, Diarrhö, Gedeihstörung. • Zeichen einer Myopathie/Kardiomyopathie. • Apnoen, Hyperventilation. • Temperaturregulationsstörung. • Hepatomegalie, Splenomegalie. • Tremor, Irritabilität, vermehrte Transpiration, zerebrale Krampfanfälle, Lethargie, Koma.

Primärdiagnostik ▶ Blut s. Tab. 14.2. Tab. 14.2 • Primäre Blutuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt. Parameter

u. a. hinweisend auf

Elektrolyte

Salzverlust bei adrenogenitalem Syndrom (K+ erhöht, Na+ erniedrigt)

Blutgase

metabolische Azidose, Hyperventilation u. a. bei Hyperammonämie

Anionenlücke: (Na + K) – (Cl + HCO3)

> 20 mmol/l bei Additionsazidose (z. B. organische Azidämie), Norm um 10 mmol/l

(Differenzial-)Blutbild

Panzytopenie, Neutropenie, Thrombozytopenie

Aminotransferasen, Cholestasezeichen, Gerinnung

Leberbeteiligung (Gerinnungsstörung als empfindliche erste Auffälligkeit bei Galaktosämie und Hypertyrosinämie I)

Glukose prä-, postprandial

Hypoglykämie (S. 102)

Kreatinkinase

muskuläre Beteiligung wie Rhabdomyolyse

Kreatinin

Erniedrigung: Kreatinsynthesestörung

Harnsäure

• Erhöhung: Laktatazidose, organische Azidämie, Glykogenose I • Erniedrigung: Sulfitoxidasemangel, Molybdän-Kofaktor-Defizienz

Ammoniak

Differenzialdiagnosen, s. Hyperammonämie (S. 356)

Laktat

Differenzialdiagnosen, s. Laktatazidose (S. 358)

▶ Cave: Leberfunktionsstörung mit Hepatomegalie, Gerinnungsstörung, Ikterus sowie ■ 354

Hy

▶ Urin s. Tab. 14.3. Tab. 14.3 • Primäre Urinuntersuchungen bei V. a. Stoffwechseldefekt. Parameter

Hinweisend u. a. auf

Farbe, Geruch

Maggi-Geruch bei Ahornsiruperkrankung, Schweißgeruch bei Isovalerianazidämie etc.

Glukose

Diabetes mellitus

Ketonkörper

ketotische/non-ketotische Hypoglykämie, Ahornsiruperkrankung

reduzierende Substanzen

bei negativer Glukosurie: Galaktosämie, Hypertyrosinämie I/II, Hyperurikosurie

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

Lotz-Havla, Muntau, Röschinger

Hyperammonämie (NH3 > 200 μmol/l, > 345 μg/dl) ▶ Norm: 1. Lebenswoche < 150 μmol/l (260 μg/dl), dann 25 –50 μmol/l (43 – 86 μg/dl). ▶ Spezialdiagnostik: • Artefakt ausschließen → Abnahme auf Eis, prompte Analyse, evtl. zentralvenöse/ arterielle Kontrolle. ▶ Beachte: Bei Bestätigung besteht ein Notfall! Stoffwechsellabor und Routinelabor ■ informieren! ▶ Wichtigste Differenzialdiagnosen: • Harnstoffzyklusdefekte (metabolische Alkalose). • Organische Azidurien (metabolische Azidose). • Störung im Transport und Abbau von Fettsäuren. ▶ Weitere Differenzialdiagnosen: • Transiente Hyperammonämie des Neugeborenen.

Ammoniak

Mitochondrium

Carbamoylphosphat-Synthetase

N-Acetylglutamat N-AcetylglutamatSynthetase Glutamat

Carbamoylphosphat Acetyl-CoA

Ornithin-CarbamoylphosphatTransferase

Citrullin

Ornithin

Cytoplasma Ornithin

Citrullin Harnstoff Argininosuccinat Synthetase Argininosuccinat Abb. 14.1 • Harnstoffzyklus.

Argininosuccinat Lyase

Arginase Arginin

355

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

356

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

• Pyruvatcarboxylase- und Pyruvatdehydrogenase-Defekt. • Reye-Syndrom. • Transportdefekte: – Lysinurische Proteinintoleranz. – HHH-Syndrom (Hyperammonämie, Hyperornithinämie, Homocitrullinurie). • Atmungskettendefekte. – Leberfunktionsstörung.

Notfalltherapie bei Hyperammonämie > 200 µmol/l (345 µg/dl) ▶ Beachte: ■

• Zuerst die Diagnostik, dann die prompte „blinde“ Therapie bei noch unklarer Diagnose! • Eine frühzeitige diagnostische Eingrenzung ist von großer Bedeutung. Die Ergebnisse der Blutanalysen sollen innerhalb weniger Stunden vorliegen. Probenversand per Taxi, falls notwendig. Notdienst des Stoffwechselzentrums frühzeitig anrufen! • Alle Berechnungen von einer 2. Person überprüfen lassen, da ein Rechen- oder Übertragungsfehler größte Risiken birgt! ▶ Exogene Proteinzufuhr stoppen (nicht länger als 24 Stunden oder bis Ammoniak < 100 μmol/l). ▶ Anabolisierung: • Glukosezufuhr steigern: Initial 10 mg/kgKG/min (Glukose 10 %: 6 ml/kgKG/h) i. v. Im Verlauf 10–20(–30) g/kgKG/Tag. Cave: Hyperglykämie vermeiden (Hyperosmolarität). • Insulin i. v. (Startdosis 0,05 IE/kgKG/h bis 1 IE/kg KG/h steigern). Cave: Blutzucker nach 30 min und dann stündlich kontrollieren. • Lipidzufuhr: Erst nach Ausschluss einer Oxidationsstörung langkettiger Fettsäuren (Acylcarnitine!). Initial 0,5–1 g/kg KG/Tag, dann langsam bis auf 3 g/kg KG/Tag steigern, Triglyzeride kontrollieren. ▶ Im Bypass Infusion mit: • L-Carnitin 50 mg/kg KG i. v. in 1 h, dann 100 mg/kg KG/Tag. Cave: Nicht solange eine Oxidationsstörung der langkettigen Fettsäuren nicht ausgeschlossen ist. • L-Arginin-HCl 1M 250 mg/kgKG (1,2 mmol/kgKG = 1,2 ml/kgKG) über 90–120 min, dann 250 mg/kgKG/Tag. Cave: nicht bei V. a. Arginase-Mangel. ▶ Frühzeitig mit einem Stoffwechselzentrum Kontakt aufnehmen bzgl. einer Detoxifikation • mit Natriumbenzoat (250 mg/kgKG i. v. über 90–120 min, dann 250–500 mg/kgKG/ Tag i. v.) und Natriumphenylacetat (250 mg/kgKG i. v. über 90–120 min, dann 250– 500 mg/kgKG/Tag i.v); • oder Natriumphenylbutyrat (250 mg/kgKG/Tag p. o. in 3 Einzeldosen; Bezug: Swedish Orphan International Tel . + 46 8 412 9 800). ▶ Cave: Elektrolyte kontrollieren. 250 mg Natriumbenzoat bzw. Natriumphenylbu■ tyrat enthalten 1,74 mmol bzw. 1,35 mmol Na+. • Glukose 10 % 30 ml/kg KG i. v. über 24 h (entspricht zusätzlich 2 mg/kg KG/min Glukose). ▶ Begleitend evtl.: • Ondansetron (Zofran) 0,15 mg/kg KG i. v. (Bolus) als Antiemetikum in den ersten 15 min. • Ggf. N-Carbamylglutamat 100 mg/kgKG p. o. als Bolus über eine Sonde, dann 25–62,5 mg/kg alle 6 h. • Hydoxycobalamin 1 mg i. m./i. v. • Biotin 10 mg p. o. ▶ Forcierte Diurese: Mind. 200 ml/kg KG/Tag Infusionsmenge sowie Furosemid 1 mg/kg KG/Tag. ▶ Langsamer Azidoseausgleich mit Natrium-Bikarbonat bei einem pH < 7,3. ▶ Evtl. Suppression der Darmflora mit Colistin, Neomycin oder Metronidazol p. o.

Hyperammonämie Organische Säuren (Urin)

Acylcarnitine (Vollblut/Plasma)

Aminosäuren (Plasma/Urin)

auffällig Organische Azidämien (z. B. Propion-, Methylmalon-, IsovalerianAzidämie)

Störungen im Transport und Abbau von Fettsäuren (z. B. (V)LCAD-, MCAD-, CPT 1/2-Mangel)

Citrullin Argininosuccinat-Synthetase: Mangel (AS; Citrullinämie )

Argininosuccinat ArgininosuccinatLyase-Mangel (AL; ArgininbernsteinsäureErkrankung)

OrnithinCarbamoylPhosphatTransferaseMangel (OCT)

typisch: Ketose Anionenlücke Glyzin-AlaninRatio

typisch: fehlende Ketose Dicarbonsäuren Hypoglykämie

typisch: Harnstoff Leberenzyme zusätzlich Orotsäure

unauffällig

Orotsäure

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

CarbamoylPhosphatSynthetaseMangel (CPS) N-AcetylglutamatSynthetaseMangel (NAGS)

typisch: Harnstoff Leberenzyme

Abb. 14.2 • Ursachenfindung bei Hyperammonämie anhand von drei Metabolitanalysen: Organische Säuren, Acylcarnitine, Aminosäuren.

▶ Kontrolle NH3 alle 3 Stunden. • Wenn NH3 nicht innerhalb von 3–6 h signifikant absinkt → cave Hirnödem! → Hämofiltration oder Hämodialyse mit größtmöglichen Kathetern durchführen. • Bei NH3 > 500 μmol/l (> 850 mg/dl) unverzüglich extrakorporale Detoxifikation einleiten, möglichst mittels Hämofiltration.

Notfalltherapie bei gesichertem Harnstoffzyklusdefekt ▶ Fortführen der Infusion (s. o.), aber ohne L-Carnitin: • L-Arginin HCl 1 M i. v.: 250 mg/kgKG/d (1,2 mmol/kgKG/Tag = 1,2 ml/kgKG/Tag). Feinregulierung in Stufen von 0,5 mmol/kg KG/Tag (1 Amp = 20 ml, 1 ml = 1 mmol, 1 mmol = 175 mg; 1 Btl. = 10 mmol = 1,74 g). Ziel 80 – 150 μmol/l. Ausnahme Arginase-Mangel. • Natriumbenzoat: 250–500 mg/kg KG/Tag i. v. • Natriumphenylacetat: 250–500 mg/kgKG/Tag i. v.; oder • Natriumphenylbutyrat: 250 mg/kgKG/Tag p. o. in 3 Einzeldosen. 357

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

• N-Carbamylglutamat: 25–62,5 mg/kg p. o. alle 6 Stunden erwägen bei V. a. CPSIoder NAGS- Defekt. • Ggf. Citrullin, entspr. der Plasma-Aminosäuren, initial 100 – 200 mg/kg KG/Tag. ▶ Monitoring bei Harnstoffzyklusdefekten und organischen Azidämien: Blutgase, Elektrolyte, Blutzucker usw., Ammoniak und Aminosäuren (quantitativ) im Plasma (cave Isoleucin, evtl. Substitution). Bei Harnstoffzyklusdefekten Orot- und Hippursäure i. Urin, Benzoat i. Plasma. Organische Azidämien: Organische Säuren i. Urin, Carnitin/Acylcarnitine i. Plasma.

Laktatazidose (Laktat > 3 mmol/l, > 27,3 mg/dl) ▶ Norm: 0,8 – 1,8 mmol/l. ▶ Spezialdiagnostik: • Artefakt ausschließen → ungestaute Blutentnahme. Röhrchen zur Laktatbestimmung als erstes abnehmen! • Mehrfache Nüchternabnahmen sowie postprandiale Kontrollen empfehlenswert. • Die Bestimmung im Urin ist komplementär aussagekräftig mit größerem „Fenster“. • Bei neurologischer Symptomatik ist die Bestimmung des Liquor-Laktats sinnvoll. • Alanin spiegelt die Konzentration von Pyruvat (und somit indirekt Laktat) wider, wird aber durch eine gestaute Blutentnahme nicht beeinflusst. • Bestimmung der Laktat-Pyruvat-Ratio häufig diagnostisch nicht zielführend. • Wichtiger sind neben typischen Metaboliten (Ketone, Aminosäuren, Laktatverlauf nach Glukosebelastung, Ammoniak, Harnsäure, Triglyzeride, organische Säuren, Acylcarnitine) charakteristische Auffälligkeiten des Skelettmuskels (CK, EMG) und/oder des ZNS (MRT). • Weitere Diagnostik in Absprache mit dem Stoffwechselzentrum. ▶ Differenzialdiagnosen: • Laktatkonzentration ↑ häufig sekundär auf dem Boden einer bekannten Störung mit vermehrt anaerobem Stoffwechsel und ↑ der NADH/NAD+-Ratio. • Sekundäre Laktatazidose: – Ischämie, Hypoxie, Anämie, Schock, Z. n. Reanimation, angeborenes Herzvitium, Leberversagen, Sepsis, zerebraler Krampfanfall, adrenogenitales Syndrom, Harnwegsinfekt, Thiamin-Mangel. ▶ Cave: Iatrogen durch eine überhöhte Glukosezufuhr ohne klare Indikation bei ■ Neugeborenen. • Primäre Laktatazidose: Zur anfänglichen Orientierung ergeben sich nach Ausschluss einer sekundären Laktatazidose, einer organischen Azidämie (organische Säuren im Urin) bzw. einer Störung im Transport und Abbau von Fettsäuren (Acylcarnitine im Vollblut) folgende wichtige Differenzialdiagnosen: – V. a. Pyruvatdehydrogenase(PDH)-Mangel: Muskuläre Hypotonie, Apnoe + keine Ketose + Normoglykämie + Laktat-Anstieg nach Glukose-Belastung. – V. a. Pyruvatcarboxylase(PC)-Mangel: Ketose, erhöhte Konzentrationen von Citrullin, Alanin, Lysin, Prolin, Ammoniak erhöht, 2-Oxoglutarsäure im Urin. – V. a. Atmungskettendefekte: Meist ≥ 3 Organsysteme beteiligt + Ketose + Normoglykämie + Laktat-Anstieg nach Glukose-Belastung. – V. a. Störungen der Glukoneogenese (oder Glykogenose Typ I): Hepatomegalie ± Ketose + Hypoglykämie + Laktat-Abfall nach Glukose-Belastung.

Notfalltherapie bei Laktatazidose ▶ Initial vorsichtige Glukosezufuhr von 6 mg/kg KG/min: • Mindestens halbstündliche Kontrollen von Laktat, BZ und Säure-Basen-Haushalt. • Laktatanstieg: Differenzialdiagnosen PDH- oder Atmungskettendefekte → Glukosezufuhr halbieren. • Laktatabfall: Differenzialdiagnosen organische Azidämie, Störung der Glukoneogenese oder Störungen im Transport und Abbau von Fettsäuren → Steigerung der 358

▶ ▶ ▶

▶ ▶ ▶ ▶



Glukosezufuhr bis 14 mg/kg KG/min, bei Bedarf höher. Bei Hyperglykämie evtl. Insulin i. v. Anabolisierung anstreben (100 kcal/kg KG/Tag). Pufferung mit Natrium-Bikarbonat. Therapieversuch ex juvantibus: Thiamin (0,1 – 1 g/Tag), Biotin (20 mg/Tag), Riboflavin (100 mg/Tag), Carnitin (100 mg/kg KG/Tag). Cave: nicht solange eine Störung im Transport und Abbau der langkettigen Fettsäuren nicht ausgeschlossen ist. Bei V. a. PDH-/Atmungskettendefekte: Proteinreiche, lipidreiche und kohlenhydratarme Diät. Bei nachgewiesenem PDH-Defekt Versuch einer ketogenen Diät. Vermeidung einer kurzfristigen Zufuhr großer Kalorienmengen. Je nach Störung, in Rücksprache mit dem Stoffwechselzentrum: • Ubiquinon, Coenzym Q10 (5 –15 mg/kg KG/Tag). • Menadion, Vit. K3 (1 – 1,5 mg/kg KG/Tag). • Succinat (6 g/Tag). • Ascorbinsäure (0,5 – 3 g/Tag). Folgende Medikamente meiden: Valproat, Barbiturate, (Tetrazykline, Chloramphenicol).

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

Störungen im Transport und Abbau von Fettsäuren ▶ Transport und Abbau von Fettsäuren siehe Abb. 14.3. ▶ Spezialdiagnostik: • Differenzierung der Acylcarnitine (Vollblut auf Filterpapier oder Plasma; Plasma innerhalb von 60 min vom Blutkuchen trennen). • Organische Säuren im Urin.

Notfalltherapie bei Störungen im Transport und Abbau von Fettsäuren ▶ Bei Hypoglykämie Glukose 20 % als Bolus i. v. 1 – 2 ml/kg KG, gefolgt von Glukose10 %-Dauerinfusion 7 – 10 mg/kg KG/min. Bei Normoglykämie ist kein Bolus erforderlich. ▶ Beachte: Nach Überwindung der akuten Krise (Hypoglykämie, ATP-, NADH-Mangel, ■ toxische Acylcarnitine) ist eine wirksame Prophylaxe entscheidend. ▶ Cave: Fastenperioden > 4 h bei Säuglingen bis 6 Monaten, bei älteren Kindern > 6 – 10 h, ■ Infektionen, Fieber, Resorptionsstörung bei Gastroenteritis, Narkosen etc. ▶ Umsetzung auf enterale Zufuhr mit häufigen, initial ca. 8 Mahlzeiten, keine nächtlichen Pausen. ▶ Kohlenhydratzufuhr und Proteinzufuhr steigern, Fettzufuhr senken. Keine Lipidinfusion.

Therapie nach Diagnosestellung ▶ L-Carnitingabe: • Mit Ausnahme des systemisch primären Carnitinmangels (CDSP; Carnitin-Transporter-Defekt) kontroverse Beurteilung von Wirksamkeit und möglicher Toxizität. • Nur bei schwerem sekundärem Mangel an freiem Carnitin (niedrige Dosierung mit 30 mg/kg KG/Tag, bei V. a. CDSP 100 mg/kgKG/Tag, bei MCAD-Mangel in der Regel nicht notwendig). ▶ Cave: Keine Gabe von L-Carnitin bei Oxidationsstörungen der langkettigen Fett■ säuren oder Störungen des Carnitin-Zyklus. L-Carnitingaben führen hier zu einer gesteigerten Synthese potenziell toxischer Acylcarnitine. ▶ Gabe mittelkettiger Fettsäuren: • Bei Oxidationsstörungen langkettiger Fettsäuren. Akut 3 g/kgKG/Tag. Langfristig 2 g/kgKG/Tag. (Bislang nur oral verfügbar.)

359

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

langkettige Fettsäure

Plasma

Carnitin-Transporter langkettige Fettsäure aktivierte Fettsäure (Acyl-CoA)

Cytoplasma

CPT 1 Acyl-Carnitin CACT

äußere mitochondriale Membran

Acyl-Carnitin

innere mitochondriale Membran

Mitochondrium CPT 2 (V)LCAD MCAD aktivierte Fettsäure SCAD (Acyl-CoA)

2-EnoylCoA

Hydratase

LCHAD SCHAD

Thiolasa Acetyl-CoA

3-HydroxyAcyl-CoA

3-Oxo-Acyl-CoA

Abb. 14.3 • Transport und Abbau von Fettsäuren. Abkürzungen: CPT 1: Carnitin-Palmitoyl-Transferase1 CACT: Carnitin-Acylcarnitin-Translocase CPT 2: Carnitin-Palmitoyl-Transferase 2 (V) LCAD: (Very-) Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase MCAD: Medium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase SCAD: Short-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase LCHAD: Long-Chain-3-Hydroxy-Acyl-CoA-Dehydrogenase SCHAD: Short-Chain-3-Hydroxy-Acyl-CoA-Dehydrogenase.

• Kontraindikation: Oxidationsstörungen mittel- und kurzkettiger Fettsäuren → vermehrtes Angebot von mittelkettigen Fettsäuren, welche nicht weiter abgebaut werden.

Zerebrale Krampfanfälle bei Stoffwechseldefekten ▶ Das Auftreten von neonatalen zerebralen Krampfanfällen, unklaren Bewusstseinsstörungen, Erbrechen und Hypotonie verlangt eine rasche Diagnostik vor Einleitung der Therapie. Nach diagnostischer Abklärung bezüglich Harnstoffzyklusdefekten, organischen Azidämien und Atmungskettendefekten (s. o.) sind weitere Untersuchungen indiziert, welche in Abstimmung mit dem jeweiligen Stoffwechsellabor erfolgen sollten. ▶ Differenzialdiagnosen: • Neurotransmitterstörungen: – Vit.-B6-abhängige Krämpfe. – Folsäure-abhängige Krämpfe. – Non-ketotische Hyperglyzinämie. • Serinbiosynthesestörung (Mangel an der 3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase) → Serin im Liquor und Plasma ↓. 360

• Defekt im zerebralen Glukosetransport (Glukose-Transporter-Protein-Syndrom/GLUT 1 Defekt): Glukose im Liquor ↓, Quotient Glukose im Liquor : Glukose im Plasma < 0,4. • Sulfitoxidasemangel, Molybdän-Kofaktor-Defizienz. • Peroxisomale Störungen, z. B. Zellweger-Syndrom. • Kreatin-Biosynthese-Störungen. • Congenital Disorders of Glycosylation (CDG)-Syndrome. • Lysosomale Störungen: Morbus Krabbe, Morbus Tay-Sachs, neuronale Ceroidlipofuszinose. • Purin-/Pyrimidinstoffwechseldefekte. ▶ Spezialdiagnostik: Neben der Basisdiagnostik inkl. wiederholter Ammoniak- und Laktatbestimmungen sowie der Standardbiochemie sollte je nach weiteren klinischen Symptomen folgende Spezialdiagnostik durchgeführt werden: • Nüchternabnahme eines Plasma/Liquor-Paares. Bestimmung von Aminosäuren (Glyzin, Glutamin, Serin u. a.), Glukose und Laktat im Plasma und Liquor. • Neurotransmitterstörungen: GABA, biogene Amine und Derivate im Liquor (Dopamin, Adrenalin, Serotonin u. a.). Hinweise zur Probenentnahme beachten! – Kontakt: Stoffwechsellabor Heidelberg, www.stoffwechsel.uni-hd.de. • Prolaktin im Serum (erhöht bei Dopamin-Mangel; physiologische Sekretionshemmung durch Dopamin). • Wiederholte Sulfittests im frischem Urin (Sulfitoxidasemangel/Molybdän-Kofaktor-Defizienz). • Überlangkettige Fettsäuren (VLCFA) im Serum (peroxisomale Störungen). • Kreatin-Metaboliten im Urin. • Transferrin-Elektrophorese (CDG-Syndrome). • Eiweiß im Liquor. • Purine und Pyrimidine im Urin.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.3 Spezialdiagnostik und Notfalltherapie

Notfalltherapie bei Krampfanfällen ▶ Generelles Vorgehen bei zerebralen Krampfanfällen (S. 110). ▶ Entsprechend den oben angegebenen Differenzialdiagnosen ergeben sich bei zerebralen Krampfanfällen, die auf einem Stoffwechseldefekt beruhen, nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten. ▶ Vitamin-B6-abhängige Krämpfe: Bei Beobachtung persistierender Krampfanfälle beim Neugeborenen oder Kleinkind ist vor Beginn einer dauerhaften antikonvulsiven Therapie die Gabe von Vitamin B6 (Pyridoxin) bzw. Pyridoxol-5-Phosphat indiziert. Dosierung (S. 114). ▶ Folsäure-abhängige Krämpfe: Folinsäure 5 mg/kg KG/Tag i. v., zeitlebens perorale Substitution. ▶ Non-ketotische Hyperglyzinämie: Keine eindeutig wirksame Therapie bekannt. Versuche u. a. mit Dextromethorphan, Benzoat, Folinsäure. ▶ Serinbiosynthesestörung: Serin 200–600 mg/kg KG/Tag p. o. ▶ Defekt im zerebralen Glukosetransport: Ketogene Diät. ▶ Sulfitoxidasemangel/Molybdän-Kofaktor-Defizienz: Substitution von cPMP bei Molybdän-Kofaktor-Defizienz Typ A. ▶ Peroxisomale Störungen (Zellweger-Syndrom): Keine wirksame Therapie bekannt. ▶ Kreatin-Biosynthese-Störungen: Substitution von Kreatin 400 mg/kg/Tag bei GAMTund AGAT-Mangel. Zudem Ornithinsubstitution bei GAMT-Mangel. ▶ CDG: Behandlung mit Mannose bei PMI-CDG-Ib, Behandlung mit Fruktose bei FUCT 1-CDG-IIc. ▶ Purin-/Pyrimidinstoffwechseldefekte: Therapie je nach zugrundeliegendem Defekt.

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Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.4 Probenentnahme/Asservierung bei Stoffwechselstörungen

14.4 Probenentnahme/Asservierung bei

Stoffwechselstörungen Lotz-Havla, Röschinger, Muntau ▶ Eine alphabetische Übersicht zur Probengewinnung und -asservierung aus Blut, Urin und Liquor sowie zur postmortalen Diagnostik gibt Tab. 14.4. Tab. 14.4 • Probenentnahme und -asservierung und postmortale Diagnostik bei Stoffwechselstörungen. Alphabetisch

Probenasservierung

Besonderheiten

Aminosäuren

0,5 ml, EDTARöhrchen

präprandiale Abnahme, mindestens 3 – 4 h Nüchternheit

Ammoniak

0,3 ml, EDTARöhrchen

Abnahme auf Eis, prompte Analyse, evtl. zentral venöse/arterielle Kontrolle

Biotinidase, Galactose-1phosphat-Uridyltransferase, Galaktose, Aminosäuren, freies Carnitin, Acylcarnitine, Succinylaceton (entsprechend dem Neugeborenen-Screening)

Trockenblutkarte 3 betropfte Felder

freies Carnitin, Acylcarnitine

0,1 ml, HeparinRöhrchen

Plasma innerhalb von 30–60 min trennen

Pterine Dihydropteridinreduktase (DHPR)-Aktivität

Trockenblutkarte 3 betropfte Felder

Abklärung: Atypische Phenylketonurie. Eine Analyse im Urin muss nicht mehr durchgeführt werden.

überlangkettige Fettsäuren

1 ml EDTA-Blut

Raumtemperatur, präprandial

DNPH-Test

2 ml Spontanurin ohne Zusätze

Nachweis von Oxobindungen

Glukose

1 ml Spontanurin ohne Zusätze

Glukostix

Ketonkörper

1 ml Spontanurin ohne Zusätze

Ketostix

Laktat-Kreatinin-Ratio

5 ml Spontanurin ohne Zusätze

Komplementäranalyse zu Laktat im Plasma

organische Säuren

5 – 10 ml Spontanurin ohne Zusätze

Morgenurinprobe oder Probe in der Krise, wenn möglich

Pterine (s. o.: Blut!)

5 – 10 ml Spontanurin ohne Zusätze

Lichtschutz, Tieffrieren (– 70 °C)/ Mangandioxidfixation

reduzierende Substanzen

1 ml Spontanurin ohne Zusätze

Clinitest: Glukose, Galaktose, Harnsäure, Medikamente. u. a.

Sulfit-Test

2 ml Spontanurin (noch warm!)

Mehrfachanalyse mit Teststäbchen auf Station!

Blut

Urin

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Tab. 14.4 • Fortsetzung Alphabetisch

Probenasservierung

Besonderheiten

Zuckerauftrennung

5 – 10 ml Spontanurin ohne Zusätze

Screening bei V. a. Oligosaccharidosen/ Mucopolysaccharidosen

Aminosäuren

0,5 ml

Abseren mit Sulfosalicylsäure oder prompte Analyse. Gleichzeitige Abnahme von Aminosäuren im Plasma! Mindestens 3 – 4 h Nüchternheit!

biogene Amine, Pterine, Folsäure

Einzelproben à 0,5 ml

Abnahme 8 – 10 Uhr, sofortiges Tieffrieren auf –70 °C. Vorgehen in Absprache mit Speziallabor

Liquor (unblutige Punktion!)

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.4 Probenentnahme/Asservierung bei Stoffwechselstörungen

postmortale Diagnostik (rechtzeitig vorbereiten!) sofortiges Tieffrieren auf –70 °C

Plasma

5 × 2 ml

EDTA-Blut

3 ml

Raumtemperatur, DNA-Präparation

Liquor

5 × 1 ml

sofortiges Tieffrieren auf –70 °C

Urin

5 × 5-ml-Proben

sofortiges Tieffrieren auf –70 °C

Fibroblasten

1 Probe (5 × 5 mm)

sterile Abnahme! MEM-Kulturmedium, kurzfristig auch NaCl 0,9 %. Bei Raumtemp. für Tage haltbar

Leberbiopsie

5 Proben (10 × 5 mm)

sterile Abnahme!

5 kryogeeignete Spezialröhrchen

Beschriftung, Schockfrieren direkt nach Entnahme

Muskelbiopsie

Formaldehyd

Lichtmikroskopie, Histologie

Glutaraldehyd

Elektronenmikroskopie

3 – 5 Proben (10 × 5 mm)

sterile Abnahme!

5 kryogeeignete Spezialröhrchen

Beschriftung, Schockfrieren direkt nach Entnahme

Formaldehyd

Lichtmikroskopie, Histologie

Glutaraldehyd

Elektronenmikroskopie

auf Kompresse mit NaCl 0,9 %

Immunhistochemie

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Endokrinologie und Stoffwechsel

14

364

14.5 Elektrolytstörungen

14.5 Elektrolytstörungen Schmidt

Hyponatriämie ▶ Definition: Serumnatrium < 135 mmol/l. ▶ Ursachen: • Natriumverlust, -mangel (Dehydratation): – Renal: Diuretika (initial), Tubulopathie, tubulärer Verlust durch Unreife der Nieren bei Frühgeburtlichkeit, renal tubuläre Azidose, AGS mit Salzverlust. Gastrointestinal: Enteritis, Diarrhö, Erbrechen, NEC. – Drainagen, Stomata. – Addison, NNR-Insuffizienz/-Blutung. – Iatrogen, Infusion mit zu wenig Na-Zufuhr. • „Verdünnung“ (Hydratation, Ödeme): – Renal: Niereninsuffizienz, Diuretika (spät; ohne Natrium keine Diurese). – Herzversagen, Herzinsuffizienz. – Medikamentös: Relaxation (Pancuronium), NSAR (Ibuprofen, Indometacin), u. a. – SIADH durch Stress, Schmerz, Sepsis, Pneumonie, Meningitis, Asphyxie, Hirnblutung, Hirndruck, Opiate. – Hypertone Hyponatriämie durch Hyperglykämie, Hyperlipidämie, Hyperproteinämie. – Iatrogen, zu hohe Flüssigkeitszufuhr, Überwässerung. ▶ Klinik: • Natriumverlust: Gewichtsverlust, Oligurie, reduzierter Turgor, Tachykardie, metabolische Azidose, Koma, zerebraler Krampfanfall, Harnstoff und Kalium erhöht. • Verdünnung: Gewichtszunahme mit Ödemen (evtl. SIADH ohne sichtbare Ödeme), Oligurie (außer bei zu hoher Zufuhr), Koma, zerebraler Krampfanfall, Harnstoff und Kalium erniedrigt. ▶ Therapie: • Gewichtsverlust: Natrium- (und Flüssigkeits-)Gabe, Vermeidung des Verlusts. • Gewichtszunahme: Wasserzufuhr einschränken, Natrium muss > 125 mmol/l liegen. • Berechnung der Natriumsubstitution: Zugeführt werden muss bisher zugeführte Menge + absolutes Defizit gegenüber dem Normalwert + fortlaufender Verlust. • Berechnung für Natriumzufuhr hochgerechnet auf 24 h Summe aus: – Grundbedarf: in den letzten 24 h zugeführte Menge Natrium in mmol. – Natriumdefizit: (Natrium-Soll – Natrium-Ist) × Verteilungsvolumen (0,3 – 0,5) × kgKG Beispiel: (135 – aktuelles Natrium) × 0,3 (– 0,5) × kg KG, davon ½ in 8 h (dann Kontrolle), ½ in den folgenden 16 h. Natriumverlust: Absinken des Natriums zwischen 2 Kontrollen in 24 h. (Natrium Zeit B – Natrium Zeit A) × Verteilungsvolumen (0,3 – 0,5) × kgKG hochgerechnet auf 24 h, davon ½ in 8 h (dann Kontrolle), ½ in den folgenden 16 h. – 1,2 ml/kgKG NaCl 3 % heben Natrium-Serumspiegel um 1 mmol/l. – Bei neurologischen Symptomen (Koma, zerebrale Krämpfe) relativ schnelles Anheben des Serumnatriums auf 125 mmol/l, Anstieg möglich um 5 mmol/l/h. – Wenn Serumnatriumspiegel > 125 mmol/l ohne zusätzliche neurologische Symptome, sollte Serumspiegel der Natriums nur um ca. 0,5 mmol/l/h gehoben werden. ▶ Cave: Gefahr der pontinen Myelinolyse (!) bei zu schnellem Ausgleich ■ (> 0,5 mmol/l/h).

Hypernatriämie ▶ Definition: Natrium > 145 mmol/l. ▶ Ursachen: • Wasserverlust: – Unsichtbarer Wasserverlust durch Perspiratio, Beatmung, unreife Haut bei sehr unreifen Frühgeborenen < 28. SSW. – Renaler Wasserverlust durch Glukosurie, auch ohne Hyperglykämie. – Gastrointestinal: Diarrhö, Erbrechen (Wasserverlust > Natriumverlust). – ADH-Mangel. Die Gesamtnatriummenge im Körper ist normal. • Erhöhte Zufuhr von Natrium, z. B. als Natriumbicarbonat, Infusionsfehler. • Diabetes insipidus: Vasopressin-Synthese ab 12. SSW, generiert aber in der fetalen Niere weniger cAMP als beim Erwachsenen, d. h., die fetale Niere braucht höhere Plasmaspiegel für osmotisches Equilibrium. Evtl. Therapie mit Minirin. Cave: Einschleichen. ▶ Klinik: • Bei Wasserverlust: Metabolische Azidose, Hypotension, Tachykardie, Oligurie, Gewichtsabnahme. • Bei erhöhter Zufuhr: Hypertonie, Tachykardie, Gewichtszunahme, Ödeme, Urinmenge und Urinkonzentration normal. ▶ Therapie: • Bei Wasserverlust: Erhöhung des intravasalen Volumens. • Bei erhöhter Zufuhr: Reduktion der Zufuhr. ▶ Cave: Gefahr des Hirnödems bei zu raschem Ausgleich mit hypoosmolarer Lösung ■ oder freiem Wasser (bei Abfall > 0,5 mmol/l/h).

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.5 Elektrolytstörungen

Hypokaliämie ▶ Definition: Serumkalium < 3,0 mmol/l. ▶ Ursachen: • Verminderte Kaliumzufuhr: Parenterale Ernährung, hohe Flüssigkeitsmengen, Infusions-/Berechnungsfehler. • Erhöhte Verluste: – medikamentös: Diuretika, anderweitig gesteigerte Diurese, Insulin. – gastrointestinal: NEC, Diarrhö, Erbrechen, Enterostoma. – renal: renal-tubuläre Azidose, Bartter-Syndrom. – endokrin: Thyreotoxikose, Hyperaldosteronismus. • Verschiebung aus dem Extrazellulärraum in den Intrazellulärraum: Nach Ausgleich einer metabolischen Azidose, Alkalose, Hyperinsulinämie. ▶ Klinik (relativ spät): Apathie bis hin zum Koma, Areflexie, muskuläre Schwäche, ventrikuläre Extrasystolen, paralytischer Ileus. ▶ Diagnostik: • EKG: erniedrigte T-Welle, evtl. zusätzliche U-Welle, VES!, Bigeminus. • Abschätzung des intra- und extrazellulären Kaliumgehaltes des Körpers (in Abhängigkeit vom Serumkalium und vom pH-Wert). ▶ Cave: Kaliumverlust (niedriger Kaliumgehalt des Körpers) kann bei metabolischer ■ Azidose maskiert sein → häufige Kontrolle des Kaliums bei Ausgleich einer metabolischen Azidose. ▶ Therapie: • Langsame Substitution! Maximale Zufuhr 0,5 mmol/kg KG/h. • Kalium-Konzentration nicht > 40 mmol/l (Gefahr von Herzrhythmusstörungen!). • Bei Hypokaliämie durch Diuretika kaliumsparende Diuretika einsetzen → Aldactone.

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Endokrinologie und Stoffwechsel

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14.5 Elektrolytstörungen

Hyperkaliämie ▶ Definition: Serumkalium > 7,0 mmol/l (Doppelbestimmung!) oder passende EKGSymptome bereits bei niedrigeren Werten. ▶ Ursachen: • Gesteigerte Zufuhr: Infusionsfehler. • Reduzierte Ausscheidung: – Niereninsuffizienz, renal tubuläre Azidose Typ IV (Hypoaldosteronismus). – Zu niedrige Flüssigkeitszufuhr (z. B. extreme Frühgeburt in den ersten Lebenstagen). – Kalorienmangel mit intrazellulärer Energieverarmung bei extremer Frühgeburt. – Hypoaldosteronismus (AGS), Pseudohypoaldosteronismus. – Obstruktive Uropathie. – Medikamentös: kaliumsparende Diuretika (Aldactone). – Schwere diabetische Stoffwechsellage. • Verschiebung in den Extrazellulärraum: – Azidose. – Katabole Stoffwechsellage. – Bei sehr unreifen Frühgeborenen möglich. • Hämolyse: – Zellzerfall, „gequetschte bzw. gestaute“ Blutabnahme. – Sepsis, Nekrotisierende Enterokolitis (NEC), Erythrozytenkonzentrat. ▶ Cave: Kombination Hyperkaliämie + Hypokalzämie + Hyponatriämie (+ Katecholami■ ne): Gefahr von schweren Herzrhythmusstörungen. ▶ Klinik: • EKG: Hohe zeltförmige T-Welle, verlängerte PQ-Zeit, Verlust der P-Welle, QRSVerbreiterung, AV-Block. • Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern, Asystolie. • Muskuläre Schwäche, Parästhesien, Ileus. ▶ Diagnostik: Elektrolytbestimmung (Na+, K+, Ca2 + ); bei Rhythmusstörungen EKG (soll Therapie aber nicht verzögern!). ▶ Therapie (nur unter EKG-Kontrolle): Immer ab K+ > 8,0 mmol/l, sonst bei Symptomen s. o. • 1. Ursache suchen: Zufuhr von Kalium stoppen, Kalium aus der Infusionslösung entfernen, Katecholaminzufuhr minimieren. „Pseudo“-Hyperkaliämie + Hypokalzämie bei Kontamination einer Blutspitze mit EDTA; beim seriellen Befüllen der Röhrchen EDTA-Heparinröhrchen als erstes füllen. • 2. Glukose-Insulin-Infusion: – 0,2 – 0,5 g/kgKG (= 2 – 5 ml der 10 %-Lösung) Glukose plus 0,1 – 0,3 IE Insulin/ kg KG über 15 – 30 min i. v. – Ggf. Wiederholung oder als Dauerinfusion mit 2 – 4 ml/kg KG/h. – Die Infusionsleitung muss mit ca. 50 ml des verwendeten Insulin-Glukose-Gemisches durchgespült werden (Infusionsleitungen binden Insulin). ▶ Cave: lange Infusionsleitung. ■ – Wirkung nach 1 h zu erwarten. • 3. Notfallbehandlung bei oder zur Vermeidung von Rhythmusstörungen: – Kalzium-Glukonat 10 %: 0,5 – 1 ml/kg KG über 2 – 4 min i. v. Bei Kalziumwerten < 2 mmol/l zusätzlich Defizit ausgleichen. Der erwünschte Kalziumwert liegt bei 3 mmol/l. Wirkung fast sofort, aber nur für wenige Minuten. – Salbutamol: 5 μg/kg KG als Kurzinfusion, ggf. inhalativ (1 – 2 Tropfen Sultanol in 2 ml NaCl 0,9 %). Faustregel: 5 μg/kg KG Salbutamol senken den Kaliumspiegel um ca. 1 mmol/l. Eine Wirkung ist nach 30 min zu erwarten. Wirkungsdauer: 2 h.

Rhythmusstörungen beobachtet. → Salbutamol i. v. bei Hyperkaliämie ist immer noch als experimentell einzustufen. – NaCl 0,9 %: 10 ml/kg KG in 10 – 15 min i. v. oder 2 ml/kg KG NaCl 5,85 % (= 2 mval/ kg KG). Vor allem bei Hyponatriämie rasche, aber nur vorübergehende Therapie einer Rhythmusstörung. Bei Niereninsuffizienz nicht wirksam. – Natriumbikarbonat 8,4 %: 1 – 2 mmol/kg KG 1:1 mit Aqua dest. über 10 – 15 min i. v. Faustregel: 1 mmol/kg KG senkt den Kaliumspiegel um 1 mmol/l. Bei Niereninsuffizienz nicht wirksam. Wirkung nach 30 min zu erwarten. • 4. Versuch der Kalium-Elimination: – Peritoneal-Dialyse, Hämofiltration, Blutaustauschtransfusion. – Diuretika: Furosemid 1 mg/kg KG i. v. ▶ Cave: Hyponatriämie! Ist bei Niereninsuffizienz nicht wirksam. ■ – Resonium-Einlauf wird nicht mehr angewendet, da wirkungslos und nebenwirkungsreich (Ileus). ▶ Merke: Bis auf Dialyse und Furosemid-Behandlung haben alle Maßnahmen ledig■ lich einen transienten Effekt. Das Gesamtkörperkalium wird nicht gesenkt, sondern nur umverteilt. Sie dienen der Notfallbehandlung.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.5 Elektrolytstörungen

▶ Cave: Es wurden in Einzelfällen unter Salbutamolinfusion K+-Anstiege mit ■

Hypokalzämie ▶ Definition: Serumkalzium < 1,8 mmol/l (7,2 mg/dl). Ionisiertes Kalzium (Ca2+) < 1,0 mmol/l (4 mg/dl). ▶ Grundlagen: • Der Normbereich für das Gesamtkalzium (Ca) liegt bei Neugeborenen bei 1,8 – 2,65 mmol/l. Dieses setzt sich aus 3 Fraktionen zusammen: – ionisiertes Kalzium (Ca2+): einzige biologisch aktive Form, ca. 50 %. – An Proteine (v. a. Albumin) gebundenes Kalzium, ca. 40 %. – Kalziumkomplexe mit Anionen (v. a. Phosphat, Zitrat, Sulfat), ca. 10 %. • Der Kalzium-Stoffwechsel zeigt prä- und postnatal einige Besonderheiten, die noch nicht in allen Einzelheiten verstanden werden: – Intrauterin führt der aktive Kalzium-Transport von der Mutter zum Fetus zu einer leichten Hyperkalzämie und damit zu einer Suppression des Parathormons (PTH) und zu einer Erhöhung des Kalzitonins, was den Kalziumeinbau in den Knochen bahnt. – Postnatal fällt das Kalzium nach der Durchtrennung der Nabelschnur innerhalb von 1 – 2 Tagen auf ein Minimum ab. Dies führt zu einer Stimulierung der Nebenschilddrüsen mit vermehrter Sekretion von PTH und damit zu einer Normalisierung des Kalziums innerhalb 1 Woche. – Das Serumphosphat von Neugeborenen ist als Folge der noch geringen glomerulären Filtrationsrate höher als im späteren Kindesalter (1,6 – 2,6 mmol/l) und begünstigt somit durch Bindung von Kalzium eine Hypokalzämie. • Eine neonatale Hypokalzämie findet sich bei 3 – 5 % aller Neugeborenen. ▶ Ursachen: • Frühe Hypokalzämie (innerhalb der ersten 48 h; die häufigere und meist symptomlose Form): – Schock-Syndrom, Atemnotsyndrom, schwere Sepsis: vermehrter extrazellulärer Anfall von Phosphat. – Frühgeburtlichkeit, untergewichtige Neugeborene (SGA), transitorischer Pseudohypoparathyreoidismus (d. h. vorübergehende relative Endorganresistenz auf PTH). – Diabetische Mutter: Verminderte PTH-Sekretion bei Hypomagnesiämie, erhöhtes Kalzitonin und höherer Kalziumbedarf aufgrund des größeren Skeletts der makrosomen Kinder.

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Endokrinologie und Stoffwechsel

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14.5 Elektrolytstörungen

• Späte Hypokalzämie (zwischen 4.– 21. Lebenstag; die viel seltenere und meist symptomatische Form): – Mütterliche Ursachen: Mütterlicher Hyperparathyreoidismus, Vit.-D-Mangel, antikonvulsive Therapie mit Phenytoin oder Phenobarbital, Drogenkonsum. – Kindliche Ursachen: Hohes Phosphatangebot, angeborene Malabsorption von Magnesium, Kalzium oder Vit. D, primärer Hypoparathyreoidismus (z. B. bei Di-George-Syndrom / Mikrodeletion 22q11), Hypothyreose. – Sonstige Ursachen: Alkalose (metabolisch oder respiratorisch / Überbeatmung), Bikarbonatinfusion, Komplexbildner wie Zitrat (z. B. bei Austauschtransfusion) vermindern nur das ionisierte Kalzium bei normalem Gesamtkalzium, Diuretika, Theophyllin, Koffein (Hyperkalziurie), Glukokortikoide, Fettinfusion, freie Fettsäuren, Leberinsuffizienz (verminderte 25-OH-Vit.-D-Bildung), Niereninsuffizienz (verminderte 1,25-[OH]2-Vit.-D-Bildung). ▶ Klinik: • Hyperexzitabilität, Irritabilität, Hyperreflexie, Tremor, Krämpfe, Magen-DarmBlutungen, rezidivierendes Erbrechen, Herzrhythmusstörungen, Bradykardie, Tachypnoe, Apnoen, Laryngospasmus, Tetanie (selten). ▶ Beachte: Die klinischen Zeichen korrelieren, vor allem bei Frühgeborenen, nicht ■ mit den Kalziumwerten, d. h., eine schwere Hypokalzämie kann völlig asymptomatisch sein! ▶ Diagnostik: • Basisdiagnostik: Kalzium, Phosphat, Magnesium, ionisiertes Kalzium (Ca2 + ), z. B. mittels ionensensitiver Elektrode eines Blutgasgerätes. Blutgasanalyse, Blutzucker. • Erweiterte Diagnostik nach anamnestischem oder klinischem Verdacht: VitaminD-Metaboliten, PTH, Kalzitonin. • EKG: QT-Zeit Verlängerung. ▶ Therapie: • Leichte Form: Kalzium-Glukonat 10 % 2 ml/kg KG p. o. alle 8 h (1,5 mmol/kgKG/Tag) oder 1 – 2 ml/kgKG über 15 – 30 min i. v. • Schwere Form: – Kalzium-Glukonat 10 %: 1 – 2 ml/kg KG langsam i. v. (max. 1 ml/min) unter EKG-Kontrolle. – Bei fehlendem Ansprechen an Magnesiummangel denken (s. u.)! ▶ Cave: Kalzium-Glukonat 10 %: ■ – Nekrosen bei paravasaler Gabe, Lebernekrose bei Gabe über Nabelvene, Vasospasmen. – Schwerste Arrhythmien und AV-Überleitungsstörungen bis zum totalen AVBlock bei allen Kindern möglich, aber besonders gefährdet sind Kinder unter Digitalistherapie. • Hypomagnesiämie (reife NG < 1,2 mg/dl = 0,48 mmol/l, FG < 0,6 – 0,7 mmol/l): – Magnesium Verla 10 % ≙ Magnesium-bis(hydrogen-L-glutamat). 1 ml/kg KG = 0,32 mmol/kg KG Magnesium langsam i. v. – Tagesbedarf 0,1 – 0,5 mmol/kg KG/Tag (ca. 2,4 – 12 mg/kg KG/Tag). – Nebenwirkung: Neuromuskuläre Blockade mit Hypotonie, zentrale Atemdepression. ▶ Prävention: Bei Frühgeborenen Zusatz von 5 ml/kg KG/Tag Kalziumglukonat 10 % in die Infusion (1,25 mmol/kgKG/Tag), s. Ernährung (S. 193).

Hyperkalzämie ▶ Definition: Serumkalzium > 2,65 mmol/l (10,6 mg/dl). ▶ Grundlagen: Die neonatale Hyperkalzämie ist ein viel seltenerer Befund als die Hypokalzämie, sie wird meist nur zufällig entdeckt („Routine-Blutentnahme“). Pathophysiologisch handelt sich meist um eine vermehrte Mobilisation aus dem Kno368









chen. Die Nieren und der Gastrointestinaltrakt tragen nur sehr selten zu einer Hyperkalzämie bei. Ursachen: • Mütterliche Ursachen: Mütterliche Hypokalzämie, mütterlicher Hypoparathyreoidismus → führt bei Neugeborenen zu einem transienten Hyperparathyreoidismus. • Kindliche Ursachen: – Phosphatmangel, v. a. bei Frühgeborenen; s. auch Kap. Supplementierungen (S. 188). – Vit.-D-Intoxikation pränatal über die Nabelschnur oder postnatal über den Darm. – Hyperthyreose, thyreotoxische Krise. – Familiäre benigne hypokalziurische Hyperkalzämie (FBHH): Mutation des Kalziumrezeptors mit verminderter Kalzium-Ausscheidung über die Niere. – Neonataler schwerer Hyperparathyreoidismus. – Idiopathische infantile Hyperkalzämie: Leichte Form (Typ Lightwood), schwere Form (Typ Fanconi-Schlesinger, oft bei Williams-Beuren-Syndrom). – Subkutane Fettnekrose / Sklerödem nach Geburtskomplikationen. – Niereninsuffizienz. – Nebenniereninsuffizienz. – Kongenitale Hypophosphatasie: Aktivitätsminderung der alkalischen Phosphatase. – „Blue diaper syndrome“: Störung des intestinalen Tryptophantransports. – Tumor-Hyperkalzämie. Klinik: Meist unspezifisch oder nur gering ausgeprägt, abhängig vom Ausmaß der Hyperkalzämie. Trinkschwäche, Erbrechen, Muskelhypotonie, Herzrhythmusstörungen, Bradykardie, Gewichtsabnahme, Polyurie, Nephrokalzinose, Obstipation. Diagnostik: • Kalzium, Phosphat, alkalische Phosphatase und Parathormon im Serum. • Kalzium/Kreatinin im Spontan-(Morgen-)Urin; normal < 0,8 g/g Kreatinin (2,2 mmol/ mmol Kreatinin). • Sonografie der Nieren: Nephrokalzinose ausschließen! • EKG: QT-Zeit-Verkürzung. Therapie: • Zufuhr von Kalzium stoppen, Ernährung mit einer kalziumarmen Milch, z. B. Milupa Basic-CaD (nur 4 mg/100 ml). Bei rein parenteraler Ernährung kalziumfreie Infusion. • Vermehrte Flüssigkeitszufuhr mit NaCl 0,9 % 10 – 20 ml/kg KG in 15 – 30 min. • Diurese: Furosemid 1 mg/kg KG/Gabe (cave: Hypokaliämie). • Stopp der Vitamin-D-Prophylaxe. • Phosphatmangel (< 1,25 mmol/l): Je nach Schweregrad Substitution mit 0,25 – 0,5 mmol/kg KG Natrium-2-Glycero-Phosphat i. v. über 4 – 8 h, danach Erhaltungsbedarf 1 – 2 mmol/kg KG/Tag i. v./p. o. • In seltenen Fällen Glukokortikoide: Eine kurzfristige Gabe hemmt Osteoklasten und die intestinale Kalziumresorption. • Bei subkutaner Fettnekrose ggf. Prednison 1 – 2 mg/kg KG/Tag. • Tumorentfernung bei Tumorhyperkalzämie. • Nebenschilddrüsenresektion bei schwerem neonatalem Hyperparathyreoidismus. • Ggf. Austauschtransfusion.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.5 Elektrolytstörungen

369

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

370

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse Raile, Acknowledgement O. Blankenstein

Maternale Schilddrüsenerkrankungen ▶ Eine Schilddrüsenerkrankung der Mutter und ggf. auch die aktuelle Therapie müssen bei Geburt bekannt sein, um eine verzögerte Diagnosestellung bzw. Schäden für das Neugeborene zu vermeiden. • Erkrankung (Thyreoidektomie) bzw. Medikamenteneinnahme (Jod, Thyroxin, Thyreostatika) erfragen. • Ggf. Hausarzt bzw. niedergelassenen Gynäkologen kontaktieren. ▶ Hyperthyreose der Mutter • Meist Morbus Basedow mit Autoantikörpern: TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK) > 95 %, thyreoidale Peroxidase-Antikörper (TPO-Ak) zu 80 % positiv. • Jodkontamination. • Sehr selten im Anfangsstadium einer Autoimmunthyreoiditis Hashimoto („Hashitoxikose“). • Folgen für das Kind: – Da die Schilddrüsenhormone kaum, aber (IgG-)Antikörper und Thyreostatika gut plazentagängig sind, kann postnatal eine Hypo-, Eu- oder Hyperthyreose beim Kind auftreten, u. U. gefolgt von der entgegengesetzten Stoffwechselsituation (z. B. erst Hypo-, dann Hyperthyreose oder umgekehrt). – TRAK liegen z. T. gleichzeitig als stimulierende und blockierende Antikörper (Ak) mit unterschiedlicher Halbwertszeit vor. Der Antikörper-Assay misst nur die Summe aller Ak! • Diagnostik: – Nabelschnurblut: Autoantikörper (möglichst den/die bei der Mutter bekannten), TSH, fT3 und fT4. – Nach 10 Tagen und zur U3: TSH, fT3, fT4. – Wiederholte Ak-Bestimmungen sind nicht sinnvoll, sondern nur teuer! – Sonografie der Schilddrüse. • Therapie beim Kind: Je nach Symptomen, nicht nur nach Laborwerten alleine entscheiden. – Mittel der Wahl: Carbimazol oder Methimazol beim Kind und bei Müttern ab 2. Trimenon. – Das bis vor kurzem während der Schwangerschaft und Stillzeit empfohlene Propylthiouracil reichert sich im fetalen Blut an und sollte wegen der Gefahr schwerster Nebenwirkungen (Leberversagen) nur noch im 1. Trimenon der Schwangerschaft eingesetzt werden. – Therapieziel ist, das fT4 im oberen Drittel des Schwangerschaft- und Lebensalter-spezifischen Normalbereichs zu halten. ▶ Hypothyreose der Mutter • Meist durch Jodmangel, zu niedriger Hormonsubstitution nach Strumektomie oder Bestrahlung, seltener durch eine (unerkannte) Autoimmunthyreoiditis. • Folgen für das Kind: – Hypothyreose und/oder Struma, falls keine oder keine adäquate Therapie der Mutter durchgeführt wurde. – Auch eine latente, klinisch nicht manifeste Hypothyreose gefährdet die Intelligenzentwicklung des Ungeborenen (Abhängigkeit von mütterlichem SD-Hormon bis 12. SSW). • Diagnostik: – Autoimmune Genese: s. o. Hyperthyreose der Mutter. – Sonst bei erhöhten TSH des NG-Screenings fT3 und T4 kontrollieren. • Therapie beim Kind: Therapie bei TSH > 20 und niedrigem fT4 (Cave: unterschiedliche Referenzbereiche bei FG). Eine antikörpervermittelte Hypothyreose beim

Kind kann bis zu 6 Monate bestehen bleiben, v. a. wenn der Morbus Basedow vor der 33. SSW aufgetreten ist. • Prophylaxe: Jodid 200 μg/Tag für alle Schwangeren und Stillenden.

Hyperthyreose des Neugeborenen ▶ Tritt bei ca. 1 von 25 000 Geburten auf. ▶ Ursachen: • Überwiegend bei mütterlicher Hyperthyreose vom Typ Basedow, jedoch nur 2 – 3 % der Kinder dieser Mütter entwickeln eine Thyreotoxikose. Vermutlich abhängig von der Höhe der mütterlichen TRAK (Anamnese, Labor, Medikamente der Mutter erfragen). • Andere Autoimmunerkrankungen der mütterlichen Schilddrüse (z. B. Hashimoto-Thyreoiditis). • Selten aktivierende TSH-Rezeptor-Mutation. • Sehr selten McCune-Albright-Syndrom: Café-au-lait-Flecken, Ostitis fibrosa, Ovarialzysten, später Pubertas praecox. • Jeder NG-Hyperthyreose geht eine fetale Hyperthyreose voraus. ▶ Klinik: • Induktion einer Frühgeburt, SGA, Totgeburt bei fetaler Thyreotoxikose. • Irritabilität, Zittrigkeit und Tachykardie. • Lungenödem, Dyspnoe, Akrozyanose, Extrasystolen, Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz. • Hypermetabolismus, Gewichtsverlust, Fieber, Erythrodermie, Schwitzen und Exsikkose. • Gedeihstörungen trotz Hyperphagie. • Durchfall und Ikterus. • Hepatosplenomegalie und Lymphadenopathie. • Thrombozytopenie, Petechien und Blutungen. • Beschleunigte Skelettreifung, Kraniosynostosen und Mikrozephalie, Balkonstirn. • Struma, teils bis Stridor und Exophthalmus. ▶ Cave: ■ – Verzögertes Auftreten der Symptome (2. bis 5. Lebenstag) ist möglich (mütterl. Thyreostatika?). Bei Hinweisen oder erhöhtem TSH-Labor nach 5–7 Tagen wiederholen. – Letalität 15 – 25 %. • Bei autoimmuner Genese Verlauf fast immer selbstlimitierend. ▶ Diagnostik: • TSH, fT3, fT4, Jodurie, TSH-Rezeptor-Ak (TRAK), thyreoidale Peroxidase-Autoantikörper (TPO-Ak), Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-Ak/TAK). • Sonografie des distalen Femur, Kopfumfangskurve. • Hämatokrit, Thrombozyten, Blutgase und Elektrolyte. ▶ Beachte: Therapie in Abhängigkeit vom Schweregrad; stets strenge Überwachung ■ (Gefahr des kardialen Versagens). ▶ Therapie: • Sympathikolyse: Propranolol 1 – 2 mg/kg KG/Tag p. o. in 3 ED. ▶ Cave: Bei lebensbedrohlichem Zustand Propranolol 0,1 mg/kg KG i. v. über ■ 10 min, ggf. wiederholen und Fortsetzung p. o. • Thyreostase: Methimazol initial 1 mg/kg KG/Tag p. o. in 3 ED, nach 10 Tagen ED halbieren; Carbimazol 1 mg/kg KG/Tag p. o. in 3 ED. Propylthiouracil (PTU) (5–10 mg/kg KG in 3 ED) sollte wegen ungünstigem NW-Profil nur noch in begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden. • In extremen Fällen: Kaliumjodid (KJ), z. B. Lugol-Lösung (KJ 10 % in Wasser): 1 Tropfen 3 × tgl. Das Jodid blockt wesentlich schneller als andere Thyreostatika, jedoch tritt ein Escape-Mechanismus nach Wochen auf. Deshalb parallel Thyre-

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse

371

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse

ostatika geben. Falls kein Erfolg nach 1 – 2 Tagen, Dosiserhöhung auf 2 Tropfen 3 × tgl. • Die Dosierung kann bei Autoimmun-Genese nach wenigen Wochen reduziert und meist bis zum 4. Lebensmonat abgesetzt werden. Einstellung nach fT4-Spiegel (Ziel: oberes Drittel des altersspezifischen Referenzbereiches). ▶ Cave: Akute Thyreotoxische Krise (Klinik und Hormonstatus kontrollieren). ■ • Unterstützende Maßnahmen: – Digitalis, Diuretika (bei Herzinsuffizienz), O2-Therapie, Beatmung und Antibiotika (Infektion?). – Hydrokortison bei Stress: 25 mg/m2 KOF/Tag i. v. (oder i. m.). – Physikalische Temperatursenkung (notfalls gekühlte Infusion sowie Magenspülungen). • Thyroxin-Substitution: – wenn die Hyperthyreose unter Kontrolle ist (Klinik und Hormonstatus). – Dosierung s. Hypothyreose des Neugeborenen (S. 373). – Thyreostatika nach mehreren Wochen ausschleichen. ▶ Nachkontrollen: • TSH, fT4 und fT3 wöchentlich bis ca. zur 10. Lebenswoche bzw. bis Werte ohne Therapie normalisiert sind. ▶ Cave: TSH-Rezeptor-Ak (TRAK; maternal, transplazentar) können sowohl stimu■ lierend (Hyper-) als auch inhibierend (Hypothyreose) wirken → Übergänge zwischen Hyper- und Hypothyreose sind möglich. Risiko für spätere SchilddrüsenErkrankung (Rezidiv) ist erhöht (10 – 20 %).

Hypothyreose des Neugeborenen/Euthyreote Struma ▶ www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-017l_S2k_Primaere_Angeborene_ Hypothyreose_2011-02.pdf ▶ Häufigkeit 1:4 000, 85 % sporadisch, 15 % erblich. Mädchen:Jungen = 4:1. Beachte: Nahezu alle Hypothyreosen werden in Deutschland im Neonatalscreening erfasst und in den ersten Lebenswochen mit L-Thyroxin behandelt! ▶ Ursachen: • Primär: – Athyreose, Hypoplasie oder Ektopie der Schilddrüse (80 % der Fälle). – Defekte der Schilddrüsenhormonsynthese (familiäre Formen, 10 – 20 %). – Mütterliche Schilddrüsenerkrankung (Hyper-/Hypothyreose, Autoimmunthyreoiditis), Trisomie 21. • Sekundär/tertiär: Hypophyse/Hypothalamus; immer an begleitende Insuffizienzen der anderen Hypophysen-/Hypothalamusachsen denken, da isolierte Störungen sehr selten sind (ca. 1:100 000 Geburten!). Cave: Sekundäre Hypothyreosen werden nicht im Screening erfasst. • Jodexzess: Mutter und/oder Kind (cave: jodhaltige Desinfektionsmittel und Kontrastmittel, vor allem bei Frühgeborenen). • Schwerer intrauteriner Jodmangel. ▶ Klinik Hypothyreose: • Verzögertes Knochenalter, weite posteriore „kleine“ Fontanelle (Sutura sagittalis weit offen). • Bradykardie, niedriger Blutdruck, Obstipation und Hypothermie. • Kühle Extremitäten, trockene Haut, Myxödeme, Makroglossie, Nabelhernie, eingesunkene Nasenwurzel. • Hyperbilirubinämie. • Sehr ruhiges („braves“) Kind, muskuläre Hypotonie, Trinkschwäche, schreit schwach, Heiserkeit. • Bei manchen Schilddrüsenhormonstörungen kann eine Struma vorhanden sein, sonst meist „nackte Trachea“. • Manchmal ist das Geburtsgewicht > 3 500 g. 372

ten. Beim geringsten Verdacht: Diagnostik und ggf. sofort behandeln (neurologischer Schaden!). „Vergessenes NG-Screening“ – im Zweifelsfall erneute Kontrolle. ▶ Praktisches Vorgehen: • Bei klin. Verdacht sofort Diagnostik aus Serum veranlassen. • Interpretation des Screeningergebnisses: – TSH-Werte hängen vom Abnahmetag ab (am 1. Lebenstag Anstieg bis auf 80 μU/ml, danach langsamer Abfall innerhalb der 1. Lebenswoche auf Erwachsenenwerte). – TSH-Wert im Vollblut (Screeningkarte) × 2 = TSH-Wert im Plasma/Serum (bei einem Hämatokrit von 50 %). – Referenzbereiche für SD-Hormone schwanken stark in den ersten 4 Lebenswochen, daher unbedingt differenzierte Referenzbereiche verwenden. – Bei Frühgeburtlichkeit und/oder einer Behandlung mit Dopamin oder Kortison kann 1. TSH-Screening noch normal niedrig sein → Kontrolle nach 2 Wochen bei FG < 30 SSW und schwer kranken Kindern. • TSH < 20 µU/ml am 3. Lebenstag: Keine Substitution, keine Kontrolle. • TSH > 20 μU/ml am 3. Lebenstag: – Venöse Blutentnahme: fT4, fT3, TSH, Thyreoglobulin (TG), evtl. Schilddrüsen-Ak (Anamnese der Mutter). – Bei V. a. Jodkontamination den 1. Spontanurin auf Jodausscheidung untersuchen. – Verzögertes Knochenalter → Sonografie des Kniegelenkes: Wenn distale Femur- und proximale Tibiaepiphyse nach der Geburt nicht darstellbar sind, Hinweis auf Hypothyreose. Alternativ Röntgen des linken Knies a.–p. – Sonografie der Schilddrüse. • Sekundäre und tertiäre Hypothyreose werden durch das Screening in Deutschland nicht erfasst (nur bei fT4-Messung erfassbar). Die Folgen für das Kind bezüglich der Intelligenz sind ähnlich. Diagnosesicherung über den TRH-Test. • Auslassversuch zur Sicherung der Diagnose im Alter von 2 Jahren nur nötig, falls: – sonografischer Nachweis einer Schilddrüse in loco typico. – deutlich messbares fT4 und Thyreoglobulin (TG) bei Diagnosestellung (= Restsynthese). – V. a. Biosynthesestörung (stattdessen auch molekulargenetische Untersuchung möglich). – im Verlauf der ersten 2 Jahre keine Dosissteigerung (wegen erhöhtem TSH) erfolgt ist. ▶ Differenzialdiagnosen (Tab. 14.5): • Transiente Hypothyroxinämie des Frühgeborenen (fT4 und fT3 vermindert, TSH < 20 μU/ml). Derzeit gibt es keine gesicherten Daten, die für eine „Substitution“ von T4 bei Frühgeborenen sprechen (FG haben physiologisch niedrige SDHormon-Spiegel). • Schwer kranke Früh- und Neugeborene: „Low-T3-Syndrom“ – scheinbare Hypothyreose bei schweren Erkrankungen (fT4 und fT3 vermindert, TSH < 20 μU/ml), rT 3 erhöht, keine Therapieindikation. • Kongenitaler Thyreoglobulin-Mangel (1:5 000 – 1:10 000). T4 vermindert, fT4 normal, TSH < 20 μU/ml. Normvariante, keine Therapie nötig! • Late-Onset-Hypothyreose: fT4 und fT3 normal oder vermindert, TSH erhöht oder normal und erst nach Wochen ansteigend → vor allem bei Trisomie 21: Kontrolle des Screenings nach 2 und 4 Monaten, danach jährlich. Bei FG < 30 Gestationswochen muss das NG-Screening auf Hypothyreose nach 10–14 Tagen wiederholt werden; s. NG-Screening (S. 351). • Transiente Hypothyreose des Neugeborenen: 1:100, z. B. bei Jodkontamination, Jodmangel, Autoimmunthyreoiditis mit blockierenden Antikörpern oder thyreostatischer Therapie der Mutter. T4 und T3 normal bis vermindert, TSH erhöht.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse

▶ Cave: Klinische Symptome entwickeln sich meist erst in den ersten Lebensmona■

373

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

374

14.6 Erkrankungen der Schilddrüse Tab. 14.5 • TSH und Schilddrüsenhormone bei verschiedenen Erkrankungen/Zuständen. TSH

T4

fT4

T3

fT3

primäre Hypothyreose

↑↑









sekundäre Hypothyreose

n oder ↓









Hypothyroxinämie des FG/ „non-thyroidal illness“

n



n oder ↓



↓ (rT3 ↑)

transiente Hypothyreose

↑ bis ↑↑

n oder ↓

n oder ↓

n oder ↓

n oder ↓

Late-Onset-Hypothyreose

n bis ↑

n bis ↓

n bis ↓

n bis ↓

n bis ↓

Thyreoglobulinmangel

n



n



n

▶ Therapie (verschieden bei Hypothyreose und euthyreoter Struma): • Hypothyreose: – L-Thyroxin: 12 – 15 μg/kg KG/Tag (reife Neugeborene 50 μg/Tag) bzw. 10 μg/kg KG/Tag bei Frühgeborenen in jeweils 1 ED morgens. Aufgrund von Resorptionsstörungen sollte keine Sojanahrung gefüttert und Eisen nicht gleichzeitig mit Thyroxin gegeben werden. – Seit 2005 gibt es L-Thyroxin auch in flüssiger Form: Lixin flüssig 1 Tr. = 5 μg. – Bei Verdacht bis zur Klärung immer sofort behandeln. – Behandlungsindikation ist nicht das hohe TSH, sondern das erniedrigte, altersspezifische T4 oder fT4 (TSH kann z. B. bei Jodexposition bis > 80 μU/l ansteigen, ohne dass fT4 abfällt). – Vorsicht bei untergewichtigen Neu- oder Frühgeborenen (10 μg/kg KG/Tag), da auch zu hohe T4-Dosen die neurologische Entwicklung gefährden können. – Kontrollen im 1. Monat jede Woche, dann bis zum 2. Geburtstag alle 3 Monate, sowie 2 Wochen nach jeder Änderung der Dosis. – Blutentnahme immer morgens vor Medikamenteneinnahme. – Dosisanpassung so gestalten, dass TSH spätestens nach 21 Tagen < 10 μU/ml; später soll T4 und/oder fT4 im oberen Normbereich für das jeweilige Alter und das TSH im unteren Normbereich (0,5 – 2,0 μU/ml) liegen. – Symptome der Überdosierung: Siehe Hyperthyreose (S. 371). • Euthyreote Struma: Kaliumjodid 50 – 100 μg/Tag über mindestens 4 Wochen → TSH fällt in den Normbereich ab. ▶ Beachte: Eltern von der vital notwendigen Bedeutung und Unschädlichkeit der ■ Therapie überzeugen (Substitution mit einem körpereigenen Hormon statt Zufuhr eines körperfremden Medikaments), da oft nur diskrete klinische Symptome vorliegen und diese für einen Laien nur wenig beeindruckend sind. Gleichzeitig den Eltern mitteilen, dass ihr Kind sonst ganz gesund ist und es mit der Therapie auch bleibt (positive Verstärkung). Früher Therapiebeginn (< 1 Woche) ist eindeutig mit einer besseren mentalen Entwicklung assoziiert. ▶ Ca. 10 % der Patienten mit einer konnatalen Hypothyreose haben trotz frühzeitiger Substitution eine beeinträchtigte neurologische Entwicklung. Ursache scheint ein genetischer Defekt zu sein. Deshalb immer nach Begleitfehlbildungen wie Herzfehler, Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder ZNS-Malformationen suchen. Mitbetreuung durch pädiatrischen Endokrinologen wird empfohlen. • Internet: www.paediatrische-endokrinologie.de

14.7 Störung der Geschlechtsentwicklung Raile, Bechtold-Dalla Pozza

Vorbemerkung ▶ Störungen der Geschlechtsentwicklung können dazu führen, dass einem Neugeborenen nicht eindeutig ein Geschlecht zugewiesen werden kann; dies stellt einen endokrinologischen Notfall dar und verunsichert alle Beteiligten in ihrer eigenen klar definierten Geschlechtsidentität. ▶ Eine rasche und sichere Diagnostik und Einschätzung der Befunde ist unverzichtbare Voraussetzung für die Beratung der Eltern über das Geschlecht ihres Kindes und darüber, wie es damit aufwachsen soll. ▶ Andererseits soll der verständliche und drängende Wunsch nach einer eindeutigen Geschlechtszuweisung des Kindes nicht zu einer überstürzten Therapie führen, insbesondere nicht zu einer schnellen chirurgischen Intervention. ▶ Die Geschlechtszuordnung soll auf Grundlage der Diagnostik, unter Einbeziehung der Experten mit einem multidisziplinären Team und nach offener Darlegung und mit Beteiligung der Eltern erfolgen. ▶ Seit 1. November 2013 gilt gem. § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) : „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“ ▶ Unter den möglichen Diagnosen liegt bei den meisten Kindern mit 46,XX DSD („Disorder of Sex Development“) ein adrenogenitales Syndrom vor; bei nur 50 % der Kinder mit 46,XY ist eine definitive Diagnose möglich; ⅓ der Neugeborenen mit DSD hat eine assoziierte Fehlbildung.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.7 Störung der Geschlechtsentwicklung

Geschlechtsdifferenzierung ▶ Während der Embryonalentwicklung werden verschiedene Phasen der Geschlechtsdifferenzierung durchlaufen. Aus der anfänglich bipotenten Anlage entwickeln sich die geschlechtsspezifische Keimdrüse und das jeweilige äußere Genitale. Dabei unterscheidet man: • Genetisches Geschlecht (46,XX oder 46,XY; bzw. pathologische Chromosomensätze). • Gonadales Geschlecht, d. h. die Entwicklung der bipotenten Gonade zu Hoden oder Ovarien. • Somatisches Geschlecht (Entwicklung des äußeren Genitale). ▶ Steuerung der Geschlechtsdifferenzierung: Eine entscheidende Rolle spielt das Anti-Müller-Hormon (AMH), das in den Sertoli-Zellen des Hodens gebildet wird. Es führt bei genetisch männlichen Individuen zur Rückbildung der Müller-Strukturen (Uterus, Tuben, Ovarien und oberes Drittel der Vagina). Bleibt die Bildung des AMH aus, entwickelt sich phänotypisch ein weibliches Genitale, unabhängig vom genetischen Geschlecht. ▶ Eine Störung der Geschlechtsentwicklung besteht in folgenden Fällen: • Offensichtlich uneindeutiges Genitale. • Virilisierung eines genetisch weiblichen Individuums (46,XX DSD) (z. B. vergrößerte Klitoris > 0,9 cm, Fusion der großen Labien, inguinale oder labiale Resistenzen, Abb. 14.4a). • Unzureichende Maskulinisierung eines genetisch männlichen Individuums (46, XY DSD, z. B. bilateraler Hodenhochstand, Mikropenis < 2,5 cm gestreckt, isolierte perineale Hypospadie oder milde Hypospadie mit Hodenhochstand, Abb. 14.4b ). • Diskordanz zwischen Genitalbefund und pränatalem Karyotyp. • Kloakale Fehlbildung. • Gonadendysgenesie mit Entwicklung von Ovotestes DSD oder testikuläres DSD (z. B. SRY +).

375

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.7 Störung der Geschlechtsentwicklung

a

1

2

3

4

5

normal

b

1

2

3

4

5

Abb. 14.4 • a Stufen 1 – 5 der Virilisierung des weiblichen Genitales durch intrauterine Androgenwirkung (nach Prader); b Klassifikation der Phänotypen des 46,XY DSD (nach Sinnecker).

• Bei der Virilisierung eines Mädchens bzw. nicht ausreichender Maskulinisierung eines Jungen können entweder völlig unauffällig erscheinende „männliche“ oder „weibliche“ Genitalien oder alle Übergangsstufen dazwischen, ohne klare Geschlechtszuordnung, vorliegen (Abb. 14.4).

Diagnostik ▶ Anamnese: Familienanamnese (Indexpatienten, d. h. Patienten in der Familie, die anscheinend dieselbe Erkrankung haben? Konsanguinität?), Schwangerschaftsanamnese (Hormoneinnahme, Virilisierung der Mutter?). ▶ Körperliche Untersuchung: • Zusätzliche Fehlbildungen (Syndrom)? • Isolierte schwere Hypospadie oder Klitorishypertrophie? • Sind Gonaden in der Leiste/Skrotum tastbar, so handelt es sich häufiger um Hoden, d. h. u. U. um ein genetisch männliches Individuum (Gonadendysgenesie = ovotestikuläre Störung der Geschlechtsentwicklung). • Kann aus der Vagina Sekret ausgedrückt werden, so muss ein Uterus vorhanden sein (Müller-Strukturen). 376

▶ Apparative Untersuchungen: • Sonografie des inneren Genitales, der Nieren und ableitenden Harnwege und der Nebenniere: – Ist ein Uterus / Vagina darstellbar? – Fehlbildungen der Nieren / Harnwege? – Sind die Nebennieren vergrößert? ▶ Tipp: Da die absolute Größenbestimmung der Nebennieren schwierig ist, bes■ ser die relative Länge zur Niere bestimmen. Das normale Größenverhältnis Nebenniere:Niere beträgt bei Geburt 1:3,5. • Genitografie/-skopie: Sind Müller-Strukturen darstellbar? • Ggf. Vaginoskopie oder Zystoskopie in Narkose. ▶ Laboruntersuchungen: • Blutzucker, Na, K. • Chromosomenanalyse, Schnelltest auf X-/Y-Chromosomen mittels FISH ist innerhalb von Tagen möglich, Bestimmung von SRY (FISH). • 17-Hydroxy-Progesteron, Kortisol, LH, FSH, Östradiol, Testosteron, Dihydrotestosteron, Androstendion. • Optional sind Inhibin B und AMH als Marker der Sertolizellfunktion. ▶ Weitere Diagnostik nur nach Bewertung der bisherigen Befunde, da sehr zeit- und kostenaufwendig; Rücksprache mit pädiatrischen Endokrinologen! ▶ Bestätigungsdiagnostik bei XY, X0/XY DSD und Suche nach funktionierendem Hodengewebe, wie: ACTH-Test (Biosynthesedefekte der Androgene); βHCG-Test (am besten nach der 4. Lebenswoche durchzuführen: z. B. 3 Tage je 1500 IE, Blutentnahme 24 h nach der letzten βHCG-Gabe). ▶ Spezifische Diagnostik: Gaschromatografie/Tandem-MS (Urinsteroidanalyse), DNAAnalyse auf spezifische Gene der Geschlechtsdifferenzierung; Urin und Serum für spätere Analysen asservieren; Gonadenbiopsie. ▶ Beachte: Die Eltern sollten mit der Namensgebung bis zur Festlegung des endgülti■ gen Geschlechts zurückhaltend sein. Das Kind sollte interdisziplinär (pädiatrische Endokrinologen, Psychologen, ggf. Kinderchirurgen) ambulant an einem spezialisierten Zentrum betreut werden.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.7 Störung der Geschlechtsentwicklung

Differenzialdiagnostisches Vorgehen ▶ Abb. 14.5 zeigt das differenzialdiagnostische Vorgehen bei Störung der Geschlechtsentwicklung. ▶ Bei Mädchen Differenzierung nach SRY positiv (46,XX testikuläre DSD und 46,XX ovotestikuläre DSD) und nach SRY negativ (17-OH-P und Testo hoch: Enzymdefekt NN; und 17-OHP und Testo niedrig: zusätzlich zu erwähnen wäre MRKH und 46,XX testikuläre/ovotestikuläre DSD mit SOX9 oder RSPO1-Mutation), s. Flussschema 1b (Störungen der Geschlechtsentwicklung) der AWMF-Leitlinien-Register Nr. 027/022.

377

Endokrinologie und Stoffwechsel

14

14.8 Adrenogenitales Syndrom (AGS)

Sonografie

kein Uterus

Uterus vorhanden

genetisches Geschlecht weiblich

genetisches Geschlecht männlich

17-Hydroxy-Progesteron

Hoden vorhanden

erhöht Adrenogenitales Syndrom (AGS)

genetisches Geschlecht männlich

normal Androgen : – transplazentare Androgene (Medikamente, Tumoren) – plazentarer Aromatase-Mangel

Gonadendysgenesie (echter Hermaphroditismus und Pseudohermaphroditismus)

Androgensynthese/ -wirkung : – Leydigzellhypoplasie – Testosteronbiosynthesedefekte – Androgenresistenz – 5α-ReduktaseMangel

Abb. 14.5 • Differenzialdiagnostisches Vorgehen bei Störung der Geschlechtsentwicklung.

14.8 Adrenogenitales Syndrom (AGS) Raile, Bechtold-Dalla Pozza

Klinik und Diagnostik ▶ Kombinierte angeborene autosomal rezessive Störung der adrenalen Steroidbiosynthese und der Geschlechtsdifferenzierung. Man unterscheidet klassische und nicht klassische Formen. ▶ Bei Mädchen Virilisierung (ähnelt „Hypospadie mit Kryptorchismus“). Bei Jungen starke Pigmentierung von Skrotum und Mamillen, kleiner Hoden. ▶ Neugeborenen-Screening mit Bestimmung von 17-Hydroxy-Progesteron im Vollblut am 3. Lebenstag, bei dringendem Verdacht früher und Na+- und K+-Kontrollen. ▶ Ein AGS mit Salzverlustsyndrom beginnt meist in der 2. Lebenswoche mit Erbrechen, Exsikkose, arterieller Hypotonie. Cave: evtl. klinisches Bild einer Sepsis. ▶ Laborbefunde: Bei Salzverlust Hyponatriämie (< 130 mmol/l), Hyperkaliämie (> 6,5 mmol/l), Hypoglykämie (< 40 mg/dl), metabolische Azidose (Blutgasanalyse), Plasmareninaktivität/Renin erhöht, bei allen 17-OH-Progesteron erhöht, deutliche Erhöhung adrenaler Androgene; im Urin u. a. Pregnantriol und Pregnantriolon massiv.

Pathogenese ▶ Kortisolbildungsstörung durch Enzymdefekt → erhöhte Androgene → Virilisierung. ▶ 95 % aller Patienten haben einen Defekt der 21-Hydroxylase, davon 75 % einen Salzverlust durch Aldosteronmangel.

378

Therapie ▶ Notfalltherapie bei Salzverlustkrise: • Volumenexpansion: – Infusion einer Mischung aus NaCl 0,9 % und Glukose 10 % im Verhältnis 1:1. – Dosierung: 20 ml/kg KG über 30 min, danach 150 – 200 ml/kg KG über 24 h (je nach Bilanz, Elektrolyten, BZ). • Steroide: – Initial 25 mg Hydrokortison i. v. als Bolus. Alternative (falls Hydrokortison nicht verfügbar): Prednisolon 10 mg i. v. – Danach 100 – 125 mg/m2 KOF Hydrokortison über 24 h i. v., dann pro Tag Reduktion um 25 %, bis Erhaltungsdosis erreicht ist. Täglich Elektrolytkontrolle. – Wenn wieder orale Ernährung möglich ist, 60 – 80 mg/m2 KOF/Tag Hydrokortison in 2 – 3 ED p. o. Ein Mineralokortikoidersatz i. v. ist nicht nötig, hohe Dosen von Hydrokortison haben ausreichende Mineralokortikoidwirkung. ▶ Dauertherapie bei AGS mit Salzverlust: • Steroide: – Hydrokortison oral 10 –15 mg/m2KOF in 3 ED. Initial 3 × 1 mg Hydrokortison p. o. – Zusätzlich Mineralokortikoid: Fludrokortison (Astonin H, Fludrokortison) 0,05 – 0,2 (– 0,3 bei Sgl.) mg/Tag. Dosisfindung durch Endokrinologen! Beginnend mit 2–3 × 0,05 mg. • Muttermilch ist sehr natriumarm! Natriumgaben entbehrlich durch höhere Astonin-H-Gabe initial. K- und Blutdruckkontrollen erforderlich. • Lebenslange Therapie notwendig. Notfallausweis! • Bei Stress, Operationen, Infektionen etc. Steigerung der Hydrokortisondosis auf das 4-Fache: – < 3 Jahre: 25 mg einmalig i. v., dann 25 – 30 mg/Tag. – 3 – 12 Jahre: 50 mg einmalig i. v., dann 50 – 60 mg/Tag. – > 12 Jahre: 100 mg einmalig i. v., dann 100 mg/Tag. – Bei anhaltendem Erbrechen i. v. Gabe (s. o., muss in der Regel stationär überwacht werden). – Mineralokortikoiddosis belassen, falls orale Gabe möglich ist. ▶ Eine pränatale Prävention der Virilisierung bei betroffenen Mädchen über die Gabe von Dexamethason an die Mutter ist möglich, aber noch experimentell. Akute ZNSKomplikationen sowie die Langzeitnebenwirkungen auf die neuronale Entwicklung des Fetus sind noch unklar.

14 Endokrinologie und Stoffwechsel

14.8 Adrenogenitales Syndrom (AGS)

379

Neurologie

15

Neurologie

15

Neurologie

15.1 Entwicklungsneurologische/sozialpädiatrische

Nachsorge Hilgendorff, Roos

Vorbemerkungen ▶ Die moderne Perinatalmedizin hat auch die Überlebenschancen sehr unreifer Frühgeborener verbessert. Die u. U. wochenlange Therapie und Pflege von Frühgeborenen auf der Intensivstation bedeutet jedoch – neben dem Risiko pulmonaler und anderer Langzeitkomplikationen – eine ständige Gefährdung der neurologischen Entwicklung dieser Kinder. Hierfür gibt es eine Reihe prä- und postnataler Risikofaktoren (s. u.), die es zu minimieren gilt. ▶ Die (intensiv)medizinische Behandlung stellt einen erheblichen Einschnitt in die Kompetenz der Eltern dar, die wesentliche Anteile der Betreuung ihres Kindes abgeben müssen. Die frühzeitige Einbindung der Eltern in die Pflege stärkt ihre Kompetenz zur frühen Interaktion mit ihrem Kind und sensibilisiert sie für die Bedürfnisse ihres Kindes. Dies begünstigt erheblich und nachweisbar die neurologische Entwicklung und die soziale Prognose des Frühgeborenen. Für Frühgeborene aus einem sozial schwachen Umfeld ist die Prognose beeinträchtigt. Die Stabilisierung der psychosozialen Situation durch die Stärkung der VaterMutter-Kind-Bindung und das Angebot von Hilfen für die Familie (psychologische Unterstützung, Familienhilfen etc.) stehen somit an vorderer Stelle im Betreuungskonzept der neonatologischen Intensivstationen und der Nachsorgeprogramme. ▶ Die entwicklungsneurologische und psychologische Nachsorge muss bereits während der Intensivtherapie vorbereitet und begonnen werden. Es ist daher sinnvoll, Entwicklungsneurologen und Psychologen, die die Nachsorge des Kindes und der Familie später übernehmen sollen, schon während der intensivtherapeutischen Phase in die Betreuung zu integrieren. Eine begleitende Unterstützung durch Entwicklungspädagogen bzw. -psychologen, mit Schwerpunkt familientherapeutischer Aspekte ist wichtig. ▶ Hilfreich nach der Entlassung des Kindes ist die pflegerische Nachsorge durch Kinderkrankenpflegekräfte, die das Kind und die Familie aus der Intensivphase kennen und in der Bewältigung insbesondere der medizinischen und terminlichen Herausforderungen in den ersten Monaten nach der Entlassung zur Seite stehen. ▶ Die Krankenkassen unterstützen nach einem Anerkennungsverfahren sozialmedizinische Nachsorgemaßnahmen gemäß § 132 c SGBV u. a. bei bestimmten ICD-10GM-Diagnosen. Die Einzelheiten zur Rahmenvereinbarung zur sozialmedizinischen Nachsorge sind auf der Informationsseite des Spitzenverbandes zu finden (http:// www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/rehabilitation/sozialmedizinische_nachsorge/sozialmedizinische_nachsorge.jsp). Voraussetzung sind relevante Funktionsdiagnosen, die einen nachstationären Versorgungsbedarf begründen. ▶ Strukturierte Nachsorgeprogramme (z. B. „Hauner´sche Nachsorge“, Harlekin-Frühchen-Nachsorge, Bunter Kreis) auch für Frühgeborene, die nicht unter § 132 c SGBV fallen, sind heute zu fordern, da oft erst nach der Entlassung neurologische Auffälligkeiten oder psychosoziale Probleme auftreten, die nicht über die o. g. Diagnosen erfasst werden, aber ebenso entwicklungsgefährdend sein können.

380

Aufgaben der Entwicklungsneurologie und sozialmedizinischen Nachsorge ▶ Die entwicklungsneurologische Untersuchung sollte in ein interdisziplinäres Nachsorgekonzept integriert sein. Die Nachsorge dient der • Früherkennung von Entwicklungsstörungen: Dokumentation nach evaluierten Methoden. • Kontrolle der klinischen Entwicklung einschließlich Gewicht, Länge und Kopfumfang. Ggf. Auswertung der Heimmonitorüberwachung. • Einleitung/Begleitung von therapeutischen Maßnahmen. • Fortführung der Beratung/Therapie bei pflegerischen Problemen. Beratung zur Ernährung. • psychologischen Beratung der Eltern. Wo möglich Hausbesuche, diese eröffnen völlig neue Einblicke in die Familienstruktur, die die Entwicklung des Kindes beeinflussen kann. • sozialrechtlichen Beratung und Hilfestellung bei notwendigen Anträgen. • Koordination mit anderen Spezialsprechstunden oder der konsiliarischen Integration in die Nachsorgesprechstunde (Pulmonologie, Kardiologie, Audiologie, Ophthalmologie, Orthopädie).

15 Neurologie

15.1 Entwicklungsneurologische/sozialpädiatrische Nachsorge

Entwicklungsneurologische Untersuchung ▶ Indikationen bei Neu- und Frühgeborenen: • < 1500 g Geburtsgewicht (GBA-Beschluss in der Fassung vom 1. Januar 2018). • < 33 vollendete SSW. • Untergewichtige Kinder mit einem Geburtsgewicht < 3. Perzentile. • Protrahierte Hypoxämie, Hypotension und Azidose. • Postnatale Reanimation. • Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie. • Gesicherte konnatale TORCH-Infektion. • Schwere postnatale Sepsis/Meningitis. • Hypoglykämie (< 30 mg/dl) mit klinischer Symptomatik und/oder nach dem 1. Lebenstag. • Hyperbilirubinämie > 300 mmol/L ( 25 mg/dl) (hier auch das Hörscreening, s. u., wiederholen). • Hämatokrit postnatal > 70 %. • Postnatale neurologische Auffälligkeiten, zerebrale Krampfanfälle nach dem 1. Lebenstag. • Leukomalazie, intrakranielle Blutung Grad III – IV bzw. DEGUM III. • Hydrozephalus oder zerebrale Fehlbildungen. • Genetische Auffälligkeiten, syndromale Erkrankungen. • Rezidivierende und gehäuft stimulationsbedürftige Apnoen/Bradykardien. • Kinder drogenabhängiger Mütter. ▶ Erweiterte Indikation zur Nachuntersuchung: • Erkrankungen mit potenzieller Vererbbarkeit oder unklarer Verzögerung der psychomotorischen Entwicklung von Geschwisterkindern • „Late preterm infants“ (32–36 SSW) sollten entwicklungsneurologisch und klinisch (perzentilengerechtes Wachstum) regelmäßig untersucht werden, da die Probleme in diesem Patientenkollektiv meistens unterschätzt werden und das gesamte für die kleinen Frühgeborenen bekannte Spektrum umfassen können.

381

Neurologie

15

15.1 Entwicklungsneurologische/sozialpädiatrische Nachsorge

Termine der entwicklungsneurologischen Nachuntersuchungen ▶ Im korrigierten Alter (vom errechneten Termin aus gerechnetes Alter des Kindes) von: • (6 Wochen), 3 Monaten, 6 Monaten, (9 Monaten), 12 Monaten, (18 Monaten). • 4 – 5 Jahren (einschließlich der Entwicklungspsychologie). • Schulalter: Intelligenztestung. ▶ Laut GBA-Beschluss (Gemeinsamer Bundesausschuss zur Änderung der „Vereinbarung über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Neugeborenen“) muss eine entwicklungsdiagnostische Nachuntersuchung bei allen FG < 1500 g im korrigierten Alter von 24 Monaten erfolgen (z. B. mit den Bayley Scales of Infant Development). ▶ Bei physiologischer/suspekter/pathologischer Entwicklung werden die Abstände der entwicklungsneurologischen Untersuchungen entsprechend angepasst.

Therapiekonzept zur Entwicklungsförderung ▶ Die therapeutischen Maßnahmen müssen gut an den Förderbedarf des jeweiligen Kindes angepasst und die familiären Kapazitäten und Wünsche berücksichtigt werden. Sie sollen nicht zu einer Überlastung des Kindes oder der Familie führen. ▶ Das Behandlungskonzept dient der Förderung größtmöglicher Selbstständigkeit sowie der Unterstützung bei der sozialen Integration und Partizipation. Hierbei ist die kontinuierliche Anleitung der Eltern zu entwicklungsfördernden Maßnahmen im Alltag entscheidend. ▶ Nach der Entlassung aus der neonatologischen Behandlung umfassen die notwendigen therapeutischen Maßnahmen zunächst in erster Linie eine physiotherapeutische Behandlung. Mögliche Indikationen sind Haltungsinstabilität, Regulationsstörungen des Muskeltonus, Haltungs- und Bewegungsasymmetrien oder eine sich abzeichnende Entwicklungsverzögerung. ▶ Ziele der Physiotherapie sind die Anregung motorischer Lernprozesse sowie die Mobilisierung und Kräftigung der Muskulatur. Sie trägt bei zur Vermeidung/Linderung von sekundären Schäden (Kontrakturen des Muskel- und Bindegewebes, Gelenkfehlstellung oder Hüftluxation, skoliotische Fehlhaltung der Wirbelsäule). Die Beratung zur Versorgung mit Hilfsmitteln kann hierbei immer wieder ein zentraler Teil der Therapie sein. ▶ Zur Entwicklungsförderung im Alltag, aber auch für die sinnvolle Koordination eines langfristigen Förderkonzeptes sollte eine Anbindung an die zuständige interdisziplinäre Frühförderstelle erfolgen. Meist ist hier besonders während der ersten Lebensmonate eine mobile Betreuung mit Hausbesuch möglich. Frühförderstellen mit besonderem Förderschwerpunkt (Sehen und/oder Hören) sollten spezifisch für Kinder mit entsprechenden Problemen gewählt werden. ▶ Probleme beim Trinken und Essen sollten bereits früh in einem ärztlich-therapeutischen Team behandelt werden, das sowohl die orofazialen Aspekte der sensomotorischen Entwicklung berücksichtigt als auch die psychologischen Aspekte in der Regulationsfähigkeit, Interaktion und Gestaltung der Esssituation. Bei speziellen Fragestellungen wie der Empfehlung geeigneter Ausgangsstellungen zum Essen sollen die behandelnden Physiotherapeuten hinzugezogen werden. Ärztlicherseits sollte eine kompetente Beratung hinsichtlich des altersphysiologischen Nahrungsangebots erfolgen. Frühkindliche Fütterstörungen stellen eine große Belastung der Familie dar. Ihre Behandlung und die Beratung zur adäquaten Ernährung in den ersten Lebensjahren sind ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge. ▶ Eine ergotherapeutische Behandlung zur Förderung kognitiver Leistungen und zur Bewältigung altersentsprechender Aufgaben im Alltag (hierzu gehört auch die Förderung der Spielsituation und der Aufmerksamkeitsregulation) oder eine Sprechoder Sprachtherapie bei Sprachentwicklungsverzögerungen können im oder nach dem ersten Lebensjahr begonnen werden. 382

▶ Ziele, Erfolge, aber auch veränderte Anforderungen an das therapeutische Konzept sollten im Behandlungsteam engmaschig reflektiert, thematisiert und an alle behandelnden Personen kommuniziert werden. Hierzu gehört ebenso die Beratung zu einem an die Bedürfnisse der Familie angepassten Betreuungssystem für das Kind (Kindertageseinrichtung mit oder ohne Förderkonzept, Entscheidung über Schulfähigkeit und Beratung zum Zeitpunkt der Einschulung oder Eingliederung in eine Betreuungseinrichtung).

15 Neurologie

15.2 Hirnblutungen

15.2 Hirnblutungen Roll

Grundlagen ▶ Risiko: Bei Frühgeborenen nimmt das Risiko für eine Hirnblutung sowie deren Schweregrad mit der Unreife zu. • 23 SSW Risiko 45 %. • 25 SSW Risiko 30 %. • 27 SSW Risiko 20 %. • Die statistischen Angaben variieren z. T. erheblich zwischen Zentren. ▶ Manifestation: Bei Frühgeborenen manifestieren sich ca. 50 % der Blutungen am 1. Lebenstag, 25 % am 2. und 15 % am 3. Lebenstag. ▶ Blutungsquellen: • Frühgeborene haben subependymal im Bereich des kaudothalamischen Übergangs, in der Region des Foramen Monroi und um den IV. Ventrikel eine reich durchblutete germinale Matrix (Rückbildung bis 31– 35 SSW). Hier werden neuronale und gliale Vorläuferzellen gebildet. Die vulnerablen Gefäße sind Ausgangspunkt für Hirnblutungen. • Mit zunehmendem Reifegrad nimmt die Bedeutung der germinalen Matrix als Blutungsquelle für eine intraventrikuläre Blutung ab und die der Plexus choroidei zu. ▶ Risikofaktoren: Postnataler Transport, männliches Geschlecht, keine pränatalen Steroide, Blutdruckschwankungen, CO2-Schwankungen, Ischämie, Hypoxie, Azidose, Infektion, Gerinnungsstörungenen. ▶ Symptome, akut: oft asymptomatisch; bei höhergradiger Blutung ggf. AZ-Verschlechterung, Zentralisierung, Änderung der Körperhaltung und Mimik.

Klassifikationen ▶ Hinweis: Zusätzlich zur Verwendung von Klassifikationen ist eine knappe, prägnan■

te Beschreibung sinnvoll. ▶ Papile-Klassifikation: Diese ursprüngliche Klassifikation der Hirnblutung Frühgeborener gründet sich auf CT-Untersuchungen: • Hirnblutung Grad I: Subependymale Blutung. • Hirnblutung Grad II: Ventrikeleinbruchblutung ohne Ventrikelerweiterung. • Hirnblutung Grad III: Ventrikeleinbruchblutung mit Ventrikelerweiterung. • Hirnblutung Grad IV: Grad I – III mit Blutungen ins Hirnparenchym. ▶ DEGUM-Klassifikation (nach Volpe modifiziert): Die pädiatrische Sektion der DEGUM hat 1998 folgende sonografiebasierte Klassifikation vorgeschlagen (Dokumentationsbogen: Tab. 15.1): • Hirnblutung Grad I: Subependymale Blutung. • Hirnblutung Grad II: Ventrikelblutung, die < 50 % des Lumens ausfüllt. • Hirnblutung Grad III: Ventrikelblutung, die > 50 % des Lumens ausfüllt. • Parenchymläsionen (Großhirn, Kleinhirn, Basalganglien und Hirnstamm) werden getrennt beschrieben (Lokalisation und Größe). ▶ Klassifikation der periventrikulären hämorrhagischen Infarkte nach Dudink & Govaert, 2007. 383

Neurologie

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15.2 Hirnblutungen Tab. 15.1 • Dokumentation der Hirnblutungen bei Frühgeborenen (Konsens der pädiatrischen Sektion der DEGUM 1998 Magdeburg). Hirnblutung

links ja

rechts nein

ja

nein

Grad-I-Blutung Grad-II-Blutung Grad-III-Blutung hämorrhagische Infarzierung des Hirnparenchyms Lokalisation

frontal parietal okzipital

Größe

klein (≤ 1 cm) mittel (> 1 cm und ≤ 2 cm) groß (> 2 cm)

Blutung oder hämorrhagische Infarzierung von Basalganglien Kleinhirn Stammhirn posthämorrhagische Ventrikelerweiterung therapiebedürftiger posthämorrhagischer Hydrozephalus

Sonografische Untersuchung ▶ Frühgeborene sollten regelmäßig (z. B. am 1., [2.,] 3., [4.,] 7., 10.–14., 28. Lebenstag und alle 2 Wochen bis zur Entlassung) eine zerebrale Sonografie (S. 66) erhalten. Ein Ultraschall nach Aufnahme auf die Station kann auch für forensische Fragestellungen (Zeitpunkt der Erstmanifestation einer Läsion) bedeutsam werden. Bei unauffälligen FG > 32 Gestationswochen ohne Komplikationen im klinische Verlauf reichen ggf. 2 Ultraschalluntersuchungen (3. LT und vor Entlassung). ▶ Bei Nachweis einer Läsion ist ggf. die Nutzung zusätzlicher Schallfenster (vordere und hintere Seitenfontanelle) zur Darstellung von Mittelhirn und infratentoriellen Strukturen sinnvoll (Abb. 15.4). Ca. 10 % der Frühgeborenen mit posthämorrhagischer Ventrikelerweiterung weisen zusätzlich Kleinhirnblutungen auf, die von der vorderen Fontanelle nicht ausreichend zu beurteilen sind und klinisch ein tendenziell unterschätztes Problem darstellen (Assoziation mit kognitiven und sozialen Entwicklungsstörungen). ▶ Bei Nachweis einer Hirnblutung, insbesondere bei Reifgeborenen, neben den Arterien auch die venösen Blutleiter (Sinus sagittalis superior, innere Hirnvenen) dopplersonografisch untersuchen. Sinusvenenthrombosen können Ursache für Parenchymblutungen sein. ▶ Bei Reifgeborenen ist, ergänzend zur Sonografie, eine Magnetresonanztomografie (MRT) einschließlich einer Gefäßdarstellung zu erwägen. ▶ Beachte: MRT-Untersuchungen bei asymptomatischen Reifgeborenen zeigen nach ■ vaginaler Entbindung in 25–50 % der Fälle kleine, meist subdurale, intrakranielle Blutungen. 384

15 Neurologie

15.2 Hirnblutungen

Abb. 15.1 • Mittlerer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; Frühgeborenes 26 SSW, 2. Lebenstag; Ventrikeleinbruchblutung beidseits (Grad II rechts und Grad III links); ← Germinale Matrix Blutung; K = Koagel im Seitenventrikel (noch homogen!); T = Temporalhorn des rechten Seitenventrikels (SV) erweitert, während das des linken SV mit Blut ausgefüllt ist. Beachte: Das Ependym ist noch echoarm.

Abb. 15.2 • Vorderer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; Frühgeborenes 31 SSW, 8. Lebenstag; Ventrikeleinbruchblutung links (Grad III); K = das Blutkoagel beginnt inhomogen (Lyse) zu werden und sich von der Ventrikelwand zu retrahieren; IPE = intraparenchymatöse echodichte Zone (V. a. Parenchymblutung); ← das Ependym beginnt echoreich zu werden; I = Interhemisphärenspalt komprimiert, Verlagerung der Mittellinie nach rechts; A = artifizielle Schallauslöschung durch IPE und Koagel im Seitenventrikel.

▶ Die typischen Parenchymblutungen (Papile Grad IV) des sehr unreifen Frühgeborenen sind venöse hämorrhagische Infarkte (periventrikulärer venöser hämorrhagischer Infarkt, PHI). Sie entstehen infolge eines venösen Rückstaus durch Kompression der die periventrikuläre Region drainierenden Venen bei intraventrikulärer Blutung. In der Sonografie ist initial fächerförmig periventrikulär eine deutliche echoreiche Zone sichtbar, die sich im Verlauf zystisch umwandelt. Manchmal bilden sich echoreiche Zonen ohne zystische Nekrosen zurück, sodass es sich retrospektiv nur um eine (venöse) Kongestion handelte. Echodichte Zonen sollten nur dann als Blutung oder hämorrhagischer Infarkt bezeichnet werden, wenn dies eindeutig ist oder sich im Verlauf die zystische Regression darstellt (wichtig für das Elterngespräch).

385

15.2 Hirnblutungen

Neurologie

15

Abb. 15.3 • Mittlerer Koronarschnitt, vordere Fontanelle; Frühgeborenes 31 SSW (gleicher Patient wie Abb. 15.2), 22. Lebenstag; K = das Blutkoagel ist inhomogen (Lyse) und hat sich von der Ventrikelwand retrahiert; IPE = die Echogenität der intraparenchymalen echodichten Zone bildet sich zurück, vereinzelt beginnen sich Zysten ( Temporalhörner > Vorderhörner). • Am bekanntesten und einfachsten ist der Ventrikularindex nach Levene = Weite zwischen der Falx und der lateralen Wand des rechten bzw. des linken Seitenventrikels auf Höhe der Foramina Monroe im Koronarschnitt. Interventionskriterium: Ventrikularindex > 4 mm > 97. Perzentile. • Dopplersonografie: Abnahme der diastolischen Blutflussgeschwindigkeit erst bei deutlich erhöhtem Druck. Hilfreicher, insbesondere auch im Verlauf (Indikationshilfe zur Punktion eines Reservoirs), ist der Fontanellenkompressionstest (S. 71): Änderung des Resistance-Index bei Fontanellenkompression: Erfassung einer verminderten zerebralen Compliance bei erhöhtem intrakraniellem Druck.

15 Neurologie

15.4 Hydrozephalus und posthämorrhagische Ventrikelerweiterung (PHVD)

Anmerkungen zur Prophylaxe/Therapie der progredienten PHVD ▶ Bisher sind keine einheitlichen Therapierichtlinien bzw. Entscheidungskriterien für therapeutische Maßnahmen verfügbar. Es gibt große Unterschiede zwischen verschiedenen Krankenhäusern bezüglich Interventionszeitpunkt, Diagnostik und Art der Intervention. Noch unklar, ob bei Grenzbefunden Druck, freigesetzte Zytokine und freies Eisen im Liquor oder ob Interventionen durch Infektionen und mögliche Nachblutungen mehr schaden. Retrospektive und kleinere Studien sind wegen der großen Variabilität hinsichtlich der Prognose stets zurückhaltend zu bewerten. ▶ Nicht indiziert bzw. nicht effektiv (www.cochrane.org/reviews): • Medikamentöse Hemmung der Liquorproduktion mit Acetazolamid (Carboanhydrasehemmer) oder Furosemid (keine Überlegenheit in der Prävention einer Shuntanlage, möglicherweise schlechteres neurologisches Outcome als mit Shunt). • Fibrinolyse z. B. mit Streptokinase intraventrikulär → erhöhtes Blutungsrisiko. • Frühe serielle Liquorpunktionen zur Verhinderung einer weiteren Expansion der Ventrikel (nach sonografischen Kriterien) führen zu keiner Reduktion der Shuntrate und zeigen keinen Vorteil bezüglich der neurologischen Prognose. ▶ Nicht eindeutig effektiv: „DRIFT“ (Drainage, Irrigation, Fibrinolytic Therapy), randomisierte Studie, die frühe Intervention mit Drainage und Spülung mit rTPA mit später Entlastung (LP und Reservoirpunktionen) vergleicht; kein Unterschied bei den Variablen Tod oder Shunt, mehr sekundäre Blutungen in der DRIFT-Gruppe. Mit 2 Jahren jedoch bessere kognitive Entwicklung in der DRIFT- als in der Kontrollgruppe.

Liquordrainagetechniken, Indikationen und praktisches Vorgehen ▶ Lumbale oder ventrikuläre Punktion (auch seriell): • Diskutierte Indikationen für lumbale oder ventrikuläre Punktion: – Exzessives Kopfwachstum, definiert als eine Kopfumfangszunahme mit der doppelten Geschwindigkeit der Norm (> 1,5–2 cm/Woche), über 2 Wochen. – Klinische Symptome und Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Druckes (s. o.). – Lumbalpunktionen sind sehr belastend für das Kind und daher nur kurzzeitig zur Überbrückung bis zur Anlage eines Reservoirs zu empfehlen. • Diskutierte Indikationen für Ventrikelpunktion (Ausnahme!): – Fehlende ventrikulospinale Kommunikation (Ultraschallbefund). – Lumbal < 2 ml Liquor zu drainieren. – Instabiler Zustand. – Ventrikelpunktionen umstritten, nur ausnahmsweise zur Überbrückung bzw. akuten Entlastung durchführen. 391

Neurologie

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15.4 Hydrozephalus und posthämorrhagische Ventrikelerweiterung (PHVD)

• Technik (lumbale und ventrikuläre Punktion): – Sorgfältiges Monitoring (Respiration, Herzfrequenz und Blutdruck) während der Punktion und in den folgenden Stunden. – Bei Entlastung durch Punktion der Liquorräume können und sollten ca. 10 (– 15) ml/kg KG drainiert werden. – Die Entlastung sollte langsam (über ca. 15 min) erfolgen. – Initial und am Ende sollte der intrakranielle Druck (ICP) gemessen werden (Normbereich ICP beim Säugling: bis 10 cmH2O). – Vor und nach der Entlastung kann eine Sonografie des Gehirns mit Fontanellenkompressionstest (S. 71) durchgeführt werden. • Besonderheiten bei der Ventrikelpunktion: – Vor Punktion sonografisch (Linearschallkopf) Stichrichtung und Einstichtiefe festlegen; Gerinnung und Thrombozyten müssen normal. – Die Einstichstelle zu den Seitenventrikeln befindet sich im Bereich der lateralen Ecken der vorderen Fontanelle (cave: Median befindet sich der Sinus sagittalis). ▶ Beachte: Die Ventrikelpunktion ist kardiorespiratorisch weniger belastend als ■ die Lumbalpunktion. Nach Ventrikelpunktion kann jedoch eine Parenchymzyste/Stichkanal (Aufklärung) auftreten. ▶ Shunt-Implantation: ▶ Beachte: Vor Anlage einer externen Ableitung, eines subkutanen Liquorreservoirs ■ oder eines Shunts ist eine Ventrikelpunktion zu erwägen. Es gibt Frühgeborene, die nur eine Entlastung (bei gestörter ventrikulospinaler Kommunikation) benötigen. Erhöhtes Eiweiß im ventrikulären Liquor ist ein Risiko für ein Shuntversagen. • Indikation: Wenn 3 der folgenden Kriterien zutreffen: – Kopfumfang 1,5 cm oberhalb der 97. Perzentile. – Kopfumfangswachstum von > 1,5–2 cm/Woche über 2 Wochen. – Ventrikularindex 4 mm oberhalb der 97. Perzentile. – Klinische Symptome und Zeichen eines erhöhten intrakraniellen Druckes (s. o.). ▶ Indikationen für subkutanes Liquorreservoir oder externe Ableitung: • Erhöhtes Liquoreiweiß. • Größenmissverhältnis zwischen Ableitung und Schädel. ▶ Beachte: Die externe Ableitung oder das subkutane Liquorreservoir sind evtl. ■ die Methode der Wahl bei sehr kleinem und krankem Kind, bei größeren Koageln, bei erhöhtem Eiweißgehalt des Liquors und bei Meningitis. Der Shunt kann evtl. auf der Station gelegt werden.

Liquordrainage: Risiken und Prophylaxe ▶ Subkutanes Liquorreservoir heute bevorzugte Methode bei mehrfach notwendigen Entlastungen. ▶ Serielle Punktionen der Liquorräume (lumbal oder ventrikulär) haben ein Infektionsrisiko (Meningitis, Ventrikulitis) von ca. 1 % pro Punktion. ▶ Ventrikulostomien (externe Ableitung, subkutanes Liquorreservoir und interner Shunt): Das Gesamtinfektionsrisiko der Liquorräume liegt bei ca. 10 – 20 %. Die Angaben variieren erheblich zwischen den Studien und Zentren. Die externe Ableitung scheint das größte Infektionsrisiko zu besitzen. Außerdem Gefahr eines akuten Liquorverlustes! ▶ Perioperative Infektionsprophylaxe bei Eingriffen am ZNS: • Die Gabe eines Staphylokokken-wirksamen Antibiotikums, z. B. Vancomycin (S. 439), ist bei Frühgeborenen/Neugeborenen ratsam. Dabei sollte der Abstand zum Eingriff so gewählt werden, dass wirksame Gewebsspiegel bei OP-Beginn erreicht sind (nicht erst während OP). Die antibiotische Prophylaxe kann auf eine Gabe begrenzt bleiben, oft erfolgt sie für 48 h. 392

Prognose ▶ Vorbemerkung: Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf Frühgeborene mit progredienter PHVD bzw. posthämorrhagischem Hydrozephalus. Prozentuale Angaben variieren zwischen den Zentren und Studien. ▶ Nur 10 % der Kinder bleiben unbeeinträchtigt; 70 % entwickeln eine deutliche Behinderung (Entwicklungsverzögerung, motorische Störungen, Krampfanfälle, Sehfelddefekte usw.). ▶ Die Prognose hinsichtlich Neurologie und Mortalität ist ungünstiger, wenn zusätzlich eine Parenchymläsion besteht oder häufige Shuntrevisionen aufgrund von Komplikationen wie Infektion und Verschluss erforderlich sind.

15 Neurologie

15.4 Hydrozephalus und posthämorrhagische Ventrikelerweiterung (PHVD)

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Renale Erkrankungen

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Renale Erkrankungen

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Renale Erkrankungen

Weber, Benz

16.1 Akutes Nierenversagen Klinisch relevante Besonderheiten der Nierenphysiologie bei Neu- und Frühgeborenen ▶ Die anatomische Entwicklung der Niere mit Bildung von ca. 1 Mio. Nephronen ist in der 32. – 34. SSW beendet. Ausdifferenzierung, Reifung und Wachstum der Nephrone dauern jedoch nach der Geburt an. Extrem niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburtlichkeit können zu reduzierter Nephronzahl mit nachfolgender Hyperfiltration führen. ▶ Bei fehlerhaftem Anschluss der Ureterknospe an das metanephrogene Blastem kommt es zur Kombination einer Nierenhypo-/dysplasie mit einer Harntransportstörung (Ureterobstruktionen, vesikoureteraler Reflux [VUR]). Ureterobstruktionen und VUR treten auch ohne begleitende Nierenfehlbildung auf. ▶ Zu den physiologischen Besonderheiten der Niere zählt der hohe renale Gefäßwiderstand bei niedrigem systemischem Blutdruck. Die fetale Niere erhält nur 2 – 4 % des Herzzeitminutenvolumens, postnatal ca. 5 – 18 %. Ein Blutdruckabfall wirkt sich somit sehr schnell auf die Nierenfunktion aus. Der effektive Filtrationsdruck beträgt nur wenige mmHg. Eine Autoregulation ist auf einem niedrigeren Blutdruckniveau vorhanden. Bei kranken Frühgeborenen ist sie aber nur begrenzt wirksam. Die Regulation des renalen Blutflusses ist abhängig vom Zusammenspiel verschiedenster Hormonsysteme (Renin-Angiotensin, Arginin-Vasopressin, atrial-natriuretisches Peptid, Prostaglandine, Endothelin, Katecholamine). ▶ Nierenfunktion: • Normalwerte glomeruläre Filtrationsrate (GFR) (Tab. 16.1). Zum Vergleich: Die GFR ab dem 2. Lebensjahr beträgt 90 – 120 ml/min/1,73 m2 KOF. • Normalwerte Kreatinin s. Abb. 16.1. • Normalwerte Urinausscheidung: – Gesunde Neugeborene: 0,5 ml/kg KG am 1. Lebenstag, dann 2 – 3 ml/kg KG/h (0,5 – 5 ml/kg KG/h). – Frühgeborene (28. – 35. SSW) in der 1. – 6. Woche 4 – 6 ml/kg KG/h. – 20 – 25 % der Früh- und reifen Neugeborenen scheiden bis zu 20 ml Urin direkt postnatal aus, 92 % in den ersten 24 h, weitere 7 % in bis zu 48 h. Neugeborene, die Infusionen erhalten, sollten spätestens 6 h nach Beginn der Infusion Urin ausscheiden. Tab. 16.1 • Normalwerte GFR [ml/min/1,73 m2 KOF].

394

28.– 32. SSW

32.– 35. SSW

> 35.– 40. SSW

1 – 2 Tage

ca. 10

ca. 15

ca. 30

4 – 6 Tage

10 – 20

ca. 25

30 – 50

3 – 5 Wochen

15 – 40

20 – 40

40 – 80

1,35

65 %). • Medikamente (z. B. Indometacin). • Medikamente der Mutter während der Schwangerschaft (z. B. ACE-Hemmer). • Jedes prärenale Nierenversagen geht ohne adäquate Beseitigung der Ursache in ein renales Nierenversagen über. ▶ Akutes renales Nierenversagen: • Lokale Asphyxie (O2-Mangel) → akute tubuläre Nekrose (–70 % primär prärenal → renal). • Verbrauchskoagulopathie. • Nierengefäßthrombosen (venös, arteriell). • Urosepsis. • Renales Nierenversagen durch angeborene Entwicklungsstörungen der Nieren und ableitenden Harnwege (CAKUT, 10 – 30 %): – Renale Aplasie/Dysplasie isoliert. – Renale Aplasie/Dysplasie als Teil komplexer Fehlbildungen. • Polyzystische Nierendegeneration (z. B. autosomal-rezessiv). ▶ Akutes postrenales Nierenversagen (7 %): Obstruktive und/oder refluxive Nierenerkrankungen mit Nierendysplasie (z. B. Urethralklappen). 395

Renale Erkrankungen

16

16.1 Akutes Nierenversagen

Stufendiagnostik bei Oligurie/Anurie 1. Familienanamnese (Eltern, Verwandte): Fehlbildungen, Zysten, chronische Nierenerkrankungen? 2. Schwangerschaftsanamnese: Medikamente (ACE-Hemmer! zusätzlich Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten), Oligohydramnion, Ultraschallbefunde (nur eine A. umbilicalis?). 3. Perinatale Anamnese: APGAR, Trinkverhalten, Infektion? 4. Inspektion: Fehlbildungen, Dysmorphiezeichen? 5. Palpation des Abdomens: Nieren (Größe, Position, Oberfläche), Harnblase, Urachuszyste? 6. Hydrierungszustand: Dehydratation (Haut, Fontanelle, Gewicht), Überwässerung (Ödeme, Lebergröße)? 7. Blutdruck (Messung an allen 4 Extremitäten), O2-Sättigung (prä-, postduktal): Hypoplastisches Linksherz, Aortenisthmusstenose (CoA)? 8. Blutuntersuchung: • Natrium, Kalium, Chlorid, Kalzium, Phosphat, Gesamteiweiß, Albumin (evtl. Elektrophorese), Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Blutgase. • Blutbild mit Differenzialblutbild und Thrombozyten, Gerinnung, Blutgruppe. • Blutkultur. 9. Urinuntersuchung: • Messung der Urinausscheidung: Urinbeutel, Ultraschall (gefüllte Blase?), evtl. Blasenkatheter zur exakten Bilanzierung der Ausscheidung. • Spezifisches Gewicht (bei Neugeborenen entspricht eine Konzentrationsmöglichkeit von 400 – 600 mosmol/kg KG einem spezifischen Gewicht von 1015 – 1020). • Bestimmung von pH, Blut, Glukose, Leukozyten, Protein. • Untersuchung auf Zellen, Bakterien, Bakterienkultur. Evtl. CMV, HSV. • Ggf. Untersuchung auf Ausscheidung von Aminosäuren, organischen Säuren. • Fraktionierte Ausscheidung von Natrium, Chlorid, Kalzium und Phosphat. 10. Sonografie der Nieren, der ableitenden Harnwege, der Blase und des Abdomens. 11. bei V. a. Reflux: MCU (Miktionszysturogramm). 12. bei V. a. Ureterobstruktion: MAG-3-Szintigrafie im Alter von 6 Wochen (bezogen auf Reifgeborene). 13. MRT bei komplexen Fehlbildungen.

Therapieprinzipien und praktisches Vorgehen bei akutem Nierenversagen (Oligurie/Anurie) ▶ Beseitigung der Ursache: • Hyperkapnie, metabolische Azidose, Hypovolämie, Hypotension → renale Vasokonstriktion → Oligurie → ARF. ▶ Medikamentöse Behandlungsprinzipien (Dosierungen und Kombinationen s. u.): • Diuretika: Die Therapie mit Diuretika dient der Flüssigkeitsbilanzierung und ist erst indiziert, wenn das intravasale Volumen ausreichend ist. – Furosemid fördert die Ausscheidung von Natrium, Chlorid, Kalzium, Magnesium und Kalium, stimuliert die Synthese und Ausscheidung von PgE2, führt zu Wasserausscheidung bei ausreichendem Natrium-Angebot und erhöht nicht die glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Bei Niereninsuffizienz ist eine Akkumulation möglich, daher keine zu hohen Dosen verwenden. Therapie beenden, wenn Oligurie/Anurie fortbesteht (Cave: Toxizität). – Hydrochlorothiazid vermindert die Ausscheidung von Kalzium und wirkt einer Nephrokalzinose entgegen. • Theophyllin: Tierexperimentell werden Diurese, GFR, renaler Plasmafluss und die Filtrationsfraktion erhöht/gesteigert. Theoretischer Ansatz: Theophyllin antagonisiert Adenosin am Tubulusrezeptor, außerdem besteht eine Auswirkung auf die afferente Arteriole. 396

• Katecholamine: Dopamin wirkt auf dopaminerge A1- und A2-Rezeptoren und stimuliert α- und β-Adrenorezeptoren. Die Stimulation der dopaminergen Rezeptoren führt zu renaler Vasodilatation, erhöht den systemischen Blutdruck und das HZV. Dopaminerge Rezeptoren sind in den Nierenarterien der Glomeruli vorhanden. Intrarenal führt Dopamin zur Vasodilatation des arteriellen Systems, der Blutdruck sinkt in der afferenten Arteriole und steigt in der efferenten Arteriole → GFR steigt. ▶ Beachte: ■ • Hydrochlorothiazid ist schwächer wirksam als Furosemid, aber kalziumsparend. Vorsicht bei Hyperkalzämie! • Furosemid erhöht nicht die Nierendurchblutung und das Glomerulusfiltrat, führt allerdings bei ausreichendem Natrium zur Diurese. Auf eine Hyperkalzurie achten. • Bei Theophyllin auf Kaliumwerte achten! • Zerebrale Krampfanfälle entstehen meist nicht durch Urämie, sondern durch Hyponatriämie, Hypokalzämie und Hypomagnesiämie. Die Empfindlichkeit gegenüber Phenobarbital ist bei Urämie erhöht! • Antibiotika, die überwiegend renal eliminiert werden (Penicillin G, Ampicillin, Azlocillin, Cephalosporine, Aminoglykoside, Vancomycin), haben eine geringe therapeutische Breite (therapeutisches Drug Monitoring, Dosisreduktion nach Spiegel). ▶ Vorgehen in folgender Reihenfolge, wenn die Maßnahme in der folgenden Stunde nicht zu eine Urinausscheidung von mindestens 0,5 ml/kg KG führt: • Niedriger Blutdruck, V. a. Hypovolämie: – NaCl 0,9 % 10 – 20 ml/kg KG in 30 – 120 min. – Dopamin 2 – 4 μg/kg KG/min (über zentralen Venenkatheter), evtl. steigern bis max. 10 μg/kg KG/min. Evtl. zusätzlich Dobutamin 5 – 10 μg/kg KG/min über periphere Vene. – Bei weiterhin niedrigem Blutdruck nochmals NaCl 0,9 % 10 – 20 ml/kg KG, evtl. 5 %ige Serumproteinlösung 10 ml/kg KG oder FFP (10 – 20 ml/kg KG) bei entsprechender Indikation. – Hydrokortison 2 mg/kg KG als ED. Bei anhaltend niedrigem Blutdruck 8-stündlich wiederholen. – Bei Hochfrequenz-Beatmung = HFOV (S. 234) versuchen, den MAD zu reduzieren. • Nach ausreichender Behandlung einer Hypovolämie: – Volumenzufuhr reduzieren auf Menge der Perspiratio insensibilis (ca. 40 ml/kg KG/Tag). – Kein Kalium geben! – Hyponatriämie, Hypokalzämie und Azidose ausgleichen. – Antibiotika-Dosierung (S. 460) reduzieren bzw. Dosierungsintervall verlängern, Blutspiegel bestimmen. – Eiweißzufuhr auf 1 g/kg KG/Tag reduzieren (abhängig vom Harnstoffwert). • Normaler Blutdruck, V. a. Herzinsuffizienz / V. a. Hypervolämie: – Hydrochlorothiazid 2 – 3 mg/kg KG/Tag in 2 ED. – Furosemid 0,5 – 1 mg/kg KG i. v. als Kurzinfusion. – Dopamin 2 – 4 μg/kg KG/min, zusätzlich evtl. Dobutamin 6 μg/kg KG/min. – Furosemid 2 mg/kg KG i. v. als Kurzinfusion, falls nach 2 – 3 h kein Erfolg → Furosemid 4 mg/kg KG i. v. als Kurzinfusion oder als Dauerinfusion über 24 h; dann keine weitere Gabe von Furosemid! – Theophyllin 0,5 – 1 mg/kg KG i. v. (bis zu 4-mal tgl.)

16 Renale Erkrankungen

16.1 Akutes Nierenversagen

Dialyseverfahren ▶ Indikationen: • Überwässerung trotz Flüssigkeitsrestriktion (z. B. Gewichtszunahme > 10 % in 1–2 Tagen. • Therapieresistente Azidose. 397

Renale Erkrankungen

16

16.2 Peritonealdialyse

• • • •

Therapieresistente Elektrolytstörungen (z. B. Hyperkaliämie, Hyperphosphatämie). Therapieresistente arterielle Hypertonie. Harnstoff > 200 mg/dl bzw. Harnstoff-N > 100 mg/dl. Angeborene Stoffwechseldefekte (Harnstoffzyklusdefekt mit Hyperammonämie > 200 μg/dl, Aminoazidurie (z. B. Leucin bei Ahornsiruperkrankung), Organazidurien. Beachte: Aufgrund der Eliminationskinetiken der toxischen Stoffwechselprodukte in den unterschiedlichen Dialyseverfahren (Peritonealdialyse, kontinuierliche venovenöse Hämofiltration, intermittierende Hämodialyse) sollte bei Stoffwechseldefekten zur raschen Elimination des toxischen Stoffwechselprodukts die intermitterende Hämodiafiltration oder Hämodialyse zum Einsatz kommen. • Verfahren der akuten Dialyse in der Neonatologie: – Peritonealdialyse. – Kontinuierliche venovenöse Hämofiltration (CVVHF). – Kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration (CVVHDF). – Intermittierende Hämodialyse.

Prognose ▶ Abhängig von der Ursache des akuten Nierenversagens. Geburtsgewicht, ApgarWerte, Höhe der harnpflichtigen Substanzen und weitere Laborparameter geben keinen Hinweis auf das Outcome. ▶ 20 – 75 % Mortalität bei intrarenaler Ursache, kardial ausgelöstem Nierenversagen sowie bei Multiorganversagen. ▶ Bei bis zu 35 % der überlebenden Kinder treten Nierenschäden (vermindertes Nierenwachstum, chronische Organschädigung, kompensierte Niereninsuffizienz) auf. ▶ Bei bis zu 65 % der überlebenden Kinder erholt sich die Nierenfunktion komplett.

16.2 Peritonealdialyse Praktisches Vorgehen ▶ Katheteranlage: Tenckhoff-Katheter durch (Kinder-)Chirurgen legen lassen (bei Neugeborenen ist eine Nachbeatmung sinnvoll). Perkutan gestochene Katheter (Cook-Katheter) sind wegen des meist auftretenden Lecks und des höheren Infektionsrisikos nicht zu empfehlen. ▶ Dialysemenge: Beginn mit 10 ml/kg KG. Wenn möglich, langsame Steigerung des Füllvolumens im Laufe von mehreren Tagen. Bei sehr kleinen Kindern sollte das Totraumvolumen beim Ein- und Auslauf reduziert werden. ▶ Einlaufzeit 5 – 10 min, Auslaufzeit 5 – 10 min ▶ Zyklusdauer: Anfangs alle 30–60 Minuten! Maximal 3-stündlich (nur bei chronischen Dialysen 4-stündlich und länger). ▶ Initial immer manuelle Wechsel. ▶ Beachte: ■ • Der Flüssigkeitsentzug ist bei 1 – 2-stündlichen Wechseln der Dialysatmenge am besten, abhängig von der Glukosekonzentration und der Verweildauer. • Lösungen mit der höchsten Glukosekonzentration möglichst nicht in den ersten Tagen verwenden. ▶ Cave: Hyperglykämie, Reizungen des Peritoneums und der Darmwand. ■ • Clearance (vor allem Harnstoff, Elektrolyte) sind am besten mit 1 – 2-stündlichen Wechseln zu erreichen. • Eine strenge Flüssigkeitsbilanz ist erforderlich. Die Anuriedosis (Verluste über Perspiratio insensibilis) und sonstige Verluste müssen in Relation zum Flüssigkeitsentzug der Dialyse und zur gewünschten Gewichtsabnahme stehen. Hiervon ist auch die Infusionstherapie abhängig. 398

• Auf Intravasalvolumen (Blutdruck, Venenfüllung, Herzfrequenz, kapilläre Füllungszeit, falls möglich ZVD, ersatzweise Hkt), Serumnatrium- und -kalziumwerte ist zu achten. • Medikamentendosierung (S. 460) entsprechend reduzieren. • Verlust von Eiweiß und Immunglobulinen ausgleichen.

Peritonealdialyselösungen ▶ Handelsübliche Lösungen sind für Früh- und Neugeborene nicht zugelassen, ihre Verwendung ist aber als individueller Behandlungsversuch möglich: • Baxter: Physioneal 35 (1,36 %, 2,27 %, 3,86 % Glukose) enthält nach Mischen der gebrauchsfertigen Lösung 10 mmol/l Laktat und 25 mmol/l Hydrogenkarbonat als Puffer (Laktatkontrollen! cave: Hyponatriämie). • Fresenius: bicaVera (Glukose 1,5 %, 2,3 %, 4,25 %) enthält nach Mischen 34 mmol/l Hydrogenkarbonat. (Zulassung für NG. Für FG liegen Anwendungserfahrungen vor, derzeit keine Zulassung). ▶ Initial Heparinzusatz von 100 – 250 IE/l bis Dialysat klar. ▶ Evtl. Antibiotikazusatz zur Prävention einer Peritonitis: Cefazolin i. v. präoperativ (postoperativ 125 mg/l i. p. über 48 h).

16 Renale Erkrankungen

16.3 Kongenitale Nierenerkrankungen

Kontrollen ▶ Anfangs täglich 2 × Gewichtskontrolle. ▶ Mindestens 2 × täglich Kontrolle von Natrium, Kalium, Kalzium, Chlorid, Astrup und Blutzucker. 1 × täglich Serum-Kreatinin, Harnstoff, Harnsäure, Phosphat, Gesamteiweiß und Albumin. ▶ Zunächst stündlich Kontrolle von Blutdruck, Atmung, Puls, wenn möglich ZVD. ▶ Täglich Dialysat auf Zellzahl kontrollieren, evtl. Bakterienkultur anlegen (bei > 100/μl und ≥ 50 % neutrophilen Granulozyten im Dialysat: Infektionsverdacht). ▶ Flüssigkeitsprotokoll bei jedem Dialysezyklus führen.

Gefahren der Dialyse ▶ Auf Eiweißverlust achten: • Evtl. Albumin ersetzen. • Auf γ-Globuline achten (Soll-IgG im Serum > 700 mg/dl). ▶ Überwässerung (Rückresorption der Dialysatflüssigkeit ist möglich). ▶ Hyperglykämie. ▶ Hypovolämie, Gefahr der Hypernatriämie. ▶ Infektion am Kathetereintritt. ▶ Katheterleckage. ▶ Peritonitis. ▶ Katheterfehllage, Katheterobstruktion.

16.3 Kongenitale Nierenerkrankungen Vorbemerkung ▶ Angeborene Funktionsstörungen der Niere und der ableitenden Harnwege haben ihre Ursache in der embryonalen oder fetalen Entwicklung der Nieren; sie werden in prärenale, renale und postrenale Ursachen unterteilt.

399

Renale Erkrankungen

16

16.3 Kongenitale Nierenerkrankungen

Prärenale Ursachen und Erkrankungen ▶ Intrauterine Wachstumsrestriktion. ▶ Nierenvenenthrombose Eine Nierenvenenthrombose (NVT) kann auch erst postnatal auftreten: Sie stellt ein akutes Krankheitsbild mit Thrombosierung einer oder beider Nierenvenen dar. Sie tritt häufig auf bei: • Neugeborenen und Säuglingen mit mütterlichem Diabetes mellitus, Geburtstrauma, perinataler Asphyxie, Dehydratation, Schock, Sepsis (75 % Manifestation im 1. Lebensmonat). • genetisch bedingter Thrombophilie: APC(aktiviertes Protein-C)-Resistenz, ATIII-Mangel, Protein-C- und Protein-S-Mangel. • Meist beginnt der Prozess in den Vv. arcuatae oder interlobares in Richtung der großen Nierenvenen. Es ist aber auch ein Ausgang von der Vena cava möglich. • Klinik: – Plötzliche Makrohämaturie. – Einseitige oder bilaterale Nierenschwellung. – Thrombozytopenie. – Bei beidseitiger NVT: Oligurie → akute Niereninsuffizienz. ▶ Merke: Bei einem Neugeborenen mit Makrohämaturie und Olgurie oder einge■ schränkter Nierenfunktion an eine Nierenvenenthrombose denken. ▶ Fetofetales Transfusionssyndrom. ▶ Mütterliche Medikation oder Drogen stellen Sonderfälle dar, da die kindliche Nierenfunktionsstörung ggf. kombinierte Kausalitäten haben kann (ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptorblocker, NSAD, Immusuppressiva [Azathioprin, Cyclosporin], Kokain).

Renale Ursachen und Erkrankungen ▶ Zystische Nierenerkrankungen: Sie stellen keine einheitliche Krankheitsgruppe dar und statt der morphologischen Beschreibung erfolgt die Einteilung der zystischen Nierenerkrankungen nach genetischen Gesichtspunkten. Die ursprüngliche Einteilung von Potter wird nicht mehr angewandt. Zystische Nierenerkrankungen können bereits in utero symptomatisch werden, aber auch bis ins hohe Erwachsenenalter asymptomatisch verlaufen. Nierenzysten sind häufig Teil komplexer Fehlbildungssyndrome (z. B. Jeune-Syndrom, Bardet-Biedl-Syndrom, Meckel-Gruber-Syndrom). • Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung (autosomal recessive polycystic kidney disease, ARPKD). Es handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Erweiterung der renalen Sammelrohre, die ca. 1 von 20 000 Neugeborenen betrifft. Zusätzlich finden sich obligat eine portale Fibrose sowie Ektasie der intrahepatischen, später auch der extrahepatischen Gallengänge. Im Verlauf der Erkrankung können Hepatofibrose und portale Hypertension auftreten. Ätiologisch verantwortlich ist das rezessive Gen PKHD1. Die ARPKD ist gekennzeichnet durch vergrößerte, funktionseingeschränkte Nieren, wobei das Manifestationsalter unterschiedlich sein kann: – Pränatal (ca. 10 %): in schweren Fällen Oligohydramnion und Lungenhypoplasie → Potter-Sequenz. – Neugeborene (ca. 40 %): starke Nierenvergrößerung, vorgewölbtes Abdomen, riesige tastbare Nieren („Bauchtumor“), arterielle Hypertonie. – 1. und 2. Lebensjahr (ca. 20 %). Ältere Kinder (ca. 30 %). – 70 bis 80 % aller Neugeborenen mit ARPKD haben eine eingeschränkte Nierenfunktion. Diese kann sich bei einigen Patienten mit zunehmender Reifung des Nierengewebes jedoch im Verlauf sogar verbessern. Ca. 70 % der Patienten sind noch mit 15 Jahren nicht terminal niereninsuffizient.

400

sodass – wie auch bei therapieresistenter arterieller Hypertonie – frühzeitig eine uni- oder bilaterale Nephrektomie erwogen werden muss. • Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (autosomal dominant polycystic kidney disease, ADPKD) ist mit einer Prävalenz von 1:1000 die häufigste autosomal erbliche Nephropathie (Mutationen in PKD1-Gen (85 %) oder im PKD2-Gen). In der Regel manifestiert sie sich erst im mittleren Erwachsenenalter, nur in ~2 % der Fälle im Kindesalter mit dann ähnlichen Symptome wie die ARPKD. • Zystische Nierenerkrankung infolge heterozygoter Mutation im HNF1-beta Gen (Cave: zusätzlich Harntraktfehlbildungen, Pankreashypoplasie, Hypomagnesiämie, MODY 5 Diabetes mellitus u. a.) • Multizystische Nierendysplasie (häufig: 1:4 500; m > w): kongenital mit undifferenziertem, zystisch verändertem Gewebe ohne Funktion. Die flüssigkeitsgefüllten Zysten kommunizieren nicht miteinander und haben keine Verbindung zum Harnsystem, der Ureter ist atretisch. Selten mit anderen Fehlbildungen (z. B. Stenosen des Gastrointestinaltrakts, Herzvitien) assoziiert; sie ist nicht hereditär, nicht familiär und tritt sporadisch auf. In bis zu 70 % der Fälle wird eine multizystische Nierendysplasie bereits pränatal mittels Sonografie diagnostiziert. ▶ Merke: In 30 % der Fälle auf der kontralateralen Seite Fehlbildungen der Niere und ■ der ableitenden Harnwege. ▶ Nierenhypoplasie: Die Nierenhypoplasie ist gekennzeichnet durch eine verminderte Nierenmasse bei jedoch normalem mikroskopisch anatomischem Aufbau der Niere. Unilaterale Formen führen zu einer kompensatorischen Hypertrophie der kontralateralen Niere. Die einfache bilaterale Nierenhypoplasie – meist ohne gravierende Nierenfunktionseinschränkung – ist sehr selten und von der Nierenhypoplasie mit gleichzeitig vorliegender Nierendysplasie (s. u.) abzugrenzen, die beide meist zu einer progredienten Niereninsuffizienz führen. ▶ Nierendysplasie: Eine Nierendysplasie entsteht durch fehlerhafte Differenzierung des metanephrogenen Blastems und ist meist mit anderen Anomalien des Urogenitaltraktes, aber auch mit Fehlbildungssyndromen assoziiert. ▶ Nierenagenesie: Die beidseitige Nierenagenesie führt regelhaft zu schwerem Oligohydramnion und Lungenhypoplasie, so dass die Erkrankung meist zum Tode führt. Die einseitige Nierenagenesie ist in ca. 30–40 % der Fälle mit Fehlbildungen der Niere und der ableitenden Harnwege der kontralateralen Seite assoziiert. ▶ Kongenitales nephrotisches Syndrom: Manifestation bis zum 3. Lebensmonat und dem 3. und dem 12. Lebensmonat (infantiles nephrotisches Syndrom). Nephrotische Syndrome in diesem Lebensabschnitt sind genetisch bedingt und steroidresistent. • Finnischer Typ (häufigster Typ; autosomal-rezessiv vererbt, NPHS 1): – Beginn in 90 % der Fälle in der 1. Lebenswoche. – Symptomatische Therapie: Albumin i. v., Diuretika, ggf. Nephrektomie (operativ oder medikamentös durch ACE-Inhibitoren und Indometacin). Cave: Malnutrition. – Therapieziel: frühe Nierentransplantation. • Diffuse mesangiale Sklerose (meist infantil): In etwa 30 % der Fälle ist diese mit einem Pseudohermaphroditismus masculinus und/oder Wilms-Tumor assoziiert (Drash-Syndrom).

16 Renale Erkrankungen

16.3 Kongenitale Nierenerkrankungen

▶ Merke: Die Nierenvergrößerung kann zu schwerer Atembehinderung führen, ■

Postrenale Ursachen und Erkrankungen ▶ Siehe auch Kap. Harnwegsfehlbildungen (S. 426). ▶ Im gesamten ableitenden Harntrakt kann es durch unterschiedlichste Fehlbildungen zu einem Harnstau kommen, der zur Dilatation proximal des Hindernisses gelegener Strukturen führt und schließlich zu einer Druckschädigung des Nierenparenchyms führen kann. Aufgrund der sich gegenseitig bedingenden Embryogenese ist eine Fehlbildung des ableitenden Harntrakts häufig mit einer Nierendysplasie unterschiedlicher Ausprägung assoziiert. Dieser Erkrankungskomplex ist mit 40–50 % die häufigste Ursache für die terminale Niereninsuffizienz im Kindesalter: 401

Renale Erkrankungen

16

402

16.3 Kongenitale Nierenerkrankungen

• Ureterabgangsstenose (ureteropelvine Stenose). • Terminale Ureterstenose (= primärer, konnataler Megaureter). • Vesikoureterorenaler Reflux (VUR). • Urethralklappen. ▶ Diagnostik: • Primär Sonografie. • Miktionszystourethrografie (MCU), zur Suche nach einem vesikoureteralen Reflux oder nach Urethralklappen. ▶ Beachte: Bei Verdacht auf Urethralklappen MCU vorzugsweise über einen supra■ pubischen Blasenkatheter. Die radiologische MCU kann Urethralklappen sicher erfassen. • Das intravenöse Pyelogramm (IVP) ist aufgrund der hohen Strahlenbelastung und der Weiterentwicklungen in der Nuklearmedizin und der Schnittbildgebung i. d. R. obsolet. • Nuklearmedizinische Techniken erfassen mehr die Funktion als die anatomischen Details. – 99mTc-Mercaptoacetyltriglycin (MAG-3) wird zu 95 % tubulär sezerniert und ist das Kontrastmittel der Wahl für die Überprüfung der Ausscheidungsfunktion der Nieren. Bei reifen Neugeborenen ist eine MAG-3 Szintigrafie ab der 7. Lebenswoche möglich. Bei Frühgeborenen ist die Interpretation der Befunde wegen des unreifen Tubulussystems schwierig (Konsil mit Nuklearmendizin). – Zur exakteren Bestimmung der Partialfunktionen der linken und rechten Niere dient die 99mTc-Dimercaptosuccininsäure (DMSA). • Bei speziellen Fragestellungen ist die Durchführung einer Magnetresonanztomografie (MRT) indiziert. Vorteile sind die hohe Auflösung anatomischer Strukturen gegebenenfalls in Kombination mit Darstellung der Ausscheidungsfunktion (MR-Urografie). ▶ Therapie: Bei Urethralklappen wird der Urin bis zur Schlitzung der Klappen über einen suprapubischen Blasenkatheter abgeleitet, um Druck aus den ableitenden Harnwegen zu nehmen. Ob eine externe Ableitung oder eine abwartende Haltung bei den übrigen Uropathien indiziert ist, entscheidet sich aus der Zusammenschau bildgebender und funktioneller Verfahren und der interdisziplinären Diskussion.

17

Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP) Ehrt

Definition ▶ Die Frühgeborenenretinopathie (Retinopathia praematurorum, retinopathy of prematurity, ROP) ist eine multifaktoriell bedingte, vasoproliferative Erkrankung der Retina, deren Inzidenz und Schweregrad mit abnehmendem Gestationsalter zunimmt. Durch adäquate neonatologische Versorgung kann die Inzidenz schwerer Verläufe gesenkt und durch leitlinienkonforme augenärztliche Kontrollen und Therapie in den meisten Fällen eine Erblindung verhindert werden.

Häufigkeit

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP)

▶ Die Häufigkeit der ROP jeglicher Art, also der Stadien 1 – 5, liegt bei Frühgeborenen vor der 27. SSW bei 70–95 %, bei FG der 28. – 32. SSW bei 5–40 %. ▶ Die kritischen, meist therapiebedürftigen ROP-Stadien 3 – 5 treten bei Kindern > 30. SSW fast nie, bei FG der 24. – 25. SSW aber zu 30 % auf.

Pathogenese ▶ Die Kenntnis der pathophysiologischen Vorgänge bei der Entstehung der ROP ist wichtig, um zu verstehen, warum: • in der Anfangsphase der Intensivtherapie „zu viel“ Sauerstoff toxisch sein kann, • später hypoxämische Phasen die Entwicklung einer ROP begünstigen, • eine hochnormale Sauerstoffsättigung bei Kindern mit ROP ohne Plus-Symptomatik (s. u.) protektiv wirken könnte (spekulativ). ▶ Aderhautgefäße sind in der 21. Gestationswoche entwickelt, während sich Netzhautgefäße aus Spindelzellen entwickeln, die ab der 16. Woche um die Papille erscheinen und die Ora serrata erst in der 29. Woche erreichen. Die physiologische Vaskularisation ist erst um die 40. SSW abgeschlossen. Die Reifung der Fotorezeptoren beginnt zentral in der 20. Woche und erreicht die Ora serrata in der 27. Woche – etwas früher als die Spindelzellen. Die Reifung der Retina und die Entwicklung ihrer Gefäße erfolgen also zentrifugal, aber zu unterschiedlichen Zeiten. ▶ Pränatal ist der Fetus an niedrige pO2-Werte adaptiert, wobei der steigende metabolische Bedarf der reifenden Fotorezeptoren zu einer physiologischen Hypoxie der noch avaskulären Zonen der Retina führt. Dadurch werden angiogene Faktoren gebildet, die das Wachstum der Gefäße anregen. ▶ Dieses Gleichgewicht wird postnatal bei Frühgeborenen durch vielfältige Einflüsse, wie z. B. Hyperoxämie, verminderte IGF-1 Spiegel, Veränderung der zerebralen Durchblutung oder Hyperkapnie, gestört. Diese unphysiologische Hyperoxie der Retina führt durch Down-Regulation angiogener Faktoren zu einem Stillstand der Gefäßreifung, wogegen die Fotorezeptoren u. a. retinale Zellen diskordant zu den Gefäßen weiterreifen. ▶ Der vermehrte metabolische Bedarf der Fotorezeptoren führt ab der 32. Gestationswoche zur Minderversorgung der avaskulären Regionen (Hypoxie). Dadurch kommt es über eine vermehrte Produktion angiogener Faktoren (insb. VEGF) zur Triggerung einer abnormen Neovaskularisation mit Ausdehnung in den Glaskörper, die zu einer nachfolgenden traktiven Netzhautablösung führen kann.

403

Weitere wichtige Krankheitsbilder

17

17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP)

Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München

Name: Vorname: geb.: Station:

Frühgeborenen - Retinopathie

Geburt:

SSW

beatmet:

Tage

Datum:

Geburtsgewicht:

g

CPAP:

Tage

postmenstr. Alter:

Wo

O2 insges.:

Tage

noch O2:

%

Mehrling/SGA:

sonstige neonatologische Befunde: RA

Untersuchung Nr: LA

+

Demarkationslinie: prom. Leiste:

+

Besenreisergefäße: Proliferationen:

Blutungen: Ablatio:

tunica vasculosa lentis1) Irishyperämie1) rigide Pupille1) Glaskörpertrübung1) Dilatation posteriorer Netzhautgefäße1) Tortuositas posteriorer Netzhautgefäße1) Proliferationen1) Vaskularisation bis Zone (I, innere/äußere II, III) 1) Schweregrad: 0 ≠ kein; 1 = leicht; 2 = mäßig; 3 = schwer

Diagnose/Stadium: Therapievorschlag:

Regression

idem

Progression

Untersucher/in

Kontrolle in: Abb. 17.1 • Befunddokumentation: Internationale Klassifikation der Frühgeborenenretinopathie. © O.Ehrt, Augenklinik der LMU München.

404

Einteilung ▶ Internationale Klassifikation der Retinopathie – 4 Komponenten (Abb. 17.1): • 1. Lokalisation der Grenze vaskularisierte – avaskuläre Netzhaut: – Zone I – III (Abb. 17.1). Zentrale Zone I mit höchstem Risiko. • 2. Schweregrad: physiologisch: kontinuierlicher Übergang zwischen zentral vaskularisierter und peripher avaskulärer Netzhaut. – Stadium 1: Demarkationslinie. – Stadium 2: Prominente Leiste. – Stadium 3: Extraretinale fibrovaskuläre Proliferation. – Stadium 4: Partielle Netzhautablösung a) ohne, b) mit Makulabeteiligung. – Stadium 5: Totale Netzhautablösung. • 3. Ausmaß: Bezieht sich auf die zirkumferenzielle Ausdehnung der peripheren Veränderungen. Lokalisation wird wie Uhrzeigerstunden angegeben. • 4. Plus-Erkrankung: Bezeichnet Gefäßdilatation und -schlängelung um die Papille und gilt als Aktivitätszeichen mit zusätzlichem Risiko. Eine Plus-Erkrankung mit Zone I ROP kann sehr schnell progredient werden („rush type“). ▶ Weitere Befunde bei ROP (Abb. 17.1): • prognostisch ungünstig: Irishyperämie, -neovaskularisation. • ohne prognostische Bedeutung: retinale Blutungen. • physiologische Befunde bis zur 30. – 33 SSW: Tunica vasculosa lentis, Glaskörpertrübung. ▶ Diagnosekategorie • 1. threshold disease = Therapieindikation: – Stadium 3 ≥ 5 h oder 8 h summiert. – Plus-Erkrankung. • 2. pre-threshold disease = enge Kontrolle: – nur 1 Kriterium von threshold erfüllt. • 3. type 1 ROP (ETROP-Studie 2003): – jede Plus-Erkrankung. – Stadium 3 in Zone I.

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP)

Indikationen für augenärztliche Untersuchung ▶ ▶ ▶ ▶

Nach AWMF-Leitlinie: www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–010.html. Alle Frühgeborenen Geburt < 32 SSW. Bei nicht bekanntem Gestationsalter: Geburtsgewicht ≤ 1500 g. Frühgeborene mit einem Gestationsalter zwischen 32. und 36. SSW, sofern sie mehr als 3 Tage Sauerstoff erhalten haben. ▶ Weitere Faktoren (geringe Gewichtszunahme in den ersten Wochen, geringe IGF-1Werte) weisen auf ein erhöhtes Risiko hin, eine kritische ROP zu entwickeln. Inwieweit diese zur Eingrenzung der Screeningpopulation geeignet sind, wird zurzeit in mehreren Studien weltweit untersucht (WINROP).

Zeitpunkt und Frequenz von Fundusuntersuchungen ▶ Erste Untersuchung in der 6. postnatalen Woche (Lebenstag 36 – 42), aber nicht vor einem postmenstruellen Alter von 31 Wochen. ▶ Folgeuntersuchungen: • Wöchentlich bei: – Vaskularisationsgrenze in Zone I oder zentraler Zone II ohne oder mit ROP. – Vaskularisationsgrenze in Zone II mit ROP – Stadium 2 oder 3. – Jeder ROP mit „Plus-Symptomatik“. • 2 × pro Woche: bei rasch progredienter Retinopathie oder sehr unreifer Netzhaut. • 2-wöchentlich bei: – Vaskularisationsgrenze in peripherer Zone II ohne ROP oder mit ROP – Stadium 1. –

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Weitere wichtige Krankheitsbilder

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17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP)

• Längere Untersuchungsabstände: – Falls mehrmals ein rückläufiger Befund festgestellt wurde. – Nach dem errechneten Geburtstermin. ▶ Abschluss der Screening-Untersuchungen auf akute ROP, wenn: • die Netzhaut peripher zirkulär vollständig vaskularisiert ist, sicher Zone III erreicht hat. • eine deutliche Regression der peripheren Netzhautveränderungen über mehrere Untersuchungen zu erkennen ist, aber erst nach dem errechneten Geburtstermin. ▶ Beachte: Eine Befundregression kann durch eine passagere Vasokonstriktion (z. B. ■ durch erhöhte Sauerstoffkonzentration im arteriellen Blut) vorgetäuscht werden.

Praktisches Vorgehen ▶ Erweiterung der Pupillen 1 Std. vor Untersuchungstermin: • Alle 15 min (ca. 3 ×) je 1 Tropfen Tropicamid (Mydriatikum) sicher auf die Konjunktiven applizieren, d. h. Lider nach Tropfen noch 5 s offen halten. • Beim letzten Mal zusätzlich je 1 Tropfen Phenylephrin 2,5 % (Neosynephrin) geben. • Unmittelbar vor Untersuchung zusätzlich Lokalanästhetikum (Conjucain) verabreichen. ▶ Neonatologische Pflegekraft hält Kind und kontrolliert Vitalparameter während der Untersuchung durch den Augenarzt. ▶ ROP-Dokumentationsbogen ausfüllen (Abb. 17.1). ▶ evtl. Photodokumentation mit RetCam (z. B. bessere Verlaufsbeurteilung. insb. der Plus-Symptomatik, Telemedizin).

Nachuntersuchung aller FG < 36. SSW ▶ Da alle Frühgeborenen ein deutlich erhöhtes Risiko (ca. 30–50 %) einer Amblyopie oder eines Strabismus haben, müssen die Eltern auf die Notwendigkeit ½-jährlicher Kontrollen beim Augenarzt mit Orthoptistin hingewiesen werden. Bei unauffälligem Befund können die Kontrollen ab dem 2. Geburtstag jährlich erfolgen. Bei behandelter ROP sind evtl. frühere oder häufigere Kontrollen des Netzhautbefundes notwendig.

Therapie ▶ Indikation: • nach deutscher Leitlinie: – threshold ROP oder – Zone I: Stadium 3 oder Plus-Erkrankung. • erweiterte Indikation (ETROP): Typ 1 ROP (d. h. inkl. jede Plus-Erkrankung) in Deutschland nicht empfohlen). • Behandlung muss nach Erreichen des Kriteriums innerhalb von 2–3 Tagen erfolgen. ▶ Kryotherapie: nur noch in Ausnahmesituation. ▶ Lasertherapie: mindestens so effektiv wie Kryotherapie, aber weniger postoperativer Reiz. Behandlung in Narkose ▶ Anti-VEGF: Intravitreale Injektion von Bevacizumab oder Ranibizumab. • Vorteile: – wirksamer in Zone-I-Erkrankung (hier empfohlene Therapie, s. BEAT ROP 2011). – kurze, weniger belastende Behandlung, evtl. mit Sedierung ohne Narkose. – evtl. weniger periphere Gesichtsfeldausfälle oder Myopieentwicklung. • Nachteile: – viel längere Netzhautkontrollen. – Rezidive z. T. erst nach > 3 Monaten. – evtl. systemische und lokale Nebenwirkung erst im Langzeitverlauf erkennbar. • Stellungnahme: www.dog.org/wp-content/uploads/2009/08/ROP-Stellungnahme20–12–2011.pdf. 406

Prognose ▶ Das Risiko eines „unfavorable outcome“, d. h. Netzhautablösung, bei threshold disease konnte in den 80-er Jahren mit Kryokoagulation von 50 % auf 25 % halbiert werden. Die Laserkoagulation reduzierte das Risiko auf 15–25 %. In einzelnen Zentren liegt das Risiko unter 5–10 %. Zone-I-Erkrankung, die in Deutschland deutlich seltener als in amerikanischen Studien auftritt, hat eine schlechtere Prognose: „unfavorable outcome“ in 40–70 % nach Laserkoagulation und 6–10 % nach Anti-VEGFTherapie. ▶ Ernsthafte kurzfristige Komplikationen der Therapien sind selten. Bei Progression zu einer partiellen Netzhautablösung (Stadium 4) kann ein netzhautchirurgischer Eingriff erforderlich sein. Bei Stadium 5 ist eine Therapie funktionell nicht erfolgreich. ▶ Trotz anatomisch erfolgreicher Behandlung kann nach ROP ein subnormaler Visus resultieren. Auch ist eine (hohe) Myopie nach kritischer ROP häufig. Alle FG < 36. SSW haben ein deutlich erhöhtes Risiko, eine Amblyopie oder Strabismus zu entwickeln, siehe Kap. Nachuntersuchung (S. 406).

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.1 Frühgeborenenretinopathie (ROP)

Prophylaxe ▶ Beachte: Eine echte Prophylaxe ist bisher nicht möglich! ■

▶ Lichtreduktion nicht protektiv. ▶ Vitamin E wird nicht generell empfohlen. ▶ Ω-3-Fettsäuren und IGF-1 könnten protektiv wirken, sind aber bezüglich ROP nicht in Studien untersucht. ▶ Elektive Operationen und Impfungen sollten bei pre-threshold ROP vermieden werden. Nach eigenen Beobachtungen kann es zu Stresssituationen u. a. mit Apnoe, Sättigungsschwankungen und Progression einer ROP führen. ▶ Erhöhung der Sauerstoffzufuhr bei Erreichen von pre-threshold ROP (STOP-ROPStudie): • Die Erhöhung der angestrebten Sauerstoffsättigung auf 96 – 99 % im Vergleich zu 89 – 94 % zeigte einen kleinen, aber nicht signifikanten Rückgang der Behandlungen mit Kryo- oder Laserkoagulation. • In der Sekundäranalyse zeigte sich eine signifikante Reduktion der ROP-Progression in der Untergruppe der Kinder ohne Plus-Symptomatik. • Bei der 3-Mo-Kontrolle zeigte sich allerdings kein Unterschied im Befund der zentralen Netzhaut zwischen den Gruppen. • Die zusätzliche Sauerstoffgabe führte zu einer Zunahme der BPD-Rate, vor allem bei Kindern, die schon zuvor eher eine schlechte Lungenfunktion hatten und mit Diuretika behandelt wurden. ▶ Reduzierte Ziel-Sauerstoffsättigung ab Geburt (SUPPORT, BOOST-II-Studien): • Bei FG < 28. SSW führte eine angestrebte niedrigere Sauerstoffsättigung von 85–89 % ab Geburt zwar zu einer etwas geringeren ROP-Rate, aber auch zu einer höheren Mortalität und NEC-Inzidenz als eine Zielsättigung von 91–95 %. ▶ Unser vorsichtiges und derzeit praktiziertes Fazit [E1]: • Eine kontrollierte Sauerstofftherapie mit möglichst guter Überwachung aller Parameter. • Ziel-Sauerstoffsättigung bei ca. 88 – 95 %. • Vermeidung von Sättigungsschwankungen. Es erscheint pathophysiologisch begründbar, dass auch kurzzeitige Sättigungsabfälle sich ungünstig auf eine ROP auswirken. • Bei Erreichen einer pre-threshold ROP kann insbesondere bei Kindern ohne PlusErkrankung eine Erhöhung der Ziel-Sättigung auf 96–99 % für 2 Wochen erwogen werden. ▶ Vermeidung von Impfungen und elektiven Operationen bei pre-threshold ROP. 407

Weitere wichtige Krankheitsbilder

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408

17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC) Genzel, Schmittenbecher

Grundlagen ▶ Definition: Die NEC ist eine entzündliche Erkrankung, die disseminiert fleckförmig bis kontinuierlich im gesamten Gastrointestinaltrakt auftreten kann, meistens im terminalen Ileum und Colon ascendens. ▶ Leitlinie: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/024-009l_S2k_Nekrotisierende_Enterokolitis_2018-02.pdf ▶ Epidemiologie: • Häufigster gastrointestinaler und kinderchirurgischer Notfall bei Frühgeborenen, häufig mit septischem Schock assoziiert. • Die meisten Fälle sind sporadisch, aber epidemisches Auftreten wurde in Assoziation mit aeroben und anaeroben Bakterien sowie Viren berichtet. • Das NEC-Risiko ist nicht geschlechtsabhängig, aber die Mortalität ist bei Jungen höher. • Die Häufigkeit ist umgekehrt proportional zu Geburtsgewicht und Gestationsalter mit großen regionalen und zeitlichen Unterschieden. Die Inzidenz insgesamt liegt bei 0,1 – 0,3 % aller Neugeborenen, aber ist fast 10 × höher bei FG < 1500 g. (NEO-KISS-Daten 2006–2011: < 500 g: 8 %; 500–999g: 5 %; 1000–1499g: 1,3 %). ▶ Pathogenese: • NEC ist eine multifaktorielle Erkrankung. Der am häufigsten vertretenen Theorie zufolge spielt die Kombination aus intestinaler Minderperfusion (z. B. Vasokonstriktion als Reaktion auf entzündlichen Stimulus), Kolonisation mit potenziell pathogenen Erregern und zu resorbierender Nahrung bei immunologischer Unreife eine Rolle. • Auch wenn > 90 % der Frühgeborenen < 1500 g mit NEC (Bell-Stadium ≥ 2) enteral ernährt wurden, reduzierte ein enteraler Nahrungsbeginn nach 3–7 Tagen oder eine langsame Nahrungssteigerung (15–20 ml/kgKG/d versus 30–35 ml/kgKG/d) in randomisierten Studien die NEC-Inzidenz nicht. • Die NEC-Inzidenz wird nach statistischen Angaben durch die Dauer eines offenen Ductus arteriosus nicht verändert. Das Risiko, bei Therapie eines PDA eine NEC (bzw. ein FIP) zu entwickeln, war laut einer Cochrane-Analyse von 2013 mit Ibuprofen gegenüber Indometacin geringer (15 Studien [n = 865]; RR 0,68 [95 % CI 0.47 to 0.99]; NNTB 25 [95 % CI 13, infinity]). • Eine intrauterine Wachstumsrestriktion erhöht u. U. das NEC-Risiko. Bei Reifgeborenen mit NEC ist ein kardiales Vitium auszuschließen. ▶ Risikofaktoren: Postulierte Risikofaktoren wie Schock, PDA, Hypotension, Vitien (z. B. Aortenisthmusstenose), Polyglobulie, Austauschtransfusionen, perinataler Stress, Hypothermie, Hypoglykämie und Hypoxämie oder unverdünnte orale Gabe hyperosmolarer Medikamente beschreiben wahrscheinlich eher assoziierte Risiken einer Hochrisikopopulation. Außer mütterlicher Kokaineinnahme und kindlicher Unreife gibt es keine maternalen oder fetalen Faktoren, die das NEC-Risiko erhöhen. NEC kurz nach Transfusion von Ery-Konzentrat bei stabilen voll-enteral ernährten FG ist mehrfach beschrieben, aber die Ursache weiterhin unklar. ▶ Die fokale intestinale Perforation (FIP) bzw. singuläre intestinale Perforation (SIP) unterscheidet sich von der NEC. Kinder mit FIP sind noch unreifer und erkranken meistens bereits in der 1. Lebenswoche, während die NEC eher ab der 2. Lebenswoche beobachtet wird. Die endgültige Differenzialdiagnose beider Erkrankungen kann erst bei der Laparotomie gestellt werden. Die Prognose der FIP ist meistens besser als die einer NEC mit Perforation.

Klinik ▶ Meist sind nur (einige) wenige, u. U. sehr rasch progrediente Symptome vorhanden: • Allgemeines Krankheitsbild einer Sepsis. • Geblähtes Abdomen, sichtbare, stehende Darmschlingen, fehlende Peristaltik. • Magenrest, Erbrechen gallig, blutig. • Blutiger Stuhl, Diarrhö oder fehlender Stuhl. • Abdomineller Druckschmerz, Abwehrspannung. • Flankenrötung ist immer Spätsymptom einer Peritonitis

Diagnostik ▶ Häufige klinische Statuskontrollen. ▶ Kinderchirurgisches Konsil frühzeitig und wiederholt. ▶ Körperlicher Untersuchungsbefund: • Auskultation des Abdomens: Darmgeräusche spärlich bis fehlend? • Palpation des Abdomens: Resistenzen? Schmerzen? Abwehrspannung? Verlauf wichtig! • Flankenrötung bedeutet Peritonitis und damit Operationsindikation. ▶ Röntgen-Abdomen a.–p. in Rücken- und in Linksseitenlage mit horizontalem Strahlengang, u. U. mehrfach täglich: • Verdickte Darmwände, Pneumatosis (DD: Schaumiger Stuhl), Gas in Portalvenen, persistierende dilatierte Darmschlingen, Steigleiterphänomen (Ileus). • Freies Gas im Abdomen (Fußballzeichen im a.–p. Bild, Abb. 17.2). ▶ Cave: Freies Gas kann auch bei Pneumothorax und intaktem Darm vorkommen, ■ kann aber selbst bei Perforation fehlen! ▶ Cave: bei Beatmung mit FiO2 1.0: Abdomen kann völlig luftleer sein, trotz NEC! ■ • Radiologische Diagnostik nicht überschätzen! ▶ Sono-Abdomen: Verdickte Darmwände, Luft in den Darmwänden und in den Portalvenen (nur ohne NVK sig.); Beurteilung der Darmdurchblutung; freie Flüssigkeit; [E3]. ▶ Labordiagnostik: • Blutkultur (aerob). • Blutbild mit Differenzialblutbild und Thrombozyten (6-stdl. Kontrolle). Blutgasanalyse, Laktat. • Plasmatische Gerinnung, D-Dimere, Elektrolyte, Blutzucker. • Thrombopenie, metabolische Azidose und schwere refraktäre Hyponatriämie sind „klassisch“. • Stuhl bakteriologisch und virologisch (Rota-, Adeno-, Parvo- und Echoviren) untersuchen und Hämokult. ▶ Punktion der Bauchhöhle zum Nachweis bzw. Ausschluss einer Peritonitis/Perforation ist obsolet, aber evtl. Drainagen als Therapie (s. u.). ▶ Die endgültige Einschätzung der Schwere und Ausdehnung der Erkrankung kann teilweise erst bei der Laparotomie vorgenommen werden.

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

Einteilung ▶ Nach Bell (modifiziert von Welsh und Kliegmann). Erlaubt eine einheitliche Diagnose und Behandlung, die auf der Schwere der Erkrankung beruht. • Stadium I (Verdacht): Klinische Zeichen und Symptome, Subileus. • Stadium II (gesichert): Klinische Zeichen und Symptome und radiologisch Pneumatosis intestinalis. – a. Wenig krank. – b. Mäßig krank mit systemischer Toxizität. • Stadium III: Klinische Zeichen und Symptome, radiologische Pneumatosis intestinalis und kritisch krank. – a. Drohende Perforation. – b. Nachgewiesene Perforation. 409

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17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

a

b

c

d

Abb. 17.2 • Nekrotisierende Enterokolitis. a Intramurales Gas in Darmschlingen rechts, zahlreiche Gasbläschen in der Pfortader. b Prähepatische Gasansammlung, geteilt durch das Lig. teres (angedeutet sichtbar), sog. Fußballzeichen. Aufnahme a.–p. in Rückenlage. c Aufnahme a.–p. in Linksseitenlage: Leberspitze umgeben von freiem intraperitonealem Gas. d Ultraschall der Leber mit vielen Luftbläschen in den Lebergefäßen.

Differenzialdiagnose ▶ Mekoniumpfropf, gastrointestinale Fehlbildungen, iatrogene Perforation. ▶ Isolierte Perforation (s. u.).

Therapie ▶ Sofort enterale Ernährung und orale Medikamente absetzen, Magenablaufsonde. ▶ Parenterale Ernährung bei sicherer Diagnose NEC für bis zu 10 Tage (Abweichung von dieser Regel s. u.). ▶ Antibiotische Therapie wie bei Sepsis. Der Nutzen einer zusätzlichen Gabe von Metronidazol (Anaerobier) ist nicht bewiesen und wird kontrovers diskutiert. Andererseits besiedeln Anaerobier sehr früh den Darm bei Frühgeborenen und werden als Infektionserreger eher unterschätzt. ▶ Behandlung vorhandener Risikofaktoren (z. B. Duktusligatur) und Sepsisfolgen (Verbrauchskoagulopathie?). ▶ Ziel ist es, eine bessere Perfusion des Darmes zu erreichen. ▶ Bei Apnoen keine pharyngeale Beatmung → vermehrte Darmdistension → Verschlechterung der Darmperfusion.

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▶ Vorsichtiger Nahrungsaufbau 8(– 16) ml/kg KG/Tag möglichst mit Muttermilch, wenn das Abdomen klinisch wieder unauffällig ist. Wenn kein Gas in der Portalvene mehr nachzuweisen ist, ist ein Nahrungsbeginn möglich. Bei Patienten mit NEC Stadium I und negativ bleibendem CRP kann die antibiotische Therapie frühzeitig beendet und der enterale Nahrungsaufbau begonnen werden [E3]. ▶ Unterstützung des Kreislaufs mit Volumengaben (bevorzugt FFP wegen der Gerinnungsfaktoren). ▶ Metabolische Azidose: Bessert sich häufig nach Volumensubstitution, Elektrolytverschiebungen korrigieren. ▶ Thrombopenie großzügig mit Thrombozytenkonzentrat ausgleichen. ▶ Hämatokrit sollte > 35 % sein. ▶ OP erforderlich bei Perforation oder (meist) Peritonitis, frühzeitig kinderchirurgisches Konsil! CRP-Verlauf, ggf. persistierendeThrombozytopenie und/oder Azidose als Indikatoren für OP-Indikation. Ein Neugeborenes mit NEC muss in einer Kinderklinik mit neonatologischem Schwerpunkt bzw. Zentrum und einer kinderchirurgischen Abteilung behandelt werden. Die regelmäßige, möglichst gemeinsame Evaluation der klinischen Symptomatik durch Neonatologen und erfahrene Kinderchirurgen alle 3 – 6 h ist absolut notwendig. ▶ Prinzip der operativen Intervention: Bevorzugt früh im Verlauf einer NEC Anus praeter anlegen; nichts bzw. möglichst wenig vom Darm resezieren, da extrem ausgeprägte Regenerationsfähigkeit selbst bei vermeintlich nekrotischem Darm; eventuelle Sekundärlaparotomie muss in Kauf genommen werden. Eine Peritoneallavage ist obsolet. ▶ Abdominelle Drainage vor oder statt der Laparatomie hat bisher in der einzigen randomisierten Studie keinen Vorteil, aber auch keinen Nachteil gezeigt [E2]. Evtl. beeinträchtigt der in situ belassene und nicht entlastete nekrotische Darm durch persistierende Inflammation Wachstum und Entwicklung. ▶ Eine Resektion nekrotischer Darmanteile mit direkter Anastomose wird vereinzelt propagiert, hat aber bisher außerhalb selektionierter Kollektive keine Verbreitung gefunden. ▶ Analgesie mit Morphin kann die Symptome verschleiern! Wenn jedoch Entscheidung zur OP getroffen ist, Dauerinfusion mit Morphin 0,005 – 0,01 mg/kg KG/h. ▶ 8 – 10 Tage postoperativ beginnen, den aboralen Schenkel des Stomas mit Glukose 5 % und NaCl 0,9 % im Verhältnis 1:1 zu spülen: • Beginn 1 ml/h, steigern bis zu 10 ml/h. Bei starkem Rückfluss an sekundäre Atresie denken. • Nach einigen Tagen bei nachgewiesener Durchgängigkeit evtl. auch Muttermilch bzw. Alfaré oder noch besser Stuhl aus Stoma einfüllen. Konditioniert distalen Dünndarm und Kolon.

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17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

Prognose und Prophylaxe ▶ Prognose: • Die Letalität beträgt 20 – 40 %. • 10 % aller NG mit NEC haben Ernährungs-, Verdauungs- und Gedeihprobleme infolge von Resorptionsstörungen, bes. bei Kurzdarmsyndrom. • Rezidive sind möglich, aber extrem selten. • Ca. 25 % aller wegen einer NEC operierten NG müssen längerfristig parenteral ernährt werden, ca. 8 % entwickeln ein Kurzdarmsyndrom. Postoperativ besteht bei ausgedehnter NEC im längerfristigen Verlauf das Risiko eines Ileus durch Verwachsungen. Dies kann jedoch auch bei konservativ behandelten Kindern auftreten. • Für Patienten mit Kurzdarmsyndrom gibt es verschiedene Methoden der operativen Darmverlängerung. Die Dünndarmtransplantation ist wegen der immer noch hohen Letalität und Morbidität nur eine Option, wenn eine parenterale Ernährung nicht mehr möglich ist, z. B. weil keine venösen Zugänge mehr verfügbar 411

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17.2 Nekrotisierende Enterokolitis (NEC)

sind. Die Ergebnisse sind bei kombinierter Leber-Dünndarm-Transplantation (z. B. bei Leberschädigung durch langzeitparenterale Ernährung) besser als bei isolierter intestinaler Transplantation. Kinder mit Kurzdarmsyndrom sollten in entsprechenden kindergastroenterologischen Zentren betreut werden. ▶ Prophylaxe: • Lungenreifung pränatal reduziert das NEC-Risiko. • Muttermilch enthält Wachstumsfaktoren, Antikörper, zelluläre Immunfaktoren und „platelet-activating factor acetylhydrolase“ (PAF-Azetylhydrolase). Alle diese Faktoren könnten zu einer niedrigeren Inzidenz der NEC bei muttermilchernährten FG beitragen. Wahrscheinlich werden diese Faktoren beim Pasteurisieren zum größten Teil zerstört, s. Stillen und CMV (S. 179), [E2]. Das Laktoferrin der Muttermilch wirkt protektiv, ist im Kolostrum am höchsten und sinkt im Laufe der Zeit ab. • Ein protektiver Effekt durch Immunglobuline i. v. oder oral ist nicht nachgewiesen [E1]. • Art der Beatmung (konventionell/Hochfrequenzoszillation) und der Duktustherapie (Ligatur/Indometacin) hat keinen Einfluss auf die NEC-Häufigkeit. • Orale Antibiotikaprophylaxe verringert das NEC-Risiko, bringt aber andere Probleme (Resistenzinduktion) mit sich. • Gabe unverdünnter hyperosmolarer Medikamente vermeiden. • Präbiotika: Bisher nur Nachweis einer besseren Kolonisation mit Bifidus-Bakterien, aber keine Studie zur NEC-Risikoreduktion vorhanden • Probiotika: Es gibt derzeit nicht genug Studiendaten, um Probiotika bei sehr kleinen Frühgeborenen in der klinischen Routine als sichere und effektive Prävention außerhalb von Studien einzusetzen. Eine statistisch signifikante Senkung der NEC-Inzidenz ist bisher nur bei Stationen mit relativ hoher NEC-Inzidenz und bei Patienten mit höheren Gewichten nachgewiesen. In dieser Situation kann eine Prophylaxe angebracht sein.

Isolierte Darmperforation ▶ Eine lokalisierte isolierte Darmperforation, als eigenes Krankheitsbild, abgegrenzt gegenüber der NEC, wird immer häufiger beobachtet, insbesondere bei sehr unreifen Frühgeborenen. Intraoperativ findet sich eine isolierte Perforation ohne ausgedehnte Nekroseherde. Meistens sind die betroffenen Frühgeborenen nicht so schwer krank und haben seltener eine ausgeprägte Azidose sowie eine Leuko- und Thrombopenie. ▶ Die Ätiologie ist unbekannt, aber eine Einschränkung oder Unterbrechung der lokalen Blutversorgung wird vermutet. Indometacin, Ibuprofen, Steroidgabe, besonders in Kombination, und Nabelarterienkatheter, scheinen das Risiko zu erhöhen. Eine Candidainfektion wird diskutiert, unklar ob Ursache oder sekundäre Durchwanderung, aber daher Kultur auf Pilze bei Laparotomie bedenken. ▶ Therapie s. o. NEC und Leitlinien der AWMF. ▶ Explorative Laparotomie und aufgrund der erheblichen Frühgeburtlichkeit der Kinder Ausleitung der Perforationsstelle als doppelläufiger Anus praeter bevorzugt. Bei stabilem Kind und sicherem Ausschluss einer NEC direkte Anastomose nach sehr sparsamer Resektion möglich.

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17.3 SIDS/ALTE Thilmany

Definitionen ▶ SIDS (sudden infant death syndrome, crib death, cot death), dt. plötzlicher Kindstod: plötzlich eintretender Tod im ersten Lebensjahr, der sich postmortal durch Obduktion, Todesumstände und Anamnese nicht klären lässt. ▶ ALTE (apparent life-threatening event): Plötzlich auftretendes, unerwartetes, lebensbedrohlich wirkendes Ereignis, bei dem der Säugling eines oder eine Kombination folgender Symptome zeigt: • Veränderung der Farbe (blau, extrem blass, selten auch rot), • Veränderung des Tonus (meistens steif, selten schlaff), • Apnoe (selten auch obstruktive Atmung), Husten und Würgen. ▶ Die Definition ist nur erfüllt, wenn die Betreuungsperson eine Stimulation durchführen oder Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten musste.

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.3 SIDS/ALTE

Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens ▶ SIDS ist derzeit die häufigste Todesursache von Säuglingen. Die Inzidenz liegt derzeit in Deutschland bei 0,3 pro 1000 Lebendgeburten. SIDS betrifft per definitionem nur Säuglinge (Peak 2. – 4. Lebensmonat). ▶ ALTE haben eine Inzidenz zwischen 0,05 und 1 %.

Ursachen und Risiken ▶ SIDS: Die Ursache ist definitionsgemäß unklar. Statistisch (nicht unbedingt kausal) besteht ein erhöhtes Risiko bei: • Frühgeborenen und Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht. • Schlafen in Bauchlage. • Verwendung von weichen Matratzen, Decken, Kopfkissen oder Kuscheltieren beim Schlafen. • Schlafen in einem Bett mit den Eltern. • Überhitzung. • Nicht gestillten Kindern. • Psychosozialer Belastung, später bzw. fehlender Schwangerenvorsorge oder jungem Alter der Mutter. • Rauchen während der Schwangerschaft bzw. Passivrauchen nach der Geburt. • Geschwistern von Kindern mit SIDS. ▶ ALTE: In etwa 50 % der Fälle kann eine spezifische Ursache für das ALTE gefunden werden. In den restlichen Fällen bleibt die Diagnose kryptisch. Mögliche Ursachen in absteigender Häufigkeit sind: • Gastroösophagealer Reflux oder Schluckstörung, kombiniert mit Laryngospasmus. • Neurologische Probleme (Krampfanfälle, intrazerebrale Pathologien, Hypoventilation). • Infektionen. • Erkrankungen des Herzens und der großen Gefäße. • Atemwegsobstruktion (anatomisch oder funktionell). • Gastrointestinale Störungen (Volvulus, Invagination). • Stoffwechselerkrankungen. • Allergische Reaktionen. • Vergiftungen. • Kindesmisshandlung, Münchhausen-by-proxy-Syndrom.

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Weitere wichtige Krankheitsbilder

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17.3 SIDS/ALTE

Empfehlungen für Eltern zur Risikominimierung des plötzlichen Kindstodes ▶ Leitlinie plötzlicher Säuglingstod der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin – Arbeitsgruppe Pädiatrie (September 2012): • Legen Sie Ihr Kind zum Schlafen auf den Rücken; benutzen Sie dabei eine feste Unterlage. • Achten Sie auf eine rauchfreie Umgebung für Ihr Kind auch schon während der gesamten Schwangerschaft. • Vermeiden Sie Überwärmung: Während der Nacht ist eine Raumtemperatur von 18 °C optimal, anstelle einer Bettdecke empfiehlt sich die Verwendung eines Baby-Schlafsacks in altersentsprechender Größe. Im Zweifelsfall fühlen Sie zwischen den Schulterblättern, ob sich die Haut warm, aber nicht verschwitzt anfühlt: dann ist es Ihrem Kind weder zu warm noch zu kalt. • Falls Sie keinen Schlafsack verwenden möchten, achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht mit dem Kopf unter die Bettdecke rutschen kann, indem Sie es so ins Bett legen, dass es mit den Füßen am Fußende anstößt. Verzichten Sie auf Kopfkissen, Fellunterlagen, „Nestchen“, gepolsterte Bettumrandungen und größere Kuscheltiere, mit denen sich Ihr Kind überdecken könnte. • Lassen Sie Ihr Kind bei sich im Zimmer, aber im eigenen Kinderbett schlafen. Stillen Sie im 1. Lebensjahr, solange es Ihnen möglich ist. • Bieten Sie Ihrem Kind zum Schlafengehen einen Schnuller an (kein Zwang, d. h. z. B. keine Re-Platzierung des Schnullers beim schlafenden Kind!).

Vorgehen bei ALTE

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▶ Großzügige stationäre Aufnahme zur kardiorespiratorischen Überwachung und Dokumentation. ▶ Anamnese: • Exakte Umstände des Ereignisses. • Von der Betreuungsperson durchgeführte Maßnahmen. • Einordnung, ob echtes ALTE oder nicht. • Begleitsymptome, Grunderkrankung. • Vorgeschichte (Schwangerschaft, Geburt, Vorerkrankungen). • Familien- (plötzliche/ungeklärte Todesfälle in der Familie?), Sozial- und Umgebungsanamnese (Zugang zu Medikamenten/Giften). ▶ Körperliche Untersuchung: • Vitalparameter. • Entwicklungsstand. • Neurologische Auffälligkeiten. • Atemstörungen (Dyspnoe, Stridor, Rhinitis, Giemen, faziale Dysmorphien). • Auffälligkeiten des Herz-Kreislauf-Systems (Herzgeräusch, Puls- oder Blutdruckdifferenz zwischen oberer rechter und unterer Extremität). • Hinweise auf Gewalteinwirkung (Hämatome, Verletzungen, Pflegezustand)? ▶ Apparative Untersuchungen: • Basisuntersuchungen (wenn Verdachtsdiagnose ALTE bestätigt und wahrscheinliche Ursache anamnestisch oder durch körperliche Untersuchung nicht sicher identifizierbar): – Blutbild, Differenzialblutbild, Blutzucker, Blutgasanalyse, Elektrolyte (inkl. Kalzium und Magnesium), Harnstoff, CRP, Ammoniak, Laktat. – Urinstatus und –toxikologie. – EKG. – Röntgen-Thorax. • Weiterführende Untersuchungen (abhängig von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Ergebnis der Basisuntersuchungen): – Lumbalpunktion, Blut- und Urinkultur. – Untersuchung auf Atemwegspathogene.

– Bronchoskopie. – Weiterführende Stoffwechseluntersuchungen in Rücksprache mit einem Zentrum (z. B. Pyruvat, Aminosäuren im Plasma, organische Säuren im Urin, Acylcarnitine im Plasma). – pH-Metrie bzw. multiple intraluminale Impedanzmessung. – Ösophagusbreischluck. – Schädelsonografie, zerebrale Schnittbildgebung. – EEG. – Echokardiografie. – Doppleruntersuchung der A. vertebralis mit Kopfwendemanöver. – Radiologischer Skelettstatus (Frakturen), Fundoskopie. – Polysomnografie.

Heimmonitoring ▶ Ca. 10 %iges Wiederholungsrisiko im ersten Monat nach ALTE (v. a. in den ersten 24 Stunden). ▶ Mögliche Risikofaktoren für Wiederholung: Unreife/Frühgeburt, mehrere vorangegangene ALTE oder virale Infektion der Atemwege. ▶ Die Indikation zur Heimmonitorüberwachung muss individuell gestellt werden. Hierbei sind auch elterliche Faktoren zu berücksichtigen. ▶ Mögliche Indikationen (ohne Evidenz): • Frühgeborene, die mit stimulationsbedürftigen Apnoen oder unter Koffeintherapie nach Hause entlassen werden. • Geschwister von SIDS-Kindern. • Kinder nach echtem ALTE (Risiko für SIDS nach ALTE insgesamt aber wahrscheinlich < 1 %). ▶ Beachte: Es gibt keinen Beweis, dass sich die Mortalität durch SIDS mittels Heimmo■ nitoring senken lässt, wohl aber anekdotische Fälle, die dies möglich erscheinen lassen. ▶ Geeignet sind nur speicherfähige Monitore, die neben der Atemtätigkeit auch die Herzfrequenz aufzeichnen (Schnappatmung kann fälschlicherweise als adäquate Atemtätigkeit gewertet werden, sodass die Erkennung der Bradykardie unabdingbar ist). ▶ Bei Entlassung mit Monitor sollte Folgendes im Vorfeld erfolgt sein: • Elterliche Reanimationsübung unter ärztlicher Anleitung an einer Übungspuppe. • Aushändigen eines Merkblattes „Maßnahmen bei Monitoralarm“. • Vereinbarung eines Termins zur Monitorauswertung. • Eltern auf Häufigkeit von Fehlalarmen hinweisen.

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.3 SIDS/ALTE

Vorgehen im Todesfall ▶ Auf dem Todesschein muss „ungeklärte Todesursache“ angekreuzt werden. Damit kommt es in der Regel zu einer rechtsmedizinischen Obduktion. ▶ Ggf. kann in Rücksprache mit der Rechtsmedizin bereits im Vorfeld Material für spätere Untersuchungen asserviert (S. 362) werden (Hautbiopsie, Leberbiopsie, Muskelbiopsie, Plasma, Urin, Liquor). ▶ Foto vom Kind der Akte beilegen, ggf. den Eltern einen Abzug mitgeben. Manchmal entsteht der elterliche Wunsch nach einem Foto erst Wochen später. ▶ Eltern aktiv Gespräch anbieten. Eltern darauf vorbereiten, dass die Kriminalpolizei grundsätzlich primär dazu verpflichtet ist, der Todesursache nachzugehen. ▶ Professionelle Hilfen: • Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod e. V. (GEPS-Deutschland e. V.): http://www.geps.de. • Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland e. V.: http://www.veid.de. • Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft“ e. V.: www.initiative-regenbo

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17.4 Veränderungen der Haut und der Gefäße

17.4 Veränderungen der Haut und der Gefäße Genzel

Transiente Hautveränderungen der Neugeborenenperiode ▶ Milien: Hauptsächlich bei reifen Neugeborenen. Multiple weiße oder blassgelbe Papeln oder Zysten im Gesicht, besonders an Nase, Kinn und Stirn. Histologisch epidermale Zysten in Verbindung mit Haarbalgfollikeln. Selbstlimitierend, keine Therapie. ▶ Talgdrüsenhyperplasie: Ähnlich wie Milien, verursacht durch maternale Androgenstimulation. ▶ Erythema toxicum: Maculae, Papeln und auch Bläschen meist am 1. – 2. Lebenstag am Stamm. Bei 50 – 70 % der reifen Neugeborenen; mit absteigender Reife seltener. Ursache unbekannt. Selbstlimitierend, keine Therapie. ▶ Transiente neonatale pustuläre Melanosis: Auftreten bei 2 – 5 % der reifen afrikanischen und bei 1 % der reifen europäischen Neugeborenen. Kleine Papeln, Bläschen, Pusteln und hyperpigmentierte Flecken meistens an Stirn, Hals, Rücken und Schienbein. Die Bläschen platzen leicht, nachfolgend Schuppung und Hyperpigmentation. Selbst limitierter Verlauf, keine Therapie erforderlich. Beachte: DD S.-aureus, Candida- und Herpesinfektionen. Tab. 17.1 • Transiente Hautveränderungen bei Neugeborenen. Erythema toxicum

Trans. neon. pust. Melanose

Acne neonatorum

Miliaria cristallina

Miliaria rubra

Epidemiologie

bis 70 %

bis 5 %

bis 30 %

selten

selten bei Neugeborenen

Manifestationsalter

24–48 h

bei Geburt

3 Wochen

bei Geburt bis frühe Kindheit

Tage bis Wochen

Morphologie

Papeln und Pusteln, Erythem

Papeln und Pusteln ohne Erythem

Papeln und Pusteln auf erythematösem Grund

klare Vesiculae ohne Erythem

Papulovesikel mit Erythem

Prädilektionsstellen

Palmae und Planate ausgespart

auch Palmae und Plantae

Gesicht

Kopf, Hals, Stamm, Windelbereich

Beugen

Ätiologie

unklar

unklar

Androgene, ggf. Malassezia furfur

Verlegung der Schweißdrüsenausführungsgänge (Str. corneum)

Inflammation (Dermis)

Verlauf/ Therapie

spontane Heilung nach 7–10 Tagen

Hyperpigmentierung

spontan, ggf. Ketokonazol

Überwärmung vermeiden

Überwärmung vermeiden, evtl. Zinklotio

Pigmentstörungen ▶ Mongolenfleck: Grau- bis schwarzblaue Pigmentierung zumeist lumbosakral, kann aber auch an der Schulterregion, den Armen, Beinen und im Gesicht auftreten oder den ganzen Rücken betreffen. Gehäuft bei dunkel pigmentierter Bevölkerung. Ent416









stehung durch Infiltration der Melanozyten tief in die Dermis. Keine Therapie, bildet sich im Verlauf von Monaten zurück. Café-au-lait-Flecken: • Nicht erhabene, braune, runde oder ovale Pigmentierung mit glattem Rand. Wenige kleine Café-au-lait-Flecken kommen bei 10 % der Bevölkerung vor. • Bei auffällig vielen oder großen Flecken sollte stets an eine Neurofibromatose oder eine tuberöse (Hirn-)Sklerose gedacht werden! > 5 Café-au-lait-Flecken > 5 mm, besonders falls > 3 cm oder axilläre Lokalisation. • Keine Therapie möglich/nötig. Nävi: • Junktionalnävi: Braun oder schwarz, flach oder nur minimal erhaben, benigne. • Riesenpigmentnävi: Behaart, ledern und oft sehr großflächig. Gelegentlich sind tiefere Strukturen (ZNS) ebenfalls betroffen. < 10 % können entarten, daher Exzision oder Abschleifen im Kindesalter. • Verbundnävi: Ähneln den Junktionalnävi, sind jedoch meist größer, oft haarig, betreffen Dermis und Epidermis und können ebenfalls entarten. Peutz-Jeghers-Syndrom: Neugeborene können bereits bei Geburt multiple hyperpigmentierte Läsionen, besonders im und um den Mund und die Nase, aber auch an Händen und Fingern haben. Später Darmpolypen und gehäuftes Risiko der Invagination. Hypopigmentierte Läsionen: Meist am Stamm oder Gesäß lokalisiert; an tuberöse Hirnsklerose denken!

17 Weitere wichtige Krankheitsbilder

17.4 Veränderungen der Haut und der Gefäße

Sonstige Anomalien der Haut ▶ Hautanhängsel und Grübchen: Können Hinweis auf einen Dermalsinus geben. Sondieren! ▶ Überzählige Brustwarzen: Ohne klinische Relevanz. ▶ Ichthyosen: Verhornungsstörung und/oder trockene schuppende Haut. Die verschiedenen Formen unterscheiden sich in Erbgang, Schweregrad, Alter bei Manifestation, Verteilungsmuster, histologischem und elektronenmikroskopischem Befund: • Ichthyosis vulgaris: Am häufigsten auftretende Form (1:300 bis 1:1000); autosomal-dominanter Erbgang; in der Ausprägung sehr variabel. Störung des Verhältnisses von Verhornung und Abschilferung. Betroffen vorwiegend Rücken, Streckseiten der Extremitäten, Wangen. Beugen sind ausgespart. • Ichthyosis congenita: Sehr seltene Form (1:100 000); meist autosomal-rezessiver Erbgang. Unterschiedliche Ausprägung. Bei der Schwerstform (Harlekin) Haut lederartig verdickt, Ektropium der Augenlider mit hohem Letalitätsrisiko. Konsequente Behandlung mit Fettsalben oft hilfreich (dermatologisches Konsil!). ▶ Epidermolysen: Es gibt verschiedene Formen mit Unterschieden bei Ausprägung, Erbgang, Prädilektionsstellen, Ausheilung und histologisch oder ultrastrukturell fassbarer Etage der Kontinuitätstrennung. Dermatologisches Konsil! • Typ Weber-Cockayne: Dominanter Erbgang; Blasen an den Füßen bei Belastung. • Typ Herlitz: Rezessiver Erbgang; Mundschleimhaut und Ösophagus betroffen, letaler Verlauf. • Typ Hallopeau-Siemens: Rezessiver Erbgang; schwere Verstümmelung durch Narbenbildung.

Störungen der Gefäße ▶ „Storchenbiss": Auftreten im Bereich des Nackens, der Stirn, der Augenlider oder nasolabial bei 30 – 40 % der Neugeborenen. „Storchenbisse“ bestehen aus erweiterten dermalen Kapillaren und verschwinden im 1. Lebensjahr (nicht im Nacken). ▶ „Feuermal“ (Naevus flammeus): Flache bis minimal erhabene, scharf umschriebene vaskuläre Fehlbildung, zumeist im Gesicht und unilateral. 417

Weitere wichtige Krankheitsbilder

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17.4 Veränderungen der Haut und der Gefäße

• Sturge-Weber-Syndrom: Naevus flammeus im Bereich des 1. und 2. Astes des Trigeminusnervs mit Angiomatose des ipsilateralen Auges und Glaukom, intrakraniellen Angiomen, Verkalkungen und neurologischen Symptomen. • Klippel-Trénaunay-Syndrom: Naevus flammeus einer ganzen Extremität mit Venektasien, arteriovenösen Shunts sowie Weichteil- und Knochenhyperplasien. Behandlung: Lasertherapie der Haut, operative Verkleinerung von Riesenhämangiomen. ▶ Hämangiome: gutartige Gefäßtumore, die bei Frühgeborenen mit einer erhöhten Inzidenz von 10–15 % auftreten. Sie entstehen in über 90 % in den ersten postnatalen Wochen, wachsen maximal bis zum 8. – 9. Monat und bilden sich nach einer Stagnationsphase ab dem Ende des ersten Lebensjahres wieder zurück. Wenn während der Wachstumsphase funktionelle und ästhetische Probleme drohen, sollten sie behandelt werden. Schwere Verläufe sind bei segmentalen Hämangiomen (z. B. PHACE-Syndrom) zu erwarten. • Therapie der Wahl ist inzwischen die Behandlung mit Propranolol (Zulassung liegt vor). Wegen der blutdruck-, puls- und blutzuckersenkenden Wirkung müssen Kinder stationär überwacht werden (BZ, Blutdruckmessung und Herzecho). • Alternativ kommen noch Kryo-Laserbehandlungen in Frage. Cortison- und α-Interferon sind wegen ihrer massiven Nebenwirkungen obsolet. ▶ Singuläre Nabelarterie: • Schwere Fehlbildung, z. B. Trisomie 18, Omphalozele. • 10 % Nierenfehlbildungen versus 8 % in der Normalpopulation.

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Kinderchirurgie

18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder Schmittenbecher

Vorbemerkung

18 Kinderchirurgie

18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder

▶ Bei jedem Verdacht auf eine initial oder frühzeitig chirurgisch zu behandelnde Fehlbildung sollte pränatal ein Konsil zwischen Eltern, Geburtshelfer, Kinderchirurgen (oder je nach lokaler Versorgungszuständigkeit anderen Operateuren, z. B. Neurochirurgen) und Neonatologen stattfinden. Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem vordringlichen Problem und den Vorgaben der Eltern und wird von der Ausprägung der Erkrankung und der Prognose des Kindes bestimmt! ▶ Checkliste für kinderchirurgische Patienten (pränatal): • Wie ist der exakte letzte Ultraschallbefund? • Neonatologischen Oberarzt und Kinderchirurgen hinzuziehen? • Wie beurteilen die Kinderchirurgen das Procedere und die Prognose? • Welcher Geburtsmodus ist geplant?

Neuralrohrdefekte (Enzephalozele, Meningomyelozele) ▶ Grundlagen: • Eine gestörte Entwicklung des Neuralrohres und der Neuropore mündet in einem weiten Spektrum von Anomalien, das von einer Spina bifida occulta bis zur Anenzephalie reicht. • Eine perikonzeptionelle Folsäureprophylaxe (Folsäure 0,4 mg/Tag bei allen Frauen im gebärfähigen Alter; Folsäure 4 mg/Tag bei Risikofaktoren wie vorhergegangener Schwangerschaft mit Neuralrohrdefekt) verringert das Risiko. • Bei 95 % der Neuralrohrdefekte handelt es sich um Defekte, die zwischen dem 18. und 28. Tag der Gestation entstehen. Favorisiert wird heute jedoch die „second hit“-Theorie, die davon ausgeht, dass es in den letzten Schwangerschaftswochen zu einer additiven sekundären Schädigung der offen liegenden Neuralstrukturen durch die Exposition gegenüber Inhaltsstoffen der Amnionflüssigkeit kommt. • Die aus primären Neuralrohrdefekten resultierenden Fehlbildungen bestehen aus einer offenen oder geschlossenen Läsion des Neuralrohrs und der meist begleitenden Arnold-Chiari-II-Malformation (Malformation der Pons und Medulla, kaudale Verdrängung des Zerebellums und des 4. Ventrikels) mit Aquäduktstenose und Hydrozephalus. Kraniorhachischisis und Anenzephalie sind die schwersten Ausprägungen und mit dem Leben nicht zu vereinbaren. • Alle offenen Defekte sollen wegen der Infektionsgefahr dringlich versorgt werden. • Haarbüschel, Verfärbungen, Schwellungen und Grübchen entlang der gesamten Neuralachse stellen Hinweise auf eine okkulte Fehlbildung dar. • Intrauterines MR erwägen. ▶ Besonderheiten bei der Erstversorgung: • Bei bekanntem Defekt primäre Sectio caesarea empfehlen, um Infektion und Ischämie der Neuralstrukturen zu vermeiden. • Obligat: Pädiater im Kreißsaal, Kinderchirurgen informieren, ggf. hinzuziehen! • Nur latexfreies Material (Handschuhe) verwenden. • Steriles Arbeiten wie im OP, bis der offene Defekt durch einen sterilen Plastikbeutel bedeckt ist (versorgende Pädiater in OP-Kleidung mit Haube und Mundschutz; steril abgedeckter Tisch). • Bei offener Zele Urinbeutel kleben oder Katheter legen (Urinkontamination wegen lokaler Irritation vermeiden), anschließend das Kind bis zu den Achseln in einen sterilen Plastiksack packen.

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18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder

• Antibiotische Therapie (Cefotaxim oder Ampicillin), um Meningitisrisiko zu verringern. • Transport: In Seiten- oder Bauchlage und nur in stabilem Zustand. • OP-Indikation: Hängt vom Zustand der Zele ab (früh/dringlich bei offener Zele). • OP-Einwilligung (am besten schriftlich): wenn die Eltern erreichbar sind. Besser: Eltern begleiten den Transport. • Präoperativ exakten Status erheben: Neurologisch, orthopädisch sowie Sonografie des Gehirns.

Hydrozephalus ▶ Siehe auch Kapitel Hydrozephalus (S. 390).

▶ Beachte: Beim konnatalen Hydrozephalus hat der Hirndruck im Prinzip schon Wo■

chen bestanden! ▶ OP-Indikation dringlich, aber in der Regel kein Notfall. ▶ Klärung der Ursache (Infektion, Fehlbildung, Tumor, abgelaufene Blutung) durch MR. ▶ Diagnostik: postnatal US und MRT (pränatales MRT ersetzt nicht das postnatale!).

Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte ▶ Erstversorgung: • Frühzeitig Gaumenplatte anfertigen lassen, mit Habermann-Saugern füttern. • Stillen ist extrem schwierig, Mütter können aber abpumpen und Muttermilch per Flasche füttern. ▶ Operativer Verschluss: unterschiedliche Konzepte; Verschluss der Lippe und des weichen Gaumens meist mit ca. 3 Monaten; Fotos anderer Kinder vor und nach operativer Korrektur zeigen.

Choanalatresie ▶ Definition: Kongenitale Blockade der posterioren Nares durch eine Persistenz eines Knochenseptums (90 %) oder einer Membran (10 %). ▶ Klinik: Eine bilaterale Choanalatresie führt unmittelbar nach Geburt zu respiratorischen Schwierigkeiten, da Neugeborene als obligate Nasenatmer häufig nicht auf das Atmen durch den Mund umschalten können. ▶ Diagnostik: Die Diagnose wird durch die Unmöglichkeit, eine Sonde durch die Nares zu schieben, gestellt. ▶ Erstversorgung: Bis zur operativen Therapie kann das Atmen mit einem Oropharyngealtubus (Guedel-Tubus) erleichtert werden. Dieser darf aber nicht zu tief platziert werden, da sonst Würgereiz und Erbrechen auftreten. ▶ Beachte: Schreiende Neugeborene atmen immer durch den Mund! ■

Obstruktionen des Gastrointestinaltraktes ▶ Grundlagen: • Je nach Höhe der Obstruktion steht entweder das Erbrechen (duodenale Obstruktion, z. B. Pancreas anulare), dann auch zumeist gallig, oder die abdominelle Distension (Mekoniumpfropf, Morbus Hirschsprung) im Vordergrund. Ultraschallund Röntgenübersichtsaufnahmen führen in der Regel zur Diagnose. ▶ Beachte: Wichtig ist der Ausschluss eines Volvulus, der notfallmäßig der chirurgi■ schen Therapie zugeführt werden muss. ▶ Ösophagusatresie: • Ursache: Defekt entsteht in der 8.– 10. SSW. • Assoziierte Fehlbildungen: Vertebral- und Skelettdefekte, Analatresie, Nierendysplasien (VACTERL-Assoziation), Chromosomenanomalien. In 21 % Frühgeburtlichkeit (wegen Polyhydramnion), in 19 % untergewichtige Kinder (SGA). • Einteilung: 10 – 12 cm kaudal der Nasenöffnung blind endender Ösophagus. In ca. 85 % mit distaler tracheoösophagealer Fistel kombiniert (Typ IIIb); Typ II (ohne 420

Fistel) meist langstreckig; in ~50 % pränatal diagnostiziert, da nur indirekt aus fehlender/kleiner Magenblase und Polyhydramnion zu vermuten. • Klinik: Pränatal Polyhydramnion, postnatal Speichelfluss, Erbrechen und evtl. respiratorische Symptomatik. • Entbindungszeitpunkt und -modus: Kind möglichst austragen, primär keine Sectio anstreben. • Erstversorgung: – Schlürfsonde (Absaugkatheter in Ösophagusstumpf) legen, Sog 5 cmH2O, Oberkörperhochlagerung (ca. 45°). – Endotracheale Intubation nur bei respiratorischer Insuffizienz. Die Fistel ist meistens in der Nähe der Karina lokalisiert. ▶ Cave: Intubation der Fistel! Grundsätzlich sollte die Intubation wegen der ■ Überblähung des Gastrointestinaltraktes möglichst vermieden werden (wenn nötig: Beatmung mit hoher Frequenz, aber niedrigem Druck). – Prophylaktische antibiotische Therapie wegen der Gefahr einer Pneumonie (S. 245). • Diagnostik: Thorakoabdominales Babygramm (Unterkiefer bis etwa Nabelhöhe), dabei Luftinsufflation als Kontrast. Mögliche Befunde sind: – eine umgeschlagene Magensonde oberhalb der Karina und/oder ein luftgefüllter Blindsack zeigen die Ausdehnung des oberen Segmentes an. – Luft im Darm als Hinweis auf eine tracheoösophageale Fistel. – Distanz oberes Segment/Karina maximaler Abstand der beiden Stümpfe. ▶ Cave: Kontrastmittelgabe zur Diagnose nur sehr selten indiziert; eine proxima■ le Fistel (Typ IIIa oder IIIc) ist besser tracheoskopisch zu diagnostizieren. • Therapie: Korrektur am 1./2. Lebenstag; Thorakotomie oder Thorakoskopie rechts und meist direkte (extrapleurale) Anastomose; nur bei langstreckigen Atresien (v. a. Typ II und IIIa ohne distale Fistel) initiale Gastrostomie zur Ernährung und verzögerte Rekonstruktion. • Prognose: Die Ösophagusatresie hat bei reifen Kindern ohne weitere Fehlbildungen eine gute Prognose. ▶ Duodenalobstruktion: • Ursache: Angeborene Hemmungsfehlbildung (Atresie) oder Anlagestörung des Pankreas (P. anulare); bei membranöser Obstruktion unklare Ursache. • Assoziierte Fehlbildungen: In 70 % mit weiteren Fehlbildungen assoziiert, z. B. Trisomie 21, Herzfehler, Ösophagusatresie, Malrotation, Dünndarm-, Analatresien. • Einteilung: Pankreas anulare, Duodenalatresie, Duodenalstenose. • Klinik: – Polyhydramnion. – Hoher Ileus mit postnatal galligem Erbrechen, Blähung im Oberbauch. Mekonium wird häufig in den ersten 24 h abgesetzt, danach nicht mehr. – Verschlussikterus bei Choledochuskompression durch dilatierten Blindsack. – Pankreatitis bei Stauung des Gangsystems, fallweise Hyperglykämie infolge des Hyperinsulinismus. • Entbindung und Erstversorgung: keine Besonderheiten. Magenablaufsonde. • Diagnostik: – Sonografie: Duodenum als flüssigkeitsgefüllte Zyste, Fehlanlage des Pankreas bei Pancreas anulare. – Abdomen-Röntgen (falls möglich) im Hängen: Doppelspiegelbildung ("double bubble") im Oberbauch, sonst luftleeres Abdomen. – Differenzialdiagnosen: Pylorusstenose, Malrotation. • Therapie: Laparotomie/Laparoskopie und Duodenoduodenostomie (Seit-zu-Seitoder „diamond shaped“-Umgehungsanastomose) früh-elektiv. Transanastomotische Sonde zur frühen enteralen Ernährung empfohlen. Membranöse Lochblendenstenose nicht übersehen. Cave: Position der Papille.

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• Prognose: nach oft verzögertem Nahrungsaufbau gut, abhängig von Begleitfehlbildungen. ▶ Dünndarmatresie: • Ursache: Angeborene Hemmungsfehlbildung oder Zustand nach intrauteriner Durchblutungsstörung. • Einteilung: Atresie mit oder ohne Mesenterialdefekt, apple peel (lange spiralige Dünndarmstruktur um zentrales Mesenterialgefäß), multiple Atresien. • Klinik: Verzögerter oder fehlender Mekoniumabgang, ggf. farbloses Mekonium; hoher Ileus (Jejunum) mit galligem Erbrechen oder tiefer Ileus (Ileum) mit abdomineller Distension; keine Entzündungszeichen, kein Peritonismus. • Erstversorgung: Magen-, ggf. Dünndarmablaufsonde. • Diagnostik: Abdomen-Röntgen a.–p. in Rückenlage und Linksseitenlage: Spiegelbildungen in Abhängigkeit von der Höhe der Obstruktion. • Differenzialdiagnosen: Mekoniumileus, Darmduplikatur, totale Aganglionose. • Therapie: elektive Dünndarmanastomose, End-zu-End trotz meist erheblichen Lumensprungs vorteilhaft. Enden angleichen (Tapering), Anus praeter vermeiden. • Prognose: nach meist verzögertem Nahrungsaufbau gut. ▶ Analatresie: • Ursache: Defekt der dorsalen Anteile der Kloakenmembran und der dorsalen Kloake. • Assoziierte Fehlbildungen: z. B. Ösophagusatresie, VACTERL-Assoziation. • Einteilung: – Tiefe Analatresie: Deszensus des Rektums durch den puborektalen Ring mit Fistel zum Perineum oder Vestibulum (80 % der Analatresien bei Mädchen, 50 % bei Jungen) oder ohne Fistel. – Hohe Analatresie: Das Rektumende liegt über dem puborektalen Ring, eine perineale Fistel liegt nicht vor, jedoch können Fisteln zu Urethra oder Blase vorhanden sein. Bei Mädchen häufig als Kloakenfehlbildung. Diagnostischer Nachweis von Mekonium im Urin. • Entbindung/Erstversorgung: keine Besonderheiten. Initiale Inspektion v. a. bei Mädchen: nur eine perineale Öffnung diagnostiziert die Kloake! • Diagnostik: ▶ Beachte: Evtl. erschwerte Diagnose bei Mekoniumabgang durch rektovestibulä■ re oder rektourethrale Fistel. – Tiefe Analatresie: Mekonium kann im Vestibulum bzw. in der Skrotalfalte gesehen werden. – Hohe Analatresie: Diagnostischer Nachweis von Mekonium im Urin. – Darstellung des Rektumendes per Ultraschall, Messung der Distanz zum Damm. – Röntgenaufnahme nach 24 h im seitlichen Strahlengang mit angehobenem Becken: Beziehung luftgefüllter Darm zur Beckeneingangsebene und Abstand zum Damm; im Verlauf Becken a. p. (Sakralanlage?) oder MR (kaudale Regression?) • Therapie: – Tiefe Analatresie: Die Fistel kann erweitert (bougiert) werden, um vorübergehend die intestinale Obstruktion zu beheben. Bei vestibulärer Fistel Kolostomie empfohlen. Meist primäre Korrektur im Sinne einer begrenzten PSARP (posterior-sagittale Anorektoplastik). – Hohe Analatresie: Eine temporäre Kolostomie (split stoma) ist sehr empfohlen. Elektive Klärung des exakten Fistelverlaufes (Fisteldarstellung). Elektive PSARP nach 3 Monaten. ▶ Volvulus mit oder ohne Malrotation: • Ursache: Unvollständige oder falsche Darmdrehung während der Embryonalentwicklung und mangelhafte Verklebung des Mesenteriums an hinterer Bauch-

wand mit hoher Mobilität des Darmes und der Gefahr eines rezidivierenden Volvulus oder innerer Hernien mit möglicher Inkarzeration des Dünndarms. Abortivform: Caecum mobile. • Assoziierte Fehlbildungen: Zwerchfelldefekt, Pancreas anulare, Darmatresien. • Einteilung: Malrotation I (Coecum und Colon ascendens in Oberbauchmitte, LADD’sche Bänder obstruieren Duodenum); Nonrotation (Dünndarm rechts, Dickdarm links, Coecum Oberbauch Mitte). • Klinik: Rezidivierende schmerzhafte, zum Teil perakute Ileusattacken. Häufig klinische Zeichen von Schock und Infektion. Zum Teil aber auch subakute Klinik mit Zeichen der relativen duodenalen Obstruktion. Galliges Erbrechen, bei hoher Obstruktion ist das Abdomen nicht gebläht. Mekoniumabgang ist kein Ausschlusskriterium. • Diagnostik: – Bei pränataler Entstehung kann im Röntgenbild des Abdomens als Zufallsbefund eine große abdominelle Verkalkung gesehen werden (kalzifiziertes Mekonium im nekrotischen Darmsegment). Röntgenbild des Abdomens a.–p. in Linksseitenlage: Dilatierte prästenotische Dünndarmschlingen. – Röntgendurchleuchtung bei subakuter Klinik: Kontrastmittel über die Magensonde oder rektal → gezielte Aufnahme mit Darstellung des abnormen Duodenal-/Kolonverlaufs bzw. des Verschlusses. – Farbdoppler: Inversion von A. mesenterica superior, und V. mesenterica superior „Whirlpool-Sign“. Vene liegt links von der Arterie. • Therapie: Notfall! Sofort Laparatomie mit Derotation. Zäkumverlagerung und Fixierung des Mesokolons nicht als vorteilhaft bewiesen. Fallweise Resektion gangränöser Darmabschnitte. Großzügig Second Look nach 24–48 h planen. ▶ Beachte: Eine Malrotation mit intestinaler Obstruktion ist wegen der Gefahr der ■ Darmnekrose ein chirurgischer Notfall! ▶ Mekoniumileus: Symptom der zystischen Fibrose! • Ursache: eingedicktes, zähes, oft entfärbtes Mekonium. ▶ Beachte: Gefahr der Mekoniumperitonitis! Ein Mekoniumileus kann mit einer dis■ talen Atresie assoziiert sein. Deswegen frühestmöglich chirurgisches Konsil. • Klinik: Zeichen der tiefen Dünndarmobstruktion, keine ausreichende Mekoniumpassage. • Diagnostik: – Körperliche Untersuchung: Auch nach digitaler Stimulation wird kein Mekonium abgesetzt. Abdomen ausladend. – Röntgenbild (Abdomen Übersicht): Im Gegensatz zu den meisten anderen Obstruktionen sind radiologisch keine Flüssigkeitsspiegel sichtbar (Ausnahme: Perforation)! Stattdessen sind die erweiterten Darmschlingen granulär oder mit winzigen Bläschen gefüllt (Mekonium). – DNA-Bestimmung und Schweißtest: Nachweis einer Mukoviszidose. • Erstversorgung: – Einläufe (5 – 10 ml angewärmte Glukose 5 % oder NaCl 0,9 % evtl. 1:1 mit Öl verdünnt) nur mit der Spritze am Anus, ohne Darmsonde, ggf. wiederholt oder – mit isoosmolarem Kontrastmittel (Solutrast 300 oder Isovist 1:1 mit Aqua dest. verdünnt) 7 ml/kg KG in den Magen und/oder Anus sondieren. ▶ Beachte: Bei Einläufen besteht immer große Perforationsgefahr! ■ – Magenablaufsonde zur Vermeidung einer weiteren Distension. – Bei unzureichender Beseitigung der Obstruktion Laparotomie und manuelle Darmentleerung, Anlage Anus praeter oder Bishop-Koop. • Prognose: nach verzögertem Nahrungsaufbau abhängig von der Grunderkrankung ▶ Mekoniumpfropf (S. 206): • Vorkommen: Häufig bei Unreife, Mukoviszidose, Kindern diabetischer Mütter und kranken Neugeborenen. Bei Kindern diabetischer Mütter kann es zu einer funk-

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tionellen Unreife des Darmes mit hypoplastischem linkem Kolon kommen. Wenn innerhalb der ersten 24 – 48 h kein Mekonium spontan abgesetzt wird, muss auch an einen Morbus Hirschsprung gedacht werden. • Klinik: Verzögerter Mekoniumabgang, galliges Erbrechen. Nahrungsaufbau ist nicht möglich. • Diagnostik: Im Abdomen-Röntgen fehlen Spiegelbildungen, zahlreiche kleine Bläschen finden sich in stuhlgefüllten Darmschlingen. Kontrasteinlauf. • Therapie: – Einlauf rektal (5 – 10 ml angewärmte Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %, evtl. 1:1 mit Öl verdünnt). – Isoosmolares Kontrastmittel 1:1 mit Aqua dest. verdünnt 7 ml/kg KG in den Magen sondieren. Meist kommt nach 4 – 6 h Stuhl. – In seltenen Fällen Laparotomie und Stoma-Anlage (wie beim Mekoniumileus) erforderlich. • Therapie der Mukoviszidose. ▶ Beachte: Kontrastmittelgaben per Magensonde werden häufig sowohl diagnos■ tisch als auch aufgrund der abführenden Wirkung therapeutisch eingesetzt. Letzteres könnte auf dem Lösungsmittel, z. B. Tween 80, beruhen und sollte nicht durch Verwendung hyperosmolarer Lösungen erreicht werden. → Hyperosmolare Lösungen verdünnen (Gastrografin enthält Natrium, daher Isovist, Solutrast oder Ultravist bevorzugen). ▶ Cave: Jodbelastung! Schilddrüsenwerte nach 5 und 14 Tagen kontrollieren. ■

Bauchwanddefekte ▶ Grundlagen: • Embryologie: Pathogenese unklar, Defekt tritt ca. in der 5. – 8. SSW auf. • Pränataldiagnostik: Defekt kann ca. ab 10. – 12. SSW dargestellt werden. • Geburtsmodus: Umstritten, für den Verlauf ist der Vorteil der Sectio nicht bewiesen; bei größeren Defekten und Leberbeteiligung (Leber außerhalb des Abdomens) Sectio caesarea empfohlen. ▶ Formen: • Omphalozele: Häufigkeit ca. 1:3 000; häufig mit weiteren Fehlbildungen und chromosomalen Störungen assoziiert (Pränataldiagnostik!). Bei pränatal rupturiertem Sack ist die Omphalozele manchmal klinisch nicht von einer Gastroschisis zu unterscheiden. Es bestehen entzündete und verdickte Darmwände wie bei der Gastroschisis. • Laparoschisis: Seltener mit Fehlbildungen assoziiert, aber in 10 % Darmatresien! ▶ Besonderheiten bei der Erstversorgung: • Primäre Sectio caesarea je nach Größe und Leberbeteiligung empfohlen. • Obligat: Pädiater im Kreißsaal, Kinderchirurgen informieren, ggf. hinzuziehen! • Steriles Arbeiten wie im OP, bis der offene Defekt in einen sterilen Plastikbeutel verpackt ist (versorgende Pädiater in OP-Kleidung mit Haube und Mundschutz; steril abgedeckter Tisch). • Großlumige Magensonde und rasche Intubation zur Vermeidung geblähter Darmschlingen. • Urinbeutel kleben (Urin ist ätzend), anschließend das Kind bis zu den Achseln in einen sterilen Plastiksack packen. • Pharyngeale Beatmung vermeiden. Primäre Intubation, außer das Kind atmet sofort spontan. • Prophylaktische antibiotische Therapie wie bei Sepsis. • Transport: In Rechts-Seiten- oder Rückenlage und nur in stabilem Zustand. ▶ Cave: Bei exponierter Leber kann die Pfortader abknicken! ■ • OP-Einwilligung (am besten schriftlich) wenn die Eltern erreichbar sind; besser: Eltern begleiten den Transport. 424

• OP-Zeitpunkt: Bei freiliegendem Darm scheint die sofortige OP vorteilhaft zu sein, weil sekundäre Infektion und Ischämie verhindert werden; ggf. kann ein Silo nach Bianchi in Sedierung auf der Intensivstation platziert werden; bei geschlossener Omphalozele kann die OP nach 24 – 48 h erfolgen, Omphalozelensack zwischenzeitlich hochhängen.

Intraabdominelle Raumforderung ▶ Die meisten intraabdominellen Raumforderungen sind renalen Ursprungs (renale Fehlbildungen) und können unilateral oder bilateral, solide oder zystisch sein, vgl. Harnwegsfehlbildungen (S. 426). Ein Ultraschall des Abdomens soll primär durchgeführt werden (Hydronephrose?). ▶ Ovarialzyste: Häufig zu tastende Raumforderung bei weiblichen Neugeborenen. Sonografisch meist zuverlässig zuzuordnen. Bildet sich oft spontan zurück und ist nie bösartig. Bei Größe > 4 cm evtl. Punktion. ▶ Bei gastrointestinalen Raumforderungen handelt es sich meist um Duplikationen oder Mesenterialzysten/abdominelle Lymphangiome.

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Steißbeinteratom ▶ ▶ ▶ ▶

Enthält endo-, meso- und ektodermale Zellen. Kann zu massiver kardialer Belastung und Hydrops führen. Postnatale Versorgung ähnlich wie bei Meningomyelozele. Bei großem Tumor frühe Resektion nach Kreislaufstabilisierung notwendig, um Shuntvolumen zu reduzieren.

Gallengangatresie ▶ Ursache: Unklar, neben der Fehlbildung wird zunehmend die sekundäre intrauterine Obliteration auf der Basis einer Infektion diskutiert. Intra- und/oder extrahepatische Gallengangatresie sind zu unterscheiden. ▶ Häufigkeit: 1:15 000 Geburten. ▶ Klinik: • Nach Abnahme des Neugeborenenikterus zunehmender Verdinikterus mit helleren bis acholischen Stühlen und Hepatosplenomegalie. ▶ Beachte: Diagnose bis zur 6. Lebenswoche, da Leberzirrhose ab der 9. Lebenswoche! ■ • Laborbefunde des cholestatischen Ikterus (S. 318), ausgeprägte Hepatopathie erst ab 3. – 4. Lebensmonat. ▶ Spezifische Diagnostik: • Sonografie: Fehlende Gallenblase und Triangular-Cord-Zeichen sind signifikante Hinweise. • Lebersequenzszintigrafie mit 99mTcDISIDA: Fehlender Galleabfluss (auch bei anderen Cholestaseursachen in unterschiedlicher Ausprägung). • Leberbiopsie: Histologie mit Cholestase, Gallengangproliferation, Fibrose, Riesenzellen (elektronenoptische Spezifizierung gegenüber Riesenzellhepatitis anderer Ursache). • MRCP. • Explorative Laparoskopie/Laparotomie ggf. mit intraoperativer Gallengangsdarstellung zur endgültigen Sicherung der Diagnose. ▶ Differenzialdiagnosen: • Gallengangstenose. • Choledochuszyste (Sonografie, Cholangiografie). • Neonatale Riesenzellhepatitis. • Bakterielle Infektionen des Neugeborenen (S. 245). • Syndrom der eingedickten Galle (parenterale Ernährung, Sepsis). • Alagille-Syndrom (S. 319). • Verschiedene angeborene Stoffwechselstörungen (S. 353). 425

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▶ Therapie: Bei extrahepatischer Form Operation nach Kasai (verschiedene Modifikationen) vor dem 60. Lebenstag (!); bringt in 75 % einen Erfolg im Sinne postoperativen Galleflusses. Lebertransplantation bei Inoperabilität oder Leberzirrhose.

Harnwegsfehlbildungen ▶ Häufigkeit: Ca. 1 % Inzidenz in der Gesamtpopulation, ca. 0,2 % werden pränatal erfasst. Beachte: In bis zu 30 % falsch positive Befunde, daher immer postnatale Kontrolle erforderlich! ▶ Vgl. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/064-006l_S1_Harntransportstörung __Bildgebende_Diagnostik_2013-03_01.pdf. ▶ Formen: • Hydronephrose durch Abflussstörung – Urethralklappen (bds. Hydronephrose). – Primär obstruktiver Megaureter (POM). – Vesikoureteraler Reflux (VUR). – Ureterabgangsstenose (UASt) • Poly-/multizystische Nierenerkrankung. • Doppelanlagen teils refluxiv, teils obstruktiv, teils kombiniert. • Nierenagenesie/-aplasie. • Prune-Belly-Syndrom. • Blasenekstrophie. ▶ Komplikationen/Probleme: Die schwere intrauterine obstruktive Uropathie führt, wenn sie lange genug besteht, evtl. bereits intrauterin zur hypo-/dysplastischen Schrumpfniere. ▶ Erstmaßnahmen bei V. a. Harnwegsfehlbildung: ▶ Beachte: Es besteht seitens der Nieren praktisch nie notfallmäßiger Handlungs■ bedarf im Kreißsaal, jedoch muss mit einer pulmonalen Hypoplasie (Oligo-/Anhydramnie) gerechnet werden! Umgekehrt kann ein Spontanpneumothorax bei nicht beatmeten Neugeborenen mit einer Nierenfehlbildung assoziiert sein. • Postnatale Diagnostik forcieren. • Urinausscheidung dokumentieren und Urin asservieren. Die erste Urinausscheidung erfolgt bei 92 % der reifen und 90 % der unreifen Neugeborenen innerhalb der ersten 24 h, bei 99 % innerhalb der ersten 48 h. • Bei Urethralklappen ggf. mit suprapubischer Harnableitung Blase (und damit Nieren) initial entlasten. ▶ Erstversorgung bei Blasenekstrophie: • Zustandsbeurteilung der Blasenwand: Farbe, Durchblutung, Ödem. • Abdecken der Blase mit steriler, feuchter Kompresse. • Diagnostik der proximalen Harnwege. • Elektive operative Korrektur. ▶ Hypospadie: • Definition: Fehlbildung des Penis mit inkompletter Entwicklung der Urethra und abnormer Position des Meatus an der Unterseite des Penisschaftes, am Skrotum oder am Perineum. Fehlbildung des Corpus spongiosum urethrae mit oder ohne Schaftkrümmung, ventralem Präputialdefekt und hypertropher dorsaler Präputialschürze. • Einteilung erfolgt nach der Meatuslage: – Glandulär, penil, skrotal, perineal. – Mit oder ohne Meatusstenose. – Mit oder ohne Glansdeformierung. – „Hypospadia sine hypospadia“ – Schaftkrümmung ohne (wesentliche) Fehlposition des Meatus. • Begleitfehlbildungen: – Hodenhochstand und Leistenhernie ca. 9 %. – Utriculus prostaticus masculinus ca. 11 % (bei ausgeprägten Formen). – Fehlbildungen der Nieren und ableitenden Harnwege 3 %.

• Diagnostik: Abgrenzung gegenüber Intersexualität, Hypogenitalismus, ggf. Karyotypisierung. • Therapie: – Eine Korrektur ist bei allen Formen mit Schaftkrümmung, Meatusstenose und Meatusposition proximal der Koronarfurche indiziert. – Bei distalen Formen besteht eine Indikation aus ästhetisch-psychologischen Gründen, aber nicht im Neugeborenenalter! – Empfohlener OP-Zeitpunkt: zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat. ▶ Hydrozele: Durch Persistenz eines offenen Processus vaginalis kann Peritonealflüssigkeit in den Processus bzw. die Hodenhüllen fließen. • Definition: Flüssigkeitsgefüllte Hodenhüllen (Hydrocele testis) oder „Zyste“ des Samenstrangs (Hydrocele funiculi). • Besondere Formen: – Abdominoskrotale Hydrozele: Der obere Pol reicht als zystische Formation in die Bauchhöhle hinein. Medial des Leistenbandes lässt sich im kleinen Becken eine Resistenz tasten. Sie wird bei Druck auf das Skrotum größer. – Bei einer kommunizierenden Hydrozele (wechselnde Größe) besteht eine Verbindung zur Bauchhöhle. – Nuck-Zyste (bei Mädchen): Umschriebene zystische Flüssigkeitsansammlung im Bereich des Lig. rotundum außerhalb des Leistenkanals. • Klinik: – Unterschiedlich große, symptomlose, ein- oder beidseitige Schwellung in der Umgebung des Hodens oder des Funiculus. – Häufig bei Neugeborenen und Säuglingen. Spontane Rückbildungstendenz in den ersten 3 – 4 Lebensmonaten. – Aber auch spontanes Auftreten ohne erkennbaren Grund jenseits der Neugeborenenperiode. Rückbildung kann abgewartet werden. – Nach dem 1. Lebensjahr weisen weniger als 1 % der Jungen eine Hydrozele auf. • Diagnostik: – Klinische Untersuchung, Palpation. – Die Diaphanoskopie ist keine sichere Maßnahme zur Unterscheidung einer Hydrozele von einer inkarzerierten Leistenhernie. • Differenzialdiagnose: Inkarzerierter Leistenbruch, Skrotalhernie, Varikozele, Hodentorsion. ▶ Cave: Differenzialdiagnose Hodentorsion, kommt auch konnatal vor. Sofort OP-In■ dikation! • Therapie: – Operationsindikation bei Persistenz der Hydrozele über das erste Lebensjahr hinaus. – Im 1. Trimenon nur bei extremer Größe, rascher Größenzunahme, abdominoskrotaler Hydrozele. ▶ Leistenhernie: Sie entsteht durch Persistenz eines offenen Processus vaginalis. Die Öffnung ist groß genug, dass Darmschlingen in den Processus austreten können. • Definition: Eingeweideanteile (Bruchinhalt) werden durch eine angeborene Öffnung (Bruchpforte) aus der Bauchhöhle in eine Aussackung des parietalen Peritoneums (Bruchsack) verlagert. Leistenbrüche im Kindesalter sind indirekte Leistenbrüche, sie entwickeln sich entlang des Leistenkanals (Persistenz des Processus vaginalis). • Klinik: – Meist symptomlose weiche, reponible Schwellung in der Leiste, medial des Leistenbandes (Hernia inguinalis), die bis ins Skrotum reichen kann (Skrotalhernie). – Bei Inkarzeration Hernie nicht mehr reponibel und Schmerzen.

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18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder

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• Diagnostik: – Klinische Abgrenzung zur Hydrozele: Bei der Leistenhernie ist der Bruchsack bis über den Leistenring tastbar, bei der Hydrozele lässt er sich unterhalb des inneren Leistenrings abgrenzen. Im Zweifelsfall immer wie eingeklemmte Leistenhernie behandeln. – Sonografie. • Differenzialdiagnose: Leistenhoden, Lymphadenitis, Hydrocele testis/funiculi, Torsion eines Leistenhodens, Varikozele. • Komplikationen: – Verlust eines Hodens/Ovars oder eines Darmabschnitts. • Inkarzeration: In etwa 12 % der Fälle, aber in 70 % davon im 1. Lebensjahr. – Klinik: Plötzlicher Krankheitsbeginn mit erheblichen Schmerzen. Unruhe, Symptome einer peritonealen Reizung. – Befund: Prall-elastische, druckdolente, wenig verschiebliche Schwellung inguinal oder inguinoskrotal. • Therapie und Operationsindikation: – Reposition einer Leistenhernie nicht selten spontan. – Aktive Reposition (in Sedierung) nur bei Inkarzerationsdauer von weniger als 6 – 8 h und fehlender Schock-Symptomatik! – Bei erfolglosem Repositionsversuch ist die sofortige Operation indiziert. – Dringliche Operation nach erfolgreicher Reposition. – In allen anderen Fällen Herniotomie baldmöglichst elektiv, sofern nicht zusätzliche Erkrankungen das Narkoserisiko erhöhen. ▶ Nabelhernie: Defekt der Faszie am Nabel. Chirurgische Intervention ist selten nötig, da sie sich mit der Zeit (innerhalb des 1. Lebensjahres) meist von alleine verschließt. Inkarzeration oder Hautläsionen durch Druck sind extrem selten.

Pulmonale Fehlbildungen ▶ Beachte: Die Erstversorgung pulmonaler Fehlbildungen wird vom postnatalen kli■

nischen Erscheinungsbild geprägt, das vom pulmonal unauffälligen Kind bis zum Atemnotsyndrom mit Zyanose und Tachydyspnoe reichen kann. ▶ Kongenitale pulmonale adenomatoide Malformation (CPAM): Umfasst unterschiedliche Grade zystischer und adenomatoider Formation eines Lungenlappens und gilt als Hamartom mit zystischen Strukturen. • Assoziierte Malformationen (bis zu 20 %) ausschließen (Niere, Jejunum, diaphragmatische Hernie, Hydrozephalus, Skelettanomalien). • Pränataldiagnostik: Evtl. bereits pränatal Polyhydramnion (Kompression des Ösophagus oder direkte Kommunikation der Zysten mit den Atemwegen) oder Hydrops (Herzinsuffizienz bei behindertem venösem Rückfluss). Bei großzystischer Veränderung ggf. intrauterine Punktion. • Diagnostik: Die Röntgen-Thorax-Aufnahme zeigt evtl. multiple diskrete Luftblasen, möglicherweise mit Flüssigkeitsspiegeln, und betrifft eine Lungenregion. Der Befund kann aber postnatal auch erheblich geschrumpft und ohne klinische Relevanz sein, ggf. im Verlauf MRT. • Erstmaßnahmen: Rücksprache mit den Kinderchirurgen zur Planung der OP, sofern erforderlich. ▶ Cave: Pulmonale Hypertonie der gesunden Lunge. ■ ▶ Kongenitales lobäres Emphysem: Zumeist Atemnotsyndrom (S. 211) aufgrund der Überblähung eines Lungenlappens (keine emphysematöse Destruktion von Lungengewebe). • Ursachen: Knorpelfehlbildungen, Bronchialfehlbildungen und -stenosen oder externe Kompression (Gefäßanomalie oder Massenverschiebung), polyalveolärer Lungenlappen. ▶ Beachte: Immer Schleimpfropf (Mekonium) als Ursache ausschließen (Broncho■ skopie).

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• Komplikationen/Probleme: Herniation, Kompression und Überdurchblutung des gesunden Lungengewebes. • Erstmaßnahmen: Zuwarten → OP. Selten Notfall-Operation mit Lobektomie erforderlich. ▶ Kongenitale Lungenzysten: Seltene Fehlbildung, singulär oder multipel auftretend, immer mit Anschluss ans Bronchialsystem (postnatal oft noch flüssigkeitsgefüllt), jedoch auf 1 Lungenlappen begrenzt. • Differenzialdiagnose: Pneumothorax. • Therapie: Eine Operation stellt die spezifische Therapie der Wahl dar. Bei Zunahme der Spannung innerhalb der Zyste im Notfall evtl. Punktion zur Entlastung. Größe und Spannung können sehr rasch zunehmen! ▶ Lungensequester: Zystische oder verdichtete Areale, zumeist im Unterlappen, gehäuft links. Es handelt sich um nicht funktionierendes Lungengewebe ohne Kommunikation zum Tracheobronchialbaum. Die Blutversorgung erfolgt meist aus der Aorta (sowohl oberhalb als auch unterhalb des Diaphragmas). Der venöse Abfluss kann systemisch oder pulmonal sein. Entwicklung aus einer akzessorischen Lungenknospe aus dem Vorderdarm. Je früher die Entstehung erfolgt, desto häufiger haben Lunge und Sequester eine gemeinsame Pleura. • Erhöhte Inzidenz zusätzlicher Fehlbildungen. • Komplikationen/Probleme: Ein großer Links-Rechts-Shunt mit Herzinsuffizienz ist die Folge (in > 80 % Kommunikation zum Ösophagus oder Fundus des Magens). • Pränataldiagnostik: Diagnosestellung pränatal durch Ultraschall. • Diagnostik: Postnatal Röntgen, ggf. CT, Angiografie (MRI-Angiografie). • Therapie: Therapie der Wahl ist die OP (auch bei klinisch nicht relevanten Sequestern aufgrund der Infektionsgefahr), ggf. als MIC. Bis dahin therapeutisches Management je nach Klinik.

18 Kinderchirurgie

18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder

Fehlbildungen der Haut, der Weichteile und des Skeletts Grantzow ▶ Lymphangiom: • Ätiologie: unklar. • Lokalisation und Pathophysiologie: Lymphangiome sind selten auftretende, kongenitale, gutartige Weichteiltumore, die größtenteils im Halsbereich (zu 66 %) lokalisiert sind. Weitere Lokalisationen können Axilla, Extremitäten sowie Thoraxund Bauchwand und in seltenen Fällen intrathorakale und -abdominale Manifestationen sein. Lymphangiome stellen Erweiterungen und Hyperplasien der lymphatischen Gefäße dar und können in folgenden Formen auftreten: großzystisch, klein-/multizystisch und solide/infiltrativ. Lymphangiome sind vom Lymphödem zu unterscheiden. • Diagnose und Geburtsmodus: Die Diagnose größerer Lymphangiome erfolgt i. d. R. intrauterin durch Sonografie und ggf. durch MRT, sodass eine entsprechende Planung des Geburtsmodus möglich ist. Dabei ist bei größeren Lymphangiomen, insbesondere im Halsbereich, eine Sectio anzustreben, da es sonst geburtstraumatisch bedingt zu Einblutungen in das Lymphangiom kommen kann. Eine damit verbundene Größenzunahme kann zu lebensbedrohlichen Obstruktionen der Trachea und des Ösophagus führen. Weiterhin können große Lymphangiome ein Geburtshindernis darstellen. Auch postpartal stellen Sonografie und MRT die diagnostischen Standardmaßnahmen dar. • Therapie: Standardtherapie von Lymphangiomen ist die operative Entfernung oder Größenreduktion. Weitere Verfahren können bei großzystischen Formen sklerosierende Maßnahmen (Bleomyzin, OK 432) sein. Bei intrakutanen Lymphangiomen (L. zirkumskriptum) kann auch eine Lasertherapie sinnvoll sein. Da sich Lymphangiome infiltrativ gebildet haben, ist eine komplette Entfernung oft nicht möglich. 429

18.1 Kinderchirurgische Krankheitsbilder

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• Therapiezeitpunkt: Sehr große kollare Lymphangiome, die Atmung und Nahrungsaufnahme behindern, sollten unmittelbar postpartal therapiert werden. Liegen keine funktionellen Beeinträchtigungen vor, kann das erste Trimenon abgewartet werden. • Komplikationen: Bei Infiltration und Obstruktion von Trachea und Ösophagus können entsprechende Stomata notwendig sein. Je großzystischer Lymphangiome sind, umso besser ist die Prognose. Solide Lymphangiome sind schwer therapierbar. Hier sind eventuell systemische Therapieversuche mit Sirolimus indiziert. Kavernöses Hämangiom: bei Wachstumstendenz v. a. im Gesicht, anogenital oder intertriginös baldige Kryotherapie oder Lasertherapie (sog. komplizierte Hämangiome). Ohranhängsel/Polydaktylie: Einfaches Abbinden ist kosmetisch unbefriedigend, da ein „Bürzel“ stehen bleibt. Im Gegensatz zu der üblichen Meinung scheinen Nierenfehlbildungen nicht gehäuft assoziiert zu sein. Torticollis spasticus: • Eingeschränkte Beweglichkeit des Halses/Kopfes, Schräghaltung, meist auch Schädeldeformität, oft wohl durch uterine Fehlhaltung bedingt, evtl. auch geburtstraumatisch durch Überdehnung oder Einblutung in den M. sternocleidomastoideus (Kompartment). • Therapie: Physiotherapie und Lagerung. Bei Persistenz > 1 Jahr evtl. chirurgisch (Durchtrennen des M. sternocleidomastoideus-Ansatzes an der Klavikula). Fußdeformitäten: • Sichelfüße: Resultieren zumeist aus einer Fehlhaltung in utero. Wenn die Fehlhaltung leicht manuell redressiert werden kann, soll die Mutter in entsprechende Übungen (Reizung der lateralen Sohlenkante) eingewiesen werden. Bei einer fixierten Fehlstellung kann eine strukturelle Gelenkdeformität zugrunde liegen, die wahrscheinlich auch aus einer Fehlstellung in utero resultiert (Oligohydramnion). Diese Fehlstellung erfordert meistens eine Redression durch Gipsverband. Die Korrektur ist nicht eilig, hat aber bessere Erfolge, wenn sie früh erfolgt (aber nicht unbedingt in den ersten Lebenstagen!). • Klumpfüße: Diese Fehlbildung erfordert ein zügiges kinderorthopädisches Konsil, um mittels Redressions-Gipsverband erstversorgt zu werden. Die Behandlung erfolgt meist nach dem Konzept von Ponseti mit terminierten Gipswechseln und später ggf. einer perkutanen Achillotenotomie. Bei Frühgeborenen muss bei jedem Gipswechsel die Integrität der Haut beurteilt werden. Druckstellen sind eine Kontraindikation. Bei allen Gipsverbänden muss die Durchblutung der Zehen regelmäßig überprüft werden; Beine hoch lagern!

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Reanimation und Hirntod

Proquitté, Genzel

19.1 Reanimation ▶ Dieses Kapitel bezieht sich auf eine Reanimation im ersten Lebensjahr, aber nicht auf eine Reanimation im Kreißsaal (S. 153). Siehe auch Circulation. 2015 Oct 20;132 (16 Suppl 1): S177–203. Notfall Rettungsmed 2015 · 18: 932–963.

Erstmaßnahme: Bewusstseinslage prüfen

19 Reanimation und Hirntod

19.1 Reanimation

▶ Wie ist die Reaktion auf Ansprache? ▶ Wie ist die Reaktion auf Stimulation? ▶ Atmet das Kind? Wie ist die Atmung? Wie ist das Hautkolorit? • → Bei Reaktion (Weinen, Atmung, Bewegung): Weitere Auffälligkeiten klären und weitergehende Untersuchung(en). Das Kind aber zunächst in der Position belassen, in der es aufgefunden wurde. Regelmäßig Vitalzeichen kontrollieren! • → Bei fehlender Reaktion: Nach Hilfe rufen und →

A – Atemwege freimachen/freihalten, Atmung prüfen ▶ Atemwege freimachen: • Ohne Hilfsmittel: Mund mit Finger auswischen, stabile Seitenlage, wenn Atmung und Kreislauf o.k. • Mit Absauger: Mund kurz, aber effektiv absaugen, Nase absaugen. ▶ Hinweis: Entfernen von Fremdkörpern: ■ • Hinweise auf einen Fremdkörper sind plötzliche Atemnot, Husten, Stridor und die Unfähigkeit, Laute von sich zu geben. • Wenn das Kind effektiv hustet, das Kind unterstützen, den Fremdkörper abzuhusten. Wenn Husten erfolglos und Atmung stabil: Kind beruhigen, Sauerstoffgabe, falls erforderlich, Vorbereitung der bronchoskopischen Entfernung des Fremdkörpers. • Bei ineffektivem Husten/Dyspnoe/Stridor sofort Technik des „künstlichen Hustenstoßes“ durch Thoraxkompression einsetzen (Abb. 19.1). • Bei Bewusstlosigkeit oder Atemstillstand: Wenn Fremdkörper nicht entfernbar (ggf. laryngoskopisch), Reanimation mit 5 Beatmungen beginnen. • Sofortige Evaluation, bei Ausbleiben von Eigenatmung mit Thoraxkompressionen und Beatmung im Verhältnis 15:2 (2 Helfer) bzw 30:2 (1 Helfer) beginnen. • Zyklus 2–3-mal wiederholen, jeweils evaluieren und bei fehlendem Erfolg Intubation und Beatmung. Es kann sinnvoll sein, bei trachealem Sitz des Fremdkörpers diesen in tiefere Atemwege zu schieben, damit wenigstens ein Hauptbronchus offen bleibt. ▶ Beachte: Bewusstloses Kind auf fester Unterlage lagern. ■ ▶ Atemwege freihalten:

Abb. 19.1 • Technik des „künstlichen Hustenstoßes“ durch Thoraxkompression: Säugling in Bauchlage, Kopftieflage, Schlag auf den

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Reanimation und Hirntod

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19.1 Reanimation

• Lagerung mit gestrecktem Kopf (Schnüffelhaltung), dabei Kopf aber nicht überstrecken! • Unterkiefer nach vorn schieben (Esmarch-Handgriff; beidseits Kieferwinkel nach vorne schieben oder mit einem Finger Kinn nach vorne ziehen). ▶ Cave: Bei V. a. auf HWS-Verletzung den Kopf nach Möglichkeit (!) nicht überstre■ cken! Bewegungen der HWS vermeiden, Halskrause anlegen! • Nur bei bewusstlosem Säugling ohne Abwehrreflexe: Sicherung der Atemwege mit Guedel-Tubus (oder: Saffar-Tubus, Wendel-Tubus); cave: Gefahr der Induktion von Erbrechen und Aspiration! Alternativ Einsatz einer LAMA. • Unter klinischen Bedingungen in der Regel Intubation (S. 20). ▶ Atmung prüfen: ▶ Hinweis: Dafür maximal 10 s Zeit lassen! ■ • Atemexkursionen des Thorax/Abdomens? • Atem an Nase und/oder Mund hör- oder fühlbar? – Kind atmet normal: Kind in stabile Seitenlage bringen und weiter beobachten, ob Atmung stabil. – Kind atmet nicht oder unregelmäßig = (funktioneller) Atemstillstand → Atemspende.

B – Beatmung ▶ Möglichkeiten: • Beatmung ohne Hilfsmittel: Mund-zu-Mund-Beatmung (Kinder > 1 Jahr) oder Mund-zu-Mund + Nase-Beatmung (Kinder < 1 Jahr). • Beatmung mit Maske und Beatmungsbeutel: – Geeignete Maske aussuchen (für Frühgeborene und Neugeborene bis 4 kg KG s. Tab. 2.1), bei größeren Kindern soll die Maske Mund und Nase gut umschließen, Augen stets freihalten. – Daumen und Zeigefinger dienen zum Abdichten der Maske, Mittel-, Ring- und Kleinfinger zum Anheben des Kinns. – Immer maximale Sauerstoffkonzentration in den Beatmungsbeutel einleiten (wichtig: Sauerstoffreservoir am Beatmungsbeutel als Schlauch oder Beutel!). – Faustregel für Beatmungsdruck: Kinderbeatmungsbeutel rasch komprimiert zwischen: Daumen und Zeigefinger → 10 cmH2O (cave: bis 30 cmH2O). Daumen und 2 Fingern → 20 cmH2O (cave: bis 40 cmH2O). Daumen und 3 Fingern → 30 cmH2O (cave: bis 50 cmH2O). ▶ Tipp: Es gibt Manometer zum Anschließen an den Ambu-Beutel; mit denen ■ man den notwendigen Druck trainieren kann. ▶ Bei 2 Helfern: Eine Person dichtet die Beatmungsmaske mit 2 Händen ab, wäh■ rend eine zweite den Beutel komprimiert. • Larynxmaske: akzeptierte Alternative • Beatmung mit Intubation und Beatmungsbeutel. Zur Technik der Intubation (S. 20). ▶ Hinweis: Die Intubation ist die sicherste Art der Beatmung, erfordert aber umso ■ mehr Übung, je jünger das Kind ist. Dem Ungeübten wird deswegen von der Intubation in einer Notsituation eher abgeraten. Meist ist auch eine Maskenbeatmung oder Larynxmaske ausreichend, bis die erforderliche Intubation unter optimalen Bedingungen durchgeführt werden kann. – Tubusgröße (ohne Cuff): ID (mm) = (Alter in Jahren/4) + 4,5 (s. a. Tab. 2.2). – Beatmungsfrequenz: Säuglinge 20/min, > 1 Jahr i. d. R 12/min. – Bei suffizienter Beatmung hebt und senkt sich der Thorax und das Kind wird rosig(er). – Sofort Tubuslage überprüfen! Thoraxexkursion, symmetrische Atemgeräusche, keine Atemgeräusche über Magen? Endtidale CO2-Messung. 432

binnen 2 Atemzügen CO2 nach (beweisend!), aber falsch negativ bei fehlendem „cardiac output“, denn dann kommt kein Blut und damit kein CO2 an, um abgeatmet zu werden. ▶ Cave: Zu hohe Beatmungsdrücke und Volumina führen zum Übertritt von Luft ■ in den Magen → Überblähung des Magens → Zwerchfellhochstand und Verschlechterung der Beatmung, Aspirationsgefahr! Eine vorsichtige und langsame Inspiration (Dauer 1 – 1,5 s) ist deshalb bei Säuglingen besonders wichtig!

C – Circulation (Herzdruckmassage) ▶ Kreislauf prüfen:

▶ Hinweis: Maximal 10 s Zeit lassen! ■

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19.1 Reanimation

▶ Cave: Mainstream-Sensoren mit Flow- und CO2-Messung (CO2SMO) weisen ■

• Gibt es indirekte Hinweise auf eine suffiziente Kreislauffunktion, z. B. Bewegungen, Husten, suffiziente Atmung? • Ist der Puls (Säuglinge: A. brachialis, Kinder > 1 Jahr: A. carotis) tastbar? • Sind Herztöne auskultierbar? – Kreislauf vorhanden: Wenn notwendig, Beatmung fortsetzen, spontan atmendes Kind bei Bewusstlosigkeit in stabile Seitenlage bringen, Kreislauf überwachen. – Kreislaufstillstand, Puls < 60/min, unsicher: Sofort mit Herzdruckmassage beginnen. ▶ Indikation zur Herzdruckmassage: Bradykardie < 60/min, Asystolie, elektromechanische Entkoppelung (normale Herzaktion, aber Pulslosigkeit) oder Kammerflimmern vor Defibrillation (bei Kindern selten). ▶ Drucktechnik: • Druckpunkt: Unteres Sternumdrittel. • Eindrücktiefe: Ca. ⅓ des sagittalen Thoraxdurchmessers. • Säuglinge: – Ein Helfer: Daumen und Zeigefinger. – Zwei Helfer: Thorax mit 2 Händen umgreifen (Daumen auf Sternum). • Kindesalter: Wie bei Erwachsenen mit den Handballen und gestreckten Unterarmen (ggf. mit nur einem Arm ausreichend, aber immer die Technik anwenden, die man beherrscht!). • Zyklus: Ca. 50 % der Zeit soll auf die Kompression entfallen → konsequente Kompression, kurz halten, schnell loslassen. • Frequenz: Ca. 100 bpm. ▶ Koordination mit Beatmung nur beim nicht intubierten Kind: • Zwei-Helfer-Methode: Beim Säugling/Kleinkind/Kindern 15:2 (15 Kompressionen, 2 Beatmungen). Laut zählen, sonst gelingt die Koordination der 2 Helfer nicht! • Ein-Helfer-Methode: 30:2. ▶ Koordination mit Beatmung beim intubierten Kind: Nicht erforderlich, dann fortlaufende Herzdruckmassage und Beatmung ohne Unterbrechung. ▶ Beatmung mit 100 % Sauerstoff: Reduktion, sobald der Kreislauf wiederhergestellt ist. Ziel 95–98 %. ▶ Cave: Hypokapnie: zerebrale Perfusionsstörung. ■

D – Drugs (Medikamente) ▶ Mögliche Applikationswege: • Peripher-venös (z. B. Handrücken, Schläfe, V. jugularis externa). Cave: Ein zentralvenöser Katheter (V. jugularis interna, V. subclavia) ist wegen der möglichen Komplikationen in einer Notfallsituation nicht indiziert und bleibt der klinischen Versorgung vorbehalten!

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19.1 Reanimation

• Intraossär mit Knochenmarkpunktionsnadel; zur Punktionstechnik (S. 38): Vor allem im Säuglings- und Kleinkindesalter gleichwertig mit einer intravenösen Applikation. ▶ Obsolet: Intrakardiale Applikation. ■ ▶ Adrenalin (Epinephrin), zu Handelsnamen + Nebenwirkungen (S. 444): • Indikation: Persistierende Bradykardie bzw. Asystolie trotz effektiver Beatmung. • Dosis: – i. v., i. o.: Standarddosis 0,01 mg/kg KG (10 μg/kg KG) = 0,1 ml/kg KG der 1:10 000Lösung (handelsübliches Adrenalin ist 1:1000 verdünnt und muss noch mal 1:10 verdünnt werden → 1 ml der Adrenalin-Lösung + 9 ml NaCl 0,9 % → 1 ml = 0,1 mg). • Wiederholung bei Bedarf alle 3(– 5) min möglich. Unter klinischen Bedingungen auch Dauerinfusion von 0,1 – 10 μg/kg KG/min i. v. ▶ Hinweis: Katecholamine haben bei einem unterkühlten Kind < 30 °C rektaler Tem■ peratur nur einen geringen Nutzen! ▶ Volumen: 0,9 % NaCl oder Vollelektrolytlösung (z. B. Ringer-Laktat): • Indikation: Volumenmangelschock oder z. B. septischer Schock. • Applikation: Intravenös oder intraossär. • Dosis: 20(– 40) ml/kg KG in 20(– 40) min, bis die periphere Zirkulation (Rekapillarisierungszeit < 3 s) normalisiert ist. ▶ Hinweis: Es gibt keinen nachweisbaren Vorteil von kolloidalen gegenüber kristal■ linen Flüssigkeiten im Kontext einer Anwendung beim Kreislaufschock [E2]. ▶ Andere Medikamente (bei Kinder-Reanimation fast nie erforderlich): • Atropin: – Indikation: nur wenn vagale Ursache für Asystolie/Bradykardie mögl. – Dosierung, Applikation: 0,01(– 0,03) mg/kg KG i. v./i. o., die unverdünnte Lösung enthält 0,5 mg/ml. ▶ Cave: keine längerfristigen Vorteile nach ROSC nachgewiesen. ■ • Adenosin: – Indikation: Supraventrikuläre Tachykardie bei erfolgloser vagaler Stimulation (z. B. mit Eisbeuteln ins Gesicht, Stimulation der Rachenhinterwand, einseitige Stimulation des Karotissinus, Thoraxkompression). – Dosierung, Applikation: 0,1 mg/kg KG (max. 0,3 mg/kg KG) i. v. als Bolus möglichst vom rechten Arm aus. Die unverdünnte Lösung enthält 3 mg/ml → 0,3 ml/10 kg KG i. v. • Amiodaron: – Indikation: Elektroschockresistentes Kammerflimmern bzw. pulslose Kammertachykardie, also nach 3-maliger Elektroschockanwendung und nach Adrenalin. – Dosierung: 5 mg/kg KG hier ausnahmsweise als Bolus. Die unverdünnte Lösung enthält 50 mg/ml → 1 ml/10 kg KG. • Lidocain: – Indikation: Ventrikuläre hämodynamisch wirksame Extrasystolen, ventrikuläre Tachykardie. – Dosierung, Applikation: Lidocain 1 mg/kg KG i. v., Wiederholungsdosis nach ca. 10 min 0,5 mg/kg KG i. v. Intratracheale Gabe ist möglich: 2 – 3 mg/kg KG. • Magnesium: – Indikation: nur bei nachgewiesener Hypomagnesiämie oder „torsades de pointes“. – Dosierung: 50 mg/kg = 0,5 ml/kg der 10 %igen Magnesiumlösung). ▶ Natriumbikarbonat: • Indikation: Sehr restriktiv einsetzen (Einsatz bei Reanimationen weitgehend verlassen)! In der Vergangenheit nach 10-minütiger Reanimation oder metabolischer Azidose und pH < 7,0. Immer aber zuerst Volumen geben. • Noch bestehende Indikation: Kreislaufstillstand durch Hyperkaliämie und bei Überdosierung trizyklischer Antidepressiva

• Applikation: Langsam über 5 – 10 min i. v. über eine sicher intravasal liegende Kanüle oder intraossär. • Dosis: 1 ml/kg KG der 8,4 %igen Lösung. Cave: Bei Neugeborenen und Säuglingen wegen Hyperosmolarität und drohender Hirnblutung 1:1 mit Aqua dest. (!) verdünnen! Sollte eine BGA vorliegen, kann die Dosis am Basendefizit berechnet werden: Bedarf (ml) NaHCO3 8,4 % = BE × kg KG × 0,3. • Nebenwirkungen: Nekrosen bei Paravasat, Atemdepression, Hypokaliämie, Hypernatriämie, Hypokalzämie, Thrombophlebitis (verstärkt Hyperkapnie und führt zu intrazellulärer Azidose).

E – Elektrotherapie (Defibrillation) ▶ Indikation: • Kammerflimmern (im Säuglingsalter extrem selten!); tachykarde Herzrhythmusstörung, die medikamentös nicht beherrschbar ist. ▶ Vorbereitung: Gute Sauerstoffversorgung. ▶ Applikation: • Elektrodenauswahl: Bei Säuglingen/Kindern < 10 kg KG Durchmesser 4,5 cm, bei Schulkindern/Kindern > 10 kg KG Durchmesser 8 – 12 cm. • Ablauf: Elektroden mit Kontaktgel versehen (kein Ultraschallgel verwenden!), Energie einstellen (s. u.), Defibrillator aufladen, rechts parasternal unter Klavikula und über der Herzspitze im 5. ICR vordere Axillarlinie positionieren und fest andrücken, ggf. Hilfspersonen warnen, möglichst EKG-getriggert auslösen, Reanimation danach ohne Pause fortsetzen. ▶ Dosis: 4 J/kg KG.

19 Reanimation und Hirntod

19.1 Reanimation

Zusammenfassung Bewusstsein? nein Hilferuf Atemwege freimachen Atmung? nein 5 Beatmungen Bewusstsein? nein 15 Thoraxkompressionen 2 Beatmungen Fortsetzen ohne Unterbrechung

Abb. 19.2 • Basismaßnahmen bei der Reanimation von Kindern. (Kerbl R et al. Checkliste Pädiatrie, 3. Aufl. Thieme; Stuttgart, 2015)

Algorithmus Erweiterte Maßnahmen (Abb. 18.3)

Notruf nach 1 Minute

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Reanimation und Hirntod

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19.2 Weiteres Vorgehen im Rahmen einer Reanimation

Algorithmus Basismaßnahmen (Abb. 19.2)

fortsetzen, bis Defribrillator bereit Defribrillator anschließen

Adrenalin nach 2. Defi., dann alle 3–5 Min.

defibrillierbarer Rhythmus?

ja

1 x Defi 2 Min. CPR 15:2 nach 3. Defi

Adrenalin sofort, dann alle 3–5 Min.

nein

O2-Zufuhr i.v./i.o.-Zugang Atemweg Ursache beseitigen ggf. Atropin ggf. Magnesium

2 Min. CPR 15:2

Amiodaron Abb. 19.3 • Erweiterte Maßnahmen bei der Reanimation von Kindern. (nach Kerbl R et al. Checkliste Pädiatrie, 3. Aufl. Thieme; Stuttgart, 2015)

19.2 Weiteres Vorgehen im Rahmen einer Reanimation ▶ Hinweis: auch während laufender, noch erfolgloser Reanimation Frage, ob beheb■

bare Ursachen (z. B. Pneumothorax) vorliegen. ▶ Was war die Ursache für den Herz-Kreislauf-Stillstand? • Klinische Untersuchung. • Labor: Immer BB, Elektrolyte, BZ, BGA, Urinstatus; ggf. Kreatinin, Harnstoff, Eiweiß, Osmolarität, Gerinnung, Thrombozyten. • Röntgen-Thorax: Aspiration, Lungenödem, Herzform und -größe? Ggf. ZVK-Lage, Tubuslage? • EKG: Herzrhythmusstörungen? • Echokardiografie: Herzfehler, Kontraktilität?, Perikarderguss? Pneumoperikard? ▶ Zeitnahe Kontaktaufnahme mit Intensivstation, bzw. entsprechender Klinik. ▶ Weiteres Vorgehen nach Aufnahme auf Intensivstation: • Beatmung mit Normalisierung von pCO2 und pO2. Ziel (S. 227): pCO2 35 – 45 mmHg, paO2 70 – 100 mmHg. • ZVK legen (Gabe von Katecholaminen, ZVK). • Arteriellen Zugang und RR-Monitoring, ggf. weitere Kreislauftherapie. • Körpertemperatur kontinuierlich messen, bei Neugeborenen nach Asphyxie ggf. Hypothermie mit 32 – 34 °C anstreben (s. Tab. 7.8) bzw. Hyperthermie vermeiden. • Transfusion bei Neugeborenen, wenn HK < 40 %. • EEG/Neuro-Konsil veranlassen je nach Verlauf/Klinik. • cCT/cMRT veranlassen je nach Verlauf/Klinik.

436

• • • •

Bilanzierung von Ein- und Ausfuhr, Kontrolle der Nierenfunktion. Kontrolle der altersgemäßen Flüssigkeitsbilanz. Blasenkatheter zur Überwachung der Urinausscheidung: Ziel: 2 – 3 ml/kg KG/h. Magensonde legen und Magen entleeren, d. h. Magensonde an Beutel hängen und unter Niveau aufhängen. • Behandlung der Grundkrankheit. ▶ Cave: Nach einer Reanimation droht immer ein Hirnödem! ■

Abbruch einer Reanimation ▶ Merke: Eine generelle Richtlinie zum Abbruch einer Reanimation ist nicht möglich, ■ die Entscheidung muss immer individuell getroffen werden. Folgende Gesichtspunkte sind u. U. eine Entscheidungshilfe: • Nach 20 min Herz-Kreislauf-Stillstand ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der Säugling überlebt bzw. ohne massive neurologische Schäden überlebt, sofern dieser Zeitraum nicht suffizient durch Reanimationsmaßnahmen überbrückt werden konnte. • Dies gilt nicht bei unterkühlten Kindern. „Ein unterkühltes Kind ist erst tot, wenn es nach Aufwärmung weiterhin reanimationspflichtig ist.“ • Was ist die Ursache des Herz-Kreislauf-Stillstands? Wann ist er eingetreten? • Ist die Grundkrankheit heil- oder korrigierbar? • Wie effektiv ist die Reanimation gewesen, wann wurde das Kind aufgefunden? • Liegt eine evtl. korrigierbare Intoxikation vor? • Haben die Angehörigen Zeit gehabt, sich von der vergeblichen Reanimation zu überzeugen und ggf. vom Kind Abschied zu nehmen?

19 Reanimation und Hirntod

19.3 Hirntoddiagnostik

19.3 Hirntoddiagnostik Grundlagen ▶ Definition „Hirntod“: Der Hirntod ist der Tod des Menschen. Ein Hirntod liegt vor, wenn die Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms irreversibel erloschen ist, die Herz-Kreislauf-Funktion aber durch kontrollierte Beatmung noch aufrechterhalten ist. ▶ Todeszeitpunkt: Der Zeitpunkt, zu dem der Hirntod endgültig festgestellt wird. ▶ Diagnosekriterien: • Einhaltung der Voraussetzungen (s. u.). • Klinische Symptome: Koma, Hirnstammareflexie, Atemstillstand. • Nachweis der Irreversibilität des Hirnfunktions-Verlustes. • http://www.dso.de/fachinformation/hirntod-und-hirntoddiagnostik.html

Voraussetzungen ▶ Schwere Hirnschädigung: Primär (z. B. Hirnverletzung) oder sekundär (z. B. Hypoxie). ▶ Ausschluss von: Intoxikation, neuromuskulärer Blockade, Unterkühlung (wichtig beim Ertrinkungsunfall!), Kreislaufschock, endokrinem oder metabolischem Koma. ▶ Zwei Untersucher müssen die Hirntodsymptome übereinstimmend feststellen und dokumentieren. ▶ Bei Gabe von Neuropsychopharmaka muss nachgewiesen sein entweder: • der Abfall des Serumspiegels (z. B. Phenobarbital) • oder der zerebrale Zirkulationsstillstand. ▶ Bei sekundärer Hirnschädigung muss ein Intervall von mindestens 6 h zwischen Beginn der Hirnschädigung und dem Nulllinien-EEG eingehalten werden.

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Reanimation und Hirntod

19

19.3 Hirntoddiagnostik

Klinische Ausfallsymptome ▶ Koma. ▶ Hirnstammareflexie: Pupillen lichtstarr und weit, ausgefallener okulozephaler Reflex, Kornealreflex, Pharyngealreflex; keine Reaktion auf Schmerzreize im Bereich des N. trigeminus. ▶ Ausfall der Spontanatmung – Nachweis durch Apnoetest: Nach einer Beatmung mit 100 % Sauerstoff wird das Ventilationsvolumen so lange reduziert, bis der paCO2Wert mindestens 60 mmHg erreicht. Anschließend erfolgt unter Sauerstoffinsufflation die Diskonnektion des Tubus. Werden nach „angemessener Frist“ keine Atemzüge beobachtet, ist der Ausfall der Spontanatmung erwiesen.

Ergänzende Untersuchungen ▶ Bei Neugeborenen und Kindern bis zum 2. Lebensjahr müssen mindestens zwei klinische Untersuchungen und jeweils zusätzlich eine apparative Diagnostik vorliegen. ▶ EEG (nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für klinische Neurophysiologie [DGKN]): Nachweis eines Nulllinien-EEG mit Wiederholung nach 12 h bei Kindern > 2 Jahren, 24 h bei Kleinkindern (bis 2 Jahre) bzw. nach 72 h bei Neugeborenen (0 – 28 Tage) jeweils mit erneutem Nachweis einer Nulllinie (jeweils mindestens 30 min ableiten mit mindestens 8 Kanälen und maximaler Verstärkung [2 μV/mm]). Zusätzlich immer EKG-Ableitung. ▶ Zerebraler Zirkulationsstillstand (Cave: Diese Untersuchung kann bei Kindern < 6 Monaten nicht angewendet werden!): • Dopplersonografie (intrakraniell Aa. cerebri mediae + Aa. carotides internae, extrakraniell Aa. carotides internae + Aa. vertebrales): ≥ 2 × in 30-min-Abstand biphasische, oszillierende Strömungen mit gleich ausgeprägter antero- und retrograder Komponente oder kleine frühsystolische Strömung < 50 cm/s ohne weitere systolische oder diastolische Signale. Hinweis: Dieser Befund findet nur dann Berücksichtigung, wenn derselbe Untersucher vorher eindeutige Signale einer Perfusion dokumentiert hat. • Zerebrale Perfusionsszintigrafie: Keine Aktivität intrakraniell, bei normaler extrakranieller Aktivität. (Bei Nachweis eines zerebralen Zirkulationsstillstandes entfallen die Wartezeiten des 2. Nulllinien-EEG.) ▶ Evozierte Potenziale: Das Fehlen von frühen akustisch evozierten Potenzialen wird bei Neugeborenen nicht als Hirntodkriterium akzeptiert.

Beobachtungszeitraum ▶ Primäre Hirnschädigung (und fehlende ergänzende Untersuchungen): • Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr: 72 h. • Kleinkinder: 24 h. • Erwachsene und ältere Kinder: Mindestens 12 h. ▶ Sekundäre Hirnschädigung (und fehlende ergänzende Untersuchungen): Erwachsene und ältere Kinder mindestens 72 h. ▶ Hinweis: Bei Neugeborenen und Kindern < 2 Jahre sind ergänzende Untersuchun■ gen (s. o.) obligat!

Organspende ▶ Frühzeitig an die Möglichkeit einer Organspende denken! ▶ Kontaktaufnahme: • Klinik-Beauftragter: Tel. ............. • Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO, www.dso.de): Tel.-Nummer der regionalen Organisationszentren siehe www.dso.de.

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Pharmakologie

20.1 Vorbemerkungen ▶ Die Anwendung aller Medikamente setzt Vertrautheit mit Indikation, Wirkung und Nebenwirkungen voraus! ▶ Die Dosierungen sind sorgfältig geprüft. Für etwaige Fehler oder nach Redaktionsschluss bekannt gewordene Informationen kann keine Garantie übernommen werden. ▶ Es sind nur wenige wichtige Nebenwirkungen aufgeführt, für weitere Informationen zu Nebenwirkungen siehe die jeweilige Fachinformation des Herstellers. ▶ Letztlich entscheidet die Fachinformation des Herstellers über Dosierung und Applikation. ▶ Zulassung: Einige Medikamente sind – obwohl in der täglichen Routine im Gebrauch – derzeit nicht für Säuglinge unter 3 Monaten zugelassen. Eine zusätzliche Einwilligung über die Einwilligung zur Behandlung ist nicht erforderlich, wenn das Medikament die beste (einzige echte?) Option ist und Erfahrung damit besteht (z. B. Publikationen). Eine generelle Information der Eltern über den Mangel an Medikamenten-Zulassung in der Neonatologie kann hilfreich sein, siehe Eltern-Info bei Aufnahme (S. 474). ▶ Berechnung der Körperoberfläche, s. a. Nomogramm (S. 489). rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi   Länge ðcmÞ  Gewicht ðkgÞ Körperoberfläche m2 ¼ 3600

20 Pharmakologie

20.2 Vancomycin und Aminoglykoside

20.2 Vancomycin und Aminoglykoside Hummler

Vancomycin ▶ Indikationen: • Infektionen durch koagulasenegative Staphylokokken, MRSA, ampicillinresistente Enterokokken (sehr selten: Clostridium difficile). • Mit zunehmender Exposition steigt das Risiko für Resistenzentwicklung des Staphylococcus aureus (noch sehr selten). • Bei auf Cephalosporine/Penicilline empfindlichen Erregern sind diese Antibiotika auch wegen schnellerer Wirkung unbedingt vorzuziehen. • Wegen des weltweiten Anstieges vancomycinresistenter Enterokokken wird von einer prophylaktischen oder empirischen Therapie mit Vancomycin abgeraten. ▶ Dosierung erfolgt altersabhängig vom Gestationsalter und „Talspiegel“, Vorsicht vor allem bei „hohem“ Kreatinin (> 1,4 mg/dL): • < 30. SSW: 15 mg/kg KG alle 24 h, • 30.–37. SSW: 15 mg/kg KG alle 18 h, • > 37. SSW: 15 mg/kg KG alle 12 h. ▶ Applikation: • Gabe immer als Kurzinfusion über 1 h. • Verdünnung mit Glukose 5 % oder NaCl 0,9 %. • In einer Konzentration von max. 5 mg Vancomycin/ml verabreichen. ▶ Cave: ■ • Zu rasche Infusion: Erythem der Haut, Tachykardie, Hypotension. • Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz (Spiegelkontrolle). 439

Pharmakologie

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20.3 Methylxanthine – Koffein

Tobramycin, Netilmicin, Gentamicin ▶ Indikationen: Synergistischer (in-vitro-) Effekt bei Infektionen durch B-Streptokokken, Enterokokken, u. U. bei gramnegativen Erregern. ▶ Cave: ■ • Renale Ausscheidung → Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz. • Therapeutisch unzureichende Liquorpenetration auch bei Meningitis. ▶ Dosierung gestationsaltersabhängig: • < 30. SSW*: 3,5 mg/kg KG alle 24 h, • 30.– 37. SSW: 3,5 mg/kg KG alle 18 h, • > 37. SSW: 3,5 mg/kg KG alle 12 h oder 5 mg/kgKG alle 24 h. ▶ *Applikation: Gabe immer als Kurzinfusion über 30 min.

Spiegelkontrollen ▶ Talspiegel spätestens nach 72 h, frühestens bei der 3. Gabe. • Ausnahme: Bei Kreatinin > 1,0 mg/dl oder Oligurie frühere und häufigere Spiegelbestimmungen. • Minimalspiegel: Bestimmung direkt vor Gabe. • Maximalspiegel: Bestimmung 30 – 60 min nach Infusionsende; ist routinemäßig nicht erforderlich. Bei Aminoglykosiden ist ein Spitzenspiegel zwischen 5 und 12 mg/l (Gentamicin, Tobramycin) aus therapeutischer Sicht erwünscht. Die Messung ist aber nur bei V. a. unzureichender Wirkung erforderlich. ▶ Vancomycin: • Talspiegel: 10 – 15 mg/l (manche Experten empfehlen 15 – 20 mg/l bei Behandlung von MSRA-Pneumonie, Endokarditis oder bei Arthritis/Osteomyelitis, 20 – 50 mg/l, bei Meningitis mindestens 30 – 40 mg/l anstreben). • Spitzenspiegel: 20 – 50 mg/l. ▶ Gentamicin/Tobramycin. • Talspiegel < 2 mg/l. • Spitzenspiegel: 5 – 12 mg/l. ▶ Beachte: Tal- und Spitzenspiegelkontrollen sind nicht sinnvoll bei Anurie, sich rapi■ de ändernder renaler Ausscheidung, 1 Tag präoperativ bis 1 Tag postoperativ. In diesen Fällen werden Einzelmessungen empfohlen.

20.3 Methylxanthine – Koffein Hummler

Allgemeine Information, Wirkung und Nebenwirkung ▶ In einer großen randomisiert-kontrollierten Studie bei Frühgeborenen ≤ 1250 g, zeigten koffeinbehandelte Kinder ein um 42 % reduziertes Risiko für Zerebralparesen oder neurokognitive Beeinträchtigung, insbesondere bei Therapiebeginn an Tag 1–3 sowie bei Kindern an CPAP/IPPV. http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/024–013.html. ▶ Die Hauptwirkung ist die Stimulierung des zentralen Atemantriebs. Evtl. Verbesserung der Zwerchfellkontraktilität und gesteigerte Diurese. Cave: lange Halbwertszeit bei Frühgeborenen (dtl. länger als bei Erwachsenen); Apnoen können noch sehr spät auftreten. Daher Überwachung für 7 – 10 Tage nach Absetzen. ▶ Nebenwirkungen: Erhöht die metabolische Rate sowie den Sauerstoffverbrauch; bei toxischen Spiegeln Tachykardie und Herzrhythmusstörungen. Erhöhung des zerebralen Gefäßwiderstandes mit Abnahme der Hirndurchblutung, insbesondere bei Bolusgabe von großen Dosen (z. B. 25 mg Koffeinbase/kg KG). Die Stimulation von Glykogenolyse und Lipolyse kann zu Hyperglykämien führen. GI-Reflux mit Nahrungsunverträglichkeit, Nephrokalzinose in Kombination mit Furosemid u./o. Dexamethason, Erregungszustände, Krampfanfälle. 440

▶ Indikationen: Apnoe-Bradykardie-Hypoxämie-Symptomatik (1b, Grad A), Atemunterstützung bei Frühgeborenen ≤ 29 Wochen/ ≤ 1250 g in den ersten drei Tagen. (III, Grad C), BPD (Verbesserung der Lungenfunktion). ▶ Kontraindikationen: Hyperthyreoidismus, Arrhythmie, Tachykardie > 200 bpm. ▶ Dosierungen: • Koffeinbase: Initialdosis: 10–20 mg/kgKG p. o. oder i. v. – Erhaltungsdosis (24 h nach der Initialdosis): 2,5 – 5 mg/kg KG p. o. oder i. v. in 1 ED. • Koffeinzitrat: Initialdosis: 20 mg/kgKG p. o. oder i. v. – Erhaltungsdosis (24 h nach der Initialdosis): 5–10 mg/kgKG p. o. oder i. v. in 1 ED. • In Studien bezieht sich die Dosierung immer auf Koffeinbase; im Handel ist Koffeinzitrat angegeben. • 10 mg Koffeinbase ≙ 20 mg Koffeinzitrat. • Dosisreduktion bei Ruhe-Herzfrequenz > 190/min!

20 Pharmakologie

20.4 Katecholamine

20.4 Katecholamine Hummler

Allgemeine Informationen und Hinweise ▶ Es empfiehlt sich, von fixen Stammlösungen (s. u.) auszugehen, dies hilft Rechenfehler zu vermeiden. ▶ Indikation überprüfen: Sind Katecholamine wirklich notwendig? Siehe auch Kapitel Blutdruck (S. 302)! Hat das Kind wirklich ausreichend Volumen? Periphere Perfusion? Urinproduktion? Die Therapie mit Katecholaminen sollte nicht ausschließlich von den Blutdruckwerten (z. B. MAD < 30 mmHg) abhängig gemacht werden, sondern von der Symptomatik. ▶ Welche Katecholamine: Trotz multipler randomisierter Vergleichsstudien gibt es kaum Daten, die dafür sprechen, dass der Einsatz klinisch wesentliche Outcome-Parameter verbessert. Dopamin erhöht Blutdruck durch Erhöhung des Gefäßwiderstandes, Dobutamin verbessert den linksventrikulären Auswurf und SVC-Fluss, hat aber wenig Effekt auf den Blutdruck. ▶ Gibt es eine Kontraindikation? Wie ist der klinische Zustand des Kindes? Katecholamine können den Sauerstoffbedarf des Gewebes erheblich erhöhen. Der Nettogewinn der Sauerstoffversorgung der Organe durch Ansteigen des Blutdruckes kann also gering sein! ▶ Cave: ■ • Katecholamine sollten über einen zentralen Venenkatheter appliziert werden (Ausnahmen: vital bedrohlicher Notfall bzw. Dobutamin). Über diesen Zugang dürfen keine anderen Medikamente zugespritzt werden → Bolus führt zu Tachykardie und Hypertonus! • Infusionsrate des Perfusors unterliegt u. U. Schwankungen, dies gilt auch für Infusionsleitung (Windkesselfunktion). Niedrige Flussraten begünstigen diese Schwankungen und führen zu schlechter Steuerbarkeit. Katecholaminperfusor an Inkubator befestigen, damit es bei Inkubatorbewegungen nicht zu Schwankungen der Zufuhr kommt. ▶ Arrhythmien: Katecholamine können eine Tendenz zu Arrhythmien verstärken. Dies gilt vor allem für sehr unreife Frühgeborene mit der Konstellation: K ↑, Na ↓, Ca ↓, Azidose. ▶ Katecholamine sind in der Regel kontraindiziert bei muskulär bedingten Obstruktionen des Ausflusstraktes des Herzens.

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Pharmakologie

20

20.4 Katecholamine

Zubereitungen und Standarddosen von Katecholaminen ▶ Standarddosis: Die Verdünnungen der Katecholamine sind standardisiert. Die minimal-sinnvolle Dosis in [μg/kg KG/min] (Minimaldosis) wird gewichtsbezogen in das minimal-sinnvolle Infusionsvolumen [ml/h] verdünnt. Siehe Tab. 20.1. ▶ Die Anweisung zur Herstellung der Stammlösungen sollte dort hängen, wo diese Infusionen gemischt werden. ▶ Dobutamin: • Handelsübliche Zubereitung: Inj.-Flasche 250 mg/50 ml (1 ml = 5 mg). • Minimaldosis: 5 μg/kg KG/min = 7,20 mg/kg KG/Tag = 1,44 ml/kg KG/Tag. ▶ Dopamin (Dopamin): • Handelsübliche Zubereitung: Amp. 50 mg/5 ml (1 ml = 10 mg). • Minimaldosis: 2 μg/kg KG/min = 2,88 mg/kg KG/Tag = 0,29 ml/kg KG/Tag. ▶ Adrenalin (Suprarenin) und Noradrenalin (Arterenol) • Handelsübliche Zubereitung: Amp. 1 mg/1 ml. • Verdünnung: 1:10 verdünnt → 1 ml = 0,1 mg. • Minimaldosis: 0,1 μg/kg KG/min = 0,144 mg/kg KG/Tag = 0,144 ml/kg KG/Tag der unverdünnten bzw. 1,44 ml/kg KG/Tag der 1:10-Lösung. ▶ Orciprenalin (Alupent): • Handelsübliche Zubereitung: Amp. 0,5 mg/1 ml. • Verdünnung: 1:10 verdünnt: 1 ml = 0,05 mg. • Minimaldosis: 0,1 μg/kg KG/min = 0,144 mg/kg KG/Tag = 0,288 ml/kg KG/Tag der unverdünnten bzw. 2,88 ml/kg KG/Tag der 1:10-Lösung. ▶ Weitere Verdünnungen der Standarddosis s. Tab. 20.1. Tab. 20.1 • Weitere Verdünnungen und Infusionsraten. Jeweilige Standarddosis in ml/kg KG/Tag (s. o.) mit Glukose 5 % auffüllen*. Körpergewicht

Mit Glukose 5 % auf

Infusionsrate

≥ 3 kg

12,0 ml

0,5 ml/h

≥ 2 kg

4,8 ml

0,2 ml/h

≤ 2 kg

2,4 ml

0,1 ml/h

* Je nach Blutzucker und Elektrolyten eignet sich auch Glukose 10 % oder NaCl 0,9 % (nicht > 15 % Glukose); Beispiel: Kind 1 kg: Dobutamin 5 µg/kg/min ≙ 1,44 ml + 0,96 ml → 2,4 ml/Tag = 0,1 ml/h

Tab. 20.2 • Alternatives standardisiertes Mischungsverhältnis (einfachere Verdünnung, aber mehr Flüssigkeitszufuhr). Medikament

Mischung

Konzentration/ml

Dosis (1 ml/h) bezogen auf 1 kg

Dopamin

25 mg / 25 ml G5 %*

1 ml ≊ 1 mg

≊ 17 µg/min (0,1 ml/h ≊ 1,7 µg/kgKG/min)

Dobutamin

25 mg / 25 ml G5 %*

1 ml ≊ 1 mg

≊ 17 µg/min (0,1 ml/h ≊ 1,7 µg/kgKG/min)

Suprarenin

1 mg / 50 ml G5 %*

1 ml ≊ 20 µg

≊ 0,33 µg/min (0,1 ml/h ≊ 0,03 µg/kgKG/min)

Noradrenalin

1 mg / 50 ml G5 %*

1 ml ≊ 20 µg

≊ 0,33 µg/min (0,1 ml/h ≊ 0,03 µg/kgKG/min)

* G5 % = Glukose 5 %

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Dobutamin (Dobutrex) ▶ Handelsübliche Zubereitung: Inj.-Flasche 250 mg/50 ml. ▶ Besonderheiten: Nie mit alkalischer Lösung mischen → Inaktivierung! Die Verabreichung über einen peripheren Venenzugang ist möglich. ▶ Wirkungen: • Positiv inotrop, bathmotrop und chronotrop (β1-selektive Wirkung). • Wenig Einfluss auf systemischen Blutdruck; keinen Einfluss auf pulmonalen Gefäßwiderstand → Blutdruck steigt nur minimal an. • Hebt das HZV (gemessen an Flussraten in der V. cava sup.) besser an als Dopamin. • Herzfrequenz steigt meist dosisabhängig an. ▶ Cave: Hypovolämie! ■ ▶ Indikationen: Herzinsuffizienz (eingeschränkte Herzleistung mit noch ausreichendem Blutdruck). ▶ Kontraindikation: Subvalvuläre Aortenstenose. ▶ Dosierung: Sukzessive Steigerung von 5 – 10 – 20 μg/kg KG/min.

20 Pharmakologie

20.4 Katecholamine

Dopamin ▶ Handelsübliche Zubereitung: Amp. 50 mg/5 ml (1 ml = 10 mg). ▶ Besonderheiten: • Nie mit alkalischer Lösung mischen → Inaktivierung! • Verabreichung nur über ZVK! Gefahr der Nekrose bei peripherer Applikation (Antidot: Phentolamin 1 – 5 mg in 1 – 5 ml NaCl 0,9 %). • Dopamin wirkt bis zu 50 % über Freisetzung von Noradrenalin aus myokardialen Speichern. Diese sind bei Früh- und Neugeborenen deutlich vermindert, ebenso bei chronischer Herzinsuffizienz. ▶ Wirkungen und Indikationen: Die Wirkungen von Dopamin sind dosisabhängig: • Niedrige Dosierung: (1 –)2 – 4 μg/kg KG/min: Direkte Wirkung auf die Dopaminrezeptoren. – Wirkung: Vasodilatation der renalen und mesenterialen Gefäße. Die Nierendurchblutung steigt um bis zu 50 %, die Natriurese um bis zu 500 %. – Indikation: Oligurie) bei normotensiven Patienten. • Mittlere Dosierung: 5 – 10 μg/kg KG/min. – Wirkung: β1-adrenerge Wirkung. Positiv inotrop, bathmotrop und chronotrop. Systemischer Gefäßwiderstand sinkt (ZVD und PCWP↓). – Indikation: „low cardiac output“, z. B. beim septischen Schock. • Hohe Dosierung: 10 – 20 μg/kg KG/min. – Wirkung: α-adrenerge Wirkung. Erhöhung des gesamten (systemischen und pulmonalen) Gefäßwiderstandes → renale, periphere und pulmonale Vasokonstriktion (cave: PPHN, blass-gräuliches Aussehen). – Indikation: Verbesserung des Cardiac Output bei volumenrefraktärer Hypotonie. ▶ Cave: Infolge der verminderten Konzentration der Noradrenalinspeicher im Myo■ kard von Neugeborenen steigt bei hohen Dopamindosen zwar der periphere Gefäßwiderstand und damit der Blutdruck, die positiv inotrope Wirkung ist aber gering, es kommt u. U. sogar zu einer Abnahme der Inotropie und Verminderung des Cardiac Output. Aus diesem Grund sollte: – zur Verbesserung des Cardiac Output Dobutamin oder Suprarenin bevorzugt werden. – zur Anhebung des peripheren Widerstandes und des Blutdruckes eher Noradrenalin verwendet werden (geringere Erhöhung des pulmonalen Gefäßwiderstandes, z. B. bei PPHN). ▶ Nebenwirkungen: Tachykardie, ventrikuläre Extrasystolen.

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Pharmakologie

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20.4 Katecholamine

Adrenalin (Suprarenin, Epinephrin) ▶ Handelsübliche Zubereitung: Amp. 1 mg/1 ml (1:1000 → 1 ml = 1 mg; 1:10 000 → 1 ml = 0,1 mg). ▶ Besonderheit: Verabreichung nur über ZVK (ggf. im Notfall intratracheal oder intraossär). ▶ Wirkungen: β1-, β2- und α-Rezeptorenwirkung, „full agonist“, wirkt bei Azidose evtl. besser, höhere Rezeptorenaffinität als Dobutamin, wirkt nicht über Noradrenalinspeicherentleerung wie Dopamin. ▶ Indikationen: Herz-Kreislauf-Versagen, Reanimation, anaphylaktischer Schock, dopaminrefraktäre Hypotonie, dobutaminrefraktärer „low cardiac output“. ▶ Dosierung: • 0,05 – 0,8 μg/kg KG/min: Cardiac Output ↑, Systemwiderstand ↓, HF ↑, RR ↔. • 0,5 – 2 μg/kg KG/min: Systemwiderstand ↑, RR ↑, Cardiac Output ↑, HF ↑, zunehmende α-Rezeptorenwirkung. • 2 – 3(– 5) μg/kg KG/min: Systemwiderstand ↑, Cardiac Output fällt wieder. • Bei Reanimation (S. 431). ▶ Nebenwirkungen: • Evtl. erwünschte Nebenwirkung: Bronchodilatation bei Bronchospasmus. • Unerwünschte Nebenwirkungen: – Renale Vasokonstriktion (wird durch erhöhten Cardiac Output evtl. kompensiert, sonst zusätzlich Dopamin). – Ventrikuläre Arrhythmien. – Hyperglykämie (Glukoneogenese steigt, Insulinfreisetzung vermindert, Insulinresistenz), Hypokaliämie (β2-adrenerge Wirkung). – Gefahr von Myokardnekrosen bei zu langer Anwendung.

Noradrenalin (Arterenol) ▶ Handelsübliche Zubereitung: Amp. 1 mg/1 ml (1:1000 → 1 ml = 1 mg; 1:10 000 → 1 ml = 0,1 mg). ▶ Besonderheit: Verabreichung nur über ZVK! ▶ Wirkungen: β1- und α-Rezeptorenwirkung, keine β2-Wirkung → myokardialer Sauerstoffverbrauch steigt unter Noradrenalin weniger als unter Dopamin. ▶ Indikationen: „Reservekatecholamin“ für besondere Indikationen: • Therapierefraktäre Hypotension. • Unzureichender myokardialer Perfusionsdruck (diastolischer Systemdruck minus enddiastolischer rechtsventrikulärer Druck), besonders bei PFC, pulmonaler Hypertension, Rechtsherzversagen, diaphragmatischer Hernie. ▶ Dosierung: • 0,05 – 0,1 μg/kg KG/min (zentral geben!): Gemischte α- und β1-mimetische Wirkung. • Höhere Dosis (0,1 – 0,5 – 4 μg/kg KG/min): Vorwiegend α-mimetische Wirkung. ▶ Nebenwirkungen: Bei zu hoher Dosis Hypertension mit Herzinfarkt und zerebraler Blutung.

Orciprenalin (Alupent) ▶ Handelsübliche Zubereitung: Amp. 0,5 mg/1 ml. ▶ Wirkungen: β1- und β2-mimetische Rezeptorenwirkung. • Positiv chronotrop und inotrop. ▶ Cave: O2-Verbrauch im Myokard! ■ • Erhöhung des Herzeitvolumens durch Nachlastreduktion (periphere Vasodilatation), daher evtl. Volumensubstitution nötig! • Bronchospasmolyse. ▶ Indikationen: Atropinresistente Bradykardien, Verbesserung der Kontraktilität (solange Herzfrequenz im Normbereich). 444

▶ Dosierung: 0,1 – 0,5 μg/kg KG/min, möglichst zentral geben! ▶ Nebenwirkungen: • Ventrikuläre und supraventrikuläre Extrasystolen. • Sinustachykardie, Erhöhung des systolischen Blutdruckes. • Ischämie des Myokards mit Infarkt, Angina pectoris.

Enoximone (Perfan) ▶ Keine gesicherten Daten! ▶ Wirkungsmechanismus: Phosphodiesterasehemmung. ▶ Indikationen: • Therapierefraktäre (Nitroglycerin, Dobutamin, Diuretika) Herzinsuffizienz. • Dilatative Kardiomyopathie. ▶ Kontraindikationen: • Obstruktive Kardiomyopathie. • Hypovolämie, supraventrikuläre Tachyarrhythmie. ▶ Wirkung: Positiv inotrop (cave: Vasodilatation!). ▶ Dosierung: 5 – 10 – 20 μg/kg KG/min, möglichst über ZVK geben! Als Einzeldosis 0,5 mg/kg KG als Kurzinfusion. ▶ Nebenwirkungen: • Herzrhythmusstörungen. • Harnverhalt, Reizung der Venenwand.

20 Pharmakologie

20.5 Digitalisierung

20.5 Digitalisierung Hummler

Indikationen ▶ Evtl. manifeste Herzinsuffizienz. ▶ Selten supraventrikuläre Tachykardie. ▶ Vorhofflattern. ▶ Beachte: Nie prophylaktisch digitalisieren! Bei Herzinsuffizienz ist Dobutamin Mit■ tel der 1. Wahl (Dosierung s. o.). Indikation für Digitalisierung ist sehr selten geworden.

Kontraindikationen ▶ Absolute Kontraindikationen: • Muskulär bedingte Ausflusstraktobstruktionen, z. B. rechtsventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (RVOTO) bei Fallot-Tetralogie und linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (LVOTO) bei asymmetrischer Septumhypertrophie. • Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie, idiopathische hypertrophe Subaortenstenose, Septumhypertrophie bei diabetischer Fetopathie oder Kortikoidtherapie. • Höhergradiger AV-Block. ▶ Relative Kontraindikationen: Myokarditis, bradykarde Rhythmusstörungen, Elektrolytstörungen, Niereninsuffizienz, Z. n. Kardioversion. ▶ Herabgesetzte Glykosidtoleranz bei: • Hypokaliämie, Hyperkalzämie, Hypoxämie. Z. n. Reanimation, AV-Block, Z. n. Kardioversion, Katecholamintherapie, Amiodarontherapie. Myokarditis, Hypothyreose.

Obligate Untersuchungen vor Digitalisierung ▶ EKG (zumindest Extremitätenableitung), Echokardiografie. ▶ EKG-Monitor (immer). ▶ Labor: Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin. 445

Pharmakologie

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20.6 Diuretika

Substanzen, Dosierung und Applikation ▶ Mittel der Wahl ist Digoxin (HWZ von Digitoxin länger und damit schlechter steuerbar), z. B.: • Lenoxin (Digoxin) 1 ml = 0,05 mg = 50 μg. • Lanitop liquidum (Methyldigoxin): 1 ml = 45 Tropfen = 0,6 mg = 600 μg. ▶ Applikation: Wegen unklarer Resorptionsverhältnisse i. v. Digitalisierung bevorzugen, vor allem im akuten Bedarf beim kranken Neu- und Frühgeborenen. Orale Dosierung ca. 20–25 % höher. ▶ Dosierung: Erhaltungsdosis 5 μg/kgKG/d in 2 ED p. o. oder i. v., Spiegel nach 5 Tagen. Zielspiegel: 0,5–0,8 ng/ml.

Therapiekontrolle ▶ Symptomatik! ▶ EKG: PQ-Verlängerung bis 0,16 s, wannenförmige ST-Senkung, QT-Verkürzung. ▶ Digoxinspiegel Therapeutischer Bereich: 0,5 – 0,8 ng/ml zur Herzinsuffizienztherapie; 0,8 – 1 ng/ml zur Rhythmuskontrolle. ▶ Zeichen der Überdosierung • Rhythmusstörungen verschiedenster Art: Bradykardie, AV-Block, Vorhoftachykardie, Kammertachykardie, Extrasystolie (Bigeminus). • Seltener Erbrechen und Diarrhö. ▶ Medikamenteninteraktion: Amiodaron, Erythromycin, Indometacin, Spironolacton, Verapamil → Spiegelkontrolle.

Therapie einer Digitalis-Intoxikation ▶ Sofortmaßnahmen: • Aufnahme auf Intensivstation, Überwachung von Symptomatik, EKG, Blutdruck, Atmung, Elektrolyten, Blutbild, Blutzucker, Harnstoff, Kreatinin. • Digitalis absetzen, Kalzium absetzen! • Digitalis-Antidot BM: 1 mg/kg KG senkt den Digoxin-Serumspiegel um ca. 1 ng/dl. Rasche Wirkung auch bei schwerster Intoxikation! ▶ Therapie bei Tachykardie (ventrikuläre Extrasystolen, Salven, Flattern): • Lidocain 1 mg/kg KG/ED i. v., ggf. nach 5 – 10 min wiederholen, bis 5 mg/kg KG. Fortsetzung der Lidocainzufuhr als Dauerinfusion: – 1. Stunde: 50 μg/kg KG/min. – 2. Stunde: 40 μg/kg KG/min. – 3. Stunde: 30 μg/kg KG/min. – Ab 24 h: 20 μg/kg KG/min. • Hypokaliämie ausgleichen (bei AV-Block kein Kalium geben!). • Defibrillation bei Kammerflimmern: Einstellung des Defibrillators: 2 J/kg KG, asynchron. Günstig ist vorher Gabe von Phenytoin 5 – 10 mg/kg KG langsam i. v. • Ggf. Suprarenin-Bolus zur Umwandlung von Kammerflimmern in Kammerflattern. Beginn mit 0,1 ml/kg KG der 1:10 000- Lösung. ▶ Therapie bei Bradykardie (AV-Block II – III): Atropin 0,01 – 0,03 mg/kg KG/ED i. v., ggf. Schrittmacher.

20.6 Diuretika Hummler

Indikationen ▶ BPD: Erhöhung des onkotischen Drucks, Reduktion der Flüssigkeitsfiltration in das Lungeninterstitium, dadurch Verbesserung der Lungenmechanik (höhere Compliance und reduzierte Resistance). Hämokonzentration führt zu einer höheren Sauer446

▶ ▶ ▶ ▶

stofftransportkapazität. Effekt ist aber passager ohne Langzeit-Einfluss auf das BPDRisiko bzw. die Dauer der zusätzl. O2-Zufuhr. Flüssigkeitsüberladung (evtl. Transfusionen, Niereninsuffizienz, Lungenödem). Oligurie, sofern eine Hypovolämie ausgeschlossen ist. Herzinsuffizienz. Posthämorrhagischer Hydrozephalus (umstritten).

Hydrochlorothiazid (Esidrix)

20 Pharmakologie

20.6 Diuretika

▶ Diuretikum der 1. Wahl vor allem bei BPD in Kombination mit Spironolacton (Aldactone). ▶ Dosierung: 2 – 4 mg/kg KG/Tag in 2 ED p. o. ▶ Vorteile: • Kalziurie geringer als bei Furosemid. • Geringere Wirkung als Furosemid (s. u.), daher zur Dauertherapie einer BPD eher geeignet. • Hat verglichen mit Furosemid ein geringeres Risiko für die Entstehung einer Nephrokalzinose. ▶ Nebenwirkungen: • Hypokaliämie, Hyperglykämie, Hyperurikämie. • Vorsicht bei Hyperkalzämie! • Verdrängt Bilirubin aus der Eiweißbindung (cave: also bei hohen Bilirubinwerten). • Kann bei schwerer Nierenfunktionsstörung GFR reduzieren.

Furosemid (Lasix) ▶ Einsatz vor allem bei Herzinsuffizienz, Lungenödem.

▶ Cave: Wirkt auch bei Hypovolämie und ist da kontraindiziert. ■

▶ Dosierung: • Beginn mit 0,5 mg/kg KG i. v., ggf. steigern bis 2 mg/kg KG. • Maximale Tagesdosis: 4 (– 8) mg/kg KG/Tag i. v., Kombination mit Spironolacton sinnvoll. • Oral evtl. Dosis verdoppeln. • Längere HWZ bei Frühgeborenen, daher Dosisintervall: Frühgeborene alle 12–24 h, reife Neugeborene und junge Säuglinge 6–12 h. ▶ Beachte: Na+-, K+-Kontrollen! ■ ▶ Nebenwirkungen: • Verdrängung von Bilirubin aus der Eiweißbindung, s. o. • Kalziurie, Nephrolithiasis, Hypokaliämie. Gallensteine bei Langzeitanwendung. • Exantheme, Schwindel, Kopfschmerzen. • Ototoxizität vor allem bei Kombination mit Aminoglykosiden. • Kumuliert bei Anurie. • In der Literatur gibt es Hinweise auf einen PDA als NW einer Furosemidbehandlung.

Spironolacton (Aldactone) ▶ Dosierung: 1–3 mg/kg KG/Tag in 1 ED p. o. ▶ Vorteile: Kaliumsparendes Diuretikum. Günstige Wirkung in Kombination mit Furosemid oder Hydrochlorothiazid. ▶ Nebenwirkungen: • Vorsicht Hyperkaliämie. • i. v.-Präparat gilt als kanzerogen! • Androgener Effekt bei Mädchen.

Etacrynsäure (Hydromedin) ▶ Indikation: Herzinsuffizienz, Hypertension, falls keine Reaktion auf Furosemid. ▶ Dosierung: 1 mg/kg KG/ED maximal 3 mg/kg KG/Tag. 447

Pharmakologie

20

20.7 Analgetika

▶ Kontraindikation: Hypotension, hyponatriämische Dehydration, metabolische Alkalose mit Hyponatriämie.

Bumetanid (Burinex) ▶ Dosierung: 0,01 – 0,05 mg/kg KG/ED alle 24 – 48 h. ▶ Sehr stark wirksames Schleifendiuretikum, kann zu erheblicher Diurese und Elektrolytverlusten führen. Cave: Ototoxizität! ▶ Erfahrungen im Neugeborenenalter sehr begrenzt.

Zaroxylin (Metolazon) ▶ Dosierung: 1 mg/kg KG in 1 ED. ▶ Indikation: Hypertonie, kardial bedingte Ödeme, renale Ödeme, Aszites bei Leberzirrhose. ▶ Erfahrungen bei Neugeborenen begrenzt, aber positiv (in der Schweiz erhältlich).

20.7 Analgetika Hummler ▶ Vorbemerkung: Neu- und Frühgeborene sollen ebenso wie andere Patienten möglichst keine Schmerzen erleiden (vgl. Tab. 2.6). Im Gegensatz zu größeren Kindern kann aber das sich noch entwickelnde Gehirn nicht nur durch Schmerzen, sondern auch durch Sedativa und Analgetika geschädigt werden. Eine prophylaktische Sedierung/Analgesie bei Beatmung zeigte keinen Vorteil im neurologischen Outcome Frühgeborener.

Indikationen: Übersicht ▶ Invasive, schmerzhafte Eingriffe, z. B. Legen von Drainagen oder eines Tenckhoff-Katheters. ▶ Liegende Pleura-, Peritonealkatheter (Dauerinfusion). ▶ Zur Intubation bei Früh- und Neugeborenen. ▶ Analgosedierung bei problematischer Beatmung trotz Beatmungsoptimierung, z. B. bei Mekoniumaspiration. ▶ Analgosedierung zur OP auf Station, z. B. Duktusligatur, Laserkoagulation/Kryotherapie bei ROP. ▶ Hinweis: Gabe von 10 %iger Glukoselösung auf die Zunge reduziert Schmerzempfin■ dung z. B. bei Venenpunktion o. Ä. Auch Sab simplex ist sehr süß und reduziert Schreien bei gering schmerzhaften Eingriffen wie Blutabnahmen.

Substanzen zur lokalen Analgesie ▶ Scandicain 1 – 2 % s. c., z. B. vor Einlage einer Pleuradrainage. ▶ Cave: Bei versehentlicher intravenöser Gabe schwerer Blutdruckabfall! ■ ▶ EMLA enthält 2,5 % Lidocain und 2,5 % Prilocain. ▶ Cave: Bei höherer Dosierung oder zusätzlicher Gabe von Paracetamol, Nitraten, ■ Phenobarbital, Phenytoin u. a. Gefahr der Methämoglobinbildung.

Substanzen zur systemischen Analgesie ▶ Hinweis: Ibuprofen (p. o.) zur Schmerzstillung ist erst ab dem 3. Lebensmonat zuge■ lassen. ▶ Paracetamol (z. B. Ben-u-ron): • Analgetikum der WHO-Stufe I. Verwendung z. B. postoperativ am 2. Tag nach Duktusligatur, bei starken Schmerzen überlappend auch in Kombination mit einem Opioid. • Wirkdauer: Ca. 5 h.

448

• Dosierung < 32 Wochen: – oral: 10–12 mg/kgKG/Dosis alle 6–8 h, max. 40 mg/kgKG/d. – rektal: 20 mg/kgKG alle 12 h, max: 60 mg/kgKG/d. • 32 – 36 Wochen und reife NG < 10 Tage: – oral: 10–15 mg/kgKG/Dosis alle 6 h, max. 60 mg/kgKG/d. – rektal: Initial 30 mg/kgKG/Dosis, dann 15 mg/kgKG/Dosis alle 8 h, max. 90 mg/ kgKG/d. • Reife NG > 10 Tage – oral: 10–15 mg/kgKG/Dosis alle 4–6 h, max. 90 mg/kgKG/d. – rektal: Initial 30 mg/kgKG/Dosis, dann 20 mg/kgKG/Dosis alle 6–8 h, max. 90 mg/kgKG/d. – i. v. 7,5 mg/kg/Dosis (= 0,75 ml Perfalgan-Infusionslösung) alle 8 h. Cave: Um eine Perfalgan-Überdosierung zu vermeiden, soll die Dosis immer auch in ml angegeben werden (eine Einzeldosis darf nie 7,5 ml überschreiten!). – Herstellerempfehlung: Berechnetes Volumen der Originallösung mit 0,9 % NaCl oder 5 % Glukose verdünnen und über 15 Minuten infundieren. ▶ Cave: Geringe therapeutische Breite (Hepatotoxizität). Aufgrund der ungleichen ■ Verteilung von Paracetamol in den Suppositorien kann es bei rektaler Applikation aufgeteilter Suppositorien zu sehr unterschiedlichen Resorptionsraten kommen, daher wird davon abgeraten. ▶ Fentanyl: • Analgetikum der WHO-Stufe III. • Verwendung unmittelbar postoperativ, ggf. zur Intubation (S. 20), cave: Thoraxrigidität; siehe auch Beatmungstechniken (S. 225). Bei Beatmung mit Relaxierung in Kombination mit Midazolam. • Wirkungseintritt sofort • Wirkdauer: Ca. 2 h. • Halbwertszeit: 6 – 32 h (FG). • Dosierung: – Sedierung und Analgesie: 0,5 – 4 μg/kgKG Dosis langsam i. v. Wiederholung nach Wirkung (normalerweise alle 2 – 4 h). – Dauerinfusion: 1 – 5 μg/kgKG pro Stunde, eine rasche Toleranzentwicklung ist bei kontinuierlicher Dauerinfusion möglich. – Anästhesie: 5 – 50 μg/kgKG/Dosis. • Nebenwirkungen: Wie Morphin (s. u.), gastrointestinale Motilität jedoch weniger beeinträchtigt. ▶ Beachte: Bei Gabe über einen Zeitraum von > 3 – 5 Tagen ist eine langsame Ent■ wöhnung erforderlich! ▶ Morphin: • Analgetikum der WHO-Stufe III. • Verwendung zur Analgosedierung z. B. Relaxierung bei Beatmung in Kombination mit Midazolam. Senkt den Widerstand in der A. pulmonalis (PPHN); bei Hypothermiebehandlung. • Wirkungseintritt nach ca. 1 min. • Wirkdauer: Ca. 24 h. • Halbwertszeit: 7 h (NG) bis 10 h (FG). • Dosierung: – 0,05 – 0,1(– 0,2) mg/kg KG/ED i. v. über mind. 5 min oder i. m./s. c., Wiederholung nach Bedarf alle 4 h. – Dauerinfusion 0,01 – 0,02 mg/kg KG/h als Dauerinfusion. – Behandlung einer Opiatentzugssymptomatik: Beginnend mit der zuletzt verabreichten i. v. Morphindosis. Die Dosis wird dann pro Tag um 10 – 20 % reduziert wenn „toleriert“. Die orale Dosis beträgt ca. das 3 – 5 fache der i. v. Dosis. – Behandlung der neonatalen Drogenentzugssymptomatik: 0,03 – 0,1 mg/kgKG/ Dosis p. o. alle 3 – 4 h. Entwöhnungsdosis von 10 – 20 % alle 1 – 3 Tage basie-

20 Pharmakologie

20.7 Analgetika

449

Pharmakologie

20

20.8 Sedativa

rend auf einer „Entwöhnungsskala“. Verwendung einer 0,4 mg/ml-Verdünnung einer Morphinsulfatlösung für die orale Anwendung. • Nebenwirkungen: Obstipation, Hypotonie, Atemdepression, Bradykardie, Harnverhalt, Senkung des pulmonalen Gefäßwiderstandes (kann positive NW sein), Bronchospasmus (Morphin > Fentanyl), Entzugssymptomatik! ▶ Remifentanyl: Analgetikum der WHO-Stufe III. Verwendung zur Intubation. Zur längeren Analgesie bei Beatmung noch wenig Erfahrung, aber in einer Studie schneller Extubation. • Wirkungseintritt: sofort, noch schneller als bei Fentanyl. • Wirkdauer: Minuten; kürzer als Fentanyl. Schnelle Metabolisierung durch Gewebe- und Plasmaesterasen. • Dosierung: 2 μg/kgKG als Bolus in 60 s. Kontinuierlich: 0,075–0,094 μg/kgKG/min.

20.8 Sedativa Hummler

▶ Cave: ■

• Sedativa ersetzen nicht Analgetika! • Mimik und Agitiertheitsgrad des Kindes unter Sedierung genau beobachten.

Indikationen ▶ Angst verursachende Prozeduren, Unruhe. Aber: Zuerst versuchen, die Ursache der Unruhe herauszufinden, um diese zu vermeiden. ▶ Vor Intubation (Ausnahme: Notfall-Intubation). ▶ „Kampf gegen den Respirator“ bei beatmeten Kindern. Beachte: Sedierung ersetzt bei Beatmung nicht die optimale Respiratoreinstellung! Bei Atemnot muss die Ursache beseitigt werden. ▶ Cave: Es häufen sich tierexperimentelle Hinweise, dass die Gabe von Phenobarbital, ■ Benzodiazepinen oder Propofol über einige Tage in der Neonatalzeit neurotoxisch wirken kann.

Phenobarbital (Luminal) ▶ Wirkungseintritt: Nach ca. 20 min. ▶ Wirkdauer: Ca. 5 h. ▶ Dosierung: Initial 20 mg/kg KG in 2 ED oder langsam (10–15 min) i. v., dann 3(– 5) mg/ kg KG i. v. oder p. o. als Erhaltungsdosis (alle 24 h). ▶ Spiegelkontrolle bei antikonvulsiver Therapie. Angestrebte Spiegel: 20 – 40(– 60) mg/l nach 3 – 4 Tagen; siehe auch Kapitel Neurologie (S. 380). ▶ Nebenwirkungen: Atemdepression, Hypotension.

Diazepam (Diazepam-Lipuro, Valium) ▶ Wirkdauer: Ca. 5 h. ▶ Halbwertszeit: 2 Tage. ▶ Dosierung: • 0,3 mg/kg KG/ED langsam über einige Minuten i. v., rektal, p. o. • Bei Analgosedierung 0,5 – 1 mg/kg KG in Fettinfusion. ▶ Nebenwirkungen: Atemdepression, arterielle Hypotension. Einige i. v. Präparationen (z. B. Diazepam-Ratiopharm oder Dizep 10 mg Ampullen) enthalten Benzylalkohol und Natriumbenzoat, cave: bei Hyperbilirubinämie. Diazepam-Lipuro enthält kein Natriumbenzoat oder Benzyl-Alkohol, welche Bilirubin aus der Eiweißbindung verdrängen können. ▶ Cave: Lt. Hersteller sind Neugeborene und Säuglinge < 6 Monaten von einer Behand■ lung mit Diazepam auszuschließen. Es besteht ein relevantes Risiko für Atem- und 450

Kreislaufdepression v. a. bei zu schneller Injektion. Ausnahmen allenfalls bei zwingender Indikation unter stationären Überwachungsbedingungen. Es gibt über Diazepam keine belastbaren Publikationen – mit Ausnahme von Fallberichten über Komplikationen!

Midazolam (Dormicum) ▶ Wirkdauer: Ca. 2 h. ▶ Halbwertszeit: 2 h. ▶ Dosierung: • Intravenös: 0,05 – 0,2 mg/kg KG langsam über einige min i. v. Kontinuierliche i. v. Infusion: 0,01 – 0,06 mg/kgKG/h (10 – 60 μg/kgKG/h). Diese Dosierung muss oft nach einigen Tagen wegen Toleranzentwicklung und/oder höherer Clearance erhöht werden. • Intranasal: 0,2 – 0,3 mg/kg/Dosis Verwendung der 5 mg/ml-i. v.-Verabreichungsform. • Sublingual: bzw.0,2 mg/kg/Dosis Verwendung der 5 mg/ml-i. v.-Verabreichungsform evtl. gemischt mit einer kleinen Menge Geschmackssirup. • Oral oder rektal: 0,25 mg/kg/Dosis. ▶ Cave: Gefahr von Apnoen, evtl. Krampfanfälle bei zu schneller Applikation! Krämpfe ■ auch bei normaler Applikation bei sehr unreifen Frühgeborenen.

20 Pharmakologie

20.9 Steroide

Propofol ▶ Vorbemerkung: Propofol ist für die Narkoseeinleitung bei Kindern < 1 Monat und zur Sedierung bei Kindern < 16 Jahren nicht zugelassen. Es gibt aber mehrere Publikationen über die Verwendung zur Intubation bei Frühgeborenen. • Propofol 1 % und Propofol-Lipuro 1 % → 20 ml = 200 mg/1 ml = 10 mg. (Cave: auch 2 %ig im Handel). • Indikation: Kurznarkose z. B. zur Intubation. ▶ Dosierung: • Narkoseeinleitung: 0,3 – 1,0 mg/kg KG bei NG < 1 Monat (Dosis kann wiederholt werden), danach 2,5 – 4 mg/kg KG. ▶ Nebenwirkungen: • Blutdruckabfall, Bradykardie bis Herzstillstand. • Hypertriglyzeridämie. • Atemstillstand. ▶ Cave: Propofolsyndrom Laktatazidose, Rhabdomyolyse, hohe Letalität. ■

20.9 Steroide Hummler

Vorbemerkungen ▶ Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Dexamethason bei Frühgeborenen, über die bekannten akuten Nebenwirkungen (s. u.) hinaus, zu gravierenden und bleibenden neurologischen Schädigungen führen kann (Zerebralparesen). ▶ Meta-Analysen randomisierter Studien sprechen dafür, dass das Risiko neurologischer oder kognitiver Spätschäden geringer ist, wenn Dexamethason erst nach der 2. Lebenswoche eingesetzt wird. ▶ Durch den Einsatz von Dexamethason lässt sich das Risiko einer bronchopulmonalen Dysplasie senken, und die Extubation beatmeter Frühgeborenen ist früher möglich. ▶ Es gibt einen Trend (in Studien allerdings nicht als signifikant belegt), dass es nach Gabe von Dexamethason zu einer geringeren Mortalität bei Kindern mit BPD kommt. 451

Pharmakologie

20

20.9 Steroide

▶ Dieses Dilemma erfordert eine sehr strenge Indikationsstellung für Dexamethason. Insbesondere der frühe Einsatz von Dexamethason in den ersten 2 Lebenswochen und über 3 Tage hinaus ist zu vermeiden bzw. ist extremen Ausnahmefällen (z. B. progrediente chronische Lungenerkrankung mit drohendem Versterben) vorbehalten.

Dexamethason ▶ Vor Einsatz von Dexamethason Ausschöpfung folgender Therapiemöglichkeiten: • Verschluss eines Ductus arteriosus (bevorzugt medikamentös). • Einsatz von Diuretika zur Verminderung des Lungenwassers. • Evtl. Inhalation mit Salbutamol/Fenoterol. • Behandlung bzw. Ausschluss von Infektionen durch Bakterien, Ureaplasmen, Pilze. ▶ Dexamethason wäre ggf. indiziert bei: • progressiver Verschlechterung der Lungenfunktion (z. B. FiO2 > 0,5). • drohendem Tod aufgrund pulmonaler Insuffizienz. ▶ Akute Nebenwirkungen: • Hyperglykämien, vor allem bei sehr unreifen Frühgeborenen. BZ-Kontrollen sind anzuraten. • Hypertrophische Kardiomyopathie (echokardiografische Kontrollen). • Möglicherweise Verstärkung der Osteopenie. • Wachstumsverzögerung bis zum Wachstumsstillstand. Dies gilt auch für die Entwicklung der Lunge. • Allenfalls mäßig gesteigertes Infektionsrisiko. • Erhöhtes Risiko von Darmperforationen oder -blutungen, besonders bei Kombination mit Indometacin (und vermutl. auch bei Ibuprofen). Diese Kombinationsbehandlung sollte vermieden werden. ▶ Dosierung: • 0,1 mg/kg KG/Tag in 2 ED für 3 Tage i. v. oder p. o., danach Absetzen oder alternativ ausschleichende Dosisreduktion über 7–10 Tage. Falls unbedingt erforderlich, ist ein wiederholter Einsatz nach möglichst langer Pause akzeptabel. Die „beste“ Dosis unter Abwägung von „Nutzen“ und „Risiken“ ist derzeit nicht bekannt. ▶ Beachte: Manche Autoren empfehlen die Bestimmung des basalen Kortisolspie■ gels (bei Hypokortisolismus ggf. Supplementierung mit Hydrokortison) bzw. vor dem endgültigen Absetzen (z. B. bei längerem Einsatz von Dexamethason > 4 Tage).

Hydrokortison ▶ Therapie/Prophylaxe einer BPD: • Hydrokortison in einer Dosis von 1 mg/kg KG/Tag für 12 Tage, dann 0,5 mg/kg KG/Tag in je 4 ED für 3 Tage bei FG mit 500 – 999 g. – reduziert in einer Sekundäranalyse bei Chorioamnionitis der Mutter bei Gabe ab dem 1. Lebenstag signifikant die Mortalität und das Risiko einer BPD. – erhöht aber das Risiko einer gastrointestinalen Perforation, vor allem bei gleichzeitiger Gabe von Indometacin/Ibuprofen. • Hydrokortison 5 mg/kg KG/Tag gilt in seiner antiinflammatorischen Wirkung äquivalent zu ca. 0,1 mg/kg KG/Tag Dexamethason. Vergleichende Untersuchungen von Wirkung und Nebenwirkung für beide Dosierungen bei Frühgeborenen sind allerdings nicht bekannt. Hydrokortison in einer Dosis von 5 mg/kg KG/Tag (mittlere Behandlungsdauer 27 Tage) beeinträchtigt die neurologische und mentale Entwicklung von Frühgeborenen < 32 SSW und oder < 1500 g bis zum Schulalter nicht. ▶ Arterielle Hypotonie: Hydrokortison in einer Dosis von 2 mg/kg KG als ED alle 8 h (z. B. bei Sepsis). ▶ Physiologische Ersatzdosis: 10 – 20 mg/m2/d i. v. oder p. o. in 2 – 3 Dosen ▶ Stressdosis: 20 – 30 mg/m2/d i. v. in 2 – 3 Dosen oder ungefähr 1 mg/kg/Dosis alle 8 h. 452

20.10 Erythropoetin (Neo-Recormon) Hummler

Grundlagen ▶ Ziel der Erythropoetinbehandlung ist die Verminderung der Notwendigkeit von Spättransfusionen nach der 2. Lebenswoche bei FG < 1500 g. Die Erythropoetingabe vermindert nicht die Zahl der Transfusionen in den ersten 2 Lebenswochen. ▶ Voraussetzung für einen Effekt der Erythropoetingabe ist eine adäquate Eisensubstitution von mindestens 3 mg/kg KG/Tag (einige Autoren empfehlen bis zu 18 mg/ kg KG/Tag!). ▶ Die Reduktion der Blutabnahmen auf durchschnittlich < 1 ml/kg KG/Tag und die Akzeptanz niedrigerer Hämatokritwerte als Indikation zur Transfusion sind wichtige und effektive Möglichkeiten zur Reduktion von Transfusionen. Es ist nicht geklärt, wie sich die Prognose von Frühgeborenen ändern würde, wenn man niedrigere Hämatokritwerte akzeptierte; s. auch Kap. Transfusionen (S. 335). ▶ In multizentrischen Studien ließ sich in Bezug auf die Transfusionshäufigkeit kein Vorteil der Erythropoetingabe bei Frühgeborenen < 1000 g nachweisen [E1]. ▶ Eine Proteinzufuhr von mind. 3,8 g/kg KG/Tag reduziert die Wahrscheinlichkeit einer transfusionsbedürftigen Anämie. ▶ Die Inzidenz einer ROP Stadium > III ist möglicherweise nach Erythropoetintherapie erhöht.

20 Pharmakologie

20.10 Erythropoetin (Neo-Recormon)

Diskutierte Indikationen ▶ Frühgeborene < 1500 g und/oder < 32. SSW. ▶ Vor allem Frühgeborene, bei denen Transfusionen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind (z. B. wenn die Eltern Zeugen Jehovas sind).

Dosierung ▶ Neo-Recormon 250 IE/kg KG in 1 ED s. c., z. B. am Montag, Mittwoch und Freitag jeder Woche (also: 750 IE/kg KG/Woche). Manche Autoren empfehlen höhere Dosen (z. B. 400 IE/kgKG 3 × /Woche). ▶ Beginn: 3. Lebenstag. ▶ Ende: Vollendete 6. Lebenswoche (entspricht 17 ED).

Eisensupplementierung ▶ 3 (– 4) mg Eisen/kg KG/Tag (2 Tropfen Ferrosanol entsprechen ca. 3 mg Fe2+) p. o. ab dem 14. Lebenstag, sofern orale Zufuhr > 50 % der gesamten Flüssigkeitszufuhr (Ernährung). Alternativ > 100 ml Milch/kg KG/Tag.

Kontrollen ▶ Hämatokrit, Retikulozyten: Ca. 1 – 2 × pro Woche. ▶ Ferritin: Ca. alle 3 Wochen während Eisensupplementierung: • Ferritin < 100 ng/ml → Eisendosis erhöhen auf 5 – 10 mg Fe2+; • Ferritin > 600 ng/ml → Eisenzufuhr vermindern. • Ziel: Transferrin-Sättigung 30 – 80 %. Berechnung: Transferrin  Sättigung ¼

Serumeisenðmol=lÞ  5; 58 Transferrin ðg=lÞ  1; 25

453

Pharmakologie

20

20.11 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten

20.11 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten Pecar

pH-Wert-Unterschiede bei Arzneimitteln ▶ Die pH-Werte parenteraler Arzneimittel sind teilweise extrem unterschiedlich (Tab. 20.3). ▶ Beachte: Saure und alkalische Arzneimittel dürfen nicht zeitgleich über ein Lumen ■ infundiert werden! ▶ Applikationsweise: Die in Tab. 20.3 genannten Arzneistoffe sollten vorzugsweise separat appliziert werden. Ist dies nicht möglich, so muss die Infusionsleitung, vor allem bei alkalischen Arzneistoffen, mit NaCl 0,9 % oder Glukose 5 % (nicht bei Phenytoin) vor- und nachgespült werden. Tab. 20.3 • pH-Unterschiede bei Arzneimitteln. Saure Substanzen

pH

Basische Substanzen

pH

Dopamin

2,5 – 4,5

Natriumhydrogenkarbonat

7 – 8,5

Ibuprofen (Pedea)

7,8–8,2

Propofol (Disoprivan)

7,5–8,5

Adrenalin, Epinephrin

2,5 – 5

Furosemid (Lasix)

8 – 9,3

Dobutamin

2,5 – 5,5

Folsäure

8 – 10

Morphin

3,5 – 4,5

Phenobarbital (Luminal)

8 – 10

Midazolam (Dormicum)

3 – 3,6

Acetazolamid (Diamox)

9

Vancomycin

3–4

Theophyllin (Afpred forte-THEO)

9,4

Vitamin B1, Vitamin B6, Vitamin K

3–4

Epoprostenol

10 – 11

Atropin

3-5

Trimethoprim/Sulfamethoxazol (Cotrim)

10

Noradrenalin, Norepinephrin

3-6,5

Azathioprin (Imurek)

10 – 12

Tobramycin (Gernebcin)

3 – 6,5

Aciclovir

11

Gentamicin (Refobacin)

4,6

Ganciclovir (Cymeven)

11

Pancuronium

4

Phenytoin (Phenhydan)

11

Vecuronium

4

TRIS

11

Kaliumcanreonat (Aldactone)

12

▶ Beachte: Zumischen von Pharmaka vermeiden bei: ■ • • • •

Blut- und Blutderivaten. Immunglobulinen. Hochkonzentrierten Lösungen wie Glukose (> 20 %), Mannit. Alkalischen Arzneistoffen (pH > 9).

Inkompatibilität intravenöser Medikamente Thilmany ▶ In der Neonatologie ungewöhnliche Medikamente oder Medikamentenkombinationen (z. B. Antibiotika miteinander) sind in der Regel nicht aufgelistet und die Tab. 20.4 ist bei weitem nicht komplett.

454

Tab. 20.4 • Inkompatibilität intravenöser Medikamente. Medikament

Inkompatible Substanzen

Aciclovir

Katecholamine, Meropenem, Morphin*

Aminophylline

Amikacin*, Ceftazidim*, Doxapram, Katecholamine, Morphin, Vancomycin, Zink

Amphotericin B

Amikacin, Aminoglykoside, Aminosäuren, Ampicillin, Atropin, Dexamethason, Erythromycin, Fett, Dopamin, Fluconazol, Furosemid, Gentamicin*, Indometacin, Insulin, Kaliumchlorid, Kalzium, Katecholamine, Magnesium*, Meropenem, Metronidazol, Natriumchlorid, Penicillin, Phenobarbital, TRIS, Vancomycin

Atropin

Alkalische Lösungen, Adrenalin, Antibiotika, Fettemulsion, Furosemid, Indometacin, Kalzium, Natriumbikarbonat, Noradrenalin, Phenobarbital, TRIS

Dexamethason

Amikacin*, Doxapram, Midazolam, Noradrenalin, Phenobarbital, Vancomycin

Diazepam

fast alles außer Verdünnung auf < 0,3 mg/ml durch Zugabe von NaCl zu Diazepam

Doxapram

Cephalosporine, Dobutamin*, Furosemid, Hydrokortison

Erythromycin

Amikacin*, Aminophylline, Ampicillin*, Barbiturate, Fentanyl, Fluconazol, Furosemid, Glukose*, Kalium*, Kalzium*, Katecholamine, β-Lactamantibiotika, Pancuronium, Vitamine B2, B6, C, K

Fettemulsion

Adrenalin, Amikacin, Kalziumglukonat, Cefotaxim, Glukose*, Vitamin B

Furosemid

Fluconazol, Gentamicin, Glukose, Hydrokortison*, Katecholamine, Midazolam, Multivitamine, Opiate, Pancuronium, Vancomycin, saure Lösungen

Glukose > 5 %

Amphotericin B, Etacrynsäure, Kaliumcanrenoat, Midazolam, Noradrenalin, Pancuronium

Heparin ≥ 1 IE/ml

Amikacin, Aminoglykoside, Erythromycin, Fentanyl*, Gentamicin, Glukose 5 – 10 %*, Hydrokortison, Katecholamine, Morphin, Penicillin, Tobramycin, Vancomycin

Indometacin

Amikacin, Aminosäuren, Cephalosporine, Gentamicin, Glukose > 5 %*, Katecholamine, Metronidazol, Opiate, Pancuronium, Tobramycin, Vancomycin, Vitamin B, Vitamin K

Insulin

Aminophylline, Barbiturate, Dobutamin, Penicillin, Sulfite, Thiole, Vitamin B1

Kalzium

Cephalosporine, Dexamethason, Dobutamin*, Indometacin

Katecholamine

Dobutamin: Digoxin, Hydrogenkortison-Natriumsuccinat, Kalium, Magnesiumsulfat*, Midazolam*, Natriumbicarbonat*, Penicillin

20 Pharmakologie

20.11 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten

Dopamin: Ampicillin*, Gentamicin*, Metronidazol, Natriumbicarbonat, Tobramycin Midazolam

Aciclovir, Albumin, Aminosäuren, Ampicillin, Cephalosporine, Fett, Hydrokortison, Imipenem*, Kaliumcanrenoat, Mezlocillin, Metronidazol, Natriumbikarbonat, Phenobarbital, Theophyllin

Natriumbikarbonat

Aminosäuren, Ampicillin, Kalzium, Cephalosporine, Fentanyl, Gentamicin, Insulin, Magnesium, Metronidazol, Morphin, Neostigmin, Pancuronium, Penicillin*, Phenobarbital, Phosphat, Tobramycin, Vancomycin, Vitamin B1, Vitamin B6

Penicillin

Amikacin*, Aminophylline, Glukose > 5 %, Kaliumchlorid

455

Pharmakologie

20

20.11 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten Tab. 20.4 • Fortsetzung Medikament

Inkompatible Substanzen

Phenobarbital

Aminosäuren, Ampicillin, Cephalosporine, Gentamicin, Hydrokortison, Kalium, Katecholamine, Metronidazol, Morphin, Pancuronium, Tobramycin, Vitamin B, Vitamin K

Phenytoin

alles außer 0,9 % NaCl, erst unmittelbar vor Einsatz verdünnen

Propofol

Amikacin, Amphotericin B, Atracurium, Kalziumchlorid, Gentamicin, Methylprednisolon

TRIS

Cephalosporine, Katecholamine, Opiate, Pancuronium, Tolazolin, Vancomycin, Vitamin B1, Vitamin B6

Vancomycin

Adrenalin, Barbiturate, Benzylpenicillin, Chlorothiazid, Hydrokortison, Fett*, Vitamin K

* kompatibel nur bei kurzer Kontaktzeit, also wenn über Y-Stück gegeben

Kompatibilität von Arzneimitteln und Ernährungsinfusionen Pecar ▶ Möglichst separate Infusionsleitungen verwenden, Y-Stück vorzugsweise mit Rückschlagventil. ▶ Kontaktzeit zwischen den einzelnen Bestandteilen möglichst kurz halten (körpernahes Anhängen des Y-Stücks). ▶ Beim Zuspritzen immer optische Kontrolle (auf Niederschläge achten!). ▶ Stark venenreizende Arzneimittel (Phenytoin, Erythromycin, Etacrynsäure, Aciclovir) als Kurzinfusion applizieren bzw. auf ausreichende Verdünnung achten. ▶ Diazepam fällt in wässrigen Lösungen aus. Besser ist die Stabilität von DiazepamLipuro (Stesolid) als Fettemulsion. Auch hier besteht jedoch beim Zuspritzen (auch über ein Y-Stück) in wässrige Lösungen immer die Gefahr des Ausfallens. Diazepam ist erst ab 6 Monaten bzw. ab 6 kgKG zugelassen. ▶ Gentamicin, Tobramycin oder Vancomycin: Werden diese über eine heparinhaltige Infusionsleitung appliziert, muss die Leitung vor- und nachgespült werden (Inkompatibilität der genannten Stoffe mit Heparin). ▶ Kalzium und Heparin gemeinsam mit Fettemulsion führen bei geringsten Kontaktzeiten zum Ausflocken der Fettemulsion. ▶ Dobutamin, Noradrenalin/Norepinephrin können auch mit Fettemulsion über ein Y-Stück gegeben werden (Kontaktzeit soll < 4 h sein; nur bei Fettemulsionen ohne Diazepam). ▶ Ancotil (Flucytosin), Aciclovir nicht im Kühlschrank lagern, sie können als Niederschlag ausfallen. ▶ Eisenhaltige Lösungen nicht über 24 h in der Ernährungsinfusion mit Vitaminen mischen, da Eisen und andere Metallionen die Zersetzung von Vitaminen beschleunigen können. ▶ Phenytoin (als Injektionslösung und Infusionskonzentrat im Handel): Die Injektionslösung darf nicht verdünnt werden, da Phenytoin sonst als Niederschlag ausfällt. Eine Verdünnung mit NaCl 0,9 % und die Gabe als Kurzinfusion ist nur mit dem Infusionskonzentrat möglich. Phenytoin ist inkompatibel mit Glukoselösungen! ▶ Arzneimittelstabilität: Wird ein Arzneistoff (über z. B. 96 h) als stabil bezeichnet, ist damit die chemische Stabilität des Arzneistoffs gemeint. Vom Standpunkt der mikrobiologischen Stabilität aus wird eine aseptische Herstellung (laminar airflow) in der Apotheke empfohlen. Ist eine validierte aseptische Zubereitung in der Apotheke nicht möglich, sind Arzneimittel erst unmittelbar vor Gebrauch zuzubereiten; die Anwendung sollte möglichst innerhalb 1 h erfolgen. 456

▶ Zersetzungsreaktionen laufen verstärkt in gelöstem Zustand ab, z. B. wenn pulverisierte Antibiotika oder Vitamine mit Flüssigkeit aufgelöst werden. ▶ Blut- und Bakterienfilter: • Porengröße: – Filtration von Partikeln: Porengröße 1,2 μm bzw. 5 μm. – Filtration von Bakterien: Porengröße 0,22 μm. • Blutprodukte werden über Blutfilter gegeben. • Nicht über Bakterienfilter (Porengröße 0,22 μm) werden gegeben: Fettemulsion, Amphotericin B, Blutprodukte, Gerinnungsfaktoren, Immunglobuline, unverdünnte Albuminlösungen. • Fett kann über einen Filter mit einer Porengröße von 1,2 μm appliziert werden. ▶ Lichtschutz: • Vitamine: Bei Zumischung zu wässrigen Lösungen vor Licht schützen. Der Lichtschutz entfällt, wenn Vitamine in der Fettemulsion appliziert werden (Vitalipid infant kann zur Auflösung von Soluvit N verwendet werden, die Mischung wird dann der Fettemulsion zugesetzt). • Amphotericin B: Wird die Stammlösung vor Licht geschützt, kann über einen Zeitraum von 4 – 6 h (Dauer der Applikation) auf Lichtschutz bei der fertig zubereiteten Lösung bzw. auf schwarze Spritzen und Leitungen verzichtet werden. ▶ Fettemulsionen in Infusionsleitungen: Fettemulsionen haben ein geringeres spezifisches Gewicht als wässrige Infusionslösungen, sie können daher in anderen Infusionsleitungen „hochsteigen“. Dies lässt sich durch Tieferhängen (unter Patientenniveau) des Perfusors verhindern. ▶ Kombination mit Ernährungsinfusion: In Tab. 20.5 sind die Substanzen, die mit der Ernährungsinfusion, ohne Heparinzusatz, kombiniert verabreicht werden können, aufgeführt.

20 Pharmakologie

20.11 Pharmazeutische Aspekte/Inkompatibilitäten

Tab. 20.5 • Substanzen, die mit der Ernährungsinfusion (ohne Heparinzusatz) kombiniert verabreicht werden können (Y-Stück oder patientennahes Zuspritzen in den Infusionsschlauch). • Cefotaxim

• Fentanyl

• Morphin

• Ceftazidim

• Fettemulsion

• Noradrenalin/Norepinephrin

• Cefuroxim

• Fluconazol

• Penicillin G

• Cimetidin

• Gentamicin

• Piperacillin

• Clindamycin

• Heparin

• Tobramycin

• Dobutamin

• Imipenem

• Vancomycin

• Dopamin

• Insulin

• Erythromycin

• Metronidazol

457

Pharmakologie

20

20.12 Maximale Konzentration parenteraler Medikamente

▶ Kombination mit Fettemulsion: Tab. 20.6 zeigt die Substanzen, die mit einer Fettemulsion kombiniert verabreicht werden können. Tab. 20.6 • Substanzen, die mit einer Fettemulsion und einer Ernährungsinfusion (ohne Heparinzusatz) kombiniert verabreicht werden können (Y-Stück). • Ampicillin

• Erythromycin

• Metronidazol

• Cefotaxim

• Fentanyl

• Noradrenalin/Norepinephrin

• Ceftazidim

• Fluconazol

• Penicillin G

• Cefuroxim

• Furosemid*

• Piperacillin

• Cimetidin

• Gentamicin

• Ranitidin

• Clindamycin

• Imipenem

• Tobramycin

• Dobutamin

• Insulin

• Vancomycin

• Meropenem * kann auch mit Fettemulsion in einer Perfusorspritze gemischt werden

20.12 Maximale Konzentration parenteraler

Medikamente Pecar Tab. 20.7 • Empfehlungen zur maximalen Konzentration parenteraler Medikamente. Medikament

Dauer der Applikation [min]

Periphere Vene

ZVK

Aciclovir

60

7, max. 10

25

Amikacin

30 – 60

5

Amphotericin B

2–6h

0,2

Ampicillin

10 – 60

30

3–5

100

10 – 30

20 – 60

3–5

100 – 150

Cefotaxim

458

Maximale Konzentration [mg/ml]

Ceftazidim

125

Cefuroxim

100 – 140

0,5

250

200

Ciprofloxacin

60

2 (gelöst)

Clindamycin

10 – 60

12 mg/ml, max. 30 mg/min

18

Erythromycin

20 – 60

5

10

Fluconazol

≤ 6 mg/kg KG: 60 min > 6 mg/kg KG: 120 min

2 (gelöst)

Fosfomycin

30

40

Ganciclovir

60

10

50

Tab. 20.7 • Fortsetzung Medikament

Dauer der Applikation [min]

Periphere Vene

ZVK

Imipenem

(30-) 60

5

8

Kalium 7,45 (1000 mmol K/l; 2000 mosmol/l)

< 0,5 mmol/kg/h

40 mmol K/l = 1:25 Aqua

200 mmol K/l = 1:5 Aqua

Meropenem

30 oder 3 – 5

50

100

Metronidazol

60

5 (gelöst)

Mezlocillin

Maximale Konzentration [mg/ml]

10

100

Natriumhydrogenkarbonat 8,4 % 1000 mmol Na/l (2000 mosm/l)

mind. 5 – 10 min/Dosis

0,3 mmol Na/ml (1:2 Aqua)

1 mmol Na/ml

Penicillin G

15 – 30

100 000 IE

250 000 IE

Phenytoin*

1 – 3 mg/kg KG/min

2,5

Piperacillin

30 – 60

100

3–5

200

Teicoplanin

200

133

TMP/SMX (Cotrimoxazol)

60 – 90

3,8**

Tobramycin

30

3,2

TRIS (3 000 mosmol/l) Vancomycin

20 Pharmakologie

20.12 Maximale Konzentration parenteraler Medikamente

60

9,6** (1:10 Aqua)

0,3 molar, d. h. TRIS: Aqua 1:10

10

5

10

* Inkompatibel mit Glukose! Bei Infusionen nur das Infusionskonzentrat verwenden. ** bezieht sich auf mg TMP und mg SMX zusammengezählt.

459

Pharmakologie

20

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Schmidt, Thilmany, Hummler, Genzel

Medikamente für Neugeborene: Dosierungen/Besonderheiten Tab. 20.8 • Medikamentendosierungen für Neugeborene. Medikament

460

Dosierung

Besonderheiten

ACTH (Synacthen)

diagnostisch: (36 μg/kg KG) i. v., max. 0,25 mg absolut

für ACTH-Test: 0,5 – 1 ml EDTABlut vor und 60 min nach ACTHGabe

Aciclovir (Zovirax)

60 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. als Kurzinfusion über 1 h

• Dosierung bei HSV-Sepsis, -Enzephalitis (S. 258) • bei Niereninsuffizienz: Dosis ↓ • Cave: – Nekrosen bei Paravasat – Phlebitis, Neutropenie

Adenosin (Adrekar)

0,1 –0,3 mg/kg KG als Bolus i. v.

• schnelle Injektion als Bolus in große Vene von Kopf oder rechtem Arm → V. cava superior • Applikation unter EKG-Kontrolle

Adrenalin (Suprarenin 1:1000)

1:1000 (!) 1 ml = 1 mg 0,01(– 0,02) mg/kg KG/ED i. v./i.o. DTI 0,1–2 µg/kgKG/min

• nur 1:10 verdünnt verwenden (1 ml = 0,1 mg) • siehe Kap. Adrenalin (S. 444)

Adrenalin 1:10 000

Konzentration 1 ml = 0,1 mg

• Fertiglösung 1:10 000

Albumin 5 %

10–20 ml/kgKG als KI

• Cave: Hyperosmolarität, Hirnblutungsgefahr bei schneller Infusion von Albumin 20 %

Amikacin (Biklin)

• < 30. SSW: 7,5 mg/kgKG/d in 1 ED i. v. • 30.–37.SSW: < 28d: 10 mg/kgKG/d in 1 ED > 28d: 15 mg/kgKG/d in 2 ED • 37. SSW 15 mg/kgKG/d in 2 ED

• Spiegelkontrollen (S. 458). • Cave: – bei Niereninsuffizienz Dosis reduzieren! – Ototoxizität – Nephrotoxizität verstärkt bei anderen Medikamenten wie Vancomycin, Furosemid

Amiodaron (Cordarex)

• initial: 5 mg/kg KG i. v. über 30 – 60 min bevorzugt über ZVK • dann: i. v.: 5 – 15 µg/kgKG/min, p. o.: 10 – 20 mg/kg KG/d in 2 ED

• vital gefährdende SVT, VT, Kammerflimmern oder postoperativ bei junctional ektoper Tachykardie • Cave: Bradykardie, Hypotension, Hyperthyreoidismus, Neuritis N. optici etc.

Amoxicillin

45-60–(100) mg/kgKG/d in 3 ED i. v./p. o.

Amphotericin B

0,5–1 mg/kg KG/d über 4 h Testdosis bei Neugeborenen nicht notwendig

0,25 mg/m2

• Na+, K+: Blutbildkontrolle! • Na+-Zufuhr von 4 mmol/kg KG/d wirkt nephroprotektiv • Cave: bei Niereninsuffizienz Dosis reduzieren!

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

AmBisome (Amphotericin B liposomal)

• initial 1 mg/kg KG/d in 1 ED i. v. • steigern bis 3–5 mg/kg KG/d in 1 ED • evtl. steigern bis 7 mg/kgKG/d

Besonderheiten

Ampicillin

• 150–200 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. • Meningitis: 300 –(400) mg/kg KG/d i. v.

ca. 3 mmol Na+/g

Ampicillin plus Sulbactam (Unacid)

• 100–200 mg/kgKG/d in 3 ED i. v. • schwere Infektion: 300–400 mg/kgKG/d in 3 ED

Berechnung über Ampicillin Anteil

Antidote

siehe unter Digitalis-Antidot, Naloxon, Physostigmin, Protamin- Sulfat

Antithrombin III (Kybernin HS)

• initial 20 IE/kg KG als KI • dann 40 – 60 IE/kg KG/d als Dauerinfusion

• 1 IE/kg KG erhöht AT-III-Spiegel um 1 % (1 ml FFP ≈ 1 IE AT III) • Anwendung fällt unter Transfusionsrichtlinien

Atropin

0,01 – 0,03 mg/kg KG/ED i. v., i. o.

• alle 2 – 3 min wiederholen • schwere Sinusbradykardie z. B. nach Digoxin, β-Blocker etc.

Aztreonam (Azatam)

60 – 90(–120) mg/kg KG/d in 2 – 3 ED i. v.

bei Infektionen durch gramnegative Erreger Dosierung gewichts- und altersabhängig

Bikarbonat-Na 8,4 % = 1 molar

½ BE/kg KG × 0,5 i. v. über 15 min, 1:1 mit Aqua dest. verdünnt

• Bei Reanimation/metabol. Azidose nicht mehr empfohlen. • Indikation bei Herzrhythmusstörungen bei Hyperkaliämie bzw. Intoxikation durch trizyklische Antidepressiva • Faktor „0,5“, da bei NG höheres Extrazellularlumen • Cave: Hyperosmolarität, Hypernatriämie, Hirnblutungsgefahr!

Biseko 5 %

10–20 ml/kgKG i. v.

• Eiweiß- und Volumensubstitution • Enthält Albumin, Immunglobuline aber keine Gerinnungsfaktoren • humanes Plasmaprotein

Calcitriol, 1,25-(OH)2-Vitamin D3 (Rocaltrol)

• bei Niereninsuffizienz Vitamin-Dresistente Rachitis: 0,02 μg/kgKG/d in 1 ED • bei Hypoparathyreoidismus: 0,025–0,05 μg/d in 1 ED

• regelmäßiger Bestimmung von Ca, PO4, alkalischer Phosphatase • Substitution unterbrechen, sobald Ca 0,25 mmol/l über Norm

Kalziumgukonat 10 %

0,5–1(-2) mmol/kgKG/d

• 10 % Lösung = 0,22 mmol Ca2+/ml

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

461

Pharmakologie

20

462

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Captopril (Lopirin)

• p. o. initial 0,01–0,05 mg/kgKG/ED, 2–3 ED/d • langsame Steigerung bis 0,5 mg/kg KG/ED, 2–4 ED/d möglich

• Indikationen: mäßiger Hypertonus, Nachlastsenkung bei Herzinsuffizienz • NW: Apnoen, zerebrale Krampfanfälle aufgrund reduzierten zerebralen Blutflusses. Bei Dosen > 0,15 mg/kgKG/Dosis signifikanter Abfall der zerebralen und renalen Perfusion beschrieben

Carbimazol

0,5 – 1 mg/kg KG/d in 3ED

• ggf. nach 6 Wochen Dosisreduktion und Substitution mit L-Thyroxin • Cave: Panzytopenie, Granulozytopenie!

Carnitin (Biocarn, Nefrocarnit)

30 – 50 – 100 mg/kgKG/d p. o./i. v.

• bei Carnitin-Defizienz • Dosierung gemäß Empfehlung (Stoffwechseldiagnostik) • Spiegelkontrollen!

Caspofungin

1–2 mg/kgKG/d in 1 ED i. v.

• Infusion über 1 h, • Cave: Für Säuglinge < 1 Jahr noch nicht zugelassen

Cefalexin (Ceporexin)

50–100 mg/kg KG/d in 3 ED p. o.

Cefotaxim (Claforan)

100 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. bei Meningitis: 200 (– 300) mg/kg KG/d

Cefuroxim (Zinacef)

100(–200) mg/kg KG/d in 3 ED i. v.

Cefuroxim-Axetil

20–30 mg/kgKG/d in 2-3 ED p. o.

Cefotiam (Spicef)

100(–200) mg/kg KG/d in 3 ED i. v.

Wirkungsspektrum zwischen Cefuroxim und Cefotaxim

Ceftazidim (Fortum)

100 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. bei Meningitis: 200 (– 300) mg/kg KG/d

bei S. aureus in vitro schlechtere Wirkung als Cefotaxim, klinisch wohl relevant

Chloramphenicol (Paraxin)

• bei FG und RG ≤ 2 Wochen: 25 mg/kgKG/d in 1 ED p. o., i. v. • dann 50 mg/kgKG/d in 2 ED p. o., i. v.

• Spiegelkontrolle! Ziel: 10–25 mg/l, Kontrolle (alle 2 Tage) von Retikulozyten, Thrombozyten, Bilirubin, Harnstoff-N. • in D nicht mehr im Handel (wohl aber in A, CH); seltene Indikation, z. B. Hirnabszess

Choralhydrat

25 mg/kgKG/Dosis alle 6–8 h

• rektal oder p. o.

Ciprofloxacin (Ciprobay)

10 – 20(– 30) mg/kg KG/d in 2 ED i. v.

• im Kindesalter wegen möglicher Knorpelschäden nicht zugelassen, Anwendung nur bei vitaler Indikation und fehlenden Alternativen!

bei S. aureus in vitro etwas bessere Wirkung als Cefotaxim, klinisch wohl irrelevant

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

• vorwiegend renale und fäkale Ausscheidung → Dosisreduktion bei erheblicher Nierenfunktionsstörung Clarithromycin (Klacid)

10 – 15 mg/kg KG/d in 2 ED p. o.

• kompetitive Hemmung der Phenytoin- oder Theophyllinausscheidung, verminderte Zidovudin-Resorption • hohe Resistenz bei Pneumound Streptokokken • Cave: long QT- Syndrom • ab 3 Monaten zugelassen

Clindamycin (Sobelin)

FG < 4 Wo: 15 mg/kgKG/d in 3 ED FG > 4 Wo: 20 mg/kgKG/d in 3 ED RG > 1 Wo: 20–40 mg/kg KG/d in 3 ED i. v./p. o.

• Cave: Exantheme in 10 %! • pseudomembranöse Kolitis bei FG eher seltenes Problem • B-Streptokokken in bis zu 10 % resistent

Clonazepam (Rivotril)

• 0,01-0,02 mg/kg KG/ED p. o. • 0,1 – 0,2 mg/kg KG/d bei Dauertherapie in 2-3 ED

• Cave: Hypersalivation, Atemdepression

Clonidin

• 1 – 5 µg/kgKG i. v. bzw. p. o. alle 8 – 12 h bei art. Hypertonie • 20 µg/kgKG/d als Dauerinfusion bei Entzug, evtl. Steigerung

• Cave: arterielle Hypotonie, Bradyarrhythmie

CMV-Hyperimmunserum (Cytotect)

1 ml/kg KG/d bis zu 6 ED i. v.

• Prävention CMV-Infektion, sehr umstritten in der Wirkung! • fällt unter Transfusionsrichtlinien

Coffeinbase

• initial: 10(–20) mg/kgKG/d in 1(–2) ED p.o, i. v. • Erhaltungsdosis: 2,5 – 5 mg/kgKG/d in 1(–2)ED p. o., i. v.

• zentrale Apnoen • lange HWZ 36 – 144 h • Cave: Tachykardie • falls als Coffeincitrat auf Verpackung angegeben: 10 mg Coffeincitrat entsprechen 5 mg Coffeinbase

Cotrimoxazol

siehe Trimethoprim

Desmopressin (Minirin)

• 0,4 µg i. v., i. m. oder s. c. • 0,1 µg/kg KG/d in 3 ED i. v., i. m., s. c.

• Testdosis bei DD Diabetes insipidus renalis versus centralis • bei Diabetes insipidus centralis

Dexamethason

• 0,1 mg/kg KG/d in 2 ED • FG < 28. SSW evtl. beginnen mit 0,05 mg/kg KG/d, langsam steigern (möglichst nur für 3 Tage)

• Cave: Hyperglykämie, Kardiomyopathie, gastrointestinale Perforationen, neurologisch schlechteres Outcome → strenge Indikation (S. 452)

D-Fluoretten (Zymafluor D 500)

• 500 IE/Tag > 2000 g • 1000 IE/ Tag < 2000 g

• Dosierung abhängig von Vitamin-D-Gehalt der Nahrung • 1 Tbl. = 0,25 mg F+ und 500 IE Vit. D

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

463

Pharmakologie

20

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20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Diazepam (Valium) i. v., i. m., p. o.

• 0,3 mg/kg KG/ED i. v. langsam!, i. m., oral • 0,5(–1) mg/kgKG/d in Fettinfusion/DTI

• Cave: Atemdepression! • Nicht bei Säuglingen < 6 Monate!

Diazepam rectal (Desitin/Stesolid Rektiolen)

0,5 mg/kg KG/ED Rektiole

• Sedierung für Kurzeingriffe, Krampfanfall • 5 und 10 mg Lösung im Handel

Diazoxid (Proglicem Kps.)

5 – 15 mg/kg KG p. o. in 2 – 3 ED

• Ultima Ratio bei Hypoglykämie • Cave: irreversible Hypertrichose

Digitalis-Antidot

1 mg/kg KG senkt den Digitalisspiegel um ca. 1 ng/dl

• 80 mg Antidot binden 1 mg Digoxin od. Digitoxin • besteht aus Blutserum immunisierter Schafe • Dosierung nach aufgenommener Menge, nicht nach KG!

Digoxin (Lenoxin)

5-10 µg/kgKG/d in 2 ED p. o., i. v.

• Lenoxin 1 ml = 50 µg Digoxin • Lanitop liquidum 1 ml = 600 µg Methyldigoxin (andere Dosierung!) • Spiegelkontrolle (S. 440)

Dihydralyzin (Nepresol inject)

• 0,75 – 1 mg/kgKG/ED alle 4–6 h p. o. • 0,1 – 0,2 mg/kgKG/ED alle 4–6 h i. v.

• bei hypertensiver Krise • einschleichende Dosierung

Dobutamin (Dobutamin)

2 – 20 µg/kg KG/min i. v.

• Cave: Tachykardie, ventrikuläre Extrasystolen

Dopamin (Dopamin)

1– 20 µg/kg KG/min i. v.

• Cave: hypertrophe Kardiomyopathie, ventrikuläre Extrasystolen

Edrophonium-HCl (Tensilon)

• Testdosis 40 µg/kgKG i. v., wenn kein Effekt nach 45 s: 160 µg/kg KG i. v. • Standarddosis: 0,5 mg i. v.

Tensilontest; Atropin bereithalten! (10 µg/kg KG ED i. v.)

Eisen-2-glyzinsulfat (Ferrosanol)

3(– 6) mg/kg KG/d in 3 – 4 ED p. o.

1 gtt./kg KG = 1,5 mg/kg KG Fe2+

EMLA

Lidocain 2,5 %und Prilocain 2,5 %

• lokale Analgesie • Cave: Methämoglobinbildung bei längerem Gebrauch

Epinephrin (1:10 000)

s. o. Adrenalin

Erythropoetin, (Neo-Recormon)

250 IE/kg KG in 1 ED s. c., z. B. am Montag, Mittwoch und Freitag jeder Woche

• Beginn am 3. Lebenstag, Ende mit vollendeter 6. Lebenswoche (entspricht 17 ED) • Indikation Vermeidung von Erythrozytentransfusion • immer mit Eisengabe, 3–6 mg/kg KG/Tag!

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Erythromycin

• 30 – 40 mg/kgKG/d in 3 ED als KI über 1 h i. v. • 40 mg/kgKG/d in 3 ED p. o.

• Cave: Arrhythmien, Bradykardien bei i. v. Gabe beschrieben, deswegen Applikation über 1 h • erhöhtes Risiko einer hypertrophen Pylorusstenose • Cave: long-QT Syndrom • wirkt propulsiv (Prokinetikum) im Gastrointestinaltrakt

Erythromycin als Prokinetikum

10 – 50 mg/kg KG/d in 4 ED p. o.

Therapie für ca. 14 Tage

Esomeprazol (Nexium)

0,5–1 mg/kgKG/d in 1ED

• Cave: magensaftresistente Kügelchen können Sonde verstopfen • Säureschutz geht durch Mörsern teilweise verloren!

Etacrynsäure (Hydromedin)

• 0,5–1 mg/kgKG/ED als KI • max. 3 mg/kgKG/d

• Reservediuretikum • KI: art. Hypotension, metabolische Alkalose mit Hyponatriämie

Fentanyl

• 0,5–2(– 4) µg/kg KG ED langsam i. v. • 1–5 µg/kgKG/h als DTI • 5–10(– 50) µg/kgKG/ED zur Anästhesie

• zur Analgosedierung • Cave: Atemdepression, Thoraxrigidität, gastrointest. Motilität reduziert • Antidot: Naloxon

FFP (fresh frozen plasma)

10–20 ml/kgKG über 20 – 30 min i. v.

• Enthält physiologische Zusammensetzung aller Gerinnungsfaktoren, Inhibitoren und Aktivatoren. • Cave: Volumenbelastung (S. 335)

Flucloxacillin

100 – 150 mg/kg KG/d in 3 ED

bei S.-aureus-Infektionen

Fluconazol (Diflucan)

• initial 12 mg/kg KG • dann 6 mg/kg KG in 1 ED • in der 1. u. 2. LW alle 2 Tage, dann tgl.

• selektioniert C. glabrata, C. krusei, C. parapsylosis, C. tropicalis, da rasche Resistenzentwicklung

Flucytosin (Ancotil)

60 – 80 mg/kg KG/d in 2 ED i. v.

• enthält 4 mmol Na+/60 mg • Dosisreduktion bei Niereninsuffizienz, Anämie, Granulozytopenie

Fludrokortison (Astonin H)

0,05 – 0,2 mg/d in 2 ED p. o.

bei AGS mit Salzverlust

Flumazenil (Anexate)

• 0,01 mg/kgKG/ED über 15 s i. v. • max. 0,2 mg i. v. • falls kein Erfolg in 60 s, 2. Dosis bis max. kumulative Gesamtdosis 1 mg (0,05 mg/kg)

• Antidot bei BenzodiazepinIntoxikation • bei Kindern < 15 J. nicht zugelassen wg. mangelnder Erfahrung • in Diskussion: Krampfauslösung

Folsäure

1 mg/kg KG/Woche i. v.

bei rein parenteraler Ernährung

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

465

Pharmakologie

20

466

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Folinsäure (Lederfolat)

2 × 5 mg/Woche p. o.

• bei Pyrimethamintherapie (Toxoplasmose) • Dosierung bei Krampfanfall (S. 361)

Fosfomycin (Fosfocin)

• < 4 Wo.: 100 mg/kg KG/d in 2 ED • > 4 Wo.: 240 mg/kgKG/d in 3 ED

• 1 g enthält 14,5 mmol Na+

Furosemid (Lasix)

• 0,5 –1 mg/kg KG/ED i. v. alle 6–8 h • 1–2 mg/kgKG/ED p. o. alle 6–8 h • 0,1–1 mg/kg/h als DTI

• HWZ: 15 – 20 h → Kumulation! • Cave: Ototoxizität • Hyponatriämie, -kaliämie, hypochlorämische Azidose, Hyperkalziurie, Nephrokalzinose • bei Anurie absetzen!

Ganciclovir (Cymeven)

• initial 12 mg/kg KG/d in 2 ED i. v. für 14 Tage • dann Erhaltungstherapie mit • 6 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED für 4 Wochen an 3 Tagen/Woche

• Therapie bei konnataler CMVInfektion (S. 274) zur Verbesserung des neurologischen Outcomes/Hörstörung • Cave: Neutropenie, Anämie, hepatotoxisch

Valganciclovir (Valcyte)

• 32 mg/kgKG/d p. o. in 2 ED • Erhaltungstherapie oral

• Spiegelkontrollen! • Cave: Neutropenie, Anämie, Hepatopathie

Gentamicin

• < 30. SSW: 3,5 mg/kgKG alle 24 h • 30.- 37. SSW: 3,5 mg/kgKG alle 18 h • > 37. SSW: 3,5 mg/kgKG alle 12 h

• Spiegelkontrollen: Talspiegel < 2 mg/l • bei > 37. Woche auch 5 mg/ kgKG alle 24 h möglich

Glukagon

30 – 300 µg/kg KG/ED i. m., s. c. oder langsam i. v.

• therapierefraktäre Hypoglykämie; vorher Glukosezufuhr bis 15 mg/kg KG/min!

Heparin

• 0,5 – 1 IE/ml Spüllösung für Arterienkatheter (0,2 ml/h) Thromboseprophylaxe • 100 IE/kgKG als DTI über 24 h Vollheparinisierung • 300–500–800 IE/kgKG als DTI über 24 h (Dosierung nach PTT)

• Indikation s. Kapitel Hämostaseologie/Gerinnung (S. 340) • Bei Vollheparinisierung Ziel-PTT je nach klinischer Situation 50–60–80 s. • AT III mind 60–80 %

Heparin (niedermolekular) (Clexane)

1 mg/kgKG/d in 1–2 ED s. c.

• Dosissteuerung durch Anti-XaSpiegel 2–4 h nach Gabe

Hydrokortison

• Erhaltungsbedarf, physiolog. Substitution: • 10 (–20) mg/m2/d in 2 – 3 ED • ca. 2 mg/kg KG als ED alle 8 h • bei Stress: 20 – 60 mg/m2/d

• bei AGS orale Substitution (S. 378) • bei NNR-Insuffizienz nach längerer Dexamethason-Gabe • ggf. bei arterieller Hypotonie nach erfolgloser Therapie mit Volumen und/oder Katecholaminen (S. 452) • bei BPD (S. 452), Dosierung siehe dort (S. 214)

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Hydrochlorothiazid (Esidrix)

1–3( – 4) mg/kg KG/Tag in 2 ED p. o.

• wenig Kalziurie; nicht verwechseln mit Chlorothiazid

Ibuprofen (Ibuprof, Pedea)

• PDA-Verschluss: siehe altersabhängige Dosierung • zur Schmerztherapie 30 – 40 mg/kgKG/d in 3–4 ED

• Dosisschemata, Alternativen und Kontraindikationen, s. Kapitel PDA (S. 304) • zur Schmerzbehandlung ab 3. LM zugelassen • KI: Thrombozytopenie, Blutung

Iloprost (Ilomedin)

1 – 2 µg/kg KG inhalativ alle 1 – 4 h über je 20 min

• s. Kapitel NO-Beatmung (S. 237). • nicht zugelassen für Sgl. • Einsatz derzeit „experimentell“

Imipenem plus Cilastatin (Zienam)

60 (– 80) mg/kg KG/d in 3 ED

• ED in 1 h applizieren! • für Sgl. < 3 Monaten nicht zugelassen • nur in Kombination mit Cilastatin verfügbar • Cave: zerebrale Krampfanfälle, nicht für Meningitisbehandlung

Immunglobulin (Intratect)

• 400 – 800 mg/kgKG/d über 4–6 h i. v. • bis 2 g/kgKG/d bei Kawasaki-Syndrom

• Substitution bei Immundefekt • Sepsis (in Diskussion) • ITP • bei Kawasaki-Syndrom

Indometacin (Liometacen mite, Amuno)

• initial: 0,2 mg/kg KG i. v. • 2. u. 3. Dosis nach je 12 h • Steigerung bis 1 mg/kgKG/Gabe

• als Kurzinfusion in 30 min • Dosisschemata, Alternativen und Kontraindikationen s. Kapitel PDA (S. 304)

Insulin, Altinsulin

• 0,01 – 0,1 E/Kg KG/h DTI • oder 0,1 – 0,2 E/Kg KG alle 6 – 12 h

• Cave: u. U. rascher Wirkungseintritt, d. h. anfangs alle 30 min BZ-Kontrollen • Infusionssystem mit 20E Altinsulin in 50 ml Glukose 5 % durchspülen, um Plastikoberfläche zu „sättigen“

Ipratropiumbromid (Atrovent)

1–2 gtt./ kg KG mit 2 ml NaCl 0,9 % vernebeln bis 6 × täglich

• umstritten, bei obstruktiver Symptomatik einer BPD

Jodid

50 µg/kg KG/d p. o.

• bei Jodmangelstruma

Kaliumchlorid 7,45 %

2–4 mmol/kgKG/d (Erhaltungsdarf)

• 1 ml = 1 mmol

Kalziumglukonat 10

1 mmol/kg KG/d (Erhaltungsbedarf)

• 4,4 ml = 1 mmol Ca2+ • 1 ml = 0,23 mmol Ca2+

Ketamin

• 0,5–1(– 2) mg/kgKG/ED • 5–20 µg/kgKG/min als DTI

• Narkose, keine Analgesie

Koffeinbase/ Koffeincitrat

s. o. Coffeinbase

Lamivudin

2 mg/kgKG alle 12 h p. o.

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

• s. Kapitel HIV (S. 261)

467

Pharmakologie

20

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Levetiracetam (Keppra)

• Beginn 10 mg/kgKG/d in 2 ED • tägl. Steigerung um 10 mg/kgKG auf 30(–50) mg/kg/d

Lidocain (Xylocain 2 %)

• 1 mg/kg KG i. v. • dann DTI: – 1. h: 50 µg/kg KG/min – 2. h: 40 µg/kg KG/min – 3. h: 30 μg/kg KG/min – ab 24. h: 20 μg/kg KG/min

• bei ventrikulären Arrhythmien, Kammertachykardie, Kammerflattern • Plasmaspiegel: 1,5 – 5 mg/l • Dosierung siehe Herzrhythmusstörungen (S. 294).

Linezolid

30 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. FG < 1 LW 20 mg/kg KG/d in 2 ED

• Infektionen durch MRSA, vancomycinresist. E. faecium (VRE), penicillinresist. Pneumokokken, VRE-Endokarditis • noch keine Zulassung bei Kindern

Lorazepam (Tavor)

0,05–0,2 mg/kgKG alle 8 h p. o., i. v. oder buccal (Tavor expidet)

• Sedierung, Antikonvulsivum

Lysin-HCl/ArgininHCl

2 – 3 mmol/kg KG/d

• oder: Cl-Defizit × 0,5/kg KG

Magnesium

0,25 – 0,5 mmol/kg KG/d (Erhaltungsbedarf)

Magnesium-1-hydrogenglutamat 10 % (Magnesium Verla Injektionslösung)

1 – 2 ml/kg KG/d

• 10 ml = 3,15 mmol = 77 mg Mg2+

Magnesium-Aspartat-HCl (Magnesiocard)

1 – 2 ml/kg KG/d

• 10 ml = 3,0 mmol = 72,9 mg Mg2+

Meropenem (Meronem)

• 60—80 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. • bei Meningitis: 120 mg/kg KG/d in 3 ED

• nicht zugelassen für Säuglinge < 3 Monate

Methimazol, Thiamazol (Favistan)

• 0,25 – 1 mg/kg KG/d in 3 ED p. o. • dann nach jeweils 10 Tagen ED halbieren bis auf 0,25 mg/kg KG/d

• BB-Kontrolle • Cave: Granulozytopenie

Methylenblau

1 – 2 mg/kg KG/ED i. v. langsam

• bei Methämoglobinämie > 30 % • bei Überdosierung sind Hyperbilirubinämien beschrieben

Metronidazol (Clont)

30 mg/kg KG/Tag in 2 – 3 ED

• bakterizid gegen Anaerobier

Miconazol

2(– 4) × 2,5 ml Gel oral

• Cave: Aspirationsgefahr!

(Daktar Mundgel, Infectosoor)

468

Besonderheiten

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Midazolam (Dormicum)

• 0,05–0,1(–0,2) mg/kg KG/ED langsam über mind. 5 min i. v. • Intranasal 0,2–0,3 mg/kg/ED • rektal 0,25–0,5 mg/kgKG/ED • DTI: 0,03 –0,06 mg/kg KG/h

• intranasal oder sublingual Applikation der i. v. Lösung • zur Analgosedierung, für Säuglinge < 3 Monate nicht zugelassen • Antidot Flumazetil (Anexate) • Cave: Apnoe, Induktion von Krämpfen!, Kumulation

Minirin

• s. o. Desmopressin

Milrinon

0,25 – 1 µg/kg KG/min

• kein Vorteil bei FG + NG gegenüber Katecholaminen, herzchirurg. evtl. höhere Dosis nötig

Morphin

• zur Analgosedierung: • 0,05 –0,1 mg/kg KG i. v. alle 4 – 6 h • dann DTI 10 – 20 µg/kg KG/h i. v. • bei Drogenentzugssyndrom: – 0,15 – 0,3 – 0,9 mg/kgKG/d in 3 – 6 ED p. o.

• HWZ 14 h • Cave: Atemdepression, Obstipation, Harnretention • Antidot: Naloxon • Alternativ Tinctura opii = 1 %ige Morphinlösung; s. Kap. Drogenentzug (S. 166)

Naloxon (Narcanti, Naloxon)

• (0,01-)0,1 mg/kg KG/ED i. v.

• Antidot für Opioide • Cave: HWZ kürzer als Opioide, kann daher ggf. 2 – 3 Mal wiederholt werden

Natriumchlorid 5,85 %

2–4 mmol/kgKG/d (Erhaltungsbedarf)

• 1 ml = 1 mmol

Nifedipin (Adalat)

0,5 – 1 – 2(– 4) µg/kg KG/min i. v.

• bei schwerer hypertensiver Krise • Infusionslösung: 5 mg in 50 ml Lösung • Tropfen: 20 mg in 1 ml Lösung (d. h. 1gtt = 1 mg)

0,5(– 1) mg/kg KG/ED p. o. alle 6–8 h • Initial: 0,25–0,5 µg/kgKG/min • dann: 1–3–5 µg/kgKG/min

• unter EKG-Überwachung! • reduziert Vorlast, da bevorzugte Wirkung auf venöses System

• 3 – 5(– 20) µg/kg KG/min

• auch arteriell dilatative Wirkung • Cave: Cyanidintoxikation! Hypothyreose (langfristig) möglich

NO (Nitric Oxid)

• 5–20(–40) ppm

• Pulmonale Hypertension, PFC

Noradrenalin (Arterenol)

• 0,05 – 0,1 µg/kg KG/min i. v.

• i. v. über zentralen Katheter • bei Sepsis, volumenrefraktärer Hypotension

• 0,5 – 1 – 2 – 4 μg/kg KG/min

• zur Aufrechterhaltung eines koronaren Perfusionsdruckes

• 0,25 – 0,5 µg/kg KG/min i. v. Dosis alle 20 min erhöhen, bis erwünschter Effekt erreicht • Erhaltungsdosis < 2 µg/kg KG/min

• bei akuter hypertensiver Krise bzw. Nachlastsenkung bei schwerer Herzinsuffizienz, septischem Schock • Cave: Entstehung von Zyaniden, deswegen gleichzeitig 1:10 mit Natriumthiosulfat mischen.

Nitroglycerin (Trinitrosan)

Nitroprussid-Na

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

469

Pharmakologie

20

470

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Nystatin (Nystatin, Moronal, Candiohermal)

• 1 ml/kg KG/Tag p. o. zu den Mahlzeiten

• Cave: Osmolarität > 2860 mosmol/l, Candida-Prophylaxe (S. 249) • verdünnte Reinsubstanz bei FG verwenden (290 mosmol/l)

Omeprazol (Antra)

• 0,5–1 mg/kgKG/d in 1 ED

• Cave: magensaftresistente Kügelchen, können Sonde verstopfen • Säureschutz geht durch Mörsern teilweise verloren!

Palivizumab (Synargis)

• 15 mg/kg alle 30 Tage i. m.

• RSV-Passivimmunisierung, Indikation bei Risikogruppe (S. 269)

Pancuronium

• initial 0,05 – 0,1 mg/kg KG/ED dann 0,02 – 0,04 mg/kg KG alle 1–4h

• zur Relaxierung bei Intubation und Beatmung

Paracetamol (Ben-u-ron, Perfalgan)

• 10 – 15 mg/kg KG/ED ca. 3 – 4 × tgl. p. o., rektal • 7,5 mg/kgKG/ED 3-4 × tgl. i. v. • max. 90 mg/kgKG/d rektal oder oral

Cave: geringe therapeutische Breite (S. 448)

Penicillin G

• 100 000 – 200 000 IE/kg KG/d in 4– 6 ED i. v. • Meningitis: bis 500 000 IE/kg KG/d

• 1,7 mmol Na+/Mega

Phenobarbital (Luminal)

• initial 10–20 mg/kgKG in 1 – 2 ED • dann (3–)5 mg/kgKG/d i. v., p. o.

• HWZ: 37 – 73 h • Spiegelkontrolle • Cave: Sedierung, Atemdepression, Blutbildveränderung, Leberfunktionsstörung

Phenytoin (Phenhydan)

• loading dose 15 – 20 mg/kg KG i. v. über 1 h • dann 2 – 4(– 8) mg/kg KG/d in 2–3 ED

• HWZ 20 h • Spiegelmessungen! • Cave: Bradykardie, Hypotonie bei rascher i. v. Applikation, Nekrosen bei Paravasat

Phosphat (Glycero-1-P-2-Na)

1 – 2 mmol/kg KG/d (Erhaltungsbedarf)

• 1 mmol Phosphat = 1 ml enthält 2 mmol Na+/ml

Physostigmin

0,01 – 0,03 mg/kg KG/ ED i. v., i. m.

• Antidot bei Atropinüberdosierung • gleiche Dosis wie Atropin, langsam i. v.

Piperacillin/Tazobactam

• 150–300 mg/kg KG/d in 3 ED i. v. • Meningitis: 300–400 mg/kg KG/d i. v.

• Berechnung über Piperacillin Anteil

Plasma, Serum

Siehe FFP (S. 465).

Prednisolon (Solu-Decortin H, Decortin H)

2 mg/kg KG/d in 3 ED i. v.

• Anaphylaxie, Immunsuppression, nephrotisches Syndrom

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Prometazin (Atosil)

0,5 – 2 mg/kg KG p. o., i. v.

• Cave: Apnoen! • 1 gtt = 1 mg

Propofol 1 % (S. 451)

• Narkoseeinleitung/Intubation: – 0,5–1 mg/kg KG/ED (Frühgeburt) – 2–4 mg/kg/KG/ED (Reifgeborenes)

• Konzentration 10 mg/ml • nicht zugelassen für die Narkoseeinleitung < 1 LM und zur Dauersedierung < 16 LJ • keine Dauersedierung, Dauerinfusion • Cave: art. Hypotonie, Bradykardie, Propofolsyndrom (Laktatazidose, Rhabdomyolyse, hohe Letalität)

Propranolol (Dociton)

• 0,01 – 0,15 mg/kg KG/ED in 10 min i. v. alle 6–8 h • 0,25–1 mg/kg KG/ED alle 6–8 h p. o.

• Dosierung steigern

Prostazyklin (Flolan)

5 – 10 – 20(– 60) ng/kg KG/min i. v.

• Cave: Apnoen! • heute überholt, da NO-Beatmung verfügbar

Prostaglandin E1 (Minprog)

10–50–100 ng/kg KG/min i. v.

• Cave: Apnoen, Intubationsbereitschaft! • Fieber, Leukozytose • rasch auf minimal mögliche Dosis reduzieren!

Protaminsulfat

0,1 ml/100 IE des in den letzten 4 h verabreichten Heparins

• Antidot bei Heparin-Überdosierung

Pyridoxin (Vitamin B6)

• 100(– 200) mg i. v. oder i. m. • Erhaltung: 5 – 10 – 20 – 30 mg/ kg KG/d p. o.

• Vit. B6-abhängige Krämpfe (S. 361) • Cave: Apnoen bei i. v. Gabe

Pyrimethamin

1 mg/kg KG/d in 1 ED

• Kombination mit Sulfadiazin und Folinsäure bei Toxoplasmose

Ranitidin (Ranitic)

• 1,5 – 3 mg/kgKG/d i. v. als DTI • 0,25 – 0,5 mg/kgKG/ED alle 6–8 h als KI i. v. • 2–6 mg/kgKG/d in 2–3 ED p. o.

Remifentanyl

• 1-3 µg/kg/KG als Bolus in 60s • 0,4-1 µg/kgKG/min als DTI bei Reifgeborenen

• für INSURE publiziert

Rifampicin

• 10 – 20 mg/kg KG/d in 1 ED oral • 10 – 20 mg/kg KG/d i. v. in 1 – 2 ED

• Cave: Hepatotoxizität, Gerinnung! • beschleunigt Abbau von Theophyllin, Midazolam, Barbituraten etc.

Rocuronium (Esmeron)

• 0,45 mg/kgKG/Dosis i. v.

• Ggf. Relaxierung zur Intubation; schnelle Wirkung (1–2 min); mittlere Wirkungsdauer (30–40 min) • Cave: Fällt mit Thiopental aus!

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

471

Pharmakologie

20

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20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Salbutamol (Sultanol)

• 1 gtt/3 kg KG/ED in 2 ml zur Inhalation 3 × täglich

• Cave: paradoxe Wirkung, Tachykardie • bei Hyperkaliämie schnelle Senkung des Kaliums • Hinweis: Oft werden höhere Dosen verwendet – z. B. 10 gtt im 1. LJ

Silbernitrat 1 % AT

je 1 Tropfen/Auge

• Credé-Prophylaxe, heute weitgehend verlassen

Sildenafil (Viagra)

1,5–2 mg/kgKG/d p. o. in 2–4 ED

• persistierender pulmonaler Hochdruck, NO refraktär bzw. zur NO-Entwöhnung

Spironolacton (Aldactone)

1–3 mg/kg KG/d in 1 – 2 ED p. o.

• nicht bei Hyperkaliämie

Sulfadiazin

100 mg/kg KG/d in 2 ED

• Kombination mit Pyrimethamin bei Toxoplasmose • Cave: u. a. Nephrotoxizität

Teicoplanin (Targocid)

• initial 15 – 20 mg/kg KG/ED • dann 8 – 10 mg/kg KG/d in 1 ED i. v.

• S. haemolyticus nur eingeschränkt empfindlich

Theophyllin (Bronchoparat)

• initial 5–6 mg/kg KG/ED p. o., i. v. • dann 2 – 6 – 8 mg/kg KG/d in 6 – 8 ED p. o., i. v.

• Spiegelkontrolle vor Gabe • Spiegel: 7–13(–20) mg/l • Cave: häufig zu niedrige Spiegel bei Übergang von i. v. zu oraler Gabe, evtl. Dosis um 20 % erhöhen

Thyroxin (-L)

• 10 – 15 µg/kg KG/d p. o. • reife NG: 50 µg/d • FG/SGA: 8–10 µg/kg KG/d

• Auslassversuch nicht vor 2 Jahren

Tobramycin (Gernebcin)

wie Gentamicin

Tramadol (Tramal)

• 0,5 – 1(– 1,5) mg/kg KG/ED i. v., s. c., i. m. • DTI: 0,2 mg/kg KG/h

• max.: 8 mg/kg KG/d

• oral: 1 – 2 mg/kg KG/ED

• erst für Kinder > 1 Jahr zugelassen • max. 400 mg/Tag

TRIS (3-molar)

(BE × kg KG × 0,5) :3 mmol/kg KG/ED

• Cave: nur streng über zentralen Katheter! Paravasat macht Nekrosen!

Trimethoprim/Sulfamethoxazol

• 6 mg/kg KG/d in 2 ED i. v., oral • Prophylaxe HWI: 1 mg/kg KG/d in 1 ED p. o. • Pneumocystis-Therapie: 15–20 mg/kg KG/d i. v. in 4 ED

• Ultima Ratio bei P.-stenotrophomonas-Infektionen. • Cave: erst ab 3 Monate zugelassen • NW: Hyperbilirubinämie, Nephrotoxizität

Tab. 20.8 • Fortsetzung Medikament

Dosierung

Besonderheiten

Vancomycin

• < 30. SSW: 15 mg/kgKG i. v. alle 24 h • 30.–37. SSW: 15 mg/kgKG alle 18 h • > 37. SSW: 15 mg/kgKG alle 12 h

• Cave: Dosierung abhängig von renaler Funktion, Spiegelkontrolle! • Talspiegel 10 – 15 mg/l • (Spitzenspiegel: 20 – 50 mg/l 60 min nach Ende der 60-minKurzinfusion nicht obligat!)

Vecuronium (Norcuron)

• 0,03–0,15 mg/kgKG/ED i. v. alle 1–2 h • 1-1,5 μg/kg KG/min i. v. DTI

• Relaxierung

Zidovudin (Retrovir)

• Dosierung Reifgeborenes: 8 mg/kg KG/d in 4 ED oral, 6 mg/kg KG/d in 4 ED i. v.

• Dosierung gemäß Risikogruppen/Frühgeburt s. Kapitel HIV (S. 261) • Therapiebeginn innerhalb von 12 h nach Geburt zur Prävention einer vertikalen Infektion • Cave: Anämie, Neutropenie

20 Pharmakologie

20.13 Medikamente: Dosierung/Besonderheiten

473

Formblätter und Perzentilen-Kurven

21

Formblätter und Perzentilen-Kurven

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Formblätter und Perzentilen-Kurven

21.1 Elterninformation Proquitté

Beispiel 1 Liebe Eltern, Ihr Kind …………………………………………………… liegt bei uns auf der Intensivstation der Kinderabteilung/-klinik. Wir verstehen, dass die ungewohnte Umgebung, die Sorge um Ihr Kind und vielleicht auch der ungewohnte technische Aufwand einer Intensivstation für Sie sehr belastend sind. Seien Sie versichert, dass wir alle, die Schwestern, die Ärzte und alle anderen Mitarbeiter des Krankenhauses, Ihrem Kind mit allen verfügbaren Mitteln wie u. a. der modernen Intensivmedizin helfen, diese Zeit gesund und so wenig belastend wie möglich hinter sich zu bringen. Alle notwendigen Maßnahmen zum Wohle Ihres Kindes werden wir stets unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiko durchführen. Grundsätzlich besprechen wir mit Ihnen alle planbaren Schritte, doch kann es Situationen oder lebensbedrohliche Notfälle geben, die ein unverzügliches Handeln erfordern, ohne dass vorher eine Rücksprache mit Ihnen möglich ist. So weit möglich werden wir versuchen, mit Ihnen vorab zu besprechen, wie in solchen Situationen entschieden werden soll, d. h. welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Wir bitten Sie, dies mit der beiliegenden Einverständniserklärung zur Kenntnis zu nehmen. Unterschrift der Abteilungsleitung

Beispiel 2

474

Über die stationäre Aufnahme meines Kindes auf die neonatologische Intensivstation der Universität München, Klinikum Innenstadt, bin ich/sind wir informiert. Zur Therapie auf einer Intensivstation gehören viele zur Verhinderung, Erkennung und Behandlung von Erkrankungen notwendigen Vorgänge, wie die Untersuchung von Blut, Urin und Nervenflüssigkeit, Tests auf angeborene Stoffwechselkrankheiten, Sauerstoffgabe, künstliche Beatmung, das Einführen zentraler Gefäßkatheter und intravenöse und orale Medikamentengabe. Ich/wir bin/sind darüber informiert, dass durch Sauerstoff eine Augenschädigung entstehen kann. Wenn kein gleichwertiges zugelassenes Medikament zur Verfügung steht, kommen bei Neu- und Frühgeborenen in Deutschland für Kinder nicht zugelassene Medikamente zum Einsatz, die bei Kindern aber untersucht sind. Oft ist die ausschließliche Ernährung mit Muttermilch nicht möglich, in diesem Fall erhalten Frühgeborene bzw. kranke Neugeborene Frühgeborenen- oder Säuglingsanfangsnahrung. Muttermilch kann Bakterien (Keime) und Viren (CMV) enthalten, die sich auf das Kind übertragen können. Ob das Pasteurisieren der Muttermilch bei sehr unreifen Frühgeborenen einen Vorteil bringt, ist bisher nicht geklärt, da das Pasteurisieren wichtige Bestandteile der Muttermilch zerstört. Aus diesem Grund wird in den neonatologischen Intensivstationen Innenstadt die Muttermilch nur in Ausnahmefällen untersucht und sonst unpasteurisiert gegeben. Ich/wir wurde/wurden darüber informiert, dass routinemäßig erhobene Untersuchungsergebnisse anonym zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden können. Die Möglichkeit zur Gegenfrage wurde mir/uns gegeben.

Über die Erkrankung und besonderen Probleme meines/unseres Kindes_________________________________________________ wurde ich von___________________________ informiert Ich erkläre, dass mir das gesetzliche Sorgerecht für mein Kind zusteht. München, den__________ ____________________________________________ Mutter Vater Tel.-Nr. der Eltern _________________ Krankenkasse des Kindes _______________________________________________

21 Formblätter und Perzentilen-Kurven

21.1 Elterninformation

475

Formblätter und Perzentilen-Kurven

21

21.2 Beatmungsprotokoll

21.2 Beatmungsprotokoll Proquitté Beatmungsprotokoll Name: Datum/Uhrzeit Blutgase (cap/art)

pH pCO2 Bikarbonat BE PO2 BZ Sonden

TcpO2 tcpCO2 SO2 eingestellte Grenzen

Temperatur/Stufe TcpO2 tcpCO2 SO2 Beatmung – Gerät

Beatmungstyp* Flow FiO2 CPAP PIP/Osz. Amplitude PEEP MAD Beatmungsfrequenz Backup-Frequenz/SIMV/SIPPV Frequenz Eigenatmung I-Zeit E-Zeit Vte Maßnahmen

In-/Extubation Tubus geklebt bei Bemerkungen * Assistiert, Kontrolliert, Oszillation, Tubus in Rachen, Trachea

476

Abb.

Blatt Nr. geb.

Abb. 21

Verlegung

Pulsoximeter Blutdruck MAD Temperatur art/ven/cap pH pCO2 pO2 HCO3 BE Hkt BZ

Atmung Kolorit Tonus Reflexe Frequenz APGAR

Blähen Masken-CPAP Masken-IPPV Rachen-Tubus Intubation Absaugen FiO2 PIP/PEEP Frequenz Herzmassage Nabelkath. (A/V) Glc. 10 % ml/h NaCl 0,9 % (ml) Medikamente

NS

Von

Name geb.: Ärzte/Hebamme/Schwester (Namen) 1 2 Zeit (min)

3

4

5

6

7

8

Zeit

nach

9 10

SSW 15

20

25

Diagnosen: 30

35 45

50

55 60

21.3 Protokoll für die Erstversorgung

Proquitté

Formblätter und Perzentilen-Kurven

Uhrzeit

40

21.3 Protokoll für die Erstversorgung

21

477

Formblätter und Perzentilen-Kurven

21

21.4 Perzentilen-Kurven

21.4 Perzentilen-Kurven ▶ Die folgenden Kurven sind Körpermaße bei Geburt und sind nicht gut geeignet postnatales Wachstum zu beurteilen. Ausführliche postnatale Wachstumskurven finden sich online. ▶ Schematische Gewichtskurve für Frühgeborene < 2000 g, die ein optimales, aber erreichbares Wachstum von 17 g/kgKG/d annimmt. Bei reifen Neugeborenen wird von einer täglichen Gewichtszunahme von 20 g/kgKG ausgegangen.

5000 4500

5000 g 4500

Gewicht Mädchen

97

4000

75

3500 25

3000

90

4000

50

3500

10

3000

3

2500

2500

2000

2000

1500

1500

1000

1000

500

500

0 0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW 60,0 cm

60,0 97

55,0 Länge Mädchen 50,0

90 75 10

25

55,0

50 50,0 3

45,0

45,0

40,0

40,0

35,0

35,0

30,0

30,0

25,0

25,0

20,0 20,0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW Abb. 21.3 • Gewicht und Länge bei Geburt (Mädchen). (Voigt M et al. Vorstellung neuer Geburtsgewichtsperzentilwerte für Einlinge und Zwillinge. Z Geburtshilfe Neonatol 2013; 217Po03_1)

478

40,0

35,0

40,0 cm 97 90 9 75 50 25 10 3

Kopfumfang Mädchen

35,0

30,0

30,0

25,0

25,0

20,0

20,0

15,0

15,0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW

40,0

35,0

21 Formblätter und Perzentilen-Kurven

21.4 Perzentilen-Kurven

40,0 cm Kopfumfang Jungen

75

90 25

10

97 50

35,0

3

30,0

30,0

25,0

25,0

20,0

20,0

15,0

15,0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW

Abb. 21.4 • Kopfumfang bei Geburt (Mädchen oben, Junge unten). (Voigt M et al. Vorstellung neuer Geburtsgewichtsperzentilwerte für Einlinge und Zwillinge. Z Geburtshilfe Neonatol 2013; 217-Po03_1)

479

Formblätter und Perzentilen-Kurven

21

21.4 Perzentilen-Kurven

5000

5000 g

4500 4000

97

4500

75

4000

25

3500

3

3000

90

Gewicht Jungen

50

3500

10

3000 2500

2500

2000

2000

1500

1500

1000

1000

500

500

0 0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW 60,0 cm

60,0 97 90

55,0 Länge Jungen 50,0

50

75 25 10

3

55,0 50,0

45,0

45,0

40,0

40,0

35,0

35,0

30,0

30,0

25,0

25,0

20,0 20,0 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 SSW Abb. 21.5 • Gewicht und Länge bei Geburt (Jungen). (Voigt M et al. Vorstellung neuer Geburtsgewichtsperzentilwerte für Einlinge und Zwillinge. Z Geburtshilfe Neonatol 2013; 217Po03_1)

480

22

Laboradressen und Abnahmemethoden

22.1 Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit Angeborene Stoffwechselerkrankungen – spezielle Diagnostik Labor Becker & Kollegen Führichstr. 70, 81 671 München Tel.: 0 89/45 0 9 17–0, Fax: 0 89/45 0 9 17–100 e-mail: [email protected] Anforderungsscheine im Labor erhältlich.

Angeborene Stoffwechselerkrankungen – Neugeborenen-Screening Labor für Diagnose und Prävention angeborener Stoffwechselerkrankungen z. Hd. Priv.-Doz. Dr. med. W. Röschinger Ottobrunnerstr. 6 81 737 München Tel.: 0 89/54 46 54–0 Fax: 0 89/54 46 54–10 Screeningzentrum, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim, Infotelefon: 09 131/6 808 5 204 Anforderungsscheine in Kliniken/bei Hebammen in Bayern vorhanden oder im Labor erhältlich.

22 Laboradressen und Abnahmemethoden

22.1 Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit

Selektives Screening auf angeborene Stoffwechselerkrankungen Stoffwechselzentrum Heidelberg Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum Im Neuenheimer Feld 669 69 120 Heidelberg Tel.: 0 62 21/56 82 76 Notfalltelefon: 06 221/56 4 002 Fax: 0 62 21/56 55 65 e-mail: Kinderklinik.Stoff[email protected] Anforderungsscheine: www.klinikum.uni-heidelberg.de/Anforderungsscheine.9 308.0.html Stoffwechsel-Labor der Universitäts-Kinderklinik Freiburg Mathildenstr. 1 79 106 Freiburg im Breisgau Prof. Dr. rer. nat. Henk Blom Tel.: 07 61/270 4 3740 Fax: 07 61/2 70 44 490 e-mail: stoff[email protected] Auftragsscheine: http://www.uniklinik-freiburg.de/kinderklinik/labor.html

481

Laboradressen und Abnahmemethoden

22

22.1 Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit

Toxoplasmose – Polymerasekettenreaktion (PCR), Serologie Institut für medizinische Parasitologie der Universität Bonn z. Hd. Prof. Dr. Achim Hörauf Sigmund-Freud-Str. 25 53 105 Bonn Tel.: 02 28/28 71 56 77 Fax: 02 28/28 71 43 20 e-mail: [email protected] Material und Formulare: Merkblätter zum Material und zur Toxoplasmosediagnostik sind bei der o. g. Adresse erhältlich. Labor Prof. G. Enders & Partner Rosenbergstr. 85 70 193 Stuttgart Tel.: Befundauskunft 07 11/63 57–0 (Sekretariat: 0711/6 357–120) Fax: 07 11/63 57–202 (Sekretariat: 0711/6 357–200) Postadresse: Postfach 101 239, 70 011 Stuttgart www.labor.enders.de Material: EDTA-Blut (fetal oder Nabelschnur), Fruchtwasser, Liquor, Plazenta ungekühlt auf normalem Postweg versendbar. Formulare: Unformeller Antrag oder Formular direkt anfordern. Laborärzte Sindelfingen Dr. Grottendiek, Dr. Goes, Dr. Burchert-Graeve, Dr. H. Hlobil Vogelhainweg 4–6 71 065 Sindelfingen Tel.: 0 70 31/7 99 30 Fax: 0 70 31/87 46 91 www.laboraerzte-sifi.de Material: EDTA-Blut (fetal oder Nabelschnur), Fruchtwasser, Liquor, Plazenta ungekühlt auf normalem Postweg versendbar. Formulare: Unformeller Antrag. Labor hat KV-Zulassung.

Parvovirus B19 – Polymerasekettenreaktion (PCR) Max-von-Pettenkofer-Institut Diagnostiklabor Virologie Pettenkoferstr. 9 a 80 336 München Tel.: 089/2 180 728 33, -34, 35 http://www.mvp.uni-muenchen.de/ Material: Serum (ca. 1 ml Vollblut), Biopsiematerial, Fruchtwasser, Knochenmark und Stuhl. Formulare: Dunkelroter Virologieantrag, evtl. über Fax. zu erhalten, evtl. formloser Antrag. Laborärzte Sindelfingen, Adresse s. o. Labor Prof. G. Enders Partner s. o.

482

Ganciclovirspiegel Messung durch HPLC (Flüssigkeitschromatografie): Berliner Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben (BBGes) Fachbereich Klinische Toxikologie und Pharmakologie Oranienburger Straße 285 13 437 Berlin Tel.: 0 30/30 116 e-mail: [email protected] Messung durch Massenspektroskopie: Medizinisches Labor Bremen Haferwende 12 28 357 Bremen Tel.: 0421/20 720 Institut für Laboratoriumsmedizin Klinikum Großhadern der LMU Marchioninistr. 15 81 377 München Tel.: 0 89/4 400–73 200

22 Laboradressen und Abnahmemethoden

22.1 Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit

Thrombozyten-Antikörperbestimmung bei neonataler Autoimmunthrombozytopenie (NAIT) Labor Dr. med. Ulrich Pachmann Arzt für Transfusionsmedizin Kurpromenade 2 95 448 Bayreuth Tel.: 09 21/85 02 01 [email protected] Institut für Laboratoriumsmedizin Klinikum Großhadern der LMU Marchioninistr. 15 81 377 München Tel.: 0 89/4 400–73 200 Material: 10 ml Nativblut von der Mutter und ca. 20 ml EDTA-Blut vom Vater und vom Neugeborenen mindestens 1 ml EDTA-Blut. Versand auf dem Postweg ungekühlt möglich. Anforderungsschein kann per Fax zugeschickt werden.

483

Labor-Normalwerte

23

Labor-Normalwerte

23

Labor-Normalwerte

Proquitté

23.1 Labor-Normalwerte Tab. 23.1 • Normalwerte im Blut bei Neugeborenen. Parameter

Altersstufe

SI-Einheiten

konventionelle Einheit

Blutgase: pH

7,29 – 7,39

pCO2

3,7 – 6,0 kPa

35 – 45 mmHg

pO2

11,3 – 13,3 kPa

85 – 100 mmHg

BE

0 (+ 2 bis – 2) mmol/l

0 (+ 2 bis – 2) mmol/l

Sauerstoffsättigung

s. Beatmung (S. 56)

dito

Standardbikarbonat

21 – 25 mmol/l

21 – 25 mval/l

Weitere Werte in alphabetischer Reihenfolge: Albumin

27 – 35 Wo Reife Neugeborene

21 – 36 g/l 24 – 45 g/l

2,1 – 3,6 g/l 2,5 – 4,5 g/dl

Ammoniak

Frühgeborene Neugeborene

bis 150 µmol/l bis 70 µmol/l

bis 255 µg/dl bis 120 µg/dl

α-Amylase

bis 50 U/l

Antithrombin III

0,6 – 0,9 U/ml

38 – 63 %

α1-Antitrypsin

1,24 – 3,48 g/l

90 – 220 mg/dl

Bilirubin, Gesamt-

s. Icterus neonatorum (S. 318)

Blutungszeit

2 – 7 min

dito

Blutzucker (Glukose)

2,6 – 5,6 mmol/l

47 – 100 mg/dl

Chlorid

95 – 110 mmol/l

95 – 110 mval/l

Cholesterin, Gesamt-

bis 5,0 mmol/l

bis 190 mg/dl

3,5 – 8,5 kU/l

3 000 – 8 000 U/l

Cortisol

0d 3d 15 d 30 d

54 – 839 mmol/l 54 – 814 mmol/l 54 – 728 mmol/l 55 – 645 mmol/l

FG < 14 d: 73 – 562 mmol/l

C-reaktives Protein

1.– 3. Tag danach

< 20 mg/l < 5 mg/l

< 2,0 mg/dl < 0,5 mg/dl in den ersten LT evtl. durch Geburtsstress erhöht; kann aber auch Hinweis auf Infektion sein!

Cystatin C

Frühgeborene Reife Neugeborene

0,65 – 4,4 0,81 – 2,322

Cholinesterase

484

Tab. 23.1 • Fortsetzung Parameter

Altersstufe

Eisen Ferritin

0–7T 7 – 14 T 14 – 21 T

Eiweiß, Gesamt-

SI-Einheiten

konventionelle Einheit

7 – 33 µmol/l

40 – 184 µg/dl

90 – 770 µg/l 250 – 950 µg/l 160 – 770 µg/l

9 – 77 µg/dl 25 – 95 µg/dl 16 – 77 µg/dl

35 – 68 g/l

3,5 – 6,8 g/dl

57 – 68 % 1–6% 5 – 11 % 7 – 13 % 10 – 18 %

⎫ ⎪ ⎬ ⎪ ⎭

23 Labor-Normalwerte

23.1 Labor-Normalwerte

Eiweißfraktionen: Albumin α1-Globulin α2-Globulin β-Globulin γ-Globulin

dito

α1-Fetoprotein

< 100 mg/l

< 10 mg/dl

Fibrinogen

1,25 – 3,0 g/l

125 – 300 mg/dl

< 0,4 mmol/l

< 7,4 mg/dl

< 3,08 µKat/l < 150 U/l

< 185 U/l dito

GOT

bis 39 U/l

dito

GPT

bis 34 U/l

dito

Galaktose γ-GT

0 – 2 Wochen 2 – 4 Wochen

Hämoglobin, Gesamt-

1. – 4. Tag 1. – 2. Woche 3. – 4. Woche 5. – 12. Woche > 12 Wochen

10,2 – 13,2 mmol/l 9,6 – 12,2 mmol/l 7,8 – 10,7 mmol/l 6,5 – 7,8 mmol/l 6,8 – 8,9 mmol/l

16,2 – 21,2 g/dl 15,5 – 19,6 g/dl 12,6 – 17,2 g/dl 10,5 – 12,6 g/dl 11,0 – 14,4 g/dl

Hämoglobin, fetales (Hbf)

nach Geburt

70,0 – 95,0 % des Gesamt-Hb 11,0 – 33,0 % des Gesamt-Hb 0,2 – 12,0 % des Gesamt-Hb

dito

Haptoglobin

0,002 – 0,3 g/l

0,2 – 30 mg/dl

Harnsäure

120 – 350 μmol/l

2 – 6 mg/dl

Harnstoff-N (BUN)

bis 7,1 mmol/l

bis 20 mg/dl bei FG auch höher, s. Kap. Ernährung (S. 178)

4 – 7 Tage

♂ 1,4 – 5 nmol/l ♀ 1,7 – 4,1 nmol/l

♂ 0,5 – 1,7 μg/l ♀ 0,6 – 1,4 μg/l

1 – 2 Monate

♂ 3,7 – 8,5 nmol/l ♀ 1,7 – 4,7 nmol/l

♂ 1,2 – 2,8 μg/l ♀ 0,6 – 1,6 μg/l

IgG (g/l)

Neugeborene 1 – 3 Monate

7,0 – 16 2,5 – 7,5

IgM (g/l)

Neugeborene 1 – 3 Monate

0,1 – 0,3 0,05 – 0,5

IgA (g/l)

Neugeborene 1 – 3 Monate

0,1-0,7 0,1-0,7

bis 2. Monat bis 12. Monat

17-Hydroxyprogesteron

dito dito

485

Labor-Normalwerte

23

486

23.1 Labor-Normalwerte Tab. 23.1 • Fortsetzung Parameter

Altersstufe

SI-Einheiten

konventionelle Einheit

Immunglobulin E

Neugeborene

bis 1,5 IU/ml

bis 3,6 ng/ml

IGF-1

Geburt 1 – 30 d

23 – 100 ng/ml 7 – 92 ng/ml

IGFBP-3

< 1 Wo 1 – 4 Wo

0,42 – 1,39 ng/ml 0,77 – 2,1 ng/ml

Kalium

3,6 – 6,0 mmol/l

3,6 – 6,0 mval/l

Kalzium

1,75 – 2,7 mmol/l

7,0 – 10,8 mg/dl

Kalzium ionisiert

1,1 – 1,3 mmol/l

4,4 – 5,2 mg/dl

Kreatinkinase

bis 500 U/l

dito

Kupfer

2 – 10 µmol/l

12,7 – 63 µg/dl

Laktat (nüchtern)

0,6 – 2,4 mmol/l

5,7 – 22 mg/dl

Laktatdehydrogenase (LDH)

bis 750 U/l

dito

Leucinarylamidase (Leucinaminopeptidase)

bis 31 U/l

Lipase

6 – 55 U/l

bis 80 U/l

Magnesium

0,7 – 1,5 mmol/l

1,7 – 3,7 mg/dl

Natrium

135 – 145 mmol/l

130 – 145 mval/l

Osmolalität

260 – 295 mosmol/kg

dito

Phenylalanin

< 121 μmol/l

< 2 mg/dl

Phosphor, anorganischer

1,6 – 2,6 mmol/l

4,8 – 9,5 mg/dl

Phosphatase, alkalische

bis 650 U/l

dito

Phosphatase, saure, gesamte

bis 60 U/l

dito

Pyruvat (nüchtern)

45 – 90 µmol/l

0,4 – 0,8 mg/dl

Renin

1,7 – 2,6 µg/l/h

Thyreoidea stimulierendes Hormon (TSH)*

< 3 Tage 4 – 30 Tage 1 – 12 Monate

0,68 – 29,0 µU/ml 0,51 – 11,0 µU/ml 0,55 – 6,7 µU/ml

⎫ ⎬ ⎭

freies Thyroxin (fT4)*, direkter Marker für Syntheseleistung

25 – 30 SSW 31 – 36 SSW < 3 Tage 4 – 30 Tage 1 – 12 Monate

0,5 – 3,3 ng/dl 1,3 – 4,7 ng/dl 1,1 – 3,0 ng/dl 0,9 – 2,8 ng/dl 0,7 – 2,3 ng/dl

6,4 – 42,5 pmol/l 16,7 – 60,6 pmol/l 13,5 – 38,4 pmol/l 11,7 – 35,8 pmol/l 9,4 – 30,0 pmol/l

Trijodthyronin (T3)*

< 3 Tage 4 – 30 Tage 1 – 12 Monate

0,9 – 3,2 ng/ml 0,8 – 3,0 ng/ml 0,8 – 3,2 ng/ml

1,2 – 4,1 nmol/l 1,0 – 3,9 nmol/l 1,0 – 4,1 nmol/l

Transferrin

1 – 4 Wochen > 4 Wochen

1,0 – 2,5 g/l 2,0 – 4,0 g/l

100 – 250 mg/dl 200 – 400 mg/dl

dito

Tab. 23.1 • Fortsetzung Parameter

Altersstufe

Transferrinsättigung

SI-Einheiten

konventionelle Einheit

30 – 100 %

dito

Triglyzeride

Neugeborene

bis 3,0 mmol/l

bis 266 mg/dl

Vitamin A

bis 6 Jahre

0,20 – 0,43 mg/l

0,70 – 1,50 µmol/l

9,8 – 16,8 µmol/l

64 – 110 µg/dl

Zink

* Schilddrüsenwerte gemessen mit ELISA Enzymun Test. Cave: methodenabhängige Normalwerte

23 Labor-Normalwerte

23.1 Labor-Normalwerte

Tab. 23.2 • Normalwerte des roten Blutbildes. Alter

Erythrozyten Mio./µl

Retikulozyten ‰ Erys

Hämatokrit %

1. Lebenstag

5,5 (4,5 – 6,5)

42 (15 – 65)

5. Lebenstag

5,3 (4,4 – 6,1)

30 (10 – 50)

7. Lebenstag

5,2 (4,4 – 5,9)

10 (5 – 15)

2. Woche

5,0 (3,0 – 5,5)

8 (3 – 13)

55 (53 – 58)

4. Woche

4,7 (3,9 – 5,3)

8 (3 – 13)

44 (41 – 48)

2. Monat

4,5 (3,7 – 5,0)

8 (3 – 15)

37 (34 – 39)

MCV µm3 (fl)

HbE = MCH pg

HbK = MCHC %

106 (99 – 113)

35,5 (33 – 38)

33,5 (31,8 – 35,2)

103 (96 – 110)

35,5 (33 – 38)

34,5 (32,8 – 36,2)

100 (94 – 106)

33,5 (31,5 – 35,5)

34,2 (32,7 – 35,7)

60 (58 – 62)

MCV = Mittleres Volumen der einzelnen Erythrozyten HbE = MCH = Mittlerer Hb-Gehalt der einzelnen Erythrozyten HbK = MCHC = Mittlere Hb-Konzentration der einzelnen Erythrozyten Siehe auch Kapitel Transfusionsindikation (S. 338)

487

Labor-Normalwerte

23

23.1 Labor-Normalwerte Tab. 23.3 • Normalwerte des weißen Blutbildes. %

Absolut (103/μl oder 109/l)

• Neugeborene

18,1

(8,0 – 30,0)

• 12 h

22,8

(13,0 – 38,0)

• 1 Woche

12,2

(9,4 – 34,0)

• 2 Wochen

11,4

(5,0 – 20,0)

• 4 Wochen

10,8

(5,0 – 19,5)

Neutrophile

25 – 65

2250 – 9 750/nl

• stabkernige

0 – 10

bis 1500/nl

• segmentkernige

22 – 65

2250 – 9 750/nl

Eosinophile

1–7

90 – 1050/nl

Basophile

0–2

bis 300/nl

Monozyten

7 – 20

630 – 3 000/nl

Lymphozyten

20 – 70

1800 – 10 500/nl

Zelltyp

Leukozyten gesamt

Granulozyten (Polymorphkernige)

Mononukleäre

100 – 250/nl

Thrombozyten

Tab. 23.4 • Normalwerte im Urin. Erythrozyten

488

0 – 5/nl

Eiweiß

< 150 mg/m2 KO/Tag

Kalzium

1 – 2 mmol/l

Kupfer

5 – 120 µmol Cu/mol Kreatinin (= 3 – 67 µg Cu/g Kreatinin) im Morgenurin

Leukozyten Obere Normgrenze Verdachtsbereich

50/nl 20 – 50/nl

Natrium

0,5 – 4,9 mmol/kg/Tag

Kreatinin

8 – 15 mg/kg KG/Tag

Phosphat

0,1 – 0,6 g/l (1 – 2 mmol/l)

Osmolalität

bis 600 mosmol/l

pH

5,0 – 7,0

23.2 Nomogramm

Labor-Normalwerte

Tab. 23.5 • Normalwerte im Liquor. 0,1 – 0,17 g/l (10 – 17 mg/dl)

Albumin Gesamteiweiß • nach der Geburt • 1. Monat • ab 2. Monat

• bis 1,0 g/l (100 – 150 mg/dl) • bis 0,9 g/l (90 mg/dl) • bis 0,4 g/l (40 mg/dl)

Glukose

45 – 80 % der Blutglukose

23

Immunglobuline • IgG • IgA • IgM

• 8 – 64 mg/l (0,8 – 6,4 mg/dl) • 4 – 6 mg/l (0,4 – 0,6 mg/dl) •0

Leukozytenzahl • Neugeborene • ältere Kinder

• bis 20 Zellen/nl • bis 9 Zellen/nl

23.2 Nomogramm Länge (cm)

Körperoberfläche (m2)

Gewicht (kg)

Abb. 23.1 • Nomogramm zur Berechnung der Körperoberfläche.

▶ Berechnung der Körperoberfläche: Körperoberfläche ðm2 Þ ¼

rffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi Länge ðcmÞ  Gewicht ðkgÞ 3600

489

Labor-Normalwerte

23

490

23.2 Nomogramm

Evidenzangaben Evidenz 1 [E1]: Metaanalyse randomisierter Studien oder mindestens eine randomisierte, kontrollierte Studie guter Qualität. Evidenz 2 [E2]: Mindestens eine gut angelegte, nicht randomisierte, kontrollierte Studie oder eine randomisierte Studie minderer Qualität. Evidenz 3 [E3]: Deskriptive Studien wie Vergleichsstudien, Korrelationsstudien, FallKontrollstudien liegen vor. Evidenz 4 [E4]: „Expertenmeinung“.

A A/C = Assist/Control Ventilation 225, 233 AABR, Hirnstammaudiometrie 62 AaDO2 241 AB0-Identitätstest 336 AB0-Inkompatibilität 61 ABCDE-Regel 431 – Medikamente 433 – Elektrotherapie 435 Abdomen – geblähtes 255 – Röntgenaufnahme 82 Abdominalpunktion 49 ABHS = Apnoe-BradykardieHypoxämie-Symptomatik 208 Abnabeln 136 – Frühgeborene 145 Absaugen 136, 142 Absaugkatheter 23, 136 Abstinenzsyndrom, neonatales 166 Abstrich 284 Abtrocknen 136, 142 ACD-Serum 338 Acetazolamid, pH-Wert 454 Acetylsalicylsäure 347 Aciclovir 250, 261 – Dosierung 460 – Dosis, maximale 458 – pH-Wert 454 – Varizella-Zoster-Prophylaxe 272 – Varizellen, neonatale 271 ACT = activated clotting time 242 ACTH 460 Acylcarnitine 357, 362 – Differenzierung 359 – toxische 359 ADAMTS 13-Mangel 343 Adaptationsstörung 307 – respiratorische 17 Adapter 20 – binasaler 223 Additionsazidose 354 Adenocard 295 Adenosin 295 – Dosierung 460 – Indikation 434 ADH-Mangel 365 ADPKD 401 Adrekar 295 Adrenalin 144, 442 – Applikation, intratracheale 434 – Dosierung 460

– Nebenwirkung 444 – pH-Wert 454 – Reanimation 434 – Wirkung 444 Adrenogenitales Syndrom = AGS 352, 378 – Primärdiagnostik 354 – Salzverlustkrise 379 AET = atrial ektope Tachykardie 295 AGS = Adrenogenitales Syndrom 352, 378 Ahornsirupkrankheit 103, 352 – Urinuntersuchung 355 AIDS 261 Air trapping 242 AIS = Amnioninfektionssyndrom 246 Akranius-Akardius 121 Akustisch evozierte Potentiale 63 Akzeleration, CTG 123 Albumin-BilirubinKomplex 323 Aldactone 447 Aldosteronmangel 378 Alfaré 192 Alkalose 309 – Hypokalzämie 368 Allen-Test 33 Allergien, Ernährung 181 ALTE = apparent life-threatening event 413 Aluminium 199, 202 Alupent 299 – AV-Block 300 – Minimaldosis 442 Alveofact 26 Alveolarkollaps 211 – HFOV 237 Alveolarruptur 216 AmBisome 461 Ambu-Beutel 17 Amikacin – Dosierung 460 – Dosis, maximale 458 Amine, biogene 363 Aminoglykoside 440 Aminophyllin, Inkompatibilität 455 Aminosäuren 357, 362 – Liquor 363 Amiodaron – Dosierung 460 – Reanimation 434 Ammoniak 362 – Normwert 355

Amnioninfektionssyndrom 246 – Antibiose 139 Amphotericin B 250 – Dosierung 460, 283 – Dosis, maximale 458 – Inkompatibilität 455 – Lichtschutz 457 Ampicillin – Dosierung 461 – Dosis, maximale 458 – Initialtherapie 249 – Meningitis 249 amplituden-integriertes EEG 57 Anabolisierung 359 Anaerobierinfektion 249 Analatresie 83, 422 Analgesie – Beatmung 231 – lokale 448 Analgetika 448 Analgosedierung nach Herzoperation 316 Anämie – Austauschtransfusion 61, 149 – hämolytische 268, 273 – Hydrops fetalis 146 – Parvovirus-B19-Infektion 266 – Transfusion 339 Anamnese, geburtshilfliche 116 Anästhesiebeutel 17 Ancotil 250, 456 Androgenwirkung, intrauterine 376 Anenzephalie 419 Anfallsserie 114 Anfangsnahrung 182 Angiom 418 Anionenlücke 354 Anlegen 178 ANS = antenatale Steroidprophylaxe 119, 211 Anti-A-Antikörper 326 Anti-B-Antikörper 326 Anti-D-Prophylaxe 322 Anti-Müller-Hormon 375 Anti-Xa-Spiegel 346 Antibiotika, Grundsätze 248 Antibiotikatherapie 439 – Beendigung 251 – bei unbekanntem Erreger 248 – Labordiagnostik 247 – Therapiekontrolle 252 – Versagen 249, 251

Sachverzeichnis

Sachverzeichnis

491

Sachverzeichnis

Antiepileptika

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Antiepileptika 118, 343 Antihypertensiva 119, 317 Antikoagulation 346 Antikonvulsiva 113 Antikörper, Lupus-erythematodes-assoziierte 299 Antiphospholipid-Antikörper 347 α2-Antiplasmin 341 Antipyrese (nach ECC) 316 Antithrombin 338 – Normwert 345 Antithrombin III, Dosierung 461 Antithrombin-Mangel 344 Anurie 395 Aorta, Durchmesser 72 Aortenbogen, unterbrochener 312 Aortenisthmusstenose 312 – EKG 294 Aortenstenose – EKG-Befund 293 – kritische 312 Aortopulmonales Fenster 314 Apathie 102, 365 Apatit 188 APC-Ratio 345 Apgar-Score 133 Apnoe 208 – Beatmung 227 – Naloxon 143 – O2-Sättigungsgrenze 209 – opiatinduzierte 144 – primäre 141 – sekundäre 141 – Therapie 209 Apnoe-Anfall 208 Apnoe-Bradykardie-Hypoxämie-Symptomatik 208 Apnoetest 438 Apnoische Pause 208 Apparent life-threatening event 413 ARDS 211 Areflexie 365 Arginin 357 Arginin-HCl 468 Armlähmung 163 Arnold-Chiari-II-Malformation 419 ARPKD 400 Arrhythmie, Katecholamine 441 Arterenol 150, 309 – Minimaldosis 442 – Pharmakologie 444 Arteria – basilaris 70 – carotis interna 70 – cerebri – – anterior 70 – – media 70

– subclavia 34 Arteria mesenterica superior, Inversion 423 arterielle Blutgasanalyse, Zyanose 101 Arterienkatheter, Blutentnahme 42 Arterienpunktion 33 Arzneimittel – Inkompatibilität 454 – Kompatibilität 456 – Lichtschutz 457 – pH-Wert 454 Arzneimittelstabilität 456 Arztbrief 161 Ascorbinsäure 359 ASD = Vorhofseptumdefekt 293 Aspergillen 282 Asphyxie – Erstversorgung 153 – Hypothermie 59, 154 – perinatale 141, 152, 154 Assist/Control Ventilation 233 Asymmetrische Retardierung 96 Asynchronie 232 Asystolie 144, 300, 433 Aszitespunktion 49, 148 AT-Konzentrat 343 Atelektase 232 – HFOV 236 Atem-Monitoring 209 Atemantrieb 440 Atemgas-Grundflow 227 Atemgasfluss 18 Atemminutenvolumen 229 Atemnotsyndrom 211, 219 Atemnotsyndroms, Prävention 213 Atempause 208 Atemstillstand 431 – funktioneller 432 Atemstörung 210 Atemunterstützung 17 Atemwege – freihalten 432 – freimachen 431 Atemwegsdruck 81 – mittlerer 225 Atemwegserkrankung 208 Atemwegsobstruktion 208 – Beatmung 242 Atemzentrum, Depression 208 Atemzugvolumen 226, 228 Atenativ 338 Athetose 318 Athyreose 372 Atmung 142, 156 Atmungskettendefekt 358

Atropin – Antidot 470 – Digitalis-Intoxikation 446 – Dosierung 461 – Inkompatibilität 455 – pH-Wert 454 – Reanimation 434 – Sinusbradykardie 299 Audiometrie 63 Aufklärung – Dokumentation 91 Auge, Reifezeichen 132 Augenmotorik 112 Ausflusstraktobstruktion – linksventrikuläre (LVOTO) 445 – rechtsventrikuläre (RVOTO) 445 Ausstellungslinie 80 Austauschgrenze 320 – Frühgeborene 322 Austauschtransfusion 42, 60, 319 – Hydrops fetalis 148 – Hyperbilirubinämie 320, 322 – Lungenödem 149 Autoimmunthrombozytopenie, neonatale, Diagnostik 483 Autoimmunthyreoiditis 370 Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung 401 Autosomal-rezessive polyzystische Nierenerkrankung 400 AV-Block 299, 446 AV-Dissoziation 295, 299 AV-Kanal 314 AV-Knoten-Reentry 295 AV-Septumdefekt, EKGBefund 293 AWMF-Leitlinien 322 Azathioprin, pH-Wert 454 Azidämie, organische 354 – Differenzialdiagnose 358 Azidose 109 – fetale 125 – Hypothermie 175 – Icterus neonatorum 322 – metabolische, nekrotisierende Enterokolitis 411 – Neugeborenes 109 – respiratorische, Beatmung 227 – Therapie 109 – Ursachen 109 Azidoseausgleich 316

B Babygramm 160 – Ösophagusatresie 421 Bakterienfilter 457 Bakteriurie, GBSbedingte 253 Ballard-Score 131 Ballonatrioseptostomie 312 Base-Exzess (BE) 137 Basedow, Morbus 370 Baseline, CTG 123 Basic F 192 Bauchmassage 188, 206 Bauchwanddefekt 157, 424 BE = Base-Exzess 137 Beatmung – Indikation 227 – Abkürzungen 225 – Analgosedierung 230 – assistierte 231 – Atemwegsobstruktion 242 – druckunterstützte. 226 – Grundeinstellung 228 – Grundprinzip 226 – Herz-Kreislauf-Stillstand 432 – Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung = HFOV 234 – Indikation 55 – Instrumentarium 129 – Intubation 20 – Lungenblutung 243 – Lungenödem 243 – Lungenüberblähung 230 – maschinelle 142 – – konventionelle 226, 237 – Maskenbeatmung 17 – mechanische, synchronisierte 232 – nach Herzoperation 315 – nicht invasive 20 – PFC-Syndrom 309 – Steuerung 229 – Synchronisation 232 – Triggersystem 233 – Überwachung 228 – Zwerchfellhernie 151 Beatmungsbeutel 18, 432 Beatmungsdruck 143, 228 – Faustregel 432 – hoher 433 Beatmungsfrequenz 432 Beatmungsmaske, Nachteil 223 Beatmungsprotokoll 476 Behandlungsfehler 90 Behandlungspflicht, Grenzen 92 BEL = Beckenendlage 163 Belastung – linksventrikuläre 293 – rechtsventrikuläre 293

Blutdruckabfall 394 Blutdruckerhöhung 118 Blutdruckkurve 54 Blutdruckmessung 53 Blutentnahme 39 – arterielle 33, 40 – aus liegendem Arterienkatheter 42 – aus ZVK 41 – kapilläre 39 – venöse 40 Blutentnahmetechnik, Gerinnungsanalyse 340 Blutfilter 457 Blutfluss – diastolischer, retrograder 77 – pulmonaler, erhöhter 313 – renaler 394 Blutflussgeschwindigkeit 70 – PDA 305 Blutgasanalyse – Beatmung 229 – Nabelschnurblut 137 Blutgase – kapilläre 229 – Normalwerte 484 Blutgerinnung 340 Blutgruppe, Überprüfung 338 Blutgruppenkonstellation 322 Bluthirnschranke, gestörte 322 Blutkultur 247 – anaerobe 284 Blutprodukte 335, 337 – Bestellung 338 – Verabreichung 339 Bluttransfusion 335 – Verweigerung 92 Blutung 341 – gastrointestinale 342 – intraventrikuläre 383 – intrazerebrale 383 – subdurale 162 – subependymale 383 – subgaleatische 162 – Verbrauchskoagulopathie 343 Blutzuckerkontrolle 104 – Diabetes mellitus 165 – Ernährung, parenterale 203 – Neugeborene 140 Bochdalek-Foramen 149 BOOST-II-Studie 407 BPD = bronchopulmonale Dysplasie – Definition 214 – Prävention 215 – Sauerstofftherapie 222 – Therapie 215

Sachverzeichnis

BPD = bronchopulmonale Dysplasie Belastungszeichen, EKG 293 Bell-Einteilung 409 Ben-u-ron 448 Benzodiazepine 167 Benzylalkohol 450 BERA 62 Beratung, genetische 95 Bernoulli-Gleichung 73 Beschwerdemanagement 91 Besiedelung, mikrobielle 247 Bestattung 95 Bewegungsstörung, zerebrale 382 Beweislastumkehr 91 Bewusstlosigkeit 431 Bewusstseinslage 431 bicaVera 399 Bigeminus 300 Bikarbonat-Natrium, Dosierung 461 δ-Bilirubin 318 – erhöhtes 320, 322 – neonatales 319 – Toxizität, zentralnervöse 318 Bilirubin-Matte 323 Bilirubinanstieg 203 Bilirubinenzephalopathie 318 Bilirubinfraktion 318 Bilirubinmessung 322 – transkutane 319 Biliverdin-Ikterus 259 Biogenesestörung, peroxisomale 361 Biotin 202, 359 Biotinidasemangel 352 Biseko 338 Bland-White-GarlandSyndrom, EKG 293 Blasenekstrophie 426 Blasenentleerungsstörung 426 Blasenpunktion, suprapubische 44 Blasensprung – frühzeitiger, Definition 16 – vorzeitiger 16, 117, 126 Blasensprung-Geburt-Intervall 246 Blue diaper syndrome 369 Blueberry muffin 268, 273 Blutbilanz 316 Blutbildung, extramedulläre 268, 273 Blutdruck – kindlicher 138 – niedriger 397 – Normwert 302 – Stabilisierung 143, 146 – Untergrenze, tolerierte 146 Blutdruck-Normalisierung 309

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Sachverzeichnis

bpm = beats per minute bpm = beats per minute 123 Bradykardie 208, 299 – fetale 123 – Herzdruckmassage 433, 143 Bronchialfehlbildung 428 Bronchiallavage 220 Bronze-Baby-Syndrom 324 Brustdrüse, Reifezeichen 132 Brustwarze – wunde 178, 258 Bubble-CPAP 224 Bulbusdeviation 111 Bulbusfixation 111 Bumetanid 448 Buprenorphin 167 Burinex 448 Burst-SuppressionMuster 154

C C 1-Inhibitor 345 Café-au-lait-Flecken 417 Calcitriol, Dosierung 461 Candida albicans 282 Candida-Infektion – Diagnose 283 – Therapie 250 Candida-Prophylaxe 249 Candida-Sepsis 282 Candida-Spezies, Resistenz 283 Captopril, Dosierung 462 Caput succedaneum 162 Carbimazol, Dosierung 462 Cardiac output 443 Cardiolipin-Antikörper 345 Cardiolipin-Mikroflockungstest 277 Carnitin 356, 359, 362, 462 Carnitin-Acylcarnitin-Translocase 360 Carnitin-Acylcarnitin-Translocase (CACT)-Mangel 352 Carnitin-Palmitoyl-Transferase 360 Carnitin-Palmitoyl-Transferase-Mangel 352 Cäsarenhals 216 Caspofungin 250, 462 Castillo Morales Konzept 205 CDH = Zwerchfellhernie 149 Cefalexin 462 Cefotaxim – Dosierung 462 – Dosis, maximale 458 – Meningitis 249 Cefotiam, Dosierung 462 Ceftazidim 250 – Dosierung 462 – Dosis, maximale 458

494

Cefuroxim 251 – Dosierung 462 – Dosis, maximale 458 Ceres-Öl 193 Cernevit 201 CHARGE Syndrom, Diagnostik 86 Charrière 36 Chlamydia trachomatis 275 Chlamydien-Konjunktivitis 138 Chloramphenicol, Dosierung 462 Chlorpromazin 169 Choanalatresie 420 Choledochuskompression 421 Cholestase 320 – Fototherapie 324 – Gallengangatresie 425 – TPE-assoziierte 203 Choralhydrat, Dosierung 462 Chorioamnionitis 278 Chorionizität, Diagnostik – postnatale 122 – sonografische 120 Chorioretinitis, Toxoplasmose 279, 281 Chromoglyzinsäure, BPD 215 Chromosomenanalyse 377 Chylothorax 206 Cidofovir 264, 274 Ciprofloxacin – Dosierung 462 – Dosis, maximale 458 Circulation 433 Citrullin 358 Clarithromycin, Dosierung 463 Clexane 347 Clindamycin 463 – Dosis, maximale 458 Clinical Risk Index for Babies = CRIB 134 Clonazepam – Dosierung 463 – Krampfanfall 114 Clonidin 169 CMV = Zytomegalievirus 272 – Muttermilch 180 – Stillen 179 CMV-Hyperimmunserum 463 CMV-IgM-Antikörpern 274 CMV-Pneumonie 273 CO2-Elimination 229 CO2-Konzentration, Exspirationsluft 56 CO2-Retention 20 Cochlea Implantat 63 Coenzym Q 10 359 Columbia-Technik 83

Computertomografie 84 Condyloma acuminatum 264 Continuous positive airway pressure 223 Coombs-Test 320 – positiver 322 Cotrimoxazol 459 Couplets 300 Coxsackie-Virus B 255 CPAP = continuous positive airway pressure 18, 24, 223 – Gerätetypen 225 – Wirkungsmechanismus 223 CPAP-System 142 cPVL 388 – Prognose 389 Credé-Prophylaxe 137 CRIB-Score 134 Crigler-Najjar-Syndrom 320, 324 CRP-Erhöhung 119 CTG = Kardiotokografie 118, 123 Curosurf 26 CVVH = kontinuierliche venovenöse Hämofiltration 398 CVVHDF = kontinuierliche venovenöse Hämodiafiltration 398 CW(Continuous-Wave)Doppler 73

D D-Dimere 342, 345 D-Fluoretten 463 Darmdistension 410 Darmentwicklung 204 Darmeventration 158 Darmfehlbildung 157 Darmmukosa, Atrophie 183 Darmnekrose 423 Darmperforation 206 – isolierte 412 Darmpolyp 417 Defibrillation 298, 435 Deflexionshaltung 18 DEGUM = Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, Klassifikation 383 Dehydratation 396 Dermalsinus 417 Desinfektion 28 Desmopressin 463 Dexamethason 451 – Dosierung 463 – Indikation 452 – Inkompatibilität 455 – Nebenwirkung 452 Dextrokardie 293

Dopplersonografie – Ductus arteriosus, persistierender 305 – Hirntoddiagnostik 438 – intrakranielle 70 Dormicum 451 DORV = double outlet right ventricle 314 Double bubble sign 83 Doxapram 209, 455 Dreitagefieber 264 Drogenabusus 166 – Stillen 170 Druck-Hydrozephalus 113 Druckgradient-Berechnung 73 Drucksteigerung, intrakranielle, Klinik 390 Drucktransducer 53 Ductus arteriosus – Offenhalten 312 – persistierender 304 – – EKG-Befund 294 – – hämodynamisch relevanter 306 – – Indometacin-Therapie 305 – – Ligatur, operative 307 – Verschluss 304 Ductus-thoracicus – Ligatur 207 – Verletzung 206 Dünndarm, Inkarzeration 423 Dünndarmatresie 422 Duocal 193 Duodenalatresie 421 Duodenum, Motilität 183 Dysmorphiesyndrom, kraniofaziales 86 Dysplasie – bronchopulmonale (BPD) 214 – – Sauerstofftherapie 222 Dyspnoe 109

E Early neonatal – death 16 – mortality rate 16 Ebstein-Anomalie 313 – EKG-Befund 294 EBV = Epstein-Barr-Virus 255 ECC = extrakorporale Zirkulation 315 Echokardiografie 71 – Ductus arteriosus, persistierender 76 – Herzfehler 311 – Schnittebenen 74 – Transducerposition 75 – Zyanose 101

Echoviren 255 ECMO = extrakorporale Membranoxygenation – Gesamtüberlebensrate 242 – Heparinisierung 242 – venoarterielles 241 – venovenöses 241 – Zwerchfellhernie 151 ECMO-Zentrum 242 Edrophonium-HCl 464 EEG – amplituden-integriertes 57 – Hirntoddiagnostik 438 Effloreszenz – makulopapulöse 276 – vesikulopustulöse 282 Ein-Helfer-Methode 433 Einbecker Empfehlung 92 Einlauf 206 Einschwemmkatheter 35 Einsicht, Krankenakte 91 Einverständniserklärung 89 Eisen-2-glyzinsulfat 464 Eisenrezeptor 190 Eisensubstitution 190, 453 – Hinweise zur Applikation 456 – Schwangerschaft 116 Eiweißfraktion, Normalwerte 485 EK = Erythrozytenkonzentrat Austauschtransfusion 61 Ekchymosis 162 EKG, Ableitung 146 EKG, Befund 293 Eklampsie 119 Ektropium 417 ELBW-infant 16 Elektrokochleografie 63 Elektrolytbestimmung, Ernährung, parenterale 204 Elektrolyte 40 Elektrolytstörung 364 Elektromechanische Entkoppelung 433 Elektrotherapie 435 ELGAN, Azidose 109 ELSO-Kriterien, ECMO 241 Eltern – Misstrauen 90 – Therapieverweigerung 92 Eltern-Kind-Bindung 380 Elternbesuch 87 Elternbetreuung 87 – Kindstod 94 Elterngeld 117 Elterngespräch 87, 95 – Intensivstation 160 Elterngruppe 94 Elterninformation, Formblatt 474 Elternzeit 117

Sachverzeichnis

Elternzeit Dezeleration, CTG 123 Diabetes – mellitus 164 – – Präeklampsie 118 – neonataler 106 Diabetes, neonataler, genetische Diagnostik 108 Dialyse, Gefahren 399 Dialyseverfahren 397 Diaphanoskopie 427 Diazepam 169 – Dosierung 464 – Inkompatibilität 455 – Krampfanfall 114 Diazepam-Lipuro 450 Diazo-Reaktion 319 Diazoxid 464 – Hypoglykämie 105 – Übersicht 464 DIC = disseminierte intravasale Gerinnung 60342 Diffuse mesangiale Sklerose 401 Diffuse Schädigung der weißen Substanz 389 Digitalis 317 Digitalis-Antidot 446, 464 Digitalis-Intoxikation 446 – EKG-Befund 294 Digitoxin 446 Digoxin 446 – Dosierung 464 DILV = double inlet left ventricle 314 Dinamap 53 Dip, CTG 123 Diphtherieimpfung 285 Disoprivan 451 Diurese 317 – osmotische 106 Diuretika 446 Diuretikum, kaliumsparendes 447 DNPH-Test 362 Dobutamin 252, 303, 442 – Herzinsuffizienz 445 – Kompatibilität 456 – pH-Wert 454 – Wirkung 443 Dokumentation 92, 159 – mangelnde 91 Dolichozephalus 188 Dopamin 252, 309, 442 – Dosierung 464 – Hypotonie 397 – Inkompatibilität 455 – Nierenversagen 397 – pH-Wert 454 – Wirkung 443 Dopplerechokardiografie 72 Dopplergleichung 72 Dopplershift 72

495

Sachverzeichnis

Embolisation, retrograde

496

Embolisation, retrograde 34 Embryopathie – diabetische 164 – Röteln 267 Emissionen, otoakustische 62 EMLA 464 Emphysem – interstitielles 48, 216 – lobäres, kongenitales 428 Endokard-Fibroelastose 312 Endokarditisprophylaxe 316 Endokrinopathie 351 Endotrachealtubus 129 Energy expenditure 198 Engerix 140 Enoximone 445 ENTA = endotracheale Absaugung 160 Entbindung, operative 128 Enterobacter sakazakii 181 Enterokokken 251, 439 Enterokolitis – koprostatische 206 – nekrotisierende – – Magenreste 188 – – Minderperfusion 304 Enteroviren 255 entrainment 232 Entwicklungsneurologie – Aufgabe 381 – Nachsorge 380 Entwicklungspsychologie 382 Entwicklungsstörung 88 Entzugssyndrom 166 – Therapie 169 Enzephalitis – disseminierte 260 – HSV-Infektion 259, 261 – Toxoplasmose 279, 281 – Zytomegalie 273 Enzephalopathie, hypoxischischämische 152 – Prognose 155 Enzephalozele 419 Epidermolyse 417 Epinephrin – pH-Wert 454 – Reanimation 434 Epiphysenlösung 163 Epoprostenol, pH-Wert 454 Epstein-Barr-Virus 255 ERA = Electric Response Audiometry 63 Erb-Duchenne-Parese 163 Erbrechen – Drogenentzug 168 – galliges 421 – Obstruktion, gastrointestinale 420 – rezidivierendes 354

Ernährung – enterale 26, 178 – Frühgeborene 182 – parenterale 193 – – Komplikation 203 – spezielle Probleme 204 – vegane 112 Ernährungsinfusion, Kompatibilität 456 Ernährungskontrolle 203 Erregernachweis 284 Erstgebärende 118 Erstuntersuchung U1 137 Erstversorgung – Dokumentation 91 – Protokoll 477 Erythema, toxicum 416 Erythema infectiosum 266 Erythromycin – Chlamydieninfektion 276 – Dosierung 465 – Dosis, maximale 458 – Inkompatibilität 455 – Kardiotoxizität 278 Erythropoetin 453 – Dosierung 464 Erythrozyten, Normalwerte 487 Erythrozytenkonzentrat 148 – Anämie 339 – Austauschtransfusion 61 – Bestellung 338 – Vor-/Nachteile 337 Esidrix 447 Esmarch-Handgriff 432 Esomeprazol 465 Etacrynsäure 447, 465 Exanthem 255 – Toxoplasmose 279 Exanthema infectiosum 267 Exspirationszeit 226, 228, 230 Extrakorporale Membranoxygenierung = ECMO 240 Extrasystole – supraventrikuläre 293, 300 – ventrikuläre 293, 300 – – Lown-Klassifikation 301 Extremely low birth weight 16 Extubation 24, 232

F Faktor-V-Leiden-G1691AMutation 344 Faktorenkonzentrat 342 Fallot-Tetralogie 313 – EKG-Befund 294 Familienbesuch 88 Farbdopplersonografie 70, 73 Fasten 183 Fatschen 168

Fazialisparese 163 FBA = fetale Mikroblutuntersuchung 124 Fehlbildung – äußerliche 87 – Erstversorgung 157 – pulmonale 428 – renale 425 Fehlbildungsrisiko, Diabetes mellitus 164 Fehlgeburt 15 Fehlhaltung, in utero 430 Fehlintubation 22 Fenoterol 127 Fentanyl 449 – Analgesie 307 – Dosierung 465 Ferritin 190, 453 – Serumkonzentration 204 Ferrosanol 453, 464 Fetalblutanalyse 124 Fetopathie, diabetische 164 Fettemulsion – Applikation 457 – Inkompatibilität 455 Fettgewebe, braunes 171 Fettnekrose, subkutane 369 Fettsäuren – langkettige, Oxidationsstörung 359 – mittelkettige 359 – überlangkettige 362 Fettsäurenabbau 360 Fettsäurentransport 360 Fettverteilungsstörung 354 Fettzufuhr, Hyperglykämie 107 Fetus, totgeborener 95 Feuermal 417 FFP = Fresh Frozen Plasma 337, 343 FFTS 121 Fibrinogen 316, 341 Fibrinogenkonzentrat 342 Fibrinogenmangel 342 Fibroblasten 363 Fibrose, zystische 423 Filterkarte 351 Filtrationsrate, glomeruläre, Normalwert 394 Finnegan-Score 167 FiO2 225 – Beatmung, maschinelle 230 – CRIB-Score 135 – Erhöhung 222 – Maskenbeatmung 143 – Reduktion 222 FIP = fokale intestinale Perforation 408

Frühgeborene – Abnabeln 145 – Anlegen 182 – Apnoe 208 – Austauschtransfusion 322 – Definition 15 – Entlassung 191 – Ernährungsprobleme 204 – Erstversorgung 93 – extrem unreife 145 – – Ernährung 183 – Herzfrequenz 294 – Hirnblutung 383 – Hüftsonografie 78 – Hypothyroxinämie 374 – Impfempfehlung 285 – kleine, Wärmezufuhr 177 – kranke – – Ernährung 183 – – Magenreste 188 – Lebensfähigkeit 93 – nicht überlebensfähige 87 – Osteopenie 188 – Reanimation 145 – Retinopathia praematurorum 403 – Sauerstoffüberwachung 55 – Schallfenster 66 – sehr unreife, Zytomegalie 180 – Temperaturmessung 173 – Thermoregulation 171 – Versorgung 129, 145 – Wärmeschutz 174 Frühgeburt 125 – Geburtsmodus 127 – Ursache 125 – Vorgehen 125 FTA-ABS-Test 277 fT 3 373 fT 4 373 Füllungszeit, verlängerte kapilläre 340 Fundusuntersuchung 405 Furosemid 149, 317, 447, 466 – Inkompatibilität 455 – Nierenversagen 396 – pH-Wert 454 Fußballzeichen 409 Fußdeformität 430 Fußsohle, Reifezeichen 132

G G6PDH-Mangel 320 Galaktosämie 352 – Leberfunktionsstörung 356 – Urinuntersuchung 355 Gallenblase, fehlende 425 Gallengangatresie 322, 425 Ganciclovir – Dosierung 466 – Dosis, maximale 458

– pH-Wert 454 – Spiegelbestimmung 483 – Zytomegalie 274 Gastrografin 424 Gastrointestinaltrakt, Obstruktion 420 Gastroschisis 157, 424 Gauge 36 GBS = Gruppe-B-Streptokokken 253 GBS-Screening, präpartales 253 GDM = Gestations-Diabetes mellitus 164 Geburt – ambulante, Entlassung 139 – Definition 15 – Umstellungsprozess 141 Geburtsgeschwulst 162 Geburtsgewicht 15 – CRIB-Score 134 – Definition 15 – Jungen 480 – Mädchen 478 Geburtshelfer 135 Geburtslänge, Normgrenze 16 Geburtsmeldung 139 Geburtstrauma 162 Gefährdungshaftung 91 Gefäßbett, pulmonales, Hypoplasie 308 Gefäßwiderstand, pulmonaler 312 – Senkung 313 Gefäßzugang, periphervenöser 32 Gen-HB-Vax-K 257 Genitale, Reifezeichen 132 Gentamicin 440 – Dosierung 466 – Inkompatibilität 456 Genussmittelabusus 116 GEPS = Gesellschaft zur Erforschung des plötzlichen Kindstodes 415 Gerinnung, intravasale, disseminierte 342 Gerinnungsdiagnostik 340 Gerinnungsfaktor 341 Gerinnungsfaktorenmangel 342 Gerinnungsparameter – Altersabhängigkeit 340 – Normwerte 340 Gerinnungsstatus 342 Germinale Matrix Blutung 385 Geschlecht – genetisches 375 – gonadales 375 – somatisches 375

Sachverzeichnis

Geschlecht Fistel – perineale 422 – rektovesikale 422 – tracheoösophageale 420 Flankenrötung 409 Flaschenfütterung 181 Floating-Line, CTG 123 Flow, hoher 230 Floxal Augentropfen 251 Flucloxacillin 465 Fluconazol 250, 283 – Dosierung 465 – Dosis, maximale 458 Flucytosin 283, 465 Fludrokortison 379, 465 Flumazenil 465 Fluor 140 Fluoroskopie 84 fokale intestinale Perforation 408 Folinsäure 115, 281, 466 Folsäure 201 – Dosierung 465 – Liquor 363 – pH-Wert 454 Folsäure-Mangel 361 Folsäureprophylaxe 419 Folsäuresubstitution 116 Fontanelle 156 – Kompression 71 – posteriore, weite 372 – Schallfenster 66 Fontanellenkompressionstest 71 Football sign 83 Foramen ovale, persistierendes 75 Foramen ovale, restriktives 313 Forceps 162 Formelnahrung 182 Foscarnet 274 Fosfomycin – Dosierung 466 – Dosis, maximale 458 Fotorezeptoren 403 Fototherapie 320, 322 – intensivierte 323 – Kontraindikation 323 – Nebenwirkung 324 – Vorgehen 323 Freddy-Sonden 222 Frekavit 200 Fremdkörper, Entfernung, bronchoskopische 431 Frequenzkopplung 232 Fresh Frozen Plasma 337 Fruchttod, Parvovirus-B19Infektion 266 Fruchtwasser – grünes 219 – Resorption, verzögerte 210

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Geschlechtsdifferenzierung

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Geschlechtsdifferenzierung 375 Geschlechtsentwicklung, Störung 375 Geschlechtszuweisung 375 Gespräch 87 Gestationsalter – Definition 15 – Einschätzung, sonografische 116 – Normgrenze 16 – Petrussa-Index 133 – Übergewicht 16 – Untergewicht 16 Gestationsdiabetes 164 Gewicht – Jungen 480 – Mädchen 478 Gewichtsverlust, postnataler 15 GFR = glomeruläre Filtrationsrate 396 Giraffe Omnibett 130 Glibenclamid, neonataler Diabetes 108 Glomeruläre Filtrationsrate, Normalwert 394 Glukagon 105, 466 Glukoneogenese – Enzymdefekt 103 – Stimulation 105 Glukoneogenesestörung 358 – Differenzialdiagnose 358 Glukose – Hypoglykämietherapie 359 – Inkompatibilität 455 Glukose-ElektrolytLösung 182 Glukose-Insulin-Infusion, Hyperkaliämie 366 Glukose-Transporter-ProteinSyndrom 361 Glukoseangebot – hohes 106 – reduziertes 103 Glukoseinfusion 105, 149, 166 Glukoselösung, elektrolytfreie 182 Glukosurie 106 GLUT 1 Defekt 361 Glutarazidämie Typ 1 352 Glykogenolyse, Enzymdefekt 103 Glykogenose – Hypoglykämieneigung 103 – Primärdiagnostik 354 Glykogenreserve 103 Glykosidtoleranz 445 GNPI = Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin 320 Gonadendysgenesie 376

Gonorrhö 137 Graft-versus-Host-Reaktion 335 Granulozyten, Normalwerte 488 Gregg-Syndrom 267 Greifreflex 156 Grippeschutzimpfung 265 Grundlinie 80 Guedel-Tubus 432 GvH = Graft-versus-HostReaktion 335

H H-Milch 181 HA-Nahrung 181 Habermann-Sauger 420 Haemophilus-influenzaImpfung 285 Hallopeau-Siemens-Epidermolyse 417 Hämangiom – kavernöses 430 – subglottisches 205 Hamartom 428 Hämatokrit, zentralvenöser 41 Hämatokrit-Kontrolle, postnatale 140 Hämatom 341 Hämodiafiltration, venovenöse, kontinuierliche 398 Hämodialyse, intermittierende 398 Hämodilution 42 Hämofiltration, venovenöse, kontinuierliche 398 Hämolyse – Hyperkaliämie 366 – Kernikterus 320 Hämosiderin 42 Harnblasensonografie 44 Harnsäure 354 Harnstoff 204 Harnstoffzyklusdefekt, Notfalltherapie 357 Harnwegsfehlbildung 426 Harnwegsinfekt, Therapiedauer 252 Hashimoto-Thyreoiditis 370 Haut – Frühgeborene 171 – Reifezeichen 132 – schuppende 417 Hautablederung 162 Hautanhängsel 417 Hautinfektion 251 Hautknötchen, blaurote 268 Hautkolorit, fahles 312 Hautnekrose 44 Hautveränderung, transiente 416

Hautverletzung 162 HBeAg 256 HBsAg 139256 HCV-RNA 257 Hebamme 135 Heimmonitoring, SIDS 415 Hellin-Regel 119 HELLP-Syndrom 119 Hemmungsfehlbildung 421 Heparin 316, 343 – Dosierung 466 – Inkompatibilität 455 – Kompatibilität 456 – niedermolekulares 347 – unfraktioniertes 346 Heparin-Überdosierung 343 Hepatect 257 Hepatitis – Enterovireninfektion 255 – fulminante 256 Hepatitis A 256 – Stillen 180 Hepatitis B 256 – chronische 257 – Prophylaxe 257 – Stillen 180 – transfusionsbedingte 336 Hepatitis C 257, 336 – Stillen 180 Hepatitis-B-Immunglobulin 140 Hepatitis-B-Impfung 140, 264, 285 Hepatitis-B-Screening 140 Hepatitis-C-RNA 284 Hepatosplenomegalie 255 Hering-Breuer-Reflex 208 Herlitz-Epidermolyse 417 Hermaphroditismus, echter 376 Hernia inguinalis 427 Heroinabusus 167 Herpes – genitalis 258 – labialis 258 – simplex 180 – Zoster 270 Herpes-simplex-Enzephalitis 259 Herpes-simplex-Virus 258 – Exposition, perinatale 260 – Nachweis 259 Herpes-simplex-Virusinfektion 250 – disseminierte 259, 261 – Therapie 261 Herpesvirus 6, humanes 264 Herz – Druckbelastung 293 – univentrikuläres 314 – Volumenbelastung 293 Herz-Kreislauf-Stillstand, Diagnostik 436

HIV-Transmissionsprophylaxe 261 Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung = HFOV 234 Hoden, Reifezeichen 132 Holosystolikum, spindelförmiges 313 Homocystein 345 Hörbahn, zentrale 63 Hörminderung, Diagnostik 62 Horner-Syndrom 163 Hörnerv 63 Hörscreening 61 Hörstörung – pankkochleäre 62 – Risiko, erhöhtes 62 – Rötelnembryopathie 267 HPV = Humanes Papillomavirus 264 HSV = Herpes-simplexVirus 258 Hüftdysplasie, Sonografie 77 Hüftgelenk, dezentriertes, Therapie 80 Hüftkopf, luxierter 80 Hüftsonografie 77 – Lagerung 80 – Messlinie 80 Hüfttyp nach Graf 78 Humanalbuminpräparat 323 Humerus, Epiphysenlösung 163 Hustenstoß, künstlicher 431 Hydrierungszustand 396 Hydrocephalus, e vacuo 390 Hydrochlorothiazid 447, 467 Hydrokortison 452 – Adrenogenitales Syndrom 379 – Dosierung 466 – Hypoglykämie 105 – Salzverlustkrise 379 Hydrolysat-Nahrung 182 – Frühgeborene 183 Hydromedin 447 Hydronephrose 426 Hydrops fetalis 146 – Ateminsuffizienz 147 – Entbindungsvorbereitung 147 – Intensivstation 149 – Intubationsproblem 147 – Parvovirus-B19-Infektion 266 – Therapie – – postnatale 148 – – pränatale 147 17-Hydroxy-Progesteron 377 21-Hydroxylase 378 Hydrozele 427 – abdominoskrotale 427 – Differenzialdiagnose 428

Hydrozephalus 390 – konnataler 420 – posthämorrhagischer 384, 393 Hygrom, subdurales 162 Hyperaktivität 167 Hyperammonämie 355, 357 – Notfalltherapie 356 – Primärdiagnostik 354 Hyperbilirubinämie 319 – Austausch mit Erythrozytenkonzentrat 338 – Austauschtransfusion 60 – Diagnostik 321 – Ekchymosis 162 – kritische Bewertung 320 Hyperexzitabilität 368 – Hirndrucksteigerung 390 Hyperglykämie 106 – Diagnostik 107 – persistierende 203 – transiente 106 Hyperglyzinämie – non-ketotische 360 Hyperinsulinämie 164 – fetale 164 Hyperinsulinismus 103 – kongenitaler 103, 105 Hyperkaliämie 366 – Adrenogenitales Syndrom 378 – EKG-Befund 294 Hyperkalzämie 368 – EKG-Befund 294 – fetale 367 – infantile, idiopathische 369 Hyperkapnie, permissive 226 Hypermetabolismus 371 Hypernatriämie 365 Hyperoxämie 221 – Gefäßschädigung, retinale 403 Hyperoxietest 308 – Rechts-Links-Shunt 308 – Zyanose 101 Hyperpigmentation 416 Hyperthermie 175 Hyperthyreose – mütterliche 370 – neonatale 371 Hypertonie 303 – muskuläre 354 – pulmonale – – NO-Therapie 237 – – persistierende 307 – – Prostaglandintherapie 239 – – Shuntumkehr 309 Hypertyrosinämie – Leberfunktionsstörung 356 – Urinuntersuchung 355 Hyperurikosurie, Urinuntersuchung 355

Sachverzeichnis

Hyperurikosurie, Urinuntersuchung Herzdruckmassage 433 Herzfehler – angeborener 310 – zyanotische 101 Herzfrequenz 294 – fetale123 Herzgeräusch 311 Herzinsuffizienz 311, 397 – Digitalis 317 – Therapie 445 Herzoperation 314 – Basistherapie 316 Herzrand, scharfer 217 Herzrhythmusstörung 293 – Hyperkaliämie 366 Herzstillstand 300 Herzton, zweiter, betonter 138 Herztöne, kindliche, Registrierung 123 Herzzeitvolumen – Verminderung 226 – Zunahme 304 Hexenmilch 141 HFNC Hochfluss-Nasenkanüle 222 HFOV = Hochfrequenz-Oszillationsbeatmung 234 HHH-Syndrom 356 HHV 6 = Humanes Herpesvirus 6 264 Hickman-Katheter 38 HIE = hypoxisch-ischämische Enzephalopathie 152 Hippocampus 68 Hirnblutung 383 – Klassifikation 383 – Parenchymläsion 383 – Prognose 388 Hirndrucksteigerung, Klinik 390 Hirnfehlbildung, Diagnostik 86 Hirnparenchymblutung 385 Hirnperfusion 142 Hirnschädigung – primäre 437 – sekundäre 437 Hirnstammareflexie 438 Hirnstammaudiometrie 62 Hirnstammimplantat 63 Hirntod – Definition 437 – Feststellung 93 Hirntoddiagnostik 437 Hirschsprung, Morbus 206 HIT = Heparin-induzierte Thrombozytopenie 347 HIV, Muttermilch 180 HIV-Infektion 261 – Geburt 263 – Stillverbot 264 – transfusionsbedingte 336

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Sachverzeichnis

Hypervolämie, Nierenversagen

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Hypervolämie, Nierenversagen 397 Hypoglukagonämie 164 Hypoglykämie 102, 154 – Adrenogenitales Syndrom 378 – geringgradige 105 – Hyperinsulinämie 164 – Hypothermie 175 – Krampfanfall 113 – Leitsymptom 102 – Notfalltherapie 359 – Prävention 106 – rezidivierende 104 – schwere 105 – Symptome 102 – Therapie 104, 166 – therapieresistente 104 – Ursachen 103 Hypokaliämie 365 – EKG-Befund 294 Hypokalzämie 367 – EKG-Befund 294 – Krampfanfall 113 – Ursache 367 Hypomagnesiämie 165, 368 – Krampfanfall 113 Hyponatriämie 364 – Adrenogenitales Syndrom 378 – hypertone 364 – refraktäre 409 Hypophosphatasie 369 Hypopigmentation 417 Hypoproteinämie 206 Hypospadie 426 Hypothermie 59 – Analgesie 60 – Beendigung 60 – Definition 174 – Indikation 59 – Kontraindikation 155 – Therapie 175 – Vasokonstriktion 171 Hypothyreose – antikörpervermittelte 370 – Hormonspiegel 374 – mütterliche 370 – neonatale 372 – Neugeborenen-Screening 352 – primäre 374 – sekundäre 374 – Therapie 374 – transiente 373 Hypothyroxinämie 374 – transiente 373 Hypotonie – arterielle 303 – muskuläre 369

Hypovolämie – Dialyse 399 – Transfusion 340 – Vorgehen 397 Hypoxämie – Apnoe 208 – Hypertonie, pulmonale 307 – klinische Zeichen 220 – Sauerstoffzufuhr 222

I Ibuprofen 306, 448, 467 ICB = intrazerebrale Blutung 383 Ichthyosis – congenita 417 – vulgaris 417 ICP = intrakranieller Druck 391 Icterus – gravis 318 – neonatorum 318 – praecox 318 – prolongatus 318, 320 Ikterus – Bilirubinspiegel 319 – Muttermilchernährung 322 – pathologischer 318 – physiologischer 318 Ileus – hoher 421 – paralytischer 206 Iloprost 240, 467 Imipenem – Dosierung 467 – Dosis, maximale 459 Immunglobulingabe, postexpositionelle 117 Immunthrombozytopenie, Gerinnungsparameter 342 Impfreaktion 286 Impfung – Apnoe 208 – Frühgeborene 285 – Schwangerschaft 117 IMV = Intermittent mandatory ventilation 225 Indometacin 305, 467 – Inkompatibilität 455 Infant-Flow 225 infantiles nephrotisches Syndrom. 401 Infarkt, periventrikulärer, venöser hämorrhagischer = PHI 385 Infektion 245 – bakterielle 275 – Grundlagen 254 – Hydrops fetalis 147 – Initialtherapie 249

– – – – – – – –

katheterassoziierte 253 katheterbedingte 41 konnatale 254 mukokutane 259 nosokomiale, Therapie 250 perinatale 254 septische 181 Streptokokken-B-Infektion 253 – Therapie, adjuvante 252 – transfusionsbedingte 336 – Untersuchungsmaterial 284 – urogenitale 275 – virale 255 Influenza 265 Influenza-Impfung 286 Infusionsgeschwindigkeit 31 Infusionslösung 199 – hyperosmolare 34 Infusionstherapie 193 Infusioperikard 48 Infusothorax 206 Inkubator 176 – Lufttemperatur 173 – Feuchtigkeit 174 Innenohrschwerhörigkeit, Zytomegalie 273 iNO = Inhalative Stickstoffmonoxid-Therapie 237 Inotropika 443 Inspirationsdruck 230 – initialer 17 Inspirationszeit 228, 230 Insulin – Dosierung 467 – Hyperglykämie 107 – Hyperkaliämie 366 – Inkompatibilität 455 Insulinresistenz 106 Intensivmedizin – Beginn 92 – Fortsetzung 93 Intensivstation 138 – Aufnahme 158 – Blutuntersuchung 160 – Entlassung/Verlegung 161 – Herzoperation 314 – Hydrops fetalis 149 – Reanimation 436 – Zwerchfellhernie 151 Intensivtherapie, Nachsorge 380 Intermittierende Hämodialyse 398 intravenöses Pyelogramm 402 Intubation 20 – endoskopische 22 – Fehlbildung 157 – Fehlintubation 22 – Frühgeborene 146

J Jankauer (Absauger) 219 JET = junktional ektope Tachykardie 295 Jodexzess 372 Jodid 467 Jodprophylaxe, Schwangerschaft 116 Junktionalnävus 417

K Kalium 40 – Dosis, maximale 459 – Serumkonzentration 365 Kalium-Elimination 367 Kaliumausscheidung, reduzierte 366 Kaliumcanreonat, pHWert 454 Kaliumchlorid 199 Kaliumjodid 371 Kaliumlaktat 199 Kaliumverlust 365 Kalzium 165 – Inkompatibilität 455 – ionisiertes 367 – Konzentration im Urin 189 – Serumkonzentration – – erhöhte 368 – – erniedrigte 367 – – Normwert 367 Kalzium-Glukonat 467 – Hyperkaliämie 366 – Hypokalzämie 368 – Nebenwirkung 368 Kalzium-Stoffwechsel 367 Kalziummangel 188 Kalziurie 189 Kammerflattern 298 Kammerflimmern 298, 433 – Digitalis-Intoxikation 446

Kammerkomplex, breiter 298 Kammertachykardie, pulslose 434 Kapilläre Füllungszeit 138 Kapnografie 54 Kardiomyopathie, hypertrophe 165 Kardiotokografie 123 Kardiotokogramm – saltatorisches 123 – silentes 123 Kardioversion 295 Katecholamine 252, 309 – Indikation 441 – Inkompatibilität 455 – Kontraindikation 441 – Nierenversagen 397 – Standarddosis 442 Katheter, zentralvenöser 34 – Blutentnahme 41 Katheterdefekt 37 Katheterdysfunktion 41 Katheterlage 203 Katheterspülung 316 Kephalhämatom 162 Keratitis 259 Kernikterus 318 Ketonkörper 355, 362 Kinderakte 139 Kinderchirurgie 419 Kindsbewegung, Dezeleration 124 Kindstod, plötzlicher 413 Klavikulafraktur 162 Kleinhirn, Sonografie 67 Kleinhirnblutung 384 Klippel-TrénaunaySyndrom 418 Klumpfuß 430 Klumpke-Parese 163 Knochenalter, verzögertes 373 Knochenhyperplasie 418 Knochenmarkaplasie 266 Knochenmarkdepression 146 Knochenmineralisierung 188 Knochenwinkel α 79 Knöcherner Erker 79 Knorpeldachlinie 80 Knorpelwinkel β 79 Koffein 440 – BPD 215 Kolon, Hypoplasie 424 Komplexbildner 368 Konakion 139, 342 Konduktion 171 kongenitaler Hyperinsulinismus 105 – PET-CT 105 kongenitales nephrotisches Syndrom 401

Konjunktivitis 137, 251 – Chlamydia trachomatis 275 Kontrastmittel – Jodbelastung 36 – Mekoniumileus 423 Konvektion 171 Konvulsion, tonischklonische 119 Konvulsionsprophylaxe 119 Kopfschwartenelektrode 162 Kopfumfang – bei Geburt 479 Kopfwachstum, exzessives 391 Kornealreflex 438 Koronararterienläsion 315 Körpergeruch, auffälliger 354 Körperkerntemperatur 172 Körperlänge – Jungen 480 – Mädchen 478 Körperoberfläche 439 Körpertemperatur 171 Kortisolbildungsstörung 378 Krampfanfall, zerebraler – Phenobarbital 113 – Therapie 113 – Entzugssyndrom 167 – Diagnostik 112 – klonische 111 – myoklonische 111 – Nierenversagen 397 – Notfalltherapie 361 – subtile 111 – tonische 111 – Vitamin-B6-abhängige 114 – Folsäure-abhängige 360 Kraniorhachischisis 419 Kreatinin 354 – Normalwert 395 Kreatinkinase 354 Kreislaufstillstand 433 Kreislaufzentralisation 317 Kreißsaal – Elternbetreuung 87 – Organisation 128 Krise, okulogyre 354 Kryotherapie, Retinopathie praematurorum 406 Kühlung, bei Asphyxie 59 Kuhn-System 17 Kurzdarmsyndrom 411 Kurzinfusion 456 Kybernin 338

Sachverzeichnis

Lagetyp (EKG) – Komplikation 22 – Ösophagusatresie 421 – Reanimation 432 Inzolen infantibus, Kompatibilität 456 IPE = intraparenchymatöse echodichte Zone 386 IPPV = Intermittent positive pressure ventilation. 226 Ipratropiumbromid 467 – BPD 215 Isovalerianazidämie 352 – Urinuntersuchung 355 Isovist 423 – Mekoniumileus 423 – Mekoniumpfropf 424 IUGR = Intrauterine Wachstumsretardierung 96 IVP = intravenöses Pyelogramm 402

L L-Arginin-Chlorid 199 L-Thyroxin 374 LA/AO-Verhältnis 72, 305 Labor-Normalwerte 484 Lagetyp (EKG) 293

501

Sachverzeichnis

Laktat

502

Laktat 358 Laktat-Kreatinin-Ratio 358, 362 Laktatazidose 107, 358 Laktoseintoleranz 205 Lambda-Sign 120 Lanitop 446 Lanugo 132 Laryngoskop 21 Larynxpapillomatose 265 Lasertherapie, Retinopathia praematurorum 406 Lasix 447 Late neonatal death 16 Late-Onset-Hypothyreose 373 Leberbiopsie 363 Lebereinriss 163 Leberfunktionsstörung 356 Leberkapselschmerz 119 Lebernekrose 368 Lebersequenzszintigrafie 425 Leistenhernie 427 – Inkarzeration 428 Leitsymptome, Neonatologie 96 Lenoxin 446 Leopold-Handgriff 117 Lethargie 318 Leukomalazie 388 Leukozyten, Normalwerte 488 LGA = large for gestational age 16 LHR = lung to head ratio 150 Lidocain – Digitalis-Intoxikation 446 – Dosierung 468 – Krampfanfall 114 – Reanimation 434 Lidödem 275 Linezolid 468 Links-Rechts-Shunt 314 – Lungensequester 429 Linksherzobstruktion 312 Linksherzsyndrom, hypoplastisches 312 Linksherzsyndrom, hypoplastisches, Sauerstofftoxizität 222 Linkstyp, überdrehter 293 Lipoprotein 345 Lippen-Kiefer-GaumenSpalte 420 Liquor, Normwerte 44 Liquordrainage 391 Liquorpunktion 43 – Seitenlage 43 – serielle 391 Liquorraum – intrakranieller, Volumenzunahme 390

Liquorreservoir, subkutanes 392 Liquorresorption 390 Liquorshunt 391 Liquoruntersuchung 363 Listerien 251 Lithiumtherapie 307 Live birth 15 Lokalanästhetika 448 Long-Chain-3-Hydroxy-AcylCoA-Dehydrogenase 360 Long-Chain-3-OH-Acyl-CoADehydrogenase(LCHAD)Mangel 352 Long-QT-Syndrom 298 Lorazepam, Krampfanfall 114 Low cardiac output 311 Low-T3-Syndrom 373 Lown-Klassifikation 301 LP = Lumbalpunktion 42 Lues 276 Luft – mediastinale 217 – subpleurale 217 Lugol-Lösung 371 Lumbalpunktion 42, 247 – Krampfanfälle 112 – Lues, konnatale 277 – Technik 392 Luminal 450 lung to head ratio = LHR 150 Lungenblähung, initiale 17 Lungenblutung, Beatmung 243 Lungenentfaltung, initiale 141 Lungenfehlbildung 428 Lungeninfiltrat 219 Lungenkreislauf, Parallelzirkulation 313 Lungenödem 149, 371 – Beatmung 243 Lungenperfusion – duktusabhängige 311 – verminderte 308 Lungenreifung, Induktion 213 Lungensequester 429 Lungenüberblähung 230 – HFOV 237 Lungenvenenfehlmündung, totale 313 Lungenzyste, kongenitale 429 Lupus erythematodes 299 LVH = Linksventrikuläre Hypertrophie 293 Lymphangiom 429 Lysetherapie 345 Lysin-HCl 468

M MAD = mittlerer Atemwegsdruck = MAP 225, 229 MAG-3 402 Magen, Überblähung 19 Magenrest 188, 204 Magensaftaspirat 204 Magensonde 26 Maggi-Geruch 355 Magill-Zange 21 Magnesium – Dosierung 468 – Gabe, parenterale 199 – Reanimation 434 – Serumkonzentration 204 Magnesium Verla 368 Magnesium-1-hydrogenglutamat 468 Magnesium-AspartatHCl 468 Magnesiumsubstitution, Schwangerschaft 116 Magnetresonanztomografie = MRT85 Magnorbin 368 Makrosomie 164 Malformation, kongenitale pulmonale adenomatoide 428 Malrotation 422 Maltodextrin 19 193 Maltodextrinlösung, Osmolarität 182 Mangelernährung, späte 96 MAS = Mekoniumaspirationssyndrom 219 Masern 265 Maskenbeatmung 17 Maskensitz, korrekter 19 Mastitis 179 Mastopathia, neonatorum 141 Matrix, germinal 383 Mazola-Öl 193 MBU = fetale Mikroblutuntersuchung 124 McCune-AlbrightSyndrom 371 MCT = mittelkettige Fettsäuren 207 MCU = Miktionszystourethrografie 402 Meatus, abnorme Position 426 Meatusstenose 426 Mediahypertrophie 307 Medikamente 454 – venenreizende 456 Medikamentenanamnese 116 Medikamentendosierung 439

Mikroblutuntersuchung, fetale 124 Mikrophthalmus, Rötelnembryopathie 267 Miktionszystourethrografie = MCU402 Milchbildung 178 – reduzierte 181 Milchstau 179 Milien 416 Milzruptur 163 Minderperfusion, zerebrale 309 Mineralokortikoid 379 Mini-CPAP 222 Mobitz-Typ (AV-Block) 299 Molybdän-Kofaktor-Defizienz 361 Mongolenfleck 416 Monogen 192 Morgagni-Hernie 151 Moro-Reflex 156 – extremer 168 Morphin 309, 449 – Dosierung 469 – pH-Wert 454 Morphin-HCl-Lösung 169 Mortalitätsziffern 16 MRSA 439 MRT = Magnetresonanztomografie 85 Mukoviszidose 423 Müller-Struktur 375 Multizystische Nierendysplasie 401 Mumps 265 Mund-zu-Mund-Beatmung 432 Mundsoor 179 Musculus – depressor anguli oris, Aplasie 163 – sternocleidomastoideus, Hämatom 162 Muskelbiopsie 363 Muskelhypertonus 167 Muskelhypotonie 354, 369, 372 Muskeltonus 134 Mutter-Kind-Beziehung 87, 135 Muttermilch – bakteriologische Überwachung 179 – CMV-DNA-positive 179 – Lagerung 179 Muttermilchikterus 322 Muttermilchverstärker 191 Mutterschaftsrichtlinie 117 Mutterschutz 117 Mycoplasma hominis 278 Mydriatikum 406 Myelomeningozele 157

Mykobakterien 277 Mykose 282 – Therapiedauer 252 Myokarditis – EKG-Befund 294 – virale 255 Myokardläsion 315 Myoklonie 168

N

Sachverzeichnis

NAS = neonatales Abstinenzsyndrom Medikamenteneinnahme, Schwangerschaft 116 Medikamentenkonzentration, maximale 458 Medium-Chain-Acyl-CoADehydrogenase 360 Medium-Chain-Acyl-CoADehydrogenase(MCAD)Mangel 352 Megacolon congenitum 83 Mehrling – dichorialer 120 – monochorialer 120 Mehrlingsdiagnostik 119 Mehrlingsgeburt, Besonderheit 122 Mehrlingsschwangerschaft, Überwachung 122 Mekonium 219 – kalzifiziertes 423 Mekoniumabgang 139 – verzögerter 422 Mekoniumabsauger 219 Mekoniumaspirationssyndrom 219 Mekoniumileus 83, 206, 423 Mekoniumperitonitis 423 Mekoniumpfropf 206, 423 Melanosis, pustuläre, neonatale, transiente 416 Membranoxygenation, extrakorporale 240 Membranoxygenator 240 Mendel-Mantoux 277 Meningitis – Therapie 249 – Therapiedauer 252 Meningoenzephalitis, virale 255 Meningomyelozele 419 Meropenem 249 – Dosierung 468 – Dosis, maximale 459 Metallblasenkatheter 22 Methadon 169 Methämoglobinbildung 36 Methadonabusus 167 Methimazol 371, 468 Methylenblau 468 Methylxanthine 440 Metolazon 448 Metronidazol 249, 468 – Dosis, maximale 459 Mezlocillin, Dosis, maximale 459 Miconazol, Dosierung 468 Midazolam 451 – Beatmung 231 – Dosierung 469 – Inkompatibilität 455 – Intubation 20 – Krampfanfall 114 – pH-Wert 454

Nabelarterie, Bougierung 30 Nabelarterienkatheter = NAK 27, 30 – Blutentnahme Austauschtransfusion 61 – Vasospasmus 29 Nabelhernie 428 Nabelinfektion 251 Nabelkatheterlänge 29 Nabelkatheterset 129 Nabelklemme 137 Nabelschnur, Ausstreichen 136 Nabelschnur-Hämatokrit 140 Nabelschnur-pH 140 Nabelschnurbilirubin 322 Nabelschnurblut 146 – Blutgasanalyse 137 Nabelschnurhämoglobin 322 Nabelschnurknoten 137 Nabelschnurkompression 137, 144 Nabelschnurvorfall, Mehrlingsschwangerschaft 122 Nabelstumpf 137 Nabelvenenkatheter = NVK 27, 31 – Fehllage 152 – Hydrops fetalis 148 – Liegedauer 32 – Thrombose 30 Nachsorge – entwicklungsneurologische 380 – sozialmedizinische 380 – sozialpädiatrische 380 Nachsterblichkeit 16 NaCl 367 Naegele-Regel 116 Naevus 417 Nahrung, hypoallergene 182 Nahrungsintoleranz 204 NAK = Nabelarterienkatheter 30 – Blutentnahme Austauschtransfusion 61 Naloxon 469 Narkoseeinleitung 471 NAS = neonatales Abstinenzsyndrom 166

503

Sachverzeichnis

Nasse-Lunge-Syndrom

504

Nasse-Lunge-Syndrom 210 Natrium 316 – Serumkonzentration364 Natriumbenzoat 357, 450 Natriumbikarbonat 316 – Hyperkaliämie 367 – Inkompatibilität 455 – Nebenwirkung 435 – pH-Wert 454 – Reanimation 434 Natriumchlorid 199 Natriumdefizit 364 Natriumglycerophosphat 199 Natriumhydrogenkarbonat, Dosis, maximale 459 Natriumsubstitution 364 Natriumverlust 364 NAVA = neutrally adjusted ventilatory assist 233 Nebennierenrindenblutung 163 NEC, Intubation 209 NEC = Nekrotisierende Enterokolitis 304 Neo-Recormon 453 Neocate 193 neonataler Diabetes 106 – Diagnostik 107 – Therapie 107 nephrotisches Syndrom – infantiles 401 – kongenitales 401 Nervus, facialis – Parese 163 – Verletzung 162 Netilmicin 250, 440 Netzhautablösung 405 Neugeborene – Adaptation137 – Entlassung 140 – Erstuntersuchung 137 – Erstversorgung 135 – Reifebestimmung 131 – Überwachung 138 – Umstellungsprozess, perinataler 141 – Verlegung 139 – Vitalitätsbestimmung 131 – Wochenstation 139 Neugeborenen-Scores 131 Neugeborenen-Screening, erweitertes 351 Neuralrohrdefekt 419 – Prävention 116 Neurofibromatose 417 Neurologie 380 Neuropsychopharmaka 437 Neurotransmitterstörung 360 – Spezialdiagnostik 361 NH3 355 Niacin 201 Nierenagenesie 401, 426

Nierendysplasie 401 – multizystische 401 Nierenerkrankungen – Kongenitale 399 – polyzystische 426 – zystische 400 Nierenfunktion 394 Nierenhypoplasie 401 Nierenphysiologie 394 Nierenvenenthrombose 345, 400 Nierenversagen 394 Nifedipin 127 – Dosierung 469 – Hypoglykämie 105 Nikotinabusus, Stillen 181 Nitroglycerin 469 Nitroprussid-Natrium, Dosierung 469 NMH = niedermolekulares Heparin 347 NO = Stickstoffmonoxid 237 NO-Beatmung 151 NO-Therapie, inhalative 237 Nomogramm 489 Non-thyroidal illness 374 Noradrenalin 252 – Dosierung 469 – Indikation 444 – Kompatibilität 456 – Minimaldosis 442 – pH-Wert 454 – Wirkung 444 Norcuronium 231 Norepinephrin – Kompatibilität 456, 458 – pH-Wert 454 Notfälle, Neonatologie 96 Notstand, rechtfertigender 92 Nuck-Zyste 427 Nulllinien-EEG 438 NVK = Nabelvenenkatheter 31 Nyquist-Effekt 73 Nystagmus 354 Nystatin 179, 249, 470

O O2-Gradient, alveoloarterieller 241 O2-Sättigungsdifferenz, postduktale 308 OAE = otoakustische Emissionen 62 Obduktion 94 Obstruktion, gastrointestinale 420 Octreotid 207 – Hypoglykämie 105 Ödem 364 17-OH-Progesteron 378 Ohr, Reifezeichen 132 Ohranhängsel 430

Ohranomalie, Diagnostik 86 OI = Oxygenationsindex 241 Oligurie 395 Omnibed 146 Omphalozele 157, 424 Ondansetron 356 Operation nach Kasai 426 Opisthotonus 318 Orciprenalin – Minimaldosis 442 – Nebenwirkung 445 – Wirkung 444 Organomegalie 164 Organspende 438 Ösophagusatresie 158, 420 Osteopenie 188 Oszillografie 53 Otitis media 275 otoakustische Emissionen 62 Ovarzyste 425 Overdrive pacing 295 Oxygenierung – extrakorporale 240 Oxygenierungsindex 151

P P-biatriale 293 P-dextroatriale 293 P-dextrokardiale 294 P-sinistroatriale 293 P-sinistrokardiale 294 P-Welle 293 – Verlust 366 PaCO2 229 – hoher 213 Pädiater 128 PAF-Azetylhydrolase 412 Palmarkollateralkreislauf 33 Pancuronium – Dosierung 470 – pH-Wert 454 Pankreatitis 421 Pantothensäure 201 PaO2 229 – hoher 142 – niedriger 213 Papeln, blass-gelbe 416 Papile-Klassifikation 383 Papillomavirus, humanes 264 Paracetamol 448 – Dosierung 470 Parallelzirkulation 313 Parasitämie 279 Paravasat 33, 114 Parenterale Ernährung, Indikationen 194 Parvovirus-B19 265, 482 Patientenrechtegesetz 90 PAV = Proportional assist ventilation 233 pCO2-Überwachung 54

Phenytoin – Dosierung 470 – Dosis, maximale 459 – Inkompatibilität 456 – Krampfanfall 114 – pH-Wert 454 Phosphat 470 – im Urin 189, 204 – Serumkonzentration, erhöhte 367 Phosphatase, alkalische 189 Phosphatmangel 188 3-Phosphoglycerat-Dehydrogenase-Mangel 360 Phrenikusparese 163 PHVD = posthämorrhagische Ventrikelerweiterung 390 Physioneal 399 Physiotherapie 382 Physostigmin 470 PIE = pulmonales interstitielles Emphysem 230 Pierre-Robin-Sequenz 22 Pigmentstörung 416 Pilzinfektion, s. Mykose 282 PIP = positive inspiratory pressure 142, 230 – hoher 226 – Reduktion 213 Piperacillin 470 – Dosis, maximale 459 Plasminogen 345 Plazentahistologie, Mehrlingsdiagnostik 122 Pleuradrainage 217 Pleuraerguss 47 Pleurapunktion 148 Pleurodese 207 Plexusparese – obere 163 – untere 163 Pneumatosis 409 Pneumokokkenimpfung 285 Pneumomediastinum 217 Pneumonie – Chlamydia trachomatis 275 – Ureaplasma-Infektion 278 – Zytomegalie 273 Pneumoperikard 48 Pneumothorax 143, 216 – Nasse-Lunge-Syndrom 210 – Thoraxdrainage 46 pO2-Überwachung 54 Polioimpfung 285 Poliomyelitisimpfung 117 Polydaktylie 430 Polyenfettsäure 182 Polyglobulie 138, 329 Polyhydramnion, Lungenfehlbildung 428 Polyspectran AT 251

polyzystische Nierenerkrankung – autosomal-dominante 401 – autosomal-rezessive 400 Polyzythämie 60 Porphyrie 323 Postterm 15 PPHN = persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen 307 PPSB-Konzentrat 338 PQ-Zeit 293 Präazidose 125 Präbiotika 412 Präeklampsie 118 Präkordium, hyperaktives 304, 311 Prednisolon 470 Pregomin 193 Pressure support ventilation 233 Preterm 15 primärer, konnataler Megaureter 402 Processus vaginalis – offener 427 – Persistenz 427 Prolaktin 361 Prometazin 471 Propofol 451 – Dosierung 471 – Intubation 20 Propofolsyndrom 451 Proportional assist ventilation 233 Propranolol 371 – Dosierung 471 Propylthiouracil 370 Prostacyclin 240 Prostaglandin, inhalatives 239 Prostaglandin E1 312, 471 – Kontraindikation 314 Prostaglandinsynthesehemmer, Mediahypertrophie 307 Prostazyklin 118 – Dosierung 471 Protamin 343 Protaminsulfat 471 Protein C 345 Protein S 345 Protein-C-Mangel 344 Protein-S-Mangel 344 Proteinurie 118 Prothrombin-Mutation 344 ProthrombinkomplexPräparat 342 Protozoeninfektion 279 Prune-Belly-Syndrom 426 Pseudomonas aeruginosa 251

Sachverzeichnis

Pseudomonas aeruginosa PDA = persistierender Ductus arteriosus 76, 304 Peditrace 456 PEEP 142, 149 – hoher 226 – Wirkung 230 PEEP-Ventil 17 Penicillin, Inkompatibilität 455 Penicillin G – Dosierung 470 – Dosis, maximale 459 Penis, Fehlbildung 426 Perfan 445 Perforation – fokale intestinale 408 – singuläre intestinale 408 Perfusionsszintigrafie, zerebrale 438 Perikarderguss 148, 203 Perikarditis, EKG-Befund 294 Perikardpunktion 48 Perinatal mortality rate 16 Peritonealdialyse 398 Peritonitis, Flankenrötung 409 Perivent 17, 142 periventrikuläre Leukomalazie, zystische 388 Peroxidase-Antikörper, thyreoidale 370 persistent loop sign 83 Perspiratio insensibilis 172 Pertussisimpfung 257, 285 Perzentilen-Kurve 478 petCO2 56 Petrussa-Index 133 Peutz-Jeghers-Syndrom 417 Pfannendachlinie 80 PPHN-Syndrom 307 Pfeffer-und-Salz-Retinopathie 267 Pflegeeinheit, offene 177 Pfortaderthrombose 30 pH-Wert, fetaler, Normwert 124 Pharmakologie 439 Pharyngealreflex 438 phase locking 232 Phenobarbital 113, 144, 153, 450 – Beatmung 231 – Dosierung 470 – Entzugssyndrom 169 – Hirntoddiagnostik 437 – Icterus prolongatus 323 – Inkompatibilität 456 – Krampfanfall 113 – pH-Wert 454 Phenprocoumon 347 Phentolamin 443 Phenylketonurie 352

505

Sachverzeichnis

PSV = pressure support ventilation PSV = pressure support ventilation 226, 233 Pterine 362 PTT 341 PTT-Bestimmung 346 Pucken 168 Pulmonalarterie – Rückfluss 305 Pulmonalatresie 312 pulmonales interstitielles Emphysem 226 Pulmonaliswiderstand 309 Pulmonalstenose 312 – EKG-Befund 294 Pulsatilitätsindex (PI) 70 Pulsation, epigastrische 311 Pulsdopplersonografie 70 – transtemporale 71 Pulslosigkeit 433 Punktion – arterielle 40 – intraossäre 39 – venöse 32, 40 Pupille, lichtstarre 438 Pupillenerweiterung 406 Pustulosis, neonatorum benigna 141 PW(Pulsed-Wave)Doppler 73 Pyridoxal-5-phosphat 115 Pyridoxin 471 – Krampfanfall 113 Pyrimethamin 281, 471 Pyruvatdehydrogenase(PDH)Mangel 358 – Diät 359

Q QRS-Dauer 293 QRS-Komplex, deformierter 300 QRS-Verbreiterung 366 QT-Zeit 293 Querschnittlähmung 163 Quick 341

R

506

Rachen-CPAP 20 Rachen-CPAP-Beatmung 410 Randpneumothorax 48 Ranitidin 316 Rapsöl 193 Rauchen 181, 413 Raumforderung, intraabdominelle 425 Reaktionsaudiometrie, elektrische 63 Reanimation – Abbruch 437 – Aufnahme auf Intensivstation 436 – Beatmung 432

– – – – – –

Drugs 433 Ein-Helfer-Methode 433 Elektrotherapie 435 erfolgreiche 436 Erstmaßnahme 431 erweiterte Maßnahmen 436 – Fehlbildung 157 – Frühgeborene 145 – Frühgeburt 93 – Kreislauf prüfen 433 – Leitlinie 93 – Medikamentenapplikation 433 – ThoraxkompressionBeatmung-Verhältnis 431 – Voraussetzung 129 – Vorgehen 142 – Zwei-Helfer-Methode 433 Reanimationseinheit 129 Reanimationsprotokoll 159 Reanimationsraum, Ausstattung 129 Rechts-Links-Shunt 308 – Blutdruck-Normalisierung 309 Rechtsschenkelblock, inkompletter 293 Rechtstyp, überdrehter 293 Reentry-Erregung 295 Reflex, okulozephaler 438 Reflexionsspektrometrie 319 Reifezeichen, neuromuskuläres 131 Reisflocken 193 Rektaltemperatur 172 Rektum, Deszensus 422 Relaxierung 151, 309 – Beatmung 231 – Herzoperation 316 Reokklusionsprophylaxe 346 Resistance-Index (RI) 70 Resonium-Einlauf 367 Respirator – Entwöhnung 224, 231 – HFOV 235 Respiratory mechanical unloading 233 Respiratory syncytial virus 269 Retardierung – asymmetrische 96 – intrauterine 96 – symmetrische 96 Retikulozyten 204 – Normalwerte 487 Retina, Hyperoxie 403 Retinalgefäß 403 Retinopathia praematurorum 403 – Plus-Erkrankung 405 Retinopathie, Apnoe 208

Retrocollis 318 Rh-Inkompatibilität 61 – Kernikterus 320 Rhabdomyolyse 354 Rhesusprophylaxe 116 RI = Resistance-Index 70 Riboflavin 359 Riesenpigmentnävus 417 Rifampicin, Dosierung 471 Rigler sign 83 Ringelröteln 266 Risikoneugeborene, Versorgung 129 Röntgen-Abdomen 82, 409 Röntgen-Thorax 82 – Zyanose 101 Röntgendiagnostik 160 Rooming-in 138 ROP = Retinopathia praematurorum 403 Rotaviren 268 Röteln 267 Rötelnembryopathie 267 RSV-Infektion 269 rtPA = rekombinanter TissuePlasminogenaktivator 345 Rückenmarkverletzung 163 RVH = Rechtsventrikuläre Hypertrophie 293

S Salbutamol 472 – BPD 215 – Hyperkaliämie 366 Salzverlustkrise 379 Sarnat-Score 155 Sauerstoff-Differenz, arteriovenöse 41 Sauerstoffkonzentration, inspiratorische 225 Sauerstoffpartialdruck, arterieller 54 Sauerstoffsättigung 56, 142 Sauerstofftherapie 220 – kontrollierte 407 Sauerstofftoxizität 222 Sauerstoffüberwachung 54 Sauerstoffverbrauch, erhöhter 174 Sauerstoffzufuhr 17 Saugen, non-nutritives 167 Säuglingshüfte, Sonografie 77 Säuglingsnahrung 181 Saugreflex 138, 156 Säuren, organische 357, 359 – Probenentnahme 362 Scandicain 448 Schädelfraktur 162 Schädelnaht 66 Schädelsonografie, transfontanelläre 67 Schadenersatzklage 90

– – – –

Hörvermögen 62 Hüftsonografie 77 pH-Wert, vaginaler 117 Sonografie in der Schwangerschaft 118 – Stoffwechsel 351 – Stoffwechselerkrankung 481 – Toxoplasmose 280 Sectio caesarea 260 – Abnabeln 136 – Geburtsmodus 127 – Mehrlingsschwangerschaft 122 Sedierung 450 – Beatmung 151, 231 – Intubation 20 Seitenfontanelle 66 Seitenventrikel, Punktion 392 Sektion 94 – gerichtsmedizinische 95 Sektionsgenehmigung 94 Seldinger-Draht 34 Seldinger-Technik 33 – reverse 37 Sellick-Handgriff 21 Sepsis – Apnoe 208 – Gerinnungsparameter 342 – Streptokokken-B-Infektion 253 – Therapiedauer 252 Septum, interventrikuläres 72 Serinbiosynthesestörung 360 Serumar 338 Servocontrol-Modus 174, 176 SGA = small for gestational age 16, 96 – Prognose 98 – Therapie 98 – Ursachen 96 Short-Chain-Acyl-CoADehydrogenase 360 Shunt-Implantation 392 Shuntumkehr 309 Shuntversagen 392 SIADH 364 Sichelfuß 430 SIDS, Heimmonitoring 415 SIDS = sudden infant death syndrome 413 λ-Sign 120 Silastikkatheter 35 – Lagekontrolle 36 – ultradünner 37 Silbernitratlösung 137 SIMV = synchronized intermittent mandatory ventilation 228, 233

Single-Donor-System 338 singuläre intestinale Perforation 408 Singultus 111 Sinusbradykardie 299 Sinusknotendysfunktion 299 Sinustachykardie 296 SIRS 245 – Therapiedauer 252 Sitz-Hock-Position 43 sIUGR 121 Sklerose – diffuse mesangiale 401 – tuberöse 417 Skrotalhernie 427 Skrotum – Hyperpigmentierung 378 – Reifezeichen 132 small for gestational age 96 Solutrast 206, 423 – Mekoniumpfropf 424 Soluvit-N 200 Somatostatin 207 Sonnenuntergangsphänomen 390 Sonografie – Abtropfphänomen 65 – Ductus arteriosus, persistierender 305 – Hüftgelenk 77 – Mehrlingsdiagnostik 120 – Schlüssellocheffekt 66 – Screening in der Schwangerschaft 118 – Signalabschwächung 65 – Signalauslöschung, distale 65 – zerebrale – – Hydrozephalus 391 – – Schallfenster 66 – – Ventrikeleinbruchblutung 385 Soor 282 Sophie-Respirator 228 Sozialpädiatrie 380 Spannungspneumothorax 217 – Entlastung 45 Späte Mangelernährung 96 Speichelfluss 421 Spezialnahrungen 192 Sphinkterdysgenesie 271 Spina bifida 419 Spinnaker-Zeichen 217 Spiramycin 281 Spironolacton 447, 472 SpO2, pulsoximetrisch gemessene arterielle Sauerstoffsättigung 221 Spontanatmung, Ausfall 438 Spontanpneumothorax, Begleiterkrankung 426

Sachverzeichnis

Spontanpneumothorax, Begleiterkrankung Schädigung weiße Substanz 389 Schallempfindung 63 Schallleitung 63 Schalltransformation 63 Schallverarbeitung 63 Schiefhals 162 Schilddrüsenhormonsynthese, defekte 372 Schlafmyoklonus, neonataler, benigner 111 Schluckstörung 205 Schnappatmung 141 Schnüffelhaltung 18, 21 Schock – hypovolämischer, Transfusion 338 – kalter 253 – septischer, Bikarbonatgabe 434 – spinaler 163 – warmer 253 Schreien, schrilles 167 Schrittmacher – Herzoperation 315 – Sinusbradykardie 299 – transvenöser 300 Schrumpfniere, dysplastische 426 Schwangerschaft – Beratung 116 – Drogenkonsum 166 – Feststellung 116 – Medikamenteneinnahme 116 – Sonografie-Screening 118 – Verhaltensmaßregel 116 Schwangerschaftsalter – Festlegung 116 – Unsicherheit 93 Schwangerschaftsdauer, Petrussa-Index 133 Schwangerschaftsgymnastik 117 Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung 116 Schwangerschaftszeichen, subjektive 116 Schweißgeruch 355 Schweißtest 423 Schwerhörigkeit, Zytomegalie 275 Schwirren 311 Screening – Blutabnahme, Dokumentation 352 – Blutgewinnung 351 – Dokumentation 351 – Einwilligung 351 – Gruppe-B-Streptokokken 253 – Hepatitis B 140

507

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ST-Hebung

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ST-Hebung 294 ST-Senkung 293 Stammganglienblutung 387 Staphylococcus, aureus 251 Staphylokokken, koagulasenegative 439 Status epilepticus 114 Stephanie-Respirator 25, 225, 228, 233 – Triggersystem 234 Sterbeurkunde 94 Sterblichkeit, späte 16 Steroidprophylaxe, antenatale = ANS 119 Stickstoffmonoxid-Therapie, inhalative 237 STIKO-Richtlinien 285 Stillbirth 15 Stillen 178 – Drogenkonsum 170 – Infektionsübertragung 179 – Nikotinabusus 181 – schmerzhaftes 179 Stillprobleme 178 Stimulation, taktile 136 Stoffwechseldefekt 353 – Krampfanfälle 360 Stoffwechselerkrankung – Diagnostik 481 – Diagnostik, postmortale 363 – Neugeborenen-Screening 481 – Notfalltherapie 355 – Primärdiagnostik 353 – Probengewinnung/Asservierung 362 – Screening 351 – Spezialdiagnostik 355 – Verdachtsmomente 354 Stoffwechsellabor 481 StoffwechselscreeningKarte 273 Stoma 411 STOP-ROP-Studie 407 Storchenbiss 417 Streptokokken-B-Infektion 253 Streptokokken-Gruppe-BAbstrich 117 Streptokokkeninfektion, Therapie 251 Stridor 431 Struma 371 – euthyreote 372 Stuhl 188 – acholischer 425 – blutiger 409 Stuhlabgang 206 Stupor 318 Sturge-Weber-Syndrom 418 Subduralhämatom 162

Substanz, reduzierende 362 Subutex 167 Succinat 359 Suchreflex 138 Sudden infant death syndrome 413 Sulfadiazin 281, 472 Sulfit-Test 362 Sulfitoxidasemangel 354, 361 Supplementierungen 188 – Frühgeborene 188 Suprarenin 143, 300 – Minimaldosis 442 – Pharmakologie 444 – Wirkung 444 Surfactantgabe, Technik 25 Surfactantmangel 211 Surfactanttherapie 212 – Ansprechen, fehlendes 213 Survanta 26 SVES = supraventrikuläre Extrasystole 293, 300 SVT = supraventrikuläre Tachykardie 295 Symmetrische Retardierung 96 Sympathikolyse 371 Synagis 269 Synchronized intermittent mandatory ventilation = SIMV 226, 233 Syphilis 276 Systemkreislauf, Parallelzirkulation 313 Systemperfusion, duktusabhängige 312 Systolikum 304, 314

T T 3 374 T 4 374 T-Verbindung 17 T-Welle – erniedrigte 365 – hohe 366 T-Welle, diskordante 293 T-Zeichen 120 Tachykardie 246, 294 – atrial ektope 295 – Differenzialdiagnose 296 – Digitalis-Intoxikation 446 – fetale 123 – junktional ektope 295 – Kammerkomplex, breiter 298 – supraventrikuläre 295, 434 – – paroxysmale 297 – ventrikuläre 298, 434 Tachypnoe, transitorische 210 Talgdrüsenhyperplasie 416 Tamiflu 265

TAPS = twin anemia polycythemia sequence 121 Tastuntersuchung, vaginale 117 Taufe 94 tcpCO2 = transkutan gemessener CO2-Partialdruck 55 tcpO2 = transkutan gemessener O2-Partialdruck 54 Teicoplanin 472 – Dosis, maximale 459 Temperatur, neonatale 144 Temperaturdifferenz 246 Temperaturmessung 172 Temperaturregulationsstörung 354 Temperatursteuerung 176 Tenckhoff-Katheter 398 Tensilontest 464 TEOAE = transitorisch evozierte otoakustische Emissionen 62 Teratom, retroperitoneales 86 Term 15 Terminale Ureterstenose 402 Termingeborene, Definition 16 Tetanusimpfung – Frühgeborene 285 – Schwangerschaft 117, Tg-Ak = Thyreoglobulin-Antikörper 371 Theophyllin 209 – BPD 215 – Dosierung 472 – Nierenversagen 396 – pH-Wert 454 Therapieverweigerung 92 Thermometer 173 Thermoneutraltemperatur 173 Thermoregulation 171 Thiamazol 468 Thiamin 359 Thiopental, Intubation 20 Thorakozentese 207 Thorax – glockenförmiger 214 – Röntgenaufnahme 82 Thoraxdrainage 45, 47 Thoraxkompression 431 Thromboembolie 343 Thrombolyse 345 Thrombose 33, 344 – arterielle 344 – genetische Untersuchung 344 – venöse 344 Thromboxan 118 Thrombozyten-Antikörperbestimmung 483

Transillumination 217 transkutane Sauerstoffmessung, Zyanose 101 Transpiration, vermehrte 354 Transport-Beatmungsmaschine 146 Transportinkubator 130 Transposition der großen Gefäße 313 Tremor 112, 168, 354 Treponema pallidum 276 Triangle sign 83 Triangular-Cord-Zeichen 425 Trigeminus 300 Triggersystem 232 – NAVA 233 – Stephanie-Respirator 234 Triggerung, Respirationssensor 234 Triglyzeride, Serumkonzentration 204 Trikuspidalatresie 312, 314 – EKG-Befund 294 Trikuspidalklappe 75 Trimethoprim/Sulfamethoxazol 472 – pH-Wert 454 Trinkfaulheit 102 Triplets 300 TRIS 459, 472 – Inkompatibilität 456 Trockenmilch 181 Truncus arteriosus communis 313 TSH-Rezeptor-Antikörper 370, 372 TSH-Screening 373 TSH-Wert 373 Tubenfunktionsstörung 64 Tuberkulose 180, 277 Tubus 20 Tubusfehllage 143 Tubusgröße 23 Tubuslage 21 – Kontrolle 228 – tiefe 22 Tubuslänge 23 Tubusleck, exspiratorisches 24 Tubusobstruktion 17, 24, 236 Tubuswechsel 24 Tumor – angeborener 86 – gastrointestinaler 425 Twin anemia polycythemia sequence 121 Tympanometrie 63, 173 Tyrosinämie 103

U U-Heft 161 U-Welle 365 U1 137 – Geburt, ambulante 139 U2 140 Übergewicht 16 Übertragung 16 Überwässerung 396 – Dialyse 399 Ubiquinon 359 UFH = unfraktioniertes Heparin 346 Ulkusprophylaxe 316 Ultravist 36 – Mekoniumpfropf 424 Umgebungstemperatur, optimale 173 Umintubation 24 Unreife – Apnoe 208 – extreme 92 Unterarmlähmung 163 Untergewicht 16 Unterkühlung 437 Untersuchung, entwicklungsneurologische 381 Untersuchungsmaterial, Stoffwechselerkrankung 362 Untersuchungsmaterial, Versand 284 Urapidil 317 Ureaplasma urealyticum 278 Ureaplasmen 251 Ureterabgangsstenose 402 Ureterobstruktion 394 Ureterstenose, terminale 402 Urethralklappen 402 Urethralobstruktion 394 Urin, Keimnachweis 247 Urinabgang 139 Urinausscheidung 204, 426 – normale 394 Uringeruch, auffälliger 354 Uringewinnung 44 – sterile 44 Urinuntersuchung 204 – Oligurie 396 Urokinase 346 Utriculus prostaticus masculinus 426

Sachverzeichnis

Valium Thrombozytenaktivierung, Hemmung 238 Thrombozytenkonzentrat 337 – Dosierung 339 Thrombozytenstörung 343 Thrombozytenzahl 342 Thrombozytopenie 331 – Candida-Sepsis 283 – Heparin-induzierte 347 – Therapie 253 Thymus, abgehobener 217 Thyreoglobulin-Antikörper 371 Thyreoglobulinmangel 374 – kongenitaler 373 Thyreostase 371 Thyreotoxikose 371 Thyroxin 372, 374 – Dosierung 472 Tinctura opii 169 Tissue-Plasminogenaktivator, rekombinanter 346 Tobramycin 440 – Dosis, maximale 459 – Inkompatibilität 456 – Meningitis 249 – pH-Wert 454 Tod 94 – neonataler 16 Todeszeitpunkt 437 Tokolyse 127 TORCH-Infektion, Nachsorge, entwicklungsneurologische 381 Torticollis, spasticus 430 Totgeborene 15, 87 Totimpfstoff 286 Toxoplasmose – Diagnostik 482 – Screening 280 – Verdacht 140 TPHA-Test 277 TPO-AK = thyreoidale Peroxidase-Antikörper 370 Trach Care 136 Trachealsekret, blutiges 237 Tractocile 127 TRAK = TSH-Rezeptor-Antikörper 370, 372 Traktionsversuch 138 Tramadol 472 Transferrin-Sättigung 453 Transfusion 335 – Dokumentation 336 – Indikation 338 – Vorbereitung 338 Transfusionsgeschwindigkeit 339 Transfusionssyndrom – akutes fetofetales 121 – chronisches fetofetales 121

V Vaginose, bakterielle 118 Vagusreiz 136, 142 Vagusstimulation 295 Vakuumgeburt 162 Valaciclovir, Varizellen, neonatale 271 Valganciclovir 466 Valium 450

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Sachverzeichnis

Vancomycin

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Vancomycin 250, 439 – Dosierung 473 – Dosis, maximale 459 – Inkompatibilität 456 – pH-Wert 454 Variabilität, CTG 123 Varicella-Zoster-Impfung 271 Varicella-Zoster-Infektion 270 Varizella-Zoster-Immunglobulin 271 Varizellen – hämorrhagische 271 – neonatale 271 Varizellenembryopathie 271 Varizellensyndrom, konnatales 270 Vasodilatation – pulmonale 310 – renale 397 Vasodilatator 237, 317 Vasokonstriktion 171 Vasospasmus 30, 41, 368 Vater 88, 135 Vecuronium – Dosierung 473 – pH-Wert 454 vegane Ernährung 192 Vena – basilica 36 – cephalica 36 – femoralis 34 – jugularis – – externa 36 – – interna 34 – mediana cubiti 36 – subclavia 34 Vena mesenterica superior, Inversion 423 Venektasie 418 Venenkatheter, zentraler 34 Ventilation 229 Ventrikel – linker 72, 75 – rechter 72, 75 Ventrikelblutung 383 – Sonografie 385 Ventrikelerweiterung – posthämorrhagische 71, 384, 390 – – Sonografie 386 – – Therapie 391 Ventrikelpunktion 391 Ventrikelseptumdefekt 314 – EKG-Befund 294 Ventrikularindex 391 Ventrikulostomie 392 Venturi-Prinzip 225 Verbrauchskoagulopathie 343 Verbundnävus 417 Verdinikterus 425

Verkalkung, abdominelle 423 Verletzung, innere 163 Vernix 136 Verschlussikterus 421 Verwandtenspende 338 Very low birth weight 16 VES = ventrikuläre Extrasystole 293, 300 Vesikoureterorenaler Reflux 402 Vierkammerblick 74 Vigilanz 156 Virilisierung 375 Virusinfektion – Epstein-Barr-Virus 255 – Hepatitis A 256 – Hepatitis B 256 – Hepatitis C 257 – Herpes-simplex-Virus 258 – Herpesvirus 6, humanes 264 – HIV-Infektion 261 – Influenza 265 – konnatale 255 – Masern 265 – Mumps 265 – Parvovirus-B19 265 – perinatale 255 – respiratory syncytial virus 269 – Rotaviren 268 – Röteln 267 – Varicella Zoster 270 – Zytomegalievirus 272 Virusisolierung 284 Vitalipid infant 200 Vitamin A, BPD 215 Vitamin B6 471 Vitamin D 140 Vitamin E, Retinopathia praematurorum 407 Vitamin K 342 – Zufuhr, parenterale 200 Vitamin K3 359 Vitamin-B6-Mangel 361 Vitamin-B6-Substitution 115 Vitamin-K-Mangel 343 Vitamin-K-Prophylaxe 137 Vitamine 191 – fettlösliche 200 – Lichtschutz 457 – Supplementierung 190 – wasserlösliche 200 Vitaminzufuhr, parenterale 200 Vitium cordis 310 – azyanotisches 316 – Blutmischung – – inkomplette 314 – – komplette 313 – zyanotisches 316 VL = Viruslast 261

VLBW-infant = very low birth weight infant16 (Very) Long-Chain-Acyl-CoADehydrogenase(VLCAD-) Mangel 352 Volumenmangelschock, Bikarbonatgabe 434 Volumentherapie, Herzoperation 316 Volvulus 422 Vorhof – linker 72, 75 – rechter 75 Vorhofflattern 297, 445 Vorhofflimmern 298 Vorhofseptumdefekt, EKGBefund 293 Vormundschaft 92 Vorsorgeuntersuchung, Schwangerschaft 117 VSD = Ventrikelseptumdefekt 294, 314 VT = ventrikuläre Tachykardie 298 VUR = Vesikoureterorenaler Reflux 402 VZV = Varicella-ZosterVirus 270

W Wachstumsdiskrepanz, Zwillingsschwangerschaft 121 Wachstumsrestriktion, selektive intrauterine 121 wachstumsretardierte Kinder, Entlassung 191 Wärmegerät 176 Wärmehaushalt 171 Wärmestrom – äußerer 171 – innerer 171 Wärmeverlust 171 – Inkubator 176 Wärmezufuhr 175 Wasserbilanz 316 Wasserschloss 18 Wasserverlust 365 – insensibler 171, 176 – unreifebedingter 171 Weaning 224, 231 – HFOV 237 Weber-Cockayne-Epidermolyse 417 Wehen, vorzeitige 117 – Definition 16 – Vorgehen 126 Wehentätigkeit, Registrierung 123 Weichteile, Fehlbildung 429 weiße Substanz, diffuse Schädigung 388

Z Zahnschmelzdefekt 318 Zangengeburt 162 Zaroxylin 448 Zerebellum, Verdrängung 419 Zerebrale Krampfanfälle 110 – Diagnostik 112 – Klassifikation 111 – Therapie 113 – Ursachen 110 Zervixabstrich 117 Zervixinsuffizienz 126

Zervizitis 118 Zidovudin – Dosierung 473 – sub partu 263 Zielbereich der Sauerstoffsättigung 221 Zirkulation – extrakorporale 315 – fetale, persistierende 307 – Parallelzirkulation 311, 313 Zirkulationsstillstand, zerebraler 438 Zirkumzision 464 Zittrigkeit 167, 371 ZNS-Fehlbildung 157 Zofran 356 Zuckerauftrennung 363 Zugang – intraossärer 38 – peripher-arterieller 33 – peripher-venöser 32 ZVD = zentraler Venendruck 31 ZVK = zentralvenöser Katheter 34, 41 Zwei-Helfer-Methode 433 Zweitscreening 351 Zwerchfelldefekt 149 Zwerchfellhernie 149

Zwerchfellhochstand 163, 433 Zwerchfellkontraktilität 440 Zwerchfelllähmung 163 Zwerchfellrelaxation 150 Zwilling – dizygoter 119 – monozygoter 119 Zwillingsschwangerschaft – dichoriale diamniote 120 – Geburtsleitung 122 – monochoriale 121 Zyanose 99 – apparative Diagnostik 101 – Diagnostik 99 – Differenzialdiagnosen 100 – Neugeborenes 100 – zentrale 308 Zyanotische Herzfehler 101 Zygotie 120 Zyste, intrazerebrale – konfluierende 388 – Ventrikelpunktion 392 Zystische Nierenerkrankungen 400 Zystische periventrikuläre Leukomalazie 388 Zytomegalie 272 – Prävention 463 – Stillen 179 – Virusnachweis 273

Sachverzeichnis

Zytomegalie Wenckebach-Typ (AVBlock) 299 Whirlpool-Sign 423 Willebrand-Faktor 341 Williams-BeurenSyndrom 369 Windkesselleck 311 Windpocken 270 Winkel α 79 Winkel β 79 Wochenstation – Entlassung 140 – NeugeborenenAufnahme 139 WPW-Syndrom 295 – Leitung, antidrome 298

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Reanimation nach Herz-Kreislaufstillstand (z. B. SIDS) A: Basismaßnahmen Bewusstsein? nein Hilferuf Atemwege freimachen Atmung? nein 5 Beatmungen Bewusstsein? nein 15 Thoraxkompressionen 2 Beatmungen Fortsetzen ohne Unterbrechung

Algorithmus Erweiterte Maßnahmen (s. B)

Notruf nach 1 Minute

B: Erweiterte Maßnahmen Algorithmus Basismaßnahmen (s. A)

Fortsetzen bis Defribrillator bereit Defribrillator anschließen

Adrenalin nach 2. Defi. dann alle 3–5 min.

defibrillierbarer Rhythmus?

ja

1 x Defi 2 min CPR 15:2 nach 3. Defi

Adrenalin sofort, dann alle 3–5 min.

nein

O2-Zufuhr i.v./i.o.-Zugang Atemweg Ursache beseitigen ggf. Atropin ggf. Magnesium

2 min CPR 15:2